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German Pages 398 Year 2015
Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
2009-11-02 12-53-24 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0323225063630262|(S.
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) T00_02 autoreninfo - 1050.p 225063630374
Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.)
Regionale Kooperationen im Kulturbereich Theoretische Grundlagen und Praxisbeispiele
Forschungsgruppe »Regional Governance im Kulturbereich«
2009-11-02 12-53-25 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0323225063630262|(S.
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) T00_03 innentitel - 1050.p 225063630422
Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und Kulturland Brandenburg e. V.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Idee, Konzept und Projektleitung: Patrick S. Föhl Organisation und Umsetzung: Patrick S. Föhl, Iken Neisener Redaktion: Patrick S. Föhl, Iken Neisener, Sigrid Redies Satz: Alexander Masch, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1050-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
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) T00_04 impressum - 1050.p 225063630454
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I N H A LT
Vorwort .......................................................................................
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R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H : BEGRIFFLICHKEITEN UND GRUNDL AGEN Patrick S. Föhl
Regionale Kooperationen im Kulturbereich. Begriffe und Systematisierungen ...................................................
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Christian Diller Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen im Kulturbereich ..........................................................................
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Tobias J. Knoblich und Oliver Scheytt Governance und Kulturpolitik – Zur Begründung von Cultural Governance ...............................................................
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Hermann Voesgen
Kooperation und Konkurrenz .........................................................
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A U S G E W Ä H LT E H A N D L U N G S B E R E I C H E UND THEORETISCHE EXKURSE Iken Neisener
Kooperative Kulturplanung. Interkommunale und regionale Kooperationen bei kulturellen Planungen .......................... 105 Patrick Glogner Publikumsforschung und Bürgerbefragungen im Rahmen regionaler Kooperationsprozesse ................................... 129 Uwe Hanf Rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen im Kulturbereich .......................................................................... 139
Andreas Huber Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen im Kulturbereich .......................................................................... 159 Dietrich Fürst Regionale Kooperation in kulturlandschaftlichen Handlungsräumen .... 177
PRAXISBEISPIELE Oliver Scheytt und Marc Grandmontagne Kooperation und Eigensinn – Cultural Governance in der Metropole Ruhr ................................................................... 193 Christian Esch Das NRW KULTURsekretariat. Interkommunale Kulturförderung .......... 207 Hellmut Seemann und Patrick S. Föhl »Ich mache, daß von Dir die Nachwelt nimmer schweigt …« Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar .. 217 Matthias Wagner Kloster Bronnbach: ein Ort gelebter Kooperation .............................. 231 Ilka Normann Das Kulturnetzwerk Neukölln e.V. ................................................... 241 Monika Kuberek Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV). Strategien für die Zukunft der regionalen Informationsinfrastruktur .... 251 Bettina Rinke »Wir bleiben jeweils einzigartig und bilden als Netzwerk eine Museumslandschaft«. Regionale Kooperationen am Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V. ............................. 261 Michael Kurzwelly Słubfurt – ein Grenzen überschreitendes Kooperationsprojekt? .......... 273
Viola Kelb Kultur macht Schule – Netzwerk für Kooperationen. Innovationskraft durch Qualität ....................................................... 279 Michael A. LaFond, Mareen Scholl, Nathalie Rostagny Culture is it! Aktivierung von Kreativbündnissen für eine Kultur der Zukunftsfähigkeit. Ein Projekt von id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit, Berlin ....................................... 289 Ruth Kiefer ›tanzen!08‹. Ein Projektbeispiel der Arbeitsgemeinschaft ›Kultur im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach‹ ............. 299 Christine Fuchs Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. ................................................................. 309 Brigitte Faber-Schmidt Kulturland Brandenburg – ein Motor für Vernetzung und Kooperation ...................................... 317 Stefan Peters Regional Governance am Beispiel kultureller Projekte in Stadtregionen .......................................................................... 325 Bill Flood and Beth A. Vogel The Arts in Cross-Sector Collaborations: Reflections on Recent Practice in the U.S. ....................................... 347 Patrick S. Föhl Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen im Kulturbereich. Beispiel eines kulturmanagerialen Forschungsansatzes ..................... 363
Auswahlbibliographie zum Thema ›Regionale Kooperationen im Kulturbereich‹ ......................................................................... 383 Zu den Beiträgerinnen und Beiträgern ............................................ 389
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VORWORT
Als die Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ im Jahr 2006 am Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam gegründet wurde und ihre Arbeit aufnahm, war der Begriff ›Governance‹ bei vielen Partnern in der Praxis (Kulturbetrieb/Kulturpolitik) und Wissenschaft (Kulturmanagement) noch nicht richtig angekommen. Während sich Governance als Konzept bzw. Erklärungsmodell neuer Formen der Zusammenarbeit, Koordination und Steuerung zwischen öffentlichen, zivilgesellschaftlichen und privaten Akteuren in anderen Feldern – z.B. den Politikwissenschaften und der Raumplanung – bereits seit mehreren Jahren etabliert hatte, bestand für den Kulturbereich noch erheblicher Erklärungsbedarf. Das hat sich seitdem – und somit innerhalb kürzester Zeit – rasant geändert. Spätestens mit dem Erscheinen des Schlussberichtes Kultur in Deutschland der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, ist Governance auch im Kulturbereich zum Begriff geworden. So heißt es dort u.a. zu ›Governance in der Kulturpolitik‹ (Deutscher Bundestag 2008: 128): »Das Leitbild Governance der öffentlichen Verwaltung bedeutet für den Kulturbereich eine Fokussierung auf die kulturpolitischen Ziele und eine kooperative Lösungsstrategie, die alle kulturpolitischen Akteure (staatliche und private) einbezieht.« Manifestiert wurde diese Perspektive wenig später in Oliver Scheytts Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik (vgl. Scheytt 2008). Der vorliegende Band greift diese kooperative Perspektive auf. Allerdings soll Governance hier weniger als normativer Begriff des ›guten Regierens‹ fokussiert werden (vgl. hier und im Folgenden Benz et al. 2007: 14f.), sondern vielmehr als das praktische Management von Interdependenzen, die konkrete Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren und Stakeholdern im Kulturbereich. Gleichwohl ist festzuhalten, dass Kooperationen angesichts der zunehmenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen seit den 1990er Jahren im Kulturbereich zwar eine verstärkte Rolle spielen (vgl. exempl. Föhl 2008, 2009 und Groß/Röbke 1998); das Thema selbst wurde hingegen in kulturmanagerialen und kulturpolitischen Publikationen bislang eher ›stiefmütterlich‹ behandelt. Dieser Band versteht sich demnach als Einblick in bereits Geschehenes und in gegenwärtige Entwicklungen sowie als Bindeglied zwischen bislang häufig eher operativ bzw. ›Public Management‹ orientierten Kooperationen (z.B. Steigerung der Effizienz) und dem oben beschriebenen Governance-Ansatz im Kulturbereich. Deshalb soll die Publikation (noch) nicht mit dem – für den Kulturbereich – hochmodernen Begriff ›Governance‹ etikettiert werden, auch wenn dieser bei der Konzeption des Bandes eine gewichtige begriffliche, deskriptive und explanatorische Rolle gespielt hat. Vielmehr werden die direkten Interaktionsformen von verschiedenen Akteuren im Kulturbe-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
reich fokussiert, die sich intermediär zwischen Markt und Hierarchie bewegen: also konkrete Kooperationsmodi und entsprechende an der Praxis orientierte Fragestellungen. Das räumliche Betrachtungsfeld dieser Publikation stellt die Region dar, die als ›Zwischenschicht‹ und Handlungsraum zwischen lokaler und staatlicher Ebene – u.a. aufgrund der Globalisierung und einem interregionalen Wettbewerb – ebenfalls an Bedeutung gewonnen hat (vgl. hier und im Folgenden Röbke/Wagner 1997: 23 und vertiefend Ivanisin 2006). Die Region dient als Orientierungs-, Kommunikations- und Handlungsraum, auch wenn sie kein vollständig abgrenzbares Gebiet darstellt, da sich eine ›Region‹ je nach den zugrunde gelegten Definitionskriterien (z.B. geographisch, historisch, politisch, wirtschaftlich, kulturell oder sozialräumlich) höchst unterschiedlich zusammensetzen kann. Diese Unschärfen müssen berücksichtigt werden und es gilt, für jedes Kooperationsbeispiel den entsprechenden Handlungsraum nachvollziehbar aufzuzeigen. Auf der anderen Seite soll der Blick in einzelne lokale und überregionale Kooperationsgebilde nicht verschlossen bleiben. Obgleich Kooperationen grundsätzlich alle gesellschaftlichen Akteure betreffen können, spricht der Band in erster Linie Kulturmanager in Studium, Lehre, Forschung und Praxis, Kulturschaffende aus allen drei Sektoren und allen Sparten, Kulturverwalter und -politiker sowie Kulturberater und -unternehmer an. Zudem soll die Publikation Einblicke bereithalten für Wissenschaftler aus anderen Bereichen sowie für ein Publikum, das sich für Kooperationen mit Akteuren aus dem Kulturbereich interessiert. Ziel der Publikation ist die Sensibilisierung für das Thema regionale Kooperationen im Kulturbereich sowie für entsprechende Prozesse und Entwicklungen. Zugleich werden Begrifflichkeiten systematisiert und Einflussfaktoren qualitativ lokalisiert. Dadurch soll ein Handbuch mit Überblickscharakter zu den theoretischen und praktischen Zugängen der vorgelegten Thematik entstehen. So gesehen versteht sich das vorliegende Buch als eine Art ›Handreichung‹ für diejenigen, die Kooperationen im Kulturbereich initiieren, umsetzen oder erforschen wollen. Die Publikation will nicht nur über einzelne Aspekte von ›Kooperationen‹ informieren, sondern – daran anknüpfend – auch als ›Starthilfe‹ für die Umsetzung eigener Maßnahmen fungieren. Damit wird die für das Kulturmanagement – in dessen Kontext dieser Band entstanden ist – typische Brücke zwischen wissenschaftlichem Anspruch und praxeologischen Hilfestellungen geschlagen. Analog zu dieser Zielstellung ist der Band in drei thematische Hauptkapitel unterteilt. Das erste Kapitel des Buches öffnet zunächst den inhaltlichen Horizont für das Thema. Dort werden wichtige Begrifflichkeiten und Grundlagen zum Thema ›Regionale Kooperationen‹ herausgearbeitet. Dieser theoretisch orientierte Teil wird im zweiten Kapitel durch weitere – aus Sicht der
Patrick S. Föhl, Iken Neisener £Vorwort
Herausgeber – zentrale Handlungsbereiche und theoretische Exkurse zum Thema erweitert. Dazu zählen u.a. die Evaluation sowie rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen. Diesen grundlegenden Kapiteln folgt ein bewusst materialreich gestalteter Teil mit prägnanten Beispielen aus der deutschen Praxis: Auf der einen Seite wird die Vielschichtigkeit von Kooperationen hinsichtlich ihrer Inhalte, Zielstellungen und Akteurszusammensetzungen verdeutlicht, andererseits lassen sich Hemmnisse und Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit ableiten. Der den Band (fast) abschließende Beitrag von Bill Flood und Beth Vogel ermöglicht als Exkurs Einblicke in sparten- und sektorenübergreifende Kooperationen im Kulturbereich der USA. Aus Gründen der Kürze und besseren Lesbarkeit ist in den Texten überwiegend von Mitarbeitern, Kulturpolitikern, Kulturakteuren u.a. die Rede. Die jeweiligen weiblichen Personenkreise sind hierin ausdrücklich eingeschlossen. Die vorliegende Publikation versteht sich als Annäherung an eine komplexe Thematik. Vor dem Hintergrund der Diversifikation von regionalen Kooperationen im Kulturbereich – hinsichtlich der möglichen Auslöser, der Ziele und Formen, der Akteurskonstellationen sowie weiterer Einflussfaktoren und so gut wie nicht vorhandener empirischer Befunde – bleiben zwangsläufig inhaltlich große Lücken und unbeantwortete Fragen. Um sie zu schließen bzw. zu beantworten, kommen die Kulturschaffenden, Kulturpolitiker, Wissenschaftlicher und weitere Kooperationspartner nicht umhin, intensiv zu kommunizieren und sich über die jeweiligen individuellen Bedürfnisse und Wünsche ausgiebig zu informieren. Der Band ist folglich ein erster Schritt, um Wissen über das Nichtwissen zu erzeugen (vgl. Jansen 2004: 40), das hoffentlich zu weiteren Gesprächen, Projekten, Publikationen und vertiefenden Forschungsprojekten anregt. Die Idee für dieses Buch entstand aus zahlreichen Gesprächen mit Akteuren vor Ort sowie aus den geleisteten Untersuchungen im Rahmen der Projekte der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹. Den Auftraggebern und zahlreichen Interviewpartnern ist hierfür Dank abzustatten. Besondere Anerkennung gebührt den Autoren für ihre engagierten Beiträge sowie Sigrid Redies, die uns beim Lektorat der vorliegenden Publikation unterstützt hat. Dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und dem Kulturland Brandenburg e.V. sei für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses herzlich gedankt. Dem transcript Verlag Bielefeld schulden wir Dank für die Geduld, die verlegerische Umsicht und das Engagement bei der Herstellung des Bandes. Patrick S. Föhl und Iken Neisener – Potsdam im Mai 2009
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
QUELLENVERZEICHNIS Benz, Arthur; Lütz, Susanne; Schimank, Uwe; Simonis, Georg (2007): Einleitung, in: Benz, Arthur; Lütz, Susanne; Schimank, Uwe; Simonis, Georg (Hg.): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden, S. 9-25. Deutscher Bundestag (Hg.) (2008): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Regensburg. Föhl, Patrick S. (2008): Kooperationen im öffentlichen Kulturbereich. Mit Zusammenarbeit Synergien ausschöpfen, in: Scheytt, Oliver; Loock, Friedrich (Hg.): Handbuch Kulturmanagement und Kulturpolitik, Berlin u.a.O. 2006ff., Kap. D 1.5. Föhl, Patrick S. (2009): Potenziale von Kooperationen als Präventiv- und Anpassungsstrategie zur Gestaltung des demografischen Wandels im Kulturbereich, in: Hausmann, Andrea; Körner, Jana (Hg.): Demografischer Wandel und Kultur, Wiesbaden, S. 203-227. Groß, Torsten; Röbke, Thomas (1998): Modelle regionaler Kulturarbeit, Materialen, Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft, Heft 4, Bonn. Ivanisin, Marko (2006): Regionalentwicklung im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Identität, Wiesbaden. Jansen, Stephan A. (2004): Management von Unternehmenszusammenschlüssen. Theorien, Thesen, Tests und Tools, Stuttgart. Röbke, Thomas; Wagner, Bernd (1997): Zwischen Eurobananen und renitenten Weinbauern. Region als Bezugsgröße der Kulturpolitik, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 77, Heft 2, S. 18-23. Scheytt, Oliver (2008): Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik, Bielefeld.
£ Regionale Koop e ra t i one n
im Kulturbere i c h : Begrif flichke i t e n u nd Gr u nd l a g e n
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R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H . B E G R I F F E U N D S Y S T E M AT I S I E R U N G E N Patrick S. Föhl
1 EINLEITUNG: REGIONAL G OVERNANCE
IM
K U LT U R B E R E I C H
»›Regional Governance‹ bezeichnet Formen der regionalen Selbststeuerung in Reaktion auf Defizite sowie als Ergänzung der marktlichen und der staatlichen Steuerung. Sie tritt dort auf, wo das Zusammenspiel staatlicher, kommunaler und privatwirtschaftlicher Akteure gefordert ist, um Probleme zu bearbeiten (›intermediäre Steuerungsform‹).« (Fürst 2004: 46) Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die gegenwärtig auf den Kulturbereich einwirken, sind die mit Kultur befassten Akteure gefordert, (noch) stärker zusammenzurücken (Kooperationen) sowie neue Formen der Koordination und Steuerung zu erproben. Hierzu zählen z.B. im Kontext des demografischen Wandels (über-)regionale Kulturentwicklungskonzepte mit dem Ziel, kreative und monetäre Ressourcen zu bündeln sowie gemeinsame Leitbilder und Strategien für eine zukunftsfähige Kulturarbeit zu entwickeln (vgl. den Beitrag von Neisener in diesem Band).1 Zugleich können Gründungen von Agenturen zur Aktivierung des ehrenamtlichen Engagements, konkrete Kooperationsprojekte wie z.B. der Spartenaustausch zwischen Theatern oder ein Dachmarketingkonzept mehrerer Museen einer Region exemplarisch genannt werden (vgl. vertiefend Föhl 2009: 216-220). Dies gilt gleichermaßen für die neue Rollenverteilung zwischen öffentlichen, privat-gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Akteuren und Einrichtungen. Doch warum sind Kulturpolitiker und -verwalter, die Vorsitzenden von Kulturvereinen, einzelne Unternehmer oder Theaterintendanten bereit, Steuerungsmacht und Ressourcen zu teilen? Diese Aktivitäten entwickeln sich bzw. werden möglich und durchgeführt, weil bisherige Praktiken und Ressourcen nicht mehr ausreichen, um bestehende und neue Aufgaben im Alleingang zu bewältigen (vgl. Fürst 2006: 37-42). Dass hingegen kooperative Lösungsstrategien im Kulturbereich keineswegs eine Neuerfindung sind, dafür stehen u.a. die zahlreichen Debatten ab Mitte der 1920er Jahre zu geplanten Theaterkooperationen und -fusionen als Reaktion auf die Auswirkungen der Inflation wie des ›Schwarzen Freitags‹ exemplarisch. Gegenwärtig erhält das Thema ›Governance‹ bzw. ›Kooperation‹ im Kulturbereich jedoch eine besondere Schubkraft. So können bereits seit den 1990er Jahren vermehrte Diskussionen zur Thematik (vgl. exempl. Crummenerl 1991, Klein 1993, Richter 1994) und eine zunehmen1
Vgl. hierzu ebenfalls die Projekte der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ (s. Beitrag von Föhl am Ende des Bandes).
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
de Anzahl entsprechender Aktivitäten (vgl. exempl. Groß/Röbke 1998, Sievers 1998) nachvollzogen werden. Spätestens seit der Jahrtausendwende stehen – etwas zeitverzögert im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern – ›Kooperationen‹ und – seit wenigen Jahren speziell ›Governance‹ – im Rampenlicht der Strategien zur Lösung gegenwärtiger Herausforderungen im Kulturbereich (vgl. exempl. Deutscher Bundestag 2008, Scheytt 2008a und den Beitrag von Knoblich/Scheytt sowie Diller in diesem Band). An dieser Stelle sei eine Auswahl aktueller Herausforderungen genannt: 1. Die stagnierende und mitunter rückläufige öffentliche Kulturförderung sowie der Umstand, dass diese Entwicklung durch die gegenwärtige Finanzkrise verschärft wird (vgl. Sievers 2009a), muss ebenso thematisiert werden wie die stetig aufwachsenden Tariferhöhungen und die allgemeinen Kostensteigerungen. Hier sei exemplarisch an die Baumol’sche ›Kostenkrankheit‹ in den darstellenden Künsten erinnert (vgl. Baumol/Bowen 1966); 2. ein verändertes Freizeit-/Rezeptionsverhalten der potenziellen Besucher (u.a. Pluralisierung und Medialisierung) sowie die Ausdifferenzierung der Besucherbedürfnisse in immer kleinteiligere Besuchersegmente; 3. Individualisierungsprozesse und damit einhergehend das Auflösen familiärer sowie gesellschaftlicher Strukturen; 4. die wachsende Konkurrenz auf dem Kultur- und Freizeitmarkt; 5. der demografische Wandel mit seiner Vielfalt an Auswirkungen: u.a. schrumpfende Städte und Regionen, voranschreitende Alterung der Gesellschaft sowie die Umkehr der Alterspyramide, soziale Polarisierung (Entmischung und starke Milieubildung), kulturelle Veränderungen durch Binnenwanderungen, Abwanderung junger Menschen aus strukturschwachen Regionen sowie der damit einhergehende Fachkräftemangel und – vor allem in Westdeutschland – die Migration von Ausländern in die Ballungsgebiete (vgl. hierzu vertiefend: Deutscher Bundestag 2002, Stiftung Niedersachsen 2006). Parallel zu diesen Entwicklungen hat die ›Region‹ seit den 1980er Jahren im privatwirtschaftlichen Handeln – aber auch in der öffentlichen Steuerungstätigkeit – eine immense Aufwertung erfahren (vgl. Diller 2002: 42). »Als zukunftsweisende neue Raumkonfiguration soll die Region nicht nur die Defizite des sich auflösenden Nationalstaates auffangen, sondern sie soll auch in einer noch nicht fest gefügten suprastaatlichen Ordnung als Gegengewicht fungieren, das ihren Menschen räumliche Verankerung und Identität sichert.« (Ebd.) Gemeinsam bilden ›Regional‹ und ›Governance‹ dementsprechend ein – wenn auch bislang nicht klar abgrenzbares – Handlungsfeld und -konzept,2 2
S. ausführlich zu den Begrifflichkeiten unten und die folgenden Kapitel.
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
dem inzwischen große Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Diskussion, aber auch in der Praxis entgegengebracht wird (vgl. ausführlich Kleinfeld et al. 2006). Im Rahmen dieser Prozesse wird die vormals eher ›hierarchische Autorität‹ des Staates durch neue Verhandlungs- und Kooperationssysteme ergänzt oder teilweise gar ›unterhöhlt‹ (vgl. hier und im Folgenden Diller 2002: 32). Konsens dürfte dahingehend bestehen, dass der ›Kooperationsgedanke‹ als Handlungsoption einer Fixierung auf Konkurrenz als dem Treiber marktorientierter Konzepte (Wettbewerb) wie dem staatlichen Handeln (Hierarchie) bzw. der Eigenerstellung von Leistungen von Funktionalorganisationen (ebenfalls Hierarchie) als intermediäre Form im Sinne Sydows (1992: 104) zwischengeschaltet wird (vgl. Fürst 2006: 39). Neben den bekannten Mustern entstehen neue staatliche und nicht-staatliche Verhandlungs-, Steuerungs- und Kooperationssysteme. Darüber hinaus bringen sich die Bürger zunehmend in politische Diskurse ein (z.B. Bürgerentscheid). D.h., die Komplexität der Umweltbedingungen und neuen Akteurskonstellationen nehmen zu; gleichzeitig verliert der Staat an Steuerungskapazität, obwohl der Bedarf an Steuerung bzw. zumindest an Koordination in einer stetig komplexer werdenden Umwelt ansteigt (wer behält den Überblick, wer koordiniert, wer vermittelt, wer formuliert (Leit-)Bilder für die Zukunft einer Region, wer ist für was verantwortlich, gerade im Bereich der freiwilligen ›Aufgabe‹ Kultur?). Im Kulturbereich ist diese Entwicklung besonders brisant, da die Kulturpolitik an sich vor größten Herausforderungen steht. So spricht Klein von einer fortschreitenden Marginalisierung von Kulturpolitik (vgl. Klein 2007: 25); Sievers hingegen reflektiert unter dem Titel Kulturpolitik ohne Subjekt? über eine zunehmende (Gefahr der) Ideen- und Ziellosigkeit zahlreicher Kulturpolitiker sowie entsprechender Programme (vgl. Sievers 2009b). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich Kulturpolitik zukünftig realisieren lässt und welche Funktionen sie übernehmen kann und wird. Denn einerseits ist die Kulturpolitik gehalten, Ziele, Kulturförderung und Verbindlichkeiten zu steuern; sie sollte aber andererseits auch in der Lage sein zu aktivieren, loszulassen und zu kooperieren.3 Im Mittelpunkt ›neuer‹ Ansätze wird dementsprechend mit großer Wahrscheinlichkeit (auch) die zielorientierte Koordination bzw. Unterstützung von unterschiedlichen Systemen und Handlungslogiken stehen (vgl. Scheytt 2008b), wobei stets die Gefahr mitschwingt, dass der Staat in praxii der gesteigerten Komplexität kaum noch gerecht werden kann (vgl. exempl. Schneider/Kenis 1996). Vor diesem Hintergrund kommt die bereits eingeführte ›Governance‹3
Vgl. zu neuen Steuerungs-, Regelungs- und Koordinationsstrukturen Schuppert 2008: 34. Vgl. vertiefend zum Thema Kulturpolitik Klein 2005, Sievers/Wagner 2006.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Perspektive sowie die ›Aktivierung‹4 (vgl. Scheytt 2008a/b, Sievers 2005) als potenzieller Handlungsansatz für die Kulturpolitik zum Zuge. Selbstverständlich sind damit auch sämtliche anderen Akteure und Disziplinen im Kulturbereich einbegriffen,5 da diese ebenfalls komplexe Situationen und neue Herausforderungen zu bewältigen haben (vgl. hierzu vertiefend Klein 2007). Der Governance-Begriff muss deshalb an dieser Stelle ein weiteres Mal im Rahmen einer gedanklichen Einleitung aufgenommen werden. Knoblich und Scheytt führen hierzu ausführlich in ihrem Beitrag aus kulturpolitischer Sicht zu ›Cultural Governance‹ aus. Für Governance existiert bislang keine feststehende Begriffsdefinition. Dies lässt sich u.a. auf die verschiedenen Anwendungsfelder, die Beforschung durch eine Vielfalt an Wissenschaften sowie das noch relativ frühe Entwicklungsstadium dieses Ansatzes und seine Funktion als Brückenbegriff zurückführen (vgl. Schuppert 2008: 24-26). Dennoch kann ein gewisser Grundkonsens an definitorischen Annäherungen zusammengefasst werden (vgl. Benz 2004: 12-25 und Benz et al. 2007: 9-20): • Steuern und Koordinieren (oder auch Regieren) mit dem Ziel des Managements von Interdependenzen zwischen (i.d.R. kollektiven) Akteuren aus dem öffentlichen, privaten oder privat-gemeinnützigen/zivilgesellschaftlichen Sektor und/oder innerhalb dieser Sektoren; • Steuerung und Koordination beruhen auf zumeist institutionalisierten Regelsystemen, welche das Handeln der Akteure lenken sollen, wobei in der Regel Kombinationen aus unterschiedlichen Regelsystemen (z.B. Markt, Hierarchie und Mehrheitsregeln) vorliegen; • Interaktionsmuster und Modi kollektiven Handelns, welche sich im Rahmen von Institutionen (u.a. Netzwerke, Koalitionen, Vertragsbeziehungen) oder Initiativen (z.B. Bürgerinitiativen) ergeben; • Prozesse des Steuerns bzw. Koordinierens sowie Interaktionsmuster, die der Governance-Begriff erfassen will, überschreiten in aller Regel Organisationsgrenzen, insbesondere auch die Grenzen von Staat und Gesellschaft, die in der politischen Praxis zunehmend fließend werden. Politik und Ge-
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Hier ist die Aktivierung im weiteren Sinne zu verstehen, also auch die Unterstützung vorhandener und förderungswürdiger Initiativen/Einrichtungen. Andernfalls würde der Eindruck entstehen, dass bislang gar keine Aktivitäten im Kulturbereich (vor allem in der Zivilgesellschaft) stattfinden und diese erst (ausschließlich) ›aktiviert‹ werden müssen.
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Vgl. exempl. für einen konkreten Bereich kreativen und künstlerischen Handels im Kontext von Governance den Band Governance der Kreativwirtschaft von Lange et al. 2009.
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
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staltungsprozesse in diesem Sinne finden im Zusammenwirken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure bzw. Organisationen statt; Darüber hinaus existieren verschiedene normative bzw. direkte praktische Anwendungen, wie z.B. die zentralen ›Good Governance‹-Grundsätze der Europäischen Kommission mit den Leitbildern ›Offenheit‹, ›Partizipation‹, ›Verantwortlichkeit‹ und ›Kohärenz‹ (vgl. Europäische Kommission 2001: 8).
Im Kontext dieser begrifflichen Annäherung finden sich für Governance ganz verschiedene Verwendungsweisen. Zunächst handelt es sich bei Governance grundsätzlich um einen Analysebegriff, der für eine Perspektive auf die Realität steht (vgl. hierzu und im Folgenden Benz et al. 2007: 14f.). Analytischer Hauptgegenstand sind dabei Muster der Interdependenzbewältigung bzw. kooperative Handlungsweisen zwischen gesellschaftlichen Akteuren (vgl. Schimank 2007: 29). Darüber hinaus existieren weitere Verwendungszusammenhänge: • Praktisches Konzept: Governance als Regierungstechnik. Leitet sich vom ›Guten Regieren‹ ab, fokussiert dabei aber das Management von Interdependenzen, Netzwerken oder Verhandlungssystemen. Neben den analytischen, deskriptiven Aspekten – vor allem der Wissenschaft – nimmt Governance eine stärkere praxiskontextuelle Ebene ein. D.h., die konkret messbare Umsetzung von Zusammenarbeitsmodellen wird fokussiert. • Deskriptiver Begriff: Erfassung der Tatsache, dass kollektive Entscheidungen und Handlungen in der modernen Gesellschaft zunehmen. • Normativer Begriff: Governance als Modell des ›Guten Regierens‹ (siehe oben ›Good Governance‹). Governance findet dementsprechend sowohl als analytisches Konzept zur Beschreibung wie zur teilweisen Erklärung aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen im Hinblick auf interdependente Entscheidungsfindungen sowie Leistungserstellungen statt, als auch zunehmend als konkretes, praktisches (Reform-)Konzept zur Umsetzung von Zusammenarbeit in der Gesellschaft und zur Realisierung verwaltungspolitischer Veränderungen. Zugleich wird mit ›Governance‹ ab Mitte der 1990er Jahre die Ablösung des eingangs erwähnten Leitbildes des ›schlanken Staates‹ durch den ›aktivierenden Staat‹ gleichgesetzt (vgl. Jann/Wegrich 2004: 198f.). Das Leitbild des ›aktivierenden Staates‹6 steht dafür, dass ein staatliches Gemeinwesen nicht mehr alleine in der Lage ist, gesellschaftliche Probleme umfassend zu lösen. Womöglich und vertretbar, sollen Problemlösungskapazitäten der Privatwirtschaft und 6
Siehe dazu oben auch die Hinweise auf die ›aktivierende Kulturpolitik‹.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
der Zivilgesellschaft aktiviert bzw. eine gemeinsame Leistungserstellung avisiert werden (vgl. hier und im Folgenden ebd.: 199). Dieser Ansatz hat eine tiefgreifende Neubestimmung des Rollenverhältnisses von Staat, Markt und Zivilgesellschaft zur Folge. Neben ›Government‹ – als autonome Tätigkeit des Regierens von Seiten des Staates – tritt die ›Governance‹-Perspektive des neuen Zusammenwirkens gesellschaftlicher Akteure. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Governance-Systeme nicht die klassischen Verwaltungsstrukturen ersetzen, sondern diese ergänzen (vgl. hier und im Folgenden Scherer 2005). Im Idealfall sind die ›Government‹- und ›Governance‹-Systeme produktiv und engmaschig miteinander vernetzt. Wie im Vorwort bereits angedeutet, sollen im Kontext der beschriebenen Governance-Perspektive, als erster Schritt einer thematischen Annäherung,7 konkrete Interaktionsmuster und Modi kollektiven Handelns in Regionen im Mittelpunkt dieses Bandes stehen, welche sich im Rahmen verschiedenster Institutionen oder Initiativen ergeben. Hierzu zählen, neben zahlreichen Fallbeispielen von Kooperationen,8 ausgewählte Mechanismen, Grundlagen und Funktionsweisen von Zusammenarbeit. D.h., es wird weniger auf den ›Gesamtkomplex‹ Governance eingegangen, sondern vielmehr konkrete Interdependenzbeziehungen in Form von ›regionalen Kooperationen‹ fokussiert – folglich werden die Aspekte Koordination und Steuerung nur marginal thematisiert. In vielen anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern ist die Diskussion bereits weiter vorangeschritten und komplexe Kooperationstheorien9 sowie ›Gover7
Bislang beschränken sich die praktischen/theoretischen Diskussionen zum Thema Governance und Kooperation im Kulturbereich auf ein überschaubares Maß an Publikationen, mit vorwiegend analytischem (z.B. Lange et al. 2009), normativem (z.B. Scheytt 2008a) und/oder praxeologischem Zuschnitt (z.B. Föhl/Huber 2004, Föhl 2008). Konkrete und aktuelle Forschungsaktivitäten finden sich ebenfalls nur vereinzelt. Hierzu zählen u.a. Wostrak 2008, die Arbeit der bereits erwähnten Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ und ein Dissertationsprojekt des Autors, mit dem Titel Kooperationen und Fusionen von öffentlichen Theatern. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine umfangreiche Methodentriangulation zur Thematik durchgeführt. Die von Prof. Dr. Armin Klein am Institut für Kulturmanagement in Ludwigsburg betreute Arbeit wird im Wintersemester 2009/10 zur Begutachtung eingereicht.
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Es werden Kooperationen innerhalb einer Sparte und/oder Sektors vorgestellt, ebenso wie sparten- und/oder sektorenübergreifende Allianzen. Damit soll die große Bandbreite bereits durchgeführter Kooperationen sowie entsprechende Potenziale und Stolpersteine abgebildet werden.
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Vgl. zur Übersicht gängiger Theorie- und Analyseperspektiven in Hinblick auf Governance ausführlich den Teil 2 des Bandes von Benz et al. 2007 sowie für grundlegen-
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
nance‹ in seiner Gesamtheit bilden den wissenschaftlichen sowie praxeologischen (Diskussions-)Rahmen.10 Dieser Band greift entsprechende Erkenntnisse und Diskussionen auf – vor allem zum Thema ›Kooperation‹ im engeren Sinne – und übersetzt diese aus primär kulturmanagerialer Sicht für den Kulturbereich (vgl. zu diesem Transformationsprozess Föhl/Glogner 2008, 2009).11 Vor dem geschilderten Hintergrund sollen als Verständnisgrundlage in den folgenden Kapiteln dieses Beitrages ausgewählte Begrifflichkeiten, Mechanismen, Merkmale und Einflussfaktoren von regionalen Kooperationen im Kulturbereich benannt und teilweise definiert werden. Sie stellen die Einleitung sowie das Bindeglied zwischen den Beiträgen in dieser Anthologie dar. Abschließend wird ein Ausblick zur möglichen Entwicklung von regionalen Kooperationen im Kulturbereich formuliert.
2 R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N : B E G R I F F E , M E R K M A L E , E INFLU SSFA K TO REN U N D M EC H A N I SM EN 2.1
Regionale Kooperationen
2.1.1 Region Im Handwörterbuch der Raumordnung wird die ›Region‹ folgendermaßen beschrieben: »Allgemein versteht man unter einer Region einen durch bestimmte Merkmale abgrenzbaren, zusammenhängenden Teilraum mittlerer Größenordnung in einem Gesamtraum. In der Alltagssprache wird der Begriff ›Region‹ oder das Attribut ›regional‹ meist dann verwendet, wenn Gegebenheiten oder Vorgänge bezeichnet werden sollen, die mehr als den örtlichen Zusammenhang betreffen, aber unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelt sind.« (Sinz 2005: 919) Das Europäische Parlament formulierte 1988 im Rahmen der Gemeinschaftscharta der Regionalisierung ›Region‹ folgendermaßen: »[…] ein Gebiet, das aus geographischer Sicht eine deutliche Einheit bildet, oder aber ein gleichartiger Komplex von Gebieten, die ein in sich geschlossenes Gefüge darstellen und deren Bevölkerung durch bestimmte gemeinsame Elemente gekennzeichnet ist, welche daraus resultierende Eigenheiten bewahren und weiterentwickeln möchten, um den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt voranzutreiben.« Diese Definitionen können als erste formale und begriffliche Annäherung de Theorien, Ansätze und Konzepte in Hinblick auf direkte Kooperationen Swoboda 2003. 10 Vgl. hierzu exempl. die zahlreichen Beispiele zu verschiedenen Akteuren und Branchen in Kleinfeld et al. 2006. 11 S. vor allem die folgenden Beiträge in diesem sowie im 2. Kapitel.
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verstanden werden. Ergänzende Beschreibungen legen Röbke und Wagner in Form von vier Klassifizierungen zur Unterscheidung verschiedener Regionstypen vor (vgl. Röbke/Wagner 1997: 18): 1. ›Region als Wirtschaftsraum‹: z.B. traditionelle Wirtschaftsräume wie das Ruhrgebiet oder Verbindungen grenzenübergreifender Wirtschaftszentren einzelner Länder wie die Hanse (Schleswig-Holstein, Baltikum, südliches Schweden und nördliches Polen); 2. ›Region als politischer Begriff mit oder ohne rechtlichen Charakter‹: u.a. Regionen mit Autonomiebestrebungen oder Gebiete mit grenzüberschreitender Zusammenarbeit; 3. ›Region als verwaltungsrechtliche und verwaltungsorganisatorische Gliederung‹: hierzu zählen u.a. Mittel-Behörden zwischen Kommune und Land (Landschaftsverbände, Bezirke) oder Umlandverbände und Regionalämter; 4. ›Region als Kulturraum‹: z.B. Gegenden mit gemeinsamer Geschichte, Sprache und Tradition sowie Räume mit spezifischen Mentalitäten und Lebensformen. Die einer spezifischen Kultur verpflichtete Region als Kulturraum ist häufig Grundlage der anderen Regionenverständnisse. Es ist offensichtlich, dass trotz der obigen Ausführungen der Begriff Region nur schwerlich präzise zu bestimmen ist, da die genannten Definitionen je nach Kontext und Intention in verschiedenen Mischverhältnissen auftreten; daneben existieren viele weitere Komponenten zur Begriffsdefinition von Region. So unterscheidet bspw. Ivanisin zwischen ›Region als Raum‹, ›Region als Kultur‹, ›Region als (innovatives) Milieu‹ und ›Region als Identität‹ (vgl. ausführlich Ivanisin 2006: 45-82). Fest steht jedoch, dass es sich immer um eine Art Zusammengehörigkeit von Menschen, Organisationen und/oder Einrichtungen sowie weiteren Faktoren handelt, sei dieser Ansatz wirtschaftlich, naturräumlich, politisch, kulturell oder andersartig motiviert. Nun stellt sich die Frage, warum in diesem Raum – wie einleitend dargestellt – so viele Potenziale vermutet werden, die ihn z.B. besonders förderungswürdig machen und die zahlreichen regionalen Entwicklungsansätze erklären. Mit dieser Frage wird keine wirklich neue Diskussion angeschnitten, sondern eine Entwicklung, die sich intensiv seit den 1980er Jahren vollzieht und seit den 1990er Jahren verstärkt auch im Kulturbereich thematisiert wird (vgl. Klein 1993, Röbke/Wagner 1997, Sievers 1997). So spricht etwa Klein in einer der ersten Publikationen zum Thema ›regionale Kooperationen im Kulturbereich/regionales Kulturmanagement‹ von der ›Renaissance der Region‹ (vgl. Klein 1993: 2). Diese ›Wiederentdeckung‹ ist ein europäisches Phänomen, das sich spätestens seit der Gemeinschaftscharta der Regionalisierung (siehe oben) manifestiert hat und sich in unterschiedlichen fachlichen, disziplinären
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
und praxeologischen Zusammenhängen spiegelt. So wird der Region nicht nur von der Geografie, der Raumplanung, der Soziologie und weiteren Disziplinen, wie etwa der Tourismusforschung, ein Bedeutungsgewinn zugewiesen, sondern auch direkt von der Politik, der Wirtschaft sowie weiteren Akteuren. Zugleich werden aufgrund unterschiedlicher ideologischer Aufladungen, z.B. Regionalisierung als Rückzug (›Verinselung‹) oder als kultureller, religiöser oder ethnischer Radikalismus, höchst kontroverse Diskussionen geführt. Hier wird bereits die Mehrdimensionalität der Thematik deutlich, die in ihrer Breite und Tiefe im Rahmen des Beitrages kaum umfassend dargestellt werden kann (vgl. vertiefend Ivanisin 2006). Allerdings existieren zentral diskutierte Auslöser und Dimensionen, die den Bedeutungsgewinn der Region bzw. die ›Regionalisierungsbewegung‹ skizzieren und von Mose und Brodda (u.a. in Bezug auf Blotevogel 1996) folgendermaßen zusammengefasst werden: • ›Dimension Politik und Planung‹: z.B. sind die Instrumente der zentralen Instanzen angesichts der Komplexität des Strukturwandels weitgehend wirkungslos; notwendige Berücksichtigung neuer Themen und Akteure, Planungsräume entsprechen häufig nicht den tatsächlichen funktionalen Verflechtungen laut den Vorgaben der Europäischen Union (Regionale Aktionsprogramme12); • ›Dimension Ökonomie‹: u.a. Regionalisierung als Antwort auf die Globalisierung (Bsp. ›Wettbewerb der Regionen‹), Vorteile sog. ›regionaler Produktionsbezirke‹, d.h. spezialisierter regionaler Produktionssysteme sowie spezifischer regionaler Milieus; effizienter Einsatz knapper werdender finanzieller Mittel; • ›Dimension Kultur‹: Besonderheiten der regionalen Kultur als identitätsstiftender Faktor (›Heimat‹); Denken in regionalen Zusammenhängen als Widerstand gegen die Globalisierung; zunehmende ›Regionalisierung der Lebensweisen‹; regionale Kultur als brauchbares Vermarktungsinstrument z.B. im Tourismus. Die ›Regionalisierung‹ weist folglich ein breites Bündel an Auslösern und Intentionen auf, die nicht selten eng miteinander verwoben sind. Für den Kulturbereich sind die zuvor dargestellten Dimensionen weitgehend nachzuvollziehen. So reichen die Diskussionen von der Rolle ›regionaler Kultur‹ als Bindungsmittel an eine Region – auch als Gegengewicht zur Globalisierung (Heimat, kulturelle Identität13) –, über die Aktivierung eben dieser Kultur zur 12 S. hierzu vertiefend, auch zur Entstehungsgeschichte von ›Regional Governance‹, Fürst 2004: 46. 13 Vgl. hierzu vertiefend den Begriff der ›regionalen‹ bzw. ›kulturellen Identität‹. Blo-
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Anziehung von Touristen in eine Region (vgl. hier und im Folgenden Klein 1993: 6f.) sowie als Imagefaktor für Wirtschaft und Politik bis hin zur Partizipation an den spezifischen Regionalprogrammen der EU, institutionalisierter regionaler Kooperationen (siehe z.B. den Beitrag von Esch in diesem Band zum NRW KULTURsekretariat) sowie der Etablierung bzw. ›Inwertsetzung‹ kulturlandschaftlicher Handlungsräume (siehe den Beitrag von Fürst in diesem Band und vertiefend Fürst et al. 2008). Deutlich wird durch die Beispiele nicht nur die Bandbreite möglicher Regionalisierungstendenzen im Kontext von Kultur, sondern auch, dass sie teilweise erhebliche Konflikte mit sich bringen. Eine schrumpfende Region im ländlichen Raum wird z.B. große finanzielle Schwierigkeiten haben, einerseits ein adäquates Kulturangebot für die Bevölkerung vor Ort zu erhalten (z.B. Heimatmuseum, soziokulturelles Zentrum, Unterstützung der Vereinsarbeit) und gleichzeitig eine bundesweit wirksame regionale Tourismusstrategie zu vermarkten und umzusetzen. Hier gilt es, Prioritäten zu setzen und eine strategische Planung zu vollziehen. Insgesamt können die ›Regionalisierungsansätze‹ nach Mose und Brodda 2002 (in Bezug auf Danielzyk 1998) auf vier wesentliche Dimensionen zusammengefasst werden: • ›Regionalentwicklung auf der Basis endogener Potenziale‹: Nutzbarmachung der endogenen, also in einer Region selbst vorhandenen natürlichen und anthropogenen Potenziale. Sie sollen als Basis der wirtschaftlichen, aber auch der sozialen und kulturellen Entwicklung von Regionen dienen (u.a. Lokalisierung entwicklungsfähiger Potenziale und gezielte Entwicklung fördern).14 • ›formale Erneuerung der Regionalpolitik‹: Formale Erneuerung der für die Regionalentwicklung relevanten Bereiche von Politik und Verwaltung. Es entstehen neue bzw. veränderte Formen ›regionaler Institutionen‹, die Zuständigkeiten für die Gestaltung regionaler Entwicklungsprozesse übernehmen (u.a. Förderung der Selbstverantwortung und von Strukturen, die sich z.B. an einem Kulturraum und nicht an administrativen Grenzen orientieren). • ›partizipative Regionalentwicklung‹: Förderung einer partizipativen Ausgestaltung der Regionalentwicklung – im Sinne von Regional Governance – und der Entwicklung dazu geeigneter Instrumente. Diese Perspektive tevogel spricht hier von ›Identitätsregionen‹. Diese werden primär durch die soziale Kommunikation von Menschen oder bspw. Institutionen konstituiert, die sich gemeinsam mit einem bestimmten Raum identifizieren (vgl. Blotevogel 1996). Vgl. hierzu vertiefend Hanika/Wagner 2004. 14 Vgl. auch vertiefend ›Kultur als Faktor der Stadt- und Regionalentwicklung in Europa‹, Informationen zur Raumentwicklung 2002.
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zielt vor allem auf die systematische und kontinuierliche Beteiligung der Betroffenen (vor allem der Bevölkerung sowie der privaten und privat-gemeinnützigen Einrichtungen) und auf Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozesse (z.B. Bürgerentscheid, Expertenbefragungen oder Bürgerforen im Rahmen von Kulturentwicklungsplanungen). Eine entsprechende Partizipation soll die Zustimmung der Bevölkerung und wichtiger Organisationen (z.B. Heimatverein) zu bestimmten Entwicklungsmaßnahmen sicherstellen und die Identifizierung der Bevölkerung mit ›ihrer Region‹ fördern, garantieren oder Grundlagen dafür schaffen (vgl. exempl. Föhl/Neisener 2008). ›regionale Kooperation als Motor der Regionalentwicklung‹: Zur Bewältigung der zunehmend komplexeren Herausforderungen wird ein gewachsener Bedarf an systematischen Kooperationen von verschiedenen Akteuren im regionalen Verbund bzw. in regionalen Kontexten festgestellt (effizienter Ressourceneinsatz, Zusammenlegung statt Schließung, Ideenaustausch etc.). Vor allem im ›Wettbewerb der Regionen‹ wird verstärkt auf die Kooperation regionaler Akteure gesetzt, um im Wettbewerb mit anderen Regionen (z.B. Standortgunst, Fördermittel) zu bestehen (vgl. vertiefend Bergmann/Jakubowski 2001).
Auch bei diesen Ansätzen und Systematisierungsversuchen ist sichtbar, dass sich diese kontextuell aufeinander beziehen bzw. sich teilweise gegenseitig bedingen. Diese Beobachtung unterstreicht wiederholt die Komplexität einer integrierten, strategischen Regionalentwicklung. Im Rahmen dieses Beitrages soll trotz dieser Vernetzungen der letztgenannte Aspekt der ›regionalen Kooperation‹ exzerpiert und vertiefend betrachtet werden. 2.1.2 Kooperation Der Kooperationsbegriff ist von einer Vielfalt existierender Definitionen und Interpretationen geprägt: Das Bündnis, die Strategische Allianz, die Kollaboration, die Arbeitsgemeinschaft sowie die Partnerschaft sind nur einige Umschreibungen, die für den Oberbegriff Kooperation stehen, in ihrer jeweiligen Form jedoch teilweise von einander abgrenzbar sind (vgl. vertiefend Balling 1998: 12-28). Kooperationen im Kulturbereich sind generell von folgenden Merkmalen gekennzeichnet (vgl. Föhl 2009: 208, Jansen 2001: 110, Morschett 2003: 389, Sydow 1992: 79): • Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Partnern (zumeist vertraglich fixiert), die rechtlich selbstständig sind; • Austausch bzw. Einbringung von Ressourcen, Wissen und Fähigkeiten zwischen den Partnern; • Entstehung auf freiwilliger Basis;
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gemeinsames Ziel ist es, die – vorwiegend wirtschaftliche und u.U. auch künstlerische – Position eines jeden Partners zu verbessern bzw. zu erhalten; die Einrichtungen weisen dieselben bzw. miteinander kompatible Ziele bzgl. der Kooperation auf; im Vergleich zu einer individuellen Vorgehensweise bestehen bei Kooperationen größere Chancen auf eine Zielerreichung (dies wird zumindest zu Beginn der Kooperation angenommen). Dafür sind die Partner bereit, sich in ihrer Autonomie einzuschränken, denn je nach Inhalt und Intensität der Kooperation geben die Partner ihre politische, und/oder künstlerische, und/oder wirtschaftliche Unabhängigkeit partiell – zugunsten eines kooperativen Handelns – auf.
Wie zuvor angesprochen, bewegen sich Kooperationen intermediär zwischen der marktlichen (Kaufvertrag) und der hierarchischen Koordination (Eigenerstellung von Produkten im Rahmen einer Funktionalorganisation). Je nach Ausgestaltung und Zielstellung können sie verschiedene Formen und Intensitäten annehmen (vgl. hier und im Folgenden Sydow 1992: 104110), die sich je nach Internalisierungs- oder Externalisierungsstrategie mehr oder weniger Richtung Markt (z.B. langfristige Lieferverträge) bzw. Hierarchie (z.B. Betrieb einer gemeinsamen Sparte in separater Rechtsform) orientieren. Bezieht man diese Ausführungen auf die regionale Ebene, »sind Kooperationen immer dann zu erwarten, wenn die administrativen Grenzen nicht mit den Wirkungsgrenzen übereinstimmen« (Bergmann/Jakubowski 2001: 468). Diese Feststellung bezieht sich vor allem auf Gemeinden. Für alle anderen Akteure (u.a. Unternehmen, Vereine) stellt die Region einen möglichen und bekannten Raum dar, der verschiedene Kooperationsanreize bietet, wie z.B. die gemeinsame Imagebildung, der Wettbewerb gegen Dritte oder schlichtweg die geografische Nähe, die die Transaktionskosten für Kooperationen in einem überschaubareren Maß halten kann. Für die Kommunen selbst stehen drei handlungsleitende Intentionen im Eingehen regionaler Kooperationen im Mittelpunkt (vgl. ebd.: 468f.): • ›Skalenerträge‹: Gemeinsame Erfüllung von Aufgaben, wenn durch Kooperationen Kostenvorteile erzielt werden können (z.B. abnehmende Durchschnittskosten und technische Unterteilbarkeiten) und/oder die Gemeinde für eine optimale Produktionsgröße zu klein ist; • vorhandene ›Verflechtungen‹: Auflösen von realen – unproduktiven – Verflechtungen, wie z.B. Doppelinvestitionen und entsprechende Auslastungsschwierigkeiten, durch Koordination, Abstimmung und Aufgabenverteilung;
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›Standortfragen‹: Profilierung eines Standortes gegenüber anderen Standorten (siehe oben ›Regionen im Wettbewerb‹). Diese Strategie geht auf die Erkenntnis zurück, dass die Standortauswahl von Haushalten und Unternehmen weniger von lokalen Faktoren, sondern vielmehr von regionalen Standortbedingungen bestimmt wird. Hierzu zählen u.a. Zulieferer- und Dienstleistungsunternehmen, Netzwerke, z.B. im Bereich Forschung und Wissenschaft, regionale Wohn- und Kulturangebote.
In diese Zielbereiche sind andere Akteure – neben den Gemeinden – bereits teilweise inkludiert. Darüber hinaus existieren für alle Akteure in einer Region weitere Motive für das Eingehen von Kooperationen, wie z.B. der Gedanken- und Informationsaustausch, Bündelung finanzieller und struktureller Ressourcen, Stärkung des politischen Einflusses bis hin zu Teil- und Totalfusionen von Einrichtungen zur Vermeidung von mittel- bis langfristigen Schließungen. Kooperationen bieten somit als vorausschauende Antwort (Präventionsstrategie) und/oder als Reaktion (Anpassungsstrategie) auf die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen potenziell eine Vielzahl von Lösungsansätzen, die jedoch von Fall zu Fall auf ihren Sinn bzw. Unsinn, also ihre Machbarkeit, zu überprüfen sind (vgl. Föhl 2007). Dafür ist es wichtig, das ›Konstrukt Kooperation‹ – zumindest ansatzweise – zu verstehen und zu kennen. Denn im Rahmen von Zusammenarbeit treffen verschiedene Systeme aufeinander, die jeweils ihre spezifischen Ziele, Regeln, Inhalte und vieles mehr mitbringen. Zudem werden ein spezifisches Umfeld (z.B. Publikum und eine entsprechende lokale/regionale Identität) und sinnfällige Kooperationen von einer Vielzahl von Merkmalen, Einflussfaktoren und Mechanismen bestimmt und charakterisiert. Im Folgenden sollen deshalb weitere ausgewählte Begrifflichkeiten im Kontext der obigen Ausführungen zum Thema ›regionale Kooperationen‹ definiert und systematisiert werden. Dazu zählen:15 • Bereiche und Formen • Akteure und Reichweite • Verhältnis, Entscheidungsfindung und Konkurrenz • Machbarkeit und Planung • Vereinbarungen, Verbindlichkeiten und Nachhaltigkeit 2.2
Bereiche und Formen
Kooperationen werden von unterschiedlichen ›Akteuren‹ initiiert und durchgeführt. Infrage kommen sowohl Formen der Kooperation zwischen öffentli15 Auf das Management von Kooperationen wird in diesem Beitrag nicht explizit eingegangen (vgl. für den Kulturbereich ausführlich Föhl 2008).
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chen Institutionen (z.B. zwei Stadtmuseen), zwischen öffentlichen und privaten Akteuren (z.B. Public Private Partnership), als auch zwischen Gruppen aus dem privat-gemeinnützigen Bereich (z.B. Zusammenschluss verschiedener Vereine). Darüber hinaus sind weitere Konstellationen denkbar bzw. Realität. Insgesamt wird der Kulturbereich durch die drei ›Sektoren‹ ›öffentlich‹ (häufig auch: Staat), ›privat‹ (Markt) und ›privat-gemeinnützig‹ (Zivilgesellschaft) bestimmt, sowie durch die jeweiligen ›Sparten‹.16 Im Prinzip sind Durchmischungen in alle Richtungen und Konstellationen denkbar.17 Darüber hinaus stellen Akteure aus anderen Branchen und Kontexten potenzielle Kooperationspartner dar. Dabei können durchaus Kooperationen entstehen, die auf den ersten Blick nicht nahe liegen. Interessante Beispiele stellen bspw. Scheff und Kotler (1996) vor: u.a. eine erfolgreiche Kooperation zwischen der ›Oakland Ballett Company‹ und dem ›Oakland A’s‹ Baseball-Team (BaselballSpieler traten in der spielfreien Zeit in einem Tanzstück auf, um die Präsenz neben der Spielzeit zu erhöhen; das Ballett konnte dabei medienwirksam auf sich aufmerksam machen sowie neue Zielgruppen erschließen). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kooperationen grundsätzlich zwischen allen Partnern stattfinden können, mit denen sich sinnvolle Synergien (hinsichtlich Machbarkeit) und gemeinsame bzw. miteinander kompatible Ziele finden lassen. Zur Systematisierung möglicher Partner aus verschiedenen Bereichen bietet sich – neben der Zuordnung in Sparten, Branchen und Sektoren – folgende Einteilung an (vgl. Föhl 2008: 5): • ›horizontale Kooperation‹: zwischen zwei oder mehreren Einrichtungen, die ein gleiches oder ähnliches Produkt anbieten (z.B. zwischen zwei Jugendkunstschulen); • ›vertikale Kooperation‹: zwischen Einrichtungen, die auf einer vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette liegen (z.B. Touristeninformation im Front-Desk-Bereich eines Stadtmuseum); • ›laterale Kooperation‹: Die Produkte der Partner weisen keinen bzw. nur einen sehr geringen Bezug zueinander auf (z.B. Dachmarketingnetzwerk aller Kultur- und Freizeitanbieter einer Region); • in größeren Projekten mit mehreren Partnern kann es zu Vermischungen dieser Ebenen kommen. Trotz der vielfältigen Möglichkeiten stehen horizontale Kooperationen häufig 16 Anmerkung: Darstellende Kunst, Bildende Kunst, Kleinkunst u.v.m. bzw. ›kleinteiliger‹ Theater, Orchester, Musik u.a. oder noch kleinteiliger Tanztheater, Musiktheater, Naturkundemuseen u.s.w. 17 Siehe hierzu die verschiedenen Beispiele in Kapitel 3, auch wenn hier nur eine Auswahl an Kooperationsbeispielen bzw. -richtungen vorgestellt wird.
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im Mittelpunkt, da sich hier aufgrund der ähnlichen Strukturen und Abläufe nicht selten besonders zahlreiche Synergien erzielen lassen (vgl. Föhl/Huber 2004: 71). In der Praxis können Kooperationen verschiedenartige Ausformungen annehmen. Dazu zählen u.a. die ad hoc geprägte strategische Zusammenarbeit, z.B. ein regelmäßiger Austausch über Veranstaltungstermine, formalisierte Kooperationen in Einzelfragen, z.B. strategische Allianzen zur regelmäßigen Durchführung gemeinsamer Wechselausstellungen oder innovative Kooperationen zwischen Stadttheatern und der Freien Szene (vgl. hierzu exempl. Bircher 2004), bis hin zu gemeinsamen Serviceeinheiten im Vertrieb oder der Produktion (z.B. durch Teilfusion) und der eigentlichen Zusammenlegung von ganzen Organisationen (Totalfusion).18 Im regionalen Kontext sind darüber hinaus speziell noch Regionalverbünde wie etwa die ›Kulturregion Stuttgart‹ und die Arbeitsgemeinschaft ›Kultur im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach‹ (ARGE), befristete Regionalprojekte wie die verschiedenen Kultursommer in Hessen oder kooperative Kulturfinanzierungsansätze wie die ›Impulsregion‹ in Thüringen (Weimar/Erfurt/Jena/Weimarer Land) oder das Gesetz über die Kulturräume in Sachsen (vgl. ausführlich Winterfeld 2006) zu nennen. Weiterhin können die ›Bereiche der Zusammenarbeit‹ Aufschluss über die Verfasstheit und die primäre Zielorientierung einer Kooperation geben. Grundsätzlich kann man im Kulturbereich die Zusammenarbeit im Programmbereich und die programmunabhängige Zusammenarbeit unterscheiden. Diesen Ansatz fortführend und differenzierend bietet sich die Unterteilung in Vordergrund- und Hintergrundkooperationen an: • ›Vordergrund‹: In diesem Fall wird in – sichtbaren – Vordergrundbereichen kooperiert (vgl. Föhl/Huber 2004: 60f.). Dazu gehören etwa gemeinsame Verkaufsplattformen von Theatern, wie z.B. das Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Verkauf der Landestheater in NRW, oder Verbundangebote wie die Lange Nacht der Berliner Opern und Theater. • ›Hintergrund‹: Hierbei handelt es sich um die Bündelung von Funktionsbereichen im – zumindest für den Besucher nicht direkt sichtbaren – Hintergrund der Kooperationspartner. Dabei wird in einzelnen Funktionsbereichen kooperiert (z.B. Teile der Verwaltung und der Werkstätten von Theatern). • ›Vorder- und Hintergrund‹: Des Weiteren existieren zahlreiche Arrangements, die sowohl den Vordergrund als auch den Hintergrund der Kooperationspartner betreffen. So findet bspw. eine Koproduktion im Theaterbereich im Hintergrund (u.a. Produktion, Verwaltung) sowie im Vordergrund 18 Vgl. zu den unterschiedlichen Kooperationstypen im Kulturbereich Föhl 2008.
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statt (z.B. gemeinsame Werbeaktivitäten, Sichtbarmachung der kooperativen Entstehungsweise). Im obigen Kontext eröffnen sich weiterführend verschiedene ›Perspektiven‹ hinsichtlich der generellen Ausrichtung einer Kooperation (vgl. Jansen 2001: 133). Hierzu zählt die inhaltliche Fokussierung der Zusammenarbeit. Es können im Kern die folgenden vier Bereiche für die Orientierung von Kooperationen genannt werden: • ›Finanzen‹ (z.B. Realisierung von Synergieeffekten, Steigerung des Absatzes) • ›Kunde‹ (z.B. Erweiterung/Erhaltung Angebot) • ›Entwicklung‹ (z.B. innovative Kooperationsprojekte, künstlerischer Fortschritt) • ›Personal‹ (z.B. Erhalt der Arbeitsplätze oder Entwicklung neuer Perspektiven) 2.3
Akteure und Reichweite
Wirft man einen Blick auf die konkreten ›Akteure‹ innerhalb bzw. im Kontext einer Kooperation, dann kann zumeist eine große Anzahl möglicher Einflussund Interessengruppen lokalisiert werden. Das sind zum einen die direkt an den Verhandlungen und an der Kooperation beteiligten Personen (bei öffentlichen Einrichtungen sind hier meistenteils bereits die Kulturpolitiker involviert), die sonstigen Mitarbeiter und Stakeholder (Publikum, Presse, Zulieferer etc.) der beteiligten Einrichtungen und – je nach Intensität und Aufmerksamkeit – das weitere Umfeld der Kooperationspartner (Bevölkerung, andere Politikressorts etc.). D.h., es existiert jeweils eine große Zahl von Menschen, die mitreden wollen,19 – die jedoch teils für, teils gegen eine Kooperation sind und die ggf. koordiniert und umfassend informiert werden müssen.20 Hinsichtlich der ›Anzahl der Partner‹ liegt bei einer Zusammenarbeit zwischen zwei Interessengruppen eine ›bilaterale Bindung‹ vor (vgl. Rautenstrauch et al. 2003: 17). Typisch für diese Form der Zusammenarbeit sind die direkte Interaktion der Partner und die gemeinsame Koordination der partner19 Vgl. z.B. zur Befragung (und damit auch der Einbindung) von Bürgerinnen und Bürger im Rahmen von regionalen Kooperationen den Beitrag von Glogner in diesem Band. 20 Vgl. zum Thema Akteure und Kommunikation vertiefend den Beitrag von Huber in diesem Band. Zu Akteuren bei regionalen Kooperationen vgl. auch ausführlich Diller 2002: 101-109.
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
schaftlichen Aktivitäten (vgl. Friese 1998: 146). Arbeiten mehr als zwei Partner zusammen, liegt eine ›multilaterale Bindung‹ vor. Hierbei steigt die Komplexität der Zusammenarbeit an, da sich die Summe aller direkten und indirekten Beziehungs-, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten merklich erhöht (vgl. Morschett 2003: 400). Der ›Raumaspekt‹ beschreibt die geografische und ›kulturelle‹ Ausdehnung der Zusammenarbeit (lokal, regional, national oder international; vgl. Rautenstrauch et al. 2003: 16). Dieses Merkmal verfügt über eine besondere treffende Aussagekraft hinsichtlich der Verfasstheit und den möglichen Herausforderungen einer Zusammenarbeit. So spielt die geografische Entfernung der Kooperationspartner eine wichtige Rolle hinsichtlich der Kosten, z.B. für Transport von Sachgütern und Personal. Neben strukturellen Implikationen können auch spezifisch kulturelle Eigenschaften eine bedeutsame Rolle spielen. So kann bei Partnern, die weit voneinander entfernt sind, der Umgang mit unterschiedlichen regionalen Identitäten, oder bei Einrichtungen, die sehr nahe beieinander liegen, die Überwindung lokaler Egoismen zu einer Herausforderung der Zusammenarbeit avancieren (vgl. Föhl/Huber 2004: 116; siehe auch oben ›Akteure‹). Im Rahmen dieser Arbeit steht der Begriff der ›Region‹21 zwar im Mittelpunkt, doch es werden auch Einblicke in lokale oder überregionale Netzwerke zugelassen. 2.4
Verhältnis, Entscheidungsfindung und Konkurrenz
Für das ›Verhältnis der Partner‹ liegen drei grundsätzliche Möglichkeiten der hierarchischen Gestaltung der Zusammenarbeit vor. Hierzu zählen die Gleichordnung, die Überordnung sowie die Unterordnung (vgl. hierzu und im Folgenden Lutz 2004: 104). Sie geben Auskunft darüber, wie die Entscheidungskompetenzen verteilt sind und ob es eine Leiteinrichtung in der Zusammenarbeit gibt. Kooperationen im Kulturbereich beruhen – im Gegensatz zur Privatwirtschaft – größtenteils auf dem Prinzip der Gleichordnung, da dies dem Gerechtigkeitsempfinden der Partner in solchen Konstellationen entspricht, die zudem einer einseitigen Nutzenverteilung vorbeugen soll (vgl. Balling 1998: 18). Allerdings kann z.B. die unterschiedliche ›Größe der Partner‹ bei Verhandlungen sowie der Ausgestaltung von Kooperationsmodalitäten und 21 Vgl. zu anderen räumlichen Governance-Perspektiven, die sich vor, neben, über oder nach der Region verorten lassen Schwalb/Walk 2007 (Local Governance), Ludwig et al. 2008 (Governance in Metropolregionen), Kohlisch 2008 (Governance in europäischen Regionen) sowie speziell Böcher et al. 2008 für die Regional Governance in der ländlichen Entwicklung sowie Lange et al. 2009 (Governance der Kreativwirtschaft), die verschiedene Raumebenen einnehmen.
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-prozessen zu unterschiedlichen Entscheidungs- sowie Pflichtverhältnissen oder zu entsprechenden Missverhältnissen führen. Was die konkrete ›Entscheidungsfindung‹ betrifft, stehen vier zentrale Möglichkeiten zur Verfügung (vgl. Föhl 2005: 21f.): • ›kooperative Verfahren zur Entscheidungsfindung‹: Diese Form der Entscheidungsfindung wird i.d.R. durch Gremien bzw. Arbeitsgruppen realisiert, die sich zu gleichen Teilen aus den jeweiligen Partnern zusammensetzen. Entscheidungen werden partizipativ getroffen werden. • ›Aufteilung der Verantwortung‹: Bei diesem Modell wird die Verantwortung aufgeteilt, d.h. die einzelnen Entscheidungsposten/-bereiche werden gleichmäßig verteilt bzw. ausgehandelt. • ›Leiteinrichtung‹: In diesem Fall findet eine asymmetrische Verteilung der Verantwortung statt. • ›Heterarchie‹: Bei diesem Konzept sind Über- und Unterordnungsprinzipien nicht kontinuierlich festgelegt. Sie entwickeln sich jeweils in Abhängigkeit der Aufgabenstellungen. Auch wenn Entscheidungsregelungen getroffen sind und die Kooperation grundsätzlich für beide Seiten eine ›Win-win-Situation‹ darstellt bzw. darstellen kann, spielt das Thema ›Konkurrenz‹ zwischen den Partnern nach wie vor eine entscheidende Rolle. Besonders gut lässt sich das an der seit bald 60 Jahren bestehenden Theaterfusion zwischen Krefeld und Mönchengladbach abbilden. Die Verantwortlichen des Theaters bestätigen, dass sie nach wie vor gehalten sind, die Interessenlagen – vor allem zwischen den Trägerstädten – kontinuierlich auszutarieren, und dass der Kooperationsvertrag durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre novelliert werden muss (vgl. exempl. Pesel 2000, Zeileis 2000). Dieser Befund ist besonders erstaunlich, kennen doch sämtliche Mitarbeiter, die Vertreter der Politik sowie das Publikum nur noch das Fusionstheater und kaum noch die ehemals eigenständigen Häuser. Die lokalen Identitäten und vor allem die Kommunalpolitik scheinen (Gefühl der Benachteiligung etc.) hier eine zentrale Rolle zu spielen. Grundsätzlich wird in den geschilderten Zusammenhängen der sog. Begriff ›Co-opetition‹ diskutiert. Dieser beschreibt das stetige Austarieren zweier oder mehrerer Partner zwischen den Polen Kooperation und Konkurrenz, je nach Sach- und Bedarfslage (vgl. vertiefend Jansen/Schleissing 2000, Schreyögg/Sydow 2007).22 Besonders gut lässt sich das an dem Verhältnis zwischen Berlin und 22 Vgl. für den öffentlichen Sektor zu Kommunen zwischen Wettbewerb und Kooperation Oppen et al. 2005 und speziell für den Kulturbereich den Beitrag von Voesgen in diesem Band. Vgl. zum Verhältnis von Konkurrenz und Kooperation auch Axelrod 2005 (vor allem die ›Tit for Tat‹-Strategie im Rahmen der Spieltheorie).
Patrick S. Föhl £Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Brandenburg beobachten, welches sich permanent zwischen Konkurrenz und Synergie bewegt (vgl. ausführlich Kleger 2001). 2.5
Machbarkeit und Planung
Die Themen ›Machbarkeit‹ und ›Planung‹ spielen im Rahmen von regionalen Kooperationen eine eminent wichtige Rolle. Die Machbarkeitsstudie, in englischer Sprache als ›Feasibility Study‹ gebräuchlich, findet ihren Ursprung im Projektmanagement und wird dort nach DIN 69905 unter dem Begriff der ›Projektstudie‹ geführt. Die Studie wird in der Anfangsphase eines Projektes erstellt und dient im Wesentlichen der ›Machbarkeitsüberprüfung‹ vor der tatsächlichen Durchführung eines Kooperationsvorhabens. Mit der ›Vorstudie‹ sollen – soweit das möglich ist – verbindliche Aussagen zur Durchführbarkeit getroffen, die Erreichbarkeit abgesteckter Ziele gemessen bzw. geschätzt und Risiken aufgedeckt werden. Ein weiterer, zentraler Nutzen ist die Ableitung konkreter Handlungsanweisungen für den anschließenden Managementprozess sowie die Legitimation des Vorhabens gegenüber möglichen Skeptikern. Machbarkeitsstudien können im Vorfeld verhindern, Kooperationen (oder andere Projekte) durchzuführen, die ggf. aufgrund mangelnder Machbarkeit nicht umgesetzt werden sollten, um ›unangenehme Überraschungen‹ zu vermeiden (vgl. Bergmann/Jakubowski 2001: 469). Eine zentrale Frage, die bei Kooperationen im Mittelpunkt steht, ist die nach dem ›Fit‹ der Allianzpartner (vgl. hier und vertiefend Föhl 2007): • strategischer Fit: Passen die Ziele der potenziellen Partner zusammen und sind diese kompatibel miteinander? • fundamentaler Fit: Welchen Beitrag können die potenziellen Partner im Rahmen der Kooperation leisten (z.B. Einbringung von Ressourcen und/ oder künstlerischem Potenzial/Innovationen)? • organisatorischer Fit: Sind die Strukturen und Systeme der Kooperationspartner im Kontext der geplanten Zusammenarbeit ausreichend kompatibel? • kultureller Fit: Passen die Unternehmenskulturen im Kontext der zu vermutenden Intensität der Zusammenarbeit zusammen bzw. ist Partnerschaft überhaupt möglich? Eine Machbarkeitsstudie im öffentlichen Kultursektor sollte – soweit wie möglich – rein sachliche Argumente objektivieren. Damit sollen Argumentationszusammenhänge bestärkt oder abgemildert sowie Behauptungen beoder entkräftet werden. Es geht vor allem auch darum, elementare Faktoren in Betracht zu ziehen, diese zu vergleichen und hinsichtlich ihrer Machbarkeit bzgl. einer Kooperation zu bewerten (Entfernung, Kompatibilität usw.). Die
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tatsächlich interessanten Fragen sind pekuniär jedoch kaum umzurechnen (z.B.: Um wie viel sicherer wird die Zukunft der Einrichtung durch diese strategische Veränderung? Wie verbessern sich die Aspekte Effizienz, Auftragserfüllung sowie Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit?). Kooperationen spielen zudem eine zunehmend wichtige Rolle im Rahmen von ›Planungsprozessen‹. So sind Kooperationen nicht nur Objekt bzw. das Ziel einer Planung oder Studie (siehe oben ›Machbarkeitsstudie‹); Planungen und Studien werden vielmehr in zunehmendem Maße kooperativ in Bezug auf neue Entwicklungen erstellt (vgl. vertiefend Danielzyk/Rietzel 2003). Hier ist bspw. die ›Kulturentwicklungskonzeption‹ des Landes Brandenburg zu nennen. Bereits 1997 wurde ein Kooperationsmodell initiiert, welches eine überregionale und landesweite Steuerung kulturpolitischer Maßnahmen ermöglichte (vgl. hier und im Folgenden Deutscher Bundestag 2008: 129). Im Rahmen einer strategischen Kooperation des Landes mit den Kommunen und einer Vielzahl freier Kulturträger wurden kulturpolitische Prioritäten formuliert.23 Grundlage hierzu war eine landesweite Bestandsaufnahme. Abstimmungs- und Diskussionsprozesse fanden im Rahmen von Foren statt. Seitdem wird die Kulturentwicklungsplanung regelmäßig aktualisiert und fortgeschrieben. Darüber hinaus konnten viele weitere Aktivitäten in Gang gesetzt werden. Dazu zählen etwa eine jährliche Beratung des Landes mit den Kommunen zu kulturpolitischen Themen sowie der Effekt, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Landkreise und einzelne Kommunen spezifische Kulturentwicklungskonzepte erarbeitet haben. Derzeit entsteht die erste interkommunale Kulturentwicklungskonzeption24 im Land Brandenburg für den sog. ›Regionalen Wachstumskern‹ Perleberg-Wittenberge-Karstädt (vgl. zur kooperativen Kulturplanung vertiefend den Beitrag von Neisener in diesem Band).25 23 Strittmatter (2002) sieht in der Durchführung landesweiter Kulturentwicklungskonzeptionen vor allem auch die Intention, trotz dramatischer gesellschaftlicher Veränderungen (vor allem in den neuen Ländern) die Prozesse steuerbar zu halten. 24 Siehe für weitere Kulturplanungen mit kooperativem Charakter exempl. Niedersächsisches Innenministerium u.a. 1994 (Kulturarbeit in der Region und Kooperationspotentiale im Planungsraum) und Groß/Röbke 1998: 29-34 (Entwicklungskonzeption für die Kulturregion Harz) sowie ebd.: 35-38 (Kulturentwicklungsplanung in Mittelsachsen). 25 Auf den steigenden (strategischen) Planungs- und Steuerungsbedarf im Kontext des gesamtgesellschaftlichen Wandels wurde bereits einleitend hingewiesen. Krusche geht allerdings im Kontext dieses Planungsparadigmas davon aus, dass sich Städte (und natürlich auch Regionen u.ä.) in Zukunft stärker damit zu arrangieren haben, dass sie in ihrer Struktur, Funktion und Entwicklung auf Berechenbarkeit und Ordnungsprinzipien verzichten müssen (vgl. Krusche 2009: 305). Dies lässt sich einer-
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2.6
Vereinbarungen, Verbindlichkeiten und Nachhaltigkeit
Für Kooperationen existieren zwei verschiedene kodifizierte ›Bindungsmittel‹ (vgl. hier und im Folgenden Rautenstrauch et al. 2003: 15). Zum einen ist dabei die mündliche Vereinbarung als die loseste Form der Bindung zu nennen. Diese wird z.B. für punktuelle Kooperationen getroffen und kann im Rahmen einer langjährigen Bekanntschaft mit dem Kooperationspartner entstanden sein. Häufigstes Bindungsmittel ist hingegen der schriftlich abgefasste Vertrag.26 Aufgrund der ›rechtlichen Komplexität‹ von Kooperationsgebilden (z.B. unterschiedliche Rechtsformen, unklare Rechtsfragen), können entsprechende Vereinbarungen die Verhandlungspartner vor beträchtliche Herausforderungen stellen (vgl. zu den rechtlichen Aspekten von regionalen Kooperationen ausführlich den Beitrag von Hanf in diesem Band). Je nach Ausrichtung der Zusammenarbeit können verschiedene ›Zeithorizonte‹ vorliegen, die als Kriterium zur Bestimmung der Intensität und Zielorientierung dienen. So reicht das Spektrum von einmaliger (z.B. gemeinsame Produktion) und sporadischer (z.B. Know-how-Austausch einmal im Jahr), bis hin zur regelmäßigen (z.B. Programmproduktion) und dauerhaften (z.B. Totalfusion) Zusammenarbeit (vgl. hier und im Folgenden Kraege 1997: 67). Zumeist sind Kooperationen auf einen gewissen Zeitraum befristet und werden nach erfolgreichem Abschluss eines Projektes entweder aufgelöst oder verlängert, bzw. die Bedingungen der Kooperationen werden sukzessive nachverhandelt. Was die ›Nachhaltigkeit‹27 einer Kooperation betrifft, so ist diese einerseits von vielen der oben genannten Faktoren abhängig (u.a. Verbindlichkeiten, Intensität, Machbarkeit) und andererseits von der Innovationskraft der Zusammenarbeit bzw. der entsprechenden Idee. Besonders deutlich wird das im Kontext der ›Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park‹. Angesichts des Auflösens alter Industrieregionen in den 1980er Jahren war man gehalten – da seits auf die zuvor erwähnte Komplexität der Akteurs- und Aufgabenkonstellationen zurückführen, zum anderen auf die gegenwärtigen Ungewissheiten der wirtschaftlichen/gesellschaftlichen Entwicklungen. So fällt es bspw. auch Privatunternehmen zunehmend schwer, strategisch zu planen. D.h., Planungen entstehen derzeit mit einer Fülle von Unsicherheiten. Diese müssen im Planungsprozess berücksichtigt und entsprechend kommuniziert werden. 26 In diesem Kontext können die Möglichkeiten des Austritts (Kündigung) und des Eintritts geregelt werden. Diese beschreiben auch den Grad der Offen- bzw. Geschlossenheit einer Kooperation (vgl. Sydow 1992: 84). 27 Vgl. generell für ›Die Bedeutung von Kultur für das Leitbild Nachhaltige Entwicklung‹ Kurt/Wagner 2002.
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Subventionsmaßnahmen etc. nicht mehr greifen konnten – neue Wege zu beschreiten (vgl. hier und im Folgenden ausführlich Kilper 2007: 61-64). Die IBA Emscher Park wurde im Jahr 1989 als regionales Kooperationsprojekt etabliert, um im nördlichen Teil des Ruhrgebiets einen Erneuerungsprozess für Innovationen und Qualität anzustoßen – im Denken, Bauen und Handeln. Dieses Projekt ist bekanntermaßen geglückt (vgl. u.a. Institut für soziale Bewegungen 2008, Kleine 1993, TU Dortmund 2008). Nun stellt sich die Frage, wie Innovationen strategisch initiiert werden können, da es sich hier zunächst um einen ›schöpferischen Akt‹ handelt, der kaum planbar ist. Ibert ist der Frage nachgegangen, wie sich Innovationen in der Stadt- und Regionalplanung realisieren lassen (vgl. hier und im Folgenden Ibert 2003, zit.n. Kilper 2007: 63). Zunächst ist festzustellen, dass sich Innovationen erst im Nachhinein erkennen lassen und damit das Problem besteht, im (Planungs-)Prozess eine solche zu erkennen. Dennoch hat Ibert (ex post) drei wesentliche Merkmale herausgearbeitet, die die Innovationsorientierung einer Planung bzw. Kooperation unterstützten:28 • ›Kreativität‹: die Aufdeckung neuer Problemdefinitionen und daraus Entwicklung neuer Handlungsstrategien; • ›Durchsetzung gegen Widerstände‹: Die Durchsetzung von Innovationen stößt in etablierten Systemen auf Widerstand, weil vertraute Muster, Denkstrukturen und eingeübte Routinemuster infrage gestellt werden; • ›Sonderbedingungen‹: Innovative Planungen bzw. Kooperationen brauchen Sonderbedingungen (z.B. Probephasen, zentrale Fürsprecher, Startförderung für den Aufbau von Kooperationsstrukturen).
3 R Ü C K- U N D A U S B L I C K : K O O P E R AT I O N S F I E B E R V S . G R E N Z E N
DER
ZUSAMMENARBEIT
Viele Potenziale und Wirkungsmechanismen, aber auch die ›Stolpersteine‹ von regionalen Kooperationen sind in den vorherigen Ausführungen sichtbar geworden. Dennoch ist es wichtig, trotz des gegenwärtigen ›Kooperationsfiebers‹ (abgewandelt von ›Fusionsfieber‹ nach Habeck et al. 2002), an dieser Stelle nochmals auf eine Auswahl von Grenzen und Schwierigkeiten im Bereich der regionalen Kooperationen hinzuweisen. Neben Kooperationsgegnern, unterschiedlichen Unternehmenskulturen, Transaktionskosten (z.B. Transport-, Verhandlungs- und Informationskosten), die den Kooperations28 Um eine Kooperation nachhaltig zu entwickeln, müssen natürlich grundsätzlich alle Partner einen Vorteil im Eingehen einer Kooperation sehen, der sie motiviert, weitere Kooperationsschritte zu gehen und sich aktiv einzubringen (›Sensemakingprozess‹; vgl. hierzu Manger 2009: 76).
