Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB: Reformdiskussionen und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428542772, 9783428142774

In der vorliegenden strafrechtsgeschichtlichen Abhandlung geht es um die Entwicklungen, die zur heutigen Normfassung des

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Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB: Reformdiskussionen und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428542772, 9783428142774

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Schriften zum Strafrecht Band 263

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB Reformdiskussionen und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts

Von

Gabriele Meurer

Duncker & Humblot · Berlin

GABRIELE MEURER

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB

Schriften zum Strafrecht Band 263

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – § 142 StGB Reformdiskussionen und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts

Von

Gabriele Meurer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der FernUniversität in Hagen hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14277-4 (Print) ISBN 978-3-428-54277-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84277-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im September 2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen als Dissertation angenommen. Die Schrift entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für juristische Weiterbildung und am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte. Diese rechtshistorische Arbeit zeigt die Entwicklung des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort auf. Die Themenstellung knüpft an eine Reihe von vorangegangenen Dissertationen an, die in einem vom Institut für juristische Zeitgeschichte verfolgten Vorhaben „Vorarbeiten zu einem Historischen Kommentar zum Strafgesetzbuch“ angefertigt wurden. Es ist mir ein besonderes Anliegen, den Wegbereitern und -begleitern dieser Arbeit Dank zu sagen. Zunächst möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Vormbaum bedanken. Er hat mir durch die Anstellung am Institut für juristische Weiterbildung die Möglichkeit zur Anfertigung dieser Arbeit eröffnet. Durch fachlichen Rat, die regelmäßige Betreuung in Doktorandenseminaren und darüber hinaus durch kritische Anmerkungen und Hinweise hat er diese Schrift in vorzüglicher Weise begleitet und vorangebracht. Herrn PD Dr. Jens Sickor möchte ich für die Übernahme des Zweitgutachtens danken. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden, die diese Dissertation in vielerlei Weise unterstützt und ermöglicht haben. Einen Beitrag von besonderem Wert haben sie dadurch geleistet, dass sie an mich und die Vollendung dieser Arbeit glaubten und wohlwollendes Interesse zeigten. Ganz besonders meiner Mutter möchte ich für ihre treusorgende Begleitung danken. Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Freundin seit Studienzeiten, Petra Schall, die sämtliche Phasen dieser Arbeit durch ausgiebige Telefongespräche begleitet hat. Mit großer menschlicher Wärme und Anteilnahme hat sie mich fortwährend ermuntert und unterstützt. Ein Mensch, der diese Arbeit stets mit Wohlwollen begleitet hat, ist leider während des Entstehens dieser Arbeit verstorben. Gudrun, eine Freundin aus Schulzeiten, hat in der ihr eigenen Art mit viel Einfühlungsvermögen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ihr und meinem ebenfalls früh verstorbenen Vater möchte ich diese Arbeit widmen. Auch meinen lieben Kolleginnen und Kollegen vom Institut für juristische Weiterbildung und vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte möchte ich für die angenehme gemeinsame Zeit danken. Die von

6

Vorwort

ihnen ausgehende Harmonie im beruflichen Umfeld sowie die fachliche Diskussion mit ihnen habe ich stets als angenehm erlebt. Ganz besonders möchte ich meiner engsten Kollegin, Dr. Vanessa Bargon, für die angenehme und vertrauensvolle Zusammenarbeit danken. Für seine fachliche Unterstützung verdient PD Dr. Martin Asholt besondere Erwähnung. In seiner Dissertation zur Rechtsgeschichte der Verkehrsdelikte habe ich manche Anregung zu meiner eigenen Arbeit gefunden. Die fachlichen Gespräche mit ihm habe ich regelmäßig als bereichernd erlebt. Schließlich möchte ich mich bei den Mitarbeitern des Bundesarchivs für die entgegenkommende und stets zeitnahe Unterstützung bei der Archivarbeit bedanken. Für das Korrekturlesen des Manuskripts bedanke ich mich bei Edith Dittrich und Kläre Frensch. Leverkusen, im März 2014

Gabriele Meurer

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Sachliche Grundlegung: Probleme und Methoden

13

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 C. Methoden und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 D. Darstellungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Zweites Kapitel Historische Grundlegung

18

A. Das deutsche Partikularrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 B. Erste bundesstaatliche Automobilverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 C. „Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend“ des Großherzogtums Hessen von 1899 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 D. Die Verordnung über das Verhalten von Schiffern nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See von 1876 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Drittes Kapitel Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

27

A. Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) vom 3. Mai 1909 . . . . . . . . . . . 34 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Erster Entwurf von 1906 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Zweiter Entwurf von 1908 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Die Idee der Zwangsgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8

Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik

48

A. Beginn der Strafrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Vorentwurf von 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Reaktionen auf den Vorentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Gegenentwurf von 1911 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Die Denkschrift Kriegsmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Flucht des Führers eines Kraftfahrzeuges, § 194 GE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Kommissionsentwurf von 1913 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Nichteinbeziehung des Kraftfahrzeuggesetzes in die Entwürfe 1919 bis 1930 . . . 54 II. Beschränkung des Täterkreises des § 22 KFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Anpassung der Strafandrohungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Fünftes Kapitel Die Zeit des Nationalsozialismus

58

A. „Nationalsozialistisches Strafrecht“– Denkschrift des preußischen Justizministers Kerrl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Beratungen der amtlichen Strafrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Neuerungen des § 355 E 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Die Kritik der Akademie für Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Weitere Strafgesetzentwürfe der Jahre 1937 bis 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. Entwurf von Juni 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Neufassungen des Entwurfs von April/Juni 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Entwurf vom Dezember 1939, § 380 RStGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Inhaltsverzeichnis

9

D. Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 E. Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Sechstes Kapitel Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

84

A. Besatzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 B. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz (Strafrechtsbereinigungsgesetz) . . . . . . . . . . . . 85 C. Die weiteren Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975 . . . . . 86 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Die Beratungen der Großen Strafrechtskommission ab 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die Beratungen der III. Unterkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Geschütztes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Zur Ausgestaltung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Stellungnahmen des Automobilclubs von Deutschland und des Bundesministeriums für Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Die Beratungen der Großen Strafrechtskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Erste Lesung und E 1959 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Sachbearbeitervorschlag nebst Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Die Beratung in der 101. Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Das geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Die nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen . . . . . . . . . . . . 106 (3) Die Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (4) Fakultative oder obligatorische Strafmilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (5) Beschränkung auf den Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Die Beratung in der 103. Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Stellungnahmen zum E 1959 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Zweite Lesung und E 1959 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Weitere Stellungnahmen zu den Entwürfen 1959 I und II . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Die Entwürfe 1960 und 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Stellungnahmen zum Entwurf 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

10

Inhaltsverzeichnis 3. Die Beratungen der Länderkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962) . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5. Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Neueinbringung des Entwurfs von 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 V. Die Alternativentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 VI. Erstes und Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni und 4. Juli 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

VII. Der Referentenentwurf von 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Vorstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Strafantragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Verzicht auf Versuchsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Die Beratung der Landesjustizverwaltungen im Februar 1973 . . . . . . . . . . . . . 135 VIII. Der Referentenentwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (14. StrÄndG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Die Beratungen im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform . . . . . . . . . . . . . 142 2. Die Stellungnahme des ADAC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Die Neuregelung des § 142 StGB im 13. StrÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Rechtsgrund der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Unerlaubtes Entfernen statt Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Vorstellungspflicht in § 142 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 d) Nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 e) Vom Gesetzgeber nicht verwirklichte Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Siebtes Kapitel Reformdiskussion und Gesetzgebung nach der Neufassung im Jahr 1975

148

A. Die Empfehlungen der Verkehrsgerichtstage 1982 und 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Der 20. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Die Referate Bärs und Hammersteins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Die Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

11

II. Der 24. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Die Referate von Heublein und Berz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Die Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 27. Juni 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Entkriminalisierungsvorschläge der Länder Niedersachsen und Hessen . . . . . . . . . . . 159 D. Der Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 9. Juni 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 E. Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 . . . . . . . 163 F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Der 41. Verkehrsgerichtstag 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Der Reformvorschlag Kubattas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Die Idee zur Ausgestaltung des § 142 StGB zu einem Vermögensdelikt . . . . . . . . 172 IV. Die Verfassungsmäßigkeit des § 142 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 G. Die Einschränkung der Strafbarkeit wegen Unfallflucht durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Achtes Kapitel Zusammenfassung und Würdigung

182

A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 B. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Anhang 1: Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Erstes Kapitel

Sachliche Grundlegung: Probleme und Methoden A. Problemstellung Der Straftatbestand „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ ist im Strafgesetzbuch als § 142 StGB im Siebenten Abschnitt „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“ eingeordnet. Er wurde zuletzt durch das 6. StRG vom 26. Januar 1998 unter Beibehaltung des übrigen Normtextes um eine Regelung der tätigen Reue erweitert. Es bestehen allerdings Zweifel, ob mit dieser ergänzenden Regelung tatsächlich „eine goldene Brücke“1 für den Verkehrsteilnehmer gebaut wurde, der nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, innerhalb von vierundzwanzig Stunden die in Absatz 3 vorgesehenen Feststellungen freiwillig nachträglich ermöglicht.2 Abgesehen von der Regelung der tätigen Reue besteht der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort seit der Reform durch das 13. StrÄG vom 13. Juni 1975 unverändert fort, gilt also schon seit beinahe 40 Jahren. Der aktuelle Tatbestand, der sich über fünf Absätze erstreckt, gleicht mit seiner kasuistischen Würdigung aller denkbaren Verhaltensweisen eher einer Verhaltensrichtlinie als einer Deliktsbeschreibung im üblichen Sinn.3 Dieser ausführlichen Tatbestandsbeschreibung zum Trotz lässt die Normklarheit erhebliche Wünsche offen. Die Regelung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in § 142 StGB wurde schon sehr früh als eine der „am meisten verunglückten Bestimmungen des StGB“ bezeichnet.4 Geppert monierte, dass durch die Änderung von 1975 zwar einige Probleme gelöst, in wenigstens gleicher Anzahl aber neue geschaffen worden seien.5 Anstoß nahm er vor allem an „der exzessiven Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und angesichts der kompliziert-unorthodoxen Beschreibung des gesetzlichen Normbefehls hart an der Grenze des verfassungsrechtlichen Bestimmtheits- und Transparenzgebotes (Art. 103 II GG: nullum crimen sine lege)“.

1

BR-DS 164/2/97, Empfehlungen, S. 6. Siehe hierzu die ausführliche Darstellung in Kapitel 7. 3 So auch Magdowski, S. 11 m.w.N. 4 Lackner, DAR 1972, S. 283 mit Bezug auf Dünnebier, GA 1957, S. 33; Geppert, BA 1986, S. 157, Sch-Sch-Sternberg-Lieben, § 142 Rn. 1. 5 Geppert, BA 1986, S. 157. 2

14

1. Kap.: Sachliche Grundlegung: Probleme und Methoden

Bei der Verkehrsunfallflucht6 handelt es sich um einen relativ modernen Tatbestand, der der technischen Entwicklung des Automobils und deren zunehmender Bedeutung für den Straßenverkehr Rechnung trägt. Die individuelle Mobilität und die Überwindung großer Entfernungen, verbunden mit einer Anonymisierung des Verkehrsgeschehens, waren Herausforderungen, deren Lösung im rechtlichen Bereich auch insoweit ein innovatives Denken erforderte, als historische Regelungen als Anknüpfungspunkte fehlten. Anregungen für die deutschen Regelungen konnten allenfalls aus ausländischen Regelungen entnommen werden, die sich etwa zeitgleich entwickelten. Zunächst versuchte der Gesetzgeber durch Analogie zum Recht der Radfahrer der neuen Entwicklung zu begegnen. Später folgte mit dem Kraftfahrzeuggesetz von 1909 die erste reichseinheitliche Regelung der Fahrerflucht. Mit einer Zahl von 37.000 Verurteilungen im Jahr 20117 stellt sich das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB als ein „Massendelikt“8 dar. Die Zahl der Verurteilungen war in den Jahren 2000 bis 2002, also im Anschluss an die Einführung des § 142 Abs. 4 StGB mit der Möglichkeit zur Nachmeldung innerhalb von vierundzwanzig Stunden, sprunghaft auf 70.000 angestiegen. Sie pendelt sich nun wieder in dem Bereich ein, den sie vor der Regelung der tätigen Reue im Jahr 1998 aufwies. Die Zahl der polizeilich registrierten Verstöße gegen § 142 StGB soll bei etwa 300.000 bis 350.000 pro Jahr liegen.9 Diese hohen Zahlen waren für den Reformgesetzgeber häufig Antrieb für gesetzliche Neuerungen. Insbesondere dem Geschädigten einer Unfallflucht sollte die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Schädiger ermöglicht werden, indem die Unfallbeteiligten zum Verbleib am Unfallort veranlasst wurden und so den Beweissicherungsinteressen des Geschädigten Genüge getan wurde. Die Sicherung der Feststellungen zur Klärung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche, also die Durchsetzung berechtigter und die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu ermöglichen,10 wird heutzutage als der zentrale Schutzzweck des § 142 StGB angesehen. Dieses Schutzgut stand und steht heute 6 „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ ist die gesetzliche Normüberschrift seit der Reform von 1975. Zu Beginn der Normgeschichte stand die Fahrer- und Führerflucht, der 1940 die Verkehrsunfallflucht folgte. Die Normen sind nicht inhaltsgleich. Zu ihrer zusammenfassenden Bezeichnung und aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird der Begriff der „Unfallflucht“ oder „Verkehrsunfallflucht“ anstelle der künstlichen und weitschweifigen heutigen Bezeichnung „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ beibehalten und verwendet, sofern nicht explizit der aktuelle Tatbestand in der Fassung des § 142 StGB ab dem Jahr 1975 gemeint ist. 7 Statistik des Kraftfahrtbundesamtes, Zugang in das Verkehrszentralregister, http://www. kba.de/cln_030/nn_125380/DE/Statistik/Kraftfahrer/Verkehrsauffaelligkeiten/ZugangVZR/ 2011__vzr__z__dusl__delikte__absolut.html; zuletzt abgerufen am 24. 1. 2013. 8 So auch schon Geppert, BA 1986, S. 159 für die damaligen Unfallfluchtzahlen. 9 Kubatta, S. 5; LK-Geppert, § 142 Rn. 7. 10 BT-DS 7/2434, Begründung, S. 5.

B. Forschungsstand

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noch im Zentrum der Diskussion der Norm. Die Entwicklung von einem Konglomerat geschützter Interessen hin zu diesem Schutzzweck soll durch die vorliegende Arbeit dargestellt und auch der diesbezüglich geäußerten Kritik hinreichend Raum gegeben werden. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bietet Möglichkeiten zur Diskussion auch hinsichtlich der Erweiterungen seines Tatbestandes und der damit verbundenen Probleme seiner Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des nemo-tenetur, der ultima ratio und der Bestimmtheit. Indem durch die vorliegende Arbeit die Reform- und Gesetzgebungsgeschichte der Norm nachgezeichnet wird, werden dem Leser Argumente für ein historisch fundiertes Normverständnis geliefert. Der Frage, ob es sich um eine „Historie der missglückten Reformversuche des § 142 StGB“11 handelt, soll ergebnisoffen nachgegangen werden.

B. Forschungsstand Wie schon ein kurzer Blick in die von Geppert im Leipziger Kommentar gegebenen Schrifttumsnachweise zeigt, gibt es eine kaum überschaubare Menge von Monografien und Aufsätzen zur Verkehrsunfallflucht. Nahezu jedes, objektive wie subjektive, Tatbestandsmerkmal wurde beleuchtet und kritisch gewürdigt. Eine vielbeachtete Dissertation zur Verkehrsunfallflucht in der Strafrechtsreform im Vorfeld der Reformdiskussion zum 13. Strafrechtsänderungsgesetz wurde von Magdowski12 verfasst. Hierin findet sich eine dogmatische Einordnung des § 142 StGB sowie eine vertiefte Auseinandersetzung mit dessen Tatbestand. Aus neuerer Zeit sind die Dissertationen von Steenbock13 und Kubatta14 hervorzuheben. Während Kubatta für eine vermögensrechtliche Anbindung im Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort plädiert, hält Steenbock den aktuellen Tatbestand für strafrechtlich nicht haltbar und schlägt stattdessen eine Lösung im Ordnungswidrigkeitenrecht vor. In der strafrechtlichen Kommentarliteratur nimmt die Kommentierung des § 142 StGB einen breiten Raum ein. In den verfassungsrechtlichen Kommentaren finden sich kaum Äußerungen zur verfassungsrechtlichen Einordnung des § 142 StGB. Die historische Entwicklung des § 142 StGB wird in einer Reihe von Monografien und Aufsätzen der eigentlichen Thematik als Einleitung vorangestellt. Regelmäßig werden auf wenigen Seiten die wesentlichen gesetzlichen Änderungen vorgestellt. Relativ ausführlich fällt die Darstellung der Normgeschichte bei Magdowski15 aus, 11 12 13 14 15

Schünemann, DAR 2003, S. 207 ff. Die Verkehrsunfallflucht in der Strafrechtsreform, Diss. 1980. Steenbock, Über die Unfallflucht als Straftat, Diss. 2004. Kubatta, Zur Reformbedürftigkeit der Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB), Diss. 2008. Magdowski, S. 13 – 29.

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1. Kap.: Sachliche Grundlegung: Probleme und Methoden

die sich auf siebzehn Seiten der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Unfallfluchtnorm widmet und dabei auch knapp die Hintergründe einzelner Entwicklungsschritte erläutert. Magdowskis Darstellung endet mit dem 13. StRG 1975. Im Zusammenhang mit der im Zuge des 6. StRG vorgenommenen Einführung der tätigen Reue in die Norm ist die Diskussion um § 142 StGB erneut aufgeflammt. Ein Ende der Reformdiskussion ist nicht abzusehen. Die rechtshistorische Forschung hat bislang noch keine zusammenhängende, die hundertjährige Normgeschichte umfassende Untersuchung hervorgebracht. Asholt16 hat die Gesetzgebung und Reformgeschichte des Verkehrsstrafrechts seit 1871 detailreich dargestellt. Mit seiner Darstellung der Sozialgeschichte des Automobils liefert er Hintergründe dafür, wie der Stand der Technik, Nützlichkeitserwägungen, wirtschaftliche Notwendigkeiten und gesellschaftliche Einschätzungen das Verkehrsstrafrecht beeinflusst haben. Seine Beschreibung beschränkt sich allerdings auf die Straßenverkehrsdelikte im engeren Sinne. Die vorliegende Arbeit thematisiert mit der Verkehrsunfallflucht ein Straßenverkehrsdelikt, das Rechtsgüter außerhalb des Straßenverkehrs schützt, thematisiert also ein Straßenverkehrsdelikt im weiteren Sinn. Sie kann mithin auch als Ergänzung im Hinblick auf eine vollständige Darstellung der Gesetzgebungs- und Reformgeschichte des Verkehrsstrafrechts im weiteren Sinn angesehen werden.

C. Methoden und Fragestellungen Im Mittelpunkt dieser chronologisch aufgebauten Längsschnittuntersuchung stehen die Reformdiskussionen und die Gesetzgebung zu § 142 StGB seit der Entwicklung des Automobils. Dogmatische Kontroversen um einzelne Tatbestandsmerkmale werden insoweit erläutert, als sie Gegenstand dieser Entwicklung sind. Eine vollständige Kommentierung ist mit dieser Arbeit nicht beabsichtigt. Beachtung finden die Arbeiten der jeweiligen gesetzgebenden Körperschaften sowie die amtlichen und nichtamtlichen Entwürfe mit den dazugehörigen Stellungnahmen und Gremiendiskussionen. Aber auch kritische Stimmen und private Reformansätze innerhalb der juristischen Fachöffentlichkeit werden berücksichtigt. Zudem werden Einflüsse der Rechtsprechung auf die Normentwicklung dargestellt. Die vorliegende Arbeit basiert auf einem umfangreichen Quellenstudium im Bundesarchiv in Berlin und Koblenz. Für die Zeit bis 1945 wurden in Berlin die Akten der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Behörden ausgewertet. Mangels eines den gesamten Untersuchungszeitraum umfassenden Aktenbestandes aus dem Reichsjustizministerium und Reichsjustizamt wurden Akten anderer Behörden, wie etwa der Reichskanzlei, zur Vervollständigung des Untersuchungsergebnisses her16 Asholt, Straßenverkehrsstrafrecht: Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts, Diss. 2007.

D. Darstellungsweise

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angezogen. Für die Nachkriegszeit steht im Bundesarchiv in Koblenz umfangreiches und vollständiges Aktenmaterial aus dem Bundesministerium der Justiz zur Verfügung. Wegen dessen Umfangs und Inhaltsdichte wurde auf die Sichtung weiteren Aktenmaterials anderer Behörden verzichtet. Aufgrund ihrer wegweisenden Bedeutung für die Entwicklung des § 142 StGB werden die Verhandlungen und Beschlüsse der Verkehrsgerichtstage in Goslar jeweils ausgewertet und mit ihren impulsgebenden Referaten dargestellt. Zwei zentrale Themen werden sich durch die Darstellung der Reform- und Gesetzgebungsgeschichte hindurchziehen: die Frage nach dem geschützten Rechtsgut und diejenige nach der verfassungsrechtlichen Einordnung der Norm. Deshalb wird der Wandel vom Schutz eines Rechtsgutkonglomerats hin zum Schutz des zivilrechtlichen Beweissicherungsinteresses ausführlich dargestellt und erläutert. Argumente zur verfassungsrechtlichen Begründung der Norm werden im Verlauf der Arbeit aufgezeigt und die Kritik an der Norm wird insbesondere im siebten Kapitel referiert.

D. Darstellungsweise Die Darstellung ist im Wesentlichen chronologisch aufgebaut und zeichnet die Entwicklungslinien nach, die zu einzelnen Gesetzesänderungen führten. Sämtliche Entwürfe und Änderungsgesetze und die diesbezügliche Diskussion innerhalb und außerhalb der parlamentarischen Gremien werden dargestellt. Hier finden auch die Verhandlungen der Verkehrsgerichtstage entsprechende Beachtung. Zum Abschluss eines Kapitels werden die beachtlichen Änderungen im Vergleich zu vorherigen Regelungen zusammengefasst. Im siebten Kapitel wird der Darstellung der aktuellen Normkritik Raum gegeben. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und einer Würdigung der dargestellten Entwicklung. Abschließend enthält die Arbeit eine übersichtliche Sammlung der bearbeiteten Entwürfe und Gesetzesfassungen.

Zweites Kapitel

Historische Grundlegung A. Das deutsche Partikularrecht Eine Vorläufernorm des § 142 StGB, etwa die Normierung einer Halte- und Wartepflicht bezogen auf Kutscher nach einer Kollision von Pferdefuhrwerken, enthielt das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 nicht.1 Strafgesetzliche Regelungen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sind auch in den deutschen Partikularstrafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts nicht zu entdecken. In diesen Gesetzbüchern finden sich lediglich Normen, die überwiegend der Sicherung des Verkehrsweges und seiner Einrichtungen dienten, nicht aber Regelungen zur Sicherung privater Ansprüche im Anschluss an einen Verkehrsunfall.2 Eine Strafbarkeit der Unfallflucht ergab sich auch nicht aus einer Verknüpfung von § 344 Nr. 8 des preußischen StGB von 18513 mit einer entsprechenden landespolizeilichen Verordnung.4 1 Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (ALR) befasste sich in seinem zweiten Teil im fünfzehnten Titel, erster Abschnitt u. a. mit den Rechten und Regalien des Staates in Ansehung der Landstraßen. In den § 25 ff. ALR II 15 wurde das Ausweichen der Fuhr- und Landleute auf den Straßen allgemein durch die Festlegung eines Rücksichtnahmegebotes geregelt. Bestimmte Begegnungssituationen fanden ihre (Ausweich-)Regelungen in § 26 ff. ALR II 15. Nach § 7 ALR II 15 war der freie Gebrauch der Land- und Heerstraßen einem jeden zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen gestattet. Entsprechend der Regelung in § 25 ALR II 15 musste dieser Gebrauch der Landstraßen so ausgeübt werden, dass der Andere an dem gleichmäßigen Gebrauch des Weges nicht gehindert wurde und weder zu Zänkereien oder gar Tätlichkeiten Anlass gegeben wurde. In § 756 ALR II 20 fand sich eine Regelung, die jedermann auf Straßen, Brücken und öffentlichen Plätzen sowie in allen bewohnten von Menschen zahlreich besuchten Gegenden schnelles Reiten und Fahren verbot. Daneben enthielten § 1497 ff. ALR II 20 Strafnormen, die vorsätzliche Beschädigungen mit gemeiner Gefahr an Wegen und Brücken unter Strafe stellten. 2 Das Bayerische Strafgesetzbuch vom 6. Mai 1813 ordnete in Art. 435 allerdings eine Gefängnisstrafe an, wenn durch eine an Wegen oder Brücken absichtlich bewirkte Beschädigung oder Zerstörung die Kommunikation einer Landstraße unterbrochen oder dadurch für Reisende Gefahr oder Schaden verursacht worden war. Daneben stellte Art. 436 die Beschädigung an Meilenanzeigern, Wegweisern, Warnungstafeln, Alleen oder in öffentlichen Gärten, an Ehrendenkmalen, Statuen und andern dergleichen öffentlich ausgestellten Sachen unter Gefängnisstrafe. 3 § 344 Nr. 8 StGB 1851: „Mit Geldbuße bis zu zwanzig Thalern oder Gefängniß bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: […] 8) wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit,

B. Erste bundesstaatliche Automobilverordnungen

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B. Erste bundesstaatliche Automobilverordnungen Nachdem es in der Anfangszeit des Autoverkehrs noch üblich war, dass ein Polizeipräsident einer größeren Stadt den Automobilverkehr durch die Zustellung einer besonderen Verfügung an jeden einzelnen Automobilbesitzer regelte5, wurden in den Jahren von 1900 bis 1904 mit zunehmendem Automobilverkehr zahlreiche Automobilverordnungen erlassen, die den Verkehr mit Kraftfahrzeugen normierten.6 Anstoß zu diesen allgemeinen Regelungen gaben häufige Unglücksfälle, die auf der Ungeschultheit der Kraftwagenführer und der übrigen Verkehrsteilnehmer im Umgang mit dem neuen Verkehrsmittel beruhten.7 Ebenso stellten die technische Unvollkommenheit der Fahrzeuge, scheuende Pferde und die unbesonnene Anwendung des Kraftwagens eine gefährliche Unfallursache dar. So wurde zum Teil ein Verbot der Kraftfahrzeuge verlangt oder aber eine Limitierung der Anzahl der Fahrzeuge durch die Erhebung von Luxussteuern. Gegenstand der erhobenen Forderungen waren eine Geschwindigkeitsregelung, eine kontrollierte Zulassung der Fahrzeuge und eine Fahrprüfung der Fahrzeugführer. Diese Forderungen fanden ihre Umsetzung in zahlreichen Polizeiverordnungen.8 Im Jahre 1905 existierten 31 deutsche Automobilverordnungen, lediglich sechs kleinere Staaten verfügten noch über keine entsprechende Verordnung.9 Diese landesrechtlichen Polizeiverordnungen waren inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt, sodass in den Ländern beispielsweise verschiedene Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten waren. Die preußischen Automobil-Verordnungen wiesen eine hohe wörtliche Übereinstimmung mit der Polizeiverordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen für den Landespolizeibezirk

Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen erlassenen PolizeiVerordnungen übertritt.“ 4 Wohl kamen als der Sicherheit dienende Normen solche, die den Straßenverkehr regelten, in Betracht. Die seinerzeit existierenden straßenverkehrsrechtlichen Normen beschränkten sich jedoch auf die Regelung des Fuhrwerkverkehrs mittels Ausweichregelungen für den Begegnungsverkehr von Fahrzeugen oder auf Beleuchtungsvorschriften für stehende Fuhrwerke. 5 Zeitschrift für Automobil-Industrie 1901, S. 72 f., zitiert nach Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 4. 6 Asholt beschreibt in seiner Dissertation sehr detailreich die historische Entwicklung des Straßenverkehrsrechts; zu den frühen Polizeiverordnungen siehe dort S. 28 ff. In Deutschland war durch § 37 GewO den Städten die Möglichkeit eröffnet, den Fuhrwerksverkehr durch ortspolizeiliche Verkehrsvorschriften zu regeln. Als Ermächtigungsgrundlage für überregionale Verkehrsregelungen war diese Norm jedoch nicht brauchbar, da sie nur den Verkehr innerhalb einer Ortschaft betraf. Außerdem bezog sich diese Vorschrift nur auf den Gewerbebetrieb, nicht aber auf den Privatbetrieb. Damit war eine umfassende reichsrechtliche Regelung für die Rechtsverhältnisse des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen nicht vorhanden. 7 Wunderer, S. 8 ff. 8 Vgl. beispielhaft die Berliner Polizeiverordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 15. April 1901, an der sich zahlreiche andere Verordnungsgeber orientierten. 9 Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 6 ff.

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2. Kap.: Historische Grundlegung

Berlin vom 15. April 1901 auf, der insoweit Vorbildfunktion für die übrigen preußischen Regionen zukam.10 Regelungsgegenstand dieser Automobilverordnungen waren Vorschriften über die zulässige Geschwindigkeit, über die als notwendig erachteten Fähigkeiten der Automobilführer und über die Beschaffenheit der Automobile selbst. Außerdem wurde eine Kennzeichnungspflicht eingeführt, die mit der Registrierung des Fahrzeughalters verbunden war.11 Sofern sie nicht selbst andere Anordnungen enthielt, ordnete die Berliner Polizeiverordnung in § 112 für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (Kraftwagen und Krafträder) die sinngemäße Anwendung derjenigen Polizeiverordnungen an, die den Verkehr von Fuhrwerken beziehungsweise Fahrrädern auf öffentlichen Plätzen regelten. Das waren insbesondere Chausseepolizeivorschriften und Straßenordnungen.13 In seiner Kommentierung zur Berliner Polizeiverordnung wies Isaac darauf hin, dass nur der Verkehr mit Automobilen Gegenstand der Verordnung sei.14 Ein solcher liege dann vor, wenn man sich der Automobile zum Fahren bediene. Bei geführten oder getragenen Automobilen liege allerdings kein „Verkehr mit Automobilen“ vor, sondern ein sich „im Verkehr“ Befinden.15 Als Kraftfahrzeug im Sinne der Berliner Polizeiverordnung wurde jedes Fahrzeug angesehen, das weder durch menschliche noch durch tierische, sondern durch irgendeine mechanische Kraft, unabhängig von Schienen, auf dem Lande fortbewegt wurde, mit Ausnahme der sogenannten Straßenlokomotiven und Dampfwalzen, sodass auch Krafträder erfasst wurden.16 Die Berliner Polizeiverordnung von 1901 enthielt in

10 Bredow, S. 440; Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 8. Als Ermächtigungsgrundlage für diese polizeilichen Verordnungen wurde in Preußen das Polizeiverwaltungsgesetz vom 11. März 1850 in Verbindung mit § 10 ALR II 17 angesehen (§ 10: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“), (Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 3; Bredow, S. 438.), wonach Automobilverordnungen nur zulässig waren a) zum Schutze der Person und des Eigentums; b) zur Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen, Brücken; und c) zur Sorge für Leben und Gesundheit, § 6 PVG. 11 Vgl. § 9 Berliner Polizeiverordnung vom 15. April 1901: „Jedes Kraftfahrzeug, mit welchem innerhalb des Landespolizeibezirks Berlin öffentliche Straßen befahren werden, muß mit einem polizeilichen Kennzeichen versehen sein, welches aus einem Buchstaben zur Bezeichnung des Landespolizeibezirks Berlin oder der derjenigen Provinz, in welcher das Fahrzeug polizeilich registriert ist, und einer Erkennungsnummer besteht.“ (zitiert nach Bredow, S. 441 f.). 12 „§ 1: Für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (Kraftwagen und Kraftfahrrädern) gelten sinngemäß die Vorschriften der den Verkehr von Fuhrwerken beziehungsweise Fahrrädern auf öffentlichen Straßen und Plätzen regelnden Polizeiverordnungen, sofern nicht die nachfolgenden Vorschriften andere Anordnung treffen.“ […] (zitiert nach Bredow, S. 440). 13 Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 18. 14 Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 1. 15 Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 1. 16 Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 12 ff.

C. „Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend“

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§ 3217 die Verpflichtung zu halten, soweit dies zur Vermeidung von Unfällen erforderlich war, sowie eine Signalpflicht zur Warnung der übrigen Verkehrsteilnehmer. Neben diesen und weiteren Unfallpräventionsvorschriften fand sich allerdings keine Unfallfluchtregelung.

C. „Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend“ des Großherzogtums Hessen von 1899 Eine Sonderstellung unter den Polizeiverordnungen, die zu Beginn der Verbreitung des Automobils in Deutschland erlassen wurden, nahm die „Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend“ vom 14. Oktober 1899 des Großherzogtums Hessen18 ein. In dieser Verordnung fand sich, soweit ersichtlich, zum ersten Mal in Deutschland eine Regelung der Unfallflucht im Straßenverkehr. Diese Verordnung enthielt in § 14 Abs. 2 folgende Regelung19 : „Ist ein Radfahrer mit einem Fuhrwerk oder dergleichen zusammengestoßen, oder hat er eine Person an- oder umgefahren, so muß er sofort anhalten und auf Verlangen seinen Namen und Wohnort angeben.“

In § 22 der Verordnung wurde die sinngemäße Anwendung dieser Norm auf Automobile verordnet. Der Text lautete: „Die §§ 10, 11, 12 Abs. 1, 13 – 21 finden auf Automobile sinngemäße Anwendung.“

Die in der Norm beschriebene Tatsituation erfasste einerseits einen Zusammenstoß eines Radfahrers oder Autofahrers (vgl. § 22 der Verordnung) mit einem Fuhrwerk oder dergleichen, andererseits das An- oder Umfahren einer Person. In allen Fällen war also eine physische Einwirkung auf das Tatobjekt erforderlich. Eine reine Sachbeschädigung wurde nicht erfasst, mit Ausnahme des vom Zusammenstoß betroffenen Fuhrwerkes. Hinsichtlich der Art des eingetretenen Schadens stand somit der Personenschaden im Vordergrund. Ein Sachschaden kam im Wesentlichen nur als Schaden am beteiligten Fuhrwerk oder dergleichen in Betracht. Eine Beschränkung auf ein Geschehen im Straßenverkehr war vom Wortlaut der Norm nicht vorgegeben. Als Tatsubjekt nannte die Norm den Radfahrer. Über die Verweisung in § 22 der Verordnung fand die Norm auch auf den Autofahrer Anwendung, sofern man das Lenken des Fahrzeugs als das Merkmal ansah, das die Tatsubjektqualität 17 § 32: „Der Führer hat entgegenkommende, zu überholende, in der Fahrtrichtung stehende oder die Fahrtrichtung kreuzende Menschen, insbesondere auch die Führer von Fuhrwerken, Reiter, Radfahrer, Treiber von Vieh usw. durch deutlich hörbares Signal rechtzeitig auf das Nahen des Kraftwagens aufmerksam zu machen. Er hat ferner langsam zu fahren und zu halten, sofern dies zur Vermeidung von Unfällen erforderlich ist.“ (zitiert nach Isaac, Das Recht des Automobils, 1905, S. 187 f.). 18 VO vom 14. Oktober 1899, Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Nr. 49, S. 625 ff. 19 VO vom 14. Oktober 1899, Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Nr. 49, S. 630.

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2. Kap.: Historische Grundlegung

begründete. Die durch die Norm auferlegten Pflichten bestanden in einer sofortigen Anhaltepflicht sowie der Pflicht zur Angabe von Namen und Wohnort, sofern diese Angaben verlangt wurden. Als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 der Verordnung ergab sich eine Strafbarkeit des flüchtenden Unfallverursachers aus dem Zusammenspiel dieser Haltepflichtregelung und dem § 366 Nr. 10 RStGB.20 Auf diese Verbindung wurde in § 19 Abs. 221 der Hessischen Verordnung ausdrücklich hingewiesen. Die Strafe betrug Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder Haft bis zu 14 Tagen. Zur Beantwortung der Frage, ob nur die vorsätzliche oder auch die fahrlässige Übertretung der Polizeiverordnung strafbar war, wurde auf den näheren Inhalt der das Blankettgesetz des § 366 Nr. 10 RStGB ausfüllenden Polizeiverordnung abgestellt, jedoch wurde bei der polizeilichen Natur der Norm im Zweifel Fahrlässigkeit als ausreichend erachtet.22 Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 der Hessischen Verordnung ergaben sich keine Hinweise auf eine Differenzierung von vorsätzlicher und fahrlässiger Tatbegehung, sodass im Zweifel auch Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gegeben war. Zur Motivation des hessischen Verordnungsgebers sind keine Materialien verfügbar.23

20 Diese Norm, die die Regelung des § 344 Nr. 8 StGB von 1851 fortführte, lautete: „Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft: 10. wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequemlichkeit, Reinlichkeit und Ruhe auf den öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt.“ 21 § 19 Abs. 2: „Zuwiderhandlungen gegen die übrigen Vorschriften dieser Verordnung (Anm. das sind solche, die nicht die Entrichtung der in § 19 Abs. 1 behandelten Stempelabgaben betreffen) werden, sofern nicht nach anderen Strafbestimmungen höhere Strafen verwirkt sind, auf Grund des § 366 Ziffer 10 des Reichsstrafgesetzbuchs mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.“ 22 Frank, 1908, S. 602; von Olshausen, 1927, Band 2, S. 2061. 23 Auf eine entsprechende Anfrage teilte das Hessische Staatsarchiv Darmstadt am 2. Mai 2008 unter dem Aktenzeichen 526 M 1494/08 mit, dass der größte Teil der Unterlagen des Innenministeriums, das den Entwurf der Verordnung ausgearbeitet haben müsse, im Krieg vernichtet worden sei. Vom Justizministerium, das seit 1896 wieder vom Innenministerium getrennt gewesen sei, lägen zwar die Verordnung, nicht aber Material zu deren Ausarbeitung oder Kommentare vor. Den Beilagen und Protokollen des Landtages (Verhandlungen der 2. Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen in den Jahren 1897/1900, Protokoll Nr. 15, Beilagen 160 und 180) sei zu entnehmen, dass man 1897 ein Gesetz verabschiedete, das die Regelung des Fahrrad- und Automobilverkehrs zunächst für zwei Jahre auf dem Wege der Verordnung vorsah, um Erfahrungen zu sammeln, bis auch die inhaltlichen Regelungen in ein Gesetz fließen sollten. In einer Polizeiverordnung des großherzoglichen Ministeriums des Innern und der Justiz vom 12. Juli 1889 an die Kreisämter (in G 15 Bensheim X 104) finde sich der entsprechende Passus zur Unfallflucht noch nicht.

D. Verhalten von Schiffern nach einem Zusammenstoß von Schiffen

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D. Die Verordnung über das Verhalten von Schiffern nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See von 1876 Eine frühe, soweit ersichtlich sogar die erste, Regelung der Unfallflucht, die in der juristischen Literatur kaum Erwähnung und Beachtung gefunden hat24, enthielt die Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See vom 15. August 1876.25 Im Bereich der Seeschifffahrt hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der technische Wandel hin zum schnelleren Verkehrsmittel in Form eines Übergangs vom Segelschiff zum Dampfer bereits einige Jahrzehnte vor der Entwicklung im Straßenverkehr vom Pferdefuhrwerk zum Automobil vollzogen. Die Einführung des Dampfschiffes führte zu einer Erhöhung der Geschwindigkeit des Verkehrs auf See sowie zum Aufkommen der Linienschifffahrt und damit zu einer Zunahme des Schiffsverkehrs. Hinzu kam, dass insgesamt die Schiffe durch die einsetzende Verwendung von Eisen und Stahl statt Holz als Baumaterial größer und damit weniger wendig wurden und dass die Segelschiffe im Vergleich zu motorbetriebenen Schiffen in ihrer Wendigkeit unterlegen waren, weswegen Vorfahrts- und Ausweichregelungen erforderlich wurden. Beides hatte zur Folge, dass ab 1840 in England, Hamburg, Lübeck, Frankreich, den Niederlanden und Preußen staatliche Richtlinien, insbesondere über das Ausweichen und die Lichterführung von Schiffen erlassen wurden. Die ersten zusammengefassten „Regulations for preventing collisions at Sea“ entstanden auf Initiative Englands und fanden Nachahmung in allen europäischen Schifffahrtsländern.26 Die Verordnung vom 15. August 1876 war eine derjenigen Verordnungen, die aufgrund des in § 145 RStGB von 187127 enthaltenen Blankettstrafgesetzes28 erlassen wurden. § 145 RStGB sollte gewährleisten, dass auf diesem Wege die als vorbildlich erachteten großbritannischen Normen möglichst schnell und flächendeckend innerhalb der deutschen Küstenstaaten umgesetzt wurden.29 Der Begriff der Übertretung wurde in § 145 RStGB nicht technisch im Sinne des § 1 RStGB30 24

Ein Hinweis auf die Existenz dieser Regelung findet sich bei Dünnebier, GA 1957, S. 35. RGBl. 1876, S. 189. 26 Beckert, S. 231. 27 § 145 RStGB 1871: „Wer die vom Kaiser zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Thalern bestraft.“ In der Einleitung zu der Verordnung heißt es: „Wir Wilhelm […] verordnen […] auf Grund des § 145 des Strafgesetzbuches […].“ 28 Schaps-Mittelstein, S. 802. 29 Oppenhoff, S. 286. 30 § 1 RStGB 1871: „Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungshaft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist Vergehen. Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe von mehr als fünfzig Thalern bedrohte Handlung ist ein Vergehen. Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu funfzig Thalern bedrohte Handlung ist Uebertretung.“ 25

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2. Kap.: Historische Grundlegung

verstanden31, sodass nicht darauf abzustellen war, ob eine mit Haft oder Geldstrafe bis zu fünfzig Talern bedrohte Handlung vorlag. Ausreichend war vielmehr eine Verletzung, eine Zuwiderhandlung, ein Entgegenhandeln oder auch ein Nichtbefolgen.32 Jedoch musste die Normverletzung schuldhaft erfolgen, wobei aufgrund der Zugehörigkeit der übertretenen Norm zum Polizeirecht und damit des polizeilichen Charakters der Delikte vorsätzliches und fahrlässiges Zuwiderhandeln von der Strafandrohung erfasst wurden.33 Anhaltspunkte für eine andere Bewertung waren der hier einschlägigen Verordnung nicht zu entnehmen. Die verhängte Strafe war eine Geldstrafe in Form einer Vergehensstrafe, vgl. § 1 RStGB. Die Tat verjährte in drei Jahren, § 67 RStGB34. Die Unfallfluchtregelung fand sich in den §§ 1 und 2 der Verordnung. „§ 1 Nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See hat der Führer eines jeden derselben dem anderen Schiffe und den dazu gehörigen Personen zur Abwendung oder Verringerung der nachtheiligen Folgen des Zusammenstoßes den erforderlichen Beistand zu leisten, soweit er dazu ohne erhebliche Gefahr für das eigene Schiff und die darauf befindlichen Personen im Stande ist. Unter dieser Voraussetzung sind die Führer der beteiligten Schiffe verpflichtet, so lange beieinander zu halten, bis sie sich darüber Gewißheit verschafft haben, daß keines derselben weiteren Beistandes bedarf. §2 Vor der Fortsetzung der Fahrt hat jeder Schiffsführer dem anderen den Namen, das Unterscheidungssignal, sowie den Heimaths-, den Abgangs- und den Bestimmungshafen seines Schiffes anzugeben, wenn er dieser Verpflichtung ohne Gefahr für das letztere genügen kann.“

Als mögliche Täter der hier beschriebenen Haltepflicht auf See kamen als Führer des Schiffes sowohl der Schiffer selbst als auch dessen berufener Vertreter35 in Betracht. Aus §§ 1 und 2 der Verordnung war jeder Führer der beim Zusammenstoß beteiligten Schiffe gegenüber jedem beteiligten Schiff verpflichtet. Nicht verpflichtet waren die nur zufällig am Unfallort anwesenden Schiffsführer.36 Hinsichtlich der Art des Zusammenstoßes wurde nicht zwischen leichten und schweren Kollisionen unterschieden. Es war auch gleichgültig, wer den Zusammenstoß ver31

von Olshausen, S. 656. von Olshausen, S. 656. 33 von Olshausen, S. 656. 34 § 67 RGSGB 1871: „[…] Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten. […]“. 35 Eine diesbezügliche Klarstellung ergibt sich aus der Kaiserlichen Verordnung vom 29. Juli 1889, RGBl. 1889, S. 32, zur Ergänzung der Verordnungen über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See vom 15. August 1876 und zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar 1880, RGBl. 1889, S. 171. 36 Stenglein, S. 510. 32

D. Verhalten von Schiffern nach einem Zusammenstoß von Schiffen

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schuldet hatte. Die Verpflichtungen bestanden nur insoweit, als ihre Erfüllung ohne Gefahr für das eigene Schiff blieb. Zu den Verpflichtungen zählten vorrangig die Einstellung der Fahrt nach dem Zusammenstoß, wobei die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Zustand des eigenen Schiffes zu untersuchen, bevor Hilfsmaßnahmen ergriffen oder diesbezügliche Erkundigungen getätigt wurden.37 Daneben bestand die Verpflichtung zur Vergewisserung über die Notwendigkeit und die Art der Beistandsleistung und zur Erbringung des verlangten oder als notwendig erkannten Beistandes. Auch war der Schiffer zur nochmaligen Anfrage oder zur sonstigen Vergewisserung über die Erforderlichkeit weiteren Beistandes verpflichtet sowie zur Mitteilung der in § 2 aufgezählten Angaben, wie des Namens, des Unterscheidungssignals sowie des Heimat-, des Abgangs- und des Bestimmungshafens an den Führer des anderen Schiffs. Die Erfüllung dieser Angabepflicht setzte voraus, dass die Angaben auf dem anderen Schiff auch verstanden wurden.38 Der andere Schiffsführer als Adressat der Angaben war somit als Feststellungsberechtigter anzusehen. Bei der Beistands- und Auskunftspflicht handelte es sich um zwei voneinander unabhängige Pflichten. Die Auskunftspflicht nach § 2 existierte, ohne dass eine diesbezügliche Anfrage abgewartet werden musste, jedoch wurde die erst auf Anfrage erfolgte Beantwortung als nicht strafbar anerkannt.39 Der Schiffer sollte nicht erst die Frage oder die Aufforderung zu diesen Angaben, etwa durch Signalgebung, abwarten.40 Als strafbar wurden unvollständige, unrichtige oder nicht verständliche Angaben angesehen.41 Für die Ansicht Dünnebiers42, in den genannten Vorschriften sei eine Vorstellungspflicht enthalten, bieten weder der Normtext noch die zeitgenössische Kommentierung Anhaltspunkte. Konnte der Schiffer annehmen, dass er dem anderen Unfallbeteiligten bekannt war, traf ihn die Verpflichtung aus § 2 nicht.43 Allein die deutliche Aufschrift des Schiffsnamens auf dem Schiff war jedoch nicht ausreichend, um den Schiffsführer von seiner Pflicht zur Angabe des Namens etc. zu entbinden. Die Angaben mussten in zeitlicher Hinsicht vor Fortsetzung der Reise gemacht worden sein.44 Ein augenblickliches Weitertreiben des Schiffes oder ein Kreuzen an der Unfallstelle war für das Verweilen an der Unfallstelle ausreichend. Vorwiegend wirtschaftliche Gründe waren neben humanitären Motiven für die Reeder der an einem Zusammenstoß beteiligten Schiffe ausschlaggebend dafür, ihre Schiffer nach einer Kollision zu einem Verbleiben am Unfallort und zur Hilfeleistung

37 38 39 40 41 42 43 44

Stenglein, S. 510. Perels, S. 37. Stenglein, 1903, S. 511; Brodmann, S. 849 m.w.N. Perels, S. 37. Stenglein, 1903, S. 511. GA 1957, S. 35. Brodmann, S. 849 m.w.N. Stenglein, 1903, S. 511.

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2. Kap.: Historische Grundlegung

zu instruieren.45 Aus Art. 73646 i.V.m. Art. 451 ff.47 ADHGB ergab sich eine Schadensersatzverpflichtung des Reeders des Schiffes, dessen Besatzungsmitglieder den Unfall verschuldet hatten. In § 452 ADHGB war die Haftung des Reeders auf Schiff und Fracht beschränkt. Junge offenbarte in seinen Instruktionen an die Kapitäne, dass selbst vor dem Hintergrund dieser Haftungsbeschränkung ein ganz erhebliches materielles Interesse an der Bergung des beschädigten Schiffes bestehen konnte. Nach seiner Darstellung war es ein Irrglaube anzunehmen, dass der Versicherer des eigenen Schiffes unter allen Umständen den vollen angerichteten Schaden ersetzen müsse, da die Versicherer nur bis zu dem versicherten Betrag von Schiff und Ladung hafteten. Für den Fall, dass einem Dritten ein Kollisionsschaden zu bezahlen sei, der für sich allein oder mit dem Schaden am eigenen Schiff zusammengerechnet die Versicherungssumme übersteige, sei der überschießende Teil aus eigener Tasche, also von Seiten der Reederei, zu zahlen. Eine solche Situation könne sich dann leicht ereignen, wenn die Haftung des Reeders sich nach einem ausländischen Recht richte, wonach der Reeder auch persönlich hafte.48

45

Vgl. hierzu Junge, S. 51 ff. Art. 736: „Wenn zwei Schiffe zusammenstoßen und entweder auf einer oder auf beiden Seiten durch den Stoß Schiff oder Ladung allein, oder Schiff und Ladung beschädigt werden oder ganz verloren gehen, so ist, falls eine Person oder Besatzung des einen Schiffs durch ihr Verschulden den Zusammenstoß herbeigeführt hat, der Rheder dieses Schiffs nach Maßgabe der Artikel 451 und 452 verpflichtet, den durch den Zusammenstoß dem anderen Schiff und dessen Ladung zugefügten Schaden zu ersetzen. Die Eigentümer der Ladung beider Schiffe sind zum Ersatze des Schadens beizutragen nicht verpflichtet. Die persönliche Verpflichtung der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen für die Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, wird durch diesen Artikel nicht berührt.“ (zitiert nach Basch, S. 435). 47 Art. 451: „Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen zufügt.“ Art. 452: „Der Rheder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich, sondern er haftet nur mit Schiff und Fracht: […] 3) wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung gegründet wird.“ (zitiert nach Basch, S. 361). 48 Junge, S. 52. 46

Drittes Kapitel

Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz A. Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906 Die 31 Polizeiverordnungen zur Regelung des Automobilverkehrs ergaben ein „buntes Bild partikularistischer Bestimmungen“,1 das bei den davon betroffenen Automobilnutzern eine Missstimmung hervorrief.2 Dieses Unbehagen beruhte darauf, dass sich im zunehmend auch länderübergreifenden Automobilverkehr zum Beispiel die einzuhaltenden Geschwindigkeitsgrenzen ändern konnten oder dass das Fahrzeugkennzeichen in einem benachbarten Land an anderer Stelle anzubringen war. Ein Automobilfahrer, der eine längere Reise durch mehrere Länder plante, war gehalten, sich vorab anhand der Fachliteratur über die verschiedenen Verkehrsvorschriften in den zu passierenden Ländern, Bezirken und Städten zu informieren.3 Aber auch die übrigen Verkehrsteilnehmer verlangten nach einer strengeren Reglementierung des Straßenverkehrs.4 Insbesondere nahm die Bevölkerung Anstoß an dem rücksichtslosen Fahrverhalten der sogenannten „Herrenfahrer“, die den 1

Isaac, Der Motorwagen 1904, S. 61 ff., 74. Wunderer, S. 10. 3 Der Abgeordnete Prinz zu Schönaich-Carolath schilderte in seiner Reichstagsrede vom 26. Februar 1904 (Reichstagsprotokolle, S. 1289) die Situation folgendermaßen: „Aus Offenbach in Hessen fährt ein Fabrikant nach Langenschwalbach in Preußen. Sein Automobil ist nach den hessischen Vorschriften numeriert und mit der vorschriftsmäßigen Tafel versehen. Er kommt nach Langenschwalbach. In Langenschwalbach geht der Vertreter der Ortspolizeibehörde an dem Hotel vorbei, wo das Automobil hält; er ruft den Wachtmeister der Gendarmerie und beauftragt denselben, da das Automobil eine falsche Tafel habe, den Automobilbesitzer in Strafe zu nehmen. Der Herr aus Offenbach bekommt ein Strafmandat, weil sein Automobil nicht den preußischen Vorschriften genügt und entspricht. Darauf weist dieser Fabrikant aus Offenbach nach: ich habe ganz genau die hessischen Vorschriften befolgt; er fügt ein Zertifikat des Großherzoglich hessischen Polizeiamts Offenbach bei, woraus hervorgeht, daß das Polizeiamt ihm selbst gesagt hat: so und so mußt du es machen, und daß das Polizeiamt in Offenbach diese Tafel für durchaus korrekt befunden hat. Der Fabrikant schickt diese Angaben an das Königlich preußische Landratsamt, worauf der Fabrikant aus Offenbach eine Vorladung zum Termin nach Langenschwalbach erhält, um vernommen zu werden. Darauf hat der Fabrikant die Strafe bezahlt; er hat gedacht: es ist besser, ich bezahle, als daß ich noch zum Termin nach Langenschwalbach gehe und Zeit verliere.“ 4 Vgl. die Schilderungen von Prinz zu Schönaich-Carolath, Reichstagsprotokolle, 43. Sitzung, 26. Februar 1904, S. 1287, 1288 ff. 2

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

öffentlichen Straßenraum für sich allein beanspruchten und dabei die nötige Rücksichtnahme vermissen ließen. Der Wandel vom Lebensraum Straße, der bis dahin beispielsweise Kindern als Spielplatz diente, hin zum Verkehrsraum Straße mit einer Trennung von Automobilverkehr und übrigem Verkehr war noch nicht vollzogen und damit konfliktbehaftet. Eine im Jahr 1900 durchgeführte Umfrage des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten ergab, dass die preußischen Provinzialbehörden mit Ausnahme von Schleswig-Holstein eine Notwendigkeit allgemeiner Automobilvorschriften für die ganze Monarchie verneinten. Daraus ergab sich, dass in der Zeit von 1901 bis 1903 lediglich Oberpräsidialverordnungen für die einzelnen preußischen Provinzen erlassen wurden, die inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmten.5 Im Jahr 1901 schloss sich Bayern dem Verlangen Schleswig-Holsteins nach einer einheitlichen Regelung an, wobei ein Reichsgesetz für wünschenswert erachtet wurde.6 Der Stellvertreter des Reichskanzlers, Graf von Posadowsky, berichtete in einem Schreiben an den Bundesrat7 vom 27. September 1905, dass bereits im Januar 1901 bei den Bundesregierungen angeregt worden sei, eine Verständigung über den „Erlass gleichartiger Bestimmungen zur Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Wegen und Plätzen“ herbeizuführen. Dieses Ansinnen sei bei sämtlichen Bundesregierungen auf grundsätzliche Zustimmung gestoßen. Die Forderung nach einer einheitlichen Automobilordnung für das gesamte Reichsgebiet wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts seitens der Automobilisten und ihrer Fürsprecher im Reichstag8 sowie in der Fachliteratur erhoben.9 Isaac10 wies auf das Vorhandensein entsprechender Regelungen im europäischen Ausland hin, wobei er die schweizerische Regelung als mustergültig erachtete. Ebenso wie die Eisenbahn müsse der Autoverkehr, der ähnliche Entfernungen überwinden könne, reichseinheitlich geregelt werden. In der Reichstagssitzung vom 18. Februar 190311 berichtete der Staatsminister und Staatssekretär des Innern Graf von Posadowsky-Wehner von einem Antrag der Kartellverbände der Radfahrer und Motorfahrer, der darauf gerichtet sei, einheitliche Grundzüge zwischen den deutschen Regierungen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen auf den öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen zu vereinbaren. Er selbst habe sich diesbezüglich mit sämtlichen verbündeten Regierungen in Verbindung gesetzt und deren Einverständnis zur Festlegung derartiger Grundzüge, die als 5

Isaac, Automobilgesetz, S. 25. Kos´czin´ski, S. 5. 7 BR-DS, 1905, Nr. 114. 8 von Maltzan, Verhandlungen des Reichstags, Sitzung vom 11. 2. 1902, S. 4097; so auch Prinz von Schönaich-Corolath, Reichstagprotokolle vom 26. Februar 1904, S. 1289 ff., Müller (Meiningen), ebda S. 1300 ff. 9 Isaac, Der Motorwagen 1904, S. 61 ff. 10 Isaac, Der Motorwagen 1904, S. 61 ff. 11 Verhandlungen des Reichstages, 261. Sitzung vom 18. Februar 1903, S. 8018. 6

A. Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906

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Grundlage für Polizeiverordnungen dienen sollten, liege vor. Entsprechende Entwürfe seien im Reichsamt des Innern bereits angefertigt worden und lägen derzeit den beteiligten preußischen Ressorts zur Begutachtung vor. Für diese Ausführungen erntete er den Beifall des Auditoriums.12 Am 27. September 1905 übermittelte der Stellvertreter des Reichskanzlers dem Bundesrat einen Entwurf der „Grundzüge, betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Wegen und Plätzen“.13 Diesen Grundzügen waren Erläuterungen14 beigefügt. Diese Erläuterungen wandten sich an die mit der Umsetzung der Grundzüge in den Ländern betrauten Behörden. In seinem Schreiben an den Bundesrat hob Graf von Posadowsky hervor, dass in den Grundzügen besonderer Wert auf die Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge gelegt worden sei. Der Entwurf der Reichskanzlei vom 27. September 1905 enthielt noch keine Regelung der Fahrerflucht. Nachdem der Entwurf den Ausschüssen für Handel und Verkehr und für Justizwesen überwiesen worden war, beantragten Hessen und Württemberg die Aufnahme einer Fahrerfluchtregelung in die Grundzüge. Hessen forderte, zu § 19, der die Signalgebung in Gefahrsituationen und das Verhalten bei einer Begegnung von Kraftfahrzeugen mit scheuenden Pferden regelte, folgenden Absatz 5 anzufügen: „Ist der Führer mit einem Fuhrwerk oder dergleichen zusammengestoßen oder hat er eine Person an- oder umgefahren, so muss er sofort halten und auf Verlangen des Beschädigten oder eines Polizeibeamten die in § 5 genannte Bescheinigung vorlegen.“15

In der Antragsbegründung wurde ausgeführt, dass in zahlreichen Fällen Automobilisten davonführen, wenn sie mit einem Fuhrwerk oder dergleichen zusammengestoßen seien. Die vorgeschlagene Regelung solle ein Einschreiten in diesen Fällen ermöglichen. Ähnlich lautete der Antrag Württembergs vom 17. Dezember 1905, der folgende Regelung als § 18 Abs. 5 der Grundzüge vorschlug: „Im Falle eines Zusammenstoßes des Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen hat der Führer sofort zu halten und die nach den Umständen des Falls gebotene dringende Hilfe zu leisten.“16

Der hessische Antrag war zwar in den Anträgen des Referenten vom 14. Januar 1906 nicht berücksichtigt worden, er fand jedoch die Zustimmung der Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen.17 12 „(Bravo!)“, Verhandlungen des Reichstages, 261. Sitzung vom 18. Februar 1903, S. 8018. 13 BR-DS 1905, Nr. 114. 14 BR-DS1905, Nr. 114. 15 BArch, R 3001/7072, Schriftstück Nr. 10 (nicht paginiert). 16 BArch, R 3001/7072, Schriftstück Nr. 18 R (nicht paginiert). 17 BR-DS 1906, Nr. 66.

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

Als Ergebnis der Beratungen beschloss der Bundesrat am 3. Mai 1906, die verbündeten „Bundesregierungen zu ersuchen, 1. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen in ihren Gebieten nach Maßgabe der anliegenden Grundzüge zu regeln, den zu erlassenden Ausführungsvorschriften die den Grundzügen beigegebenen Erläuterungen dem Inhalt und tunlichst auch dem Wortlaute nach zu Grunde zu legen und die Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge nach dem ebenfalls beigegebenen Plane durchzuführen […].“18

Der Bundesrat konnte keine entsprechende Bundesratsverordnung mit Gesetzeskraft erlassen. Weder durch Art. 7 Abs. 2 der Reichsverfassung noch durch besondere reichsgesetzliche Delegation war er zur Regelung der Materie befugt.19 Vielmehr war er darauf beschränkt, gegenüber den Länderregierungen eine Umsetzungsempfehlung auszusprechen, da gemäß Art. 4 der Reichsverfassung von 1871 das Straßenverkehrswesen einer reichsrechtlichen Regelung nicht unterworfen war.20 Alle Länder erließen anschließend im Wesentlichen entsprechende Normen21, sodass de facto eine einheitliche Verordnung für das Reichsgebiet entstand. Mit dem Inkrafttreten dieser Grundzüge am 1. Oktober 1906 und den darauf basierenden landesrechtlichen Normierungen entstand ein einheitliches deutsches Automobilverkehrsrecht, welches zwar nicht formell, aber materiell gesamtdeutsches Recht darstellte.22 Die Grundzüge lehnten sich inhaltlich eng an die Berliner Polizeiverordnung von 1901 an.23 Sie waren jedoch reicher an Details und berücksichtigten den zwischenzeitlichen technischen Fortschritt.24 In § 1 gaben die Grundzüge vor, dass für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sinngemäß die den Verkehr von Fuhrwerken oder von Fahrrädern auf öffentlichen Wegen und Plätzen regelnden Vorschriften grundsätzlich Anwendung fanden. Darüber hinaus regelten die Grundzüge die Beschaffenheit und Ausrüstung der Kraftfahrzeuge, die Anmelde- und insbesondere die Kennzeichnungspflicht sowie die Fahrerlaubnispflicht. Daneben enthielt § 17 eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die in geschlossenen Ortschaften eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 15 Stundenkilometern vorgab. Allgemein war der Fahrzeugführer zu besonderer Vorsicht in der Leitung und Bedienung seines Fahrzeugs 18

Zitiert nach Isaac, Recht des Automobils, 1907, vor S. 1. Wunderer, S. 10, Isaac, Recht des Automobils, 1907, S. 24 m.w.N. 20 Der Gesetzgebung des Reiches unterlagen nach Art. 4 Nr. 8 das Eisenbahnwesen und gemäß Art. 4 Nr. 13 das Strafrecht. Siehe auch Asholt, S. 29; Prinz von Schönaich-Carolath, Verhandlungen des Reichstages, 43. Sitzung vom 26. Februar 1904, S. 1289 ff.; Kos´cin´sky, S. 6 f. 21 Illigner, S. 2 mit Nachweisen; Isaac, Automobilgesetz, S. 25, 26; Koehne, S. 17; Küper, S. 2. 22 Isaac, Recht des Automobils 1907, S. 24; Wunderer, S. 10. 23 Vgl. Schubert, KFG, S. 271. 24 Vgl. Schubert, KFG, S. 271. 19

A. Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906

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verpflichtet. Ungeeigneten Fahrern konnte gemäß § 27 die Fahrerlaubnis entzogen werden. In § 28 der Grundzüge wurden Zuwiderhandlungen gegen die Regelungen der Grundzüge unter Bezugnahme auf § 366 Nr. 10 RStGB mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen unter Strafe gestellt. Aufgrund der fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Strafrechts hatte § 28 der Grundzüge jedoch nur deklaratorische Funktion.25 Das gesetzgeberische Ziel der Grundzüge formulierte Prinz zu Schönaich-Carolath dahingehend, die Gesundheit, das Eigentum und das Leben des deutschen Bürgers besser als bisher zu schützen. Dabei mahnte er jedoch dazu, die Interessen der aufstrebenden Automobilindustrie hinreichend zu berücksichtigen.26 Die Rücksichtnahme auf die Weiterentwicklung der Kraftfahrzeugindustrie wurde vom Staatssekretär des Reichsjustizamtes Nieberding auch als Grund für das langwierige Gesetzgebungsverfahren angeführt.27 In § 18 Abs. 7 regelten die Grundzüge des Bundesrates die Pflichten des Führers eines Automobils im Anschluss an einen Zusammenstoß. „§ 18 Abs. 7 Im Falle eines Zusammenstoßes des Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen hat der Führer sofort zu halten und die nach den Umständen des Falles gebotene Hilfe zu leisten.“

Ihren Ursprung hatte die Vorschrift in den früheren Verwaltungsvorschriften von Braunschweig und Hessen.28 Vorausgesetzt wurde ein „Zusammenstoß“ des Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen. Hieraus folgte, dass eine Halte- und Hilfspflicht auch dann bestand, wenn kein Schaden entstanden war.29 Verantwortliche Person bzw. tauglicher Täter war ausweislich des Normtextes der Führer des Fahrzeugs. Mangels einer allgemeinen Hilfspflichtnormierung wurde die Pflicht zur Hilfeleistung30 in die Regelung des § 18 Abs. 7 der Grundzüge aufgenommen.31 Somit ergab sich eine Verbindung einer Halte- mit einer Hilfspflicht.32 25

Asholt, S. 30. Reichstagprotokolle vom 26. Februar 1904, S. 1290, 1292. 27 Reichstagprotokolle vom 26. Februar 1904, S. 1292. 28 Isaac, Recht des Automobils, 1907, S. 192; vgl. § 31 Abs. 1 Herzoglich-Braunschweigische VO vom 5. März 1903, Gesetz- und VO-Blatt 10, 1903, S. 51, 59: „Ist ein Unfall entstanden, so hat er (der Führer, Anm. d.A.) anzuhalten und die erforderliche Hilfe zu leisten.“ Siehe dann § 14 Abs. 2 der VO des Großherzogtums Hessen vom 14. Oktober 1899, oben Kapitel 2. 29 Isaac, Recht des Automobils, 1907, S. 192; anders die Herzoglich Braunschweigische Verordnung von 1903, die einen „Unfall“ voraussetzte. 30 Siehe hierzu Gieseler, Unterlassene Hilfeleistung – § 323 c StGB, Diss. 1999. 31 Eine Regelung der unterlassenen Hilfeleistung wurde erst 1935 mit § 330 c RStGB als Ersatz des gleichzeitig gestrichenen § 360 Nr. 10 RStGB geschaffen, der lediglich die Pflicht enthielt, auf polizeiliche Aufforderung hin Hilfe zu leisten. 32 Dünnebier, GA 1957, S. 33. 26

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

Die Norm des § 18 Abs. 7 GZ fand nur Anwendung, wenn zumindest ein Kraftfahrzeug an dem Unfall beteiligt war. Der Begriff des Kraftfahrzeugs diente der Abgrenzung von anderen Fahrzeugen. Das Kraftfahrzeug trug vier Wesensmerkmale. Zunächst zeichnete es sich dadurch aus, dass es durch eine ihm selbst eingefügte mechanische, also weder menschliche noch tierische Kraft, bewegt wurde. Außerdem lag die Zweckbestimmung eines Kraftfahrzeugs im Transport von Personen und Sachen, sodass Straßendampfwalzen, Dampfpflüge und ähnliche Maschinen nicht erfasst waren. Kennzeichnend für ein Kraftfahrzeug war weiter die Bewegung auf dem Lande im Unterschied zu Motorbooten im Wasser und Flugzeugen u. Ä. in der Luft. Schließlich bewegten sich Kraftfahrzeuge, anders als Eisenbahnen und Kleinbahnen, nicht auf Schienen. So waren zwar Oberleitungsbusse, nicht aber Schwebebahnen vom Kraftfahrzeugbegriff umfasst.33 Mit der Zuwiderhandlung gegen § 18 Abs. 7 GZ beging der Täter eine Übertretung34 im Sinne des § 1 RStGB. Demnach war der Versuch straflos, ebenso die Begünstigung, z. B. durch die Bezahlung der Strafe durch den Prinzipal des Fahrzeugführers.35 Die Verjährung der Strafverfolgung setzte drei Monate nach der Begehung der Handlung ein (§ 67 StGB); die Strafvollstreckungsverjährung trat zwei Jahre nach Rechtskraft des Urteils ein (§ 70 StGB). Die statistischen Erhebungen des Deutschen Reiches über schädigende Ereignisse beim Betrieb mit Kraftfahrzeugen, die ab April 1906 durchgeführt wurden, könnten einen Hinweis auf die Auswirkungen der erstmaligen reichseinheitlichen Regelung der Unfallflucht geben. Im Zeitraum vom 1. April 1906 bis 30. September 1906 kam es zu 2290 schädigenden Ereignissen im Straßenverkehr, wobei in 462 Fällen sich der Führer des Kraftfahrzeugs der Feststellung durch die Flucht entzog.36 Es ergab sich eine Fluchtquote von 16,6 %. Für die Zeit vom 1. Oktober 1906 bis zum 30. September 1907 wurden 4864 Schadensereignisse gezählt.37 Diesen standen 381 Fluchtfälle gegenüber, sodass sich eine Unfallfluchtquote von 9,5 % ergab. Insoweit zeigte sich eine deutliche Verringerung der Unfallfluchtzahlen im Anschluss an das Inkrafttreten der Grundzüge und der sie umsetzenden Regelungen. In Bezug auf eine Reformbedürftigkeit der Grundzüge wurde jedoch mit einem Anstieg der Schadensereignisse und Todesfälle im Sommerhalbjahr 1907 argu33

Zur Definition des Kraftfahrzeugs siehe Koehne, S. 16; Isaac, Recht des Automobils 1907, S. 42; hinsichtlich der Bewegung durch elementare Triebkraft, der mangelnden Bindung an Bahngleise und der Beförderung von Personen ergibt sich der Kraftfahrzeugbegriff bereits aus dem Einleitungstext zu den Grundzügen und aus deren § 1 Abs. 4, der lautete: „Auf Straßenlokomotiven und schwere Vorspannmaschinen finden die nachstehenden Vorschriften keine Anwendung.“ 34 Isaac, Automobilgesetz 1912, S. 410. 35 Isaac, Recht des Automobils, 1907, S. 262. 36 Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs 1908 I, S. 278. 37 Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs 1908 I, S. 278.

A. Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906

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mentiert. Cnefelius führte aus, dass 2.290 schädigenden Ereignissen mit 51 Todesfällen im Sommerhalbjahr 1906, im Sommerhalbjahr 1907 3.240 Schadensereignisse mit 82 tödlichen Verletzungen folgten.38 Aus dem Anstieg der Todesfallquote von 2,2 auf 2,5 Prozent der Schadensereignisse leitete er die Forderung nach einer schärferen Bestrafung für vorsätzliches und gesetzwidriges Handeln im Verkehr ab und forderte daneben eine erweiterte zivilrechtliche Haftung der Automobilisten für die von ihnen verursachten Schäden.39 Auch wenn sich Koehne gegen eine Bestrafung derjenigen Personen wandte, deren Anordnungen der Täter Folge leisten musste, machte er dennoch den Vorschlag, den Automobilhalter unter Androhung von Strafe zu verpflichten, „jede erhebliche Personen- oder Sachbeschädigung, bei der sein Kraftfahrzeug beteiligt ist, innerhalb 24 Stunden den Behörden anzuzeigen, sobald er davon Kenntnis erhalten hat.“40 Den Strafandrohungen zur Durchsetzung der Polizeivorschriften wurde nur eine geringe Wirksamkeit beigemessen. Ursache hierfür war, dass die Strafe häufig reiche Automobilbesitzer traf, für die eine Geldstrafe von im Höchstfall 60 Reichsmark kein finanzielles Opfer bedeutete, das zu einer Verhaltensänderung Anlass gab.41 Die Grundzüge des Bundesrates und die zu ihrer Umsetzung erlassenen landesrechtlichen Verordnungen boten die Möglichkeit zu einer besseren Kontrolle des Automobilverkehrs42, beispielsweise durch die Einführung eines Zulassungswesens und der Fahrerlaubnisprüfung. Die Kennzeichnungspflicht für die Fahrzeuge erleichterte die Identifizierung des Halters. Dennoch waren die Vorschriften für die zurückgebliebenen Opfer einer Fahrerflucht wenig hilfreich, waren sie doch weiterhin zur Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche auf die allgemeinen Regelungen des BGB angewiesen.43 Aus Anlass einer Revision der Grundzüge Anfang 1909 äußerte der Staatssekretär des Innern gegenüber dem Staatssekretär des Reichs-Justizamtes keinen Änderungsbedarf in Bezug auf die Regelung der Fahrerflucht. Lediglich nach Ansicht des Kaiserlichen Automobilclubs habe diese Vorschrift keinen Wert, solange eine ausdrückliche Strafbestimmung gegen die Zuwiderhandlung fehle.44

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Cnefelius, S. 12. Cnefelius, S. 12. 40 Koehne, S. 25. 41 So wurde von Automobilbesitzern berichtet, die anlässlich ihrer 50. Bestrafung wegen eines Automobilvergehens ein kleines Festessen veranstalteten; vgl. Kos´cin´sky, S. 8, dort Fn. 3. 42 Brock, S. 20. 43 Brock, S. 20. 44 BArch 3001/7072, Schriftstück Nr. 142 (nicht paginiert). 39

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) vom 3. Mai 1909 I. Entstehungsgeschichte 1. Erster Entwurf von 1906 Das Gesetzgebungsverfahren zum Kraftfahrzeuggesetz verlief teilweise zeitlich parallel zur Entwicklung der „Grundzüge betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“. Am 1. März 190645 legte die Reichsregierung dem Reichstag den „Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflicht für den bei dem Betriebe von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden“ vor.46 Der ursprüngliche Entwurf war als reines Haftpflichtgesetz zur Regelung der Haftpflicht wegen Unfällen im Kraftfahrzeugverkehr geplant.47 Er enthielt insgesamt acht Paragrafen. Sie hatten die Regelung der Automobilhaftpflicht zum Gegenstand. Am Anfang des Regelwerks stand § 1, der anordnete, dass im dem Fall, dass bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ein Mensch getötet oder körperlich verletzt oder eine Sache beschädigt wurde, der Betriebsunternehmer verpflichtet sei, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht war nur bei einem Unfall ausgeschlossen, der durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Verletzten verursacht wurde. Dieser erste Entwurf eines Kraftfahrzeuggesetzes, der die Automobilhaftpflicht in Anlehnung an die Bestimmungen über die Haftpflicht für Eisenbahnen regelte, wurde seitens der Anhänger des Automobilsports stark kritisiert, da die in ihm enthaltenen Haftpflichtregelungen als viel zu weitgehend angesehen wurden.48

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Zur zivilrechtlichen Vorgeschichte dieses Entwurfs siehe Schubert, KFG, S. 238 ff. Verhandlungen des Reichstages 1906, Aktenstück Nr. 264, S. 3245 ff.; eine detailreiche Schilderung der Entstehungsgeschichte des Kraftfahrzeuggesetzes mit zivilrechtlicher Schwerpunktsetzung findet sich bei Schubert, KFG, S. 238 ff. 47 Mit der Einführung der Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters erweiterte das Gesetz die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzesbuches. Die deliktische Haftung nach § 823 BGB erfasste nur die Fälle von Vorsatz von Fahrlässigkeit; nach § 831 BGB hatte der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs auch das Verschulden seines Kraftfahrzeugführers als des zu einer „Verrichtung“ Bestellten zu vertreten, wobei ihm jedoch häufig mangels Auswahlverschuldens die Exkulpation möglich war. In diesem Fall stand dem Unfallopfer lediglich der meist vermögenslose Kraftfahrzeugführer (in der Regel handelte es sich um einen gering verdienenden, angestellten Chauffeur) als Anspruchsgegner zur Verfügung, sodass die Forderung gegen ihn häufig wertlos war. Ein weiteres Problem lag darin, dass der Verletzte nachweisen musste, der Automobilfahrer habe den Unfall schuldhaft verursacht – ein Beweis, der häufig nur schwierig oder gar nicht zu erbringen war, etwa weil dem Verletzten keine Zeugen zur Verfügung standen. Insoweit wurde ein Beweisnotstand des Verletzten angenommen (Kos´cin´sky, S. 10). 48 Siehe hierzu den Gegenentwurf des Kaiserlichen Automobilclubs, verfasst von Isaac, Deutsche Wirtschafts-Zeitung, 1906, S. 1059 ff. 46

B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) v. 3. 5. 1909

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In erster Lesung wurde dieser Entwurf am 28. April 1906 in der 89. Sitzung des Reichstages beraten und der XVI. Kommission, die aus 14 Mitgliedern bestand, zur Beratung überwiesen. Die Kommission nahm in erster Lesung den Entwurf ohne Änderungen an. Eine zweite Kommissionsberatung fand in der XI. Legislaturperiode nicht mehr statt. Kos´cin´sky49 führt als Grund für die Verzögerung Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kommissionsmitgliedern an. Die Reichstagsauflösung am 13. Dezember 1906 setzte dem Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich des 1. Entwurfs ein Ende. 2. Zweiter Entwurf von 1908 Der Anstoß zu dem zweiten Entwurf ging u. a. vom Reichstagsabgeordneten Prinz zu Schönaich-Carolath aus, der in der Reichstagssitzung vom 12. Februar 190850 forderte, „die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldtunlichst einen Gesetzentwurf betreffend die Regelung des Autobilwagenverkehrs im Deutschen Reich vorlegen zu wollen“. Der Prinz merkte dazu an, dass er bereits am 27. Februar 1907 einen ähnlich lautenden Antrag eingebracht und am 23. April 1907 eingehend begründet habe.51 Allerdings sei in der Zwischenzeit in dieser Angelegenheit seitens des Gesetzgebers nichts geschehen. Die von der Regierung als Grund für die Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens angeführte fehlende Statistik über die Unfälle im Kraftwagenverkehr müsse inzwischen vorliegen, sodass kein Hemmnis für einen neuen Gesetzesentwurf mehr bestehe.52 Hinsichtlich der Erforderlichkeit eines gesetzgeberischen Tätigwerdens verwies der Prinz auf entsprechende Gesetzgebungsverlangen im preußischen Abgeordnetenhaus und auf die Annahme eines entsprechenden Antrags durch den Deutschen Landwirtschaftsrat am 12. März 1907.53 Seine Mahnung zum baldigen Tätigwerden54 begründete der Prinz mit dem Ziel, fortan einen größeren Schutz für die Fußgänger und für Menschen zu erreichen, die nicht im Auto fahren und sich kein Auto halten könnten.55 Der Abgeordnete zu Schönaich-Carolath zitierte aus der Unfallstatistik von 1907 und stellte fest, dass die Todesfälle im Straßenverkehr prozentual stärker zugenommen hätten als die Erhö49

Kos´cin´sky, S. 18. Siehe Reichstagsprotokoll, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3066 ff.; siehe auch die Resolution Nr. 315 vom 19. April 1907 des Abgeordneten von Maltzan u. a. mit dem Ersuchen an die verbündeten Regierungen, einen Gesetzentwurf zur Automobilhaftplicht vorzulegen, BArch R 1501/114013, Bl. 3 (nicht paginiert). 51 Zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Automobilindustrie verbunden mit einer zeitlichen Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens siehe Haubner, S. 129; Asholt, S. 35. 52 Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3067 ff. 53 Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3067 ff. 54 Auch der Abgeordnete Werner brachte sein Bedauern über die lange Wartezeit auf die Gesetzesvorlage zum Ausdruck, Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3081 ff. 55 Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3068 ff. 50

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

hung der Anzahl der Kraftwagen. Er schloss daraus, dass die Straßenverkehrsverordnungen keinen erzieherischen Einfluss auf die Automobilbesitzer oder Chauffeure ausgeübt hätten. Außerdem erwähnte der Prinz die Zahl von 500 Unfallfluchtfällen sowie 150 versuchten Unfallfluchten im Jahr 1907.56 Wie nachfolgende Redner betonte zu Schönaich-Carolath, dass das zu beschließende Gesetz die Interessen der aufblühenden Automobilindustrie nicht schädigen dürfe, die schon damals in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Zukunftsträchtigkeit erkannt wurde.57 Schließlich stellte zu Schönaich-Carolath die österreichische Automobilhaftpflichtregelung als vorbildlich dar, der Deutschland als Vorreiter im Bereich der Automobilindustrie alsbald Entsprechendes folgen lassen müsse. Der Antrag des Prinzen zu Schönaich-Carolath wurde vom Reichstag einstimmig angenommen.58 In seiner Erwiderung auf die Rede des Prinzen verwahrte sich der Staatssekretär des Reichsjustizamtes Nieberding gegen den Vorwurf der gesetzgeberischen Untätigkeit. Der Reichskanzler habe schon vor dem vollständigen Bekanntwerden der statistischen Erhebungen das Reichsjustizamt mit der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes beauftragt, sobald die Ergebnisse der Statistik vorlägen.59 Der geplante Gesetzentwurf solle in drei Teilen sowohl die Automobilhaftpflicht, die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis und schließlich Strafbestimmungen enthalten, da die polizeilichen Strafvorschriften sich als nicht ausreichend erwiesen hätten. Die Regierung erkenne nach wie vor die Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Einschreitens, auch aufgrund der vorliegenden statistischen Daten. Sie habe aber angenommen, noch abwarten zu müssen, weil in der Zwischenzeit die neuen Verordnungen zur Regelung des Automobilverkehrs auf der Grundlage des Bundesratsbeschlusses Geltung erlangt hätten. Man habe die Auswirkung dieser Normen auf den Automobilverkehr abwarten wollen.60 Nieberding berichtete, dass im Zeitraum von Oktober 1906 bis Oktober 1907 von den unfallbeteiligten Automobilführern 9 % geflüchtet seien, 2 % hätten die Flucht versucht. Der Staatssekretär bezeichnete diese Quoten als wenig wünschenswert. Allerdings stellte er eine Verbesserung gegenüber früheren Zeiten fest, die darin bestehe, dass die unfallbeteiligten Kraftfahrzeugführer nicht mehr wie früher in der gewohnten groben Art sich ihrer Verantwortung entzögen. Die am 1. Entwurf geäußerte Kritik fand Aufnahme in den im Jahr 1908 seitens der Reichsregierung vorgelegten Entwurf zu einem „Gesetz über den Verkehr mit 56

Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3069. Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3068 ff. 58 Siehe Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3084. 59 Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3071. 60 Zur Erwiderung Nieberdings siehe Verhandlungen des Reichstages, 99. Sitzung vom 12. Februar 1908, S. 3084. 57

B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) v. 3. 5. 1909

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Kraftfahrzeugen“, der nicht nur die Automobilhaftpflicht, sondern die gesamte Rechtsmaterie des Kraftfahrzeugwesens regeln sollte. Die Einbeziehung von Strafnormen in das Kraftfahrzeuggesetz war zum ersten Mal vom Reichsamt des Innern am 9. Dezember 1905 in die Diskussion eingebracht worden.61 Nach anfänglicher Ablehnung stimmten dann in der Kommissionsberatung vom 18. Januar 1908 die Sachverständigen und die anderen Ministerien einer Einfügung von Strafnormen in das geplante Kraftfahrzeuggesetz zu mit der Folge, dass die Bundesratsvorlage von 1908 die entsprechenden Regelungen in den §§ 17 bis 19 umfasste.62 Die Norm des § 17 stellte die Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften unter Strafe, die der Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf öffentlichen Wegen oder Plätzen dienten. In § 18 wurde insbesondere das Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Strafe gestellt. Der Tatbestand des § 19 regelte den Kennzeichenmissbrauch. Mit Datum vom 7. April 1908 wurde der Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom Reichskanzler von Bülow dem Bundesrat vorgelegt.63 Der Entwurf gliederte sich in einen ersten Abschnitt zur Haftpflicht, einen zweiten Abschnitt über die Fahrerlaubnis und einen dritten Abschnitt mit Strafvorschriften. Die Strafnormen in den §§ 17 bis 19 des Entwurfs enthielten jedoch keine Regelung zur Fahrerflucht. In der Begründung des Entwurfs wurde ausgeführt, dass infolge der streng durchgeführten Kennzeichnung der Fahrzeuge die Versuche von Fahrern, sich der Verantwortung durch die Flucht zu entziehen, bedeutend seltener geworden seien. Als Argument für diese Ansicht wurde angeführt, dass die Zahl der Fälle, in denen sich der Fahrzeugführer der Feststellung durch die Flucht erfolgreich entzog, im Sommerhalbjahr 1906 noch 16,7 Prozent aller Unfälle betrug, seit Oktober 1906 – das war der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Grundzüge des Bundesrates – jedoch auf 9,5 Prozent gesunken sei.64 Die Vorlage vom 7. April 1908 wurde den Bundesratsausschüssen für Justizwesen sowie für Handel und Verkehr zur Beratung überwiesen. Als Ergebnis der zweiten Lesung wurde in § 19 eine Strafbarkeitsregelung zur Haltepflicht nach einem Zusammenstoß in den Gesetzentwurf eingefügt.65 Der „Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“66 wurde am 24. Oktober 1908 vom Reichskanzler Fürst von Bülow dem Reichstag zur Beratung vorgelegt, in der Fassung, wie er vom Bundesrat beschlossen worden war.67 Anders als zuvor die Reichsregierung erachtete der Bundesrat die Einfügung einer dem § 18

61

Vgl. Schubert, KFG, S. 272 Fn. 86 m.w.N. Vgl. Schubert, KFG, S. 272 Fn. 86 m.w.N. 63 Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrates, 1908, Nr. 62. 64 Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrates, 1908, Nr. 62, S. 14. 65 BArch R 1501/114013 (nicht paginiert). Die Motive, die zur Aufnahme der Norm in den Entwurf führten, sind in der Akte nicht dokumentiert. 66 Reichstag, 1908, Aktenstück Nr. 988, S. 5593 ff. 67 BR-DS 1908, Nr. 62. 62

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

Abs. 7 GZ68 entsprechenden Vorschrift in das neue Kraftfahrzeuggesetz für sinnvoll. Die Reichsregierung hatte sich zunächst auf den Standpunkt gestellt, dass die streng durchgeführte Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge zur bedeutenden Reduzierung der Unfallfluchtfälle geführt habe, sodass insoweit kein Regelungsbedarf bestehe. In der Begründung des Gesetzentwurfs69 wurde nun abweichend von der früheren Einschätzung festgestellt, dass die „Grundzüge, betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ nur teilweise zur Verringerung der Gefahren durch den Automobilverkehr beigetragen hätten und weiterhin eine große Häufigkeit von Automobilunfällen bestehe. Zwar seien durch die streng durchgeführte Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge die Versuche von Fahrern, sich nach einem Unfall der Verantwortung durch Flucht zu entziehen, bedeutend seltener geworden; dagegen sei die Zahl der Unfälle proportional zum Fahrzeugbestand jedoch gestiegen. In der Bevölkerung bestehe weiterhin Erregung über die mit dem Automobilbetrieb verbundenen Gefahren und es werde die Einführung wirksamerer Maßregeln zur Verhütung von Unfällen und eine Verschärfung sowohl der Haftung für den Schaden als auch der Strafen für Überschreitungen der polizeilichen Vorschriften aufs Lebhafteste gefordert. Auch habe der Reichstag am 12. Februar 1908 zwei Resolutionen angenommen, in denen gesetzgeberische Maßnahmen im Sinne des vorgelegten Entwurfs verlangt würden.70 Hinsichtlich der neu in den Gesetzentwurf aufgenommenen Strafvorschriften wurde zunächst allgemein ausgeführt, dass die Strafandrohung des § 366 Nr. 10 RStGB für die Übertretung straßenpolizeilicher Vorschriften sich als ungenügend erwiesen habe. Eine besondere Strafnorm sei in dem Fall gerechtfertigt, dass bei einem Zusammenstoß eines Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen der Führer des Kraftfahrzeugs nicht sofort halte. Eine Bestrafung als Vergehen sei hier angemessen, aufgrund der Gesinnung, die sich durch die rücksichtslose Fortsetzung der Fahrt unter diesen Umständen verrate. Hinzu trete das Interesse der Allgemeinheit an der Feststellung des Kraftfahrzeugs, seine Führers und Halters. In § 19 KFG fand sich nun eine Regelung der Haltepflicht nach einem Zusammenstoß. „§ 19 Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeugs mit Personen oder Sachen nicht sofort hält, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft.“

68

Der Gesetzeswortlaut ist in Kapitel 3 I abgedruckt. Reichstag, 1908, Aktenstück Nr. 988, S. 5595 ff. 70 Es handelte sich hierbei um den Antrag des Prinzen zu Schönaich-Carolath vom 27. Februar 1907 (Verhandlungen des Reichstages, 1907, Nr. 168) und um einen diesbezüglichen Änderungsantrag des Abgeordneten Gröger vom 12. Februar 1908 (Verhandlungen des Reichstages, 1908, Nr. 668). 69

B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) v. 3. 5. 1909

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Der Reichstag beriet den Gesetzentwurf in erster Lesung in seiner 154. Sitzung am 5. November 1908.71 Zentrales Thema der Aussprache war die Ausgestaltung der Automobilhaftpflicht. Die Automobilflucht war lediglich ein Randthema. Die Abgeordneten Prinz zu Schönaich-Carolath und Träger kritisierten72 die in § 19 des Entwurfs für die Fahrerflucht vorgesehene Strafandrohung als zu gering, insbesondere seien die vorgesehenen Geldstrafen zu niedrig; sie müssten derartig bemessen sein, dass eine Tatwiederholung in Zukunft ausgeschlossen sei.73 Gefordert wurde ein unnachsichtiges Vorgehen gegenüber dem flüchtenden Chauffeur. Traeger bezeichnete die Unfallflucht als einen Fall, „der immer bei allen Automobilunglücksfällen den äußersten Abscheu und die äußerste Wut gegen den Automobilisten in concreto und auch in abstracto erregt, wenn ein Mann irgend einen Menschen umgefahren hat und, ohne sich um sein Opfer weiter zu kümmern, munter drauflosfährt, in der Hoffnung, daß er davonkommt.“ Trete zu diesem abscheulichen Verhalten die Rohheit der Gesinnung, müsse „man etwas derber daraufhauen und nicht an erster Stelle Geldstrafe androhen“.74 Der Reichstag beschloss am Ende seiner Sitzung am 5. November 1908, den Gesetzentwurf der 29. Kommission zur Beratung zu überweisen. Die Kommission trat am 6. Dezember 1908 zusammen und wählte den Abgeordneten von Damm zum Vorsitzenden. Die Kommission beschloss, den Entwurf in zwei Lesungen zu beraten. Hinsichtlich der im Entwurf vorgesehenen Strafandrohung für die Fahrerflucht von bis zu dreihundert Mark Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Monaten konnten sich Änderungsanträge, die eine Heraufsetzung der Strafe auf sechs Monate Gefängnis forderten, nicht durchsetzen.75 Die Argumentation des Antragstellers, der Fall einer im Anschluss an die Herbeiführung eines Personenschadens begangenen Entziehung der Verantwortung durch Flucht sei so schlimm, dass der Richter auf eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten erkennen können müsse, überzeugte nicht. Die Kommissionsmitglieder äußerten ihr Unverständnis darüber, dass der Fahrer, dessen Kraftfahrzeug mit einer Sache zusammengestoßen sei, ohne diese zu be71

Verhandlungen des Reichstages, 1908, S. 5263 ff. Verhandlungen des Reichstages, 1908, S. 5269. 73 Für eine generelle Anhebung der Strafandrohung sprach sich auch der Abgeordnete Wagner aus. Er schlug weiterhin vor, die in §§ 18 – 21KFG festgelegten Strafen auf den Halter des Kraftfahrzeugs auszudehnen, der, obwohl er dazu in der Lage wäre, den Führer eines Kraftfahrzeugs nicht von der Begehung der vorgenannten Strafen abhielte. Ähnlich äußerten sich die Abgeordneten von Damm und Werner, vgl. Verhandlungen des Reichstages, 1908, S. 5267. 74 Verhandlungen des Reichstages, 1908, S. 5273; für eine erhebliche Verschärfung der Strafandrohung in § 19 sprach sich auch der Abgeordnete Ritter aus, ohne dies in Bezug auf die Unfallfluchtnorm zu begründen. 75 Bericht der 29. Kommission, Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1907/ 1909, Nr. 1250, S. 7579, 7599. 72

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

schädigen, ebenfalls anhalten müsse. Teilweise wurde gefordert, die bloße Sachbeschädigung ganz aus dem Anwendungsbereich der Norm herauszunehmen. Zudem sei die Dauer der Wartezeit unbestimmt. Außerdem sei von einem Fahrzeugführer nicht zu verlangen, dass er auch dann halte, wenn er eine Person nur leicht verletzt habe, ihm aber ein „drohender Volkshaufen“ feindlich gegenübertrete. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, dass die hohen Strafandrohungen und allzu zahlreichen Strafbestimmungen geeignet seien, „auch den vorsichtigen Fahrer psychisch ungünstig zu beeinflussen und ihn nervös zu machen“. Darüber hinaus wurde angeregt, die Norm auf die Fälle zu beschränken, in denen der Fahrer Kenntnis vom Zusammenstoß habe und zudem ein schädigendes Ereignis vorliege. Hinsichtlich des Zwecks der Norm wurde ausgeführt, dass erreicht werden solle, dass der Fahrzeugführer „sich im Falle eines Zusammenstoßes nicht deshalb durch die Flucht entziehen dürfe, um die Feststellung seines Fahrzeugs und seiner Person zu erschweren“. Aus diesem Grunde müsse ihm Straffreiheit gewährt werden, wenn er diese Feststellung innerhalb einer gewissen Frist ermögliche. Der Kommissionsbericht zitierte die Regierungsmeinung, wonach der Grund für die Regelung des § 19 darin liege, die Feststellung des Fahrzeugführers zu ermöglichen und somit die Haftpflichtbestimmungen zu sichern. Nach der Regierungsauffassung bemesse sich die Wartezeit nach den Tatumständen. Um Ausflüchte des Fliehenden zu vermeiden, sei nicht zu fordern, dass der Fahrer Kenntnis vom angerichteten Schaden habe. Die Kommissionssitzung am 5. Februar 1909 brachte für den Tatbestand der Fahrerflucht einige Neuerungen. Grundlage für die Umgestaltung der Fahrerfluchtregelung war der Antrag Nr. 22 des Abgeordneten Dr. Bitter.76 Er schlug folgende Fassung des § 19 KFG vor: „Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeuges mit Personen oder Sachen es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Eine Entziehung der Feststellung des Fahrzeuges und der Person des Führers des Kraftfahrzeuges durch die Flucht liegt nicht vor, wenn der Führer unverzüglich, spätestens innerhalb zwölf Stunden nach dem Zusammenstoße, Anzeige von dem Zusammenstoße bei der Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person bewirkt. Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeuges mit Personen diese vorsätzlich in hilfloser Lage verläßt und nicht sofort hält, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu dreihundert Mark erkannt werden.“

Dieser neue Formulierungsvorschlag wurde von der Kommission angenommen.

76 BArch R 1501/114014 (nicht paginiert), RT-DS 1909, Nr. 988, Abänderungsantrag Nr. 22.

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War nach dem Entwurf das bloße Nichthalten unabhängig von den Absichten des Fahrzeugführers unter Strafe gestellt, sollte nun seine Absicht dahin gehen, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person zu entziehen. Die Verhinderung der Feststellung musste der Zweck des Fliehens sein. Allein das Bewusstsein, dass das Fortfahren die Feststellung verhindern könnte, sollte nicht ausreichend sein.77 Mit der vorgeschlagenen Neufassung sollte das Gesetz außerdem nicht nur die vollendete Flucht, sondern auch das Unternehmen des Sichentziehens umfassen. Unternehmen wurde dabei als eine Handlung definiert, die geeignet war, den vom Gesetz verbotenen Erfolg des Frevelns hervorzubringen.78 Unabhängig von der streitig diskutierten Frage, ob auch Vorbereitungshandlungen zur Entziehung darunter zu subsumieren waren79, wäre nunmehr jedenfalls auch der Versuch der Fahrerflucht unter Strafe gestellt. Unerheblich sollte sein, ob es dem Führer gelang, sich der Feststellung zu entziehen. Eine weitere vorgeschlagene Neuerung betraf die Möglichkeit, durch eine nachträgliche Selbstanzeige Straffreiheit zu erlangen. Aus dem Bericht der 29. Kommission ergab sich, dass somit nur nicht der Fall der tätigen Reue erfasst sein sollte, worauf man nach der Fassung der Norm vielleicht schließen könne, sondern auch die Situation, dass der Fahrzeugführer bedroht werde und er sich der Feststellung durch Flucht entziehe, ohne dass die Notstandsvoraussetzungen gegeben seien.80 Weitere Erläuterungen zu den Motiven dieses Antrags enthalten weder der Antrag selbst noch der Kommissionsbericht. Im Anschluss an die erste Lesung in der Kommission hatte die Norm folgende Fassung: „§ 19 Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeugs mit Personen oder Sachen es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Eine Entziehung der Feststellung des Fahrzeugs und der Person des Führers des Kraftfahrzeugs durch die Flucht liegt nicht vor, wenn der Führer unverzüglich, spätestens innerhalb zwölf Stunden nach dem Zusammenstoße, Anzeige von dem Zusammenstoße bei der Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt.“ […]

77

Vgl. Isaac, Automobilgesetz, S. 413. Gerdau, S. 11. 79 Gerdau, S. 11 spricht sich für die Einbeziehung der Vorbereitungshandlungen aus; a.A. Isaac, 1912, S. 412 m.w.N. 80 Bericht der 29. Kommission, Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1907/ 1909, Nr. 1250, S. 7579, 7599. 78

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

In der zweiten Lesung ergaben sich hinsichtlich des Absatzes 2 noch einige Änderungen. Um klarzustellen, dass jede Polizeibehörde gemeint war, und zur Vereinfachung der Zeitberechnung wurde die Norm noch einmal neu gefasst. Dabei wurde auch verdeutlicht, dass „Zusammenstoß“ im Sinne der Norm nicht nur wörtlich auszulegen sei, sondern alle durch ein Kraftfahrzeug verursachten schädigenden Ereignisse umfasse. Im Rahmen der Beratung wurde betont, dass Absatz 2 nicht nur den Fall der tätigen Reue, sondern auch den Fall erfasse, in dem der Fahrzeugführer bedroht werde und sich durch Flucht der Feststellung entziehe, ohne dass die Notstandsvoraussetzungen vorlägen. Aus Gründen der Klarstellung wurden bei der Feststellung des Kommissionsberichts die Worte „im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeugs mit Personen oder Sachen“ durch „nach einem Unfalle“ ersetzt. Im Anschluss an die Kommissionsberatungen lautete die Vorschrift81: „§ 19 Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der nach einem Unfalle (§ 1) es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Er bleibt jedoch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfalle Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt.“ (…)82

In der zweiten und dritten Beratung des Gesetzesentwurfs am 26. und 27. März 1909 wurde die Regelung der Flucht nach einem Verkehrsunfall ohne Diskussion entsprechend der Kommissionsfassung angenommen.83 Der Bundesrat beschloss am 22. April 1909 seine Zustimmung zum Kraftfahrzeuggesetz. Zwar unterlag der Verkehr mit Kraftfahrzeugen gemäß Art. 4 der Reichsverfassung von 1871 weiterhin nicht der Gesetzgebung des Reiches. Jedoch eröffnete Art. 78 der Reichsverfassung von 1871 die Möglichkeit, im Wege eines verfassungsändernden Gesetzes eine Gesetzgebungskompetenz zu schaffen. Diese Möglichkeit war gemäß Art. 78 RV 1871 eröffnet, wenn dem Gesetzgebungsvorhaben im Bundesrat nicht 14 Stimmen entgegenstanden. Dieses Quorum an Gegenstimmen erreichte das Kraftfahrzeuggesetz nicht. Im Wege der Kompetenz-Kompetenz war

81 Bericht der 29. Kommission, Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1907/ 1909, Nr. 1250, S. 7579, 7607. 82 Der in Bezug genommene § 1 KFG lautete: „Wird beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ (…). 83 Verhandlungen des Reichstages, 1909, S. 7750 ff., 7792 ff.

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damit die Gesetzgebungsbefugnis des Reiches in Gestalt einer materiellen Verfassungsänderung gegeben.84 Mit einer das Gesetzgebungsverfahren abschließenden kaiserlichen Verordnung vom 3. Mai 1909 wurde die Regelung der Unfallflucht nunmehr unter § 22 KFG als Reichsgesetz eingeführt.85 Hinsichtlich der Regelungen über die Flucht nach einem Verkehrsunfall ist das Gesetz am 1. April 1910 in Kraft getreten, § 26 KFG. Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens hatte die Norm nun folgende Fassung: „§ 22 KFG Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der nach einem Unfalle (§ 7) es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Er bleibt jedoch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt.“

II. Die Idee der Zwangsgenossenschaft Im Rahmen der Diskussion um die Ausdehnung der Automobilhaftpflicht wurde nach weiteren Möglichkeiten gesucht, die dem Schutz des Schadensersatzgläubigers nach einem Unfall im Straßenverkehr dienen sollten. Ziel war es, dem Gläubiger einen möglichst zahlungskräftigen und greifbaren Schuldner gegenüberzustellen. Zu diesem Zweck schlug Hilse86 in seinem richtungweisenden Gutachten für den 26. Deutschen Juristentag 1902 vor, nach dem Vorbild der genossenschaftlich organisierten Unfallversicherungen Zwangsgenossenschaften aller Kraftfahrzeugbesitzer gesetzlich vorzuschreiben mit der Folge, dass einem Unfallopfer die Genossenschaft als zahlungskräftige Schuldnerin gegenüberstünde. Die Zwangsgenossenschaft sollte entweder durch Umlagen oder durch feste Prämien der Mitglieder finanziert werden. Hilse sah die einzige Schwierigkeit einer solchen Zwangsgenossenschaft in der Behandlung derjenigen Fälle, in denen ein Unfall mit einem entliehenen Kraftfahrzeug eingetreten war. Für diesen Fall schlug er vor, ebenfalls den Kraftfahrzeugbesitzer als haftpflichtig zu erklären, unabhängig davon, ob er selbst den Fahrer als solchen bestellt, das Fahrzeug an einen Dritten verliehen oder durch sein nachlässiges Verhalten die unbefugte Benutzung ermöglicht habe. Hilse hielt auch in einem derartigen Fall die Haftung des Fahrzeugbesitzers für angemessen, da diesem die Möglichkeit des Regresses beim Fahrer zustünde und letztlich der Besitzer mit seinem Willen und seiner Sorglosigkeit eine Ursache für den Unfall 84

Vgl. Asholt, S. 39. Reichsgesetzblatt 1909, Nr. 26, S. 437 ff., 442. 86 Hilse, S. 53; seine Idee fand nach streitiger Diskussion die Unterstützung der Diskussionsteilnehmer, siehe Verhandlungen des 26. Juristentages 1902, S. 163 ff. Ein Antrag Pappenheims zur Einführung von Zwangsgenossenschaften wurde mit 29 gegen 12 Stimmen angenommen. 85

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

gesetzt habe.87 Um zu vermeiden, dass die Automobilführer sich im Vertrauen auf das Einstehen der Zwangsgenossenschaft im Verkehr weniger sorgfältig verhielten, wurde von Enneccerus angeregt, dass der Automobilführer im Fall erwiesener Fahrlässigkeit der Zwangsversicherung gegenüber regresspflichtig sein sollte.88 In der juristischen Fachpresse fand die Idee der Zwangsgenossenschaft ein positives Echo. Als Argument für deren Einführung wurde hervorgehoben, dass das Vorhandensein einer solchen Genossenschaft die Erlangung eines Schadensersatzes auch in dem Fall sicherstellen würde, dass sich ein unbekannt gebliebener Automobilfahrer durch Flucht vom Unfallort entfernte.89 Bedenken gegen die Einführung einer Zwangsgenossenschaft basierten auf der Überlegung, Betrügereien würden begünstigt, wenn Schadensersatz auch bei Unfällen mit unbekannt gebliebenen Fahrzeugen geleistet werden würde. Auch wurde befürchtet, das unvorsichtige Fahren der Mitglieder einer Berufsgenossenschaft würde gefördert, indem ihre Genossen fortan nicht mehr persönlich für den von ihnen angerichteten Schaden hafteten.90 Die Einführung einer Zwangsgenossenschaft fand im Jahr 1904 durch einen entsprechenden Antrag des Abgeordneten von Maltzan Eingang in die parlamentarische Diskussion.91 Die Resolution traf dort auf positive Resonanz und wurde mehrheitlich angenommen. Lediglich der Abgeordnete Müller (Meiningen) sprach sich ausdrücklich gegen die Zwangsversicherung aus.92 Im Vergleich zur Unfallversicherung hielt er die Materie des Kraftfahrzeugwesens ungeeignet für die Einführung einer Zwangsversicherung. Eine Zwangsversicherung „mit einer derartigen schmalen und jämmerlichen Basis“ sei nicht lebensfähig zu erhalten.93 Zudem sprach er einer Zwangsversicherung die Eignung ab, das Publikum zu schützen und die Automobilunfälle zu verringern. Müller war vielmehr der Ansicht, dass die Zwangsversicherung „eine Assekuranz für den Leichtsinn“ darstelle.94 87

Hilse, S. 53. Verhandlungen des 26. Juristentages 1902, S. 194. 89 Juristisch-technische Versicherungszeitschrift, 18. Mai 1905, S. 145, zitiert nach BArch R 1501/107151. 90 Juristisch-technische Versicherungszeitschrift, 18. Mai 1905 S. 145, zitiert nach BArch R 1501/107151. 91 Verhandlungen des Reichstages 1904, Aktenstück Nr. 227, S. 980. Der Antrag lautete: „Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die gleichzeitige Einbringung eines Gesetzentwurfes in Erwägung zu ziehen, nach dem zur größeren Sicherung der beim Betriebe von Kraftfahrzeugen Verunglückten, gegenüber mittellosen Kraftfahrern, die Kraftfahrer zu einer Genossenschaft nach Vorbild der Unfallberufsgenossenschaft vereinigt und beitragspflichtig erklärt werden. Diese Genossenschaft hat den Verunglückten für den Schaden aufzukommen.“ 92 Verhandlungen des Reichstages 1904, Sitzung vom 26. Februar 1904, S. 1287, 1288, 1301. 93 Verhandlungen des Reichstages 1904, Sitzung vom 26. Februar 1904, S. 1287, 1288, 1301. 94 Verhandlungen des Reichstages 1904, Sitzung vom 26. Februar 1904, S. 1301. 88

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Die Reichsämter der Justiz und des Innern widmeten sich in der Folgezeit der Ausarbeitung eines Konzepts zur Einführung der Zwangsgenossenschaft.95 Die erarbeiteten Grundzüge waren im März 1905 Gegenstand einer kommissarischen Beratung unter Mitwirkung von Sachverständigen des Deutschen Automobilklubs. Die Sachverständigen, die sich vorrangig gegen eine Verschärfung der Haftpflicht wandten, sprachen sich für die Bildung einer Zwangsgenossenschaft aus, für den Fall, dass eine Verschärfung der Haftung für unerlässlich erachtet wurde.96 „Erhebliche technische Schwierigkeiten“ und das Fehlen entsprechender statistischer Unterlagen bei der Umsetzung eines entsprechenden Entwurfs, deren Beschaffung geraume Zeit in Anspruch nehmen würde, wurden seitens der Regierung als Begründung dafür angeführt, dass zunächst auf den vom Reichsjustizamt anfänglich vorgeschlagenen Weg der Verschärfung der Einzelhaftpflicht zurückgekehrt wurde.97 Sofern weiterhin dem als dringend empfundenen Bedürfnis nach einer alsbaldigen Lösung entsprochen werden solle, so werde eine Verschärfung der Haftpflicht des einzelnen Unternehmers empfohlen. Diese schließe eine spätere Einführung einer Zwangsgenossenschaft aufgrund der Erfahrungen, die mit der Einzelhaftpflicht gemacht würden, nicht aus.98 Mit einer ähnlichen Begründung wurde die Einführung einer Zwangsgenossenschaft auch für den 2. Entwurf eines Kraftfahrzeuggesetzes im Jahr 1908 abgelehnt. Die Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge habe dazu geführt, dass die Fälle, in denen es dem Schadensstifter gelungen sei, sich seiner Feststellung durch Flucht zu entziehen, von 12,4 % aller Unfälle im Sommerhalbjahr 1906 auf 3,5 % im zweiten Quartal 1908 gesunken sei. Damit verliere ein wesentliches Ziel der Zwangsgenossenschaft, nämlich dem Geschädigten jederzeit einen bekannten Schuldner zu verschaffen, an Bedeutung.99 Zum wiederholten Mal wurde die Begründung angeführt, dass der Einrichtung der Zwangsgenossenschaft erhebliche technische Schwierigkeiten entgegenstünden. Für die Bildung der Gefahrenklassen und zur Berechnung der Tarife fehle es an ausreichendem statistischem Material. Auch für die Einbeziehung ausländischer Automobile, die am inländischen Verkehr teilnähmen, sei eine zufriedenstellende Lösung nicht gefunden. Überdies sei der mit der Einführung einer Zwangsgenossenschaft verbundene Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch und teuer und würde die Mitglieder außerordentlich belasten. Schließlich wurde das Bedenken wiederholt, dass die gewissenhaften Fahrer für die unvorsichtigen auf95

Eine detailreiche Schilderung des Verfahrens zur geplanten Einführung der Zwangsgenossenschaft liefert Schubert, KFG, S. 238, 272 ff. 96 BArch R 1501/107149 (nicht paginiert), Schreiben von Nieberding, Reichsjustizamt, an den Reichskanzler vom 30. 10. 1905. 97 Begründung des Gesetzentwurfes, Verhandlungen des Reichstages 1906, Aktenstück 264, S 3245, 3247; BArch R 1501/107149, Schreiben von Nieberding, Reichsjustizamt, an den Reichskanzler vom 30. 10. 1905. 98 Begründung des Gesetzentwurfes, Verhandlungen des Reichstages 1906, Aktenstück 264, S 3245, 3247. 99 Begründung des Gesetzentwurfes, Reichstag 1908, Aktenstück 988, S. 5593, 5598.

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3. Kap.: Grundzüge des Bundesrates und Kraftfahrzeuggesetz

zukommen hätten und dass so der Sorglosigkeit des weniger gewissenhaften Fahrers Vorschub geleistet werde. Die Begründung schloss mit der Feststellung, dass die Frage der Einführung einer Zwangsgenossenschaft noch nicht entscheidungsreif sei und daher zunächst die Lösung über eine Verschärfung der Einzelhaftpflicht gesucht werden müsse.100 In der ersten Lesung des 2. Entwurfs des Kraftfahrzeuggesetzes im Reichstag brachte der Staatssekretär des Reichsjustizamtes Nieberding wiederum seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Einführung der Zwangsgenossenschaft eine notwendige Ergänzung der Haftpflicht bilden müsse. Es bestehe die Hoffnung, eine solche Versicherungsgesellschaft in nicht ferner Zeit einzuführen.101 Der Abgeordnete Bitter hielt die Einführung für entbehrlich, bestehe doch die Möglichkeit der Versicherung bei einer privaten Versicherungsgesellschaft.102 Eine konträre Position nahm der Abgeordnete Stolle ein, der sich darüber empörte, dass jährlich immer noch hundert Leute durch Automobile verletzt würden, ohne dass die Geschädigten irgendeinen Ersatzanspruch an eine Versicherungsgesellschaft oder eine Genossenschaft geltend machen könnten. Er forderte eine entsprechende gesetzliche Regelung, um den Geschädigten unter allen Umständen zu ihrem Recht zu verhelfen.103 Die möglichst baldige Einführung einer „öffentlichen Zwangsversicherungsanstalt“ forderte auch der Abgeordnete von Damm.104 Ein vehementer Verfechter der Einführung einer Zwangsgenossenschaft war auch das Reichstagsmitglied Werner, das die Notwendigkeit einer ausreichenden Entschädigung der Unfallopfer betonte, die nicht leer ausgehen dürften, weil ein liquider Schuldner fehle. Werner sah es als Hauptaufgabe der Kommission an, Wege und Mittel zur Einführung einer Zwangsgenossenschaft zu prüfen.105 In der Reichstagskommission wurde die Diskussion über die Einführung einer Zwangsgenossenschaft im Wesentlichen mit den oben genannten Argumenten fortgeführt.106 Die Kommissionsentscheidung schloss sich der Regierungsmeinung an, die eine fehlende Umsetzbarkeit der alsbaldigen Einrichtung einer Zwangsgenossenschaft annahm, und ging dahin, den Reichskanzler zu ersuchen, alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den „aus den Haltern von Kraftfahrzeugen eine Zwangsgenossenschaft gebildet, und diese Zwangsgenossenschaft zum Träger der Haftpflicht für die bei dem Betriebe entstehenden Schäden dem Geschädigten gegenüber bestimmt wird.“107 Fortan wurde 100

Begründung des Gesetzentwurfes, Reichstag 1908. Aktenstück 988, S. 5593, 5598. Verhandlungen des Reichstages, 1908, 154. Sitzung, S. 5263, 5267. 102 Verhandlungen des Reichstages, 1908, 154. Sitzung, S. 5263, 5275. 103 Verhandlungen des Reichstages, 1908, 154. Sitzung, S. 5263, 5277. 104 Verhandlungen des Reichstages, 1908, 154. Sitzung, S. 5263, 5278. 105 Verhandlungen des Reichstages, 1908, S. 5263, 5281. 106 Bericht der 29. Kommission, Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1907/ 1909, Nr. 1250, S. 7579, 7590 ff. 107 Bericht der 29. Kommission, Aktenstücke zu den Verhandlungen des Reichstages 1907/ 1909, Nr. 1250, S. 7579, 7590 ff. 101

B. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) v. 3. 5. 1909

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die Idee der Einführung einer Zwangsgenossenschaft im Gesetzgebungsverfahren zum Kraftfahrzeuggesetz nicht weiter verfolgt. Diese Entscheidung zugunsten der Einzelhaftung des Fahrers bzw. des Halters bedeutete, dass der Gläubiger eines Schadensersatzanspruches wegen eines Unfalls im Straßenverkehr zur Durchsetzung seines Anspruchs auf die Feststellung der Person des Fahrers und/oder Halters angewiesen war. Diese Situation machte eine Regelung erforderlich, die den Fahrer verpflichtete, am Unfallort zu verweilen, um so die erforderlichen Feststellungen zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zu ermöglichen, um das gestiegene Interesse an der Feststellung des Unfallgegners zu erfüllen. Insofern konnte die Strafvorschrift des § 22 KFG als „Pendant für die eingeschränkten zivilrechtlichen Regelungen“108 angesehen werden.

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Engelstädter, S. 71.

Viertes Kapitel

Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik A. Beginn der Strafrechtsreform I. Vorentwurf von 1909 Der Vorentwurf zu einem Strafgesetzbuch nebst umfangreicher Begründung war das Arbeitsergebnis einer vom Reichsjustizamt im Frühjahr 1906 initiierten fünfköpfigen Kommission1, die mit Ministerialbeamten und Richtern besetzt war. Der im April 1909 nach dreijährigen Beratungen vorgelegte Vorentwurf wurde Ende Oktober 1909 veröffentlicht mit der ausdrücklichen Anmerkung, dass die Regierungen und die Reichsjustizverwaltung zu den Ansichten und Vorschlägen der Kommission noch keine Kritik geäußert hätten. Der Vorentwurf, der kein amtlicher Entwurf war, sollte einer öffentlichen Diskussion zugeführt werden.2 Eine Einarbeitung der Fahrerflucht nach § 22 KFG in den Vorentwurf eines Strafgesetzbuches von 1909 unterblieb. Die Kommissionsmitglieder lehnten die Aufnahme der reichsrechtlichen Nebengesetze, zu denen das Kraftfahrzeuggesetz gehörte, in das Strafgesetzbuch ab. Zur Begründung führten sie an, das Strafgesetzbuch würde durch die Einbeziehung der Nebengesetze, denen die strafrechtlichen Bestimmungen meist nur angeschlossen seien, viel zu umfangreich und mit fremdartigen Materien vermischt. Der mit einer solchen Einbeziehung verbundene Arbeitsaufwand wurde als zu hoch eingeschätzt. Zudem wurde angenommen, er führe zu einer erheblichen Verzögerung, wenn nicht gar zur Vereitelung der Reformbemühungen. Außerdem sei auch in anderen Ländern das Strafgesetzbuch nicht eine Sammlung aller bestehenden strafgesetzlichen Vorschriften, sondern es beschränke sich auf deren Kern.3

1 Unter dem Vorsitz des preußischen Ministerialdirektors Lucas gehörten der Kommission folgende Herren an: von Tischendorf (Oberregierungsrat im RJA), nach seinem Ausscheiden ab 1. August 1908 Joël (Regierungsrat im RJA), Schulz (Vortragender Rat im preußischen Justizministerium), ab Herbst 1908 ersetzt durch Kleine (Kammergerichtsrat), Meyer (Bayerischer Oberlandesgerichtsrat), Ditzen (Reichsgerichtsrat), später Oelschläger (Kammergerichtsrat); zur Besetzung siehe auch Schubert, Protokolle, Band I, S. XIX. 2 Schubert, Protokolle, Band 1, S. XIX. 3 Vorentwurf, Begründung AT, S. VI.

A. Beginn der Strafrechtsreform

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II. Reaktionen auf den Vorentwurf Die Regierungen der deutschen Bundesstaaten, denen der Vorentwurf zwecks Stellungnahme im Oktober 1910 zugesandt worden war, nahmen hinsichtlich der Einbeziehung der Nebengesetze unterschiedliche Standpunkte ein.4 Eine Forderung nach der Einbeziehung der Fahrerfluchtnorm des § 22 KFG in das künftige Strafgesetzbuch fand sich in den Stellungnahmen der Bundesregierungen nicht. In der strafrechtlichen Literatur und bei Lobbyisten traf die Nichteinbeziehung der strafrechtlichen Nebengesetze auf ein geteiltes Echo.5 Das Verlangen auf Einarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze in das Strafgesetzbuch wurde vom Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag mit der Begründung abgelehnt, eine Einarbeitung der Nebengesetze verursache aufgrund der zahlreichen und rasch aufeinanderfolgenden Neuregelungen im Gewerbe eine ständige Änderung des Strafgesetzbuches, das hierdurch unhandlich und unübersichtlich werde.6 Aus Gründen der Übersichtlichkeit des Gesetzes verdiene die Zusammenfassung der gewerblichen Vorschriften einschließlich der Strafvorschriften an einem Ort den Vorzug. Die Hamburger Nachrichten gaben zu bedenken, dass durch die Einbeziehung der Nebengesetze das Reformwerk um Jahre verzögert werde und dieses Ansinnen dazu führe, dass ein abgeschlossenes Strafgesetzbuch nicht geschaffen werden könne, da sich das Gebiet der Nebengesetze in stetigem Fluss befinde.7 In seiner Auseinandersetzung mit der Technik des Vorentwurfs8 kritisierte Wach die Nichteinbeziehung des Nebenstrafrechts, und somit auch des Kraftfahrzeugge4

Siehe hierzu die Zusammenstellung der Äußerungen der Bundesregierungen, S. IV ff. Baden und das preußische Handelsministerium billigten die Nichteinbeziehung der Nebengesetze. Die Einarbeitung der Strafvorschriften der Konkursordnung wurde jedoch von Baden und Sachsen-Altenburg als angemessen angesehen. Elsaß-Lothringen riet hingegen zu einer weitergehenden Einarbeitung der Nebengesetze, hielt jedoch eine Aufnahme aller strafrechtlichen Bestimmungen der Nebengesetze für nicht empfehlenswert. Für Vorschriften, die so eng mit zivilrechtlichen, technischen und verwaltungsrechtlichen Inhalten der Gesetze zusammenhingen, dass eine Loslösung aus diesem Zusammenhang zu Nachteilen in der praktischen Handhabung der Norm führen würde, sollte eine Einbeziehung in das Strafgesetzbuch unterbleiben. Nach dieser Ansicht sollten beispielsweise die Gewerbeordnung und das Handelsgesetzbuch, das Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums, die Seuchen- und Steuergesetze ihre Selbstständigkeit behalten. In das Strafgesetzbuch sollten aber zum Beispiel die Strafvorschriften des Nahrungsmittelgesetzes, des Sprengstoffgesetzes und der Konkursordnung aufgenommen werden. 5 Siehe hierzu die im Reichsjustizamt gefertigte „Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch“, insbesondere S. XVIII ff. 6 Zitiert nach der Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen, S. XX ff. 7 Zitiert nach der Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen, S. XIX ff. 8 Wach, Reform, S. 14 und in einer Besprechung des Gegenentwurfs, DJZ 1911, Sp. 833 ff.

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4. Kap.: Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik

setzes, in die Reformüberlegungen. Er forderte eine sofortige Anpassung der Sonderstrafgesetze des Reichs an die Normen des reformierten Strafgesetzbuchs, indem diese Normen in das Strafgesetzbuch aufgenommen oder aber selbstständig umgearbeitet würden. Wach gab zu bedenken, dass die Strafbestimmungen der Nebengesetze mit dem Strafensystem des neuen StGB und mit seiner Bewertung der Delikte in Einklang gebracht werden müssten und dass ihre innere Verbundenheit mit den Tatbeständen des StGB eine Integration in dieses Gesetz forderten.9 Wachs Intention war dabei nicht auf eine rein textliche Zusammenstellung der in den verschiedenen Nebengesetzen enthaltenen Strafdrohungen gerichtet. Sie zielte vielmehr darauf ab, die vorhandenen Widersprüche und technischen Mängel und Fehler der Gelegenheitsgesetze zu beseitigen. Zudem strebte er durch die Ersetzung verschiedener, in mehreren Nebengesetzen zerstreuter unter sich nicht überstimmender Normen eine größere Einheitlichkeit und Sicherheit der Rechtsprechung und eine Erweiterung der Rechtskenntnis der Bürger an.10 Auch Binding und von Lilienthal schlossen sich der Forderung nach einer Einbeziehung der Nebengesetze in das Strafgesetzbuch an. Binding monierte die Beschränkung des Vorentwurfs auf das strafrechtliche Minimum. In einem modernen Strafgesetzbuch müssten die zahlreichen strafrechtlichen Nebenbestimmungen, die zum Teil ganz neue Verbrechensbegriffe geschaffen und strafrechtliche Gebiete ergänzt hätten, geordnet verarbeitet werden.11 Auch Binding stellte darauf ab, ob die nebengesetzlichen Strafvorschriften sich aus ihrem Normzusammenhang sinnvollerweise lösen ließen. In der von ihm aufgestellten Liste der einzubeziehenden Gesetze fanden sich zum Beispiel die Bankrottbestimmungen und Strafvorschriften aus dem Sprengstoffgesetz. Das Kraftfahrzeuggesetz nannte er nicht. 9

Wach, Reform, S. 14. Wach, Reform, S. 14 und in einer Besprechung des Gegenentwurfs, DJZ 1911, Sp. 835. Wach verwandte eine Argumentation, die schon im Jahr 1902 von Liszt in einem Gutachten für den 26. Deutschen Juristentag ausführlich dargestellt hatte. Siehe hierzu die Verhandlungen des 26. Deutschen Juristentages, Band 1, S. 259, 274 ff. von Liszt versprach sich von einer Einarbeitung der Nebengesetze eine Vereinfachung, indem an verschiedenen Stellen verstreute, unter sich nicht übereinstimmende Strafnormen in einem Tatbestand mit einer einheitlichen Begrifflichkeit und Strafdrohung zusammengefasst würden. Die so erreichte Klarheit fördere die Einheitlichkeit und Sicherheit der Rechtsprechung. Die Einarbeitung der Nebengesetze sei ferner nötig, um Widersprüche in der Strafgesetzgebung zu beseitigen, die beispielsweise darin bestünden, dass in § 5 Abs. 3 des Sprengstoffgesetzes die fahrlässige Tötung eines Menschen mit Todesstrafe bedroht werde. von Liszt sah in der Einarbeitung der Nebengesetze auch ein geeignetes Verfahren, um die technischen Mängel und Fehler der als Gelegenheitsgesetze bezeichneten Nebengesetze zu beseitigen. Schließlich sah von Liszt in der Einarbeitung der Nebengesetze in das Strafgesetzbuch die willkommene Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Normen dem aktuellen Rechtsbewusstsein der Bevölkerung entsprächen. Zudem biete die Einarbeitung den Vorteil, dass die Rechtskenntnis der Bevölkerung zunähme, da diese ihre Kenntnis über strafbares Verhalten allein dem Strafgesetzbuch und nicht vielen verborgenen Nebengesetzen entnehmen könnten. 11 Binding, GerS 77, S. 2 ff., von Lilienthal, ZStW 30, 242; zitiert nach der Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen, S. XIX ff. 10

A. Beginn der Strafrechtsreform

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III. Gegenentwurf von 1911 Die Professoren Kahl, von Lilienthal, von Liszt und Goldschmidt veröffentlichten im Jahr 1911 einen privaten Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches mit dem Ziel, die zahlreichen kritischen Äußerungen bezüglich des Vorentwurfs zusammenzufassen und die Reformarbeiten zu erleichtern und voranzutreiben. Mit dem Gegenentwurf wollten seine Autoren nicht etwas gänzlich Neues schaffen, sondern dort Korrekturen vornehmen, wo sie als nötig erachtet wurden.12 Der Gegenentwurf trug anders als der Vorentwurf dem Verlangen nach der Einbeziehung der strafrechtlichen Nebengesetze in das Strafgesetzbuch Rechnung.13 1. Die Denkschrift Kriegsmanns Kriegsmann, der mit der Aufgabe betraut war, die leitenden Gesichtspunkte für die Einarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze in das Strafgesetzbuch zu erarbeiten, veröffentlichte seine Forschungsergebnisse in einer Denkschrift.14 Er leitete seine Darlegung mit der Forderung nach einer umfassenden Einbeziehung der Nebengesetze in das künftige Strafgesetzbuch ein; die Nichteinbeziehung im Vorentwurf sei eine herbe Enttäuschung.15 Aufgrund der zu erwartenden Rückwirkung der Reform auf die in den strafrechtlichen Nebengesetzen geregelten Materien sei zumindest eine Sichtung dieser Gesetze vorzunehmen.16 Kriegsmann sah eine Aufgabe der Strafrechtsreform darin, die in zahlreichen strafrechtlichen Nebengesetzen verstreuten Strafnormen aus dem Zusammenhang mit den einzelnen außerstrafrechtlichen Regelungsmaterien zu lösen und sie systematisch gegliedert im Strafgesetzbuch zusammenzufassen,17 um so zu einer Übersichtlichkeit des Strafrechts als Ganzem zu gelangen.18 Einen weiteren Vorteil der Einarbeitung der Nebengesetze in das Strafgesetzbuch erblickte er in der Beseitigung von „Inkongruenzen der Gelegenheitsgesetzgebung“, die sich insbesondere „auf dem Gebiet der Schuldlehre und auf dem der Strafdrohungen“ geltend gemacht hätten.19 Kriegsmann ging von dem Grundsatz aus, dass alle Strafbestimmungen von der Aufnahme in das neue Strafgesetzbuch auszuschließen seien, die lediglich polizei-

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Vorwort zum Gegenentwurf, S. III ff. Zunächst beschränken sich seine Autoren auf die Einbeziehung von etwa 100 Einzelbestimmungen; siehe hierzu Kahl, DJZ 1911, Spalte 505 ff. 14 Anlage zum Gegenentwurf, S. 337 ff. 15 Kriegsmann, S. 339. 16 Kriegsmann, S. 339. 17 Kriegsmann, S. 340. 18 Kriegsmann, S. 341. 19 Kriegsmann, S. 342; Kriegsmann selbst erläutert seine Behauptung nicht; erhellend sind die oben skizzierten Ausführungen von Liszts für den 26. Deutschen Juristentag, S. 259 ff. 13

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4. Kap.: Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik

lich-präventiver Natur seien.20 Seines Erachtens sollten die Übertretungen aus dem Strafgesetzbuch herausgenommen werden.21 Wegen ihres rein polizeilichen Charakters schied er die §§ 21,22 23,23 2424 und grundsätzlich auch § 2525 KFG aus dem Kreis der in das Strafgesetzbuch einzubeziehenden Normen aus.26 Für eine Einbeziehung blieb demnach allein der § 22 KFG übrig. 2. Flucht des Führers eines Kraftfahrzeuges, § 194 GE Die Norm des § 22 Abs. 1 KFG wurde als § 194 in den Gegenentwurf eingefügt. Sie lautete: „§ 194 (Kraftfahrzeuggesetz von 1909 § 22 Abs. 1). Flucht des Führers eines Kraftfahrzeuges. Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der nach einem durch ihn verschuldeten Unfall sich der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Der Täter bleibt straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tag nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeuges oder seiner Person bewirkt.“

Die Fahrerfluchtregelung war im Strafgesetzbuch eingeordnet in den Neunten Abschnitt des Besonderen Teils mit der Überschrift „Gefährdung der Rechtspflege“. Einleitende Norm dieses Abschnitts war § 193, der die Strafvereitelung sanktionierte. Im Anschluss an den Tatbestand der Fahrerflucht regelten § 195 die Unwahre Entschuldigung, § 196 den Parteiverrat und § 197 die Gebührenübererhebung. In den Erläuterungen zum Gegenentwurf wurde ausgeführt, dass es sich bei dem geregelten Tatbestand um die Vereitelung sowohl der Strafverfolgung wie der Geltendmachung des privatrechtlichen Ersatzanspruchs handele, nur dass der Täter die ihm selbst drohende Verfolgung abzuwenden sich bemühe, also ein Fall der Selbstbegünstigung vorliege.27 Die Verfasser des Gegenentwurfs nahmen davon Abstand, den Täterkreis der Fahrerflucht gegenüber dem Kraftfahrzeuggesetz zu erweitern. Insoweit herrschte 20

Kriegsmann, S. 343. Die gleiche Ansicht vertrat schon das Plenum des 26. Deutschen Juristentages, Verhandlungen Band 3, S. 271, 602. Zur Erläuterung siehe auch von Liszt, Gutachten für den 26. Deutschen Juristentag, Band 1, S. 259, 272. 22 Zuwiderhandlung gegen die zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Plätzen erlassenen polizeilichen Anordnungen. 23 Führen eines behördlich nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs. 24 Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Führerschein oder nach Entziehung der Fahrerlaubnis oder Nichtabliefern des Führerscheins nach Entziehung der Fahrerlaubnis. 25 Kennzeichenmissbrauch und -fälschung. 26 Kriegsmann, S. 347, 348. 27 Gegenentwurf, S. 205. 21

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die Ansicht vor, die Ausdehnung des Täterkreises der weiteren Entwicklung28 anheimgeben zu können, da es sich um einen Fall der Selbstbegünstigung handele, und diese nach dem geltenden Recht straflos bleibe.29 Die Bestimmung des § 194 GE beschränkte sich im Wesentlichen auf einen Transfer der nebengesetzlichen Regelung des § 22 KFG in das neu zu schaffende Strafgesetzbuch.30 Im Unterschied zu § 22 KFG setzte § 194 GE einen vom Kraftfahrzeugführer verschuldeten Unfall voraus. Während die Regelung des Kraftfahrzeuggesetzes als Unternehmensdelikt ausgestaltet war, sah der Gegenentwurf von einer Vorverlagerung der Strafbarkeit ab. Die Obergrenze der Gefängnisstrafe sollte sich mit der geplanten Neuregelung von zwei auf sechs Monate erhöhen, ebenso die Geldstrafe von dreihundert auf eintausend Mark. Schließlich wurde in Satz 2 der Norm die nachträgliche Unfallmeldung erleichtert. Nach der Neufassung sollte es ausreichen, dass die Feststellung des Fahrzeug oder der Person des Fahrzeugführers bewirkt wurde. Zuvor hatte sich die Feststellung auf beide Umstände, nämlich des Fahrzeugs und der Person, bezogen.

IV. Kommissionsentwurf von 1913 Auf Antrag des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg vom 17. Juni 1911 konnte mit kaiserlicher Genehmigung eine Kommission eingesetzt werden, deren Aufgabe darin bestand, die Strafrechtsreform unter Einbeziehung des Vorentwurfs von 1909 und der diesbezüglichen Gegenvorschläge voranzubringen und einen neuen Entwurf eines Strafgesetzbuches zu erstellen, der anschließend dem Bundesrat als Regierungsvorlage übermittelt werden und in der Folgezeit vom Reichstag beschlossen werden sollte.31 Die Kommission konstituierte sich am 4. April 1911 und verabschiedete am 27. September 1913 nach 2. Lesung den Kommissionsentwurf 1913. In ihrer 79. Sitzung am 11. Dezember 1911 befasste sich die Kommission für die Reform des Strafrechts mit der Einarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze in das 28 Die Erläuterung zu § 194 GE ließ offen, welche Entwicklung hiermit gemeint war. Denkbar ist die Entwicklung durch die Rechtsprechung oder den Gesetzgeber. 29 Gegenentwurf, S. 205. 30 Nachdem § 22 KFG erst am 1. April 1910 in Kraft getreten war, liegt die Vermutung nahe, dass innerhalb der kurzen Geltungsdauer der Norm noch kein Änderungsbedarf festgestellt worden war. 31 Unter dem Vorsitz von Lucas sollten der 19-köpfigen Kommission folgende Herren angehören: von Tischendorf, Joël und Ebermayer (Reichsgerichtsrat) für das Reich; für Preußen neben Lucas, Schulz und Cormann, die Kammergerichtsräte Lindenberg und Kleine sowie Rechtsanwalt Friedmann und für Bayern Karl Meyer; für Sachsen von Freilitsch; für Württemberg von Rupp; für Baden Duffner; für Hessen Rüster; für Elsaß-Lothringen Pfersdorff und für Hamburg Niemeyer. Aus der Rechtswissenschaft kamen die Herren Kahl, Frank und von Hippel hinzu (zur Besetzung siehe Schubert, Protokolle, Band 1, S. XIX).

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4. Kap.: Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik

Strafgesetzbuch.32 Es bestand Einigkeit darüber, dass die Aufnahme aller strafrechtlichen Nebengesetze „weder möglich noch zweckmäßig“ sei, andererseits eine durchgreifende Strafrechtsreform die Aufnahme weiterer nebengesetzlicher Strafvorschriften in das Strafgesetzbuch nicht von vornherein ausschließen könne.33 Teilweise34 folgten die Kommissionsmitglieder den von Kriegsmann in der Denkschrift ausgeführten Argumenten. Für die Einarbeitung der Nebengesetze sollte maßgebend sein, ob die betreffende Norm, sofern sie eher polizeilicher Natur war, in engem Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften des Nebengesetzes stehe. Lag ein solcher Zusammenhang vor, sollte die Norm nicht einbezogen werden. Für die übrigen Strafvorschriften des Nebenstrafrechts sollte im Einzelfall überprüft werden, ob sie mit einer im Strafgesetzbuch behandelten Materie derart in engem Zusammenhang ständen, dass ihre Einarbeitung richtiger erscheine als ihre Belassung im Nebengesetz. Überdies sei zu prüfen, ob praktische oder taktische Gründe der Einarbeitung entgegenständen. Die Kommission übertrug diese Prüfung den zu den einzelnen Abschnitten des Strafgesetzbuches zu bestellenden Referenten, die anschließend darüber berichten sollten. Ein Referentenbericht zur Frage der Einbeziehung der Flucht eines Kraftfahrzeugführers nach einem Verkehrsunfall ist den Kommissionsprotokollen jedoch nicht zu entnehmen. Weder im Zusammenhang mit der Strafvereitelung, dem die Norm im Gegenentwurf folgte, noch im Zusammenhang mit der Beratung der Straßenverkehrsdelikte wurde die Führerflucht thematisiert. Die Einbeziehung des § 194 GE in den Kommissionsentwurf von 1913 erfolgte demnach nicht. Die Umsetzung des Kommissionsentwurfs durch den Gesetzgeber unterblieb wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges.

B. Weimarer Republik I. Nichteinbeziehung des Kraftfahrzeuggesetzes in die Entwürfe 1919 bis 1930 Das Kraftfahrzeuggesetz als strafrechtliches Nebengesetz wurde auch in der Weimarer Zeit nicht in die Entwürfe eines Strafgesetzbuches eingearbeitet. 32 BArch R 3001/5923, Bl. 325; in ihrer ersten Sitzung am 4. April 1911 hatten die Kommissionsmitglieder beschlossen, die Frage der Einarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze bis zur Beratung über den Besonderen Teil des StGB zurückzustellen. Die Beschlussfassung über Einzelheiten wollte man bei der Beratung derjenigen Abschnitte vornehmen, in die gegebenenfalls nebenstrafrechtlichen Normen aufzunehmen seien (Schubert, Protokolle, Band 1, S. 1). 33 BArch R 3001/5923, Bl. 325. 34 Das Sitzungsprotokoll nimmt keine Zuordnung einzelner Positionen zu bestimmten Personen vor.

B. Weimarer Republik

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Der Entwurf von 1919 verzichtete auf eine Einarbeitung der Nebengesetze aus drei Gründen: Erstens sei die Zahl strafrechtlicher Nebengesetze in der vorangegangenen Kriegs- und Nachkriegszeit in ungeheurem Maße angeschwollen und unabsehbar geworden, sodass sich schon aus zeitlichen Gründen eine Einarbeitung verbiete. Zweitens sei bei zahlreichen Normen höchst zweifelhaft, ob sie noch für längere Zeit aufrechtzuerhalten seien. Drittens waren die Entwurfsverfasser von 1919 der Ansicht, dass es Aufgabe eines allgemeinen Strafgesetzbuchs sei, die Grundlagen des staatlichen Zusammenlebens dauerhaft, klar und übersichtlich zu regeln. Dieses Ziel lege eine Beschränkung auf solche Normen nahe, die für absehbare Zeit unverändert bleiben könnten. Nach der Auffassung der Entwurfsverfasser von 1919 sollte einem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch die Aufgabe zukommen, den Grundsätzen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs auch für die Nebengesetze Geltung zu verschaffen.35 Auch in den „Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches (1922)“ wurden die Nebengesetze nicht einbezogen. Der Verzicht erklärte sich aus der Rücksichtnahme auf die angestrebte deutsch-österreichische Rechtsangleichung.36 Hätte man die Nebengesetze in das Strafgesetzbuch einarbeiten wollen, so wäre es zusätzlich erforderlich gewesen, die Normen des privaten und öffentlichen Rechts anzugleichen, auf die in den Nebengesetzen Bezug genommen wurde. Diese Aufgabe erschien den Entwurfsverfassern zu umfangreich und ließ ihnen die Reform des Strafgesetzbuches in „unerreichbare Ferne“ rücken.37 Wie schon zu dem Entwurf 1919 beruhte weitere Kritik an der Einbeziehung der Nebengesetze auch auf dem Bedenken, dass bei diesen Normsammlungen unklar und unabsehbar sei, für welchen Zeitraum sie weitergelten würden. Zweifel bestanden insoweit insbesondere bei Normen, die durch einen zeitweiligen Notstand oder den Ersten Weltkrieg bedingt und damit möglicherweise nicht von einem dauerhaften Regelungsbedürfnis getragen seien. Auch Radbruch sah in seinem Entwurf die Option, dass in einem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch die Nebengesetze mit den Grundzügen des Strafgesetzbuchs in Einklang gebracht würden. Bis zum Abschluss der Epoche der Weimarer Republik fand § 22 KFG keine Aufnahme in das Strafgesetzbuch. Veränderungen der Vorschrift bezogen sich auf eine Beschränkung des Täterkreises und die Anpassung der Strafandrohungen.

35 36 37

Denkschrift zu dem Entwurf von 1919, S. 9. Radbruch, Bemerkungen, S. 45, zitiert nach Schubert, Quellen, Band 1, S. 189. Radbruch, Bemerkungen, S. 45, zitiert nach Schubert, Quellen, Band 1, S. 189.

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4. Kap.: Beginn der Strafrechtsreform und Weimarer Republik

II. Beschränkung des Täterkreises des § 22 KFG38 In der ursprünglichen Regelung des § 1 Abs. 2 des Kraftfahrzeuggesetzes von 1909 waren die Fahrer aller Kraftfahrzeuge den Normierungen dieses Gesetzes unterworfen. Durch Artikel XII des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 21. Juli 192339 normierte der Gesetzgeber in § 27 KFG die Nichtanwendbarkeit des Kraftfahrzeuggesetzes auf Kleinkrafträder.40 Die Neufassung lautete: „§ 27 Die Vorschriften im Teil I, II und III gelten nicht für Kleinkrafträder.“ […]

§ 22 KFG befand sich im III. Abschnitt des Kraftfahrzeuggesetzes über die Strafvorschriften. Mithin führte die Neuregelung des § 27 KFG zu einer Beschränkung des Täterkreises der Führerflucht. Die Bestrafung der Führerflucht für alle Fahrer von Kleinkrafträdern entfiel damit. Jäger sah hierin ein „kriminalpolitisch folgenschweres Versehen des Gesetzgebers“, das „zu einem 15 Jahre währenden kriminalpolitischen Mißstand“ führte.41 Die Förderung des Baus von Kleinkrafträdern war ein Motiv für die Herausnahme der Kleinkrafträder aus dem Anwendungsbereich des § 22 KFG. Als weiterer Grund für die Herausnahme der Kleinkraftradführer aus dem Täterkreis wurde die geringere Gefährlichkeit der Kleinkrafträder angeführt.42

III. Anpassung der Strafandrohungen Eine Heraufsetzung der Höchstbeträge der Geldstrafen und Bußen auf das Zehnfache des bis dahin geltenden Betrages, bei Verbrechen oder Vergehen mindestens aber auf einhunderttausend Mark, war das Resultat des Gesetzes zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Geldstrafe und Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen vom 21. Dezember 1921.43 Aus der Entwurfsbegründung ergab sich,

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RGBl. I, 1923, S. 743, 744. RGBl. I, 1923, S. 743 ff. 40 Als Ersatzregelung diente die Anordnung über den Verkehr mit Kleinkrafträdern vom 18. April 1924, RGBl., S. 413, für die §§ 6 und 27 KFG die Ermächtigungsgrundlage boten. 41 Jäger, S. 5 ff. Durch § 67 a der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 24. September 1938 wurde der Anwendungsbereich des § 22 KFG wieder auf alle Führer von Kraftfahrzeugen erstreckt. 42 Illigner, S. 9. 43 RGBl., 1923, Nr. 118, S. 1604. 39

B. Weimarer Republik

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dass die massive Geldentwertung in den Nachkriegsjahren eine Anpassung fordere, damit die Normen nicht den Charakter einer Strafandrohung verlören.44 Weitere der Geldentwertung geschuldete Strafmaßanpassungen brachten in kurzem zeitlichen Abstand das Geldstrafengesetz vom 27. April 192345 mit einem Geldstrafenrahmen von eintausend bis zehn Millionen Mark und das Gesetz über Vermögensstrafen und Bußen vom 13. Oktober 1923 mit strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten von dreißig Millionen bis zu eintausend Milliarden Mark. Im Anschluss an die Währungsreform vom Oktober 1923 passte die Verordnung auf Grund des Gesetzes über Vermögensstrafen und Bußen vom 23. November 192346 die Geldstrafe an die stabilisierte Währung an. Der Strafrahmen für das Vergehen der Flucht nach einem Verkehrsunfall bewegte sich gemäß § 27 der Verordnung zwischen einer Mindestgeldstrafe von drei Goldmark und einer Höchststrafe von zehntausend Goldmark. Mit der Verordnung über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 192447 wurde der Rahmen für Geldstrafen bei Vergehen und Verbrechen einheitlich neu festgelegt. Der Mindestbetrag lag bei drei Goldmark, der Höchstbetrag der Geldstrafe erhöhte sich auf 10.000 Goldmark.48

44 45 46 47 48

BArch R 3001/5761, Bl. 53 c R. RGBl. I, 1923, S. 254. RGBl. I, S. 1117, 1118. RGBl. I, 1924, S. 44. RGBl. I, 1924, S. 44.

Fünftes Kapitel

Die Zeit des Nationalsozialismus Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 eröffnete sich für die nationalsozialistische Bewegung die Möglichkeit, maßgeblichen Einfluss auf die Reform des Strafrechts zu nehmen. Über eine strafgesetzliche Reformkonzeption verfügte die Staatsführung jedoch anfangs nicht einmal in Umrissen.1 Am 22. April 1933 schlug Reichsjustizminister Gürtner auf der Sitzung des Reichskabinetts vor, beim Reichsjustizministerium ein Gremium zu bilden, das mit der Vorbereitung der Strafrechtsreform betraut werden sollte. Zur Umsetzung dieses Vorschlags trat erstmals am 3. November 1933 unter Gürtners Vorsitz eine amtliche Strafrechtskommission zusammen. In ihren Beratungen konnte sich die Kommission auf einen Referentenentwurf aus dem Sommer 1933 und die im September 1933 veröffentlichte Denkschrift des preußischen Justizministers Kerrl, „Nationalsozialistisches Strafrecht“, stützen. Der Referentenentwurf2 (Entwurf 1933) bestand aus der nur teilweise umgearbeiteten Reichstagsvorlage von 1927. Hinsichtlich der Normierung der Führerflucht war jedoch nur die Denkschrift des preußischen Justizministers Kerrl ergiebig, da die beiden Gesetzentwürfe keine Regelungen zur Führerflucht enthielten.