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nutzen übersteigen und vielen Faktoren mehr, existieren zahlreiche weitere mögliche Hemmschuhe für Kooperationen. Dazu zählt etwa der Umstand, wenn Kooperationspartner auch ohne einen aktiven eigenen Beitrag von der Kooperation profitieren (vgl. hier und im Folgenden Bergmann/Jakubowski 2001: 470f.). Dieser Zustand senkt in aller Regel die Kooperationsbereitschaft der Inaktiven (Vermeidung von Opportunitätskosten) wie der Aktiven (Frustration). Je größer die Gruppe der Nutzer, umso größer wird auch die Gruppe der ›Trittbrettfahrer‹. Da man jedoch gegenseitig aufeinander angewiesen bleibt (z.B. öffentliche Förderung), wird nichts oder kaum etwas verändert und letztlich bleiben alle Beteiligten schlechter gestellt (›Gefangenendilemma‹, vgl. Axelrod 2005). Gerade in regionalen Netzwerken ist die Gefahr für eine solche Pattsituation virulent. Häufig existieren schon vielfältige Netzwerke (vor allem im Bereich des Tourismus) und die Akteure wollen selbstredend in jedem vertreten sein, auch wenn sie sich nicht richtig einbringen können. »Kooperationen entstehen in der Absicht, Innovationen hervorzubringen und dadurch die Effizienz des gesamten Systems räumlicher Steuerung zu steigern. Damit sie Innovationen zur Reifung bringen können, müssen Kooperationen ihre innere Effizienz steigern. Durch gesteigerte Effizienz kann aber wiederum ihre Innovationskraft verloren gehen.« (Diller 2002: 213) Dieser Konflikt spielt allerdings im operativen Verlauf einer Kooperation keine entscheidende Rolle. Vielmehr stellt sich die Frage, wie das Dilemma im langfristigen Verlauf bewältigt werden kann. Nahe liegend ist, dass hierzu adäquate bzw. strategische Ziele für eine Kooperation formuliert werden und dass trotz terminlicher Zwänge ausreichend Zeit- und bestenfalls auch monetäre Ressourcen eingeplant bzw. ermöglicht werden, damit sich die Zusammenarbeit entwickeln kann. Auf der anderen Seite sollten verbindliche Strukturen geschaffen werden (z.B. regelmäßige Audits des Kooperationsfortschritts), um die Effizienz der Zusammenarbeit sicherzustellen. Häufig werden mit Kooperationen im Kulturbereich lediglich kurzfristige Einsparungen anvisiert, die einen innovativen und zumeist – langfristig gesehen – effizienten Verlauf der Zusammenarbeit erschweren. Wenn öffentliche Gebietskörperschaften Teilnehmer einer regionalen Kooperation sind, kommt insbesondere bei Kommunalpolitikern der Umstand hinzu, dass sie vielfach die Befürchtung hegen, Machtressourcen und Handlungsspielräume zu verlieren (vgl. hier und im Folgenden Bergmann/Jakubowski 2001: 470). Kommunalpolitiker neigen dann häufiger dazu, sinnvolle Kooperationen – zugunsten ihres vermeintlichen ›lokalen Vorteils‹ – nicht zu unterstützen oder gar zu bremsen. Hier wird besonders deutlich, dass regionale Kooperationen stark von ihren kontextuellen Bedingungen bestimmt werden. In diesem Zusammenhang stehen u.a. der Institutionenrahmen, aktuel-
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le bzw. anstehende Probleme, der situative Rahmen sowie die Akteure selbst im Vordergrund (vgl. hier und im Folgenden Fürst 2004: 57). Zudem sind die Variablen der Einflussfaktoren breit aufgestellt und variieren von Fall zu Fall. Durch diese Komplexität wird auch die Analyse einer Kooperation bzw. deren Planung zu einer beträchtlichen Herausforderung. Dennoch existieren Grundannahmen, wann ein kooperatives Verhalten am ehesten zu erwarten ist, wenn (vgl. Bergmann/Jakubowski 2001: 470) • die Gruppe der Kooperationspartner klein oder gut organisiert ist; • die Gruppe homogene oder miteinander kompatible bzw. vereinbare Interessen hat und • die Einbringungen und Wirkungen einfach zurechenbar sind. Dreht man diese Erfolgfaktoren um, so ergeben sich auch hier rasch die Grenzen einer Zusammenarbeit. D.h., je weniger diese Kriterien vorliegen bzw. erfüllt werden, umso mehr Schwierigkeiten und Konflikte sind innerhalb der Kooperation zu erwarten. Besonders deutlich wird dies derzeit in der Stiftung ›museum kunst palast‹ in Düsseldorf. Dieser ›Public Private Partnership‹ zwischen der Stadt Düsseldorf und dem Energiekonzern E.on gilt als so gut wie gescheitert (vgl. hier und im Folgenden Wagner 2009). Einerseits kam es anscheinend zu konzeptionellen und inhaltlichen Einmischungen in die Programmplanung von Seiten des Konzerns, zum anderen zieht sich E.on derzeit aus der grundsätzlichen Mitfinanzierung (die wesentlich geringer war/ist als die öffentliche) zurück und beabsichtigt, sich künftig auf die Förderung konkreter Ausstellungsprojekte zu beschränken. Diese Entwicklungen legen nahe, dass äußerst disparate Zielvorstellungen und Interessenlagen zwischen den Partnern vorliegen (Kollision von öffentlichem und privatem Interesse) und dass gerade in Zeiten von (Finanz-)Krisen zur langfristigen Sicherung angelegte privat-öffentliche Kooperationen schnell wieder ins Wanken geraten können. In diesem Kontext und darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich Entscheidungsebenen verschieben können, wenn z.B. immer mehr Funktionen vom Staat auf Private übergehen oder gemeinschaftlich umgesetzt werden (vgl. Fürst 2006: 39). Hierbei muss sichergestellt werden, dass die ehemals öffentlichen Leistungen nach wie vor zielgruppen- und bedarfsgerecht angeboten werden. Trotz allem29 bilden die dargestellten Formen und Möglichkeiten von Kooperationen eine wesentliche strategisch ausgerichtete Option für Kultureinrichtungen, die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen zu nutzen und posi29 Vgl. zu den Potenzialen und Grenzen von regionalen Kooperationen den Beitrag von Diller in diesem Band.
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tiv zu gestalten. Forscher in den USA gehen sogar so weit, dass sie das 21. Jahrhundert zum ›age of alliances‹ ausrufen. Sie sind davon überzeugt, dass der Grad der Kooperationsfähigkeit vor allem von öffentlichen/privaten Non-Profit-Einrichtungen zukünftig über deren Existenz entscheiden wird (vgl. exempl. Austin 2000: 1-17). Es wird also zukünftig für Regionen und Städte mitentscheidend sein, in welcher Form und in welchem Maß sie Kooperationsprozesse in Gang setzen werden bzw. können (Frauenholz et al. 2005: 18). Da Kooperationen an gewachsenen Strukturen ›rütteln‹, diese offen legen und hinterfragen, stellen sie auch immer eine Intervention dar. Demnach bieten der Auslöser bzw. die Herausforderung (gesamtgesellschaftlicher Wandel) sowie die mögliche Antwort (Kooperation) gemeinsam eine Chance, Innovations- und Veränderungsprozesse in Gang zu setzen, die ansonsten im Alltagsgeschäft nicht möglich wären. Grundvoraussetzung dafür ist allerdings, dass Kooperationen nicht per se als Allheilmittel Anwendung finden und den Blick auf andere Lösungsansätze versperren. Denn Kooperationen sind nur sinnvoll, wenn die Rahmenverhältnisse stimmen. So sollte auch der Wettbewerb nach wie vor eine Option darstellen, jedenfalls dort, wo er zielführend scheint, bspw. um qualitative Verbesserungen voranzutreiben (z.B. im Hochschulwesen), oder um durch Wettbewerbsdruck – wie bei Kooperationen – Anreize für politische Akteure zu effizientem und wirtschaftlichem Handeln zu erzeugen. Zu einer solchen Strategie gehört dann häufig wieder die Form der Kooperation. Beide Pole können sich demnach gegenseitig bedingen. In jedem Fall ist ein ›produktives Miteinander‹ geboten, auch um regionale Kartelle zu verhindern, die leicht entstehen können, wenn Kooperationen dem Wettbewerb völlig entzogen werden (vgl. Bergmann/Jakubowski 2001: 470). Es ist entsprechend davon auszugehen, dass sich die ohnehin schon komplexen Akteurskonstellationen im Kulturbereich durch die zuvor beschriebenen Entwicklungen noch weiter ausdifferenzieren. Um die gewünschten synergetischen Effekte und ein Optimum an Ressourceneinsatz zu erreichen, scheint vor allem die Kulturpolitik zunehmend gefordert zu sein (vgl. Sievers 2005). Dabei kann sie verschiedene Rollen einnehmen: z.B. als aktiver Mitgestalter und Partner, als Förderer von innovativen Kooperationsideen, als Lobbyist, der neue Beziehungsgeflechte für die Kultur herstellt, sowie als Koordinator, der Kooperationen eine Plattform bietet (z.B. Anlaufstelle, Infrastruktur und Weiterbildungsmöglichkeiten; vgl. Scheytt 2008b: 125-127). Im Rahmen dieses ›Netzwerkmanagements‹ ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Kulturpolitik und das Kulturmanagement an einem Strang ziehen, um im Rahmen – belastbarer – strategischer Ziele und ihrer – professionellen – operativen Umsetzung zu den bestmöglichen Kooperationsergebnissen zu gelangen.
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Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es für Neuanfänge im Rahmen von regionalen Kooperationen besonders förderlich ist, von alten Mustern Abstand zu nehmen, wenn dies für den Kooperationsfortschritt notwendig erscheint. Gleichermaßen kann es erforderlich sein den Mut aufzubringen, Kooperationen, die ggf. nach einer ausreichend bemessenen Entwicklungszeit nicht die gewünschten Potenziale entfalten, trotz der eingesetzten Ressourcen wieder zu beenden. Für beide Szenarien gilt: »Wer die Kunst des Abschieds kann, kann alles.« (Hugo von Hofmannsthal)
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
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P OT E N Z I A L E U N D G R E N Z E N VO N R E G I O N A L E N K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H 1 Christian Diller
1 EINLEITUNG Prozesse der koordinierten und kooperativen Regionalentwicklung – zunehmend mit dem Begriff ›Regional Governance‹ (vgl. Fürst 2005a, Pütz 2004) beschrieben – haben in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern seit Ende der 1980er Jahre, forciert in den 1990er Jahren, an Bedeutung gewonnen (vgl. Diller 2002). Förderprogramme der EU, aber auch unterschiedlicher Ressorts des Bundes und der Länder (insbesondere Wirtschaft, Landwirtschaft, Raumordnung) haben hier erheblich Anreize gesetzt. ›Region‹ – wie auch immer definiert – wird zu einer zunehmend wichtigeren Arena der Politik, und in vielen Regionen ist in den letzten Jahren ein Qualitätssprung in den regionalen Kooperationsbeziehungen zu verzeichnen (vgl. Benz et al. 1998: 17, Fürst 1999: 611). Inwieweit ist Kultur ein Thema für Regional Governance, wo liegen die Potenziale und Grenzen? Der folgende Beitrag skizziert zunächst die möglichen Bezugspunkte zwischen Kultur und regionaler Entwicklung und liefert danach eine Darstellung der Kernmerkmale von Regional Governance. Daran anknüpfend werden einige empirische Befunde dargelegt, inwieweit Kultur in Regional Governance tatsächlich ein Thema ist. Um die Potenziale und Grenzen der Leistungsfähigkeit von Regional Governance für Kultur aufzuzeigen, wird danach der Aspekt der Netzwerksteuerung vertiefend betrachtet. Im abschließenden Fazit werden die Potenziale und Grenzen von Kultur in Regional Governance in eine Perspektive gestellt.
2 K U LT U R –
EIN REGIONALES
TH E M A?
Alleine schon aus ökonomischen Gründen ist das Thema Kultur für Regionen wichtig. Zuallererst ist hier das Thema des kulturellen Erbes zu nennen, das ein beträchtlicher Faktor für die touristische Entwicklung einer Region ist. Altstädte, Kirchen, Schlösser, Gärten, Burgen sind wichtige Frequenzverstärker und -erzeuger des Tourismus (vgl. Heinrichs et al. 1999: 13). Aber es gibt auch andere Dimensionen der wirtschaftlichen Bedeutung von Kultur für Regionen. Die regionalwirtschaftlichen Effekte vieler Branchen aus dem wei1
Die Internetrecherchen für diesen Beitrag wurden von Cand. Geogr. Frank Selle, stud. Mitarbeiter am Institut für Geographie der Justus-Liebig-Universität Gießen durchgeführt.
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ten Spektrum der Kulturökonomie nehmen deutlich zu. So stiegen etwa die Umsätze im Bereich der Theater und Museen in Deutschland zwischen 1994 und 2002 von 1,5 Millionen auf 2,5 Millionen EUR, also um fast 70 Prozent (vgl. Mossig 2006: 34). Unter Umständen noch bedeutsamer könnten die indirekten regionalwirtschaftlichen Effekte sein, die sich aus der kulturellen Attraktivität einer Stadt und ihrer Region ergeben. Diese sind jedoch ungleich schwerer zu quantifizieren. Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, dass das Vorhandensein eines ausreichenden Potenzials ›kreativer Köpfe‹ ein zentrales Merkmal der Innovationsfähigkeit von Regionen ist. Insofern stellt sich die Frage, was diese kreativen Köpfe anzieht. Schon in den 80er Jahren gab es Studien, die von einem Zusammenhang zwischen der kulturellen Attraktivität und der wirtschaftlichen Entwicklung von Städten ausgingen. Spätere Arbeiten konnten auf Basis von z.T. sehr umfangreichen Unternehmensbefragungen nachweisen, dass das Kulturangebot als Standortfaktor besonders für Betriebe mit hoch qualifizierten Beschäftigten und Dienstleistungsunternehmen als bedeutsam empfunden wird, wenngleich in geringerem Maße als die sogenannten ›harten‹ Standortfaktoren und auch weniger als andere ›weiche‹ Faktoren wie etwa ›Wirtschaftsfreundlichkeit‹ (vgl. Huppertz/Rösemann 1988, Diller 1990, Grabow et al. 1995). Auch hier gibt es unterschiedliche Wirkungsrichtungen: zum einen die direkte Wirkung des kulturellen Angebotes, zum andern die indirekte Beeinflussung des Images durch die kulturelle Attraktivität der Stadt und Region (vgl. Heinrichs et al. 1999: 39). Noch größere Beachtung fanden dann einige Jahre später die Untersuchungen der Forschergruppe um Richard Florida für die USA und später auch einige europäische Länder, die signifikante statistische Zusammenhänge zwischen kulturellen Faktoren auf der einen und der Innovationsfähigkeit, dem Qualifikationsniveau und dem Wachstum von Regionen auf der anderen Seite verdeutlichten (vgl. Florida 2002). Die Studien erregten auch deswegen Aufmerksamkeit, weil hier versucht wurde, einen erweiterten Begriff von Lebenskultur mittels harter Daten zu operationalisieren, um diese messbar zu machen. Sicherlich, beide Untersuchungsansätze haben methodische Schwächen: Unternehmensbefragungen können Meinungen von Entscheidungsträgern abfragen, diese müssen aber letztlich nicht bestimmend für das reale Handeln sein. Korrelationsanalysen wiederum können die Kausalitätsfrage nicht klären, sowohl kulturelle Ausstrahlung als auch Wirtschafts-/Innovationskraft könnten ja auch Folge einer dritten erklärenden Größe sein. Gleichwohl scheint es in der Summe der Betrachtungen plausibel anzunehmen, dass Kultur, in welchen Facetten auch immer, einen Beitrag für die regionale Wirtschaftsentwicklung leistet. Von daher ist ein deutlich gesteigertes
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
und breites Bewusstsein für die Bedeutung von Kultur für Stadt- und Regionalentwicklung nachvollziehbar (vgl. Jensen 2006). Dazu kommt noch ein weiterer Faktor, der zukünftig an Bedeutung gewinnen dürfte, der die kulturellen Infrastruktureinrichtungen einer Region betrifft. Kulturelle Einrichtungen (z.B. Theater, Museen und Musikschulen) werden zwar in der Regel nicht zum Kernbereich der staatlichen Daseinsvorsorge gerechnet, wie etwa die Infrastrukturen im engeren Bildungsbereich oder im Gesundheitssektor, sie sind jedoch von den anstehenden bzw. bereits eingetretenen Problemen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel ebenso betroffen wie diese: Der Rückgang der Bevölkerungszahlen besonders in ländlichen Regionen lässt deren Auslastungszahlen dramatisch sinken, Remanenzkosten steigen und Tragfähigkeitsgrenzen unterschreiten. Die absolute und relative Alterung der Bevölkerung führt zu veränderten Nachfragestrukturen hinsichtlich kultureller Einrichtungen (vgl. Gutsche 2006, Winkel/ Greiving 2007: 37). Interkommunale und regionale Kooperation wird daher auch im Bereich der kulturellen Infrastruktur immer wichtiger, sie kann bisweilen unerlässlich werden, um regionale Standards der kulturellen Versorgung zu sichern. Die regionalen Bezüge des Themas Kultur sind vor dem Hintergrund regionaler Wettbewerbsfähigkeit wie auch des demografischen Wandels vielfältig: gemeinsames regionales kulturelles Erbe; die Kulturwirtschaft, die im Hinblick auf die Attraktivitätssteigerung der Region für Kreative zum regionalen Innovationsfaktor wird wie auch die kulturelle Basisinfrastruktur, für die sich angesichts veränderter Bevölkerungsstrukturen Umbauaufgaben abzeichnen.
3 KERNMERKMALE UND DEFINITIONEN VON REGIONAL G OVERNANCE Aber ist das Thema Kultur damit auch für Regional Governance ein Handlungsfeld? Um dies zu klären, wird zunächst der Regional Governance-Begriff erläutert. Die genaue Definition von ›Regional Governance‹ ist in der Fachdiskussion nicht konsensfähig (vgl. Pütz 2004): In der deutschen Debatte werden mit ›Regional Governance‹ meist die informelleren, lose organisierten, netzwerkartigen regionalen Kooperationsstrukturen bezeichnet, die explizit von stärker institutionalisierten Formen des ›Regional Government‹, wie etwa Regionalverbänden, abgegrenzt werden (vgl. Fürst 2005a). Andererseits wird der Begriff aber auch als ein allgemeiner Terminus für
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jegliche Art von regionaler Steuerung verwendet, innerhalb dessen sich dann stärker formalisierte von informelleren Steuerungstypen unterscheiden lassen (vgl. Hooghe/Marks 2001). Elemente von Government sind demnach im Governance-Konzept nicht endgültig ad acta gelegt. Dieser breiteren Definition wird auch hier gefolgt. Dennoch lassen sich Kernmerkmale von Governance am besten in der Abgrenzung zu Government beschreiben: • die Ausweitung des Kreises von staatlichen und kommunalen Akteuren um Akteure aus Unternehmen und Zivilgesellschaft (vgl. Bieker/Othengrafen 2005: 169); • horizontale Selbststeuerung in Netzwerken anstelle vertikaler Koordination; • die Relativierung des Territorialprinzips in Richtung einer variablen Geometrie (vgl. Böcher 2005: 4), was letztlich mit einer Aufweichung des Regionbegriffs einhergeht; • ein relativer Bedeutungsgewinn der Entwicklungs- gegenüber der Ordnungsfunktion; • die Bedeutung informeller regionaler Entwicklungskonzepte, auf deren Grundlage Projekte umgesetzt werden, anstelle rechtsverbindlicher Pläne. Generell liegt der Steuerung von Regional Governance ein modifiziertes – mittlerweile bei weitem nicht mehr neues – Staatsverständnis zugrunde. Der Staat behält sein regulativ-imperatives Interventionsinstrumentarium zwar im Grundsatz durchaus bei, setzt es jetzt nur feiner dosiert und in Abstimmung mit anderen Steuerungsmitteln ein. Neben die traditionellen Staatsfunktionen Ordnung, Sicherheit, Daseinsvorsorge und Gestaltung treten nun auch die Funktionen Orientierung, Organisation und Vermittlung. Der Staat wandelt sich von einem hierarchisch steuernden hin zu einem kooperativ verhandelnden Staat, d.h. er verzichtet auf die Erzwingung der Folgebereitschaft etwa durch Recht und versucht stattdessen in tauschförmigen Verhandlungen seine Interessen durchzusetzen (vgl. Voigt 1995: 42). Er übernimmt vor allem Anstoß- und Beratungsfunktionen und sieht sich als Initiator, Promotor, Koordinator, Moderator und Förderer von Regional Governance. Durch Kooperation können Akteure zu reflexiven Handlungsorientierungen gebracht werden, um damit ihre Handlungen entsprechend anzupassen. Kooperation soll aber auch die Effizienz des Verwaltungshandelns erhöhen, da die Kosten bei der Durchsetzung einer Lösung geringer sind (Blockaden des Vollzugs werden abgebaut und Rechtsstreitigkeiten vermieden) als die zusätzlichen Kosten bei der Lösungserarbeitung. Allerdings gibt es keine konsistente Theorie und nicht einmal überzeugende empirische Belege dafür, dass erstens die Region als gesellschaftliche
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
Handlungsarena nicht nur sichtbarer sondern auch wirklich steuerungsmächtiger geworden ist, und dass zweitens regions-integrierte gegenüber regionsfragmentierten Governance-Mustern effektiver sind. Die Diskussion wird vielmehr durch hermeneutische Ansätze der Bestimmung einer solchen Leistungsfähigkeit geprägt, die die Wirklichkeit bisweilen zu überzeichnen scheinen (vgl. Fürst 2001, Fürst 2003c: 22). Inwieweit ist Kultur nun de facto ein Thema in Regional Governance?
4 K U LT U R
IN
REGIONAL G OVERNANCE: BEFUNDE
EINIGE EMPIRISCHE
Vielleicht der Prototyp für die systematische Einbettung von Kultur in strategische Regional Governance war die in den 1990er Jahren durchgeführte IBA Emscher Park, die ja zum einen die industriekulturellen Zeugnisse der Region in einen neuen Kontext setzte, und zum anderen während ihrer Laufzeit eine Vielzahl kultureller Events veranstaltete. Jedoch war Ende der 1990er Jahre das Thema Kultur noch kein fester Bestandteil auf den Agenden regionaler Zusammenarbeit: In einer im Jahr 1999 durchgeführten bundesweiten Befragung unter Kooperationen im Bereich Regionalentwicklung wurde auch das Kooperationsthemenspektrum abgefragt. Das Thema Kultur wurde dabei nur von elf Prozent der 150 befragten Kooperationen als ein explizites Handlungsfeld benannt (vgl. Diller 2002). Immerhin ging bereits damals die Beschäftigung mit dem Thema Kultur mit einer positiveren Bewertung einher. Die regionalen Kooperationen, die das Thema auf ihrer Agenda hatten, gaben ihrer Kooperation eine Durchschnittsschulnote von 2,1 – gegenüber einer Note von 2,7 der deutlich größeren Gruppe, die dieses Thema nicht auf der Agenda hatten; ein signifikanter Unterschied und ein mittlerer statistischer Zusammenhang.2 Vielleicht war dieser Befund schon ein erstes Anzeichen für eine zunehmende Bedeutung des Themas Kultur auf regionaler Ebene. Für eine aktuelle und gleichzeitig perspektivische Betrachtung sind zunächst die Metropolregionen interessant. Denn dieser neue Regionstypus, der in den letzten Jahren enorme Aufmerksamkeit in der Fachöffentlichkeit und ansatzweise auch in der Politik erhalten hat, kann generell als Vorreiter im Hinblick auf die Aufnahme innovativer regionaler Themen gelten (vgl. Abb 1).
2 Signifikanz: 0,14; Eta-Wert: 0,21.
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Abbildung 1: Die deutschen Metropolregionen
Abbildung 2: Die Metropolregion Frankfurt Rhein-Main
Quelle: Bundesministerium für Ver-
Quelle: http://www.planungsver
kehr, Bau und Stadtentwicklung
band.de/index.phtml?sNavID= 1169.51&La=1#A2 vom 20.11.2008
Tabelle 1 verdeutlicht, dass – ausgenommen die beiden bayerischen – alle deutschen Metropolregionen das Thema Kultur auf ihre Agenda gesetzt haben. Die Formen der Integration variieren: Das Thema kann in regionalen Vereinssatzungen verankert sein (Bremen) und es kann ein Leitbild dazu formuliert sein (Berlin-Brandenburg). Es kann aber z.B. auch eine für Kultur verantwortliche eigene Organisation integriert sein (Frankfurt). Tabelle 1: Das Thema Kultur in den deutschen Metropolregionen Metropolregion
Integrationsform Leitprojekte Kultur des Themas Kultur in die Region Berlin-Brandenburg verknüpft im ThemenNein bereich Kultur & Freizeit, kulturelles Potenzial wird im Leitbild explizit als Stärke herausgestellt, Leitbild liegt vor.
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
Bremen-Oldenburg
Hamburg
HannoverBraunschweigGöttingen
München Nürnberg Rhein-Main
Rhein-Neckar
Rhein-Ruhr
Sachsendreieck Stuttgart
Rudimentär: Erwähnung in der Vereinssatzung und im vorliegenden Metropolregionsflyer Imageflyer, Kultur organisatorisch im Tourismus eingegliedert; verknüpft im Profilbereich Kunst, Kultur & Lebensqualität; kulturelles Potenzial wird im Profil als Stärke herausgestellt; Projektbereich (AG) »Kultur« Kultur kein explizites Thema Kultur als eigener Profilbereich Kultur als separates Themenfeld; Kultur Region Frankfurt a.M. GmbH, kulturelles Potenzial wird als Stärke herausgestellt Im Themenbereich Lebensqualität als Geschichte und Kultur angelegt Themenbereich Freizeit und Kultur mit hoher Qualität
AG Kultur und Tourismus Im Themenbereich Kultur und Sport verankert Verband Mitglied im Verein Region Stuttgart
Nein
Leitprojekt Maritime Landschaft Unterelbe; Metropolregionscard Studie: Kulturelle Leuchttürme
Nein Nein Route der Industriekultur, Garten Rhein-Main; Geist der Freiheit – Freiheit des Geistes Magazin Festivalregion Rhein-Neckar
Ruhr 2010 – Kulturhauptstadt Europas; Route der Industriekultur; RVR Kulturportal Ruhrgebiet; Projekt »Kulturelles Erbe« im Rahmen der Regionale 2010 Region Köln-Bonn Nein Nein
Quelle: eigene Darstellung, Datengrundlage Internetrecherche Frank Selle, August 2008
Ein Indikator für besonders starke Aktivität kann die Existenz von regionalen Leitprojekten im Kulturbereich sein. Die Sichtbarmachung und Emotionalisie-
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rung von Region – das ist seit der IBA Emscher-Park State of the Art (wenngleich wissenschaftlich nicht belegt) – kann Regionalentwicklung voranbringen, und Kultur ist ein hervorragendes Instrument der Sichtbarmachung und Emotionalisierung. Gemessen an diesem Indikator wird der Kreis der aktiven Regionen bereits geringer: Nur fünf der deutschen Metropolregionen verfolgen Leitprojekte im Kulturbereich. Eine davon ist die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main (vgl. Abbildung 2). Bemerkenswert ist, dass in dieser Region das Themenfeld Kultur als ein eigenes bearbeitet wird. Eine GmbH Kultur Region Frankfurt a.M. fungiert als zentraler Akteur. Leitprojekte sind ›Route der Industriekultur‹, ›Garten RheinMain‹, ›Geist der Freiheit – Freiheit des Geistes‹. Eine Betrachtung der in den o.g. regionalen Kooperationen dargestellten Projekte macht deutlich, dass sie sich zu einem großen Teil auf das kulturelle Erbe der Region beziehen. Nicht nur ist das Thema Kultur für die Regionalentwicklung von Bedeutung, sondern es macht auch Sinn, dass es ein Thema regionaler Steuerung ist: Denn Regional Governance ist auch immer regionale Identitätsbildung, ist regionales ›Place-Making‹ (vgl. Fürst 2005b). Zudem sind nur wenige Faktoren geeigneter für die Bildung regionaler Identität nach innen wie ein gemeinsames kulturelles Erbe, ebenso wie kulturelle Attraktionen für die Bildung regionaler Images nach außen (vgl. Gnad 2006). Ein weiteres Kernmerkmal von Regional Governance: die Relativierung des Territorialprinzips in Richtung einer variablen Geometrie (vgl. Böcher 2005: 4) ist sicherlich auch im Bereich Kultur zu verzeichnen. Es sind häufig historischgewachsene Kulturregionen, die nicht deckungsgleich mit administrativen Regionen (wie sie etwa der Regionalplanung zugrunde liegen) sind, innerhalb derer Regional Governance erfolgt. Gleichwohl ist in vielen Fällen durchaus eine Namens- und räumliche Deckungsgleichheit der regionalen Initiativen zur Kultur mit den offiziellen administrativen Regionen festzustellen, wie etwa in einer Reihe von bayerischen und baden-württembergischen Regionen (vgl. Tabelle 2). Interessant sind hier auch Bündnisse zwischen regionalen Kulturinitiativen, etwa der Leistungsverbund Kultur Franken, in dem bundesländerübergreifend die vier fränkischen Regionen zusammenarbeiten.
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
Tabelle 2: Kulturelle Initiativen in baden-württembergischen und bayerischen Regionen Region Initiative NordKulturwerk Nordschwarzwald schwarzwald Stuttgart
OstWürttemberg Neckar-Alb Bayerischer Untermain Franken
Oberfranken
Unterfranken Mittelfranken Oberpfalz
Website http://www.kulturwerknsw.de/
KulturRegion Stuttgart http://www.kulturregionInterkommunale Kulturförderung stuttgart.de/ Region Stuttgart e.V. Freunde des Kulturdelta Süd e.V. http://www. ostwuerttemberg.de Kulturwerk Neckar-Alb http://www.kulturwerkneckar-alb.de/ Initiative Bayerischer Untermain http://www.bayerischer(Regionalmanagement) untermain.de Leistungsverbund Kultur http://www. Franken (für Ober-, Mittel- und frankenkultur-online.de/ Unterfranken); siehe auch für die folgenden Initiativen Berufsverband der Bildenden http://www.bbk-bayern. Künstlerinnen und Künstler de/obf/ Oberfranken e.V. Verein Genussregion Oberfranken Verein für Jugend und Kultur in Oberfranken e.V. Interessengemeinschaft http://www. Rockmusik Unterfranken e.V. unterfranckenrock.de Kulturschock e.V. http://www.kultur schockev.wordpress.com/ Oberpfälzer Kulturbund http://www.oberpfaelzer(Bezirksgemeinschaft für kulturbund.de/ Heimatarbeit e.V.)
Quelle: eigene Darstellung, Datengrundlage Internetrecherche Frank Selle, August 2008.
Es gibt auch Beispiele, in denen Kultur (bewusst oder zufällig) als Mittel des ›Place-Making‹ für eine zwar formalrechtlich seit langem definierte, aber noch nicht im breiten Bewusstsein verankerte Region genutzt wird. Seit 2001 gibt es z.B. in den hessischen Großregionen Nord-, Mittel- und Südhessen sog. ›Kultursommer‹, die sowohl von Privaten als auch von der öffentlichen Seite
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getragen werden.3 Als Abgrenzungsräume fungieren hier die in den späten 1970er Jahren geschnittenen drei hessischen Regierungsbezirke, die ansonsten noch immer eher als administrative Kunstprodukte, nicht aber als gelebt gewachsene Regionen gelten. Insgesamt gibt es somit Indizien dafür, dass das Thema Kultur innerhalb von Regionen in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Einige der strategischen Metropolregionen wie etwa Frankfurt/Rhein-Main haben das Handlungsfeld systematisch aufgenommen, aber auch in einigen etablierten administrativen Regionen wie etwa in Bayern und BadenWürttemberg sind regionale Institutionen in dem Thema aktiv. Auch gibt es Vernetzungen kultureller Initiativen unterschiedlicher Regionen.
5 D I E S TÄ R K E N
UND
SCHWÄCHEN
DER
NETZWERKSTEUERUNG
Ein zentrales Element im Regional Governance-Begriff ist der der Netzwerksteuerung. Wenn es um die Intensivierung der Aktivitäten zum Thema Kultur in Regionen geht, so wird dabei in der Regel Vernetzung als ein wesentliches Merkmal genannt. Aber was können Netzwerke leisten und was nicht? Zunächst lassen sich die Merkmale von Netzwerken im Vergleich zu den Steuerungsformen Markt und Hierarchie beschreiben: • Netzwerke können als Verflechtungen zwischen Akteuren, die primär unterschiedlichen Institutionen (z.B. Unternehmen oder politisch-administrativen Einheiten, aber auch gesellschaftlichen Gruppen) angehören, angesehen werden. Meist wird die Enge der Bindungen der Akteure in Netzwerken als ein zentrales Element angesehen, durch das sich Netzwerke von anderen Steuerungsformen abheben lassen (vgl. Fürst/Kilper 1993: 21). • Im Vergleich zum Markt ist die Kopplung der Akteure enger, da die soziale Organisiertheit größer ist. Damit hängt ein intensiverer Kommunikations- und Informationsaustausch, generell eine höhere Interaktionsdichte, zusammen. Im Vergleich zu festen Institutionen dagegen wird Netzwerken ein lockerer Bindungsgrad zwischen ihren Akteuren bescheinigt (vgl. Fürst/Schubert 1998: 352). • Dass, verglichen mit festen Institutionen, horizontale (nicht-hierarchische) Beziehungen in Netzwerken kennzeichnend sind und sie deswegen gegenüber dem vertikalen Koordinationsmuster abgrenzbar sind (vgl. Scharpf 1993), ist nahezu ein Axiom der Netzwerkforschung (vgl. Kenis/Schneider 3 http://www.kultursommer-mittelhessen.de vom 29.08.2008. Dazu kommt noch der Bereich Main-Kinzig-Fulda.
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
•
1991). Die Tatsache, dass der Modus horizontaler Steuerung in Netzwerken dominiert, die Beziehungen zwischen Akteuren eher horizontaler als hierarchischer Natur sind (vgl. Meßner 1995), bedeutet jedoch nicht, dass diese frei von Hierarchien und Macht sind. Zwischen rechtlich und organisatorisch gleichgestellten Akteuren können auch in formal hierarchiefreien Netzwerken erhebliche Machtunterschiede bestehen, wenn z.B. die Ressourcen Finanzen und Information ungleich verteilt sind. Macht bildet sogar ein funktionales Element von Netzwerken, wobei aber in polyzentrischen Netzwerken die Mitglieder letztlich dennoch eine größere Autonomie behalten als in formalen hierarchischen Institutionen. Während in ungerichteten Netzwerken eher ›Strong Ties‹, die auf lange Sicht haltbar sind, ausgebildet werden und somit Vertrauen, Solidarität und Sicherheit entstehen lassen, zeichnen sich gerichtete Netzwerke eher durch ›Weak Ties‹ aus, die besser geeignet sind, eine Fülle von neuen Informationen zu transportieren. Für die Entwicklung einer Bezugseinheit, z.B. einer Region, kann daher die Kombination aus gerichteten und ungerichteten Netzwerken entscheidend sein. Ungerichtete Netzwerke üben dabei eine unterstützende Funktion für gerichtete Netzwerke aus, indem sie ihre personalen, symbolischen und kulturellen Bindungen verstärken und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Akteuren erzeugen. Aber auch umgekehrt unterstützen gerichtete Netzwerke ungerichtete.
Netzwerke als ein Regulationstypus haben spezifische Stärken: Sie haben insofern hohe Bedeutung, als diejenigen Regionen als erfolgreich gelten, die geeignete Netzwerke bereithalten, um die Qualität des Austausches zwischen ihren Schlüsselpersonen zu sichern. Denn komplexe Innovationsprozesse sind ohne solche personelle Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nicht zu bewerkstelligen. Netzwerke übernehmen dabei wichtige positive Funktionen wie (vgl. Schubert et al. 2001: 11): • Informationsaustausch, da sie viele Akteure miteinander in Beziehung setzen und Informationsflüsse nicht überwiegend in vertikaler Richtung laufen wie in Hierarchien (wo es häufiger zum ›Bottle-Neck-Problem‹ kommen kann, weil die obere Ebenen entweder wichtige Informationen gar nicht erhalten oder die Informationsvielfalt nicht bearbeiten können, um effizient nach unten zu steuern); • Ressourcenpooling, denn sie verbinden Akteure unterschiedlicher Kompetenzen miteinander; • Forums- und Identifikationsfunktionen, Vertrauensbildung und Unsicherheitsabsorption, da die Akteure sich kennen lernen und damit • Vorbereitungsfunktionen für Prozesse der Konsensbildung sowie
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•
Mobilisierungs- und Interessenvertretungsfunktionen für regionale Belange.
Netzwerke nehmen eine intelligente Verbindung aus den beiden anderen Steuerungstypen Markt und Hierarchie vor. Sie versuchen deren Dysfunktionen zu vermeiden, indem sie die Fähigkeit der Hierarchien, Ziele zu verfolgen und Kontrolle auszuüben, mit der Flexibilität von Märkten verbinden (vgl. Sydow 1995). Ihre Flexibilität ist der Hauptgrund der im Vergleich zu formalen Institutionen größeren Innovationsfähigkeit von Netzwerken (vgl. Hellmer et al. 1999: 71). Genau diese Flexibilität durch lose Kopplung ist aber auch ihre Schwäche. Denn damit verbunden sind auch Unverbindlichkeiten: Jeder Akteur hat immer die Möglichkeit, (vor allem in gerichteten Netzwerken) explizit die ›Exit-Option‹, den Ausstieg, wahrzunehmen und (eher in ungerichteten Netzwerken) sich stillschweigend nicht mehr zu beteiligen. Typisch für Netzwerke – für ungerichtete ohnehin, aber, folgenschwerer, auch für gerichtete – sind auch unklare Arbeitsteilungen und Redundanzen; gemeinhin Faktoren, die zu Ineffizienzen führen. Netzwerke können Innovationen unterstützen – aber auch das Gegenteil: Akteure in Netzwerken können traditionelle Bindungen aufweisen, die langlebiger und damit fester sind als diejenigen von Akteuren in festgefügten Institutionen. Dies kann zur Herausbildung von ›Negativnetzwerken‹ führen: in ›sklerotischen Milieus‹ wirken bisweilen Strukturkonservierungskartelle, oder es blockieren sich Personengruppen in ungelösten Verteilungskonflikten (vgl. Fürst/Schubert 1998). Eine weitere Schwäche von Netzwerken ist, dass sie zwar zur Konsensbindung beitragen können, aber anders als solche Verhandlungssysteme, die z.B. von demokratisch geprägten Hierarchien gekennzeichnet sind, kaum über Mechanismen verfügen, um über Verteilungskonflikte zu entscheiden. Zumindest ist die Rolle des Konsensprinzips, das in den netzwerkartigen regionalen Kooperationen Usus ist, bei der Lösung von Konflikten ambivalent einzuschätzen (vgl. Diller 2005): • Es kann dazu führen, dass Konflikte tatsächlich solange ausgetragen werden bis sie ausverhandelt sind. Damit wirkt es im Vergleich zu den majoritären und hierarchischen Modi konfliktlösend, denn bei diesen wird zwar formal über den Konflikt entschieden, die unterlegenen Parteien werden ihn jedoch dann nicht selten auf anderen Ebenen in neuer Form austragen. • Andererseits kann das Konsensprinzip auch zur Nicht-Lösung von Konflikten und zu deren faktischen Verlagerung in nachfolgende Prozesse führen. Insofern das Phänomen des Konflikts ein konstituierendes Merkmal von
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
Politik und Demokratie ist, schaden Verhaltensnormen, die auf die Vermeidung von Konflikten abzielen, dem Ziel der Entscheidungsoptimierung eher als dass sie ihm nützen (vgl. Hämmerle 2000: 27f.). In jedem Fall sind regionale Netzwerke in ihrer Problembearbeitung auf Konsensthemen und ›Win-win-Lösungen‹ eingeschränkt; ein Teil der Themenagenda der Regionalentwicklung kann daher nicht alleine in Netzwerken bearbeitet werden, da hier bei nicht herstellbarem Konsens nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden werden kann. Auf dieses eher weiche Themenspektrum sind Netzwerke jedoch zu Recht eingeschränkt: Denn sie haben latent ein demokratisches Legitimationsdefizit. Netzwerke können aber andere Verhandlungssysteme, in denen schwierigere Problemstellungen bearbeitet werden, unterstützen, da sie zur Vertrauensbildung zwischen Akteuren beitragen, damit opportunistisches Verhalten reduzieren und beim Finden von Lösungen helfen können, die die Gesamtwohlfahrt aller Akteure maximieren helfen (vgl. Scharpf 2000: 231ff.). Was folgt nun aus diesen Stärken und Schwächen der Netzwerksteuerung für Regional Governance? In erster Linie, dass ihre Stärken genutzt und ihre Schwächen kompensiert werden müssen. Regional Governance zeichnet sich durch einen Mix aus den Steuerungsformen Markt und Anreize, Hierarchie, Organisation/Unternehmen, Netzwerke und Solidarität/Kommunen aus. Sie verfolgt verschiedene Handlungslogiken und wendet unterschiedliche Steuerungsmechanismen (z.B. Wettbewerb, intervenierende Regeln, Regeln, Verhandlung, Kontrollen, finanzielle Anreize, Vereinbarungen und sozio-emotionale Beziehungen) an. Regional Governance basiert sowohl auf allgemeinen Grundsätzen der netzwerkartigen Kooperation (Reziprozität, Fairness, Vertrauen, Selbstbindung) als auch auf ausgehandelten Regelungen (z.B. Umgang mit Konflikten). Regional Governance ist damit auch mehr als interkommunale Zusammenarbeit oder regionale Kooperation, da sie ein komplexeres Regelwerk enthält, das insgesamt mehr Handlungsoptionen öffnet. Entscheidend ist das Zusammenwirken von Institutionen und Netzwerken in einem territorial grundsätzlich variablen Funktionsraum. Der Erfolg von Regional Governance basiert auf der ständigen Variation von Strukturen und Kombinationen der Steuerungsmechanismen (vgl. Fürst et al. 2002: 5, Benz 2001: 56f.). Auch für sich genommen haben harte und weiche Elemente von Regional Governance spezifische Stärken und Schwächen: • Für harte Strukturen (z.B. feste Organisationen, demokratische Entscheidungen nach Mehrheitsprinzip) sprechen vor allem die politische Legitimation und die legalistische Ausrichtung des politisch-administrativen Systems. Harte Formen beinhalten klare Kompetenzverteilungen und er-
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•
möglichen eine schnelle Entscheidungsfindung bei Verteilungsfragen durch das Majoritätsprinzip. Institutionalisierungen können somit Transaktionskosten senken und Verhaltensmuster beeinflussen. Aber sie sind auch gegenüber Personen selektiv und verändern Macht- und Einflussbeziehungen. Sie grenzen Themen und Akteure aus, sind tendenziell statisch ausgerichtet, haben mehr Schwierigkeiten, mit privaten Akteuren zu kooperieren, überbetonen die Binnensicht und entwickeln eine relativ starke Eigendynamik. Sie sind also wenig innovationsfreundlich. Zudem liegt ein Dilemma darin, dass harte Lösungen gerade da, wo sie aufgrund der fragmentierten kommunalen Strukturen benötigt würden, auch gerade deswegen nicht entstehen (vgl. Fürst 1999, Fürst 1997: 134). Weiche netzwerkartige Kooperationsformen haben ihre Stärke in der Zusammenlegung von Ressourcen und Informationen. Sie ermöglichen Problem-Solving-Strategien und können innovative Projekte zur Regionalentwicklung hervorbringen. Aber sie haben, da sie auf dem Konsensprinzip basieren (vgl. Diller 2005), eine begrenzte Leistung, wenn es um Konflikte geht, wenn hohe Verlässlichkeit verlangt wird und kurzfristige Kosten-Nutzen-Überlegungen negativer ausfallen als langfristige. Zudem haben sie Schwächen in der Legitimations- und Umsetzungsfunktion. Sie sind instabil, haben selektive Problemwahrnehmungen und externalisieren Problemlösungskosten auf diejenigen, die nicht im Netzwerk sind. Weiche Formen sind personenabhängiger als harte und anfälliger gegenüber Wechseln in der Führungsebene, Themenkonjunkturen und Ressourcenengpässen der Mitglieder. Netzwerke haben Legitimationsprobleme, die Diffusion der Verantwortlichkeiten, unverbindliche Ergebnisse und erschwerte Kontrollierbarkeit der Prozesse sind unvermeidlich. Zudem können auch Netzwerke schlecht altern und damit regionale Innovationen ebenso blockieren (vgl. Fürst 1997: 135ff.). Mehr noch: Da feste Institutionen häufig über ein festes und von den Interessen der konkreten Akteure zum Teil autonomes Regelwerk verfügen, das für einen personellen Durchfluss sorgt (Rotationen, Amtszeitbegrenzungen), kann es nicht selten der Fall sein, dass sie ›frischer‹ bleiben als Netzwerke, die solche Regeln nicht haben, weil ihre Akteure daran nicht interessiert sind.
Netzwerke haben also vermutlich ihre Stärke im Produzieren von Innovationen und im Bearbeiten von Themen, in denen Win-win-Lösungen einfach möglich sind. Sie haben eher Schwächen in der direkten Lösung von konfl iktbehafteten Fragestellungen, hierfür sind andere Entscheidungsformen erforderlich. Ein Blick auf die ›Produkte‹ von Regional Governance bestätigt dies. Die wichtigsten Produkte von Regional Governance sind ihre Projekte: Das Spektrum reicht von strategischen Studien über Rahmenkonzepte, die nahezu
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
obligatorischen gemeinsamen Websites über Events bis hin zu Radwegebeschilderungen. Es fällt auf, dass diese Outputs meist eher geringe materielle Werte haben. Große Infrastrukturprojekte z.B. werden nicht in Regional Governance ›produziert‹ oder verhandelt. Sie sind häufig ohnehin in der Region vorgesehen oder vorhanden, über sie wurde auf anderen politischen Ebenen entschieden und in formell geregelten Verfahren beraten. Sie werden aber innerhalb der Regional Governance in einen neuen Kontext gesetzt, bisweilen auch zu Marketingzwecken. Der häufiger vertretene Anspruch an Regional Governance ist es aber eher, Innovationen in die Region zu bringen oder diese dort zu kreieren. Die IBA Emscher Park gilt hier als Prototyp. Allerdings muss mit Blick auf den größten Teil der Projekte von Regional Governance der Anspruch an das, was als innovativ bezeichnet werden kann, deutlich gesenkt werden. Innovationen, die auch nach außen strahlen, wie sie die IBA Emscher Park durchaus hervorgebracht hat, sind in den meisten Regional Governance-Projekten aber die Ausnahme. Eher schon werden Innovationen produziert, die zumindest für die Region neu sind. Aber auch dies ist nur ein Teil. Der Nutzen gemeinsamer Radwege, Energieatlanten etc. für die Region mag unbestritten sein, aber innovativ sind diese Produkte nur bedingt. Von den materiellen Produkten alleine her lässt sich die unbestreitbar seit einigen Jahren anhaltende Konjunktur von Regional Governance wohl nicht erklären. Dazu kommt aber vor allem der Nutzen für die am Prozess beteiligten Akteure und die damit zusammenhängenden indirekten Effekte. Durch die gemeinsame Arbeit im Dienste der Region entsteht Vertrauen mit den Akteuren, werden mental die Grenzen, die politisch administrative Einheiten bilden, überwunden. Diese Gemeinsamkeiten etwa bei kommunalen Entscheidungsträgern können auf andere Bereiche ausstrahlen, in denen ansonsten kompetitive Orientierungen überwiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Bürgermeister auf eine potenziell sehr konfliktbeladene Ausweisung eines Wohnbauflächenmengengerüsts in einem rechtsverbindlichen Regionalplan einigen können, steigt z.B., wenn sie gleichzeitig die Planung eines gemeinsamen Radwegs beschlossen haben. Netzwerke haben ihre Stärke bei der Generierung von Innovationen, wenn es darum geht, eine Vielzahl von Akteuren einer Region zusammenzubringen. Ihre Schwäche liegt in der relativ geringen Konfliktlösungskapazität, Verteilungskonflikte müssen eher in stärker institutionalisierten Formen gelöst werden. Erfolgreiche Regional Governance gelingt durch die Verknüpfung härterer und weicherer institutionalisierter Formen.
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6 FA Z I T U N D P E R S P E K T I V E N : S T E U E R U N G S M I X E F Ü R R E G I O N A L E A K T I V I TÄT E N I M K U LT U R B E R E I C H Das Thema Kultur hat in Regional Governance – darauf deuten nahezu alle hier vorgestellten Befunde hin – in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Gewachsene Kultur als identitätsstiftendes Element spielt ebenso eine Rolle wie Kultur als Standortfaktor im Innovationswettbewerb. Stellt man sich die Frage nach der optimierten Steuerung kultureller Aktivitäten auf regionaler Ebene, so ist dabei zunächst von Bedeutung, dass unterschiedliche Elemente innerhalb eines Steuerungsmixes von Regional Governance unterschiedliche Stärken und Schwächen haben und sich daher für jeweils unterschiedliche Aufgaben eignen (vgl. Fürst 2001a: 76, Fürst 1999: 612). • Schwach institutionalisierte Bindungen sind eher für Suchstrategien (Neuerungen) geeignet, während der Transfer von komplexem Wissen institutionell stabilere und längerfristig konstante Strukturen benötigt. • Harte Formen gestatten es, einen Teil der Konflikte über dauerhafte Regelungen abzuarbeiten, weiche Formen lassen Konflikte nur über Verhandlungen lösen. • Weiche Strukturen eignen sich grundsätzlich eher für Problem-Solving (Wohlfahrtsoptimierung ohne Verteilungsprobleme), harte für die Lösung von Verteilungsfragen im Rahmen von Bargaining-Prozessen. Bezogen auf das Thema Kultur bedeutet dies, dass einerseits Netzwerke gepflegt werden müssen, um einen Nährboden für neue Ideen im Kulturbereich auf regionaler Ebene zu halten. Hier scheinen die in vielen Regionen eingeschlagenen Wege erfolgreich. Einzelne isolierte Aktivitäten zu Events vernetzen, das Kulturerbe in Szene setzen; in diesen Handlungsfeldern hat sich viel getan. Andererseits sind aber z.B. für die periodische Organisation von Events auch immer starke Institutionen erforderlich. Daher kann es sinnvoll sein, netzwerkartige Bottom-up-Governance-Muster durch Top-down-GovernmentStrukturen, d.h. durch die Schaffung von Institutionen, die Probleme auch langfristig bearbeiten und Ordnungsfunktionen erfüllen können, zu ergänzen (vgl. Fürst 2001a: 84). Die Frage nach Institutionen und Regelungen, die es nicht nur ermöglichen ›Win-win-Lösungen‹ zu konkretisieren, sondern auch härtere Verteilungskonflikte zu lösen, werden u.U. auch in dem Maße erforderlich sein, wie der demografische Wandel auch im Kulturbereich zu Konzentrationen von Einrichtungen zwingt.
Christian Diller £Potenziale und Grenzen von regionalen Kooperationen
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G O V E R N A N C E U N D K U LT U R P O L I T I K – Z U R B E G R Ü N D U N G V O N C U LT U R A L G O V E R N A N C E Tobias J. Knoblich und Oliver Scheytt
1 EINLEITUNG Heute wissen wir mehr denn je: Die Führung eines Gemeinwesens bedarf einer weiten Perspektive. An ihr wirken Akteure und Institutionen aus Staat, Markt und Gesellschaft mit, zusammen oder auch gegeneinander. Und angesichts der globalen Finanzkrise wird der Staat ganz neu in die Pflicht genommen. Auch kulturpolitische Steuerung entfaltet sich im Zusammenspiel von Kräften aus allen drei Sektoren. Für die neuen Formen gesellschaftlicher, ökonomischer und politischer Koordination und Steuerung in komplexen institutionellen Strukturen, in Regierungssystemen moderner Staaten, in der öffentlichen Verwaltung, in Bereichen des Dritten Sektors (Verbände, Universitäten usw.) und in privaten Unternehmen hat sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren der Begriff der ›Governance‹ etabliert. Die Governance-Forschung ist zu einer boomenden Branche geworden.1 Inzwischen gibt es Forschungsprofessuren, Schriftenreihen,2 Studiengänge3 und sogar private Hochschulen mit diesem Titel.4 Mitunter haftet der Governance-Diskussion aufgrund ihrer rasanten Entwicklung das Etikett des Modischen an. Auch in der Wissenschaft gibt es die für Mode typischen ›Erkennungszeichen‹, mit denen Zugehörigkeit oder Besonderheit demonstriert wird. Der Governance-Begriff scheint ein solches Erkennungszeichen zu sein (vgl. Hoffmann-Riem 2006: 195f.). Er ist aber auch ein ›Brückenbegriff‹, denn er befördert den interdisziplinären Dialog, verkoppelt disziplinäre Fachdiskurse und ihre Ergebnisse. Volks- und Betriebswirtschaft, Politikwissenschaft, Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaften, Stadt- und Regionalentwicklungsforschung, Verwaltungswissenschaft – überall dort spielt der Begriff der Governance inzwischen eine Rolle. Zu den bekanntesten Begriffskombinationen gehören Global Governance, Regional Governance, Local Governance, Corporate Governance, Internet Governance. Im Kern geht es bei den durch diese Begrifflichkeiten erfassten Phänomenen immer um Steuerungs- und Re1
So Gunnar Folke Schuppert in seinem Vorwort zu Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien.
2
Vgl. die Schriften zur Governance-Forschung im Nomos-, transcript- oder VS-Verlag.
3
Wie den Masterstudiengang ›Politische Steuerung und Koordination (Governance)‹ an der FernUniversität Hagen.
4
Wie die ›Hertie School for Governance‹.
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gelungsstrukturen, um das Zusammenwirken von Akteuren (Einzelpersonen, Gruppen, Verbände, Unternehmen, Juristische Personen) in einem oder mehreren Praxisfeldern, auf einer oder mehreren territorialen Ebenen. Charakteristisch für Governance ist, dass organisationale, sektorale oder auch staatliche Grenzen überwunden werden. Für die Steuerungsmechanismen können Rahmenbedingungen vom Staat oder anderen Organisationen vorgegeben sein, die Regeln können aber auch in weitestgehender Selbststeuerung vereinbart worden sein. Eine wesentliche Erkenntnis der Governance-Perspektive besteht darin, dass die Relativität des Staates in der Politik im doppelten Sinn des Wortes reflektiert und bewusst gemacht wird: Der Staat kann nicht alleine Macht beanspruchen und durchsetzen, vielmehr gibt es unterschiedliche Kombinationen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbststeuerung (vgl. ausführlich Schuppert 2006b: 378). »Das Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft bei der Regelung kollektiver Sachverhalte im gemeinschaftlichen Interesse ist das Besondere von Governance. […] Governance im modernen Staat besteht aus dem Neben- und Miteinander von Regelungsformen, die von rein staatlichen bis hin zu rein zivilgesellschaftlichen reichen.« (Mayntz 2004: 68) Politische Steuerung erfolgt heute in einer Vielzahl von netzwerkartigen Strukturen. Auf allen Feldern haben sich Politiknetzwerke aus staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gebildet, die nicht nur an der politischen Willensbildung mitwirken, sondern auch die Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben übernehmen. In diesem Beitrag geht es darum, die Kulturpolitik mit Ergebnissen und Erkenntnissen der Governance-Forschung und -diskussion zu konfrontieren und einen Blick auf das Ganze zu wagen: die Steuerung und die Führung in der Kulturpolitik. Welche Rolle5 und welches Selbstverständnis6 hat der Staat (Bund, Länder und Kommunen) in der Kulturpolitik? Wie wird die kulturelle Infrastruktur im Zusammenwirken von Staat, Markt und Zivilgesellschaft erhalten und fortentwickelt? An welchen Zielsetzungen orientiert sich Cultural Governance, finden die kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums als Kulturbürger hinreichende Aufmerksamkeit? Schließlich sollen Beispiele und Instrumente der Cultural Governance erörtert werden. Dabei sind mit dem bisher nicht eingeführten Begriffspaar ›Cultural Governance‹ allgemein alle Governance-Mechanismen, -Formen, aber auch -Ebenen7 gemeint, die direkt mit 5
Als Möglichkeiten seien benannt: Planer, Initiator, Koordinator, Moderator, Infrastruktur-Bereitsteller, Kontrolleur, Evaluator, Multiplikator, vgl. dazu HoffmannRiem 2006: 206.
6
Als Leitbilder war in den letzten Jahren von ›Minimalstaat‹, ›schlankem Staat‹, ›aktivierendem Staat‹, ›Gewährleistungsstaat‹ die Rede.
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Im Sinne von Benz et al. 2007.
Tobias J. Knoblich, Oliver Scheytt £Governance und Kulturpolitik
dem Kulturbereich zu tun haben bzw. diesen mit anderen Handlungsfeldern in eine Beziehung setzen. Dies schließt aufgrund der starken kommunalen Verankerung von Kulturpolitik in besonderer Weise Formen von Regional Governance ein.
2 ›K U LT U R S TA AT ‹ D E U T S C H L A N D Der Schlussbericht der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ des Deutschen Bundestages, der die umfassendste kulturpolitische Bestandsaufnahme in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland enthält, entfaltet eine Gesamtperspektive auf alle drei Sektoren: Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das aus dieser Sichtweise entwickelte Leitbild eines ›Aktivierenden Kulturstaates‹ zielt auf ein neues, ganzheitliches Verständnis von Kulturpolitik.8 Kulturpolitische Steuerung erfolgt danach nicht nur in den verfassungsrechtlich konstituierten Institutionen, sondern im Zusammenspiel der Akteure (Vereine, Unternehmen, Stiftungen, Kirchen etc.) aus allen drei Sektoren. Dieses lässt sich nicht allein mit der überkommenen Betrachtung einer Kulturpolitik in Regierungen, Verwaltungen und Parlamenten erfassen. Das im Enquete-Bericht vorgeschlagene kulturpolitische Grundmodell setzt vielmehr auf den Ansatz einer ›Cultural Governance‹.9 Diese nutzt vielfältige Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Kulturinstitutionen in einem kontinuierlichen Prozess ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln, ihre unterschiedlichen Interessen ausgleichen und kooperatives Handeln vereinbaren. Mit dem Enquete-Schlussbericht ist die GovernancePerspektive nunmehr auch in der kulturpolitischen Diskussion angekommen und gibt zu einer Reflexion des Selbstverständnisses Anlass, das Staat und Kommunen in der Kulturpolitik ihrem Agieren zugrunde legen. Das vorgeschlagene Leitbild einer ›aktivierenden Kulturpolitik‹ hat sowohl innerhalb der Enquete-Kommission als auch in der Fachöffentlichkeit eine intensive Debatte über kulturpolitische Leitformeln und Leitbilder ausgelöst.10 Daher 8
S. Deutscher Bundestag 2007: 52 (Anm.: Die FDP-Fraktion und Olaf Zimmermann haben sich im Rahmen des Schlussberichtes der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ gegen den Begriff des ›Aktivierenden Kulturstaats‹ gewandt und für den Begriff ›Ermöglichender Staat‹ votiert).
9
Vgl. ebd.: 51f., 86, 93ff.; s. dazu auch Scheytt 2008: 114f., 142ff., 149f. und Knoblich 2008: 40ff.
10 S. dazu etwa Scheytt 2008, dagegen Fuchs 2009: 10, der den Begriff des ›Aktivierenden Kulturstaates‹ als ein Leitbild bezeichnet, das eher zur Verwirrung und Verschleierung beitrage und die historischen Dimensionen der Begriffe nicht hinreichend berücksichtige.
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ist zunächst ein Blick zurück auf die Entwicklung solcher Leitformeln und Leitbilder von Staat und Verwaltung sowie in Kulturpolitik und -management notwendig, die zum Teil Parallelen aufweist. Noch heute zeigen Leitfiguren aus den 1970er Jahren in der Kulturpolitik Wirkung, die damals ein ›kulturpolitisches Erwachen‹11 bewirkten. Dem gesellschaftlichen Aufbruch entsprach eine ›Neue Kulturpolitik‹, der es um das Aufbrechen einer ›Polity‹ ging, die den Staat als Hüter überkommener Kulturauffassungen und Institutionen begriff. Es handelte sich um die Verwirklichung einer kulturellen Demokratie, die Teilhabe auch an der selbstbestimmten und freien Produktion kultureller Güter und die Entwicklung eigenständiger Kulturformen sichern sollte. Leitmotive der Kulturpolitik waren ›Bürgerrecht Kultur‹ sowie ›Kultur für alle und von allen‹. Die ›Soziokultur‹ schälte sich als ein kulturpolitisches Handlungsfeld heraus. Kulturpolitik entfaltete sich zu einem breiten bürgerschaftlichen Aktionsfeld und unterstützte die Herausbildung einer prosperierenden Szene freigemeinnütziger Träger. Im Gegensatz vor allem zu den angelsächsischen Ländern und auf der historischen Grundlage der ›Verbürgerlichung der Künste‹ (vgl. etwa Nipperdey 1988) sowie der Übernahme höfischen Mäzenatentums durch Staat und Kommunen hatte sich in Deutschland ein breiter Konsens über Kultur als ›meritorisches Gut‹ herausgebildet. Nicht der Markt, sondern in erster Linie das Gemeinwohl bestimmt den besonderen Wert kulturellen Schaffens. Dementsprechend hat sich auch in der Staats- und Verfassungsrechtslehre in den 1980er Jahren der Terminus ›Kulturstaat‹ etabliert, der auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Freiheit der Kunst immer wieder verwendet worden ist. Mit Artikel 35 des Einigungsvertrages erlangte der Begriff Verfassungsrang. Er zielt jedoch nicht nur auf staatliches Handeln, sondern umfasst das gesamte kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland, das ganz wesentlich vom kulturellen Trägerpluralismus und von der kommunalen Selbstverwaltung geprägt ist. Insoweit wird in einem zeitgemäßen Kulturstaatsgedanken mitgedacht, dass die kulturelle Infrastruktur und die Kulturpolitik bestimmt sind von den Prinzipien der kulturellen Vielfalt und Teilhabe.
3 VO N N E W P U B L I C M A N A G E M E N T
ZU
C U LT U R A L G O V E R N A N C E
In den 1980er Jahren setzte unter dem Begriff ›New Public Management‹ (NPM) eine Diskussion über die Reform der öffentlichen Verwaltung ein (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 91). Ziel war, ein modernes, leistungsfähiges Verwaltungsmanagement zu entwickeln, das kunden- bzw. bürgerorientiert ausgerichtet werden sollte. Das neue Steuerungsmodell hatte dabei 11 Vgl. Langenbucher et al. 1983: 379ff., 407ff.
Tobias J. Knoblich, Oliver Scheytt £Governance und Kulturpolitik
insbesondere eine interne Effizienz im Blick: Durch eine bessere Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und Verwaltung, Kontraktmanagement, dezentrale Gesamtverantwortung im Fachbereich und den Einsatz outputorientierter Instrumente der Verwaltungssteuerung, durch flache Hierarchien, eigenverantwortliches Handeln sowie die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung sollte die öffentliche Verwaltung zu innerorganisatorischer Effizienz geführt werden. Der Leitbegriff ›Kulturarbeit‹ der 1970er Jahre wurde abgelöst vom neuen Leitbegriff ›Kulturbetrieb‹. Es boomte das ›Kulturmanagement‹, das Instrumente und Methoden eines effektiven Mitteleinsatzes oder des Marketings entwickelte und dabei – im Sinne des Managerialismus, ohne dass es auf diesen reduziert sein soll – Erfahrungen aus der Wirtschaft vor allem für öffentliche Kulturakteure zu adaptieren strebte. Wofür und wozu in der Kulturpolitik gesteuert wird, richtet sich indes weniger nach ökonomischen, als nach inhaltlichen kulturpolitischen Zielsetzungen. Wir haben inzwischen gelernt, dass es nicht nur um das ›Fitmachen‹ von Institutionen gehen kann. Kulturpolitik hat – wie jede Politik – eine inhaltliche, eine strukturelle und eine prozessuale Dimension. Der Begriff der Governance betrifft dabei vor allen die Strukturen und Prozesse der Politik, bringt sie in eine neue Sichtweise. Governance ist allerdings nicht per se kulturpolitische Zielsetzung oder ein inhaltliches kulturpolitisches Handlungsfeld, sondern beleuchtet, welche Steuerungs- und Regelungssysteme in Aktion sind, um kulturpolitische Zielsetzungen umzusetzen. Governance geht über New Public Management hinaus, denn es fragt in stärkerem Maße auch danach, wie kulturpolitische Zielsetzungen im Zusammenwirken von Akteuren herausgearbeitet und vereinbart werden können. Governance zielt als Verwaltungskonzept und eingebettet in die Idee des aktivierenden Staates darauf ab, die Zivilgesellschaft mit ihren hohen Problemlösungskompetenzen in die Lösung von gesellschaftlichen Problemen einzubeziehen. Es geht dabei um Kooperation und nicht um Konkurrenz von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Bereits bestehende Bestrebungen und Praxiserfolge auf diesem Gebiet können mit dem begrifflichen und strategischen Potential von Governance weiterentwickelt und verstärkt werden.
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Tabelle: Management und Governance als Reformkonzepte12 Management 1990er Jahre
Governance 2000er Jahre
Schlagworte
– – – – –
– – – – –
Probleme
– Staat/Bürokratie (-versagen) – Gesellschaft (-versagen) – Steuerungslücken – Fragmentierung – organisierte Unverantwortlichkeit – externe Effekte – Exklusion
Ziele
– – – –
Analysefokus
– Einzelne Organisationen – Binnensteuerung – ergebnisorientiertes Management (z.B. einzelner Ämter) – Privatisierung, Outsourcing
Neues Steuerungsmodell Unternehmen Verwaltung Bürokratiekritik Dienstleistungskommune schlanker Staat
Effizienz, value for money Dienstleistung Kundenorientierung Qualität
Bürger-/Zivilgesellschaft Sozialkapital Gewährleistungsstaat Bürgerkommune aktivierender Staat
– soziale, politische und administrative Kohäsion – Beteiligung – bürgerschaftliches Engagement – Koordination öffentlicher und gesellschaftlicher Akteure – Kombination verschiedener Steuerungsformen – Netzwerkmanagement – Steuerbarkeit
Das Governance-Konzept zielt nicht auf eine Aufgaben- und Verantwortungstrennung, sondern auf Verantwortungsteilung und Kooperation, mithin auf Verantwortungspartnerschaft. Trotz eigenverantwortlichen Handelns der einzelnen Akteure geht es um eine grundsätzliche gemeinsame Verantwortung, auf deren Basis die kulturpolitischen Ziele verwirklicht werden. Die Handlungslogiken Hierarchie (Staat), Tausch (Markt) und Solidarität (Bürgergesellschaft) werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander verbunden. Akteurs-Netzwerkkonstellationen werden in den Blick genommen, wobei Governance darauf abzielt, die Steuerungs- und Regelungsmechanismen in Netzwerken zu reflektieren. Denn in der Politik geht es nicht nur darum, dass überhaupt ein Netzwerk existiert, sondern dass es auch fähig ist, Steuerungsfunktionen zu übernehmen und gemeinsame Aktivitäten zu entfalten. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass der »kulturelle Trägerpluralismus« (Peter Häberle13) Freiheit auch dadurch verbürgt, dass es eine strukturelle Vielfalt gibt, in der die Trägerautonomie eine wesentliche Rolle spielt. Unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen und Handlungslogiken sollten nicht einfach kommunitaristisch eingeebnet werden. Auto12 Jann/Wegrich (2004): 200. 13 Vgl. grundlegend Häberle 1998.
Tobias J. Knoblich, Oliver Scheytt £Governance und Kulturpolitik
nomie und Differenz sind Elemente künstlerischer und kultureller Freiheit.14 Im Konzept eines ›aktivierenden Kulturstaates‹ müssen daher Offenheit und Pluralität als Leitprinzipien auch für Cultural Governance unbedingt Berücksichtigung finden.
4 K U LT U R E L L E I N F R A S T R U K T U R Kulturpolitik entfaltet ihre nachhaltigsten Wirkungen im Blick auf die kulturelle Infrastruktur. Diese ist gleichsam die Basis für die Kultur in Deutschland. Der Begriff der ›Kulturellen Infrastruktur‹ ist in den letzten Jahren in einer intensiven Auseinandersetzung mit den Termini ›Kulturelle Grundversorgung‹ sowie ›Kulturelle Daseinsvorsorge‹ als ein zentraler Leitbegriff herausgearbeitet worden.15 Noch in den 1980er Jahren wurde das Leitbild eines ›schlanken Staates‹ oder auch eines ›Minimalstaates‹ propagiert. Gerade angesichts der Finanzkrise wird immer deutlicher, dass diese Leitbilder kaum mehr zeitgemäß sind: Die in den letzten Jahren entwickelten Leitbilder eines ›Gewährleistungsstaates‹ oder eines ›aktivierenden Staates‹ betonen die Rolle einer staatlichen Grundsicherung. Der Staat trägt entscheidende Verantwortung dafür, dass eine kulturelle Infrastruktur erhalten und fortentwickelt wird. Der Begriff der kulturellen Infrastruktur ist als Leitbild für eine aktivierende Kulturpolitik auch deshalb geeignet, weil er der Gesamtsicht auf das Zusammenwirken von Staat, Markt und Gesellschaft und auf die verschiedenen Rollen des Bürgers als souveräner, engagierter Nutzer von Kultureinrichtungen voll und ganz entspricht. Er hat sich auch im Verlauf der Arbeit der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ als geeigneter und konsensfähiger Terminus für ein kulturpolitisches Grundmodell herausgestellt, anhand dessen sich die Rolle des Kulturstaates reflektieren, entwickeln und definieren lässt.16 Die kulturelle Infrastruktur umfasst nach unserem Verständnis die Angebote aller Kulturakteure, nicht nur die des Staates oder der Kommunen. Dabei geht es um die Inklusion aller Kulturbürger, während ein ›schlanker Staat‹ auf ein Verständnis von kultureller Angebotspolitik abzielt, nach dem lediglich elementarste Leistungen durch die öffentlichen Hände vorgehalten werden sollen. Ein wohlverstandenes Konzept eines ›aktivierenden Kulturstaates‹ setzt auf eine Cultural Governance, die unter Einbeziehung von Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft eine kulturelle Infrastruktur garantiert, die ein qualifiziertes, rechtlich wie finanziell planvoll gesichertes Angebot unterbreitet. Es 14 S. dazu näher auch Scheytt 2008: 102ff. 15 S. dazu ebd.: 281. 16 S. Deutscher Bundestag 2007, insbesondere S. 84ff., sowie Scheytt 2008: 283.
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geht um die Teilhabe aller und gerade sozial Benachteiligter. Auch denjenigen ist eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, die in Hinblick auf Einkommen, soziale Anerkennung, und Selbstwertgefühl zu den Schwächeren gehören. Damit ist klar: Cultural Governance orientiert sich nicht nur an ökonomischen Zielen, sondern setzt auf Inklusion. Sie bezieht nicht nur die unterschiedlichsten Akteure bei der kulturpolitischen Steuerung und Leistungsentwicklung ein, sondern achtet auch auf ein ausgewogenes kulturelles Angebot für alle Bevölkerungskreise. Die Governance-Perspektive entspricht einem solchen Leitbild: Nicht einer alleine, nicht nur auf der Basis einseitig festgelegter Ziele, nicht nur akteurszentriert wird kulturpolitisches Handeln begründet, sondern im Zusammenspiel der beteiligten, mehr oder weniger institutionalisierten Träger des kulturellen Lebens. Partizipation, Mitwirkung und Kooperation sind wesentliche Elemente der Steuerung und der Teilung von Verantwortung. Staat und Kommunen nehmen – auch unter Berücksichtigung künstlerischer und kultureller Freiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) – ihre Trägerschafts- und Förderaufgaben dialogisch wahr, bis hin zur legislativen Tätigkeit des Staates, die im Kulturbereich ohnehin eher rahmensetzend denn interventionistisch auszurichten ist.
5 K U LT U R B Ü R G E R Es stellt sich indes die Frage, welchen Bezugspunkt die Kulturpolitik auf ihren drei bedeutendsten Handlungsfeldern der Künste, Geschichtskultur und kulturellen Bildung zur Governance aufweist. Sind es Netzwerke und Institutionen, wie die Governance-Perspektive vielleicht zunächst nahelegen mag? Entscheidend sind diese an sich jedoch nicht, es ist vielmehr das kulturelle Wohl jeder einzelnen Person. Jedes Individuum wird durch die Kultur befähigt, über sich selbst nachzudenken. Durch Kultur erkennen wir Werte und treffen wir Entscheidungen in der Sinnsuche. Erst durch die Kultur drücken sich die Menschen aus, werden sie sich ihrer selbst bewusst und schaffen Werke, durch die sie ihre eigene Begrenztheit überschreiten.17 Gerade in der heutigen globalisierten und medialisierten Gesellschaft ist die Persönlichkeitsbildung von entscheidender Bedeutung. Und diese ist nicht allein durch einen ›bildungsbürgerlichen Kanon‹ zu erfassen und zu bestimmen. Es bedarf einer umfassenden ›Kulturkompetenz‹ auch jenseits bildungsbürgerlicher Ideale, um die richtige Wahl in der unerschöpflichen Vielfalt medialer, kultureller Einwirkungen und Angebote zu treffen. Um dies deutlich werden zu 17 Dies ist eine sinngemäße Wiedergabe der Definition des Begriffes Kultur der UNESCO-Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexiko City von 1982, abgedruckt in: Röbke 1992: 55.
Tobias J. Knoblich, Oliver Scheytt £Governance und Kulturpolitik
lassen, bietet es sich an, im Dreiklang von Individuum, Gesellschaft und Staat das Individuum als ›Kulturbürger‹ in den Blick zu nehmen, auch um sich vom allzu lang prägenden Leitbild des ›Bildungsbürgers‹ klassischer Provenienz zu entfernen. Cultural Governance sollte auf den freien, mündigen und vor allem kompetenten Kulturbürger abzielen, der in der Lage ist, mit der Komplexität von Kultur umzugehen. Der kompetente Kulturbürger ist nicht nur als Nutzer und Besucher ansprechbar, sondern auch als Kulturförderer und als Aktiver in eigenen künstlerischen oder kulturellen Betätigungsfeldern und schließlich auch als Akteur in kulturpolitischen Prozessen. Die Kulturkompetenz des Individuums und ihre Förderung werden damit zur zentralen kulturpolitischen Zielsetzung. Die durch sie konstituierte Wahrnehmungsfähigkeit ist die schönste Form der Freiheit in einer globalisierten und medialisierten Gesellschaft. Ästhetische Phänomene und Produkte zu verstehen und mit ihnen selbständig umzugehen, ist entscheidend für die Selbstbestimmung des Einzelnen und für die Entwicklung einer eigenen Position in der ›offenen Gesellschaft‹. Der kompetente Kulturbürger wird sich auch aktiv einbringen in Prozesse der Cultural Governance, in welcher Konstellation auch immer.18 Eine der wichtigsten Aufgaben gegenwärtiger Kulturpolitik besteht folglich darin, mit Maßnahmen zur kulturellen Bildung nachwachsende Kompetenzen umfassend zu fördern und damit die motivationelle Grundlage für lebenslanges kulturelles Interesse, Lernen und Engagement zu verstärken.
6 BEISPIELE FÜR HANDLUNGSFELDER V O N C U LT U R A L G O V E R N A N C E Governance betont das »Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft bei der Regelung kollektiver Sachverhalte im gemeinschaftlichen Interesse«; dieses wird als ein »Neben- und Miteinander von Regelungsformen« gedacht (auch im Sinne horizontaler und vertikaler Verflechtungen) (Mayntz 2004: 68). Entscheidend dafür sind Netzwerkstrukturen, in die staatliches Handeln eingebettet wird, so dass insbesondere sektoral repräsentativen Verbänden eine wichtige Funktion zukommt. Ferner erlangen Formen der Selbstregelung, aber auch Verhandlungen neue Bedeutung. Für alle diese Felder lassen sich in der Kulturpolitik der letzten Jahrzehnte Aufbrüche, Erfolge, aber auch Misserfolge benennen. Wichtigste Voraussetzung für ein Zusammenwirken von Staat und Kulturbereich ist das Vorhandensein einer starken Zivilgesellschaft, aber auch wirtschaftlicher Partner sowie privatwirtschaftlicher Akteure im Kulturbereich (Kulturwirtschaft). Theodor Heuß schrieb noch unter dem Eindruck totalitären 18 S. dazu Scheytt 2008: 72ff.
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Handelns: »Was ist in Deutschland an Freiwilligkeit erdrückt worden, an redlichem, ehrenamtlichem Wirken abgestorben!« (Heuß 1951: 61) Heute finden wir im Kulturbereich eine breite Basis bürgerschaftlichen Engagements. Viele wichtige Impulse etwa zur zeitgemäßen Kulturarbeit oder zur Entwicklung von Nachhaltigkeit gingen von nichtstaatlichen Akteuren aus: Die Entstehung der Kulturpädagogik und heute fast schon selbstverständlicher Formen der Einübung künstlerischer Kompetenz oder informellen Lernens verdanken wir ganz wesentlich Vereinen und Netzwerken, die der einseitigen Orientierung der herkömmlichen Kultureinrichtungen auf die Reproduktion künstlerischer Formate entgegengewirkt haben und einforderten, dass etablierte Institutionen sich wandelnde Zugangsvoraussetzungen und Lebenswelten berücksichtigen sollten. Engagement jenseits des Staates drückt sich aber auch in einem Gründungsboom von Kulturstiftungen aus, der nicht zuletzt einem zeitgemäßen Stiftungsrecht zu danken ist. Auch das Verhältnis zwischen Kultur(-politik) und Wirtschaft hat sich gewandelt. In den Aufbaujahren war es eine der wichtigsten Initiativen, mit der Gründung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (heute im Bundesverband der deutschen Industrie) die Verantwortung der Unternehmen an einem gesellschaftspolitischen Neubeginn zu verdeutlichen und zu zeigen, dass auch die Wirtschaft eine wichtige Säule kultureller Entwicklung darstellt und nicht neben oder unabhängig von der Kultur besteht.19 Governance setzt jedoch auf eine umfassende Kooperationsbereitschaft, die sich auch darin ausdrückt, dass in Projekten des Public-Private-Partnership (PPP) gemeinsam Verantwortung übernommen wird, sei es für kulturelle Infrastrukturen oder Bildungsaufgaben. Diese breite Allianz für Kultur im Sinne ihrer Werthaltigkeit schließt ebenso privatwirtschaftliche Akteure im Kulturbereich ein, wie sie unter dem Begriff der Kulturwirtschaft (oder im erweiterten Sinne: Kreativwirtschaft) zusammengefasst werden. Wie wir weiter oben gesehen haben, leisten auch kreative Akteure, die nicht auf Zuwendungen der herkömmlichen Kulturförderung zurückgreifen und damit nicht gemeinnützig im juristischen Sinne sind, Beiträge zum Erfolg des Kulturstaates Deutschland: Die Sektoren und Akteure profitieren voneinander, ja sie ergänzen sich. Es ist auch nicht verwerflich, wenn bestimmte Leistungen im Kulturbereich von privaten Anbietern erbracht werden, sofern sie für die Gemeinschaft wertvoll und nicht nur wirtschaftlich einträglich sind. 19 Vgl. dazu aktuell und mit Bezug zur Finanzwirtschaft den Beitrag von Bernhard Freiherr von Loeffelholz Die Krise der globalen Finanzwirtschaft – eine Chance für die Kultur?, s. Loeffelholz 2008: 4f. (unter Verwendung des Textes von Jürgen Ponto Über das Gewinnstreben und die Gemeinnützigkeit privater Banken aus dem Jahr 1977).
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Cultural Governance ist der Versuch, Aufgaben der Trägerschaft, der Finanzierung und der gesellschaftlichen Entwicklung von Kultur im Kontext eines ›kooperativen Staates‹ zu lösen und den Kulturstaat als eine durch unterschiedliche, auch sektoral übergreifende Bündnisse gemeinsam herzustellen. Der Kulturstaat wird hier nicht von oben gedacht oder als Entlastungsstrategie an die Gesellschaft delegiert, sondern gerade als Mittleres gesetzt. Dabei kommt auch eine Ambivalenz zum Vorschein: Eine auf Partnerschaft orientierte Form staatlicher Steuerung bewirkt teils ein Mehr an Markt, teils ein mehr an Leistung im Dritten Sektor. Das richtige Maß ist hier entscheidend, um zum einen stärker den Eigensinn der Bürger zu berücksichtigen und zum anderen das Niveau unserer ererbten Kulturvorstellungen zu sichern, wo historisch tragfähige Schichten wie etwa die des Bürgertums in den letzten Jahrzehnten in eine »nivellierte Mittelstandsgesellschaft« (Schelsky) mündeten. Die Fürsorge des Staates zielt also auf eine neue Selbstregelung einerseits, aber ebenso auf Verhandlungsgeschick in Hinblick auf die Modi alternativer Leistungserbringung durch nichtstaatliche Anbieter andererseits. Im Leitbild des ›aktivierenden Kulturstaates‹ verbirgt sich keine Staatsgläubigkeit, die im Sinne einer Verknappungsrhetorik lediglich Lasten abwälzt, sondern vielmehr der Versuch, Kulturpolitik in die Mitte der Gesellschaft zu führen, sie noch stärker als bisher zu einem gemeinsamen Anliegen der unterschiedlichen Akteure zu machen. Dies ist im übrigen als ›längst überfällige Übung‹ bezeichnet worden: »Konventionen des Umgang, der gemeinsam getragenen Verantwortung und Prinzipien der Steuerung müssen zwischen Kulturverwaltungen, demokratischer Kulturpolitik, Kulturinstituten und bürgerschaftlichem Engagement neu ausgehandelt werden.«20 In Auswertung des Abschlussberichts der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹ sieht das auch der Kulturausschuss des Deutschen Städtetages so, er hat sich zum Governance-Ansatz im Wesentlichen zustimmend positioniert (vgl. Bartella 2008). Das System des Kulturföderalismus unterstützt Governance insofern, als es ein gewisses Niveau an Politikverflechtung bereits voraussetzt. Nicht nur die Kultusministerkonferenz, auch das Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen ist mehr denn je auf neue Verflechtung angewiesen, um eigene Steuerungsdefizite abbauen zu können. Da Kulturpolitik ganz wesentlich von der kommunalen Ebene gestaltet wird, wird Formen der ›Regional Governance‹, also der regionalen Selbststeuerung, zukünftig sicher eine wichtige Funktion zukommen.