A. „Nationalsozialistisches Strafrecht“– Denkschrift des preußischen Justizministers Kerrl Die im September 1933 veröffentlichte Denkschrift „Nationalsozialistisches Strafrecht“ wurde innerhalb von zwei Wochen3 vom preußischen Justizminister Kerrl unter maßgeblicher Beteiligung seines Staatssekretärs Freisler und dessen Mitarbeitern Crohne, Klee, Rietzsch, Krug und von Haacke ausgearbeitet. Die Autoren 1 In amtlichen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen wurden folgende Leitideen für die Umgestaltung des künftigen Strafrechts propagiert: die Aufhebung des Analogieverbots zuungunsten des Angeklagten, also die Ersetzung des „Begriffs des formellen Unrechts durch den Begriff des materiellen Unrechts“, die Hinwendung zu einem Willensstrafrecht, der Einbau ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale mit sittlichem Wertungszwang und schließlich ein „völliger Neubau“ des Besonderen Teils. Nachweise hierzu bei Schubert/Regge, Quellen NS-Zeit, Bd. 1.1, S. IX. 2 Abgedruckt bei Vormbaum/Rentrop, Reform, Bd. 2, S. 265 ff. 3 Gruchmann, S. 760.

A. „Nationalsozialistisches Strafrecht“

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wollten mit der Denkschrift keinen Entwurf eines Strafgesetzbuches schaffen, sondern lediglich die Vorarbeit dazu leisten. Ihre Absicht war es, „ein Gerippe eines nationalsozialistischen deutschen Strafrechts aufzustellen“4. Als Vorarbeit sollte die Denkschrift dazu dienen, die Erfahrungen der preußischen Justiz unter nationalsozialistischen Gedankengängen darzustellen.5 Die Verfasser der Denkschrift waren der Überzeugung, dass weder das bis dahin geltende Strafgesetzbuch noch der vorliegende Referentenentwurf von 1933 als Grundlage der Neugestaltung des Strafrechts im nationalsozialistischen Sinne tauglich seien.6 Anders als das bis dahin geltende, als materialistisch und individualistisch bezeichnete Strafrecht, das dem Schutz des Einzelnen und seiner materiellen Güter diene, solle das zukünftige Strafrecht dem „Aufbau einer organischen Volksgemeinschaft“ nützlich sein, die auch als „Schicksalsgemeinschaft“ angesehen wurde.7 Die Denkschrift war in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil befasste sich mit den einzelnen strafbaren Handlungen. Im zweiten Teil folgten allgemeine Vorschriften zu den Voraussetzungen der Strafbarkeit und der Straftat und ihren Formen. Der Besondere Teil war demnach dem Allgemeinen Teil vorangestellt. Im ersten Teil wurden die Tatbestände nach ihrer Schutzrichtung in zwei Hauptgruppen eingeteilt. Die erste Hauptgruppe enthielt Vorschriften zum „Schutz der Volksgemeinschaft“ und in der zweiten Hauptgruppe wurden die Normen zum „Schutz des Volksgenossen“ abgehandelt. Im vierten Abschnitt der ersten Hauptgruppe wurden unter der Überschrift „Der Schutz des Volksguts“ im 3. Kapitel Angriffe auf die Verkehrssicherheit behandelt, wozu auch die Führerflucht zählte. Zur Regelung der Führerflucht enthielt die Denkschrift folgenden Vorschlag:8 […] „b) Der Führer eines Beförderungsmittels ist zu bestrafen, wenn er es nach einem Unfall unternimmt, sich der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch die Flucht zu entziehen. Besonders schwere Strafe ist angebracht, wenn der Täter durch die Flucht eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben oder schwerwiegende Gefahr für fremdes Eigentum herbeiführt.“

Mit diesem Regelungsvorschlag sah die Denkschrift eine Aufnahme der bis dahin in § 22 KFG, also im Nebenstrafrecht, geregelten Führerflucht in ein deutsches Strafgesetzbuch vor. Aus der Denkschrift selbst ergaben sich die Motive für diese Neueinordnung der Norm nicht. Möglicherweise lag dieser Neubewertung der Norm schon die Einschätzung zugrunde, die Krug, ein Mitarbeiter an der Denkschrift, in

4 5 6 7 8

Denkschrift, S. 12. Denkschrift, S. 12. Denkschrift, S. 4. Denkschrift, S. 6 ff. Denkschrift, S. 79.

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

einem Aufsatz 19379 publizierte. Krug begründete die Herausnahme der Führerflucht aus dem Kraftfahrzeuggesetz damit, dass es sich dabei nicht um eine Straftat handele, deren eigentlicher Charakter eine mehr oder weniger schwerwiegende Verkehrswidrigkeit sei, sondern um eine Tat, die lediglich im Zusammenhang mit dem Verkehr stehe. Aus dieser Wertung folge, dass die Führerflucht ein strafbares Tun sei, dass nach der Anschauung des Volkes einen „verwerflichen Charakterfehler“ offenbare und daher als kriminelles Unrecht anzusehen sei und eine erhebliche Sühne erheische. Mit der Sühne zugleich müsse zur Bekämpfung dieses gefährlichen Delikts eine eindrucksvolle Abschreckung erreicht werden.10 Eine weitere Neuerung sah die Denkschrift hinsichtlich des Täterkreises vor. Fortan sollte nicht mehr nur der Führer eines Kraftfahrzeuges, sondern der Führer eines Beförderungsmittels tauglicher Täter einer Führerflucht sein können. Diese Ausdehnung des Täterkreises wurde in der Denkschrift mit der „Erzielung einer allgemeinen Verkehrsverantwortlichkeit“11 begründet. Die Führerflucht sollte nicht länger Sonderrecht für Kraftfahrer bleiben. Auch in dieser geplanten Ausweitung des Täterkreises mag ein Motiv für die Herausnahme der Norm aus dem Kraftfahrzeuggesetz gelegen haben. Die Erzielung einer allgemeinen Verkehrsverantwortlichkeit wurde ebenfalls dazu herangezogen, eine Strafschärfung für den Fall vorzusehen, dass die Führerflucht besondere Gefahren im Gefolge hat. Welche Gefahren die Autoren der Denkschrift hier vor Augen hatten, ließen sie unerwähnt.

B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936 I. Beratungen der amtlichen Strafrechtskommission Die Gesetzgebungskommission12 trat im Anschluss an die vorangegangene Eröffnungssitzung am 27. November 1933 in die Beratungen ein. Sie begann ihre 9

Krug, DJ 1937, S. 147 ff. Krug, DJ 1937, S. 147. 11 Denkschrift, S. 79. 12 Mitglieder der Gesetzgebungskommission waren neben Gürtner als Vorsitzendem seine Stellvertreter Frank und Kerrl. Außerdem gehörten zur Kommission die beiden Staatssekretäre Schlegelberger und Freisler und als Vertreter der Rechtswissenschaft die Professoren Dahm (Kiel), Kohlrausch (Berlin), Mezger (München), Nager (Breslau) und – ab Dezember 1933 Graf Gleispach (Berlin) sowie als Vertreter der Praxis Senatspräsident Klee (Berlin), die Landgerichtsdirektoren Grau (Düsseldorf), Lorenz (Leipzig) und ab November 1933 Leimer (Nürnberg-Fürth) und Oberstaatsanwalt Reimer (Berlin), ferner vorübergehend bis Dezember 1933 Rechtsanwalt Graf von der Goltz. Die Kommission umfasste somit zum Jahresende 1933 15 Mitglieder; an den Beratungen nahmen jedoch zusätzlich als Regierungskommissare die zuständigen Abteilungsleiter des Reichsjustizministeriums (Ministerialdirektor Schäfer) und 10

B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936

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Arbeit mit der Beratung des Allgemeinen Teils und setzte sie von Mitte April bis September 1934 mit der Beratung des Besonderen Teils fort. In der 46. Sitzung am 19. September 1934 war der Abschnitt „Gemeingefährliche Handlungen und Störung des öffentlichen Verkehrs“ Gegenstand der Beratungen. Der Berichterstatter Klee rechtfertigte zu Beginn seines Vortrages die Einbeziehung der Verkehrsdelikte in diesen Abschnitt mit dem systematischen Argument, dass auch bei ihnen der Begriff der Gemeingefahr im Mittelpunkt stehe, werde diese hier zwar nicht durch die Entfesselung einer Naturkraft, sondern durch vergleichbar störende Eingriffe in das geordnete Walten von Naturkräften erzeugt. Klee sprach sich aber entgegen diesem systematischen Argument gegen die Hereinnahme der Vergehen auf dem Gebiet des Kraftverkehrs aus, da es sich um eine zu komplizierte Materie handele und im Wesentlichen Polizeidelikte betroffen seien. Hinsichtlich der Regelung der Führerflucht hielt er jedoch eine Aufnahme in das Strafgesetzbuch für möglich, so wie sie in der Denkschrift Kerrl vorgeschlagen worden sei. Eine Diskussion über die Einbeziehung des § 22 KFG in das Strafgesetzbuch fand in dieser Kommissionssitzung gleichwohl nicht statt. In den amtlichen Entwurf erster Lesung vom 8. Januar 1935 fand die Führerflucht keine Aufnahme. Im Rahmen der zweiten Lesung, die am 22. März 1935 begann, befasste sich die Strafrechtskommission nicht mit der Führerflucht, sondern erst wieder in der 106. Sitzung am 30. Oktober 1936, die der Überprüfung der zweiten Lesung galt. Im Zusammenhang mit der Erörterung von Konkurrenzfragen im Falle des Zusammentreffens der unterlassenen Nothilfe mit § 22 Abs. 2 KFG ging Krug13 auch auf die Regelung der Führerflucht ein. Er befürwortete eine Aufnahme von § 22 Abs. 1 und 2 KFG in das Strafgesetzbuch, indem § 22 Abs. 1 KFG als neuer Tatbestand formuliert würde und § 22 Abs. 2 KFG im Tatbestand der unterlassenen Nothilfe aufginge. Hiermit verfolgte Krug das Ziel, das Gewicht des Tatbestandes in besonderem Maße anzuheben und ihm die angemessene Bedeutung zu verleihen. Krug bezog sich mit seinem Vorschlag auf ein entsprechendes Arbeitsergebnis des Strafrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht. Gleispach14 sprach sich dafür aus, die einfache Führerflucht, die nicht irgendwie erschwert sei, systematisch bei den Angriffen auf Rechtspflege und Verwaltung einzuordnen, da sie mit der Gefährdung von Menschenleben nichts zu tun habe und demnach kein gemeingefährliches Delikt sei. Demgegenüber sei die erschwerte Führerflucht im Zusammenhang mit den Gefährdungsdelikten richtig eingeordnet. des Preußischen Justizministeriums (Ministerialdirektor Crohme) mit ihren Sachbearbeitern sowie je ein Vertreter des bayerischen (Ministerialdirektor Dürr) und sächsischen (Staatsanwalt Schneidenbach) Justizministeriums teil. (Gruchmann, S. 760). 13 Protokoll der 106. Sitzung, S. 15, abgedruckt bei Schubert/Regge, Quellen NS-Zeit, Band 2, S. 475. 14 Protokoll der 106. Sitzung, S. 15, abgedruckt bei Schubert/Regge, Quellen NS-Zeit, Band 2, S. 475.

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Abgesehen von diesen kurzen Wortbeiträgen blieb die Führerflucht auch in der Überarbeitung der 2. Lesung unbeachtet. Am 1. Dezember 1936 präsentierte Gürtner den revidierten Entwurf als Kabinettsvorlage der Reichskanzlei und den Ressortministern. Am darauffolgenden Tag legte er den „Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs“ mit der Ankündigung, dass seine Begründung in den nächsten Tagen nachgereicht werde, dem Reichskabinett vor.15 Der Entwurf des neuen Strafgesetzbuches enthielt zwei Bücher. Das erste Buch befasste sich mit dem Allgemeinen Teil. Das zweite Buch widmete sich den einzelnen Straftaten. Es war in drei Gruppen unterteilt, die sich dem Schutz des Volkes (Erste Gruppe), dem Schutz der Volkskraft (Zweite Gruppe) und dem Schutz der Volksordnung (Dritte Gruppe) zuwandten. Im dritten Teil der Dritten Gruppe waren die Angriffe auf die Rechtsordnung, und darin im 23. Abschnitt die Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung geregelt. Anders als in den vorangegangenen Entwürfen vom Februar, Mai und Juli 1936 tauchte die Flucht bei einem Verkehrsunfall als § 355 im Entwurf vom Dezember 1936 auf. Die Norm war folgendermaßen gefasst:16 „§ 355 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch Flucht entzieht oder die Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfall erschwert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. Straflos bleibt, wer spätestens am Tage nach dem Unfall freiwillig Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung seiner Person und des von ihm benutzten Fahrzeugs herbeiführt.“

Die Entwurfsbegründung17 enthielt nur wenige Anmerkungen zur Flucht bei einem Verkehrsunfall. Zunächst wurde hervorgehoben, dass der Fliehende zukünftig „echtes kriminelles Unrecht“18 begehe und keine Ordnungswidrigkeit19 wie bisher. Zudem entspreche es der Bedeutung dieses Tatbestandes für den Verkehr, die Strafdrohung nicht im Nebenstrafrecht zu belassen, sondern sie in das Strafrecht aufzunehmen und im Anschluss an die Vorschriften über Begünstigung und Strafvereitelung zu regeln, zu denen sie ihrem Unrechtsgehalt nach gehöre. Anders als § 22 Abs. 1 KFG sehe der Entwurf von der Beschränkung auf Kraftfahrzeuge ab, da der Rechtsgedanke der Norm auch dann zutreffe, wenn es sich um ein anderes Fahrzeug handele. 15 16 17 18 19

BArch R 43 II/1516, Bl. 2. BArch R 43 II/1516, Bl. 27 R. Begründung zum E 1936, S. 224. Begründung zum E 1936, S. 224. Ordnungswidrigkeit ist der in der Begründung selbst verwandte Begriff.

B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936

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II. Neuerungen des § 355 E 1936 Die Etikettierung des neu geschaffenen § 355 E 1936 als „Verkehrssünderflucht“20 brachte treffend die Wandlungen zum Ausdruck, die die Führerfluchtregelung des § 22 KFG im Entwurf 1936 genommen hatte. Auffallend war zunächst die Ausweitung des Täterkreises. War nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 KFG nur der Führer eines Kraftfahrzeugs tauglicher Täter, so kam nach § 355 E 1936 jeder Verkehrsteilnehmer, gleich, ob Kleinkraftfahrer, Kutscher, Reiter, Radfahrer oder Fußgänger, als Täter in Betracht. Diese Ausdehnung wurde als erforderlich angesehen.21 Mit der fortschreitenden Entwicklung des Straßenverkehrs gehe das Bedürfnis einher, nicht nur den Kraftfahrer zu bestrafen, der sich unter Ausnutzung der hohen Geschwindigkeit seines Fahrzeugs vom Unfallort entferne. Vielmehr sei jede Person, die bei einem Verkehrsunfall einen Schaden erlitten habe, dagegen zu schützen, dass sich ein Beteiligter der Feststellung entziehe.22 Auch ein Fahrradfahrer oder Fußgänger könne sich der Feststellung seiner Person entziehen, etwa indem er sich in einer Großstadt unter eine Menschenmenge mische. Die Höhe der Fortbewegungsgeschwindigkeit sei dafür nicht ausschlaggebend. Die Befürworter einer Ausweitung des Täterkreises stützten ihre Argumentation auch auf die Reichsstraßenverkehrsordnung vom 28. Mai 1934. Der Erlass der Reichsstraßenverkehrsordnung vom 28. Mai 193423 war ein Anfang für die Anpassung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften an die fortschreitende Entwicklung des Straßenverkehrs, die sich u. a. in steigenden Kraftfahrzeugzulassungszahlen äußerte. Einleitend hob diese Verordnung die Verantwortung eines jeden Verkehrsteilnehmers gegenüber der „Verkehrsgemeinschaft“ hervor. § 25 dieser Verordnung verpflichtete jeden Verkehrsteilnehmer dazu, Schädigungen anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden und Behinderungen und Belästigungen auf das Unvermeidbare zu begrenzen. Illigner folgerte daraus, dass selbstverständlich alle Verkehrsteilnehmer auch die gleichen Verpflichtungen nach einem Unfall hätten und dass nicht nur der Kraftfahrer einseitig Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer zu nehmen habe, sondern auch diese sich ihm gegenüber rücksichtsvoll zu zeigen hätten.24 20

Krug, DJ 1937, S. 147. Siehe Illigner, S. 27 f. mit dem Hinweis darauf, dass einige Großstädte wie Hamburg und Dresden durch örtliche Polizeivorschriften eine entsprechende Regelung getroffen hätten; Krug, DJ 1937, S. 147. 22 Krug, DJ 1937, S. 147. 23 Abgedruckt in: Das Recht des Kraftfahrers, 1934, S. 148. 24 Illigner, S. 28; ähnlich Krug, DJ 1937, S. 148. Als Fälle, die zukünftig als Verkehrssünderflucht bestraft werden sollten, führte Illigner folgende Bespiele an: Ein Fußgänger zwingt einen Motorradfahrer durch plötzliches Stehenbleiben auf der Fahrbahn zum Abbremsen, sodass dieser auf der glatten Fahrbahn ins Rutschen kommt und stürzt. Der Fußgänger 21

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Die Ausdehnung des Täterkreises wurde im Tatbestand des § 355 E 1936 jedoch dadurch relativiert, dass es sich bei dem in Frage kommenden Verkehrsteilnehmer um eine Person handeln musste, die an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Eine Beteiligung wurde bejaht, wenn „ein Verkehrsteilnehmer durch sein Verhalten im Verkehr objektiv eine Bedingung für das Zustandekommen des Verkehrsunfalls gesetzt“ hatte.25 Mithin konnten nur der Anspruchsinhaber und der Anspruchsgegner eines tatsächlich entstandenen Schadensersatzanspruchs der Wartepflicht unterliegen.26 Der bei dem Unfall verletzte Mitfahrer wurde im Regelfall nicht als Beteiligter angesehen,27 da er keine Bedingung für das Zustandekommen des Unfalls gesetzt habe. Etwas anderes sollte lediglich dann gelten, wenn der Mitfahrer durch sein Verhalten an der Unfallverursachung mitgewirkt hatte, etwa indem er andere Verkehrsteilnehmer zum Überholen aufforderte, das zum Unfall führte.28 Ein Unfallzeuge wurde ebenfalls nicht als Beteiligter mit der damit verbundenen Feststellungspflicht angesehen. Anderenfalls würde eine Zeugenpflicht begründet, die dem Gesetz fremd sei.29 Mit der Neufassung der Verkehrsunfallflucht sollte sich auch die Bestrafung der an der Flucht mitwirkenden Personen ändern. § 22 Abs. 1 KFG als Sonderdelikt kannte allein den Kraftfahrzeugführer als tauglichen Täter, dem dritte Personen lediglich als Anstifter, Gehilfe oder Begünstigter zur Seite stehen konnten. Gemäß § 5 Abs. 3 E 1936 genügte zukünftig bei einem Sonderdelikt, dass die besonderen Eigenschaften, die die Strafbarkeit begründeten, bei einem der Mitwirkenden vorlagen. Das Fehlen der Sondereigenschaften stellte lediglich eine Milderungsmöglichkeit für die Strafe des Teilnehmers dar. Folglich konnte eine Person, die im Einverständnis mit dem Kraftfahrzeugführer nach dem Unfall das Steuer übernahm und den selbst verletzten, fahrunfähigen Fahrer rasch fortfuhr, als Mittäter einer Verkehrsunfallflucht bestraft werden. Die geplante Regelung der Verkehrsunfallflucht brachte auch eine Modifikation des Unfallbegriffs mit sich. § 22 Abs. 1 KFG hatte den Unfallbegriff durch die Anknüpfung an den Normtext des § 7 KFG30 bestimmt, was bedeutete, dass als Unfall das plötzliche Verletztwerden eines Menschen oder einer Sache infolge des flieht. Ein anderes Beispiel war ein Kutscher eines Heuwagens, der einem entgegenkommenden Kraftwagen nicht ausweicht, sodass Letzterer an einen Baum fährt und dabei der Kraftwagenführer schwer verletzt wird. Der Kutscher setzt seinen Weg fort. 25 Krug, DJ 1937, S. 148; Illigner, S. 29. 26 Engelstädter, S. 82. 27 Illigner, S. 29; Krug, DJ 1937, S. 148. 28 Illigner, S. 29 führt das Beispiel des Überholens aus. 29 Illigner, S. 29; Krug, DJ 1937, S. 148. 30 § 7 Abs. 1 KFG: „Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936

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Kraftfahrzeugbetriebes zu verstehen war.31 § 355 E 1936 stellte demgegenüber auf einen „Verkehrsunfall“ ab, was zur Folge hatte, dass in Zukunft jeder Unfall erfasst wurde, der irgendwie durch Umstände des Verkehrs entstanden war, gleich ob Straßenverkehr, Verkehr auf dem Wasser oder in der Luft. Die Verwendung des neuen Begriffs „Verkehrsunfall“ führte demnach zu einer Tatbestandserweiterung, indem nun sämtliche Unfälle, die sich im Verkehrsleben ereigneten, erfasst waren. Die Beschränkung auf Unfälle beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs entfiel. Neu am Tatbestand des § 355 E 1936 war auch, dass die Erschwerung der Feststellung einer Unfallbeteiligung bestraft werden sollte. Mit der Einführung dieser Tatbestandsalternative sollten Fälle erfasst werden, die bislang straflos geblieben waren, aber als strafwürdig erachtet wurden. Als Beispielsfälle dieser Begehungsform wurde das Vorweisen falscher Ausweispapiere durch einen Unfallbeteiligten angesehen, der Gebrauch eines falschen Namens oder in einem Fall, in dem es entscheidend war, mit welchem Fahrzeug ein Unfall verursacht wurde, das Beseitigen der Spuren am beteiligten Fahrzeug.32 Anders als bei seiner Vorgängernorm reichte es für eine Strafbarkeit nach § 355 E 1936 aus, dass sich der Täter der Feststellung seiner Person oder des Fahrzeugs entzog. Insoweit folgte der Entwurf Erweiterungstendenzen, die schon zu § 22 KFG trotz seines eindeutigen, anderslautenden Wortlauts geäußert worden waren.33 Krug argumentierte zur Rechtfertigung dieser Erweiterung damit, dass Fälle denkbar seien, in denen allein die Kenntnis des Fahrzeugs nicht zur Ermittlung des strafrechtlich verantwortlichen Unfallverursachers ausreiche. In diesem Fall komme es auf das Vorliegen der Angaben zur Person an, sodass das Fehlen der Angaben zur Person oder zum Fahrzeug strafwürdig sei.34 Mit der Entwurfsfassung 1936 wurde die Ausgestaltung des § 22 KFG als Unternehmensdelikt aufgegeben und die Entziehung durch die Flucht an seine Stelle gesetzt. Diese Änderung führte allerdings nicht zum Wegfall der Versuchsstrafbarkeit, was darauf beruhte, dass nach dem Entwurf von 1936 grundsätzlich jede Versuchshandlung wie eine vollendete Tat bestraft wurde, lediglich mit der Möglichkeit der Strafmilderung durch den Richter, vgl. § 7 E 1936.35 Ebenso wie § 22 KFG ließ auch der Normtext des § 355 E 1936 offen, wem gegenüber die Verpflichtung bestand, sich einer Feststellung zu unterziehen. In der Literatur wurde unter Berufung auf eine entsprechende Handhabung in der Rechtspraxis vorgeschlagen, weiterhin davon auszugehen, dass grundsätzlich je31

Isaac, Automobilgesetz, S. 85 ff. Beispiele nach Krug, S. 149; Illigner, S. 31. 33 Zum Meinungsstand siehe Müller, S. 470. 34 Krug, DJ 1937, S. 149. 35 § 7 E 1936: „ Als Täter wird schon bestraft, wer eine Straftat beginnt mit dem Vorsatz, sie selbst auszuführen oder dadurch auszuführen, daß er einen anderen für sich handeln lässt. […] Der Richter kann die Strafe mildern (§ 50). […].“ 32

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

dermann zur Feststellung befugt sei.36 Vorrangig wurden zu den Feststellungsberechtigten Polizeibeamte und die Unfallbeteiligten gezählt, aber auch Zeugen und hinzukommende Dritte, die erkennen, dass der Unfallverursacher fliehen möchte. Krug37 begründete diese weite Feststellungsbefugnis mit dem Interesse der Allgemeinheit an den Feststellungen. Der Entwurf von 1936 sah schließlich eine Verschärfung der Strafandrohungen für die Verkehrsunfallflucht vor. Die Androhung einer Geldstrafe von bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Monaten in § 22 KFG wandelte sich in § 355 E 1936 zu einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder in eine Haftstrafe. Die höheren Strafen wurden mit der durch den zunehmenden Verkehr gestiegenen Bedeutung der Führerflucht begründet, der gegenüber die bisherigen Strafandrohungen sich als zu niedrig erwiesen hätten.38 Der erhöhte Strafrahmen entspreche zudem der Verwerflichkeit des Deliktes.39

III. Die Kritik der Akademie für Deutsches Recht Die Akademie für Deutsches Recht war am 26. Juni 1933 zur „Erneuerung des Deutschen Rechts im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung nach den Grundsätzen strenger wissenschaftlicher Methode“40 vom Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz und „für die Erneuerung der Rechtsordnung“ Hans Frank gegründet worden. Die neu gegründete Institution sollte der Zusammenfassung und Führung aller rechts- und staatswissenschaftlichen Lehrkräfte dienen.41 Zu den Aufgaben des am 26. Januar 1937 durch Frank neukonstituierten erweiterten Ausschusses für Strafrecht gehörte die Stellungnahme zum Entwurf des Strafgesetzbuches von 1936.42 In seiner Sitzung vom 12. Mai 1937 befasste sich der Ausschuss unter dem übergeordneten Tagesordnungspunkt „Angriffe auf die Rechtsordnung (3. Gruppe 3. Teil)“ mit den Angriffen auf „Rechtspflege und Verwaltung, §§ 346 – 377 E 1936“.

36

Krug, DJ 1937, S. 150; Illigner, S. 31. Krug, DJ 1937, S. 150. 38 Illigner, S. 33; Krug, DJ 1937, S. 151. 39 Illigner, S. 33; Krug, DJ 1937, S. 151. 40 Zitiert nach Gruchmann, S. 747 m.w.N. 41 Hattenhauer, JuS 1986, S. 680. Unter den Akademiemitgliedern fand sich eine Vielzahl von Professoren (z. B. Heinrich Lehmann, Carl Schmitt und Eduard Kohlrausch), Politikern, Ministerialbeamten und Industriellen. 42 Ausschussvorsitzender war Barth (Reichsrechtsamt), Ausschussmitglieder waren außerdem Oetker, Mayer und Schoetensack, Prof. Boldt, Strauß (Landgerichtspräsident), Stelzner, Adami, Orlowski und Strube (alle drei Staatsanwälte) und Engert (Vizepräsident des Volksgerichtshofs). Diese und nähere Angaben zur Tätigkeit der Strafrechtsausschüsse der Akademie für Deutsches Recht finden sich bei Schubert, Akademie, S. XIV ff. 37

B. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs von 1936

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Seine Kritik bündelte der Berichterstatter Boldt in der Forderung nach einer Neugestaltung der Vorschrift. Eingangs seines Vortrages erklärte er sich mit der Einordnung der Führerflucht des § 355 E 1936 in die Gruppe der Delikte gegen die Rechtspflege einverstanden, handele es sich doch um ein Delikt, dass sich eng mit der Nichtanzeige eines Verbrechens berühre und eine Pflicht zur Mitwirkung bei der Aufklärung eines Unfalls aufstelle.43 Boldt befürwortete eine Einführung einer Regelung zur Verkehrsunfallflucht in das Reichsstrafgesetzbuch und begründete diesen Wunsch mit ethischen Gründen. Es sei eine „Gesinnungslumperei“ bei einem schweren Unfall davonzufahren.44 Er äußerte keine grundsätzlichen Bedenken gegen die von ihm erkannte Konstituierung einer Pflicht zur Selbstanzeige, die über die Verbrechensaufklärungspflicht des § 351 E 1936 (Nichtanzeige geplanter Straftaten) hinausging. Insoweit komme es auf die Fassung im Einzelnen an. Die Kritik Boldts richtete sich gegen die Ausdehnung des Tatbestandes auf alle Fahrzeuge. Auch wenn er einräumte, dass die Beschränkung auf Kraftfahrzeuge zu eng gewesen sei, so forderte er dennoch die Berücksichtigung der Möglichkeit der schnellen Entfernung mit dem Kraftfahrzeug, da gerade in einem solchen Fall die Aufklärungsschwierigkeiten aufträten. Boldt wandte sich auch dagegen, dass Fälle ohne Beteiligung eines Kraftfahrzeugs erfasst würden. Insoweit schlug er ein Festhalten an der Reichsgerichtsrechtsprechung vor, die nur dann eine Führerflucht annehme, wenn der Fahrer sich der Feststellung seiner Person und seines Fahrzeugs entziehe. Die Ausdehnung des Täterkreises auf alle Unfallbeteiligten wurde von Boldt ebenfalls angegriffen. Er meinte, dass jedenfalls das Unfallopfer nicht Beteiligter sein könne, da es ihm freistehen müsse, sich vom Unfallort zu entfernen. Um auch Personen zu erfassen, die dem Kraftfahrzeugführer bei der Flucht helfend zur Seite stehen, schlug er eine Lösung über die Teilnahme- und Begünstigungstatbestände vor. Außerdem hielt Boldt den Begriff der Beteiligung für zu weit, da mit ihm auch der entfernteste Tatverursacher erfasst werde. Angemessen sei eine Begrenzung auf den verantwortlichen Führer des Fahrzeugs, allenfalls sei eine Ausdehnung auf den Urheber des Unfalls möglich. Um zu vermeiden, dass jeder leichte Sachschaden, der durch einen Personenzusammenstoß hervorgerufen wurde, erfasst würde, schlug Boldt eine Begrenzung auf Verkehrsunfälle mit Todesfolge, Verletzungen von Personen oder erheblichen Sachschaden vor.

43 44

Sitzungsprotokoll, abgedruckt bei Schubert, Akademie, S. 85. Sitzungsprotokoll, abgedruckt bei Schubert, Akademie, S. 92.

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Schließlich sprach sich Boldt für eine Beschränkung des Tatbestandes unter Ausschluss der Erschwerung der Feststellung einer Beteiligung aus, ohne dies näher zu begründen. Die von Boldt geäußerte Kritik fand allerdings keine Aufnahme in die Stellungnahme des Reichsministers Frank zum Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs, die dieser am 30. September 1938 an die Reichskanzlei übersandte.45 Frank listete die Flucht bei Verkehrsunfall (§ 355) zwar im 23. Abschnitt: Angriffe auf Rechtspflege und Verwaltung auf, kommentierte die Norm jedoch nicht.

C. Weitere Strafgesetzentwürfe der Jahre 1937 bis 1939 I. Entwurf von Juni 1938 Entgegen der ursprünglichen Planung des Reichsjustizministers Gürtner, das Deutsche Strafgesetzbuch am 30. Januar 1937, also am 4. Jahrestag der Machtübernahme, zu verkünden46, zogen sich die Entwurfsberatungen bis Ende 1939 hin. Es entsprach den Wünschen des Reichsministers Frank, der übrigen Reichsministerien und der Parteikanzlei, den Gesetzentwurf eingehend zu beraten. Im Entwurf für eine im Juni 1938 geplante Kabinettssitzung erfuhr § 355 E 1936 nur eine geringe sprachliche Änderung in Absatz 2. Statt der einleitenden Worte in § 355 E 1936 „Straflos bleibt“, wurde § 355 Abs. 247 wie folgt gefasst: „Nach dieser Vorschrift wird nicht bestraft, wer spätestens am Tage nach dem Unfall freiwillig Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung seiner Person und des von ihm benutzten Fahrzeugs herbeiführt.“

Inhaltlich war somit keine Änderung vorgenommen worden.

II. Neufassungen des Entwurfs von April/Juni 1939 Kleinere Änderungen brachte jedoch die Entwurfsfassung von April/Juni 1939, in der die Verkehrsunfallflucht folgende Regelung erfuhr:48 „§ 375 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. 45

BArch R 3001/20855 Bl. 298 ff., 328 ff. Schreiben des Reichsministers der Justiz an den Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei vom 2. Dezember 1936, BArch R 43 II/1516, Bl. 2. 47 BArch R 43 II/1516, Bl. 178. 48 Schubert/Regge, Band 1, 2. Teil, S. 508. 46

C. Weitere Strafgesetzentwürfe der Jahre 1937 bis 1939

69

In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.“

Im Vergleich zu § 355 E 1936 enthielt § 375 E 1939 eine Modifikation der Tathandlung. Sollte in § 355 E 1936 noch das Erschweren der Feststellung der Beteiligung an dem Unfall unter Strafe gestellt werden, so war nach der Neufassung nur eine Strafbarkeit desjenigen vorgesehen, der sich der Feststellung der Art und Weise seiner Beteiligung durch Flucht entzieht. Ein weiterer Unterschied zum vorangegangenen Entwurf bestand im Wegfall der Regelung zur tätigen Reue. In die Neufassung wurde schließlich eine Strafschärfung für besonders schwere Fälle eingefügt.

III. Entwurf vom Dezember 1939, § 380 RStGB In der Entwurfsfassung von Dezember 1939 fand die Verkehrsunfallflucht folgende Gestaltung:49 „§ 380 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft, wenn sein Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.“

Der Tatbestand des § 380 E 1939 begründete ein Fluchtverbot für denjenigen, dessen Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben konnte. Im Unterschied dazu hatte die Vorgängernorm des § 375 E 1939 die tatsächlich gegebene Beteiligung an einem Verkehrsunfall vorausgesetzt. Die Entwurfsberatungen zur Verabschiedung des Deutschen Strafgesetzbuches fanden am 18. Dezember 1939 ein jähes Ende. An diesem Tag ließ Hitler dem Reichsjustizminister mitteilen, dass die Verabschiedung des Deutschen Strafgesetzbuches im Wege der ordentlichen Gesetzgebung erfolgen müsse und dass er im Übrigen Zweifel hege, ob der Zeitpunkt des neuen Strafgesetzbuchs der gegebene sei.50 Im Laufe der Reformbemühungen war zunächst im Anschluss an eine für Juni 1938 geplante, aber nicht zustande gekommene Kabinettssitzung auf Bitten des Reichsjustizministers eine schriftliche Beratung im Umlaufverfahren angeordnet worden. Nach Kriegsausbruch im Jahr 1939 war vorerst geplant, die weiteren Beratungen im Ministerrat für die Reichsverteidigung zu führen.

49 50

Schubert/Regge, Band 1, 2. Teil, S. 563. Schubert/Regge, Band 1, 1. Teil, S. XVII.

70

5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

D. Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung Aufgrund des Pflichtversicherungsgesetzes vom 7. November 193951 wurde die gesetzliche Versicherungspflicht für die Halter von Kraftfahrzeugen in Deutschland eingeführt. Das Gesetz ordnete in Art. 1 § 1 an, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet sei, für sich und den berechtigten Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Sach- und Personenschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Die finanzielle Durchsetzbarkeit eines gegebenen Schadensersatzanspruchs eines Opfers einer Verkehrsunfallflucht wurde damit deutlich erhöht, da nun dem Flüchtigen eine regelmäßig finanzkräftige Versicherung zur Seite stand. Mit der Einführung der Gefährdungshaftung in § 7 des Kraftfahrzeuggesetzes von 1909 war die Anzahl der Kraftfahrzeugversicherungspolicen angestiegen, auch wenn eine Versicherungspflicht damals noch nicht eingeführt worden war. Die mit der Norm verbundene Umkehr der Beweislast führte offenbar dazu, dass sich der überwiegende Teil der Kraftfahrer zur Erhaltung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung veranlasst sah.52 Neben der Regelung der Pflichtversicherung enthielt das Pflichtversicherungsgesetz auch eine Änderung zur Normierung der Unfallflucht.53 Zwei der in den Entwürfen von 1936 und 1939 vorgeschlagenen Änderungen zum Tatbestand und den Rechtsfolgen des § 22 KFG wurden darin 1939 Gesetz. Im Tatbestand des § 22 Abs. 1 KFG wurden die Worte „Fahrzeugs und seiner Person“ durch „Fahrzeugs oder seiner Person“ ersetzt. Mit dieser Umformulierung sollte entsprechend der Rechtsprechung des Reichsgerichts54 klargestellt werden, dass auch die Flucht unter Zurücklassung des Fahrzeugs tatbestandsmäßig war. Des Weiteren wurden im § 22 Abs. 1 KFG die Strafandrohung von „ Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten“ durch „Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft oder mit Geldstrafe“ ersetzt. Damit wurde die Haftstrafe neu in den Tatbestand aufgenommen. 51 Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter und zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 7. November 1939, RGBl. 1939, S. 2223. 52 Barner, S. 20. 53 Art. II Nr. 7: „Im § 22 Abs. 1 Satz 1 werden ersetzt: a) die Worte ,Fahrzeugs und seiner Person‘ durch ,Fahrzeuge oder seiner Person‘, b) die Worte ,Geldstrafe … zwei Monaten‘ durch ,Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft oder mit Geldstrafe‘“. 54 RGSt 66, S. 56: Das Reichsgericht setzte sich über den insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm hinweg. Es begründete seine Entscheidung damit, dass andernfalls ihr Zweck – die Feststellung des Führers zu ermöglichen – nicht erreicht werden könne. Deshalb sei davon auszugehen, dass es zur Erfüllung des Tatbestandes des § 22 Abs. 1 KFG ausreiche, wenn der Führer es unternehme, sich entweder der Feststellung des Kraftfahrzeugkennzeichens oder seiner Person zu entziehen.

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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Die wirksamere Gestaltung des Schutzes der Verkehrsopfer war nach dem Wortlaut der Einleitung zum Pflichtversicherungsgesetz das Motiv für das Pflichtversicherungsgesetz und damit auch für die vorgenommenen Änderungen des § 22 KFG. Die Antwort auf die Frage, was den Gesetzgeber veranlasste, die Änderung des § 22 KFG in das Pflichtversicherungsgesetz aufzunehmen, bleibt offen. Ungeklärt bleibt auch, warum hier eine Regelung vorweggenommen wurde, die in der wenige Monate darauf in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 1940 eine umfassende Änderung erfuhr.

E. Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 194055 Mit der Regelung der Verkehrsunfallflucht in § 139a RStGB fanden die Reformbemühungen zu § 22 KFG ihren Abschluss. Der Ministerrat für die Reichsverteidigung56 verordnete mit Gesetzeskraft eine Änderung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich, indem er in den 7. Abschnitt, der Delikte gegen die öffentliche Ordnung, folgende Regelung einfügte:57 „§ 139a Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.“

Der Wortlaut der Norm wies somit eine enge Verknüpfung zum Text des § 380 E 1939 auf, ohne diesen exakt zu übernehmen. 55

RGBl. I 1940, Nr. 62, S. 606. Unterschrieben war die Verordnung vom Vorsitzenden des Ministerrats für die Reichsverteidigung Göring, dem Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung Frick und dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Lammers. Der Ministerrat für die Reichsverteidigung war von Hitler zwei Tage vor Kriegsbeginn zu seiner Entlastung eingerichtet worden, um eine schnelle Erledigung der gesetzgeberischen Aufgaben bei der Umstellung von Verwaltung und Wirtschaft auf die Anforderungen des Krieges zu erreichen. Er konnte Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. (Gruchmann, S. 819). 57 RGBl. I 1940, Nr. 62, S. 606. 56

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Über die sprachliche und damit zugleich über die inhaltliche Fassung des § 139a RStGB war im Vorfeld viel diskutiert worden.58 Zu Beginn des Gedankenaustauschs stand ein Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem Landgericht in Berlin an den Reichsminister der Justiz vom 28. Dezember 1938.59 Im Zusammenhang mit einem später aus formellen Gründen zurückgezogenen Revisionsantrag begehrte der Verfasser des Schreibens eine Klärung der Frage der Anwendbarkeit des § 22 KFG auf Kraftfahrzeugführer, die sich lediglich der Feststellung ihres angetrunkenen Zustandes entzogen. In Anbetracht der „in dieser Beziehung nicht unzweifelhaften Fassung“ des § 22 KFG und der sich daraus ergebenden Unsicherheit in der Rechtsprechung formulierte der Generalstaatsanwalt ein Bedürfnis nach einer eindeutigeren Fassung der Fahrerfluchtbestimmung. Nach seinem Dafürhalten bestand rechtspolitisch auch ein Bedürfnis nach einer eindeutig erweiterten Formulierung der Fahrerfluchtbestimmung in diesem Sinn. Es nütze den Interessen der Allgemeinheit oder des Geschädigten unter Umständen nur wenig, wenn Fahrzeugnummer und Personalien eines am Unfall beteiligten Kraftfahrzeugführers bekannt würden, die Tatsache seiner Alkoholisierung oder des verkehrswidrigen Zustand seines Fahrzeugs aber nicht festgestellt und somit später nicht nachgewiesen werden könne.60 Dem Generalstaatsanwalt erschien es wenig einleuchtend, dass man zwar die Verhinderung der Feststellung der Fahrzeugnummer und der Personalien durch die Fahrerfluchtregelung unter Strafe stellte, nicht aber auch die Verhinderung der Feststellung der Betriebssicherheit des Fahrzeugs und die Ungeeignetheit des Fahrers zum Fahren eines Kraftfahrzeugs, denn der Zweck der Norm solle doch besonders dahin gehen, ein Interesse der Allgemeinheit zu wahren, Fahrzeuge, die sich bei einem Unfall als betriebsunsicher erwiesen hätten, vom weiteren Verkehr auszuschließen und Kraftfahrer, die sich als ungeeignet zum Fahren eines Kraftfahrzeugs erwiesen hätten, nicht weiter die Eigenschaft als Kraftfahrzeugführer zu belassen.61 Zur Behebung dieses Mangels schlug der Generalstaatsanwalt folgende Fassung der Fahrerfluchtbestimmung vor:62 „Wer an einem Verkehrsunfall mit Sach- oder Personenschaden beteiligt ist, hat unverzüglich dafür zu sorgen, dass die Polizei Kenntnis vom Unfall erhält, und dann die Feststellung seiner Person, des geistigen und körperlichen Zustandes seiner Person, sowie gegebenenfalls die Feststellung seines Fahrzeuges und dessen Zustand durch die Polizei baldmöglichst erfolgen kann. Jeder Unfallbeteiligte ist ferner verpflichtet, anderen Unfallbeteiligten oder Unfallzeugen seine Personalien und das Kennzeichen seines etwaigen Fahrzeuges anzugeben, sowie auf Verlangen das Eintreffen eines Polizeibeamten am Unfallort abzuwarten. Ein solches 58

Siehe hierzu die Akte BArch R 3001/20845. BArch R 3001/20845, Bl. 82. Aus dem Briefkopf des Schreibens ergibt sich der Generalstaatsanwalt des Landgerichts als Absender. 60 BArch R 3001/20845, Bl. 84. 61 BArch R 3001/20845, Bl. 83 R mit Verweis auf Müller, Straßenverkehrsrecht, 1938. 62 BArch R 3001/20845, Bl. 83 R. 59

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

73

Verlangen kann er nur aus zwingenden Gründen (z. B. wegen eigener Verletzung, gebotener Hilfeleistung) ablehnen. Wer dieser Vorschrift zuwider handelt, wird wegen Fahrerflucht mit Gefängnis bis zu 2 Jahren oder mit Haft bestraft.“

Schließlich wandte sich der Generalstaatsanwalt gegen die Möglichkeit der tätigen Reue, die seiner Meinung nach nur der „Spurenverwischung“ Vorschub leistete und andererseits nur äußerst selten einen flüchtigen Fahrer zur nachträglichen Anzeige motivierte. Der Generalstaatsanwalt bei dem Kammergericht wollte sich jedoch in einem Schreiben vom 10. Februar 193963 an den Reichsminister der Justiz dem Vorschlag seines Kollegen nicht anschließen. Er erblickte nämlich in der erweiterten Fassung der Fahrerfluchtbestimmung in der praktischen Auswirkung die Gefahr einer „kaum übersehbaren Behinderung des Kraftverkehrs“. Der Vorschlag des Generalstaatsanwalts bei dem Landgericht Berlin fand aber trotz der Kritik schon im Mai 1939 Eingang in die Beratungsgrundlagen des Reichsjustizministeriums. Zur geplanten gesetzgeberischen Regelung zur Änderung von Vorschriften zum Schutze des Straßenverkehrs gab Staatssekretär Freisler für die Fassung des § 22 KFG folgende Fassung als Richtlinie:64 „Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Reichsmark allein oder nebeneinander, bestraft. (Handschriftliche Anmerkung: Wer es unternimmt … zu entziehen). In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.“

Die Richtlinie griff den Wunsch nach der Erhöhung des Strafmaßes auf, der seitens der Gerichte und Staatsanwaltschaften geäußert worden war65. Auch im Kreis der leitenden Mitarbeiter im Reichsjustizministerium wurde erwogen, den Tatbestand der Unfallflucht umzugestalten, insbesondere durch eine Heraufsetzung der bisherigen, als unzulänglich erachteten Höchststrafe von zwei Monaten.66 Dabei sollte die Regelung der Führerflucht im Zusammenhang mit den

63

BArch R 3001/20845, Bl. 93 ff., 97. BArch R 3001/20845, Bl. 135. 65 BArch R 3001/20845, Bl. 137, 138, Vermerk vom 23. 5. 1939 zum Lagebericht des OLGPräsidenten in Hamm, der die Ansicht eines Vorsitzenden einer Verkehrskammer wiedergibt, dass die Höchststrafe für die Fahrerflucht zu gering sei. Für eine Verschärfung der Strafbestimmungen sprach sich auch der Generalstaatsanwalt in Celle aus, Vermerk zum Bericht vom 2. 2. 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 86. 66 Vermerk über eine Besprechung im RJM aus Anlass des Verfahrens vor dem Großen Senat des RG zur Berufsfahrerfrage am 6. 4. 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 116 ff. 64

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

als besonders dringlich empfundenen Änderungen der Vorschriften über die fahrlässige Tötung und Körperverletzung erfolgen.67 Diese Vorschriften bargen die Problematik, dass die §§ 222 Abs. 2, 230 Abs. 2 RStGB in ihrer bisherigen Fassung die fahrlässige Tötung und die fahrlässige Körperverletzung mit erhöhter Strafe bedrohten, wenn der Täter zu der Aufmerksamkeit, die er außer Acht ließ, „vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet“ war. Außerdem wurden unter dieser Voraussetzung die leichte vorsätzliche sowie die fahrlässige Körperverletzung nach der bisherigen Regelung des § 232 RStGB von Amts wegen verfolgt, während sonst die leichten vorsätzlichen und alle fahrlässigen Körperverletzungen nur auf Antrag verfolgt wurden. Diese Normen führten dazu, dass Berufsfahrer für die genannten Delikte im Straßenverkehr härter bestraft und häufiger verfolgt wurden als andere Verkehrsteilnehmer. Dem versuchte das Reichsgericht durch eine extensive Auslegung des Begriffs des Berufskraftfahrers zu begegnen, indem es auch denjenigen als Berufsfahrer ansah, der seinen Kraftwagen nur für Neben- oder Hilfsverrichtungen seines Berufes benutzte, wie etwa ein Arzt, der mit seinem Wagen seine Patienten zu besuchen pflegte, aber im konkreten Fall auf einer Erholungsfahrt unterwegs war.68 Aus Anlass einer bevorstehenden Entscheidung des Großen Senats beim Reichsgericht in der Berufsfahrerfrage erschien es der Regierung politisch opportun, selbst rechtssetzend tätig zu werden, indem sie die unterschiedliche Behandlung von Berufsfahrern und Nicht-Berufsfahrern beseitigte. Die Erwägungen im Reichsministerium der Justiz gingen bereits im April 1939 dahin, die Neufassung der §§ 222 Abs. 2, 230 Abs. 2, 232 Abs. 1 RStGB und folglich damit zusammenhängend der Verkehrsunfallflucht vor der Verabschiedung der Strafrechtserneuerung vorzunehmen.69 In einer Besprechung im Reichsjustizministerium am 9. Juni 1939 verdeutlichte Ministerialrat Grau vom Reichsjustizministerium die nach seiner Ansicht vorhandenen Lücken in der bestehenden Regelung der Führerflucht. Er bemängelte eine Strafbarkeitslücke für den Fall, dass der Fahrer dem Verletzten zwar Namen und Nummer des Wagens mitteile, dann aber die Unfallstelle verlasse, um sich einer Blutprobe auf Alkohol zu entziehen oder um den nicht verkehrssicheren Zustand seines Fahrzeugs zu verbergen. Auch bleibe der Fall straflos, in dem der Fahrer sich allen Feststellungen durch die Flucht entziehe, sich aber am folgenden Tag bei der Polizei melde, nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen habe, sodass eine Blutprobe ergebnislos bleibe, oder nachdem er seinen Wagen habe reparieren lassen. Graus Vorschlag ging dahin, dass auch derjenige künftig bestraft werde, der die Art und 67

Vermerk vom 6. April 1939, BArch R 3001/20845 Bl. 116, 117. Amtliche Gesetzesbegründung, DJ 1940, S. 508 mit Hinweis auf RG 64, S. 430; 59, S. 269). 69 Schreiben des Reichsministeriums der Justiz an den Stellvertreter des Führers vom 27. April 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 140; so auch das Ergebnis der Besprechung im Reichsjustizministerium vom 9. Juni 1939, R 3001/20845, Bl. 147. 68

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch die Flucht verschleiere. Das Bedenken, dass der Gesetzgeber dadurch den Kraftfahrer verpflichte, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken, könne mit Rücksicht auf die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht überzeugen. Graus Überzeugung ging weiterhin dahin, die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 KFG über die tätige Reue zu streichen, da sie nur kriminalpolitischen Interessen dienen sollte. Schließlich schlug Grau eine Erhöhung des Strafrahmens vor. Er halte es für wünschenswert, insoweit bereits die Strafgesetzreform vorwegzunehmen und den Strafrahmen des Entwurfs einzusetzen.70 Während OLGRat Däubler in der Besprechung Bedenken des Verkehrsreferats gegen eine Ausdehnung der Fahrerfluchtnorm auf alle Verkehrsteilnehmer äußerte, verteidigte Grau die Erweiterung des Täterkreises auf alle Verkehrsteilnehmer, also auch auf Fußgänger und Radfahrer. Hierzu betonte Schäfer (RJM), dass grundsätzlich nur Personen erfasst würden, die als Unfallverursacher in Frage kämen, nicht aber Zeugen. Die Aufnahme der Verkehrsunfallflucht, die fortan nicht nur Kraftfahrzeugführer betreffe, in das Strafgesetzbuch wurde in der Konferenz von verschiedenen Seiten angeregt. Im Anschluss an diese Ressortbesprechung übersandte der Reichsminister der Justiz Gürtner mit Schreiben vom 20. Juni 1939 dem Reichsverkehrsminister einen „Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Straßenverkehrs“ mit der Bitte um Stellungnahme und unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.71 Die Verkehrsunfallflucht wurde in Art. I Nr. 4 des Entwurfs geregelt. Er lautete: „Hinter § 139 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich wird eingefügt: § 139a Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Reichsmark oder mit einer dieser Strafen bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus. Der Versuch ist strafbar.“

Nach Art. II des Entwurfs sollte die Regelung des § 22 KFG aufgehoben werden.72

70

Niederschrift über die Besprechung im Reichsjustizministerium am 9. Juni 1939 über eine Änderung der Vorschriften über den Berufsfahrer und die Führerflucht, BArch R 3001/ 20845, Bl. 144, 147 ff. 71 BArch R 3001/20993, Bl. 63 f. 72 BArch R 3001/20993, Bl. 64 ff.

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Die gewandelten Bedürfnisse des Straßenverkehrs motivierten den Gesetzgeber zur Umgestaltung der Fahrerfluchtnorm.73 Mit der pauschalen Behauptung, eine Beschränkung des Täterkreises auf den Kraftfahrzeugführer sei „nicht am Platze“74, wurde die Ausdehnung des Täterkreises auf jeden Teilnehmer am Straßenverkehr, der an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, begründet. Die Entwurfsbegründung definierte als „beteiligt“ „alle Verkehrsteilnehmer, die nach der Lage des Einzelfalles dafür in Frage kommen, zu dem Unfall beigetragen zu haben“75. Als Beteiligte seien diejenigen auszuschließen, die „nur als Zeugen den Vorfall miterlebt“76 hätten. Aufgrund der Erweiterung des Täterkreises sei die Vorschrift aus dem engen Rahmen des Kraftfahrzeuggesetzes zu lösen und in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Die Erweiterung des Tatbestandes um die Vereitelung der Feststellung der Art und Weise der Beteiligung wurde mit nicht näher dargestellten Strafwürdigkeitserwägungen begründet.77 Zur Anhebung des Strafmaßes wurde ausgeführt, dass das Strafmaß in § 22 Abs. 1 KFG von bis zu zwei Monaten Gefängnis sich als unzureichend erwiesen habe. Der Verzicht auf die Möglichkeit, durch tätige Reue Straffreiheit zu erlangen, wurde mit diesbezüglichen Missbrauchsfällen begründet. So könne etwa ein betrunkener Unfallverursacher, der zunächst geflohen war, am nächsten Tag nach ausgeschlafenem Rausch mit Hilfe der Vorschrift über die tätige Reue Straffreiheit erlangen. Die Entwurfsbegründung berief sich außerdem auf eine nicht näher konkretisierte Auffassung der Polizei, nach der kein kriminalpolitisches Bedürfnis an der Aufrechterhaltung der Norm bestehe, weil Verkehrsunfälle auch ohne Zutun des Schuldigen innerhalb kürzester Frist aufgeklärt würden.78 Die Entwurfsbegründung selbst wies darauf hin, dass der vorgeschlagene Normtext des neuen § 139a RStGB insgesamt dem im Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs enthaltenen Tatbestand der „Flucht bei Verkehrsunfall“ entspreche.79 Diese Aussage war überwiegend zutreffend. Zwei Textabweichungen gab es aber dennoch: Zum einen enthielt § 139a des Entwurfs die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe von bis zu zehntausend Reichsmark. Zum anderen bestimmte er in Absatz 2 die Versuchsstrafbarkeit. Diese Abweichungen wies der Entwurf von Ende August 1939 allerdings nicht mehr auf.80

73

Entwurfsbegründung, BArch R 3001/20845, Bl. 158, 160 ff., 163. Die Merkmale des Wandels wurden nicht näher erläutert. 74 BArch R 3001/20845, Bl. 155. 75 BArch R 3001/20845, Bl. 155. 76 BArch R 3001/20845, Bl. 155. 77 Inhaltlich gleichen sie den Erwägungen des Generalstaatsanwaltes des Landgerichts Berlin, s. o. 78 Zum Vorstehenden siehe die Entwurfsbegründung, BArch R 3001/20845, Bl. 160 ff., 162 ff. 79 Entwurfsbegründung, a.a.O., Bl. 164. 80 BArch R 3001/20845, Bl. 187.

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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Der Reichsverkehrsminister begrüßte den Gesetzentwurf.81 Zur Präzisierung des Täterkreises schlug er jedoch vor, die Worte „an dem er beteiligt war“ zu ersetzen durch „den er verursacht hatte“. Nur so werde der gesetzgeberischen Absicht hinreichend klar Ausdruck verliehen, wonach nur die Verkehrsteilnehmer beteiligt seien, die nach Lage des Einzelfalls dafür in Frage kämen, zu dem Unfall beigetragen zu haben. In seiner Reaktion auf den Gesetzentwurf schlug der Korpsführer des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) vor, den Normtext dahingehend zu ergänzen, dass nach den Worten „durch Flucht“ die Worte „oder durch Verweigerung der Namensangabe oder durch Angabe von falschen Namen“ eingefügt würden.82 Diese Erweiterung sei deshalb erforderlich, weil erfahrungsgemäß hauptsächlich Fußgänger und Radfahrer bei einer Beteiligung an Verkehrsunfällen dem privaten Kraftfahrer die Angabe ihres Namens oder ihrer Adresse verweigerten oder falsche Namen oder Adressen angäben. Demzufolge sei der Kraftfahrer ohne polizeiliche Hilfe nicht in der Lage, die Korrektheit der Angaben dieser Unfallbeteiligten zu überprüfen oder solche Angaben überhaupt zu erhalten. In seinem Antwortschreiben teilte das Reichsjustizministerium dem Korpsführer des NSKK zunächst eine geplante Änderung im Gesetzentwurf mit, die darin bestehe, dass die Worte „an dem er beteiligt war“ ersetzt würden durch die Worte „für dessen Herbeiführung er als Beteiligter in Betracht kommt“83. Die Anregung des NSKK, im Tatbestand der Führerflucht auch die Verweigerung der Namensangabe oder den Gebrauch eines falschen Namens zur Verhinderung der Feststellung von Person und Fahrzeug aufzunehmen, fand keine Aufnahme in den Gesetzentwurf. Hierzu wurde ausgeführt, dass allein die Verweigerung der Namensangabe oder eine falsche Namensangabe ohne Entfernung vom Tatort keine kriminell strafbare Tat, sondern allenfalls eine Ordnungswidrigkeit darstelle, die bei Bejahung eines Strafbedürfnisses in einer Ergänzung der Straßenverkehrsordnung oder einer besonderen Polizeiverordnung geregelt werden könne.84 Da die geplante Novelle zum Schutz des Straßenverkehrs vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht mehr verabschiedet werden konnte, ging die gesetzgeberische Absicht anschließend dahin, sie in eine Novelle zum Strafgesetzbuch einzuarbeiten. Ihre Verabschiedung sollte durch das „Dreierkollegium“ erfolgen, da sie ausschließlich unpolitische Änderungen von geringerer Bedeutung enthalte.85 81

Schreiben des Reichsverkehrsministers an den Reichsminister der Justiz vom 11. Juli 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 181. 82 Schreiben des Korpsführers des NSKK an den Reichsminister der Justiz, Eingang am 23. Juli 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 183. 83 Schreiben des Reichsverkehrsministers an den Reichsminister der Justiz vom 11. Juli 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 181. 84 Schreiben an den Korpsführer des NSKK vom 24. August 1939, BArch R 3001/20845 Bl. 185 ff. 85 Schreiben des Reichsministers der Justiz an den Reichsverkehrsminister vom 23. Oktober 1939, BArch R 3001/20845 Bl. 196. Das Dreierkollegium, bestehend aus dem Gene-

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

Zur Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz des Straßenverkehrs fehlte Ende 1939 nur noch die Zustimmung des Stellvertreters des Führers, deren Fehlen nach Ansicht von Rietzsch das Gesetzesvorhaben verzögert hatte.86 Rietzsch wandte sich daher mit einem Schreiben vom 29. November 1939 an die Parteizentrale der NSDAP. Unter Berücksichtigung der zuvor von der Parteizentrale geäußerten Bedenken87 wurde von ihm nun folgender Gesetzeswortlaut vorgeschlagen: „Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft, wenn sein Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter zwei Jahren oder Zuchthaus. Der Versuch ist strafbar.“

Erläuternd wurde zu dieser Fassung ausgeführt, dass sie klarstellen solle, dass derjenige unbehelligt bleiben solle, der nur Zeuge sei (z. B. Fahrzeuginsasse). Auch dürfe sich kein Fahrer damit herausreden können, er habe geglaubt, zur Unfallverursachung in keiner Weise beigetragen zu haben. Deshalb solle die Voraussetzung der Bestrafung, dass das Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalls beigetragen habe, Bedingung der Strafbarkeit sein, brauche vom Vorsatz also nicht umfasst zu werden.88 Die Formulierung als bloße Bedingung der Strafbarkeit unterschied den Entwurf in dieser Hinsicht von seinen Vorgängern. Mit Schreiben vom 6. Dezember 193989 stellte der Stellvertreter des Führers seine Bedenken gegen die Verordnung zurück. Als Bestimmung von besonderer Bedeutung für die Allgemeinheit sah er die Verschärfung der Strafdrohung für die Unfallflucht an. In einem Schreiben des Reichsjustizministeriums an den Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung vom 9. Januar 1940 trug die Verordnung die geänderte Überschrift „Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung und Körperverletzung und zur Flucht bei Verkehrsunfällen“.90 In dem ralbevollmächtigten für die Reichsverwaltung, dem Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft und dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, war nach dem Reichsverteidigungsgesetz befugt, Rechtsverordnungen zu erlassen. 86 Schreiben von Rietzsch an das Reichsverkehrsministerium vom 24. November 1939, BArch R 3001/20845, Bl. 206 f. 87 Schreiben von Rietzsch an Hein, Braunes Haus München, BArch R 3001/20845, Bl. 207 f.: Rietzsch verweist auf telefonisch geäußerte Bedenken, die nicht näher präzisiert werden und auch, soweit ersichtlich, nicht dokumentiert sind. Aus dem folgenden Text ergibt sich, dass es sich im Wesentlichen um Kritik an der Regelung der Berufskraftfahrerfrage handelte. 88 BArch R 3001/20845, Bl. 207 ff. 89 BArch R 3001/20845, Bl. 215 f. 90 Der Wunsch nach einer „neutralen“ Überschrift war von der Parteizentrale der NSDAP geäußert worden, BArch R 3001/20845, Bl. 215 f.

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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Brief wurde die Dringlichkeit der Verordnung betont, indem auf die Rechtsunsicherheit bezüglich der Begriffe der „Berufspflichtverletzung“ bei der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung hingewiesen wurde. Ein Versuch, eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zu erzielen, sei gescheitert; denn der Große Senat habe erklärt, dass auch er eine gesetzliche Regelung für unumgänglich halte, und habe in Erwartung einer solchen Entscheidung das Verfahren wiederholt ausgesetzt. Die genaue Bestimmung des Täterkreises war schließlich noch einmal Gegenstand eines Briefwechsels zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht, dem Reichsministerium der Justiz und dem Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung. Mit Schreiben vom 15. Februar 194091 an den Ministerrat für die Reichsverteidigung stimmte das Oberkommando der Wehrmacht der geplanten Verordnung unter der Voraussetzung zu, dass der Text des § 139a RStGB durch die Einfügung eines Nebensatzes eine Änderung erfahre. Die Formulierung „wenn sein Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalles beigetragen hat“ sollte ersetzt werden durch: „wenn er nach den Umständen des Falles annehmen musste, dass sein Verhalten zur Verursachung des Unfalles beigetragen hat“. Die gewünschte Textänderung wurde damit begründet, dass die Einschaltung des rein objektiven Merkmals in der Ausgangsfassung zu weitgehend erscheine. Das Oberkommando der Wehrmacht war der Ansicht, dass derjenige, der der besten Gesinnung sei, in keiner Weise zur Verursachung des Unfalls beigetragen zu haben, nicht zu bestrafen sei.92 Das Reichsministerium der Justiz schloss sich dem Vorschlag des Oberkommandos der Wehrmacht insoweit an, als es anerkannte, dass derjenige nicht mit Strafe zu bedrohen sei, der der besten Meinung sei, in keiner Weise zur Verursachung des Unfalles beigetragen zu haben. Die Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums beharrten jedoch darauf, dass die Frage, ob ein Verkehrsteilnehmer in keiner Weise zur Verursachung des Unfalles beigetragen habe, nicht ausschließlich in das Ermessen des beteiligten Verkehrsteilnehmers gestellt werden könne. Vielmehr sei die Auffassung der unbeteiligten Anwesenden, insbesondere der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten und daneben auch dritter Personen, zu berücksichtigen. Diese Auffassung setzte sich schließlich durch und führte in § 139a RStGB zu folgender Normfassung:93 „Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft.

91 92 93

BArch R 3001/20845, Bl. 229. BArch R 3001/20845, Bl. 229. BArch R 43 II/1513 a, Bl. 127 f.; kursive Hervorhebung im Original unterstrichen.

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.“

Die (durch Unterstreichung gekennzeichneten) geänderten Worte sollten klarstellen, dass der Verkehrsteilnehmer, gegen den die Umstände einen gewissen Verdacht begründeten, grundsätzlich anhalten müsse, um die Angaben über Person und Fahrzeug zu machen. Der Flucht schuldig sei er jedoch nur dann, wenn er wisse oder damit rechne, dass er als Verursacher (oder Mitverursacher) des Unfalls nach den Umständen in Frage komme und sich dennoch den Feststellungen entzieht. Der Entwurf der Verordnung fand auch die Zustimmung des Generalbevollmächtigten für die Reichsverwaltung94 und wurde anschließend bei den Mitgliedern des Ministerrats in Umlauf gesetzt. Ein Einspruch wurde nicht erhoben.95 Gemäß ihrem Art. IV trat die Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen am siebten Tag nach ihrer Verkündigung in Kraft.96 Die amtliche Verordnungsbegründung97 wurde mit der Feststellung eingeleitet, dass die Verordnung „einige besonders dringliche Änderungen“ strafrechtlicher Normen bringe, deren Erforderlichkeit sich aus der fortschreitenden Entwicklung des Straßenverkehrs ergeben habe. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Vorschrift des § 22 KFG den Bedürfnissen des Straßenverkehrs nicht mehr genüge.98 Die frühere Beschränkung des Täterkreises auf den Kraftfahrzeugführer wurde ohne weitere Ausführungen als unangebracht bezeichnet, sodass zukünftig der Insasse des Kraftfahrzeugs, der z. B. dem Fahrer Weisungen erteilt, Radfahrer und Fußgänger und alle übrigen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich als mögliche Täter einer Verkehrsunfallflucht infrage kämen, sofern sie durch ihr Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hätten. Dabei sei unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob objektiv ein Beitrag zur Unfallverursachung vorliege, die Ansicht eines möglicherweise Unfallbeteiligten sei insofern nicht maßgeblich. Die Begründung enthielt einen Hinweis darauf, dass der Vorsatz des Täters auf die Unfallverursachung gerichtet sein musste.99

94

BArch R 43 II/1513 a, Bl. 126. Vermerk vom 20. März 1940, BArch R 43 II/1513 a, Bl. 129. 96 Siehe Reichsgesetzblatt 1940 I, Nr. 62, S. 606. 97 DJ 1940, S. 508 ff. 98 Die gleichen Motive nannten auch Grau/Krug/Rietzsch, S. 219. Illigner, S. 28 wies darauf hin, dass die Großstädte Hamburg (Verkehrsverordnung für das Hamburgische Staatsgebiet vom 23. 5. 1929) und Dresden (Verordnung vom 1. 6. 1932) zwischenzeitlich durch den Erlass örtlicher Polizeivorschriften die Möglichkeit geschaffen hatten, auch die Flucht anderer Verkehrsteilnehmer als des Kraftfahrzeugführers zu ahnden. 99 DJ 1940, S. 508, 509. 95

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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Mit nicht näher ausgeführten Strafwürdigkeitserwägungen wurde anschließend die neu eingeführte Strafbarkeit dessen begründet, der sich der Feststellung der Art und Weise seiner Beteiligung, etwa des Grades seiner Trunkenheit durch Blutprobe oder des schlechten Zustandes seines Fahrzeugs, entzog. Als Grundlage für die Strafrahmenerweiterung wurde eine Anpassung an den Unrechtsgehalt des Delikts angeführt.100 Weiterhin entspreche die Einführung der Versuchsstrafbarkeit in § 139a RStGB dem bisherigen Recht, da § 22 KFG die Versuchsstrafbarkeit umfasst habe, indem er das Unternehmen, sich der Feststellung durch Flucht zu entziehen, unter Strafe gestellt habe.101 Der Verzicht auf die Regelung der tätigen Reue wurde in der Verordnungsbegründung schließlich mit dem Missbrauchsargument begründet. Es habe die Möglichkeit bestanden, dass ein betrunkener Fahrzeugführer durch die Flucht und Meldung am nächsten Tag erreichte, dass der Umfang seiner Unfallbeteiligung und seines Verschuldens nicht mehr aufgeklärt werden konnte, da die Blutprobe am folgenden Tag negative Ergebnisse bringen musste. Außerdem bestehe nach polizeilicher Auffassung auch kein kriminalpolitisches Bedürfnis an der Aufrechterhaltung der Vorschrift.102 Während die amtliche Begründung zur Verordnung mit einem Umfang von weniger als einer Zeitschriftenspalte sehr knapp ausfiel und eher Behauptungen als Gesetzesbegründungen lieferte, bemühten sich die drei Ministerialräte im Reichsjustizministerium Grau, Krug und Rietzsch um eine ausführliche Darstellung der gesetzgeberischen Absichten und Motive.103 Als Basis für die gesetzliche Umgestaltung der Führerflucht zur Verkehrsunfallflucht führten die Autoren den Gedanken der Verkehrsgemeinschaft104 aller Verkehrsteilnehmer an. Die Einbindung in die Verkehrsgemeinschaft bedeute, dass jeder Verkehrsteilnehmer durch die Beachtung der Verkehrsregeln den reibungslosen Verkehrsfluss fördern müsse, Verkehrsdisziplin zu üben und Verantwortung für die Wahrung der Interessen aller Verkehrsteilnehmer zu tragen habe.105 Bei einem Unglücksfall gehe das Interesse der Verkehrsgemeinschaft dahin, dass die Ursachen möglichst vollständig aufgeklärt würden, damit die etwa erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen (Stilllegung betriebsunsicherer Fahrzeuge, Entziehung der Fahrerlaubnis) getroffen, mögliche Straftaten zum Schutz der Volksgemeinschaft, zur Sühne der Tat und zur Festigung des Willens zur Gemeinschaft geahndet und zi100

DJ 1940, S. 508, 509. DJ 1940, S. 508, 509. 102 DJ 1940, S. 508, 509. 103 Grau/Krug/Rietzsch, S. 219 ff.; Rietzsch, DJ 1940, S. 532, 535 ff.; Freisler, DJ 1940, S. 525 ff. 104 Ausführlich hierzu Freisler, DJ 1940, S. 525, 526; Rietzsch, DJ 1940, S. 535. 105 Rietzsch, DJ 1940, S. 535. 101

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5. Kap.: Die Zeit des Nationalsozialismus

vilrechtliche Ansprüche nach den Geboten der Gerechtigkeit befriedigt würden. Alle diese Interessen seien der Verkehrsgemeinschaft gemeinsam und einander gleichberechtigt. Zum Zwecke ihrer Wahrung seien alle Verkehrsteilnehmer, die als Unfallverursacher infrage kämen, gleichermaßen verpflichtet, sich und gegebenenfalls ihr Fahrzeug zur Aufklärung des Unfalls zur Verfügung zu stellen.106 Die Flucht nach einem Verkehrsunfall wurde nicht länger als bloße Ordnungswidrigkeit107 angesehen, sondern als Verstoß gegen den Gemeinschaftsgedanken. Der Täter sei deshalb aufgrund einer charakterlichen Verfehlung kriminell strafwürdig.108 Durch die strafrechtliche Verfolgung der Unfallflucht solle die Möglichkeit geschaffen werden, jeden Unfall aufzuklären und denjenigen, der ihn verschuldet hat, zur Verantwortung zu ziehen. Die Nichtbeachtung von Verkehrsregeln wie auch die Flucht nach einem Verkehrsunfall zeigten, dass der Verkehrsteilnehmer seine Gemeinschaftspflichten nicht erfülle. Deswegen sei eine Sühne erforderlich, die eindrucksvoll ausfallen müsse, da es von „gröbster Verantwortungslosigkeit und ausgesprochener Gemeinschaftswidrigkeit“ zeuge, wenn die Feststellung des Unfalls und die Ermittlung der Verantwortlichkeit durch eine Flucht verhindert würden.109 An zwei Beispielen verdeutlichten Grau, Krug und Rietzsch den großen Kreis der möglichen Täter einer Verkehrsunfallflucht, der nicht mehr nur die Verkehrsteilnehmer umfasste. Täter sollte in einem ersten Beispiel auch ein Telegrafenarbeiter sein können, der vom Dach eines Hauses oder von einem neben der Straße stehenden Mast einen Draht auf die Straße fallen ließ und dadurch einen Verkehrsunfall herbeiführte. Als Täter einer Verkehrsunfallflucht sollte auch derjenige in Betracht kommen, der es zuvor unterlassen hatte, pflichtgemäß auf den Fahrer einzuwirken, etwa als Wagenbesitzer, der einen betrunkenen Fahrer hat weiterfahren lassen.110 Das Interesse daran, alle möglicherweise am Unfall Schuldigen festzustellen und die erforderlichen Unterlagen zur Aufklärung zu schaffen, diente den Autoren als Rechtfertigung für die Ausdehnung des Täterkreises auf alle potentiellen Unfallverursacher.111 Die Ministerialräte erachteten zuverlässige und ausreichende Feststellungen als erforderlich. Dennoch lehnten sie eine Feststellungspflicht im Sinne einer Offenbarungs- oder Meldepflicht ab.112 Zur Begründung ihrer Meinung wiesen sie darauf hin, dass selbst bei schwereren Delikten keine Rechtspflicht zur Anzeige bestehe, da 106

Rietzsch, DJ 1940, S. 535. Die Autoren selbst benutzten den Begriff der Ordnungswidrigkeit. 108 Grau/Krug/Rietzsch, S. 222. 109 Grau/Krug/Rietzsch, S. 223. 110 Beispiele aus Grau/Krug/Rietzsch, S. 233. 111 Grau/Krug/Rietzsch, S. 234. 112 Grau/Krug/Rietzsch, S. 237 mit Hinweis auf eine gegenteilige Ansicht von Rietzsch, in: Pfundtner-Neubert, II c C; Freisler, DJ 1940, S. 525, 529. 107

E. Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung

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es an ihrer Durchsetzbarkeit mangele.113 Einer solchen Anzeigepflicht komme es aber gleich, würde man die Anzeige einer möglicherweise gegebenen Beteiligung verlangen.114 Obwohl § 139a RStGB eine feststellungsberechtigte Person nicht benannte, fassten Grau, Krug und Rietzsch diesen Personenkreis sehr weit. Wenn es in der Norm darum gehe, bei jedem Verkehrsunfall die erforderlichen Beweisunterlagen für die weitere Aufklärung sicherzustellen, so sei jedermann zur Mitwirkung berufen, die Polizei ebenso wie jeder Unfallbeteiligte sowie auch jeder durch den Unfall Betroffene, aber auch jede dritte Person, die zwar selbst nicht mit dem Unfall zu tun habe, aber am Unfallort anwesend sei. Diese Meinung stützte sich auf das jedermann zustehende vorläufige Festnahmerecht gemäß § 127 StPO. Die Feststellung von Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung nach § 139a RStGB stelle eine Ergänzung dieser Norm dar und sei im Vergleich dazu die weniger weitgehende Maßnahme.115 Die drei Autoren verneinten eine Wartepflicht für den Fall, dass keine zur Feststellung bereite Person am Unfallort oder in der Nähe anwesend war, mit dem Hinweis, dass die Ermöglichung der Feststellungen voraussetze, dass jemand zur Vornahme der Feststellung da sei.116 Die Ministerialräte illustrierten anhand einiger Beispiele das Vorliegen eines besonders schweren Falls der Unfallflucht nach § 139a Abs. 3 RStGB, der sich von dem gewöhnlichen, typischen Fall durch eine besondere Gemeinheit abhebe. Danach sei ein besonders schwerer Fall anzunehmen, wenn ein Betrunkener in eine Arbeiterkolonne hineinfahre und anschließend flüchte. Dem stehe der Fall gleich, in dem leichtfertige Radfahrer auf einem Kinderspielplatz eine Reihe von Kindern niederführen und anschließend flüchteten. Schließlich hatten die Autoren den Fall vor Augen, in dem ein betrunkener Pferdekutscher einen Unfall mit einem stark besetzten Omnibus verursachte und anschließend flüchtete.117

113 114 115 116 117

Grau/Krug/Rietzsch, S. 237. Grau/Krug/Rietzsch, S. 237. Grau/Krug/Rietzsch, S. 238. Grau/Krug/Rietzsch, S. 239 mit Hinweis auf RG DR 1942, S. 1140. Grau/Krug/Rietzsch, S. 244.

Sechstes Kapitel

Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975 A. Besatzungsrecht Im Anschluss an die Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 übernahmen die Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte jeweils in ihren Besatzungszonen die Hoheitsgewalt über Deutschland. Zur Regelung gesamtdeutscher Angelegenheiten wurde von den Alliierten der Alliierte Kontrollrat eingerichtet. Die Besatzungsmächte entschieden sich gegen eine umfassende Aufhebung des nationalsozialistischen Rechts. Sie favorisierten die Durchforstung des Reichsgesetzblattes bei gleichzeitiger Reinigung und Reform des deutschen Rechtes (Verfahren der „Individualisation“).1 Somit blieb das Reichsstrafgesetzbuch grundsätzlich in Kraft. Auf strafrechtlichem Gebiet beschränkte sich die Gesetzgebung des Kontrollrates2 darauf, Normen aufzuheben oder in ihrer Anwendbarkeit einzuschränken. Ausdrücklich aufgehoben wurden insbesondere Regelungen, die ausgesprochen nationalsozialistische Tendenz hatten, die durch die veränderten politischen und staatsrechtlichen Verhältnisse hinfällig geworden waren oder die die von den Besatzungsmächten erhobene Forderung der Rechtssicherheit in der Strafrechtspflege gefährden konnten.3 Für die weiterhin geltenden Normen des Strafgesetzbuches galt das Verbot der Auslegung und Anwendung deutschen Rechts nach nationalsozialistischen Lehren.4 Weiterhin war es nicht gestattet, Handlungen unter Anwendung von Analogie oder „gesundem Volksempfinden“ zu bestrafen.5 Außerdem war es verboten, grausame oder übermäßig hohe Strafen zu verhängen.6 Es galt zudem das Verbot sonstiger 1

Etzel, S. 52 f. Kontrollratsgesetze Nr. 1 und 11. 3 Hierzu und zu weiteren Einzelheiten siehe Göke, S. 2 ff.; Welp, in: Vormbaum/Welp, S. 141; Etzel setzt sich in seiner Dissertation ausführlich mit der Aufhebung nationalsozialistischer Gesetze durch den Alliierten Kontrollrat auseinander. 4 MilRegG 1 Art. III Ziff. 4. 5 MilRegG 1 Art. IV Ziff. 7. 6 MilRegG 1, Art. IV Ziff. 8, AAR 1 Ziff. 8, abgedruckt bei Gäde. 2

B. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz

85

Überschreitung der vor dem 30. Januar 1933 geltenden Höchststrafen bei Verschärfung des Strafrahmens in der nationalsozialistischen Zeit.7 Die Verkehrsunfallflucht nach § 139a RStGB war nicht Gegenstand der Reform durch die Besatzungsmächte. Die Norm wurde weder vom Criminal Code Committee (CRICO) noch vom Legal Directorate (DLEG) des Alliierten Kontrollrates bearbeitet.8 Da § 139a RStGB aus dem Jahr 1940 die Androhung einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren oder Haft und Geldstrafe oder einer dieser Strafen vorsah und damit das Strafmaß des § 22 KFG von 1909, der eine Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Monaten vorsah, deutlich überstieg, stellte sich die Frage nach der gültigen Höchststrafe für die Verkehrsunfallflucht. Gäde9 führte dazu aus, dass es sich bei der Verkehrsunfallflucht aufgrund der Verallgemeinerung (gemeint ist wohl die Erweiterung des Täterkreises) und Neugestaltung der Fassung (hierbei dachte er womöglich an die Erweiterung um Tatbestandsalternativen) um einen neuen Tatbestand handele. Daraus folgerte er, dass die Verkehrsunfallflucht einen unbeschränkt gültigen Tatbestand darstelle, der nicht unter die Sperrvorschrift der Allgemeinen Anweisung an Richter10 (AAR) 1 falle.

B. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz (Strafrechtsbereinigungsgesetz) Eine Bereinigung des Strafgesetzbuches durchzuführen und einige nicht aufschiebbare Änderungen des Strafverfahrens vorzunehmen, war die Aufgabe, die der bundesdeutsche Gesetzgeber mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 195311 verfolgte.12 In gesetzestechnischer Hinsicht sollten gegenstandslos oder unpraktisch gewordene Vorschriften entfernt und Unrichtigkeiten oder falsche Verweisungen bereinigt werden. Überholte staatsrechtliche Begrifflichkeiten sollten an die veränderten Zustände angepasst werden. Sprachlich sollten alte Begrifflichkeiten gegen moderne ausgetauscht werden. Mit der Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung, der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und der Beseitigung der Erfolgshaftung brachte das Gesetz auch einige als zwingend erforderlich er7

Gäde, S. 6 mit Verweis auf AAR 1 Ziff. 8 b. Etzel, S. 223. 9 Gäde, S. 86. 10 Bei den Allgemeinen Anweisungen an Richter Nr. 1 handelte es sich um eine Bestimmung der Militärgesetzgebung, mit der die richterliche Unabhängigkeit und Ermessensfreiheit beschränkt wurde, um einer Fortwirkung nationalsozialistischer Gesinnung zu begegnen. Die Sperrvorschrift Ziff. 8 lit. b) AAR regelte die Geltung von Strafschärfungen, die durch nach dem 30. Januar 1933 erlassene Strafnormen in das Strafgesetzbuch eingeführt worden waren. Insoweit wurde durch die AAR angeordnet, dass regelmäßig keine Strafe verhängt werden durfte, die das vor dem 30. Januar 1933 geltende Strafmaß überstieg. 11 BGBl. I, S. 735 ff. 12 Entwurfsbegründung, BR-DS Nr. 287/52, S. 2. 8

86

6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

achtete Änderungen, die als sachliche Bereinigung bezeichnet wurden.13 Schließlich nahm das Gesetz noch eine Reihe von Änderungen an Normen vor, die durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber eingefügt oder geändert worden waren und die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren seien oder aus anderen Gründen eine Bereinigung verlangten. Mit der Bereinigung des Strafgesetzbuches durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz sollte überdies zum Ausdruck kommen, dass „soweit der Entwurf nicht eingreift, Änderungen des Strafgesetzbuchs durch die Gesetzgebung der nationalsozialistischen Zeit und der Besatzungsmächte, die von den bisherigen Strafrechtsänderungsgesetzen nicht angetastet wurden, vorbehaltlich einer eigentlichen Reform vom Gesetzgeber anerkannt werden.“14 Insoweit führte das Gesetz zu einer Konsolidierung des strafrechtlichen Normenbestandes.15 In Art. 2 Nr. 24 des Dritten Strafrechtsbereinigungsgesetzes erfolgte eine Umbezifferung des § 139a RStGB in § 142 StGB. Damit wurde der Tatbestand der Verkehrsunfallflucht nicht berührt. Der Gesetzgeber hielt am hohen Strafrahmen unverändert fest.

C. Die weiteren Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975 I. Einführung In der Nachkriegszeit und in den Fünfzigerjahren erlangte das Delikt der Verkehrsunfallflucht zunehmende Bedeutung. Die Wirtschaft blühte auf. Damit ging eine schnell fortschreitende Motorisierung einher. Schlechte Straßenverhältnisse und mangelnde Verkehrsdisziplin führten zu einem stetigen und erheblichen Anstieg der Verkehrsunfallzahlen. Diesem misslichen Zustand versuchten Rechtsprechung und Lehre auch zu begegnen, indem sie den Zweck des Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht weit fassten und zusätzlich den Tatbestand der Unfallflucht weit auslegten. In den Nachkriegsjahren war zunächst noch die Auffassung vorherrschend, Zweck des Tatbestandes sei es, die Aufklärung von Verkehrsunfällen zu erleichtern und der Gefahr eines Beweisverlustes entgegenzuwirken und auf diese Weise mittelbar zum Schutz des Straßenverkehrs und der Rechtspflege beizutragen.16 Das Interesse jedes Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zwecks Klarstellung der privat- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit wurde als geschützt angesehen. Neben diesem war aber auch das öffentliche Interesse daran in Betracht

13 14 15 16

Entwurfsbegründung, BR-DS Nr. 287/52, S. 2. Entwurfsbegründung, BR-DS Nr. 287/52, S. 5, im Original unterstrichen. Welp, in: Vormbaum/Welp, S. 163. Magdowski, S. 20 m.w.N.; Maurach, Besonderer Teil, 4. Aufl. 1957, S. 673.

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

87

zu ziehen.17 Die Funktionalisierung des Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht wurde deutlich in der Formulierung, die Welzel in seinem Strafrechtslehrbuch verwendete. Er hielt die Verkehrsunfallflucht für „eine strafrechtliche Zweckmaßnahme zur Erleichterung der Aufklärung von Verkehrsunfallursachen als Mittel, künftigen Verkehrsunfällen vorbeugen zu können“.18 Die Einführung einer Wartepflicht, einer Rückkehrpflicht und eines Anzeigegebots waren Ausprägungen von Erweiterungstendenzen in der Rechtsprechung. Eine Wartepflicht wurde entgegen der Rechtsprechung des Reichsgerichts nun selbst in den Fällen angenommen, in denen niemand am Unfallort anwesend war, der die Feststellungen treffen konnte.19 Die Erfüllung der Hilfeleistungspflicht nach § 330c StGB sollte den Täter in Zukunft lediglich berechtigen, den Unfallort vorübergehend zu verlassen. Nach erfolgter Hilfeleistung wurde von ihm jetzt die Rückkehr an den Unfallort verlangt.20 Schließlich verwandelte die Rechtsprechung das Fluchtverbot in ein Anzeigegebot in Fällen, in denen die Rückkehr an den Unfallort zwecklos war, weil niemand am Unfallort war, der die Feststellungen treffen konnte, oder sofern diese nicht mehr möglich waren. Der Täter hatte fortan den Unfall bei der Polizei zu melden.21 Ein Umdenken hinsichtlich der Auslegung der Norm der Verkehrsunfallflucht setzte ein durch eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts22 und einen richtungsweisenden Aufsatz des bremischen Staatsanwalts Dünnebier.23 Auch im Bundesjustizministerium fand diese neue Konzeption Anhänger, „weil bei der augenblicklichen Rechtsprechung einigermaßen zuverlässige Grenzen des Tatbestandes kaum mehr festgestellt werden“24 konnten. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte geurteilt, dass die Sicherung der Feststellung von bloßen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften, die ohne Rücksicht auf den Erfolg der Zuwiderhandlung zu strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen

17

Schönke-Schröder, 8. Auflage 1957, § 142 , S. 565 m.w.N. Welzel, 5. Aufl., S. 364 unter Bezugnahme auf Müller, Straßenverkehrsrecht, 17. Aufl., S. 415; der Strafrechtsausschuss der Deutschen Rechtsanwaltskammern sah den Hauptzweck der Norm darin, den Strafverfolgungsbehörden die Aufklärung von Verkehrsunfällen zu erleichtern und betrachtete dies in Anbetracht des zunehmenden Straßenverkehrs als „ein unabdingbares Postulat“, BArch B 141/82206, Bl. 22. 19 BGHSt 4, S. 144; 5, S. 124; 7, S. 116; VRS 9, S. 137; ebenso BayOblG VRS 4, S. 212, zust. Jescheck, GA 55, S. 107. 20 BGH VRS 4, S. 49; BGHSt 4, 149; 5, 125; 7, S. 116. 21 BGHSt 5, S. 125; OLG Köln VRS 7, S. 170. 22 BayObLG 1, S. 603. 23 Dünnebier, GA 1957, S. 33. 24 Lackner (BMJ) in einem Schreiben an Reichsgerichtsrat i.R. Hartung vom 22. Januar 1958, BArch B 141/82206, Bl. 100. Hartung war Herausgeber der 8. bis 14. Auflage des von Floegel begründeten Kommentars zum Straßenverkehrsrecht, der anschließend von Jagusch und danach von Hentschel fortgeführt wurde. 18

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6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

Maßnahmen Anlass geben, ersichtlich gerade von § 139a StGB nicht erfasst werde.25 So sollten nach Auffassung des Gerichts bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen oder das Führen eines verkehrsuntauglichen Fahrzeugs für sich allein nicht den Tatbestand des § 139a StGB erfüllen können, solange kein Unfall vorlag. Der Bundesgerichtshof führte diese Rechtsprechung fort. Er entschied, dass derjenige nicht der in § 142 StGB vorausgesetzten Feststellungspflicht unterliege, der durch einen von ihm allein verursachten Verkehrsunfall ausschließlich selbst Schaden erlitten habe, sodass Rechtsbeziehungen zu Dritten nicht in Frage kämen.26 Die Einordnung von § 142 StGB im Strafgesetzbuch unter die „Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung“ könne zwar zu der Annahme führen, auch bei selbstverursachter Alleinschädigung sei der Betroffene im Interesse der Verkehrssicherheit zunächst einmal an die Unfallstelle gebunden, besonders wenn möglicherweise Alkohol im Spiele sei. Allerdings sei das bloße Sichentziehen gegenüber möglichen strafrechtlichen oder verwaltungsmäßigen Konsequenzen eines vom Täter verursachten und ihn allein schädigenden Verkehrsunfalls nach § 142 StGB nicht strafbar. Der BGH begründete diese Entscheidung damit, dass die Bejahung einer passiven Feststellungspflicht des Betroffenen in einem solchen Fall auf ein Gebot der Selbstanzeige hinausliefe, das der deutschen Rechtsordnung fremd und auch in § 142 StGB nicht enthalten sei. Er führte aus: „Niemand ist verpflichtet, sich wegen einer wirklich oder vermeintlich begangenen Straftat oder Unachtsamkeit zu stellen und zur Beweisführung gegen sich selbst mitzuwirken. Wäre die hier abgelehnte Ansicht richtig, so müßte z. B. auch ein Radfahrer, der sich im Straßenverkehr, ohne fremde Einwirkung, selbst schädigt, am Unfallort angemessene Zeit auf das Erscheinen von Polizeibeamten warten. Solche Ergebnisse, die niemand im Volk verstehen würde, kann das Gesetz nicht gewollt haben.“27

Dünnebier machte sich die Erwägungen des BGH zu eigen. Er ging noch einen Schritt weiter: Das bloße Sichentziehen gegenüber möglichen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Folgen eines vom Täter verursachten Verkehrsunfalls sollte auch dann nicht bestraft werden, wenn durch den Verkehrsunfall nicht nur der Täter allein, sondern ein Dritter geschädigt worden war.28 Dünnebiers Überlegungen gipfelten in der Erkenntnis, dass bei Ausschaltung der Interessen der Strafverfolgung und Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen gegenüber dem Täter, allein der Schutz des Geschädigten als zu sicherndes Rechtsgut übrig bleibe.29 Alle anderen Überlegungen, die sich auf die Feigheit des Täters bezögen, seien moralisierend und auf alle Straftaten anzuwenden und könnten nicht nur bei Verkehrsdelikten zur Begründung einer Strafbarkeit der Selbstbegünstigung herangezogen werden.30 25 26 27 28 29 30

BayObLG 1, S. 602, Nr. 209. BGHSt 8, S. 263, 266 = NJW 1955, S. 1078. BGHSt 8, S. 263. 266. Dünnebier, GA 1957, S. 43. Dünnebier, GA 1957, S. 43, kritisch Steenbock, S. 61 ff. Dünnebier, GA 1957, S. 43, 44.

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

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II. Die Beratungen der Großen Strafrechtskommission ab 1954 Im Herbst 1953 initiierte der Bundesmister der Justiz Dehler, FDP, die Vorarbeiten zu einer Strafrechtsreform, indem er Gutachten deutscher Strafrechtslehrer sowie rechtsvergleichende Arbeiten31 zu allen wesentlichen Themen des Allgemeinen und Besonderen Teils des Strafgesetzbuches beim Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg in Auftrag gab. In seiner rechtsvergleichenden Arbeit32 ging Gollek nur in wenigen Sätzen auf die Fahrerflucht ein. Er stellte dar, dass Voraussetzung zur Begehung dieses Delikts das Vorliegen eines Unfalls sei. Gollek wies darauf hin, dass Österreich, Italien, Amerika und die Türkei wie alle anderen untersuchten Länder den Fahrern die Pflicht aufgäben, sofort anzuhalten, wobei ein eingetretener Sachschaden ausreiche. Weitere Voraussetzung sei nach der schweizerischen Regelung die Beteiligung eines Motorfahrzeugs am Unfall. Schließlich berichtete Gollek von unterschiedlichen Schuldformen des Fahrers bei dem Unfall und daraus resultierenden verschiedenartigen Pflichten. So verlange etwa Österreich ein Mitverschulden, während die Verkehrsnormen von Louisiana, England, der Türkei und Kanada die Pflicht bereits bei der verschuldensunabhängigen Beteiligung am Unfall eintreten ließen. Alle anderen Vorschriften erforderten die Verursachung eines Verkehrsunfalls.33 Im Anschluss an diese Vorarbeiten berief Dehlers Nachfolger im Ministeramt Neumayer, FDP, im Frühjahr 1954 die „Große Kommission für die Strafrechtsreform“ ein, der Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Strafrechtslehrer, Vertreter der Landesjustizverwaltungen, des Deutschen Richterbundes, der Rechtsanwaltschaft, des Bundesgerichtshofes und des Oberbundesanwalts beim Bundesgerichtshof sowie besonders berufene Einzelmitglieder angehörten.34 Nach ihrer konstituierenden Sitzung am 6. April 1954 nahm die Kommission am 29. Juni 1954 ihre Arbeitssitzungen auf. Sie bildete drei Unterkommissionen, die die Beratungen zum Besonderen Teil vorbereiteten. Von den Unterkommissionen wurde ein Vorentwurf entwickelt, der anschließend der Großen Strafrechtskommission zur Beratung vorgelegt wurde.35 Basis für die Beratungen der Unterkommissionen sollte 31

Zur Fahrerflucht: Materialien zur Strafrechtsreform, 2. Band, S. 473. Die Verkehrsdelikte, BArch B141/82206, Bl. 1 ff. 33 Die Verkehrsdelikte, BArch B141/82206, Bl. 15. 34 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Band 1, Vorwort. Die Auflistung der Kommissionsmitglieder ist dem Anhang A Nr. 1 dieser Niederschriften zu entnehmen. Kommissionsmitglieder waren die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Hoogen (CDU/CSU), Rehs (SPD), Schneider (FDP), Czermak (BG/BHE), von Merkatz (DP), die Strafrechtswissenschaftler Bockelmann, Gallas, Jescheck, Lange, Mezger, Eberhard Schmidt, Welzel, die Vertreter der Länder, Kant, Krille und Rösch, der Vertreter des Deutschen Richterbundes Resch, der Vertreter der Rechtsanwaltschaft Dahs, die Vertreter der Bundesgerichtshofes Baldus und des Oberbundesanwalts beim BGH Wiechmann sowie als besonders berufene Einzelmitglieder Koffka, Niethammer, Richter, Schäfer und Skott. 35 Auszug aus der Niederschrift über die 46. Sitzung der Großen Strafrechtskommission am 13. Juli 1956, BArch B 141/17246, Bl. 63. 32

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6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

vorrangig der Entwurf von 1927 (Reichstagsvorlage) sein. Am Anfang der Kommissionsberatungen stand jeweils ein einführendes Referat zweier Kommissionsmitglieder, auf das häufig eine Stellungnahme der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums folgte. Anschließend fand eine Diskussion statt, deren Ergebnisse von einer Unterkommission in Leitsätzen dokumentiert wurden. Die Unterkommission erstellte Formulierungsvorschläge, die in einer vorläufigen Zusammenstellung (VZ) festgehalten wurden, die ihrerseits die Basis für die Kommissionsberatungen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung bildete. Schließlich stimmte die Vollkommission über diese Leitsätze ab und fasste entsprechende Beschlüsse. 1. Die Beratungen der III. Unterkommission Die III. Unterkommission widmete sich in drei Sitzungen in der Zeit vom 22. Oktober 1956 bis 25. Mai 1957 der Beratung der Flucht bei Verkehrsunfällen.36 Als Referent präsentierte Baldus zur ersten Sitzung der Unterkommission einen Fassungsvorschlag nebst Begründung:37 „§ e Vereitelung von Schadensersatzansprüchen (1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, von dem Unfallort entfernt, bevor er dem Verletzten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder wer sich, wenn diese Feststellung am Unfallort nicht getroffen werden kann, entfernt, und den Unfall nicht sofort der Polizeibehörde meldet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.“

a) Geschütztes Rechtsgut Als Grundlage für die Bestrafung der Unfallflucht kamen nach Ansicht seines Koreferenten von Stackelberg verschiedene Rechtsgüter in Frage.38 Neben der Sicherung der Haftpflichtansprüche sei an die Bestrafung der schlechten Gesinnung zu denken, die in der Unfallflucht zum Ausdruck komme. Schließlich sei es auch möglich, das Interesse der Allgemeinheit an der Feststellung von Kraftfahrern, die sich durch ihr Verhalten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gezeigt 36

1. Arbeitstagung vom 22. bis 27. Oktober 1956; 3. Arbeitstagung vom 8. bis 13. April 1957 und 4. Arbeitstagung vom 20. bis 25. Mai 1957. Teilnehmer an der 1. Sitzung waren als Vorsitzender Senatspräsident Baldus, Oberstaatsanwalt Fritz, die Professoren Gallas und Jescheck, Regierungsdirektor Lackner und Schriftführer Kurfeß. Vorsitzender der Unterkommission war der Senatspräsident Dr. Baldus. Zu den weiteren Kommissionsmitgliedern zählten Oberstaatsanwalt Fritz, die Professoren Gallas und Jescheck, Mezger und Dahs, Rechtsanwalt Freiherr von Stackelberg, BArch B 141/17246, Bl. 89. 37 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 2, Umdruck R 89. 38 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 78.

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hätten, als geschütztes Rechtsgut zu betrachten. Das letztgenannte Interesse könne zweierlei Zielen dienen, nämlich dem Zweck der Verwaltung, eine Führerscheinentziehung zu ermöglichen, und andererseits Zwecken der Strafverfolgung. In Übereinstimmung mit einer Stellungnahme der Deutschen Rechtsanwaltskammern39 schloss sich von Stackelberg der Ansicht an, dass geschütztes Rechtsgut der Verkehrsunfallflucht nicht das öffentliche Interesse an der Feststellung ungeeigneter Fahrer und Fahrzeuge oder an der Feststellung von strafbaren Handlungen sei40, sondern allein das private Interesse des Verletzten an der Sicherung seiner Haftpflichtansprüche. Diese Ansichten machten sich die gewandelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes41 zu eigen. Dieses Gericht hatte den Leitsatz42 for39 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 1, Umdruck R 88, S. 93 ff. Dünnebier trug sein Referat zum Thema „Verkehrsunfallflucht“ auf der XIV. Tagung des Strafrechtsausschusses der deutschen Rechtsanwaltskammern, die vom 5. bis 7. Oktober 1956 stattfand, vor. Der Redetext stimmte im Wesentlichen mit der Veröffentlichung in GA 1957, S. 33 ff. überein (siehe hierzu BArch B 141/82206, S. 21 ff.). Dünnebiers Regelungsvorschlag ging dahin, in § 142 StGB zu normieren, dass der mögliche Unfallverursacher dem Verletzten Namen, Anschrift und Wagennummer mitteilt (Vorstellungspflicht). Die Strafe wollte er in Übereinstimmung mit ausländischen Regelungen reduzieren. Insoweit fand sein Vorschlag Zustimmung des Strafrechtsausschusses. Hinsichtlich der Einführung einer tätigen Reue, die von Dünnebier gefordert wurde, gab es jedoch keine Zustimmung der Ausschussmehrheit. Aufgegriffen wurde hingegen Dünnebiers Idee, § 142 StGB als Antragsdelikt auszugestalten, wobei man seitens des Strafrechtsausschusses die Möglichkeit der Rücknahme des Strafantrages berücksichtigt sehen wollte. (Zu den Beschlüssen des Strafrechtsausschusses der deutschen Rechtsanwaltskammern siehe BArch B 141/82206, Bl. 41 ff.). Dünnebiers Regelungsvorschlag lautete:

„§ 298 a Wer nach einem Verkehrsunfall, bei dem nach den Umständen in Betracht kommt, dass sein Verhalten zu dessen Verursachung beigetragen hat, sich entfernt, ehe er dem durch den Unfall in seinen Rechten Verletzten seinen Namen und seine Anschrift, und wenn er ein Kraftfahrzeug benutzt hat, dessen Nummer, und wenn er selbst nicht der Halter ist, den Namen und die Anschrift des Halters urkundlich nachgewiesen und dem Verletzten Gelegenheit gegeben hat, den Beweis zu sichern, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Weist der Täter spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfall dem Verletzten oder einer inländischen Polizeibehörde die in Absatz 1 genannten Angaben urkundlich nach, dann bleibt er straflos, wenn der Verletzte in der Geltendmachung seiner Ansprüche nicht beeinträchtigt ist. Anderenfalls kann die Strafe gemildert werden.“ (BArch B 141/82206, Bl. 40). 40 So aber noch der Strafrechtsausschuss der Deutschen Rechtsanwaltskammern, Anlage zum Schreiben vom 6. August 1956 an das BMJ, BArch B 141/82206, S. 22: „Der Hauptzweck der Strafbestimmung ist der, dass den Strafverfolgungsbehörden die Aufklärung von Verkehrsunfällen erleichtert wird, was in Ansehung des Umfanges, den der Strassenverkehr in den letzten Jahren genommen angenommen hat und aller Voraussicht nach noch weiter annehmen wird, als ein unabdingbares Postulat zu betrachten ist.“ 41 Siehe hierzu die Darstellungen bei Magdowski, S. 21; Steenbock, S. 19 ff. 42 BGHSt 8, S. 263.

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muliert, dass derjenige, der durch einen von ihm allein verursachten Verkehrsunfall ausschließlich selbst Schaden erleidet, sodass aus dem Unfall keinerlei Rechtsbeziehungen zu Dritten in Betracht kommen, nicht der in § 142 StGB normierten Feststellungspflicht unterliege. Grund für das Bestehen einer passiven Feststellungspflicht sei die Gefahr eines Beweisverlustes beim Zusammentreffen mehrerer Verkehrsteilnehmer an der Unfallstelle. Aus dieser erwachse den Unfallbeteiligten die Pflicht, die Feststellung ihres, sei es auch nur äußeren Beitrages zum Unfallgeschehen und damit der zwischen den mehreren Beteiligten etwa erwachsenen Rechtsbeziehungen zu ermöglichen. Beim Alleinunfall ohne Fremdschaden fehle es aber an einer beachtlichen Rechtsbeziehung des Täters zu Dritten. Die Bejahung einer passiven Feststellungspflicht im Falle eines solchen Alleinunfalls liefe jedoch auf ein Gebot der Selbstanzeige hinaus, das der Rechtsordnung fremd und in § 142 StGB nicht enthalten sei.43 b) Zur Ausgestaltung des Tatbestandes Baldus hielt das Tatbestandsmerkmal „Entziehung durch Flucht“ für überflüssig und zur Durchsetzung des eigentlichen Anliegens der Vorschrift ungeeignet. Strafgrund sei eine besondere Art der Rechtsvereitelung. Das „Sichentfernen vom Unfallort“ sollte demzufolge zukünftig die Tathandlung sein.44 Eine Straflosigkeit durch tätige Reue bei nachträglicher Unfallanzeige am nächsten Tag bei der Polizei nach dem Beispiel des § 22 Abs. 1 Satz 2 KFG sollte wie in den neueren Vorgängernormen nicht mehr eingeführt werden, da eine solche Möglichkeit es dem Täter zu oft ermögliche, die Feststellung der Art und Weise seiner Beteiligung zu verhindern.45 Baldus wollte dem Verkehrsteilnehmer ein Verlassen des Unfallortes gestatten, wenn dort kein anderer anwesend war, der die Feststellungen treffen konnte. Für diesen Fall sollte aber die Verpflichtung bestehen, den Unfall sofort der Polizei zu melden.46 Die Existenz von Rechtfertigungsgründen für das Sichentfernen räumte Baldus ein. Diese Fälle entzögen sich aber einer gesetzlichen Festlegung und dürften im Gesetz nicht angesprochen werden.47

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BGHSt 8, S. 263. Baldus, Niederschriften Umdruck R 89, S. 101. 45 Baldus, Niederschriften Umdruck R 89, S. 101. 46 Baldus, Niederschriften Umdruck R 89, S. 102. 47 Baldus, Niederschriften Umdruck R 89, S. 102. 44

über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 2, über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 2, über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 2, über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 2,

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In der Unterkommission herrschte Einigkeit darüber, auf das Tatbestandsmerkmal der Flucht zu verzichten und es durch den Begriff „Entfernen“ zu ersetzen, da eine Flucht dem Wortsinn nach voraussetze, dass ein anderer da sei, dem sich der Täter entziehe.48 Auch die Regelung der Wartepflicht in § e 2. Alternative fand die Zustimmung der Kommissionsmitglieder.49 Die Pflicht eines Unfallbeteiligten zur Meldung und Unfallanzeige bei den Polizeibehörden wurde von den Kommissionsmitgliedern nach streitiger Diskussion entsprechend der Referentenvorlage einstimmig gebilligt. Nach Ansicht von Jescheck und von Stackelberg musste man sich damit begnügen, dass sich der Schädiger an den Verletzten wandte, wenn man das Rechtsgut der Vorschrift in § e lediglich in dem Schutz vor einer Vereitelung von Schadensersatzansprüchen sehe. Fordere man jedoch, dass der Verletzte den Unfall der Polizeibehörde melde, dann habe man mit dieser Vorschrift zugleich auch Strafverfolgungszwecke im Auge. Nach anderer Ansicht folgte aus der vorgesehenen Meldung bei der Polizeibehörde nicht, dass mit der Vorschrift des § e andere Zwecke, insbesondere solche der Strafverfolgung verfolgt würden. Der Zweck der Meldepflicht bei der Polizei liege allein darin zu verhindern, dass die privaten Ansprüche vereitelt würden. Die effektive Verwirklichung von Schadensersatzansprüchen des Verletzten hänge weitgehend von einer entsprechend sachkundigen Tatbestandsaufnahme durch die hierfür besonders geschulten Polizeibeamten ab. Es sei eine unvermeidliche Nebenwirkung, dass durch diese Einschaltung der Polizei dann zugleich auch Material für die Strafverfolgung geliefert werde.50 Die Gestattung der Teilnahme am Straßenverkehr mit seinem hohen Gefährdungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer rechtfertige das Verlangen, dass bei Realisierung einer solchen Gefahr der Schädiger zum Schadensausgleich mittels Meldung bei der Polizei beitrage. Das Interesse des Verletzten an einer Schadloshaltung überwiege zudem die in aller Regel nur „kleine Unannehmlichkeit“, die in der Pflicht zur Unfallmeldung bei der Polizei bestehe.51 Als neue Überschrift wählten die Mitglieder der Unterkommission „Verkehrsflucht“, da in dem Begriff der Flucht auch ein gewisses abwertendes Element zum Ausdruck komme und der Begriff sich eingebürgert habe.52 Um auch den Fall zu erfassen, dass ein feststellungsbereiter Dritter zunächst für den Verletzten tätig wird, dann aber seine Tätigkeit aufgibt, entschieden sich die

48 49 50 51 52

Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 79. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 79. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 79 f. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 80. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 81.

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Mitglieder der Unterkommission, die Wendung „dem Verletzten“ durch „zugunsten des Verletzten“ zu ersetzen.53 Die Versuchsstrafbarkeit sollte nach überwiegender Meinung entfallen. Der nunmehr verwandte Begriff des Sichentfernens sei viel weiter als der bisherige Begriff der Flucht. Daher könne ein Sichentfernen schon dann vorliegen, wenn wegen der räumlichen Nähe zum Unfallort von einer „Flucht“ noch nicht gesprochen werden könne.54 Die Kommissionsmitglieder verlangten eine Regelung einer nachträglichen Pflicht zur Gestellung bzw. Meldung in Fällen, in denen sich der Täter zunächst befugtermaßen vom Unfallort entfernt hat. Auf der Grundlage ihrer Beratungen einigten sich die Kommissionsmitglieder auf folgenden vorläufigen Fassungsvorschlag55 zu § e Abs. 1: „(1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalles beigetragen hat, von dem Unfallort entfernt, bevor er für den Verletzten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Unterkommissionsmitglieder stimmten schließlich darin überein, in einem Absatz 2 festzulegen, dass ebenso bestraft wird, wer, nachdem er sich aus einem Grund, der ihn rechtfertigt oder entschuldigt, oder weil niemand dort anwesend ist, vom Unfallort entfernt hat, nicht alsbald wieder an den Unfallort zurückkehrt.56 Im Verlauf der 3. Arbeitstagung der Unterkommission57 wurde dann die Frage gestellt, ob man für die Fälle des unberechtigten Entfernens vom Unfallort eine besondere Rücktrittsvorschrift, ähnlich dem § 355 Abs. 2 E 193658, schaffen solle.59 Eine solche Regelung stieß jedoch auf einhellige Ablehnung. Die Kommissions53

Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 81. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 81. 55 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 82. 56 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 82. 57 Die Sitzung fand am 8. April 1958 statt. Teilnehmer waren Strauß, BMJ, Senatspräsident Baldus, Prof. Dahs, Generalstaatsanwalt Dünnebier, Oberstaatsanwalt Fritz, Prof. Gallas, Jescheck, und Mezger, Rechtsanwalt von Stackelberg und Sturm als Schriftführer, BArch B 141/ 82206, Bl. 84. 58 Die Norm lautete: 54

„§ 355 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch Flucht entzieht oder die Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfall erschwert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. Straflos bleibt, wer spätestens am Tage nach dem Unfall freiwillig Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung seiner Person und des von ihm benutzten Fahrzeugs herbeiführt.“ 59 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 86.

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mitglieder waren der Ansicht, dass eine solche Vorschrift es dem betrunkenen Kraftfahrer ermögliche, sich der Feststellung seiner Trunkenheit zu entziehen, die für die Frage des Verschuldens oft von ganz erheblicher Bedeutung sei. Zudem wurde die Gefahr gesehen, dass eine derartige Bestimmung die bei Verkehrsunfällen besonders wichtige rasche Einleitung von Ermittlungen, insbesondere die Feststellung von Unfallspuren, vereiteln und dadurch den Ersatzanspruch des Geschädigten gefährden könne.60 Der Tatbestand der Verkehrsflucht sollte nach übereinstimmender Kommissionsmeinung eine Erweiterung erfahren.61 Zukünftig sollte ein Unfallbeteiligter, der sich aus berechtigtem Grund vor Ermöglichung der notwendigen Feststellungen vom Unfallort entfernt hatte, unter Strafdrohung verpflichtet sein, nach Wegfall des Grundes die erforderlichen Feststellungen von sich aus zu ermöglichen. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Unfallbeteiligte, der etwa seiner Pflicht aus § 330c StGB genügt habe, sich anschließend straflos der Feststellung entziehen dürfe. Diesen Gedanken hatte zuvor Dünnebier in § a Nr. 3 eines zur Sitzung vorgelegten Fassungsvorschlags formuliert, der als Basis der nachfolgenden Diskussion diente. Dünnebier hatte folgende Fassung gefunden:62 „§ a Ein Unfallbeteiligter, […] 3. der, nachdem er aus berechtigtem Grunde sich von dem Unfallort entfernt hatte, ohne die in Ziffer 1 genannten Feststellungen ermöglicht zu haben, nach Wegfall des Grundes nicht unverzüglich an den Unfallort zurückgekehrt und die Feststellungen ermöglicht oder im Falle von Ziffer 2 die dort genannten Mitteilungen macht, wird mit Gefängnis bis zu […], Strafhaft oder Geldstrafe bestraft.“

Als „berechtigter Grund“ zum Entfernen vom Unfallort wurde zunächst das im technischen Sinn berechtigte oder entschuldigte Entfernen angesehen. Darüber hinaus sollte aber auch der Unfallbeteiligte straflos bleiben, der zwar nicht aus einem rechtfertigenden oder entschuldigenden, sondern aus sonstigem „triftigen“ Grund sich vom Unfallort entfernt, wenn er nachträglich die Feststellungen ermöglicht.63 Die Kommissionsmitglieder dachten bei Letztgenanntem an den Fall, dass ein Arzt den Unfallort vorzeitig verlässt, um einen Patienten zu behandeln. Außerdem wurde das Beispiel angeführt, dass jemand mit leichtem Sachschaden wegfährt, um sich ein größeres Geschäft nicht entgehen zu lassen. Die Unterkommissionsmitglieder waren sich darüber einig, dass bei der Prüfung, ob ein triftiger Grund vorliege, auch der Gedanke der Güterabwägung eine gewisse 60 61 62 63

Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 86. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 86. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 85. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 86 ff.

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Rolle spielen müsse.64 Wer beispielsweise einem anderen den Kotflügel beschädigt habe, dürfe wegfahren, wenn sonst der Abschluss eines größeren Geschäfts gefährdet würde. Dagegen sollte im Falle einer nicht völlig unerheblichen Körperverletzung der Täter auch eines größeren Geschäftsabschlusses wegen nicht vorzeitig wegfahren dürfen. Die Fälle, in denen sich ein Unfallbeteiligter vom Unfallort entfernt, weil dort keine feststellungsbereite Person anwesend ist, sollten nach übereinstimmender Ansicht der Kommissionsmitglieder in Zukunft unter das Entfernen aus triftigem Grund subsumiert werden. Die Kommissionsmitglieder sprachen sich dafür aus, das Sichentfernen aus einem rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund von dem Entfernen aus einem triftigen Grund zu unterscheiden und diese Differenzierung durch eine getrennte Regelung in verschiedenen Absätzen der Norm deutlich zu machen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Verpflichtungen des Unfallbeteiligten, der sich aus einem berechtigten oder entschuldigenden Grunde oder aus einem sonstigen triftigen Grund vorläufig vom Unfallort entfernt hat, war man sich in der Unterkommission darüber einig, dass ein solcher Unfallbeteiligter die Pflicht haben solle, sich mit dem Geschädigten in Verbindung zu setzen oder den Unfall der Polizei zu melden. Die Frist zur nachträglichen Meldung müsse im Zeitpunkt des Unfalls zu laufen beginnen. Verlangt wurde teilweise eine „unverzügliche“ Meldung, nach anderer Ansicht reichte eine Meldung innerhalb von 24 Stunden. Dünnebier hielt das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ wegen seiner Ungenauigkeit für praxisuntauglich.65 Als Strafrahmen setzte die Unterkommission einhellig Gefängnis bis zu zwei Jahren, Strafhaft oder Geldstrafe fest.66 Während ihrer vierten Arbeitstagung vom 20. bis 25. Mai 195767 erzielten die Kommissionsmitglieder keine Einigkeit in Bezug auf die Versuchsstrafbarkeit.68 Aus diesem Grund entschied man sich, in den Fassungsvorschlag die Versuchsstrafbarkeit als Alternativvorschlag aufzunehmen. Schließlich legten die Unterkommissionsmitglieder Wert auf die Feststellung, dass in den Fällen irriger Annahme eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes eine Lücke nicht entstehen könne, weil auch ein solcher Fall unter Absatz 2 64

Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 87. Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 88. 66 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, S. 88. 67 Teilnehmer waren Senatspräsident Baldus, Oberstaatsanwalt Fritz, Prof. Gallas, Jescheck, Mezger, RA von Stackelberg, Schafheutle (BMJ), Lackner (BMJ), Kurfeß als Schriftführer, BArch B 141/82206 Bl. 95. 68 Fritz und Mezger sprachen sich für eine Versuchsstrafbarkeit aus, dagegen stimmten Baldus, Gallas, Jescheck und von Stackelberg. Begründungen für die jeweiligen Ansichten lassen sich der Sitzungsniederschrift nicht entnehmen. 65

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falle (argumentum a maiore ad minus). Diese Erkenntnis sollte in einer Anmerkung zum Normtext festgehalten werden. Zum Abschluss der Beratungen der Unterkommission bekam die Verkehrsflucht in § 309 VZ folgende Fassung:69 „§ 309 Verkehrsflucht (1) 1. Alternative (Mehrheitsvorschlag): Wer sich nach einem Verkehrsunfall, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat (Unfallbeteiligter), von dem Unfallort entfernt, bevor er für den Verletzten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. 2. Alternative: Absatz 1 erhält folgenden Satz 2: Der Versuch ist strafbar. (2) Ebenso70 wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt71 vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich nach Wegfall des Grundes an den Unfallort zurückzukehren und die Feststellungen nach Absatz 1 zu ermöglichen oder bei der nächsten inländischen Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden. (3) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt hat und unverzüglich nach Wegfall des Grundes an den Unfallort zurückkehrt und die Feststellungen nach Absatz 1 ermöglicht oder bei der nächsten inländischen Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung meldet.“

2. Stellungnahmen des Automobilclubs von Deutschland und des Bundesministeriums für Verkehr Mit Schreiben vom 12. März 1957 übersandte der AvD dem Bundesminister der Justiz ein Gutachten des Rechtsanwalts Dr. Wussow zur kritischen Betrachtung der Regelung der Verkehrsunfallflucht.72 Der AvD schlug im Rahmen der Beratungen zur Verkehrsunfallflucht vor, „von der auch für das deutsche Strafrecht systemwidrigen ,passiven Feststellungspflicht‘ ab(zu)gehen und es bei einer Neufassung 69

BArch B 141/17248, Bl. 170; Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission, 3. Band, Anlage 6, Umdruck V 16. 70 An dieser Stelle findet sich im Fassungsvorschlag folgende Fußnote 2: „Wird zu Absatz 1 die 2. Alternative angenommen, so muß Absatz 2 wie folgt beginnen: ,(2) Nach Absatz 1 Satz 1 wird ein Unfallbeteiligter bestraft, …‘.)“. 71 Im Fassungsvorschlag folgt hier die Fußnote 3 mit folgendem Hinweis: „Die Unterkommission steht auf dem Standpunkt, dass in den Fällen des Ausschlusses der Strafbarkeit nach Absatz 1 wegen irrtümlicher Annahme eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes eine Lücke nicht entstehen kann, weil auch ein solcher Fall unter Absatz 2 fällt (argumentum a maiore ad minus).“ 72 BArch B 141/82206, S. 73 ff., 75 ff.

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der Bestimmungen über die Unfallflucht bei einer Meldepflicht innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall bewenden zu lassen“73. Sachschadensfälle sollten aus dem Anwendungsbereich der Verkehrsunfallflucht herausgenommen werden. Weit ausführlicher als Gollek beschrieb Wussow die ausländischen Regelungen der Verkehrsunfallflucht und verglich sie mit der deutschen Regelung. Wussow wies darauf hin, dass in ausländischen Regelungen der Verkehrsunfallflucht die Art und Höhe des entstandenen Schadens ein Differenzierungskriterium darstelle. Den Hauptunterschied zu ausländischen Regelungen sah Wussow darin, dass nach deutschem Recht eine passive Feststellungspflicht bestehe, in ausländischen Regelungen regelmäßig nur eine Meldepflicht auferlegt werde. Wussow hielt es für zweifelhaft, dass der an einem Verkehrsunfall Beteiligte, anders als etwa ein Dieb oder Mörder, selbst das Beweismaterial dem schadensersatzberechtigten Verletzten liefern müsse, indem er sich zur Beweisermittlung zur Verfügung halte. Nach Wussows Ansicht sollte in diesen Fällen eine Lösung auf zivilrechtlichem Weg dadurch erfolgen, dass bei Entfernung des Kraftfahrers vom Unfallort die Beweislast im Zivilprozess zu seinen Lasten ausgestaltet würde.74 Wussow empfahl weiter die Aufhebung der Strafnorm über die Verkehrsunfallflucht, soweit sie Sachschäden betraf, da hier die schwere Strafandrohung einer Gefängnisstrafe nicht im richtigen Verhältnis zu den in Betracht kommenden Schadensersatzansprüchen stehe.75 Der Bundesminister für Verkehr übersandte mit Schreiben vom 18. September 195876 eine Stellungnahme an den Bundesminister der Justiz. Zunächst wurde dargestellt, dass die Eingangsworte der Norm missverständlich sein könnten, weil hinter dem Wort „anderer“ gedanklich das Wort „Unfallbeteiligter“ wiederholt werden könne, sodass sie dann folgendermaßen verstanden würden: „Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein anderer Unfallbeteiligter geschädigt worden ist, …“ Eine solche Auslegung wurde im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung des Begriffs „Unfallbeteiligter“ in Absatz 4 als verfehlt angesehen. Im Verkehrsministerium wollte man sich weiter nicht der Ansicht anschließen, allein in dem Feststellungsinteresse des Geschädigten das geschützte Rechtsgut zu sehen. Schon in der Begründung zu § 19 KFG des Regierungsentwurfs von 1908 sei ausgeführt worden, dass nicht nur die Gesinnung, die sich durch die rücksichtslose Fortsetzung der Fahrt verrate, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an der Feststellung des Kraftfahrzeugs, seines Führers und Halters es angemessen erscheinen lasse, das bezeichnete Verhalten zu bestrafen. Das Erfordernis der Bestrafung der Verkehrsunfallflucht resultiere nicht nur aus dem privaten Feststellungsinteresse des Geschädigten, sondern auch aus der sicherheitspolizeilichen Notwendigkeit, ungeeignete Verkehrsteilnehmer und betriebsunsichere Fahr73

BArch B 141/82206, S. 73 ff., 75 ff. BArch B 131/82206, Bl. 79. Wussow war Verfasser eines Kommentars zum Straßenverkehrsrecht. 75 BArch B 131/82206, Bl. 79. 76 BArch B 141/172866, Bl. 381 ff. 74

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zeuge festzustellen. Die hohe Zahl der Verkehrsopfer spreche auch gegenwärtig für die Richtigkeit dieser Ansicht. Nach Ansicht des Bundesverkehrsministeriums sollte im Straftatbestand verdeutlicht werden, dass die Feststellungspflicht gegenüber der Polizeibehörde bestehe.77 Das Feststellungsinteresse des Geschädigten sollte nur in den Fällen ausschließlich geschützt sein, in denen mit einer beachtlichen staatlichen Reaktion auf das Fehlverhalten nicht zu rechnen sei. Schließlich hielten die Juristen im Bundesverkehrsministerium an ihrem Vorschlag fest, den Tatbestand der Verkehrsflucht in das Straßenverkehrsgesetz zurückzugliedern.78 3. Die Beratungen der Großen Strafrechtskommission a) Erste Lesung und E 1959 I Die Mitglieder der Großen Strafrechtskommission setzten sich erstmals in ihrer 100. Sitzung am 19. September 1958 mit den Verkehrsstraftaten auseinander. In dieser Sitzung trafen die Kommissionsmitglieder die grundlegende Entscheidung, die Unfallflucht weiterhin im Strafgesetzbuch zu regeln.79 Die Unfallflucht zähle zu denjenigen wichtigen Tatbeständen, die wegen ihrer allgemeinen Bedeutung für die Bevölkerung im Strafgesetzbuch und nicht im Nebenstrafrecht zu regeln seien. Man wollte vermeiden, dass mit der Regelung der Straßenverkehrsdelikte im Nebenstrafrecht ein Exempel statuiert werde für andere strafrechtliche Regelungen mit Verknüpfungen zu Sondergebieten, wie etwa das Konkursstrafrecht.80 Ein solches Vorgehen würde zu einer unerwünschten „Atomisierung des Strafrechts“81 führen. Bockelmann führte in seinem Diskussionsbeitrag aus, dass es unmöglich sei, im Bereich der Verkehrsdelikte alle einschlägigen Delikte in einem Spezialgesetz zu regeln. Er wies darauf hin, dass die fahrlässige Körperverletzung und die fahrlässige Tötung als die wichtigsten den Straßenverkehr betreffenden Strafnormen unzweifelhaft im Strafgesetzbuch geregelt seien und dort verbleiben müssten. Ihre Unterbringung in einem Sondergesetz werde nicht erwogen und damit stehe fest, dass eine einheitliche Regelung der Straßenverkehrsdelikte nur im Strafgesetzbuch zu erreichen sei.82 Der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums Booß hatte zuvor versucht, mit einem historischen Argument die Herausnahme der Verkehrsunfallflucht aus dem 77

BArch B 141/172866, Bl. 387. BArch B 141/172866, Bl. 388. 79 Niederschriften über die Sitzungen sonderer Teil, S. 305 ff., 312. 80 Niederschriften über die Sitzungen sonderer Teil, S. 306. 81 Niederschriften über die Sitzungen sonderer Teil, S. 306. 82 Niederschriften über die Sitzungen sonderer Teil, S. 308. 78

der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Beder Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Beder Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Beder Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Be-

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Strafgesetzbuch und ihre Rückführung in das Straßenverkehrsgesetz zu begründen. Er hatte darauf hingewiesen, dass der Tatbestand über dreißig Jahre lang, nämlich von 1909 bis 1941, unbeanstandet im Kraftfahrzeuggesetz geregelt war. Beinahe zufällig sei die Norm in das Strafgesetzbuch gelangt, weil ihre Erstreckung auf die übrigen Straßenverkehrsteilnehmer damals nur auf diesem Wege zu erreichen gewesen sei, da das Kraftfahrzeuggesetz nur die Rechtsgrundlage für die Regelung des Kraftfahrzeugverkehrs geboten habe. Dieser Gesichtspunkt sei allerdings seit 1952 entfallen, da seitdem das Straßenverkehrsgesetz nicht nur den Kraftfahrzeugverkehr, sondern den gesamten Straßenverkehr regele und somit die Aufnahme der Unfallfluchtregelung in der vorliegenden Form gestatte.83 Die Vertreter des Bundesverkehrsministeriums argumentierten ferner damit, dass das Straßenverkehrsrecht mit seinen Verhaltensvorschriften so eng mit dem dazugehörigen Strafrecht verbunden sei, dass eine Trennung unorganisch sei und zu Schwierigkeiten für das Verständnis des Gesamtkomplexes dieser Vorschriften führe.84 Als weiteres Argument gegen die Eingliederung der Verkehrsunfallflucht in das Strafgesetzbuch wurden die Schwierigkeiten bei der systematischen Einordnung der Norm angeführt. Booß wies darauf hin, dass nach der Motivation, die die Verkehrsunfallflucht in der Kommission gefunden habe, es sich dabei nur um die Vereitelung von Gläubigerrechten handele. Wollte man die Vorschrift im Strafgesetzbuch belassen, müsste man sie folgerichtig unter den Abschnitt „Vereitelung von Gläubigerrechten“ einordnen, was aber auch eher unpassend erscheine. Auch ihre Einordnung bei den gemeingefährlichen Delikten gehe fehl, da der Tatbestand mit Gemeingefahr nichts zu tun habe.85 Es bleibt ungeklärt, ob sich die Mitarbeiter des Bundesministeriums für Verkehr bei ihrer Entscheidung auch von Zuständigkeitsfragen leiten ließen. Baldus unterstellte ihnen, dass die angestrebte Regelung der Verkehrsdelikte in Sondergesetzen den Zweck verfolge, die Federführung im Gesetzgebungsverfahren vom Justizministerium auf das Verkehrsministerium zu wechseln.86

83 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Besonderer Teil, S. 307. 84 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Besonderer Teil, S. 305. 85 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Besonderer Teil, S. 308. 86 Dieser Aussage trat Booß als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums entgegen, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 310.

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aa) Sachbearbeitervorschlag nebst Bemerkungen Zur Vorbereitung der 100. Sitzung hatten die Sachbearbeiter des Bundeministeriums der Justiz Vorschläge und Bemerkungen ausgearbeitet.87 Sie schlugen vor, die Verkehrsstraftaten zusammen mit den gemeingefährlichen Handlungen in einem Titel zusammenzufassen und diesem die Überschrift „Gemeingefährliche Straftaten, Störung des öffentlichen Verkehrs“ zu geben. Die Verkehrsflucht sollte im Zweiten Untertitel „Störung des öffentlichen Verkehrs“ als § 308 geregelt werden. Danach sollte § 308 lauten: „§ 308 (§ 309) Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein anderer geschädigt worden ist, 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er für den Verletzten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder 2. 1. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, 2. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, 3. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich seine Unfallbeteiligung dem Verletzten oder der nächsten Polizeidienststelle zur Kenntnis zu bringen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) 1. Alternative: In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. 2. Alternative: Eine Vorschrift über die Strafbarkeit des Versuchs wird nicht aufgenommen. (3) 1. Alternative: Eine Vorschrift, die eine obligatorische oder fakultative Strafbefreiung für den Fall vorsieht, daß der Täter sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt, dann aber die Feststellungen für den Verletzten ermöglicht hat, wird nicht vorgesehen.

87 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck J 85, Anhang Nr. 21.

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2. Alternative: Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 von Strafe absehen, wenn der Täter, der sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nachträglich ermöglicht oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung meldet. (FN: Es kommen hier sachlich dieselben Alternativen in Frage wie bei § 308 Abs. 1 Nr. 2). (4) Unfallbeteiligter ist jeder, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat.“

Der Fassungsvorschlag der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums unterschied sich von § 309 VZ in Absatz 1 durch die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung, dass durch den Unfall ein anderer geschädigt sein musste. Diese Formulierung sollte eingefügt werden, um das durch den Tatbestand geschützte Rechtsgut zu verdeutlichen.88 Die Sachbearbeiter regten allerdings an, in Absatz 1 Nr. 2 darauf zu verzichten, dass der Täter, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich nach Wegfall des Grundes dorthin zurückkehrt und die Feststellungen ermöglicht. Sie hielten eine solche Rückkehrpflicht an den Unfallort für sinnlos, weil es dort regelmäßig nichts mehr festzustellen gebe und häufig die Unfallspuren nicht mehr erkennbar seien. Alternativ sei die Ermöglichung der Feststellungen für den Verletzten oder die Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle zu fordern. Die Sachbearbeiter fragten, ob es ausreiche, wenn man bei berechtigter oder entschuldigter Entfernung vom Unfallort dem Täter eine bloße Meldepflicht auferlege.89 Die Sachbearbeiter sprachen sich außerdem für die Beibehaltung der Versuchsstrafbarkeit aus. Nach ihrer Ansicht schieden andernfalls strafwürdige Taten aus dem Anwendungsbereich der Norm aus, etwa der Fall, dass der Täter durch andere Unfallbeteiligte oder die Polizei mit Gewalt am Wegfahren gehindert wird.90 Schließlich äußerten die Sachbearbeiter Bedenken hinsichtlich des in § 309 Abs. 3 VZ vorgesehenen Strafbefreiungsgrundes für den Fall, dass sich der Täter aus einem triftigen, ihn aber nicht rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund vom Unfallort entfernt und nach Wegfall des Grundes an den Unfallort zurückkehrt und die Feststellungen ermöglicht oder seine Unfallbeteiligung der Polizei meldet. Hier erschien ihnen der Begriff des triftigen Grundes zu unklar und mit Abgrenzungsschwierigkeiten behaftet. Auch die Sachbearbeiter sahen die Gefahr des Missbrauchs dieses Strafbefreiungsgrundes in Fällen, in denen der Täter einen triftigen Grund nur vorschiebt, um gewisse Feststellungen zu vereiteln. Vorgeschlagen wurde eine Lö88 Bemerkungen zu den Vorschlägen der Sachbearbeiter, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck J 85, Anhang Nr. 21, S. 542. 89 Bemerkungen zu den Vorschlägen der Sachbearbeiter, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck J 85, Anhang Nr. 21, S. 542. 90 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck J 85, Anhang Nr. 21, S. 542.

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sung dieser Fälle über § 153 StPO. Für den Fall, dass dennoch ein Strafbefreiungsgrund vorgesehen werde, wurde eine Ausgestaltung als fakultative Strafbefreiung vorgeschlagen, damit in erkennbaren Missbrauchsfällen dem Richter eine Korrekturmöglichkeit zur Hand gegeben sei.91 bb) Die Beratung in der 101. Sitzung Die Große Strafrechtskommission trat in ihrer 101. Sitzung am 20. September 1958 in die Beratung des Tatbestandes der Verkehrsflucht ein. In seinem einführenden Arbeitsbericht stellte Lackner (BMJ) die Beratungsergebnisse der III. Unterkommission und die Vorschläge der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums vor.92 (1) Das geschützte Rechtsgut In der Erläuterung der diesbezüglichen Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums räumte Ministerialrat Booß (BMV) ein, dass die Motivation für den Tatbestand der Verkehrsunfallflucht einen Bedeutungswandel erfahren habe, der darauf beruhe, dass die moderne Rechtsauffassung es als unerträglich erscheinen lasse, die Selbstbegünstigung unter Strafe zu stellen. Von dieser anzuerkennenden Regel könne es jedoch aus kriminalpolitischen Gründen Ausnahmen geben. Ein solcher Ausnahmefall sei für die Verkehrsunfallflucht gerechtfertigt. Angesichts von jährlich 12.000 Unfalltoten im Straßenverkehr sei es unerträglich, wenn darauf verzichtet würde, dem Staat die Möglichkeit zu eröffnen, die Feststellungen zu treffen, die nach einem Verkehrsunfall erforderlich seien, „und zwar nicht nur im Hinblick auf die Sicherung der privaten Interessen des Geschädigten oder seiner Erben, sondern auch im Interesse der Ausmerzung ungeeigneter Kraftfahrer und Fahrzeuge“.93 Das öffentliche Interesse an der „Ausmerzung“ ungeeigneter Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugführer sollte den Ausführungen Booß’ zufolge jedoch nicht in jedem Fall bestehen. Es bestehe nur dort, wo mit einer wesentlichen staatlichen Reaktion auf Grund des Unfalls zu rechnen sei. Soweit es sich um Verkehrsunfälle handele, die lediglich Bagatellschäden zur Folge hätten, stimme er den Vorschlägen der Sachbearbeiter des Justizministeriums zu. Nur bei den Verkehrsunfällen mit Personenschaden oder mit erheblichem Sachschaden müsse nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums das öffentliche Interesse entscheidend sein. Schlee, der ebenfalls der Ansicht des Verkehrsministers zuneigte, sprach sich hingegen dafür 91 Bemerkungen zu den Vorschlägen der Sachbearbeiter, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck J 85, Anhang Nr. 21, S. 543. 92 Siehe hierzu die obigen Ausführungen. 93 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 347; „Ausmerzung“ ist der von Booß verwendete Begriff; kritisch zur Verwendung dieses Ausdrucks, Lackner, DAR 1972, S. 285.

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aus, bei Sachschäden überhaupt darauf zu verzichten, von dem Verletzten eine Meldung bei der Polizei zu verlangen.94 Dünnebier, der die Meinung der III. Unterkommission darlegte, betonte, vom Standpunkt des allgemeinen Strafrechts her gesehen sei von der Straflosigkeit der Selbstbegünstigung auszugehen. Auch für das Verkehrsrecht lasse sich keine Ausnahme von diesem Grundsatz begründen.95 Bei diesem Ausgangspunkt fänden § 142 StGB und § 308 des Vorschlages der Sachbearbeiter ihre Begründung darin, dass wegen der Geschwindigkeit des Kraftfahrers der Verletzte das ihm in § 229 BGB eingeräumte Selbsthilferecht nur dann wahrnehmen könne, wenn der Kraftfahrer gesetzlich gezwungen werde, nach einem Unfall anzuhalten. Dünnebier trat dafür ein, mit verwaltungsrechtlichen statt mit strafrechtlichen Mitteln die „verkehrsfeindlichen Elemente auszumerzen“.96 Mit Blick auf die Frage nach dem geschützten Rechtsgut führte Gallas aus, dass es praktisch eine Pflicht zur Selbstbezichtigung bedeute, wollte man mit der Norm den Zweck verfolgen, ungeeignete Kraftfahrer zu erkennen und auszuscheiden.97 Eine solche Pflicht sei dem deutschen Strafrecht, jedenfalls in der Form einer unmittelbaren Pflicht zur Selbstbezichtigung, schlechthin unbekannt. Die Ausmerzung ungeeigneter Kraftfahrer könne allenfalls eine erwünschte Folge der Anwendung des § 142 StGB sein. Lange betonte die sozial-ethische Motivation der Norm. Da der Täter bei der Verkehrsflucht den Verkehrsunfall verursacht oder mitverursacht und dabei oft auch schuldhaft gehandelt habe, treffe ihn die besondere Verpflichtung, wenigstens die Vereitelung der erforderlichen Feststellungen zu unterlassen, die in einer Entfernung vom Unfallort liegen würde. Lange meinte, man könne den Täter als „Garanten der Feststellung“ ansehen.98 Er wies ferner darauf hin, dass z. B. in der Vorschrift über den Mord sowie bei der schweren Amtsunterschlagung die Selbstbegünstigung nicht nur die Strafbarkeit nicht ausschließe oder mildere, sondern im Gegenteil zu einer entscheidenden Straferschwerung der betreffenden Taten herangezogen werde. Der Grundsatz der Straflosigkeit der Selbstbegünstigung könne die Kommission also keinesfalls hindern, bei der Fahrerflucht, deren sozial-ethische Verwerflichkeit geradezu mit Händen zu greifen sei, gleichfalls eine Ausnahme von diesem Grundsatz auszusprechen.99 Bockelmann wandte sich gegen die Forderung, dass sich ein Unfallbeteiligter für die Aufklärung des Unfalls zur Verfügung halten müsse. Nach seiner Einschätzung 94

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 351. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 348. 96 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 348, 349; grundlegend hierzu Dünnebier, GA 1957, S. 33 ff. 97 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 350. 98 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 350. 99 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 351. 95

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lief eine solche Forderung nicht nur darauf hinaus, dass dem Unfallbeteiligten die Selbstbegünstigung durch Flucht verboten werde, sondern darauf, dass ihm geradezu die Pflicht zur Selbstbezichtigung auferlegt werde.100 Jescheck, Baldus und Dreher wiesen darauf hin, dass das vom Bundesverkehrsministerium erstrebte Ziel in gravierenden Fällen, also insbesondere bei Personenschäden, auch nach dem Sachbearbeitervorschlag erreicht werde. Die Pflicht, dem Verletzten die Feststellung seiner Ansprüche zu ermöglichen, führe in der Praxis dazu, dass sich die Polizei einschalte. Das Interesse der Öffentlichkeit an einer Bestrafung und Ausschaltung ungeeigneter Kraftfahrer werde also in schwerwiegenden Fällen auch nach dem Vorschlag der Sachbearbeiter, und zwar auf indirektem Wege, befriedigt. Dieser mittelbare Zwang zur Selbstbezichtigung sei andererseits auch das Äußerste, was gefordert werden könne.101 Nach Lackners Meinung sollte es im Gesetzestext nicht auf die Schadensgrenze von 500 DM ankommen. Vielmehr solle wegen der Schwierigkeit der Grenzziehung der Sachschaden insgesamt, d. h. ohne Rücksicht auf seine Höhe, einer Ausnahmevorschrift unterliegen. Diese solle etwa wie folgt lauten:102 „Die Tat ist nicht strafbar, wenn nur Sachschaden entstanden ist und entweder der Geschädigte sich mit der Entfernung vom Unfallort einverstanden erklärt hat oder der Täter, nachdem er sich sonst berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich seine Unfallbeteiligung dem Verletzten oder einer Polizeidienststelle zur Kenntnis gebracht hat.“

Bei der anschließenden Abstimmung stimmte die überwiegende Mehrheit der Kommissionsmitglieder für den Vorschlag der Sachbearbeiter des Justizministeriums. Lediglich Lange und Schlee favorisierten die Alternative, mit der bei Personenschäden eine Verpflichtung zur Hinzuziehung der Polizei begründet werden sollte.103 Auf Anregung von Gallas erteilten die Kommissionsmitglieder der Unterkommission den Auftrag zu prüfen, ob in Absatz 1 der Begriff „der Verletzte“ durch „der Geschädigte“ ersetzt werden solle.

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Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 352. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 353 ff. 102 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 354. 103 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 354 ff.; 17 Kommissionsmitglieder stimmten für den Sachbearbeitervorschlag, Fränkel enthielt sich der Stimme; die im Anschluss an die Diskussion formulierte Alternative zum Sachbearbeitervorschlag des BMJ lautete: „Die Feststellung muß der Polizei ermöglicht werden; bei Sachschaden besteht jedoch die Ausweichmöglichkeit auf den Verletzten, so wie sie nach dem Vorschlag der Sachbearbeiter vorgesehen ist.“ 101

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(2) Die nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen Bei der folgenden Diskussion über die nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen/Meldepflicht im Anschluss an ein berechtigtes oder entschuldigtes Entfernen nach Absatz 1 Nr. 2 standen drei Varianten104 zur Auswahl. Gallas wies darauf hin, dass die Vorschläge des Ministeriums von denen der III. Unterkommission insofern abwichen, als die Rückkehr an den Unfallort nicht genannt werde. Die Rückkehr an den Unfallort sei nach der Tendenz der Beratungen der Unterkommission aber die primäre Pflicht des Unfallbeteiligten, da für den Verletzten nicht die Person des Unfallverursachers entscheidend sei, sondern die Feststellung der Art der Unfallbeteiligung. Diese Feststellung lasse sich nur am Unfallort treffen. Auch könne eine etwaige Einigung der Unfallbeteiligten in der Regel nur am Unfallort erfolgen. In Fällen, in denen die Rückkehr sinnlos oder unzweckmäßig sei, komme alternativ eine Meldung bei der Polizei in Betracht.105 Gallas und Schafheutle sahen einen Nachteil der 3. Variante darin, dass sie den Unfallbeteiligten in Fällen, in denen er den Verletzten nicht kenne, dazu zwinge, sich bei der Polizei zu melden, ohne ihm eine andere Möglichkeit, z. B. die Rückkehr an den Unfallort, zu eröffnen. Dies erschien ihnen nicht angemessen.106 Schafheutle hielt den Vorschlag der Unterkommission deshalb nicht für glücklich, weil die Rückkehr zum Unfallort in vielen Fällen keinerlei Bedeutung habe, so etwa, wenn überhaupt niemand mehr am Unfallort anwesend sei.107 Deshalb sei die in der 2. Alternative der Nr. 2 vorgeschlagene Lösung besser. Dreher, Lackner und Dünnebier wollten vermeiden, dass z. B. ein Unfallbeteiligter, der zunächst ärztliche Behandlung aufsuchen muss und nach zwei Stunden an den Unfallort zurückkehrt, wo er niemanden mehr antrifft, allein durch Verstreichenlassen der Wartezeit seiner Pflichten enthoben würde. Sie hielten ein solches Ergebnis für untragbar und forderten deshalb von demjenigen, der sich berechtigt oder entschuldigt entfernt, dass er sich an den Verletzten selbst wende oder aber die Polizei aufsuche oder dort eine Meldung mache.108

104 1. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, 2. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, 3. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich seine Unfallbeteiligung dem Verletzten oder der nächsten Polizeidienststelle zur Kenntnis zu bringen. 105 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 356. 106 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 356. 107 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 357. 108 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 357.

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Niemand stimmte gegen die 2. Alternative.109 (3) Die Versuchsstrafbarkeit In der sich anschließenden Beratung argumentierte Gallas erfolgreich110 gegen eine Versuchsstrafbarkeit. Die Tatsache, dass die Rechtsprechung den Zeitpunkt der Vollendung sehr früh ansetze, sodass eigentlich kein großes Bedürfnis bestehe, auch den Versuch zu erfassen, spreche gegen eine Bestrafung des versuchten Delikts.111 Zum Zweiten spreche für die Auffassung der Unterkommission die Gefahr, dass das Verhalten des Unfallbeteiligten missdeutet werde und dass irgendwelche Bewegungen oder Handlungen als Versuchsakte angesehen würden. Die Spanne zwischen dem Anfang der Ausführung und der Vollendung sei zu gering, um bereits den Anfang der Ausführung unter Strafe zu stellen. Ferner würde dies bedeuten, dass auch der untaugliche Versuch strafbar wäre; auch dies erscheine ihm nicht zweckmäßig.112 Gallas wies darauf hin, dass ein Sichentfernen nach seinem Verständnis nicht erst dann vorliege, wenn eine gewisse messbare Entfernung überwunden sei. Vielmehr handele es sich um einen „dynamischen Akt“113, sodass bereits das Losfahren ein Sich-Entfernen darstelle. Aus diesem Grund blieben für den Versuch lediglich Handlungen wie das Hineinstecken des Zündschlüssels und Ähnliches übrig.114 Schlee stimmte der Ansicht von Gallas zu und begründete dies mit einem Hinweis auf das geschützte Rechtsgut, nämlich die Vereitelung der privatrechtlichen Ansprüche zu verhindern. Durch eine im Versuch steckengebliebene Unfallflucht sei dieser Anspruch kaum zu vereiteln.115 (4) Fakultative oder obligatorische Strafmilderung Die Kommissionsmitglieder erörterten anschließend ausführlich die Frage, ob eine Regelung im Sinne des Absatzes 3116 erforderlich sei und mit welchem Inhalt sie bejahendenfalls ausgestaltet werden solle. 109

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 359. Die Kommissionsmitglieder stimmten mit 14 gegen 6 Stimmen gegen die Versuchsstrafbarkeit; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361. 111 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 360. 112 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 360. 113 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 360. 114 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 360. 115 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 360. 116 Zur Debatte standen folgende Alternativen: 1. Alt.: Eine Vorschrift, die eine obligatorische oder fakultative Strafbefreiung für den Fall vorsieht, daß der Täter sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt, dann aber die Feststellungen für den Verletzten ermöglicht hat, wird nicht vorgesehen. 2. Alt.: Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 von Strafe absehen, wenn der Täter, der sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt hat, un110

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Teilweise wurde vorgeschlagen, auf eine Regelung im Sinne des Absatzes 3 (Straffreiheit bei Rückkehr an den Unfallort nach vorherigem Entfernen aus einem triftigen Grund) vollständig zu verzichten. Bei entsprechender Auslegung des berechtigenden und entschuldigenden Grundes in Absatz 1 Nr. 2 (nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen/Unfallmeldung nach gerechtfertigtem oder entschuldigtem Entfernen) müsse der triftige Grund des Absatzes 3 nur Verwirrung stiften, da es sich um einen Grund handeln müsse, der außerhalb der berechtigenden oder entschuldigenden Gründe liege.117 Fritz befürchtete, durch die Anerkennung eines triftigen Grundes komme es zu einer Aufweichung des Unfallfluchttatbestandes und in der Folge zum Verlust seiner generalpräventiven Wirkung. Zahlreiche strafwürdige Fälle würden seiner Ansicht zufolge aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen.118 Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sprach sich hingegen für die 2. Alternative aus.119 Diese sah vor, dass das Gericht von Strafe absehen konnte, wenn der Täter, der sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nachträglich ermöglicht oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung meldet. Jescheck erkannte ein kriminalpolitisches Bedürfnis für eine solche Regelung, Booß hielt sie für verkehrspolitisch nicht unerwünscht und sprach davon, dem Täter „eine goldene Brücke zur Straffreiheit zu bauen“. Dünnebier erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass bereits § 22 KFG eine entsprechende Regelung enthielt, die in § 139a StGB gestrichen worden sei mit der Begründung, dass der Täter bei Zulassung einer tätigen Reue es in der Hand habe, die Feststellung seiner etwaigen Alkoholbeeinflussung zu verhindern. Wenn es in der Neuregelung der Verkehrsflucht nun aber nicht mehr darum gehe, Verkehrssünder zu verfolgen, sondern die vermögensrechtlichen Ansprüche des Verletzten zu sichern, sei eine Ermöglichung der nachträglichen Meldung nur konsequent.120 Welzel sah in § 308 Abs. 3 eine Rücktrittsregelung und schlug demzufolge vor, das Element der Freiwilligkeit des Rücktritts in die Regelung aufzunehmen.121 Er wollte diejenigen Fälle von der Straffreiheit ausschließen, in denen sich der Täter vom Unfallort entfernt und die Feststellungen erst ermöglicht, nachdem er vom

verzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nachträglich ermöglicht oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung meldet. Es kommen hier sachlich dieselben Alternativen in Frage wie bei § 308 Abs. 1 Nr. 2. 117 Fritz, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361; auch Krille/Dreher, a.a.O., S. 362. 118 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361. 119 14 Kommissionsmitglieder stimmten für die 2. Alternative, 5 Mitglieder stimmten für die 1. Alternative, eine Stimmenthaltung; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 365. 120 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361. 121 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361.