20 Stüdemann 2006: 25. Stüdemann hatte damit den Begriff ›Cultural Governance‹ in die kulturpolitische Debatte gebracht.
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7 INSTRUMENTE
VON
C U LT U R A L G O V E R N A N C E
Voraussetzung für gelingendes partnerschaftliches Handeln sind klare Zielsetzungen, deren Ausarbeitung dem politischen Raum vorbehalten bleibt. Doch schon hier beginnt der Einbezug jener, die an der Umsetzung von Aufgaben beteiligt werden sollen. Wo immer kulturpolitische Leitlinien, Kulturentwicklungspläne oder andere strategische Grundlagen einer mittelfristigen Kulturpolitik erarbeitet werden, können dialogische Prinzipien zur Anwendung gebracht werden. Verfügen einige Länder über kulturpolitische Leitlinien, sind Kulturentwicklungspläne jedoch bisher vorrangig auf kommunaler Ebene angewandt worden. Dort gelten sie als höchst kommunikative und demokratische Gestaltungsinstrumente, die die Auffassung nicht zuletzt der Bürger einzubinden suchen und die ›Kultur von morgen‹ auf sehr breiter Basis diskutieren. Eines der prägnantesten Beispiele der jüngsten Vergangenheit ist die sehr breite bürgerschaftliche Untersetzung des Kulturleitbildes sowie des Kulturentwicklungsplans in Dresden, der über ein deskriptives Niveau weit hinausreicht. Im besten Falle dienen solche planerischen Grundlagen dafür, mit den Erbringern kultureller Leistungen Kontrakte auszuhandeln und Qualitätskriterien für die Umsetzung und Evaluation zu entwickeln. In einigen ostdeutschen Bundesländern ist es im Zuge der demokratischen Erneuerung auf vorbildliche Weise gelungen, umfassende Ansätze im Sinne einer Governance zur Anwendung zu bringen und Kulturpolitik systematisch auf mehrere Schultern zu verteilen. So initiierte das Land Brandenburg 1997 einen Prozess, der unter der Bezeichnung ›Kulturentwicklungskonzeption‹ Land, Kommunen und freie Kulturträger in eine enge Kooperation zur Ermittlung kulturpolitischer Prioritäten brachte, ausgehend von einer landesweiten Bestandsaufnahme. Im Freistaat Sachsen erwuchs aus der Übergangsfinanzierung Kultur des Bundes das Gesetz über die Kulturräume in Sachsen, das alle Landkreise in jeweils regionale Zweckverbände einteilt und Land und Kommunen zu einer solidarischen Kulturfinanzierung verbündet. Besondere Bedeutung bei der Erarbeitung von Fördervorschlägen kommt einer breiten Beteiligung der Bevölkerung zu (vgl. Winterfeld 2006). Zur Umsetzung von Governance gehört auch die Öffnung für Prozesse außerhalb von Verwaltung und ein Höchstmaß an Transparenz. Es muss sichtbar werden, in welcher Weise Staat und Kommunen kulturpolitisch planen und handeln, um Entwicklungen erkennen und Anknüpfungspunkte für gemeinsame Gestaltungsformen finden zu können. Neue Maßstäbe für die Kommunikation von Landeskulturpolitik setzt der erste Kulturbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen 2008), der nicht nur Fördererfolge aufzeigt und Haushaltsdaten vermittelt, sondern Prinzipien von Kulturpolitik erschließt, neue strategische Optionen erläutert
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und auch weit über direktes staatliches Handeln hinaus die Entwicklung kultureller Infrastrukturen vermittelt. Er richtet in diesem Sinne nicht nur den Blick zurück auf Erreichtes, sondern entwickelt Perspektiven in die Zukunft, setzt damit neue Impulse. Auf Bundesebene gibt es ebenso bemerkenswerte (und teils schon langjährig praktizierte) Ansätze, die sich einer Governance-Perspektive zuordnen lassen, etwa die selbstverwalteten Förderfonds, die aus Mitteln des Bundes gespeist werden. In der Rechtsform eines eingetragenen Vereins bilden Verbände und Fachorganisationen der jeweiligen Kultursparten Organe einer unabhängigen, dicht an der Praxis operierenden Kulturförderung aus. So gibt es einen Fonds Darstellende Künste e.V., den Deutschen Literaturfonds e.V. oder etwa den Fonds Soziokultur e.V., die im Rahmen der Bundeskulturpolitik eine je zeitgemäße und transparente Förderpraxis ausprägen. Auch die im Jahr 2002 gegründete Kulturstiftung des Bundes, ihre ständig fortzuentwickelnden Arbeitsschwerpunkte und die teils aufsuchende Förderpolitik künden von sich ausdifferenzierenden Formen staatlicher Steuerung.
8 FA Z I T Das Paradigma der Cultural Governance ist letztlich (oder lediglich) der Ausdruck eines gewachsenen Bewusstseins von Vielfalt in der Kultur, komplexen und einseitig nicht zu bewältigenden Koordinations- und Finanzierungsbedarfen. Dazu zählt eine starke zivilgesellschaftliche Basis, deren Bedeutung für eine tragfähige Kulturlandschaft der Zukunft immer höher eingeschätzt werden sollte, je dramatischer auch der Wandel von Lebensstilen und die Zersplitterung von Interessenlagen geraten. In einer von globalen Transformationen gezeichneten Gesellschaft bedarf es zur Maximierung von Chancen sowie zur Minimierung von Risiken eines »koordinierten Einsatzes der Macht«, die sich keineswegs nur auf den Staat beschränkt (vgl. Giddens 1997).21 Mit anderen Worten: »Der Staat wird auf Kooperation setzen müssen, weil er in einer dynamischeren Welt keine andere Chance hat. Der Staat verfügt über kein Wissen, über das die Gesellschaft – die Bürger wie ihre Wirtschaft – nicht längst besser verfügt.« (Priddat 2003: 393) Mit Cultural Governance gilt es neu zu beschreiben, wie Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik immer wieder neu zu begründen ist: als Kontinuum eines kooperativen Engagements und gemeinsamen Interesses von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.22
21 Dies bleibt jedoch nach wie vor auch kritisch zu betrachten. Vgl. Habermas 1998: 399ff. 22 Dazu ist eine grundlegende Publikation in Vorbereitung: Föhl, Patrick S.; Knoblich,
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QUELLENVERZEICHNIS Bartella, Raimund (2008): Aus dem Kulturausschuss des Deutschen Städtetages. Diskussion um Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 123, Heft 4, S. 15. Benz, Arthur; Lütz, Susanne; Schimank, Uwe; Simonis, Georg (Hg.) (2007): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden. Deutscher Bundestag (2007): Schlussbericht der Enquete-Kommission ›Kultur in Deutschland‹, Drucksache 16/7000, Berlin. Fuchs, Max (2009): Kulturpolitische Slogans und Leitbilder, in: Politik und Kultur, Jan./Febr., S. 10-11. Giddens, Anthony (1997): Konsequenzen der Moderne, 2. Aufl., Frankfurt a.M. Habermas, Jürgen (1998): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a.M. Häberle, Peter (1998): Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl., Berlin. Heuß, Theodor (1951): Kräfte und Grenzen einer Kulturpolitik, Tübingen; Stuttgart. Hoffmann-Riem, Wolfgang (2006): Governance im Gewährleistungsstaat – Vom Nutzen der Governance Perspektive für die Rechtswissenschaft, in: Schuppert, Gunnar Folke (Hg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, 2. Aufl., Baden-Baden, S. 195-219. Jann, Werner; Wegrich, Kai (2004): Governance und Verwaltungspolitik, in: Benz, Arthur (Hg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen, Wiesbaden, S. 193-214. Knoblich, Tobias J. (2008): Aktivierende Fragen für eine aktivierende Kulturpolitik. Ein Plädoyer für programmatische Erneuerung, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 122, Heft 3, S. 40-45. Langenbucher, Wolfgang R.; Rytlewski, Ralf; Weyergraf, Bernd (Hg.) (1983): Kulturpolitisches Wörterbuch Bundesrepublik Deutschland/DDR im Vergleich, Stuttgart. Loeffelholz, Bernhard Freiherr von (2008): Die Krise der globalen Finanzwirtschaft – eine Chance für die Kultur?, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 123, Heft 4, S. 4-6. Mayntz, Renate (2004): Governance im modernen Staat, in: Benz, Arthur (Hg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen, Wiesbaden, S. 6576. Tobias J.; Scheytt, Oliver (Hg.): Cultural Governance in kulturpolitischen Grundbegriffen (voraussichtlich 2011).
Tobias J. Knoblich, Oliver Scheytt £Governance und Kulturpolitik
Nipperdey, Thomas (1988): Wie das Bürgertum die Moderne fand, Berlin. Priddat, Birger P. (2003): Umverteilung: Von der Ausgleichssubvention zur Sozialinvestition, in: Lessenich, Stephan (Hg.): Wohlfahrtsstaatliche Grundbegriffe. Historische und aktuelle Diskurse, Frankfurt a.M.; New York, S. 373-394. Röbke, Thomas (Hg.) (1992): Zwanzig Jahre neue Kulturpolitik. Erklärungen und Dokumente 1972-1992, Essen. Scheytt, Oliver (2008): Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik, Bielefeld. Schuppert, Gunnar Folke (Hg.) (2006a): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, 2. Aufl., Baden-Baden. Schuppert, Gunnar Folke (2006b): Governance im Spiegel der Wissenschaftsdisziplinen, in: Schuppert, Gunnar Folke (Hg.): Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, 2. Aufl., Baden-Baden, S. 371-469. Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2008): Kulturbericht, Düsseldorf. Stüdemann, Jörg (2006): Für eine Kulturpolitik der Zweiten Moderne, in: Sievers, Norbert; Wagner, Bernd (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2006, Bonn; Essen, S. 17-27. Winterfeld, Klaus (2006): Das sächsische Kulturraumgesetz – eine Bilanz nach elf Jahren. Ergebnisse einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung, Leipzig.
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➔
K O O P E R AT I O N
UND Hermann Voesgen
KONKURRENZ
1 EINLEITUNG In einer Selbstdarstellung (2009) beschreibt sich der neu gegründete Kunstverein ›KunstHaus Potsdam‹ als einen »Ort für zeitgenössische Kunst – Treffpunkt für Künstler, Kunstliebhaber und Sammler«. Kunst ist in der deutschen Kulturtradition notwendig abgegrenzt vom ›profanen Leben‹. Warum sich Kunst ›außer Konkurrenz‹ des zweckvollen Wettbewerbs bewegen muss, hatte Friedrich Schiller bereits in dem viel zitierten Satz »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch wo er spielt« formuliert. Es ist in erster Linie das Spiel der Künste, die den Menschen einen Freiraum von dem Ernst der Triebe und der zweckgerichteten Welt ermöglichen. »Kunst ist also erstens Spiel, zweitens Selbstzweck und drittens kompensiert sie das, was Schiller als spezifische Deformation der bürgerlichen Gesellschaft analysiert: das entwickelte System der Arbeitsteilung.« (Safranski 2007: 45) In der Zergliederung der Tätigkeiten nach nützlichen Erwägungen wird der Mensch »bloß zu einem Abdruck seines Geschäfts«. »Und was drückst du mit den Worten Nutzen aus? Muss denn alles auf Essen, Trinken, Kleidung hinauslaufen? Oder dass ich besser ein Schiff regiere, bequemere Maschinen erfinde, wieder nur um besser zu essen? Ich sage es noch einmal, das wahrhaft Hohe kann und darf nicht nützen; dieses Nützlichsein ist seiner göttlichen Natur ganz fremd, und es fordern, heißt, die Erhabenheit entadeln und zu den gemeinen Bedürfnissen der Menschheit herabwürdigen.« (Ludwig Tieck, zit.n. Safranski 2007: 106f.) Nur in der Autonomie gegenüber den ›zweckvollen Bereichen des Lebens‹ kann Kunst ihren Zweck für die Gesellschaft erfüllen. Ein aktuelles Beispiel für diesen Ansatz bietet Gerald Wagner in seiner Polemik gegen eine an dem Postulat ›Kultur für Alle‹ anknüpfende Bildungsoffensive: »Gehört es doch zum Selbstverständnis einer der Idee der Originalität verpflichteten Kultur, jedwede Konvention, Gewohnheit und Tradition abzustoßen und den gängigen Erwartungen gerade nicht zu entsprechen. Wer ein solches Selbstverständnis als elitär kritisiert, verkennt den Vorteil dieser Entkopplung: Erst sie ermöglicht es dem Kunstsystem, nach seinen eigenen Regeln zu arbeiten, ohne sich einer Kritik der Folgen dieser Freiheit stellen zu müssen.« (Wagner 2009: N5) Für Kooperationsvorhaben in einer Region oder einer Stadt ist dieses Autonomiegebot, so meine These, immer noch relevant. Es hat Einfluss auf die Einstellungen und das Handeln der Akteure wie auch auf die Strukturen
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der Kultureinrichtungen. Dabei sind zwei Haltungen auch für aktuelle Kooperationsbeziehungen bedeutsam: • Das Bestehen auf der Autonomie der Kunst führt zu einer permanenten Konkurrenz zu anderen Handlungsbereichen, insbesondere der Ökonomie. Der Kulturbereich muss seine Bedeutung und Förderungsfähigkeit immer wieder gegenüber anderen Relevanzsystem behaupten (aktuell z.B. gegenüber dem Sport). Gleichzeitig verweigert sich die Kunst dem Wettbewerb mit anderen Bereichen, die Kunst empfindet sich als ›außer Konkurrenz‹, weil sie unvergleichlich ist. • Die heroische Position als Wächter des Anderen, Eigentlichen, der Unsterblichkeit der Kunst, schafft ein Gruppengefühl der Kunstfreunde, die nicht miteinander konkurrieren, sondern eine gemeinsame Aufgabe verfolgen. Aktuell wird diese Vorstellung mit Zusammenschlüssen wie dem ›Rat der Künste‹ in Berlin praktiziert. Wie in diesem Fall kann es gelingen, aktuell ein Gemeinsames gegen Kürzungen, Einschnitte zu formulieren. Die Ausdifferenzierung der Lebensweisen führt aber auch im Kulturbereich zu konkurrierenden Interessen. Im ersten Teil werde ich mich unter dem Titel ›das kann man nicht vergleichen‹ mit widersprüchlichen Haltungen im Kulturbereich, zu internen und externen Kooperationen, auseinandersetzen. Anschließend wende ich mich der anderen Seite, dem zweckvollen Tun der Marktkonkurrenz, zu. Interessant sind die Ansätze der ›Kooperationsökonomie‹, weil die starre Abgrenzung zwischen Kooperation und Konkurrenz aufgegeben wird. Kooperation wird als ein wesentliches Element ökonomischen Handelns herausgestellt und damit auch die überkommenen Gegenüberstellungen von Kunst und Ökonomie in Frage gestellt. Im dritten Abschnitt ›Kooperationskulturen‹ werde ich dann Konsequenzen für die Kooperationspraxis von Kultureinrichtungen diskutieren. Zunächst werden die Hindernisse, aber auch gute Gründe, – aus der Sicht der Einrichtungen – nicht zu kooperieren, beleuchtet, um dann Kooperationsmöglichkeiten und -spielräume vorzustellen.
2 DA S
K ANN MAN NICHT VERGLEICHEN
Schillers Konzept einer autonomen Kunst, die sich selbst Zweck ist und durch diesen Selbstbezug auch nützlich sein kann, ist ein bis weit ins 20. Jahrhundert wirksames Schutzschild gegen die zweck-rationale Welt. Die bürgerliche Gesellschaft schaffte sich Kunstwelten in Form von Kunstvereinen, Museen, Literaturgesellschaften und Theatern. Sie sind Refugien des Erhabenen in der Welt der Märkte und Marken. Nach dem Zweiten Weltkrieg von den Bundesländern und vor allem Kommunen übernommen, entwickelte sich ein System
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an Kultureinrichtungen und ein Fördersystem, in das zurzeit jährlich acht Milliarden EUR öffentliche Mittel fließen. Das ernste Spiel jenseits des Nutzens findet (zumindest in Deutschland) immer noch im großen Stil statt. Trotz der, im Vergleich zu anderen Ländern, beträchtlichen Kulturförderung, macht dieser Bereich im Gesamtetat von Bund, Ländern und Gemeinden nur einen geringen Anteil aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stellten Bund, Länder und Gemeinden 1999 1,4 Prozent ihres Gesamtetats zur Verfügung. Bei den Kommunen ist dieser Anteil mit etwa fünf Prozent im Durchschnitt etwas höher und reicht in wenigen Städten an zehn Prozent heran. Das verschafft den Kultureinrichtungen einen Legitimationsvorteil gegenüber der Welt der Waren und kommerziellen Unterhaltung etc. Man entzieht sich einem Vergleich von Förderentscheidungen durch den Verweis, dass in einer von Nutzenerwägungen dominierten Gesellschaft nicht auch noch die Kunst mit Fragen nach Nutzen und Wirkung traktiert werden darf. So wurde bei der Evaluation der freien Kulturträger in Potsdam die Überprüfung von Kosten, mit dem Verweis auf den geringen Anteil der Kulturausgaben im Gesamtbudget der Stadt, in Frage gestellt (vgl. Pagel/Voesgen 2006). Insofern hat das sich außer Konkurrenz Stellen immer noch Vorzüge in Bezug auf Budget und Autonomie der Arbeit. Kultur hat, als ein weit über Kunst hinausreichender gesellschaftlicher Bereich, in den letzten Jahrzehnten, in Konkurrenz mit anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern, ihre Position ausgeweitet und gefestigt. Kultur ist soziologisch als ein System zu beschreiben, das gegenüber anderen gesellschaftlichen Systemen abgrenzbar ist. Es gibt eine eigene Organisationsform, sowohl auf der Ebene der Verwaltungen, Mittlerorganisationen, Bildungseinrichtungen wie auch der Veranstalter: Finanzen, Organisation, Personal, Ausbildung und Werte. Dem Kultursystem in Deutschland ist es dabei gelungen, sich in der Abgrenzung zu anderen Aufgabenbereichen zu behaupten. Je nach Genre wurden spezialisierte Förderkriterien und Bewertungssysteme durchgesetzt, und damit ist eine stark ausdifferenzierte Aura des nicht Vergleichbaren etabliert. Nur wer beispielsweise mit dem hermetischen Diskurs der Gegenwartskunst vertraut ist, kann mitreden und ein Urteil abgeben. So kann man sich immer noch gegen Konkurrenz und Kooperationsanforderungen abgrenzen. Das Dach dieses Schutzwalls ist allerdings inzwischen löchrig geworden und wird weiter unterspült. Der Kulturbereich ist zunehmend internen und externen Konkurrenzsituationen ausgesetzt. Spätestens mit Etablierung der Kunst in Institutionen und Förderprogrammen verliert das Bild der erhabenen Kunst an Glanz. Laufbahnen, Stellen, Etats, Aufgabenbeschreibungen, Gebäude, Bewerbungen und Auswahl schaffen eine Vielzahl von Konkurrenzsituationen:
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interne Konkurrenz um Stellen, Kompetenzen, Aufgaben, Etats und Anerkennung; Die Kunst als eine Erfahrung der Totalität der Gattung, wie es Schiller gefordert hatte, ist durch hoch differenzierte Spezialisierung nach Genres, Stilrichtungen, regionalen Besonderheiten zergliedert worden. Damit ist Kunst Teil der profanen Welt und ›kleinliche‹ Auseinandersetzungen um Geld, Räume und Anerkennung finden auch hier statt. Die Einrichtungen entwickeln Egoismen, bei denen es nicht nur um die Kunst geht, sondern auch darum, möglichst viel Geld zu akquirieren, z.B. für ein Ensemble, das alte Musik auf Originalinstrumenten spielt, in Konkurrenz zu anderen Stilrichtungen und Ensembles; künstlerische Strömungen, ihre Auf- und Abwertungen, Sezessionen, Gründung neuer Gruppierungen, Kampf gegen Akademien etc. sind Teil des Kunstsystems. Boris Groys (1992) beschreibt das mit Kategorien der Ökonomie. Die Auf- und Abwertungen von Kunstwerken, Künstlern und Stilen zeigen, dass Kunst in einem ständigen Kampf um Anerkennung steht. Es ist kein eindimensionaler Entwicklungsprozess in dem die wahre Kunst dann zum Olymp der vorbehaltlosen Anerkennung gelangt, vielmehr sind es Auf- und Abbewegungen, mit Phasen der Anerkennung und des gering Schätzens.
Die ›Neue Kulturpolitik‹ ab den 1960er Jahren hat die Konkurrenzbedingungen nachdrücklich verstärkt und die abgesteckte Gemütlichkeit aufgemischt: Die periodischen Rebellionen und Umsortierungen werden zu einer permanenten (nein, nicht Revolution, wie von einigen erhofft) Erweiterung, zu Wiederentdeckungen sowie Vermischungen. Was öffentlich zu fördernde Kultur ist, wird zu einem chronischen Problem. Es wurde zunächst gemildert, indem zusätzliche Gelder für neue Einrichtungen und Akteure bereitgestellt wurden. Diese Wachstumsstrategie unterstützte eine weitere Ausdifferenzierung der kulturellen Angebote. Der Gewinn an Vielfalt stößt inzwischen an Grenzen der Aufnahmefähigkeit und Finanzierung. Der Kampf um das begrenzte Gut Aufmerksamkeit (vgl. Franck 1998) und abnehmende bzw. stagnierende Fördermittel für Kultur verschärfen die Konkurrenz innerhalb des Kulturbereiches. Kulturpolitik kann sich daher nicht mehr der Auseinandersetzung und Entscheidung zwischen konkurrierenden Angeboten entziehen. Sowohl Themen, Aufgaben, Zielgruppen wie auch Orte und organisatorische Formen der Kulturarbeit stehen im Wettbewerb um Mittel, Engagement und Aufmerksamkeit. Mit dem erweiterten Kulturbegriff werden die Aktionsfelder größer, aber auch der Bedarf nach Kooperationen und Abgrenzungen: Wer macht, wie, wo, welche Kulturarbeit? Gesicherte Verhältnisse können immer weniger vorausgesetzt werden. Die Positionierung, um einen zentralen Begriff
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des Marketings zu benutzen, wird zu einer kontinuierlichen Aufgabe. Wie grenze ich mich gegenüber anderen Akteuren ab, wo gehe ich Kooperationen welcher Art ein? Es müssen Ziele formuliert werden, als Grundlage für die Förderung der Inhalte und der gewünschten organisatorischen und personellen Konstellationen. Diese Ziele bestehen heute aus einem unübersichtlichen Strauß von möglichen Gründen, Kulturaktivitäten zu fördern. Auf tradierte Gepflogenheiten der Distanz und Nähe, der Zusammenarbeit, Gleichgültigkeit und Abgrenzung können sich Kulturakteure immer weniger verlassen, sie müssen die Verhältnisse zwischen Partnerschaft und Wettbewerb immer wieder neu klären.
3 K O O P E R AT I O N S Ö K O N O M I E Gegenüber den unbestimmten Bewertungskriterien für die Kulturförderung hat der Markt den Vorzug, über ein von den Zielen unabhängiges Bewertungsinstrument zu verfügen. Durch die Orientierung an Preisen und Grenznutzen kann man die Interaktionen zwischen den Beteiligten minimieren: »Die Sensibilität des Wirtschaftssystems und sein Reaktionstempo beruhen sehr wesentlich darauf, dass Interaktion eingespart wird.« (Luhmann 1984, zit.n. Jansen 2000: 30) In neueren ökonomischen Ansätzen wie der Transaktionsanalyse werden die Grenzen des Marktmodells untersucht. Nicht alle ökonomischen Transaktionen lassen sich über den Markt abwickeln. Unternehmen sind Organisationen, deren Interaktionen intern und in Bezug auf ihre Umwelt nicht ausschließlich über Konkurrenz bestimmt werden. Das sind zum einen Koordinationsverfahren wie die innerbetriebliche Bürokratie, zum anderen unterschiedliche Formen der Kooperation. Sie wird, so die These von Wieland, wesentlich an Bedeutung gewinnen: »Die sich vor unseren Augen entwickelnde Ökonomie des nächsten Jahrhunderts wird durch Kooperation als ökonomisierbarer Ressource charakterisiert sein.« (Wieland 2000: 105) Die Aufmerksamkeit verschiebt sich damit von der Überwindung von Knappheit, durch die effiziente Nutzung von Ressourcen, zu Kooperationsproblemen von Personen und Organisationen, um wirtschaftliche Transaktionen durchzuführen. Der zunehmende Bedarf an Kooperationskompetenz lässt sich auf drei Ebenen feststellen (s. auch Wieland 2000: 119ff.): • Transaktionen im Unternehmen: An die Stelle starrer Koordination und Anweisungsstrukturen treten kooperative Formen der Arbeit, durch die Berücksichtigung persönlicher Konstellationen, Bevorzugung von Teamarbeit gegenüber starren Hierarchien, Einbau von Projektarbeit, um das Kompetenzspektrum von Mitarbeitern zu aktivieren. • Transaktionen mit anderen Unternehmen: Durch Outsourcing, gemeinsame Vertriebswege, ›just in time‹, Netzwerke, Hybride sind Unternehmen miteinander verbunden. Daraus entstehen komplexe Kooperations- und
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Konkurrenzbeziehungen. So geschieht das, wenn Autofirmen gemeinsam einen Motor entwickeln, mit ihren Produkten jedoch in Konkurrenz stehen. Durch Veränderung von Firmenstrukturen, Portfolios etc. können sich Kooperations-/Konkurrenzbeziehungen häufig und auch unerwartet ändern. Transaktionen mit der Umwelt: Das sind vorwiegend Marktbeziehungen. Aber die Interaktionen mit Politik, Medien, Umweltgruppen und anderen zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen gewinnen an Bedeutung und werden auch für den geschäftlichen Erfolg wichtig. Hinzu kommt, dass der Anteil virtueller Produktelemente zunimmt und die Unternehmen dadurch empfindlich gegenüber Stimmungen und Einstellungen werden.
Mit der Wortschöpfung Co-opetition (aus cooperation und competition, vgl. das gleichnamige Buch von Brandenburger und Nalebuff 1996, nach Wieland 2000) wird hervorgehoben, dass im Wirtschaftsleben die Akteure immer häufiger wie Simultanübersetzer zwischen Kooperation und Konkurrenz wechseln müssen. Die überkommene Vorstellung, dass Kooperation und Konkurrenz nicht zusammenpassen und auch in den Beziehungen getrennt sein müssen, pointiert Luhmann: »Die Personen mit denen man konkurriert dürfen nicht identisch sein mit den Personen, mit denen man kooperiert.« (Luhmann 1988: 105) In den genannten Feldern ist jedoch eine wechselseitige Stabilisierung von Konkurrenz und Kooperation zu beobachten. Eine Beobachtung, die auch für Veränderungen in der Ehe zutrifft. So ist durch die Emanzipation der Frauen die Ehe zu einem Wechselspiel aus Koordination, Kooperation und Konkurrenz (z.B. bei den beruflichen Karrieren) geworden. Wenn die Leistungskraft eines Wirtschaftssystems zunehmend abhängig ist von Kooperationsmöglichkeiten (vgl. Wieland 2000: 118), dann müssen die Kooperationsfähigkeiten der Akteure gefördert werden. Dazu gehören die Annerkennung und der produktive Umgang mit Unterschieden. Im Marktgeschehen kommt es auf die Begrenzung von Vielfalt der Interaktion (nicht der Produkte) an. Bei Kooperationen sind die Wahrnehmung und Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensweisen, Biographien, Lebenssituationen bedeutsam. Das ›management of diversity‹ gilt auch für Differenzen zwischen Unternehmen, Gruppen und Kulturen. Der von Birger P. Priddat postulierte ›Capitalismo nuovo‹ (vgl. Priddat 2008: 90f.) hebt die Abgrenzung von Markt und Staat (wozu auch die öffentlich geförderte Kultur gehört) auf, zugunsten einer prozesshaften Ordnung in einer sich auf Unbestimmtheit einlassenden Gesellschaft. An die Stelle fester Bindungen und repetativer Interaktionen tritt Ordnung »als ein Netz der Beziehungen aller Mitspieler« (ebd.: 91). An die Stelle des Mangels an Gebrauchsgegenständen, als Antrieb für die Marktwirtschaft, tritt zunehmend der Mangel an Konsumideen. »Das Neusein wird zum eigentlichen Wert- und Zahlungs-
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argument […]. Als der fortan vorherrschende Konsummodus etabliert sich Unterhaltung – im breitesten und aktiven Sinn: Unterhaltung, über die man sich unterhält.« (Ebd.: 92) Die Kulturindustrie rückt ins Zentrum des Verwertungsgeschehens. Im Kampf um Aufmerksamkeit, Marktanteile und Arbeitsplätze spielen kulturelle Einrichtungen, Produkte und Ideen inzwischen eine zentrale Rolle. Die weichen Standortfaktoren sind zu harten Bedingungen für Wertschöpfung und Wachstum geworden. Damit ändert sich für den Kulturbereich das Verhältnis zwischen Kooperation und Konkurrenz dramatisch. Auf die Kultureinrichtungen wartet der postheroische Manager, wie ihn Dirk Baecker (1994) anknüpfend an Charles Handy (1989) in die deutsche Debatte eingeführt hat. Es ist ein Suchender, der sich auf ergebnisoffene Prozesse einlässt und zwischen zweck-rationalem, ästhetischem, altruistischem und interessengeleitetem Handeln changiert. Es sind die Produzenten von symbolischen Gütern, Identifikationsangeboten, Stimmungen, Kultprodukten, Prestige und Unterhaltung. Die Unterscheidungen verflüssigen sich und der Wert der Produkte und Leistungen wird, ähnlich wie bei Finanzprodukten, immer weniger nach den Maßstäben der Realwirtschaft, wie dem tradierten Werkcharakter der Kunst, bestimmt. Daraus entstehen vielfältige Kooperationsmöglichkeiten und -bedarfe, wie z.B.: • Sponsoring, bei dem die gegenseitige Unabhängigkeit bestehen bleibt; • die Installierung eines kreativ, inspirierenden Milieus, das auch für die wirtschaftliche Wertschöpfung nützlich ist; • die Schaffung von Laboren, Brutstätten, sozialen Nischen, als Fundgrube für Produktideen und innovative Dienstleistungen; • der Einstieg von Kultureinrichtungen in die Waren- und Dienstleistungsproduktion zur Erwirtschaftung von Gewinn. Mit der letzten Stufe treten die Kultureinrichtungen selbst als Unternehmer an, in Kooperation oder auch in Konkurrenz zu kommerziellen Unternehmen. Dabei stellt sich die Frage nach den Wettbewerbsbedingungen. Wenn ein soziokulturelles Zentrum als Veranstalter von Partys und Konzerten auftritt, muss es sich auf das marktübliche Vermarktungs- und Konsumniveau beziehen, um am Markt mithalten zu können. Man kann nicht nur ein bisschen kommerziell sein. Öffentlich geförderte Zentren können durch ihre Grundausstattung auch Marktvorteile erlangen, gegen die sich die kommerziellen Mitbewerber wehren. Aus ihrer Sicht werden die Wettbewerbsbedingungen verzerrt, wenn sich Orchester, Veranstaltungszentren oder Rundfunkanstalten, mit Hilfe einer öffentlichen Grundfinanzierung bzw. durch Gebühren, Marktvorteile verschaffen. Mit der Erweiterung der Aktionsbereiche wird Kulturpolitik funktional auf andere Politikfelder bezogen. In der Lissabonstrategie der EU wird Kultur zu
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einer wesentlichen Produktivkraft. Ziel ist es, die Abgrenzung von Wirtschaft und Kultur zu überwinden, zugunsten der gebündelten Anstrengung für Kreativität und Innovation (Motto der Europäischen Union für 2009). Adrienne Goehler nennt die Veränderungen euphorisch ›Verflüssigung‹ (2006). Ausgehend von Zygmunt Baumanns Bild einer flüssigen Moderne, die nicht zu fixieren ist, plädiert sie ebenfalls dafür, dass die »Künste und Wissenschaften sich selbst aus dem Zoo entließen« (Goehler 2006: 244), um sich mit Wirtschaft und Politik auf den Weg zu einem Kulturstaat zu machen. Dagegen gibt es vehemente Einwände, wie bei Peter Bendixen: »Mit dieser Vorstellung […] geht man an der Einsicht vorbei, dass es sich eben nicht um irgendwie komplementäre, versöhnungsbedürftige Gesellschaftssysteme handelt, sondern um konkurrierende Kräfte, die auf die kulturelle Makrostruktur eines Landes (ihr im weitesten Sinne humanes, zivilisiertes Gesicht) einwirken.« (Bendixen 2008: 44) Innovation und Wachstum kann danach nicht die Fragen nach den Gebrauchswerten, nach dem Warum des Wachstums ersetzen. Wir brauchen also, so Bendixen, weiterhin Räume der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung, -befragung und -vergewisserung. Der Unterschied zwischen Profit- und Nonprofitunternehmen in Bezug auf Kooperationen bleibt relevant. Im Profitunternehmen muss Kooperation mit dem ökonomischen Kalkül in Übereinstimmung zu bringen sein. Anders gesagt, der Erfolg und der Rahmen für Kooperation hat als zentrales Kriterium den ökonomischen Erfolg durch Gewinn. »Die Produktion von Kultur ist die letzte Stufe des Kapitalismus, dessen wesentliche Triebkraft es seit jeher war, immer mehr menschliche Aktivitäten für das Wirtschaftsleben zu vereinnahmen.« (Rifkin 2007: 16) Das ist ein zentrales Argument für ein Festhalten an der ›exception culturelle‹ (französischer Slogan gegen die Freihandelspolitik der WTO). Für Armin Klein ist entscheidend, »wer die Bilder einer zukünftigen Welt entwirft: Der kommerzielle oder der öffentliche Sektor.« (Klein 2007: 48) Aber das werden keine ein für alle Male abgegrenzten Alben sein, vielmehr immer neu ausgehandelte Mischungsverhältnisse. Das kann man sich gut an den Filmproduktionen mit den Verknüpfungen zwischen kommerziellen, ideellen und öffentlich geförderten Komponenten veranschaulichen. Eine Zwischenbilanz: Ein Zurück zu der nicht vergleichbaren Welt der Kunst, die außer Konkurrenz läuft, erscheint kaum möglich. Vielmehr sind permanente Klärungen der eigenen Positionen in Wechselverhältnissen von Konkurrenzen und Kooperationen notwendig. Es ist keine fest gefügte Gegenüberstellung, die Koalitionen und Abgrenzungen müssen sich vielmehr immer wieder neu bewähren, ein notwendiges Spannungsverhältnis produktiver Ambivalenzen. Sie können reichen von strategischen Partnerschaften bis zu ›temporären Komplizenschaften‹ (vgl. Seitz 2008).
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4 K O O P E R AT I O N S K U LT U R E N Die »Kultur des neuen Kapitalismus« (so der Titel eines Buches von Richard Sennet 2005) erfordert ein chronisches in Frage Stellen, Vergleichen und sich in Bezug Setzen, um das Verhältnis zwischen Kooperation und Konkurrenz immer neu zu justieren. Gegen diese Zumutungen gibt es Abwehrmechanismen, sowohl bei den subjektiven Befindlichkeiten wie auch in den bestehenden Kultureinrichtungen. Um nicht in eine abgehobene Kooperationsprogrammatik zu verfallen ist es sinnvoll, sich die Gründe für Kooperationsverweigerungen zu vergegenwärtigen. Unter Hinzuziehung von Ergebnissen der Spieltheorie werden dann Überlegungen zur Überwindung der Kooperationshindernisse diskutiert. Die Dynamik von Kooperationen wird, so die These, im Wesentlichen aus zwei gesellschaftlichen Konstellationen gespeist. Zum einen sind es ökonomische Wachstumsprogramme mit Unterstützung der Kulturvermarktung. Zum anderen ökonomische und soziale Krisen, die konzertierte Identitäts- und Beschäftigungsprogramme benötigen. 4.1
Hindernisse
4.1.1 Besitzstände Ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung des ›exzellenten Kulturbetriebs‹ ist nach Armin Klein (2007) die strukturkonservative Haltung der überkommenen Kultureinrichtungen. Es gibt, so Klein, einen ›Rechtfertigungskonsens‹, der ein in Frage Stellen der Förderstrukturen nicht zulässt und als ›kulturfeindlich‹ (vgl. auch Pagel/Voesgen 2006) abkanzelt. Die oben beschriebene Nicht-Vergleichbarkeit des Kultursystems mit den zweckrationalen Welten wird direkt bezogen auf die bestehenden Kunstinstitutionen. In Deutschland sind neben den Museen die staatlichen und städtischen Orchester sowie die Stadt- und Staatstheater Felsen in der Brandung postmoderner Relativierungen. Die öffentlich finanzierten Theater haben zwar ihr Monopol auf darstellende Kunst schon lange durch die Massenmedien und Freien Theatergruppen verloren, es sind aber immer noch in vielen Städten die, in Bezug auf Förderung und Prestige, herausragenden Kultureinrichtungen. Durch die Förderung der Freien Theater, zusätzlich zu den Stadttheatern, wurden Fragen nach der Legitimität der Theaterförderung neutralisiert. Kooperationen zwischen einem Stadttheater und Freien Trägern sind auf Grund der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten kompliziert und werfen auch Fragen nach den Kostenstrukturen und dem Aufwand des Stadttheaters, im Verhältnis zu den ›schlanken‹ Strukturen der freien Bühnen, auf. Kurzfristig haben die Theater kein Interesse an einer offenen Diskussion über die Zukunft der darstellenden Kunst, bei der auch die Organisationsform
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Stadttheater auf dem Prüfstand stehen würde. Es erscheint daher vernünftig, sich der Diskussion über Alternativen zu entziehen und auf die Bedrohung kultureller Substanz zu bestehen. In Frage Stellen des Bestandes würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Einbußen im Besitzstand führen. Die Angst vor einer Verschlechterung der Einkommen und Arbeitsbedingungen wird verstärkt durch die Beispiele wesentlich schlechter bezahlter Kollegen in ›freien‹ Orchestern und Theatern und durch die große Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. In einer Evaluation der Freien Träger in Potsdam wurde deutlich, dass eine Beurteilung der Leistungen der Freien Theater für die Stadt Potsdam nicht möglich ist, wenn das Stadttheater nicht einbezogen wird (vgl. Pagel/Voesgen 2006). Es erhält etwa 40 Prozent der städtischen Kulturförderung. Damit ist der Bereich darstellende Kunst bereits im Verhältnis zu anderen Genres überproportional gefördert und eine weitere Förderung der vorhanden Freien Theater wäre nicht gerechtfertigt. Ohne Berücksichtigung des Beitrages des Stadttheaters zur städtischen Kultur sind die Bewertung und Förderentscheidungen für die Freien Theater eigentlich nicht möglich. Diese Position wurde in dem Gutachten dargestellt und umgehend sowohl von der Theaterleitung wie auch von der Stadtverwaltung und Politik abgewehrt. Die immer wieder geforderte Strukturdiskussion wird von der Politik weitgehend vermieden. Es wird lange an dem Stadttheater als einer Tradition und Symbol für das Städtische festgehalten und Kooperationsansätze werden nicht eingefordert. Schließungen und Fusionsbeschlüsse werden meistens aus einer ökonomischen Zwangslage begründet, »wenn es nicht mehr anders geht«. Es sind Notlösungen, die nicht das System in Frage stellen, sondern es vielmehr durch Effektivierung versucht zu sichern. Neben ökonomischen und organisatorischen Ursachen für Kooperationen könnten auch künstlerische Gründe Kooperationen erforderlich machen; wenn also die Abgrenzung zu einer künstlerischen Stagnation führen würde, weil Konkurrenz und Austausch eingeschränkt sind. Das deutsche Orchesterund Theatersystem ist jedoch quantitativ so komplex, dass eine qualitativ anspruchsvolle Konkurrenz- und Kooperationspraxis immer noch gewährleistet ist. Ähnlich wie im Fußball haben Spieler und Trainer/Regisseure/Intendanten im Laufe ihres Berufslebens ausreichende Möglichkeiten, innerhalb des Systems Orte und Positionen zu wechseln. Die freien Gruppierungen erfüllen dabei auch die Funktion, Nachschub an Ideen und Personen zu liefern, ohne die Strukturen in Frage zu stellen. 4.1.2 Befindlichkeiten und Schutzgebiete Gestützt wird das beharrende Verhalten auch durch eine Sehnsucht nach Beständigkeit, in einer weitgehend deregulierten Umwelt. Die Rekonstruktion zerstörter Gebäude wie die Schlösser in Berlin und Potsdam oder die Dresd-
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ner Frauenkirche verweisen auf Wünsche nach Feststehendem, selbst wenn man es simulieren muss. Konzerthäuser und Theater gehören wie Kirchen zu einem Bestand an Kultur, der nicht in Frage gestellt werden braucht und soll. Aus den Erfahrungen mit administrativen gesetzten Kooperationen, die sich über historische Abgrenzungen hinwegsetzen, kommen immer wieder Empfindungen zum Tragen, die nicht entlang einer Zweck-Mittel Rationalität zu erklären sind (vgl. Voesgen 1994). Bei den meisten Kreisreformen und Gemeindezusammenlegungen spielen solche Animositäten eine Rolle. Es sind sachlich widerlegbare, dennoch wirksame Empfindungen. Die Ablehnung der Fusion der Länder Brandenburg und Berlin, die Ablehnung des Verfassungsentwurfes der EU durch die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden sind Beispiele für ein Auseinanderklaffen der Sach- und der Beziehungsebene. Föhl und Huber zeigen am Beispiel der gescheiterten Theaterfusion Weimar und Erfurt, dass auch bei Fusionen von Kultureinrichtungen die sachlichen Erwägungen wie effizienter Einsatz von Mitteln, breites, künstlerisches Spektrum und damit größere Auswahl für das Publikum usw. gegenüber Befindlichkeiten wie Prestigedenken, lokale Identität, Erinnerungen und traditionelle Abgrenzungen die Oberhand gewinnen können (vgl. Föhl/Huber 2004: 77f.). Verflüssigungen haben Grenzen. Sie bestehen in einem Bedarf an kontinuierlichen Zusammenhängen und Lebenswelten, in denen das Umfeld stabil ist sowie das Leben in einen Zusammenhang von Herkunft, Gegenwart und Perspektive zu stellen ist. Wie schon die Heimatschutzbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Kompensationen für die Unbestimmtheiten und Heimatlosigkeit der Moderne suchte (vgl. Voesgen 2004), verlangt es auch den »flexiblen Menschen« (Sennet 2005) nach einem »mentalen und sozialen Anker« (Sennet 2005: 145). Das kann man nicht mit vernünftigen Argumenten übergehen, das emotionale Befinden ist vielmehr als wesentliches Element von Transaktionen zu berücksichtigen. 4.1.3 Kooperationsbedingungen »Unter welchen Bedingungen entsteht Kooperation in einer Welt von Egoisten ohne zentralen Herrschaftsstab?« So die Ausgangsfrage in Robert Axelrods Buch über Die Evolution der Kooperation (2005). Ziel ist es, eine Theorie der Kooperation zu entwickeln, »mit deren Hilfe Faktoren aufgedeckt werden können, die für die Entstehung der Kooperation notwendig sind« (Axelrod 2005: 6). Axelrod bezieht sich dabei auf die von dem Mathematiker John von Neumann begründete Spieltheorie. Dabei werden interaktive Strategien von Individuen untersucht, die unterschiedliche Interessen haben. In spielähnlichen Situationen, so die Annahme, kommen die zu untersuchenden Merkmale besonders deutlich und unverfälscht zum Tragen. Aus den Versuchen fasst Robert Axelrod (2005: 97ff.) fünf Bedingungen für den Erfolg kooperativer
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Strategien zusammen. Im Folgenden werden die jeweiligen Bedingungen nach Axelrod zunächst beschrieben (kursiv) und dann in Bezug zu den oben genannten Hindernissen für Kooperation gesetzt: 1. Erweitere den Schatten der Zukunft Bei einmaligen Durchläufen war die Strategie ›nie kooperiere‹ am erfolgreichsten. Erst mit längerer Spieldauer gewinnen kooperative Strategien die Oberhand. Bei einmaligen Handlungen ist das eigennützige Verhalten oft im Vorteil. Es ist daher wichtig, dass das Handlungsumfeld auf Zukunft ausgerichtet ist, also Kooperation nützlich erscheint. Andersherum müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet sein, dass die Vorteile (pay off) einer Defektion laufend verringert werden. Ein Vorgehen in kleinen Schritten unterstützt die nachhaltige Orientierung. Solange Kulturpolitik am Status quo festhält und Strukturdebatten vermeidet, ist das abgegrenzte Verhalten für die etablierten Einrichtungen sinnvoll. Mit Hilfe von Entwicklungsplanung können dagegen kurzfristige Orientierungen überwunden werden und die Vorteile von Kooperationen werden auf Grund langfristiger Ziele plausibel. Im Rahmen solcher Planungen muss dann ›Zukunft in kleinen Schritten‹ implementiert werden, um regressives Verhalten zu vermeiden und überschaubare Übergänge zu schaffen. 2. Ändere die Auszahlung Wesentlich für kooperatives Verhalten sind unterstützende Rahmenbedingungen: finanzielle Anreize bei Kooperationen bzw. Nachteile bei eigennützigem Verhalten. Durch Einladungen, Preise, Stipendien und andere Formen der Anerkennung bzw. Ächtung können Kooperationen angeregt werden. »Es ist nur notwendig, den wechselseitigen Anreiz zur wechselseitigen Kooperation größer zu machen als den kurzfristigen zur Defektion.« (Axelrod 2005: 120) Es ist für die bisher von der Kulturförderung bevorzugten Einrichtungen nicht rational, Kooperationen einzugehen, die ihre privilegierte Stellung in Frage stellen. Nur durch Änderung der Förderkriterien, also kulturpolitische Entscheidungen, sind Neuausrichtungen möglich. Häufig werden Kooperationsprämien in Form von Projektförderung, zeitlich befristeten Förderprogrammen, initiiert. Dabei besteht die Gefahr, dass nur kurzfristige, teilweise pro forma Kooperationen eingegangen werden. So sichert man sich die Mittel, aber verändert nicht die Strukturen und Befindlichkeiten. Sinnvoll sind daher nachhaltige Veränderungen der Auszahlungsregeln. 3. Sich umeinander kümmern Eine altruistische Haltung, sich selbstlos um das Wohlergehen anderer Menschen zu kümmern, kann gefördert werden durch gegenseitige Anerkennung,
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Integration in eine Gemeinschaft und geteilte Werte. Selbstlose und damit offensiv kooperative Haltungen können durch eigennützige Menschen ausgenützt werden, daher müssen die Kosten des Altruismus kontrolliert und auf die Kooperierenden begrenzt werden. Weil wir nicht mehr von einem allgemein anerkannten Kanon kultureller Güter und Aktivitäten ausgehen können, ist die gegenseitige Anerkennung eine wesentliche Voraussetzung für Kooperationen. Die Konkurrenz unterschiedlicher Geltungsansprüche anzuerkennen ist der erste Schritt, um im zweiten darauf aufbauenden Schritt gegenseitige Neugier und Offenheit für Synergien zu entfalten. Beispiele dafür sind die im Kontext der Soziokultur entstandenen, neuen Kulturformen und aktuell die deutsch-türkischen Kulturmixe. So gibt es inzwischen eine breite deutsch-türkische Musikszene. Ferda Ataman (2006) meint im Zusammenhang mit dem deutsch-türkischen Sänger Muhabbet, es gehe um »die Symbiose einer Sehnsucht nach zwei Welten. Sei es, wenn er während einer Konzertpause auf die Bühne kommt und ein Darbuko-Solo trommelt oder sich nach seinen deutschen Liedern mit einer türkischen Kussgeste vom Publikum verabschiedet«. 4. Reziprozität Die Gegenseitigkeit des Verhaltens ist Bedingung für langfristige Kooperationen. Damit dies nicht zu direkten ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹-Aktionen führt, sind die Verinnerlichung des Prinzips und Selbstkontrolle notwendig. Durch ungleiche Ausgangsbedingungen sind so genannte freie Kultureinrichtungen, die vorwiegend auf Projektbasis agieren, gegenüber etatisierten Organisationen nicht konkurrenzfähig. Kampagnen, Wettbewerbe, Ausschreibungen und Kooperationen ›auf Augenhöhe‹ sind so nicht möglich. Hier ist es wichtig, zumindest Ausgleichsmaßnahmen zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Bereitstellung von Mitteln für die Vor- und Nachbereitung von Projekten, wie es der Landschaftsverband Südniedersachen (http://www.landschafts verband.org) praktiziert. 5. Verbesserung der Erinnerungsfähigkeit Um Kooperationen aufrecht zu erhalten ist es notwendig, die Spieler aus vergangenen Interaktionen wieder zu erkennen und sich an die wesentlichen Merkmale dieser Situationen zu erinnern. Regionale Zusammenarbeit wird zunehmend in Form von Projekte gefördert. Es gab und gibt eine Fülle von Programmen der EU, des Bundes und der Länder zur Initiierung regionaler Verbindungen. Die Befristung und die jeweils neuen Ausrichtungen, Bedingungen, personellen Zusammensetzungen erschweren nachhaltige Zusammenhänge. Durch die Trennung von institutioneller Förderung und Projektförderung werden die Möglichkeiten, Zusammenhän-
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ge herzustellen, strukturell erschwert: Projekte müssen nach den Richtlinien für sich stehen und dürfen keine Fortsetzung sein. Regionale Projekte brauchen daher einen Gedächtnisrahmen. Die Zumutungen neuer Wege müssen in verbindliche Zusammenhänge eingebettet sein. 4.2
Wachstum – Krise
4.2.1 Wachstum »Economie et culture – le même combat« postulierte der französische Kulturminister Jack Lang in den 1970er Jahren (vgl. Wagner 2008). Damit leitete er einen Prozess wechselseitiger Nutzungen, Verbindungen und Synergien ein, die aktuell insbesondere im Zusammenhang mit der ›creative class‹ (vgl. Florida 2002) thematisiert werden. »Im Mittelpunkt der neuen Zeit stehen Ideen, Informationen und Innovationen. Eine künstliche Trennung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ist obsolet geworden.« (Gorny/Scheytt 2008: 77) Es geht den Autoren um nicht weniger als eine Symbiose der unterschiedlichen Orte der Kreativität, von der Werbeagentur bis zum städtischen Theater, »zu umfassenden Keimzellen kreativer Arbeit und kreativer Ökonomie« (ebd.: 76). Dem Vereinigten Königreich als Vorreiter folgend müssen die bisher im Schutzgebiet öffentlicher Kulturförderung und autonomer Kunst verborgenen Ressourcen für die Wertschöpfungsketten der ›Creative Industries‹ gehoben werden. »Wir brauchen die Fortentwicklung und die Verknüpfung der Kreativwirtschaft mit den vorhandenen Strukturen der etablierten Kultur.« (Ebd.: 76) Nur wenn Städten und Regionen diese Verknüpfung gelingt, können sie im globalen Wettbewerb bestehen. Der von Robertson (1998) geprägte Begriff ›Glokalisation‹ benennt eine Verschiebung von der nationalen Ebene hin zu einem direkten Wechselspiel zwischen globaler Erweiterung und lokalen Bedeutungen. Städte und Regionen konkurrieren um Arbeitsplätze, Touristen, junge, kreative Menschen oder auch um zahlungskräftige Pensionäre. Neben den handfesten materiellen Bedingungen, wie Infrastruktur und reizvolle Umgebung, sind es vor allem auch vielfältige Kulturangebote und Atmosphäre, wie eine spezifische historischaktuelle Spannung (z.B. Berlin nach dem Mauerfall), die für die Attraktivität einer Stadt/Region bestimmend sind. Die bereits 1993 von Walter Siebel beschriebene Festivalisierung der Stadtkultur ist inzwischen zu einer konstanten Aufgabe geworden, den jeweiligen sozial-räumlichen Zusammenhang zu positionieren. Gefördert wird diese Entwicklung durch von der EU initiierte innereuropäische Wettbewerbe wie den jährlich zu vergebenden Titel ›europäische Kulturhauptstadt‹. Um sich dafür erfolgreich bewerben zu können, müssen die Städte Kooperationsfähigkeit zwischen den Akteuren nachweisen (s. Beitrag von Scheytt/Grandmontagne in
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diesem Band). Im Wettbewerb gegen andere Städte muss interne Konkurrenz zugunsten eines gemeinsamen Auftritts zurückgestellt werden. Zu dieser Verschiebung des Konkurrenz-Kooperationsverhältnisses gehören auch die Anerkennung der Leistungen anderer Einrichtungen, die Beteiligung an einer WirPerformance und der Einsatz für eine gemeinsame Sache. Bei Regionen geht es oft im Vorfeld zunächst darum, den sozial-räumlichen Zusammenhang abzugrenzen und sich auf eine gemeinsame Region zu verständigen. Dabei sind vielfach traditionelle Abgrenzungen und Befindlichkeiten zu überwinden oder zumindest zu neutralisieren. Gerade in Regionen und Städten, die strukturelle Probleme (z.B. Bevölkerungsrückgang, Einbrüche in der industriellen Produktion) haben, genügt es nicht, die Angebote der Träger aufzulisten und ansprechend darzustellen, vielmehr sind Ansätze für eine gemeinsame Zukunft gefragt. Projekte sind dabei eine besonders effektive Form (so Fürst in diesem Band), um regionale Zusammenhänge zu fördern. Die Beteiligten lassen sich punktuell auf Zusammenarbeit ein, um bestimmte Ziele gemeinsam zu erreichen. Dabei sind die Konkurrenzen nicht ausgeschaltet, vielmehr konkurrieren die lokalen Akteure um Mittel, Programmpunkte, Wahrnehmungen in unterschiedlichen Koalitionen. Auch die Städte und Regionen müssen gegeneinander eine Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz halten. Es geht darum, Menschen zu gewinnen, auf die Stadt/Regionen aufmerksam zu werden, sie zu besuchen, dort zu produzieren. Diese Ziele sind nur mit einer weltoffenen Haltung möglich, also muss die Konkurrenz spielerisch, mit ›eingewobenen Kooperationen‹, sein. Schließlich sind die örtlichen Akteure in vielschichtigen Beziehungen eingebunden. Für einen Theaterleiter bleibt, neben dem Engagement für seine Stadt, die Beziehung zu Theatern in anderen Orten mindestens ebenso wichtig. Die Loyalitäten können sich auch schnell ändern: Eine Stadt, deren Unique Selling Proposition man gerade noch mit formuliert hat, wird durch einen Arbeitsplatzwechsel zur konkurrierenden Einheit. Linz, eine der beiden Kulturhauptstädte 2009, holte sich den Schweizer Kulturinszenator Martin Heller als künstlerischen Leiter. Er setzt die Stadt für ein Jahr in Szene und bietet sie dem europäischen Publikum an. Dann kommt die nächste Stadt dran. »Man erregt sich in den Grenzen der Spielzeit« (Bolz 2004: 70), geht zum nächsten Ereignis über, mit neuen Partnern und Wettbewerbern. Es ist ein andauerndes Spiel der Verbindungen und Abgrenzungen. Der Ernst des Spiels liegt nicht, wie bei Schiller, in der Sinnsuche, sondern eher profan in der Schaffung von Arbeitsplätzen, Einkommen und Lebenslust. Die Kooperationsökonomie greift immer mehr in den Kulturbereich über, braucht ihn als Wachstumsquelle. »Mit Methoden des Marketing wird der kulturelle Gemeinbesitz nach Bedeutungen durchsucht, die Wertschöpfung versprechen und darum durch die Künste in warenförmige, käufliche Erfahrungen verwandelt werden kann.« (Rifkin 2007: 230)
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4.2.2 Krise In der Stadtsoziologie werden mit dem Begriff soziale Nischen Viertel bezeichnet, die auf Grund von Leerstand, schlechter Bausubstanz und sozialer Abwertung günstige Wohn- und Arbeitsbedingungen für Menschen mit wenig Geld aber guten Ideen bieten. Aus diesen Krisenvierteln können dann ungewöhnliche Konstellationen an Personen, Umnutzungen und Inhalten entstehen. Im Verlauf von Veredelungsstufen (›Gentrifikation‹) sind daraus in vielen Städten, wie z.B. dem Bezirk Prenzlauer Berg in Berlin, wiederum Wachstumszusammenhänge entstanden. Viele Regionen, insbesondere in Ostdeutschland, sind in der Krise: sinkende Wirtschaftskraft, Abwanderung und Leerstand Die verbleibenden Kräfte zusammenzubringen, vorhandene und vielfach versteckte Potentiale zu Tage zu fördern und schließlich die Region neu zu denken, sich von den überkommenen Mustern zu lösen, das sind die Aufgaben kooperativer Kulturarbeit. Ein herausragendes Beispiel für diesen Ansatz ist die IBA Emscher Park, eine ›Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete‹. Die Kohle- und Stahlindustrie wurde zu einer Restgröße, für die Zukunft der Region mussten neue Konzepte, Träger und Akteure gefunden werden. Unter Umgehung der überkommenen Verwaltungsstrukturen und der Konkurrenz der Städte wurde eine temporäre Struktur mit einem interdisziplinären Team geschaffen. Ziel war es, mit exemplarischen Projekten zukunftweisende Impulse zu geben für den ökologischen, ökonomischen und sozialen Umbau der Region: die Generierung von Inhalten auf Grundlage der zentralen Entwicklungsthemen, die Gewinnung von Menschen für neue Inhalte, wie die Umwandlung einer Zeche in ein Kulturzentrum. Aber auch dieses Ringen um neue Zusammenhänge für das Ruhrgebiet war verbunden mit Wettbewerben um die kreativsten, ungewöhnlichsten und nachhaltigsten Ideen. Also Wettbewerbe über Inhalte, mit denen versucht wurde, quer zu dem Status quo der Interessenkompromisse wegweisende Entwürfe zu platzieren. Nach dem Vorbild Emscher Park wurde 2000 die IBA Fürst Pückler Land eingerichtet. Wiederum eine Krise, die Zerstörungen der Landschaft durch den Braunkohleabbau, dann der Rückgang der Kohleförderung, die Deindustrialisierung und die Abwanderung. In Leitprojekten werden Lösungen gesucht für die Umgestaltung der Region. Die technische Renaturierung soll verbunden werden mit ökonomischen Ansätzen und den Lebensvorstellungen der Bevölkerung. Ein gelungenes Beispiel ist die vor der Verschrottung gerettete Förderbrücke ›F 60‹, die im Laufe eines längeren Kommunikationsprozesses mit dem IBA-Team von ehemaligen Bergleuten angeeignet wurde. Dieses Objekt wird jetzt als Tourismus- und Eventziel betrieben (vgl. Kuhn 2003). In abschließenden Kulturprojekten unter dem Namen ›Paradies 2‹ wird versucht, Möglichkeitsräume in und mit den realisierten Impulsen, für die Zukunft der
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Niederlausitz, zu eröffnen. Wiederum der Versuch, Menschen zu Themen zusammenzubringen, sie mit ihren Ängsten, Wünschen, Träumen, Erinnerungen und verborgenen Fähigkeiten zu einem Gemeinsamen zu verbinden. Als Ziel formuliert der künstlerische Leiter Jürg Montalta (2009: 9): »Bewusst werden, dass jegliche Unternehmung mit einer Idee im Kopf beginnt, bevor sie in die Tat umgesetzt werden kann«. Der Mangel an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Regionen, an potenten Akteuren im internen Machtgebaren und ein schwaches Marktgeschehen geben den inhaltlichen, von Konkurrenz wenig berührten Projekten, ein weites Feld an Möglichkeiten. Ein Paradies für Versuche, am Wesentlichen zu arbeiten. Montalta schrieb als Resümee eines anderen Projektes mit Bewohnern eines abgebaggerten Dorfes in der Niederlausitz: »Es ist für mich der Beweis, dass Ideen die Welt bewegen! Geld ist zwar auch sehr wichtig, aber am Anfang muss eine überzeugende Idee stehen, die der Motor für alles weitere ist. Und nur Gemeinschaft bewegt wirklich etwas Bewegendes.« (Montalta 2005: 62) In diesen Projekten kommunizieren die Menschen in der Region über ihr Leben, ihre ›wirklichen Beziehungen‹. Dabei sind sie mehr als nur ›der Abdruck ihres Geschäfts‹ und kommen somit Schillers Vision vom Beginn des Textes nahe. Allerdings, es fehlt in der Niederlausitz auch das Geschäft, die Konkurrenz der Möglichkeiten, und dadurch droht die Landschaft im Wettbewerb der Regionen, trotz der bewegenden Zusammenhänge, den Anschluss zu verlieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Ruhrgebiet. Die erfolgreiche Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt zeigt, dass die von der IBA bearbeiteten Brachen und Nischen erfolgreich in der Konkurrenz der Regionen mitmischen können, während es der Niederlausitz an einer produktiven Spannung zwischen Kooperation und Konkurrenz mangelt.
5 SCHLUSSBEMERKUNG Eine Modemesse wird ›Bread & Butter‹ benannt und sie hat alle Ingredienzien regionaler Kooperations- und Konkurrenzbeziehungen. Um die Messe konkurrieren Barcelona und Berlin. Nach Berlin kehrt die Messe nun zurück, unter anderem wegen eines attraktiven Standorts, den ehemaligen Flughafen Tempelhof. Um diesen symbolhaltigen Ort hatte sich aber auch das Studio Babelsberg für Filmproduktionen beworben. Es ist die Städtekonkurrenz um prestigeträchtige und ökonomisch relevante Ereignisse der Kulturindustrie. In diesem Fall bleiben dabei die Abstimmungen über Kooperationen zwischen den regionalen Akteuren der Kulturindustrie, für eine optimale Nutzung eines historischen Standorts, auf der Strecke. ›Bread & Butter‹ ist auch ein ironisches Spiel mit Luxus und Notwendigkeit. Eine Modemesse ist Inbegriff des nutzlosen Schönen und der fernen Not.
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Gleichzeitig ist der Titel aber auch ein Verweis auf das harte Geschäft und die Mühen und Risiken der Angestellten, ihre Brötchen zu verdienen. Der ›neue Kapitalismus‹ verwandelt den Selbstzweck einer absoluten Bewegung des Werdens, die Anmutungen der selbst bestimmten Assoziationen, in Notwendigkeiten des Wachstums als Selbstzweck. In die gerade gewonnene Freiheit des verschwenderischen Umgangs mit Möglichkeiten wird das Korsett der konstruierten Knappheiten geschnürt: Die Kultureinrichtungen verfügen über begrenzte Mittel, Zeit und müssen um Aufmerksamkeit kämpfen. Es ist die Welt der oben dargestellten Tauschgeschäfte, in der Kooperationen immer mit Interessenlagen und Konkurrenzbeziehungen abgewogen werden müssen.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
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£ Ausgewählte Ha nd l u ng s b e re i c h e
und theoretisc h e Exku rs e
➔
K O O P E R AT I V E K U LT U R P L A N U N G . I N T E R KO M M U N A L E U N D R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N B E I K U LT U R E L L E N P L A N U N G E N Iken Neisener
1 EINLEITUNG Zurzeit lässt sich beobachten, dass Kooperationen immer mehr an Bedeutung gewinnen, und dies in allen Bereichen und auf allen Ebenen (vgl. den einleitenden Beitrag von Föhl in diesem Band). Auch der Kulturbereich befasst sich zunehmend mit dieser Thematik, was sicherlich nicht allein auf einen allgemeinen politischen Trend zurückzuführen ist, sondern Ausdruck für ein stärkeres Bewusstsein komplexer werdender Herausforderungen, die neuer Lösungsansätze bedürfen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass Probleme nicht mehr auf lokaler Ebene allein gelöst werden können, sondern kommunalpolitische Steuerung in vielen Handlungsfeldern wesentlich stärker auf regionaler Ebene abzustimmen ist. Angesichts dieser Situation gewinnen kooperative Aspekte auch bei kulturellen Planungen immer mehr an Bedeutung. Eine kulturelle Planung erweist sich dabei in zweifacher Hinsicht als nützliches Steuerungsinstrument: Erstens kann die Planung bzw. der Planungsprozess selbst ein kooperatives Element sein und Gestaltungsspielräume für mehrere Akteure eröffnen, d.h., die Planung kann bspw. in interkommunaler oder regionaler Zusammenarbeit erarbeitet werden. Zweitens können Kooperationen selbst Gegenstand einer Planung sein: Mit einer umfassenden Bestandsaufnahme und Analyse werden mögliche Kooperationspotenziale sichtbar gemacht, auf deren Grundlage dann entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden können, wie z.B. die Initiierung und Aktivierung weitergehender Kooperationen oder die Schaffung von Anreizsystemen für neue Kooperationsformen und Netzwerke. Seit Beginn der 1970er Jahre werden in Deutschland kulturelle Planungen erstellt, hauptsächlich auf kommunaler Ebene. Sinkende Ressourcen, die Zunahme funktionaler Verflechtungen wie z.B. bei Stadt-Umland-Verflechtungen in Ballungsräumen, aber auch kleinräumige disparate Entwicklungen legen es nahe, die kommunalpolitische Perspektive räumlich auszuweiten und in regionalen Planungszusammenhängen zu denken. Mit Blick auf diese Entwicklungen kommt die Region als Handlungsebene auch im Kulturbereich spätestens seit den 1990er Jahren stärker zur Geltung (vgl. exempl. Röbke/Wagner 1997). Damit werden auch auf die Region bezogene kulturelle Planungsansätze bedeutsamer. Dazu sind interkommunale und regionale Kooperationsformen gefragt sowie – im Sinne des aktuell diskutierten Leitbildes einer ›aktivierenden
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Kulturpolitik‹ – mehr Beteiligungsmöglichkeiten für unterschiedliche Akteure. Aktuelle Planungen unterstreichen die Relevanz der Thematik, wie z.B. der Kulturbericht des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. Staatskanzlei NRW 2009), der explizit zwei Kapitel zu den Themen ›interkommunale Kulturkooperation‹ und ›Regionale Kulturpolitik‹ ausweist, das Freiburger Kulturkonzept, welches auf eine Beteiligungskultur bei der Erarbeitung der Konzeption setzte (vgl. Kulturamt der Stadt Freiburg 2009) oder die Kulturkonzeption für den Regionalen Wachstumskern Perleberg-Wittenberge-Karstädt in Brandenburg, die gemeinsam in Auftrag gegeben und im Herbst 2009 fertig gestellt wurde (vgl. Neisener/Föhl 2009). Auch Tagungen zu dieser Thematik unterstreichen den Bedeutungsgewinn kooperativer Planungsansätze. So fand bspw. am 6. Februar 2009 eine Tagung zum Thema »Kooperative Kulturplanung«1 in Potsdam statt, die von etwa 120 Teilnehmern besucht wurde (vgl. Föhl/Neisener 2009). Der nachfolgende Beitrag befasst sich daher zum einen mit kooperativer Kulturplanung, die in regionaler oder interkommunaler Kooperation2 erarbeitet wird. Andererseits wird im Beitrag auch auf kooperative Elemente im Planungsprozess eingegangen, die im Sinne des Governance-Ansatzes auf eine breite Beteiligung und das Zusammenwirken staatlicher und nicht-staatlicher Akteure setzen. Insgesamt weist der Beitrag einen hohen Bezug zu kooperativen Planungsprozessen im Land Brandenburg auf, was auf die verstärkte Forschungstätigkeit und durchgeführte Projekte der Autorin3 in diesem Bundesland zurückzuführen ist.
1
Eine Veranstaltung der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ des Studiengangs Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam in Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und Kulturland Brandenburg e.V.
2
Bei interkommunalen und regionalen Kooperationen arbeiten vor allem lokale Gebietskörperschaften zusammen. Bei der interkommunalen Kooperation werden ausschließlich räumlich gebundene Akteure verknüpft wie z.B. bei Städtenetzen. Bei der regionalen Kooperation werden auch funktional-gebundene Akteure einbezogen, wie z.B. Regionalverbände. Vgl. dazu Fürst/Knieling 2005.
3
Vgl. zu den Forschungsaktivitäten http://www.regional-governance-kultur.de, Homepage der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ und den Beitrag von Föhl am Ende dieses Bandes.
Iken Neisener ➔ Kooperative Kulturplanung
2 K O O P E R AT I V E K U LT U R P L A N U N G 2.1
AUF REGIONALER
EBENE
Begrif fe
Im Allgemeinen wird mit Planung ein Prozess verbunden, mit dessen Hilfe Zukunftsprobleme erkannt und gelöst werden können. In der BrockhausEnzyklopädie heißt es: »Planung ist der Versuch, die Zufälligkeit der Welt, die Vielfalt möglicher Alternativen und die Zukunftsunsicherheit, auch das Nichtwissen über mögliche Nebenfolgen bzw. Rückkoppelungseffekte von Handlungen so zu reduzieren, dass Risiken minimiert werden und eine möglichst zieladäquate Handlungsauswahl erreicht wird.« (Brockhaus 2006: 544) Dementsprechend ist Planung ein Instrument gesellschaftlicher Problembearbeitung und Steuerung. Fürst/Ritter definieren den Begriff wie folgt: »Unter Planung versteht man ein systematisches Vorgehen zur Entwicklung von Handlungszielen und -abfolgen über einen längeren Zeitraum. Mit Planung wird allgemein wissenschaftliche Rationalität, Zukunftsorientierung, Steuerung und Koordination verbunden.« (Fürst/Ritter 2005: 765) Darüber hinaus erweitert Planung politische Handlungsspielräume, sowohl einmal über die Verbesserung der Informationsgrundlagen als auch über »die Vermehrung der Optionen für künftige Handlungen und Konfliktregelungen« (ebd.: 766). Obwohl es keinen einheitlichen Planungsbegriff gibt, lassen sich einer Planung unabhängig vom Planungsgegenstand folgende Kernfunktionen zuschreiben, die zu erweiterten Optionsmöglichkeiten beitragen (vgl. ebd.: 766f.): • Frühwarnfunktion: Probleme werden frühzeitig erkannt, definiert und ein möglicher Problemlösungsraum vorstrukturiert. • Orientierungsfunktion: Die Zeitachse des Handelns wird in die Zukunft verlängert. • Koordinationsfunktion: Durch die Berücksichtigung sachlicher Interdependenzen und deren interessenabhängiger Bewertung werden Ziel- und Maßnahmenkonflikte frühzeitig ausgeräumt. • Moderationsfunktion: Durch Moderation kann versucht werden, einer Verhärtung von Verteilungs- und Interessenkonflikten entgegen zu wirken und diese durch gemeinwohlorientierte, kooperative Lernprozesse aufzulösen. Wenn man sich mit dem Thema ›kulturelle Planung‹ auseinandersetzt, ist häufig die Rede von der Unvereinbarkeit von Kultur und Planung (vgl. Morr 1999). Jedoch sind sich die kulturellen Akteure und Planungsträger weitgehend einig, dass Kultur selbst nicht geplant oder ›verplant‹ werden kann und sich Kultur und Planung aber nicht ausschließen. »Der Aufbau, die Förderung
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und der Unterhalt dieser kulturellen Infrastruktur ist durchaus planbar und muß auch geplant werden, damit sich die kulturelle Vielfalt der Landkreise und Kommunen möglichst breit entfalten kann.« (Wagner 1996: 72, zitiert nach Morr 1999: 124) Kultur selbst ist demzufolge nicht planbar, jedoch die Rahmenbedingungen für Kultur. Zu den geläufigsten Formen kultureller Planungen zählen kulturpolitische Leitlinien, die Kulturrahmenplanung, die Kulturentwicklungsplanung und das Kulturkonzept (vgl. ausführlich zur Differenzierung kultureller Planungstypen Morr 1999: 123-166). Im Folgenden soll näher auf die Kulturentwicklungsplanung als eine der umfassendsten Planungstypen eingegangen werden. Obwohl es keine allgemeingültige Definition von Kulturentwicklungsplanung gibt, lassen sich grundsätzliche Kernbestandteile (vgl. Morr 1999: 159, Richter 1992: 3, Wagner 1997) herausarbeiten: • eine umfassende und differenzierte Bestandsaufnahme der kulturellen Angebote und Zielgruppen, • eine ausführliche Analyse der Bestandsaufnahme, • die kulturpolitischen Ziele oder Leitlinien einer Stadt, eines Kreises oder eines Landes sowie eine Prioritätensetzung der Ziele, • Maßnahmen, wie diese Ziele erreicht werden sollen, sowie • ggf. eine Auflistung der Personal-, Sach- und Investitionskosten und • ein Zeitplan für die Finanzierung und Umsetzung der Maßnahmen. Die Ansätze kultureller Planungen haben sich mit den kulturpolitischen Strategien ihrer Zeit immer wieder verändert (vgl. dazu nächstes Kapitel). Waren Kulturentwicklungspläne in den 1970er Jahren hauptsächlich operativ und mittelfristig auf die Umsetzung der so genannten ›Neuen Kulturpolitik‹ ausgerichtet, sind heutige Planungen und Planungsprozesse vielmehr als Element des strategischen Kulturmanagements zu verstehen. So ist neben den oben genannten Punkten auch »der Entwurf einer Zukunft des Kulturlebens, wie sie sich vor dem Hintergrund sich wandelnder (politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher) Umweltbedingungen und einer veränderten Nachfrage der Bevölkerung abzeichnet (erforderlich)« (Heinrichs/Klein 2001: 184). Statt kurzfristigem Denken soll mit dem Konzept einer ›strategischen‹ Planung vor allem die lange Sicht ins Bewusstsein gerückt werden (vgl. Bea/Haas 2001). Ziel ist es, »langfristig wirkende Potenziale für ein künftiges Kulturangebot in einer Stadt oder einer Region zu entdecken, zu beschreiben und Entwicklungs- und Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen« (Klein 2003: 207). Die Kommune stellt in Deutschland den bevorzugten Handlungsrahmen für Kulturpolitik und -arbeit dar. Kulturentwicklungsplanungen und Kulturkonzepte werden daher in erster Linie im kommunalen Bezugsrahmen entworfen. Der Kulturbereich ist dabei einer der wenigen Bereiche (kommunales Selbstver-
Iken Neisener ➔ Kooperative Kulturplanung
waltungsrecht), in dem die Kommunen über einen großen Spielraum verfügen, was die Auslegung der kulturellen Aufgaben betrifft. Die Ziele einer Planung, der Planungsraum, die Planungsbeteiligten, die kulturellen Angebote und Akteure sowie die Ressourcen sind relativ klar umrissen. Kulturelle Planungen werden aber ebenso auf kreiskommunaler Ebene erarbeitet, die Landkreise sollen insbesondere überörtliche Aufgaben wahrnehmen bzw. dann tätig werden, wenn einzelne Gemeinden entsprechende Angebote nicht vorhalten können.4 Darüber hinaus werden kulturelle Planungen in kommunalen Regionalverbänden (wie z.B. dem Landschaftsverband Rheinland) oder im Rahmen von landesweiten Kulturentwicklungskonzeptionen erarbeitet. Diese sind entweder rechtlich institutionalisiert (wie bspw. das Sächsische Kulturraumgesetz) oder entstehen auf freiwilliger Basis (Brandenburg und Nordrhein-Westfalen). Bevor im Folgenden auf ›Kooperative Kulturplanung‹ eingegangen wird, soll der Begriff der Kooperation kurz erläutert werden. Kooperationen sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass es eine Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Partnern gibt, die rechtlich selbstständig sind. Die Partner weisen dieselben oder miteinander kompatible Ziele auf. Die Entstehung der Kooperation erfolgt auf freiwilliger Basis.5 Dass dieser ›klassische‹ Kooperationsbegriff von Fall zu Fall zusätzlich modifiziert bzw. konkretisiert werden muss, zeigt das Beispiel des ›Sächsischen Kulturraumgesetzes‹. Die Ausgestaltung der Kulturpflege in Sachsen ist eine kommunale Pflichtaufgabe (§ 2 SächsKRG). Hierbei handelt es sich vor allem um ein Konzept der Umlandfinanzierung (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 95). Ziel ist es, die kulturelle Substanz zu erhalten und die Partizipation von Akteuren aus Land, Regionen und Kommunen zu ermöglichen. D.h., die Kooperation der beteiligten Akteure ist nicht vollkommen freiwillig: »Der Gesetzgeber bestimmte nicht nur die Gemeinden und Landkreise als wichtigste Adressaten des Kulturraumgesetzes, sondern auch, dass die ›Kulturpflege‹ nunmehr in den Rang einer Pflichtaufgabe der genannten Gebietskörperschaften erhoben wird. Darüber hinaus wird geregelt, dass die ländlichen Kulturräume ›die Träger kommunaler Kultur bei ihren Aufgaben von regionaler Bedeutung, insbesondere bei der Finanzierung und Koordinierung‹ unterstützen sowie, dass die Zweckverbände ihre ›Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung‹ verwalten. Diese – auf den ersten Blick nicht besonders betonenswert erscheinenden – Festlegungen sind aus
4
Vgl. ausführlich zur Kulturarbeit als Aufgabe unterschiedlicher administrativer Ebenen Morr 1999: 74-81.
5
Vgl. ausführlich zum Kooperationsbegriff den einleitenden Beitrag von Föhl in diesem Band.
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drei Gründen außerordentlich wichtig als Fundament für das Kulturraummodell. Dadurch werden: 1. die Gemeinden und Landkreise zu maßgeblichen Subjekten bestimmt, die letztlich die Verantwortung für die Kultur auf ihrem Gebiet tragen und zur Kulturpflege verpflichtet sind. 2. wird festgelegt, dass das Aufgabenspektrum der Kultur-Zweckverbände mit der »Koordinierung« weit über die reine Finanzierung von Kultur hinaus geht und 3. erhält die administrative und inhaltliche Autonomie der Kulturräume eine Grundlage.« (Winterfeld 2006: 29f.) 2.2
Kooperative Kulturplanung – ein Widerspruch?
Da eine Planung sich zunächst auf staatliche Aktivitäten bezieht, stellt sich die Frage, ob denn eine ›Kooperative Kulturplanung‹ nicht ein Widerspruch in sich ist, da einerseits die Koordination auf staatliches bzw. kommunales Handeln gerichtet ist, andererseits der Rahmen für das Handeln privater und frei-gemeinnütziger Akteure gesetzt wird (vgl. Selle 2000a: 87). Zwar kann die Planung im Sinne des Governance-Ansatzes6 (vgl. dazu ausführlich Benz 2004) in einem breiten Diskurs mit staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren erarbeitet werden, die Planungshoheit liegt aber eindeutig auf der staatlichen Akteursseite. »Sie [die Planung] sorgt für Transparenz bei kulturpolitischen Entscheidungen und stärkt somit die Steuerungs- und Kontrollfunktion der Legislative.« (Deutscher Bundestag 2007: 93) Eine ›Kooperative Kulturplanung‹, die den Begriff der Kooperation als Handlungsform und Instrument versteht, würde sich damit im engeren Sinne hauptsächlich auf die Kooperation staatlicher Akteure beziehen, auch wenn sie andere Akteure mit einbindet.7 Eine ›Kooperative Kulturplanung‹ im weite6
Für diesen Beitrag wird folgende Definition von Governance herangezogen: »Neben die Formen staatlicher Regulierung (›government‹) treten Aushandlungsprozesse mit vielfältigen gesellschaftlichen Akteursgruppen; diese bilden, gemeinsam mit den staatlichen bzw. kommunalen Vertretern, eigenständige Handlungseinheiten (Arrangements). Die Aushandlungsprozesse bedürfen der geeigneten Strukturierung und ergebnisorientierten Lenkung (›guidance‹). Es sind die daraus entstehenden Handlungs- und Steuerungsmodi, die mit dem Konzept ›governance‹ bezeichnet werden.« (Keim 2003: 89)
7
Im Handwörterbuch der Raumordnung wird der Begriff der Kooperation von Informationen und Beteiligung wie folgt abgegrenzt: »Kooperation kann als Instrument und als Handlungsform betrachtet werden: Die Frage nach der Handlungsform grenzt Kooperation von Information und Beteiligung ab und rückt Prozesse der Koopera-
Iken Neisener ➔ Kooperative Kulturplanung
ren Sinne schließt aber Beteiligungsformen und diskursive Prozesse bei Planungen mit ein, da die Durchsetzungskraft einer Planung letztendlich wesentlich von der Akzeptanz und der Partizipation nicht-staatlicher Akteure bzw. Betroffener abhängt. In der Praxis sind im Zusammenhang mit Kulturentwicklungsplanungen unterschiedlich organisierte und intensive Kooperationsformen vorzufinden (vgl. dazu ausführlicher Kapitel 2.5). Dazu gehören – wie zuvor genannt – die Ansätze auf Landesebene (Brandenburg: Planung im Verbund) und das Konzept der regionalen Kulturpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen, welches einen regionenbezogenen und dezentralen Ansatz verfolgt. Die kulturpolitischen Ziele werden überwiegend in den Regionen formuliert und Förderempfehlungen an das Land ausgesprochen (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 94, Staatskanzlei NRW 2009). Weitere Formen kooperativer kultureller Planungen auf regionaler Ebene8 können so genannte Teilentwicklungsplanungen sein, die sich auf eine Sparte oder auch auf Zielgruppen beziehen, wie z.B. Museumsentwicklungskonzeptionen, Konzeptionen für Jugendkultur-, Seniorenkulturarbeit oder interkulturelle Arbeit. Darüber hinaus können auch interkommunal erarbeitete Konzepte entstehen, wenn gemeinsame Anstrengungen auf einem bestimmten Gebiet unternommen werden sollen, z.B. beim Kulturtourismus. Unabhängig davon kann ein Planungsprozess kooperative Elemente enthalten, die jedoch nicht durchgängig vorhanden sein müssen, sondern durchaus auch nur in einzelnen Phasen auftreten (vgl. Selle 2000a). 2.3
Von der ›Kultur für alle‹ zur ›Kultur für alle und von allen‹
Der kooperative Aspekt als Gegenstand kultureller Planungen ist nicht neu. Im Zuge der Kulturpolitik der 1970er Jahre ist Kulturentwicklungsplanung eines der vier ›K‹ in der Politikkonzeption neben Koordination, Kooperation und Konzertierung (vgl. hier und im Folgenden ausführlich Morr 1999, Wagner 2008b). Kulturentwicklungsplanung stellte damals die übergreifende Klammer dar, die »Kooperationen stiften, Koordination der Aktivitäten ermöglichen und – vor allem – den Zielfindungsprozess demokratisch organisieren soll« (Sievers/Wagner 1992: 17, zit.n. Wagner 2008a: 166). Mit dieser
tion sowie Muster der Organisationsentwicklung in den Vordergrund.« (Fürst/Knieling 2005: 531) 8
Vgl. zum Begriff der Region, zu verschiedenen Regionstypen und insbesondere zur ›Regionalisierung‹ als Antwort auf die Globalisierung vertiefend den einleitenden Beitrag von Föhl.
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Herangehensweise sollten vor allem die Reformen der Neuen Kulturpolitik auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Anfang bis Mitte der 1980er Jahre wurden deutlich weniger kulturelle Planungen erstellt, was auf eine allgemeine Planungsmüdigkeit, aber auch auf eine kritische Haltung gegenüber Planungen zurückzuführen ist. Ende der 1980er Jahre und Anfang der 1990er Jahre, die als Beginn einer zweiten Phase kultureller Planungen bezeichnet werden kann, traten oftmals Bedarfs- und Bedürfnisdiskussionen hinter einer eher funktionalistischen und ökonomischen Betrachtung zurück. Kultur wurde vor allem als Standort-, Wirtschafts- und Imagefaktor bedeutsamer. Für diese Zeit ist wieder ein erneutes Interesse an Kulturentwicklungsplanungen zu verzeichnen. In dieser Phase hatten Kulturentwicklungsplanungen eher den Charakter von ›Kulturstrukturierungsplänen‹ (vgl. Eichler 1988), vor allem auf Effektivität und Rationalisierung ausgerichtet waren. Durch die Krise der öffentlichen Haushalte und durch die Verwaltungsreform dieser Zeit wurde die Notwendigkeit kulturpolitischer Ziel- und Leitbilddiskussionen stärker ins Bewusstsein gerückt. »Ohne definierte und diskutierte kulturpolitische Ziele lassen sich weder die Wirtschaftlichkeit erhöhen noch die Strukturen effektivieren und vereinfachen.« (Wagner 2008b: 116) Ansätze aus der ersten Phase kultureller Planungen wurden wieder aufgegriffen und hinsichtlich veränderter Zielsetzungen und neuer Aufgabenstellungen sowie im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung überprüft, modifiziert und umgesetzt. In dieser Zeit nahmen auch Planungen in Kreisen und Städten der ländlichen Räume zu. Für Morr zeichnete sich Ende der 1990er Jahre eine neue Phase kultureller Planungen ab, die besonders gekoppelt ist an die Erfordernisse der Informationsgesellschaft, des Kulturmanagements und der Umstrukturierung der Kulturverwaltungen. Kommunikative und kooperative Aspekte würden bedeutsamer werden und sollten stärker als bisher in Planungsvorhaben berücksichtigt werden (vgl. Morr 1999: 131). Diese neue Phase ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass öffentliche Kulturangebote immer häufiger hinter privaten Angeboten zurücktreten. Als Reaktion auf einen immer vielfältigeren Kulturbereich würden einerseits ganzheitliche Ansätze zunehmend an Bedeutung gewinnen, andererseits auch die Untersuchung kleinerer Detailbereiche, ebenso wie Betrachtungen im Rahmen von Stadtverbünden, überörtlichen Zweckverbänden, Kreisen, Bezirken und der Länderebene. Vor dem Hintergrund des sich derzeit vollziehenden gesellschaftlichen Wandels, der sich vor allem mit den Schlagworten Ökonomisierung, Globalisierung, Medialisierung, Individualisierung und Pluralisierung umreißen lässt (vgl. exempl. Scheytt 2008: 54) und der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte, werden neue Diskussionen um eine zeitgemäße Kulturpolitik geführt.
Iken Neisener ➔ Kooperative Kulturplanung
Dabei soll mit dem Leitbild einer so genannten ›Aktivierenden Kulturpolitik‹ bzw. einer ›Kooperativen Kulturpolitik‹ der Staat nicht mehr als einziger Akteur und Anbieter kultureller Leistungen gesehen werden, sondern als ein Akteur unter anderen. In einem solchen Verständnis gehen Staat, Markt und Gesellschaft eine Verantwortungspartnerschaft ein und sind damit gemeinsam an der Sicherung und Weiterentwicklung einer vielfältigen Kulturlandschaft beteiligt. Damit würde sich ein Wandel des kulturpolitischen Leitbildes von einer ›Kultur für alle‹ zu einer ›Kultur von allen und für alle‹ vollziehen. Für Wagner zeichnet sich damit ein Perspektivwechsel von einer »etatistischen zu einer eher pluralistischen Kulturpolitik« (Wagner 2008b: 110) ab. Kooperationen sind demzufolge wesentliche Voraussetzungen zur Umsetzung dieses Leitbildes. Aus einer solchen Gesamtbetrachtung oben genannter drei Sektoren und deren Zusammenspiel bei der Gestaltung von Kultur kommt der kommunalen Kulturpolitik und -verwaltung die Rolle einer ›intermediären Instanz‹ zu, die »[…] Kooperationen stiftet, vermittelt und koordinierend tätig wird und nicht vor allem bestrebt ist, als Anbieter kultureller Leistungen aufzutreten. Gleichwohl reduzieren sich ihre Aufgaben nicht auf eine moderierende Rolle, sondern sie haben weiterhin gestaltende Funktion, aber unter stärkerer Einbeziehung der anderen Akteursgruppen.« (Wagner 2008b: 110f.) Daran knüpft sich die Frage, ob und wie die aktuell diskutierten Leitbilder Eingang in neuere kulturelle Planungen finden. Im Hinblick auf die gegenwärtigen kulturpolitischen Diskussionen definiert Wagner u.a. folgende Leitfragen, die für kulturelle Planungsprozesse Orientierung gebend sein können (vgl. ebd. 117): • Entlang welcher inhaltlichen Vorstellungen findet gegenwärtige Kulturpolitik statt bzw. sollte sie stattfinden? • Wie finden die veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit und die gewandelten kulturellen Interessen der Menschen darin Eingang? • Worin besteht der ›öffentliche Auftrag‹ der Kulturförderung? • Was gehört zur kulturellen Grundversorgung, die unberührt bleiben soll? • Welche neuen Verbindungen und Kooperationen zwischen öffentlichen, privaten und freien Trägern sind möglich und sollten angestrebt werden? Angesichts aktueller Diskussionen um kulturpolitische Strategien, aber auch im Rahmen einer regionalen Strukturpolitik tritt der kooperative Aspekt in zweifacher Hinsicht verstärkt in den Mittelpunkt neuerer Planungsansätze. Einerseits bei einer gemeinsamen Erarbeitung oder Abstimmung von Planungen (z.B. in interkommunaler oder regionaler Kooperation), andererseits einer verstärkten Beteiligung am Prozess. Im Folgenden werden zunächst einige Motive für eine kooperative Kulturplanung beschrieben und anschließend auf Möglichkeiten von kooperativen Planungsprozessen eingegangen.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
2.4
Motive für eine Kooperation bei Planungsprozessen auf regionaler Ebene
Die Motive für eine kulturelle Planung in interkommunaler Zusammenarbeit oder für regionale Entwicklungskonzepte sind vielfältig. Einerseits können infrastrukturelle Aufgaben immer weniger auf kommunaler Ebene im Alleingang bewältigt werden und bedürfen einer interkommunalen Arbeitsteilung bzw. interkommunal abgestimmter Lösungen. Andererseits spielen qualitative Aspekte eine große Rolle, die sich auf einen ›regionalen Kulturbereich‹ beziehen, »in der Wohnen und Freizeit, Leben und Arbeit, Bildung und Kultur zusammengedacht werden, bewegen sich doch die Menschen meist nicht nur in einer einzelnen Kommune, sondern in Ballungsräumen und Regionen« (Scheytt 2008: 126). Die Entscheidung für eine kooperative kulturelle Planung kann u.a. durch folgende Herausforderungen ausgelöst werden: • Kultur als Standort- und Tourismusfaktor: Kultur ist zunehmend ein Faktor regionaler Strukturpolitik. Beim Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen spielen ›harte‹ und ›weiche‹ Standortfaktoren einer Region eine große Rolle, da es mit kommunalen Handlungsmöglichkeiten zunehmend schwieriger wird, den erforderlichen Standard hinsichtlich der Infrastrukturen und weichen Standortfaktoren zu gewährleisten. Verknüpft mit diesen ökonomischen Zielsetzungen steht häufig auch die Herausbildung eines bestimmten regionalen Profils bzw. eines kulturellen Images (vgl. Klein 1993). Darüber hinaus werden kooperative und ressortübergreifende Planungsansätze auch durch die regionale Förderpolitik und -programme der Europäischen Union befördert. • Kultur als Identitätsstifter: Kultur ist nicht nur ein wichtiger Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung von Städten und Regionen, sondern Kultur wirkt auch identitätsstiftend, durch gemeinsame Traditionen, historische Wurzeln und Lebenszusammenhänge sowie durch das vorhandene kulturelle Erbe in einer Stadt oder Region. • Zunehmende funktionale Verflechtungen (vgl. vertiefend zur Stadt-Umland-Problematik: Priebs 2005) führen dazu, dass sich regionale Planungszusammenhänge neu ergeben, wie z.B. im Ruhrgebiet, in der Region Rhein-Neckar oder in der Länderübergreifung Berlin-Brandenburg. Aus dieser Entwicklung resultiert einerseits die Notwendigkeit, Aufgabenbereiche gemeinsam zu bearbeiten, wie z.B. die Siedlungs-, Infrastruktur- und Verkehrsentwicklung. Andererseits ergibt sich durch die Stadt-UmlandWanderungen auch eine Polarisierung der Sozialstruktur (z.B. einkommensstarke Familien ziehen mit ihren Kindern in das Umland), was eine Anpassung an veränderte Bedürfnisse erforderlich macht.
Iken Neisener ➔ Kooperative Kulturplanung
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2.5
Bevölkerungsentwicklung: Wo die Bevölkerung schrumpft, wird das gegenwärtige Niveau der Infrastruktur entweder nur in interkommunaler Kooperation zu halten sein und/oder sinnvoll an die Bevölkerungsstruktur und -bedarfe angepasst werden müssen (vgl. Neisener 2009). In diesem Zusammenhang gewinnen ebenso bürgerschaftliches Engagement, Selbstorganisation sowie Mitwirkung und Mitentscheidung von Bürgern an Bedeutung und damit auch die Beteiligung an Planungs- und Entscheidungsprozessen (vgl. Sarcinelli/Stopper 2006). Ein wesentlicher Grund für interkommunale Kooperationen ist in der angespannten Haushaltslage der Kommunen zu sehen. Im Rahmen einer Zusammenarbeit können u.a. gemeinsame Gutachten in Auftrag gegeben werden, Ressourcen gebündelt oder Maßnahmen zur Sicherung der Infrastruktur ergriffen werden (vgl. dazu Föhl 2009). Gesellschaftliche Veränderungsprozesse wie z.B. Individualisierung, Pluralisierung der Lebensstile und Lebensformen, multilokales Wohnen (vgl. exempl. BBSR 2009), Polarisierung oder neue soziale Milieus, machen differenzierte und an veränderte Lebenswelten orientierte Planungen erforderlich (vgl. dazu im folgenden Kapitel ›zielgruppenbezogene Planungen‹). Möglichkeiten der Kooperation bei kulturellen Planungen
Wie eingangs angeführt, sollen einige Möglichkeiten kooperativer Planungen dargestellt werden, auch wenn eine genaue Abgrenzung nicht immer trennscharf möglich ist. Es wird im Folgenden näher eingegangen auf eine 1. koordinierte Kulturentwicklungsplanung, 2. auf sparten- und zielgruppenbezogene Planungen (als fachspezifische bzw. Teilentwicklungsplanungen), 3. auf kulturraum- und regionenbezogene Planungen und letztendlich auf 4. kooperative Elemente im Prozess. Der Begriff der Kooperation findet hier im weitesten Sinne Anwendung und schließt damit Beteiligungsformen im Sinne eines Governance-Ansatzes bei kulturellen Planungsansätzen mit ein. 2.5.1 Koordinierte Kulturentwicklungsplanung Als Modell einer koordinierten Kulturentwicklungsplanung ist das ›Großprojekt Kulturentwicklungsplanung im Land Brandenburg‹ (vgl. Heinrich 1998: 48) zu sehen, das 1997 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg initiiert wurde. Dieses Modell hatte den Ansatz, unter Maßgabe subsidiärer Grundsätze, durch eine zeitgleiche Analyse der
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kulturellen Infrastruktur, der kommunalen und verbandlichen Arbeitsschwerpunkte und Entwicklungsziele, neue kulturpolitische Prioritäten zu setzen. Ein weiteres wichtiges Ziel war es, neue Ansätze für regionale und ressortübergreifende Kooperationen zu entwickeln. Ein wesentlicher Schwerpunkt lag auf der Schnittstelle zwischen Kultur und Tourismus (vgl. ebd.). Diese strategische Kooperation von Land, Kommunen und freien Trägern erlangte insbesondere im Zusammenhang mit den geführten Schrumpfungsdebatten (vgl. dazu vertiefend Workshopreihe/Regionalgespräche des IRS, Mahnken 2003b) und den gesellschaftlichen Veränderungen insbesondere in den neuen Bundesländern (vgl. Strittmatter 2002) neue Bedeutung. »Für die Kommunen heißt das konkret: Sie müssen ihre kulturellen Infrastrukturen im Bereich der so genannten freiwilligen Aufgaben stärker als bisher ›gemeinsam planen und betreiben‹ (Ruben), damit die anstehenden Rück- und Umbauprozesse gelingen können.« (Mahnken 2003a) »Insgesamt zeigt diese Entwicklung, dass Regionen, Städte und Kommunen verstärkt kooperieren und neue kreative Synergien entwickeln müssen (etwa multifunktionale Einrichtungen, Kulturnetze, Kultur auf Rädern, Einbindung von E-Government).« (Ebd.) Mit diesem Prozess sollen keineswegs nur Abbauprozesse gesteuert werden. Ziele sind u.a. Stabilisierung und Entwicklung von Kultur, Erhöhung der Planungssicherheit für die Träger von Kultureinrichtungen und Transparenz bei der Vergabe der Fördermittel durch eine verbindliche Kulturförderrichtlinie (vgl. dazu ausführlich hier und im Folgenden Deutscher Bundestag 2007: 93). Kulturpolitische Prioritäten werden im Diskurs zwischen Land, Kommunen und freien Trägern bestimmt und finden Eingang in die so genannte ›Kulturentwicklungskonzeption‹. Abstimmungen und Beratungen zu kulturellen Förderschwerpunkten und landesweiten kulturpolitischen Themen finden im Rahmen institutionalisierter Foren statt. Im Zuge dieser koordinierten Planung wurde eine klare Aufgabenteilung zwischen Land und Kommunen ermöglicht: »Die Kommunen konzentrieren sich auf die Stärkung ihres kulturpolitischen Profils durch Synergien bei der Bündelung vorhandener Kultureinrichtungen und durch Kooperation mit anderen Kommunen.« (Ebd.: 94) Solche Prozesse werden durch das Land Brandenburg befördert. Die Kulturkonzeption für den Regionalen Wachstumskern Perleberg-Wittenberge-Karstädt ist hierfür beispielhaft anzuführen (vgl. Neisener/Föhl 2009). Anhand dieses Modellprojektes lässt sich deutlich machen, welche unterschiedlichen Begriffe von ›Region‹ im Kontext kultureller Planungen Anwendung finden und welche ›Überlappungen‹ von Region stattfinden. Zunächst einmal handelt es sich bei dem Regionalen Wachstumskern9 um einen ›Wirtschaftsraum‹, bei dem sich drei Kommunen zusammengeschlossen haben, die 9
Unter dem Motto »Stärken stärken« wurden im Land Brandenburg 15 so genannte
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aufgrund ihrer geografischen Nähe, einer gemeinsamen Mindesteinwohnerzahl und gemeinsamer wirtschaftlicher Potenziale eine ›Motorenfunktion‹ für ihre Region erfüllen und in ihr Umland ausstrahlen sollen. Die Landesregierung verfolgt damit das Ziel, Förderprogramme zukünftig räumlich stärker zu konzentrieren. Ein Schlüsselprojekt dieses RWK ist die – oben erwähnte – gemeinsame Kulturkonzeption, die zum Ziel hat, Kooperationspotenziale im Kultur- und kulturtouristischen Bereich sichtbar zu machen, Vernetzung zu befördern und gemeinsam mit den Akteuren (kommunalen, privatwirtschaftlichen und frei-gemeinnützigen) interkommunale Lösungen insbesondere hinsichtlich der enormen Schrumpfungsprozesse zu erarbeiten. Schwierigkeiten sind in der Projektphase vor allem dadurch aufgetreten, dass der Wirtschaftsraum nicht deckungsgleich mit einer gemeinsamen Identität ist, die sich entweder auf die lokale Ebene bezog oder auf die Region der Prignitz10 als Kulturlandschaft. Darüber hinaus wurden Planungsvorhaben auf der Landkreisebene mit in den Blick genommen, als auch Maßnahmen des kreisübergreifenden Städtenetzes Prignitz.11 Dies erhöhte einerseits die Komplexität der Betrachtung, andererseits konnte aber bspw. eine Kooperation mit dem Landkreis Prignitz eingegangen werden, in dem eine gemeinsame schriftliche Bürgerbefragung durchgeführt wurde. Mit Hilfe dieser konnten u.a. Schlüsse gezogen werden, welche Kulturangebote von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Umland in Kommunen des Regionalen Wachstumskerns wahrgenommen werden (Umlandfunktion). 2.5.2 Kulturraum- und regionenbezogene Planungen Zu den Kulturraum- und regionenbezogenen Planungsansätzen sollen hier vor allem – wie eingangs angeführt – die beiden Landeskonzepte (das Konzept der regionalen Kulturpolitik in Nordrhein-Westfalen und das Sächsische Kulturraumgesetz) gezählt werden. Die Räume bzw. Regionen wurden dabei unterschiedlich definiert. In Nordrhein-Westfalen wurden insgesamt zehn Regionen gebildet, die nicht den Verwaltungseinheiten entsprechen und sich an den historisch gewachsenen und unterschiedlich ausgeprägten Landschaften des Landes orientieren. Diese Kulturregionen haben ihre eigenen Beiräte, die Regionale Wachstumskerne (RWK) ausgewiesen (vgl. Staatskanzlei Brandenburg o.J.). 10 Diese Erkenntnisse lieferten vor allem die rund 50 durchgeführten Experteninterviews mit Kulturschaffenden, Politikern, Touristikern etc. 11 Im Städtenetz der Prignitz haben sich sieben Städte auf freiwilliger Basis zusammengeschlossen, mit dem Ziel des Erfahrungsaustausches, gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in der Region, gemeinsamen Vertretung regionaler Interessen und Akquisition von Fördermitteln.
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Förderempfehlungen an das Land aussprechen. Kulturpolitische Ziele werden vor allem in den Regionen formuliert und projektbezogen umgesetzt (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 94). Bei dem Sächsischen Kulturraumgesetz wurden ländliche Regionen und kreisfreie Städte zu Kulturräumen zusammengefasst. Diese sind in Form von Zweckverbänden organisiert. Das Sächsische Kulturraummodell ist vor allem ein Konzept der Umlandfinanzierung. Aktuelle Diskussionen um eine gerechte Finanzierung des großen Kulturangebots im Ballungsraum Rhein-Main zeigen allerdings auch die Relevanz eines solchen Modells in anderen Bundesländern.12 Insgesamt haben sich auf regionaler Ebene in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Zusammenschlüsse und Netzwerke gebildet, die als ›Mittlerinstanz‹ zwischen Land, Kommunen und regionalen Akteuren fungieren. Im Kontext kultureller Planungen sind diese mit unterschiedlichen Ressourcen und kulturpolitischen Kompetenzen ausgestattet. Als weitere Zusammenschlüsse sind hier Städtenetze in ländlichen Regionen und in Ballungsregionen zu nennen. Allerdings sind hier kaum Beispiele für gemeinsame Planungsansätze bekannt.13 Die Zusammenarbeit bezieht sich meist auf gemeinsame regionale Kulturprojekte (vgl. z.B. die Kulturregion Stuttgart) oder auf gemeinsame Leitbilder wie die der Metropolregionen, die aber einer gemeinsamen Planung vorausgehen können (vgl. den Beitrag Diller in diesem Band sowie Kramer 2006). Da zu dieser Thematik bereits umfangreiche Ausführungen vorliegen, soll hier nicht weiter vertiefend darauf eingegangen werden, sondern auf einige wesentliche Literatur verwiesen werden (vgl. dazu Schneider 2006, Scheytt 2008: 125-128, Winterfeld 2006, Groß/Röbke 1998, Deutscher Bundestag 2007: 93-95, 104f.) 2.5.3 Sparten- und zielgruppenbezogene Planungen Bei diesen Formen handelt es sich um Planungen, bei denen sich der Untersuchungsbereich auf eine Sparte (u.a. Museumsentwicklungskonzeption, Bibliotheksentwicklungsplan) oder auf eine bzw. mehrere spezifische Gruppen (u.a. Jugendliche, Senioren, Migranten) beschränkt. Beide Ansätze zeichnen 12 Vgl. Wegener o.J. 13 Aktuell bekannt ist die Erarbeitung eines Kulturkonzeptes für sieben Gemeinden rund um den Wissberg (Gau-Bickelheim, Gau-Weinheim, Sprendlingen, St. Johann, Vendersheim, Wolfsheim und Wallertheim). Ungewöhnlich und bemerkenswert ist, dass das Kulturkonzept von einer Kulturinitiative/Interessengemeinschaft entwickelt wird. Unklar ist, welche Bindungswirkung sie dadurch entfalten kann. Ziel ist es, die Alleinstellungsmerkmale der Region und vor allem die endogenen Potenziale herauszuarbeiten (vgl. Haas 2009).
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sich durch die Zielgerichtetheit auf eine besondere Thematik bzw. Problematik aus. Der Planungsraum kann über die lokale Ebene hinaus entweder ebenfalls eine administrative Einheit wie ein Landkreis, ein Regierungsbezirk, ein Bundesland sein, der Zusammenschluss mehrerer Kommunen sein oder eine Region bzw. einen Kulturraum umfassen. Die Planungen entstehen häufig auf Initiative einer Fachverwaltung, eines Fach- oder Regionalverbandes, verschiedener Interessengruppen oder aus einem Prozess einer Kulturentwicklungsplanung, weil ein besonderer Analysebedarf deutlich geworden ist. Sparten- oder zielgruppenbezogene Planungen ermöglichen es, den Blick über die lokale Ebene für einen Detailbereich zu weiten und in übergeordneten Zusammenhängen gemeinsam nach Lösungen zu suchen, Potenziale auszubauen oder Vermarktungsstrategien zu erarbeiten. Als aktuelles Beispiel für eine spartenbezogene Planung ist hier die Museumsentwicklungskonzeption des Landes Brandenburg (MEK) zu nennen, die sich u.a. an landesplanerischen Vorstellungen orientiert, wie der ›Metropolregion Berlin – Brandenburg‹ (vgl. GL 2009) oder der ›Kulturlandschaft Brandenburg‹ (vgl. MIR 2007) und damit eine Grundlage für regionale Kooperationen liefert. So heißt es in der Konzeption: »Die Konzeption bietet einen Rahmen für Museumsentwicklungskonzeptionen für einzelne Museen, für Museumssparten und für regionale Museumslandschaften. Darüber hinaus bietet sie die Grundlage für Entscheidungen über Museumsentwicklung und -förderung der Träger von Museen, insbesondere von Land, Kreisen und Gemeinden.« (Köstering 2009: 10) Einen sehr umfassenden, kooperativen und regionenorientierten Ansatz verfolgt die Museumsentwicklungskonzeption für den Kreis Euskirchen (vgl. Föhl/Neisener 2008). Diese wurde vom Rheinischen Archiv- und Museumsamtes des Landschaftsverbandes Rheinland und dem Kreis Euskirchen in Auftrag gegeben. Zwar bezog sich das hauptsächliche Untersuchungsfeld auf den Kreis Euskirchen, innerhalb der Konzeption wurden aber auch übergeordnete und regionale Zusammenhänge hergestellt, die im Rahmen der Konzeption sinnvoll erschienen. So wurden u.a. regionale Unterschiede innerhalb des Kreises berücksichtigt, wie z.B. zwischen ›Eifelkommunen‹ und ›Bördekommunen‹ sowie der Bezug zur Eifelregion, die Nähe zum Raum Köln/Bonn und der Rheinschiene. Darüber hinaus wurden in die Betrachtung touristische Projekte, Initiativen (z.B. Zukunftsinitiative Eifel, Initiative ›Eifel barrierefrei‹), Netzwerke (z.B. Netzwerk Naturzentren) und länderübergreifende Kooperationsprojekte (EuRegionale 2008 sowie kulturtouristische Routen und Fahrradrouten) mit einbezogen. Neben einer ausführlichen Bestandsaufnahme der Euskirchener Museen (öffentlich-getragene, privatwirtschaftlich geführte und frei-gemeinnützig-getragene) wurde eine Übersicht von Kulturakteuren und -einrichtungen des Kreises Euskirchen in die Bestandsaufnahme mit aufgenommen, um
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potenzielle Kooperationspartner für Museen sichtbar zu machen. Darüber hinaus wurde eine Übersicht zur Museumslandschaft in den angrenzenden Gebieten erstellt. Ein wesentliches Ziel dieser Konzeption bestand darin, die Vernetzungspotenziale innerhalb der Euskirchener Museumslandschaft sichtbar zu machen und den Austausch zu befördern. Diesen Aspekten wurde mit Workshops, Expertenbefragungen, Besichtigung aller Einrichtungen und einer fundierten und detaillierten Bestandsaufnahme sowie übergreifenden als auch für die einzelnen Museen konkreten Handlungsempfehlungen Rechnung getragen. Eine wichtige Rolle in der Museumsentwicklungskonzeption für den Kreis Euskirchen spielte der Verein EIFELMuseen, der zudem als Beispiel für einen Regionen orientierten Zusammenschluss herangezogen werden kann. Auch wenn hier wie im o.g. Sinne keine Planung vorliegt, so kann die gemeinsame Leitbild- und Zielentwicklung aus dem Jahre 2007 als kooperativer Planungsansatz gewertet werden, aus dem gemeinsame Maßnahmen abgeleitet werden (vgl. Knauf/Reger 2007). Im Verein EIFELMuseen e.V. sind mittlerweile rund 80 Museen der Region Eifel/Mosel zusammengeschlossen. Er hat sich »die nachhaltige, grenzüberschreitende Sicherung, Förderung und Weiterentwicklung der Museen in der Eifel zur Aufgabe gemacht. Zu seinen Tätigkeitsfeldern zählen daher unter anderem die Unterstützung der Museen bei der Wahrnehmung der Grundsätze der Museumsarbeit (Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln), die Weiterentwicklung und Stärkung der gesellschaftlichen, politischen und touristischen Position der Museen, die Vernetzung der Museen in der Eifel und die Durchführung gemeinsamer Projekte sowie gemeinsamer Marketingmaßnahmen.« (http://www.eifelmuseen.de) Auf der Grundlage solch einer fachspezifischen Planung kann Transparenz erzeugt, der Austausch und die Vernetzung befördert, ein kooperativer Lernprozess in Gang gesetzt und Kooperationspotenziale sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus können thematische Schwerpunkte gesetzt und eine Verständigung auf gemeinsame Ziele anvisiert (z.B. Qualität verbessern, regionale Identität stärken, touristische Potenziale ausbauen), Ressourcen gebündelt (z.B. gemeinsame Datenbank, Vermarktungsstrategien) und die Koordination und Abstimmung insgesamt verbessert werden. Im Zusammenhang mit neuen Formen gesellschaftlicher Ungleichheit, die sich mit Begriffen wie Individualisierung, Pluralisierung der Lebensstile und Lebensformen, multilokales Wohnen (vgl. exemplarisch BBSR 2009) oder neue soziale Milieus umschreiben lassen, als auch den demografischen Entwicklungen, die zu erheblichen Disparitäten zwischen den Regionen führen (wachsende und schrumpfende Regionen liegen räumlich oft nah beieinander), werden auch Planungen und Planungsräume anderer Ressorts
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für kulturelle Planungen bedeutsam, wie z.B. die Sozialräume,14 die in der Jugendhilfeplanung erarbeitet werden. So wurde bspw. der Kulturentwicklungsplan des Landkreises Potsdam-Mittelmark auf der Grundlage der Sozialräume fortgeschrieben, um das kulturelle Angebot im Landkreis besser auf die sich verändernde Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur auszurichten (vgl. Patzer 2007). An diesem Beispiel wird deutlich, dass damit auch die ressortübergreifende Zusammenarbeit bei Planungen immer wichtiger wird. Schwierigkeiten treten allerdings dann auf, wenn der Zuschnitt der Planungsräume für einzelne Fachplanungen unterschiedlich ist, was Vergleiche erschwert.15 2.5.4 Kooperative Elemente im Prozess Neben allen genannten kooperativen Planungsansätzen sind hier abschließend noch die kooperativen Elemente innerhalb eines Prozesses mit anzuführen. Beteiligungsmöglichkeiten für nicht-staatliche Akteure an kulturellen Planungsprozessen werden im Sinne des Governance-Aspektes zunehmend wichtiger, insbesondere wenn es darum geht, ›Verantwortungspartnerschaften‹ zu begründen. Kooperative Elemente können sich durch den gesamten Planungsprozess ziehen, aber auch nur in einzelnen Phasen des Prozesses auftreten (z.B. bei der Leitbildentwicklung, der Formulierung kulturpolitischer Ziele und Erarbeitung von Handlungsfeldern, oder bei der Planung konkreter oder sogar kooperativer Maßnahmen z.B. einer Public-Private-Partnership, regionale Kulturdatenbank etc.). Der über dreijährige Prozess der Kulturentwicklungsplanung in Freiburg (vgl. Kulturamt der Stadt Freiburg 2009) zeigt, welche wichtigen Funktionen solch eine Planung erfüllt, wenn sie bspw. auf eine breite (Bürger-)Beteiligung setzt. »Deshalb wurde internen wie öffentlichen Diskursen über die Bedeutung der Kultur für die Identität und das Profil der Stadt sowie für die Identifikation der in ihr lebenden Menschen viel Raum im Prozess eingeräumt.« (Ebd.: 10) Zudem sollte mit dem Prozess das verlorene Vertrauen der Künstler und 14 »Mit Sozialraum werden […] der gesellschaftliche Raum und der menschliche Handlungsraum bezeichnet, das heißt, der von den handelnden Akteuren (Subjekten) konstituierte Raum und nicht nur der verdinglichte Ort (Objekte).« (Kessl/Reutlinger 2007: 23) Die Sozialraumorientierung als ämterübergreifender und raumorientierter Ansatz wird insbesondere in der Jugendhilfe angewendet. 15 Um daraus resultierende Nachteile aufzulösen, wurde bspw. in Berlin das Projekt ›Vereinheitlichung von Planungsräumen‹ durchgeführt, mit dem Ziel, raumbezogene, ämterübergreifende Planungen zu ermöglichen und die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Berichten und Berichtssystemen herzustellen (vgl. dazu ausführlich Bömermann et al. 2006).
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Kulturschaffenden wieder aufgebaut werden. Die sehr intensive, kontinuierliche und direkte Form der Bürgerbeteiligung zeigte sich gewinnbringend für alle Beteiligten und führte zudem dazu, dass sich daraus sogar mehrere Netzwerke und Kooperationsrunden bildeten. Die Beteiligungsformen können sehr unterschiedlich sein, wie z.B. ›Runde Tische‹, ›Zukunftswerkstätten‹, ›Mediation‹ (vgl. zu Beteiligungsformen der Öffentlichkeit bei kulturellen Planungen Morr 1999: 189-191). Auf die Region übertragen, gestalten sich solche Beteiligungsprozesse allerdings durchaus schwieriger und komplexer. Hier können viele Erfahrungen aus dem Regionalmanagement bzw. der Raumplanung hilfreich sein (vgl. exemplarisch Knieling et al. 2003, Bischoff et al. 1995, Selle 2000b).
3 ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN Wie der vorliegende Beitrag darlegt, wird es bei kulturellen Planungen zunehmend wichtiger, in übergeordneten Zusammenhängen zu denken und Planungen im Kontext regionaler Zusammenhänge bzw. mit Blick auf die Region durchzuführen. Dabei scheinen kulturelle Planungen, die gemeinsam auf regionaler Ebene oder in interkommunaler Kooperation erarbeitet oder abgestimmt werden, ein viel versprechender Handlungsansatz zur Bearbeitung von Problemen zu sein. Allerdings wird deutlich, dass durch die Zunahme der Komplexität und Interdependenz der Umweltbedingungen einerseits die Planung langfristiger sowie übergeordneter Strategien wichtig ist. Andererseits werden Planungen relevant, die sich mittelfristig mit konkreten Problemlösungsprozessen auf regionaler Ebene auseinandersetzen, um flexibel und zeitnah auf Veränderungen reagieren und Anpassungen vornehmen zu können. Darüber hinaus wurde aufgezeigt, dass Planung vor allem dann Akzeptanz erfährt und durchsetzbar ist, wenn sie auf eine breite Beteiligung bzw. im Sinne des (Regional) Governance-Ansatzes in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs mit staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (der Region) setzt. Aus Beteiligungsprozessen können wiederum weitere Netzwerke und Kooperationen entstehen. Dies legt die Frage nahe, inwiefern solche Planungsprozesse noch steuerbar und handhabbar sind, angesichts größerer Planungsräume (die Region, der Kulturraum), der Vielfalt und Interessen der Akteure und neuer Akteurskonstellationen. In diesem Zusammenhang werden einerseits der Know-how-Transfer und kooperative Lernprozesse bei Planungen bedeutsam, andererseits treten auch verstärkt informelle Planungen als weiche Planungsformen in den Vordergrund. Kooperationen können darüber hinaus selbst auch Gegenstand kultureller Planungen sein, indem Kooperationspotenziale durch eine Bestandsaufnahme und -analyse sichtbar gemacht werden. Dabei ist es wichtig, eine Gesamt-
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sicht auf den Kulturbereich zu ermöglichen und das Zusammenspiel aller drei Sektoren verstärkt in den Blick zu nehmen. Neben den öffentlichen Kulturträgern und -angeboten sind daher auch die Angebote des privatwirtschaftlichen und frei-gemeinnützigen Sektors sowie Netzwerke einer Stadt bzw. einer Region stärker in die Betrachtung und bei der Erarbeitung einer solchen Planung einzubeziehen.
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P U B L I K U M S F O R S C H U N G U N D B Ü RG E R B E F R AG U N G E N I M R A H M E N R E G I O N A L E R K O O P E R AT I O N S P R O Z E S S E Patrick Glogner
1 EINLEITUNG Kooperationsprozesse auf regionaler Ebene sind komplexe Managementprozesse, bei denen es eine Vielzahl an Aufgaben zu bearbeiten und Problemfelder zu beachten gilt. Hierzu zählen neben dem zentralen Aspekt der Zielfindung und -festlegung unter anderem die Berücksichtigung der infrastrukturellen Voraussetzungen, der rechtlichen Rahmenbedingungen, der Finanzierungsfragen, der Personalplanung sowie die Einbindung von und die Kommunikation mit den jeweils mitwirkenden Akteursgruppen. Zu diesen Akteursgruppen gehören neben den eigentlichen Partnern der geplanten Kooperation – d.h. den konkret zusammenarbeitenden Kulturinstitutionen sowie ihren Leitern, Mitarbeitern und ehrenamtlich Tätigen – beispielsweise die politischen Amtsträger und die Verwaltungsmitarbeiter der jeweiligen Kommunen und Regionen, finanziell beteiligte Gruppierungen wie Sponsoren und Spender sowie ideelle Unterstützer der Institutionen wie Freundeskreise, Trägervereine etc. Neben diesen Akteursgruppen, deren ›aktive‹ Mitwirkung an der Planung und Umsetzung eines Kooperationsvorhabens in der Regel selbstverständlich ist, gibt es aber auch Akteursgruppen, die im Rahmen der Kooperationsvorbereitung und -umsetzung nur selten eine ernstzunehmende Einbindung erfahren und die von den Verantwortlichen kaum als zentrale Risiko- bzw. Erfolgsfaktoren wahrgenommen werden: das Publikum der kooperierenden Kultureinrichtungen sowie die Bürgerinnen und Bürger der Städte und Gemeinden, in denen diese Kultureinrichtungen ansässig sind. Dabei kann die unzureichende Berücksichtigung des Publikums- und Bürgerwillens vielfältige Auswirkungen haben, die von mangelnder Nachfrage bis hin zur offenen Feindseligkeit und zum Boykott des Angebotes reichen. Als berühmtestes Beispiel der letzten Jahre kann die geplante Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Nationaltheater Weimar und dem Theater Erfurt angeführt werden, wo man eine Fusion als die intensivste Kooperationsform anstrebte. Letztlich wurden die Planungen durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Weimar zu Fall gebracht. Zu wenig berücksichtigt wurden im Vorfeld das Prestigedenken der Weimarer Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Angst vor dem Verlust der kulturellen Identität, die durch ›ihr‹ Theater verkörpert wird (vgl. Föhl/Huber 2004: 77ff., Spahn 2003). Hier zeigte sich besonders drastisch, wie sensibel Bürgerinnen und Bürger auf Veränderungen reagieren können. Im Folgenden wird zunächst skizziert, inwiefern sich die Rolle des Publi-
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kums und der Bürgerinnen und Bürger bei kulturpolitischen Entscheidungen verändert hat und warum Kenntnisse über die Zusammensetzung sowie die Meinungen und Einstellungen dieser Akteurskreise im Rahmen von Kooperationsvorhaben an Bedeutung gewinnen. Daraufhin werden Möglichkeiten der Einbindung von Publikumsforschung und Bürgerbefragungen in den verschiedenen Phasen des Kooperationsprozesses aufgezeigt und erläutert.
2 DIE UND UND ZUR
ROLLEN VON PUBLIKUM B Ü R G E R N B E I K U LT U R P O L I T I S C H E N E N T S C H E I D U N G E N M A SSNAHMEN: VON DER A NGEBOTSNACHFR AGEORIENTIERUNG
VER ÄNDERTEN
Obgleich derzeit ein zunehmendes (wissenschaftliches) Interesse an den Meinungen und Einstellungen des Kulturpublikums und der potenziellen Nachfrager von Kunst und Kultur zu beobachten ist (vgl. beispielsweise Glogner/Rhein 2005, Glogner/Föhl 2010, Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2005, Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2006), scheint in Deutschland bei kulturpolitischen Entscheidungen die Orientierung an der Nachfrage nach wie vor noch im Schatten der Angebotsorientierung zu stehen. Vor allem zwei Gründe können für die Dominanz der Angebotsorientierung in der öffentlichen Kulturlandschaft Deutschlands genannt werden. Zum einen sei verwiesen auf die erfolgreiche Realisierung einer Neuen Kulturpolitik in den 1970er Jahren und die damit verbundene Hoffnung auf die Verwirklichung ihrer gesellschaftspolitischen Wirkungsintentionen, wie beispielsweise Kommunikations- und Gemeinschaftsstiftung, Integration und Emanzipation (vgl. z.B. Glaser/Stahl 1974, Schwencke et al. 1974). Die Kulturangebote und die jeweils assoziierten Wirkungsintentionen stellen aus dieser Perspektive Werte an sich dar, die keiner weiteren Rechtfertigung bedürfen. Schulze spricht in diesem Zusammenhang von dem so genannten ›Rechtfertigungskonsens‹ (Schulze 1997: 513): ›Öffentliche Kulturförderung kann immer nur gut sein.‹ (Schulze 1997: 514; vgl. auch Klein 2007: 31ff.) Man ist überzeugt von seinem Angebot, das auf das Publikum sowie die Bürgerinnen und Bürger nur positiven Einfluss haben kann, und hinterfragt es daher auch nicht weiter. Als weiterer Grund zu nennen ist das – nach wie vor – überaus große Förderengagement der öffentlichen Hand im Kulturbereich. So beliefen sich die Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahr 2005 auf insgesamt über acht Milliarden EUR (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2006: 23). Wenn Kultur in Deutschland im Wesentlichen öffentlich geförderte Kultur ist, so führt diese – aus kulturpolitischer Sicht richtige und wichtige – Erfüllung des Kulturauftrags zu einer Angebotsorientierung, die gleichzeitig die
Patrick Glogner £Publikumsforschung und Bürgerbefragungen
Nachfrager von Kunst und Kultur und ihre Einstellungen in den Hintergrund treten lässt. Der Kulturbetrieb sieht sich derzeit jedoch mit tief greifenden und umfassenden Veränderungsprozessen konfrontiert (vgl. Glogner 2005, Klein 2007, Sievers 2005, Wagner 2005: 9ff.). Aufgrund aktueller politischer und gesellschaftlicher Veränderungen – beispielhaft genannt seien hier die Finanzlöcher der Haushalte, der demografische Wandel und das erweiterte Angebot auf dem postmodernen Freizeitmarkt – ist das Ende der Wachstumsspirale sowohl des öffentlichen Kulturangebotes als auch der Nachfrage nach diesem erreicht. Ohne eine intensive Berücksichtigung und Einbindung der Nachfragerperspektive werden angemessene Reaktionen der Kulturpolitik und der Kulturinstitutionen auf diese gewandelte Situation nicht möglich sein: Nur wer sein (potenzielles) Publikum kennt und ernst nimmt, wird in Zukunft kulturelle Interessen angemessen bedienen oder zu ihrer Entwicklung und Förderung aktiv beitragen können. Entsprechend ist auch bei Kooperationsprozessen die konsequente Einbindung der Nachfragerperspektive von Bedeutung, die in aller Regel ebenfalls eine Reaktion auf die oben genannten Veränderungen ist. Nur über die Kenntnis der Zusammensetzung sowie der Meinungen und der Einstellungen des Publikums bzw. der betroffenen (oder sich betroffen fühlenden) Bürgerinnen und Bürger kann beispielsweise eingeschätzt werden, • ob für das kooperativ ausgebrachte Angebot eine ausreichende Nachfrage besteht; • ob neue Besuchergruppen erschlossen werden (müssen bzw. können); • ob die Angebote zielgruppengerecht zugeschnitten sind; • ob die Zugänglichkeit der Angebote gewährleistet ist; • ob die Kooperation Akzeptanz findet oder von vorneherein abgelehnt wird und • ob die mit der Kooperation verbundenen Ziele tatsächlich erreicht werden (vgl. auch Föhl 2009). Diese exemplarische Auflistung von potenziellen Fragestellungen zeigt, dass es höchst vielfältige Notwendigkeiten geben kann, die Akteure ›Bürgerinnen und Bürger‹ bzw. ›Publikum‹ im Rahmen regionaler Kooperationsprozesse einzubinden. Im Folgenden wird nun dargestellt, inwiefern in den verschiedenen Phasen des regionalen Kooperationsprozesses systematische empirische Publikumsstudien und Bürgerbefragungen möglich und sinnvoll sind und wie diese aussehen können.
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3 PUBLIKUMSFORSCHUNG UND BÜRGERBEFR AGUNGEN B E I R E G I O N A L E N K O O P E R AT I O N S P R O Z E S S E N Kooperationsprozesse können üblicherweise in fünf Phasen untergliedert werden: 1. die strategische Analyse des Kooperationspotenzials 2. die Partnerselektion 3. die Gestaltung der Kooperation 4. der Betrieb der Kooperation 5. die Evaluation oder ggf. die Beendigung der Kooperation (vgl. Föhl 2008: 10) Entsprechend zu diesem Phasenmodell bestehen folgende Möglichkeiten der Einbindung des Publikums und der Bürgerinnen und Bürger durch empirische Studien in Form von • vorausgehenden Machbarkeitsstudien sowie Nachfrageanalysen (Phase 1 und 2), • begleitenden Evaluationen (Phase 3 und 4) sowie schließlich • abschließenden Evaluationen (Phase 5).
4 VO R A U S G E H E N D E M A C H B A R K E I T S S T U D I E N U N D N A C H F R A G E A N A LY S E N Zunächst kann es im Zuge der Analyse der eigenen Ausgangssituation wichtig sein, im Vorfeld der Kooperation zu untersuchen, welche Chancen und Risiken mit Blick auf das Publikum bzw. die Bürgerinnen und Bürger bestehen: Es stellt sich die Frage der Machbarkeit hinsichtlich der grundsätzlichen Akzeptanz der geplanten Kooperation sowie die Frage der potenziellen Nachfrage nach dem kooperativen Angebot (vgl. Föhl 2007). Wie einleitend am Beispiel Weimar-Erfurt bereits angedeutet wurde, scheitern Kooperationen und Fusionen häufig daran, dass regionale ›Feindseligkeiten‹ und ›Eitelkeiten‹ bestehen oder die betroffenen Publika bzw. Bürgerinnen und Bürger einen Identitätsverlust befürchten. In dieser frühen Phase der Erkundung der Machbarkeit sollte zunächst der Fokus auf kleinere, qualitative Erhebungen – beispielsweise in Form von offenen Interviews oder Gruppendiskussionen (vgl. zum Beispiel Flick et al. 2007, Lamnek 2005, Mayring 2002) – gelegt werden. Als Gesprächs- und Diskussionspartner sind insbesondere ausgewählte Vertreterinnen der verschiedenen Nutzer- und Zielgruppen, Stammkunden sowie Meinungsführer aus der Bürgerschaft von Interesse. Qualitative methodische Zugänge sind in diesem Zusammenhang zum einen besser geeignet, die komplexeren (und manchmal unter Umständen von au-
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ßen auch nur schwer nachvollziehbaren) Einstellungen, Befürchtungen und Erwartungen in Hinblick auf das geplante Kooperationsvorhaben zu ermitteln. Zum anderen sollte aber zudem bedacht werden, dass umfassende quantitative Erhebungen immer auch mit einer größeren Öffentlichkeitswirksamkeit verbunden sind. Eine Erhebung auf breiter Basis zu einem zu frühen Zeitpunkt könnte – wenn sie nicht in eine entsprechende Kommunikationsstrategie in Bezug auf die geplante Kooperation eingebunden ist – Diskussionen und Konflikte anstiften, die durch die Befragung gerade antizipiert und vermieden werden sollten. Im Zusammenhang mit der vorbereitenden Analyse soll an dieser Stelle auch das v.a. im angloamerikanischen Raum praktizierte ›Deliberative Polling®‹ (vgl. Fishkin 1991, Hansen 2004) erwähnt werden. Hierbei wird eine Stichprobe aus der Bevölkerung zunächst auf breiter Basis zu einem geplanten Projekt – wie beispielsweise eine regionale Kooperation – befragt. Daraufhin wird mit Personen aus dieser Stichprobe ein Wochenend-Workshop durchgeführt, in dessen Rahmen ausführlich über die Planungen bzw. Ziele informiert wird und Möglichkeiten zur Diskussion sowie zur Befragung von Experten bestehen. Nach der Veröffentlichung und Bekanntmachung der Workshop-Ergebnisse in den lokalen Medien wird die ausgewählte Stichprobe erneut befragt, um zu ermitteln, ob und wie sich die öffentliche Meinung zu dem Vorhaben geändert hat (vgl. Fishkin o.J.). Eine solche Vorgehensweise im Zuge einer regionalen Kooperation ermöglicht es einerseits, die Akzeptanz für das geplante Projekt zu steigern, andererseits aber auch mit der Bürgerschaft in einen Dialog zu treten und deren Ideen, Einschätzungen und Bedenken konsequent einzubeziehen.1 Wenn die grundsätzliche Akzeptanz durch Publikum, Bürgerinnen und Bürger zufrieden stellend eingeschätzt werden kann, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, ob eine angemessene Nachfrage nach den kooperativ ausgebrachten Angeboten zu erwarten ist oder ob sich bei bestimmten Zielgruppen möglicherweise Barrieren ermitteln lassen. Im Rahmen einer Nachfrageanalyse (vgl. ausführlich Klein 2005: 119-179, Klein 2003: 45-113) dürfte – wenn man sich für eine eigene Erhebung entscheidet2 – in der Regel eine quantitative Fragebogenerhebung in Betracht kommen (vgl. beispielsweise Atteslander 1
Ein interessantes Beispiel aus Deutschland für eine entsprechende Vorgehensweise ist die Reform des Landkreises Lüchow-Dannenberg und der in diesem Zusammenhang geführte LüchowDannenbergDialog (vgl. http://www.forschdb.verwaltung. uni-freiburg.de/servzu/forschdbzu.fdbfbr1 vom 26.09.2008).
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Neben dieser Vorgehensweise besteht auch die Möglichkeit der Sekundärforschung. In diesem Fall werden bereits vorhandene kulturspezifische Lebensstil- und Marktforschungsstudien (z.B. Keuchel 2003, 2006, Oehmichen 2007, Cerci 2007) mit Blick
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2008: 101-164, Diekmann 2007: 434-531, Glogner 2008). Anders als bei den genannten qualitativen Erhebungen, die aufgrund der geringen Fallzahlen und der vertiefenden Analysen eher einer explorativen Annäherung für eine grundlegende Grobeinschätzung dienen, ist es hier das Ziel, zu verallgemeinerbaren und statistisch verlässlichen Erkenntnissen für das konkrete Marketing- und Kommunikationsmanagement im Rahmen der Kooperation zu gelangen.
5 B E G L E I T E N D E E V A L U AT I O N E N Neben der Analyse der Ausgangssituation ist es bei regionalen Kooperationen unter Umständen auch sinnvoll, prozessbegleitende empirische Analysen in Bezug auf das Publikum und die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen. So kann es bei länger andauernden und komplexeren Kooperationsprozessen von Interesse sein, parallel zu untersuchen, wie die ersten Maßnahmen der Kooperation angenommen und bewertet werden, ob bei den Zielgruppen die Zufriedenheit im Laufe der Kooperationsumsetzung zu- bzw. abnimmt oder inwiefern bereits Erfolge und Defizite erkennbar sind, die unmittelbar in der weiteren Fortführung des Kooperationsprozesses berücksichtigt werden sollten. Entsprechende Untersuchungen im Rahmen von Ablaufprozessen werden ›on-going-Evaluationen‹ (vgl. Stockmann 2006: 69) genannt und sollten im Falle von Kooperationen in der Regel stärker formativ (d.h. aktivgestaltend, prozessorientiert und kommunikationsfördernd) angelegt sein. Solche begleitend eingesetzten Publikumsstudien und Bürgerbefragungen stellen somit einerseits ein wirksames ›Frühwarnsystem‹ dar, um auf mögliche organisatorische Probleme und unvorhergesehene ›Stimmungswechsel‹ in den Einstellungen gegenüber der Kooperation aufmerksam zu werden. Andererseits können sie aber darüber hinaus auch die Funktion eines Kommunikationsinstrumentes übernehmen, um gezielt Diskussionen anzuregen, mit den betroffenen Publika, Bürgerinnen und Bürgern in einen Dialog zu treten, ihnen damit die Möglichkeit sowie das Gefühl der stetigen Einbindung zu geben und auf diesem Weg die Akzeptanz des Vorhabens positiv zu beeinflussen. Entsprechend bietet sich auch hier – wie bei der vorbereitenden Analyse – die Methode des ›Deliberative Polling®‹ an.
6 A B S C H L I E S S E N D E E V A L U AT I O N E N Wie bereits eingangs angedeutet wurde, sind regionale Kooperationen im Kulturbereich häufig die Reaktion auf tief greifende Veränderungen poliauf die jeweilige Problem- und Fragestellung gesichtet, um die Ergebnisse entsprechend auf die eigene Situation zu übertragen.
Patrick Glogner £Publikumsforschung und Bürgerbefragungen
tischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und dementsprechend mit konkreten Zielsetzungen verbunden. Diese können von personellen Einsparungen über Synergien (beispielsweise im Ticketvertrieb) bis hin zur Erschließung neuer Zielgruppen reichen. Da Kooperationen zum einen zunächst in ihrer Implementierung erhebliche monetäre, zeitliche und personelle Ressourcen erfordern, zum anderen aber auch nachhaltige Konsequenzen für die kulturelle Infrastruktur haben (können), wird in der Regel auch ein Nachweis darüber gefordert – beispielsweise von politischen Gremien oder Geldgebern –, ob die intendierten Wirkungen tatsächlich eingetreten sind. Bezogen auf das Publikum oder die Bürgerinnen und Bürger könnte beispielsweise von Interesse sein, ob das neue kooperative Angebot ausreichend bekannt ist, ob es von den Bürgerinnen und Bürgern aller beteiligten Kommunen gleichermaßen angenommen wird und welche Zielgruppen ggf. unterrepräsentiert sind oder überhaupt nicht erreicht werden. In diesem Fall einer (ex-post durchgeführten) Bestimmung der Wirksamkeit einer Kooperationsmaßnahme spricht man von einer so genannten summativen (d.h. zusammenfassenden, bilanzierenden und ergebnisorientierten) Evaluation (vgl. Stockmann 2006: 69). Die Überprüfung der Zielerreichung erfolgt in der Regel anhand der in der Planung festgelegten Sollwerte und wird auch ›Soll-Ist-Vergleich‹ genannt (Stockmann 2006: 71). Da hierbei eine strikte Orientierung an den angestrebten Zielen erfolgt, ist der sorgfältigen Zielformulierung zu Beginn des Kooperationsprojektes besondere Beachtung zu schenken. So sollte beispielsweise • die Zielsetzung nicht zu verschwommen oder allgemein formuliert sein; • die in den Dokumenten festgelegte Zielsetzung mit den tatsächlichen Zielen übereinstimmen; • darauf geachtet werden, ob sich die Ziele im Projektverlauf geändert haben (vgl. Stockmann 2006: 71). Neben einem solchen Soll-Ist-Vergleich kann ferner aber auch von Interesse sein, welche nicht-intendierten Effekte sich aus dem Kooperationsprojekt ergeben haben, »die die Zielereichung unterstützen oder ihr zuwider laufen können. Nur wenn eine ›Gesamtbilanz der Wirkungen‹ [Hervorhebung im Original] erstellt wird, kann erkannt werden, ob die positiven oder negativen Effekte eines Programms überwiegen.« (Stockmann 2006: 71)
7 SCHLUSSBEMERKUNG Nachdem aufgezeigt wurde, inwiefern in den verschiedenen Phasen des regionalen Kooperationsprozesses der systematische Einbezug empirischer Publikumsstudien und Bürgerbefragungen möglich und sinnvoll ist, sollen an
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dieser Stelle abschließend noch einige Hinweise zur praktischen Umsetzung gegeben werden. Obgleich im vorliegenden Beitrag punktuell qualitative und quantitative methodische Zugänge nahegelegt wurden, ist die Methodenwahl stark vom konkreten Erkenntnisinteresse abhängig. Die Entscheidung für die Untersuchungsmethoden – seien es nun schriftliche Fragebogenerhebungen, teilstandardisierte Leitfadeninterviews oder sehr offen angelegte Gruppendiskussionen – sollte deshalb erst nach eingehender Auseinandersetzung mit der eigenen Fragestellung und der einschlägigen Fachliteratur (beispielsweise Flick et al. 2007, Diekmann 2007) erfolgen. Ferner sollte der Aufwand für empirische Studien sowie deren Komplexität nicht unterschätzt werden. Publikumsstudien und Bürgerbefragungen lassen sich nicht ›auf die Schnelle‹ oder ›nebenher‹ planen und umsetzen, sondern bedürfen einer klaren Zielorientierung sowie einer gründlichen und reflektierten Vorbereitung, um zu verlässlichen Ergebnissen zu gelangen. Werden diese Aspekte jedoch beachtet, so können Publikumsstudien und Bürgerbefragungen einen wichtigen Beitrag zum Gelingen regionaler Kooperationen leisten.
QUELLENVERZEICHNIS Atteslander, Peter (2008): Methoden empirischer Sozialforschung, 12. Aufl., Berlin. Cerci, Meral (2007): Daten, Fakten, Lebenswelten – Annäherungen an eine (noch) unbekannte Zielgruppe. Datenforschungsprojekt Interkultur, in: Jerman, Tina (Hg.): Kunst verbindet Menschen. Interkulturelle Konzepte für eine Gesellschaft im Wandel, Bielefeld, S. 50ff. Diekmann, Andreas (2007): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, 18. Aufl., vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, Reinbek bei Hamburg. Fishkin, James S. (o.J.): Deliberative Polling®: Toward a Better-Informed Democracy, siehe: http://www.cdd.stanford.edu/polls/docs/summary/#exec vom 26.09.2008. Fishkin, James S. (1991): Democracy and Deliberation, New Haven; CT; London. Föhl, Patrick S.; Huber, Andreas (2004): Fusionen von Kultureinrichtungen. Ursachen, Abläufe, Potenziale, Risiken und Alternativen, Essen. Föhl, Patrick S. (2007): Die Machbarkeitsstudie im öffentlichen Kulturbereich. »Sorgfaltpflicht« vor der Durchführung von Veränderungsmaßnahmen und Projekten, in: Scheytt, Oliver; Loock, Friedrich (Hg.): Handbuch Kulturmanagement und Kulturpolitik, Berlin u.a.O. 2006ff., Kap. D 1.2. Föhl, Patrick S. (2008): Kooperationen im öffentlichen Kulturbereich. Mit Zusammenarbeit Synergien ausschöpfen, in: Scheytt, Oliver; Loock, Fried-
Patrick Glogner £Publikumsforschung und Bürgerbefragungen
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RECHTLICHE ASPEKTE VON REGIONALEN K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H Uwe Hanf »Zusammenkommen ist ein Beginn, zusammenbleiben ist ein Fortschritt, zusammenarbeiten ist ein Erfolg.« Henry Ford
1 Z U S A M M EN FA SS U N G Regionale Kooperationen im Kulturbereich werfen eine Fülle rechtlicher Fragen und Probleme auf. Aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen lassen sich für Kooperationsbeziehungen schwer allgemein gültige Hinweise oder gar Anweisungen zur rechtlichen Gestaltung geben. Der vorliegende Beitrag skizziert die wichtigsten Rechtsfragen, die bereits vor Abschluss einer Kooperationsvereinbarung geklärt werden müssen, und widmet sich dann im Schwerpunkt den vertragsrechtlichen Gestaltungsvarianten. Anhand zahlreicher Beispiele aus unterschiedlichen Bundesländern und Kultursparten wird die Fülle und Breite kooperationsrechtlicher Vereinbarungen anschaulich dargestellt. Es geht in erster Linie darum, aus dem vorgestellten Spektrum Anregungen für die eigene Praxis zu bekommen und vor Abschluss eines Vertrages mögliche Alternativen zu prüfen. Für die detaillierte Gestaltung im Einzelfall sollte immer auf fundierte fachliche Beratung zurückgegriffen werden.
2 EINFÜHRUNG Kooperationen im Kulturbereich entstehen in der Regel auf einer vertraglichen Grundlage, deren Gestaltung einen unmittelbaren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg der Zusammenarbeit haben kann. Daher wird in diesem Beitrag der Fokus auf vertragsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gelegt. Bevor ein Kooperationsvertrag verhandelt, formuliert und unterzeichnet werden kann, sind jedoch einige rechtliche Aspekte zu klären, die mittelbar oder unmittelbar auf die Vertragsgestaltung einwirken und die der grundsätzlich garantierten Vertragsfreiheit Grenzen setzen. Diese sollen zunächst kurz skizziert werden.
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Abbildung 1: Rechtliche Aspekte regionaler Kooperationen
2.1
Verfassungs-, kommunal- und haushaltsrechtliche Aspekte
Für Kommunen stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang eine Kooperation mit Nachbargemeinden oder privaten Körperschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen von Verfassung und Gemeindeordnung überhaupt zulässig ist. Es gilt z.B. vorab festzustellen, ob im Rahmen der Kooperationsbeziehung Pflichtaufgaben oder freiwillige Leistungen der Kommune erbracht werden. Bei Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Partnern im Kulturbereich sind zudem die inhaltlichen Einflussmöglichkeiten der privaten Partner vor dem Hintergrund der verfassungsmäßig garantierten Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) zu erörtern. (vgl. dazu ausführlich Trappe 2008: 146-164). Insbesondere bei gemeinsamen Projekten mit privaten Körperschaften ist darüber hinaus zu klären, in welcher Weise bzw. in welchem Umfang sich die Kommune im Rahmen der vorgesehenen Kooperation wirtschaftlich betätigen wird und darf. Gerade wirtschaftliche Aktivitäten könnten im Einzelfall aufgrund des Subsidiaritätsprinzips ausschließlich dem Markt und damit der privaten Sphäre vorbehalten sein (vgl. dazu ausführlich Uechtritz/Ottinger 2007). Bei der Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Partnern, insbesondere bei fremd- oder mischfi nanzierten Vorhaben, sind schließlich haushalts- und förderrechtliche Bestimmungen in die Vorabprüfung einzubeziehen (vgl. dazu ausführlich Weber/ Schäfer/Hausmann 2005: 197-213, 376-374, Schwarting 2006: 136-152). Das im September 2005 in Kraft getretene ÖPP-Beschleunigungsgesetz (Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Öffentlich
Uwe Hanf £Rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen im Kulturbereich
Private Partnerschaften) hat hier einige Hürden und Unsicherheiten beseitigt (vgl. dazu Trappe 2008: 185-188). 2.2
Steuer- und arbeitsrechtliche Aspekte
Eine weitere Klärung ist hinsichtlich möglicher steuerlicher Auswirkungen der Kooperation notwendig. Insbesondere ist zu entscheiden, ob durch die Art der Kooperationsbeziehung neue Steuersubjekte oder -pflichten entstehen. Auch mögliche Auswirkungen auf die Gemeinnützigkeit der beteiligten Partner sollten Gegenstand der rechtlichen Vorprüfung sein. Schließlich können in einem systematischen Steuerbelastungsvergleich die optimalen Gestaltungsmöglichkeiten der Kooperationsbeziehung auch unter finanziellen Aspekten ausgelotet werden (vgl. dazu ausführlich Beinert 2007, Seibold-Feund 2008). Unter arbeitsrechtlichen Aspekten ist eine Kooperation zu untersuchen, wenn durch die Art der Vereinbarungen neue Beschäftigungsträger entstehen und/oder ggf. ein Betriebsübergang auf einen neuen Rechtsträger erfolgt. 2.3
Wettbewerbs- und vergaberechtliche Aspekte
Kommunen agieren gerade im Kulturbereich vielfach in Grenzbereichen zwischen wirtschaftlicher, unternehmerischer Tätigkeit und öffentlicher Aufgabenerfüllung. Dieses Spannungsverhältnis wird durch Kooperationen mit privaten Unternehmen oder Körperschaften häufig noch potenziert. Aus dieser Konstellation entstehen vergabe- und wettbewerbsrechtliche Fragestellungen und Probleme, die ebenfalls einer rechtlichen Vorklärung bedürfen. So ist es für eine Kommune, sofern sie sich unternehmerisch betätigt oder sich an privatwirtschaftlichen Aktivitäten beteiligt, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht relevant, »ob und ggf. in welchen Grenzen sie als Hoheitsträgerin ›ihr‹ Unternehmen im Wettbewerb fördern darf. Damit untrennbar verbunden ist die Frage, wann eine unzulässige Benachteiligung konkurrierender Unternehmen beginnt.« (Lux 2007: 255) Des Weiteren ist zu untersuchen, ob und in welcher Weise bei der Beteiligung privater Unternehmen oder Körperschaften die Restriktionen des Vergaberechts zur Anwendung kommen (vgl. dazu ausführlich Otting/Ohler 2007, Schwintowski/Ortlieb 2007, Ellenrieder/Kiel 2006: 42-46). Auch hier hat das ÖPP-Beschleunigungsgesetz die Rahmenbedingungen durch Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und in der Vergabeordnung verbessert.
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2.4
Europa- und kartellrechtliche Aspekte
Ebenfalls im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten der Kommunen sind europa- und kartellrechtliche Fragen zu erörtern. In diesem Kontext geht es darum, dass die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Kommune dort ihre Grenzen findet, wo – auch aus europäischer Perspektive – ein Missbrauch von Marktmacht vorliegt oder gegen beihilferechtliche Bestimmungen der Europäischen Verträge und Richtlinien verstoßen wird. Hier sind insbesondere Positionen der Europäischen Kommission und die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu verfolgen, deren Entscheidungen eine unmittelbare Rückwirkung auf das kommunale Handeln haben können (vgl. dazu ausführlich Karl/Beutelmann 2007, Lämmerzahl 2007: 129-144, Schwintowski/Ortlieb 2006).
3 VE R T R A G S R EC H T L I C H E G R U N D L AG EN TY P O L O G I E
FÜR
K O O P E R AT I O N E N –
Der Begriff ›Kooperation‹ ist juristisch nicht eindeutig zu fassen und unter vertragsrechtlichen Aspekten außerordentlich komplex. Es lassen sich nämlich unterschiedliche vertragliche Beziehungen und Bindungen als Kooperationen identifizieren, denen jeweils spezifische Vertragstypen zu Grunde liegen. Der ›Kooperationsvertrag‹ ist demzufolge kein eigenständiger Vertragstypus, seine Gestaltung und rechtliche Einordnung hängt ab von der Art der jeweils vereinbarten Kooperationsbeziehung. So können im Zivilrecht z.B. Dienst- oder Werkverträge, Gesellschaftsverträge, Maklerverträge, Leih-, Pacht- und Mietverträge, Kreditverträge oder sogar Kaufverträge die rechtliche Grundlage für Kooperationsbeziehungen bilden. Bei komplexeren und langfristigen Projekten der Zusammenarbeit sind häufig auch mehrere der genannten Aspekte berührt, so dass sich der die Partnerschaft begründende Kooperationsvertrag nicht eindeutig einem Vertragstypus zuordnen lässt. Insbesondere bei der regionalen Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Partnern (Public-Private-Partnerships; PPP) werden i.d.R. so genannte gemischtrechtliche oder untypische Verträge (Verträge eigener Art) abgeschlossen. (vgl. Schede/Pohlmann 2005: 102f.). In anderen Fällen beruht die Zusammenarbeit auf einer Satzung, wie beim Verein oder Zweckverband. Gelegentlich handelt es sich beim Inhalt so genannter ›Kooperationsverträge‹ schließlich lediglich um rechtsunverbindliche Absichtserklärungen. Aufgrund dieser Typenvielfalt finden sich weder im öffentlichen noch im privaten Recht spezifische Regelungen zum ›Kooperationsvertrag‹ (zur Problematik des Kooperationsvertrags im Verwaltungsrecht vgl. ausführlich: Lämmerzahl 2007: 229-237).
Uwe Hanf £Rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen im Kulturbereich
Um zu einer Typologie von Kooperationsverträgen zu gelangen ist daher im Einzelnen zu untersuchen • wer die beteiligten Partner sind; • welche Art von Beziehung oder Bindung sie eingehen (wollen); • welche Leistungen und Gegenleistungen im Rahmen einer Kooperationsbeziehung verabredet sind und • welche Rechte und Pflichten sowie möglichen Haftungsrisiken sich für die Beteiligten daraus ableiten lassen (vgl. dazu auch: Föhl 2008: 19). Darüber hinaus sind bei Kooperationsprojekten, in denen ein Produkt entsteht (z.B. ein Museums- oder Theaterbau, eine Ausstellung oder ein Gutachten), die Eigentums- und Verwertungsrechte der beteiligten Partner zu klären. Für regionale Kooperationen im Kulturbereich kommt noch hinzu, dass eine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht vorgenommen werden muss. Sind die beteiligten Partner ausschließlich benachbarte Kommunen, ist beispielsweise die Kooperation im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes möglich, alternativ aber auch die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft auf der Basis des privaten Rechts. Abbildung 2: Gestaltungsmerkmale von Kooperationsverträgen
Im Rahmen dieser Variationsbreite soll hier für regionale Kooperationen eine Typologie entwickelt werden, die sich an der Art der beteiligten Partner orientiert (vgl. Abb. 3). Sind diese ausschließlich öffentlich (kommunal), handelt es sich um eine interkommunale Kooperation. Die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Partnern findet unter dem Oberbegriff ›Public-Private-Partnership‹ (PPP) zunehmend Verbreitung. Und schließlich sind auch Kooperationsbeziehungen zwischen ausschließlich privaten Partnern anzutreffen, die meist gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sind. Für jeden dieser drei Typen gibt es unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Während für rein private Kooperationen sämtliche Rechtsformen des deutschen und europäischen Gesellschaftsrechts zur Verfügung stehen und auch in unterschiedlicher Ausprägung genutzt werden, bestehen bei der vertraglichen Gestaltung interkommunaler und öffentlich-privater Kooperationen in
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der Praxis häufig erhebliche Rechtsunsicherheiten. Daher sollen diese Kooperationsformen und ihre Gestaltungsvarianten in den folgenden Abschnitten unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten näher betrachtet und an Hand von Beispielen aus dem Kulturbereich dargestellt werden. Abbildung 3: Kooperationstypologie nach Art der Vertragspartner
4 I N T E R K O M M U N A L E K O O P E R AT I O N E N Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen ist die Kooperationshoheit, »also das Recht der Kommunen, für einzelne Aufgaben mit anderen Stellen, insbesondere anderen Kommunen, zusammenzuarbeiten, gemeinschaftliche Handlungsinstrumente zu schaffen, sich mit anderen Stellen zusammenzuschließen und gemeinsame Einrichtungen zu betreiben« (Hellermann 2007: 175). Der rechtliche Gestaltungsrahmen für solche interkommunalen Kooperationen ist weit gesteckt, »den Kommunen steht prinzipiell Wahlfreiheit hinsichtlich der Organisations- und Handlungsformen auch der interkommunalen Kooperationen zu« (ebd.). Neben dieser prinzipiellen Handlungs- und Wahlfreiheit stellen die jeweiligen Landesgesetze den öffentlichrechtlichen Rahmen für derartige Kooperationen zur Verfügung und bieten dafür einige institutionalisierte Gestaltungsformen an.
Uwe Hanf £Rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen im Kulturbereich
4.1
Lose Kooperationsverbünde
Eine wenig institutionalisierte Form der regionalen Zusammenarbeit ist der lose Kooperationsverbund, der häufig in so genannten ›Mittelzentren‹ eingerichtet wird. Im Rahmen einer solchen Kooperationspartnerschaft verpflichten sich die Beteiligten insbesondere dazu, ihre regionalen Entwicklungsplanungen aufeinander abzustimmen und im Bereich der Verwaltungen zu kooperieren. Selten werden hier jedoch rechtlich verbindliche, d.h. einklagbare Verpflichtungen eingegangen, meist handelt es sich bei solchen Verträgen lediglich um unverbindliche Absichtserklärungen (›good will‹). Der rechtliche Charakter solcher Kooperationsverträge muss im Einzelfall auf der Grundlage des jeweiligen Landes- und Gemeinderechts geklärt werden. Zum Teil können solche Verträge auch als Vorbereitungen zu stärker institutionalisierten Formen der Kooperation gelesen werden, wenn die Bildung gemeinsamer Einrichtungen und Institutionen angestrebt wird. Es folgen ausgewählte Beispiele: • Die Städte Bad Liebenwerda und Elsterwerda (Land Brandenburg) haben in einem Kooperationsvertrag die Weiterentwicklung zum gemeinsamen Mittelzentrum vereinbart. Zu den Zielen der Kooperation heißt es in § 1 des Vertrages u.a.: »Zur Durchsetzung einer geordneten und funktionsabhängigen Entwicklung werden grundsätzliche Entscheidungen der jeweiligen Stadtverordnetenversammlungen zu den Entwicklungszielen vor Beschlussfassung einvernehmlich mit der jeweils anderen Stadt abgestimmt. Entscheidungen, die beide Städte betreffen, werden im gleichen Wortlaut getroffen.« (Kooperationsvertrag Bad Liebenwerda) • Im Kooperationsvertrag über die Bildung einer Verantwortungsgemeinschaft, den die Stadt Kyritz mit dem Amt Neustadt (Dosse) und der Gemeinde Wusterhausen (Land Brandenburg) abgeschlossen hat, heißt es zur Kooperation im Bereich Kultur u.a.: »Die Vertragspartner stimmen ihre Kulturarbeit aufeinander ab. Insbesondere wirken sie auf die Vermeidung konkurrierender Angebote hin und entwickeln eine gemeinsame Vermarktungsstrategie für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen. Dazu gehört die Erstellung eines gemeinsamen Veranstaltungskalenders. Die Vertragspartner fördern die Kooperation von kulturellen Einrichtungen, insbesondere von Bibliotheken und Museen, und streben die Schaffung gemeinsamer kultureller Institutionen und Einrichtungen an.« (Kooperationsvertrag Kyritz) • Eine etwas ›festere Form‹ hat die bereits im Jahr 1993 gegründete ›OBE-Initiative‹ (Land Niedersachsen), zu der die Stadt Osnabrück sowie die Landkreise Osnabrück, Grafschaft Bentheim, Emsland, Vechta und Cloppenburg gehören. Die Initiative besteht aus einer ›OBE-Konferenz‹ als Dach,
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einer Koordinierungsstelle und sechs Facharbeitskreisen u.a. zum Thema ›Freizeit/Kultur‹. Eine stärkere Institutionalisierung ist bewusst vermieden worden, um keine neue Verwaltungsebene zu schaffen, wird aber für einen späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen (vgl. OBE-Initiative). 4.2
Kommunale Arbeitsgemeinschaften
Die kommunale Arbeitsgemeinschaft als institutionalisierte Form der interkommunalen Kooperation ist in einigen Landesgesetzen geregelt (vgl. z.B. KommGemG NW, §§ 2, 3), in anderen Bundesländern handelt es sich auch dabei um eine unverbindlichere Form der Zusammenarbeit. »Die kommunale Arbeitsgemeinschaft ist eine auf Vereinbarung der Beteiligten beruhende Gemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit und ohne verbindliche Außenwirkung auch gegenüber den Beteiligten. Ihre alleinige Aufgabe besteht zunächst in der Einleitung von Gesprächen der auf kommunaler Ebene Verantwortlichen eines bestimmten Gebietes über bestimmte Angelegenheiten. Die kommunale Arbeitsgemeinschaft fasst auch keine für alle verbindlichen Beschlüsse, sondern gibt den Beteiligten Anregungen, so dass die Zuständigkeiten der Organe der beteiligten Gemeinden unberührt bleiben.« (Friedrich Ebert Stiftung 1996a: 1) Der Übergang zu den im vorigen Abschnitt besprochenen losen Verbünden ist daher fließend – in den Motiven und Zielen herrscht weitgehend Deckungsgleichheit. Im Folgenden dazu einige Beispiele: • In Hessen haben sich die Gemeinden Hünstetten, Niedernhausen und Waldems zur Kommunalen Arbeitsgemeinschaft ›Idsteiner Land‹ zusammen geschlossen. Zu den Aufgaben heißt es in der entsprechenden Vereinbarung u.a.: »Zur Stärkung der Entwicklungspotentiale der einzelnen Gebietskörperschaften wird eine die lokalen Grenzen überschreitende Verzahnung als interkommunale Zusammenarbeit angestrebt. Schwerpunkte bilden die Bereiche des Öffentlichen Personennahverkehrs, der Verkehrsplanung (Rad- und Wanderwegenetz), der Landschaftsplanung bis hin zur Flächennutzungsplanung, der Wirtschaftsentwicklung, des kulturellen Lebens und der Verwaltung.« (Vereinbarung Idsteiner Land) • Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft ›Region Erfurt-Weimar-Jena‹ wurde 2004 von den drei Städten unter Beteiligung des Landkreises Weimarer Land auf der Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages errichtet. Gemeinsame Projekte im Bereich der Kultur sind z.B. die Herausgabe eines Kulturkalenders1, die lange Nacht der Museen oder das Kulturjournal Mittelthüringen (vgl. ausführlich Stadtverwaltung Erfurt 2005). 1
Siehe hierzu http://www.thueringer-kulturkalender.de.
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4.3
Die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Hainich-Werratal (ebenfalls Thüringen) hat dagegen eine privatrechtliche Rechtsform gewählt. Insgesamt 27 Kommunen sowie neun weitere Partner, darunter auch private Unternehmen wie ein Hotel und ein Ingenieurbüro, haben sich 2006 zu einem gemeinnützigen eingetragenen Verein zusammengeschlossen. Durch den Rückgriff auf das private Vereinsrecht und die dort vorgegebenen Strukturen ist es eher möglich, zahlreiche öffentliche und nicht-öffentliche Partner zu beteiligen. Zudem erlangt die Arbeitsgemeinschaft dadurch eigene Rechtsfähigkeit und wird von den kommunalen Entscheidungsstrukturen unabhängiger. Öf fentlich-rechtliche Vereinbarungen
Neben der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft stellen die Gemeindeordnungen mit der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung (oder ›Zweckvereinbarung‹) ein Instrument zur Verfügung, mit dem sich ein deutlich höherer Grad an Verbindlichkeit und Institutionalisierung herstellen lässt (vgl. z.B. KommGemG NW, §§ 23 – 26). »Durch sie können gemeindliche Aufgaben an einen der Beteiligten rechtsverbindlich übertragen werden. Die Besonderheit der Zweckvereinbarung besteht darin, dass nach dem freien Willen der beteiligten Gemeinden und/oder Landkreise eine Aufgabe in die Zuständigkeit eines Beteiligten übernommen wird […] oder eine Aufgabe für die übrigen Beteiligten durchgeführt wird […] oder Mitwirkungsrechte eingeräumt werden können.« (Friedrich-Ebert-Stiftung 1996b: 1) Im Rahmen solcher Vereinbarungen werden also meist neue Institutionen geschaffen, an denen sich mehrere Kommunen beteiligen. Rechtsträger wird hier jedoch nicht ein gemeinsamer Zweckverband (vgl. nächster Abschnitt), sondern die Handlungs- und Vertretungsmacht wird durch die Vereinbarung an einen der beteiligten Partner übertragen. • Prominentestes Beispiel für öffentlich-rechtliche Vereinbarungen im Kulturbereich sind die Kultursekretariate in Nordrhein-Westfalen. Bereits im Jahr 1974 verabredeten 25 theatertragende Städte eine engere Zusammenarbeit und errichteten auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ein Kultursekretariat mit Sitz in Wuppertal. Zu den Aufgaben heißt es u.a. in § 1 der Vereinbarung: »Die an dieser Vereinbarung beteiligten Städte tauschen kulturelle Produktionen aus, initiieren die Zusammenarbeit kultureller Einrichtungen und organisieren Schwerpunktveranstaltungen im Theaterbereich.« Im Jahr 1981 folgten die nicht theatertragenden Städte und Gemeinden mit dem Kultursekretariat in Gütersloh, an dem zurzeit etwa 55 Gebietskörperschaften beteiligt sind. Aufgabe ist hier »die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit der Mitglieder. Sie
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4.4
umfasst u.a. die ständige Kooperation kultureller Einrichtungen, gemeinsame kulturelle Veranstaltungen, den Austausch einzelner Produktionen und Schwerpunktveranstaltungen insbesondere solcher mit Modellcharakter.« (§ 1 der Vereinbarung) Beide Verbünde werden auch aus Landesmitteln finanziert (vgl. dazu ausführlich Günter et al. 2006). Die Jugendkunstschule im Kreis Rottweil wurde auf der Basis einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung in öffentliche Trägerschaft übernommen. Beteiligte Städte bzw. Gemeinden sind hier Oberndorf am Neckar, Rottweil, Schramberg und Dunningen. Im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarung haben die drei zuletzt genannten Kommunen ihre Aufgaben an die Stadt Oberndorf übertragen, ihnen werden jedoch weitgehende Mitwirkungsbzw. Einspruchmöglichkeiten eingeräumt (vgl. ausführlich Jugendkunstschule Oberndorf 2005). Zweckverbände
Die ›klassische Form‹ interkommunaler Kooperation bildet der Zweckverband, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Verhältnis zu seinen Mitgliedern rechtlich verselbstständigt ist und damit einen hohen Grad an Autonomie und Institutionalisierung aufweist. Regelungen zum Zweckverband finden sich in allen gemeinderechtlichen Vorschriften. Zweckverbände dienen dazu, spezifische kommunale Aufgaben und Leistungen (Zwecke) gemeinsam zu erbringen, fungieren meist als Träger einer Einrichtung oder eines Gemeinschaftsunternehmens und werden durch mehrere Gemeinden auf der Basis einer Satzung errichtet (vgl. dazu ausführlich Hellermann 2007: 178-181). Grundsätzlich ist auch die Beteiligung Privater nicht ausgeschlossen, allerdings »in der Sache kaum praktikabel. Schon wegen seiner relativ schwerfälligen, privatwirtschaftlichen Handlungsmaximen wenig zugänglichen Organisationsstruktur kommt der Zweckverband praktisch für eine Kooperation mit Privaten kaum in Betracht« (Hellermann 2007: 186f.). Sofern Zweckverbände als Träger von Kultureinrichtungen fungieren, sind aber häufig privatrechtliche Träger (z.B. Fördervereine) beteiligt. Hier einige Beispiele: • 1992 wurde in Sachsen-Anhalt das Nordharzer Städtebundtheater errichtet. Im Wege einer Fusion der zuvor eigenständigen Theater Quedlinburg und Halberstadt entstand ein Zweckverband unter Beteilung der Landkreise Halberstadt und Quedlinburg sowie der Städte Halberstadt, Quedlinburg und Ballenstedt. Der Zweckverband betreibt ein gemeinsames Dreispartentheater unter einer künstlerischen und betriebswirtschaftlichen Gesamtleitung (vgl. dazu Hartung/Wegner 1998: 92-97). • Auch zahlreiche Museen werden in der Rechtsform des Zweckverbandes
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4.5
von mehreren Kommunen, teilweise unter Beteiligung des jeweiligen Landes, betrieben, so etwa das Mainfränkische Museum Würzburg, das Neantertal-Museum in Nordrhein-Westfalen (unter Beteiligung des Naturschutzvereins Neandertal e.V.), das Deutsche Hopfenmuseum Wolnzach (ebenfalls unter Beteiligung eines privaten Vereins) oder das keltisch-römische Museum Manching. Der Zweckverband ›Sächsisches Industriemuseum‹ betreibt als Träger sogar mehrere Einrichtungen: das Industriemuseum Chemnitz, das Westsächsische Textilmuseum Crimmitschau, das Besucherbergwerk/Mineralogische Museum Zinngrube Ehrenfriedersdorf sowie die Energiefabrik Knappenrode. Das Sächsische Kulturraumgesetz schreibt sogar Pflichtzweckverbände vor, in denen sich die acht im Gesetz definierten Kulturräume zu organisieren haben. Gesellschaften
Eine letzte Möglichkeit für Träger kommunaler Kulturarbeit, ihre Zusammenarbeit rechtlich zu gestalten, ist der Rückgriff auf das private Recht. Grundsätzlich lassen die Gemeindeordnungen neben den öffentlich-rechtlichen auch privatrechtliche Organisationsformen für die wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu. Dabei wird im Kulturbereich meist auf die GmbH zurückgegriffen, sofern es sich um wirtschaftliche Tätigkeit handelt. Aber auch Vereine stehen den Gemeinden für kooperative Aktivitäten zur Verfügung. In der Praxis wird auf derartige Gestaltungsformen jedoch in der Regel nur dann zurück gegriffen, wenn private Partner beteiligt werden sollen. Ausnahmen sind z.B. die ›Schleswig-Holsteinische Landestheater und Sinfonieorchester GmbH‹, die schon 1974 durch 20 Städte und Kreise des Landes errichtet wurde oder die ›Theater für Niedersachsen GmbH‹, an der die Stadt Hildesheim, der Landkreis Hildesheim sowie der Zweckverband Landesbühne Hannover als Gesellschafter beteiligt sind. Ebenso wird die Deutsche Oper am Rhein als gemeinsame Gesellschaft der Städte Düsseldorf und Duisburg betrieben.