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Verletzten aufgesucht worden ist. Welzels Vorschlag blieb jedoch in der Diskussion unbeachtet. Auch mit seinem Vorschlag, auf das Merkmal des triftigen Grundes in der Regelung des Absatzes 3 zu verzichten, konnte sich Welzel nicht durchsetzen. Während Welzel seinen Streichungsvorschlag nicht begründete, hielt ihm Baldus entgegen, dass durch einen Verzicht auf dieses Merkmal und die Ausgestaltung des Absatzes 3 als reine Rücktrittsvorschrift den Unfallbeteiligten in großem Umfang die Möglichkeit gegeben würde, die Feststellung der Art ihrer Beteiligung zu umgehen.122 Eine lebhafte Diskussion entfachte im Folgenden die Frage, ob das Absehen von Strafe obligatorisch oder fakultativ sein sollte. Gallas stellte eine Verknüpfung zwischen dem Merkmal des triftigen Grundes und der Regelung des Absehens von Strafe her.123 Dazu verwies er auf die Absicht der III. Unterkommission, die die Wendung „aus triftigem Grund“ in die Norm aufgenommen habe, um ein obligatorisches Absehen von Strafe möglich zu machen. Sollte das Absehen von Strafe nur fakultativ erfolgen, sei die Voraussetzung, dass der Täter aus einem triftigen Grund gehandelt haben müsse, sinnlos. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, dass bei einem Täter, der sich aus einem triftigen Grund vom Tatort entfernt habe, nicht von Strafe abgesehen werde. Einen Vorteil einer fakultativen Strafbefreiung sah Lackner darin, dass sie dem Richter ermögliche, die Strafbefreiung zu versagen in Fällen, in denen der Täter zwar aus triftigem Grund handelte, daneben aber auch andere Beweggründe eine Rolle spielten, etwa der, die Feststellung einer Trunkenheit zu vermeiden.124 Ein weiterer Pluspunkt der fakultativen Strafbefreiung wurde darin gesehen, dass sie im Einzelfall eine Güterabwägung ermögliche.125 Schafheutle sprach sich gegen eine obligatorische Strafbefreiung aus und meinte, dass diese mit dem unbestimmten Begriff des triftigen Grundes unvereinbar sei. Er hielt das Merkmal des triftigen Grundes für zu vage und ungenau, um daran eine obligatorische Rechtsfolge zu knüpfen.126 Unentschieden blieb die Frage, ob bereits bei der Prüfung des triftigen Grundes eine Güterabwägung vorzunehmen sei. Dreher wollte einen triftigen Grund zum Beispiel schon dann bejahen, wenn ein Unfallbeteiligter den Unfallort verlässt, um ein wichtiges Geschäft abzuschließen.127 Gallas hingegen ging von einem veränderlichen Begriff des triftigen Grundes aus. Der Grund der Flucht sei mit dem beim Unfall entstandenen Schaden in Relation zu setzen, sodass etwa bei einem Unfall mit

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Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 362. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 361. 124 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 362. 125 Diemer-Nicolaus, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 362. 126 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 364. 127 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 364. 123

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Toten und Schwerverletzten ein bevorstehender Geschäftsabschluss kein triftiger Grund zum Verlassen der Unfallortes sein könne.128 Bei der Abstimmung über Absatz 3 stimmten 14 Kommissionsmitglieder für die 2. Alternative, 5 stimmten dagegen bei einer Enthaltung. Für eine fakultative Strafbefreiung sprachen sich 14 Kommissionsmitglieder aus, für eine obligatorische Strafbefreiung 6. (5) Beschränkung auf den Straßenverkehr Zum Schluss der Beratung einigten sich die Diskussionsteilnehmer darauf, dass § 308 weiterhin auf Verkehrsunfälle im Straßenverkehr beschränkt sein solle; eine Ausdehnung auf den Eisenbahn-, Schiffs- oder Luftverkehr wurde nicht angestrebt.129 Begründet wurde diese Entscheidung mit der Entstehungsgeschichte der Norm, die sich auf den Straßenverkehr beschränkt habe, sowie mit der Erwägung, dass eine Ausdehnung der Norm auf sämtliche Verkehrsarten einen erneuten, erheblichen Arbeitsaufwand bedeutet hätte. cc) Die Beratung in der 103. Sitzung Nachdem sich tags zuvor die Unterkommission mit dem Tatbestand der Verkehrsflucht auseinandergesetzt hatte, fuhr die Große Strafrechtskommission am 23. September 1958 mit der Beratung dieses Delikts fort. Die Beratungsergebnisse der Unterkommission lagen als Normtext verfasst als Umdruck U 74 vor.130 128

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 365. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 366. 130 BArch B 141/82207, Bl. 1; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, Umdruck U 74, Anhang Nr. 23. „§ 308 Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Unfall im Straßenverkehr 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder 2. 1. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, Variante: … unverzüglich entweder zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, 2. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt oder, weil ihm längeres Warten nicht zuzumuten war, vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, 129

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Lackner131 berichtete davon, dass die Unterkommission nach eingehender Prüfung übereinstimmend zu der Auffassung gelangt sei, dass in § 308 Abs. 1 auf den Nebensatz „bei dem ein anderer geschädigt worden ist“ verzichtet werden solle. Die Unterkommissionsmitglieder hätten angenommen, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang des Absatzes 1 zwingend ergebe, dass ein anderer geschädigt sein müsse. Die Unterkommissionsmitglieder hielten es für möglich, dass ein ausdrücklicher Hinweis auf die Schädigung eines anderen so ausgelegt werden könne, als enthalte er eine gesetzgeberische Entscheidung hinsichtlich jener Fälle, deren Unterstellung unter § 308 bedenklich erscheine. Gemeint waren damit solche Fälle, in denen der Täter beispielsweise mit einem fremden Fahrzeug einen Unfall verursachte, der lediglich Sachschaden an diesem Fahrzeug herbeiführte.132 Um klar zum Ausdruck zu bringen, dass in der Norm nicht ein Verletzter im Sinne des Strafrechts gemeint sei, also etwa eine Person, die lediglich behindert oder belästigt wurde, sollte der Begriff des Verletzten durch den des Geschädigten ersetzt werden.133 Zur Klarstellung, dass nicht etwa der Geschädigte selbst die Feststellungen treffen müsse, sollte es statt „für den Verletzten“ „zugunsten des Verletzten“ heißen.134 Lackner führte aus, dass sich die Unterkommissionsmitglieder übereinstimmend dafür entschieden hätten, die Meldung bei der nächsten Polizeidienststelle nach einem berechtigten oder entschuldigten Entfernen in Absatz 1 Nr. 2 zu streichen. Durch die Beschränkung auf die „Meldung“ bei der Polizei sei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet,135 da es nach diesem Wortlaut ausreiche, dass ein Unfallbeteiligter Variante: … unverzüglich entweder zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) 1. Alternative Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. 2. Alternative Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung gemeldet, so kann das Gericht von Strafe absehen. (3) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“ 131 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441. 132 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441. 133 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441. 134 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441. 135 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441.

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der zuständigen Polizeidienststelle den Unfall und seine Personalien mitteile, um anschließend in Urlaub zu fahren oder seinen Rausch auszuschlafen. Zu verlangen sei vielmehr, dass der Unfallbeteiligte sich nicht nur bei der Polizei melde, sondern sich auch der Polizei zur Verfügung halte. Erfülle der Unfallbeteiligte aber diese Anforderungen, so erfülle er bereits die Voraussetzungen der 1. Alternative der Nummer 2, denn dann ermögliche er auch die erforderlichen Feststellungen zugunsten des Geschädigten. Lackners Bericht zufolge hatten die Unterkommissionsmitglieder auf die Unklarheit des Begriffs der nächsten Polizeidienststelle hingewiesen.136 So stelle sich die Frage, ob bei einem Unfall in Hamburg, bei dem sich ein Unfallbeteiligter berechtigt nach München absetze, die nächste Polizeidienststelle in München oder Hamburg sei. In seinem Bericht warf Lackner schließlich die Frage auf, ob der Täter nach Absatz 1 Nr. 2 nur dann freizusprechen sein solle, wenn er sich berechtigt oder entschuldigt entferne. Zweifel ergäben sich hinsichtlich des Begriffs der Entschuldigung. Zwar gebe es keinen allgemeinen Entschuldigungsgrund der Nichtzumutbarkeit. Die Rechtsprechung habe aber bei § 142 StGB im Falle der Wartepflicht die Nichtzumutbarkeit ausdrücklich als Entschuldigungsgrund anerkannt. Lackner sah hier die Gefahr von Auswirkungen auf die Auslegung anderer Tatbestände im Wege der Analogie oder in Form des argumentum e contrario.137 Dreher merkte an, man müsse sich darüber im Klaren sein, dass man im Begriffe sei, die Vorschrift über die Fahrerflucht gegenüber dem geltenden Recht sehr zu verschärfen. Denn es solle eine Meldepflicht eingeführt werden, die dem geltenden Gesetz fremd sei.138 Nach geltendem Recht werde nicht bestraft, wer sich nach einiger Zeit vergeblichen Wartens vom Unfallort entferne. In der Diskussion über den Inhalt der Meldepflicht arbeiteten die Kommissionsmitglieder heraus, dass die Meldung der Unfallbeteiligung bedeute, dass der Unfallbeteiligte an die Polizeibehörde melde, dass er an einem bestimmten Unfall beteiligt war, wobei die Mitteilung der bloßen Tatsache und der Personalien genügen sollte. Zur Mitteilung der eigenen Trunkenheit, zu Informationen über den Zustand des Fahrzeugs u. Ä. sei er jedoch nicht verpflichtet. Dabei müsse sich der Unfallbeteiligte so vorstellen, wie er sich vorgestellt hätte, wenn er während des inzwischen verstrichenen Zeitraums an der Unfallstelle gewartet hätte und ein Polizist gekommen wäre.139

136 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 441; Lackner warf die Frage nach der nächstgelegenen Polizeidienststelle in dem Fall auf, in dem sich der Täter vom Unfallort Hamburg nach München absetzt. 137 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 442. 138 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 443. 139 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 444 f.

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Bei der abschließenden Abstimmung wurde Absatz 1 Nr. 1140 einstimmig gebilligt. Bei der Abstimmung zu Absatz 1 Nr. 2141 fand die 1. Alternative die Zustimmung von 6 Kommissionsmitgliedern, 4 stimmten dagegen, 4 enthielten sich. Für die Variante zur 1. Alternative der Nummer 2 („zu melden, daß er an dem Unfall beteiligt war“) sprachen sich 3 Kommissionsmitglieder aus, 3 enthielten sich der Stimme.142 Während zu Absatz 3 (Definition des Unfallbeteiligten) keine Bedenken erhoben wurden, vertagte man die Entscheidung über Absatz 2 (Melde- bzw. Rückkehrpflicht nach Entfernen aus triftigem Grund) aufgrund der ungeklärten Fragen. Zum Schluss der Sitzung konstatierte Gallas, dass vor allem das Problem, was von dem Unfallbeteiligten im Falle der Nummer 2 zu verlangen sei, noch weiterer Klärung bedürfe. Er wies zudem darauf hin, dass die Vollkommission entgegen der jetzigen Abstimmung mit großer Mehrheit die 2. Alternative angenommen habe. Als Zusammenfassung der Ergebnisse erster Lesung legte die Große Strafrechtskommission im Jahr 1959 einen Entwurf für ein neues Strafrecht vor (E 1959 I).143 Die Verkehrsflucht hatte darin folgende Ausgestaltung gefunden:144 140

(1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Unfall im Straßenverkehr 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. 141 (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Unfall im Straßenverkehr […] 2. 1. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, Variante: … unverzüglich entweder zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, 2. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt oder, weil ihm längeres Warten nicht zuzumuten war, vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, Variante: … unverzüglich entweder zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. 142 Zur Abstimmung im Einzelnen: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 9. Band, S. 446. 143 Übersendungsschreiben des Bundesministers der Justiz an die Mitglieder der Strafrechtskommission und Bundesministerien vom 30. Januar 1959, BArch B 141/17259, Bl. 229 und 232. 144 Der Text stimmt mit Umdruck K 73 überein, der die Beschlüsse der Kommission wiedergibt, dort ist allerdings die Verkehrsflucht als § 303 bezeichnet und unter dem Titel

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„§ 352 Verkehrsflucht145 (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Unfall im Straßenverkehr 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder 2. es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (3) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“

dd) Stellungnahmen zum E 1959 I In einer internen Stellungnahme des Referats IV, 11146 des Bundesjustizministeriums brachte der Verfasser seine Kritik an der Regelung des § 352 E 1959 I zum Ausdruck. Die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche zu gewährleisten sei nicht Aufgabe des Strafrechts. Der Gesetzgeber solle sich darauf beschränken, durch entsprechende Strafnormen die Sicherheit des Straßenverkehrs zu schützen und damit die Ordnung im Straßenverkehr zu sichern.147 Der Automobilclub von Deutschland e.V. bemängelte in seiner Stellungnahme zu § 352 E 1959 I,148 dass die Vorschrift mit der Regelung der passiven Feststellungspflicht nach wie vor einen „Fremdkörper“ im deutschen Strafgesetzbuch bestehen lasse. Es wurde angeregt, für Sachschadensfälle eine Meldepflicht bei der Polizei innerhalb einer bestimmten Frist genügen zu lassen. In der Folge sollte dann die passive Feststellungspflicht in solchen Fällen vollständig oder unter bestimmten Voraussetzungen in Fällen der Unzumutbarkeit entfallen. Kernpunkt der Kritik war die Unbestimmtheit des in Absatz 2 geregelten triftigen Grundes, dessen Einfügung grundsätzlich befürwortet wurde. Schwierigkeiten sah der AvD bei dessen Abgrenzung vom gerechtfertigten oder entschuldigten Entfernen. Als Feststellungsberechtigten wollte der AvD schließlich neben der Polizei den Geschädigten ausdrücklich anerkannt wissen. „Gemeingefährliche Straftaten, Störung des Verkehrs“ eingeordnet, BArch B 141/82207, Bl. 26. 145 Entwurf eines Strafgesetzbuches Januar 1959, BArch B 141/82207, Bl. 29, 32; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 12. Band, Anhang B, S. 623; Fußnote im Original: „Die Vorschrift über die Verkehrsflucht ist nur ein vorläufiges Beratungsergebnis. Überprüfung in der 2. Lesung bleibt vorbehalten.“ 146 Schreiben vom 24. August 1959, BArch B 141/17262, Bl. 149 ff. 147 Schreiben vom 24. August 1959, BArch B 141/17262, Bl. 153. 148 Schreiben vom 4. März 1959, BArch B 141/82207, Bl. 33 ff.

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Das bayerische Staatsministerium sah in der mit § 352 Abs. 2 E 1959 I eröffneten Möglichkeit, den Unfallort straflos zu verlassen, eine Erschwerung oder gar Verhinderung der polizeilichen Unfallaufnahme, insbesondere der Spurensicherung.149 Deshalb sollte nach dem bayerischen Vorschlag ein Unfallbeteiligter nur dann berechtigt sein, den Unfallort vor Aufnahme des Unfalls zu verlassen, wenn das zur Versorgung von Unfallverletzten erforderlich war. Das Bundesministerium für Verkehr erhob mit Schreiben vom 12. März 1959150 Einwände gegen die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf Unfälle im Straßenverkehr. Auch im Verkehr auf Wasserstraßen ergäben sich Anwendungsfälle für die Verkehrsflucht, die es sinnvoll erscheinen ließen, an der bisherigen Regelung festzuhalten. b) Zweite Lesung und E 1959 II In der anschließenden zweiten Lesung setzte sich die Große Strafrechtskommission in ihrer 138. Sitzung am 13. Juni 1959 mit der Verkehrsflucht auseinander.151 Zu diesem Termin hatten die Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums einen neuen Fassungsvorschlag mit folgendem Wortlaut vorgelegt:152 „§ 352 Verkehrsflucht (1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall, zu dessen Verursachung sein Verhalten nach den Umständen beigetragen haben kann (Unfallbeteiligter), vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Absatz 1 nachträglich zu ermöglichen. Der Unfallbeteiligte ist auch dann berechtigt, sich vom Unfallort zu entfernen, wenn dort innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist niemand anwesend ist, der die Feststellungen zu treffen bereit ist. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen, schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Für die nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen im Sinne der Absätze 2 und 3 genügt es, wenn der Unfallbeteiligte dem Geschädigten oder einer Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er die Ermittlungen nicht durch Verheimlichen seines Aufenthaltes oder seines Fahrzeugs vereitelt.“ 149

Schreiben vom 3. April 1959, BArch B 141/82207, Bl. 37. BArch B 141/82207, Bl. 36. 151 Siehe hierzu die Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 467 ff. 152 BArch B 141/82207, Bl. 38 ff.; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, Anhang Nr. 49, Umdruck II J 35. 150

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Zunächst bezog sich die Regelung nach ihrem Wortlaut in Absatz 1, anders als § 352 E 1959 I, wieder auf einen „Verkehrsunfall“ und nicht auf einen Unfall im Straßenverkehr.153 Durch die Einfügung der Worte „durch seine Anwesenheit“ in Absatz 1 der Norm wollten die Autoren klären, dass es sich bei der Feststellungspflicht des Absatzes 1 um eine rein passive Feststellungspflicht handele. Die bloße Anwesenheit des Täters am Unfallort sollte ausreichen. Eine darüber hinausgehende aktive Mitwirkung bei der Unfallaufklärung wurde nicht gefordert. Die Beseitigung von Unfallspuren sollte für den Täter nicht verboten sein, da man ein solches Verhalten nicht als besonderes Problem der Unfallflucht ansah, sondern als ein solches der Beweismittelfälschung.154 Eine nachträgliche Feststellungspflicht sollte nach dem Sachbearbeitervorschlag auch denjenigen Unfallbeteiligten treffen, der eine nach dem Umständen angemessene Zeit gewartet hatte, ohne dass sich eine feststellungsbereite Person am Unfallort eingefunden hatte. Die Wartepflicht wurde auf die „nach den Umständen angemessene Frist“ zeitlich beschränkt. Auch die nachträgliche Feststellungspflicht gemäß Absatz 4 sollte sich in einer passiven Feststellungspflicht erschöpfen, die dem Täter lediglich die Verpflichtung auferlegte, seine Unfallbeteiligung dem Geschädigten oder einer Polizeidienststelle mitzuteilen und die Ermittlungen nicht durch Verheimlichen seines Aufenthaltes oder seines Fahrzeugs zu vereiteln. Das vom Täter verlangte aktive Verhalten sollte auf das Minimum begrenzt werden, das als erforderlich dafür angesehen wurde, dem Geschädigten die Durchführung von Ermittlungen zu ermöglichen.155 Insbesondere sollte es dem Täter gestattet sein, im Rahmen der übrigen Strafrechtsbestimmungen, Tatspuren zu verwischen. Schließlich ersetzte der Sachbearbeitervorschlag das Merkmal des triftigen Grundes in Absatz 3 durch die Formulierung „zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen, schutzwürdigen Interesses“. Die Abkehr vom Merkmal des triftigen Grundes wurde damit begründet, dass dessen Verhältnis zum rechtfertigenden und entschuldigenden Grund von den meisten Kritikern nicht verstanden worden sei. Es sei eben nicht so, dass der triftige Grund den Oberbegriff zu allen genannten Ka-

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Der Bundesminister für Verkehr hatte diese Änderung gewünscht mit dem Argument, dass die Unfallflucht im Schiffsverkehr von beachtlicher Bedeutung sei und dass viele Gerichte schon entsprechend geurteilt hätten. Siehe hierzu die Ausführungen Lackners in den Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 471; zu Details siehe auch den Briefwechsel zwischen Generalbundesanwalt Fränkel und Lackner, BArch B 141/82208, Bl. 146 ff. 154 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, Anhang Nr. 49, Umdruck II J 35, Bemerkungen, S. 755. 155 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, Anhang Nr. 49, Umdruck II J 35, Bemerkungen, S. 755.

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tegorien bilde. Um terminologischen Schwierigkeiten und Anwendungsproblemen in der Praxis vorzubeugen, habe man den Absatz 3 neu gefasst.156 Zu Beginn der Diskussion in der 138. Sitzung der Großen Strafrechtskommission äußerte Booß als Vertreter des Bundesverkehrsministeriums noch einmal Zweifel an der Richtigkeit der gesetzgeberischen Motivation der Regelung der Verkehrsunfallflucht. Er wiederholte seine bereits in früheren Sitzungen geäußerten Bedenken dagegen, dass mit der Norm ausschließlich privatrechtliche Entschädigungsansprüche und nicht verkehrssicherheitspolizeiliche Gesichtspunkte geschützt würden. Auch wenn er darauf verwies, dass Straßenverkehrsreferenten der Innen- und Verkehrsministerien der Länder seine Ansicht teilten, vermochte er bei den übrigen Kommissionsmitgliedern, die sich insoweit auf keine erneute Diskussion einlassen wollten, keinen Entscheidungswandel herbeizuführen. In einer erneuten Abstimmung sprach sich allein Lange für die Streichung der Worte „zugunsten des Geschädigten“ im Fassungsvorschlag der Sachbearbeiter II J 35 aus, wohingegen die übrigen Kommissionsmitglieder sich bei drei Enthaltungen gegen die Streichung aussprachen. Bei der Diskussion des Absatzes 1 zeigte sich das Bedürfnis, über den Kreis der Geschädigten hinaus auch diejenigen Personen zu schützen, die zwar am Unfall beteiligt, aber nicht geschädigt sind.157 Auch sie könnten ein Feststellungsinteresse haben. Als Argument für diese Änderung führte Simon zusätzlich an, dass somit dem Täter die Ausrede abgeschnitten würde, er habe angenommen, der andere habe gar keinen Schaden erlitten.158 Dünnebier schlug hierzu vor, den Begriff des Geschädigten weit auszulegen, sodass er auch den potentiell geschädigten Unfallbeteiligten umfasse.159 Diese Auslegung stieß jedoch auf Zweifel.160 Die Kommissionsmitglieder beschlossen ohne Gegenstimmen bei zwei Stimmenthaltungen, in den Absätzen 1 und 2 des Umdrucks II J 35 statt „zugunsten des Geschädigten“ zu formulieren „zugunsten anderer Unfallbeteiligter und Geschädigter“. Die Kommissionsmitglieder entschieden sich weiter dafür, die Worte „durch seine Anwesenheit“ in Absatz 1 beizubehalten. Damit sollte verdeutlicht werden, dass der Unfallbeteiligte durch ein Verbleiben an Ort und Stelle seiner Feststellungspflicht genüge. Die von Rösch (Bayern) vorgeschlagene Streichung dieser Worte berge die

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Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, Anhang Nr. 49, Umdruck II J 35, Bemerkungen, S. 756. 157 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 475. 158 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 475. 159 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 475. 160 Welzel, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 476.

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Gefahr in sich, dass weitere Verpflichtungen in die Norm hineingelesen würden, wie etwa diejenige, keine Unfallspuren zu verwischen.161 Die Frage, ob der Ablauf einer angemessenen Wartefrist nach Absatz 2 Satz 2 zu einem Tatbestandsausschluss führe oder einen Rechtfertigungsgrund darstelle, ließen die Kommissionsmitglieder unbeantwortet und verwiesen sie zur Prüfung an die Unterkommission. Die Regelung des § 352 Abs. 3162 (fakultatives Absehen von Strafe nach nachträglicher Ermöglichung von Feststellungen im Anschluss an ein Entfernen zur Wahrnehmung schutzwürdiger Interessen) stieß teilweise auf heftigen Widerstand, sodass Jescheck, Lange und Sieverts deren ersatzlose Streichung forderten.163 Booß sah die Gefahr, dass die Kraftfahrer mit einer solchen Regelung die Norm der Verkehrsflucht insgesamt nicht hinreichend ernst nehmen würden. Er favorisierte bei Streichung des Absatzes 3 eine Lösung im Wege der Strafzumessung oder Einstellung wegen Geringfügigkeit. Jescheck stellte die Frage, ob mit Rücksicht auf die Notstandsnorm § 40 E 1959 I164 die Regelung des § 352 Abs. 3 verzichtbar sei165, stieß jedoch auf Widerspruch von Baldus und Schafheutle, die u. a. darauf hinwiesen, dass § 40 E 1959 I als Notstandsparagraf eng auszulegen sei.166 Ein weiterer Diskussionspunkt war, ob bei der geänderten Fassung des Absatzes 3 eine obligatorische oder eine fakultative Strafmilderung vorgesehen werden sollte. Die nun in Absatz 3 verwendete „viel konkretere Umschreibung“167 anstelle der Verwendung des Begriffs des triftigen Grundes war für Baldus der Anknüpfungspunkt dafür, eine obligatorische Strafbefreiung zu befürworten. Zu beachten sei nämlich, dass der vermeintliche Täter die Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglicht haben müsse, um zur Anwendung des Absatzes 3 zu gelangen. Das vom vermeintlichen Täter begangene Unrecht bestehe folglich allein darin, dass er die

161 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 474, 476, 478. 162 In der Fassung des Umdrucks II J 35. 163 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 487. In der abschließenden Abstimmung waren sie die Einzigen, die sich für eine ersatzlose Streichung des Absatzes 3 aussprachen. 164 § 40 I E 1959 I lautete: „Im Notstand handelt, wer eine Tat begeht, um eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut von sich oder einem anderen abzuwenden, und dabei in einer den Umständen nach angemessenen Weise vorgeht.“ 165 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 487. 166 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 487. 167 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 482.

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Feststellungen nicht in der vorrangig vorgesehenen Weise durch ein Verbleiben am Unfallort, sondern in anderer Weise möglich gemacht habe.168 Demgegenüber wollten Schafheutle und Lackner auch nach der Änderung des Wortlautes des Absatzes 3 an einer fakultativen Strafbefreiung festhalten. So werde vermieden, dass psychologisch die Flucht vom Unfallort begünstigt werde. Schafheutle nahm an, eine obligatorische Strafbefreiung veranlasse den Täter eher, sich zunächst einmal vom Unfallort zu entfernen. Der Täter sage sich, dass er weiterhin unter Angabe eines triftigen Grundes nachträglich die Feststellungen ermöglichen könne. Habe sich der Täter aber unerkannt vom Unfallort entfernen können, so bestehe die große Versuchung, sich überhaupt nicht mehr zu melden.169 Melde er sich, seien Ausreden zur Begründung des schutzwürdigen Interesses Tür und Tor eröffnet.170 Den Vorteil einer fakultativen Strafbefreiung sah Schafheutle darin, dass der Richter durch sie die Möglichkeit habe, den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen, ohne dass das grundlegende Gebot des Verbleibens am Unfallort entwertet werde. Das Votum der Kommissionsmitglieder zugunsten einer obligatorischen Strafbefreiung fiel mit 9 Stimmen gegenüber 8 Stimmen für eine fakultative Strafbefreiung knapp aus. Uneinigkeit herrschte unter den Kommissionsmitgliedern zum Schluss der Beratungen noch in der Frage, welche Verpflichtungen dem Flüchtigen bei der nachträglichen Ermöglichung der Feststellungen im Sinne der Absätze 2 und 3 nach Absatz 4 auferlegt werden sollten. Während der Sachbearbeitervorschlag sich hier auf eine Meldung der Unfallbeteiligung beschränkte und lediglich das Vereiteln der Ermittlungen durch ein Verheimlichen des Aufenthaltes der eigenen Person oder des Fahrzeugs verbot, forderten Simon und Schafheutle, dass vom Täter derjenige Zustand wiederherzustellen sei, der vor dessen Entfernen bestanden habe.171 Hierzu verlangte Simon, in Absatz 4 vom Täter die Angabe seines Aufenthaltsortes und die Angabe des Aufenthaltsortes seines Fahrzeugs zu fordern. Um zu verdeutlichen, dass es nicht erforderlich sei, dass die Ermittlungen endgültig scheiterten, sollte in Absatz 4 nach Ansicht von Fritz das Prädikat „vereitelt“ durch „erschwert“ oder „zu vereiteln versucht“ ersetzt werden.

168 Niederschriften über die S. 482. 169 Niederschriften über die S. 482, 483. 170 Lackner, Niederschriften 13. Band, S. 483. 171 Niederschriften über die S. 474, 476.

Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band,

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Die Fassung des Absatzes 4 des Sachbearbeitervorschlags fand im Grundsatz die Billigung der Kommissionsmitglieder, sollte jedoch noch einmal durch die Unterkommission überprüft werden.172 Die zweite Lesung des Entwurfs, die sich auf drei Arbeitstagungen mit 29 Sitzungen erstreckte, fand am 29. Juni 1959 ihren Abschluss. Der Entwurf 1959 II fasste die Ergebnisse der Beratungen der zweiten Lesung zusammen. Dieser Entwurf basierte auf einer Zusammenstellung, die die Strafrechtsabteilung des Bundesjustizministeriums auf der Grundlage der Beschlüsse der Großen Strafrechtskommission zur ersten und zweiten Lesung vorgenommen hatte. In ihm fanden bereits die Beratungsergebnisse der von den Landesjustizverwaltungen im Juli 1959 gebildeten Länderkommissionen für die große Strafrechtsreform zum Allgemeinen Teil Berücksichtigung. Wie bereits der Entwurf 1959 I blieb auch dieser Entwurf ohne Begründung. Die Regelung der Verkehrsflucht fand im Entwurf 1959 II folgende Form:173 „§ 347 (§ 352)Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten anderer Unfallbeteiligter und Geschädigter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seinen Namen, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt, es sei denn, daß er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“ 172

Lange und Wilkerling sprachen sich für eine Streichung des Absatzes 4 aus. Drei Kommissionsmitglieder enthielten sich der Stimme; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 13. Band, S. 488. 173 BArch B 141/82208, Bl. 145.

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c) Weitere Stellungnahmen zu den Entwürfen 1959 I und II In seiner Stellungnahme zu § 352 E 1959 I bescheinigte Hartung (Reichsgerichtsrat i.R.) den Absätzen 1 und 3 der Norm ihre Eignung zu Wahrung der Kontinuität der Norm.174 Auch seine Kritik richtete sich gegen die Einfügung des triftigen Grundes in Absatz 2. Hartung erachtete die Merkmale „triftiger Grund“ und „berechtigter oder entschuldigender Grund“ sprachlich für gleichwertig. Er hielt die Notstandsvorschriften der §§ 40 Abs. 2 und 41 des E 1959 I für ausreichend, um die Fälle zu lösen, an die bei § 352 Abs. 2 gedacht sei, wie etwa der eines Sach- oder geringen Körperschadens beim Opfer, dem die Versäumung eines wichtigen Geschäftstermins durch den Flüchtenden gegenübersteht. Hartung meinte, dass bei der gravierenden Verletzung eines Unfallopfers solche Gründe grundsätzlich nicht rechtfertigend wirken könnten. Nach seiner Ansicht sollte durch Absatz 2 derjenige geschützt werden, der aufgrund des Todeseintritts, schwerer Verletzungen, Nichterreichbarkeit, unbekannter Herkunft selbst nicht in der Lage ist, die Feststellungen zu treffen, und sich auch kein anderer dazu bereitfindet. Abschließend schlug Hartung vor, alle Handlungen der Unfallbeteiligten zu bestrafen, die darauf gerichtet sind, die Feststellung des Unfallhergangs zu verhindern oder zu erschweren.175 Die Stellungnahme des ADAC176 begann mit einem klaren Statement: „Der vorliegende Entwurf darf nicht Gesetz werden.“ Moniert wurde, dass der Entwurf den Erfahrungen mit der bisherigen Regelung des § 142 StGB in keiner Weise Rechnung trage. Überdies würden nicht die Zweifel ausgeräumt, die in der Rechtsprechung aufgetaucht seien, etwa der Fall, dass dem Täter das von ihm geführte Fahrzeug nicht gehöre, wenn der Geschädigte nicht anwesend und nicht zu erreichen sei. Der ADAC forderte eine tatbestandliche Differenzierung zwischen schweren Fällen mit Personenschaden oder erheblichen Sachschäden auf der einen und Bagatellschäden auf der anderen Seite. Es widerspreche der Volksanschauung, „Bagatellfälle, bei denen nur harmlose Kratzer oder unwesentlicher Sachschaden eingetreten sind, mit dem Odium der ,Verkehrsflucht‘ zu belegen.“ Nach Ansicht des ADAC sollten die Bagatellfälle nicht als Verkehrsflucht, sondern als „unerlaubte Entfernung“ bezeichnet werden, für die nur Geldstrafe, allerdings in empfindlicher Höhe, anzudrohen sei.177 Die Landesjustizverwaltung Niedersachsen178 kritisierte in ihrer Stellungnahme zunächst die fehlende Klarheit der Norm. Außerdem wurde bezweifelt, dass sich die Norm allein damit rechtfertigen lasse, dass das private Beweissicherungsinteresse der Unfallbeteiligten geschützt werde. Vielmehr trage die Unfallflucht ihr Un-

174 175 176 177 178

Schreiben vom 24. Juni 1959, BArch B 141/82207, Bl. 123 ff. Schreiben vom 24. Juni 1959, BArch B 141/82207, Bl. 123 ff. Schreiben vom 30. Juni 1959, BArch B 141/82208, Bl. 131. Schreiben vom 30. Juni 1959, BArch B 141/82208, Bl. 131. Schreiben vom 20. Juli 1959, BArch B 141/82208, Bl. 133.

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werturteil, weil der Flüchtende seine Hilfspflicht unbeachtet lasse, zu der ihn seine Unfallbeteiligung verpflichte.179

III. Die Entwürfe 1960 und 1962 1. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) Die Beschlüsse der Großen Strafrechtskommission und die Änderungsvorschläge der Länderkommission zum Allgemeinen Teil bildeten die Grundlage für den im Jahr 1960 im Bundesjustizministerium erstellten ersten Gesamtentwurf eines Strafgesetzbuches (E 1960). Die Übersendung des Entwurfs 1960 mit Begründung als Kabinettsache geschah mit Schreiben vom 12. April 1960.180 Die Bundesregierung verabschiedete am 8. September 1960 die Gesetzesvorlage des Entwurfs 1960 und leitete sie am 28. Oktober 1960 dem Bundesrat zu.181 Dieser Zeitpunkt lag knapp ein Jahr vor Ablauf der Wahlperiode am 15. Oktober 1961, sodass mit einer Verabschiedung des Entwurfs durch den amtierenden Bundestag nicht mehr zu rechnen war.182 Der Bundesrat sah in seiner 224. Sitzung am 28. Oktober 1960 von einer Äußerung zu dem Gesetzentwurf ab, insbesondere um der eingesetzten Länderkommission die Möglichkeit zu geben, ihre Beratungen abzuschließen.183 Der Entwurf wurde am 3. November 1960 dem Bundestag zugeleitet,184 der ihn jedoch in der dritten Legislaturperiode, die im Herbst des nächsten Jahres endete, nicht mehr auf die Tagesordnung setzte. Flehinghaus räumte ein, dass die abschließende Beratung des Entwurfs in der dritten Legislaturperiode seitens der Bundesregierung nicht erwartet worden war. Ziel sei es vielmehr gewesen, den Entwurf durch die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens publik zu machen und ihn der öffentlichen Erörterung auszusetzen. Bei der erneuten Einbringung des Entwurfs bestand so die Möglichkeit, berechtigte Kritik zur Optimierung des Entwurfs berücksichtigen zu können.185 Erst dem mit § 347 E 1959 II nahezu inhaltsgleichen186 § 347 des Entwurfs von 1960 war eine amtliche Begründung beigefügt.187 179

Schreiben vom 20. Juli 1959, BArch B 141/82208, Bl. 133. Vermerk, BArch B 141/82208, Bl. 155. 181 BArch B 141/82208, Bl. 155 ff., 161. 182 Flehinghaus, BRat-Prot. 248. Sitzung vom 12./13. Juli 1962, S. 137; Holtz, S. 10 f. 183 Damit entsprach er einer Empfehlung des Rechtausschusses des Bundesrates, BArch B 141/17271, Bl. 177, BR-DS 270/1/60. 184 BArch B 141/82208, Bl. 162. 185 Flehinghaus, BRat-Prot. 248. Sitzung vom 12./13. Juli 1962, S. 137. 186 Lediglich in Absatz 1 Nr. 1 fand sich eine abweichende Formulierung. Statt „zugunsten anderer Unfallbeteiligter und Geschädigter“ hieß es nun „zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten“. 180

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Im Begründungstext zu den Verkehrsstrafsachen im Allgemeinen fand sich zunächst ein Bekenntnis zur Regelung der den Straßenverkehr betreffenden Straftatbestände im Strafgesetzbuch. Die hierfür angeführten Argumente stimmten im Wesentlichen mit den in der 100. Sitzung der Großen Strafrechtskommission vorgetragenen Gründen überein (Vermeidung einer Zersplitterung des Strafrechts, Vermeidung gesetzestechnischer Schwierigkeiten und Gewährleistung einer gründlichen wissenschaftlichen Durcharbeitung der geregelten Tatbestände). Nach den Ausführungen zu § 347 E 1960 sollte der vorgelegte Entwurf vorrangig Antworten auf drei Fragen geben, die der Rechtsprechung bis dahin Schwierigkeiten bereitet hatten: 1. die Frage nach dem geschützten Rechtsgut, 2. die Voraussetzungen, unter denen der Täter zum Verlassen des Unfallortes berechtigt ist, insbesondere ob und in welchem Umfang ihn dabei eine Wartepflicht trifft, und 3., ob er nach berechtigter oder entschuldigter Entfernung zur Rückkehr oder Meldung verpflichtet ist.188 Als Zweck der Regelung des § 347 E 1960 wurde die Sicherung der Interessen der durch den Unfall Betroffenen, insbesondere die Sicherung der Ersatzansprüche der

187 Die Texte von Kabinettsvorlage, BArch B 141/82208, Bl. 156, und Bundesratsvorlage, BArch B 141/17272, Bl. 35, sowie der Bundestagsvorlage, BArch B 141/17273, Bl. 36 R, stimmen bezüglich § 347 überein. § 347 Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seinen Namen, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt, es sei denn, daß er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. 188 Begründung zum E 1960, S. 491; BArch B 141/82208, Bl. 157 ff.

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Geschädigten, angesehen.189 Hinter diesem Sicherungsinteresse müsse der Gesichtspunkt, dass dadurch gleichzeitig bestimmte Fälle der Selbstbegünstigung strafbar würden, zurücktreten, da Ersterem als Höherwertigem der Vorzug gebühre. Die Ermöglichung der Feststellungen „zugunsten der anderen Unfallbeteiligten“ wurde neu in den Tatbestand aufgenommen. Diese Erweiterung geschah ausweislich der Entwurfsbegründung mit dem Ziel, den Unfallbeteiligten vor ungerechtfertigter strafrechtlicher Verfolgung zu schützen und ihm zu ermöglichen, sich im Innenverhältnis der Ersatzpflichtigen schadlos halten zu können.190 Den gewählten Strafrahmen von Geldstrafe, Strafhaft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren bezeichnete die Entwurfsbegründung als verhältnismäßig weit. Sie begründete ihn mit der Mitberücksichtigung der sozial-ethisch besonders verwerflichen Gesinnung, die bei schweren Taten häufig in der Rücksichtslosigkeit und der Selbstsucht des Täters zum Ausdruck komme. Nach dem allgemeinen Rechtsempfinden sei die Flucht nach Unfällen als schweres kriminelles Unrecht anzusehen.191 Aus den gleichen Gründen sei auch trotz der privaten Natur des geschützten Rechtsguts auf einen Strafantrag zu verzichten. 2. Stellungnahmen zum Entwurf 1960 Bei der Kommission für Fragen der Strafrechtsreform beim BGH fand die Regelung des § 347 E 1960 ein positives Echo.192 Die Kommissionsmitglieder teilten die Auffassung, dass die Strafnorm dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Feststellung des Unfallhergangs dienen solle. Die Kritik richtete sich gegen die in Absatz 4 vorgesehene Meldepflicht der Unfallbeteiligten, die sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt haben. Denn von dieser Regelung würden auch diejenigen umfasst, die etwa pflichtgemäß Verletzte zur ärztlichen Behandlung gebracht hätten. Es sei nicht hinzunehmen, dass solche Personen auch bei Erfüllung ihrer Meldepflicht nach Absatz 2 strafbar seien, wenn sie die Feststellungen durch ihr Verhalten absichtlich vereitelten, beispielsweise durch Beseitigen von Unfallspuren, während am Unfallort verbleibende Beteiligte dies ungestraft tun könnten. Letztgenannte seien auch nicht verpflichtet, sich als Fahrer eines unfallbeteiligten Fahrzeugs zu bekennen. Zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen sollte es genügen, wenn der Verpflichtete mitteile, dass er zur Unfallzeit mit seinem Fahrzeug am Unfallort anwesend war. Die Mitteilung einer Beteiligung sei ebenso wenig erforderlich wie bei einem Beteiligten, der an der Unfallstelle von Beginn an präsent geblieben sei.193 189 190 191 192 193

Begründung zum E 1960, S. 492. Begründung zum E 1960, S. 493. Begründung zum E 1960, S. 493. Stellungnahme der Kommission, BArch 141/82208, Bl. 179 ff. Stellungnahme der Kommission, BArch 141/82208, Bl. 179 ff.

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Der AvD forderte in seiner Stellungnahme zum Entwurf 1960 eine möglichst klare, für jeden Autofahrer verständliche Regelung der Unfallflucht194, insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Wartepflicht. Der AvD schlug vor, bei Unfällen mit ausschließlich Sachschäden eine Verfolgung wegen Unfallflucht auszuschließen, sofern sich die Beteiligten am Unfallort darüber geeinigt hätten, dass der Unfall nicht polizeilich aufgenommen werden solle.195 Der Rechtsausschuss des Zentralausschusses der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. beschäftigte sich auf seiner Tagung am 17. Dezember 1962 mit der Neuregelung der Verkehrsflucht.196 Die Schiffer sprachen der geplanten Neuregelung ihre allgemeine und spezielle Existenzberechtigung im Bereich der Binnenschifffahrt ab und betrachteten die Norm als „Grundlage zur Förderung des Denunziantentums und unerläßliche Folgeerscheinung der Freistellungsbestrebungen der Haftpflichtversicherungen“.197 Sie forderten die ausdrückliche Herausnahme der Binnenschiffer aus dem Tatbestand. Die Binnenschiffer wiesen darauf hin, dass eine Flucht regelmäßig wegen der geringen Geschwindigkeit und auch deshalb kaum denkbar sei, weil die Schiffer sich und die Profile der Schiffe gegenseitig kennen würden. Da es in der Schifffahrt auch häufig zu unbemerkten Schäden komme, etwa durch vorbeifahrende Schiffe aufgrund von starkem Wellenschlag, könne gegen einen Schiffer leicht der Verdacht einer Verkehrsflucht erhoben werden, ohne dass dieser Verteidigungsmöglichkeiten habe, weil er die so entstandenen Schäden an seinem Schiff nicht bemerkt habe. 3. Die Beratungen der Länderkommission Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen hatte eine Länderkommission einberufen, die sich in 17 Tagungen von September 1959 bis Januar 1962 mit der Überprüfung des Entwurfs 1959 II befasste und hierzu Änderungsvorschläge erarbeitete, die vorwiegend den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches betrafen. Teilweise konnten diese Beratungsergebnisse in den Entwurf von 1959 II eingearbeitet und so der Entwurf 1960 verfasst werden. Die Beratung der Verkehrsflucht in der Länderkommission erfolgte erst während der 7. Tagung der Länderkommission vom 24. bis 28. Oktober 1960. Somit konnten die Beratungsergebnisse nicht mehr in den am 8. September 1960 vom Bundeskabinett beschlossenen und am 28. September 1960 dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf von 1960198 einfließen. Die Beratungsergebnisse bezüglich der Regelung der Verkehrsflucht konnten demzufolge erst im Entwurf von 1962 Berücksichtigung finden. 194

Schreiben vom 3. Mai 1960, BArch B 141/82208, Bl. 191. Schreiben vom 3. Mai 1960, BArch B 141/82208, Bl. 191 R. 196 Siehe hierzu den Vermerk von Janiszewski, BMJ, vom 20. Dezember 1962, BArch B 141/82208, Bl. 205. 197 BArch B 141/82208, Bl. 205. 198 Holtz, S. 10. 195

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Die Fassung der Absätze 1 und 2 des § 347 E 1960 stieß bei der Länderkommission auf keine Bedenken.199 Hinsichtlich des durch die Regelung geschützten Rechtsguts bestand Uneinigkeit, wobei man sich auf die Wiederholung der bekannten Argumente200 beschränkte. Konsequenzen für den Normtext zogen die Diskussionsteilnehmer aus diesen Differenzen allerdings nicht. Die Forderung nach einer vollständigen Streichung des § 347 Abs. 3 (Absehen von Strafe bei nachträglicher Ermöglichung der Feststellungen nach einem Entfernen zur Wahrnehmung eines wichtigen schutzwürdigen Interesses), die von den Ländervertretern Baden-Württembergs, Hessens und Niedersachsens gestellt worden war,201 wurde von der Kommissionsmehrheit nicht erfüllt. Gegen die Regelung in § 347 Abs. 3 wurde vorgebracht, dass mit den §§ 153 StPO und §§ 39, 40 StGB hinreichende Lösungsmöglichkeiten für die einschlägigen Fälle bestünden. Die vorliegende Form bewege kaum einen Täter zur nachträglichen Meldung. Außerdem halte die Norm dem Täter Ausreden für seine Unfallflucht offen. Dünnebier wollte vermeiden, dass der Täter mit der Entfernung vom Unfallort Zeit gewinnt, sich ungestört zu überlegen, ob er Aussicht habe, sich durch einen Verzicht auf die Meldung den Feststellungen vollständig zu entziehen. Deshalb schlug er vor, Absatz 3 dahingehend einzuschränken, dass der Täter nur in dem Fall Straffreiheit erlange, in dem er vor der Entfernung vom Unfallort eine Mitteilung über seine Anschrift und über das Wagenkennzeichen hinterlasse. Weil dadurch das Feststellungsinteresse des Verletzten in weitem Umfang befriedigt werde, sei es nicht mehr so entscheidend, ob der Täter schutzwürdige Interessen tatsächlich habe oder nur vorgebe. Folgende, von Dünnebier zur Abstimmung gestellte Fassung des § 347 Abs. 3 fand anschließend die Zustimmung der Mehrheit der Kommissionsmitglieder: „(3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen, wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Wagen angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat.“202

Mit Blick auf § 347 Abs. 4 waren sich die Kommissionsmitglieder darin einig, dass dem Täter nach der Entfernung vom Unfallort eine erhöhte Pflicht zur Ermöglichung der Feststellungen obliege. In der Praxis seien dabei die Unfallspuren am Fahrzeug von besonderer Bedeutung.203 Zur Sicherung auch dieser Spuren sei es erforderlich, dass der Täter in Absatz 4 zusätzlich verpflichtet werde, das Fahrzeug zu Feststellungen zur Verfügung zu halten. Entsprechend einem Antrag Dünnebiers wurde beschlossen, 199 200 201 202 203

Länderkommission, S. 92 ff. Siehe hierzu die obigen Ausführungen. Länderkommission, S. 99. Länderkommission, S. 98 ff. Länderkommission, S. 99 ff.

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a) in Absatz 4 hinter dem Wort „angibt“ die Worte „und dieses zu unverzüglichen Feststellungen zur Verfügung hält“ einzufügen und b) entsprechend der zu Absatz 3 empfohlenen Neufassung in Absatz 4 die Worte „seinen Namen, seinen Aufenthalt“ durch die Worte „seine Anschrift“ zu ersetzen.204 Mit seinem anschließend gestellten Antrag, in § 347 Abs. 1 die Strafandrohung von zwei auf drei Jahre zu erhöhen, konnte sich Rösch (Bayern) nicht durchsetzen. Er behauptete, es gehe nicht an, bei der Verkehrsflucht die gleiche Strafe wie für eine fahrlässige Verkehrsgefährdung nach § 344 vorzusehen. Rösch befürchtete, der Gesetzgeber stoße auf Unverständnis in der Bevölkerung, wenn er auf der einen Seite die Trunkenheit im Straßenverkehr scharf bekämpfe, auf der anderen Seite jedoch die damit häufig einhergehende Verkehrsflucht mit einer relativ geringen Strafe bedrohe. Auch dürfe man nicht vergessen, dass die Norm unausgesprochen auch öffentliche Interessen schütze.205 Zum Schluss beschäftigte sich die Kommission mit der Versuchsstrafbarkeit bei der Verkehrsflucht. Einem Antrag Ostendorffs (BMJ)206 folgend sprach man sich für die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit aus. So sollten auch diejenigen, als strafwürdig erkannten Fälle erfasst werden, in denen der Täter, um sich zu entfernen, seinen Wagen besteige, den Anlasser betätige und noch vor dem Losfahren von anderen Personen an der Abfahrt gehindert werde.207 204

So der Wortlaut des von Dünnebier gestellten Antrags, siehe Länderkommission, S. 101. Länderkommission, S. 104. 206 Länderkommission, S. 104 f. 207 Nach den Beschlüssen der Länderkommission erhielt § 347 folgende Fassung:(BArch B 141/17174, Bl. 125): „§ 347 Abs. 2 bis 6 (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Umfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (4) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen, wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Wagens angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. (5) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen zur Verfügung hält, es sei denn, daß er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (6) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“ 205

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4. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962) Nach den Bundestagswahlen im August 1961 wurde der Entwurf 1960 von der Bundesregierung wieder aufgegriffen, überarbeitet und schließlich im Juli 1962 dem Bundesrat als Entwurf 1962 zur Beratung vorgelegt. Diese Entwurfsfassung stimmte weitgehend mit der Fassung des Entwurfs von 1960 überein.208 Den Beschlussfassungen der Länderkommission folgend war in § 347 E 1962 in Absatz 2, anders als im Entwurf von 1960, die Versuchsstrafbarkeit aufgenommen worden. Insoweit stimmte die Entwurfsfassung nun diesbezüglich wieder mit dem Wortlaut der damals geltenden Fassung des § 142 Abs. 2 StGB überein, der seinerseits die Regelung des § 139a RStGB übernommen hatte. In der Entwurfsbegründung 1962 wurde eingeräumt, dass die Neufassung des Tatbestandes zu einer wesentlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit führe, indem auf ein Entfernen statt auf eine Flucht abgestellt wurde. Dennoch sah man ein überwiegendes kriminalpolitisches Interesse darin, auch jene Versuchshandlungen unter Strafe zu stellen, in denen

208

Vormbaum/Rentrop, S. 234. Im Entwurf von 1962 hatte § 347 folgende Fassung gefunden: „§ 347 Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (4) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen, wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Fahrzeugs angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. (5) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeuges angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (6) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“

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ein Unfallbeteiligter mit seinem Fahrzeug unmittelbar zur Flucht ansetzt und lediglich von umstehenden Dritten mit Gewalt am Abfahren gehindert wird.209 Die Pflicht des Unfallbeteiligten, auch sein Fahrzeug für nachträgliche Feststellungen zur Verfügung zu halten, war ebenfalls von der Länderkommission beschlossen und nun in den Entwurfstext 1962 erstmalig übernommen worden. Das Verbot absichtlicher Vereitelung der Feststellungen im Entwurf 1960 wurde als nicht ausreichend angesehen, um schwerwiegende Beweisverluste zu vermeiden. Der Bundesrat debattierte in seiner 248. Sitzung am 12. und 13. Juli 1962 den Entwurf.210 Bezüglich der Regelung der Verkehrsunfallflucht ergab sich ein Änderungsvorschlag hinsichtlich des Strafmaßes. In § 347 Abs. 1 E 1962 sollten die Worte „Gefängnis bis zu zwei Jahren“ durch die Worte „Gefängnis bis zu drei Jahren“ ersetzt werden;211 die in der Praxis bekanntgewordenen schweren Fälle der Unfallflucht und die wachsende Häufigkeit dieses Delikts ließen eine Anhebung des Strafrahmens als „kriminalpolitisch wünschenswert“ erscheinen. Seinen Ursprung hatte dieser Änderungsvorschlag im Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrats. Dort hatte ein Vertreter Bayerns einen entsprechenden Antrag gestellt,212 dem sich anschließend die Bundesratsausschüsse für Verkehr und Post sowie der Rechtssauschuss angeschlossen hatten.213 Dünnebier, der als Vertreter Bremens an der Sitzung teilgenommen hatte, hatte allerdings gegen den Antrag gestimmt.214 Auf eine Nachfrage eines hamburgischen Vertreters im Bundesratsausschuss für Verkehr und Post zur Einbeziehung der Verkehrsflucht auf dem Wasser in § 347 E 1962 verwies der Vertreter des Bundesjustizministeriums auf die Historie und insbesondere auf die Begründung zu § 347.215 Er berichtete, dass die Verkehrsflucht auf See in einem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch geregelt werde.216 In der Gegenäußerung der Bundesregierung wurden gegen die vorgeschlagene Strafmaßerhöhung keine Bedenken erhoben.217 Am 4. Oktober 1962 wurde der Entwurf 1962 in den Bundestag eingebracht.218 209

Begründung zum Entwurf 1962, (Bundestagsvorlage), S. 531; BT-DS IV/650, S. 4. Der Rechtsauschuss des Bundesrates hatte zur Vorbereitung seiner Beratungen einen Unterausschuss eingesetzt, der sich aus Vertretern sämtlicher Länder zusammensetzte. Unterausschussvorsitzender war Ministerialdirigent Wilkerling, seine Stellvertreter waren Rösch (Bayern) und Dünnebier (Bremen), BArch B 141/17289, Bl. 7. 211 Stellungnahme des Bundesrates, Anlage zum Schreiben vom 13. Juli 1962, BArch B 141/82208, Bl. 203; BT-DS IV/650, S. 7. 212 BArch B 141/82208, Bl. 195. 213 Niederschrift über die 140. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Post des Bundesrates am 22. Juni 1962, BArch B 141/17387, Bl. 46, 52. 214 Niederschrift über die 3. Sitzung des Rechtsausschusses vom 22. bis 25. Mai 1962, BArch B 141/17306, Bl. 78, 79. 215 S. 539, rechte Spalte der Vorlage. 216 BArch B 141/17306, Bl. 100. 217 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Strafgesetzbuches E 1962, BArch B 141/82208, Bl. 204. 210

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Im Bundesjustizministerium wurde im Anschluss an das Urteil des BGH vom 26. September 1962 diskutiert, ob § 347 Abs. 3 Nr. 2 E 1962 (nachträgliche Meldung nach berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen) für den Fall ergänzt werde müsse, dass sich ein Täter ohne Vorsatz vom Unfallort entfernt habe.219 Das Gericht hatte geurteilt, dass ein Unfallbeteiligter, der erst auf der Weiterfahrt vom Unfallort von seiner Unfallbeteiligung erfährt, verpflichtet sei, an die Unfallstelle zurückzukehren, sofern noch ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen bestehe. Fraglich waren die Vereinbarkeit einer solchen Regelung für den Fall des vorsatzlosen Entfernens mit Absatz 1 und die zeitliche Begrenzung der möglichen Ergänzung des Tatbestands, etwa für den Fall, dass jemand erst mehrere Wochen nach dem Unfall von seiner Unfallbeteiligung erfuhr. Schwierigkeiten, eine sachgemäße Formulierung zu finden,220 ohne den Tatbestand unangemessenen auszuweiten, führten dazu, dass dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt wurde.221 Der Bundestag überwies den Entwurf in der 70. Sitzung am 28. März 1963 zur weiteren Beratung an den Rechtsauschuss.222 Letzterer bestellte wiederum auf Antrag der Fraktionen CDU/CSU, FDP223 in seiner 51. Sitzung am 3. Mai 1963 einen Unterausschuss „Strafrecht“, welcher vom Bundestag in der 98. Sitzung am 4. Dezember 1963 zu einem selbstständigen, vom Rechtsauschuss unabhängigen Sonderausschuss Strafrecht unter dem Vorsitz des ehemaligen Generalbundesanwalts Güde (CDU) umgewandelt wurde. Fragen der Grundkonzeption des Strafrechts, Probleme der Ausgestaltung des Strafensystems und Einzelregelungen des Allgemeinen Teils waren die Schwerpunkte der Ausschussberatungen bis zur letzten Sitzung in der IV. Legislaturperiode am 30. Juni 1965.224 Somit gab es keinen Fortschritt bei den Beratungen zum Tatbestand der Verkehrsflucht. 5. Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs Das am 2. Januar 1965 in Kraft getretene 2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs225 sollte der mit der zunehmenden Verkehrsdichte weiter ansteigenden Zahl von Verkehrsunfällen und Verkehrsdelikten entgegenwirken und außerdem zu einer Entlastung der Gerichte beitragen.226 Die Sicherung des Straßenverkehrs sei ein so 218 219 220 221 222 223 224 225 226

BT-DS IV/650. Vermerk vom 23. Januar 1963, BArch B 141/82208, Bl. 207 (nicht paginiert). Formulierungsvorschlag Horstkottes, BArch B 141/82208, Bl. 219 (nicht paginiert). Vermerk vom 23. Januar 1963, BArch B 141/82208, Bl. 207 (nicht paginiert). Stenografischer Bericht über die 70. Sitzung, IV/S. 3180, 3224. BT-DS IV/245. Holtz, S. 28, 32. BGBl. I, S. 921. Entwurfsbegründung, BT-DS IV/631, S. 9.

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dringendes Anliegen, dass auf das Inkrafttreten eines neuen Strafgesetzbuches nicht gewartet werden könne.227 Das Gesetz enthielt die Einführung eines Fahrverbots, den weiteren Ausbau der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis sowie Vereinfachungen und Verschärfungen der Strafnormen zur Verkehrsgefährdung.228 Auf eine Regelung der Verkehrsunfallflucht in diesem Gesetz wurde jedoch verzichtet. Der Gesetzgeber meinte, dass die Neufassung dieses Tatbestandes schwierige Fragen der Abgrenzung aufwerfe und nicht so dringlich sei, dass sie zu diesem Zeitpunkt geregelt werden müssten.229

IV. Neueinbringung des Entwurfs von 1962 Im Anschluss an die Bundestagswahl im September 1965 wurde von den Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP der Entwurf 1962 unverändert am 11. November 1965 in den V. Bundestag eingebracht, um auf diesem Weg eine möglichst zeitnahe Fortsetzung der Beratungen zur Strafrechtsreform zu ermöglichen.230 Die erste Lesung geschah am 13. Januar 1966. Der Entwurf wurde wiederum dem Sonderausschuss für die Strafrechtsreform überwiesen, der am folgenden Tag mit der Arbeit begann.

V. Die Alternativentwürfe Schon im Jahr 1963 hatte sich unabhängig von den offiziellen Reformarbeiten ein Arbeitskreis namhafter Strafrechtsprofessoren gebildet.231 Sein Ziel war es u. a., dem als unbefriedigend empfundenen Entwurf 1962 ein eigenes Reformwerk gegenüberzustellen, das „ein geschlossenes, konsequentes und modernes, am Resozialisierungsgedanken ausgerichtetes Sanktionensystem“232 enthalten sollte. Vorgelegt wurde ein Alternativ-Entwurf zum Strafgesetzbuch, dessen Allgemeiner Teil 1967 von der FDP-Fraktion als parlamentarische Vorlage in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Dem Alternativentwurf zum Allgemeinen Teil folgten weitere Entwürfe zum Besonderen Teil des Strafgesetzbuches. Die Verkehrsdelikte fanden 227

Entwurfsbegründung, BT-DS IV/631, S. 9. Näher hierzu Hartung, NJW 1965, S. 86 ff., Asholt, S. 195 ff. 229 Entwurfsbegründung, BT-DS IV/631. S. 10. 230 Holtz, S. 34 f.; andernfalls wären Verzögerungen durch die Herbeiführung eines erforderlichen Beschlusses des Kabinetts und eine entsprechende Stellungnahme des Bundesrates zu erwarten gewesen. 231 Der Arbeitskreis deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer hat eine eigene Internetpräsenz, die die Arbeit an den Alternativentwürfen ausführlich darstellt: www.alternativentwurf.de; zuletzt abgerufen am 20. 10. 2011. 232 So die Eigendarstellung auf http://www.alternativentwurf.de/pages/startseite/geschichte. php, zuletzt abgerufen am 20. 10. 2011. 228

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ihre Regelung im 2. Halbband der Straftaten gegen die Person aus dem Jahr 1971.233 In diesen Regelungskomplex fand eine Regelung der Verkehrsunfallflucht jedoch keine Aufnahme. Auch an anderer Stelle im Alternativentwurf, zum Beispiel bei den Vermögensdelikten, fehlte eine Regelung dieses Tatbestandes.

VI. Erstes und Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni und 4. Juli 1969 Die Gesamtreform des Strafgesetzbuches erwies sich vor dem Hintergrund ihres Umfangs und wegen der Schwierigkeit des Stoffes als kaum umsetzbar. So entschloss man sich, den Stoff aufzuteilen und über den Weg mehrerer überschaubarer Reformgesetze das Ziel zu erreichen. Mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts234 zielte man auf die Regelung des Allgemeinen Teils und einiger als dringend empfundener Korrekturen am Besonderen Teil, während der Besondere Teil des Strafrechts im Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts235 Aufnahme finden sollte. Der Tatbestand der Verkehrsunfallflucht wurde weder im 1. noch im 2. Strafrechtsreformgesetz geregelt.

VII. Der Referentenentwurf von 1972 Die Vertreter der Landesjustizverwaltungen hatten bei der Beratung der Straßenverkehrsordnung Mitte Mai 1970 erneut die Reformbedürftigkeit des § 142 StGB festgestellt. Sie waren der Auffassung, dass die Reform der Vorschrift über die Fahrerflucht im Hinblick auf die kriminal- und verkehrspolitische Bedeutung unverzüglich begonnen werden müsse, losgelöst vom weiteren Fortgang der Strafrechtsreform. § 347 E 1962 sahen sie als geeignete Grundlage für die Überarbeitung des § 142 StGB an.236 Auch auf dem 9. Verkehrsgerichtstag 1971 war nachdrücklich eine baldmögliche Neufassung der Unfallfluchtvorschriften gefordert worden.237 Der mit der Verkehrsunfallflucht befasste 2. Arbeitskreis des Verkehrsgerichtstages regte an, in die Neufassung eine Ermessensvorschrift aufzunehmen, die dem Richter die Möglichkeit eröffne, von Strafe abzusehen, wenn der Täter in einem den Umständen nach angemessenen Zeitraum die erforderlichen Feststellungen nachträglich ermögliche. Außerdem wurde bei bloßen Sachschäden oder leichten Körperverletzungen ein 233

Siehe hierzu Asholt, S. 209 ff. BGBl. I 1969, S. 717. 235 BGBl. I 1969, S. 645 ff. 236 Schreiben des BMJ an die Landesjustizverwaltungen vom 28. Februar 1972, BArch B 141/63595, Bl. 15. 237 Janiszewski, 9. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 56. 234

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Strafantragserfordernis vorgeschlagen, ausgenommen waren Fälle, in denen ein besonderes Interesse an der Strafverfolgung bestehe. Die Versuchsstrafbarkeit sollte entfallen.238 Ebenso drängte der ADAC auf eine baldige Neuregelung des § 142 StGB.239 Es bestehe unter den Verkehrsteilnehmern ein weit verbreitetes Interesse daran, über die konkreten Verhaltensnormen nach einem Verkehrsunfall ausführlich durch den Gesetzestext informiert zu werden. Vom ADAC wurde die Forderung nach einer klaren und konkreten Fassung der Pflichten erhoben. Zudem solle der Begriff des Unfallbeteiligten normiert werden. Weiter seien die Pflichten der Unfallbeteiligten auf ein sinnvolles Maß zu beschränken, insbesondere die Wartepflicht bei Abwesenheit feststellungsbereiter Personen. Schließlich wurde eine Verbesserung des Schutzes des Feststellungsberechtigten angemahnt.240 Lackner241, der ebenfalls die Dringlichkeit der Reform erkannte, forderte gar die Abschaffung des geltenden § 142 StGB. Diese Forderung begründete er mit der Unbestimmtheit des Tatbestandes, der „Unklarheit seiner Schutzrichtung und der Unangemessenheit eines Teils seiner Ergebnisse“242. Im daraufhin im Bundesjustizministerium erarbeiteten Referentenentwurf 1972 erhielt § 142 StGB eine Fassung,243 die bis auf wenige Änderungen auf § 347 E 1962 basierte. 238 Janiszewski, 9. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 56; Schreiben des BMJ an die Landesjustizverwaltungen vom 28. Februar 1972, BArch B 141/63595, Anl. 1, Bl. 18. 239 Schreiben an das Bundesjustizministerium vom 20. 1. 1971, BArch B 141/63600, Bl. 1 ff. 240 Schreiben an das Bundesjustizministerium vom 20. Januar 1971, BArch B 141/63600, Bl. 2. 241 Er war in der Zwischenzeit Professor in Heidelberg geworden. 242 Lackner, DAR 1972, S. 287. 243 BArch B 141/63595, Bl. 32 f. „§ 142 Verkehrsunfallflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen,

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1. Vorstellungspflicht Entgegen dem Grundsatz der nur passiven Feststellungspflicht wurde nun in Absatz 1 Nr. 1 vom Unfallbeteiligten verlangt, dass er sich nur entfernte, wenn er den Anwesenden angegeben hatte, dass er an dem Unfall beteiligt war. Durch diese Erweiterung sollten jene Fälle unter Strafe gestellt werden, in denen der Schädiger zwar pflichtgemäß gewartet, seine Unfallbeteiligung aber nicht offenbart hatte. Der Entwurf betrachtete die Kundgabe der eigenen Unfallbeteiligung als „Minimalpflicht aktiver Mitwirkung“ und „unverzichtbare Grundlage für das Erreichen des erstrebten Rechtsschutzes.“244 2. Strafantragserfordernis Die Einführung eines Strafantragserfordernisses bei der Verursachung von Sachschaden oder leichter Körperverletzung fand ihre Begründung darin, dass durch die Norm nur zivilrechtliche Interessen geschützt werden sollten, es sich bei der bloßen Sachbeschädigung und leichten Körperverletzung ebenfalls um Antragsdelikte handele. Die Entwurfsbegründung führte aus, dass durch das Strafantragserfordernis mancher Fall von den Gerichten ferngehalten werde. Zudem werde mancher Schädiger vor einer Bestrafung wegen einer Kurzschlusshandlung bewahrt, wenn die Schadensregulierung vollzogen und der allein schutzbedürftige Geschädigte selbst kein Interesse mehr an einer Weiterverfolgung des Geschehens habe.245 3. Verzicht auf Versuchsstrafbarkeit Unter Hinweis auf die Vorverlegung der Vollendung durch die Einführung des Merkmals des „Entfernens“ anstelle der „Flucht“ wurde der Verzicht auf die Ver-

wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Fahrzeugs angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. (6) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, wenn der Unfall lediglich Sachschaden oder eine leichte Körperverletzung (§§ 223, 230) zur Folge hatte, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachtet.“ 244 Entwurfsbegründung, BArch B 141/63595, Bl. 39. 245 Entwurfsbegründung, BArch B 141/63595, Bl. 43.

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suchsstrafbarkeit begründet. Für die verbleibenden Fälle bestehe kein unabweisbares kriminalpolitisches Strafverfolgungsinteresse.246 4. Die Beratung der Landesjustizverwaltungen im Februar 1973 Der Referentenentwurf wurde am 28. Februar 1972 den Landesjustizverwaltungen zur Stellungnahme übersandt.247 Nachdem sie in der Zwischenzeit ihre Erörterungen zum Referentenentwurf248 an das Bundesjustizministerium übermittelt hatten, trafen die Vertreter der Landesjustizverwaltungen vom 6. bis 8. Februar 1973 zusammen, um gemeinsam über die Reform des § 142 StGB zu beraten.249 Die Diskussionsteilnehmer erörterten bezüglich des Absatzes 1 (Vorstellungspflicht) die Frage, ob präzisiert werden solle, wem gegenüber Angaben gemacht werden sollten.250 Ohne eine Klarstellung – so ein Mitglied – werde Ausreden Tür und Tor geöffnet.251 Nach anderer Ansicht war eine Präzisierung nicht erforderlich, denn regelmäßig kämen nur der Unfallbeteiligte und Geschädigte oder die Polizei in Frage. Überdies werde mit der Nennung bestimmter Personen nicht das Problem gelöst, wem gegenüber bei einer schweren Verletzung des Geschädigten Angaben gemacht werden müssten. Klar sei nur, dass Angaben gegenüber Passanten nicht ausreichten.252 Saupe (Niedersachsen) äußerte noch eine weitergehende Ansicht, nach der es ausreichte, Angaben gegenüber der Polizei zu machen. Es genüge aber auch, Angaben gegenüber Familienangehörigen zu machen.253 Die letztgenannten Ansichten konnten sich bei der abschließenden Abstimmung jedoch nicht durchsetzen.254

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Entwurfsbegründung, BArch B 141/63595, Bl. 36. BArch B 141/63595, Bl. 15. 248 Die einzelnen Stellungnahmen finden sich in den Akten des Bundesarchivs B 141/ 63595, Bl. 46 – 52 (Niedersachsen), Bl. 78 – 88 (Bayern), Bl. 89 – 103 (Rheinland-Pfalz), Bl. 108 f. (Schleswig-Holstein), Bl. 114 – 126 (Hessen), Bl. 144 – 146 (Hamburg); BArch B 141/63596 Bl. 40 – 58 (Nordrhein-Westfalen) und Bl. 63 – 67 (Bremen). 249 Da die Inhalte der Stellungnahmen der Länder im Rahmen in der Länderkonferenz ausführlich zur Sprache kamen, werden sie zur Vermeidung von Wiederholungen in diesem Kontext dargestellt. 250 Siehe hierzu auch die Stellungnahmen von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 41, Rheinland-Pfalz, a.a.O., Bl. 48, Niedersachsen, BArch B 141, 63595, Bl. 47, Saarland, a.a.O., Bl. 51, Bayern, a.a.O., Bl. 112. 251 Borchert (Hamburg), Sitzungsprotokoll, BArch B 141/ 63596, Bl. 111. 252 Sturm (BMJ), Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 113. 253 Saupe (Niedersachsen), Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 113. 254 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 116. 247

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Der Vorschlag, in Absatz 1 eine bestimmte Wartefrist aufzunehmen, fand ebenfalls keine Mehrheit.255 Gegen eine Fixierung einer bestimmten Wartefrist wurde angeführt, dass dies der Verschiedenartigkeit der Situationen nicht gerecht werde.256 Auch sei eine Fixierung einer Wartezeit in Fällen untauglich, in denen es von vornherein sinnlos sei zu warten.257 Schließlich sei die Einhaltung einer vorgeschriebenen Wartezeit kaum zu überprüfen bzw. der Einwand, man habe sie eingehalten, kaum zu widerlegen.258 In der Frage des angemessenen Strafrahmens259 plädierten die Tagungsteilnehmer mehrheitlich für eine Anhebung des im Entwurf vorgesehenen Strafrahmens von zwei auf drei Jahre, nicht zuletzt deshalb, weil die Praxis überwiegend eine Ausdehnung befürworte.260 Kunert (Nordrhein-Westfalen) wollte vermeiden, die Verkehrsflucht „in den Geruch eines Kavaliersdelikts“261 kommen zu lassen. Er wies darauf hin, dass beispielsweise bei der Pfandkehr und der Jagdwilderei ein höherer Strafrahmen bestehe. Janiszewski (BMJ) entgegnete ihm, dass nach der Verurteilungsstatistik Freiheitsstrafen von zwei und mehr Jahren 1969 und 1970 nur dreibzw. zweimal verhängt worden seien und dass im Ausland die Freiheitsstrafe oft niedriger liege.262 Gegen ein Strafmaß von bis zu drei Jahren wurde damit argumentiert, dass mit der Norm lediglich Vermögensinteressen gesichert werden sollten und dass bei schweren Folgen andere Tatbestände anwendbar seien.263 Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass das Strafmaß für die Pfandkehr nach dem EGStGB auf zwei Jahre herabgesetzt werden solle. Während zu § 142 Abs. 2 (nachträgliche Meldung nach Einhaltung der Wartefrist oder nach berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen) des Referentenentwurfs keine Änderungen beschlossen wurden, stieß Absatz 3 (nachträgliche Meldung nach Entfernung zur Wahrnehmung eines schutzwürdigen Interesses) auf nahezu voll-

255 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 116; entsprechende Vorschläge finden sich z. B. in den Stellungnahmen von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 42 (Normierung einer Mindestwartezeit), Rheinland-Pfalz, a.a.O., Bl. 48, Hamburg, BArch B 141, 63595, Bl. 112. 256 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 111. 257 Saupe, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 113. 258 Janiszewski, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 114. 259 Siehe hierzu auch die Stellungnahme von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 42, Rheinland-Pfalz, BArch B 141/63596., Bl. 49, Bremen, a.a.O., Bl. 65; Niedersachsen, BArch B 141, 63595, Bl. 49, Saarland, a.a.O., Bl. 52, Bayern, a.a.O., Bl. 82, Schleswig-Holstein, Bl. 82; Hessen, Bl. 85, Hamburg, Bl. 113. 260 Kunert (Nordrhein-Westfalen), Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 116. 261 Kunert, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 117. 262 Janiszewski, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 116. 263 Heiduschka (Berlin), Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Bl. 116.

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ständige Ablehnung, mit dem Hinweis darauf, dass eine derartige Norm früher zur Regelung bestimmter Konfliktfälle für erforderlich erachtet worden war.264 Auch das in Absatz 6 vorgeschlagene Strafantragserfordernis fand in der Länderkonferenz keine Zustimmung.265 Neben den bekannten Argumenten fand sich noch einmal der Hinweis darauf, dass die im Entwurf vorgenommene Differenzierung für das Antragserfordernis zwischen Sachschaden und leichter Körperverletzung einerseits und schwerwiegender Körperverletzung nur schwer nachzuvollziehen sei.266 Zudem wurde angemerkt, dass vor dem Hintergrund des geschützten Rechtsgutes eine Differenzierung zwischen Sach- und Körperschaden nicht einleuchte. Schließlich verliere das Strafantragserfordernis durch die Option der Strafverfolgung bei Annahme eines öffentlichen Interesses an Bedeutung, da es regelmäßig bejaht würde.267 Von Heiduschka (Berlin) wurde auch befürchtet, dass ein Strafantragserfordernis reiche Kraftfahrer begünstigen würde, da diese durch sofortige Begleichung der entstandenen Schäden leichter als ärmere Personen sich weiterer Strafverfolgung entziehen könnten.268 Mit knapper Mehrheit von 6:5 Stimmen sprachen sich die Konferenzteilnehmer für die Strafbarkeit des Versuchs aus.269 Bei der Besprechung des § 142 Abs. 4 (Inhalt der Meldepflicht) sprachen sich die Ländervertreter dafür aus, von einer „nahegelegenen“ statt von der „nächsten“ Polizeidienststelle zu sprechen.270 Die Anregung, für besonders eklatante Fälle oder 264 Lediglich Bremen stimmte gegen die Streichung, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/ 63596, Band 2, Bl. 119; siehe auch die Stellungnahmen von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 43, Rheinland-Pfalz, a.a.O., Bl. 48, Baden-Württemberg, a.a.O., Bl. 53 f., Bremen, a.a.O., Bl. 65; Saarland, a.a.O., Bl. 51, Bayern, a.a.O., Bl. 82, Schleswig-Holstein, Bl. 108 R; Hessen, Bl. 120, Hamburg, Bl. 146, Berlin, a.a.O., Bl. 152. 265 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 121. In der Stellungnahme von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 45, wurde auf die regelmäßige Möglichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis nach Unfallflucht gemäß § 42 m StGB bei bedeutenden Schäden hingewiesen. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis eine für die Verkehrssicherheit wichtige Maßnahme sei, solle sie nicht von einem Strafantrag einer Privatperson abhängig gemacht werden. Siehe auch die Stellungnahmen von Rheinland-Pfalz, a.a.O., Bl. 48, Baden-Württemberg, a.a.O., Bl. 56, Bremen, a.a.O., Bl. 66, Niedersachsen, a.a.O., Bl. 48 f., Saarland, a.a.O., Bl. 52, Bayern, a.a.O., Bl. 61, Schleswig-Holstein, Bl. 80 R; Hessen, Bl. 89, Hamburg, Bl. 113, Berlin, a.a.O., Bl. 116. 266 Saupe, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 120. 267 Kunert, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 120. 268 Heiduschka, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 121. 269 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 122; die Diskussion erschöpfte sich in drei kurzen Wortbeiträgen und beschränkte sich auf Verweise auf die bekannten Argumente. Siehe auch die Stellungnahmen von Nordrhein-Westfalen, BArch B 141/63596, Bl. 46, Rheinland-Pfalz, a.a.O., Bl. 48, Niedersachsen, a.a.O., Bl. 48 R, Bayern, a.a.O., Bl. 58, Schleswig-Holstein, Bl. 81; Hessen, Bl. 90, Berlin, a.a.O., Bl. 117. 270 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 123, eine Begründung hierfür ergibt sich aus dem Protokoll nicht. Siehe auch die Stellungnahmen von Nordrhein-Westfalen, BArch

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Fälle einer nur kurzfristigen Entfernung eine Rückkehrpflicht einzufügen, fand jedoch keine Berücksichtigung.271 Es wurde erwogen, in Absatz 4 zur Klarstellung das Wort „unverzüglich“ vor „mitteilt“ einzufügen, um die Notwendigkeit eines zeitnahen Handelns zu verdeutlichen.272 Schließlich stimmten die Ländervertreter darin überein, den sachlichen Anwendungsbereich der Norm in Absatz 1 auf Unfälle im Straßen-, Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr auszudehnen.273

VIII. Der Referentenentwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (14. StrÄndG) Im Anschluss an die Erörterungen mit den Landesjustizverwaltungen legte das Bundesministerium der Justiz am 30. Mai 1973 eine Neufassung des Referentenentwurfs von 1972 als Referentenentwurf eines Vierzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vor.274 In den Entwurf waren die Ergebnisse der Konferenz mit den Landesjustizverwaltungen eingearbeitet worden.275 Bei Justizminister Jahn selbst stieß der Entwurf auf Skepsis.276 Er äußerte Zweifel daran, dass die Vorschrift im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut materiell richtig angelegt sei. Er fragte, ob nicht auch ein allgemeines Interesse daran bestehe festzustellen, wer (schwere) Verstöße im Straßenverkehr begangen habe. Schließlich formulierte er seine Zweifel daran, dass es sinnvoll sei, mit dem Entwurf eine Einzelfrage zu regeln, die möglicherweise in einem größeren Zusammenhang eingefügt werden könne. In seiner Stellungnahme zu den Zweifeln des Ministers stellte Janiszewski noch einmal die Entwicklung dar, die zur Entscheidung für den Schutz allein des privaten Feststellungsinteresses geführt hatte.277 An diesem Ergebnis wollte er auch festhalten, sah er es doch als „Fundament“ der Verkehrsfluchtregelung an. Eine Abänderung dieser Basis würde die gesamten Reformarbeiten wertlos machen, eine komplette Neuerarbeitung des Entwurfs erfordern und zu einer erheblichen Ver-

B 141/63596, Bl. 43 f.; Baden-Württemberg, a.a.O., Bl. 54 f., Bremen, a.a.O., Bl. 66, Niedersachsen, a.a.O., Bl. 47, Saarland, a.a.O., Bl. 51, Bayern, a.a.O., Bl. 60, Hessen, Bl. 87. 271 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 124. 272 Heiduschka und Sturm, Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 123. 273 Vermerk Janiszewskis vom 14. März 1973, BArch B 141/63596, Band 2, Bl. 129. 274 Siehe hierzu die Akten BArch B 141/63595 ff. 275 Das EGStGB (BGBl. I 1974, S. 469, 483) vom 2. März 1974 hatte für §142 StGB zwischenzeitlich zwei redaktionelle Änderungen gebracht: In § 142 Abs. 1 StGB wurde das Wort „vorsätzlich“ gestrichen und als Normüberschrift „Verkehrsunfallflucht“ vorangestellt (Neubekanntmachung vom 13. Juni 1975). 276 Randbemerkung, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 1. 277 Vermerk Janiszewskis vom 22. August 1973, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 36 ff.

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unsicherung im Bereich der Verkehrsfluchtregelung führen.278 Im Anschluss an die Intervention des Ministers wurde jedoch die Begründung des Referentenentwurfs umgearbeitet und die Frage des zu schützenden Rechtsgutes ausführlich dargelegt sowie ein Passus eingefügt, dass „auch den öffentlichen Interessen, insbesondere an der Unfallverursachung, zwar große Bedeutung zukommt, daß diesen Interessen aber, soweit ihnen eine Vorschrift von der Art des § 142 StGB überhaupt dienen kann, auch dann in dem nötigen und möglichen Umfang entsprochen wird, wenn man den Schutz der zivilrechtlichen Interessen als vorwiegend tragend ansieht“.279 Zwar stellte der Justizminister anschließend seine Bedenken gegen die gefundene Lösung zurück, sah sie aber nicht als behoben an.280 Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen äußerte Bedenken gegen die geplante Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf den öffentlichen Straßenverkehr.281 Er meinte, dass ebenso wie die Bestimmungen des StVG und der StVO, die nicht nur für den Verkehr auf öffentlichen Straßen gelten, auch die Norm der Verkehrsunfallflucht im Interesse der Unfallbeteiligten nicht auf den öffentlichen Straßenverkehr beschränkt werden dürfe. Erwartet wurde eine Konkretisierung der Wartepflicht nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen.282 Darüber hinaus wurde eine Regelung für den Fall angemahnt, dass niemand am Unfallort anwesend sei, der die Feststellungen treffen könne, und eine Wartepflicht nicht bestehe. Schließlich wurde angeregt, bei der Pflicht zur unverzüglichen Meldung die Schwere des Schadens und die Zeit und den Ort des Unfalls zu berücksichtigen.283 Nachdem die Mitglieder der Bundesregierung im Umlaufverfahren der Kabinettsvorlage zugestimmt hatten, wurde der Gesetzentwurf dem Präsidenten des Bundesrates am 10. Mai 1974 zugeleitet. Im Entwurf eines Vierzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes hatte § 142 StGB folgende Fassung gefunden:284 „§ 142 Verkehrsunfallflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

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Vermerk Janiszewskis vom 22. August 1973, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 38. Vermerk Janiszewskis vom 5. Dezember 1973, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 46 ff. 280 Vermerk vom 13. Februar 1974, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 75: „Ich stelle meine – nicht behobenen – Bedenken zurück. Offenbar ist es nicht möglich, festgelegte Meinungen in Ruhe und ohne den auch jetzt wieder behaupteten Zeitdruck durch gründliche Diskussion infrage zu stellen.“ 281 Schreiben vom 12. Juli 1973, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 29. 282 Wird weiter ausgeführt, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 29. 283 BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 30. 284 Gesetzentwurf der Bundesregierung BR-DS 345/74, BArch B 141/63597, Band 3, Bl. 160 ff. 279

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1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Nach Abs. 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“

Der Entwurf wurde am 21. Mai 1974 im Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrates beraten. Von den Vertretern Hessens und Nordrhein-Westfalens wurde der Antrag gestellt, in § 142 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs die Worte „der nächsten“ durch die Worte „einer nahe gelegenen“ zu ersetzen. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass kein kriminalpolitisches Bedürfnis dafür bestehe, einen Kraftfahrer zu sanktionieren, der sich statt bei der nächsten nur bei einer nahe gelegenen Polizeidienststelle melde. Die nächste Polizeidienststelle sei nicht zwingend die am leichtesten erreichbare.285 Es wurde auch darauf hingewiesen, dass dem Unfallbeteiligten häufig die objektiv nächste Polizeidienststelle gar nicht bekannt sei. Die Rechtsprechung werde in solchen Fällen sinnvollerweise dazu übergehen, auch die Meldung bei einer nahegelegenen Polizeidienststelle ausreichen zu lassen. Dementsprechend sei schon jetzt der Wortlaut zu ändern. Der Unterausschuss des Rechtsausschusses beschloss weiter, eine allgemeine Prüfungsempfehlung in die Richtung zu geben, ob für Unfälle in der Binnenschifffahrt und auf Territorialgewässern ein entsprechender Tatbestand an geeigneter Stelle geschaffen werden könne. Der Rechtsausschuss des Bundesrates schloss sich in seiner 409. Sitzung am 5. Juni 1974 den im Unterausschuss erarbeiteten Beschlüssen an.

285 Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63598, Bl. 6 f.; den gleichen Antrag stellte auch der Innenausschuss des Bundesrates.

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

141

Der Innenausschuss des Bundesrates schloss sich ebenfalls den oben erwähnten Anträgen Hessens und Nordrhein-Westfalens an. Ein Antrag Hamburgs, in § 142 Abs. 4 des Entwurfs den Satz 2 zu streichen, wurde jedoch abgelehnt. Nach hamburgischer Sicht war dieser Satz überflüssig und unverständlich, da eine Verletzung der Pflichten zur Ermöglichung von nachträglichen Feststellungen bereits nach § 142 Abs. 1 bzw. Abs. 2 des Entwurfs unter Strafe stehe bzw. die Strafbarkeit aus den Absätzen 3 und 4 Satz 1 des Entwurfs folge.286 Janiszewski (BMJ) hielt dem entgegen, dass die erwähnte Pflichtverletzung nicht den Absätzen 1 und 2 des Entwurfs unterfalle, sondern nur nach Absatz 3 des Entwurfs verfolgbar sei. Mit Absatz 4 Satz 2 des Entwurfs solle klargestellt werden, dass eine Bestrafung nach Absatz 3 des Entwurfs dann nicht ausscheide, wenn der Betroffene die in Absatz 4 Satz 1 des Entwurfs genannten Mindestpflichten zwar formell erfülle, dabei aber in der Absicht gehandelt habe, die wahren Feststellungen zu vereiteln.287 Der Bundesrat folgte in seiner 407. Sitzung am 21. Juni 1974 den Anträgen seines Rechtsausschusses und fasste in seiner Stellungnahme entsprechende Beschlüsse.288 Die Bundesregierung sagte in ihrer Gegenäußerung für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine Prüfung der Frage zu, ob eine Regelung der Unfallflucht auch für den Schiffsverkehr in den Territorial- und Binnengewässern im Strafgesetzbuch an dazu geeigneter Stelle vorgenommen werden solle.289 Die vorgeschlagene Änderung in § 142 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs (Ersetzung des Adjektivs „nächste“ durch „nahegelegene“) wurde wie vom Bundesrat gewünscht umgesetzt. Nachdem der Gesetzentwurf am 31. Juli 1974 dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet worden war, trat der Bundestag in seiner 123. Sitzung am 11. Oktober 1974 in die Beratung des 14. Strafrechtsänderungsgesetzes ein. In seinen einleitenden Worten hob Bundesjustizminister Vogel zwei Zweifelsfragen hervor, die der Klärung durch den Gesetzgeber bedürften. Einmal sei dies die Frage nach einer aktiven Vorstellungspflicht, daneben die Meldepflichten desjenigen, der sich zuvor gerechtfertigt vom Unfallort entfernt hatte.290 Der Bundestag überwies den Gesetzentwurf an den Ausschuss für die Strafrechtsreform (federführend) sowie an den Ausschuss für Verkehr und für das Postund Fernmeldewesen (mitberatend).291 286

Bl. 22. 287 288 289 290

Bl. 92. 291

Bl. 92.

Wiedergegeben im Vermerk Janiszewskis vom 11. Juni 1974, BArch B 141/63598, Vermerk Janiszewskis vom 11. Juni 1974, BArch B 141/63598, Bl. 22 f. BR-DS 345/74. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-DS 7/2434, Anlage 3. Bericht über die 123. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages, BArch B 141/63598, Bericht über die 123. Sitzung des 7. Deutschen Bundestages, BArch B 141/63598,

142

6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

Nachdem der Verkehrsausschuss aus verkehrspolitischer Sicht keine Bedenken gegen den Entwurf erhob,292 befasste sich der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform mit dem Entwurf. 1. Die Beratungen im Sonderausschuss für die Strafrechtsreform Der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform beriet den Entwurf in zwei Sitzungen am 22. Januar und am 9. April 1975. Er sprach sich mehrheitlich gegen drei Stimmen für die neue Überschrift „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ aus.293 Eine solche Änderung entsprach dem Wunsch u. a. des Abgeordneten Schoeler, dem Verkehrsteilnehmer zu verdeutlichen, dass bereits das einfache Sichentfernen vom Unfallort, ohne sich den anderen Unfallbeteiligten oder Geschädigten zur Verfügung gestellt zu haben, strafbar sei.294 Damit unterlag die Gegenmeinung, die darauf abstellte, dass sich der Begriff der Verkehrsunfallflucht eingebürgert habe, plastisch sei und vor allem die Tat als sozialethisch verwerflich etikettiere.295 Der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung, in Absatz 4 S. 1 des Entwurfs die Worte „der nächsten“ durch „einer nahe gelegenen“ zu ersetzen, schlossen sich die Ausschussmitglieder an. Die Absätze 1, 3 und 4 des Entwurfs wurden in der vorliegenden Form angenommen. Hinsichtlich des umstrittenen Themas der Versuchsstrafbarkeit entschieden sich die Ausschussmitglieder in der 51. Sitzung bei zwei Enthaltungen für deren Streichung in Absatz 2 des Entwurfs. Neben den bekannten Argumenten – insbesondere das Fehlen eines kriminalpolitischen Bedürfnisses für die Versuchsstrafbarkeit – mögen hier auch die von Janiszewski (BMJ) vorgelegten Zahlen zu Verurteilungen wegen versuchter Unfallflucht zur Meinungsbildung beigetragen haben. Er hatte ausgeführt, dass für die Zeit von 1968 bis 1972 jährlich nur 260 bis 270 Täter wegen versuchter Unfallflucht verurteilt worden seien, was einem Anteil von 0,9 % der Gesamtverurteilungen wegen Unfallflucht entspreche.296 Während über die Möglichkeit einer tätigen Reue in der 47. Sitzung des Sonderausschusses noch heftig gestritten worden war,297 wurde dieses Thema in der 51. Sitzung nicht mehr aufgegriffen, nachdem Lambinus für die SPD-Fraktion erklärt hatte, eine Vorschrift für die tätige Reue nicht weiter zu verfolgen.298 Zu diesem 292

Kurzprotokoll der 28. Sitzung des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vom 16. Oktober 1974, BArch B 141/63598, Bl. 97 ff. 293 Sitzungsprotokoll der 47. Sitzung des Sonderausschusses, S. 1944. 294 Schoeler, Sitzungsprotokoll der 47. Sitzung der Sonderausschusses, S. 1937. 295 Sitzungsprotokolle der 47. und 51. Sitzung, Bericht des Sonderausschusses, BT-DS 7/ 3503, S. 3. 296 Janiszewski, Sitzungsprotokoll der 51. Sitzung der Sonderausschusses, S. 2023. 297 Die Anregung zur Einführung einer Vorschrift über die tätige Reue wurde ursprünglich von dem Abgeordneten von Schoeler (FDP) gegeben. 298 Sitzungsprotokoll der 51. Sitzung der Sonderausschusses, S. 2023.

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

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Meinungswandel hatte möglicherweise eine Vorbesprechung am 8. April 1975 zwischen den Abgeordneten Penner, Lambinus, v. Schoeler und Janiszewski (BMJ) beigetragen, in der Einigkeit darüber erzielt worden war, dass der Gedanke nicht weiterverfolgt werden sollte299 2. Die Stellungnahme des ADAC Der ADAC befürwortete die Gesetzesinitiative der Bundesregierung. Verbesserungen bedeuteten die Einarbeitung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in den Tatbestand des § 142 StGB, die neu geschaffene Offenbarungspflicht und die nachträgliche Meldepflicht nach berechtigtem oder entschuldigtem Verlassen der Unfallstelle sowie nach Ablauf der Wartepflicht.300 Seitens des ADAC wurde bedauert, dass es der Entwurf nicht schaffe, „einen annehmbaren Ausgleich des Grundkonfliktes zwischen dem Wunsch des Täters nach strafloser Selbstbegünstigung und dem Interesse der anderen Beteiligten am zivilrechtlichen Schadensausgleich herbeizuführen.“301 Der ADAC nahm an, § 142 StGB sei speziell auf die Verhältnisse des Straßenverkehrs zugeschnitten. Somit war eine Beschränkung des sachlichen Geltungsbereichs auf den Straßenverkehr in seinem Sinne.302 Hinsichtlich des geschützten Rechtsgutes stellte sich der ADAC auf die Seite der herrschenden Meinung. Vor diesem Hintergrund gab er zu bedenken, dass strafrechtliche Überlegungen dort keinen Raum hätten, wo es allein um das private Interesse der Unfallbeteiligten am Schadensausgleich gehe.303 Hier sei zu überlegen, ob die Wahrung berechtigter oder die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche auch ohne Sanktion gleich oder besser geschützt werden könne. Allerdings räumte der ADAC ein, dass die wenigsten Unfallbeteiligten sich allein deshalb vom Unfallort entfernten, weil sie die Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche vereiteln wollten. Im Vordergrund stehe regelmäßig die Angst vor eigener Bestrafung.304 Die Autoren der Stellungnahme sprachen sich weiter für die Straflosigkeit des Versuchs aus, indem sie ein kriminalpolitisches Bedürfnis dafür verneinten.305 Die Idee eines Antragsdelikts wurde unterstützt.306

299 Vermerk Janiszewski vom 10. April 1975, BArch B 141/63599, Bl. 12. Gründe für den Meinungswandel sind nicht aktenkundig. 300 BArch B 141/63598, Bl. 103. 301 BArch B 141/63598, Bl. 103 ff. 302 BArch B 141/63598, Bl. 104. 303 BArch B 141/63598, Bl. 104. 304 BArch B 141/63598, Bl. 104. 305 BArch B 141/63598, Bl. 104 f. 306 BArch B 141/63598, Bl. 105.

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6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

Ebenfalls wurde die Einführung der Offenbarungspflicht in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB begrüßt, da diese der Durchsetzung des privaten Feststellungsinteresses diene.307 Hinsichtlich der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB geregelten Wartepflicht schlug der ADAC eine neue Konzeption vor. Er regte eine Prüfung an, ob die Wartepflicht regelmäßig durch eine generelle Benachrichtigungspflicht ersetzt werden könne, sofern keine feststellungsbereite Person anwesend und nur Sachschaden entstanden sei.308 In den genannten Fällen seien Feststellungen zur Art der Beteiligung am Unfallort regelmäßig entbehrlich. Zur Wahrung der zivilrechtlichen Interessen des Geschädigten sei die Benachrichtigung im Regelfall ausreichend. In Anlehnung an Beier309 propagierte der ADAC eine „gestaffelte“ Benachrichtigungspflicht, die mit einer Notiz an der beschädigten Sache begann, der eine Ermittlungs- und Kontaktpflicht bezüglich des Geschädigten folgte und die bei Unmöglichkeit einer solchen Kontaktaufnahme in einer Information der Polizei endete.310 Der ADAC forderte schließlich vor dem Hintergrund des geschützten Rechtsgutes mit den aus dem Gesetzgebungsverfahren bekannten Argumenten die Aufnahme einer Regelung einer tätigen Reue in den Tatbestand der Unfallflucht.311 3. Die Neuregelung des § 142 StGB im 13. StrÄndG Nachdem feststand, dass der Entwurf eines 13. Strafrechtsänderungsgesetzes (Bekämpfung von Gewaltbefürwortung und Gewaltanwendung) mit Sicherheit nicht mehr vor dem zu verabschiedenden 14. Strafrechtsänderungsgesetz abschließend behandelt werden würde, wurde auf einen entsprechenden Antrag312 in der Überschrift des Gesetzes die Zahlenangabe von „Vierzehnten“ in „Dreizehnten“ geändert, sodass die Neuregelung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort im 13. Strafrechtsänderungsgesetz erfolgte. Der Entwurf des 13. Strafrechtsänderungsgesetzes wurde vom Bundestag am 24. April 1975 in 2. und 3. Lesung einstimmig beschlossen.313 Der Bundesrat stimmte in seiner 420. Sitzung am 30. Mai 1975 dem 13. Strafrechtsänderungsgesetz zu, durch das § 142 StGB folgende Fassung erhielt:314

307 308 309 310 311 312 313 314

BArch B 141/63598, Bl. 106 f. BArch B 141/63598, Bl. 106. DAR 1973, S. 87. BArch B 141/63598, Bl. 104. BArch B 141/63598, Bl. 107. BT-DS 7/3552. Sitzungsprotokoll, 167. Sitzung vom 24. April 1975, S. 11734. BGBl. I 1975, S. 1349.

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

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„§ 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (4) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“

Das Gesetz trat einen Tag nach Verkündung in Kraft.315 Unter der neuen Überschrift „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ war damit nach 34 Jahren eine modifizierte und ausführlichere Regelung der Flucht bei Verkehrsunfällen geschaffen worden. a) Rechtsgrund der Norm Die Sicherung der Feststellungen zur Klärung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche, also die Durchsetzung berechtigter und die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu ermöglichen, war nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung nun bestimmender Rechtsgrund der Norm.316 Die Erleichterung der Strafverfolgung sollte zukünftig nur noch willkommene Nebenfolge der Anwendung des § 142 StGB sein. Wie schon zuvor entfiel damit eine Wartepflicht bei Alleinunfällen und bei einer Einigung zwischen den Unfallbeteiligten und Geschädigten. Die Einwirkung auf die Verkehrssicherheit sollte in Zukunft nicht mehr 315

Art. 4, BGBl. I 1975, S. 1349 f. BT-DS 7/2434, Anlage 1, S. 5; siehe auch die obigen Ausführungen. Mit dieser Auslegung hatte das Bundesverfassungsgericht das in der Norm enthaltene begrenzte Verbot der Selbstbegünstigung als verfassungsgemäß angesehen, BVerfGE NJW 1963, S. 1195 f. 316

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6. Kap.: Reformdiskussion und Gesetzgebung von 1945 bis 1975

durch § 142 StGB, sondern durch die Regelung des § 34 StVO317 erfolgen, die dem Verkehrsteilnehmer genaue Verhaltensanweisungen im Anschluss an einen Unfall im Straßenverkehr gab. In sachlicher Hinsicht blieb die Norm gemäß § 142 Abs. 1 StGB auf den Straßenverkehr begrenzt. Die neue Vorschrift enthielt keine Ausnahme für Bagatellschäden. b) Unerlaubtes Entfernen statt Flucht Mit der Neuregelung wurde das Merkmal der Flucht aufgegeben. Tatbestandsmäßige Handlung war allein die Entfernung vom Unfallort losgelöst von der dabei verfolgten Absicht. Eine Wartepflicht, die zuvor von der Rechtsprechung entwickelt worden war, wurde ausdrücklich anerkannt. Eine Konkretisierung der Dauer der Wartezeit enthielt die Neuregelung nicht. c) Vorstellungspflicht in § 142 Abs. 1 StGB Grundsätzlich hielt die neue Vorschrift an der passiven Feststellungspflicht fest, allerdings mit einer Durchbrechung in Absatz 1 Nr. 1, wonach sich ein Unfallbe317 Der Normtext in der Fassung der Verordnung über Maßnahmen im Straßenverkehr vom 27. November 1975 (BGBl. I 1975, S. 2967 ff.) lautete: „§ 34 Unfall Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte unverzüglich zu halten, den Verkehr zu sichern und bei geringfügigem Schaden unverzüglich beiseite zu fahren, sich über die Unfallfolgen zu vergewissern, den Verletzten zu helfen (§ 330 c des Strafgesetzbuches), anderen am Unfallort anwesenden Beteiligten und Geschädigten anzugeben, daß er am Unfall beteiligt war und auf Verlangen seinen Namen und seine Anschrift anzugeben sowie ihnen Führerschein und Fahrzeugschein vorzuweisen und nach bestem Wissen Angaben über seine Haftpflichtversicherung zu machen, a) solange am Unfallort zu bleiben, bis er zugunsten der anderen Beteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten und am Unfallort Namen und Anschrift zu hinterlassen, wenn niemand bereit war, die Feststellung zu treffen. b) unverzüglich die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, wenn er sich berechtigt, entschuldigt oder nach Ablauf der Wartefrist (Nummer 6 Buchstabe b) vom Unfallort entfernt hat. Dazu hat er mindestens den Berechtigten (Nummer 6 Buchstabe a) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitzuteilen, daß er am Unfall beteiligt gewesen ist, und seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs anzugeben und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung zu halten. Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann. Unfallspuren dürfen nicht beseitigt werden, bevor nicht die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind.“

C. Entwicklungen bis zur Neufassung des § 142 StGB im Jahr 1975

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teiligter nur entfernen durfte, wenn er den Anwesenden angeben hatte, dass er an dem Unfall beteiligt war (Vorstellungspflicht). d) Nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen Neu war die Verpflichtung, nachträgliche Feststellungen zu ermöglichen, nachdem sich ein Beteiligter ausnahmsweise nach Ablauf der Wartezeit oder berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernen durfte. e) Vom Gesetzgeber nicht verwirklichte Vorschläge Die Idee, bei der Entfernung zur Wahrnehmung eines wichtigen schutzwürdigen Interesses die Möglichkeit zum Absehen von Strafe zu schaffen, wurde nicht Gesetz. In der Neuregelung war auch eine Versuchsstrafbarkeit nicht mehr enthalten. Wie in der Gesetzesfassung von 1940 enthielt die Neuregelung kein Strafantragserfordernis. Die Strafandrohung wurde auf drei Jahre heraufgesetzt, wobei auf die Normierung besonders schwerer Fälle verzichtet wurde. Die Neufassung des § 142 StGB verzichtete darauf, dem Täter einer Unfallflucht nachträglich die Möglichkeit zu bieten, sich durch tätige Reue Straffreiheit zu verschaffen.

Siebtes Kapitel

Reformdiskussion und Gesetzgebung nach der Neufassung im Jahr 1975 Die Verbesserung des von § 142 StGB intendierten Schutzes privatrechtlicher Interessen der Unfallbeteiligten rückte ins Zentrum der nun folgenden Entwicklungen.

A. Die Empfehlungen der Verkehrsgerichtstage 1982 und 1986 I. Der 20. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1982 1. Die Referate Bärs und Hammersteins In seinem Referat für den 20. Verkehrsgerichtstag 19821 diagnostizierte der Referent Bär aufgrund des vorhandenen statistischen Materials, dass auch mit der Neufassung des § 142 StGB durch das 13. Strafrechtsänderungsgesetz keine Eindämmung der Fluchtfälle verbunden sei und besonders im Bereich der Sachschadenunfälle weiterhin ein Ansteigen der Zahl der Unfallfluchten zu verzeichnen sei. Die Sachschadenunfälle bildeten mit 90 % aller Unfallfluchtfälle2 den Schwerpunkt der Delinquenz. Der Anstieg der Unfallfluchten sei überproportional hoch im Vergleich zum übrigen Verkehrsgeschehen, etwa dem Anstieg der bei Verkehrsunfällen Verletzten, der Zahl der Verkehrsunfälle und der Zahl der zugelassenen Pkw.3 Als auslösende Motivbündel für den stetigen Anstieg der Unfallfluchtfälle erkannte Bär die Angst vor Strafe, die Vermeidung von Unannehmlichkeiten und den Verlust des Schadenfreiheitsrabattes.4 Er ging davon aus, dass die Angst vor Strafe in 55 bis 60 % der Fälle den Anlass zur Flucht biete. In diese Gruppe falle die Trunkenheit im Verkehr und das Bemühen des Täters, die Entziehung der Fahrerlaubnis abzuwenden. Bär sah die Unfallflucht als „typisches Alkoholdelikt“5 an, da annähernd die 1

Bär, 20. VGT, S. 113. Bär/Hauser, Unfallflucht (11), IX, S. 154 ff. 3 Detailliertes Zahlenmaterial nebst kritischer Beurteilung findet sich bei Bär/Hauser, Unfallflucht (11), IX, S. 151 ff. unter Bezugnahme auf das Material des Statistischen Bundesamtes. 4 Bär, 20. VGT, S. 114 ff.; Geppert, BA 1986, S. 159 f. 5 Bär, 20. VGT, S. 116. 2

A. Empfehlungen der Verkehrsgerichtstage 1982 und 1986

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Hälfte aller Fluchtfälle im Anschluss an Alkoholkonsum begangen würde. Er meinte, es gelte dem Umstand entgegenzuwirken, dass Unfallbeteiligte flüchteten, um einer Bestrafung zu entgehen und dabei in Kauf nähmen, dass andere Personen ihren Schaden nicht ersetzt bekämen. Die Lösung des Problems sah er in einer verbesserten Öffentlichkeitsarbeit über das richtige Verhalten nach einem Verkehrsunfall, im regeren Gebrauchmachen von den Einstellungsmöglichkeiten nach § 153 ff. StPO durch die Staatsanwaltschaft und im Absehen von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit durch die Polizei, wenn die Unfallverursacher nach § 142 Abs. 3 StGB einen Bagatellschaden bei der Polizei meldeten.6 In einem weiteren Vortrag äußerte der Referent Hammerstein7 die Erkenntnis, dass die Unfallflucht regelmäßig nicht das Ergebnis eines rationalen Abwägungsvorgangs sei, sondern eine von Angst, Furcht und Schrecken getragene Schockreaktion. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, am nächsten Tag, sei der Täter wieder vernünftigen Argumenten zugänglich. In die nun aufgestellte Beratungsbilanz fließe nach geltendem Recht ein, dass eine tatbestandsmäßige Unfallflucht vorliege, die bei unberechtigtem oder unentschuldigtem Entfernen durch eine nachträgliche Meldung nicht wegen tätiger Reue zur Straflosigkeit führe, da eine solche im Gesetz nicht vorgesehen sei. Möglich sei lediglich eine ungewisse Berücksichtigung der tätigen Reue bei der Strafzumessung. In die Beratungsbilanz fließe weiter ein, dass bei Vorliegen eines Regelfalles die Fahrerlaubnis für die Dauer von acht bis zehn Monaten entzogen werde. Weiterhin sei zu befürchten, dass der Haftpflichtversicherer beim Unfallflüchtigen Regress nehme, da die Unfallflucht dem Flüchtigen im Innenverhältnis zu seiner Versicherung als Obliegenheitsverletzung entgegengehalten werde. Diese negativen Folgen einer Unfallmeldung wäge der Täter gegen die Chance ab, nicht gefasst zu werden. Hammerstein forderte eine Abänderung des § 142 StGB dahingehend, dass ein Täter, der sich innerhalb eines Tages nach dem Unfall melde, zumindest im Strafmaß privilegiert werde.8 Von einer solchen Regelung versprach er sich eine Erhöhung der Rechtssicherheit. Außerdem verstärke die Honorierung der tätigen Reue den gewünschten Schutz des hinter der Norm stehenden Rechtsgutes.9 Sollte geschütztes Rechtsgut wirklich nur die Sicherung der Zivilansprüche des Geschädigten sein, dann sollte der Gesetzgeber alles tun, um den Schutz dieser Zivilansprüche zu erhöhen. Eine strafrechtliche Privilegierung der nachträglichen Meldung des Flüchtigen wäre hierzu geeignet, weil die Nachmeldungen voraussichtlich erheblich zunähmen.10 Hammerstein sah beim Geflüchteten den Wunsch, den durch die Flucht angerichteten Schaden zu beseitigen. Dieser Wunsch solle genutzt und nicht aus Angst vor Strafe beseitigt werden. 6

Bär, 20. VGT, S. 128 f. Hammerstein, 20. VGT, S. 131 ff., 132. 8 Hammerstein, 20. VGT, S. 133. 9 Hammerstein, 20. VGT, S. 133. 10 Hammerstein, 20. VGT, S. 134.

7

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Hammersteins Vorschlag ging dahin, statt der Straflosigkeit (also eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes), wie ihn noch § 22 KFG vorsah, den Fall der nachträglichen Meldung bis zum nächstfolgenden Tage nach dem Unfall als minderschweren Fall gesetzlich zu regeln. Über die Anwendung des § 49 StGB führte dies mindestens zu dem Ergebnis einer Verengung des Strafrahmens, sodass der Flüchtige, der sich nachträglich meldete, die sichere Erwartung hätte, dass die Nachtragsmeldung zumindest im Strafmaß honoriert werde. Hammerstein erwartete für diesen Fall eine Zunahme der Zahl der Nachtragsmeldungen bereits Geflohener. Hammerstein fasste seine Gedanken in folgendem Textvorschlag11 zusammen: „Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn ein Unfallbeteiligter spätestens am nächstfolgenden Tage die Feststellungen nachträglich ermöglicht.“

Für den Fall, dass ein besonderer Privilegierungsstrafrahmen in Aussicht gestellt werden sollte, also ein benannter Strafänderungsgrund, präsentierte er folgende Formulierung12 : „Ermöglicht ein Unfallbeteiligter spätestens am nächstfolgenden Tag die Feststellungen nachträglich, so ist auf Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe zu erkennen, es sei denn, bei dem Unfall wären ein Mensch getötet oder an fremden Sachen bedeutender Sachschaden entstanden und der Unfallbeteiligte hätte dies gewußt oder wissen können.“

2. Die Empfehlungen Das Plenum des 20. Verkehrsgerichtstages schloss sich den Empfehlungen seines Arbeitskreises II „Gesetzliche Regelung der Unfallflucht“ an und empfahl, einen näher benannten Strafmilderungsgrund verbunden mit einem Absehen von Strafe für die Fälle zu schaffen, dass der Unfallbeteiligte durch nachträgliche oder verspätete Meldungen (binnen 24 Stunden) das Feststellungsinteresse der Unfallgeschädigten im Wesentlichen befriedigt.13 Außerdem gaben die Verkehrsexperten die Empfehlung, in den zuvor genannten Fällen das Verfahren regelmäßig nach § 153 ff. StPO einzustellen.14 Schließlich rieten sie, nachträgliche Meldungen nach § 142 Abs. 2, 3 StGB bei neutralen Meldestellen, etwa Versicherungen, zu ermöglichen.15 In einer schriftlichen Anfrage vom 11. Februar 198216 an die Bundesregierung griff MdB Däubler-Gmelin die Feststellungen und Überlegungen des Verkehrsge11

Hammerstein, 20. VGT, S. 137. Hammerstein, 20. VGT, S. 138. 13 Empfehlungen des 20. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1982, S. 8. Keine Mehrheit fand lediglich der Vorschlag, die Polizei generell anzuweisen, durch großzügige Anwendung der Vorschriften des OWiG von der Verfolgung der möglicherweise mit dem Unfall verbundenen Ordnungswidrigkeiten abzusehen. 14 Empfehlungen des 20. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1982, S. 8, Empfehlung Nr. 2. 15 Empfehlungen des 20. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1982, S. 8, Empfehlung Nr. 5. 16 BArch B 141/63600, nicht paginiert. 12

A. Empfehlungen der Verkehrsgerichtstage 1982 und 1986

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richtstages auf und erkundigte sich, ob die Bundesregierung aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse eine Gesetzesänderung plane und den Vorschlag aufgreifen wolle, § 142 StGB als Antragsdelikt zu gestalten. Hierzu erklärte die Bundesregierung, dass es der Einführung eines besonderen Strafmilderungsgrundes nicht bedürfe. Durch den weit gefassten Strafrahmen der Norm sowie strafprozessuale Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 153 und 153 a StPO sei es den Gerichten und den Strafverfolgungsbehörden schon aktuell möglich, im Einzelfall angemessen zu reagieren. Im Übrigen machte sich die Bundesregierung die vom Sonderausschuss für die Strafrechtsreform gefundenen Ergebnisse zur tätigen Reue zu eigen. Bezüglich der Regelung eines Antragsdelikts wurde in Anbetracht der erst kürzlich gefassten gesetzlichen Regelung seitens der Bundesregierung ebenfalls kein Handlungsbedarf gesehen.17

II. Der 24. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1986 Unter der Fragestellung „Wie kann der Schutzgedanke des § 142 StGB bei Sachschäden besser verwirklicht (wiederhergestellt) werden?“ setzte sich auch der 24. Verkehrsgerichtstag 1986 mit dem Tatbestand des § 142 StGB auseinander. 1. Die Referate von Heublein und Berz Heublein18 nahm an, dass der Schutzgedanke des § 142 StGB dann besser verwirklicht werden könne, wenn der Gesetzgeber für den Unfallverursacher die Motivation zur Meldung erhöhe. Fliehe der Täter aus Angst vor Strafe, weil etwa mit einer Bestrafung konzessionsrechtliche oder dienstrechtliche Konsequenzen verbunden seien, so könne diesem Täter, der durchaus bereit sei, dem Geschädigten Ersatz zu leisten, ein Anreiz zur Meldung über die Einführung eines Strafantrages als Verfolgungsvoraussetzung geboten werden.19 Für den Täter, der fliehe, um eine gleichzeitig vorhandene Trunkenheit zu verbergen, entwickelte Heublein zwei Lösungsmöglichkeiten: Einerseits hielt er eine Verlängerung der Benachrichtigungsfrist für möglich, sodass die Pflichten auch von einem Unfallbeteiligten erfüllt werden könnten, der seine Trunkenheit verbergen wolle. Ihm müsse Gelegenheit geboten werden, die Meldung zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem ihm nicht 17

BArch B 141/63600, Bl. 45. Heublein, Referat zum 24. VGT 1986, S. 164 ff. 19 Siehe hierzu auch Wetekamp, DAR 1987, S. 13 ff. Auf eine entsprechende Anfrage des MdB Hans Peter Schmitz hatte die Bundesregierung im Mai 1978 erklärt, dass die Frage nach einem Strafantragserfordernis im Rahmen der Strafrechtsreform 1975 ausführlich diskutiert und negativ beantwortet worden sei. Mangels neuer Gesichtspunkte und weil in der Praxis kein unabweisbares Bedürfnis für eine Änderung der Norm bestehe, sei eine Änderung nicht geplant (BArch 141/63600, nicht paginiert); kritisch auch Geppert, BA 1986, S. 162, der die „Abschwächung der generalpräventiven Wirkung des § 142 StGB“ befürchtet. 18

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

mehr nachgewiesen könne, dass die Unfallverursachung auf seiner Trunkenheit beruhte.20 Andererseits sah Heublein die Option, Straflosigkeit für den Fall einer nachträglichen Meldung anzuordnen21, so wie es schon in § 22 KFG angeordnet gewesen sei. Mit einer zivilprozessualen Beweislastumkehr wollte Heublein der Gefahr begegnen, dass der Unfallverursacher die gewonnene Zeit bis zur Unfallmeldung zu Zwecken der Beweisvereitelung nutzt.22 Berz23 entwickelte in seinem Referat die Idee der Straffreiheit bei nachträglicher Meldung. Dabei betonte er, dass die bloße Möglichkeit, von Strafe abzusehen, oder eine fakultative Strafmilderung nicht zielführend seien, da sie dem Täter nicht die Gewissheit gäben, straffrei auszugehen, und ihn deshalb auf sein Unentdecktbleiben vertrauen ließen.24 Die Idee der Straffreiheit bei nachträglicher Meldung leitete Berz aus dem Charakter des § 142 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt her.25 Die Vorverlagerung der Strafbarkeit in § 142 StGB auf einen Zeitpunkt, in dem es noch zu keiner messbaren Vermögensbeeinträchtigung gekommen sei, verlange nach einem Ausgleich, wenn der Täter nach Verwirklichung des Gefährdungstatbestandes den Eintritt der Beeinträchtigung selbst verhindert habe.26 Die Möglichkeit zur Feststellung der Alkoholbeeinflussung sei nur in den Fällen von Bedeutung, in denen die Alleinhaftung eines Unfallbeteiligten nicht von vornherein feststehe. Die Großzahl der Fälle betreffe aber Kleinunfälle, in denen die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG eingreife. Für die Einführung der Möglichkeit der tätigen Reue spreche die anwaltliche Erfahrung, dass Schädiger häufig im Nachhinein zur Meldung bereit seien, sofern diese straffrei möglich sei.27 Durch die Einführung eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes (tätige Reue) wollte Berz Schwierigkeiten vermeiden, die er in der Tatbestandslösung erblickte. Nach der Tatbestandslösung sollte der flüchtige Täter erst dann mit Strafe bedroht werden, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist das Feststellungsbedürfnis des Geschädigten befriedigt hat. Bei nachträglicher Meldung wäre also bereits der Tatbestand nicht erfüllt. Berz sah bei der Tatbestandslösung die Gefahr, dass auf dies Weise „die plakative, unrechtstypisierende Funktion des Tatbestandes ausgehöhlt“ werde.28 Der Normappell an den Unfallbeteiligten, am Unfallort zu bleiben, dürfe

20

So auch in einem weiteren Referat Haag, 24. VGT 1986, S. 170, 175. Heublein, 24. VGT, S. 167. 22 Heublein, 24. VGT, S. 168, für Beweiserleichterungen auch Berz, 24. VGT, S. 186, 190. 23 Berz, 24. VGT, S. 181 ff., 182. 24 Berz, 24. VGT, S. 185. 25 Berz, 24. VGT, S. 182 m.w.N.; siehe hierzu auch Geppert, BA 1986, S. 164 f., der eine Verknüpfung mit einer zivilrechtlichen Beweislastumkehr befürwortet. 26 Berz, 24. VGT, S. 182. 27 Berz, 24. VGT, S. 181 ff., 183. 28 Berz, 24. VGT, S. 184. 21

A. Empfehlungen der Verkehrsgerichtstage 1982 und 1986

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nicht aufgegeben werden; zudem würde die Diskrepanz zum Unfall mit Personenschäden zu groß.29 Weiter befürchtete Berz bei einer Tatbestandslösung, dass die nachträgliche Meldung durch den Täter dem Teilnehmer, der möglicherweise noch nicht einmal Kenntnis von der Meldung habe, ohne eigenes Zutun unverdiente Vorteile verschaffe, da eine teilnahmefähige Haupttat entfalle.30 Gegen eine Tatbestandslösung argumentierte Berz auch mit dem Problem des Irrtums über Unfallfolgen bzw. der Berufung auf einen solchen Irrtum. Nach der Tatbestandslösung würde sich ein Täter, der nach einem Unfall mit Personenschäden davonfährt, von dem er keine Kenntnis erlangt hat, einem Tatbestandsirrtum unterliegen, und wäre Nutznießer einer Privilegierung, die nur für Sachschadenunfälle gelten sollte.31 Aufgrund seiner Überlegungen gelangte Berz zu folgendem Vorschlag eines § 142 Abs. 5 StGB:32 „Nach Abs. 1 und Abs. 2 wird nicht bestraft, wer nach einem Unfall mit lediglich Sachschaden durch freiwillige Meldung (bei einem Geschädigten oder einer Polizeidienststelle)33 verhindert, daß der dem Geschädigten aus dem Unfall erwachsene Ersatzanspruch beeinträchtigt wird. Tritt die Beeinträchtigung ohne Zutun des Täters nicht ein, so bleibt er straflos, wenn er sich um deren Verhinderung freiwillig und ernsthaft bemüht.“

2. Die Empfehlungen In seinen an den Gesetzgeber gerichteten Empfehlungen schlug der 24. Verkehrsgerichtstag vor, den § 142 StGB um einen Absatz ergänzen. Ziel dieser Vervollständigung sollte es sein, zukünftig einer größeren Zahl von Geschädigten die Durchsetzung ihrer verkehrsunfallbedingten Ersatzansprüche zu ermöglichen. Der Ergänzungsvorschlag hatte folgenden Wortlaut:34 „Nach Abs. 1 und Abs. 2 wird nicht bestraft, wer nach einem Unfall mit lediglich Sachschaden durch freiwillige Meldung innerhalb von 24 Stunden bei dem Geschädigten, einer Polizeidienststelle oder einer sonstigen Stelle verhindert, daß der dem Geschädigten aus dem Unfall erwachsene Ersatzanspruch beeinträchtigt wird. Tritt die Beeinträchtigung ohne

29

Berz, 24. VGT, S. 184. Berz, 24. VGT, S. 184. 31 Berz, 24. VGT, S. 184. 32 Berz, 24. VGT, S. 190. 33 Hier findet sich eine Fußnote mit dem Hinweis darauf, dass der Klammerzusatz der Formulierung des § 142 Abs. 3 S. 1 StGB entspreche; diese Formulierung erschien Berz verzichtbar, da es ausreichen müsse, wenn die Beeinträchtigung des Ersatzanspruches ohnedies ausgeschlossen sei, egal, bei wem die Meldung erfolgte. 34 Empfehlungen des 24. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1986, S. 11. 30

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Zutun des Täters nicht ein, so bleibt er straflos, wenn er sich um deren Verhinderung freiwillig und ernsthaft bemüht.“

Die Idee der Straffreiheit für die nachträgliche oder verspätete Meldung eines Unfalls mit Sachschaden innerhalb einer Frist von 24 Stunden hatte sich somit bei den Verkehrsrechtsexperten durchgesetzt.

B. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 27. Juni 1986 Der Berliner Senat griff noch im selben Jahr die Empfehlungen des 24. Verkehrsgerichtstages auf. Er ergriff im Bundesrat die Gesetzesinitiative und legte einen Gesetzesantrag zur Änderung des Strafgesetzbuches vor, mit dem § 142 StGB unter Beibehaltung seiner bisherigen Fassung folgender Absatz angefügt werden sollte:35 „(5) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall, bei dem ausschließlich Sachschaden entstanden ist, durch freiwillige Meldung bei der Staatsanwaltschaft oder den Behörden und Beamten des Polizeidienstes verhindert, daß der dem Geschädigten aus dem Unfall erwachsene Ersatzanspruch beeinträchtigt wird; dies gilt nicht bei Unfällen an Fahrzeugen im fließenden Straßenverkehr. Tritt die Beeinträchtigung ohne Zutun des Täters nicht ein, so bleibt dieser straflos, wenn er sich um die Verhinderung der Beeinträchtigung freiwillig und ernsthaft bemüht hat.“

Der Reformbedarf wurde wie bereits in den Referaten zum 20. und zum 24. Verkehrsgerichtstag mit der Nichterreichung des Schutzzwecks der Norm begründet, also vor allem der Sicherung der Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten. Die hohe Zahl der Fälle von Unfallflucht und die Analyse der ihr zugrunde liegenden Motive lasse eine Bestimmung über tätige Reue in § 142 StGB sinnvoll erscheinen.36 In der Begründung des Gesetzesantrages wurde als Besonderheit des § 142 StGB hervorgehoben, dass durch diese Norm der Grundsatz der Straflosigkeit der Selbstbegünstigung durchbrochen werde.37 Die Strafbarkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort dürfe wegen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips nur ultima ratio sein, sofern die Sicherung privater Interessen als Ziel der Regelung nicht auf anderem Weg erreicht werden könne.38 Die Entwurfsbegründung wies darauf hin, dass die Einhaltung der Wartepflicht zur Sicherung der Interessen des Geschädigten dann nicht erforderlich sei, wenn es sich nur um einen Sachschadenunfall im ruhenden Verkehr handele. Denn in einer solchen Konstel35

BR-DS 316/86. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 3 f.; die angefügten Fluchtmotivationen stimmen mit den auf dem 24. Verkehrsgerichtstag referierten überein. 37 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 2. 38 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 2. 36

B. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 27. Juni 1986

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lation sei die Schuld und Haftungsfrage regelmäßig unzweifelhaft;39 Alkoholbeeinflussung und Fahrzeugzustand seien hier, anders als im fließenden Verkehr, nicht von Bedeutung. Ausreichend für das Beweisanliegen sei, dass der Geschädigte überhaupt vom Schädiger Namen und Anschrift erhalte.40 Der Gesetzesantrag war von der Hoffnung getragen, die Möglichkeit zur nachträglichen Meldung könne vor allem Alkoholtäter nach Ausnüchterung zur Unfallanzeige motivieren. Ihr Anteil an der Zahl der Unfallflüchtigen wurde mit 50 % angenommen. Zudem beträfen 90 % aller Unfallfluchten Sachschädenunfälle, von denen wiederum 90 % auf den ruhenden Verkehr entfielen. Somit sei durch die vorgesehene Möglichkeit der tätigen Reue in einer Vielzahl von Fällen mit einer nachträglichen Unfallmeldung zu rechnen.41 Im Unterschied zur geltenden Unfallfluchtregelung, welche die vom Täter zu ermöglichenden Feststellungen in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB abschließend aufzählte, forderte die Entwurfsfassung eine erfolgreiche Nichtbeeinträchtigung des Ersatzanspruchs des Geschädigten.42 Im Gegensatz zur Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO im Falle nachträglicher Unfallmeldung unterliege die Regelung der tätigen Reue nicht dem Opportunitätsprinzip, sodass sich der nachmeldende Täter mit Gewissheit auf die Straflosigkeit verlassen könne. Dieser Umstand motiviere den Täter zur nachträglichen Unfallmeldung.43 In Anknüpfung an die in § 158 StPO geregelte Anzeige einer Straftat sollte nach dem Gesetzesvorschlag nun die Meldemöglichkeit „bei der Staatsanwaltschaft und den Beamten des Polizeidienstes“ eröffnet werden, um so dem Flüchtigen die Meldung möglichst einfach zu machen.44 Die Pflicht zum Aufsuchen der nächsten oder einer örtlich fest bestimmten anderen Behörde sollte einer Meldung nicht entgegenstehen. Zur Begründung der Nachmeldefrist von 24 Stunden wurde angeführt, dass auf diese Weise eine zeitliche Nähe zum Unfall gewahrt werde und das Einsichtsempfinden auf einem so hohen Niveau bleibe, dass der Schädiger eine nachträgliche

39 Kritisch hierzu Wetekamp, DAR 1987, S. 12. Bei einer Alkoholisierung des Täters könne es für den Ersatzanspruch des Geschädigten darauf ankommen, ob sie zur Unfallverursachung beigetragen habe, sofern ein anderweitiges Verschulden nicht ersichtlich sei. 40 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 6. 41 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 6. 42 Kritisch hierzu Wetekamp, DAR 1987, S. 12. Er wies auf die ungeklärte Frage hin, ob § 142 Abs. 5 StGB auch dann anwendbar sein solle, wenn der Täter zwar innerhalb von 24 Stunden eine Meldung ungewissen Umfangs bei den im Gesetzentwurf genannten Stellen vornehme, der Ersatzanspruch aber dennoch beeinträchtigte werde, gegenüber einer Situation, bei welcher der Täter unmittelbar am Unfallort geblieben wäre. 43 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 6 f. 44 Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 8.

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Meldung tatsächlich noch vornehme. Außerdem entspreche die 24-Stunden-Frist der Empfehlung des 24. Verkehrsgerichtstages und einigen ausländischen Regelungen.45 Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten über die Unfallmeldung sollte nach dem Gesetzesvorschlag auf die Möglichkeit zur Nachmeldung beim Geschädigten oder einer sonstigen Stelle, etwa einer Versicherung, verzichtet werden.46 Der Entwurf sah davon ab, für Sachschäden eine Begrenzung auf Bagatellschäden vorzunehmen. Dies geschah ausweislich der Entwurfsbegründung zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten. Auch wollte man so vermeiden, dass ein Täter, der hinsichtlich der Schadenshöhe unsicher ist, die Nachmeldung unterlässt.47 Die Beschränkung der tätigen Reue auf Unfälle im ruhenden Verkehr fußte auf zwei Überlegungen: Einerseits komme im fließenden Straßenverkehr der zuverlässigen Beurteilung der Schuld- und Haftungsfrage eine entscheidende Rolle zu, etwa der Frage einer Alkoholbeeinflussung. Da dieser Umstand nachträglich manipulierbar sei, berge in einem solchen Fall eine nachträgliche Meldung die Gefahr von Beweisnachteilen.48 Andererseits sei die Fluchtquote bei Unfällen im fließenden Straßenverkehr mit 10 % recht gering, sodass die Nichtberücksichtigung dieser Fälle im Gesetzesvorschlag das gesetzgeberische Ziel der Senkung der Unfallfluchtquote kaum merklich beeinträchtige.49 Schließlich wollten die Gesetzesinitiatoren auch denjenigen Täter mit Straffreiheit belohnen, den die Polizei ermittelte, bevor er die von ihm fest beabsichtigte Nachmeldung vorgenommen hatte. Auch ihm sollte „die Wohltat der Straflosigkeit“ zugutekommen, sofern er sich freiwillig und ernsthaft um die Nachmeldung bemüht hatte.50 Der Bundesrat überwies in seiner 567. Sitzung am 11. Juli 1986 den Gesetzesantrag zur Beratung an seinen Rechtsausschuss. Der Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrates debattierte am 3. September 1986 den Gesetzesvorschlag. Der Ausschussvorsitzende Duske (Berlin) brachte hier die Vokabel des Opferschutzes in die Diskussion ein.51 Opferschutz sei das Ziel von § 142 StGB. Um ihn wirkungsvoller zu gestalten, sei nach Wegen zu suchen, die Verkehrsteilnehmer zu motivieren, sich zu dem von ihnen verursachten Schaden zu bekennen.52 Insoweit sah er einen entscheidenden Vorteil des Berliner

45 46 47 48 49 50 51 52

Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 8. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 8. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 8. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 9. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 9. Begründung des Gesetzesantrages, BR-DS 316/86, S. 9 f. Sitzungsniederschrift, S. 6. Sitzungsniederschrift, S. 6.

B. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 27. Juni 1986

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Gesetzesvorschlages darin, dass er dem Schädiger statt einer bloßen Hoffnung die Sicherheit der Straflosigkeit bei nachträglicher Meldung gewähre.53 Im Gegensatz hierzu brachte der Vertreter von Rheinland-Pfalz einen Alternativvorschlag54 in die Diskussion ein. Hiernach sollte das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen lediglich mildern können, wenn der Flüchtige sich nach einer nicht näher bestimmten Zeit meldete. Durch eine solche Regelung sollten „negative Auswirkungen auf die Verkehrsmoral“ vermieden werden. Man wollte beim rechtlich nicht vorgebildeten Verkehrsteilnehmer das Missverständnis vermeiden, dass nach einem Unfall im ruhenden Verkehr eine Wartepflicht nicht bestehe und mithin nach einem Unfall nicht mehr angehalten werden müsse.55 Die Handhabung eines Strafmilderungsgrundes erschien flexibler als die als sehr starr angesehene tatbestandliche Regelung eines Strafaufhebungsgrundes. Die praktischen Probleme bei der Feststellung der Einhaltung der 24-Stunden-Frist wurden als nachteilig angesehen, wenn den Unfall niemand beobachtet hatte. Der Alternativvorschlag konnte sich im Unterausschuss jedoch nicht durchsetzen. Der niedersächsische Vertreter beantragte, den Gesetzentwurf dahingehend zu modifizieren, dass eine Meldung „spätestens am nächstfolgenden Tage“ zu erfolgen habe und auch beim Geschädigten möglich sein solle.56 Mit der Möglichkeit zur Meldung „spätestens am nächstfolgenden Tage“ wurde auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 KFG zurückgegriffen. Ein Vorteil dieser Fassung wurde darin gesehen, dass zur Fristberechnung anders als bei einer 24-Stunden-Frist nicht die genaue Kenntnis des Unfallzeitpunktes, sondern lediglich die Kenntnis des Unfalltages erforderlich und gegebenenfalls zu beweisen sei.57 Anders als in der Entwurfsfassung sollte nach niedersächsischer Ansicht der Täter die Möglichkeit der Strafbefreiung auch durch Nachmeldung beim Geschädigten erlangen können.58 Aufgrund des für die Strafbefreiung vorausgesetzten Erfolges („verhindert, daß der dem Geschädigten aus dem Unfall erwachsene Ersatzanspruch beeinträchtigt wird“) entfalle das Strafbedürfnis, wenn durch eine Nachmeldung des Täters beim Unfallgeschädigten dessen durch § 142 StGB geschütztes privates Beweissicherungsrecht befriedigt werde. Insoweit bestehende Beweisschwierigkeiten gingen regelmäßig aufgrund des für die Strafbefreiung erforderlichen Erfolges zu Lasten des Täters.59

53 54 55 56 57 58 59

Sitzungsniederschrift, S. 7. Sitzungsniederschrift, S. 10 ff. Sitzungsniederschrift, S. 11; kritisch auch Wetekamp, DAR 1987, S. 13. Sitzungsniederschrift, S. 13. Sitzungsniederschrift, S. 14. Sitzungsniederschrift, S. 14. Sitzungsniederschrift, S. 14.

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Im Gegensatz zum Entwurf sprach sich die Vertretung Niedersachsens für einen Verzicht auf das Merkmal der Freiwilligkeit der Nachmeldung aus.60 Da Schutzgut des § 142 StGB das private Feststellungs- und Beweissicherungsinteresse der Unfallbeteiligten sei, sei für die Strafbefreiung allein entscheidend, dass durch eine kurzfristige Nachmeldung eine Beeinträchtigung der Geschädigteninteressen verhindert worden sei. Die Motive des Täters seien insoweit bedeutungslos.61 Zudem hänge die Strafbefreiung andernfalls von Zufälligkeiten ab, die dem Einfluss des Täters entzogen seien. Es wurde befürchtet, dass die Überlegung, schon von der Polizei als Täter ermittelt worden zu sein, manchen Täter von der nachträglichen Meldung abhalten könne, was dem Schutz des Geschädigten zuwiderlaufe.62 Die niedersächsische Kritik fand keine Mehrheit im Unterausschuss. Die Kritik des Landes Nordrhein-Westfalen ging noch weiter und mündete in dem Antrag, den Gesetzesentwurf nicht in den Deutschen Bundestag einzubringen.63 Zur Begründung dieser ablehnenden Haltung wurde auf die bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Dreizehnten Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. Juni 1975 im Sonderausschuss abgewogenen Argumente Bezug genommen. Das Land NordrheinWestfalen wiederholte nun die Befürchtung, dass die Einführung einer Strafbefreiungsnorm in § 142 StGB von den Verkehrsteilnehmern missverstanden werden könne, indem die Verkehrsteilnehmer eine solche als Aufforderung begriffen, zumindest zunächst den Unfallort zu verlassen.64 Eine Beweismittelvernichtung oder jedenfalls -gefährdung drohe insbesondere durch alkoholisierte Unfallverursacher, die sich durch die Strafbefreiungsmöglichkeit zur Flucht ermuntert fühlten. Man war der Ansicht: „Eine solche Aufweichung der im Bewußtsein der Bevölkerung verankerten Wartepflicht könnte § 142 seines Wesensgehaltes berauben.“65 Im Unterausschuss des Rechtsausschusses des Bundesrates fand der den Gesetzesentwurf ablehnende Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen die Mehrheit.66 In seiner 570. Sitzung am 12. September 1986 beschloss der Rechtsausschuss des Bundesrates, die geplante Beratung des Gesetzentwurfes von der Tagesordnung abzusetzen, da sich bei der Beratung im Unterausschuss neue Gesichtspunkte ergeben hätten, die eine weitere Prüfung erforderlich machten und daher eine Vertagung geböten.67 60

Sitzungsniederschrift, S. 15. Sitzungsniederschrift, S. 15. 62 Sitzungsniederschrift, S. 15. 63 Sitzungsniederschrift, S. 16. 64 Sitzungsniederschrift, S. 17. 65 Sitzungsniederschrift, S. 17. 66 Sitzungsniederschrift, S. 18. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Vertreter Berlins und Niedersachsens bei Stimmenthaltung der Vertreter Bremens, Hessens und von RheinlandPfalz angenommen. 67 Sitzungsniederschrift, S. 1, 7. 61

C. Entkriminalisierungsvorschläge der Länder Niedersachsen und Hessen

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In seiner 631. Sitzung am 7. Juni 1991 fasste der Bundesrat einen Beschluss zur Erledigung noch anhängiger Vorlagen der Länder aus der Zeit vor Beginn der 11. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Da die Drucksache 316/86 mit dem Gesetzesantrag des Landes Berlin in diesem Beschluss nicht ausdrücklich von der Erledigung ausgenommen wurde, galt sie als erledigt.68

C. Entkriminalisierungsvorschläge der Länder Niedersachsen und Hessen Im Anschluss an die Bildung der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen im Juni 1990 wurde durch den niedersächsischen Justizminister eine Expertenkommission zur Reform des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts berufen.69 Den politischen Auftrag dieser Kommission formulierte der damalige Ministerpräsident und spätere Bundeskanzler Schröder: „Die strafrechtliche Bewältigung gesellschaftlicher Probleme und Konflikte muß ultima ratio bleiben. (…) Die Gesetzgebung des Bundes bedarf neuer Anstöße, die zu einer Entpolitisierung und Liberalisierung des Straf- und Strafprozessrechts, zu einer Entkriminalisierung des gesellschaftlichen Lebens (…) beitragen.“70 Die Kommissionsmitglieder schlugen mit den bekannten Argumenten vor, § 142 StGB insoweit zu ergänzen, als im Fall der tätigen Reue die Strafbarkeit entfalle. In Abweichung zu bisherigen Vorschlägen wurde eine Frist von drei Tagen zur Nachmeldung als angemessen angesehen.71 So sollte der Täter Gelegenheit haben, seine Fluchtreaktion zu reflektieren und sich gegebenenfalls beraten zu lassen. Entkriminalisierungsvorschläge erarbeitete auch die hessische Kommission „Kriminalpolitik“. Diese vom hessischen Justizministerium berufene Kommission begann ihre Arbeit am 28. Oktober 1991.72 Sie schlug eine Ergänzung des § 142 StGB dahingehend vor, dass derjenige, der sich innerhalb einer vergleichsweise kurzen Frist von 24 Stunden nach dem Unfall als Unfallbeteiligter zu erkennen gebe, strafffrei bleibe. Zudem griff sie die Idee auf, § 142 StGB als Antragsdelikt auszugestalten. Zur Begründung der Ergänzungsvorschläge wurde der Schutzzweck der Unfallfluchtregelung herangezogen. Dieser bestehe in der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche durch die Identifizierung des Täters.73 Aus dem ultima-ratio-Grundsatz folge das Gebot, die Fassung des § 142 StGB diesem engen 68

Sitzungsprotokoll, S. 252 D. Zur Arbeit der Kommission und ihren Empfehlungen siehe Albrecht u. a., Strafrecht – ultima ratio, 1992. 70 Zitiert nach Albrecht, S. 9. 71 Albrecht, S. 36. 72 Zur Besetzung und zu den Arbeitsergebnissen der Kommission siehe die Dokumentation in StV 1992, S. 202 ff. 73 Dokumentation, StV 1992, S. 204. 69

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Schutzzweck anzupassen.74 Da § 142 StGB nicht jede Verdunkelungshandlung des Schädigers sanktioniere, sondern nur die Feststellungen zum Unfallgeschehen sicherstellen wolle, die sich aus der Anwesenheit des Schädigers und dessen Bekenntnis zu einer Unfallbeteiligung ergäben, werde dieser limitierte Schutzzweck auch bei einer nachträglichen Unfallmeldung erreicht.75 Nebenbei sah die Kommission eine Verbesserung der Rechtsstellung des Geschädigten darin, dass bezüglich der zivilrechtlichen Ersatzansprüche beim Verlassen der Unfallstelle auch bei verspäteter Unfallmeldung für ein mögliches Entlastungsvorbringen des Schädigers eine Beweislastumkehr gelten würde. Ein entsprechender Reformvorschlag wurde seitens der Kommission jedoch nicht formuliert.76 Nach Ansicht der hessischen Kommission sollte wegen der Gleichheit der Interessenlage eine künftige Unfallfluchtregelung weder nach der Art des eingetretenen Unfallschadens (Sach- oder Personenschaden) noch nach der Zugehörigkeit des Unfallgeschehens zum ruhenden oder fließenden Verkehr differenzieren.77 Ausgehend von der Annahme, dass § 142 StGB allein dazu diene, zivilrechtliche Ansprüche durchsetzbar zu machen, sah die Kommission einen Widerspruch zur allgemeinen Disponibilität zivilrechtlicher Ansprüche darin, dass zu deren Sicherung das Strafrecht von Amts wegen, mithin auch gegen den Willen des Anspruchsinhabers, eingesetzt werde. Ein Strafantragserfordernis sei geboten. Dadurch seien erste spurensichernde Ermittlungsmaßnahmen der Polizei nicht ausgeschlossen.78

D. Der Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 9. Juni 1993 Aus dem Vorschlag der hessischen Kommission resultierte ein Gesetzesantrag des Landes Hessen im Bundesrat.79 Bezüglich der Unfallflucht hatte der hessische Gesetzesantrag hatte die folgende Formulierung: „1. § 142 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 2 wird das Wort ,unverzüglich‘ durch die Worte ,bis zum Ablauf des auf den Unfall folgenden Tages‘ ersetzt.

74 75 76 77 78 79

Dokumentation, StV 1992, S. 204. Dokumentation, StV 1992, S. 204. Dokumentation, StV 1992, S. 205. Dokumentation, StV 1992, S. 205. Dokumentation, StV 1992, S. 205. BR-DS 400/93, Anlage.

D. Der Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 9. Juni 1993

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b) In Absatz 3 Satz 1 werden die Worte ,nahe gelegenen‘ durch das Wort ,inländischen‘ ersetzt. c) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt: ,(4) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer bis zum Ablauf des auf den Unfall folgenden Tages durch freiwillige Meldung die nach Absatz 3 erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht.‘ d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5.“

Grundlegend wurde anerkannt, dass der ultima-ratio-Grundsatz eine Entkriminalisierung gerade im Bereich des Massenphänomens Straßenverkehrsdelikte fordere.80 Die Entwurfsverfasser hoben hervor, dass Rechtsgut des § 142 StGB allein die Sicherung privatrechtlicher Ansprüche des Geschädigten sei und nicht das öffentliche Interesse an einer weitgehenden Erfassung und Ahndung von Verkehrsunfällen zwecks Förderung der allgemeinen Verkehrssicherheit. Durch eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Geschädigten trage der Entwurf dieser Erkenntnis Rechnung. Insbesondere würden durch diese Grundannahme auch Bedenken gegen die Regelung des § 142 StGB ausgeräumt, die sich gegen die darin enthaltene Pflicht zur Selbstanzeige und das Prinzip der Straflosigkeit der Selbstanzeige richteten.81 Aus einer Bewertung des vorliegenden empirischen Materials gelangten die Gesetzesinitiatoren zu der Ansicht, dass die bislang geltende Fassung des § 142 StGB „kontraproduktiv“ wirke.82 Sie führten aus, dass der Verstoß gegen § 142 StGB regelmäßig nicht auf eine Verletzung des durch die Norm geschützten Rechtsgutes ziele, sondern Ausdruck eines Versagens in einer Krisensituation durch ansonsten rechtstreue Bürger sei. Nur durch eine sichere Vorhersehbarkeit der Reaktion der Strafverfolgungsbehörden lasse sich die Situation der Geschädigten verbessern.83 Der hessische Gesetzesvorschlag wandte sich gegen eine tatbestandliche Lösung84 in dem Sinne, § 142 StGB erst dann eingreifen zu lassen, wenn eine bestimmte Frist nach dem Unfallgeschehen verstrichen war. Als Nachteil einer solchen Tatbestandslösung wurde die Gefahr gesehen, dass die unrechtsbeschreibende Funktion der Norm ausgehöhlt, der Normappell aufgeweicht und dadurch die Interessen der Geschädigten stärker gefährdet würden.85 Die Gesetzesinitiatoren sprachen sich auch gegen eine Überführung der Unfallfluchtregelung in das Ordnungswidrigkeitenrecht aus, da diese dem Rechtsgutschutz nicht gerecht werde. Es wurde auch angenommen, dass die Schaffung eines Ver80 81 82 83 84 85

BR-DS 400/93, Begründung, S. 3. BR-DS 400/93, Begründung, S. 5. BR-DS 400/93, Begründung, S. 5. BR-DS 400/93, Begründung, S. 6. Zur Tatbestandslösung sehr detailliert, Weigend, FS für Tröndle, S. 753 ff. BR-DS 400/93, Begründung, S. 7.