5 Ö F F E N T L I C H - P R I V AT E K O O P E R AT I O N E N Neben der interkommunalen Kooperation spielt die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern eine wichtige Rolle in der kommunalen Kulturarbeit. Kooperationen zwischen öffentlichen Einrichtungsträgern und privaten Fördervereinen gehören ebenso dazu wie kurzfristige und punktuelle Formen der Zusammenarbeit, z.B. in Projekten. Durch die Beteiligung privater Personen und Unternehmen bzw. Körperschaften sollen aus Sicht der Kom-
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munen in erster Linie zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen erschlossen werden. Zugleich geht es im kulturellen Sektor um den Ausbau und die Stärkung bürgerschaftlichen Engagements. Aus Sicht der privaten Partner sollen neue Märkte erschlossen oder bestehende Marktanteile vergrößert werden. Aber auch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung kann ein wichtiges Motiv für das Eingehen von Kooperationsbeziehungen darstellen. Die Kooperationsverträge sollten so gestaltet sein, dass es zu einem möglichst guten Interessenausgleich der beteiligten Partner kommt. Bereits bei den Vertragsverhandlungen sind die Ziele und Motive der Verhandlungspartner möglichst genau zu erfassen, um zu einer für beide Beteiligten optimalen Vertragsstruktur und -gestaltung zu kommen. Budäus nennt die ›Verträglichkeit der Zielsetzungen‹ als wichtiges Merkmal gelungener PPP-Projekte. »So ist eine PPP mit konfliktären Zielen, d.h. eine Situation, in der sich die Zielerreichung eines Partners nur zu Lasten der Zielerreichung des anderen Partners realisieren lässt, auf Dauer keine funktionsfähige PPP. Auf Dauer muss eine funktionsfähige PPP für beide Partner zu einer Win-win-Situation führen.« (Budäus 2006: 16) Abbildung 4: Kooperationsverträge als Instrument des Interessenausgleichs
5.1
Public Private Partnership (PPP)
Der Begriff PPP umfasst ein breites Spektrum unterschiedlicher Kooperationsformen zwischen öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Es gibt keine einheitliche Definition, PPP ist »also eher als typologischer Sammelbegriff denn als Rechtsbegriff zu verstehen« (Trappe 2008: 20). Er steht »für eine innovative Kooperationsform zwischen Staat und Privatwirtschaft« (Alfen/Fischer 2005: 1). Ellenrieder und Kiel nennen folgende Merkmale, die für eine PPP erfüllt sein sollten (vgl. Ellenrieder/Kiel 2006: 4):
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• • • • • •
Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Akteuren aus dem privaten Sektor Verfolgung komplementärer Ziele Einbringung öffentlicher und privater Ressourcen Synergiepotenziale bei der Zusammenarbeit hoher/kontinuierlicher Abstimmungsbedarf (gesellschafts-)vertraglich formalisierte Zusammenarbeit
Für den Kulturbereich betont Trappe »den Aspekt der konvergierenden Ziele als Hauptmerkmal. […] Gerade im kulturellen Bereich kommt es auf die gemeinsamen Ziele einer PPP an, da gerade bei ihnen große Gewinne meist nicht absehbar sind.« (Trappe 2008: 24) PPP-Modelle wurden in Deutschland im Kontext von Privatfinanzierungen öffentlicher Aufgaben ursprünglich in den Bereichen Straßenbau und Hochbau eingeführt und finden hier u.a. eine gesetzliche Grundlage im Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz von 1994. Hauptziel von PPP-Projekten im Baubereich ist es, alternative Finanzierungsmodelle für aufwendige und langfristige Investitionsvorhaben zu entwickeln und zu realisieren (vgl. ausführlich Beispiele und Ansätze in Weber/Schäfer/Hausmann 2007: 641-728 und Sack 2006.) Die »unterschiedlichen Formen von PPP mit ihren spezifischen Problemfeldern« sind nach Budäus »in der aktuellen Diskussion [jedoch, Anm. U.H.] wenig oder gar nicht erkennbar«. Diese konzentriere sich »sehr einseitig auf Bauprojekte und blendet dabei ganz wesentliche zukünftige PPP-Felder aus der Diskussion aus« (Budäus 2006: 11). PPP »als Ansatz zur Mobilisierung der in einer Region verfügbaren Ressourcen zur Verbesserung von Infrastruktur, Wachstum, Kultur, Bildung und Lebensqualität findet bisher kaum Beachtung. […] Im Sinne der Mobilisierung von Ressourcen und Potenzialen einer Region durch Kooperationsansätze hängt PPP unmittelbar zusammen mit neueren Ansätzen zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen sowie zur Bürgergesellschaft.« (Ebd.: 25) Aber nicht nur in der Diskussion, auch in der konkreten Praxis sind PPP-Modelle z.B. im Kultursektor noch wenig verbreitet. Zwar gibt es inzwischen eine Fülle öffentlich-privater Kulturkooperationen auf der regionalen Ebene. Diese reichen jedoch meist nicht über einen kurzfristigen Austausch bzw. eine punktuelle gemeinsame Nutzung von Ressourcen hinaus. Dabei »bieten die mit PPP verbundenen Chancen und Möglichkeiten, gerade außerhalb des Hochbaus, durchaus Perspektiven für die Entwicklung von Regionen und den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur im weitesten Sinn. Sei es im Gesundheitswesen, im Bildungswesen, im Kulturbereich oder auch auf dem Sicherheitssektor, PPP werden generell an Bedeutung gewinnen.« (Budäus 2006: 8)
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5.2
Grundmodelle und Gestaltungsformen
Um zu einer Typisierung unterschiedlicher PPP-Modelle zu gelangen, schlägt Budäus zwei Grundkategorien bzw. -modelle vor: das Tauschmodell und das Poolmodell (vgl. dazu ausführlich: Budäus 2006: 17ff.). Während beim Tauschmodell der private Partner auf der Basis eines Vertrages eine konkrete Leistung für den öffentlichen Partner zu erbringen hat, entsteht beim Poolmodell eine neue Organisationsform ›zwischen Staat und Markt‹ durch die Zusammenlegung von Ressourcen in einen gemeinsamen Ressourcenpool. »Der Kooperationsbedarf resultiert […] aus der Notwendigkeit, die Zielsetzung, die organisatorische und personelle Zuordnung des Managements und die Verteilung der erzielten Ergebnisse des Ressourcenpools gemeinsam von den Partnern festzulegen. Bei der auf einem Ressourcenpool basierenden PPP handelt es sich um eine Organisations-PPP in Form einer gemischtwirtschaftlichen Unternehmung.« (Budäus 2006: 17) Abbildung 5: Grundmodelle von Public Private Partnership (nach Budäus 2006)
Harling entwickelt eine andere Systematik, in der die verschiedenen PPP-Modelle nach ihrem Grad der privaten Aufgabenerfüllung und Beteiligung bzw. der öffentlichen Einflussnahme kategorisiert werden. Dabei unterscheidet er fünf Organisationsmodelle, die sich insbesondere auch durch ihre rechtliche Architektur voneinander abgrenzen lassen (vgl. dazu auch ausführlich Sester/Bunsen 2005):
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Abbildung 6: PPP-Organisationsmodelle (nach Harling 2004)
Angesichts dieser Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten öffentlich-privater Kooperationen findet sich in der Praxis eine Fülle unterschiedlicher Vertragsarchitekturen. Ellenrieder und Kiel (2006) geben jedoch einige generelle Hinweise zum Inhalt von PPP-Verträgen: • detaillierte Leistungsbeschreibung • Mitspracherechte und Entscheidungskompetenzen der Partner • klare Verteilung der Verantwortung, Aufgaben und Risiken • Sicherung der Interessen und Ziele der Partner • Einnahmeregelungen der Institution bzw. der Partner • Auskunfts- und Einsichtsrechte • Aufnahme weiterer Partner oder Gesellschafterwechsel • Haftung der Partner • Festlegung eines dauerhaften Controlling • Möglichkeiten der Qualitätskontrolle • Einschaltung von Subunternehmern bzg. Vergaberecht und Haftung • Möglichkeiten zur Beendigung einer PPP • Vorsorge bei Ausfall eines Partners (Schadensersatz) (Ellenrieder/Kiel 2006, S. 46) Es folgen Beispiele für PPP-Modelle: • Kooperationsmodelle zwischen öffentlichen und privaten Partnern sind in der Rechtsform der bürgerlich-rechtlichen Stiftung, als GmbH oder Verein anzutreffen. So ist die Stiftung museum kunst palast in Düsseldorf gemeinsam von der Stadt und der VEBA AG (heute E.ON AG) errichtet worden, später sind als private Partner noch die Metro Group und die Degussa AG dazu gekommen. Zu den Gründungsstiftern der Stiftung Schloss und Park
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Benrath gehören neben der Landeshauptstadt Düsseldorf das Unternehmen Henkel, Düsseldorf, der Mäzen Udo van Meeteren, die Stadtsparkasse Düsseldorf sowie der Verein ›Rettet Torhaus und Ostflügel von Schloss Benrath‹. Zustifter sind bisher das Unternehmen Siemens sowie der Landschaftsverband Rheinland, Köln. Träger und Betreiber des Literaturhauses in München ist die Stiftung Buch-, Medien- und Literaturhaus München, 1993 gegründet von der Landeshauptstadt München sowie Verlegern und Buchhändlern. Die 1984 eröffnete Stadtbibliothek Gütersloh wird als GmbH geführt, an der die Stadt Gütersloh mit 51 Prozent und die Bertelsmann Stiftung mit 49 Prozent beteiligt sind. Die Bau- und Einrichtungskosten für die Bibliothek haben sich die beiden Gesellschafter geteilt, die Betriebskosten der Bibliothek werden gemäß Gesellschaftervertrag durch einen jährlich neu ausgehandelten Zuschuss allein durch die Stadt Gütersloh finanziert. Die politische Verantwortung für die Stadtbibliothek obliegt dem Rat der Stadt Gütersloh resp. dem fachlich zuständigen Ausschuss für Schule und Bildung. Die Bertelsmann Stiftung finanzierte einzelne Projekte mit Modellcharakter. Als eines der ältesten Public-Private-Partnerships Deutschlands gilt der Verein Spielmotor München e.V., der vor 30 Jahren von der Stadt München und BMW gegründet wurde. Spielmotor veranstaltet das Theaterfestival SPIELART und beteiligt sich maßgeblich an der Münchener Biennale, dem Internationalen Festival für neues Musiktheater, sowie an der internationalen Tanztheaterbiennale DANCE. Auch das NRW-Forum Kultur und Wirtschaft, ein Institut mit Ausstellungen und Veranstaltungen zu Kunst, Medien, Fotografie, Architektur, Mode und Design, ist eine öffentlich-private Kooperation in der Rechtsform eines Vereins. Ein Beispiel für ein Betriebsüberlassungsmodell ist das Muffatwerk in München. Zwischen dem Kulturreferat der Stadt München und der Betriebsgesellschaft wurde ein Trägerschaftsvertrag geschlossen: Die Stadt München bezuschusst die Betriebskosten des Muffatwerkes und belegt die Halle dafür mit bis zu 100 Tagen Kulturprogramm im Jahr. Die Finanzierung ihres Programms bestreitet die privatwirtschaftlich geführte Muffathalle Betriebs GmbH auf eigenes Risiko. In den Jahren 1999-2003 wurde in Erfurt ein Theaterneubau mit einem Investitionsvolumen von ca. 20 Millionen EUR errichtet. Zur Finanzierung wurde ein PPP-Modell entwickelt, in das die Deutsche Kreditbank AG als privater Partner eingebunden wurde. Auch die Elbphilharmonie in Hamburg mit geplanten Gesamtinvestitionskosten von 330 Millionen EUR wird im Rahmen eines komplexen PPP-Vertrages von der Admanta Projektgesellschaft unter der Leitung von HOCHTIEF errichtet werden. Eine extreme, ungewöhnliche und auf den ersten Blick fragwürdige Form der öffentlich-privaten Kooperation wählte die Stadt Oelsnitz für den Be-
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trieb ihrer Museen: Zum 1. Januar 2008 wurde der Betrieb nach einer öffentlichen Ausschreibung vollständig an die ›Securitas Sicherheitsdienst GmbH & Co KG‹ aus Leipzig übertragen. Auch die museale Arbeit soll von dem privaten Unternehmen abgesichert werden. Das Unternehmen übernimmt im Rahmen eines zunächst auf zwei Jahr befristeten Betreibervertrages das Magazin, die Ausstellungsbetreuung, den Kassenbereich und den Museumsshop. Die Stelle der Museumsleitung wird nicht besetzt, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter wird auf der Basis eines Werkvertrages an der Konzeption mitarbeiten (vgl. Wöllner 2008).
6 AUSBLICK Regionale Kooperationen im Kulturbereich haben eine lange Tradition und werden heute verstärkt wieder gefordert und gefördert. So vielfältig wie die Kooperationsformen in regionalen Kulturbereich, so breit ist das Spektrum der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Aufgrund der fehlenden einheitlichen Normierung von Kooperationsverträgen und weil bei der Zusammenarbeit unterschiedlicher Partner viele Rechtsgebiete berührt werden, besteht oft eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Dadurch können im Einzelfall sinnvolle Kooperationen sogar verhindert oder aber deren Erfolgsaussichten negativ beeinflusst werden. Oft wird Neuland betreten – Experimente sind notwendig, aber riskant. Es fehlt häufig nicht nur an fachlich fundierter Beratung, sondern auch an einer systematischen Evaluation bisheriger Erfahrungen. Die hier gegebenen Übersichten und Hinweise sollen die Kulturschaffenden und ihre Träger dabei unterstützen, den vorhandenen rechtlichen Rahmen auszuschöpfen und neue Wege zu gehen.
QUELLENVERZEICHNIS Alfen, Hans Wilhelm; Fischer, Katrin (2005): Der PPP-Beschaffungsprozess, in: Weber, Martin; Schäfer, Michael; Hausmann, Ludwig (Hg.): Praxishandbuch Public Private Partnership, München, S. 1-84. Beinert, Stefanie (2007): Steuerrecht, in: Hoppe, Werner; Uechtritz, Michael (Hg.): Handbuch Kommunale Unternehmen, 2. Aufl., Köln, S. 297-364. Budäus, Dietrich (2006): Public Private Partnership – Kooperationsbedarfe, Grundkategorien und Entwicklungsperspektiven, in: Budäus, Dietrich (Hg.): Kooperationsformen zwischen Staat und Markt. Theoretische Grundlagen und praktische Ausprägungen von Public Private Partnership, Baden-Baden, S. 11-28. Ellenrieder, Kerstin; Kiel, Hermann-Josef (2006): Public Private Partnership im Kulturbereich. Gestaltungsmöglichkeiten für Akteure, Künzelsau.
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Uwe Hanf £Rechtliche Aspekte von regionalen Kooperationen im Kulturbereich
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
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AKTEURSNETZWERKE UND DIALOGSTRUKTUREN R E G I O N A L E R K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H Andreas Huber
1 EINFÜHRUNG Dieser Aufsatz behandelt das komplexe Verhältnis von Innensicht und Außensicht auf Veränderungen des Kulturbereiches. Einerseits bedeutet ein höherer Anteil an Kooperation auch ein größeres Maß an Komplexität und damit Steuerungsnotwendigkeit (Innensicht). Gleichzeitig wird dadurch die Chance auf Prosperität und Gestaltbarkeit erhöht (Außensicht). Wenn es gelingt, eine Balance zwischen Komplexität einerseits und Prosperität andererseits zu schaffen, kann die hohe Qualität des hiesigen Kulturbereiches noch viele Jahre bestehen und weiter entwickelt werden. Wenn diese Balance in einer Region nicht gelingt, wird das entweder Auswirkungen auf die hierarchische Steuerung haben oder gar die Prosperität einer gesamten Region betreffen. Der Kulturbereich ist dabei nicht der Treiber der ökonomischen Entwicklung, aber als Indikator für Kooperationsarrangements in Regionen durchaus geeignet für eine qualitative Einschätzung der Akteursnetzwerke vor Ort: Wo es intensive Netzwerkbeziehungen und kooperierende Akteurskonstellationen gibt, wird auch insgesamt ein vernetzungsfreundliches Milieu herrschen. Kooperation im Kulturbereich kann aus dieser Sicht also als die abhängige Variable des Faktors ›Vernetzung‹ einer Region vermutet werden. Da es hierzu noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, muss dieses bisher eine bloße Annahme oder Vermutung bleiben. Im ersten Abschnitt des Artikels wird das Kräfteverhältnis Politik-Verwaltung-Kunst ›von innen‹ untersucht. Dieses Akteursverhältnis ist von Erwartungen und Machtbestrebungen geprägt wie nur wenige andere gesellschaftliche Bereiche – mit Ausnahme des Gesundheitssektors vielleicht. Kein Politiker möchte als ›unkultiviert‹ gelten, wenn er das Budget eines Kulturbetriebes kürzt, oder als ›Totengräber der Kultur‹ verunglimpft werden, weil er versucht, überholte Strukturen an heutige Erfordernisse anzupassen und dabei auf Befindlichkeiten stößt. Im zweiten Abschnitt werden die Auswirkungen von Kooperation auf die Prosperität von Regionen untersucht. Die These lautet hierbei, dass je mehr Kooperationen in einer Region vorhanden sind, umso mehr Prosperität bzw. politischer Gestaltungsraum zu erwarten ist. Interessant ist hierbei insbesondere der Umstand, dass es direkt nachweisbare Zusammenhänge zwischen Kooperationsverhalten und politischem Gestaltungsraum in einer Region gibt. Im dritten Abschnitt werden die Ergebnisse thesenartig zusammengefasst.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
2 DIE SICHT VON K O O P E R AT I O N E N 2.1
INNEN: ERHÖHEN DIE
K O M P L E X I TÄT
Er wartungen, Potenziale und Komplexität
Wer sind die Akteure im öffentlichen Kulturbereich? Wer kooperiert mit wem und warum? Welche Auswirkungen kann eine ›Kultur der Kooperation‹ auf eine ganze Region haben? Das sind einige Fragen, mit denen sich dieser Aufsatz beschäftigt. Im öffentlichen Kultursektor sind wie überall auf der einen Seite die Aufgaben komplexer und vielfältiger und auf der anderen Seite die finanziellen Ressourcen unsicherer geworden. Angesichts sinkender öffentlicher Zuwendungen, steigender Kosten und regelmäßiger Umstrukturierungsmaßnahmen wird daher auch im Kulturbereich seit einigen Jahren vermehrt nach aussichtsreichen Möglichkeiten gesucht, den eigentlichen Kulturbetrieb in der vom Publikum erwarteten und von Politik und Verwaltung versprochenen Qualität aufrecht zu erhalten. Viele Kulturbetriebe diskutieren darüber, wie eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung in Zukunft gewährleistet werden kann und welche Möglichkeiten bestehen, mit anderen Organisationen zu kooperieren und Synergiepotenziale zu erschließen. Die beteiligten Organisationen erhoffen sich von einer Kooperation unter anderem Folgendes: • Kostenersparnis durch die Reduktion von Doppelarbeit und der Realisierung von Größeneffekten; • höhere Effizienz durch Verbesserung der Abläufe und Prozeduren (Auswahl der ›besten‹ Prozedur innerhalb eines Kooperationsgefüges); • Gewinnung eines größeren politischen Einflusses durch eine gebündelte Stimme im politischen Raum; • Anstoß von Re- und Umstrukturierungsprozessen (Benchmarking und Konvergenz); • Verbesserung der Marktposition durch größere Reichweite, gemeinsame Vermarktungsbudgets und PR-Maßnahmen und • Mobilisation weiterer Potenziale für Fundraising durch das breitere Profil. Zusammenarbeit im Kultursektor ist dabei kein neues Phänomen. Erfolgreiche Beispiele wie die Kooperation der Städte Düsseldorf und Duisburg bei der Deutschen Oper am Rhein zeigen, dass es nicht nur künstlerische, sondern auch ökonomische Vorteile intensiver Zusammenarbeit gibt. Die Zusammenarbeit kann dabei die unterschiedlichsten Formen annehmen: von der ad-hoc-geprägten strategischen Zusammenarbeit über formalisierte Kooperationen in Einzelfragen bis hin zu gemeinsamen Serviceeinheiten im Ver-
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
trieb oder der Produktion oder bis hin zu der eigentlichen Zusammenlegung von ganzen Organisationen (vgl. zu Kooperationen und Fusionen im Kulturbereich ausführlich Föhl 2008, 2009 und Föhl/Huber 2004): Abbildung 1: Typologie der Kooperation – Von der Ad-hoc-Zusammenarbeit zur Verschmelzung "EIPD ;VTBNNFOBSCFJU
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Bei dieser Einteilung steigt der Grad an Verbindlichkeit an. Die interorganisationelle Zahlungsvereinbarung – in Kulturbetrieben etwa bei gemeinsamer Vermarktung vorzufinden – ist dabei die intensivste Kooperationsform, bei der noch nicht zwei oder mehr Organisationen bzw. Teile davon verschmolzen werden. Es ist zu erwarten, dass das intensive Kooperieren bis hin zu einer Verschmelzung gemeinsamer Funktionsbereiche oder auch ganzer Körperschaften in den nächsten Jahren aufgrund des zu er wartenden Kostendrucks auf den öffentlichen Kultursektor noch zunehmen wird. Die Kooperation zweier oder mehrerer Kultureinrichtungen ist ein spezifischer und sehr komplexer Prozess. Die größten Herausforderungen im Kulturbereich bestehen darin, die gegenseitige Abstimmung miteinander oder gar das gemeinsame Koordinieren der künstlerischen Inhalte und damit Identitäten zu meistern. Im Kulturbereich haben die meisten Belegschaften eine besonders intensive Beziehung zu ›ihrer‹ Einrichtung, ›ihrem‹ Stil und ihren ›Produkten‹. Diese kulturelle Identität und das häufig zu findende persönliche Engagement und ›Feuer‹ sind die besonderen Kennzeichen dieses Sektors (vgl. ausführlich Föhl/Huber 2004). Der Kulturbereich ist geprägt von zahlreichen Akteuren und Akteursgruppen. Grob lassen sich diese in drei Gruppen zusammenfassen: (1) Auftraggeber, (2) Realisierer und (3) Kunden (Besucher/Publikum). 1. ›Akteure im politischen Umfeld‹: Die politische Arena (kurz: Politik) hat den abstrakten Auftrag durch die Wahl erhalten, sich um ›Kultur‹ und damit den gesamten öffentlichen Kulturbereich zu kümmern und diesen zu fördern; sie gibt der Verwaltung den Auftrag und ein definiertes Budget zur Finanzierung und Begleitung von Kultur. Die Verwaltung ist dann für die qualitätsvolle Erbringung bzw. Steuerung der Kultur verantwortlich gegenüber der Politik; zu ihnen gehören auch Experten, welche ökonomische, politische bzw. markenrelevante Beratung geben. 2. ›Akteure im Umfeld der Kulturbetriebe‹: Im Kulturbetrieb (kurz: Kultur) selbst existiert ein Mit- und Nebeneinander der eigentlichen künstlerischen Prozesse (›Kunst‹) und den unterstützenden und koordinierenden
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Prozessen (›Management‹). Die künstlerische Leitung ist für die künstlerische Qualität zuständig und verantwortlich und muss sich mit der kaufmännischen Leitung in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung und Ressourcenausstattung auseinandersetzen. Darüber hinaus gibt es vermittelnde und koordinierende Akteure aus dem Bereich von Agenturen, Vermittlern und Dienstleistern, die entweder die künstlerische Arbeit oder den gesamten Prozess begleiten und unterstützen. 3. ›Kundennahe Akteure‹: Die Kunden und Besucher von Kulturbetrieben (kurz: Kunden) beziehen ihr Wissen über Kultur neben dem eigenen Erleben aus direkten und indirekten Quellen und Medien. Die Multiplikatoren und Trendsetter können sowohl die herkömmlichen und neuen Medien sein als auch besondere Kunden mit außergewöhnlichen Netzwerken (zur Erfolgmessung eines neuen Kinofilms werden beispielsweise Informationen über die Besucher des ersten Spielwochenendes herangezogen, weil sich gezeigt hat, dass die formellen aber eben auch informellen Meinungsmacher als erste ins Kino gehen). Abbildung 2: Vom abstrakten Auftrag zur konkreten künstlerischen Darbietung Bürger: abstrakter Auftrag an Politik Politik: politischer Auftrag Vom Abstrakten zum Konkreten
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Verwaltung: konkretes Budget Kulturbetrieb: künstlerischer Auftrag
Management
– künstlerische Leitung – Kulturmanagement – Kulturbetrieb – Künstler
Öffentlichkeitsarbeit Steuerung
Kunst: konkrete Aufführungspraxis und Vortrag von Kunden
2.2
Kooperationen im Kultursektor
Kooperationen im öffentlichen Kultursektor unterscheiden sich von solchen im Privatsektor unter anderem aus den folgenden Gründen: 1. Einfluss der Politik (als wichtiger Initiator und Hemmfaktor zugleich). 2. ›Gefühlte‹ Betroffenheit von Nicht-Betroffenen (häufig nutzen Veränderungsgegner das Bild des ›kulturellen Niedergangs des Abendlandes‹ ohne objektive Veranlassung). 3. Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten (aufgrund tarif- und personalrechtlicher Besonderheiten im öffentlichen Sektor).
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
4. Eingeschränkte Verfügbarkeit von Managementinstrumenten (aufgrund mangelnder Erfahrung mit der fortschreitenden Ökonomisierung des Kulturbetriebes). 5. Flexibilitätsschranken (in den Aufgabenbeschreibungen wie im Personalmanagement). Die Politik übt auf die meisten Kooperationen oder auch nur Kooperationsabsichten einen großen Einfluss aus. Es lassen sich grundsätzlich zwei Typen von Kooperationen unterscheiden (vgl. Huber et al. 2004; vgl. auch Plamper 2004 und Budäus 2005): 1. strategisch-unternehmerisch induzierte Kooperationen 2. politisch induzierte Kooperationen. In der Regel ist die Entscheidung zu einer Kooperation politisch veranlasst, oft verbunden mit entsprechenden Vorgaben und Zielen – zumeist drastischen Einsparungen. Darüber hinaus wird die Politik dann auch meist auf den laufenden Umsetzungsprozess Einfluss nehmen. Dies wird immer dann kritisch, wenn Politik und Kultur (und Kunde) unterschiedliche Interessen und Zielsetzungen verfolgen oder sich die Interessen im Laufe des Kooperationsprozesses ändern, z.B. in Folge von Wahlen. Je nach Institution können auch Selbstverwaltungsgremien und die Öffentlichkeit den Kooperationsprozess beeinflussen. Dagegen sind in der Privatwirtschaft in der Regel nur Großinvestoren in der Lage, von außen in einen Kooperationsprozess einzugreifen. Das komplexe Geflecht von Entscheidungsträgern und -beeinflussern in der öffentlichen Verwaltung bedingt aufwändigere Entscheidungswege und verringert dadurch die Geschwindigkeit und womöglich sogar die Intensität einer Kooperation. In Bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten bei einer Kooperation im öffentlichen (Kultur-)Sektor sind enge Vorgaben bzw. Regularien vorhanden, so dass selbst unwirtschaftliche Leistungen bisweilen nicht grundsätzlich zur Disposition gestellt werden können, weil sie politisch erwünscht und erforderlich sind. Ein Outsourcing von Unterstützungsdienstleistungen ist dagegen meist sehr wohl möglich (siehe etwa Opern in Wien und Berlin und die dortige Ausgliederung der Bühnenservices; vgl. Klipstein/Priddat 2006, DStGB 2003, Harms/Reichard 2003, Priddat 2005, Schneider 2005, Budäus 2006). Da zahlreiche Kulturbetriebe direkt oder indirekt das öffentliche Dienstrecht anwenden, gelten auch die dort formulierten Bedingungen. In vielen Fällen wäre es im Hinblick auf eine Kooperation oder Teilzusammenlegung viel einfacher, künstlerisches Personal zu reduzieren, weil diese oft temporäre und/ oder freie Arbeitsverhältnisse haben, als Personen aus der Verwaltung oder den unterstützenden Services. Gerade diese braucht man aber nur, wenn ins-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
gesamt genügend künstlerische Personen gebraucht und vorhanden sind. Bei einer Untersuchung des DStGB zur Verwaltungsmodernisierung wurde 2007 herausgefunden, dass eine Stellenreduktion im öffentlichen Sektor in fast 80 Prozent der Fälle in den ausführenden Verwaltungsteilen stattgefunden hat und nur zu 20 Prozent in den verwaltenden und unterstützenden Bereichen. D.h., das Verhältnis der ausführenden Personen (= wertschöpfend) zu den unterstützenden Personen (= prozessbegleitend) hat sich zu Ungunsten der Ausführung und zu Gunsten der Verwaltung verschoben. Eine Besonderheit bei Kooperationsvorhaben im Kulturbereich ist der Umstand, dass die Diskussionen über Sinn und Unsinn einer Kooperation häufig öffentlich ausgetragen werden. Dabei ist es immer einfacher, ›gegen‹ etwas zu sein als ›für eine Sache‹. Zweifler oder gar ›Prozesssaboteure‹ können also weder gesteuert, ausgeschlossen oder auf andere Weise vom Stören abgehalten werden, sondern sie können über die Presse oder durch eine Instrumentarisierung von Politik und Öffentlichkeit einfacher Gehör finden als die Befürworter. Sehr schön kann man das an der rückgängig gemachten Theaterkooperation bzw. -fusion Eisenach/Rudolstadt, der nicht zustande gekommenen Theaterehe Weimar/Erfurt oder an der gescheiterten Verwaltungsfusion im Landkreis Lüchow-Dannenberg aufzeigen, die aufgrund der Bürgerproteste bzw. der Intervention von einflussreichen Personen bzw. Gruppen wieder aufgelöst bzw. abgebrochen wurden. In Bezug auf die Einführung von ›modernen Managementmethoden‹ sind Kulturbetriebe sehr heterogen. Manche arbeiten seit Jahren mit Produkten, Budgets und führen mit Zielvereinbarungen, andere sind noch lange nicht so weit (vgl. Harms/Reichard 2003, Bogumil 2004, Knipp et al. 2005, Cepiku 2005). Wenn eine Kooperation im Kulturbereich anberaumt wird, fangen die Probleme manchmal damit an, dass die zwei oder mehr Kooperationspartner unterschiedliche Zahlenwerke und Berechnungsgrundlagen haben. So wird dann die Verständigung auf Grundfragen der Ressourcen- oder die Wirtschaftlichkeitsberechnung zum ersten Stolperstein. Gerade wenn eine Kooperation auch Anteile an ›Ressourcenaustausch‹ beinhalten soll – etwa bei gemeinsamen Zahlungs-, Buchungs- und Abrechnungssystemen – sind genau definierte Prozesse und valide Daten eine wichtige Grundlage der Kooperation. Aus den Unterschieden erwachsen ansonsten zahlreiche Probleme und Stolpersteine. Eine womöglich noch größere Auswirkung auf den Erfolg einer Kooperation als die unterschiedlichen Organisationsstile und Rechnungssysteme haben die weichen Faktoren: z.B. Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit, Identifikation mit der Organisation, Zustimmung zur Kooperation oder Angst vor Bedeutungsverlust und Privilegien usw. Bei allen Arten von Kooperationen oder Organisationsveränderungen wirken sich die Identifikation mit dem Vorhaben, das Selbstverständnis als Organisation, die Ängste vor Veränderungen
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
und Befindlichkeiten der Beteiligten auf den Erfolg des Kooperationsprozesses aus. Je weniger überzeugend die Kooperationsmotive oder der Kooperationsprozess sind, umso geringer die Unterstützung der Mitarbeiterschaft und umso geringer die Erfolgswahrscheinlichkeit der Kooperation als Ganzes. Es ist also notwendig, insbesondere die Mitarbeiterschaft intensiv einzubinden (vgl. Gießner 2004, 2006). Von besonderer Bedeutung ist hier die Schnittstelle zwischen ausführender und leitender Ebene. Denn bei genauer Betrachtung der längerfristigen Auswirkungen von Kooperationen auf den Organisationsaufbau wird man schnell feststellen, dass Kooperationen auf die Dauer wahrscheinlich zu Ausgliederungen bzw. Zusammenlegungen von Teilen der Organisationen führen werden (siehe Berliner Opern und der gemeinsame Bühnenservice). Perspektivisch vergrößert sich daher durch eine Kooperation auf der Leitungsebene die so genannte ›Leitungsspanne‹. Die Leitungspersonen haben dann zwar mehr Mitarbeiter, mehr Projekte und mehr Querschnittsfunktionen und damit mehr Mittel, aber die andere Hälfte der Leitungsebene wird weniger bis nicht mehr gebraucht. Daher haben Personen aus der Leitungsebene eher das Interesse, eine tiefer greifende und wirklich sinnvolle Kooperation zu verhindern, um nicht den eigenen Einfluss und an Bedeutung zu verlieren. Bei jeder Überlegung einer Kooperation sollte dieser Moment bedacht werden, nämlich dass die Leitungsspanne normalerweise vergrößert wird. Die Personen in den ausführenden Bereichen lassen sich hingegen eher selten reduzieren, da sich die zu bearbeitenden Aufführungen, Exponate und anderen Fallzahlen durch eine Kooperation nicht verändern. Diese ausführende Ebene hat in der Regel die größte Sorge vor Arbeitsplatzverlust – aber im engeren Sinn wird man die Ausführenden immer brauchen. Im Falle der Neuen Philharmonie Westfalen wurden zwei kleinere Klangkörper zu einem größeren verschmolzen, um so viele Künstler wie möglich halten zu können und auch größere Repertoirestücke spielen zu können (vgl. Föhl 2006). Außer der Entscheiderebene lassen sich regelmäßig noch die so genannten ›sekundären‹ oder ›zentralen Dienste‹ (shared services) zusammenfassen und optimieren. 2.3
Den Mentalitätswandel einfordern und begleiten
Erstaunlich am gesamten öffentlichen Sektor – vielleicht sogar am stärksten im Kulturbereich – ist das Selbstempfinden innerhalb der meisten Organisationen, sowohl in Bezug auf ihre Ablauf- und Aufbauorganisation als auch auf die kulturellen Werte und Gepflogenheiten so einzigartig zu sein, dass sich eine Kooperation aus kulturellen Gründen nahezu ausschließen würde. Diese unhaltbare Argumentation ist sowohl bei Kooperationsanbahnungen wie auch tiefer greifenden Organisationsveränderungen wie etwa Fusionen oft
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
zu hören. Dies scheint um so mehr zuzutreffen, je kleiner oder abgeschlossener die betreffende (politische) Einheit ist: Gerade bei kleinen Organisationen werden von den Gegnern gezielt die Ängste vor Überfremdung und Anonymität in einer neuen, größeren Organisation geschürt. Auf diese Weise soll eine Kooperation oder ein möglicher Zusammenschluss erschwert bzw. verhindert werden, was immer wieder erfolgreich ist. Außerdem haben aufgrund der starken Stellung des Personalrats in einer öffentlichen Einrichtung die Mitarbeiter ein derart großes Mitspracherecht wie in wohl kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich. Und sie stehen Kooperationen und Auslagerungen – unabhängig von ihrer organisationellen Notwendigkeit – zunächst ablehnend gegenüber. Außerdem haben Fusionen per se einen eher schlechten Ruf (vgl. Jansen 2004a/b), weil häufig befürchtet wird, dass damit Arbeitsplätze reduziert werden. Obgleich dies im öffentlichen Sektor aufgrund des besonderen Dienstrechtes fast nicht möglich ist, hegen Personalräte ähnliche Befürchtungen wie Betriebsräte in der Privatwirtschaft. Eigentlich müssten sie über die Vergrößerung der Leitungsspannen und die Reduktion der Leitungsfunktionen insgesamt froh sein, weil das eine Aufwertung des ausführenden Arbeitsplatzes bedeutet. Aber es scheint in der Natur von Kooperationen und Fusionen zu liegen, dass sie zunächst einmal auf Antipathie und Skepsis stoßen.
3 DIE SICHT VON K O O P E R AT I O N E N 3.1
AUSSEN: ERHÖHEN DIE
A T T R A K T I V I TÄT
Der Kulturbereich als weicher Standortfaktor einer Region
Der Kulturbereich zählt zu den so genannten ›weichen Standortfaktoren‹. Das sind diejenigen Faktoren, die neben den ›harten‹ Faktoren wie z.B. Erschließung, Größe, Preis usw. die langfristigen Qualitäten eines Standortes ausmachen. Dazu gehört das soziale und vor allem kulturelle Kapital einer Region. In den Wirtschaftswissenschaften weiß man heute um die besondere Bedeutung der weichen Faktoren, denn sie geben letzten Endes immer wieder den Ausschlag für Ansiedlung bzw. Umzug von Unternehmen wie Arbeitnehmern. Diese weichen Faktoren sind unter anderem Erreichbarkeit von Bildung und Kultur, kulturelle Vielfalt und Professionalität, Angebot, Kinderbetreuung, Arbeitskräfteangebot usw. Diese Faktoren bestimmen in weit größerem Maße als früher angenommen die persönlichen Entscheidungen vor Wirtschaftsführern wie Arbeitnehmern gleichermaßen (vgl. Jansen 2004a/b). Dem Kulturbereich kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion als weicher Standortfaktor zu, denn er prägt entscheidend das Lebensund Kulturgefüge einer ganzen Region mit. Wer es sich leisten kann, sucht sei-
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
nen Lebens- und Arbeitsplatz in einer Region, in der Einkommen, Natur und eben Kultur ausgeglichen verteilt und gut erreichbar sind: Die Möglichkeit, in München großartige Theateraufführungen zu besuchen, schnell in die Alpen zum Wandern fahren zu können und auf einem guten Arbeitsmarkt eine attraktive Arbeitsstelle finden zu können, sind ausgesprochen interessant und ziehen viele Personen an. Eine Region ist gut beraten, wenn sie den Ausgleich zwischen diesen drei Polen Arbeit, Umwelt und Kultur sucht. Der Kooperation im Kulturbereich kommt in Hinblick auf den Standortfaktor eine besondere Bedeutung zu, denn durch Kooperationen können z.B. Angebote ausgebaut und insgesamt die kulturelle Vielfalt vergrößert werden. Interessante Kooperationsvorhaben wie etwa die intensive Kooperation des Stadttheaters mit den Off-Theatern und Gruppen in Hildesheim hat dort dazu geführt, dass insgesamt die Besucherzahlen gestiegen sind – und das ohne Budgetänderung (vgl. Bircher 2004). Entscheidend für die Aktivierung der in einer Region liegenden endogenen Potenziale ist die Organisations- und Kooperationsfähigkeit der Politik. Dies meint vor allem Organisation von Interessen und umfasst die Identifizierung von Handlungsräumen, Entwicklung von Initiativen, Vorgabe von Leitideen, Initiierung und Aufrechterhaltung von Kommunikation, Sicherstellung des Informationsflusses, Verteilung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, Vermittlung von Entscheidungsprinzipien und Interaktionsregeln, Schaffung von Strukturen, Verfahrensherstellung, Moderation, Ressourcenverteilung und nicht zuletzt auch Kontrolle und Sanktionierung. Die Politik verfügt demnach indirekt durchaus über einen großen Gestaltungsspielraum, denn sie gibt den institutionellen Rahmen vor, welcher wiederum den Verhandlungsprozess prägt. Durch die Förderung von Kommunikation zwischen den gesellschaftlichen Akteuren und die Initiierung gemeinsamen Handelns, die Verdichtung von Beziehungen sowie die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten der regionalen Akteure am politischen Entscheidungs- und Implementierungsprozess gewinnt die Politik wichtige Steuerungsmöglichkeiten. Je stärker die Politik die Kooperation im Kulturbereich einfordert, umso größer ist der Handlungsdruck selbst bei auseinandergehenden Interessen einzelner Kulturakteure. Die Organisations- und Interaktionsfähigkeit wird damit zu einer eigenen Ressource, die wiederum Ressourcen innerhalb einer Region freisetzen kann. D.h., um die vorhandenen Ressourcen einer Region effektiv nutzen zu können, muss die öffentliche Hand in der Lage sein, kollektive Entscheidungen mitzubestimmen (vgl. Grasse 2005: 45ff.). Und dies gelingt ihr durch die Einbindung der gesellschaftlichen Teilsysteme in den Politikprozess, wodurch sie nicht nur die privaten Akteure mit in die Verantwortung nimmt, sondern indirekt auch deren Ressourcen und Fähigkeiten nutzbar macht. Für die Organisations- und Interaktionsfähigkeit spielt wiederum soziales
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und kulturelles Kapital in Form von regionaler Identität eine wichtige Rolle. Regionale Identität beschreibt in diesem Zusammenhang die positive Identifikation mit der Region, welche auch die Bereitschaft beinhaltet, sich aktiv für deren Belange einzusetzen. Kollektive Identität verbessert den Zugang zu Ressourcen, da sie Gemeinschaftsbildung fördert und die Konzentration der Kräfte auf ein gemeinsames Ziel ermöglicht, deren Realisierung allen Beteiligten zugute kommt. Gemeinschaftsbildung und erfolgreiche Kooperation schaffen zudem neues Vertrauen, was wiederum soziales Kapital und regionale Identität stärkt und dadurch eine Eigendynamik in Gang setzt. Grundsätzlich erhöht eine starke regionale Identität daher auch die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Regionen mit einer schwächer ausgeprägten Identität (vgl. Grasse 2005: 61f., vgl. auch Metze/Schroeckh 2004). Für die effektive Nutzung dieses Kapitals ist allerdings die Einbindung von auf regionaler Identifikation basierenden Aktivitäten in den Politikprozess von entscheidender Bedeutung (vgl. Bengelsdijk/van Schaik 2005), denn regionale Identität alleine ist kein Garant für wirtschaftliche Entwicklung (vgl. Mauermeister 2005). Unkoordiniertes Verhalten der Beteiligten führt häufig zu lediglich suboptimalen Ergebnissen. Wenn etwa die Möglichkeit für die Teilnahme von privaten Akteuren an regionaler Kultur durch die Reduktion von Förderungen fehlt, werden unter Umständen aufgrund der eingeschränkten Perspektive durchaus relevante Faktoren nicht berücksichtigt. Ziel einer erfolgreichen Regionalpolitik sollte daher sein, die jeweils spezifischen Funktionsleistungen der einzelnen gesellschaftlichen Teilsysteme wie etwa den Kulturbereich durch effektive Kooperationsstrukturen nutzbar zu machen (vgl. Batt 1997: 167ff., vgl. auch Benz 2004). Es existieren zahlreiche Schnittmengen zwischen den Interessen von Politik, Kultur und Kunden. Das Kooperationspotenzial entfaltet sich in der Regel jedoch nicht selbständig, sondern muss aktiv erschlossen werden. Hier spielt die Politik eine zentrale Rolle, weil sie Kooperationen anregen und einfordern kann: Abbildung 3: Der Kooperationsprozess – Akteure, Effekte, Ergebnisse EFFEKTE
AKTEURE Politik
Bessere Koordinierung Erhöhte Flexibilität Mobilisierung von externem Sachverstand Verbreiterung der Informationsbasis
Kultur
Kunden
Mobilisierung von Akzeptanz und Mitwirkungsbereitschaft Annäherung von Interessenlagen
ERGEBNISSE Kulturvielfalt Bewältigung komplexer Problemlagen Überwindung von Implementationsblockaden Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten Planungssicherheit
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
Um zu verdeutlichen, welchen positiven Einfluss regionale Kooperationen haben können, werden im Folgenden zwei Studien vorgestellt, welche die Wechselwirkung von Kooperation und Prosperität beleuchten. Für den Kulturbereich interessant sind dabei die qualitativen Wirkungen der Kooperation, nämlich Verdichtung der Netzwerke (1. Studie ›DORA‹) und Vergrößerung des politischen Gestaltungsraums (2. Studie) (vgl. Blume et al. 2006). 3.2
Auswirkungen des Kooperationsstils auf die Interaktionsfähigkeit und Prosperität einer Region
Im Rahmen eines groß angelegten, von der EU geförderten Forschungsprojektes zur Dynamik des ländlichen Raumes (DORA, Dynamic of Rural Areas) hatte ein Team von Wissenschaftlern der Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL Braunschweig) die Bedeutung des sozialen Kapitals und der politischen Kooperationsbeziehungen in verschiedenen Regionen Deutschlands untersucht. Erforscht wurden zwei Regionen, die ähnliche Ausgangsbedingungen hatten und sich in den letzten zwei Jahrzehnten sehr unterschiedlich entwickelt haben: Die Landkreise Emsland und Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen waren eher periphere und agrarisch orientierte Räume, die zudem weit von einer Autobahn entfernt lagen und daher keine optimale Infrastrukturausstattung besaßen (vgl. Schrader et al. 2001, vgl. auch Schrader 2003). Dabei zeigte sich, dass sich die Region Emsland in den letzten Jahren durch ein starkes wirtschaftliches Wachstum auszeichnete, wohingegen die Region Lüchow-Dannenberg wirtschaftlich stagniert beziehungsweise in Teilen schrumpft und eine hohe Schuldenbelastung der öffentlichen Hand zu stemmen hat. Die DORA-Studie untersuchte Wirkungsfaktoren für diese unterschiedliche Entwicklung und kommt zusammenfassend zu dem Schluss, dass es die besondere ›Politik- und Kooperationsfähigkeit‹ der Emsländer ist, welche das wirtschaftliche Wachstum fördert. In Lüchow-Dannenberg hingegen identifizierten die Wissenschaftler mittels Netzwerkanalysen und Befragungen eine Kultur des Misstrauens und ein insgesamt niedrigeres Kooperationslevel als im Emsland. Ein mögliches Investitionsvorhaben hat in Lüchow-Dannenberg, der Studie gemäß, mit einer wesentlich größeren Zahl an Gegnern zu rechnen als ein vergleichbares Vorhaben im Emsland. Die große Zahl potenzieller Verhinderer in Lüchow-Dannenberg erklärt die Studie einerseits mit dem unterschiedlichen Politikstil und andererseits mit der besonderen Situation des Landkreises durch die geplante Atommülllagerstätte Gorleben. Durch die jahrzehntelange gesellschaftliche Auseinandersetzung um die Ansiedlung dieser Lagerstätte und den dadurch bedingten Zuzug kritischer Bürger (Anti-Atomkraftbewegung) haben sich gegensätzliche politische Positionen verfestigt, die den inhaltlichen Dialog zu politischen Sachthemen er-
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schweren. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren ist daher häufiger durch Rivalität und Misstrauen geprägt als im Emsland. Auch ist die regionale Identität in der wirtschaftlich wesentlich weniger erfolgreichen Region Lüchow-Dannenberg geringer ausgeprägt (Schrader et al. 2001). Insgesamt zeigt die DORA-Studie, dass es eine positive Korrelation zwischen wirtschaftlicher Entwicklung einer Region und der Ausprägung regionaler Identität sowie regionaler Interaktionsfähigkeit gibt. Eine Studie der Universität Kassel (vgl. Blume et al. 2006) untersuchte hingegen ökonomische Effekte von Regionalkreisreformen. Für diese finanzwissenschaftliche Analyse wurden 99 westdeutsche monozentrische Stadtregionen mit 65 kreisangehörigen und 34 kreisfreien Kernstädten untersucht. Im Grunde ging es bei der Untersuchung um die Frage, welche ökonomischen Auswirkungen eine institutionalisierte Kooperation in Regionen hat. Hintergrund sind Bestrebungen, Regionen ähnlich der Region Hannover zu bilden, in der die kreisfreien Städte wieder mit den umliegenden Kreisen vereint werden. Letzten Endes geht es aber um die Frage, ob Stadtregionen ökonomisch erfolgreicher sind als kleinteilige Regionen und ob man kleinteiligeren Regionen die Durchführung von Reformen beziehungsweise institutionalisierten Kooperationen nahelegen sollte. Die Untersuchung kommt im Wesentlichen zu den folgenden Aussagen: 1. ›Kooperationen erhöhen kaum die Prosperität einer Region‹: Die elf Städte mit den umfangreichsten Eingemeindungen wuchsen von 1980 bis 1998 pro Jahr durchschnittlich um 0,5 Prozent schneller als die Referenzgruppe der verbleibenden 79 Städte. Allerdings ist dieses zusätzliche Wachstum sehr gering, so dass dies allein kein gutes Argument für Kommunalfusionen wäre. Insgesamt haben Eingemeindungen aber keinen messbaren direkten Einfluss auf das wirtschaftliche Wachstum. 2. ›Kooperationen reduzieren den Schuldenstand‹: Die integrierten Stadtregionen mit kreisangehöriger Zentralstadt haben jedoch einen durchschnittlich um 20 Prozent niedrigeren Schuldenstand als die von Kreisgrenzen zerschnittenen Stadtregionen der Referenzgruppe. Aus dem Quotienten von Steuereinnahmen und Schuldenstand errechnet sich die kommunale Gestaltungsquote. Dieser Wert bemisst den Grad an politischer Gestaltungsfreiheit in Zeiten knapper Kassen und ist als wichtiger Indikator zu werten. 3. ›Kooperationen reduzieren den Zuschussbedarf‹: Die Untersuchung zeigte auch, dass das mittel- und langfristige Synergiepotenzial bezogen auf den Zuschussbedarf der untersuchten Aufgaben (Allgemeine Verwaltung, Öffentliche Sicherheit, Schulen, Volkshochschulen, Soziale Sicherheit, Gesundheitsverwaltung, Tourismusförderung, ÖPNV und regionale Ein-
Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
richtungen) bei ca. vier bis fünf Prozent liegt. Aufgrund der hohen Finanzvolumina ist auch dieser Wert als gewichtig anzusehen. Für Kooperationen im Kulturbereich sind die beiden Studien insofern von großem Interesse, als sie aufzeigen, dass die Kooperationshäufigkeit und -intensität eine Wirkung auf eine ganze Region hat. Besonders die Ergebnisse 2. und 3. der Kasseler Studie zeigen, dass ›harte‹ Synergien erreichbar sind. Gerade der Faktor der so genannten ›Gestaltungsquote‹, also der Quotient aus Einnahmen und Schuldenstand, ist für kooperierende Regionen signifikant besser als bei nicht-kooperierenden Regionen. Diese auf empirischen Daten beruhende großzahlige Untersuchung belegt damit ökonomische Effekte von regionalen Kooperationen. Dass sich dabei nicht das Wirtschaftswachstum an sich verbessert, sondern fast nur die Gestaltungsquote der Politik, ist besonders zur Kenntnis zu nehmen. Für die Argumentation zur Anbahnung von Kooperationen im Kulturbereich am wichtigsten werden jedoch die Faktoren ›Zuschussbedarf‹ und ›Schuldenstand‹ sein.
4 D U R C H K O O P E R AT I O N
ENTSTEHT
DIALOG
In diesem Aufsatz wurden die Einflussfaktoren Politikstil und Interaktionsfähigkeit auf die wirtschaftliche Prosperität von Regionen im Rahmen von Kooperationen im Kulturbereich thematisiert. Trotz der Unterschiedlichkeit in der praktischen Umsetzung verbindet die angeführten Beispiele die Tatsache, dass ein kooperativer Politikstil und eine ausgeprägte Interaktionsfähigkeit zwischen den regionalen Akteuren einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Prosperität einer Region haben. Und auch wenn in diesen komplexen Beziehungsgeflechten regionale Besonderheiten und individuelle Entwicklungspfade stets eine wichtige Rolle spielen, so lassen sich dennoch die folgenden Hypothesen zur Bedeutung der untersuchten Faktoren formulieren: 1. Eine Zusammenarbeit in der Region wird im Laufe der Zeit so weit intensiviert und institutionalisiert, wie es der Politikstil und die Interaktionsfähigkeit der wichtigsten Akteure zulassen. 2. Eine enge Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Bürgerinstitutionen erhöht die Problemlösekapazitäten und hat daher einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Prosperität einer Region. 3. Von grundlegender Bedeutung bleiben allerdings harte Standortfaktoren. Sind diese nicht in ausreichendem Maße vorhanden, so führt auch eine enge Vernetzung nicht zu wirtschaftlicher Prosperität. 4. Bei gleicher Ausstattung mit harten Standortfaktoren ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit derjenigen Region mit zusätzlicher effektiver Vernet-
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zung von Politik, Unternehmen und Bürgern besser als jener mit schwach ausgeprägten Netzwerken. 5. Institutionelle Zusammenschlüsse haben keine direkten Auswirkungen auf die Prosperität einer Region, allerdings erhöhen sie drastisch die Gestaltungsquote in einer Region. 6. Politikstil und Interaktionsfähigkeit einer Region ist demnach als intervenierende Variable bei der Ausnutzung harter Standortfaktoren von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Prosperität einer Region. Das fragile Verhältnis zwischen Wahlbürgern, Politik, Verwaltung, Kulturbetrieben, Künstlern und Kunden muss daher aktiv gestaltet werden, um dem Kulturbetrieb langfristig eine Überlebenschance zu verschaffen: Bleiben die Kunden aus, hat die Politik keinen Nachfrager und kann Budgets und Kultur reduzieren. Erwarten die Kunden viel von der Politik, kann diese auch unpopuläre und unwirtschaftliche Lösungen fordern, die dann in der Kultur – womöglich zu Lasten anderer Kulturbereiche – umgesetzt werden müssen (gemeint sind hier die steigenden Kosten für die ›große Kultur‹ im Vergleich zu der Reduktion der Förderung der ›kleinen Kultur‹ wie Off-Theater usw.). Politikstil und Interaktionsfähigkeit sind also die wohl entscheidenden Faktoren erfolgreicher Kooperationen und wahrscheinlich indirekt damit auch die Voraussetzungen für die langfristige materielle wie geistige Prosperität ganzer Regionen.
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Andreas Huber £Akteursnetzwerke und Dialogstrukturen regionaler Kooperationen
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£
R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N I N K U LT U R L A N D S C H A F T L I C H E N
HANDLUNGSRÄUMEN
Dietrich Fürst
1 FR AG E S T ELLU N G Kulturlandschaft hat sich historisch als Nebenprodukt i.d.R. von land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten entwickelt (vgl. Gailing 2008). Heute sieht man darin ein hohes Gut, das es zu bewahren oder gar zu gestalten gilt. Im Gefolge des Strukturwandels zur sog. ›Wissensgesellschaft‹ und im Zeichen des Wettbewerbs um qualifizierte Arbeitskräfte werden Unternehmen abhängiger von den Standortentscheidungen der qualifizierten Mitarbeiter, die den Wohn- und Freizeitwerten eines Standortes sehr hohe Bedeutung zuordnen. Das entspricht auch einer amerikanischen Beobachtung, dass »the relationship between people and places is perhaps even more important at the end of the 20th century than it was at the beginning« (Forrest/Kearns 2001: 2129). Kulturlandschaft bewahren oder gestalten ist aber eine Gemeinschaftsaufgabe. Der Nutzen der Tätigkeit geht weit über den privat aneigenbaren Nutzen hinaus und hat den Charakter eines Kollektivgutes. Ein Kollektivgut ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Nutzen diffus ist und potenzielle Nutzer praktisch nicht ausgeschlossen werden können und/oder dass es keine Rivalität um seinen Konsum gibt: Jeder kann es nutzen, ohne dass andere dadurch Schaden erleiden. Bei Kulturlandschaft ist dabei vor allem bedeutsam, dass Dritte, die sich nicht an der Aufgabe ihrer Erhaltung oder Gestaltung beteiligen, trotzdem kostenfrei Nutzen daraus ziehen können. D.h. Aktivitäten zugunsten der Kulturlandschaft erzeugen hohe positive externe Effekte, ohne dass der dafür aufzubringende Aufwand von den Nutznießern abgegolten würde. Gemeinschaftsaufgaben mit Kollektivgutcharakter sind schwierig zu organisieren. Eng wirtschaftlich-rational handelnde Individuen würden sich dieser Aufgabe wegen ihrer – für sie – ungünstigen Kosten-Nutzen-Relation entziehen. Es bietet sich dann an, dass eine gemeinwohlorientierte Institution wie eine Kommune oder das Land diese Aufgabe übernimmt, sofern sich nicht gemeinwohlorientierte zivilgesellschaftliche Gruppen darum kümmern wollen. Will man jedoch auch solche Bürgerinnen und Bürger gewinnen, die bisher weniger gemeinwohlorientiert handelten und nicht in zivilgesellschaftliche Organisationen eingebunden sind, so bedarf es zusätzlicher Anreize. Und zwar müssen das Anreize sein, die nicht nur ein kurzzeitiges Engagement auslösen, sondern ein Selbsthilfe-System entstehen lassen, das diese Aufgabe langfristig sichert. Anreize, sich in Selbsthilfe-Arrangements zu engagieren, verbinden sich beispielsweise mit Fördermitteln. Selbsthilfe-Arrangements werden heute gern mit dem generalisierenden Begriff der ›neuen Governance-Arrangements‹ belegt.
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›Governance‹ ist zwar ein in der Literatur sehr unterschiedlich verwendeter Begriff (vgl. Fürst 2007), aber im Kern geht es darum, dass die traditionellen Formen der gesellschaftlichen Steuerung sich erheblich verändert haben. Die Vorstellung vom ›starken Staat‹, der im Alleingang gesellschaftliche Probleme bewältigen kann, wird abgelöst von Konzepten der Kooperation zwischen Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors, wobei die Grenzziehung zwischen beiden immer fließender wird, der Staat immer mehr in die Funktion des ›Gewährleistungsstaats‹ rückt (vgl. Franzius 2008, Schuppert 2008), dabei Verhandlungen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren an Bedeutung gewinnen und immer mehr Selbstregelungen ergänzend genutzt werden. Die damit auftretenden Modelle der ›Ko-Produktion‹ öffentlicher Leistungen (vgl. Schuppert, 2008: 348f.) verlangen neue Formen der Steuerung (z.B. über Verträge, Netzwerke) und verlagern Verantwortung in die Gesellschaft hinein. Die Frage, die in diesem Beitrag behandelt werden soll, richtet sich folglich darauf: Wie lassen sich die Rahmenbedingungen für Kulturlandschaftsräume so gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit zur Entstehung solcher ›Governance-Arrangements‹ beträchtlich erhöht wird?
2 D I E A N S ÄT Z E In der Literatur werden dazu zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt, die aber eng miteinander verbunden sind. Der eine ist ein institutionen-ökonomischer, der andere ein sozialpsychologischer. Der institutionen-ökonomische Ansatz geht davon aus, dass die institutionellen Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass ein möglicher großer Teil der sog. ›positiven externen Effekte‹ internalisiert, d.h. von denen kontrolliert werden können, die sie erzeugen (vgl. Knoepfel et al. 2001). Der einfachste Weg dahin wäre, Kulturlandschaftsräume einzuzäunen und Eintrittsgebühren zu verlangen – die Gebühr dürfte allerdings nicht höher als der Nutzen derjenigen Personen sein, die man noch benötigt, um die Aufgabe finanzierbar zu halten, ohne dass die Kulturlandschaft durch Übernutzung Schaden erleidet. In der Praxis wird durchaus so verfahren – z.B. in Verbindung mit Tierparks oder Golfplätzen. Aber auch Kommunalabgaben können so gestaltet werden, dass die unmittelbar Bevorteilten einen Beitrag zahlen – wir kennen solche Regelungen bei Kurgemeinden, die Kurtaxen erheben, oder beim Gemeindestraßenbau für Anlieger, die Anliegerbeiträge zu zahlen haben. Immer wird dabei die Fiktion zugrunde gelegt, dass die Zahler einen unmittelbaren Nutzen haben, der durch die zu finanzierenden Maßnahmen entstanden ist. Eine Alternative könnte darin liegen, einen Zusatznutzen für diejenigen zu schaffen, die sich für die Erhaltung oder Gestaltung der Kulturlandschaft mit
Dietrich Fürst £Regionale Kooperation in kulturlandschaftlichen Handlungsräumen
Zeit- und Ressourceneinsatz engagieren. Ein solcher Zusatznutzen könnte in der spezifischen Lebensqualität liegen, die mit Kulturlandschaft verbunden sein kann. ›Lebensqualität‹ bedeutet dabei zum einen ›Wohnwertsteigerung‹, d.h. die Qualität des Wohnens wird verbessert. Zum anderen wird der ›Freizeitwert‹ erhöht: Eine landschaftlich reizvolle Umgebung gewährt attraktivere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Diejenigen, die von diesem Nutzen profitieren, sind diejenigen, die in dem Kulturlandschaftsraum leben. Für sie nimmt der Kulturlandschaftsraum den Charakter eines ›Klubgutes‹ an, das einer begrenzten Gruppe von Personen einen besonderen Nutzen zuweist: In der Sprache der Institutionenökonomie gewinnen sie ›property rights‹, also Verfügungsrechte im weiteren Sinne. Property rights motivieren die Betroffenen stärker, auch Verantwortung für das zu akzeptieren, das diese property rights schafft, d.h. ›problem ownership‹ zu übernehmen und sich für den Erhalt und die Gestaltung der Kulturlandschaft substanziell zu engagieren. Das funktioniert aber nur, wenn die Kulturlandschaft für die Betroffenen erkennbar einen Wert darstellt, die Betreffenden daran interessiert sind und der Nutzen nur dieser Gruppe zugute kommt, d.h. nicht diffus streut. Um bei den Betroffenen eine solche Einstellung auszulösen, könnte man Diskurse organisieren, die ein solches ›framing of mindsets‹ erzeugen können (vgl. Rein/Schön 1994). In jedem Falle geht es dabei aber um ›paradigmatische Steuerung‹, die auf Veränderungen von Einstellungen und Werthaltungen zielt (vgl. Fürst 2003). ›Framing‹ verweist bereits darauf, dass der institutionen-ökonomische Ansatz mit einem sozialpsychologischen verknüpft werden kann, denn ›framing‹ stammt aus der Sozialpsychologie und bedeutet »a way of selecting, organizing, interpreting, and making sense of a complex reality to provide guideposts for knowing, analyzing, persuading, and acting. A frame is a perspective from which an amorphous, ill-defined, problematic situation can be made sense of and acted on.« (Rein/Schön 1994: 146) Der zweite Ansatz ist ein sozialpsychologischer. Die Grundidee dabei ist, dass Kulturlandschaft eine starke emotionale Ausstrahlung hat – z.B. über Heimatgefühle und emotionale Bindungen an die Landschaft. Für so gebundene Menschen sind attraktive Berufsangebote aus anderen Regionen mitunter kein ausreichender Anreiz, das Gebiet zu verlassen. Im englischsprachigen Raum wird deshalb zwischen ›space‹ und ›place‹ unterschieden. ›Space‹ bezieht sich auf den physischen Raum, der geographisch, geomorphologisch oder geologisch beschrieben, vermessen und beplant werden kann. ›Place‹ bedeutet demgegenüber eine soziokulturelle ›Aufladung‹ des Raumes, d.h. er erhält in der Wahrnehmung und wertenden Einstellung von Menschen, die mit dem Raum zu tun haben, eine besondere Qualität (vgl. Healey 2001). Raum wird damit ›konstruiert‹. Was von den Betreffenden als Raum wahrgenommen wird, kann sehr viel mehr sein als das, was wissenschaftlich vermessen werden
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kann – traditionelle Raumnutzungen, Gefühlsbindungen, raumbezogene Werthaltungen, spezifische Einstellungen zur Landschaft gehen in den Raumbezug ein. Jeder entwickelt dabei seine eigenen Vorstellungen von diesem speziellen Raum. Wenn Raum so ›aufgeladen‹ ist, ist vorstellbar, dass Personen sich motivieren lassen, sich für die Kulturlandschaft zu engagieren. »Place […] is a central organizing principle for many of these emergent collaborative partnerships.« (Cheng et al. 2003: 88) »The power of place« (Hayden 1995) und »place attachment« (Stedman 2002: 563) können erhebliche emotionale Kräfte auslösen: »It is a truism of contemporary geographical thought that place makes a difference to the outcome of social processes.« (Mohan/Mohan 2002: 196) Deshalb bezeichnet Weber (2000: 239) ›place‹ als Katalysator für Selbststeuerung: »place thus becomes a catalyst for self-governance. It mobilizes citizens to care enough to participate in the act of governing ›their‹ place by reminding community members of what they share in common – reliance on the natural landscape«, und Cheng et al. (2003: 88) sagen: »[E]mpirical research findings generally support the notion that these differences between place-based collaborative processes and traditional policy processes are significant.« Für die Praxis ist die Erklärungskraft am höchsten, wenn beide Ansätze zusammen gebracht werden. Denn Kooperationsprozesse werden entscheidend auch von den institutionellen Bedingungen (Anreizen, Sanktionen, Potenzialen, Restriktionen) beeinflusst (vgl. Ansell/Gash 2008). Kooperation muss in gewisser Weise zudem organisiert werden. Es muss zumindest jemanden oder eine Institution geben, welche/r die Führung übernimmt, um diesen Prozess in Gang zu setzen. Ferner braucht man eine Art Büro, einen organisatorischen Kern, der die laufenden Aufgaben übernimmt wie: Einladungen zu versenden, Protokolle zu führen, einen kleinen Haushalt zu verwalten, Projekte in Gang zu setzen und durchzuführen etc. Aber je mehr man solche Selbsthilfemaßnahmen institutionalisiert, um so mehr geht das Engagement der Akteure zurück – das ist besonders in Deutschland ein Problem, weil wir gewohnt sind, dass für alle Aufgaben Institutionen existieren, die sich ihrer dauerhaft annehmen, so dass man allenfalls dafür zahlen muss, sonst aber unbehelligt bleiben kann. Das ist in Ländern wie den USA oder Großbritannien mit einer ausgeprägteren Kultur der Selbsthilfe und Eigeninitiative etwas anders. Institutionen werden dort eher als ›unterstützende Einrichtungen‹ betrachtet, nicht aber als Ersatz für eigenen Einsatz. Man braucht also die Entfaltung zivilgesellschaftlichen Engagements. Das ist inzwischen auch in Deutschland als wichtige, aber sehr knappe Ressource erkannt worden, vor allem, wenn der Staat sich auf Funktionen des ›Gewährleistungsstaates‹ zurückzieht (vgl. Schuppert 2008). Mit ›zivilgesellschaftlichem Engagement‹ verbindet sich der Begriff des ›Sozialkapitals‹, der von unterschiedlichen Denkschulen unterschiedlich verwendet wird. Diejenigen, die der französischen Schule von Pierre Bourdieu an-
Dietrich Fürst £Regionale Kooperation in kulturlandschaftlichen Handlungsräumen
hängen, verstehen unter Sozialkapital individuell vermehrbare Rückgriffsmöglichkeiten auf andere Personen und auf eine Gemeinschaft, etwa im Sinne von ›Beziehungen‹, ›Freundschaften‹, ›Hilfsnetzwerken‹. Diejenigen, die der amerikanischen Schule von James Coleman und Robert Putnam zuneigen, betrachten Sozialkapital als das zivilgesellschaftliche Engagement für eine Gemeinschaft, basierend auf Vertrauen, Solidarität und Kooperationsbereitschaft (vgl. Lin 2001: 22-24). Im Folgenden ist dieser zweite Begriffsstrang gemeint. Diese Form des Sozialkapitals wird in der Literatur zur Zivilgesellschaft und zum ›Dritten Sektor‹ als wichtige Grundlage angesehen (vgl. Putnam 1995). Sozialkapital entfaltet sich am besten über Projekte. Projekte haben den Vorzug, dass mit deren zunehmender Vollendung den Beteiligten eine Art ›Gratifikation‹ zuwächst: Sie sehen, dass sich ihr Einsatz lohnt, die gemeinsame Projektarbeit verbindet und es entstehen über die Projektarbeit ›Zusatznutzen‹ (man lernt Leute kennen, man gewinnt neue Bekannte und Freunde, die Gruppenarbeit selbst kann als bereichernd empfunden werden). Bezogen auf Kulturlandschaft leisten das vor allem Projekte, die die Qualität der Kulturlandschaft erhalten oder verbessern. Dafür wird zunehmend der Begriff des ›place-making‹ verwendet. Auch dieser ist nicht ganz eindeutig. Wenigstens zwei unterschiedliche Ausprägungen findet man in der Literatur: Die einen verstehen unter place-making alle Aktivitäten der Akteure eines Raumes, den Raum nach ihren Wertvorstellungen attraktiver zu gestalten und damit auch Attraktionspotenzial für Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte außerhalb des Raumes zu schaffen. Die anderen, die mehr von der Architektur und Stadtgestaltung kommen, setzen place-making in Beziehung zur gestalterischen Verschönerung der Siedlungsstruktur, und zwar primär unter Aspekten, damit den Raum wettbewerbsfähiger gegenüber konkurrierenden Räumen zu entwickeln. Wir verwenden hier den Begriff in der ersten Bedeutung und definieren ihn als »kollektiven Prozess der Raumgestaltung und sozio-emotionalen ›Aneignung‹ des Raumes durch die Beteiligten, wobei eine Mitgestaltung sowie idealerweise eine Übernahme von Verantwortung für diesen Raum (›problem ownership‹) stattfindet« (Fürst et al. 2008: 13). Erfolgreich durchgeführte Projekte können die daran beteiligte Gruppe enger zusammenschweißen und sie motivieren, auch nach Abschluss eines Projektes weiterhin zusammen zu bleiben. Im Idealfall führt das dazu, dass man sich dauerhafter organisiert, und zwar so, dass der Austritt einzelner Mitglieder nicht die Gefahr hervorruft, dass das Selbsthilfe-Konzept zerbricht (vgl. Ansell/Gash 2008). Place-making kann Sozialkapital intensivieren und das zivilgesellschaftliche Engagement so verstärken, dass ein dauerhaftes Selbsthilfesystem entsteht. Place-making verwandelt die Kulturlandschaftsarbeit – zumindest subjektiv bei den Beteiligten – in ein ›Klubgut‹, wenn sich die Betroffenen für die
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Kulturlandschaft verantwortlich fühlen: »Citizens experience ›ownership‹ and are more likely to invest in the work of governance.« (Weber 2000: 251) »Place thus becomes a catalyst for self-governance.« (Ebd.: 239) Aber lockere Netzwerke der Kooperation haben i.d.R. kurze Lebenszyklen. Deshalb verlangt deren Dauerhaftigkeit ein größeres Maß an Institutionalisierung. Diese kann über Selbstbindungen, über ausgehandelte Verträge oder über organisierte Prozesse erfolgen, also über vereinbarte Regeln, über Formalisierung der Ablauforganisation und/oder über eine festere Aufbauorganisation. Institutionalisierung, welche die ehrenamtliche Mitarbeit nicht entfremden soll, muss bei den Betroffenen veränderte Einschätzungen der KostenNutzen-Struktur erreichen: Institutionalisierung darf nicht als reduzierter Nutzen wahrgenommen werden, sondern als reduzierte Kosten der Interaktion bei gleich hohem Nutzen. Denkbar, aber praktisch wenig wahrscheinlich wäre auch, dass der Nutzen (von Kulturlandschaft) im Bewusstsein der Beteiligten deutlich aufgewertet wird – sie erkennen ihre Abhängigkeit von einer intakten und attraktiven Kulturlandschaft, gewinnen eine andere Einstellung zur Kulturlandschaft, entwickeln tiefere Bindungen an ihren Raum, sehen die ästhetischen, ökonomischen oder gestalterischen Vorteile der Kulturlandschaft differenzierter etc. und erkennen an, dass dafür ihr dauerhafter Einsatz erforderlich ist. Solche Änderungen in den subjektiven Wahrnehmungen haben durchaus etwas Ideologisches an sich, vor allem dann, wenn der Gemeinschaftsbildung ein hoher Wert beigeordnet wird. Kommunitaristische Orientierungen, etwa in der Tradition der katholischen Soziallehre, können solche ›framing effects‹ unterstützen.
3 DER
EMPIRISCHE
BELEG
Amerikanische Beispiele zeigen, dass der Zusammenhang zwischen placemaking, Sozialkapitalbildung und Entwicklung von Governance-Prozessen eng sein kann. Dort hat sich inzwischen eine ganze Bewegung entwickelt: ›Grass-roots ecosystem management‹ (GREM) nennt sie sich und hatte im Westen der USA im Jahre 2000 bereits über 200 Gemeinden erfasst (vgl. Weber 2000). Solche zivilgesellschaftlichen Gruppen engagieren sich auch ohne staatliche Unterstützung für Natur- und Landschaftsschutz sowie Landschaftsgestaltung. Ob sich solche Zusammenhänge auch in Deutschland finden lassen, wurde in einem Forschungsprojekt am Beispiel von Biosphärenreservaten verfolgt (vgl. Fürst et al. 2006). Die Relevanz der Frage ergibt sich u.a. daraus, dass die deutsche Tradition in zivilgesellschaftlicher Selbsthilfe-Organisation deutlich schwächer ausgebildet ist als in den USA, und Kommunen und Staat sehr viel
Dietrich Fürst £Regionale Kooperation in kulturlandschaftlichen Handlungsräumen
mehr diese Aufgaben an sich gezogen haben, die in den USA der zivilgesellschaftlichen Initiative überlassen werden. Untersucht wurde die Entwicklung der Biosphärenreservate Rhön (in den drei unterschiedlichen Teilräumen Bayern, Hessen und Thüringen), Rügen und Schaalsee. Biosphärenreservate wurden gewählt, weil es sich dabei um ein neueres Konzept handelt (seit 1998 in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen, aber schon 1974 durch das UNESCO-Programm »man and biosphere« konzeptionell entwickelt). Ziel ist es, Naturschutz und wirtschaftliche Raumnutzungen so zu verbinden, dass eine ›nachhaltige Landnutzung‹ verfolgt werden kann. Die in diesen Gebieten Lebenden haben zwar ein immaterielles und ökonomisches Interesse an ihrem Raum und speziell an ihrer Kulturlandschaft, müssen aber gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit sicherstellen. Dabei konkurrieren vor allem die Interessen, die dem Naturschutz den Vorrang geben wollen, mit jenen, die eine ertragreiche Land- und Forstwirtschaft sowie Tourismus und Wohnwertqualität entfalten wollen. Das verlangt ein Raumentwicklungskonzept, das von allen Beteiligten und Betroffenen gemeinsam hervorzubringen ist und die langfristige, nachhaltige Raumentwicklung sicherstellt. Biosphärenreservate sind vom Ansatz her auf Selbsthilfe-Systeme ausgerichtet: Nur mit den Bewohnern des betreffenden Raumes lassen sich solche Konzepte dauerhaft durchhalten – eine regional nicht unterstützte Biosphärenreservat-Agentur, die nur von Staatsgeldern unterhalten wird, kann das dauerhaft nicht leisten, weil die konkurrierenden Interessen ihre Arbeit nahezu unmöglich machen können. Die Untersuchung, die auf der Auswertung von Entscheidungsprozessen, Interviews mit Beteiligten und Betroffenen sowie Sekundärliteratur basierte, zeigte, dass sich der Zusammenhang zwischen place-making, Sozialkapitalbildung und Governance-Arrangements tatsächlich herausbilden kann. Allerdings ist der Prozess voraussetzungsvoll. Denn er verlangt ›framing processes‹, weil anfangs das Biosphärenreservat-Konzept für viele Betroffene als aufoktroyiert gilt, für das man sich nicht ohne Weiteres verantwortlich fühlt, sondern das man zunächst als Angelegenheit der zuständigen Agentur und des Staates auffasst, oder das man als zu naturschutzlastig empfindet. Letzteres passiert vor allem dann, wenn – wie in vielen Biosphärenreservaten – die treibenden Kräfte Naturschutzorganisationen waren. Das bedeutet: Es müssen, zumindest in der Startphase, Anreize geschaffen werden, sich überhaupt in den Prozess der Biosphärenreservat-Gestaltung einzulassen. Aber es bedarf auch zusätzlicher Rahmenbedingungen, um ein dauerhaftes Engagement der Beteiligten zu sichern. Dafür wurde das ›Biosphärenreservat‹ in der Wahrnehmung der Beteiligten in eine Art ›regionales Klubgut‹ verwandelt, für das sie ›problem ownership‹ übernahmen. Das ist si-
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cherlich leichter dort, wo sozio-psychologische Bindungen an den Raum bestehen, d.h. wo es einen traditionellen Raumbezug gibt, der historisch wertgeladen ist und der Menschen in gemeinsamer Tradition verbindet. Das gilt etwa für Rügen und für die Rhön. Beim Schaalsee gibt es diese Tradition nicht. Aber in der Region formierte sich schon Ende 1990 ein Förderverein Naturpark Schaalsee, der am Erhalt des unter DDR-Regierung eingerichteten und 1990 in das DDR-Nationalparkprogramm übernommenen Landschaftsschutzgebiets interessiert war (vgl. Lahner 2008: 150ff.). Insofern gab es eine Art Kern für selbst gesteuerte Gemeinschaftsarbeit. Das bedeutet: In den untersuchten Fällen wurde der Klubgut-Charakter ›erzeugt‹, indem historische Bindungen oder wirtschaftliche Vorteile oder beides (Rhön und Rügen) die Akteure zur Gemeinschaft zusammenschweißten. In allen Fällen war aber auch ein wesentlicher Beweggrund für regionales Engagement das Bewusstsein, über staatliche Förderung (v.a.: EU-Mittel) und gemeinschaftliche Selbsthilfe die wirtschaftliche Situation in der Region längerfristig verbessern zu können. Das betraf vor allem Landwirtschaft und Tourismus, konkretisiert über eine Reihe erfolgreicher Initiativen mit wirtschaftlichem Ertrag, die aus der Region selbst geboren wurden. Damit verschiebt sich allerdings auch häufig die Stoßrichtung: Den ökonomischen Belangen wird im Prozess-Verlauf tendenziell mehr Gewicht eingeräumt als den spezifisch kulturlandschaftsbezogenen. Voraussetzungsvoll ist der Zusammenhang zweitens, weil nicht alle Akteure gleichermaßen für diese Gemeinschaftsarbeit zu gewinnen sind. In den deutschen Beispielen zeigt sich ein deutliches Übergewicht von politisch-administrativen Funktionsträgern. Wirtschaftliche Unternehmen sind sehr viel schlechter einzubinden: In den untersuchten Regionen wurde die Wirtschaft überwiegend durch Klein- und Mittelbetriebe repräsentiert, die nicht die freien Ressourcen für langwierige Gemeinschaftsprozesse haben, sondern lediglich projektgebunden und zeitlich befristet mitwirken können. Soweit wirtschaftliche Akteure sich engagierten, ging es ihnen entweder um die Abwehr von ökologischen Restriktionen (z.B. Landwirtschaft) oder die Nutzung der Kulturlandschaft für Tourismusentwicklung. Auch zivilgesellschaftliche Akteure fühlten sich weniger berücksichtigt. Das hängt häufig damit zusammen, dass sie sehr enge Interessenspektren vertreten (müssen), weil nur ein klares und relativ eng definiertes Handlungsprofil Mitglieder mobilisieren lässt. Das aber zwingt im Verein mit anderen Akteuren ständig zu Kompromissen, d.h. zu Abstrichen an eigenen Zielen. Voraussetzungsvoll ist der Prozess drittens, weil zu seiner längerfristigen Stabilisierung ein institutioneller Rahmen erforderlich war, der über Organisationseinheiten, Satzungen, Verträge etc. abgesichert wurde. Institutionalisierung bedeutet in diesem Kontext meist: Professionalisierung und Dominanz
Dietrich Fürst £Regionale Kooperation in kulturlandschaftlichen Handlungsräumen
der politisch-administrativen Akteure. Das wiederum reduziert das ehrenamtliche Engagement. Unsere Untersuchung zeigte – bei allen methodischen Problemen der über offene Interviews erhobenen Informationen – dass offensichtlich die Gemeinschaftsaufgabe ›Kulturlandschaftsgestaltung‹ (hier: Biosphärenkonzeption) die Akteure zusammengehalten hat und dass die Identifikation mit ihrem Raum sie motivierte, sich in den Prozessen zu engagieren. Die Prozesse benötigten allerdings viel Zeit. Denn nur langsam formierte sich ein SelbsthilfeSystem. Nicht immer war dabei klar, ob die Akteure am Gemeinschaftsgut interessiert waren oder primär nur ihre Vorteile suchten. Auch könnte hinterfragt werden, ob das Gut ›Kulturlandschaft‹ tatsächlich die Gemeinschaftsbildung über place-making Effekte unterstützt hat oder ob nicht lediglich ein gruppendynamisches Phänomen wirkte, so dass mit zunehmender Interaktionsdichte und -häufigkeit Vertrauen und Gemeinschaftserleben sowie Gemeinschaftsbindung intensiviert wurden. Zumindest zeigte sich, dass die längerfristige Kooperation das Gemeinschaftsgefühl intensivierte und offenbar auch zur Sozialkapitalbildung beitrug. Was ›place-making‹ dabei an ›Mehrwert‹ brachte, war die emotionale Bindung an die Region und an die Gemeinschaft, weil »sense of place can be the shared language that eases discussions of salient issues and problems and that affirms the principles underlying ecosystem management« (Williams/Stuart 1998: 18). Dabei spielen mentale Prozesse eine große Rolle: Emotionsstarke Visionen, Mobilisierung von Heimatgefühlen etc. können dazu beitragen, bei den Beteiligten einen Bewusstseinswandel zugunsten gemeinschaftlichen Handelns auszulösen. Allerdings wurde auch deutlich, dass diejenigen Akteure, die einen genügend langen Atem dafür hatten, meist qua Funktion oder Amt engagiert waren, während Einzelpersonen keine nennenswerte Rolle spielten. Möglicherweise hat der damit verbundene Prozess der zunehmenden Professionalisierung der Kooperation Einzelpersonen zusätzlich abgeschreckt, sei es, dass sie sich randständig fühlten, sei es, dass sie das Handlungsfeld bei den ›Profis‹ in guten Händen zu finden glaubten. Sichtbar war jedoch, dass die Prozesse effizienter gestaltet wurden, wenn professionelle Moderatoren sie begleiteten, wenn es engagierte Führungspersönlichkeiten gab, wenn der Gegenstand der Kooperation sehr konkret war und wenn positive Ergebnisse in relativ kurzer Zeit erzeugt werden konnten.
4 E I N S C H ÄT Z U N G Die praktische Wirkung einer Kulturlandschaftsgestaltung mit SelbsthilfeAnsätzen lässt sich über die Verknüpfung von institutionen-ökonomischen und sozialpsychologischen Ansätzen recht gut erklären. Der institutionen-
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ökonomische Ansatz verweist auf die Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen, der sozial-psychologische zeigt auf, welche weiteren (mentalen) Mechanismen erforderlich sind, um die Rahmenbedingungen auf das Akteurshandeln einwirken zu lassen. Empirisch lässt sich zeigen, dass die für Biosphärenreservate in Deutschland gesetzten Rahmenbedingungen regionale Governance-Arrangements ausbilden lassen (vgl. auch Schrader 2006). Dabei wird der Zusammenhang zwischen place, place-making, Sozialkapitalbildung und Governance wesentlich durch einen längeren Kooperationsprozess unter Beeinflussung von Einstellungen, Werthaltungen und Denkmustern der Beteiligten hergestellt. Einstellungen und Werthaltungen verändern sich über Kooperation und einen gemeinsamen Raum- sowie Kulturlandschaftsbezug. Die Gemeinschaftsarbeit wird dabei über Vertrauensbildung, Entwicklung gemeinsamer Handlungsorientierungen und Selbstverpflichtungen aufgewertet (vgl. Ansell/Gash 2008). Das ist nicht frei von Ideologisierung, aber ohne solche emotional-mentalen Bindungen verhielten sich die Akteure eher eng ökonomisch-rational – und würden die Gemeinschaftsaufgabe auf das Notwendigste reduzieren, das sicherstellt, dass ihnen aus der Entwicklung der Kulturlandschaft kein Schaden entsteht. Für das Akteursverhalten kommt es auf deren subjektive Kosten-NutzenSituation an, die für unterschiedliche beteiligte Gruppen unterschiedlich aussieht – ältere Leute, die ihren Lebensabend in der Region beschließen wollen, haben deutlich andere Kosten-Nutzen-Strukturen als private Haushalte, deren Standortprioritäten vom Berufsfeld bestimmt werden. Landwirte werden wiederum andere Vorstellungen von Nutzen und Kosten einbringen als Naturschützer. Aber da solche Kosten-Nutzen-Einschätzungen von den Betroffenen nicht konkret zu messen, sondern lediglich subjektiv vorhanden sind, können sie durch Prozesse der Kommunikation, Kooperation und des Lernens von Zusammenhängen (zwischen Kulturlandschaft und Wohn-, Freizeit- und Arbeitswert einer Region) verändert werden. Dabei wirken i.d.R. drei BeziehungsEbenen zusammen: eine politische (kollektives Entscheidungshandeln), eine soziale (Aufbau von Kooperationsbeziehungen und Gemeinschaftsbewusstsein) sowie eine kulturelle (Werthaltungen bezogen auf Kulturlandschaft). Alle drei Ebenen müssen Einflüsse in dieselbe Richtung ausüben. Netzwerkartige Governance-Arrangements haben i.d.R. kurze Lebenszyklen. Um Dauerhaftigkeit zu sichern und Störungen abzuwehren, bedarf es der Institutionalisierung. Institutionalisierung kann Interessenkonflikte durch Regelsysteme und den Einsatz von Mediatoren abfedern. Genauso können ArmReich-Gegensätze, ethnische Spannungen, persönliche Feindschaften etc. über Institutionen und Regelsysteme gemildert werden. Ungünstige externe Rahmenbedingungen können regionale Prozesse je-
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doch belasten, etwa, wenn staatliche Fördermittel intersektoral schlecht koordiniert sind, sich auf einen zu engen Raumausschnitt beziehen, nur bestimmte Gruppen ansprechen oder einen Zeitdruck erzeugen, der nicht konform ist dem Zeitbedarf, den die Prozesse der Gemeinschaftsbildung benötigen. Zeitdruck lässt die Gewichte schnell zu Eliten und professionellen Machern verschieben, die kraft ihrer Routinen und Erfahrungen die erforderlichen Ergebnisse schneller erzielen können als der langsamere Prozess selbst gesteuerter Governance-Arrangements. Governance-Prozesse brauchen um so mehr Steuerung über Zielorientierungen und Diskurse, je heterogener die Interessen der Betroffenen sind, je komplexer die Aufgabe ist und je länger der Prozess dauert, bis er Ergebnisse bringt. Insbesondere muss der Klubgutcharakter der Kulturlandschaft immer wieder in das Bewusstsein gebracht werden, auch wenn ›place‹ und Kulturlandschaft eine gemeinsame Handlungsorientierung unterstützen (›power of place‹). Dass solche Steuerung über Zielorientierung und Diskurse wirken kann, zeigt beispielsweise die Schweizer Raumplanung. Hier ist es gelungen, bei Politikern und Bürgern über Diskurse sowie Zielansagen ein Bewusstsein zu entwickeln, dass eine gesteuerte Raumgestaltung für alle vorteilhaft und eine öffentliche Aufgabe (= Kollektivgut) ist und wie viele Akteure bei fehlender Raumordnung auf die Verliererseite geraten können (vgl. Lendi 2008).