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wertungsverbotes für nachträgliche Angaben zum Unfallgeschehen alkoholisierte Fahrer unverhältnismäßig begünstigen würde.86 Nach dem hessischen Gesetzesvorschlag sollte der flüchtende Unfallbeteiligte das Risiko tragen, vor einer freiwilligen Meldung entdeckt zu werden. Es seien keine Schwierigkeiten bei der polizeilichen Ermittlungsarbeit zu befürchten, da die Polizei weiter einen Ermittlungsauftrag habe. Die Gefährdungshaftung aus § 7 StVG lasse eine Verschlechterung der beweisrechtlichen Situation des Geschädigten nicht erwarten.87 Gelegentlich der Einführung der tätigen Reue sollte nach der Auffassung der Entwurfsverfasser in § 142 Abs. 3 StGB eine weitere Änderung vorgenommen werden, die allerdings mit der tätigen Reue nicht in Zusammenhang stand. Zur Klärung der Zweifelsfrage, ob die Polizeidienststelle nahe am Wohnort des Unfallbeteiligten oder nahe an der Unfallstelle liegen musste, sollte fortan die Unfallmeldung nicht nur bei einer nahegelegenen sondern bei jeder inländischen Polizeidienststelle möglich sein. Ein sachlicher Grund für die örtliche Begrenzung der Meldestellen sei nicht erkennbar, vielmehr könne der Unfallbeteiligte erwarten, dass jede im Inland gelegene Polizeidienstelle im Anschluss an eine Unfallmeldung das Erforderliche veranlassen werde.88 Die Entwurfsverfasser sprachen sich für eine Ausgestaltung der nachträglichen Meldung in Form eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes aus. Straffreiheit sollte nur bei freiwilliger Meldung des Täters vor seiner Ermittlung während der Meldefrist eintreten, wobei der Täter das Risiko seiner Entdeckung und folglich seiner Bestrafung zu tragen hatte. Die Forderung nach Einführung eines Strafantragserfordernisses enthielt der hessische Gesetzesvorschlag nicht. Der Bundesrat debattierte den hessischen Gesetzesantrag in seiner Sitzung am 18. Juni 1993 und verwies ihn zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss (federführend) und den Ausschuss für Innere Angelegenheiten sowie den Ausschuss für Verkehr und Post.89 Durch Beschluss über noch anhängige Vorlagen der Länder in der 735. Sitzung des Bundesrates vom 26. Februar 1999 galt der Gesetzesantrag, da er in der 12. Wahlperiode des Bundestages nicht abschließend behandelt worden war und nicht ausdrücklich von der Erledigung ausgenommen wurde, als erledigt.90

86 87 88 89 90

BR-DS 400/93, Begründung, S. 7. BR-DS 400/93, Begründung, S. 7. BR-DS 400/93, Begründung, S. 9. Sitzungsprotokoll BR vom 18. Juni 1993. Sitzungsprotokoll BR vom 26. Februar 1999, S. 61, 62.

E. Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.1998

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E. Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 Zur Fortführung der Reform des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches legte das Bundesministerium der Justiz Mitte Oktober 1996 einen Referentenentwurf eines 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts vor.91 Textgleich mit diesem Referentenentwurf brachten die Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P.92 sowie die Bundesregierung ihre Entwürfe in die Beratungen des Bundestages ein.93 Leitendes Ziel der neuerlichen Reformbestrebungen war, im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches eine Strafrahmenharmonisierung vorzunehmen. Daneben strebte der Gesetzgeber danach, durch Modifizierung von Strafvorschriften den Strafschutz zu verbessern und die Rechtsanwendung zu erleichtern sowie unzeitgemäße und überflüssige Strafnormen zu beseitigen.94 Eine Abänderung der Regelung zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort enthielten die genannten Entwürfe noch nicht. Mit der Stellungnahme des Bundesrates zum 6. StRG wurde eine Ergänzung der Unfallfluchtregelung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, mit der bei einer nachträglichen Meldung innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall mit Sachschaden die Strafe gemildert werden oder ganz von Strafe abgesehen werden konnte. Nach diesem Vorschlag sollte § 142 StGB um einen Absatz 3 a mit folgendem Wortlaut ergänzt werden:95 „Das Gericht mildert die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann ganz von Strafe absehen, wenn der Täter innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich Sachschaden zur Folge hatte, durch freiwillige Meldung die nach Absatz 3 erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat.“

Basierend auf dem Ergebnis einer Bund-Länderarbeitsgruppe hatte RheinlandPfalz diesen Gesetzesvorschlag in die Bundesratsberatung eingebracht, der vom Plenum des Bundesrates in seiner Sitzung vom 16. Mai 1997 beschlossen wurde.

91

Zur Entstehungsgeschichte des 6. StRG siehe Freund, ZStW 109 (1997), S. 455 ff. Der Abgeordnete Volker Beck und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits im Sommer 1995 eine Forderung nach gesetzgeberischen Tätigwerdens erhoben, BT-DS 13/2005. Sie forderten die Einführung der Regelung eines Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach einem Sachschadenunfall. Außerdem forderten sie die Einführung eines Strafantragserfordernisses bei der Unfallflucht, da die Verkehrsunfallfluchtregelung eher privaten als öffentlichen Interessen diene. Damit wollten sie auch die Justiz entlasten. Dieser Antrag wurde im Rechtsausschuss des Bundestages abgelehnt, siehe BR-DS 13/8991, S. 4. 92 BT-DS 13/7164. 93 BT-DS 13/8587. 94 BT-DS 13/8587, S. 2. 95 BR-DS 164/2/97, Empfehlungen, S. 6.

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Dieser Ergänzungsvorschlag sollte dazu dienen, eine „goldene Brücke“ für den Verkehrsteilnehmer zu bauen, der sich nach einem Unfall im ruhenden Verkehr mit ausschließlich Sachschaden zunächst unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte, aber anschließend innerhalb von 24 Stunden die in Absatz 3 vorgesehenen Feststellungen nachträglich ermöglichte.96 Auffällig war hierbei, dass zwar eine Beschränkung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs vorgenommen wurde, der eingetretene Sachschaden der Höhe nach jedoch nicht spezifiziert wurde. Die Entwurfsverfasser hielten die vorgeschlagene Fassung für geeignet, weder den Normbefehl aufzuweichen noch die präventive Wirkung der Norm zu reduzieren.97 Mit der Anordnung einer zwingenden Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB und der Möglichkeit zum Absehen von Strafe verfolgten die Gesetzesinitiatoren das Ziel, den Anreiz für eine nachträgliche Meldung zu steigern.98 Das Risiko, vor freiwilliger Meldung entdeckt zu werden, sollte nach diesem Vorschlag beim flüchtenden Unfallbeteiligten liegen. Die Bundesregierung formulierte in ihrer Gegenäußerung ihre grundsätzliche Zustimmung zum Gesetzesvorschlag des Bundesrates.99 Sie wies allerdings auf eine problematische Konstellation hin: Würde man den Anwendungsbereich des § 142 StGB auch auf bedeutende Sachschäden erstrecken, ergäbe sich ein Spannungsverhältnis zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Diese Norm sah die Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Verurteilung nach § 142 StGB regelmäßig dann vor, wenn ein bedeutender Sachschaden entstanden war. Die Bundesregierung vertrat die Ansicht, eine Beschränkung des § 142 StGB auf nicht bedeutende Sachschäden würde ausreichen, eine Vielzahl der Parkunfälle zu erfassen.100 Sie regte weiterhin an zu prüfen, ob der Anreiz zur nachträglichen Unfallmeldung und damit ein erhöhter Schutz der privatrechtlichen Interessen der Unfallbeteiligten dadurch besser zu erreichen sei, dass die nachträgliche Meldung als Tatbestandsauschluss gefasst werde. Zur Fassung der Norm als Tatbestandsauschluss legte sie folgenden Vorschlag vor:101 „Nach den Absätzen 1 und 2 wird ein Unfallbeteiligter nicht bestraft, der sich nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, bei dem lediglich nicht bedeutender Sachschaden entstanden ist, vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach dem Unfall nachträglich ermöglicht (Absatz 3).“

Der Rechtsausschuss des Bundestages favorisierte anstelle einer Straffreiheit für die angesprochenen Sachverhalte eine flexiblere Lösung, indem er im Wesentlichen auf den Vorschlag des Bundesrates zurückgriff. Er sprach sich dafür aus, nur Unfälle mit Sachschäden im ruhenden Verkehr, also vornehmlich Parkunfälle, in den An96

BR-DS 164/2/97, Empfehlungen, S. 6. BR-DS 164/2/97, Empfehlungen, S. 6. 98 BR-DS 164/2/97, Empfehlungen, S. 6. 99 Gegenäußerung der Bundesregierung BT-DS 13/8587, S. 80. 100 Gegenäußerung der Bundesregierung BT-DS 13/8587, S. 80. 101 Gegenäußerung der Bundesregierung BT-DS 13/8587, S. 80. 97

E. Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26.1.1998

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wendungsbereich der Norm aufzunehmen. Zur Vermeidung von Konflikten mit der Regelung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB wurde eine Begrenzung der Anwendung der Norm auf nicht bedeutenden Sachschaden vorgenommen, wobei die in der Rechtsprechung diskutierte Wertgrenze von 1200 DM als zu niedrig erachtet wurde.102 Im Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages fand sich schließlich noch ein Hinweis auf eine beabsichtigte Erweiterung der Möglichkeiten zur Erfüllung der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen. Nach § 142 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 des revidierten Regierungsentwurfs konnte ein Unfallbeteiligter nun nicht nur durch freiwillige Meldung beim Berechtigten oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle seiner Handlungspflicht genügen, sondern auch auf anderem Wege, indem er beispielsweise freiwillig an den Unfallort zurückkehrte.103 Im Rechtsausschuss des Bundestages äußerte die Fraktion der SPD den Wunsch, in § 142 StGB die Wörter „außerhalb des fließenden Verkehrs“ zu streichen104, da die Möglichkeiten, die die Neufassung des § 142 StGB für Unfälle im ruhenden Verkehr vorsehe, auch für Unfälle im fließenden Verkehr gelten müssten. Außerdem solle eine grundsätzliche Entkriminalisierung in Fällen ohne Personenschaden vorangetrieben werden. Dies diene nicht zuletzt dem Opferschutz, da in der drohenden Bestrafung des Unfallflüchtigen ein Grund liege, sich nicht beim Geschädigten zu melden.105 Die SPD-Fraktion fand mit dem Vorschlag zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm jedoch keine Ausschussmehrheit. Zur Begründung der Gegenauffassung wurde darauf hingewiesen, dass durch die Rechtsprechung zur Unfallflucht im ruhenden Verkehr besondere Grundsätze in Bezug auf die Wartepflicht des Schädigers judiziert worden seien.106 Im Gegensatz dazu stelle eine Unfallflucht im fließenden Verkehr ein bedeutenderes Unrecht dar, weil in diesen Konstellationen der andere Unfallbeteiligte am Unfallort zugegen sei und eine leichte Verletzung der Wartepflicht nicht in Betracht komme.107 Unberücksichtigt blieb auch der Vorschlag, bei der Auslegung des Begriffes „nicht bedeutender Sachschaden“ nicht auf die Schadenshöhe, sondern auf die gesamten Umstände des Unfalls abzustellen.108 In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 12. November 1997 fand die letztlich auch am 28. November 1998 vom Bundestag verabschiedete Ergänzung109 Annahme, die in wesentlichen Punkten der vom 102

Bericht des Rechtsausschusses, BT-DS 13/9064, S. 10. Bericht des Rechtsausschusses, BT-DS 13/9064, S. 10. 104 Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses am 12. November 1997, S. 40; Bericht des Rechtsausschusses, BT-DS 13/9064, S. 7 ff. 105 Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses am 12. November 1997, S. 40. 106 Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses am 12. November 1997, S. 40. 107 Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses am 12. November 1997, S. 40. 108 Antrag von Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen), siehe das Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses am 12. November 1997, S. 41. 109 Gesetzesbeschluss, BR-DS 931/97. 103

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Bundesrat vorgeschlagenen Fassung entsprach. Somit gilt seit dem Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes am 1. April 1998 folgende, noch heute aktuelle Fassung des Absatzes 4 der Bestimmung über die tätige Reue, die den bis dahin geltenden Absatz 4 zu Absatz 5 werden ließ:110 „(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).“

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998 Die Neuregelung über die tätige Reue in § 142 Abs. 4 StGB traf in der Fachliteratur teilweise auf Zustimmung.111 Begrüßt wurde die bessere Berücksichtigung der Interessen der Unfallopfer bei Parkunfällen. Das staatliche Verfolgungsinteresse werde weiterhin gewahrt, da sich die Anwendung der tätigen Reue auf Fälle beschränke, in denen das Unrecht der Unfallflucht eher gering und die Vermögensinteressen der Geschädigten durch die nachträgliche Meldung noch gewahrt würden.112 Kritische Stellungnahmen113 zur gefundenen Neuregelung griffen im Wesentlichen die Bedenken auf, die bereits im Gesetzgebungsverfahren ausführlich diskutiert worden waren.114 Erwähnung verdienen allerdings einige neue Diskussionsansätze und Reformvorschläge, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

I. Der 41. Verkehrsgerichtstag 2003 „Steine statt Brot“. Mit diesen Worten formulierte Bücken seinen Eindruck von der Neuregelung der Verkehrsunfallflucht in einem Referat für den 41. Verkehrsgerichtstag 2003.115 Grundlage dieser Einschätzung war für Bücken die Analyse, dass im Fall einer tätigen Reue nach § 142 Abs. 4 StGB immer ein Schuldspruch erfolge. Dieser führe gegebenenfalls zu einer Bestrafung, zumindest aber zu einer 110

BGBl. I 1998, S. 3322, 3367. Siehe hierzu Bönke, NZV 1998, S. 129 ff., Stächelin, StV 1998, S. 98 ff., Böse, StV 1998, S. 509 ff. 112 Böse, StV 1998, S. 513. 113 Schulz, NJW 1998, S. 1440, 1443, der § 142 Abs. 4 StGB für eine „juristische Fehlkonstruktion“ hielt; derselbe ZRP 2006, S. 149 ff. 114 Schünemann, DAR 2003, S. 207, bezeichnet sie als „altbekannte Argumente“. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf deren Darstellung im 7. Kapitel verwiesen. 115 41. VGT, S. 183. 111

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998

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Eintragung von 5 Punkten im Verkehrszentralregister.116 Daraus folge für die Strafverteidigung, dass vorrangig eine Verfahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO versucht werden müsse. Nur falls diese nicht erreichbar sei, komme eine Lösung über § 142 Abs. 4 StGB als geringeres Übel in Betracht, könne aber nicht als Gesetzeswohltat empfunden werden.117 Bücken richtete den Blick auf versicherungsrechtliche Konsequenzen, die den reuigen Unfallflüchtigen trafen. Er verwies hierzu auf die Regressnorm des § 7 V AKB.118 Nach dieser Regelung wurde der Versicherer gegenüber dem Unfallflüch116 Bücken, 41. VGT, S. 183; gegen die Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister auch Fieberg, 41. VGT, S. 190, 197. 117 41. VGT, S. 183, zum gleichen Ergebnis gelangt Fieberg, 41. VGT, S. 190. 118 Diese Norm ist heute ersetzt durch AKB 2008, E. 1.3, der hinsichtlich der Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer insgesamt günstiger ist (vgl. BGH v. 21. 11. 2012, IV ZR 97/11, Quelle juris). Die damalige Norm lautete: § 7 Obliegenheiten im Versicherungsfall I. Allgemein (1) Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Ereignis, das einen unter die Versicherung fallenden Schaden verursacht oder – bei der Haftpflichtversicherung – Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte. (2) Jeder Versicherungsfall ist dem Versicherer vom Versicherungsnehmer innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. (…) Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. (…) II. Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (1) Bei Haftpflichtschäden ist der Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Anspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen oder zu befriedigen. Das gilt nicht, falls der Versicherungsnehmer nach den Umständen die Anerkennung oder die Befriedigung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte. (…) V. Folgen einer Obliegenheitsverletzung (1) Wird in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung eine dieser Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, so ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung in den in den Abs. 2 und 3 genannten Grenzen frei. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat. (2) Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist auf einen Betrag von maximal 5000,– DM beschränkt. Bei vorsätzlich begangener Verletzung der Aufklärungs- oder Schadenminderungspflicht (z. B. bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, unterlassener Hilfeleistung, Abgabe wahrheitswidriger Angaben gegenüber dem Versicherer), wenn diese besonders schwerwiegend ist, erweitert sich die Leistungsfreiheit des Versicherers auf einen Betrag von maximal 10 000,– DM. (3) Wird eine Obliegenheitsverletzung in der Absicht begangen, sich oder einem Dritten dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist die Leistungsfreiheit des Versicherers hinsichtlich des erlangten rechtswidrigen Vermögensvorteils abweichend von Abs. 2 unbeschränkt. Gleiches gilt hinsichtlich des erlangten Mehrbetrages, wenn eine der

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

tigen von der Leistungspflicht bis zu einer Maximalgrenze von 10.000 DM im Falle einer Unfallflucht befreit. § 7 I Abs. 2 AKB enthielt nämlich die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, „alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann“. Das Verlassen der Unfallstelle stellte einen Verstoß gegen diese Verpflichtung dar. Vor dem Hintergrund des Opferschutzgedankens war Bücken der Ansicht, dass auch für Verkehrsunfälle, bei denen ein größerer Sachschaden entstehe, die Möglichkeit der tätigen Reue eröffnet werden solle.119 Hinsichtlich des durch die Norm geschützten Beweissicherungsinteresses des Geschädigten bestehe zwischen leichten und schweren Sachschadenfällen lediglich ein quantitativer aber kein qualitativer Unterschied.120 Ähnlich äußerte sich auch Fieberg, der die Beschränkung auf bedeutende Sachschäden als Unsicherheitsfaktor ausmachte, da den Autofahrern die Betragsgrenze für den bedeutenden Sachschaden regelmäßig unbekannt sei.121 Wichtiger sei jedoch der Gesichtspunkt, dass ein Unfallflüchtiger im Normalfall die Höhe der von ihm verursachten Reparaturkosten nicht abschätzen könne. Somit sei er auch nicht in der Lage zu beurteilen, ob in seiner Situation eine tätige Reue nach § 142 Abs. 4 StGB noch möglich sei.122 Des Weiteren meinte Fieberg, die Beschränkung der tätigen Reue auf nicht bedeutenden Sachschaden mit Blick auf § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sei nicht überzeugend, da die Vermutung der Ungeeignetheit in § 69 Abs. 2 StGB zwar der Regelfall sei, aber nicht zwingend gelte, wenn ein reuiger Unfallflüchtiger dem Geschädigten die Realisierung seiner Ansprüche im Nach-

in II. Abs. 1 bis 3 und 5 genannten Obliegenheiten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und dadurch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig wurde, die offenbar über den Umfang der nach Sach- und Rechtslage geschuldeten Haftpflichtentschädigung erheblich hinausgeht. (4) Wird eine dieser Obliegenheiten in der Fahrzeug- oder Kraftfahrtunfallversicherung verletzt, so besteht Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG. (…) Die heutige Regelung enthält folgenden Wortlaut: Aufklärungspflicht E.1.3 „Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, daß Sie unserer Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.“ (…) Die Rechtsfolge einer Pflichtverletzung regelt Punkt E.6: „Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihre in E.1 bis E.5 geregelten Pflicht, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.“ 119 So auch Schulz, ZRP 2006, S. 151. 120 41. VGT, S. 187 f. 121 41. VGT, S. 197. 122 41. VGT, S. 197.

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998

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hinein ermögliche. Das geschützte Rechtsgut werde durch ein solches Verhalten respektiert.123 Nach Meinung von Bücken sollte die Norm auf Unfälle im fließenden Verkehr ausgedehnt werden, weil auch hier sich die Beweissituation für den Geschädigten nicht ungünstiger als bei Unfällen im ruhenden Verkehr darstelle, da Unfälle im Begegnungsverkehr von Zeugen eher und deutlicher wahrgenommen würden als Parkunfälle mit geringem Schaden.124 Weiter griff Bücken die Idee einer neutralen Unfallmeldestelle auf.125 Schließlich plädierte er für tatbestandsauschließende, zumindest aber strafausschließende Fassung der tätigen Reue. Eine solche tatbestandsausschließende Fassung der Reuenorm lasse zwangsläufig die unerwünschte Leistungsfreiheit des KFZHaftpflichtversicherers und des Fahrzeugversicherers entfallen, die häufig als zusätzliche Bestrafung empfunden werde.126 Zur Steigerung der Attraktivität der tätigen Reue sprach sich auch Fieberg für die Ausgestaltung der tätigen Reue als zwingender Strafaufhebungsgrund aus, nicht zuletzt deshalb, weil somit die Möglichkeit zur Verhängung eines Fahrverbots entfalle.127 Den ersatzlosen Wegfall der 24-Stunden-Frist forderte Fieberg mit Blick auf die Interessen des Geschädigten, der sich auch noch nach mehreren Tagen über die Unfallmeldung freuen würde. Fieberg meinte, eine Entscheidung des Flüchtigen innerhalb angemessener Zeit würde bereits stringenter durch das Merkmal der Freiwilligkeit der tätigen Reue erreicht, da hiermit dem Täter das Entdeckungsrisiko auferlegt werde.128 In seinen Empfehlungen129 hielt der Arbeitskreis IV des 41. Verkehrsgerichtstages grundsätzlich am Straftatbestand der Verkehrsunfallflucht fest und begründete dies mit dem Opferschutz.130 Um einem größeren Kreis von Geschädigten die Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, wurde seitens der Verkehrsrechtsexperten vorgeschlagen, § 142 Abs. 4 StGB auf alle Sachschäden, ungeachtet ihrer Höhe, auszudehnen. Eine größere Zahl von Unfällen sollte unter den Anwendungsbereich der Norm gefasst werden, indem man als Unfälle „außerhalb des fließenden Verkehrs“ auch solche Unfälle definierte, die aus dem fließenden Verkehr heraus an 123

41. VGT, S. 197. 41. VGT, S. 188; so auch Schulz, ZRP 2006, S. 151. 125 41. VGT, S. 188. 126 41. VGT, S. 189; für eine Fassung als persönlicher Strafaufhebungsgrund auch Schulz, ZRP 2006, S. 151. 127 41. VGT, S. 197. 128 41. VGT, S. 198. 129 41. VGT, Empfehlungen, Arbeitskreis IV; Schulz, ZRP 2006, S. 151 sprach sich für eine Frist von 48 Stunden aus. 130 41. VGT, Empfehlungen, Arbeitskreis IV, Nr. 1. 124

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

ruhenden Gegenständen entstanden, z. B. an parkenden Fahrzeugen, Leitplanken und Verkehrsschildern. Im Gegensatz zur geltenden Gesetzeslage wurde ein zwingender Strafausschluss für den Fall der tätigen Reue gefordert.131 Mithin sollten bei tätiger Reue keine Punkte im Verkehrszentralregister notiert werden.132 Schließlich regte der Verkehrsgerichtstag an, nach Lösungen zu suchen, mit denen bei tätiger Reue ein Regress der Versicherung gegen den Unfallflüchtigen ausgeschlossen werden könne.133

II. Der Reformvorschlag Kubattas In ihrer Dissertation „Zur Reformbedürftigkeit des Verkehrsunfallflucht (§142 StGB)“ aus dem Jahr 2008 formulierte Kubatta als vorrangiges Ziel einer Neuregelung, den Ausgleich zwischen den widersprüchlichen Interessen von größtmöglicher Aufklärung auf der einen Seite und der Wahrung von Täterinteressen auf der anderen Seite herbeizuführen.134 In der Ersetzung der Wartepflicht durch eine Benachrichtigungspflicht, wie sie etwa in Österreich und der Schweiz vorgesehen sei, sah sie eine Verschärfung der gegebenen Rechtslage, die dem Ziel der Entkriminalisierung entgegenstehe. Sie vertrat die Ansicht, dass die Benachrichtigungspflicht zu einer Meldepflicht des Täters führe, sodass insoweit das Recht auf Selbstbegünstigung ungerechtfertigt und unverhältnismäßig mehr als bisher eingeschränkt werde. Kubatta monierte zudem, dass eine solche Benachrichtigungspflicht verkenne, dass es keine polizeiliche Aufgabe sei, zivilrechtliche Ansprüche zu sichern.135 Zur Frage der Abschaffung der Wartepflicht nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB äußerte sich Kubatta ebenfalls ablehnend. Die Hoffnung, nicht entdeckt zu werden, würde bei einem vollständigen Verzicht auf die Wartepflicht die Unfallbeteiligten dazu motivieren, sich vom Unfallort zu entfernen, sofern sich keine feststellungsbereiten Personen am Unfallort befänden. Kubatta befürchtete, dass insbesondere bei Sachschäden das Haltegebot sinnentleert werde.136 Allerdings sprach sie sich für eine Präzisierung der Wartepflicht auf die fixe Dauer von 15 Minuten aus.137 Hierdurch erhoffte sie sich eine Beseitigung von Rechtsunsicherheiten beim Wartenden, eine

131

Diese Forderung wurde auch in der Literatur erhoben, z. B. Duttge, ZStR 2001, S. 147, 154; Scholz, ZRP 1987, S. 7; zurückhaltender Böse, StV 1998, S. 509, 510. 132 41. VGT, Empfehlungen, Arbeitskreis IV, Nr. 2. 133 41. VGT, Empfehlungen, Arbeitskreis IV, Nr. 4; für eine Ausdehnung der Norm auf den fließenden Verkehr auch Schulz, ZRP 2006, S. 151. 134 Kubatta, S. 158. 135 Kubatta, S. 158 f. 136 Kubatta, S. 161. 137 Die Idee zur Einführung einer fixen Wartefrist wurde bereits 1973 von der Länderkommission diskutiert und verworfen. Siehe hierzu die Darstellung in Kapitel 6 C.

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998

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Verbesserung der Effizienz der Norm durch eine erhöhte Normklarheit und dadurch die Schaffung weiteren präventiven Potentials.138 Nach Kubattas Ansicht ist die Ausgestaltung des § 142 Abs. 4 StGB als Strafaufhebungsgrund zur Motivation und als Anreiz zur Wiedergutmachung durch den Flüchtenden erforderlich. Die Aussicht auf Straffreiheit bilde die „goldene Brücke“ zur Rückkehr in die Legalität.139 Als Argument für die Ausgestaltung der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB als persönlicher Strafaufhebungsgrund führt Kubatta einen Vergleich mit der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung nach § 371 Abs. 1 AO an. Aus überwiegend fiskalischen Gründen verzichte der Staat mit dieser Regelung auf seinen Strafanspruch, um so für den Steuerhinterzieher nachträglich einen Anreiz für eine korrekte Steuererklärung zu geben und vorenthaltene Steuern nachzuentrichten. Kubatta meint, es fehle ein Grund dafür, das fiskalische Interesse des Staates höher zu bewerten als die Vermögensinteressen eines Unfallopfers, zumal der Fiskus sich bei der Ermittlung des steuerlichen Sachverhaltes der Steuerfahndung bedienen und sich eigene Vollstreckungstitel schaffen könne. Trotz Schadenswiedergutmachung bzw. Ausgleich des Vermögensschadens fehle bei der Unfallflucht anders als bei der Steuerhinterziehung die „garantierte“ Möglichkeit der Rückkehr in die Straflosigkeit, die im Übrigen auch dem ultima-ratio-Prinzip Rechnung trage.140 Eine weitere Möglichkeit zur Entkriminalisierung der Verkehrsunfallflucht sieht Kubatta in einer Ausweitung der tätigen Reue auf alle Sachschäden, also eine Anwendung des § 142 Abs. 4 StGB unabhängig von der Schadenshöhe. Allein durch eine solche Ausweitung werde berücksichtigt, dass das Interesse des Geschädigten an seiner Beweisposition zur Sicherung seiner zivilrechtlichen Ansprüche mit steigender Schadenshöhe zunehme.141 Einen zusätzlichen Vorteil einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der tätigen Reue sieht Kubatta in der Reduzierung der Konflikte mit dem nemo-tenetur-Prinzip. Räume man dem Täter unabhängig von der Schadenshöhe bei Sachschäden die Möglichkeit der tätigen Reue ein, so erfolge zumindest durch die Erfüllung der auferlegten Nachholpflichten nach § 142 Abs. 2, 3 StGB regelmäßig keine Beeinträchtigung des Selbstbegünstigungsprivilegs, da der Täter sich nicht wegen etwaiger anderer Straftaten wie Trunkenheit im Verkehr der Strafverfolgung aussetzen müsse.142 Auch spreche die Schwierigkeit von Laien, die Schadenshöhe exakt zu beurteilen, für einen Verzicht auf das Merkmal des „nicht bedeutenden Sachschadens“. Eine weitere Erweiterung des Anwendungsbereichs der tätigen Reue auf sämtliche Unfälle, also auch auf solche im fließenden Verkehr, wird von Kubatta vorgeschlagen. Die Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten auf Täterseite 138 139 140 141 142

Kubatta, S. 161 f. Kubatta, S. 168, so auch Schulz, ZRP 2006, S. 150. Kubatta, S. 164. Kubatta, S. 165 mit Verweis auf Duttge, JR 2001, S. 181 (184/185). Kubatta, S. 166.

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

spreche für einen Verzicht auf die Differenzierung zwischen Unfällen im fließenden und ruhenden Verkehr. Dem Täter gehe es unterschiedslos darum, Straffreiheit zu erlangen. Auf Geschädigtenseite sei das Beweissicherungsinteresse bei Unfällen im fließenden Verkehr sogar höher als im ruhenden Verkehr, da die entstandenen Schäden regelmäßig größer seien.143

III. Die Idee zur Ausgestaltung des § 142 StGB zu einem Vermögensdelikt Ausgangspunkt für den Reformvorschlag Duttges war die Annahme, dass die Verkehrsunfallflucht nach § 142 StGB dem Schutz der Durchsetzung der möglichen Schadensersatzansprüche der Unfallbeteiligten diene, die entsprechende Straftat sich also allein gegen die Vermögensinteressen des Einzelnen richte.144 An diesen Befund knüpfte Duttge die Forderung, dass sich die Norm ausweislich eines vermögensspezifischen Erfolgsunwertes auch in das System des Vermögensstrafrechts einfügen müsse. Nach Duttges Auffassung fehlte es allerdings an einer ausdrücklichen Aufnahme dieses vermögensrechtlichen Bezuges, der den Unwert einer Verkehrsunfallflucht ausmache, in den Wortlaut des § 142 StGB.145 Duttge kritisierte, dass es de lege lata einer realen Vermögenseinbuße oder einer konkreten Vermögenseinbuße beim Geschädigten nicht bedürfe, sondern dass die bloße Pflichtverletzung der Unfallflucht die Strafbarkeit begründe, sodass man allgemein von einem abstrakten Vermögensgefährdungsdelikt spreche.146 Eine reale Vermögenseinbuße oder konkrete Vermögensgefährdung sei im Zeitpunkt der Flucht noch nicht gegeben, sondern erst dann, wenn feststehe, dass der Flüchtige nach Ablauf einer Besinnungsfrist die vermögensbedrohende Lage für die übrigen Unfallbeteiligten aufrechterhält, also seine Identität nachträglich nicht preisgibt und damit eine hinreichende Gewissheit für die Uneinbringlichkeit der Schadensersatzforderung vorliegt. Duttge präsentierte folgenden Alternativvorschlag zur Gestaltung eines neuen § 142 StGB:147 „(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Strassenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, 143 144 145 146 147

Kubatta, S. 167 f. Duttge, ZStrR 2001, S. 147, 151 f. und JR 2001, 181 ff.; kritisch Steenbock, S. 68 ff. Duttge, ZStrR 2001, S. 151 und JR 2001, 181. Duttge, ZStrR 2001, S.151 und JR 2001, S. 181, 182 jeweils m.w.N. Duttge, ZStrR 2001, S. 166 f., Hervorhebungen der Änderungen wie im Original.

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998

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und dadurch die Befriedigung auch nur eines Geschädigten ganz oder teilweise vereitelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht, so dass dadurch die Befriedigung mindestens eines Geschädigten ganz oder teilweise vereitelt wird. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er dem Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. (S. 2 wird gestrichen) (Abs. 4 i. d. F. des 6. StrRG wird gestrichen) (4) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.“

Für den Fall, dass auf eine Einbeziehung eines vermögensbezogenen Erfolgsunwertes in den Tatbestand des § 142 StGB verzichtet würde, sprach sich Duttge für eine Sanktionierung des unerlaubten Sich-Entfernens als Ordnungswidrigkeit aus, da der Schuldgehalt dieser Pflichtwidrigkeit für eine Kriminalstrafe zu gering sei, weil sie sich in einem Augenblicksversagen erschöpfe.148

IV. Die Verfassungsmäßigkeit des § 142 StGB Einen Ausgangspunkt für die verfassungsrechtliche Kritik an § 142 StGB bildet der Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare vel prodere.149 Dieser Grundsatz mit langer rechtsstaatlicher Tradition ist in der fair-trial-Garantie des Art. 6 EMRK und in Art. 14 Abs. 3 g IPBPR150 niedergelegt, der als innerstaatliches Verfassungsrecht gilt.151 Seine verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte im Grundgesetz sind 148

Duttge, JR 2001, S. 185. Weitere Gesichtspunkte sind der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und das ultima-ratio-Prinzip. Da diese Gesichtspunkte Gegenstand der Diskussion in den Gesetzgebungsverfahren waren, wird auf sie an dieser Stelle nicht mehr eingegangen. 150 Art. 14 Abs. 3 IPBPR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte): „Jeder wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte hat in gleicher Weise im Verfahren Anspruch auf folgende Mindestgarantien: (…) g) er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.“ 151 Weßlau, ZStW 110, S. 1. 149

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

streitig.152 In Betracht kommen insoweit die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG.153 Der nemo-teneturGrundsatz hat in § 136 Abs. 1 S. 2 StPO für den Beschuldigten und in § 55 Abs. 1 StPO für den Zeugen Aufnahme in die Strafprozessordnung gefunden. Diesem Grundsatz zufolge ist niemand verpflichtet, sich selbst wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit anzuklagen, gegen sich selbst auszusagen oder an der Aufklärung des gegen ihn erhobenen Straftat-/Ordnungswidrigkeitenvorwurfes mitzuwirken und somit an der eigenen Überführung mitzuwirken. Aus diesem Satz lassen sich somit ein umfassendes Beschuldigtenschweigerecht und ein Aussageverweigerungsrecht von Zeugen ableiten.154 Neben dieses Schweigerecht tritt die Befugnis des Betroffenen, sich auch sonst jeglicher aktiver Mitwirkung am Verfahren zu enthalten.155 Somit stellt sich das Verbot der zwangsweisen Selbstbelastung vorrangig als ein Recht zur Passivität dar.156 Aus dem Verzicht auf die Entfaltung von Aktivität folgt, dass Passivpflichten aus dem Schutzbereich dieses Grundsatzes herausfallen.157 1. Literaturansichten Mit Blick auf § 142 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 StGB werden insbesondere die dort geregelten Aktivpflichten158 kritisiert, also die Vorstellungspflicht (Pflicht, sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und die nachträglichen Meldepflichten (nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen bei berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen gemäß § 142 Abs. 3 StGB). In diesen Bestimmungen wird von Teilen des Schrifttums eine Form gesetzlichen Zwanges zu selbstbelastenden Aussagen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gesehen. Hervorgehoben wird hierbei, dass die für den nemo-tenetur-Grundsatz konstitutive Zwangslage dadurch ausgelöst werde, dass der Geschädigte aufgrund finanzieller Eigeninteressen regelmäßig die Polizei zum Zweck der Beweissicherung einschalten werde. Da der Unfallbeteiligte wisse, dass der Geschädigte regelmäßig die Polizei einschalte, entstehe für ihn bei der Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Geschädigten eine psychische Zwangslage wie bei der direkten Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden.159 Der Feststellungsberechtigte ist nach Ansicht Rucks ein „,Werkzeug‘ der Strafverfolgungsbehörden, welches – in Verbindung mit der War152

Ausführlich hierzu Schneider, S. 37 ff. Kubatta, S. 69, Schneider, S. 37 ff. 154 LR-Gössel, Einl. L V, Rn. 78 ff.; Meyer-Goßner, Einl., Rn. 29a, Schneider, S. 28 f. 155 Dietrich, S. 49; Kubatta, S. 69, Schneider, S. 28 f. 156 Rogall, S. 158, 160; Magdowski, S. 68. 157 Kubatta, S. 69 f. 158 LK-Geppert, § 142 Rn. 64; Sch-Sch-Sternberg-Lieben, § 142 Rn. 1 m.w.N.; Ruck, S. 62 ff. 159 Ruck, S. 70 f. 153

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tepflicht – mehr oder weniger unbewußt Aufgaben der Polizei wahrnimmt.“160 Ein Konflikt mit dem nemo-tenetur-Grundsatz entstehe auch deshalb, weil die Vorstellungspflicht auch gegenüber den feststellungsbereiten Polizisten zu erfüllen sei. Die nachträglichen Meldepflichten könnten aufgrund des Unverzüglichkeitsgebotes in der Regel nur noch gegenüber der Polizei erfüllt werden.161 Dies habe zur Folge, dass z. B. ein alkoholisierter Unfallbeteiligter sich gegenüber der Polizei selbst belasten müsse. Da das Delikt der Unfallflucht in einer Vielzahl von Fällen im Zusammenhang mit anderen Straftaten, vor allem Verkehrsdelikten nach §§ 315c, 316 StGB, begangen werde, befinde sich der Unfallbeteiligte häufig in der Zwangslage, seine Pflichten gemäß § 142 StGB zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für die eigene Strafverfolgung zu liefern, die in einem Straf- oder Bußgeldverfahren wegen Körperverletzungs- oder Straßenverkehrsdelikten gegen ihn verwendet werden könnten.162 Merkwürdig sei, dass anders als beim Unfallbeteiligten von einem Ladendieb jedoch nicht verlangt werde, dass er sich vor dem Verlassen des Ladens stelle und durch Nennung seiner Anschrift und durch Angaben zum Tathergang zur Tataufklärung beitrage.163 Nachdem Ruck in den Aktivpflichten des § 142 StGB einen Eingriff in das nach seiner Meinung durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG geschützte nemo-tenetur-Prinzip erkannt hat, bejaht er auch die verfassungsrechtliche Unverhältnismäßigkeit dieses Eingriffs. Zu diesem Urteil gelangt er durch eine Abwägung des privaten Beweissicherungsinteresses und des nemo-tenetur-Rechts, wobei er Ersteres als Sachgut und Letzteres als Personengut begreift. Ruck meint, dass im Vergleich der beiden Güter dem Personengut aufgrund seiner größeren Nähe zum Grundrechtskern ein indizieller Vorrang zu gewähren sei, obwohl auch das private Beweissicherungsinteresse aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG mit einem Menschenwürdegehalt versehen sei.164 Dieses Ergebnis sieht er durch die in § 34 StGB gewählte Rangfolge bestätigt, wo die Freiheit vor dem Eigentum genannt wird.165 Allerdings will er aus dem Umstand, dass das Beweissicherungsinteresse in § 142 StGB in Form eines abstrakten Gefährdungsdeliktes geschützt und damit eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes enthält, keine Wertentscheidung zugunsten dieses Rechtsguts herleiten.166 Ein Indiz für die geringere Werthaltigkeit des privaten Beweissicherungsinteresses sieht er allerdings darin, dass § 142 StGB für dieses Interesse nur einen partiellen Schutz biete, nämlich nur insoweit, als gegen das Anwesenheitsgebot und die Vorstellungspflicht verstoßen werde.167 Hinsichtlich des 160

Ruck, S. 71. Schünemann, DAR 1998, S. 424, 427; Dietrich, S. 103 ff., 135; NK-Schild, § 142 Rn. 18; Ruck, S. 74 f. 162 Kubatta, S. 11, Ruck, S. 71 f. 163 Kubatta, S. 11. 164 Ruck, S. 82. 165 Ruck, S. 83 ff. 166 Ruck, S. 88 ff., 93. 167 Ruck, S. 95. 161

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Grades der den kollidierenden Rechtsgütern drohenden Gefahr weist er darauf hin, dass bei Nichterfüllung der Aktivitätspflichten das Beweissicherungsinteresse nur wahrscheinlich, bei Erfüllung derselben das nemo-tenetur-Recht aber endgültig verletzt sei. Als die konkrete Schutzwürdigkeit beeinflussenden Aspekt stellt Ruck dann auf das Gewicht der Rechtsgutbeeinträchtigung ab, das maßgeblich bestimmt werde durch die Schwere der zu befürchtenden Beeinträchtigung in Gestalt der dem Unfallbeteiligten drohenden Strafe bzw. des drohenden Wertverlustes beim Geschädigten. Für den als typisch erkannten Grundsachverhalt gelangt Ruck zu dem Ergebnis, dass die dem Unfallbeteiligten auferlegte Geldstrafe nebst Fahrerlaubnisentziehung eine weitaus intensivere Beeinträchtigung darstelle als die Verletzung der Vermögensinteressen beim Geschädigten. Zudem laste auf dem verurteilten Unfallbeteiligten ein Strafmakel.168 Schon Rogall169 sah eine Durchbrechung der rein passiven Feststellungspflicht darin, dass es dem Unfallbeteiligten in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Pflicht gemacht werde, sich als solcher zu offenbaren und in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB nachträglich die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, indem er seine Anschrift, seinen Aufenthalt und das Kennzeichen sowie den Standort des Fahrzeugs der Polizei mitteile. Rogall erblickte in diesen gesetzlichen Pflichten eine Pflicht zur aktiven Mitwirkung an der eigenen Strafverfolgung und damit einen verfassungswidrigen Verstoß gegen das nemo-tenetur-Prinzip.170 Die geforderte aktive Mitwirkung sei dem Unfallbeteiligten auch nicht zumutbar, denn dem mit Verfassungsrang ausgestatteten nemo-tenetur-Prinzip (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 3 g IPBPR) stehe als schützenwertes Rechtsgut lediglich ein privates Feststellungsinteresse gegenüber.171 Auch Arzt172 sieht in der Pflicht des Straftäters, seine Tat der Polizei zu melden, sich bei der Polizei zu stellen oder dem Opfer bezüglich seiner Schadensersatzansprüche seine Personalien anzugeben, eine „Absurdität“, die dem deutschen Strafrecht, das keinen strafbewehrten Zwang zur Selbstbelastung kenne, fremd sei. Nach Ansicht von Arzt wäre es ein „Rückfall in eine Gedankenwelt, in der man die Folter legal und legitim angesehen hat“, würde man den Verdächtigen unter Strafdrohung dazu zwingen, aktiv an seiner eigenen Überführung mitzuwirken.173 Im Standardkommentar zum Grundgesetz von Maunz/Dürig wird der Regelung der Unfallflucht in § 142 StGB ebenfalls ihre Verfassungswidrigkeit bescheinigt. 168

Ruck, S. 99 f. Rogall, S. 163 f. 170 Rogall, S. 163 f.; so auch Schünemann, DAR 1998, S. 425. 171 Rogall, S. 164, kritisch hierzu Schneider, S. 43 ff.; zur (Un-)Angemessenheit des Grundrechtseingriffs ausführlich Ruck, S. 75 ff. 172 Arzt, in: Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil, S. 105 Rn. 329 ff. 173 Arzt, in: Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil, S. 105 Rn. 330 ff.; zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der Bestimmung gelangt auch Schild, in: Kindhäuser u. a., § 142 Rn. 20; ebenso Schünemann, DAR 1998, S. 424, 428; Dietrich, S. 103 ff., 135 f. 169

F. Kritik an der Neuregelung und Reformdiskussion nach 1998

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Herdegen174 leitet den Schutz vor Selbstbezichtigung eines Beschuldigten aus der Achtung seiner Menschenwürde ab.175 Diese alleinige Herleitung aus der Menschenwürde gemäß Art. 1 GG hat die Konsequenz einer nahezu schrankenlosen Gewährleistung. Zum Schutz gewichtiger Belange Dritter und der Allgemeinheit dürften auch zur Selbstbelastung führende Aussagen nur dann verlangt werden, wenn sie nicht zu Strafverfolgungszwecken verwendet werden dürften. Außer der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 142 StGB wird teilweise erwogen, als Rechtsfolge einer erzwungenen Selbstbezichtigung ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen, wie es in der Gemeinschuldnerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts für strafrechtlich relevante, selbstbelastende Auskünfte im Konkursverfahren angenommen worden ist.176 Die hiergegen gerichtete Kritik weist vor allem auf die mit einem Beweisverwertungsverbot verbundene Fernwirkungsproblematik hin und befürchtet eine Einschränkung der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Zudem werden Abgrenzungsschwierigkeiten insoweit gesehen als unklar bleibe, welches Beweismaterial unter Verstoß gegen § 142 StGB erlangt worden sei und welches nicht.177 Überwiegend wird der Vorstellungspflicht des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB jedoch ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit attestiert.178 Hierzu weist Schneider179 darauf hin, dass aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Rezeption durch Art. 20 Abs. 3 GG der nemo-tenetur-Grundsatz als verfahrensrechtlicher Grundsatz allein in einem staatlichen Beweisverfahren gelte. Schneider hebt hervor, dass das Eintreffen der Polizei am Unfallort in vielen Fällen nicht abgewartet werden müsse, „sofern der Unfallgegner durch kooperatives Zusammenwirken mit dem Schädiger über hinreichende Informationen zur effektiven Verfolgung seiner zivilrechtlichen Ersatzansprüche verfüg(e).“180 Da somit die Polizei nicht notwendigerweise eingeschaltet werden müsse, laufe die Erfüllung der in § 142 Abs. 1 StGB normierten Pflichten nicht zwangsläufig oder regelmäßig auf ein staatliches Beweisverfahren hinaus. Der nemo-tenetur-Grundsatz sei folglich nicht verletzt. Zopfs räumt im Anschluss an die Gemeinschuldner-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts181 ein, dass ein Schutz gegen Selbstbezichtigungen nicht auf strafrechtliche und ähnliche Verfahren beschränkt sei, also grundsätzlich auch dort 174

Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1 Rn. 86. A.A. Starck, in: von Mangold/Klein, Art. 1 Rn. 56. 176 Reiß, S. 203 im Anschluss an BVerfGE 56, S. 37. 177 Ausführlich hierzu Schneider, S. 142; Geppert, BA 1986, S. 163. 178 MK-Zopfs, § 142 Rn. 63; Kühl, § 142 Rn. 2; Jagusch, NJW 1975, S. 1631, Arloth, GA 1985, S. 492, 494; Schneider, S. 137; Verrel, S. 93, Weigend, S. 768. 179 Schneider, S. 45 ff., 49. 180 Schneider, S. 147; so auch Weigend, S. 768. 181 BVerfGE 56, S. 37 ff. 175

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

gelten könne, wo eine Auskunftsverpflichtung nur der Sicherung der zivilrechtlichen Beweislage diene. Entscheidend sei jedoch, dass kein Zwang zur Offenbarung einer strafbaren Handlung erzeugt werde. Zudem komme es darauf an, ob und in welchem Umfang andere auf die Aussage angewiesen seien. Da sich die Vorstellungspflicht auf den Hinweis beschränke, Unfallbeteiligter zu sein, mit der eine Offenbarung eines strafbaren Verhaltens nicht verbunden sei und auch nicht gefordert werde, sei die Norm verfassungsgemäß. Nicht ausreichend sei, dass der Unfallbeteiligte Verdachtsmomente für eine Strafbarkeit liefere.182 Zopfs ist der Ansicht, dass die Gefahr, selbst die Voraussetzungen für die eigene Strafverfolgung zu liefern, nicht aus der Vorstellungspflicht herrühre, sondern aus der (passiv zu erfüllenden) Anwesenheitspflicht am Unfallort.183 Anders als Zopfs entwickelt Geppert aus der Problematik, dass durch die Aktivpflichten häufig ein mittelbarer Zwang zur Selbstbelastung auch gegenüber staatlichen Strafverfolgungsorganen eintreten könne, ein Gebot verfassungskonformer Auslegung der betroffenen Aktivpflichten dahingehend, dass die Meldepflichten des Unfallbeteiligten nicht zwingend auf die Einschaltung der Polizei hinauslaufen dürften.184 Ergänzend weist er darauf hin, dass die Neuregelung der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB mit der Möglichkeit der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe zu einer Entschärfung der verfassungsrechtlichen Problematik geführt habe. 2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Vereinbarkeit der jeweiligen Fassung des § 142 StGB mit dem Grundgesetz war Gegenstand von zwei Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht stellte jeweils die Vereinbarkeit des § 142 StGB mit dem Grundgesetz fest. Der Beschwerdeführer im ersten Verfahren185 sah in § 142 StGB der damals geltenden Fassung, der im Gegensatz zu der seit 1975 geltenden Fassung noch keine aktiven Pflichten enthielt, ein Verbot der ansonsten straflosen Selbstbegünstigung und ein Gebot zur Selbstanzeige. Er trug vor, eine solche Vorschrift verstoße gegen die in Art. 20 GG geschützte verfassungsmäßige rechtsstaatliche Ordnung. Nach seiner Ansicht verletze das unter Strafandrohung erzwungene Gebot, sich wegen einer strafbaren Handlung selbst den Strafverfolgungsbehörden zu überliefern, die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG, indem der Mensch dadurch zu 182

MK-Zopfs, § 142 Rn. 63; so auch Weigend, S. 768. MK-Zopfs, § 142 Rn. 63; zustimmend LK-Geppert, § 142 Rn. 64. 184 LK-Geppert, § 142 Rn. 64; ähnlich Reiß, NJW 1980, S. 1806, der §142 StGB so verstanden wissen will, dass die Anzeige bei der Strafverfolgungsbehörde nur als ultima ratio verlangt werden darf; so auch Magdowski, S. 69; kritisch Schünemann, DAR 1998, S. 425, 428, Ruck, S. 104 ff., 107. 185 BVerfGE 16, S. 191, 192. 183

G. Die Einschränkung der Strafbarkeit wegen Unfallflucht

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einem bloß befehlsempfangenden Objekt herabgewürdigt werde.186 Die Verfassungsrichter stellten zunächst dar, dass die Wartepflicht unabhängig von einem ziviloder strafrechtlich vorwerfbaren Verschulden bestehe. Zudem verlange die Norm nicht, dass die erforderlichen Feststellungen durch die Strafverfolgungsorgane getroffen werden müssten. Außerdem sei der Norm keine Unfallanzeigepflicht zu entnehmen. Das höchste Gericht urteilte, dass weder das Rechtsstaatsprinzip noch die Menschenwürde durch die Regelung des § 142 StGB verletzt seien. Es räumte ein, dass die Vorschrift sich als begrenztes Verbot der Selbstbegünstigung auswirke. Allerdings lasse sich aus dem Rechtsstaatsprinzip kein Satz des Verfassungsrechts herleiten, demzufolge die Selbstbegünstigung als Ausfluss der persönlichen Freiheit straflos oder darüber hinaus immer erlaubt sein müsse. Vielmehr zeigten die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr, dass die Rechtsordnung die Selbstbegünstigung nicht immer billige. Sofern der Täter durch die Begünstigungshandlung andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzte, sei sie sogar strafbar. Weiter meinte das Gericht, der Staatsbürger werde nicht entwürdigt, wenn die Rechtsordnung von ihm verlange, für die Folgen seines menschlichen Versagens einzustehen und die Aufklärung der Unfallursachen wenigstens nicht durch die Flucht zu erschweren oder gar zu vereiteln.187 Auch in einem neueren Beschluss, der die seit 1998 geltende Normfassung zum Gegenstand hatte, stellte das Bundesverfassungsgericht erneut die Verfassungsmäßigkeit des § 142 StGB fest.188 Es schloss sich der Entscheidung BVerfGE 16, S. 191 an. Das Gericht deutete lediglich an, dass der nemo-tenetur-Grundsatz im Zusammenhang mit dem Selbstbegünstigungsprinzip bestimmen könne, dass dem Unfallbeteiligen bei der Frage, wem gegenüber (Unfallgegner oder Polizei) er die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen habe, ein Wahlrecht zuzubilligen sei.

G. Die Einschränkung der Strafbarkeit wegen Unfallflucht durch das Bundesverfassungsgericht Im Jahr 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht die Frage zu klären, ob die Erstreckung der Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB (unverzügliches nachträgliches Ermöglichen der Feststellungen nach berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen) auf Fälle des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort gegen das strafrechtliche Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG verstoße.189 186

BVerfGE 16, S. 192. BVerfGE 16, S. 191, 194; dem folgend Starck, in: von Mangoldt/Klein, Art. 1 Rn. 55. 188 BVerfG vom 16. 03. 2001, 2 BvR 65/01, BeckRS 2001, 30168011. 189 BVerfG, Beschluss vom 19. 03. 2007 – 2 BvR 2273/06 = NJW 2007, S. 1666; siehe auch die zustimmende Urteilsanmerkung von Küper, NStZ 2008, S. 597 ff. 187

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7. Kap.: Reformdiskussion nach der Neufassung im Jahr 1975

Das Gericht hatte einen Fall zu beurteilen, in dem der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug beim unerlaubten Überholen im Baustellenbereich Rollsplitt aufgewirbelt hatte, wodurch beim überholten Fahrzeug ein Schaden in Höhe von 1.900 Euro verursacht wurde. Der Fahrer des beschädigten Fahrzeugs verfolgte den Beschwerdeführer zu einer 500 Meter entfernt gelegenen Tankstelle, wo er ihn auf den Unfall hinwies. Der Beschwerdeführer leugnete den Überholvorgang und entfernte sich. Die nachträglichen Feststellungen nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB ermöglichte er nicht. Dem Beschwerdeführer konnte nicht nachgewiesen werden, den Unfall bemerkt zu haben. Die Verfassungsrichter sahen sich durch die Grenze des möglichen Wortsinns der Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ daran gehindert, auch das unvorsätzliche Sich-Entfernt-Haben unter § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu subsumieren.190 Sie traten damit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegen, der im Jahr 1978 entschieden hatte, dass die Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ „keineswegs formal-dogmatisch auf die allgemein anerkannten strafrechtlichen Rechtfertigungsoder Entschuldigungsgründe beschränkt“ seien. Der Bundesgerichtshof stützte seine Entscheidung damals auf die Nähe der Begriffe „entschuldigt und unvorsätzlich“ in der Alltagssprache.191 Demgegenüber betonte das Bundesverfassungsgericht nun die auch in der Alltagssprache vorhandene Differenzierung zwischen unvorsätzlichem, im Sinne von nicht absichtlichem Handeln, und andererseits von berechtigten oder entschuldigten Verhaltensweisen, die im Einklang mit dem Recht stünden oder aus höherrangigen Gründen hinzunehmen seien.192 Nach dem für die Auslegung maßgeblichen möglichen Wortsinn, wie er sich aus dem Gesetzeskontext erschließe, kennzeichneten die Begriffe „berechtigt und entschuldigt“ einen Sachverhalt, der an das in § 142 Abs. 1 StGB beschriebene Geschehen anknüpfe. Dies bedeute, dass derjenige, der sich als Unfallbeteiligter an einem Unfallort befinde und demnach die erforderlichen Feststellungen ermöglichen müsse, sich unter bestimmten Umständen, die durch die Begriffe „berechtigt oder entschuldigt“ näher bestimmt seien, entferne. Dann aber müsse er die Feststellungen nachträglich ermöglichen. Nach Ansicht der Verfassungsrichter geht das unvorsätzliche Sich-Entfernt-Haben über diesen Sinngehalt hinaus, „da es die normative Wertung, unter welchen Voraussetzungen das SichEntfernen zulässig ist, zugunsten einer empirischen Tatsache – der Kenntnis vom Unfallgeschehen – ausblendet“.193 Erläuternd fügte das Gericht hinzu: „Auf Grund ihres normativen Gehalts können die Begriffe ,berechtigt oder entschuldigt‘ nicht in einem nicht-normativen Sinne ausgelegt werden. Wer sich ,berechtigt oder ent-

190 BVerfG NJW 2007, S. 1666 ff.; zustimmend Geppert, DAR 2007, S. 380 ff.; Küper, NStZ 2008, S. 597 ff. 191 BGH NJW 1979, S. 434 ff. 192 BVerfG NJW 2007, S. 1667. 193 BVerfG NJW 2007, S. 1667.

G. Die Einschränkung der Strafbarkeit wegen Unfallflucht

181

schuldigt‘ vom Unfallort entfernt, handelt objektiv und subjektiv unter ganz anderen Voraussetzungen als derjenige, der das mangels Kenntnis vom Unfallgeschehen tut.“194

Eine weitere Basis der Argumentation fand das Bundesverfassungsgericht in historischen Auslegungsgesichtspunkten. Es wies hierzu darauf hin, dass es dem Gesetzgeber darauf ankam, „auch nachträgliche Feststellungen zu ermöglichen, wenn sich ein Beteiligter ausnahmsweise vom Unfallort entfernen durfte“. Der Gesetzgeber habe dies damit begründet, dass von dem Unfallbeteiligten „ein gewisses Maß an Mitwirkung gefordert werden“ könne, „wenn ihm die Rechtsordnung das Sich-Entfernen ermögliche“.195 Nach Ansicht der Verfassungsrichter steht eine ausdrückliche und ausnahmsweise Erlaubnis, sich zu entfernen, nicht im Einklang mit einer Auslegung des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die jegliches straflose Sich-EntferntHaben unter die Norm fasst.196

194

BVerfG NJW 2007, S. 1667. BVerfG NJW 2007, S. 1667. 196 BVerfG NJW 2007, S. 1667; zu den historischen Grundlagen siehe vorstehend 6. Kapitel, C. II. 1. b). 195

Achtes Kapitel

Zusammenfassung und Würdigung A. Zusammenfassung Die erste reichsgesetzliche Regelung der Führerflucht ist im Jahr 1910 mit § 22 KFG in Kraft getreten. Sie ist also etwas mehr als 100 Jahre alt. Vorläufer dieser Regelung fanden sich im Seerecht und seit dem Jahr 1899 in territorial beschränkt geltenden Polizeiverordnungen der Bundesstaaten. Zur länderübergreifenden Vereinheitlichung der letztgenannten Verordnungen diente § 18 Abs. 7 der Grundzüge des Bundesrates von 1906. Die Normierung einer Wartepflicht des Fahrzeugführers im Anschluss an einen Zusammenstoß eines Kraftfahrzeugs mit Personen oder Fuhrwerken u. Ä. und die Pflicht, auf Verlangen den Namen sowie den Wohnort anzugeben, waren wesentlicher Inhalt dieses Übertretungstatbestandes. Eine Regelung der Fahrerflucht war im Kraftfahrzeuggesetz zunächst nicht vorgesehen gewesen. Ursprünglich war das Kraftfahrzeuggesetz als reines Haftpflichtgesetz zur Regelung der Haftpflicht wegen Unfällen im Kraftfahrzeugverkehr geplant. Die Reichsregierung hatte eine Fahrerfluchtregelung zunächst für überflüssig gehalten, nachdem die Kennzeichnungspflicht für Kraftfahrzeuge eingeführt und damit die Flucht erschwert worden war. In der Folgezeit setzte sich aber die Auffassung durch, dass die bis dahin geltenden landesgesetzlichen Regelungen nur teilweise zur Verringerung der Gefahren durch den Automobilverkehr beigetragen hätten. Weiterhin bestehe eine große Häufigkeit von Automobilunfällen. Zwar seien durch die streng durchgeführte Kennzeichnung die Fluchtversuche reduziert worden, dagegen sei die Zahl der Unfälle proportional zum Fahrzeugbestand gestiegen. Seitens der Bevölkerung bestehe weiterhin Erregung über die mit dem Automobilverkehr verbundenen Gefahren und es werde die Einführung wirksamer Maßregeln zur Verhütung von Unfällen und eine Verschärfung der Schadenshaftung wie auch der Strafen für Verkehrsdelikte gefordert. Mit § 22 KFG wurde eine Regelung in Gestalt eines Vergehenstatbestandes geschaffen, die es dem Führer eines Kraftfahrzeuges verbot, sich nach einem Unfall der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen. Straflos sollte der Fahrzeugführer bleiben, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tag nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattete und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkte.

A. Zusammenfassung

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Mit der Regelung wurde ein umfassendes Fluchtverbot geschaffen. Möglicher Täter war der Führer des Kraftfahrzeugs. Die Fahrerflucht war als Unternehmensdelikt ausgestaltet. Als Ausgleich für diese Ausdehnung der Strafbarkeit existierte die Möglichkeit der Straflosigkeit bei Anzeigeerstattung mit Bewirkung der Feststellung des Fahrzeugs und der Person am nächsten Tag bei einer inländischen Polizeibehörde. Eine Regelung der tätigen Reue wurde damals mit Blick auf den Zweck der Norm, die Identifizierung des Fahrers und seines Fahrzeugs zu ermöglichen, als sinnvoll erachtet. Als Strafgründe wurden die verwerfliche Gesinnung, die sich durch die rücksichtslose Fortsetzung der Fahrt offenbare, und das Interesse der Allgemeinheit an der Feststellung des Kraftfahrzeuges, seines Führers und Halters genannt. Als Zweck der Regelung wurde auch die Sicherung der Haftpflichtbestimmungen genannt, da die Feststellung des Führers dem Geschädigten die Inanspruchnahme des Schädigers ermögliche. In der Norm fehlte die Festlegung desjenigen, zu dessen Gunsten die Feststellungen bewirkt werden sollten, also des Feststellungsberechtigten. Das Kraftfahrzeuggesetz scheint Wirkung gezeigt zu haben; die Unfallfluchtquote sank von vorher rund 10 auf anschließend 5 Prozent. Die Idee der Einführung einer Zwangsgenossenschaft der Kraftfahrzeugbesitzer zum Zweck der Sicherung der Schadensersatzansprüche der Fahrerfluchtgeschädigten konnte sich in der Diskussion um das Kraftfahrzeuggesetz nicht durchsetzen, obwohl sie sowohl in der Fachpresse als auch von Sachverständigen begrüßt worden war. Als Gegenargumente wurden seitens der Regierung insbesondere technische Schwierigkeiten, immenser Verwaltungsaufwand und das Fehlen entsprechender statistischer Unterlagen angeführt. Auch angesichts sinkender Unfallzahlen verliere das mit der Zwangsgenossenschaft verfolgte Ziel, einen zahlungskräftigen Schuldner zu gewinnen, an Bedeutung. Die Entscheidung für die Einzelhaftung des Fahrers bzw. Halters des Kraftfahrzeuges hatte zur Folge, dass der Schadensersatzgläubiger eines Verkehrsunfalls zur Durchsetzung seines Anspruchs auf die Feststellung der Person des Fahrers und/oder Halters angewiesen war. Somit war eine Regelung erforderlich, die den Fahrer verpflichtete, am Unfallort zu verweilen, um so die erforderlichen Feststellungen zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zu ermöglichen. In den anschließenden Strafrechtsreformbestrebungen bis 1933 wurde die Regelung der Fahrerflucht nicht berücksichtigt. Bei der Einarbeitung der Nebengesetze, zu denen das Kraftfahrzeuggesetz gehörte, in das Strafgesetzbuch befürchtete man, dass die speziellen Regelungen der Nebengesetze mit dem allgemeinen Charakter eines Strafgesetzbuches nicht vereinbar seien. Die Einbeziehung der Nebengesetze würde den Umfang des Strafgesetzbuches anschwellen lassen und es mit fremdartigen Materien vermischen. Als weitere nachteilige Folge sah man den mit der Prüfung einer Einbeziehung verbundenen zeitlichen Aufwand an. Noch hatte sich die Motorisierung nicht so weit ausgedehnt, dass man in dem Straftatbestand der Fahrerflucht eine Norm sah, die für den überwiegenden Teil der Bevölkerung bedeutsam

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8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

werden könnte. Lediglich die Autoren des Gegenentwurfs zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches von 1911 hatten die Einarbeitung der „Flucht des Führers eines Kraftfahrzeuges“ (§ 194 GE) in das Strafgesetzbuch vorgesehen. Die bereits in § 22 KFG zum Ausdruck gekommenen Bestrebungen nach einem umfassenden Fluchtverbot wurden vom nationalsozialistischen Gesetzgeber intensiviert. Im Jahr 1936 legte die amtliche Strafrechtskommission im Entwurf 1936 als § 355 eine geänderte Fassung des § 22 KFG vor, die sich nun auf alle Verkehrsteilnehmer erstreckte. Der nationalsozialistische Gesetzgeber verstand die Unfallflucht als schwerwiegenden Verstoß gegenüber der Volksgemeinschaft, hier in Form einer Verkehrsgemeinschaft. Bei einem Unfall gehe das Interesse der Verkehrsgemeinschaft dahin, dass die Ursachen eine möglichst erschöpfende Aufklärung fänden, damit die etwa erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen (Ausschaltung schadhafter Fahrzeuge aus dem Verkehr, Entziehung der Fahrerlaubnis usw.) getroffen, etwaige strafbare Handlungen „zum Schutz der Volksgemeinschaft, zur Sühne der Tat und zur Festigung des Willens zur Gemeinschaft“ geahndet und zivilrechtliche Ansprüche nach den Geboten der Gerechtigkeit befriedigt würden. Da der nationalsozialistische Gesetzgeber mit der Novellierung des § 22 KFG nicht auf die umfassende Reform des Strafrechts im Sinne nationalsozialistischer Ideologie warten wollte, fügte er 1940 durch die „Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen“ die Verkehrsunfallflucht als § 139a in das RStGB ein. Mit § 139a RStGB hatte die Fahrerflucht also erstmals Aufnahme in das Strafgesetzbuch gefunden, was mit der Erweiterung des Täterkreises auf alle Verkehrsteilnehmer begründet wurde. War nach der früheren Regelung des § 22 KFG nur der Führer eines Kraftfahrzeugs möglicher Täter, so war nun jeder Unfallbeteiligte mögliches Tatsubjekt, denn zum Zweck der Wahrung der Verkehrsgemeinschaft waren alle Verkehrsteilnehmer berufen, die für die Verursachung des Unfalls in Frage kamen. Für den erweiterten Tatbestand genügte wahlweise, dass der Täter sich der „Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall“ entzog. Allerdings wurde eine Feststellungspflicht im Sinne einer Offenbarungs- oder Meldepflicht abgelehnt und dies damit begründet, dass selbst bei schwereren Delikten keine Rechtspflicht zur Anzeige bestehe, da es an ihrer Durchsetzbarkeit mangele. Einer solchen Anzeigepflicht komme es aber gleich, würde man die Anzeige einer möglicherweise gegebenen Beteiligung verlangen. Weiterhin blieb die Versuchsstrafbarkeit bestehen. Die Strafbefreiungsmöglichkeit für eine nachträgliche Meldung als tätige Reue fiel weg. Dies wurde damit begründet, dass man nicht die alkoholisierten Täter begünstigen wollte, die die Tagesfrist zur Ausnüchterung genutzt hatten. Die Unfallflucht wurde mit einer hohen Strafandrohung belegt. Der Gesamtstrafrahmen reichte von drei Mark Geldstrafe bis zu 15 Jahren Zuchthaus. Der Unrechtsgehalt der Verkehrsunfallflucht wurde als sehr hoch angesehen. Sie wurde als einer der schwersten Verstöße gegen die Gemein-

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schaftspflichten der Verkehrsteilnehmer angesehen; das Verschulden des Flüchtenden sei höher angesiedelt als dasjenige des Unfallverursachers. Durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz von 1953 wurde § 139a RStGB ohne inhaltliche Modifikationen als § 142 StGB nummeriert. Diese Vorschrift blieb über zwanzig Jahre geltendes Recht. Die Einführung einer einheitlichen Freiheitsstrafe bewirkte lediglich die Änderungen der Strafandrohungen. Mit dem Aufblühen der Wirtschaft und der fortschreitenden Motorisierung in der Nachkriegszeit und in den Fünfzigerjahren erlangte das Delikt der Verkehrsunfallflucht zunehmende Bedeutung. Aufgrund schlechter Straßenverhältnisse und mangelnder Verkehrsdisziplin kam es zu einem stetigen und erheblichen Anstieg der Verkehrsunfallzahlen. Diesem misslichen Zustand versuchten Rechtsprechung und Lehre auch dadurch zu begegnen, dass sie den Zweck des Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht weit fassten und zusätzlich den Tatbestand der Unfallflucht weit auslegten. Den Zweck des Tatbestandes sah man in den Nachkriegsjahren zunächst noch darin, im öffentlichen Interesse die Aufklärung von Verkehrsunfällen zu erleichtern und der Gefahr des Beweisverlustes entgegenzuwirken und auf diese Weise mittelbar zur Sicherheit des Straßenverkehrs und der Rechtspflege beizutragen. Nach damals herrschender Auffassung war das Interesse jedes Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zwecks Klarstellung der privat- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit geschützt. Daneben kam aber auch das öffentliche Interesse daran in Betracht. Die Bestrafung der Verkehrsunfallflucht wurde als eine Maßnahme angesehen, die die Aufklärung von Verkehrsunfällen erleichtern und zukünftige Unfälle verhindern helfen sollte. Folgen dieser Erweiterungstendenzen in der Rechtsprechung waren die Einführung einer Wartepflicht, einer Rückkehrpflicht und eines Anzeigegebots. Eine Wartepflicht wurde entgegen der Rechtsprechung des Reichsgerichts nun selbst in Fällen angenommen, in denen niemand am Unfallort anwesend war, der die Feststellungen treffen konnte. Schließlich verwandelte die Rechtsprechung das Fluchtverbot in ein Anzeigegebot in Fällen, in denen die Rückkehr an den Unfallort zwecklos war, weil niemand am Unfallort war, der die Feststellungen treffen konnte, oder sofern diese nicht mehr möglich waren. Der Täter hatte fortan den Unfall bei der Polizei zu melden. Die Erfüllung der Hilfeleistungspflicht in Unglücksfällen sollte den Täter in Zukunft lediglich berechtigen, den Unfallort vorübergehend zu verlassen. Nach erfolgter Hilfeleistung wurde von ihm jetzt die Rückkehr an den Unfallort verlangt. Einen Wandel in der Auslegung der Norm der Verkehrsunfallflucht leiteten eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und ein richtungsweisender Aufsatz des bremischen Staatsanwalts Dünnebier ein. Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte geurteilt, dass die Sicherung der Feststellung von bloßen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften allein zu strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Zwecken nicht von § 139a StGB erfasst werde. Voraussetzung

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8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

für eine Anwendbarkeit der Norm sei zumindest das Vorliegen eines Unfalls. Der Bundesgerichtshof entschied im Anschluss an diese Entscheidung, dass derjenige nicht der Feststellungspflicht aus § 142 StGB unterliege, der durch einen von ihm selbst verursachten Verkehrsunfall ausschließlich selbst Schaden erlitten habe, sodass Rechtsbeziehungen zu Dritten nicht in Frage kämen. Der BGH führte dazu aus, dass die Bejahung einer passiven Feststellungspflicht des Betroffenen in einem solchen Fall auf ein Gebot der Selbstanzeige hinausliefe, das der deutschen Rechtsprechung fremd und in § 142 StGB nicht enthalten sei. Dünnebier ging noch einen Schritt weiter als der Bundesgerichtshof. Er meinte, dass das bloße Sichentziehen gegenüber strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Folgen eines vom Täter verursachten Verkehrsunfalls auch dann nicht bestraft werden sollte, wenn durch den Verkehrsunfall nicht nur der Täter allein, sondern auch ein Dritter geschädigt worden war. Dünnebier gelangte zu der Erkenntnis, dass bei Ausschaltung der Interessen der Strafverfolgung und Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen allein der Schutz des Geschädigten als zu sicherndes Rechtsgut übrig bleibe. Eine grundlegende Reform erfuhr der Tatbestand des §142 StGB erst mit dem Ende der Großen Strafrechtsreform im Jahr 1975. Von zentraler Bedeutung für die Ausgestaltung des Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht, der weiterhin im Strafgesetzbuch und nicht im Nebenstrafrecht geregelt werden sollte, war die Frage nach dessen gesetzgeberischer Motivation. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH wurde überwiegend die Auffassung vertreten, § 142 StGB diene ausschließlich dazu, privatrechtliche Entschädigungsansprüche zu sichern. Von den Vertretern des Bundesverkehrsministeriums wurde aber gefragt, ob es aus kriminalpolitischen Gründen Ausnahmen von dem Grundsatz geben müsse, dass die Selbstbegünstigung straflos sei. Man meinte, ein solcher Ausnahmefall sei für die Verkehrsunfallflucht gerechtfertigt. Angesichts von jährlich 12.000 Unfalltoten im Straßenverkehr sei es unerträglich, wenn darauf verzichtet würde, dem Staat die Möglichkeit zu geben, die Feststellungen zu treffen, die nach einem Verkehrsunfall erforderlich seien, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Sicherung privater Interessen des Geschädigten oder seiner Erben, sondern auch im Interesse der „Ausmerzung“ ungeeigneter Kraftfahrer und Fahrzeuge. Die Versuchsstrafbarkeit war mehrmals Gegenstand der Beratungen. Die Gegner einer Versuchsstrafbarkeit meinten, dass der Zeitpunkt der Vollendung schon recht früh ansetze, indem im Tatbestand auf das Entfernen als dynamischer Akt abgestellt werde. So sei bereits das Losfahren ein Sich-Entfernen. Man sah die Gefahr, dass das Verhalten eines Unfallbeteiligten missdeutet werde und irgendwelche Bewegungen oder Handlungen als Versuchsakte angesehen würden. Das Merkmal des triftigen Grundes wurde im Lauf der Beratungen durch die Formulierung ersetzt „zur Wahrnehmung eines schutzwürdigen Interesses“. Ein Anschlussproblem war, ob man demjenigen, der sich zur Wahrnehmung eines schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und anschließend den Unfall

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angezeigt hatte, fakultativ oder obligatorisch eine Strafbefreiung zuteilwerden lassen sollte. Bei einer nur fakultativen Strafmilderung wurde befürchtet, dass dies den Täter dazu verleiten würde, den Unfall später nicht anzuzeigen, da er das Risiko der Nichtentdeckung nach erfolgreichem Entfernen gegen die Möglichkeit der Bestrafung abwäge. Mit der Neuregelung 1975 hieß der Straftatbestand nun „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“. Auf eine abwertende Überschrift wie „Verkehrsflucht“, die die Mitberücksichtigung der sozial-ethisch besonders verwerflichen Gesinnung des Täters nahelegte, wurde verzichtet. Mit dieser Überschrift sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass das Merkmal der Flucht aufgegeben wurde. Das Merkmal der Flucht wurde aufgegeben, weil diese ihrem Wortsinn nach die Anwesenheit einer anderen Person voraussetze, der sich der Fliehende entziehe. In der Neufassung des Tatbestandes war die Versuchsstrafbarkeit entfallen, weil man ihr im Rahmen der Verkehrsunfallflucht keine besondere Bedeutung beimaß. Auch wurde der Abschreckungseffekt gering eingestuft. Eine oft beratene Frage war die Einführung eines Strafantragserfordernisses. Ein solches lag nahe, nachdem überwiegend der Zweck der Norm in der Klärung und Sicherung privatrechtlicher Ansprüche gesehen wurde. Dagegen wurde jedoch eingewandt, dass damit der Tatbestand bagatellisiert und die Grundforderung, am Unfallort zu bleiben, geschwächt würde. Viele könnten durch die Erwägung, mit dem Verletzten später einen finanziellen Ausgleich zu finden, und damit die Rücknahme des Strafantrages und somit die völlige Straffreiheit zu erreichen, zum Entfernen vom Unfallort zusätzlich animiert werden. Durch die Norm wurde die von der Rechtsprechung entwickelte Wartepflicht Gesetz. Mit der Reform entfielen die Regelungen für besonders schwere Fälle, weil die Strafandrohungen überhöht erschienen. Das Feststellungsinteresse der Unfallbeteiligten und Geschädigten könne eine Strafe, die für Taten der Hochkriminalität vorbehalten sei, nicht rechtfertigen. Auch weiterhin sollten Bagatellschäden vom Tatbestand umfasst werden, um eine Aufweichung des Normbefehls zu verhindern und Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Aus dem Umstand, dass die Feststellungen entsprechend dem Wortlaut der Norm „zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten“ ermöglicht werden mussten, ergab sich, dass der Gesetzgeber den Schutz des privaten Feststellungsinteresses als vorrangiges Ziel der Norm ansah. Schließlich wurde eine nachträgliche Feststellungspflicht bei berechtigtem, entschuldigtem oder sonstigem berechtigten Entfernen eingeführt.

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8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

Unverändert hohe Unfallfluchtzahlen, besonders im Bereich der Sachschadenunfälle, waren in den Achtziger- und Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts immer wieder Antrieb, über eine Veränderung des § 142 StGB nachzudenken. Dabei rückte die Verbesserung des von § 142 StGB intendierten Schutzes privatrechtlicher Interessen der Unfallbeteiligten in das Zentrum der nun folgenden Entwicklungen. Impulse gingen dabei von den Verkehrsgerichtstagen aus. Im Jahr 1986 griff der Gesetzesantrag des Landes Berlin die Vorschläge der Verkehrsexperten auf, wonach der Flüchtende nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden im ruhenden Verkehr durch nachträgliche Meldung der Unfallbeteiligung Straflosigkeit erlangen können sollte. Dieser Gesetzesantrag scheiterte jedoch an dem Bedenken, dass die Einführung der Möglichkeit einer tätigen Reue von den Verkehrsteilnehmern missverstanden werden könnte. Man befürchtete, die Verkehrsteilnehmer würden die Norm als Aufforderung begreifen, zumindest zunächst den Unfallort zu verlassen. Entkriminalisierungsbemühungen lagen auch dem Gesetzesvorschlag des Landes Hessen vom 9. Juni 1993 zugrunde. Diese Reformbestrebungen mündeten in die bislang letzte Änderung des § 142 StGB durch das 6. StrRG von 1998 mit einer Regelung der tätigen Reue. Der Bundesrat hatte die Einführung eines Absatzes 3 a vorgeschlagen, mit dem Strafmilderungsgründe oder ein Absehen von Strafe in die Norm eingeführt werden sollten für Sachschadenfälle außerhalb des fließenden Verkehrs. Mit diesem Vorschlag wollte man dem Täter eine „goldene Brücke“ bauen, wenn er in angemessener Zeit von 24 Stunden die erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglichte. Die Einbeziehung auch von bedeutenden Sachschäden in den Anwendungsbereich der Norm wurde jedoch als problematisch angesehen. Dies beruhte auf dem Spannungsverhältnis zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, der die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Verurteilungen nach § 142 StGB in der Regel vorsieht, wenn an fremden Sachen ein bedeutender Schaden entstanden ist. Nicht durchgesetzt hatte sich der Vorschlag, bestimmte Unfallfluchtsituationen bereits auf Tatbestandsebene aus dem Anwendungsbereich der Norm auszuschließen, um so den Anreiz für eine nachträgliche Meldung zu erhöhen. § 142 StGB ist auch heutzutage Gegenstand der strafrechtlichen Diskussion. Kritisiert wird vor allem die Belastung des Täters im Fall einer tätigen Reue nach § 142 Abs. 4 StGB mit außerstrafrechtlichen Konsequenzen. Er habe mit einer Eintragung von 5 Punkten im Verkehrszentralregister und mit versicherungsrechtlichen Regressansprüchen gemäß § 7 VAKB und dessen Nachfolgenorm zu rechnen. Zum Schutz der Geschädigteninteressen und um Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Schadenshöhe zu vermeiden, wird eine Ausdehnung der tätigen Reue auch auf Fälle mit größeren Sachschäden gefordert. Unter den Begriff „Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs“ sollten auch Unfälle fallen, die aus dem fließenden Verkehr heraus an ruhenden Gegenständen, z. B. parkenden Fahrzeugen, entstehen.

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Die Forderung nach einer Ausgestaltung der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu einem zwingenden Strafaufhebungsgrund statt einer fakultativen Strafmilderung wird weiterhin erhoben. Konkrete Änderungsvorschläge bezüglich des Tatbestandes gehen dahin, eine fixe Wartezeit von 15 Minuten festzulegen, um somit beim Wartenden eine Rechtssicherheit herbeizuführen. Duttge brachte die Idee zur Ausgestaltung des § 142 StGB zu einem Vermögensdelikt in die aktuelle Reformdiskussion ein. Die Verfassungsmäßigkeit der Unfallfluchtregelung in § 142 StGB wird in der Lehre teilweise verneint oder angezweifelt, vom Bundesverfassungsgericht sowohl für die frühere als auch für die aktuelle Fassung bejaht. Die Kritik entzündet sich daran, dass es dem Unfallbeteiligten zur Pflicht gemacht werde, sich als solcher zu offenbaren und in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB nachträglich die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, indem er seine Anschrift, seinen Aufenthalt und das Kennzeichen sowie den Standort des Fahrzeugs der Polizei melde. Nach einer Ansicht liegt hierin ein Verstoß gegen die rein passive Feststellungspflicht und folglich eine Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes, demzufolge niemand verpflichtet sei, sich selbst wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit anzuklagen, gegen sich selbst auszusagen oder an der eigenen Strafverfolgung mitzuwirken. Als problematisch wird hierbei angesehen, dass der Geschädigte aufgrund seiner finanziellen Eigeninteressen regelmäßig die Polizei zum Zweck der Beweissicherung einschalten werde. Dadurch entstehe beim Unfallbeteiligten eine psychische Zwangslage, die derjenigen vergleichbar sei, in der unmittelbar die Polizei eingeschaltet werde, er sich also unmittelbar gegenüber staatlichen Ermittlungsbehörden offenbare. Als problematisch wird auch der Umstand angesehen, dass die nachträglichen Meldepflichten aufgrund des Unverzüglichkeitsgebotes in der Regel nur noch gegenüber der Polizei erfüllt werden könnten. Zum Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Unverhältnismäßigkeit gelangt Ruck, indem er das private Beweissicherungsinteresse des Geschädigten mit dem Schaden beim Täter abwägt, der diesem durch eine Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes drohe. Auf die unterschiedliche Gefahrenintensität der drohenden Verletzung des Beweissicherungsinteresses auf der einen und des nemo-tenetur-Grundsatzes auf der anderen Seite stützte Ruck das Urteil der Verfassungswidrigkeit der Norm. Teilweise wird erwogen, als Rechtsfolge einer erzwungenen Selbstbezichtigung ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Andere wollen verfassungsrechtliche Bedenken dadurch abmildern, dass sie die in der Norm enthaltenen Aktivpflichten dahingehend auslegen, dass die Meldepflichten des Unfallbeteiligten nicht zwingend auf die Einschaltung der Polizei hinauslaufen dürften. Eine Entspannung der verfassungsrechtlichen Problematik wird seit der letzten Reform der Unfallfluchtregelung darin gesehen, dass die Möglichkeit zur tätigen Reue dem Unfallbeteiligten die Chance gewähre, durch Ausnutzung der gewährten Fristen den Zwang zur Selbstbelastung zu minimieren.

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8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

Weiterhin wird die Frage diskutiert, ob vor dem Hintergrund, dass das private Feststellungsinteresse geschützt werden soll, eine Beschränkung des Meldezeitraums auf 24 Stunden angemessen sei. Denn für den Geschädigten stehe im Vordergrund, dass er überhaupt wisse, wer an dem Unfall beteiligt war, wann er das erfahre, sei für ihn nachrangig.

B. Würdigung Die Entwicklung der Unfallfluchtnorm von der Fahrerflucht zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort ist eng mit der Entwicklung des Automobilverkehrs verknüpft. Mit dem Aufkommen des Automobilverkehrs zu Beginn des letzten Jahrhunderts drang ein zunächst nur unzureichend beherrschbarer Fremdkörper in den Lebensraum Straße ein und stieß zunächst auf deutliche Ablehnung.1 Das Automobil wurde überwiegend von wohlhabenden Menschen gefahren, sodass auch Sozialneid als Ursache für die ablehnende Haltung dem Automobil gegenüber in Betracht zu ziehen ist. Zur Förderung der Entwicklung des Automobilverkehrs und zur sozialen Absicherung der Unfallgeschädigten wurden Regelungen erforderlich, die durch die Gewährung von Ausgleichsansprüchen und deren strafrechtliche Absicherung sozialen Frieden stifteten. Heutzutage ist der Automobilverkehr ein Massenphänomen. Das Kraftfahrzeug hat den Pferdefuhrwerksverkehr vollständig verdrängt. Die Anonymität des Straßenverkehrs ist eine alltägliche Erfahrung. Da die Anonymität aber im 21. Jahrhundert sämtliche Lebensbereiche erfasst, z. B. das Leben in virtuellen Welten, in unbekannter Nachbarschaft oder das Einkaufen in Selbstbedienungsläden, erscheint fraglich, ob insoweit noch von einer „Besonderheit des Straßenverkehrs“ gesprochen werden kann, mit der verfassungsrechtlich bedenkliche Grundrechtseingriffe gerechtfertigt werden sollen. Die Besonderheiten des Straßenverkehrs werden in einem erhöhten Aufklärungsrisiko sowie in einem erhöhten Aufklärungsinteresse gesehen.2 Dabei soll das gesteigerte Aufklärungsrisiko darin bestehen, dass Unfallbeteiligte sich vor der Befriedigung der Beweisinteressen von Unfallbeteiligten und Geschädigten entfernen. Maßgeblich beruhe das erhöhte Aufklärungsrisiko auf der Schnelligkeit der Verkehrsabläufe, der Anonymität der Verkehrsteilnehmer, die Fluchtanreize und Fluchtmöglichkeiten böten, sowie dem Selbstbegünstigungsprinzip und der Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit der Unfallursachen.3 Das hinzukommende erhöhte Aufklärungsinteresse ergebe sich aus dem im Vergleich zu anderen Lebensbereichen sehr großen Unfall- und Schadensrisiko, dem der Verkehrsteilnehmer recht schutzlos ausgeliefert sei.4 Mag zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Anonymität der ortsfremden Verkehrsteilnehmer, die auf einmal mit 1 2 3 4

Jung, Radfahrseuche und Automobilen Unfug, S. 30 ff. Siehe hierzu Magdowski, S. 31 ff. Steenbock, S. 84 ff. Steenbock, S. 86 f.

B. Würdigung

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dem Automobil in unbekanntes Gebiet reisen konnten, eine Besonderheit gewesen sein, heute erscheint dieses Argument zur Begründung besonderer Pflichtenstellungen der Unfallbeteiligten zweifelhaft.5 Die Förderung der Automobilproduktion und des Automobilverkehrs ist auch heute noch aufgrund ihrer Bedeutung für das Wirtschaftsleben von Bedeutung und wird von Interessenverbänden wie dem ADAC gefordert. Bei einem Kraftfahrzeugbestand von 58 Millionen zum 1. Januar 20126 kann das Akzeptanzproblem des Kraftfahrzeugs jedoch als überwunden angesehen werden. Wenn also heutiges Ziel einer Unfallfluchtregelung nicht mehr vorrangig die Akzeptanzsteigerung und Absatzförderung des Automobils ist, stellt sich die Frage nach dem aktuellen Bedürfnis für die strafrechtliche Regelung der Unfallflucht. Die amtliche Begründung für die aktuelle Gesetzesfassung sieht den Schutzzweck des § 142 StGB darin, „Feststellungen zur Klärung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche zu sichern, d. h. die Durchsetzung berechtigter oder die Abwehr unberechtigter Ansprüche zu ermöglichen.“7 In der Form eines abstrakten Vermögensgefährdungsdelikts wird demnach die Durchsetzbarkeit (potenzieller) zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche strafrechtlich abgesichert. Auch wenn dieses Verständnis der Norm noch herrschend8 ist, so verdienen die von Steenbock9 insoweit geäußerten Bedenken durchaus Beachtung. Sie spricht von einem Missbrauch des Strafrechts zur Klärung ungeklärter zivilrechtlicher Fälle. Mit dem Hinweis darauf, dass ein allgemeines Beweissicherungsinteresse dem Zivilrecht als Schutzgut fremd sei, sieht sie im Beweissicherungsinteresse „ein ganz zweckorientiert formuliertes Rechtsgut, welches lediglich ,geschaffen‘ wurde, um dem Konflikt mit dem Selbstbegünstigungsprivileg zu entkommen.“10 Die Erstfassung einer Unfallfluchtregelung in der „Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend“ des Großherzogtums Hessens von 1899 normierte den Tatbestand in nur einem Satz: „Ist ein Radfahrer mit einem Fuhrwerk oder dergleichen zusammengestoßen oder hat er eine Person an- oder umgefahren, so muß er sofort anhalten und auf Verlangen seinen Namen und Wohnort angeben.“

Demgegenüber bringt es die aktuelle Normierung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort in § 142 StGB auf fünf Absätze mit insgesamt sechs Sätzen.

5

Kritisch auch Steenbock, S. 83 ff. Statistik des Kraftfahrtbundesamtes, abgerufen am 12. Dezember 2012 unter http://www. kba.de/cln_032/nn_125264/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand__node.html?__nnn= true#rechts. 7 BT-DS 7/2424, S. 5. 8 Sch/Sch-Sternberg-Lieben, § 142 Rn. 1a, Fischer, § 142 Rn. 2, LK-Geppert, § 142 Rn. 2. 9 Steenbock, insbesondere S. 57 ff. 10 Steenbock, S. 66 f. 6

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8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

Die prägende Vorstellung als Fundament der Norm hat sich im Verlauf der hundertjährigen Entwicklungsgeschichte der Norm im Groben nicht geändert und zieht sich als roter Faden durch sämtliche Normfassungen und Entwürfe: Kommt es im Straßenverkehr zu einer Schädigung, so hat der an ihr Beteiligte am Unfallort anzuhalten und seinen Namen und Wohnort anzugeben. Die Normklarheit der Ursprungsnorm wird in der Folgezeit allerdings nicht mehr erreicht. Vielmehr versteigt sich der Gesetzgeber dazu, in der Art einer Kommentierung eine Vielzahl von Fallgestaltungen gesetzlich regeln zu wollen. Die Unterschiede der Regelungen zeigen sich im Detail. Der heute verwendete Begriff des Unfalls im Straßenverkehr war in der Vorläufernorm von 1899 noch nicht enthalten. Ursprünglich war Anknüpfungspunkt der Anhaltepflicht ein Zusammenstoß eines Automobilführers oder Radfahrers mit einem Fuhrwerk oder Ähnlichem oder das An- oder Umfahren einer Person. Die ursprüngliche Schadenssituation war somit enger gefasst als heute. Ein Zusammenstoß, verstanden als physische Einwirkung auf das Tatobjekt, ist heute nicht mehr erforderlich. Allerdings kann heute im Gegensatz zur Erstregelung eine Sachbeschädigung, z. B. an einer Leitplanke, Anknüpfungspunkt einer Unfallflucht sein. Während 1899 der Personenschaden im Vordergrund stand, stehen heute Personenund Sachschaden gleichberechtigt nebeneinander, abgesehen von der Regelung der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB. Über die Jahre hinweg hat sich der Täterkreis der Verkehrsunfallflucht erweitert. Anfänglich kam als Täter lediglich der Kraftfahrzeugführer in Betracht. Nachdem durch § 27 KFG vorübergehend die Kleinkrafträder aus dem Anwendungsbereich herausgenommen worden waren, wurde dieses Missgeschick durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber wieder korrigiert. Die weitere Ausdehnung des Täterkreises auf den Führer eines Beförderungsmittels fand sich erstmals in der Denkschrift Kerrls von 1933.11 Zur Begründung wurde damals auf die „Erzielung einer allgemeinen Verkehrsverantwortlichkeit“ hingewiesen. Die Idee wurde in § 355 E 1936 aufgenommen, eine Norm, die nun noch weiter gefasst, grundsätzlich jeden Verkehrsteilnehmer erfasste. In § 139a RStGB wurde die Erweiterung des Täterkreises auf den Unfallbeteiligten Gesetz und ist auch später nicht revidiert worden. Sie war nicht einmal Gegenstand der Reformdiskussion. Die Ausdehnung des Täterkreises auf alle Unfallbeteiligten fand ihre Begründung im Gedanken der Verkehrsgemeinschaft, der zu dienen jeder Verkehrsteilnehmer, also nicht nur der Fahrzeugführer, bestimmt sei. Die Idee der aus der Volksgemeinschaft abgeleiteten Verkehrsgemeinschaft zählte zum nationalsozialistischen Gedankengut. Befreit von dieser Ideologie ließe sich die Ausdehnung des Täterkreises auf den Unfallbeteiligten mit dem Gedanken der

11 Auf vorangegangene Erweiterungen des Täterkreises in regionalen Polizeiverordnungen verweist Steenbock, S. 18 unter Bezugnahme auf Illigner, S. 28.

B. Würdigung

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Solidargemeinschaft oder dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer begründen, das heute in § 1 Abs. 2 StVO verankert ist. Der bundesdeutsche Gesetzgeber verabschiedete sich in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts in großem Umfang von den Schutzzwecken, die die Normfassung bis zum § 139a RStGB geprägt hatten. Statt eines Konglomerats aus dem Interesse der Allgemeinheit an der Feststellung des Unfallgeschehens, der „Ausmerzung“ ungeeigneter Kraftfahrzeugführer und Kraftfahrzeuge und der Bekämpfung der in der Tat zum Ausdruck gekommenen verwerflichen Gesinnung und nicht zuletzt der Sicherung der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche sollte fortan nur noch das letztgenannte Interesse durch § 142 StGB geschützt werden. Bei einem Vergleich des Pflichtenkatalogs der hessischen Ursprungsnorm und der aktuellen Fassung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zeigt sich deutlich eine Erweiterung der dem Fahrzeugführer/Unfallbeteiligten auferlegten Pflichten.12 Waren es zunächst nur eine Warte- und Auskunftspflicht über Namen und Wohnort auf Anfrage, kam unter nationalsozialistischer Herrschaft die Feststellungsduldungspflicht hinzu, die in den Nachkriegsjahren zunächst durch die Rechtsprechung und später durch den Gesetzgeber um eine Warte- und Rückkehrpflicht sowie ein Anzeigegebot erweitert wurde. Diese Tendenz zur Ausdehnung des Unfallfluchttatbestandes erklärt sich mit der damals gängigen Funktionalisierung der Norm zum Schutz des Straßenverkehrs. Als ein Signal gegen die ausdehnende Anwendung des Tatbestandes § 142 StGB kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 angesehen werden, in der einer Gleichsetzung des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort mit dem berechtigten oder entschuldigten Entfernen widersprochen wurde. Die Strafandrohung für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort hat sich im Verlauf der letzten hundert Jahre deutlich erhöht. In der hessischen Verordnung von 1899 ergab sich für den flüchtenden Unfallverursacher in Verbindung mit § 366 Nr. 10 RStGB eine Strafandrohung in Form von Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern oder Haft bis zu 14 Tagen. Dem steht heute eine Strafandrohung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren gegenüber. Während die Strafandrohung im Kraftfahrzeuggesetz von 1909 nur unwesentlich auf Geldstrafe bis dreihundert Mark oder Gefängnis bis zu zwei Monaten angehoben wurde, ergab sich eine deutlich erhöhte Sanktionsandrohung in § 139a RStGB aus dem Jahr 1940, der eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder Haft und Geldstrafe oder eine dieser Strafen vorsah. Der erheblichen Anhebung des Strafmaßes lag die Überlegung zugrunde, dass die Flucht nach einem Verkehrsunfall einen schweren Verstoß gegen die Verkehrsgemeinschaft darstelle und der Täter aufgrund einer charakterlichen Verfehlung kriminell strafwürdig sei. Deswegen sei eine Sühne erforderlich, die eindrucksvoll ausfallen müsse, da es von „gröbster Verantwortungslosigkeit und ausgesprochener Gemeinschaftswidrigkeit“ zeuge, wenn die Feststellung des Unfalls 12

So auch Arzt/Weber, Strafrecht BT, Rn. 326.

194

8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

und die Ermittlung der Verantwortlichkeit durch eine Flucht verhindert würden.13 In der Nachkriegszeit hielt der Gesetzgeber an dem Strafmaß des § 139a RStGB fest. Zur Begründung wurde wie schon in der ersten Begründung der Empfehlungen des Bundesrates zum Kraftfahrzeuggesetz und in der nationalsozialistisch gefärbten Freislerschen Gesetzesbegründung14 auf die Mitberücksichtigung der sozial-ethischen besonders verwerflichen Gesinnung abgestellt, die bei schweren Taten häufig in der Rücksichtslosigkeit und der Selbstsucht des Täters zum Ausdruck komme.15 Eine weitere Erhöhung des Strafmaßes brachte die Neuregelung des § 142 StGB im 13. StrÄndG. Dort erfolgte eine Heraufsetzung der möglichen Freiheitsstrafe von zwei auf drei Jahre. Zur Begründung dieses erhöhten Strafmaßes wurden diesbezügliche Forderungen aus der Praxis angeführt. Auch sollte vermieden werden, die Unfallflucht als Kavaliersdelikt erscheinen zu lassen. Schließlich wurde auf einen Strafrahmenvergleich mit der Pfandkehr und Jagdwilderei hingewiesen.16 Damit liegt heute der Strafrahmen des § 142 StGB oberhalb des § 288 StGB, der die aktive Vereitelung einer Zwangsvollstreckung durch Beiseiteschaffen von Vermögenswerten mit maximal zweijähriger Freiheitsstrafe sanktioniert. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wird erstaunlicherweise mit höherer Strafe bedroht als die vorsätzliche Sachbeschädigung, die in § 303 StGB ebenfalls mit höchstens zweijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Der Täter, der beispielsweise ein Fahrzeug mit einem Hammer zerstört und sich anschließend entfernt, wird demnach geringer bestraft als jemand, der möglicherweise fahrlässig, den gleichen Schaden im Straßenverkehr verursacht, sich aber anschließend vom Unfallort entfernt.17 Mit der Regelung der tätigen Reue im Rahmen der Unfallflucht durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts aus dem Jahr 1998 schenkte der Gesetzgeber der psychischen und sonstigen Tätersituation die angemessene Beachtung, indem er für dessen psychische Ausnahmesituation im Unfallzeitpunkt Verständnis zeigte. Damit kehrte er zu einer Regelung zurück, die bereits 1909 in § 22 KFG existiert hatte und später durch den nationalsozialistischen Gesetzgeber aufgehoben wurde. Das Wiederaufgreifen der Regelung des § 22 KFG geschah allerdings mit dem bemerkenswerten, für die Akzeptanz der Regelung hinderlichen Unterschied, dass in der Neufassung das Absehen von Strafe im Falle einer nachträglichen Unfallmeldung nur fakultativ und nicht wie in § 22 KFG zwingend ist. Das „Reformkarusell“18 hat mit der Reform von 1998 bezüglich der tätigen Reue im Wesentlichen seinen Startpunkt von 1909 wieder erreicht. Es stellt sich nun die Frage, ob auch in anderen Bereichen eine Rückbesinnung auf die historischen Wurzeln der Führerfluchtregelungen angeraten ist. In Betracht kommen insoweit ein 13 14 15 16 17 18

Grau, Krug, Rietzsch, S. 223. Freisler, DJ 1940, S. 525 ff. Begründung zum E 1960, S. 493; (selbst-)kritisch Lackner, DAR 1972, S. 283, 285 f. Sitzungsprotokoll, BArch B 141/63565, Bl. 116. Ein ähnliches Beispiel bringt Steenbock, S. 172. Lackner, DAR 1972, S. 283.

B. Würdigung

195

völliger Verzicht auf eine strafrechtliche Regelung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort19 sowie eine Rückführung der Unfallfluchtregelung ins Nebenstrafrecht und Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit. Bei allem Reformeifer bleibt aber zu beachten, dass diese Neueinordnung das grundsätzliche Problem der Unfallfluchtregelung nicht löst, sondern nur verlagert. Auch eine Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes, des ultima-ratio-Prinzips und des nemo-tenetur-Grundsatzes zu erfüllen. In der Diskussion um die Regelung der Unfallflucht haben verfassungsrechtliche Fragestellungen bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Häufig sind sie als „unerwünschte Nebenfolgen“ beiseite gewischt worden. Die auftretenden Probleme sind in dieser Arbeit vorgestellt worden. Ihre Aufarbeitung bedarf zukünftig vertiefter rechtswissenschaftlicher Forschung. Zur Lösung der verfassungsrechtlichen Probleme der Unfallfluchtregelung kann möglicherweise auf einen Gedanken zurückgegriffen werden, der in der Reformdiskussion nur kurz anklang, dann aber aus politischen und praktischen Gründen nicht weiterverfolgt wurde: die Idee der Zwangsgenossenschaft. Für das Opfer einer Verkehrsunfallflucht realisiert sich ein Risiko, das es mit der Teilnahme am Straßenverkehr eingegangen ist. Üblicherweise sind Versicherungen geeignet, den Versicherungsnehmer gegen Gefahren abzusichern und entstandene Schäden auszugleichen. Heutzutage dürfte es anders als zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine lösbare Aufgabe sein, die entsprechenden Versicherungsbedingungen auszuarbeiten und Versicherungsprämien, gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Erfahrungen ausländischer Versicherungen, zu berechnen. Das gegen eine solche Zwangsgenossenschaft eingewandte Missbrauchsargument ließe sich durch die Einführung einer Eigenbeteiligung entkräften, so wie es bei der Kaskoversicherung üblich und bewährt ist. Der Entschädigungsfond für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen nach § 12 Pflichtversicherungsgesetz20 nimmt im Bereich der Personenschäden heute teilweise die Aufgaben einer Zwangsgenossenschaft wahr, indem sie dem Geschädigten einer Unfallflucht mit unbekanntem Täter einen solventen Schuldner zur Seite stellt. Zu beachten ist jedoch, dass der Großteil der Unfallfluchten im Anschluss an einen Sachschaden geschieht, somit der Entschädigungsfond regelmäßig nicht zur Leistung verpflichtet ist. Ein weiterer möglicher Ansatz zur Reduzierung der Unfallfluchtzahlen könnte schließlich darin liegen, sich vom Strafen abzuwenden und sich der Belobigung zuzuwenden. Auf die „Kontraproduktivität“21 der Bestrafung der Unfallflucht haben die Normkritiker hingewiesen. Eine Lösung könnte darin bestehen, denjenigen zu belohnen, der sich im Anschluss an einen Unfall normgerecht verhält. So könnte man 19

Steenbock, S. 198. Nähere Informationen zu diesem Entschädigungsfond finden sich unter http://www.ver kehrsopferhilfe.de/entschaedigungsfonds.html, zuletzt abgerufen am 25. März 2013. 21 Siehe hierzu BR-DS 400/93, Begründung, S. 5. 20

196

8. Kap.: Zusammenfassung und Würdigung

ihn mit der Gutschrift von Punkten im Verkehrszentralregister oder mit Vergünstigungen finanzieller Art, etwa in Form einer Reduzierung seiner Versicherungsprämie, für sein erwünschtes Verhalten positiv bestärken. Zu überlegen bleibt, ob der Unfallflucht als Alkoholdelikt mit einer wirksamen Bekämpfung der Trunkenheit im Verkehr, wie möglicherweise einer Herabsetzung der Promillegrenze, der Boden entzogen werden könnte. Zu beachten bleibt dabei, dass die strafrechtliche Bekämpfung der Trunkenheit im Verkehr durch die Vorschriften der §§ 315c, § 316 StGB erfolgen muss und nicht vom Schutzzweck des § 142 StGB umfasst wird.22 Auch Tempolimits könnten zu einer Verringerung von Verkehrsunfällen führen und damit die Anzahl der Ausgangslagen für Verkehrsunfallfluchten verringern. Wenn ein Großteil der Unfallfluchten im Anschluss an Parkunfälle geschieht, so könnte eine pragmatische Lösung auch darin bestehen, die Parkbuchten entsprechend breit zu markieren. Im Bereich der Seeschifffahrt sind die Schiffe heutzutage mit GPS-Geräten und Sendern ausgestattet. Somit ist ihre Ortung jederzeit möglich. Kommt es zu einem Unfall, lässt sich leicht feststellen, welche Schiffe zur selben Zeit am selben Ort waren, und damit an einem Unfall beteiligt gewesen sein könnten. Die Unfallfluchtproblematik des unbekannten Unfallbeteiligten stellt sich damit kaum noch. Im Bereich des Straßenverkehrs wäre es auch denkbar, zumindest sämtliche Fahrzeuge mit GPS-Sendern auszustatten und somit ihre Position zu überwachen. Auch hier ließen sich die unfallbeteiligten Fahrzeuge auf diese Weise leicht ermitteln. Aber wie so oft im Bereich der Unfallflucht birgt auch diese Lösungsmöglichkeit neue Probleme verfassungsrechtlicher Art in sich, beispielsweise im Bereich der informationellen Selbstbestimmung. Festzuhalten bleibt, dass die Unfallfluchtzahlen sich über die hundertjährige Geschichte der Unfallflucht als Konstante darstellen, die allein durch tatbestandliche Umgestaltungen kaum zu reduzieren war. Insoweit weisen alle gesetzgeberischen Versuche, die Unfallfluchtzahlen durch Reformen des Tatbestandes zu reduzieren, ein Effizienzdefizit auf. Letztlich gilt es, zunächst die verfassungsrechtliche Basis des unerlaubten Entfernens der Unfallflucht zu klären. Dann bedarf es einer Entscheidung der Erforderlichkeit einer strafrechtlichen Regelung für die Sicherung des privaten Beweissicherungsinteresses. Und zum Schluss ist über deren Ausgestaltung zu verhandeln.

22

So auch Bär, 20. VGT, S. 128.

Anhang 1: Entwürfe

§ 19

Entwurf eines KFG von 1908

Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeugs mit Personen oder Sachen nicht sofort hält, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft.

§ 19

Kommissionsentwurf eines KFG von 1908 nach 1. Lesung

Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der im Falle eines Zusammenstoßes seines Fahrzeugs mit Personen oder Sachen es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Eine Entziehung der Feststellung des Fahrzeugs und der Person des Führers des Kraftfahrzeugs durch die Flucht liegt nicht vor, wenn der Führer unverzüglich, spätestens innerhalb zwölf Stunden nach dem Zusammenstoße, Anzeige von dem Zusammenstoße bei der Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt. […]

§ 19

Kommissionsentwurf eines KFG von 1908 nach 2. Lesung

Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der nach einem Unfalle (§ 1) es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Er bleibt jedoch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfalle Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt. (…) Vorentwurf von 1909 Keine Einarbeitung der Fahrerflucht nach § 22 KFG

198

Anhang 1: Entwürfe Gegenentwurf von 1911

§ 194 (Kraftfahrzeuggesetz von 1909 § 22 Abs. 1). Flucht des Führers eines Kraftfahrzeuges. Der Führer eines Kraftfahrzeuges, der nach einem durch ihn verschuldeten Unfall sich der Feststellung des Fahrzeuges und seiner Person durch die Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Der Täter bleibt straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tag nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeuges oder seiner Person bewirkt. Kommissionsentwurf von 1913 Keine Einarbeitung der Fahrerflucht nach § 22 KFG Entwürfe 1919 bis 1930 Keine Einarbeitung der Fahrerflucht nach § 22 KFG

[…]

Nationalsozialistisches Strafrecht – Denkschrift Kerrl

b) Der Führer eines Beförderungsmittels ist zu bestrafen, wenn er es nach einem Unfall unternimmt, sich der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch die Flucht zu entziehen. Besonders schwere Strafe ist angebracht, wenn der Täter durch die Flucht eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben oder schwerwiegende Gefahr für fremdes Eigentum herbeiführt.

§ 355 Flucht bei Verkehrsunfall

Entwurf Dezember 1936

Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch Flucht entzieht oder die Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfall erschwert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. Straflos bleibt, wer spätestens am Tage nach dem Unfall freiwillig Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung seiner Person und des von ihm benutzten Fahrzeugs herbeiführt.

§ 355 Flucht bei Verkehrsunfall

Entwurf Juni 1938

Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person oder seines Fahrzeugs durch Flucht entzieht oder die Feststellung seiner Beteiligung an dem Unfall erschwert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. Nach dieser Vorschrift wird nicht bestraft, wer spätestens am Tage nach dem Unfall freiwillig Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung seiner Person und des von ihm benutzten Fahrzeugs herbeiführt.

Anhang 1: Entwürfe

199

Entwurfsfassung von April/Juni 1939 § 375 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus. Entwurf vom Dezember 1939 § 380 Flucht bei Verkehrsunfall Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft bestraft, wenn sein Verhalten möglicherweise zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus. Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 1940: Richtlinie Freislers Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Reichsmark allein oder nebeneinander, bestraft. (Handschriftliche Anmerkung: Wer es unternimmt … zu entziehen). In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus. Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Straßenverkehrs des Reichsministers der Justiz Gürtner vom 20. Juni 1939 § 139a Wer sich nach einem Verkehrsunfall, an dem er beteiligt war, der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art und Weise seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Reichsmark oder mit einer dieser Strafen bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus. Der Versuch ist strafbar.

200

Anhang 1: Entwürfe Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Straßenverkehrs des Reichsministeriums der Justiz 1940

Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.

§ 308 (§ 309)

Erste Lesung der Großen Strafrechtskommission Sachbearbeitervorschlag

Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein anderer geschädigt worden ist, 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er für den Verletzten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder 2. 1. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, 2. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung zu melden, 3. Alternative: es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich seine Unfallbeteiligung dem Verletzten oder der nächsten Polizeidienststelle zur Kenntnis zu bringen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) 1. Alternative: In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. 2. Alternative: Eine Vorschrift über die Strafbarkeit des Versuchs wird nicht aufgenommen.

Anhang 1: Entwürfe

201

(3) 1. Alternative: Eine Vorschrift, die eine obligatorische oder fakultative Strafbefreiung für den Fall vorsieht, daß der Täter sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt, dann aber die Feststellungen für den Verletzten ermöglicht hat, wird nicht vorgesehen. 2. Alternative: Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 von Strafe absehen, wenn der Täter, der sich aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich entweder für den Verletzten die Feststellungen nachträglich ermöglicht oder bei der nächsten Polizeidienststelle seine Unfallbeteiligung meldet. (FN: Es kommen hier sachlich dieselben Alternativen in Frage wie bei § 308 Abs. 1 Nr. 2). (4) Unfallbeteiligter ist jeder, bei dem nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat. Erste Lesung der Großen Strafrechtskommission (E 1959 I) § 352 Verkehrsflucht1 (1) Ein Unfallbeteiligter, der nach einem Unfall im Straßenverkehr 1. sich vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglicht hat, oder 2. es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Nummer 1 nachträglich zu ermöglichen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 aus triftigem Grund vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (3) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Zweite Lesung der Großen Strafrechtskommission (E 1959 I) Sachbearbeitervorschlag § 352 Verkehrsflucht (1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall, zu dessen Verursachung sein Verhalten nach den Umständen beigetragen haben kann (Unfallbeteiligter), vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. 1 Entwurf eines Strafgesetzbuches Januar 1959, BArch B 141/82207, Bl. 29, 32; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 12. Band, Anhang B, S. 623; Fußnote im Original: „Die Vorschrift über die Verkehrsflucht ist nur ein vorläufiges Beratungsergebnis. Überprüfung in der 2. Lesung bleibt vorbehalten.“

202

Anhang 1: Entwürfe

(2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der es unterläßt, nachdem er sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nach Absatz 1 nachträglich zu ermöglichen. Der Unfallbeteiligte ist auch dann berechtigt, sich vom Unfallort zu entfernen, wenn dort innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist niemand anwesend ist, der die Feststellungen zu treffen bereit ist. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen, schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich zugunsten des Geschädigten die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Für die nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen im Sinne der Absätze 2 und 3 genügt es, wenn der Unfallbeteiligte dem Geschädigten oder einer Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er die Ermittlungen nicht durch Verheimlichen seines Aufenthaltes oder seines Fahrzeugs vereitelt. Zweite Lesung der Großen Strafrechtskommission (E 1959 II) § 347 (§ 352) Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten anderer Unfallbeteiligter und Geschädigter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seinen Namen, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt, es sei denn, daß er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Anhang 1: Entwürfe

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Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) § 347 Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt und unverzüglich die Feststellungen nachträglich ermöglicht, so kann das Gericht von Strafe absehen. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seinen Namen, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt, es sei denn, daß er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962) § 347 Verkehrsflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, (2) Der Versuch ist strafbar. wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren, mit Strafhaft oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht.

204

Anhang 1: Entwürfe

(4) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen, wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Fahrzeugs angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. (5) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeuges angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (6) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Alternativentwürfe zum E 1962 Keine Regelung der Verkehrsunfallflucht.

§ 142 Verkehrsunfallflucht

Referentenentwurf von 1972

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der nicht unverzüglich, nachdem er sich 1. unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die Feststellungen nachträglich ermöglicht. (3) Hat sich der Täter in den Fällen des Absatzes 1 zur Wahrnehmung eines für ihn wichtigen schutzwürdigen Interesses vom Unfallort entfernt, so kann das Gericht von Strafe absehen, wenn er am Unfallort seine Anschrift und das Kennzeichen seines Fahrzeugs angegeben und unverzüglich die übrigen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Anhang 1: Entwürfe

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(6) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, wenn der Unfall lediglich Sachschaden oder eine leichte Körperverletzung (§§ 223, 230) zur Folge hatte, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachtet. Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (14. StrÄndG) § 142 Verkehrsunfallflucht (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Nach Abs. 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (4) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder der nächsten Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 27. Juni 1986 Unter Beibehaltung des übrigen Normtextes soll § 142 StGB folgender Absatz angefügt werden: (5) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall, bei dem ausschließlich Sachschaden entstanden ist, durch freiwillige Meldung bei der Staatsanwaltschaft oder den Behörden und Beamten des Polizeidienstes verhindert, daß der dem Geschädigten aus dem Unfall erwachsene Ersatzanspruch beeinträchtigt wird; dies gilt nicht bei Unfällen an Fahrzeugen im fließenden Straßenverkehr. Tritt die Beeinträchtigung ohne Zutun des Täters nicht ein, so bleibt dieser straflos, wenn er sich um die Verhinderung der Beeinträchtigung freiwillig und ernsthaft bemüht hat.

206

Anhang 1: Entwürfe Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 9. Juni 1993

§ 142 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 2 wird das Wort „unverzüglich“ durch die Worte „bis zum Ablauf des auf den Unfall folgenden Tages“ ersetzt. b) In Absatz 3 Satz 1 werden die Worte „nahe gelegenen“ durch das Wort „inländischen“ ersetzt. c) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt: „(4) Nach Absatz 1 wird nicht bestraft, wer bis zum Ablauf des auf den Unfall folgenden Tages durch freiwillige Meldung die nach Absatz 3 erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht.“ d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG) vom 26. Januar 1998 – Bundesratsvorschlag Nach diesem Vorschlag sollte § 142 StGB um einen Absatz 3 a mit folgendem Wortlaut ergänzt werden: Das Gericht mildert die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann ganz von Strafe absehen, wenn der Täter innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich Sachschaden zur Folge hatte, durch freiwillige Meldung die nach Absatz 3 erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht hat. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StRG) vom 26. Januar 1998 – Vorschlag der Bundesregierung Nach den Absätzen 1 und 2 wird ein Unfallbeteiligter nicht bestraft, der sich nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, bei dem lediglich nicht bedeutender Sachschaden entstanden ist, vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach dem Unfall nachträglich ermöglicht (Absatz 3).

Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände

§ 18 Abs. 7

Grundzüge des Bundesrates, betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1906

Im Falle eines Zusammenstoßes des Kraftfahrzeugs mit Personen oder Sachen hat der Führer sofort zu halten und die nach den Umständen des Falles gebotene Hilfe zu leisten.

§ 22.

Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (KFG) vom 3. Mai 1909

Der Führer eines Kraftfahrzeugs, der nach einem Unfalle (§ 7) es unternimmt, sich der Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person durch die Flucht zu entziehen, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Er bleibt jedoch straflos, wenn er spätestens am nächstfolgenden Tage nach dem Unfall Anzeige bei einer inländischen Polizeibehörde erstattet und die Feststellung des Fahrzeugs und seiner Person bewirkt.

Art. II Nr. 7:

Pflichtversicherungsgesetz vom 7. November 1939

Im § 22 Abs. 1 Satz 1 werden ersetzt: a) die Worte „Fahrzeugs und seiner Person„ durch „Fahrzeuge oder seiner Person„, b) die Worte „Geldstrafe … zwei Monaten“ durch „Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft oder mit Geldstrafe“.

§ 139a

Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. April 1940

Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.

208

Art. 2 Nr. 24

Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953

§ 139 a wird § 142.

§ 142

Neubekanntmachung vom 25. August 1953

(1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Zuchthaus.

§ 142

Neubekanntmachung vom 1. September 1969

(1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten. EGStGB vom 2. März 1974

Art. 19 Nr. 56

In § 142 Abs. 1 wird das Wort „vorsätzlich“ gestrichen. Neubekanntmachung vom 2. Januar 1975 § 142 Verkehrsunfallflucht (1) Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder der Art seiner Beteiligung an dem Unfall durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten.

Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände

209

Dreizehntes Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. Juni 1975 § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (4) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Neubekanntmachung vom 10. März 1987 § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

210

Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahegelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt. (4) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Sechstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 § 142 wird wie folgt geändert: a) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 eingefügt: „(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).“ b) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5

Neubekanntmachung vom 13. November 1998 § 142 Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er 1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder 2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich 1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder 2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. (3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

Anhang 2: Historische Entwicklung der Tatbestände

211

(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3). (5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.

Quellenverzeichnis I. Veröffentlichte Quellen 1. Deutsche Partikularrechte 1.1 Stenglein, Melchior (Hrsg.): Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher in 3 Bändchen. München 1858. Bd. 1: Bayern, Oldenburg, Sachsen-Altenburg, Württemberg, Braunschweig. Bd. 2: Hannover, Hessen-Darmstadt und Frankfurt, Baden, Nassau. Bd. 3: Thüringisches Strafgesetzbuch, Preußen, Österreich, Sachsen. 1.2 Hattenhauer, Hans (Hrsg.)/Bernet, Günter: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. 2. Auflage. Neuwied u. a. 1994. 1.3 Verordnung die Fahrräder und Automobile betreffend vom 10. Oktober 1899; in: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, 1899, Nr. 49, S. 625. 1.4 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1901, Nr. 23, S. 58. 1.5 Polizeiverordnung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen für den Landespolizeibezirk Berlin von 1901. Abgedruckt bei Bredow, Felix von: Die polizeiliche Regelung des Automobilverkehrs in Preussen; in: Kaiserlicher Automobil-Club (Hrsg.): Jahrbuch der Automobil- und Motorbootindustrie. Berlin 1904, S. 437 ff. 1.6 Oberpolizeiliche Vorschrift vom 7. Mai 1902. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern. 1902, S. 173. 1.7 Verordnung vom 5. März 1903. Gesetz und Verordnungssammlung für die HerzoglichBraunschweigischen Lande. 1903, Nr. 10, S. 51. 2. Gesetze und Reformmaterialien des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland a) Quellensammlungen 2.1.1 Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches (1911 – 1913). Hrsg. von Werner Schubert. Frankfurt am Main 1990. Band 1: Allgemeiner Teil des Vorentwurfes in 1. Lesung. Protokolle 1 – 70. Band 2: Schlußberatungen des Allgemeinen Teils. 1. Lesung des Besonderen Teils, §§ 100 – 211 des Vorentwurfs. Protokolle 71 – 140. 2.1.2 Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem Deutschen Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911 – 1914). Hrsg. von Werner Schubert. Reprint. Frankfurt am Main 1990.

Quellenverzeichnis

213

2.1.3 Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamtes. Nachdruck. Frankfurt 1990. 2.1.4 Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts. Hrsg. von Werner Schubert, Jürgen Regge, Peter Rieß und Werner Schmid. Berlin, New York. I. Abteilung. Weimarer Republik (1918 – 1932). – Bd. 1: Entwürfe zu einem Strafgesetzbuch (1919, 1922, 1924/25, 1927), hrsg. von Jürgen Regge und Werner Schubert. 1995. II. Abteilung. NS-Zeit (1933 – 1939) – Strafgesetzbuch. – Bd. 1: Entwürfe eines Strafgesetzbuchs. Hrsg. von Jürgen Regge und Werner Schubert. – 1. Teil: Berlin 1988. – 2. Teil: Berlin u. a. 1990. – Bd. 2: Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums. – 4. Teil: Zweite Lesung: Besonderer Teil. Schutz des Volkes (Rasse, Erbgut – Schutz der Bewegung – Angriffe auf die Wirtschaftskraft – Schutz des Volksguts – Schutz der Volksgenossen – Überprüfung der 2. Lesung. Gesamtregister. Hrsg. von Jürgen Regge und Werner Schubert. Berlin u. a. 1994. 2.1.5 Das Strafgesetzbuch. Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen. Hrsg. von Thomas Vormbaum und Jürgen Welp. Baden-Baden. Bd. 1: 1870 – 1953. (2000). Bd. 2: 1954 – 1974. (2002). Bd. 3: 1975 – 1992. (2002). Bd. 4: 1993 – 2000. (2002). Supplementband 1: 130 Jahre Strafgesetzgebung – Eine Bilanz. Berlin 2004. Supplementband 3. Ergänzungs-, Nachtrags- und Registerband. Berlin 2006. 2.1.6 Reform des Strafgesetzbuchs: Sammlung der Reformentwürfe. Thomas Vormbaum/ Kathrin Rentrop (Hrsg.) Band 1: 1909 bis 1919, Berlin 2008. Band 2: 1922 bis 1939, Berlin 2008. Band 3: 1959 bis 1996, Berlin 2008. b) Einzelne Quellen (in chronologischer Ordnung) 2.2.1

Basch, Julius: Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch und Allgemeine Deutsche Wechselordnung nebst Einführungs- und Ergänzungsgesetzen. Berlin 1885.

2.2.2

Ipsen, Jörn (Hrsg.): Deutsche Verfassungen 1849 – 1949 (Textbuch Deutsches Recht). Heidelberg 2012.

2.2.3

Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See. Vom 15. August 1876. RGBl. 1876, S. 189.

214

Quellenverzeichnis

2.2.4

Verordnung zur Ergänzung der Verordnungen über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen auf See vom 15. August 1876 und zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See vom 7. Januar 1880. Vom 29. Juli 1889. RGBl. 1889, Nr. 17, S. 171.

2.2.5

Grundzüge betreffend den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1906; in: Deutscher Reichsanzeiger vom 28. Mai 1906, Nr. 124.

2.2.6

Reichstagsprotokolle, 140. Sitzung, 11. Februar 1902, S. 4097 ff. Reichstagsprotokolle, 261. Sitzung, 18. Februar 1903, S. 8018 ff. Reichstagsprotokolle, 43. Sitzung, 26. Februar 1904, S. 1287 ff. Reichstagsprotokolle, 99. Sitzung, 12. Februar 1908, S. 3066 ff. Reichstagsprotokolle, 154. Sitzung, 5. November 1908, S. 5263 ff. Reichstagsprotokolle, 234. Sitzung, 26. März 1909, S. 7751 ff. (Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen). Reichstagsprotokolle, 235. Sitzung, 27. März 1909, S. 7792 ff. (Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen).

2.2.7

Verhandlungen des 26. Juristentages. Band 1 – 3. Berlin 1902.

2.2.8

Reichstag. Aktenstücke 1904, Nr. 203, S. 860. Reichstag. Aktenstücke 1904, Nr. 227, S. 980. Reichstag. Aktenstücke 1906, Nr. 263, S. 623.

2.2.9

Entwurf eines Gesetzes für den bei dem Betriebe von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden (KFG) vom 1. März 1906; in: RT-DS 1906, Nr. 264, S. 3245.

2.2.10 Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. BR-DS 1908, Nr. 62. 2.2.11 Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 24. Mai 1908; in: RT-DS 1908, Nr. 988, S. 5593. 2.2.12 Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909; in: RGBl. 1909, Nr. 26, S. 437. 2.2.13 Bericht der 29. Kommission über den Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen – Nr. 988 der Drucksachen. Reichstag. Aktenstücke 1909, Nr. 1250, S. 7579. 2.2.14 Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts. Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform. Hrsg. auf Anregung des Reichs-Justizamtes von den Professoren Dr. Karl Birkmeyer, Dr. Fritz v. Calker, Dr. Reinhard Frank, Dr. Robert v. Hippel, D. Dr. Wilhelm Kahl, Dr. Karl v. Lilienthal, Dr. Franz v. Liszt, Dr. Adolf Wach. 6 Bände zum AT, 8 Bände zum BT. Registerband. Berlin 1905 – 1909. 2.2.15 Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Bearbeitet von der hierzu bestellten Sachverständigen-Kommission. Veröffentlicht auf Anordnung des Reichs-Justizamts. Berlin 1909. 2.2.16 Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, gefertigt im Reichs-Justizamt, Berlin 1911.

Quellenverzeichnis

215

2.2.17 Zusammenstellung der Äußerungen der Bundesregierungen über den Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, gefertigt im Reichs-Justizamt. Berlin 1911. 2.2.18 Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuches. Aufgestellt von W. Kahl, K. v. Lilienthal, F. v. Liszt, J. Goldschmidt. Text mit Vorwort. Berlin 1911. Begründung (mit einer Denkschrift, betr. die Einarbeitung der Nebengesetze, von N. H. Kriegsmann). Berlin 1911. 2.2.19 Denkschrift zu dem Entwurf von 1919. 2.2.20 Gesetz zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Geldstrafe und zur Einschränkung der Freiheitsstrafen. Vom 21. Dezember 1921. RGBl. 1921, Nr. 118, S. 1604. 2.2.21 Gustav Radbruchs Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches (1922). Mit einem Geleitwort von Thomas Dehler und einer Einleitung von Eberhard Schmidt. Tübingen 1952. 2.2.22 Verordnung auf Grund des Gesetzes über Vermögensstrafen und Bußen. Vom 23. November 1923. RGBl. I 1923, S. 1117 ff. 2.2.23 Geldstrafengesetz. Vom 27. April 1923. RGBl. I 1923, S. 254. 2.2.24 Gesetz zur Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. Vom 21. Juli 1923. RGBl I 1923, S. 743 f. 2.2.25 Verordnung über Vermögensstrafen und Bußen. Vom 6. Februar 1924. RGBl. I 1924, S. 44 ff. 2.2.26 Nationalsozialistisches Strafrecht. Denkschrift des Preußischen Justizministers. Berlin 1933. 2.2.27 Reichsstraßenverkehrsordnung vom 28. Mai 1934; abgedruckt in: Das Recht des Kraftfahrers, 1934, S. 148. 2.2.28 Amtliche Begründung zur Verordnung zur Änderung der Strafvorschriften über fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Flucht bei Verkehrsunfällen vom 2. 4. 1940 (RGBl. I S. 606) (RJM 400 – II.a 551). Deutsche Justiz 1940 S. 508; in: DJ 1940, S. 508. 2.2.29 Gesetz des Kontrollrats für Deutschland Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht vom 20. September 1945; in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 6. 2.2.30 Gesetz des Kontrollrats für Deutschland Nr. 11: Aufhebung einzelner Bestimmungen des deutschen Strafrechts vom 30. Januar 1946; in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 55. 2.2.31 Militärregierungsgesetz; in: Amtsblatt der Militärregierung Deutschland Nr. 1 – 3. Kontrollgebiet der 21. Armeegruppe. 2.2.32 Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953; BGBl. I 1953, S. 735 ff. 2.2.33 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission. 14 Bände und 1 Registerband, Bonn 1956 – 1960. 2.2.34 Niederschriften über die Sitzungen der Unterkommission zur Vorbereitung des Entwurfs des Besonderen Teils eines Strafgesetzbuches, Bonn 1961. 2.2.35 7. Tagung der Länderkommission vom 24. bis 28. 10. 1960. Sitzungprotokoll.

216

Quellenverzeichnis

2.2.36 Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 (mit Begründung) – Bundestagsvorlage. 2.2.37 Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 (mit Begründung) – Kabinettsvorlage von 1962. 2.2.38 Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962. Mit Begründung. Bundestagsdrucksache IV/650. Bonn 1962. 2.2.39 Protokolle der Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform. 2.2.40 Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969; in: BGBl. I, S. 645, abgedruckt in: Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch II, Nr. 82. 2.2.41 Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts, vom 4. Juli 1969; in: BGBl. I 1969, S. 717, abgedruckt in: Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch II, Nr. 83. 2.2.42 Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Allgemeiner Teil, vorgelegt von Jürgen Baumann (u. a.), 2. Aufl. Tübingen 1969. Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Besonderer Teil: 2. Halbband. Straftaten gegen die Person, vorgelegt von Jürgen Baumann (u. a.), Tübingen 1971. 2.2.43 Verhandlungen des 9. Verkehrsgerichtstages 1971. 2.2.44 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974; in: BGBl. I 1974, S. 469, abgedruckt in: Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch II, Nr. 98. 2.2.45 Entwurf eines Vierzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 10. Mai 1974 (Gesetzentwurf der Bundesregierung); in BR-DS 345/74. 2.2.46 Entwurf eines Vierzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 31. Juli 1974 (Gesetzentwurf der Bundesregierung); in BT-DS 7/2434. 2.2.47 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes. BR-DS 345/74. 2.2.48 Verordnung über Maßnahmen im Straßenverkehr vom 27. November 1975 (BGBl. I 1975, S. 2967 ff.) 2.2.49 Verhandlungen des 20. Deutschen Verkehrsgerichtstages 1982; in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaften (Hrsg.). 20. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1982. 2.2.50 Verhandlungen des 24. Verkehrsgerichtstag.1986; in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaften (Hrsg.). 24. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1986. 2.2.51 Niederschrift über die 570. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates vom 12. September 1986. 2.2.52 Niederschrift über die Sitzung des Unterausschusses des Rechtsausschusses vom 3. September 1986. 2.2.53 Gesetzesantrag des Landes Berlin. (Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes) vom 27. 06. 1986. BR-DS 316/86. 2.2.54 Dokumentation. Entkriminalisierungsvorschläge der Hessischen Kommission „Kriminalpolitik“ zum Straßenverkehrsrecht; in: StV 1992, S. 202 ff. 2.2.55 Gesetzesantrag des Landes Hessen. Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes. Vom 09. 06. 1993. BR-DS 400/93.

Quellenverzeichnis

217

2.2.56 Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 11. März 1997; in: BR-DS 164/97. 2.2.57 Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 25. 09. 1997 (Gesetzentwurf der Bundesregierung); in: BT-DS 13/8587. 2.2.58 Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 11. 03. 1997 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.; in: BT-DS 13/7164. 2.2.59 Verhandlungen und Empfehlungen des 41. Verkehrsgerichtstages 2003; in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaften (Hrsg.). 41. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2003. 2.2.60 Gesetzesantrag des Abgeordneten Volker Beck (Köln) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 18. 07. 1995; BT-DS 13/2005. 2.2.61 Protokoll der 100. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 12. November 1997. (6. StRG). 2.2.62 Bericht des Rechtsausschusses vom 13. 11. 1997. 2.2.63 Drucksachen des Deutschen Bundestages. 2.2.64 Drucksachen des Deutschen Bundesrates. 2.2.65 Verhandlungen des Deutschen Bundesrates, Stenografische Berichte. 2.2.66 Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964, BGBl. I, S. 921. 2.2.67 Sechstes Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998; in: BGBl. I, 1998, S. 164, abgedruckt in: Vormbaum/Welp, Strafgesetzbuch IV, Nr. 170. c) Internet-Ressourcen 2.3.1 http://www.reichstagsprotokolle.de 2.3.2 http://www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de 2.3.3 http://www.kba.de 2.3.4 http://www.juris.de 2.3.5 http://www.beck-online.de 2.3.6 http://www.alternativentwurf.de 2.3.7 http://www.verfassungen.de 2.3.8 http://www.verkehrsopferhilfe.de/entschaedigungsfonds.html 2.3.9 http://www.bgbl.de II. Unveröffentlichte Quellen 1. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde R 3001/20855

Generalakten des Justizministeriums betreffend – Material das Strafrecht im allgemeinen.

R 3001/20845

Generalakten des Justizministeriums betreffend das Strafrecht im allgemeinen. 22. 10. 1934.

218

Quellenverzeichnis

R 3001/20993

Generalakten des Justizministeriums betreffend Tötung. 22. 10. 1934.

R 3001/5761

Reichsjustizministerium. Acta betreffend: Das deutsche Strafgesetzbuch nach der Revision von 1876. Dezember 1921 bis Februar 1923, Band XIII.

R 3001/5923

Acta betreffend: Protokolle der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuchs; vom 19. Juli 1911 bis 13. Dezember 1911, Vol. II.

R 3001/7072

Reichsjustizamt. Acta betreffend Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen … sowie des allgemeinen Fahrverkehrs hinsichtlich des Ausweichens der Fuhrwerke vom September 1905 bis März 1909, Vol. I.

R 3001/22244

Feststellung des Erbbrauchs in den Oberlandesgerichtsbezirken – Stuttgart, 1939 – 40.

R 3001/22037

Ohne Titel.

R 43/606

Kraftfahrzeuge, 1901 – 08 und 1908 – 17.

R 43/607

Kraftfahrzeuge, 19010 – 8 und 1908 – 17.

R 43/1501

Polizeiverordnungen, 1900 – 11.

R 43-II 1513

Reichskanzlei.

R 43 II/1513 a Akte der Reichskanzlei (ohne Titel). R 43 II 1515

Reichskanzlei. Begründung zum Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs.

R 43 II 1516

Reichskanzlei.

R 43 II/1516 a Ohne Titel R 1501/107149 Reichsarbeitsministerium Abt. II. Acta betreffend: die gesetzliche Regelung der Haftpflicht bei Automobilschäden vom 1. November 1905 bis 30. November 1906, Vol. 2. R 1501/107150 Reichsarbeitsministerium Abt. II. Acta betreffend: die gesetzliche Regelung der Haftpflicht bei Automobilschäden vom 20. 11. 1906 bis 22. 4. 1909, Vol. 3. R 1501/107151 Reichsarbeitsministerium Abt. II. Acta betreffend: die Bestimmungen fremder Staaten die Regelung der Haftpflicht bei Automobilschäden vom 28. 11. 1904 bis 7. 9. 1908. R 1501/107151 Reichsarbeitsministerium. Acta betreffend Äußerungen der Presse über die gesetzliche Regelung der Haftpflicht bei Automobilschäden. 29. Januar 1904 bis 14. 5. 1908. R 1501/114013 Reichsamt des Innern IA. Acta betreffend: Haftpflicht für Schäden durch Kraftfahrzeuge vom 1. April 1907 bis 28. Februar 1909, Vol. 2. R 1501/114014 Reichsamt des Innern, Acta betreffend: Haftpflicht für Schäden durch Kraftfahrzeuge vom 1. März 1909 bis 28. Februar 1911, Vol. 3. R 22/845

Strafrechtsreform – Materielles Strafrecht im allgemeinen, 1938 – 43.

R 22/875

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R 22/993

Strafrechtsreform – Tötung, 1935 – 44

R 22/2021

Strafrechtsreform – Verkehrsstrafsachen, 1936 – 42.

Quellenverzeichnis R 22/2022

Strafrechtsreform –Verkehrsstrafsachen, 1936 – 42.

R 22/2037

Strafrechtsreform – Allgemeines Straßenverkehr, 1939 – 44.

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228

Literaturverzeichnis

Wetekamp, Axel: Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 142 StGB; in: DAR 1987, S. 11 ff. Wunderer, Richard: Die Strafvorschriften für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen. Diss. München 1926.

Sachverzeichnis Abstraktes Gefährdungsdelikt 152, 175, 191 Abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt 172 Akademie für Deutsches Recht 66 Aktivpflichten 174 f., 178, 189 Alkoholdelikt 148, 196 Alleinschädigung 88 Alleinunfall 92, 145 Alternativentwurf 131 Analogieverbot 58, 179 Anhaltepflicht 22, 192 Antragsdelikt 91, 151, 159 Anwendungsbereich 115 f., 125, 129, 138 f., 143, 146, 156, 165, 171 Anwesenheitspflicht 178 Anzeigegebot 87, 185, 193 Anzeigepflicht 82, 179, 184 Art und Weise der Beteiligung 75 f. Automobilhaftpflicht 34, 36 f., 39, 43 Automobilverordnungen 19 Bagatellschaden 103, 121, 146, 149, 156, 187 Bedeutender Sachschaden 150, 164 f., 171 Bedingung der Strafbarkeit 78 Benachrichtigungsfrist 151 Benachrichtigungspflicht 144, 170 Berliner Polizeiverordnung 20, 30 Besatzungsrecht 84 Besonders schwerer Fall 83, 147 Bestimmtheit 15, 133 Bestimmtheitsgrundsatz 173, 195 Beweislastumkehr 70, 98, 152, 160 Beweisschwierigkeiten 156 f. Beweissicherungsinteresse 14, 17, 121, 158, 168, 172, 175, 189, 191, 196 Beweisverwertungsverbot 177, 189 Denkschrift Kerrl 58, 192 Denkschrift Kriegsmann 51 Drittes Strafrechtsänderungsgesetz

85

Einarbeitung der strafrechtlichen Nebengesetze 49, 51, 53 f., 183 Einarbeitung von strafrechtlichen Nebengesetzen 48, 55 Einbeziehung von Nebengesetzen 53, 99 Entdeckungsrisiko 162, 164, 169 Entfernen 93 Entkriminalisierung 159, 161, 165, 170 f., 188 Entwurf 1936 60 Entwürfe 1919 bis 1930 54 Entwürfe 1960 und 1962 122 Entziehung durch die Flucht 65 Erschwerung der Feststellung 65, 68 Erstes und Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts 132 Fahrlässigkeit 22, 34, 44 Feststellungsberechtigter 25, 65, 83, 114, 124, 133, 135 Feststellungsinteresse 98 f., 117, 126, 138, 144, 150, 176, 187, 190 Feststellungspflicht 64, 82, 88, 92, 97 – 99, 114, 116 f., 126, 129, 134, 146, 176, 184, 186 f., 189 Feststellungsvereitelung 41, 65, 69 Flucht 41, 52, 93 Führerflucht 54, 56, 59 – 61 Gefährdungshaftung 70, 152, 162 Gegenentwurf 52, 184 Gegenentwurf von 1911 51 Geschütztes Rechtsgut 90 f., 102 – 104, 107, 114, 123 f., 126, 137, 149, 161, 169 Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung 70 Gesetzgebungskompetenz 31, 42 Goldene Brücke 13, 108, 164, 171, 188 Große Strafrechtskommission 89, 99, 103, 110, 113, 115, 122

230

Sachverzeichnis

Grundzüge des Bundesrates vom 3. Mai 1906 27, 31 Haltepflicht 31, 37 f. Herrenfahrer 27 Hilfspflicht 31, 122 Höchststrafe 57, 73 Kennzeichnungspflicht 20, 30, 33, 38, 45, 182 Kleinkrafträder 56, 192 Kraftfahrzeug 20, 32 Kraftfahrzeuggesetz 34, 37 f., 45, 47 f., 50, 52, 54, 56, 60, 76, 100, 182 f., 193 f. Kriminologie 148 Länderkommission

122, 125, 128

Meldefrist 96, 162, 169 Meldepflicht 82, 93, 102, 106, 112, 124, 137, 139, 141, 143, 170, 175, 178, 184, 189 Menschenwürde 174, 177, 179 Minderschwerer Fall 150 Nachmeldefrist 155, 159 Nachmeldung 14, 149, 156, 158 Nächste Polizeidienststelle 112, 140 Nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen 119, 126, 147, 174 Nachträgliche Feststellungen 165 Nachträgliche Meldung 108, 149, 152 f., 164 Nachträgliche Selbstanzeige 41 Namensangabe 77 Nationalsozialismus 58 Nemo-tenetur-Grundsatz 15, 171, 173 – 177, 179, 189 Neutrale Meldestelle 150 Neutrale Unfallmeldestelle 169 Normklarheit 13, 121, 125, 133, 171, 192 Normzweck 40, 72 Obliegenheitsverletzung 149, 167 Offenbarungspflicht 143 f. Opferschutz 156, 165, 168 f. Ordnungswidrigkeit 62, 77, 82, 149, 173 f., 195

Partikularrecht 18 Passive Feststellungspflicht 114, 116, 189 Personenschaden 21, 39, 103, 105, 121, 160, 165, 192 Pflicht zur Selbstanzeige 67, 104, 161, 186 Pflichtenkatalog 193 Rechtsgut 17, 88, 93, 98, 117, 138 f., 143 – 145, 149, 175 f., 186, 191 Rechtsstaatsprinzip 179 Referentenentwurf von 1972 132 Regress 43, 149, 167, 170 Reichsstraßenverkehrsordnung 63 Rückkehrpflicht 87, 94, 102, 106, 113, 138, 185 Rücktrittsregelung 108 Sachbeschädigung 21, 33, 40, 192, 194 Sachschaden 67, 89, 95, 98, 104 f., 111, 114, 121, 125, 134, 137, 144, 153 f., 156, 163 – 165, 168 f., 171, 188, 195 Sachschadenunfall 154 Schaden 40, 111 Schadensgrenze 105 Schutzzweck 14, 154, 159, 191, 193, 196 Seeschifffahrt 23, 196 Selbstanzeige 88, 92, 161, 171, 178 Selbstbegünstigung 52, 103 f., 124, 143, 145, 154, 170 f., 178, 186, 190 Selbstbelastung 75, 174 f., 177 f., 189 Selbstbezichtigung 104, 177, 189 Sichentfernen 92, 94, 96, 107, 142 Sichentziehen 41, 88, 186 Strafandrohung 38 – 40, 53, 55 – 57, 66, 70, 73, 75 f., 81, 85, 96, 124, 127, 129, 136, 147, 149, 178, 184, 187, 193 Strafantrag 124, 133 f., 137, 143, 147, 151, 160, 162, 187 Strafaufhebungsgrund 150, 152, 157, 162, 169, 171, 189 Strafbefreiungsgrund 102, 132, 147 Straffreiheit 126, 164, 171 f., 187 Strafgesetzliche Regelung 18, 61, 75, 99, 123, 161 Strafmaß 57, 150, 193 Strafmilderung 107, 109, 118, 152, 164, 178, 187, 189 Strafmilderungsgrund 150 f., 157

Sachverzeichnis Strafrahmen 136, 151, 184, 194 Strafschärfung 60, 69 Systematische Einordnung 100 Tatbestandslösung 152 f., 161, 164, 169 Täterkreis 52, 55 f., 60, 63 f., 67, 75 f., 79 f., 82, 85, 184, 192 Täterqualität 31, 52, 56, 60, 63, 67, 75 f., 79 f., 82 Tathandlung 69, 92, 146 Tätige Reue 41, 69, 75 f., 81, 92, 94, 142, 144, 147, 149 – 152, 154 f., 159, 162, 166, 169 f., 178, 184, 194 Triftiger Grund 95, 102, 109 f., 114, 116, 118, 121 Überschrift 142, 145 f., 187 Übertretung 22 f., 32, 38, 52 Ultima-ratio-Grundsatz 159, 161 Umbezifferung 86 Unfall 64 Unfallbeteiligte 116 Unfallbeteiligter 64, 67, 76, 98, 115, 117, 124, 129 f., 133 Unfallfluchtquote 32, 36 f., 156, 183 Unfallfluchtzahlen 32, 148, 188, 195 f. Unternehmensdelikt 53, 65, 183 Unverzüglichkeit 96, 138, 189 Unvorsätzliches Entfernen 179 Vereitelung von Gläubigerrechten 100 Verfassungsmäßigkeit 173, 179, 189 Verfassungswidrigkeit 177, 189 Verhältnismäßigkeit 175, 189 Verhältnismäßigkeitsprinzip 154 Verjährung 32 Verkehrsflucht 93, 101, 113, 115, 118, 120, 125, 127, 129, 136, 139, 187

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Verkehrsgemeinschaft 63, 81, 184, 192 f. Verkehrsgerichtstag 132, 148, 153 f., 156, 166, 188 Verkehrssünderflucht 63 Verkehrsunfall 65 Verkehrsunfallflucht 69 Verkehrszentralregister 167, 170, 196 Vermögensdelikt 172 Verordnung, die Fahrräder und Automobile betreffend des Großherzogtums Hessen von 1899 21 Verordnung über das Verhalten von Schiffern nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See von 1876 23 Versicherungspflicht 70 Versuchsstrafbarkeit 32, 41, 65, 76, 81, 94, 96, 102, 107, 127 f., 133 f., 137, 142 f., 147 Verwertungsverbot 162 Vorentwurf von 1909 48 Vorsatz 40, 78, 80 Vorsatzloses Entfernen 130 Vorstellungspflicht 134 f., 141, 147, 175, 177 f. Vorverlagerung der Strafbarkeit 53, 128, 152 Wartefrist 118, 136 Wartepflicht 83, 87, 93, 116, 125, 133, 139, 144 – 146, 154, 157 f., 165, 170, 175, 179, 182, 185, 187 Wartezeit 40, 136, 146 f., 189 Zwangsgenossenschaft 43, 183, 195 Zwangsversicherung 44 Zweck der Norm 183 Zweck des Tatbestandes 86 Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs 130