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£ Pr axisbeispiel e
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RUHR.2010 ist – soweit wir sehen – das komplexeste und größte Projekt regionaler Kulturkooperation in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Beitrag entsteht mittendrin: Die Autoren arbeiten an führender Stelle der Kulturhauptstadtorganisation, die ihrerseits mitten in den Vorbereitungen des Kulturhauptstadtjahres steht und sich im ersten Quartal 2009 von der Projektentwicklungs- zur Projektumsetzungsgesellschaft gewandelt hat. Allerdings hat dieses Projekt einen mehr als zehn Jahre währenden Vorlauf, der für den bisherigen Erfolg von RUHR.2010 die entscheidende Basis ist. Und die Vision, die RUHR.2010 verfolgt, das Ruhrgebiet als Ganzes zu einer neuen (Kultur-)Metropole in Europa werden zu lassen, lässt sich vielleicht auch erst in weiteren zehn Jahren in ihrer Realisierung beurteilen. Doch spricht viel dafür, dass sie verwirklicht wird, da sich schon jetzt nachhaltige Effekte eingestellt haben, die im Folgenden skizziert werden sollen. Dabei spielen auch die unter Mitwirkung von zahlreichen Akteuren erarbeiteten Perspektivpläne aus den Jahren 2006 und 2007 und der Masterplan zur Kulturmetropole Ruhr aus dem Jahr 2009 eine wichtige Rolle. Blenden wir also zunächst zehn Jahre zurück: 1999 war die Endpräsentation der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, die mit fünf Milliarden DM vor allem die Stätten von Kohle und Stahl neu in Wert gesetzt hatte. In einer für ganz Europa beispielhaften Anstrengung hat der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Kulturgesellschaft ihren baulichen Ausdruck gefunden. Die regionale Kulturkooperation war bereits auf einzelnen Feldern vorangetrieben worden (Klavierfestival Ruhr, Tanzlandschaft Ruhr, Chorwerk Ruhr, Jazzwerk Ruhr) und die ersten Schritte zur Gründung der RuhrTriennale wurden eingeleitet. Die Kulturkooperation umfasste indes lediglich einzelne Projekte und Institutionen, längst noch nicht die Themen- und Kompetenzfelder, um die es heute bei der RUHR.2010 und in den Perspektiv- und Masterplänen zur Kulturmetropole Ruhr geht. Um die Situation vor zehn Jahren noch genauer zu analysieren, bedarf es zunächst einer genaueren Betrachtung der Frage, was das Ruhrgebiet eigentlich ist und welche organisatorischen und funktionalen Klammern es hat. Da-
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Die Autoren möchten an dieser Stelle ganz herzlich Frau Maria Baumeister für ihre Mitarbeit und Unterstützung bei der Erarbeitung des vorliegenden Beitrages danken.
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bei spielt der damalige Kommunalverband Ruhrgebiet und heutige Regionalverband Ruhr eine zentrale Rolle mit all seinen Stärken und Schwächen.
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IN DER
METROPOLE RUHR
Das Ruhrgebiet ist seit jeher keine geographische und geopolitische Region, sondern eine Ansammlung von Städten und Gemeinden, die seit dem 19. Jahrhundert eine durch Bergbau geprägte gemeinsame Entwicklung von inzwischen bereits 150 Jahren durchlebt hat. Die Industrialisierung mit dem einhergehenden massiven Arbeitsplatzauf- und -abbau und den gravierenden notwendigen städtebaulichen Veränderungen hatte für die verschiedenen Städte und Gemeinden weitreichende Konsequenzen und machte gemeinsame Beschlüsse und Absprachen notwendig. Bei aller Städtekonkurrenz gibt es eine Reihe sozialwirtschaftlicher und sozialkultureller Gemeinsamkeiten, die diesen Ballungsraum und seine Einwohner kennzeichnen. Es lässt sich von einer ›Ruhrgebietsmentalität‹ sprechen, vom ›Mythos Ruhr‹. Ein wesentliches Versäumnis ist jedoch, der Region keine politisch einheitliche Instanz zu geben, die alle wesentlichen Handlungsfelder betreut. Dies hat seinen Grund in der Komplexität und Diversität der Region, ihrer Städte und Kreise. Zudem hat das Ruhrgebiet keinen eigenen Regierungsbezirk, sondern ist in drei Regierungsbezirke aufgeteilt. Die uneinheitliche gebietskörperschaftliche und administrative Struktur, welche sich auch in der territorialen Abgrenzung der beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen wiederfindet, erfordert daher spezifische Konstruktionen, um kooperativ Probleme zu bewältigen. 1920 wurde mit der Gründung des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk (SVR) der älteste und größte deutsche Gemeindeverband geschaffen. Dies basierte auf der Einsicht, dass die einzelnen Kommunen ihre Probleme nicht alleine bewältigen können und die gemeinsamen Interessen nur durch gemeinsames Handeln effektiv durchzusetzen sind. Der SVR wurde mit regionalen Planungskompetenzen auf der Grundlage eines eigenen Gesetzes ausgestattet. Dies änderte sich jedoch 1975, als die Aufgaben des SVR eingeschränkt wurden und innerhalb des neu gegründeten Kommunalverbandes Ruhr 1979 für weitere 25 Jahre geregelt wurden. Seit 2004 besteht der heutige daraus hervorgegangene Regionalverband Ruhr (RVR), welcher von seinen Mitgliedern umlagefinanziert und vom Land und der Europäischen Union projektbezogen finanziell unterstützt wird. Der RVR, als institutionalisierte öffentlich-rechtliche Form der Kooperation, entwickelt zusammen mit seinen Mitgliedskommunen, den elf kreisfreien Städten und vier Kreisen Masterpläne (Planungs- und Entwicklungskonzepte) für die Region. Inzwischen gibt es auch den Entwurf für einen Masterplan Kul-
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tur (dazu später). Das Ruhrgebiet wird offiziell mit dem Verbandsgebiet des Regionalverbandes Ruhr abgegrenzt, wenn auch an den ›Rändern‹ im westlichen Kreis Wesel (Niederrhein), im nördlichen Kreis Recklinghausen (Münsterland) sowie im Osten im Kreis Unna und im bergischen Hagen die Bevölkerung und die Politik sich nicht immer voll und ganz dem Ruhrgebiet zugehörig fühlen. So herausfordernd es ist, das Ruhrgebiet als Region zu fassen, so problematisch gestaltete sich die Diskussion darum, das Ruhrgebiet als ›Ruhrstadt‹ zu beschreiben. Der Begriff ›Stadt‹ ist durch die einzelnen Großstädte selbst besetzt. Zudem steht die Vorstellung der Gründung einer Ruhrstadt den eigenen Interessen der einzelnen Städte entgegen. Dennoch zeigt die ›RuhrstadtDebatte‹ aus den Jahren 2001 und 2002 Wirkung und hinterlässt bis heute ihre Spuren. Inzwischen haben sich indes die wesentlichen Institutionen auf den Begriff ›Metropole Ruhr‹ geeinigt. Insbesondere die Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr hat beschlossen, diese Begrifflichkeit zukünftig für das Ruhrgebiet zu verwenden. Die Debatten über den Namen für das Gebilde und die Reflexion des Selbstverständnisses dieses drittgrößten Ballungsraumes Europas bilden einen entscheidenden Punkt auf dem Weg zur Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010. Immer wieder stellen sich die Fragen: Wie heißen wir eigentlich? Wie heißt denn die Bevölkerung (Ruhri, Ruhrgebietler)? Und wie werden wir uns selbst vergewissern und präsentieren? Inzwischen haben sich alle entscheidenden Akteure darauf verständigt, nicht mehr von ›Ruhrgebiet‹ zu sprechen, sondern nur noch von ›Ruhr‹ oder ›Metropole Ruhr‹. Dies hat sich in den letzten beiden Jahren auch bei den Namensbezeichnungen der wesentlichen Organisationen durchgesetzt: Anfangs hieß es bei der Kulturhauptstadtbewerbung ›Essen für das Ruhrgebiet‹. Jetzt lautet der Titel ›RUHR.2010‹. Der Kommunalverband hat sich zum Regionalverband Ruhr gewandelt. Der Initiativkreis Ruhrgebiet nennt sich nunmehr Initiativkreis Ruhr und die Ruhrgebietstouristik hat als neuen Namen Ruhr Tourismus GmbH. Die Projekt Ruhr GmbH des Landes NRW hat sich zu einer Tochtergesellschaft des Regionalverbandes Ruhr mit der Bezeichnung ›Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr‹ umbenannt. Eine kürzlich durchgeführte Telefonumfrage bei mehr als 3000 Bürgerinnen und Bürgern des Ruhrgebiets hat ergeben, dass erstmals die Bezeichnung ›Metropole Ruhr‹ anderen Bezeichnungen wie ›Ruhrstadt‹ oder ›Ruhrgebiet‹ mit leichtem Vorsprung vorgezogen wird. Dies sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer neuen Gemeinsamkeit beim Namen oder auch der ›Marke‹ Ruhr. Kooperation ist das entscheidende Element, mit dem die Region in den vergangenen Jahren als kulturelle Einheit gestärkt wurde und letztlich zur Kulturhauptstadt Europas geworden ist. Der folgende Überblick soll deutlich machen, welche regionalen Formen
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der Kooperation zu den Schrittmachern gehörten: Das wichtigste Projekt der zurückliegenden Jahre war die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park als ein allumfassendes Strukturentwicklungsprogramm. Die IBA hat auch dem kulturellen Aspekt in der regionalen Entwicklung Nachdruck verliehen. Der Beginn der spannenden Symbiose zwischen Kultur und Stadtentwicklung fand in der Eröffnung der Internationalen Bauausstellung Emscher Park 1989 ihren Ursprung und setzte in den folgenden zehn Jahren die entscheidenden Impulse für eine Umwandlung in eine Region geprägt von Urbanität und Zukunftsperspektive. Die IBA als großes Infrastrukturprojekt, an welchem 17 Städte und zwei Kreise finanziell und freiwillig beteiligt waren, stellte neben Stadtreparatur und neuen Planungsformen vor allem die Entwicklung der gesamten Region, unter besonderer Berücksichtigung der ökologischen, städtebaulichen, kulturellen und sozialen Fragen, in den Mittelpunkt. Dabei ging es vorrangig um Konzepte für die Nutzung von alten Industrielandschaften und -gebäuden, die Renaturierung von Flussläufen und Landschaften, wobei immer wieder kulturelle Aspekte Berücksichtigung fanden. Nicht zuletzt stand die Schaffung von neuen Arbeits- und Wohnflächen im Fokus der Anstrengungen. Die IBA setzte sich zum Ziel, lokale Projekte zu initiieren und diese in das Gesamtkonzept der Regionalentwicklung zu integrieren. Die Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 basiert ganz wesentlich auf den Erfahrungen der IBA und deren realen Wirkungen. Mitte der 1990er Jahre fanden zwei Symposien zum ›Ruhrgebiet als Kulturgebiet‹ statt, die von den Städten Essen und Gelsenkirchen initiiert worden waren. Sie flankierten eine vom damaligen Ministerpräsidenten des Landes NRW, Johannes Rau, in seiner Regierungserklärung 1995 angekündigte Initiative zur Stärkung der spezifisch kulturellen Profile der Regionen im Lande. Die Landesregierung hat daraufhin mit ihrem Programm ›Regionale Kulturpolitik‹ ein Förderinstrument für die einzelnen Regionen des Landes als Kulturregionen geschaffen. Das Ruhrgebiet spielte dabei eine konzeptionelle Vorreiterrolle und wurde mit besonders hohen Finanzmitteln (rund 20 Millionen DM) bei der Umsetzung der Konzepte unterstützt. Als organisatorische Klammer für die regionale Kulturarbeit wurde in der Schlussphase der IBA 1998 die ›Kultur Ruhr GmbH‹ gegründet. Die Gesellschafter waren der Kommunalverband Ruhr mit 51 Prozent, der Verein pro Ruhrgebiet mit 26 Prozent und die IBA Emscher Park mit 23 Prozent. Diese Gesellschaft realisierte von 1998 bis 2000 etwa 20 neuartige kooperative Projekte, von denen heute etwa noch Tanzlandschaft Ruhr, Chorwerk Ruhr, Jazzwerk Ruhr als Netzwerke funktionieren. Im Jahre 2002 wurde die Kultur Ruhr GmbH umgewandelt, mit dem Land NRW (über die Landesgesellschaft Projekt Ruhr GmbH) als Mehrheitsgesellschafter und dem Kommunalverband Ruhr sowie dem Verein pro Ruhrgebiet e.V. als weitere Gesellschafter. Die Hauptaufgabe der Kultur Ruhr GmbH ist inzwischen die
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Trägerschaft der RuhrTriennale, welche eine Idee der IBA und der ersten Kultur Ruhr GmbH war, nämlich die Bespielung der neu entstandenen Spielstätten aus den restaurierten Gebäuden der Montanindustrie. Seit 2002 erfolgreich weitergeführt, hat sie dem Ruhrgebiet ein international beachtetes jährliches Festival beschert. In all diesen Entwicklungsstufen gab es ein wechselseitiges Zusammenspiel zwischen den Städten, vor allem der Kulturdezernenten, dem RVR und dem Kulturministerium des Landes NRW. Dabei wurden im Sinn der Cultural Governance auch immer wieder Akteure aus der Kulturszene und der Wirtschaft einbezogen.
2 D I E B E W E R B U N G S P H A S E U M D E N TI T E L K U LT U R H A U P T S TA D T E U R O PA S 2010 Die Idee der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas entstand 2001 in der Kulturdezernenten-Konferenz des Regionalverbandes Ruhr. Diese Idee setzte von vornherein auf Kooperation der Städte. Ein Jahr später konnte das Bewerbungsbüro, das beim Regionalverband Ruhr eingerichtet wurde, mit der Arbeit beginnen. Im Jahre 2003 erfolgte die offizielle Bekanntgabe, dass das Ruhrgebiet sich um den Titel bewerben wird. Die Bewerbung wurde als große Gemeinschaftsaufgabe verstanden: 53 Städte und Gemeinden sowie vier Landkreise waren zu motivieren, um Essen als Bannerträgerin2 der Bewerbung zu unterstützen. Die Bewerbung als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen ergab sich auch aus dem Grunde, dass eine Stadt im Ruhrgebiet alleine kaum in der Lage gewesen wäre, die Bewerbung zur Kulturhauptstadt zu tragen. Vor allem aber gab es die Vision, durch Vernetzung und Kooperation das Bild einer Metropole von innen und nach außen zu vermitteln. Bei der Bewerbung um den Titel wurden von Anfang an zwei Ziele verfolgt: 1. Das Verbindende der gemeinsamen Bewerbung – die Aufstellung einer einzelnen Stadt wurde nie in Erwägung gezogen – zur inneren Stabilisierung des Regionalgefüges zu nutzen und 2. den Ruf der Region endlich mit ihrer gelebten Realität in Einklang zu bringen. So trat das Ruhrgebiet mit den Motiven in den Wettbewerb um den europäischen Titel der Kulturhauptstadt ein, regionale und auch lokale Projekte für das Kulturhauptstadtjahr zu entwickeln mit dem gemeinsamen Ziel, das Ruhrgebiet zu einer international renommierten Metropole mit der Kultur als Motor des Strukturwandels heranwachsen zu lassen. Das Bewerbungsbüro bildete den organisatorischen Kern und die Koordinierungsstelle im Laufe der Bewerbungsphase, wobei es lediglich mit vier Mit2
Essen trat als Bannerträgerin in den Kampf um den Titel an, da nach Regelung der EU nur Städte und keine Regionen eine Bewerbung einreichen können.
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arbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt war. Nach und nach konnten eine Reihe weiterer Akteure aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft als Unterstützer und Multiplikatoren der Bewerbung zur Kulturhauptstadt gewonnen werden. Dabei war es unverzichtbar, die bereits vorhandenen Institutionen und regionale Organisationsstrukturen, wie zum Beispiel den RVR, den Initiativkreis Ruhrgebiet und den Verein pro Ruhrgebiet mit in den Bewerbungsprozess und dessen Entwicklung einzubeziehen. Nur so konnte eine langfristige und nachhaltige Perspektive für das Ruhrgebiet aufgebaut werden. Auf politischer Ebene wirkte – neben den Städten und deren Kulturdezernenten – später auch das Land Nordrhein-Westfalen mit. Die inhaltliche Dimension der Bewerbung und das Motto ›Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel‹ wurden im gemeinsamen Diskurs, in der Kulturdezernenten-Konferenz sowie in Workshops mit Vertretern von Kultureinrichtungen, der freien Kulturszene und der kulturellen Initiativen fortentwickelt. Das Motto der Bewerbung verdeutlichte ein Verständnis von Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik: Kultur kann bei der Suche nach Lösungen von gesellschaftlichen Herausforderungen des modernen Europas eine wesentliche Rolle spielen. Öffentliche Hand, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft sind dabei als Protagonisten zu aktivieren.3 Dieser Aufforderung wurde mit großem Engagement nachgegangen. Unabhängig von dem institutionalisierten Bewerbungsprozess, gelenkt durch das Bewerbungsbüro im RVR und die Moderation der Bewerbung4 , bildeten sich zahlreiche Initiativen und Netzwerke in der Region. Künstler und Kulturschaffende wurden aufgerufen, Ideen für Kooperationsprojekte zu entwickeln, die Wirtschaft beteiligte sich u.a. finanziell, Bürger und Bürgerinnen nahmen engagiert an den Aktionen ›I love Ruhrgebiet‹ und ›100.000 Gesichter für das Ruhrgebiet‹ teil, die maßgeblich von der RAG Aktiengesellschaft und der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sowie weiteren Medien vorangetrieben wurden. Der Erfolg der Bewerbung basierte auf dem Kooperationsgedanken. Sie ist zu einem Motor im Prozess der Einigung geworden. Die Auszeichnung mit dem Titel kann als ein nachhaltiger Impuls und Anstoß zu einer neuen Dimension regionaler Zusammenarbeit gewertet werden. Der Regionalverband Ruhr erwies sich als der geeignete institutionelle Rahmen im Bewerbungsprozess. Es wurde sichtbar, dass das Ruhrgebiet die Kraft zu erahnen begann, die hinter der Bündelung seiner Fähigkeiten steckt. In der Vergangenheit pflegten die Städte und Gemeinden ihre Eigenständigkeit und Individualität oft zu Lasten der regionalen Entwicklungsmöglichkeiten. Um die Potenziale zu bündeln, wurde sodann 3
Vgl. dazu Scheytt 2008.
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Zunächst war der frühere Direktor des Museum Folkwang Georg W. Költzsch der Moderator, der leider im Jahr 2005 schwer erkrankte und Anfang 2006 verstarb. Danach übernahm Oliver Scheytt diese Funktion.
Oliver Scheytt, Marc Grandmontagne £Kooperation und Eigensinn
zum Jahresende 2006 die RUHR.2010 GmbH zur Vorbereitung und Durchführung des Kulturhauptstadt Jahres gegründet, deren Gesellschafter der Regionalverband Ruhr (33 Prozent), die Stadt Essen (17 Prozent), das Land Nordrhein-Westfalen (25 Prozent) sowie der Initiativkreis Ruhr (25 Prozent) sind.
3 DIE ARBEIT
DER
RUHR .2010 G M B H
Die RUHR.2010 GmbH ist die verantwortliche Gesellschaft zur Vorbereitung und Durchführung des Kulturhauptstadtprogramms und ist für die damit verbundenen Marketing- und Tourismusaktivitäten zuständig. Sie übernimmt wichtige Schnittstellenfunktionen, Programmplanung und -entwicklung, Gesamtbudgetentwicklung und die systematische Imagewerbung und Gesamtvermarktung. Ihren Auftrag leitet die RUHR.2010 GmbH vor allem aus den Vorgaben und Kriterien der EU ab, welche bei der Programmatik, der Organisation und Durchführung des Kulturhauptstadtjahres zu beachten sind. Bei der Auswahl der Projekte für das Programm 2010 hat sich RUHR.2010 von den Kriterien Vernetzung, Nachhaltigkeit und Modellhaftigkeit für Europa leiten lassen. Eigene Ressourcen für die Aufgaben der RUHR.2010 zu nutzen heißt, die regionalen Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden sowohl konzeptionell als auch operativ in die Programmgestaltung einzubinden und ein gemeinsames Profil aus der Vielzahl der Aktivitäten herauszuarbeiten sowie dieses intern und extern zu kommunizieren. Es bietet sich die einmalige Chance, eine strukturelle wie nach außen hin einheitlich wirkende repräsentative Klammer zu schaffen. Über den Prozess der Projektentwicklung von ca. zwei Jahren hat sich bei den Beteiligten ein Bewusstsein für die Chancen und Synergien einer Zusammenarbeit sowie eines gemeinsamen öffentlichen Auftretens eingestellt. Die RUHR.2010 befindet sich in der komfortablen Lage, auf im deutschsprachigen Raum bedeutende Kulturinstitutionen und auf eine vielfältige Kulturlandschaft zurückgreifen zu können und sieht ihre Hauptaufgabe darin, diese Ideen und Projekte im Hinblick auf das formulierte Profil ›Strukturwandel durch Kultur‹ im Verlauf zu qualifizieren. Durch die Programmarbeit mit vorhanden Institutionen sowie durch die Produktion eigener Projekte, aber vor allem durch eine effektive und intensive Kommunikation dieser Arbeit und Zusammenarbeit hat sich die Marke RUHR.2010 durchgesetzt und wird zu einer Institution, die inzwischen mit kooperativer Kompetenz assoziiert wird. Die künstlerischen Direktoren werden als Experten für vernetzte Kulturarbeit angesehen. RUHR.2010 bündelt auf neue Weise die kulturellen Potenziale der werdenden Metropole Ruhr und kann so ein neues Erscheinungsbild schaffen: Aus Vielfalt wächst Einheit und Stärke.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
4 K O O P E R AT I O N E N I N A L L E N B E R E I C H E N S O W I E E I G E N I N I T I AT I V E N Im Laufe der Programmplanung wurden ca. 2200 Projekte bei der RUHR.2010 GmbH eingereicht. Das Interesse und der Wille zum Mitmachen sind höchst erfreulich. Die RUHR.2010 hat etwa 200 Projekte in das Programm aufgenommen. Die Projektauswahl ist weitgehend abgeschlossen, wird im ständigen Dialog durch die Geschäftsführung und die künstlerischen Direktoren weiterentwickelt. Hinzuzurechnen sind rund 100 Einzel-Projekte, die im Rahmen von TWINS 2010 stattfinden werden, dem größten Europäischen Städtepartnerschaftsprojekt.5 Die Programmstruktur zeichnet sich durch eine auf Kooperation, Vernetzung und Nachhaltigkeit ausgerichtete Orientierung aus. RUHR.2010 setzt auf bestehende Kulturinstitutionen der Region durch Kooperation und Konzentration. Bei der ›Odyssee Europa‹ arbeiten sechs große Theater in der Region erstmals an einem gemeinsamen Projekt. Internationale Autoren lassen sich von Homers Epos ›Odyssee‹ inspirieren und rücken die Themen Heimat und Fremde auf der Suche nach einem neuen Europa ins Licht. Beflügelt von der Vision 2010 und dem Termin entstehen in Eigeninitiative an den verschiedensten Orten neue Kulturbauten. In Essen wird der Neuund Erweiterungsbau des Museum Folkwang ermöglicht, die größte Moschee Deutschlands wurde in Duisburg-Marxloh eröffnet, das Dortmunder U wird zu einem großen kreativen Quartier ausgebaut und in Bochum beginnt der Bau eines neuen Konzerthauses, um nur einige zu nennen. In jeder Stadt scheint sich ein neuer kultureller Leuchtturm zu bilden, doch zusammen ergibt sich ein unverwechselbares Profil: Das Ruhrgebiet wächst als Einheit zu einer der bedeutendsten Kulturregionen in Europa heran. Die Kulturhauptstadt aktiviert nicht nur Institutionen aus dem klassischen Kulturbereich, sondern mobilisiert auch Akteure aus kulturferneren Bereichen. Das Projekt ›Schachtzeichen‹ gilt hier als ein Paradebeispiel. Die vielen hundert Schächte, als Hinterlassenschaft des ehemaligen Kohlereviers, sollen wieder sichtbar gemacht werden. An den Stellen der ehemaligen Lebensmittelpunkte der Bergleute sollen an Tagen im Mai 2010 große gelbe Ballone eine neue Silhouette der Industrieregion markieren. Geschichts- und Heimatvereine, Städte, Gemeinden, Bergämter, Historiker und Privatpersonen können Paten der Ballone werden. Ein Ziel dieses Projektes ist es, den sozialen Zusammenhalt der Region zu stärken, die Rückbesinnung auf die Vergangenheit zu intensivieren und ein kollektives neues Bild von der Metropole Ruhr zu bewirken. Im Kulturhauptstadtjahr wird die Metropole Ruhr im Rahmen von TWINS 5
Dazu im Weiteren sogleich mehr.
Oliver Scheytt, Marc Grandmontagne £Kooperation und Eigensinn
2010 Gastgeber für seine 150 Partnerstädte in ganz Europa sein. Städtepartnerschaften sind Rückgrat für den internationalen Kulturaustausch und lassen das Ruhrgebiet zu einem Ort der Begegnung und des interkulturellen Dialogs werden. Die Städte als gemeinsame Träger europäischer Kultur bilden starke Kooperationsnetzwerke zur Realisierung von internationalen Projekten. TWINS 2010 versteht sich als europäische Plattform für Bürgerinnen und Bürger, für Aktive und Kreative. Die grenzüberschreitende, europaweite Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt, um das kreative und kulturelle Potenzial zu entfalten und nachhaltig zu stärken mit dem gemeinsamen Ziel, das Ruhrgebiet als Europa im Kleinen abzubilden und die europäische Integration ein Stück vorwärts zu treiben. Um einen umfassenden Austausch und eine gute Kommunikation zu garantieren, kommen alle Beteiligten zu Vorbereitungskongressen zusammen. Der erste Kongress fand im Frühjahr 2006 statt, bei dem 31 Kommunen der Metropole Ruhr und 92 Partnerstädte eine Kooperationsvereinbarung unterzeichneten. Das Rückgrat der regionalen Zusammenarbeit sind die kommunalen Kulturhauptstadtbüros. Die Städte und Kreise der Region, die sich über den RVR finanziell an der Kulturhauptstadt beteiligen, tragen durch eigene Beiträge zum Programm der Kulturhauptstadt bei. Diese pluralistische Akteurskonstellation innerhalb des Netzwerks RUHR.2010 sichert eine Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Städten. In einem monatlich stattfindenden Treffen der RUHR.2010 mit den Kulturhauptstadtbeauftragten der Städte und Kreise werden gegenseitige Informationen ausgetauscht, Diskussionen angeregt und Feedbacks gegeben. Im Rahmen der ›Local Heroes‹ Wochen realisieren 52 Städte in eigener Verantwortung jeweils ein Programm für eine Woche des Jahres 2010, in welchem kulturelle Besonderheiten herausgestellt werden sollen. Die Entscheidung des Landtags von NRW im Herbst 2008, jeder Stadt zwei EUR pro Einwohner zweckgebunden für Kulturhauptstadtprojekte zuzuweisen, hat einen Entwicklungs- und Beteiligungsschub ausgelöst. Seither hat jede Stadt eigene zusätzliche Finanzmittel, um sich an den Projekten von RUHR.2010 zu beteiligen. Neben den bereits genannten Akteuren engagieren sich zahlreiche Partner aus Wirtschaft und Industrie für die Projekte der RUHR.2010 hauptsächlich in Form des Sponsorings. An erster Stelle ist hier der Initiativkreis Ruhr zu nennen, ein Zusammenschluss von 68 großen Unternehmen an der Ruhr, welcher ebenfalls auf freiwilliger Kooperation zugunsten einer gemeinsamen Idee basiert. Schon bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas spielten die Unternehmen sowie Unternehmerpersönlichkeiten wie Berthold Beitz und Werner Müller eine wesentliche Rolle. Ferner ist der Initiativkreis als Gesellschafter an der RUHR.2010 GmbH beteiligt und unterstützt die konkrete Umsetzung des Kulturhauptstadtprogramms in Form des direkten Projektspon-
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sorings. Hauptsponsoren wie E.ON Ruhrgas und RWE AG konnten gewonnen werden. Eine übergreifende Kooperation ist auch im Bereich Marketing/Tourismus erkennbar. Die Region hat ihre Chance erkannt, welche Fortschritte in der Außenwahrung der Region die Kulturhauptstadt mit sich bringen kann. Die RUHR.2010 GmbH entwickelte zusammen mit der Ruhr Tourismus GmbH (RTG) sowie der Leitagentur KNSK ein Tourismus- und Kommunikationskonzept, welches die gesamte Region Ruhr mit einbindet und weit über 2010 hinausreicht. Schwerpunkte werden hierbei vor allem auf die touristische Vermarktung und infrastrukturelle Profilierung der Region gelegt. Die Metropole Ruhr wird in fünf Erlebnisareale eingeteilt. Jedes Areal erhält ein zentrales Besucherzentrum als Eintrittsportal zur Erlebnisregion. Das ›Erlebnisraumdesign‹ entwickelt für den Gast von außerhalb sowie für die Einheimischen ein an Landmarken und Themen nachvollziehbares Gebiet und gibt der Metropolregion ein erkennbares Gesicht. Neben den fünf großen Besucherzentren in Dortmund, Bochum, Duisburg, Oberhausen und Essen werden kleinere Informationszentren an touristischen Knotenpunkten und ausgewählten Sehenswürdigkeiten der Metropole Ruhr eingerichtet. So ist ein weitreichendes Netzwerk an Informations- und Kommunikationsportalen gesichert, um eine ausreichende Vermittlung des kulturellen Angebots in der polyzentrischen Metropole Ruhr zu gewährleisten. Bei der Internationalen Tourismusbörse im März 2009 in Berlin hat das neue Konzept gegriffen, die Metropole Ruhr konnte sich als neue starke Einheit präsentieren. Die Logosystematik setzt auf Einbindung der regionalen Akteure für die Kulturhauptstadt Europas. Es wurden drei Logos entwickelt: erstens das Community-Logo für alle Institutionen, Unterstützer und Interessierte, die sich mit der Idee der Kulturhauptstadt verbunden fühlen; zweitens das bunte graphisch hochwertige Dachmarkenlogo, welches ausschließlich durch die RUHR.2010 GmbH vergeben wird und zur Kennzeichnung der Projekte und Veranstaltungen dient, die zum Kulturhauptstadtprogramm 2010 gehören; drittens das Städtelogo, welches neben dem Fähnchenmotiv noch den Namen der jeweiligen Stadt enthält, die zur Nutzung berechtigt ist. Zusammenfassend lassen sich folgende Elemente der programmatischen Entwicklung festhalten: • kulturelle Teilhabe aller Menschen • europäischer Diskurs • interkulturelle Handlungsansätze und Vernetzung • genre- & generationsübergreifende Ansätze • Gastlichkeit, Lesbarkeit und Orientierung, Tourismus und Mobilität • nachhaltige wirtschaftliche Effekte, Kreativwirtschaft
Oliver Scheytt, Marc Grandmontagne £Kooperation und Eigensinn
5 PERSPEKTIVPL ÄNE UND M A STERPL AN Z U R K U LT U R M E T R O P O L E R U H R In den Jahren 2006 und 2007 fand unter Leitung von Dr. Dr. h. c. K. Schilling, dem früheren Kulturdezernenten Duisburgs, ein groß angelegter Diskussionsprozess statt, in dem zwei Perspektivpläne für die Kulturmetropole Ruhr erarbeitet worden sind. Diese Perspektivpläne zeigen eine Handlungsperspektive bis 2010 und darüber hinaus auf. Die beiden erschienen Bücher sind umfassende Materialsammlungen und das Ergebnis einer vernetzten Durchdringung eines breitgefächerten Kaleidoskops der kulturellen Potenziale im drittgrößten europäischen Ballungsraum. Zahlreiche Ideen und Papiere wurden in Kolloquien zu ausgewählten Themen zur Diskussion gestellt. Der erste Perspektivplan stellt die Ergebnisse zahlreicher Kulturforen mit Akteuren aus allen Bereichen der Kulturszene dar. Er fand breite Anerkennung im politischen und kulturell-wissenschaftlichen Bereich. Der Perspektivplan I hat dann zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit seinen Thesen, Prognosen und Vorschlägen geführt. Der Perspektivplan II ist sodann in einem weitergehenden und etwas anders gestalteten Prozess entstanden, bei dem schriftliche Entwürfe und Aufrisse zu verschiedenen Themenbereichen erörtert wurden. Die Zielsetzungen für den Perspektivplan II waren folgende: 1. Erarbeitung eines Status des Jahres 2007 für die gesamte Region: Diskussionsergebnisse, Konzepte, Abhandlungen, Materialien, Trends, Projekte, Visionen etc. Soweit bekannt, handelt es sich hierbei um den ersten Versuch, eine Zustandsbeschreibung dieser Art vorzulegen; 2. umfassende inhaltliche und zielführende Diskussionen zum ›Großereignis Kulturhauptstadt Europas 2010‹: Diskussion vom Selbstverständnis der Region im Blick auf dieses Projekt, Ideen und Möglichkeiten, kritische Hinterfragungen, Alleinstellungsmerkmale etc.; 3. Entwicklung von Aufgabenstellungen, Projekten, Perspektiven und Problemlösungen im Sinne der ›Nachhaltigkeit‹ bis etwa zum Jahre 2030. In acht Kolloquien wurden folgende Themen aufgearbeitet: die Medien, die Marketingstrategien, das Engagement von Wirtschaft und Industrie, Kultur als Lebensweise, die Wirkungsfelder der evangelischen und katholischen Kirche, Einwanderung, Migration und Integration, interkulturelle Verständigung, die Wissenschaftsregion Ruhr. Weitere Beiträge haben die Themen Demografischer Wandel sowie Wissenschaft, Kultur und Bildung vertieft. Die Perspektivpläne haben aufgezeigt, wozu die Region bereits in der Lage ist, wo ihre Potenziale sind, welche Bedeutung Universitäten und Forschungseinrichtungen zukommt und wo deren Ressourcen für eine Neupositionierung
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als Metropole Ruhr auszumachen sind. Viele hundert Akteure haben insgesamt an den Diskussionen teilgenommen, doch waren die Perspektivpläne ohne eine ›legitimatorische Basis‹ entstanden: Die Hypothekenbank in Essen hat den Rahmen gebildet und war Gastgeber. Eingeladen wurden zwar auch politische Akteure, doch waren weder der Regionalverband Ruhr noch die Städte mit ihren politischen Vertretungskörperschaften in die Entstehung eingebunden. Wieder anders ist der Masterplan Kultur für die Metropole Ruhr entstanden. Er befindet sich bei Abfassung dieses Beitrages in der redaktionellen Endphase. Der Masterplan ist vom Regionalverband Ruhr in Auftrag gegeben worden bei der Agentur ›invent‹. Diese konnte sowohl auf der Arbeit der Perspektivpläne aufbauen sowie den fortlaufenden Diskurs zu und von RUHR.2010 aufgreifen. Der Masterplan hat sechs wesentliche Themenfelder definiert, die in Zukunft zur weiteren Profilierung des Ruhrgebiets als Ruhrmetropole intensiver behandelt werden sollen. Dazu zählen die Metropolentransformation, die Theaterlandschaft, die interkulturelle Arbeit, die Kreativwirtschaft, die kulturelle Bildung und die Bildende Kunst. Der Masterplan Kultur hat auf rund 200 Seiten ganz konkrete Handlungsvorschläge entwickelt und schließt ab mit einem Organisations- und Finanzierungsvorschlag für eine dauerhafte Struktur in Form einer ›Kulturmetropole RUHR GmbH‹. Es wird sich zeigen, ob dieser großangelegte Vorschlag von den politisch legitimierten Akteuren – den Städten und dem Regionalverband Ruhr – und vom Land NRW unterstützt wird und ab 2011 dann zur Realisierung kommt. Seine Vorschläge sind so angelegt, dass die RUHR.2010 eine nachhaltige Wirkung in der Kulturarbeit und -organisation auf Ebene der Metropole Ruhr entfalten würde.
6 F A Z I T /A U S B L I C K Neben all den positiven Erfahrungen bringt die Koordination unterschiedlicher Interessen der Akteure auch immer einen Verteilungskonfl ikt mit sich. Über die Verteilung der finanziellen Mittel ist ebenso zu entscheiden wie über die inhaltlichen Schwerpunkte. Hier ist es wahrlich nicht möglich, die Interessen aller bis ins Einzelne zu berücksichtigen. RUHR.2010 bemühte und bemüht sich stets, die regionale Ausgewogenheit bei der konkreten Ausgestaltung des Kulturhauptstadtprogramms zu beachten. Trotz zahlreicher Projektabsagen kann die Kulturszene insgesamt von der Kulturhauptstadt Europas profitieren. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Arbeit der RUHR.2010 GmbH zu einer positiven Innen- und Außenwahrnehmung der Metropole Ruhr beiträgt. Dies zeigte sich schon nach der ersten Programmveröffentlichung im Oktober 2008. Besonders nachhaltige Wirkung in der regionalen als auch überregionalen
Oliver Scheytt, Marc Grandmontagne £Kooperation und Eigensinn
Presse entfaltete die Präsentation auf der Internationalen Tourismusbörse im März 2009. Das Ruhrgebiet erhält endlich die langersehnte Möglichkeit, sich von dem verstaubten Image zu lösen, ganz in dem Sinne der Sentenz von Adolf Muschg: »Das Ruhrgebiet atmet nicht mehr Staub, sondern Zukunft«. Unter folgenden Gesichtspunkten kann der Erfolg der Kulturhauptstadt gemessen werden: • Ist dem Ruhrgebiet der Aufstieg von einer strukturschwachen Region zu einer europäisch bedeutsamen Kulturmetropole gelungen? • Ist es gelungen, die Außenwahrnehmung der Region mit der gelebten Realität in Einklang zu bringen? • Bestehen nachhaltig wirksame Kulturstrukturen über 2010 hinaus? • Konnte das Ruhrgebiet als touristisches Ziel etabliert werden? • Sind Kooperationen und Netzwerke gegründet und etabliert worden? • Wie gelang die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger bei den Aktivitäten der Kulturhauptstadt? In welchem Ausmaß die Kulturhauptstadt als das bekannteste europäische Projekt in der Kulturarbeit und Kulturpolitik Wirkung für Ruhr als neuer Metropole Europas zeigt, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Gewissheit sagen. Es gibt aber allen Anlass, nicht mehr nur von einer Hoffnung auf ein neues Image und einer nachhaltigen Verbesserung der kulturellen Wahrnehmung zu sprechen.
QUELLENVERZEICHNIS Scheytt, Oliver (2008): Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik, Bielefeld.
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D A S N RW K U LT UR S E K R E TA R I AT . I N T E R K O M M U N A L E K U LT U R F Ö R D E R U N G Christian Esch
1 DIE GRÜNDUNGSIDEE Nordrhein-Westfalen gehört mit ca. 18 Millionen Einwohnern zu den am dichtesten besiedelten Räumen Europas. Groß ist die Zahl der Städte von mehr als 100.000 Einwohnern, darunter Metropolen wie Köln, Düsseldorf, Essen und Dortmund oder auch regionale Ober zentren wie Bielefeld und Münster. Das Ruhrgebiet mit seinen mehr als 50 Städten und Gemeinden versucht sich seit Jahrzehnten als ›Metropole Ruhr‹ zu erfinden, die – würde die Wirklichkeit der kommunalen Kleinkariertheit nicht solchen Visionen immer wieder entgegenstehen – auf zusammen gut fünf Millionen Einwohner kämen. Mehr als jedes andere Bundesland ist also Nordrhein-Westfalen ein ›Land der Städte‹. Dies war und ist weiterhin die Voraussetzung für eine Idee, deren Verwirklichung bereits 35 Jahre Bestand hat: Die Gründung eines selbstbestimmten kommunalen Zusammenschlusses in Sachen Kultur unter dem etwas umständlichen Namen ›Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in NordrheinWestfalen‹. 1974 wurde es als Verbund der theater- und orchestertragenden Städte in Wuppertal aus der Taufe gehoben, nur wenige Jahre später gefolgt von einer Geschwisterkonstruktion für die kleineren Städte ohne Theater und Orchester mit Sitz in Gütersloh. Bis heute sind die Institute als NRW KULTURsekretariat (Wuppertal) und Kultursekretariat NRW Gütersloh einzigartige Gebilde von Kulturförderung als Verbünde, die auch Ausdruck eines damals noch gesunden Selbstbewusstseins der Städte waren.
2 KOM MUN A LE K R A F T
UND
SCHWÄCHE
Grundlage dafür, dass das Kultursekretariat seine Arbeit aufnehmen konnte, war die Übereinkunft mit dem Land NRW, den Mitgliedsstädten Projektmittel zur Verfügung zu stellen. Sie sollten von einem Sekretariat vergeben werden, dessen Arbeit wiederum die Städte durch jährliche Umlagebeiträge ermöglichten. Das Sekretariat wurde deshalb als Servicestelle eingerichtet, die, gelenkt durch Beschlüsse der Vollversammlung aller Kulturdezernenten, vor allem Komplementärmittel für gemeinsame Vorhaben bereitstellte. Die Willensbildung, die zu solchen beschlossenen Projekten führte, war dabei kaum weniger wichtig als die Beschlüsse selber, war sie doch Ausdruck von Kooperation und Abstimmung jenseits kommunaler Einzelinteressen und sog. Kirchturmpolitik. Sehr konkret erreichte man damit einerseits, dass Projekte und Ziele
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übergreifend und synergetisch geplant und durchgeführt wurden; andererseits konnte man auf diese Weise finanziellen und personellen Dispositionen und Strukturen in den Städten das notwendige Zusatzgeld und zentrale Organisationshilfen zukommen lassen für Aktivitäten über das hinaus, was die Kommunen regulär und aus eigener Kraft veranstalteten. Daraus ergab sich ein erhebliches Surplus, ein inhaltlicher wie finanzieller Mehrwert, der geprägt und geleitet war vom gemeinsamen Wirken der Städte ebenso wie vom Gedanken »Stadt und Land, Hand in Hand«. Das funktionierte so lange, wie die Finanzen in den Städten ausreichend waren, aber auch dadurch, dass Land und Städte einerseits und andererseits die Städte untereinander parteipolitisch verbunden waren. Bekanntlich hat sich das im letzten Jahrzehnt kommunal und auf Landesebene verändert. Angesichts der anhaltenden Misere der kommunalen Finanzen kann in den letzten Jahren von einem Selbstbewusstsein der Städte auf gesicherter Grundlage allenfalls eingeschränkt noch die Rede sein. Aufgrund dessen haben sich die Voraussetzungen für die Kulturarbeit in den Städten stark verändert. Um solchen Veränderungen Rechnung zu tragen, wandelt sich auch die Arbeitsweise von NRW-KULTUR. Nur diese ständige Neuerfindung gemeinsamer Kulturarbeit auf der Grundlage sich wandelnder Strukturen erklärt, dass sich die Idee einer vernetzten kommunalen Kulturarbeit entwickeln, ja in ihrer Bedeutung noch steigern ließ. Immer weniger intakte finanzielle und personelle Möglichkeiten vor Ort erzwingen ein verstärktes eigeninitiatives Engagement des Kultursekretariats. Die Misere der meisten Kommunen erzwingt aber auch die stärkere finanzielle Beteiligung des Landes an der Kultur in NRW, die in den letzten Jahren begonnen hat, ohne allerdings nur entfernt das Niveau zu erreichen, das zur wenigstens teilweisen Kompensation der kommunalen Schrumpfung dringend notwendig wäre: Trotz der wachsenden Probleme entfallen aktuell (2008/09) volle 87 Prozent der Kulturausgaben auf die Kommunen, während der Kulturförderhaushalt des Landes NRW nach erheblichen Steigerungen in den wenigen letzten Jahren gerade einmal demjenigen der allerdings vergleichsweise finanzkräftigen Stadt Düsseldorf entspricht. Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren das Verhältnis zur Landesregierung, der das Sekretariat seine Projektmittel verdankt, deutlich verbessert. Das hat sich nicht nur in der Aufstockung der Mittelzuwendungen durch das Land niedergeschlagen. Ebenso wichtig ist die durch konkrete Zielvereinbarungen dokumentierte zunehmende Kooperation insgesamt, auch bei kulturpolitischen Weichenstellungen. Immer häufiger flankieren sich Zielsetzungen und Maßnahmen beider Seiten, doch gibt es genügend durchaus unterschiedliche Akzentuierungen, um ein gegenseitiges Abschleifen der Profile zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist auch die inzwischen eingeleitete teilweise
Christian Esch £Das NRW KULTURsekretariat. Interkommunale Kulturförderung
Übergabe des Bereichs Internationale Kultur durch das Land an das Kultursekretariat zu sehen, auf die weiter unten eingegangen wird.
3 MODELLE
DER
ZUSAMMENARBEIT
Die Projekt- und Angebotspalette von NRW-KULTUR lässt sich in drei Gruppen einteilen: • Zum einen sind dies Pools von handlichen Angeboten zur einfachen Buchung von inhaltlichen und damit verbundenen finanziellen Leistungen, die regelmäßig von allen Mitgliedsstädten aufgegriffen werden. • Zum Zweiten handelt es sich um Programme des Kultursekretariats, an denen sich eine große Zahl von Städten beteiligen will und kann. • Die dritte Gruppe umfasst meist groß angelegte Festivals oder Schwerpunkte, die zusammen mit wenigen Städten oder gar mit nur einer Stadt veranstaltet werden, weil sie auf spezifische Voraussetzungen vor Ort zugeschnitten sind und überdies von zahlreichen Städten nicht mit den notwendigen Komplementärleistungen (Orte, Technik, Personal oder Finanzen) beantwortet werden können. 3.1
Of fene Angebote
Zur ersten Gruppe gehören einfach zu buchende Angebote, die vom Kultursekretariat, z.T. mit Hilfe von Arbeitskreisen, ausgewählt und anschließend für die Umsetzung vor Ort mit hohen Fördersätzen unterstützt werden. Dazu zählt das ›Kinder theater des Monats‹, ein allerdings noch recht vitaler Methusalem unter den Programmen des Kultursekretariats: Eine Arbeitsgruppe aus Experten und Veranstaltern nominiert Produktionen aus NRW und darüber hinaus. Um diese ausgewählten Kindertheater-Arbeiten zeigen zu können, werden vor allem freie Veranstalter durch eine 50-Prozent-Förderung der Auftritte unterstützt. Ähnlich arbeitet das ›Auftrittsnetzwerk‹ für Freies Theater ›Theaterzwang/ Favoriten‹. Hier vermittelt und fördert das Kultursekretariat Auftritte solcher Produktionen, die zum biennalen Festival Theaterzwang/Favoriten in Dortmund eingeladen bzw. dort ausgezeichnet worden sind. Die ›Werkproben‹ wiederum versammeln in der gleichnamigen zentralen Publikation von einem Fachbeirat ausgewählte Autorentexte und bieten Lesungen und Workshops dieser Autoren zu besten Konditionen an. Alle diese Programme werden intensiv auch an Schulen angeboten und mit zusätzlichen Maßnahmen des Kultursekretariats im Bereich Kulturelle Bildung verbunden, z.B. mit dem Programm ›Immer Theater an der Schule‹. Ähnlich wie die genannten Buchungsangebote funktionieren das vielteili-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
ge Konzertangebot ›Klangkosmos Weltmusik‹ oder auch das Auftrittsnetzwerk als Teil des Popmusik-Förderwettbewerbs ›popUP NRW‹. Praktisch alle Mitgliedsstädte beteiligen sich an diesen Programmen, die im Falle von ›Kindertheater des Monats‹, ›Werkproben‹ und ›Klangkosmos Weltmusik‹ mit dem Kultursekretariat in Gütersloh kooperiert werden und damit auch vielen kleineren Städten des Landes zur Verfügung stehen. Diese Angebote funktionieren auch deshalb gut, weil der Förderanteil des Kultursekretariats sukzessive erhöht wurde. Dadurch konnte der schwindenden Finanzkraft vor Ort und den entsprechenden Problemen, den notwendigen Eigenanteil aufzubringen, teilweise begegnet werden. In Ausnahmefällen erweist sich zu Beginn sogar eine vorläufige 80-Prozent-Förderung als erforderlich, etwa bei solchen Angeboten, die auf die eigene Initiative des Kultursekretariats zurückgehen. Genannt sei hier das 2005 gestartete Förderprogramm ›Baglama für alle‹ mit Unterricht auf der türkischen Saz an Musikschulen, das es seit 2005 gibt. Der Förderanteil konnte nach einiger Zeit wieder reduziert werden. Das Programm ›Baglama für alle‹ gehört zur zweiten Gruppe der Aktivitäten von NRW-KULTUR: Angebote, die (zunächst) von einer begrenzten Zahl von Mitgliedsstädten aufgegriffen werden. Zuletzt beteiligten sich mehr als die Hälfte der Mitgliedsstädte an dem Musikunterrichtsprogramm. Unterdessen werden noch weitere Instrumente aus Einwandererkulturen einbezogen. 3.2
Spezifische Kooperationen
Zum einen Teil verdanken sich diese Formen der Zusammenarbeit mit einzelnen Partnern der Einsicht in kulturpolitische Notwendigkeiten, die von anderen Städten oder ihren Einrichtungen zunächst nicht in diesem Maße geteilt wird. Insofern fungiert NRW-KULTUR häufig auch als Think Tank für seine Mitglieder, wie etwa im Falle des anfangs umstrittenen, inzwischen boomenden Schwerpunkts ›Kultur und Alter‹. Neben diesem Programm oder auch der Weltmusik an Musikschulen brauchte auch das neue, fachlich kuratierte Internet-Modell ›museumsplattform nrw‹ seine Zeit. Nach gut zwei Jahren sind allerdings schon 16 Städte bzw. Museen zum einen mit ihren Exponaten und zum anderen mit von einer zentralen Redaktion erarbeiteten Werkmonografien und Künstlerbiografien beteiligt. Mit den realen Orten verbunden ist dieses virtuelle Museum der Museen durch Serviceangebote und Reisehinweise für vorinformierte und damit neugierig gemachte Besucher. Nicht nur mit Blick auf diese neuartige Plattform spielen das Medium Internet und der Themenbereich ›Digitale Bildwelten‹ eine bedeutsame Rolle in den Aktivitäten des Kultursekretariats. Ebenfalls mit einer begrenzten Zahl von Städten, die allerdings jährlich
Christian Esch £Das NRW KULTURsekretariat. Interkommunale Kulturförderung
wechseln können, arbeitet das Angebot ›MobiLES‹, eine komprimierte Reihe von Autorenlesungen in Bussen und Bahnen, an der jeweils bis zu sechs Städte teilnehmen. Die Auswahl der Autoren und Werke sowie größtenteils die Organisation leistet NRW-KULTUR. Von Projekt zu Projekt, von Uraufführung zu Uraufführung, von Recherche zu Recherche finden die Kooperationspartner innerhalb der mit immer neuen Ausschreibungen und Jury-Auswahlverfahren arbeitenden Programme ›Fonds Experimentelles Musiktheater‹ und ›Tanzrecherche NRW‹ zueinander. Die Projekte dieser beiden zuletzt genannten Programme werden also mit einzelnen Theatern und Produktionsstandorten im Lande kooperiert, finden mithin in projektweise wechselnden Städten statt. Das Beispiel ›Transfer‹: eine Projektstruktur im Wandel Gezielt mit einer begrenzten Zahl von wechselnden NRW-Partnern arbeitet seit einiger Zeit der ›Transfer‹ zusammen, ein internationaler Kunst- und Künstleraustausch, an dessen Wandel sich auch die veränderten Voraussetzungen der Arbeit des Kultursekretariats verdeutlichen lassen. Auf Initiative des Kultursekretariats finden sich neuerdings jeweils drei Museen in NRWStädten zusammen und entwickeln mit seiner Unterstützung Partnerschaften mit Museen im Ausland. Von 2005 bis 2007 waren die Partnerstädte für den Austausch mit der Türkei auf NRW-Seite Aachen, Bochum und Münster. 20082010 werden die Städte Dortmund, Mönchengladbach und Mülheim an der Ruhr mit französischen Museen in Nantes und zwei weiteren Städten Frankreichs Kunst und Künstler austauschen. Zum ›Transfer‹ gehören mehrere Phasen: das Identifizieren von interessierten und geeigneten Museen in NRW und im Partnerland, die anschließende gemeinsame Künstlerauswahl, die Gastaufenthalte und die abschließenden Ausstellungen in allen beteiligten Museen. Früher fanden die ›Transfers‹ immer zusammen mit praktisch allen Mitgliedsstädten statt, während sich jetzt eben nur jeweils drei Städte bzw. Museen beteiligen. Wichtigster Grund: In zu wenigen Kommunen gab es die notwendigen Voraussetzungen für Residenzen sowie Rahmenprogramme und Teilausstellungen. Seit einigen Jahren sind deshalb allein die Museen und Städte beteiligt, die sich im fast ausschließlich vom Kultursekretariat finanzierten Projekt nachdrücklich engagieren wollen und am Ende auch durch eigenes inhaltliches und personelles Engagement in den Genuss der Ausstellungen kommen. An diesem Beispiel lässt sich die Veränderung der vernetzten Arbeit verdeutlichen: Ehemals erlaubten die finanziellen und personellen Möglichkeiten, aber auch ideelle Aspekte der gemeinschaftlichen Arbeitsweise eine größere Breite der Beteiligung. Aufgrund der veränderten Bedingungen für Beteiligungen vor Ort lässt sich
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
sagen, dass es insgesamt statt weniger umfassender nunmehr viele unterschiedlich große und auch nach ihrer Dauer verschiedene Projekte gibt, mit Blick auf die Bereitschaft und Möglichkeit der Kooperation in den Städten. Der Vorteil von projektweise weniger Städten liegt auf der Hand: Um so zielgenauer und effektiver ist nun die Zusammenarbeit mit den Beteiligten, die zu einer vielfältigen Projektgestaltung beitragen, an der sich die lokale Kunstszene inklusive der interessierten Öffentlichkeit um so engagierter einbringen. 3.3
Einzelpartnerschaften
Seltener gibt es, als dritter Fall, punktuelle Veranstaltungen, die mit sehr wenigen oder gar einzelnen Städten kooperiert werden: So wird das internationale Freie-Theater-Festival ›Impulse‹ seit Jahren mit und in den Städten Bochum, Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr veranstaltet. Die ebenfalls biennale Musik-›Ensemblia‹ findet fast ausschließlich in Mönchengladbach statt, wobei neuerdings die Nachbarstädte Krefeld und Neuss einbezogen werden. Ein ›Kinder theaterfestival‹ ist auf Initiative des Kultursekretariats für 2010 in Münster geplant; Tagungen, praxisorientierte Diskurse und Projektforen des Kultursekretariats (zu ›Diskurs Kunst, Kultur und Alter, Schule und Kultur‹) werden ebenfalls in einzelnen Städten veranstaltet, ob in Köln, Bielefeld oder Dortmund. Beteiligt sind eine ganze Reihe von Akteuren aus zahlreichen Städten, auch außerhalb NRWs. Außerdem erreichen die resultierenden Publikationen alle Mitgliedsstädte. Die Effekte von Programmen und Projekten, aber auch von Tagungen und Diskursen werden nach Möglichkeit regelmäßig auch für solche Städte greifbar gemacht, die nicht unmittelbar beteiligt sind, aber doch begünstigt werden, durch förderwirksame Auftrittsnetzwerke oder durch Fachpublikationen. Im Falle der zentralen ›Senioren-Theaterplattform‹ in Gelsenkirchen werden am dortigen Consol-Theater, als Partner des Kultursekretariats, Produktionen aus ganz NRW eingeladen sowie Theatermacher im Seniorenbereich aus dem ganzen Land fortgebildet. Dem Prinzip gemeinsamer kommunaler Kulturarbeit folgend ist also selbst bei den Einzelpartnerschaften immer auch der Nutzen für die große Zahl der Mitgliedsstädte von Bedeutung. 3.4
›Im Auftrag‹: Agentur für Steuerung und Koordinierung
In besonderen Fällen übernimmt das Kultursekretariat aber auch, auf Bitte der Städte oder des Landes, eine koordinierende und steuernde Funktion für Aufgaben, die nicht oder nur zum Teil im Rahmen von genuinen Programmen des Kultursekretariats anfallen: Sei es die Organisation und Durchführung von Regionalen Fachkonferenzen zum Landesprogramm ›Kultur und Schule‹,
Christian Esch £Das NRW KULTURsekretariat. Interkommunale Kulturförderung
sei es die Trägerschaft des Kulturhauptstadtprojekts ›2-3 Straßen‹ von Jochen Gerz, dessen Entstehung sich allerdings einem Auftrag des Kultursekretariats an den Künstler verdankt und dessen Zustandekommen im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 nicht unwesentlich mit seinen nachdrücklichen kulturpolitischen Aktivitäten verbunden ist. Engstens mit dem Kultursekretariat verbunden sind Genese und Struktur des umfangreichen Programms ›Fonds Neues Musiktheater‹ (nicht zu verwechseln mit dem zuvor genannten ›Fonds Experimentelles Musiktheater‹). Den Fonds Neues Musiktheater führt das Kultursekretariat formell kommissarisch für das Land, ist aber faktisch für die Antragsbewilligungen und die Mittelvergabe an Opernhäuser im Lande verantwortlich.
4 I N I T I AT I V E D R E H S C H E I B E ,
ZENTR ALE
ST E U E R U N G
Fast alle Projekte werden mehr oder weniger ausschließlich im Kultursekretariat betreut. Nur fünfeinhalb feste Stellen standen dafür in den vergangenen Jahren zur Verfügung. Vieles wird durch temporäre Verträge geregelt, durch die organisatorische und inhaltliche Mitarbeit ermöglicht wird. Ohne diese zentrale Betreuung und Steuerung durch NRW-KULTUR wäre die Arbeit weniger denn je möglich, eben weil vor Ort in Zeiten der anhaltenden kommunalen Finanzkrise mit immer weniger Personal und Fachkompetenz gerechnet werden kann. Durch den Blick auf die Programme und Projekte mit ihren unterschiedlichen Arbeitsweisen mag deutlich geworden sein, dass Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit bei gleichzeitig qualifizierten, fundierten, aber eben auch praktikablen Inhalten die Grundvoraussetzungen für eine derartige vernetzende Arbeitsstruktur wie NRW-KULTUR sind. Diesen Grundsätzen folgend und angesichts der schleichenden, inzwischen aber galoppierenden kommunalen Krise wurde mit dem Wechsel in der Leitung im Jahr 2004 das Haus als ›initiative Drehscheibe‹ neu aufgestellt. Mit diesem Schlagwort ist beides gemeint: Das Anstoßen ebenso wie das Aufgreifen von Projekten im ›Dickicht‹ der Städte.
5 E X T E R N E K O O P E R AT I O N E N Das Netzwerk von Kooperationen erstreckt sich weit über die Mitgliedsstädte hinaus. Nicht nur die Kommunen und das Land NRW als die beiden wichtigsten Partner sind beteiligt; fallweise ist auch die Kunststiftung NRW ein Partner, insbesondere beim gemeinsam betriebenen ›Fonds Experimentelles Musiktheater‹, aber auch bei den ›Impulsen‹. Die Kulturhauptstadt Ruhr.2010 zählt ebenfalls dazu, abgesehen von einzelnen internationalen und bundesweiten
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Partnern wie ITI (Internationales Theaterinstitut), Deutscher Bühnenverein, Kulturpolitische Gesellschaft, Kulturrat NRW oder VG Bild. Zusätzliche Projektmittel und Leistungen akquiriert NRW-KULTUR etwa vom kooperierenden Paritätischen NRW, von der Geld gebenden Bundeskulturstiftung, aber auch von privaten Sponsoren sowie Werbe- und Medienpartnern von der WAZ bis zum WDR.
6 ÖFFENTLICHKEIT NRW-KULTUR leistet für die kooperierende Kultur in den Städten umfangreiche werbliche Arbeit, per Newsletter, monatlicher Doppelseite in der NRWKulturzeitschrift k.west, per Printprodukten wie Flyer, Broschüren und Plakate. Von besonderer Bedeutung für das Netz werk Kultursekretariat ist der umfangreiche Netzauftritt unter nrw-kultur.de sowie mit teilselbständigen Websites wie festival-impulse.de und nrw-museum.de. Auf diese Weise hat sich das Kultursekretariat zu einer wichtigen, nach der Zahl der Besuche auf der Website zu urteilen, zur breitesten Kommunikationsplattform der Kultur im Lande entwickelt. Sie richtet sich sowohl an die Mitglieder, die so von den Aktivitäten der jeweils anderen erfahren, als auch vor allem an die Öffentlichkeit und damit das potentielle Publikum der Veranstaltungen. Darüber hinaus ist die auf diese Weise hergestellte kommunikative Öffentlichkeit – neben der intensiven Gremienarbeit und Geschäftsberichten – eine wirksame Form, sowohl die kommunale wie die Landespolitik darüber zu informieren, was und mit welcher Wirkung der Mittelbereitstellung aus Steuergeldern geschieht.
7 PERSPEKTIVEN Die Arbeit von NRW-KULTUR ist also äußerst facettenreich strukturiert und hat sich in den Jahren seines Bestehens immer wieder gewandelt. Zuletzt geschah dies einschneidend 2004, als zum zweiten Mal in den 35 Jahren seines Bestehens die Leitung wechselte. Seit 2008 sind nunmehr die Weichen hin zu einer veritablen neuen Ära gestellt. Jenseits all der beschriebenen vielfältigen Aufgaben im Bereich der Breiten- ebenso wie der Spitzenkultur befasst sich inzwischen eine neu gegründete Abteilung im Kultursekretariat mit der internationalen Kulturarbeit für NRW, in enger Zusammenarbeit mit den einschlägig tätigen Einrichtungen in den Städten als erfahrene Kompetenzzentren. Eng abgestimmt mit der Kulturabteilung in der Staatskanzlei werden Besucherprogramme, Länderschwerpunkte und ein intensiver Kulturaustausch betrieben. Nach vielen Jahren von im Einzelnen durchaus ehrgeizigen, insgesamt jedoch vergleichsweise disparaten Aktivitäten kam man in der Landesregierung nach wiederholten Hinweisen aus den
Christian Esch £Das NRW KULTURsekretariat. Interkommunale Kulturförderung
Kommunen zu der Einsicht, dass es zielführend sein würde, Internationales in möglichst dichter Verschränkung mit den Personen und Institutionen zu betreiben, wo sie in diesem Bundesland von jeher stattfindet, eben in den Städten und ihrem Zusammenschluss, dem NRW KULTURsekretariat. Der Gedanke, die bereits vorhandene und intensiv genutzte Kommunikationsplattform NRWKULTUR auch als Börse und Austauschforum innerhalb des Landes und nach außen hin zu nutzen, trug wohl dazu bei, die internationale Kultur jedenfalls zu erheblichen Teilen auf die kommunale Ebene zu verlagern. Der mit diesem Paradigmenwechsel verbundene Transfer von Landesmitteln zu den Kommunen ist in den aktuellen Krisenzeiten zweifellos richtungweisend: Dergestalt die kommunale Kraft zu nutzen und dabei der finanziellen Schwäche dieses wesentlichen Trägers kultureller Leistungen des Landes durch erhebliche Zusatzmittel aufzuhelfen, dürfte in den kommenden Jahren der einzige Weg sein, über den, bezogen auf die Kultur, das enorm bedrängende Strukturproblem Nordrhein-Westfalens in den Griff bekommen werden könnte. Regionale und interkommunale Kooperation als gewachsene Struktur ist ein bedeutender Reichtum des Landes, den es zu nutzen gilt, will man die Substanz erhalten und entwickeln. Gleichzeitig allerdings ist ein Finanztransfer hin zu den Städten dringend notwendig, durchaus nicht nur, aber doch jedenfalls auch in Sachen Kultur. Den polyzentrischen Organismus dieses Landes der Städte erhalten, seine reichen Kompetenzen und vielfältigen Erfahrungen nutzen und entwickeln, ihm aber auch das lebenswichtige Blut zuführen, das die Voraussetzung für Beweglichkeit, Gestaltungswillen und Fantasie ist: darin könnte das kooperative Modell für eine kunstreiche und kulturell vielgestaltige Zukunft Nordrhein-Westfalens liegen, die über die Landesgrenzen hinaus noch stärker als bisher wahrgenommen wird.
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»I C H M A C H E , D A S S V O N D I R D I E N A C H W E LT NIMMER SCHWEIGT …« D I E P U B L I C P R I VAT E P A R T N E R S H I P -A K T I V I T Ä T E N DER KLASSIK STIFTUNG WEIMAR Hellmut Seemann und Patrick S. Föhl
1 EINLEITUNG
UND BEGRIFFLICHE
GRUNDLAGEN
Die Klassik Stiftung Weimar setzt sich zusammen aus 26 zum Teil sehr unterschiedlichen Einrichtungen, aus historischen Bauten, Park- und Gartenanlagen, aus breit gefächerten musealen Sammlungen, einer umfangreichen Forschungsbibliothek, und einem Archivbestand von Weltrang. Neben Kunstund Literaturmuseen, historischen Bauten und Parkanlagen zählen auch ein Forschungszentrum und das Kolleg Friedrich Nietzsche zur Stiftung. Die zentrale Aufgabe der Klassik Stiftung Weimar besteht darin, die überlieferten Schätze zu erhalten und zu vermehren, zu erschließen und zu erforschen und sie der Öffentlichkeit auf vielfältige Weise zugänglich zu machen. Bei alledem ist es auch das Ziel der Stiftung, einen Brückenschlag zwischen dem klassischen Erbe und den Künsten und Wissenschaften der Gegenwart zu ermöglichen sowie Raum für die Erörterung von Gegenwartsfragen aus dem Geist der Tradition zu schaffen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben muss ein Großteil der öffentlichen Förderung und der Eigeneinnahmen für Personal- sowie Sachkosten aufgewendet werden. Diese für den Kulturbereich übliche Verteilung stellt die Klassik Stiftung Weimar vor Herausforderungen. Deshalb werden seit mehreren Jahren neue Wege in der Drittmittelakquise beschritten. So gab es beispielsweise von 2003 bis 2006 einen Beauftragten für EU-Fördermaßnahmen und das Antragsverfahren bei Partnerstiftungen, eine Stellenposition, die seit August 2006 durch eine neue Referentin für Marketing ersetzt wurde. Seit 2008 verfügt die Klassik Stiftung außerdem über Sondermittel vom Bund und vom Freistaat Thüringen in Höhe von 90 Millionen EUR für einen Masterplan, der bis 2017 die Grundsanierung des Goethe- und Schiller-Archivs, die Restaurierung des Weimarer Stadtschlosses und dessen Erstausstattung, die Restaurierung von Archivalien und Büchern sowie den Bau eines neuen Bauhaus-Museums vorsieht. Darüber hinaus wird seit 1998 die Bildung von Public Private Partnership-Projekten anvisiert. Der Begriff Public Private Partnership (PPP)1 wird von der Klassik Stiftung Weimar folgendermaßen verstanden bzw. praktiziert: 1
Vgl. für die Definition von PPPs im öffentlichen Kulturbereich Föhl 2007, Hausmann 2005: 116 sowie vertiefend zum Thema Duda 2002, Ellenrieder/Kiel 2006, Heinze 1999 und Sievers 1998.
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PPPs sind freiwillige Partnerschaften zwischen der Klassik Stiftung Weimar und einem oder mehreren privaten Akteuren für ein klar umgrenztes Projekt bzw. Ziel. Die Form der Zusammenarbeit kann unterschiedliche Ausgestaltungen annehmen. Die beteiligten Akteure bringen neben ihren finanziellen Ressourcen auch ihre spezifischen Kompetenzen in die Partnerschaft zum beiderseitigen Nutzen ein. Die Partner legen die Zusammenarbeit nachhaltig an (z.B. rechtsverbindliche Absicherung) und tragen in einem definierten Rahmen gemeinsame Verantwortung und Kosten sowie Chancen und Risiken für das PPP-Projekt. Die Verantwortung zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben verbleiben jedoch vollumfänglich bei der Klassik Stiftung Weimar. Die von der Klassik Stiftung Weimar initiierten PPPs berücksichtigen die Identität und Integrität der beteiligten Akteure und leben von der Win-WinSituation für alle Partner (z.B. Erschließung von finanziellen Ressourcen und spezifischem Know-how auf der einen – sowie einem Imagegewinn und der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auf der anderen Seite).
2 P U B L I C P R I V AT E P A R T N E R S H I P - P R O J E K T E D E R K L A S S I K ST I F T U N G WE I M A R 2.1
Die Sanierung des Rokokosaals der historischen Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Das folgende Beispiel soll Einblick in die Vorbereitung und Durchführung einer PPP-Initiative der Klassik Stiftung Weimar geben. Bis 2005/6 musste ein namhafter Anteil aus privaten Mitteln aufgebracht werden, um die bevorstehende Sanierung des Stammhauses der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar zu sichern. »Ich mache, daß von Dir die Nachwelt nimmer schweigt …«. Mit diesen Worten von Johann Matthias Gesner umwarb der Weimar Zukunft e.V. 2001 in der Einleitung seiner Public Private Partnership-Broschüre zur Rettung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar potenzielle Geldgeber und Partner (vgl. Weimar Zukunft/Stiftung Weimarer Klassik 2001). Der 1999 gegründete Verein Weimar Zukunft hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die damalige Stiftung Weimarer Klassik bei der Erhaltung des klassischen Erbes zu fördern und dort zu unterstützen, wo die öffentliche Hand an ihre Grenzen stößt. Primär ging es dabei um die Sanierung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Sicherung der Bestände sowie deren kontinuierliche Erweiterung. Die Realisierung eines modernen Dienstleistungszentrums für die Bibliothek im Erweiterungsbau (›Markt 15‹), in unmittelbarer Nähe zum alten Stamm-
Hellmut Seemann, Patrick S. Föhl £Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar
haus der Bibliothek, war bereits vollständig von der öffentlichen Hand abgedeckt (ca. 26 Millionen EUR). Die Sanierung des historischen Stammgebäudes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek war jedoch zu Beginn der Planungen nur etwa zur Hälfte gesichert. Die Kosten zur Sanierung und Erneuerung betrugen nach damaligen Schätzungen ca. neun Millionen EUR; 4,5 Millionen EUR davon wurden vom Freistaat Thüringen und dem Bund zu je 50 Prozent übernommen. Der Verein Zukunft Weimar e.V. hatte es sich zum Ziel gesetzt, die noch ausstehenden Mittel für das Sanierungsprojekt aus privater bzw. privatwirtschaftlicher Hand zu beschaffen. Ein erster Erfolg des Weimar Zukunft e.V. war Ende 1999 die Gewinnung namhafter Mitglieder wie z.B. Prof. Dr. h.c. Lothar Späth, Prof. Dr. Hubert Burda und Elisabeth Prinzessin von Sachsen-Weimar und Eisenach. Durch die so entstandenen Kontakte konnte auch die Deutsche Bank als Partner gewonnen werden. Sie unterstützte das Vorhaben mit professioneller Beratung zum Konzept sowie einem Know-how-Transfer, und die Deutsche Bank trat auch als Initiator und Ideengeber auf, die ausstehenden Mittel durch eine Kampagne im Sinne des Grundgedankens eines Public Private Partnership zu akquirieren. Erstes Produkt dieser intensiven Zusammenarbeit war die anfangs erwähnte Broschüre für potenzielle Kooperationspartner. Die aufwendig gestaltete, 30-seitige Broschüre umfasste alle wichtigen Details und bildete zunächst den Mittelpunkt der Anwerbung eventueller Partner; daneben waren die Ziele zur Lobbyarbeit des Vereins sowie die Arbeitsschwerpunkte der Stiftung Weimarer Klassik dargestellt. Dem Verein gelang es zudem, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) als Partner zu werben, die in mehreren ganzseitigen Anzeigen bundesweit für das Anliegen warb. Ein weiteres Beispiel, dass PPP-Kampagnen nicht nur auf die Akquise von Geld beschränkt werden sollten. Den möglichen Mitstreitern wurde eine aktive Teilnahme an dem Projekt offeriert: »Durch eine Anteilsfinanzierung, mit der sie neben das Engagement der öffentlichen Hand treten, übernehmen Sie persönlich und gegenüber der Öffentlichkeit Verantwortung für das Weltkulturerbe und tragen dazu bei, ein Kleinod der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte für die zukünftigen Generationen zu bewahren.« (Weimar Zukunft/Stiftung Weimarer Klassik 2001: 9) Es wurden sechs Einzelobjekte innerhalb des Projekts (u.a. der Rokokosaal und die Renaissancesäle) angeboten, dessen Finanzierung – wie erwähnt – bereits zur Hälfte durch die öffentliche Hand abgedeckt war. Die Träger der Stiftung Weimarer Klassik, und damit die öffentliche Hand, garantierten für jedes Einzelobjekt äußerste Priorität und Verlässlichkeit in der Realisierung. Der Interessent erhielt die Möglichkeit, persönlich bzw. mit seinem Unternehmen aktiv an einem Teil des Vorhabens zu partizipieren und sich mit die-
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sem zu identifizieren. Darüber hinaus wurden ihm über die Außenwirksamkeit und die Partnerschaft u.a. folgende Gegenleistungen angeboten: • Auszeichnungen der Bibliotheksräume mit den Namen der Partner und Hinweise auf die Patenschaft für die jeweils ausgewählten Objekte; • eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Stiftung Weimarer Klassik; • die Dokumentation des Engagements in den Stiftungspublikationen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Ziel war es, dem Interessenten Möglichkeiten der Teilhabe anzubieten und ihn längerfristig zu binden. Es handelte sich dabei um keine klassische Komplementärfinanzierung im Sinne eines ›Matching Funds‹, denn die Gelder der öffentlichen Hand waren fest zugesagt, selbst wenn es zu keinen privaten Investitionen gekommen wäre. Die Weimarer PPP-Kampagne kam dieser Strategie jedoch sehr nahe. Die öffentliche Hand machte mit ihrer Zusage deutlich, dass der Erhalt der Herzogin Anna Amalia Bibliothek von herausragender Bedeutung für das kulturelle Erbe Europas ist und offerierte zugleich eine aktive Partnerschaft; sie unterstrich ihr vitales Interesse an privatem Engagement und die Förderwürdigkeit des Projekts. Durch die oben beschriebenen Maßnahmen konnten tatsächlich mehrere privatwirtschaftliche Partner bzw. Privatpersonen für den Erhalt des kulturellen Erbes der Klassikerstadt gewonnen werden. Allerdings war das Ergebnis keine ›reine‹ oder ›klassische‹ PPP-Konstellation, sondern ein Mix aus verschiedenen Finanzierungs- und Wissenspartnerschaften. So konnten im Endergebnis auf diesem Wege vor allem auch zahlreiche Spenden akquiriert werden, die sogar weit über den eigentlichen Förderinhalt hinausreichten. Aus der höchsten Spende eines anonymen Schweizer Mäzens in Höhe von über fünf Millionen EUR wurde antragsgemäß ein Fonds gebildet, aus dessen Erträgen seitdem Neuerwerbungen und Aufwendungen für den Bucherhalt getätigt werden. Für einen ›klassischen‹ Public Private Partnership konnte u.a. die Allianz Kulturstiftung gewonnen werden, die sich mit einem Betrag von 1,38 Millionen EUR für die Sanierung des Rokoko-Saales bereitfand. Insgesamt konnte mit der Kampagne der oben beschriebene Finanzierungsbedarf gedeckt und weitere Mittel eingeworben sowie Partnerschaften für die Zukunft gebildet werden. Dieses Ergebnis ist ein weiteres Indiz dafür, dass PPP-Projekte im Kulturbereich nur schwer in ein enges definitorisches Korsett ›gezwängt‹ werden können. Zu unterschiedlich sind die Wege, die beschritten und die Resultate, die damit erzielt werden. Eines zeigt das Projekt jedoch ganz deutlich, nämlich dass eine partnerschaftliche Orientierung bei der Drittmittelgewinnung, die über das reine Sponsoring o. Ä. bzw. das entsprechende ›geben und nehmen‹
Hellmut Seemann, Patrick S. Föhl £Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar
hinausgeht, sehr attraktiv auf mögliche Geld- und Know-how-Geber wirkt, ob diese nun spenden oder sich tatsächlich aktiv in einem PPP beteiligen wollen. Der Verein Weimar Zukunft hatte nach dem Aufbau von PPP-Kooperationen und dem Eingang namhafter Spenden über die eigenen Aktivitäten sowie die Aufrufe der FAZ-Anzeigen seinen Auftrag im Wesentlichen erfüllt. In seiner Nachfolge wurde 2003 ein neuer Freundeskreis der Bibliothek, die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek (GAAB) gegründet, die sich rasch zu einem der mitgliederstärksten Freundeskreise der Stiftung etablieren konnte. Trotz des Erfolges muss darauf hingewiesen werden, dass es damals keine feste Stellenposition für PPPs bzw. Fundraising oder Sponsoring in der Stiftung Weimarer Klassik bzw. dem Weimar Zukunft e.V. gab; das gesamte Finanzierungsvorhaben musste quasi ›nebenher‹ realisiert werden und stellte die involvierten Mitarbeiter der Stiftung vor große Herausforderungen. Da solche Projekte intensiv betreut werden müssen, um erfolgreich und professionell durchgeführt werden zu können, wurde in der Zwischenzeit eine Stellenposition im Stabsreferat des Präsidenten eingerichtet, die ausschließlich für die Bereiche Marketing und Fundraising Verantwortung trägt. Dieses Faktum ist allerdings auch teilweise dem tragischen Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Jahr 2004 geschuldet, auf den im Folgenden nochmals separat eingegangen wird. Zusammenfassend lassen sich exemplarisch folgende Faktoren anführen, die zum Erfolg des PPP-Projektes beigetragen haben: • Unterstützung durch einen hochkarätig besetzten Förderverein; • Gewinnung von namhaften Partnern zur Akquirierung von Finanzierungspartnerschaften und zum weiteren Ausbau des Netzwerkes der Klassik Stiftung Weimar; • Erstellung einer professionellen und ansprechend gestalteten Broschüre mit Hilfe der Deutschen Bank sowie die Schaltung von ganzseitigen Anzeigen für das Projekt in Kooperation mit der FAZ; • das PPP-Projekt war auf präsidialer Ebene angesiedelt (›Chefsache‹); • transparente Teilprojekte und entsprechende Möglichkeiten der individuellen oder partnerschaftlichen Finanzierung und Teilhabe; • da die Förderinhalte vorab definiert waren, konnte die Gefahr einer übermäßigen Einmischung in die Projektinhalte, jedenfalls dort, wo sie nicht gewünscht waren, vermieden werden; • zentrales und postuliertes Ziel war es, eine ›glaubhafte‹ Win-win-Situation und nachhaltige Partnerschaften herzustellen. An dieser Stelle muss kurz auf die Sondersituation nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek hingewiesen werden, die auch das oben beschriebene PPP-Projekt nicht unberührt gelassen hat. Die Herzogin Anna Amalia
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Bibliothek wurde durch den größten und folgenreichsten Bibliotheksbrand in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg schwer getroffen. Am Abend und in der Nacht des 2. September 2004 wurde sie von einem verheerenden Feuer heimgesucht. Das historische Stammhaus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sowie große Teile des dort aufbewahrten, rund 140.000 Bände umfassenden historischen Buchbestandes wurden durch das Feuer und durch das Löschwasser beschädigt oder zerstört. Das Dachgeschoss und die zweite Galerie des Rokokosaales wurden völlig zerstört. Der Rokokosaal aus dem Jahr 1766, zentraler Bestandteil des oben beschriebenen PPP-Projektes, musste nach einer aufwändigen Trockenlegung des Gebäudes grundlegend saniert und restauriert werden (vgl. Klassik Stiftung Weimar 2005: 56). Im Oktober 2007 konnte die Bibliothek wieder eröffnet werden. Nach dem Brand der Bibliothek flossen landes-, bundes- und weltweit zahlreiche Spendengelder sowohl der Stiftung als auch der GAAB zu, die in der Zwischenzeit ein wichtiger Partner der Stiftung in der Koordinierung von Spendenaufrufen, von einzelnen Rettungsmaßnahmen und anderen auf die Bibliothek bezogenen Aktivitäten ist. Als größte Einzelspende konnte die Stiftung mit fünf Millionen EUR einen Betrag verbuchen, den die Vodafone-Stiftung der Bibliothek zuwendete. Die Mitglieder der Marketing- und anderer Abteilungen von Vodafone sind der Stiftung seit dem Brand auch mit großem Engagement behilflich bei der Etablierung weiterer Projekte zur Akquise von Spenden und Drittmitteln. Ebenso konnte die Allianz Kulturstiftung für die Fortsetzung des ursprünglichen PPP gewonnen werden, da die Sanierung und Wiederherstellung des Rokokosaals nunmehr auf einem ganz anderen Niveau notwendig geworden war, so dass sie ihr Engagement auf rund 1,5 Millionen EUR erweiterte. Diese Zusammenarbeit unterstreicht allerdings die enge Bindung der Partner und die stringente sowie ernst gemeinte Zielorientierung, den Erhalt des Rokokosaales zu garantieren. Weitere fünf Millionen EUR sind der Bibliothek in der Zwischenzeit Ende 2008 aus einem Vergleich mit einem Versicherungskonsortium zugeflossen. Die Gelder werden in einem weiteren Fonds für die Ersatzbeschaffung und Restaurierung beschädigter Bücher angelegt. 2.2
Die Sanierung, Wiedereröf fnung und Neubelebung des Wielandgutes in Oßmannstedt
Etwa zwölf Kilometer östlich von Weimar liegt ilmabwärts das kleine thüringische Dorf Oßmannstedt. Hier lebte und arbeitete der aus Oberschwaben gebürtige Schriftsteller, Theaterautor, Übersetzer und Publizist Christoph Martin Wieland von 1797 bis 1803, der erste ›Klassiker‹, der zunächst als Prinzenerzieher nach Weimar kam. Das große Gutshaus, in dem Wieland mit seiner vielköpfigen Familie wohnte, wurde in den vergangenen Jahren restau-
Hellmut Seemann, Patrick S. Föhl £Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar
riert, saniert und umgebaut. Ein multimediales Museum zu Leben, Werk und Wirkung Wielands sowie ein großer Landschaftspark laden inzwischen zur Besichtigung ein. Daneben beherbergt das Wielandgut eine Bildungsstätte. Das Wielandgut Oßmannstedt wurde nach zweijähriger Bauzeit am 25. Juni 2005 der Öffentlichkeit übergeben. Nach Klärung der Betreibung der Bildungsstätte durch die Weimar-Jena-Akademie e.V. konnten die Übernachtungsräume, der Veranstaltungsraum, Küche, Frühstücks- und Empfangsraum fertig gestellt und ausgestattet werden. Im ersten Bauabschnitt wurden zwanzig Übernachtungsplätze geschaffen; weitere fünf Übernachtungsplätze und zwei Seminarräume wurden bis 2006 in einem zweiten Bauabschnitt saniert und ausgestattet. Für die Wieland-Forschungsstelle wurden vier Arbeitsräume geschaffen. Mit der Einrichtung des Museums in einem lang gestreckten Flurbereich und in drei angrenzenden, ehemaligen Räumen der Wielandschen Wohnung im ersten Obergeschoss entstand erstmals auch ein Wieland-Museum am authentischen Ort (vgl. Klassik Stiftung Weimar 2006: 48). Die Realisierung dieses umfangreichen Projektes wurde durch eine langfristig angelegte Finanzierungskampagne ermöglicht, die im Jahre 2000 vom Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums in Weimar initiiert wurde. Zentraler Bestandteil war neben einer gezielten Lobbyarbeit auch hier die Veröffentlichung einer aufwendigen, 32-seitigen Broschüre mit dem Titel ›Helfen Sie uns, das Wielandgut Oßmannstedt zu bewahren‹, für deren Finanzierung und Verbreitung die Kulturstiftung der Länder gewonnen werden konnte. In dieser Broschüre wurden die Relevanz der Gesamtmaßnahme und die einzelnen Teilprojekte vorgestellt (vgl. Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums e.V. Weimar 2000). Was zunächst als klassischer Spendenaufruf gedacht war, entwickelte sich zusehends zu einer Kampagne mit dem Ziel einen PPP zu bilden, da mit reinen Spenden bzw. dem zu erwartenden Umfang dieses Projekt vermutlich nicht finanzierbar gewesen wäre. Ein erster wichtiger Schritt war die Gewinnung des Literaturwissenschaftlers und Zeithistorikers Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma als engagiertem Partner, der durch vertiefende Gespräche in Weimar über seine Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur bereits frühzeitig eine Komplementärfinanzierung zusagte. Eine Kooperation, die auf reiner Spenden- bzw. Sponsoringebene nicht zustande gekommen wäre, da von Drittmittelgeberseite – und dann letztendlich auch von Seiten der Klassik Stiftung Weimar – eine tiefergehende Zusammenarbeit gewünscht war. Die Durchführung der Baumaßnahme war dennoch zu Beginn von den Unwägbarkeiten der Finanzierung geprägt, zumal sich die Klassik Stiftung Weimar selbst anfangs außerstande sah, die zugesagten Drittmittel der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur entsprechend zu komplementieren. D.h., die Umorientierung von einer Spenden- auf eine
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PPP-Kampagne und die damit verbundenen Pflichten wurden von Seiten der Klassik Stiftung zeitweilig unterschätzt. Dennoch konnte aufgrund der beiderseitigen Orientierung, dieses Projekt auf den Weg bringen zu wollen, ein tragfähiges Konzept erarbeitet werden, das auch bei den Zuwendungsgebern der Klassik Stiftung Weimar schließlich auf Zustimmung stieß. Ein zentraler Anstoß war dabei die Zusage von EU-Mitteln aus dem HERMES-Projekt, die in der Zwischenzeit beantragt worden waren u.a. um den Grad der eigenen Kofinanzierung erhöhen zu können. Entscheidend bei diesem Prozess war somit die Akquise von EU-Mitteln aus dem HERMES-Projekt, die dem Vorhaben den nötigen Rückhalt beim Betrieb der Bildungsstätte in der Anfangsphase garantierten und wiederum erst durch den PPP mit Prof. Reemtsma möglich gemacht werden konnte (als Förder- bzw. Finanzierungsgrundlage für die EU). D.h., nur durch diesen sich gegenseitig bedingenden Finanzierungsmix konnte das Projekt auf ein solides Fundament gestellt werden. Als flankierender Effekt ergab sich die kostengünstige Übernahme der Garten- und Landschaftsplanung durch ein Weimarer Planungsbüro. Zudem gestaltete ein mit der Klassik Stiftung freundschaftlich verbundener Designer kostenfrei die neue Dauerausstellung im Wielandgut Oßmannstedt. Auch der Förderverein des Goethe Nationalmuseums, der den Prozess 2000 angestoßen hatte, beteiligte sich mit eigenen Mitteln, wenn auch – vor dem Hintergrund seiner Kapazitäten – in geringerem Umfang. Aufgrund dieses in der Summe enormen privaten Engagements erklärte sich kurz darauf auch der Bund bereit, sich anteilig zu verpflichten. Daneben fördert seit Herbst 2005 das Bundesbildungsministerium mit dem Pilotprojekt ›Cicerone‹ die Ausbildung von Schülern der Oberstufe zu ›Ciceroni‹, d.h. zu Führungskräften für ein jugendliches Publikum in den historischen Häusern und Liegenschaften der Klassik Stiftung Weimar. Aufgewendet wurden insgesamt ca. 1,7 Millionen EUR, wobei der Bund von 2002 bis 2005 665.000 EUR beisteuerte; an Drittmitteln wurden rund 923.000 EUR aufgebracht. Herrn Prof. Reemtsmas Verpflichtung im Rahmen des PPP ging hingegen über die bloße Mitfinanzierung der Maßnahme weit hinaus. Er engagierte sich, in Rücksprache und mit Unterstützung der Klassik Stiftung Weimar, auch bei der Einrichtung des Museums und gab wichtige Exponate als Dauerleihgaben nach Oßmannstedt. Auch finanzierte er die Herstellung einer Hausmonographie (vgl. Manger/Reemtsma 2005), die von der Klassik Stiftung Weimar mit herausgegeben wurde, und er ist bis heute auch inhaltlich für das gemeinsame Projekt engagiert tätig. Auch der seit langem vorbereitete Antrag der Friedrich Schiller Universität in Jena bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der mit der Klassik Stiftung als Kooperationspartner eine Langzeitförderung von Wissenschaftlerstel-
Hellmut Seemann, Patrick S. Föhl £Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar
len über zwölf Jahre zur Edition einer neuen Wieland-Gesamtausgabe vorsah, wurde in der Zwischenzeit 2008 positiv beschieden. Außerdem hat die BerlinBrandenburgische Akademie der Wissenschaften die Übergabe der umfangreichen Literaturbestände ihrer früheren Wieland-Forschungsstelle für Oßmannstedt zugesagt. Mit dem DFG-Langfristprojekt der Friedrich Schiller Universität zur Edition einer neuen Wieland-Gesamtausgabe ist auch der weitere Ausbau der Wieland-Forschungsstelle in Oßmannstedt verbunden. Die Bildungsstätte hat ihre Arbeit mit der Eröffnung des Wielandgutes im Jahr 2005 aufgenommen und wird von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in hohem Maße frequentiert. Diese Arbeit wird flankiert durch das CICERONE-Projekt des Bundesbildungsministeriums, so dass dem viele Jahrzehnte brachliegenden Wielandgut eine erfolgreiche Perspektive für die Zukunft eröffnet werden konnte. Zusammenfassend lassen sich u.a. folgende Faktoren anführen, die zum Erfolg des PPP-Projektes beigetragen haben: • Unterstützung durch einen engagierten Förderverein; • Erstellung einer professionellen und ansprechend gestalteten Broschüre und deren Finanzierung sowie Verbreitung über die Kulturstiftung der Länder. Durch diese Kooperation konnte zusätzlich die notwendige Lobbyund Netzwerkarbeit vereinfacht werden; • Flexibilität in der Drittmittelakquise, auch wenn die Umstellung von einer Spenden- auf eine PPP-Kampagne zunächst Schwierigkeiten mit sich brachte; • das PPP-Projekt war auf direktoraler Ebene angesiedelt (›Chefsache‹); • transparente Teilprojekte und entsprechende Möglichkeiten der individuellen sowie partnerschaftlichen Finanzierung und Teilhabe; • Gewinnung eines namhaften PPP-Partners (Prof. Reemtsma), der sich auch inhaltlich/wissenschaftlich mit dem Projekt identifizieren konnte und der Klassik Stiftung Weimar somit über die Finanzierungsaspekte hinaus nach wie vor zur Seite steht; • Fokussierung auf weitere Finanzierungs- und Kooperationsmöglichkeiten auf Grundlage der PPP mit Prof. Reemtsma (breite Aufstellung in der Reflexion und Akquise von Partnern). 2.3
Die Sanierung der Stipendiaten- und Arbeitsräume des Kollegs Friedrich Nietzsche sowie dessen geplante Er weiterung auf dem Grundstück des Nietzsche-Archivs
Das Kolleg Friedrich Nietzsche der Klassik Stiftung Weimar versteht sich als ein intellektueller Konzentrations-, Kreuzungs- und Kristallisationspunkt, in dessen Zentrum auf der einen Seite die kritische Reflexion der Gegenwart,
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andererseits die produktive Erkundung der Grundlagen einer heutigen Philosophie stehen sollen. So hat das Kolleg seit 1999 wichtige Denker unterschiedlicher philosophischer Herkunft eingeladen, im Rahmen mehrerer großer Vorlesungsreihen gemeinsam über die Möglichkeit, Notwendigkeit oder auch Unmöglichkeit des Denkens zu reflektieren. Eine weitere zentrale Aufgabe des Kollegs Friedrich Nietzsche ist die Erforschung der NietzscheRezeption im 20. Jahrhundert. Das Kolleg Friedrich Nietzsche verfügt über einen Jahresetat von rund 50.000 EUR zur Vergabe von Fellowships im historischen Nietzsche-Archiv, dem Sitz des Kollegs. Diese Mittel kommen aus dem Haushalt der Klassik Stiftung Weimar und werden durch Spenden und Zuwendungen Dritter komplementiert. Die Fellows des Nietzsche Kollegs leben in der Regel für einen begrenzten Zeitraum von bis zu drei Monaten im Nietzsche-Archiv und werden gebeten, ihre Ideen und Vorstellungen im Rahmen von Seminaren und Vorlesungen öffentlich zu machen. Hierzu wurden entsprechende Kooperationsverträge mit der Friedrich Schiller Universität in Jena und der Bauhaus Universität in Weimar geschlossen, die dem Kolleg einerseits die nötigen Räumlichkeiten für Seminare und Vorlesungen zur Verfügung stellen und andererseits Fellowships mitfinanzieren. Im Herbst 1999 wurde das Kolleg Friedrich Nietzsche als neues und eigenständig handelndes Institut der Stiftung Weimarer Klassik gegründet. Im Jahre 2000 erhielt das Kolleg vom Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien mit einem Betrag von rund 750.000 EUR eine Anschubfinanzierung für die Jahre 2001 bis 2003. In der Gründungsphase wurde zudem als Bedarf für die Instandsetzung der inzwischen wieder sanierungsbedürftigen Gästezimmer in den beiden Obergeschossen sowie den Gemeinschaftsräumen der Stipendiaten und Fellows im Souterrain ein Betrag von rund 150.000 EUR ermittelt. Diese Investition in das Gebäude konnte bislang aufgrund anderer Prioritäten der Stiftung nicht getätigt werden. 2003 erfolgte deshalb eine erste Kontaktaufnahme und – auf dessen Interesse gestoßen – Gespräche des Kollegs Friedrich Nietzsche mit einem namhaften Münchner Medienunternehmer, einem erklärten Verehrer Nietzsches, mit dem Ziel, eine PPP für das Kolleg ins Leben zu rufen. 2005 wurde eine gGmbH als Holding gegründet mit der Zielsetzung, dem Kolleg eine breitere finanzielle Basis seiner Arbeit zu schaffen. 2006 fanden zudem mehrere Gespräche mit dem Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen statt in der Absicht, auch das Land in das Projekt einzubinden. Ministerpräsident Althaus hatte seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, bis zu einem Drittel der vorerst für die Sanierung des Gebäudes benötigten Mittel aufzubringen und sagte zudem Lotto-Mittel der Staatskanzlei für die hierfür notwendige Vorplanung zu, die im Frühjahr 2008 ihren Abschluss fand.
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Das PPP-Projekt ist demzufolge noch in der Anfangsphase, hat aber gleichwohl durch die enge Bindung eines prominenten Medienberaters mit weit reichenden Kontakten und der Einbindung der Landesregierung gute Aussichten auf Erfolg. Deutlich wird, dass das Projekt mehr oder weniger ›aus dem Bauch‹ begonnen wurde und nun aufgrund der positiven Entwicklungen einer angemessenen ›Struktur‹ zugeführt werden soll/muss. Derzeit werden nach den hausinternen Vorbildern in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und im Wielandgut Oßmannstedt eine Broschüre für weitere potenzielle Partner ebenso erarbeitet wie die Vorgaben der Umsetzung der anstehenden Baumaßnahmen. In der Konsequenz zielt das PPP-Projekt in einem zweiten Schritt auf die Erweiterung des bestehenden Nietzsche-Archivs für die Zwecke einer aktualisierten Ausstellung zu Werk und Wirkung Nietzsches und die Zwecke des Archivs auf dem Grundstück des Nietzsche-Archivs. Zusammenfassend lassen sich exemplarisch folgende Faktoren anführen, die zum Erfolg des PPP-Projektes beigetragen haben: • gezielte Ansprache einer prominenten Persönlichkeit, die erklärtermaßen eine ausgeprägte Affinität zum Kernprodukt des möglichen PPP-Projektes besitzt; • Vernetzung der potenziellen öffentlichen und privaten Geldgeber; • Schaffung flexibler Strukturen (gGmbH in Form einer Holding); • Know-how-Transfer bzgl. PPP-Erfahrungen aus anderen Bereichen der Klassik Stiftung Weimar.
3 AUSBLICK Die überwiegend positiven Erfahrungen mit PPPs haben die Klassik Stiftung Weimar dazu angeregt, auch in anderen Bereichen stärker auf diese Form der Kooperation zu setzen, um den zukünftigen Aufgaben gerecht werden zu können. Als eine erste Konsequenz gelang es im August 2006 – wie bereits erwähnt – die Stelle einer Mitarbeiterin für Marketing und Fundraising dauerhaft im Stellenplan zu verankern. Damit konnte eine eher operativ ausgerichtete Akquisearbeit einer strategischen Perspektive zugeführt werden, die auf präsidialer Ebene angesiedelt ist. Dennoch reicht diese Personaldecke bei weitem nicht aus, um dem eigentlich nötigen Arbeits- und Planungsaufwand für die Drittmittelakquise gerecht zu werden. Die nach wie vor dünne Personaldecke im Bereich der Drittmittelakquise soll deshalb weiterhin durch die Arbeit der Fördervereine gestärkt und damit eine inhaltlich versierte Akquisearbeit, neben den PPP-Projekten, auf den einzelnen Geschäftsfeldern der Klassik Stiftung Weimar ermöglicht werden. Die guten Erfahrungen der vergangenen Jahre haben dazu beigetragen, die fünf verschieden ausgerichteten und mit unterschiedlichen Schwerpunkten tä-
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tigen Fördervereine der Stiftung besser untereinander zu koordinieren (z.B. durch eine gemeinsame Broschüre) und zu professionalisieren, um auf diesem Wege Spenden, Beiträge und Fundraising- sowie Sponsoringkampagnen effektiver steuern und initiieren zu können. Deutlich wird bei allen Projekten, dass sich die Grenzen zwischen klassischem Sponsoring/Fundraising sowie Mäzenatentum und einem PPP häufig verwischen. Aufgrund der nun mehrjährigen Erfahrungen können zukünftige Projekte im Vorfeld professioneller im Hinblick auf die anvisierte Finanzierungsvariante bzw. den gewünschten Finanzierungsmix strukturiert werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass bei allen Projekten versucht wurde, eine ernstgemeinte Partnerschaft zu initiieren, ohne dass Inhalte zur Disposition gestellt wurden, und dass mit dieser Strategie durchaus beachtliche Erfolge erzielt worden sind, auch wenn – bislang – entsprechendes Know-how und Empathie häufig erst im Prozess aufgebaut werden konnten. Es hat sich auch gezeigt, dass eine rein regionale Sichtweise hinsichtlich möglicher Partner für die Klassik Stiftung Weimar nicht in Frage kommen kann. Aufgrund der eher schwachen Wirtschaftskraft der ›Region Weimar‹ müssen Partner im gesamten Bundesgebiet – und darüber hinaus – angesprochen werden. Die regionale Perspektive bietet sich hier eher für kleinere Partnerschaften an, wie sie z.B. mit Aktivitäten zur Erwerbung von neuen Exponaten für das Goethe-Nationalmuseum oder das Bauhaus-Museum durch die Fördervereine realisiert werden. Diese Erkenntnis trifft sicherlich auf viele Regionen bzw. Kultureinrichtungen zu – vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Zudem müssen Partner aus der Wirtschaft gefunden werden, die sich inhaltlich mit dem Projekt identifizieren bzw. für die offensichtliche Kooperationsvorteile bestehen. Auch deswegen scheint eine ausschließlich regionale Suche für mögliche Kooperationen zu kurz gegriffen, insbesondere für umfangreichere Vorhaben. Andererseits können sich regionale Akteure am ehesten mit den Kultureinrichtungen in ihrem Umfeld identifizieren. Die Suche nach Firmen und Akteuren sollte entsprechend vor Ort begonnen werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass – unabhängig von der ›Herkunft‹ des Partners – PPPs einen wichtigen Beitrag zur regionalen Entwicklung leisten und somit häufig auch als ›Kooperation für eine Region‹ bezeichnet werden können. Hier wird das zentrale Prinzip von ›Regional Governance‹ angesprochen: »›Regional Governance‹ bezeichnet Formen der regionalen Selbststeuerung in Reaktion auf Defizite sowie als Ergänzung der marktlichen und der staatlichen Steuerung. Sie tritt dort auf, wo das Zusammenspiel staatlicher, kommunaler und privatwirtschaftlicher Akteure gefordert ist, um Probleme zu bearbeiten (›intermediäre Steuerungsform‹).« (Fürst 2004: 46)
Hellmut Seemann, Patrick S. Föhl £Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar
QUELLENVERZEICHNIS Duda, Alexandra (2002): Begründung und Effektivität von Kulturstiftungen in Form einer Public Private Partnership, Münster. Ellenrieder, Kerstin; Kiel, Hermann-Josef (2006): Public Private Partnership im Kulturbereich. Gestaltungsmöglichkeiten für Akteure, Künzelsau. Föhl, Patrick S. (2007): Die Public Private Partnership-Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar. Ausgewählte Erfolgsprojekte zwischen Kultur und Wirtschaft, in: Raabe Verlag (Hg.): Erfolgreich Kultur finanzieren: Lösungsstrategien für die Praxis, Berlin u.a. O. 2003ff., Kap. E 2.2-2. Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums e.V. Weimar (Hg.) (2000): Helfen Sie uns, das Wielandgut Oßmannstedt zu bewahren, Berlin. Fürst, Dietrich (2004): Regional Governance, in: Benz, Arthur (Hg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung, Wiesbaden, S. 45-64. Hausmann, Andrea (2005): Kooperationen zwischen Kultur und Wirtschaft – neue Wege in der Finanzierung öffentlicher Kulturbetriebe, in: Keuper, Frank; Schaefer, Christina (Hg.): Führung und Steuerung öffentlicher Unternehmen. Probleme, Politiken und Perspektiven entlang des Privatisierungsprozesses, Berlin, S. 109-129. Heinze, Thomas (Hg.) (1999): Kulturfinanzierung – Fundraising – Public-Private-Partnership, Münster. Klassik Stiftung Weimar (2005): Jahresbericht 2004, Weimar. Klassik Stiftung Weimar (2006): Jahresbericht 2005, Weimar. Manger, Klaus; Reemtsma, Jan Philipp (Hg.) (2005): Wielandgut Oßmannstedt, München, Wien. Sievers, Norbert (Hg.) (1998): Neue Wege der Kulturpartnerschaft, Bonn. Weimar Zukunft e.V.; Stiftung Weimarer Klassik (2001): »…auf dass von Dir die Nachwelt nimmer schweigt«. Die Sanierung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, Werbebroschüre, Weimar.
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K LO S T E R B RO N N B AC H : E I N O R T G E L E B T E R K O O P E R AT I O N Matthias Wagner
1 EINFÜHRUNG 1.1
Historische Entwicklung und frühe Kooperationen
Beinahe unvermittelt dringt das abgelegene Kloster Bronnbach vor die Augen des Besuchers. Aus jeder Richtung weist ein anderer Blickwinkel in die landschaftlichen Gegebenheiten, in die das Kloster von seinen Erbauern eingebettet wurde. Das in sich geschlossene Ensemble der Klosteranlage in der Nähe von Wertheim liegt direkt an einer Engstelle der Tauber, das von einem der Flussseite gegenüberliegenden bewaldeten Prellhang in eine reizvolle Landschaft gepresst wird. Auf der anderen Seite steigt ein welliges Gelände mit fruchtbaren Feldern und Weinbergen auf. Ackerbau als Basis der jahrhundertlangen landwirtschaftlichen Nutzung durch die Zisterzienser, die diese Kulturlandschaft als Erbe und Herausforderung hinterlassen haben. Noch heute ist das Wegenetz der Felder im Umkreis der oberhalb des Klosters liegenden Grangie ›Schafhof‹ in seiner Struktur fast unverändert erhalten (vgl. Schenk 1994). Das ehemalige Zisterzienserkloster Bronnbach ist im Jahr 1153 erstmals urkundlich erwähnt. Mittelpunkt der ca. 20 Gebäude umfassenden Anlage ist die Klosterkirche mit dem Kreuzgang. Dieser bildet die Verbindung zwischen der Kirche und den einzelnen, bei den Zisterziensern idealtypisch angelegten Gebäudeteile mit zahlreichen Funktions- und Sakralräumen. Nach vielen Schwierigkeiten und kriegerischen Nöten erlebte das Kloster schließlich im 17. und 18. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung, mit beständiger Bautätigkeit. Nach der Säkularisation 1803 übernahmen die Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg das Kloster mit allen Liegenschaften in ihren Besitz. Dem Betrachter zeigt sich heute ein überwiegend intakter Baubestand romanischer, gotischer und barocker Prägung, der weitgehend im Zustand des Jahres der Säkularisation von 1803 erhalten blieb. Anders als z.B. in Maulbronn, Creglingen-Frauental (vgl. Layer 1997: 115ff.) oder vielen anderen Klöstern ist Kloster Bronnbach im 19. Jahrhundert nicht in einer Siedlung oder einem Stadtgebilde aufgegangen, sondern hat sich seine von den Gründern gewollte Abgeschiedenheit erhalten. Dieser glückliche Umstand begründet sich in der Nutzungsart der Anlage im 19. und 20. Jahrhundert. Nach der Säkularisation verblieben zunächst noch einige Mönche in den Gebäuden der Klosteranlage. Eine repräsentative Nutzung der Gebäude schien aufgrund der Abgeschiedenheit des Klosters und der schlechten Straßenanbindung nicht attraktiv: In
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Bronnbach endete die einzige Straßenverbindung aus Wertheim kommend. An das südliche Taubertal war das Kloster nur durch einen Pfad angeschlossen. Erst der Bau der Eisenbahntrasse durch das Taubertal, sowie die Erweiterung der Straße, die im 19. Jahrhundert durch die Klosteranlage geführt wurde, ermöglichten neben der landwirtschaftlichen noch weitere Nutzungen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wohnte in den Räumen des Klosters die mit dem Fürstenhaus verschwägerte ehemalige portugiesische Königsfamilie Braganca (vgl. Müller 2007: 139). Dem Fürstenhaus diente das Kloster nicht als Stammsitz, sondern wurde von einzelnen Familienmitgliedern bewohnt. Ende des 19. Jahrhunderts siedelte eine Brauerei im Klostergelände, deren Betriebsgründung starke Eingriffe in die historische Bausubstanz zur Folge hatte. Unter dieser Nutzung litt jedoch eine andere Kooperation: Das Bestreben des Fürsten, wieder Mönche in den Klostergebäuden anzusiedeln. Alle zukünftigen Versuche einer Revitalisierung dieser ursprünglichen Bestimmung Bronnbachs scheiterten jedoch. Am Ende waren die wirtschaftlichen Belange der inzwischen angesiedelten Brauerei und die Bedürfnisse der Patres nicht kongruent und die Geistlichen verließen das Kloster im Jahr 1958 (vgl. Meier 2007: 189). Neben der weiterhin betreuten und gut frequentierten Kirche wurde die Klosteranlage im Wesentlichen zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt, die Wohngebäude keinem größeren Umbau unterzogen und somit baulich nicht verändert. Im Umkehrschluss hatte dies zur Folge, dass einige Gebäudeteile stark sanierungsbedürftig bzw. sogar vom Einsturz bedroht waren. Als die Brauerei 1970 verkauft wurde, war die Zukunft des inzwischen in einem schlechten Bauzustand befindlichen Gebäudes ungewiss. Eine tragfähige Sanierung konnte nur mit dem Konzept einer Suche nach regionalen Kooperationen zum Zweck einer Neunutzung umgesetzt werden. 1.2
Kloster Bronnbach im Besitz des Landkreises Main-Tauber
Die Rettung kam 1986, als der Main-Tauber-Kreis das Kloster nach langen Vorbereitungen und mit persönlicher Unterstützung von Ministerpräsident Lothar Späth sowie Mitteln aus dem neu konzipierten Denkmalnutzungsprogramm Baden-Württemberg erwarb. In dieser Situation war das Thema der ›Neu-Nutzung‹ allgegenwärtig. Mit großem persönlichem Einsatz knüpfte der damalige Landrat Georg Denzer parallele Kontakte zu möglichen Nutzern und Kooperationspartnern, um die Restaurierung über eine nachfolgende Nutzung förderfähig, politisch durchsetzbar und teilweise refinanzierbar zu gestalten. Die heutige Dichte der miteinander kooperierenden Partner ergab sich aus historischen Zufälligkeiten, politischen Notwendigkeiten und gezielter Akquise. Von Anfang an begleitete die neuen Partner die Idee einer öffentlichkeitswirksamen, kulturellen Komponente Kloster Bronnbachs. Diese
Matthias Wagner £Kloster Bronnbach: ein Ort gelebter Kooperation
elastische Klammer war die Grundidee, um die prächtige Einheit der baulichen Anlage auch im Inneren zu verknüpfen. Daher waren die neuen Kooperationspartner nicht nur als Nutzer willkommen, sondern aufgefordert, sich mit eigenen Akzenten einem Kulturprogramm anzuschließen. Gut besuchte, vereinzelte Konzertveranstaltungen bestätigten seit den 1950er Jahren die Eignung und Akzeptanz Kloster Bronnbachs für kulturelle Zwecke.
2 D A S K U LT U R Z E N T R U M K L O S T E R B R O N N B A C H A L S S C H N I T T M E N G E S E I N E R K O O P E R AT I O N S PA R T N E R Mit der steigenden Anzahl an Nutzern und Partnern in der Klosteranlage und dem großen Engagement mit Bronnbach verbundener Menschen und Künstler verdichtete sich in den 1990er Jahren das kulturelle Angebot. Die Vielfalt der im Klostergelände agierenden Partner kennzeichnet neben deren Selbständigkeit eine Schnittmenge kultureller Prägung. Genau diese Schnittmenge bilden die so genannten ›Bronnbacher Kultouren‹ in ihrem seit 2000 als Broschüre herausgegebenen Jahresprogramm ab. Um deren Entwicklung im Marketingbereich zu steuern, wurde 2001 im Landratsamt als Handlungsvorgabe ein ›Vier-Säulen-Konzept‹ entwickelt. Das kulturelle Angebot listet die vier Bereiche ›meditativ-kirchliche Säule‹, ›geschichtlich-kulturhistorische Säule‹, ›unternehmerisch-wissenschaftliche Säule‹ sowie die ›kulturelle Säule‹ der so genannten ›Bronnbacher Kultouren‹ auf. Nachfolgend werden die einzelnen Kooperationspartner kurz beschrieben. Zunächst sind diejenigen Einrichtungen benannt, welche als Mieter bzw. Eigentümer in einem der Gebäude der ehemaligen Klosteranlage agieren. In Klammern ist jeweils das Jahr des Kooperationsbeginns angegeben (vgl. Meier 2008). Landkreis Main-Tauber/Eigenbetrieb Kloster Bronnbach (1986/2007) Im Gebäude der ehemaligen Konventsgebäude befinden sich die Büros des 2007 gegründeten Eigenbetriebes Kloster Bronnbach, der als Koordinator der Liegenschaft sowie des Jahresprogramms der ›Bronnbacher Kultouren‹ fungiert. Von dort wird die Liegenschaft verwaltet, das Kulturprogramm koordiniert, die Werbemaßnahmen betreut, sowie die Kooperationspartner vor Ort in einen regelmäßigen Informationsaustausch eingebunden. Als Veranstalter trägt der Eigenbetrieb ca. ein Viertel der Veranstaltungen, vor allem Konzerte und Vorträge. Missionare von der Heiligen Familie (2000) Die Kongregation der Missionare von der Heiligen Familie bildet das religiöse Zentrum der heutigen Klosteranlage. Die Patres betreuen seelsorgerisch
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zahlreiche Gemeinden der Umgebung, sowie die sehr gut besuchte Bronnbacher Klosterkirche. Bronnbach ist im Bewusstsein der Bevölkerung der näheren Region als religiöses Zentrum fest verhaftet. Archivverbund Main-Tauber (1986) Im ehemaligen Spitalgebäude befindet sich der Archivverbund Main-Tauber. Dieses einmalige Konstrukt verschiedener Archive beherbergt die Archivalien aus dem Staatsarchiv Wertheim, dem Kreisarchiv des Main-Tauber-Kreises und dem Stadtarchiv der Großen Kreisstadt Wertheim. Fraunhofer Institut für Silicatforschung ISC (1995) Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung mit Sitz in Würzburg betreibt im ehemaligen Rinderstall des Klosters eine hochmoderne Außenstelle für Mess- und Prozesstechnik. Da die Hauptstelle in Würzburg im benachbarten Bayern liegt, ist das Fraunhofer Institut parallel eine willkommene unternehmerische Verbindung nach Bayern bzw. Unterfranken. Internationales Zentrum für Kulturgüterschutz und Konservierungsforschung (2008) Eine weitere Initiative des Fraunhofer-Instituts in Würzburg ist das 2008 gegründete Internationale Zentrum für Kulturgüterschutz und Konservierungsforschung (IZKK). Das Institut wurde mit der Intention gegründet, über »neueste Erkenntnisse und geeignete Maßnahmen zur Sicherung von Materialien im Bereich des Denkmalschutzes zu informieren und anzuleiten« (Eigenbetrieb Kloster Bronnbach 2009: 6). Zur Zielgruppe zählen z.B. Restauratoren, Architekten und Denkmalpfleger. Die selber denkmalgeschützte Klosteranlage ist als Sitz dieses Instituts ein hervorragender, sinnvoller und sinnfälliger Standort. Das Netzwerk, das sich aus diesem Dialog bilden wird, und Universitäten, Museen und ähnliche Einrichtungen einbindet, könnte Bronnbach zu einem wichtigen denkmalpflegerischen Zentrum weiterentwickeln. Grafschaftsmuseum Stadt Wertheim – Landwirtschaftliche Sammlung (1993) Die landwirtschaftliche Sammlung des Grafschaftsmuseums der Stadt Wertheim befindet sich als Dependance in der ehemaligen Fruchtscheune des Klosters. Über das Grafschaftsmuseum wird darüber hinaus eine Einrichtung der Stadt Wertheim eingebunden, zu der Bronnbach politisch zugehörig ist. Die Museumsbindung verstärkt wiederum den musealen Charakter der gesamten Anlage. Gleichzeitig wird das Thema Landwirtschaft nunmehr als ›entschleunigter Prozess‹ anschaulich und in konzeptioneller Tiefe in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden ausgestellt. Bereits geplant ist die wissen-
Matthias Wagner £Kloster Bronnbach: ein Ort gelebter Kooperation
schaftliche Darstellung des früheren Engagements der Zisterzienser in den Bereichen Landwirtschaft und Weinbau. Hofmann Catering (2006) In der ehemaligen Orangerie des Klosters wurde 2007 als neue Nutzung ein Tagungsraum mit angeschlossener Küche in Form einer kleinen Mensa eingerichtet. Das Unternehmen Hofmann Catering aus Boxberg betreibt die Küche und verpflegt Tagungsteilnehmer und Übernachtungsgäste. Neben den in Bronnbach ansässigen Nutzern existieren zahlreiche – teilweise auch überregionale – Kooperationen mit Universitäten, engagierten Vereinen und Gruppierungen: Förderverein Bronnbacher Klassik e.V. (2002) Der Förderverein Bronnbacher Klassik ist die Keimzelle des kulturellen Angebotes im Kloster Bronnbach. Aus bescheidenen Anfängen hat sich ein engagierter Verein entwickelt, der sich für die Ausrichtung zahlreicher Konzerte verantwortlich zeigt. Der ›Bronnbacher Musikfrühling‹ als Reihe äußerst ansprechender Konzerte hat sich einen hervorragenden Namen erworben. Kooperationsverträge mit der Universität Karlsruhe (2002), der Universität Mannheim (2002) und der Universität Würzburg (2007) Das Kloster bietet in seiner Abgeschiedenheit und den inzwischen geschaffenen Tagungsbedingungen eine hervorragende Möglichkeit für intensive Tagungen und Seminare. Die Studenten der genannten Universitäten erhalten Sonderkonditionen. Im Gegenzug werden die Räume des Klosters über die Nutzung durch die Universitäten sehr gut ausgelastet. Zudem besteht die Aussicht, dass sich die Studenten nach ihrem Einstieg in das Berufsleben und dort in verantwortlicher Position Kloster Bronnbach wieder als Tagungsort nutzen. Universitätsbund Würzburg (2004) Der Main-Tauber-Kreis ist Mitglied des Universitätsbundes. Im Rahmen der Wintervortragsreihe unterstützt der Universitätsbund mit seinem Programm ›Die Universität nach außen tragen‹ das Kulturprogramm in Bronnbach, das jedes Jahr ca. sieben Vorträge nach Bronnbach vermittelt. Die Kontakte zu den Referenten ermöglicht eine engere Anbindung an die nahe gelegene Universität in Würzburg. Der Charakter des früheren Zisterzienserklosters als Ort von Studium, Bildung und klösterlichem Wissenscluster findet hier eine wichtige Fortsetzung.
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Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V. – Bronnbacher Stipendium (2004) Der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V. ist die Interessensvertretung für das kulturelle Engagement von Unternehmen im BDI. Der Kulturkreis vergibt als wichtige und anerkannte Kulturinstitution ein ›Bronnbacher Stipendium‹, um künftige Führungskräfte für ihre Aufgaben kulturelle Kompetenz zu vermitteln. Das Stipendium wird an den Universitäten Mannheim und Bochum vergeben. Die Widmung des Stipendiums auf ›Bronnbach‹ bietet dem Kloster die Möglichkeit, eine engere Kooperation mit dem Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft und deren Netzwerk zu nutzen, im Gegenzug ein innovativer Partner für die Interessen der Stipendiaten und des Kulturkreises zu sein. Förderkreis Kloster Bronnbach (2008) Der Förderkreis Kloster Bronnbach besteht aus engagierten Bürgern und Unternehmern unter Leitung des Landrates. Dieses Gremium berät das Kloster Bronnbach in qualitativen Fragen und bezieht es in die jeweiligen Netzwerke mit ein. Künstlerarbeitskreis (2002) Der Künstlerarbeitskreis besteht aus bildenden Künstlern und Kunsthistorikern, die den Planungen in der Neuen Galerie beratend zur Seite stehen und die Jurierung eingereichter Arbeiten übernehmen. Dieser Arbeitskreis sichert die Qualität der gezeigten Ausstellungen und schafft Vertrauen in das künstlerische Konzept der ›Bronnbacher Kultouren‹. Heimatverein Reicholzheim (2005): Der Heimatverein des Nachbarortes Reicholzheim, das eine traditionell enge Bindung zum Kloster pflegt, engagiert sich in unterschiedlichen Projekten in Bronnbach und bildet ein wichtiges Netzwerk in die umliegenden Ortschaften. Vinothek Taubertal (2007) In der ›Vinothek Taubertal‹, die im Keller des Klosters eingerichtet ist, präsentieren Winzer des Taubertales ihre Weine sozusagen auf ›neutralem Boden‹, da Bronnbach zwar Weinberge, jedoch kein eigenes Weingut besitzt. Die Anbindung der Winzer wird von der Öffentlichkeit hervorragend angenommen und schlägt einen bewussten Bogen zu den Zisterziensern in Bronnbach, die den Wein im Taubertal kultivierten.
Matthias Wagner £Kloster Bronnbach: ein Ort gelebter Kooperation
3 A K T U E L L E R S TA N D
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K O O P E R AT I O N
Die Koordination aller Interessen im Kloster Bronnbach ist Aufgabe des seit zwei Jahren bestehenden Eigenbetriebes Kloster Bronnbach. Die einzelnen Institutionen in Bronnbach arbeiten völlig autark, der Kommunikations- und Abstimmungsbedarf des Eigenbetriebes setzt vor allem bei Anforderungen im Rahmen der Liegenschaft (Baumaßnahmen, Reparaturen, allgemeine Verwaltung etc.) an und umfasst die Vermietungen für Tagungen und Gäste, sowie die Koordination des alle Institutionen vor Ort verbindenden Kulturprogramms. Regelmäßige Treffen der Verantwortlichen sichern den Informationsaustausch. Da sämtliche Kooperationen mit wichtigen Entscheidungen im finanziellen, operativen und konzeptionellen Bereich verbunden sind, ist eine enge Abstimmung der jeweiligen Führungskräfte mit dem Landrat des Main-Tauber-Kreises und den Dezernenten, sowie der politischen Mandatsträger gegeben. Der für die weitere Entwicklung wichtige Ansatz einer strategisch angelegten, langfristigen, verlässlichen und kontrollierbaren Bündelung der Planungen aller Kooperationspartner ist sicherlich eminent. Daraus kann sich die Chance entwickeln, die programmatische Profilbildung der Klosteranlage als ›Marke‹ auszubilden und konzeptionell auszurichten. Als gemeinsames Ziel soll die Positionierung Bronnbachs als ›Marke‹ ausdrücklich postuliert werden. Dazu bedarf es koordinierter Marketinganstrengungen, die sowohl für die Kooperationspartner, wie für das besucherträchtige Kultur- und Tagungszentrum weitere Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die Voraussetzungen wären sicher ideal, denn viele Faktoren lassen auf eine günstige Prognose für den Erfolg dieser ›Marke‹ schließen. Vor allem die bis zu 20.000 Besucher, die das Kloster jedes Jahr zählt, sind neben dem breit gefächerten Angebot der ›Bronnbacher Kultouren‹ eine solide Ausgangsbasis. Das Programm der ›Bronnbacher Kultouren‹ mit über 100 Veranstaltungen pro Jahr ist in acht verschiedenen Sparten unterteilt: ›Bronnbacher Klassik‹, ›Bronnbacher Gespräche‹, ›Modernes Bronnbach‹, ›Neue Galerie‹, ›Bronnbacher Theater‹, ›Bronnbacher Akademie‹, ›Junges Bronnbach‹ und ›Bronnbacher Führungen‹. Alle Kooperationspartner sind mit öffentlichen Veranstaltungen in das Programm integriert.1
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Über das Kulturprogramm und die Aktivitäten innerhalb der Klosteranlage informiert die Homepage http://www.kloster-bronnbach.de.
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4 FA Z I T Ein Kloster kann, ausgehend von der jeweiligen Ordensregel und der Bewältigung der lokalen Herausforderungen, als funktionierende Einheit nur in einer komplexen Organisations- und Sozialstruktur bestehen. Die mit einer Klostergründung meistens einhergehende bauliche Herausforderung in Abstimmung mit ordensspezifischen Vorgaben, sowie die wirtschaftliche Existenz in Einbindung der vorherrschenden Machtverhältnisse, erforderte auch in Bronnbach von den Mönchen über die Jahrhunderte hinweg stets interne und externe Kooperationen vornehmlich regionaler Prägung. Nur auf diese Weise war es möglich, das Kloster in seinen lebenswichtigen Funktionen von Handwerk, Landwirtschaft, Finanzhoheit und dem inneren Ordensleben zu sichern. Nach einer Interimszeit von fast 200 Jahren konnte der ›Sanierungsfall Denkmal Kloster Bronnbach‹ Ende des 20. Jahrhunderts erst durch Kooperationen auf regionaler Ebene mit neuen Nutzungen zu einem attraktiven Standort umgewandelt werden. Die Rücksichtnahme der Handelnden auf die Ausgangsbasis des Klosters als religiöses Zentrum katholischer Prägung war wichtige Voraussetzung, um die gesamte Anlage in den öffentlichen Angeboten der neuen Nutzer als vielseitiges Tagungs- und Kulturzentrum mit einem besonderen Charakter zu bewerben. Erst die Kooperationspartner mit ihrem individuellen Engagement, der Main-Tauber-Kreis als Eigentümer, sowie zufriedene Besucher mit der stets wohlwollend und ausführlich berichtenden Presse schufen gemeinsam das Klima, in dem sich für die Handelnden ein Konsens zum Erhalt und weiteren Ausbau der ›Kooperationsmarke Kloster Bronnbach‹ einstellt. Die wechselvolle Geschichte der Klosteranlage in Bronnbach ist bis heute eng mit der Region verknüpft. Die ›Region‹ firmiert hier als historisch bedingte Realität durch die institutionalisierte Prägung einer Klostergemeinschaft in steter Anpassung an die politischen Verhältnisse (vgl. Stein 1998: 12). Diese gewachsene und verdichtete Form regionaler Identität der Region Main-Tauber findet seine Berechtigung erst in der Wahrnehmung des Raumes als Prozess gewachsener Kontinuität (vgl. Sturm 1999). Die sich daraus ergebene Lebenswirklichkeit der Bewohner drückt sich in der Existenz von Heimat aus. Die befruchtende direkte Nachbarschaft zu Bayern ist in dieser Hinsicht eine weitere Chance und Herausforderung. Mit diesem Hintergrund kann Kloster Bronnbach als Ort regionaler Kooperation eine neue Identität kreieren, ohne die gewachsenen Strukturen künstlich zu überformen. Auf die enge Verflechtung der Kooperationspartner und des Kulturprogramms muss in der künftigen Entwicklung jedoch stets geachtet werden, um die Menschen mit ihrer Kreati-
Matthias Wagner £Kloster Bronnbach: ein Ort gelebter Kooperation
vität und Kompetenz ›abzuholen‹ und dauerhaft als Stakeholder des Klosters zu gewinnen. Durch Kooperationen konnte das Kloster wieder vielseitig belebt werden. Kooperationen, die allerdings in stetem Hinterfragen ihrer Beständigkeit anzupassen und zu erhalten sind. Kloster Bronnbach hätte in seiner Differenziertheit und den Möglichkeiten einer veritablen Interdisziplinarität die große Chance, die Mikroform einer Wissensgesellschaft zu bilden. Die Netzwerke mit den Multiplikatoren der Kooperationspartner wären in der Lage, dies in geographischer und wissenschaftlicher Rückkopplung nach Bronnbach wechselseitig positiv zu beeinflussen. Diese Vision einer Clusterbildung in Wissensmilieus aus Wissen, Bildung, Innovation und Raum (vgl. Matthiesen 2007: 86), zusammengefasst in einer Kooperation ›Region-Kultur‹, könnte Bronnbach langfristig in eine sichere Zukunft führen.
QUELLENVERZEICHNIS Eigenbetrieb Kloster Bronnbach (2009): Bronnbacher Kultouren, Broschüre, Tauberbischofsheim. Layer, Gerhard (1997): Das Museum »Vom Kloster zum Dorf«, in: Schurr, Werner: Chronik von Kloster und Dorf Frauental, 2. Aufl., Berlin, S. 115-123. Matthiesen, Ulf (2007): Wissensmilieus in heterogenen stadtregionalen Räumen Ostdeutschlands – zwischen Innovationsressourcen und kulturellen Abschottungen, in: Koch, Gertraud; Warneken, Bernd Jürgen (Hg.): Region – Kultur – Innovation. Wege in die Wissensgesellschaft, Wiesbaden, S. 83122. Meier, Robert (2007): Auf dem Weg zu einem regionalen Kultur- und Wissenschaftszentrum. Die Entwicklung von Kloster Bronnbach seit dem Ankauf durch den Main-Tauber-Kreis, in: Müller, Peter (Hg.): Kloster Bronnbach 1153-1803. 650 Jahre Zisterzienser im Taubertal, 2., erw. Aufl., Wertheim, S. 181-205. Meier, Robert (2008): Gespräch mit Georg Denzer, 1981-2005 Landrat des Main-Tauber-Kreises, in: Müller, Peter (Hg.): Kloster Bronnbach 1153-1803. 650 Jahre Zisterzienser im Taubertal, 2., erw. Aufl., Wertheim, S. 208-212. Müller, Peter (2007): Kloster Bronnbach als Herrschaftszentrum und Residenz, in: Müller, Peter (Hg.): Kloster Bronnbach 1153-1803. 650 Jahre Zisterzienser im Taubertal, 2., erw. Aufl., Wertheim, S. 121-144. Schenk, Winfried; Thiem, Wolfgang (Hg.) (1994): Fachliche Stellungnahme aus der Sicht der Historischen Geographie zur denkmalpflegerischen Bedeutung der Klostergemarkung Bronnbach, Landkreis Main-Tauber, Würzburg; Bamberg. Stein, Michael (1998): Die »Regionale« – Ein neues Instrument kooperativer
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Regionalentwicklung? (= Arbeitspapier des Fachgebietes Soziologische Grundlagen der Raumplanung der Fakultät Raumplanung, Universität Dortmund), Dortmund. Sturm, Gabriele (1999): Raum und Identität als Konfliktkategorien, in: Thabe, Sabine (Hg.): Räume der Identität, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 98, Dortmund, S. 26-37.
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D A S K U LT U R N E T Z W E R K N E U K Ö L L N E .V. Ilka Normann
1 ZWISCHEN A RBEITSM A RK TPOLITIK U N D V E R N E T Z U N G S S T R AT E G I E N – A L L E
AN
BORD!
Im sozialen Brennpunkt Berlin-Neukölln ist Kultur zu einem bedeutenden Standortfaktor geworden. Um Kultur zu schaffen, werden Ressourcen und Arbeitskräfte benötigt – und Arbeitslose wiederum brauchen sinnvolle Beschäftigung. Beides zu verbinden war 1995 Ausgangspunkt für die Schaffung eines Kulturnetzwerks in und für Neukölln. Seitdem vernetzt der gemeinnützige Verein kulturelle Einrichtungen und Projekte im Bezirk und fungiert zugleich als Dienstleister für seine über 40 Mitglieder.1 Das gemeinsame Ziel ist, Kultur entgegen aller Kürzungen in den öffentlichen Haushalten langfristig zu sichern und gemeinsam in der Öffentlichkeit aufzutreten. Im demokratischen und gleichberechtigten Miteinander ist der Zusammenschluss von öffentlichen Einrichtungen, privaten Trägern und freien Initiativen. Das Kulturnetzwerk Neukölln als Zusammenschluss von öffentlichen Einrichtungen, privaten Trägern und freien Initiativen kann als funktionierendes Praxisbeispiel für Kooperationen angesehen werden. So tragen Theater, Filmschaffende, Museen, Kulturgärten, Musikspielstätten, Jugendprojekte, Kleinkunstbühnen, Galerien, Kulturvereine oder Künstlerinitiativen zu einer außerordentlichen Vielfalt bei. Bedingt durch die Synergieeffekte unter den Mitgliedern verfügen die im Kulturnetzwerk Neukölln zusammengeschlossenen Institutionen über mehr als 25 Jahre Erfahrung in kultureller Stadtteilarbeit. Viele der Mitgliedseinrichtungen, wie die Werkstatt der Kulturen (mit dem Karneval der Kulturen), die Neuköllner Oper oder Traumpfad e.V. (mit GrimmePreisträger Borscht.tv) sind weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt. Als Beschäftigungsträger sichert das Kulturnetzwerk Neukölln in Kooperation mit dem Jobcenter und Servicegesellschaften des Landes Berlin die Versorgung der Neuköllner Kultureinrichtungen im personellen Bereich. Durchschnittlich sind 100 Menschen beim Kulturnetzwerk beschäftigt, davon zwölf auf dem ersten, alle weiteren auf dem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt. So wird das Netzwerk in Kooperation mit seinem wichtigsten Partner, dem Kulturamt Neukölln, zur ›Brutstätte‹ neuer Projektideen und Strategien. Darüber hinaus fungiert das Kulturnetzwerk auch als Träger von Kulturprojekten und
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Die Mitglieder des Kulturnetzwerk Neukölln e.V. sind in der Regel wiederum Vereine, Organisationen oder Kulturmanager, die im kulturellen Bereich Neuköllns eine große Bedeutung haben. Eine Übersicht bietet die Homepage www.kulturnetzwerk.de.
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sucht immer neue Realisierungsmöglichkeiten in Kooperation mit öffentlichen Geldgebern, Stiftungen und Sponsoren aus der Wirtschaft. Die hier geschaffene Vernetzung geht dabei weit über das ›Benutzen‹ von Kultur für gesellschaftliche Zwecke hinaus. Kooperationen haben immer ein Vorher und eine nachfolgende Entwicklung. Sie streuen in viele Richtungen, überschreiten Grenzen – räumlich wie auch ideell – und verbleiben damit nicht nur in den engen Grenzen eines Stadtteils. Auch sind die Netzwerke selbst nie das gesetzte Ziel der Bemühungen oder gar Selbstzweck gewesen. Viel größere Relevanz hat die inhaltliche Auseinandersetzung mit- und untereinander bei der Realisierung gemeinsamer Projekte. War der Aufbau des Kulturnetzwerks anfangs auch eine Reaktion auf Mittelkürzungen im Kulturbereich und so ein in Vereinsrecht gegossenes Prinzip der Solidarität, führten bei dem im Folgenden vorgestellten Praxisbeispiel gänzlich andere Faktoren zu einem gemeinsamen, vernetzten Handeln.
2 K U N S T2.1
UND
K U LT U R F E S T I V A L ›4 8 S T U N D E N N E U K Ö L L N ‹
Ein Festival als ›Kampfansage‹
Normalerweise entstehen Festivals aus Repräsentationsgründen, weil sich der Staat oder aber einzelne Gemeinden mit einem besonderen Event schmücken, den Tourismus ankurbeln oder die eigene Geschichte besonders ehren wollen. In Neukölln hatte die Entstehung eines der größten Kunst- und Kulturfestivals in Berlin andere Ursachen. »Endstation Neukölln« (Wensierski 1997) konstatierte der Spiegel 1997 den sogenannten Problembezirk und schuf somit für Jahre eine wenig hinterfragte Grundlage für jedwede Negativberichterstattung aus dem mittlerweile bundesweit berühmt-berüchtigten sozialen Brennpunkt. Aber Realität ist nun einmal vielschichtiger, und Neukölln ist mehr als die Summe der Vorurteile und Klischees, die das Bild dieses lebendigen Stadtteils in der Öffentlichkeit prägen: Zwar nimmt der Neuköllner Norden, was Arbeitslosenquote und Anteil von Sozialhilfeempfängern betrifft, einen Spitzenplatz unter den Berliner Bezirken ein und ebenso ist eine fortschreitende Verarmung der Bevölkerung unzweifelhaft zu konstatieren. Das jedoch ist keine überzeugende Rechtfertigung für den allgemein negativen Blick auf ein sehr heterogenes Stadtviertel Berlins. Denn Neukölln ist auch zunehmend durch sein kreatives Potenzial und eine lebendige und engagierte Künstlerszene geprägt. Aufgrund seiner multiethnischen und offenen Atmosphäre, der Akzeptanz-Bereitschaft auch unangepassten Menschen gegenüber, wegen seiner offen zu Tage tretenden Härten und Brüche und der Möglichkeit des engagierten Mitgestaltens ist Neukölln besonders für Künstler, Kulturschaffende und Intellektuelle als Wohn- und Produktionsort attraktiv.
Ilka Normann £Das Kulturnetzwerk Neukölln e.V.
Angespornt durch die andauernde negative Presse formierte sich aktiver Widerstand in der schon damals engagiert agierenden Neuköllner Kulturlandschaft, sah sie sich doch in ihrer Arbeit und ihrem kreativen Schaffen grundsätzlich verkannt und ignoriert. Das Festival ›48 Stunden Neukölln‹ war von Anfang an auch eine ›Kampfansage‹ an das von außen aufgezwungene Negativimage des Bezirks. Obwohl es nie ausreichend finanziert ist (und bezirkspolitisch zunächst auch nicht unbedingt erwünscht war), wird es doch jedes Jahr aufs Neue mit enormem Engagement vom Kulturnetzwerk Neukölln und allen beteiligten Akteuren getragen. 2.1.1 Das kreative Engagement Im Geburtsjahr des Festivals 1999 fanden sich bereits 25 Orte zusammen, die zum Teil mit erheblichem Aufwand Kulturprogramme für ein konzentriertes Wochenende konzipierten. 2008 wurden dann an mehr als 170 Spielorten über mehr als 350 Einzelveranstaltungen realisiert. Schätzungsweise 50.000 Besucher nutzten während eines Wochenendes das kulturelle Angebot. Das Programm deckt alle Sparten künstlerischen Schaffens ab. Ebenso vielfältig sind die Präsentationsformen und teilnehmenden Orte: Ausstellungen bildender Kunst, Kunstaktionen, Installationen im öffentlichen Raum, temporäre Galerien und vieles mehr. Die Veranstaltungen, die von insgesamt mehr als 1000 Aktiven realisiert werden, finden an ungewöhnlichen und teils spektakulären Orten statt: an den Brücken der Neuköllner Wasserstraßen, in verwunschenen Hinterhöfen, auf Dächern, die einen weiten Blick erlauben, an Balkonen und in den dunklen Kellern des Bezirks. Hier ein privates Wohnzimmer, dort ein kleiner Garten, manchmal auch ein Treppenhaus oder ein Dachboden. Die hier lebenden und arbeitenden Menschen stellen ihre Areale zur Verfügung und unterstützen so auf ihre Weise das Festival Jahr für Jahr. Bis heute wird beim Festival nicht mit großen Summen oder Namen operiert, die ›48 Stunden Neukölln‹ leben viel mehr vom Reiz des Unbekannten. So wurde etwa das Führungsprogramm der ›Neukölln Safaris‹ zum großen Erfolg: Sie zeigen sowohl die Kunstorte als auch die ›Unorte‹ des Bezirks und vermitteln so ganz neue Einblicke in den Lebensalltag unterschiedlichster Menschen. Sowohl der Vielfalt kreativer Prozesse als auch dem ethnischen Reichtum der Neuköllner Bevölkerung wird hier Rechnung getragen. Diese Führungen entwickeln sich zumeist aus dem Engagement der Beteiligten selbst, ohne etwa groß von der Festivalzentrale angestoßen worden zu sein. Von daher erscheint es nachvollziehbar, dass das Neuköllner Festival als innovative und wegweisende Präsentationsform für Kunst im gesellschaftlichen Kontext anerkannt wird.2 2
So wurde das Konzept etwa mit dem der Documenta verglichen: »Hätte die Documenta wegweisend sein wollen, ohne ganz Kassel mit Kunstharz zu übergießen und
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Generell sind neben den inzwischen über 40 Mitgliedsorganisationen des Kulturnetzwerks alljährlich sämtliche Kultureinrichtungen, Initiativen, Künstler und Kulturschaffende aufgerufen, sich mit eigenen Projekten zu beteiligen. Aber auch Gewerbetreibende, Hauseigentümer, Anwohner und Neuköllner Firmen werden vermehrt zu Partnern einzelner Kunstaktionen. Die Offenheit des Programms für alle, die sich engagieren wollen, die Spannung, die so manches Projekt im öffentlichen Raum auslöst, und der die Bevölkerung aktivierende Charakter vieler Veranstaltungen machen den besonderen Charme der ›48 Stunden Neukölln‹ aus: »Der dem ›Trotzdem‹ der Gründerzeit entsprungene offensive Elan schwingt in dem Festival nach wie vor mit und mobilisiert in auffallend selbstverständlicher Weise partizipatorische Projekte. Die Einbindung des sozialen Umfelds ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte kein kunsttheoretisches Bonbon, sondern ein elementarer, ja existentieller Bestandteil. Ohne den ausdrücklichen Bezug wären die ›48 Stunden Neukölln‹ erst gar nicht entstanden. Die Verortung in Neukölln beinhaltet sowohl eine stärkere Identifikation der Kulturschaffenden mit dem Bezirk als auch die selbstverständliche Entwicklung von künstlerischen Projekten an der Schnittstelle zu soziokulturellen Projekten.« (Gerhardt/Steffens 2008: 9) Die tatsächliche Kraft des Festivals liegt besonders in der Bündelung vieler Aktivitäten: Das langjährige Wirken engagierter Mitveranstalter und der im Hintergrund operierenden Netzwerke konzentriert sich hier an einem Wochenende, um in geballter Form an die Öffentlichkeit zu treten. Das Festival lebt dementsprechend von der engagierten Leistung vieler: Mit den ›48 Stunden Neukölln‹ präsentiert sich Berlins bevölkerungsreichster Bezirk alljährlich als multikulturelle, vielseitige und tolerante Heimat einer blühenden Kunst- und Kulturszene. U.a. auch durch das stetig wachsende Festival ›48 Stunden Neukölln‹ ist das Medienecho in Bezug auf die Aktivitäten in Neukölln deutlich differenzierter geworden. Neukölln gilt inzwischen als spannender Bezirk. »Neukölln rockt« meinte das Stadtmagazin zitty z.B. Anfang 2008. Und entsprechend kommen mehr als 50 Prozent der Festivalbesucher nicht aus Neukölln. Der Stadtteil hat sich in den letzten Jahren zunehmend als Magnet für kulturinteressierte Besucher entwickelt. Auch der Zuzug von Künstlern aus den verschiedensten Ländern nach Neukölln hält an. Auf dem kreativen Sektor, der in der deutschen Hauptstadt ohnehin einer der sich dynamisch entwickelnden Bereiche ist, hat Neukölln inzwischen einen wichtigen Stellenwert erobert. Das als einziges Ausstellungsstück zu präsentieren, hätte sich der künstlerische Leiter am Konzept der Berliner Aktion ›48 Stunden Neukölln‹ orientieren sollen.« (Kiontke 2007)
Ilka Normann £Das Kulturnetzwerk Neukölln e.V.
allerdings weniger im Bereich der kommerziellen Vermarktung, sondern vielmehr im Kontext einer kreativen Entwicklung vielfältiger Modelle und Versuche, gesellschaftlich relevante Kunst zu wagen. 2.2
Die Säulen des Festivals
2.2.1 Die Schaltzentrale Die Koordination übernimmt alljährlich der Verein. Dafür wird über die Sachmittel aus den laufenden Arbeitsmaßnahmen ein Projektleiter eingestellt, der ein – oftmals jährlich wechselndes – Mitarbeiterteam aus Teilnehmern von Arbeitsmaßnahmen betreut. Wichtige Kooperationspartner auf dieser Ebene sind dementsprechend das Jobcenter Neukölln und Berliner Servicegesellschaften. Diese Grundlage ist nie langfristig gesichert und muss ebenfalls alljährlich, manchmal auch zeitlich unpassend, beantragt werden. Bei wechselnden Teams und (gerade in den Anfangsjahren) auch immer wieder wechselnden Projektleitern ist oftmals die Kontinuität der Arbeit in Bezug auf die Kontaktpflege und vor allem den Wissenstransfer nicht ausreichend gesichert. Glücklicherweise konnte dies über einzelne engagierte Vereinsmitglieder immer wieder abgefedert werden. 2.2.2 Die Steuerung Die sogenannte Steuerungsrunde, ein Arbeitskreis aus Vereinsmitgliedern, begleitet von Anfang an die Geschicke des Festivals: Vom Konzept übers Design bis hin zu Programmschwerpunkten oder Partnerschaften wird in dieser Runde zusammen mit der Projektleitung alles erörtert, verhandelt und die Weichen für zukünftige Inhalte gestellt. 2.2.3 Der Bezirk Der Bezirk Neukölln tritt als einer der wichtigsten Kooperationspartner in diesem Projekt auf. Denn er stellt die Grundfinanzierung sicher, die in der Regel die Werbemaßnahmen, die Eröffnungsfeier, die technische Ausstattung sowie die Versicherungen ermöglicht. Genauso wichtig ist das Kulturamt als Partner: Von Anfang an entscheidend am Aufbau der Struktur und der Entwicklung von Inhalten beteiligt, steht es dem Netzwerk finanzierend und beratend zur Seite. 2.2.4 Die Kunstfilialen In seinem siebten Jahr überschritt das Festival eine Größe, die eine zentrale Koordination allein nicht mehr hätte bewältigen können. Schon vor 2005 hatten sich bereits in den einzelnen ›Kiezen‹ neue Netzwerke und selbständige Organisationsstrukturen – oft in Verbindung mit Quartiersmanagements
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
– entwickelt. Daraus entstand nun die Idee, diese Entwicklungen zu unterstützen und damit das Aufblühen einer freien Künstlerszene jenseits der zentralisierten Festivalleitung zu fördern und zugleich das zentrale Organisationsteam zu entlasten. Die so neu entstandenen Kunstfilialen, die oft mit eigenem markantem Profil ausgebildet sind, präsentieren sich seither den Festivalbesuchern als eigene lebendige Künstlerszenen und -netzwerke – und zwar das ganze Jahr über, nicht nur an einem Festivalwochenende. 2.2.5 Die Mitveranstalter All jene Kunst- und Kulturorte, an denen der Bezirk so reich ist, bilden das tragende und verlässliche Gerüst des Festivals. Über 1000 Menschen engagieren sich hinter den Kulissen, sei es als Helfer oder Künstler. 2.2.6 Die Künstler Waren die Akteure des Festivals anfangs weitgehend identisch mit den vor Ort Aktiven, so kommen die mitwirkenden Künstlerinnen und Künstler mittlerweile vermehrt aus ganz Berlin, Deutschland und der Welt. 2.2.7 Weitere Kooperationspartner Zu weiteren Kooperationspartnern zählen Sponsoren, Medienpartner und Spender ebenso wie die Neuköllner Bevölkerung selbst. Manch einer hat schon für eine Veranstaltung sein Wohnzimmer, seinen Balkon oder sein Treppenhaus zur Verfügung gestellt oder sich aktiv an Projekten beteiligt. 2.3
Vor und hinter den Kulissen
2.3.1 Verlauf Bei seinem Start 1999 zählte das Festival 25 Veranstaltungsorte, im zehnten Jahr fanden sich mehr als 170 Orte in Nord-Neukölln zusammen, die mehr als 350 Veranstaltungen präsentierten. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Durch das positive Renommée des Festivals hat sich das Image gewandelt und die Gentrifizierung als urbaner Prozess hat auch Neukölln erreicht. So wird etwa der Reuterkiez im Norden Neuköllns mittlerweile als neue Ausgehszene gehandelt, was noch vor zwei Jahren undenkbar gewesen wäre. Waren in den ersten Jahren vor allem die großen Kulturhäuser Hauptakteure, so kam in den letzten Jahren vermehrt die aufgehende freie und kleine, aber feine Szene wie Produzentengalerien, Ateliergemeinschaften oder Künstlerinitiativen hinzu. Diese Vielfalt an Akteuren und die Bereitschaft, auch im öffentlichen Raum zu arbeiten, machen das Festival jedes Jahr aufs Neue spannend. Der jetzige Festivalkoordinator ist seit einigen Jahren Angestellter des Kulturnetzwerks und sichert so Kontinuität und Vernetzung. So gewinnt der Verein
Ilka Normann £Das Kulturnetzwerk Neukölln e.V.
neue Partner und Mitglieder und vor allem auch an Prestige. Er bleibt am Puls der Zeit, ist ›mittendrin‹ und kann damit bei seiner Lobby- und Kontaktarbeit nur gewinnen. 2.3.2 Kooperation Die Zusammenarbeit mit Künstlern und Veranstaltungsorten hat inzwischen einen Umfang von über 150 Kooperationsverträgen zwischen Zentrale und allen Mitveranstaltern erreicht. Hinzu kommen die zahlreiche Sponsoring- und Medienpartnerschaften. Einzelnen Neuköllner Partnern liegt der Bezirk als Produktionsstandort am Herzen, für Andere wiederum ist das Festival eine geschickte Werbeplattform. Auch Einkaufszentren und Gewerbetreibende, Wohnungsbaugenossenschaften oder Hotels gehören zu den treuen und oft auch selbst aktiven, das Programm mitgestaltenden Partnern. Über sogenannte ›Große Runden‹ kommen Mitveranstalter und Künstler zusammen. Ebenso hilft ein Internetforum (der ›Marktplatz‹) bei der Suche nach geeigneten Partnern. Schließlich bleibt auch durch die unverzichtbaren Künstlernetzwerke in den einzelnen Kunstfilialen ein persönlicher Kontakt gesichert. Alljährlich finden sich neue Gruppierungen und Partnerschaften zusammen, die oft auch noch Jahre später funktionieren und wachsen. Das Festival lebt dabei von einer Atmosphäre des ›Goodwill‹, denn jeder will und kann dazu beitragen, das Image Neuköllns aufzubessern. Hier ziehen alle an einem Strang. 2.3.3 Finanzen Die Grundfinanzierung wird – jeweils vorbehaltlich der Haushaltslage – über das Bezirksamt Neukölln mit seinen Abteilungen Kultur, Jugend und Soziales gesichert. In dieser Legislaturperiode stellte die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung das Festival auf die Liste der vorrangig zu unterstützenden Projekte. Die dennoch keineswegs umfangreichen Mittel fließen größtenteils in die Werbung und Hintergrund-Koordination. Der Veranstalter Kulturnetzwerk Neukölln e.V. stellt das Personal und die Arbeitsräume für das Projektteam in Kooperation mit dem Jobcenter Neukölln. Die Realisierung von größeren Kunstprojekten im Festival wird über verschiedene Fördertöpfe beantragt und im Glücksfall auch bewilligt: Hier sind u.a. der Fonds Soziokultur, die Lottostiftung des Landes Berlin, die Jugendund Familienstiftung Berlin oder die Berliner Jazzförderung zu nennen. Im Sponsoring-Bereich stellt sich ein Hauptproblem: Das Festival operiert lokal, sodass durch den scheinbar begrenzten Radius ein Sponsoring nur für Wenige attraktiv erscheint. Im finanziellen Bereich kann auch das große Engagement aller Beteiligten nicht genug betont werden: Neben dem oft großen personellen Einsatz
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
müssen die Teilnehmer des Festivals zumeist selbständig für Finanzierung und Realisierung sorgen. 2.3.4 Koordination Die Schwierigkeiten bei häufig unsicherer Finanzierungslage liegen auf der Hand: Über einen Projektleiter sollte die Kontinuität der Arbeit sichergestellt sein. Alle Fäden laufen im Kulturnetzwerk zusammen: die Werbung und Betreuung der Partner, die Koordination des Programms, die zentrale Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Entwicklung der thematischen Leitlinien und Schwerpunkte. Die Festivalleitung ist also ein beständig zu finanzierender, unverzichtbarer Bestandteil der Veranstaltung. Bei fehlender Planungssicherheit kann es hier zu Verzögerungen und sogar zu Ausfällen kommen. Doch auch das Kulturnetzwerk Neukölln selbst muss jedes Jahr aufs Neue um seine Existenz bangen. Die Abhängigkeit von arbeitsmarktpolitischen Gegebenheiten stellt keine verlässliche Grundlage dar.
3 DREH-
UND
ANGELPUNKT:
GEMEINSAME
ZIELSETZUNGEN
Die zentrale Herausforderung, aber auch das verbindende Moment ist für alle Projektbeteiligten alljährlich aufs Neue die Verbesserung des Neuköllner Images. Als Erfolg ist die Verleihung des Kulturpreises der Kulturpolitischen Gesellschaft im November 2008 zu werten.3 Durch diese Honorierung des 10-jährigen Engagements ist das Festival zu Recht über eine lokale Wahrnehmung hinaus wirksam. Trotzdem klaffen Innen- und Außensicht immer noch weit auseinander. Sind die Neuköllner Kreativen und die inzwischen häufig anzutreffenden studentischen Zuzügler geradezu von einer Euphorie gegenüber dem Bezirk und der Aufbruchstimmung ergriffen, so herrscht in der Boulevardpresse noch immer das alte Feindbild vor: Der Berliner Kurier veröffentlichte 2008 seinen Beitrag »Neukölln. Karte der Angst« und weist damit abermals in eine falsche Richtung. Dieser negativen und zumeist unnötig polarisierenden Presse wirkt das Festival konstant entgegen. Als Marketing-Event wirbt es herausragend für den neuen künstlerischen Ruf des Bezirks: Kaum eine andere Neuköllner Veranstaltung erhält so viel positive Resonanz wie die ›48 Stunden Neukölln‹. Die Festlegung auf ein klares Profil trug wesentlich zum Erfolg bei. Das Lossa3
In der Begründung der Jury heißt es u.a.: »Das Konzept, einen Stadtteil über 48 Stunden lang mit Kunst und Kultur zum Leben zu bringen und dabei seine kreativen Entwicklungspotenziale aufzudecken, ist einzigartig und überzeugend. Mit dem Preis soll die beispielhafte Kulturarbeit gewürdigt werden, die nun bereits zum zehnten Mal im Rahmen des Festivals geleistet wird.«
Ilka Normann £Das Kulturnetzwerk Neukölln e.V.
gen von jeglichem Straßenfestcharakter und die Konzentration auf die bildenden Künste hat sich gelohnt: Kunst ist ein ausgezeichnetes Mittel zur Bezirksermutigung. Im Rückblick erscheinen die ersten fünf Festivaljahre als eine gewisse Durststrecke. Hier musste zunächst das Festival bekannt gemacht werden. Dabei war es ein Ziel, es im Berliner Kulturgetriebe zu platzieren und neue Kooperationspartner zu finden. Inzwischen ist es für viele Künstler und Mitveranstalter lohnende Ehrensache, dabei zu sein. Durch die zeitlich konzentrierte Aktion ist ein hohes Maß an Aufmerksamkeit gesichert und nicht selten besuchen bis zu 1000 Menschen ein kleines Atelier an diesem einen Wochenende. Der Aufwand lohnt sich dementsprechend für Künstler, für Mitveranstalter und vor allem auch für die Besucher. Und schließlich hat das Festival inzwischen dramatische Auswirkungen auf die Selbsteinschätzung eines ganzen Bezirks. Dieser Einschätzung schließt sich auch Dr. Dorothea Kolland, die Leiterin des Neuköllner Kulturamts, an: »Nicht nur Neukölln braucht den Blick des Künstlers, scharf, autonom, wie ein Computertomograph Wahrnehmungsgeschichten durchschneidend. Neukölln hat in seiner offenen Vielgesichtigkeit, Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit Künstlern, die dieses wollen, das Wichtigste zu bieten, was man sich denken kann: nicht nur Projektionsfläche für Künstler zu sein, sondern streitbarer Dialogpartner. Die Kosten/Nutzen-Relation stimmt.« (Kolland 2005: 11) Im Gegensatz zu den Anfangszeiten sind die derzeit 40 aktiven Mitglieder nur noch zur Hälfte institutionell operierend. Es finden sich mittlerweile auch Projektbüros, Künstlerinitiativen, die eine oder andere Kunstfiliale und kleinere Vereine darunter, die das Netzwerk bundesweit einzigartig machen: vielschichtig in der Struktur seiner Mitglieder, vereint durch die gemeinsame Zielsetzung: Möge Neukölln auch weiterhin reich an Kunst und Kultur und streitbar in seiner Präsentation sein.
QUELLENVERZEICHNIS Gerhardt, Antje; Steffens, Martin (2008): 48 STUNDEN NEUKÖLLN – Vom No-Go zum Go-Go, in: Normann, Ilka; Steffens Martin (Hg.): 480 Stunden Neukölln 1999-2008. Zum 10. Jubiläum des Kunst- und Kulturfestivals 48 STUNDEN NEUKÖLLN, Berlin, S. 5-10. Kiontke, Jürgen (2007): Malt Blumen, in: Jungle World, Heft 26. Kolland, Dorothea (2005): Kosten/Nutzen-Relation, in: Okkupation 2005, Berlin, S. 10f. Wensierski, Peter (1997): Endstation Neukölln, in: Der Spiegel, Heft 43, S. 5863.
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D E R K O O P E R AT I V E B I B L I O T H E K S V E R B U N D B E R L I N - B R A N D E N B U R G ( KOBV ) . S T R AT E G I E N F Ü R D I E Z U K U N F T D E R R E G I O N A L E N I N F O R M AT I O N S I N F R A S T R U K T U R Monika Kuberek
1 D E R KOBV Der KOBV1 ist eine Einrichtung der Länder Berlin und Brandenburg und ihrer Bibliotheken. Er wurde in den Jahren 1997-2000 am Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB), einem mathematischen Forschungsinstitut des Landes Berlin, aufgebaut und am 21. August 2001 institutionalisiert.2 Mitglieder sind alle Universitäts-, Hochschul- und Fachhochschulbibliotheken der Region, zahlreiche Forschungs-, Spezial- und Behördenbibliotheken sowie die beiden Verbünde der öffentlichen Bibliotheken in Berlin und Brandenburg einschließlich der Landesbibliotheken. Die Schaffung einer modernen, leistungsfähigen Informationsinfrastruktur unter Einbeziehung möglichst aller Bibliotheken der in ihrer Dichte und Vielfalt in Deutschland einmaligen Bibliothekslandschaft war eines der Hauptanliegen bei der Initiierung des KOBV. Sie wurde beim Aufbau des KOBV durch die Wahl des Verbundmodells mit seinen offenen Strukturen befördert. Die Ziele und Strategien des KOBV leiten sich aus dem Grundauftrag der Bibliotheken her, ihre Nutzer/-innen optimal mit Medien und Informationen zu versorgen. Die KOBV-Bibliotheken sind seit der Initiierung des KOBV in ihrer Entwicklung zu nutzerorientierten Dienstleistern weit voran gekommen, ein Prozess, der in den Bibliotheken geprägt ist durch den strukturellen Umbau von den zugangsorientierten Bereichen (Erwerbung, Katalogisierung) zu den nutzerorientierten und technischen Bereichen (Auskunft, Recherche, Internet-Dienste). Mit dem KOBV haben die Bibliotheken eine gemeinsame Plattform und ein dezentrales regionales Netzwerk geschaffen, mit deren Hilfe sie die Informationsinfrastruktur in Berlin und Brandenburg zusammen aufgebaut und grundlegend verbessert haben. Dienstleistungs- und Entwicklungszentrale des Verbundes ist die KOBV-Zentrale, die als koordinierende Instanz zudem die Außenvertre1
Vertiefende Informationen zum gesamten Spektrum des KOBV, seinen Mitgliedern, Dienstleistungen für Nutzer/-innen und Bibliotheken, Projekten, Veranstaltungen, Aktivitäten sowie sämtliche Publikationen sind auf der KOBV-Homepage zugänglich: http://www.kobv.de.
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Initiatoren waren die damalige Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
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tung wahrnimmt. Die KOBV-Zentrale hat ihren Sitz im Land Berlin und ist in die Abteilung Wissenschaftliche Informationssysteme des ZIB eingegliedert. Der KOBV arbeitet seit seinem Bestehen mit den deutschsprachigen Bibliotheksverbünden zusammen und ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Verbundsysteme. Er beteiligt sich an den gemeinsamen Projekten der Verbünde, in denen verbundübergreifende Bibliotheksdienste aufgebaut werden, wie z.B. die Online-Fernleihe. Diese Zusammenarbeit wird durch bilaterale Abkommen verstärkt, die der KOBV mit einzelnen Verbünden eingeht, um durch arbeitsteilige Verfahren Synergien auszunutzen. So hat der KOBV im Dezember 2007 die ›Vereinbarung zur Strategischen Allianz‹ mit dem Bibliotheksverbund Bayern (BVB) abgeschlossen.
2 D E Z E N T R A L E O R G A N I S AT I O N
DES
VE R B U N D E S
Bei der Entwicklung des Organisationsmodells Ende der 1990er Jahre spielte die ›Internet-Philosophie‹ eine tragende Rolle. Sie bestimmt bis heute die KOBV-Prinzipien: Offenheit, Heterogenität, Dezentralität, Flexibilität, Kooperation, Kommunikation über Netze und permanente Weiterentwicklung. Auf der Basis dieser Prinzipien hat der KOBV ein neuartiges Bibliotheksverbundkonzept entwickelt, das sich durch seine offenen, dezentralen Strukturen auszeichnet. Von Anfang an verfolgte der KOBV einen spartenübergreifenden Ansatz, in dem Bibliotheken aller Sparten und Größen und mit unterschiedlichen Trägerschaften als gleichberechtigte Partner zusammen arbeiten. Das Spektrum der KOBV-Bibliotheken bewegt sich heute zwischen großen, leistungsfähigen Universitätsbibliotheken mit eigenen EDV-Abteilungen bis hin zu kleinen öffentlichen Bibliotheken mit minimaler technischer, personeller und finanzieller Ausstattung. Wissenschaftliche, öffentliche, Forschungs-, Behörden- und Spezialbibliotheken, die sich sowohl hinsichtlich ihrer Nutzer/-innen mit ihren spezifischen Anforderungen als auch hinsichtlich ihrer Träger stark unterscheiden, sind in den Bibliotheksverbund – und damit in die regionale Informationsinfrastruktur – integriert. Entscheidend für diese Entwicklung war das ›dezentrale Verbundmodell‹, das sich durch ein hohes Maß an Eigenverantwortung der Bibliotheken und durch eine ausgeprägte Mitsprache- und Mitentscheidungskultur auszeichnet. Diese äußert sich in der starken Einbindung der Bibliotheken in alle Entscheidungsprozesse des Verbundes. Sie spiegelt sich in den Verbundgremien – dem Kuratorium als Steuerungsgremium und dem Hauptausschuss als Gremium auf der Arbeitsebene – wider, in der alle Sparten stimmberechtigt vertreten sind. Als wesentliche Voraussetzung für die Zusammenarbeit wurden vernetz-
Monika Kuberek £Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV)
te Kommunikationsstrukturen aufgebaut, die unter Einbeziehung neuer Technologien beständig weiterentwickelt werden. Von Anfang an setzte der KOBV themen- und gruppenspezifische Mailinglisten ein, das damals modernste Medium, um einen schnellen Informationsfluss mit einem hohen Verbreitungsgrad unter seinen Mitgliedsbibliotheken sicherzustellen. Inzwischen werden die Mailinglisten durch ein Wiki3 ergänzt. Es erlaubt die Online-Zusammenarbeit, z.B. bei Projekten, und gewährleistet gleichzeitig, dass alle Beteiligten immer den gleichen Informationsstand über das Projekt und seinen Fortschritt haben. Damit ist das Wiki ein geeignetes Medium für den KOBV, der in allen Bereichen auf eine hohe Transparenz setzt. Im Hinblick auf die Verbund-Dienstleistungen sorgen Statistiken, auf die die Bibliotheken über das Internet Zugriff haben und die zum Teil auf der KOBV-Homepage eingestellt sind, für transparente Verfahren. Während das Wiki KOBV-intern zum Einsatz kommt, dient die KOBV-Homepage zur Information der breiten Öffentlichkeit. Informationsveranstaltungen, wie das jährliche, öffentliche KOBV-Forum, bieten Interessierten die Gelegenheit, sich über neue Entwicklungen im KOBV und seinen Bibliotheken zu informieren. Die tragende Rolle bei der Einrichtung und Pflege der Kommunikationsstrukturen kommt der KOBV-Zentrale zu. Als Vor-Ort-Serviceeinrichtung mit einer starken regionalen Verankerung kann sie die Bibliotheken optimal beim Auf- und Ausbau ihrer spezifischen Leistungen unterstützen, die Vernetzung der regionalen Serviceangebote intensivieren und auf diese Weise den Ausbau der Informationsinfrastruktur in Berlin und Brandenburg koordinieren und weiter vorantreiben. Eine enge Zusammenarbeit, kurze Wege, auch in der Kommunikation, zudem die schnelle Reaktion auf die Bedürfnisse der Bibliotheken prägen das Zusammenspiel von KOBV-Zentrale und Bibliotheken – ein essenzieller Vorteil eines kleinen, fast ›familiären‹ Verbundes. Die KOBV-Zentrale unterstützt die Bibliotheken, indem sie unter Einbeziehung moderner Technologien neue Dienstleistungen für Nutzer/-innen und Bibliotheken entwickelt und über das Internet bereitstellt. Der ›Entwicklungsaspekt‹ spielt im KOBV eine wesentliche Rolle. Er wurde bei der Institutionalisierung strukturell verankert: durch die Angliederung der KOBV-Zentrale an das ZIB und durch die Ausstattung der KOBV-Zentrale mit einem eigenen Entwicklungssektor. Das umfangreiche technische Know-how kommt den Bibliotheken in den Dienstleistungen, beim Support, in Workshops und in speziellen Veranstaltungen zugute und bildet eine Grundlage in den konzeptionellen Überlegungen zur Op3
Das Wiki ist ein Hypertext-System, dessen Inhalte von Benutzern und Benutzerinnen nicht nur gelesen, sondern auch online bearbeitet werden können. Siehe Begriffsdefinition in Wikipedia, dem wohl größten Wiki: http://de.wikipedia.org/wiki/Wiki.
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timierung der bibliothekarischen Arbeit und der Bibliotheksinfrastruktur. Auf diese Weise können gerade auch kleine Einrichtungen, in denen oft weder die personellen Kapazitäten noch das technische Know-how vorhanden sind, in hohem Maße am technologischen Fortschritt teilhaben.
3 S T R AT E G I S C H E S M A N A G E M E N T Eine weitere Säule im KOBV ist das ausgeprägte strategische Management, um die Qualität der Dienstleistungen sicher zu stellen und die Effizienz der Verbundaktivitäten zu erhöhen. Seit Bestehen des KOBV sind ControllingVerfahren im Einsatz, die im Laufe der Zeit um weitere Instrumente ergänzt wurden: • Evaluierung: In regelmäßigen Abständen wird der KOBV von externen Gutachtern überprüft, um auf der Basis ihrer Empfehlungen die Verbundstrukturen zu optimieren. Die erste Evaluation wurde Ende 2003 durchgeführt, die zweite steht Ende 2009 an. • Beirat/Fachkolloquien: Als externes Expertengremium berät und begleitet ein Beirat wissenschaftlich und technisch die Arbeit des KOBV; künftig sollen Fachkolloquien diese Aufgabe übernehmen. • Balanced Scorecard:4 Unter Beteiligung aller KOBV-Mitglieder wurden 2004 im Rahmen des KOBV-Forums Perspektiven und Zielsetzungen definiert, um mit Hilfe der Balanced Scorecard wesentliche Bereiche des KOBV strategisch zu steuern. Die jährlichen Erhebungen werden 2009 zum vierten Mal durchgeführt. Insbesondere die Kommentare in den Online-Umfragen zur Zufriedenheit der Nutzer/-innen haben sich als wertvolle Basis herausgestellt, um die Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern. • Arbeitsplan der KOBV-Zentrale: Der jährliche Arbeitsplan dient der bedarfsgerechten Entwicklung neuer und dem Ausbau bestehender Dienstleistungen. Er wird im Hauptausschuss mit allen Sparten abgestimmt und vom Kuratorium beschlossen. Die KOBV-Zentrale berichtet zweimal im Jahr über den Erfüllungsstand. • Statistiken: Nutzungsstatistiken der von der KOBV-Zentrale bereitgestellten Dienstleistungen werden herangezogen, um die Geschäftsprozesse zu analysieren und kontinuierlich zu optimieren.
4
Für die in Wirtschaftsunternehmen eingesetzte Balanced Scorecard wurde Anfang 2000 im Rahmen eines Projektes ein Kennzahlensystem für Bibliotheken entwickelt (vgl. Ceynowa/Coners 2002). Dieses System hat der KOBV als erster und bislang einziger Verbund für seine Zwecke adaptiert.
Monika Kuberek £Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV)
4 DEZENTR ALES
TECHNISCHES
VE R B U N D M O D ELL
Nach dem Grundsatz der Offenheit bietet der KOBV seinen Mitgliedsbibliotheken die Möglichkeit, ihre lokalen Bibliothekssysteme entsprechend ihrer Größe, ihrer finanziellen Ausstattung und den örtlichen Anforderungen auszuwählen, um auf lokaler Ebene optimale Bedingungen für die spezifische Nutzerschaft zu schaffen. Dem entspricht die lokale Katalogisierung, mit der die Bibliotheken in Erschließungstiefe und -umfang auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Nutzer/ -innen eingehen können. Analog verfolgt der KOBV in der Datenhaltung ein weitgehend dezentrales Prinzip. Dieses wird durchbrochen durch den KOBVIndex, in dem die Katalogdaten verschiedener Bibliotheken zusammengeführt sind. Die Recherche schließlich ist im KOBV als verteilte Suche realisiert, in der die Einzelkataloge und der KOBV-Index abgefragt werden. Durch das Nebeneinander von verteilter Datenhaltung und KOBV-Index ist im KOBV ein Mischkonzept mit einer großen Flexibilität für die Bibliotheken gegeben. Eine Bibliothek kann entscheiden, ob sie ihre Daten im KOBV-Index nachweist oder über die verteilte Suche. Mit diesem Alleinstellungsmerkmal bietet der KOBV z.B. für öffentliche und Spezialbibliotheken ein passendes Modell für die Teilnahme an einem Verbund. Ohne zwingende Beteiligung an einem zentralen Verbundkatalog mit seinen Erschließungsvorgaben können sie in der Erschließung in hohem Maße auf die eigene Nutzerklientel reagieren. So können sie ihre Services auf deren spezifische Bedürfnisse optimieren, ohne auf die Vorteile der Verbund-Zusammenarbeit zu verzichten. Dies hat beispielsweise das reibungslose Einbeziehen der beiden Verbünde der öffentlichen Bibliotheken als Subverbünde in den KOBV stark begünstigt.
5 DIE DIENSTLEISTUNGEN
DES
KOBV
Der KOBV betreibt Informationsdienste für bibliothekarische Angebote im Internet und ist gleichzeitig regionaler Dienstleister für die Bibliotheken. Diese profitieren in vielfältiger Weise vom Zusammenschluss im Verbund, sowohl durch die gemeinsame Internet-Plattform, als auch durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und die von der KOBV-Zentrale speziell für die Bibliotheken betriebenen Dienstleistungen. Mit dem KOBV haben sich die beteiligten Bibliotheken eine gemeinsame Plattform im Internet geschaffen, in der die regionalen Bibliothekskataloge, die Angebote der Bibliotheken sowie Informationen über die Bibliotheken selbst abrufbar sind. Die Vorteile liegen auf der Hand: Statt sich die vielen, oft kryptischen Adressen der Einzelbibliotheken merken zu müssen, brauchen die Nutzer/-innen nur noch eine Adresse zu kennen, die Adresse der KOBV-
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Homepage. Sie ist der Einstiegspunkt, unter der alle KOBV-Internet-Angebote abrufbar sind. Parallel zu den Nutzerdiensten baute die KOBV-Zentrale in den Anfangsjahren als Basisdienst zur Unterstützung der Bibliotheken ein umfassendes Fremd- und Normdatenangebot auf und entwickelte Werkzeuge zur effizienten Online-Datenübernahme für die Katalogisierung. Seit 2004 sind vor allem ASP-Dienste (Application Service Providing) hinzugekommen. Im Rahmen von ASP betreibt und pflegt die KOBV-Zentrale Software-Anwendungen für die Bibliotheken, stellt ihnen Serverleistung und Speicherplatz zur Verfügung und sorgt für die Langzeitarchivierung der Daten. Die Bibliotheken nutzen die ASPDienste zum Betreiben lokaler Informationsangebote. Sie profitieren davon, dass die KOBV-Zentrale für die gesamten technischen Belange zuständig ist und sie selbst sich lediglich um bibliothekarisch-fachliche Dinge kümmern müssen. Zudem entstehen durch den konsortialen Betrieb beträchtliche Synergiegewinne, die gleichermaßen den großen wie auch den kleinen, weniger leistungsstarken Bibliotheken zugute kommen. Die KOBV-Zentrale hat ein ganzes Bündel solcher ASP-Dienste aufgebaut u.a. die automatisierte Fernleihe, Publikations- und Archivierungsdienste zum Betreiben lokaler Publikationsserver und den Betrieb eines Archivservers mit Volltextrecherche. Die beträchtliche Ausweitung des Dienstleistungsspektrums wurde erreicht, indem die Prozesse weitgehend automatisiert wurden.
6 S T R AT E G I S C H E W E I T E R E N T W I C K L U N G D U R C H K O O P E R AT I O N E N
DES
KOBV
Seit der Mitte des Jahrzehnts wurde evident, dass die Weiterentwicklung des Internet eine qualitativ neue Dimension in der Informationsvermittlung eröffnet hat. Mit der veränderten Wahrnehmung und Nutzung des Internet als interaktives Medium, das mit sozialen Netzwerken, Blogs und Wikis den Alltag erobert hat und auch in der Wissenschaft die Arbeitsroutinen und Kommunikationsformen in weiten Teilen bestimmt, haben sich die Anforderungen an die Informationsversorgung fundamental verändert. Dem Internet kommt heute für die Suche nach Information die gleiche Bedeutung zu wie den Bibliotheken. In Zeiten knapper werdender Finanzmittel und Personalressourcen stehen die Bibliotheken vor einer doppelten Herausforderung, indem von ihnen – gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Angebote für die Benutzung – die Steigerung der Leistungsfähigkeit innerhalb ihrer Einrichtungen erwartet wird. Mit dem Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Informationsversorgung in Berlin und Brandenburg sicher zu stellen, standen diese Themen im Mittelpunkt der Überlegungen zur strategischen Weiterentwicklungen des KOBV. In seiner kontinuierlich geführten Strategiediskussion kam der KOBV 2006
Monika Kuberek £Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV)
zu dem Schluss, dass die Erhöhung der Leistung (Arbeitserleichterung für Bibliothekarinnen und Bibliothekarie, verbesserte Dienste für die Nutzer/-innen) in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis nur durch eine stärkere Kooperation mit anderen Bibliotheksverbünden erreichbar ist. Die im Sommer 2006 geführten Sondierungsgespräche des KOBV mit allen deutschen Bibliotheksverbünden wurden mit Methoden des strategischen Managements ausgewertet. Ging es doch darum, die als positiv identifizierten Verbundausprägungen des KOBV – u.a. hohe Innovationsfreudigkeit, flexibles technisches Verbundmodell, offene Kommunikationskultur, spartenübergreifender Ansatz – zu bewahren und gleichzeitig eine tragfähige und auf Dauer angelegte Kooperation aufzubauen. Unter Abwägung der Chancen und Risiken der Zusammenarbeit mit den einzelnen Bibliotheksverbünden kam der KOBV zu dem Ergebnis, dass der Bibliotheksverbund Bayern (BVB) hinsichtlich der Verbundgröße, der Gremien- und Entscheidungsstrukturen, der Organisationsform, der Systemtechnik und auch der toleranten Erschließungskonventionen am besten zum KOBV ›passt‹. Die Verhandlungen mit dem BVB mündeten im Dezember 2007 in der ›Vereinbarung zur Strategischen Allianz‹. Darin haben die beiden Verbünde als übergeordnete Ziele der Kooperation den Auf- und Ausbau kontinuierlich optimierter Services für die Nutzer/-innen bei gleichzeitiger Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung für die Bibliotheken formuliert. Dies soll bei Wahrung der institutionellen Selbständigkeit von KOBV und BVB durch eine enge, arbeitsteilige Zusammenarbeit und durch die stärkere Ausschöpfung von Synergien zwischen den beiden Verbundpartnern erreicht werden. Ein Kernpunkt der Vereinbarung ist die Durchführung gemeinsamer Entwicklungsprojekte in der KOBV-Zentrale, ein weiterer der Aufbau einer gemeinsamen Katalogisierungsdatenbank, die vom BVB betrieben wird. Mit rund 20 Millionen Titeldatensätzen entsteht die zweitgrößte Verbunddatenbank in Deutschland. Aus dem KOBV katalogisieren künftig die wissenschaftlichen Universalbibliotheken zusammen mit den BVB-Bibliotheken in die gemeinsame Datenbank. Die zentrale Katalogisierung bedeutet für die KOBV-Bibliotheken, die bislang lokal katalogisiert haben, einen Kurswechsel. Den entscheidenden Ausschlag für diesen Schritt gaben neuartige Katalog-Mehrwertdienste, die durch die Weiterentwicklung der Bibliothekssysteme seit etwa Mitte des Jahrzehnts technisch möglich wurden. Bei diesen Diensten werden die bibliographischen Daten mit zusätzlichen Informationen wie z.B. Inhaltsverzeichnissen angereichert, um dem Benutzer mehr Sucheinstiege und mehr Informationen über die Relevanz des gefundenen Treffers zu geben. Der Trend zur Ausweitung dieser Dienste, die zunächst für die ›Massentitel‹ der Universalbibliotheken ausgelegt sind, ist abzusehen: Neue Medien, wie beispielsweise das Angebot ganzer E-Book-Pakete im Katalog, sind inzwischen hinzugekommen. Die
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Ausschöpfung von Synergien durch einmalig für die gemeinsame Datenbank zu erstellende Programme zur Bereitstellung dieser Zusatzdienste soll die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des KOBV beim Aufbau neuer KatalogMehrwertdienste langfristig erhalten und steigern. Weitere Synergiegewinne entstehen für die Universalbibliotheken, deren Bestände große Überschneidungen mit anderen Universalbibliotheken aufweisen, durch die Nachnutzung der Katalogisate in der gemeinsamen Datenbank. Mit der zwischen KOBV und BVB geschlossenen ›Vereinbarung zur Strategischen Allianz‹ ist der KOBV nach rund elf Jahren in eine neue Phase eingetreten, indem er die bislang regionale Kooperation überregional ausgeweitet hat. Wenn auch die Universalbibliotheken des KOBV in dieser Zusammenarbeit einen Kurswechsel zur zentralen Katalogisierung vollziehen, so bedeutet dies für den KOBV insgesamt keinen Paradigmenwechsel: Der KOBV bleibt ein dezentraler Verbund, wird sein flexibles technisches Mischkonzept von verteilter und zentraler Datenhaltung fortführen und die Kataloge der Universalbibliotheken als weitere Komponente in dieses Konzept integrieren. Das Fazit nach dem ersten Jahr der Strategischen Allianz ist positiv: Im November 2008 wurde der gemeinsame Katalog eröffnet und im Dezember 2008 das erste gemeinsame Entwicklungsprojekt erfolgreich abgeschlossen. Neben der engen Kooperation mit dem BVB wird der KOBV auch die bilaterale Zusammenarbeit mit den anderen Bibliotheksverbünden weiter intensivieren. Solche bilateralen Absprachen gibt es bereits seit längerem: • Seit Jahren besteht eine Absprache mit dem HBZ zur Mitnutzung des KOBVOpen-Linking-Dienstes durch die HBZ-Bibliotheken. • Der KOBV nutzt den Alerting-Service des BSZ für den Neuerscheinungsdienst der Deutschen Nationalbibliographie. • Der KOBV beteiligt sich an der Weiterentwicklung der Publikationssoftware ›Opus‹, die von BSZ und Universität Stuttgart betrieben wird. • Mit HeBIS und dem BSZ entwickelt der KOBV ein Bibliotheksverzeichnis als Informationsdienst für die Fernleihe, das in allen Verbünden zum Einsatz kommen soll. Über diese bilaterale Zusammenarbeit hinaus engagiert sich der KOBV gemeinsam mit den Verbünden in systemspezifischen nationalen und internationalen Arbeitsgruppen, um die eingesetzte Software kooperativ weiter zu entwickeln, arbeitsteilig Tests durchzuführen, Anforderungen den Firmen gegenüber zu vertreten und eine qualitative Verbesserung der Systeme herbeizuführen.
Monika Kuberek £Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV)
7 R Ü C K-
UND
AUSBLICK
Mit der Einrichtung des KOBV haben die Bibliotheken in Berlin und Brandenburg eine Entwicklungslinie begonnen, die auf dezentralen, vernetzten Organisationsformen aufbaut und in der Technik auf offene, standardisierte Schnittstellen, Vernetzung heterogener Systeme und flexible, kooperative Strukturen setzt. Der KOBV realisiert damit in seinen grundlegenden Ansätzen die technischen und organisatorischen Anforderungen, die in den Strategiepapieren der deutschen Wissenschaftsorganisationen, -initiativen und -fördereinrichtungen schon vor Jahren aufgestellt wurden – wie beispielsweise dem Wissenschaftsrat, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Open-Access-Bewegung (vgl. DFG 2004, Wissenschaftsrat 2001). Mit seinem Katalog an Dienstleistungen hat sich der noch junge KOBV in der deutschen Bibliothekslandschaft in wenigen Jahren ein eigenes Profil geschaffen. Insgesamt hat sich der KOBV bewährt. Dazu beigetragen haben die flexiblen Strukturen, die die Integration aller Arten von Bibliotheken erlauben, sowie die Einbindung in das ZIB mit seiner hervorragenden technischen Infrastruktur. In dem Konglomerat aus unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessenlagen sind effektive Kommunikationsstrukturen und eine hohe Transparenz unabdingbar sowie eine Koordinierungsstelle, die in engem Kontakt mit den Beteiligten steht und gemeinsame Zielsetzungen fördert. Mit der Bündelung des vorhandenen Know-how, der eingesetzten modernen Technologie und der strategischen Entscheidung, Ressourcen und Kompetenzen mit dem BVB zu bündeln und durch arbeitsteilige Verfahren Synergien zu gewinnen, ist der KOBV gut aufgestellt, um die Herausforderungen der kommenden Jahre anzugehen.
QUELLENVERZEICHNIS Ceynowa, Klaus; Coners, André (2002): Balanced Scorecard für Wissenschaftliche Bibliotheken, Frankfurt a.M. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (2004): Aktuelle Anforderungen der wissenschaftlichen Informationsversorgung. Empfehlungen des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme und des Unterausschusses für Informationsmanagement, siehe: http://www.dfg. de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/ strategiepapierwiss_informationsvers.pdf vom 01.01.2009. Wissenschaftsrat (2001): Empfehlungen zur digitalen Informationsversorgung durch Hochschulbibliotheken, Drs. 4935/01, siehe: http://www.wissen schaftsrat.de/texte/4935-01.pdf vom 10.01.2009.
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£
»W I R B L E I B E N J E W E I L S E I N Z I G A R T I G U N D B I L D E N ALS NETZWERK EINE MUSEUMSLANDSCHAFT«. R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N A M B E I S P I E L D E R M U S E U M S I N I T I AT I V E I N O S T W E S T FA L E N - L I P P E E .V. Bettina Rinke
1 D I E M U S E U M S I N I T I AT I V E 1.1
IN
OWL E .V.
Gründungsphase und Entwicklung
Die Gründung der Museumsinitiative erfolgte 1999 in einer Phase der verstärkten Vernetzung der Kulturarbeit in Ostwestfalen-Lippe (OWL). Im Rahmen der Profilierung der Kultur in der Region wurden »Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und Kulturverantwortliche in Kommunen und ihren kulturellen Einrichtungen, kulturtreibende Vereine und sonstige Institutionen aus OWL« (Ministerium für Arbeit u.a. 1998: 20) von der Landesregierung in Düsseldorf aufgefordert, Kulturprojekte zur Umsetzung eines regionalen Kulturkonzeptes zu entwickeln und durchzuführen. Besonderen Wert legte die regionale Kulturpolitik auf jene Projekte und Maßnahmen, welche die Kooperation und Vernetzung in der Region förderten. Der Arbeitskreis kommunaler Museen, in dem sich in einem lockeren Verbund Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Museen der Region zusammengeschlossen hatten, gründete daraufhin in Zusammenarbeit mit einem neu geschaffenen Kulturbüro bei der OstWestfalenLippe Marketing GmbH die ›Museumsinitiative‹. Die Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wünschten sich eine verstärkte Kommunikation zwischen den Kollegen in Fortsetzung des Arbeitskreises kommunaler Museen. Dabei sahen besonders kleine Museen in einem Zusammenschluss eine Rückenstärkung und einen sowohl inhaltlichen als auch informationsmäßigen ›Anschluss an die Welt‹. Gemeinsame Aktivitäten wurden und werden als Stärkung des eigenen Hauses empfunden. Die Möglichkeit größere Projekte zu realisieren, die mit den eigenen finanziellen Mitteln und der geringen Personalausstattung nicht durchführbar waren, spielte auch eine Rolle. Die Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe formulierte daraufhin für ihre Arbeit folgende Aufgaben: • Die Kooperation zwischen den Museen in OWL soll verbessert werden. • Gemeinsame Projekte auf inhaltlicher Ebene sollen gefördert und realisiert werden.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
•
Die Zusammenarbeit der Museen mit anderen Kultursparten soll verstärkt werden.
Inzwischen vernetzt der Verein Museumsinitiative über 170 Museen und museumsähnliche Einrichtungen in der Region OWL. Dabei ist die Museumslandschaft sehr heterogen und reicht von Landes- über Stadtmuseen, private Sammlungen und Firmenmuseen bis hin zu ehrenamtlich geführten Heimatstuben. Die Koordination der verschiedenen Aktivitäten übernehmen der ehrenamtlich tätige Vorstand, bestehend aus Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, sowie eine Projektleiterin in freier Mitarbeit. Die Kommunikationsstrukturen der Museumsinitiative in OWL e.V. ermöglichen eine Einbindung der Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter unabhängig von der Größe und der Trägerschaft der Museen durch: • die jährliche Vollversammlung der Museen • Workshops zur Planung gemeinsamer Aktivitäten • Informationsaustausch per Internet • Fortbildungen • ein Büro mit Ansprechpartnerin Schon in der ersten Planungsphase wurde entschieden, alle Museen und Sammlungen der Region, unabhängig von ihrer Trägerschaft, ihrer Größe oder ihrem Standard mit einzubeziehen. Als Bedingungen für die Einbeziehung wurden das Bestehen einer Sammlung und eine regelmäßige Öffnungszeit genannt. Dieser demokratisch organisierte Kommunikationsprozess bewies in der Folgezeit seine Trägfähigkeit. Eine stetig steigende Zahl von Mitgliedsmuseen zeigt das Bedürfnis nach Teilhabe an der Kommunikation und den gemeinsamen Aktivitäten. Befürchtungen der Konkurrenz, z.B. um die immer rarer werdenden Finanztöpfe, haben sich nicht bewahrheitet. Die einzelnen Häuser sind in ihrem kommunalen Umfeld so etabliert, dass es zu keinen ›Finanzabwanderungen‹ kam. Der Zusammenschluss hatte im Gegenteil für einige Museen finanzielle Vorteile, da z.B. das NRW Kultursekretariat Gütersloh nur solche Projekte finanziell fördert, die in einem Verbund entstehen. Die unterschiedliche Größe und Trägerschaft der einzelnen Häuser hat sich positiv auf die Projekte ausgewirkt. Größere Museen, wie das LWL-Freilichtmuseum Detmold oder die Kunsthalle Bielefeld trugen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit zur ›Sichtbarmachung‹ der an den Projekten beteiligten kleineren Sammlungen und Heimatstuben bei.
Bettina Rinke £Das Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V.
1.2
Planungswerkstatt Museumsentwicklung in Ostwestfalen-Lippe
Als erstes Ergebnis eines Vernetzungsprozesses der ostwestfälisch-lippischen Museen entstand das Konzept zur ›Planungswerkstatt Museumsentwicklung in Ostwestfalen-Lippe‹. Auf zwei Museums-Foren im Jahr 1999 wurden der Projektantrag an die Landesregierung Nordrhein-Westfalen (NRW), das geplante Vorgehen sowie die Zielsetzung der Initiative intensiv diskutiert und von den jeweils rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern befürwortet. Danach gelang es, weitere Kolleginnen und Kollegen in den Fortgang des Projektes einzubeziehen. Mit der Bereitschaft der Museumskolleginnen und -kollegen, an diesem Projekt mitzuarbeiten, bestand eine breite Grundlage für den im Projektantrag skizzierten Ablauf des Planungsprozesses mit den rund 170 öffentlichen und privaten Museen in Ostwestfalen-Lippe. 1.3
Besucherbefragung als Bestandsaufnahme
Als Bestandsaufnahme und Grundlage zukünftiger Planungen gab die Museumsinitiative im Jahr 2000 eine Emnid-Umfrage zum Image der Museen in Ostwestfalen-Lippe in Auftrag. Befragt wurden Besucher und Nichtbesucher nach ihrem Wissen über die Museen der Region, zu ihrem Besuchsverhalten und ihrer Meinung über die Institutionen. Es wurden 1000 Bewohnerinnen und Bewohner in Ostwestfalen-Lippe ab 16 Jahren aus den Kreisen Gütersloh, Herford, Höxter, Lippe, Minden und Paderborn sowie aus Bielefeld zwischen dem 14. und 28. August 2000 per Telefonumfrage befragt. Zusammengefasst ergab sich folgendes Bild: Die Museen in Ostwestfalen-Lippe haben in der Bevölkerung ein durchaus positives Image. Überwiegend werden sie als sachlich, interessant, verständlich und vergangenheitsorientiert eingeschätzt, wobei letzteres keineswegs abwertend gemeint ist. Schließlich hat die Umfrage ergeben, dass sich die Befragten vor allem Ausstellungen zu historischen Themen wünschen. Deutlich seltener werden die Museen dagegen mit den negativen Eigenschaften trocken, anstrengend, langweilig und kompliziert assoziiert. Die Einwohner sind zudem recht zufrieden mit ihren Museen: Das zeigt die Note 1,8 bei der Globalzufriedenheit. Konkret: 20 Prozent der Befragten waren voll und ganz mit den Museen zufrieden, 54 Prozent eher zufrieden als unzufrieden und nur sechs Prozent waren eher unzufrieden oder gar nicht zufrieden. Signifikant oft ist das Erleben ›fremder Welten‹ als eine Erfahrungsmöglichkeit genannt, die Museen besser bieten als viele andere Freizeitorte. Diese Stärke bietet einen Anknüpfungspunkt für Marketingstrategien, bei
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
denen das ›Entführen‹ in fremde Welten als ein Besuchsanreiz hervorgehoben wird. Unter den Verbesserungswünschen steht die Nachfrage nach (Vorab-)Informationen ganz oben, Defizite bestehen darüber hinaus vor allem im Bereich der familienfreundlichen Angebote. Die Frage nach der Bekanntheit einzelner Museen zeigte sehr deutlich, dass Kreisgrenzen als Informationsbarrieren in Sachen Kultur wirken, da die Berichterstattung in den regionalen Zeitungen sich an diesen orientiert. Als Aufgabe stellte sich somit der Museumsinitiative in OWL e.V., kreisübergreifende Informationsangebote zu entwickeln und auszubauen. Aus diesen Ergebnissen ließen sich für die Arbeit der Museen und der Museumsinitiative verschiedene Aufgaben ableiten, die zielgruppenorientiert angegangen wurden. Als Grundlage für die Realisierung der gestellten Ziele und als Standortbestimmung der einzelnen Museen Ostwestfalen-Lippe wurde ein Leitbildprozess angestoßen. 1.4
Leitlinien der Zusammenarbeit
Unter großer Beteiligung von Museumsfachleuten, Vertretern und Vertreterinnen aus anderen Kulturinstitutionen, Politik und Tourismus begann der Leitbildprozess mit einer Auftaktveranstaltung im Dezember 2000. In fünf Workshops, die sich an diesem Tag herausbildeten, wurden in den folgenden Monaten Leitlinien formuliert, die Museen ganz unterschiedlicher Ausrichtung und Trägerschaft in das Netzwerk einbinden. Auf einer Abschlussveranstaltung im Juni 2001 verabschiedeten rund 150 Vertreter/-innen aus Kultur, Verwaltung, Politik und Tourismus mit ihrer Unterschrift die ›Leitlinien für die Museen in Ostwestfalen-Lippe‹. Die Leitlinien zeigen mit fünf programmatischen Punkten das Selbstverständnis der Museen der Region OstwestfalenLippe (vgl. vertiefend Museumsinitiative 2009): 1. Wir haben die Originale – und bewahren sie 2. Nachhaltigkeit – schon immer unser Trend 3. Erst Publikum macht aus Sammlungen Museen – wir verstärken die Kommunikation mit den Menschen 4. Wir bleiben jeweils einzigartig, bilden als Netzwerk eine Museumslandschaft und sind offen für Kooperationen mit anderen Partnern 5. Museen werden von Menschen gemacht – und viele machen mit 1.5
Die Finanzierung der Museumsinitiative in OWL
Die Museumsinitiative in OWL e.V. hat keinen eigenen kontinuierlichen Etat. Die Finanzierung ist projektorientiert und projektgebunden. Die unterschiedlichen Aktionen wurden bisher durch den Ministerpräsidenten des Landes
Bettina Rinke £Das Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V.
Nordrhein-Westfalen im Rahmen der ›Regionalen Kulturpolitik‹ und der ›Modellregion kulturelle Bildung‹ durch die Sparkassen der Region, die OWL-Marketing GmbH, die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. sowie von Sponsoren aus der Wirtschaft gefördert. Für jedes Projekt müssen neue Kooperationspartner gefunden werden.
2 A U S G E W Ä H LT E P R O J E K T E
UND
EINBLICKE
Im Laufe des Leitbildprozesses entstanden die Ideen zu verschiedenen Projekten, die in Zusammenarbeit zwischen Museen und Museumsinitiative geplant und durchgeführt wurden: • gemeinsames Marketing anhand von Museumsführern • Qualifizierung von ehren- und hauptamtlichen Museumsmitarbeitern • verstärkte Zusammenarbeit zwischen Museumsfachleuten und Touristikern • gemeinsame Themenjahre 2.1
Museumsführer
2.1.1 »Museen in Bewegung« Im Herbst 2001 gab die Museumsinitiative in einer Auflage von 30.000 Exemplaren den Museumsführer ›Museen in Bewegung. Wegweiser zu den Museen in OstWestfalenLippe‹ heraus, in dem sich 157 Museen und Sammlungen der Region auf jeweils einer Seite präsentierten. Dieser Führer wurde kostenlos an die Museen der Region und an die Touristenbüros verteilt. Er war schnell vergriffen, so dass im Januar 2002 eine zweite erweiterte Auflage mit 170 Museen erschien. 2008 wurde eine dritte verbesserte Auflage gedruckt. Die Informationen des Museumsführers sind zusätzlich in digitaler Form auf der Internetseite der Museumsinitiative in OWL e.V. (http://www. museumsinitiative-owl.de) in ständig aktualisiertem Inhalt abrufbar. 2.1.2 Industriekultur in Stadt und Land ›Industriekultur in Stadt und Land. Wege zur Industrie- und Technikgeschichte in OWL‹ entstand im Jahr 2002 in Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Industriemuseum Ziegelei Lage (heute LWL-Industriemuseum Ziegelei Lage). Vernetzt mit der europäischen Route der Industriekultur erschließt der Führer Besuchern und Besucherinnen der Region Orte industrieller Tätigkeit. Das können Industriemuseen und Museen mit industriegeschichtlichen Abteilungen sein, aber auch Industriedenkmäler in der Landschaft. Rund sechzig Standorte in der Stadt Bielefeld und den sechs Kreisen des Regierungsbezirks Detmold sind in dieser Broschüre und einem gleichnami-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
gen Internetauftritt verzeichnet. Zusätzlich wurden vier Radrouten zu speziellen industriellen Themen und Orten konzipiert und als Flyer gedruckt. 2.2
Qualifizierung von ehren- und hauptamtlichen Museumsmitarbeitern
Neben den gemeinsamen Marketingmaßnahmen der Museen wird ein Schwerpunkt auf die Qualifizierung der Museumsmitarbeiter/-innen gelegt. Vorschläge aus den Museen, Benennungen von Defiziten und neue Anforderungen an das Personal von Kultureinrichtungen werden aufgegriffen in Planungen zu Fortbildungen eingebunden. Seit 2001 wurden Fortbildungen zu folgenden Themen angeboten: • Verbesserung der Kommunikation mit den Besuchern • Fundraising • Ausstellungsmanagement • Depot und Magazin • rechtliche Fragen zum Ehrenamt und Versicherung • Presse und Museum • Dokumentation und Digitalisierung von Sammlungsgut 2.3
Themenjahre
2.3.1 Gemeinsame Themenjahre der Museen in Ostwestfalen-Lippe Die Besucherumfrage im Jahr 2000 offenbarte, dass Besucher/-innen das Erleben ›Fremder Welten‹ von einem Museum erwarten. Die Visualisierung fremder/historischer Welten ist eine der Stärken der Kultureinrichtung Museum. Um eine größere Außenwirkung zu erzielen und durch ein gemeinsames Auftreten eine größere Präsenz sowohl in den Medien als auch bei den Besucher/-innen zu erreichen, entschlossen sich die Museen daher, ein erstes gemeinsames Ausstellungsjahr zu veranstalten. Das Thema des Projektes wurde auf einer Vollversammlung der Museen diskutiert und mehrheitlich beschlossen. Es folgte ein Vorbereitungsjahr mit Workshops und Seminaren. Jedes teilnehmende Museum gestaltete und finanzierte seine Ausstellung aus eigener Kraft. Die Museumsinitiative in OWL e.V. übernahm die Werbung für das Themenjahr, druckte eine Serie von Imageplakaten, einen Flyer sowie ein Programmheft, das an den Museumsstandorten und in den Touristinformationen der Region kostenlos oder gegen eine geringe Schutzgebühr erhältlich war. Neue Wege der Werbung für das erste Themenjahr beschritt die Museumsinitiative in OWL e.V. mit der Medienpartnerschaft mit WDR 5. Der
Bettina Rinke £Das Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V.
Sender brachte über das Themenjahr verteilt Werbetrailer zu verschiedenen Ausstellungen. Das umfangreiche Programmheft, in dem jedes teilnehmende Museum auf einer Seite oder, im Fall von mehreren Ausstellungen in einem Haus, auch auf mehreren Seiten präsent ist, erschien in einer Auflage von 30.000 Stück. Zusätzlich wurde das Programmheft ins Internet gestellt und aktualisiert, wenn sich Termine verschoben, Ausstellungen zusätzlich geplant oder nicht realisiert werden konnten (2004: http://www.mahlzeit.de und 2007/2008: http:// www.mobilitaet-owl.de). Im ersten gemeinsamen Themenjahr ›Mahlzeit. Kultur des Essens und Genießens‹ zeigten im Jahr 2004 mehr als 40 Museen der Region Ausstellungen, veranstalteten Aktionstage und erstellten Publikationen. In Kooperation mit Wirtschaft und Wissenschaft betrachten sie das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Jedes Museum war frei in der Wahl seiner Aktionen. Das führte zu einer sehr vielfältigen Betrachtung des Themas Ernährung. ›Das große Fressen in der Kunst‹ stellte die Kunsthalle Bielefeld aus, ›Tischlein deck dich‹ hieß es im Deutschen Märchen- und Wesersagenmuseum Bad Oeynhausen oder ›Als das Kotelett noch lebte‹ zeigte das Leben des Hausschweins im Naturkundemuseum im Marstall Paderborn. Nach dem großen Erfolg des ersten Themenjahres – es hatten fast eine Millionen Menschen die Ausstellungen gesehen – erweiterte sich die Anzahl der teilnehmenden Museen im zweiten Themenjahr. An ›Mobilität. Mensch-NaturTechnik‹ beteiligten sich in den Jahren 2007/08 bereits über 50 Museen mit Ausstellungen und Aktionen. Dem Themenjahr Mobilität ging ein Seminar- und Vortragsjahr voraus. In den Workshops wurde das Themenspektrum diskutiert, beispielhafte Fallstudien anhand von Fachreferaten vorgestellt und Fundraisingstrategien erarbeitet, um in Zeiten knapper werdender öffentlicher Zuwendungen eine verbesserte Finanzierung von Ausstellungen zu erreichen. Ein Workshop mit Vertretern und Vertreterinnen der Medien sowie Museumsmitarbeitern und Mitarbeiterinnen erbrachte Tipps für eine effektivere Pressearbeit. 2.3.2 Evaluierung des ersten Themenjahres Nach dem ersten Themenjahr wurden die teilnehmenden Museen von der Museumsinitiative nach ihren Erfahrungen mit dem Themenjahr gefragt. Hier eine Auswahl der Fragen, die nach einem Zufriedenheitsgrad von eins bis sechs bewertet werden konnten: • Sind Ihre Ansprüche an die Projektteilnahme erfüllt? • Haben Sie durch die Projektteilnahme mehr Besucher gehabt? Hat sich die Art der Besucher geändert (mehr Kinder, Familien, Einzelbesucher, Gruppen etc.)? • Waren Sie mit der Broschüre/dem Flyer/den Plakaten zufrieden?
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• •
Waren Sie mit der Kommunikation/dem Informationsfluss zufrieden? Haben Sie die Museumsinitiative als Konkurrenz bei der Einwerbung von Sponsorenmitteln empfunden?
Hier sollen nur einige wenige Punkte der Auswertung genannt werden. Die gesamte Evaluierung ist im Internet veröffentlicht.1 • Die Arbeit der Museumsinitiative OWL in den Bereichen Werbung, Marketing, Pressearbeit und Kommunikation wurde von den teilnehmenden Museen in der Regel mit sehr gut bis gut/befriedigend bewertet. • Die Kommunikation zwischen Museumsinitiative und Museen wurde von allen beteiligten Museen als überwiegend sehr gut bis gut bewertet, dagegen schneidet die Kommunikation zwischen den Museen sehr viel schlechter ab. Damit ist das wichtige Ziel der Vernetzung, dass sich die Museumsinitiative gesetzt hat, nur teilweise erreicht. In diesem Bereich muss die Museumsinitiative ihre Anstrengungen verstärken. • Zu einer Wiederholung eines Ausstellungsprojektes der Museen der Region äußerten sich 99 Prozent der Museen positiv. • Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Auftretens und einer gemeinsamen Vermarktung der Museen in Ostwestfalen-Lippe wurde klar als Vorteil auch für die kleineren Häuser erkannt. Aus den in der Evaluierung eher negativ bewerteten abgefragten Punkten ergab sich für die Museumsinitiative ein Handlungsbedarf im Bereich Kommunikation zwischen den Museen und in dem Bereich Plakatwerbung. Um die Kommunikation auf intermusealer Ebene in dem zweiten Themenjahr zu verbessern, wurden Workshops angeboten, die Museen mit ähnlichem Themenschwerpunkt zusammenbrachten. Dabei sollte sich jedes Projekt einem oder zweien der von einem wissenschaftlichen Moderator vorgeschlagenen Schwerpunkte zuordnen. In einem frühen Planungsstadium trafen sich Mitarbeiter/-innen der Projekte eines Schwerpunktes und tauschten untereinander Informationen aus. Daraus ergaben sich Kooperationen im Austausch von Objekten und im gemeinsamen Erarbeiten von Ausstellungen, die dann an verschiedenen Orten gezeigt wurden. Bei der Plakatwerbung kritisierten die Teilnehmer des ersten Themenjahres ein fehlendes Eindruckplakat für die jeweils eigene Ausstellung. Das im zweiten Themenjahr bereitgestellte Angebot für individuell gestaltete Plakate innerhalb eines einheitlichen Designs nahmen dann jedoch nur wenige Häuser in Anspruch.
1
Vgl. http://www.museumsinitiative-owl.de/a6.htm vom 25.02.2009.
Bettina Rinke £Das Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V.
3 RESÜMEE
UND
AUSBLICK
3.1 Anmerkungen zum Kooperationsmanagement Der Prozess der Kooperation wird von etwa einem Drittel der Museen der Region getragen. Dabei handelt es sich sowohl um größere wie auch um kleinere Häuser. Die übrigen beteiligen sich an gemeinsamen Aktionen, ohne im ›Alltagsgeschäft‹ zur Vernetzung der Museen beizutragen. Die stetig steigende Mitgliederzahl zeigt allerdings, dass die Museen die Arbeit der Initiative anerkennen und zumindest durch eine Mitgliedschaft unterstützen möchten. Mehr als die Hälfte aller Museen der Region (2009: 86 Museen) sind schon Mitglieder der Museumsinitiative in OWL. Ein ganz wichtiges Instrument zur Vernetzung der Museen ist die jährlich stattfindende Vollversammlung, auf der die Aktionen und Themen diskutiert werden, die im folgenden Jahr die Arbeit der Museumsinitiative bestimmen werden. Auch die rege Teilnahme an diesen Vollversammlungen zeigt ein dauerhaftes Interesse vieler Häuser. In den zehn Jahren des Bestehens der Museumsinitiative in OWL e.V. hat sich gezeigt, dass die Kooperationen am engsten sind, wenn gemeinsame Projekte geplant werden. Eine ganz gezielte praktische Arbeit motiviert viele Museen zum Handeln. Die wichtigsten Kooperationserfahrungen sind: • Die meisten Museen der Region halten eine Kooperation zwischen den Häusern für notwendig. • Gemeinsame Aktionen fördern die Kooperation. • Eine Kooperation sollte aus Sicht der Museen einen ganz praktischen Nutzen haben: – einen Ansprechpartner bei Problemen – kostengünstige Fortbildungen – Vermittlung von Sonderausstellungen – gemeinsame, auch für kleinere Häuser kostengünstige Werbung – Präsenz auf der gemeinsamen Internetseite • Eine flache Hierarchie und schnelle Entscheidungen fördern die Vernetzung der Museen. • Das wichtigste Instrument einer Vernetzung ist heute das digitale Netz. 3.2
Anmerkungen zum Kooperationsergebnis
Der Zusammenschluss der Museen in Ostwestfalen-Lippe im Rahmen einer Initiative hat den Museen eine größere Aufmerksamkeit in Politik und Gesellschaft verschafft. So zählt die OWL Marketing GmbH, ein regionaler Zusammenschluss von Wirtschaftsunternehmen, Städten und Kreisen, die Museumsinitiative zu einem der wichtigen Standortprofile des Landes. Auch
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
die vielfache Förderung der Projekte der Museumsinitiative durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zeigt die Wirkung des Museumsnetzwerkes über die Region hinaus. Aber nicht nur die Stärkung der Region ist ein Ergebnis dieses Vernetzungsprozesses: Durch die gemeinsamen Themenjahre mit jeweils landesweiter Bewerbung und breit gestreuten Veranstaltungsbroschüren werden neben den großen auch kleinere Museen außerhalb ihres Ortes wahrgenommen. Eine Institutionalisierung der Museumsinitiative, finanziell getragen durch die Museen und Sammlungen, ist bisher allerdings nicht zustande gekommen. Die Museen sind zwar bereit ideell mitzuarbeiten, sehen aber keine Möglichkeit, die Museumsinitiative zu finanzieren. Daher bleibt die Qualität der Arbeit der Vernetzungsstelle überwiegend von der ehrenamtlichen Tätigkeit des Vorstandes und von projektbezogener Finanzierung der Landesregierung abhängig. Die Arbeit der Museumsinitiative in OWL e.V. ist durch die konsequente Pflege ihrer Internetplattform weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt. Nach dem Vorbild und mit Hilfe der Museumsinitiative vernetzten sich die Eifeler Museen über drei Landesgrenzen hinweg. Die Museumslandschaft in Südtirol erarbeitete 2005 zusammen mit der Servicestelle Museen im Amt für Kultur ebenfalls nach dem Modell der Museumsinitiative ›Grundsätze des Entwicklungskonzeptes für die Sammlungen und Museen Südtirols‹. Auch die Museen in Südtirol haben ihre programmatische Broschüre der ersten Planungen zur Zusammenarbeit ›Museen in Bewegung‹ genannt (Autonome Provinz Bozen-Südtirol 2005). Im Inhaltlichen wird in der Zukunft weiter an der Vernetzung der Museen der Region gearbeitet. Dieses wird mit der Fortbildung von Museumsmitarbeiterinnen und weiteren Themenjahren sowie auf dem Gebiet der Vernetzung der digital erhobenen Museumsbestände geschehen. Auf der Vollversammlung der Museen in OWL im April 2008 wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, welche die inhaltliche Vernetzung der Museumsbestände planen wird. Außerdem wird weiterhin eine Institutionalisierung der Museumsinitiative angestrebt, um sie finanziell unabhängiger von schwankenden Projektgeldern zu machen und eine kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten.
QUELLENVERZEICHNIS Autonome Provinz Bozen-Südtirol (Hg.) (2005): Grundsätze des Entwicklungskonzeptes für die Sammlungen und Museen Südtirols, Bozen. Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1998): Auf dem Wege zur regionalen
Bettina Rinke £Das Beispiel der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V.
Kulturpolitik in der Kulturregion Ostwestfalen-Lippe. Konzept, Leitvorstellungen und Profile, Organisation und Verfahren, Düsseldorf. Museumsinitiative in OWL e.V. (2009): Leitlinien, siehe: http://www.mu seumsinitiative-owl.de/down/leitlinien.pdf vom 25.02.2009.
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SŁUBFURT – EIN GRENZEN K O O P E R AT I O N S P R O J E K T ?
ÜBERSCHREITENDES
Michael Kurzwelly
1 VO R B E M E R K U N G Einer Raumumordnung geht eine Raumumdeutung voraus. Um diese Art des künstlerischen Eingriffs zu beschreiben, wird im Kontext dieses Beitrages der Begriff ›angewandte Kunst‹ verwendet. Er wird als Beschreibung einer künstlerischen Strategie verwendet, die gesellschaftliche Probleme fokussiert, in sie eingreift und sie in eine andere Wirklichkeitskonstruktion transzendiert. Es werden Werkzeuge hergestellt, um diese neue Realität in den Köpfen anderer Menschen entstehen zu lassen. Dann wird zum Mitspielen eingeladen…
2 S Ł U B F U R T, D I E AN DER ODER
ERSTE DEUTSCH-POLNISCHE
S TA D T
Hervorgegangen ist Słubfurt aus den beiden Städten Słub(ice) und F(rankf) urt an der deutsch-polnischen Grenze, mit ihren zwei Kulturen, zwei Sprachen und zwei Realitäten in zwei Ländern. Słubfurt wurde am 8. November 1999 auf einer gemeinsamen Stadtratssitzung gegründet und dann am 29. November 2000 in das europäische Städteregister eingetragen. Der Stadtverband Słubfurt setzt sich aus den zwei Stadtparlamenten der beiden Stadtteile Słub und Furt zusammen. Beide Stadtverwaltungen gemeinsam bilden den Słubfurter Stadtrat, aus dessen Mitte im 4-Jahreszyklus der Oberbürgermeister gewählt wird – abwechselnd aus Słub und Furt. Diese Regelung ist allerdings derzeit umstritten, denn bereits der derzeitige Bürgermeister, Herr Dr. Władysław Müller, lässt sich weder eindeutig der einen oder anderen Seite zuordnen. Geboren in Słub und aufgewachsen in Furt, studierte er europäisches Recht und Städteplanung am Collegium Polonicum in Słub. Heute amtiert er im neuen Rathaus auf der Stadtbrücke. Das Zusammenwachsen dieser Stadt ist ein komplexer Vorgang, der heute noch andauert, eine prozesshafte Entwicklung. Es hat etwas mit der Identität der Menschen zu tun. Auch Słubfurt ist in große Prozesse eingebettet. Globalisierung der Wirtschaft, Beitritt Polens zur EU, Entmachtung nationalstaatlicher Politik, aber vor allem Sinnkrisen und Ängste der Bürger in einer individualisierten Multioptionsgesellschaft drückten sich in Spannungen und Hektik auf der einen Seite und in Lethargie, Depression und Rückzug auf der anderen Seite aus. Eine Sinnkrise auf beiden Seiten der Oder. Aber Not macht erfinderisch. Es gründete sich eine kleine Bürgerinitiative, die einen folgenreichen Prozess in Gang setzte. Die Teilnehmerinnen und Teil-
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nehmer kamen aus Słub und aus Furt, viele von ihnen waren neu hinzugezogen und brachten den frischen Blick von außen mit. Es wurde einfach behauptet, ›hier‹ in Słubfurt zu sein. Die Bürgerinitiative wurde verspottet, belächelt oder einfach ignoriert. Aber sie machten weiter, ließen sich nicht beirren und eröffneten ein zweisprachiges Słubfurter Informationszentrum, gründeten den Słubfurter Jugendklub und ›lebten‹ Słubfurt. Überregional schenkte man der Initiative Aufmerksamkeit. In Polen und Deutschland begann man, über die wundersame Stadt Słubfurt an der Oder zu reden, die Touristen fuhren nicht mehr nach Słub oder Furt, sondern nach Słubfurt. Eines Tages bekannte sich auch der Bürgermeister von Furt in einem Interview mit der TAZ (Die Tageszeitung, Berlin) dazu, ein Słubfurter zu sein. Der Prozess verselbständigte sich. Die Politiker von Słub und von Furt erkannten, dass Słubfurt ein Prädikat, ein Gütesiegel, eine Marke geworden war, die es zu nutzen galt. Im Juli 2009 finden die ersten Słubfurter Kommunalwahlen statt. Deshalb hat bereits im Vorfeld ein Expertenteam ein neues Grundgesetz mit einer Wahlordnung entwickelt, die der Zweistaatlichkeit des transkulturellen Stadtraumes gerecht wird.
3 AN
DER
GRENZE
ZWEIER
LÄNDER,
DIE ES NICHT GIBT
Die Realität entsteht im Kopf und wird täglich neu konstruiert. Słubfurt ist eine solche neue Wirklichkeit, die dadurch entsteht, dass sie lange und ausdauernd genug behauptet und gelebt wird. Zunächst einmal geht es aber darum, diese neue Wirklichkeit überhaupt zu denken. Das geht nur, wenn man sein gewohntes Umfeld verlässt und neben sich tritt, also ver-rückt wird. Słubfurt kann nur denken, wer auch die andere Seite kennt oder sich zumindest auf sie einlässt und sich für das Andere, das Fremde öffnet. Es geht um das Dazwischen, den Intervall, die Pause zwischen den Worten, die Krise. Die Krise kann Angst auslösen, aber sie kann auch erfinderisch machen und Quelle sein für die Konstruktion neuer Realitäten, neuer Vernetzungen und Stränge zwischen Dingen, die man scheinbar nicht miteinander verknüpfen kann. Słubfurt ist kein Utopia weit jenseits der Realität. Seine Kraft entsteht durch die Spannung zwischen der behaupteten neuen Realität und der tatsächlichen Situation vor Ort. Es treten Diskrepanzen zwischen Behauptung und Wahrnehmung zutage, es entsteht aber auch eine neue Ebene, auf der ohne den moralisch erhobenen Zeigefinger Begegnung und Zusammenarbeit möglich wird. In Słubfurt braucht man nicht mehr von deutsch-polnischer Kooperation zu reden, sie ist bereits Alltag. So wird die Trennung zwischen Deutschen und Polen aufgehoben. Andrzej und Andreas können sich begegnen und entscheiden, ob sie Freunde sein wollen oder nicht. Polen und Deutschland sind noch da, aber Słubfurt, der gemeinsame Raum, ist auch da.
Michael Kurzwelly £Słubfurt – ein Grenzen überschreitendes Kooperationsprojekt?
4 WI R K LI C H K E I T
ODER
S P I N N E R E I?
Im Juli 2004 wurden die ersten 25 Meter der ›Słubfurter Stadtmauer‹ auf dem Plac Bohaterów eingeweiht, im Dezember 2007 weitere 25 Meter im Stadtteil Furt am Dreiländereck (Deutschland, Poland, Kaufland). Die Mauer steht auf einem gedachten, mit dem Zirkel gezogenen Kreis, der die Stadtzentren von Frankfurt an der Oder und Słubice umschließt. Er beschreibt eine Schnittmenge aus den Mengen Deutschland und Polen, die der Autor dieses Beitrages ›Słubfurt‹ genannt hat. Die Mauer ist 50 Zentimeter hoch und kann somit auch als Bank genutzt werden. Sie ist ein Ort der Kommunikation und ein Stolperstein für eine Auseinandersetzung mit diesem gedachten neuen Stadtraum. Nachdem der Słubfurter Jugendklub 2003 zunächst als Kunstprojekt von einer deutsch-polnischen Künstlergruppe ›Projekt Helmut Kowalski‹ mit 16 Jugendlichen aus Słub und aus Furt durchgeführt wurde, gab es ihn dann von Januar 2006 bis Dezember 2007 zumindest als zweijähriges Pilotprojekt, das von der EU gefördert wurde. Das ›Słubfurter Rathaus‹ wurde während der ›Olympiada‹ zwischen ›Słubfurt und Gubien‹ am 11. Juli 2008 eröffnet. Die beiden Stadtteilbürgermeister von Słub (Ryszard Bodziacki) und von Furt (Martin Patzelt) nahmen an ihrem neuen gemeinsamen Arbeitstisch im Vorzimmer des Słubfurter Bürgermeisters Władysław Müller Platz. Die Ausgabestelle für Personalausweise (Direktor E. Migrant) war völlig überlastet, denn an einem Wochenende mussten über 300 Słubfurter Personalausweise fertig gestellt werden. Słubfurt ist ein Prozess, der sich langsam entwickelt. Nach neun Jahren Arbeit ist der Jugendklub eine der ersten sichtbaren Früchte. So wird es irgendwann auch eine Buslinie oder eine Straßenbahn geben, davon ist der Autor überzeugt. In gewisser Hinsicht ist Słubfurt ein Spiel, bei dem jeder mitspielen darf. Etwa 400 Leute sind nun im Besitz des Słubfurter Personalausweises, den man auch über eine Internetseite beantragen kann. Ein Film über Słubfurt deutet bereits 2004 den Grenzübergang zum Słubfurter Rathaus um, an dessen Eingang die Besucher Schlange stehen, um vom Bürgermeister Władysław Müller Kaffee und Kuchen zu bekommen. Kunst kann ein Spiel sein, das mit Humor arbeitet und so die bestehende Realität skurril erscheinen lässt. Das ist beabsichtigt, denn der verschobene Blick ermöglicht andere Sichtweisen. Trotzdem sind die angebotenen Sichtweisen nicht derart abwegig, dass sie unmöglich sind. Die Idee der gemeinsamen Stadtverwaltung orientiert sich an der bereits praktizierten Zusammenarbeit der beiden Städte Kerkrade und Herzogenrath bei Aachen an der deutsch-holländischen Grenze, die den Zweckverband Eurode gegründet haben und damit
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eine Plattform für einen gemeinsamen Stadtraum über die Grenze hinweg geschaffen haben. Lokalpolitisch betrachtet ist der Autor davon überzeugt, dass eine Umbenennung von Furt und Słub in Słubfurt der Stadt eine neue Dynamik und neue Perspektiven nicht nur im wirtschaftlichen und touristischen Bereich bringen würde. Hierbei wird ein Zusammendenken des Stadtraumes bei allen Entscheidungen gefordert, ob sie auf der einen oder der anderen Seite gefällt werden. Infrastrukturell gesehen handelt es sich nämlich bereits um einen Stadtraum. Das Furter Hallenbad ist schon heute auch das Schwimmbad von Słub. Bei jeglichen Entscheidungen auf der einen Seite sollte man von Anfang an Aspekte der anderen Seite berücksichtigen und in die jeweiligen Beschlüsse einfließen lassen. Deshalb wäre bereits heute ein gemeinsames ›Parlament‹ für beide Städte von großem Vorteil. Beide Seiten würden mehr voneinander über ihre Probleme, Sorgen, Ängste, Denkweisen und Ideen erfahren. Deshalb ist das Projekt ›Parlament – Kommunalwahlen in Słubfurt‹ für den Autor eine logische Schlussfolgerung. Die spielerisch, aber visuell professionell durchgeführten Wahlen inklusive Wahlkampf bringen Menschen zu einem ›Parlament‹ zusammen, die Spaß daran haben, gemeinsam die Idee eines Słubfurter Parlamentes zu spielen und gerade durch diese spielerische Ebene neue Visionen und Projekte für den gemeinsamen Stadtraum zu generieren. Gleichzeitig wird dadurch zivilgesellschaftliches Engagement gefördert, ohne immer wieder dieses ›abgenutzte‹ Schlagwort der Bürgergesellschaft in den Mund zu nehmen. Um dafür eine Plattform zu schaffen, werden bereits die Vorbereitungen zu diesem Projekt von einem regelmäßig stattfindenden Bürgerforum begleitet, zu dem öffentlich eingeladen wird.
5 R A U M S T R AT E G I E , P A R T I Z I PAT I O N
UND
N A C H H A LT I G K E I T
Słubfurt ist im Kontext einer spezifischen geographischen und gesellschaftlichen Situation entwickelt worden und kann nur hier in dieser Form umgesetzt werden. Eine schwierige Situation vor Ort ist eine Herausforderung, eine Krise, der ideale Einsatzort für ›Raumumordner‹. Es geht darum, Potenziale zu entdecken und Probleme in Chancen umzudeuten. Wenn es gelingt, für diese Umdeutung Mitspieler unter den Einwohnern zu finden, dann kann ein solches Projekt durchaus nachhaltige Prozesse in Gang setzen. Am zweiten Beispiel, dem Bombodrom – ein militärisches Sperrgebiets nördlich von Berlin – lässt sich vielleicht das Prinzip der Umdeutung deutlich machen. Ein 145 km2 großes Gebiet wurde bereits in den 1950er Jahren von der sowjetischen Armee beschlagnahmt und bis zur Wende als Testgebiet für Bombenabwürfe genutzt. Nach der Wende übernahm die Bundeswehr die Obhut über das teilweise bis heute noch kontaminierte Gebiet. Kurz darauf wurde
Michael Kurzwelly £Słubfurt – ein Grenzen überschreitendes Kooperationsprojekt?
bekannt, dass die Bundesregierung plant, hier wieder einen Bombenabwurfplatz einzurichten. Seitdem kämpft die bisher größte deutsche Bürgerinitiative in der Region gegen das Bombodrom. Als der Autor eingeladen wurde, sich künstlerisch vor Ort mit dem Problem zu befassen, hat er versucht, diesen Problemkontext und die Befürchtungen der Menschen in einer touristischen Region in einer neuen Sichtweise zusammenzuführen. So entstand der Wanderführer um die ›weisse zone‹, bei dem man in sieben Etappen um den weltweit ersten neu entstandenen weißen Fleck wandern kann. Sozusagen wandern um das ›Nichts‹. Philosophische und existentielle Fragen mischen sich mit einer Auseinandersetzung der Bedrohung durch Militär und einer touristischen Vermarktung gerade dieses Problems. Der Wanderführer mit Wanderkarte wurde in einer Auflage von 2000 Stück gedruckt und kann im Buchhandel bestellt werden. Auf der Rückseite der Karte befinden sich etwa 50 Anzeigen von ›Zonenrandbewohnern‹, die ihre Pensionen, Campingplätze, Läden und andere Attraktionen für die Zonenwanderer anbieten. Darunter drei qualifizierte Zonenführer, die zusätzlich Entschleunigungstraining oder Konsenstraining anbieten. Menschen der Region haben sich auch mit Ideen aktiv am Entstehen des Wanderführers beteiligt und das erste Volkswanderwochenende um die weisse zone wurde zu einem großen Erfolg. Die weisse zone soll aber auch dazu einladen, entstandene Leerstellen nicht sofort wieder zu füllen, sondern sie auszuhalten und den Raumumordnern Experimentierfelder zu geben. Seit 2007 gibt es nun in Zempow das IWF, das Institut für Weisse Zone Forschung. Dank der Offenheit des Vereins Umland e.V. ist ein anderer Rahmen für wichtige Fragen ländlicher Regionalentwicklung entstanden, bei dem Einwohner, Künstler und Forscher gemeinsam nachdenken, spielerisch Neues ausprobieren und umsetzen können. Ein weiterer Prozess hat begonnen, dessen Verlauf vor allem von den Menschen vor Ort abhängt.
6 FI N A NZ I E R U N G Die Finanzierung dieser Art von Arbeit ist nicht leicht. Der Autor arbeitet dabei als Freischaffender Künstler von Projektantrag zu Projektantrag mit wechselnden Fördermittelgebern. Die Liste aufgrund von Absagen potenzieller Förderer gescheiterter Projekte ist ebenso lang wie die Liste gelungener Projekte. Antragsteller ist im Falle von Słubfurt meist der 1999 von dem Autor zusammen mit engagierten Bürgern aus Frankfurt und Słubice gegründete gemeinnützige Verein Słubfurt e.V. Problematisch ist vor allem die Umsetzung größerer Projekte, da der kleine Verein finanziell nicht in der Lage ist, größere Eigenbeiträge zu leisten oder gar in Vorleistung zu gehen, wie es die EU-Förderrichtlinien verlangen.
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Des Weiteren ist es jedes Mal aufs Neue eine große Herausforderung, Fördermittelgebern und eventuellen Projektpartnern die Ideen und Ansätze der Projekte verständlich zu machen. Hinderlich sind dabei unter anderem auch das ›Schubladendenken‹ der Förderer und Ämter, denn ›Słubfurt‹ befindet sich immer ›zwischen den Stühlen‹. Ist es nun ein Kunstprojekt, ein soziales Projekt, passt es in die politische Bildung…? Ist es ein ›nachhaltiges‹ Projekt, ist sein Ziel die deutsch-polnische Integration, die Bürgergesellschaft? Wie viele Leute kooperieren überhaupt?
7 FA Z I T Słubfurt kann ein Beispiel dafür sein, Rahmen anzubieten, die quer zu den gegebenen Rahmenstrukturen liegen, damit neue Räume für die Gestaltung der Gesellschaft geöffnet und ungewöhnliche Kooperationen von Menschen und Einrichtungen zugelassen werden, die im alten Denkmuster nichts oder nur wenig miteinander verbindet.
£
K U LT U R M A C H T S C H U L E – N E T Z W E R K F Ü R K O O P E R AT I O N E N . I N N O VAT I O N S K R A F T D U R C H Q U A L I T Ä T Viola Kelb
1 EINFÜHRUNG Erste Stunde Darstellendes Spiel, zweite Stunde Mathe, dritte Stunde Sprache und vierte Stunde Kreative Schrift: Die Stundenpläne der Grundschule Chemnitzstraße1 lassen Kunst und Kultur nicht lediglich in Form von Randfächern und Projektwochen erscheinen. In enger Kooperation mit Trägern und Einrichtungen ihres Umfeldes hat sich die durch die Kulturbehörde Hamburg geförderte ›Pilotschule Kultur‹ auf den Weg gemacht, den Kindern ihres Quartiers ein fundiertes Angebot kultureller Bildung zu bieten. Gemeinsam mit Kooperationspartnern wie dem benachbarten Stadtteilzentrum HAUS DREI, dem Verein Musica Altona e.V., den Schlumpern (ein Zusammenschluss behinderter Malerinnen und Maler), dem jungen Schauspielhaus sowie Künstlerinnen und Künstlern verschiedener Kultursparten knüpfte sich nach und nach ein lokales/regionales Bildungsnetzwerk, das die im Umfeld der Schule vorhandenen Ressourcen optimal ausschöpft. Das Netzwerk der Schule Chemnitzstraße ist ein Paradebeispiel gelungener Kooperationspraxis, wie sie sich seit einigen Jahren deutschlandweit erfolgreich in und um allgemein bildende Schulen herum etabliert. Längst sind derartig verbindlich und langfristig angelegte Kooperationen zwischen Kulturträgern und Schulen keine Seltenheit mehr. Insbesondere die neuen Ganztagsschulen sind für Kulturträger zunehmend zu strategisch wichtigen Partnern geworden. Der sogenannte ›PISA-Schock‹, der daraufhin angestoßene bundesweite Ganztagsschulausbau und die offizielle Forderung eines ›Gesamtzusammenhanges Bildung, Erziehung und Betreuung‹ haben eine wegweisende Veränderung der Schulen in Richtung Integration neuer Lernorte und -welten bewirkt. In rasantem Tempo erfolgte ein quantitativer wie qualitativer Auf- und Ausbau von Bildungsallianzen zwischen Schulen und außerschulischen Partnern. Bis heute hat sich bundesweit eine breite Kooperationslandschaft mit vielfältigen Angebotsformen und -inhalten etabliert. Ob Musik, Theater, Tanz, Bildende Kunst, Spiel, Literatur, Medien oder Zirkus: Kunst und Kultur bieten reichhaltige Potenziale neuer Innovationen und Lernqualitäten im ganztägigen Bildungs- und Betreuungssystem. Das Beispiel der Schule Chemnitzstraße zeigt 1
Die Schule Chemnitzstraße ist mittlerweile umbenannt worden in ›Louise Schroeder Schule‹.
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eindrucksvoll auf, wie weitreichend Kulturkooperationen den Lernort Schule verändern können. Die Schule Chemnitzstraße hat sich zu einem Treffpunkt von Stadtteilaktivitäten und zu einem Ort kultureller Entfaltung für Kinder entwickelt, die eher nicht zur ›kulturverwöhnten‹ Bevölkerungsschicht gehören. Kulturelle Bildung wirkt hier weit über die Grenzen der einzelnen Angebote hinaus: Sie prägt das gesamte Schulklima, das soziale Miteinander der Schule und leistet einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Bildungsbarrieren.
2 Q U A L I TÄT S E N T W I C K L U N G
VON
K O O P E R AT I O N E N
Die beschriebenen Aktivitäten bewegten die Fachjury des Kooperationswettbewerbs ›MIXED UP‹, die Schule Chemnitzstraße 2008 mit dem ›Sonderpreis KulturSchule‹ auszuzeichnen. Jährlich prämiert die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ)2 erfolgreiche Modelle der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Schule mit dem MIXED UP-Kulturpreis. Im Rahmen ihres bundesweiten Netzwerkes ›Kultur macht Schule‹ macht es sich der Dachverband der kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Deutschland zur Aufgabe, die neuen Möglichkeiten im Schnittfeld Jugend, Kultur und Schule optimal zu nutzen. Ein Hauptanliegen des Netzwerkes liegt dabei in der Qualitätsentwicklung- und -sicherung von Kooperationen zwischen Kulturträgern und Schulen auf lokaler sowie regionaler Ebene. Auf der Grundlage einer Evaluation von Praxisprojekten hat das Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ allgemeine Qualitätsaspekte erarbeitet, die erfolgreiche Kooperationen auszeichnen. Die generierten Qualitätsbereiche sind als grundlegender Bestandteil in ein ›Qualitätsmanagementinstrument für Kooperationen‹ eingeflossen, das die Bildungspartner vor Ort ganz praktisch bei der Planung und Durchführung ihrer Kooperationen unterstützt. Die Suche nach den Qualitätsbedingungen für Kooperationen ist geleitet von der Zielsetzung, eine Kooperationspraxis zu fördern, die langfristig umfassende und ganzheitliche Bildungsangebote für junge Menschen bereitstellt, in denen die Träger Kultureller Bildung ihren spezifischen Eigenwert einbringen und bewahren können. Doch welche fachlichen, pädagogischen, strukturellen, personellen und finanziellen Voraussetzungen sind notwendig, damit diese Kooperationen gelingen und nicht scheitern? Damit Kultur Schule ›macht‹, statt sie mit kurzlebig angelegten Projekten und Events zu bedienen, braucht die Zusammenarbeit der schulischen und außerschulischen Partner eine tragfähige Grundlage, die einiges zu stemmen vermag: Unterschiedliche Konzepte und Leitziele, durch Unkenntnis verursachte divergente Vorstellungen und unrealistische Erwartungen, mangelnde 2
Siehe hier und im Folgenden für vertiefende Informationen http://www.bkj.de, http://www.mixed-up.wettbewerb.de, http://www.kultur-macht-schule.de.
Viola Kelb £Kultur macht Schule – Netzwerk für Kooperationen
Zeitfenster für Absprachen, Ressourcenknappheit und fehlende politische Unterstützung sind nur Beispiele von Hürden, die kooperationswillige Partner vor umfassende Herausforderungen stellen. Um derartige Hürden zu meistern und den Weg für eine konstruktive Kooperation zu ebnen, entwickelte die BKJ das ›Qualitätsmanagementinstrument (QMI) für Kooperationen ›Kultur macht Schule‹. Das QMI unterstützt die Kooperationspartner in ihrem Bemühen, die spezifischen Bildungswerte der Kulturellen Bildung unter schulischen Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten. Jugendkulturarbeit kann ihrem Anspruch, neue Lehr- und Lernkulturen in der Schule zu etablieren, nur gerecht werden, wenn sie (Gelingens-)Bedingungen vorfindet, unter denen sie ihre Bildungswirkungen voll entfalten kann. Diese Gelingensbedingungen liegen dem Qualitätsmanagementinstrument zugrunde. Sie orientieren sich an den im Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ gemeinsam mit Trägern erarbeiteten ›Elf Qualitätsbereichen für Kooperationen‹ sowie an den Ergebnissen einer Evaluation von Praxisprojekten (vgl. Becker 2007). Das QMI enthält allgemeine jugendpädagogische, spezifische kulturpädagogische sowie managementspezifische (organisatorische) Kriterien, die als maßgeblich für die Qualität von Kooperationen eingeschätzt werden. Das Instrument soll sowohl diejenigen unterstützen, die sich in der Planungsphase einer Kooperation befinden als auch kooperationserfahrene Träger und Personen, die ihre Arbeit optimieren wollen. Die auszufüllenden Fragebögen dienen den Partnern als Grundlage für ihre Planung und Kommunikation und sind als Anregung eines gemeinsamen Prozesses zu verstehen. Sie bieten Raum für Erweiterungen und eigene Ergänzungen und können im Ganzen wie in Teilen angewendet werden. In diesem Sinne fungieren die Qualitätsbereiche als Messlatte, sollten jedoch keinen Falls als statisch und ›endgültig gesetzt‹ aufgefasst werden. So heißt es unter den Hinweisen für Benutzerinnen und Benutzer: »Das Qualitätsmanagementinstrument formuliert zwar eine ›Messlatte‹ und Meilensteine, die nach den Erfahrungen aus der bisherigen Praxis auf dem Weg zu einer gelungenen Ganztagskooperation im Sinne einer qualitätsvollen kulturellen Kinder- und Jugendbildung nicht aus dem Auge verloren werden sollten. Die Kriterien benennen dabei jedoch ein ›offenes Optimum‹, d.h., dass sie als Gesamtheit alle zentralen Gelingensbedingungen zusammenfassen, die bisher in der Diskussion eine Rolle spielen. Die konkrete Umsetzung und Gewichtung der einzelnen Fragen liegt bei denjenigen, die das Instrument einsetzen.«3 3
Einführungstext zum Qualitätsmanagementinstrument für Kooperationen (QMI), Seite 3. Das QMI ist in Form einer CD-ROM als Beileger der Publikation Kelb 2007 beigelegt.
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Das Qualitätsmanagementinstrument für Kooperationen (QMI) stellt den Kooperationspartnern für ihren Planungs- und Entwicklungsprozess verschiedene Qualitätsbereiche zur Verfügung, die im Folgenden verkürzt dargestellt werden. 2.1
Qualitätsbereiche der Arbeitsorganisation – Organisatorische Bedingungen, Infrastruktur/Ressourcen
Kulturelle Angebote bringen neue Lern- und Lebenswelten in die Schule. Um diese nachhaltig im System Schule zu etablieren, brauchen Kooperationen einen Organisationsrahmen, der Sicherheit und Stabilität bietet. Finden die Angebote der Kulturellen Bildung unzulängliche Verankerung in den Schulen, bleiben sie in ihrer Bildungswirkung eingeschränkt. Angemessene Rahmenbedingungen sind der Nährboden für gelingende Kooperationen, die über das zeitlich begrenzte Angebot hinaus neue Lernkulturen in Schulen entwickeln. Diese Kategorie der Qualitätsbereiche fasst strukturelle Grundlagen für die Zusammenarbeit zwischen Kultur und Schule zusammen. Einige der hier vorzufindenden Qualitätsbereiche sind nicht direkt von den Akteuren vor Ort beeinflussbar: Rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Ressourcen beispielsweise sind in den Richtlinien und Gesetzgebungen der Länder und Kommunen festgeschrieben. Qualitätsbereiche, die auf der Makroebene gesteuert werden, bedürfen politischer Unterstützung. Das QMI dient somit auch als Anstoß und Grundlage für die Aufstellung politischer Forderungen. Qualitätsbereiche der Arbeitsorganisation sind: ›Rechts- und Planungsrahmen‹: Kooperationen brauchen einen Rechtsrahmen, der die Umsetzung der inhaltlichen Zielstellung absichert. Eine angemessene rechtliche Absicherung zählt zu den materiellen Voraussetzungen für eine qualitätsvolle pädagogische Arbeit. Ziel ist es, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der Qualitätsvorstellungen, finanzielle Ausstattung, arbeitsrechtliche Bestimmungen, Weisungsrechte und organisatorische und sachliche Bedingungen der Kooperationen sicherstellt. ›Steuerung/Management‹: Kooperationen brauchen eine systematische und zielführende Steuerung in Form von Planung, Koordination und Kommunikation. Dazu bedarf es einer Abstimmung, Planung und Kontrolle des Gesamtkonzepts, der Einzelaufgaben sowie eine angemessene Kommunikation aller Beteiligten.
Viola Kelb £Kultur macht Schule – Netzwerk für Kooperationen
›Finanzen‹: Kooperationen brauchen Ressourcen, die die Finanzierung von Personal, Managementleistungen, Sachkosten sowie Qualitätssicherungsund -entwicklungsmaßnahmen gewährleisten. ›Personal‹: Kooperationen brauchen personelle Bedingungen und Ressourcen, die die Umsetzung der inhaltlichen Zielstellung ermöglichen. Ziel ist es, die personelle Ausstattung den inhaltlichen und pädagogischen Belangen im Hinblick auf Qualifikation und Umfang anzupassen. ›Räume‹: Kooperationen brauchen eine räumliche Infrastruktur und sachliche Ressourcen, die die Umsetzung der inhaltlichen Zielstellung ermöglichen. Die Nutzung der Räume und des Gesamtgebäudes sowie die Wege zu außerschulischen Lernorten sollten den jeweiligen Zwecken und Zielen der Kulturangebote angemessen sein. ›Zeit‹: Kooperationen brauchen zeitliche Bedingungen, die den Bedürfnissen der Beteiligten, den inhaltlichen und pädagogischen Zielstellungen, der Gesamtorganisation der Schule und dem Kooperationsprozess (Management, Qualitätssicherung, Kommunikation) angepasst sind. ›Material‹: Kooperationen brauchen angemessene sachliche Ressourcen wie zum Beispiel geeignete Arbeitsmaterialien, Technik und Transportmöglichkeiten. 2.2
Qualitätsbereiche der pädagogischen Arbeit – Konzeptionelle und fachliche Bedingungen
Ob Tanztheater oder Trommelworkshop, Kulturelle Bildung orientiert sich an jugendpädagogischen Prinzipien wie Selbsttätigkeit, Partizipation, Selbstbestimmung, Eigenverantwortlichkeit und Freiwilligkeit. Gleichzeitig verfügt sie über eine breite Palette ästhetischer Formate, Methoden und Inhalte. Diese spezifische Fachlichkeit macht die Qualität ihrer Arbeit aus. Schulen bringen in ihrer Tradition andere Strukturen und Leitprinzipien mit, sie unterliegen föderal gesteuerten Richtlinien und Lehrplänen. Um die vielfältigen Wirkungen der kulturellen Bildung im schulischen Kontext aufrecht erhalten zu können, bedarf es geeigneter fachlicher und konzeptioneller Grundlagen, die die Besonderheiten aller Beteiligten berücksichtigen. Für die pädagogische Arbeit lassen sich dementsprechend folgende Qualitätsbereiche anführen:
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›Konzeptionelle Grundlagen‹: Kooperationen brauchen ein von allen Bildungspartnern entwickeltes und getragenes inhaltliches Konzept, das organisatorische und inhaltlich- pädagogische Ziele benennt. ›Jugendpädagogische Parameter‹: Kooperationen brauchen ein weites Bildungsverständnis sowie die Berücksichtigung von Prinzipien der außerschulischen Jugendarbeit wie zum Beispiel Freiwilligkeit der Teilnahme, Teilnehmerorientierung, Partizipation und Selbsttätigkeit sowie individuelle und ressourcenorientierte Förderung. ›Kulturelle Bildung‹: Kooperationen brauchen die Berücksichtigung von Parametern, Intentionen und Zielen der kulturellen Bildung, sie orientieren sich an den unterschiedlichen ästhetischen und künstlerischen Inhalten, Themen, Formaten und Methoden der einzelnen Kunstsparten. ›Fachliche Zusammenarbeit‹: Kooperationen brauchen eine abgestimmte fachliche Zusammenarbeit, um die gemeinsame organisatorische und inhaltlich-pädagogische Zielstellung zu erreichen. Das Gesamtkonzept und die inhaltlich-pädagogischen Zielstellungen werden von den Partnern gemeinsam entwickelt und umgesetzt, die Mitarbeiter/-innen sind als abgestimmt handelndes Team erkennbar. 2.3
Qualitätsbereich Entwicklung – Konzeptionelle, fachliche und organisatorische Bedingungen
Wenn Kultur Schule macht, werden Veränderungsprozesse auf beiden Seiden in Gang gesetzt. Den Lernort Schule umzugestalten, gilt dabei immer häufiger als offizieller Auftrag. Gleichzeitig jedoch müssen sich auch die Träger der Kulturellen Bildung mit den Rückwirkungen der Kooperationen auf ihre eigenen Einrichtungen, auf ihr professionelles Selbstverständnis und auf ihre Inhalte und Methoden auseinandersetzen. An dieser Stelle gilt es, Veränderungsprozesse konstruktiv zu reflektieren und zielgerichtet zu steuern. Lautet das Ziel der beteiligten Bildungspartner ›kulturelle Schulentwicklung‹, so lässt dieser Qualitätsbereich Raum, um ein abgestimmtes Gesamtmodell für dieses Vorhaben zu konzipieren. Das Konzept bedarf einer kommunalen, träger- und schulübergreifenden Abstimmung und sollte die spezifischen Strukturen der außerschulischen Träger sowie der Schule berücksichtigen. Vor allem sollte es, einmal begonnen und in Gang gesetzt, einer regelmäßigen kritischen Prüfung im Hinblick auf Eignung und Akzeptanz der konzeptionellen und organisatorischen Grundlagen unterzogen werden:
Viola Kelb £Kultur macht Schule – Netzwerk für Kooperationen
›Partnerschaftliche Veränderungsprozesse‹: Kooperationen brauchen ein fachliches Gesamtmodell, das die Qualitäten der einzelnen Bildungsbereiche erhält und verträglich und zukunftsweisend miteinander verbindet. Das Gesamtmodell muss so beschaffen sein, dass es Veränderungsprozesse auf beiden Seiten partnerschaftlich und gesamtverträglich steuert. 2.4
Zusammenfassung QMI
Das QMI – Qualitätsmanagementinstrument für Kooperationen – bietet für alle an Kulturkooperationen beteiligten Akteure eine Grundlage, sich gemeinsam in einen langfristig angelegten Qualitätsentwicklungsprozess zu begeben. Von Fragen der Raumausstattung über tragfähige Kommunikationsstrukturen bis hin zu grundlegenden pädagogischen Prinzipien werden unterschiedlichste Facetten der Bildungspartnerschaften reflektiert. Das QMI fordert den Dialog der Partner – unverzichtbare Voraussetzung für die Gestaltung ›neuer Lernkulturen in der Schule‹.
3 VE R Ä N D E R U N G E N U N D N EU E H E R A U S F O R D E R U N G E N F Ü R D I E B I L D U N G S PA R T N E R Ernsthafte Qualitätsentwicklung bedeutet stets Konfrontation mit Veränderungsprozessen. Diese Veränderungen stellen alle an der Kooperation beteiligten Bildungspartner vor neue Herausforderungen: die Institutionen und Fachkräfte der Kulturellen Bildung ebenso wie die Schulen mitsamt ihren beteiligten Akteuren. Mit Beginn des deutschlandweiten Ganztagsschulausbaus 2004 im Rahmen des ›Investitionsprogramms Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB)‹ der Bundesregierung setzte sich das Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ zunächst eingehend mit den Veränderungsprozessen auseinander, die die Schulkooperationen in der außerschulischen Jugendkulturarbeit bewirkt. Schnell stellte sich heraus, dass die Träger, seit sie mit (Ganztags-)Schulen kooperieren, erhebliche strukturelle wie inhaltliche Veränderungsprozesse durchlaufen. Diese betreffen die an den Schulen unterbreiteten Angebote, die Fachkräfte und in zahlreichen Fällen auch die Einrichtungen insgesamt. Die Rückwirkungen der Kooperationen reichen also bis in institutionelle Bereiche, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Angebot stehen. Zum Beispiel verändert erhöhter Koordinierungsbedarf und der regelmäßige Austausch mit verschiedenen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern organisatorische Abläufe und bindet Personalkraft.
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Folgende Rückwirkungen auf Angebote der Kulturellen Bildung wurden im Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ insgesamt dokumentiert und in sechs Kategorien gegliedert: ›Veränderte Formate und Themen‹ • andere Formate wie AGs, Wahlpflichtkurse, Ferienangebote • inhaltliche Abstimmung mit dem Fachunterricht, Förderprogrammen, Lehrplänen • Anpassung an die Organisation des Ganztages (offener Ganztag, rhythmisierter Unterricht) ›Veränderte Zielgruppen‹ • Erweiterung der Zielgruppe • heterogene Gruppenzusammensetzung • andere Gruppengrößen ›Veränderte finanzielle Bedingungen‹ • Anpassung der Angebote an finanzielle Bedingungen des Ganztages • eingeschränkte Budgets für Materialkosten • Honorare ›Organisatorische und rechtliche Veränderungen‹ • erhöhter Koordinierungsbedarf • andere Zeitstrukturen • andere räumliche Bedingungen für Angebote • Kooperationsverträge mit den Schulen ›Neue pädagogische Aufgaben‹ • ›Betreuung‹ als neue Aufgabe für Kulturpädagoginnen und Kulturpädagogen/Künstler/-innen • methodisch-didaktische Veränderungen • sozialpädagogische Herausforderungen ›Neue Kooperations- und Kommunikationspartner/-innen‹ • viele neue Ansprechpartner/-innen • Organisation von Kommunikationsgelegenheiten • Teilnahme an Schulkonferenzen • Zusammenarbeit mit Fachlehrer/-innen • Konkurrenzdruck Während die Auseinandersetzung mit den Veränderungsprozessen auf außerschulischer Seite in Form von Dokumentation und reflektorischer Beglei-
Viola Kelb £Kultur macht Schule – Netzwerk für Kooperationen
tung stattfindet, tritt die BKJ der Frage nach den Veränderungsprozessen auf schulischer Seite auf offensive Art und Weise entgegen. Die zunehmende Etablierung von Angeboten außerschulischer Kulturträger in den allgemein bildenden Schulen ist ein wichtiger Schritt für die Modernisierung des deutschen Bildungssystems. Der Weg zu einer neuen Lehr- und Lernkultur und damit zur konsequenten Realisierung umfassender Bildungskonzepte jedoch erfordert Neuerungen, die die gesamte Schulkultur und -struktur betreffen. Ausgehend von der Tatsache, dass Kunst und Kultur vielfältige Potenziale bieten, Schule zu einem ganzheitlichen Lernort zu entwickeln, widmet das Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ seine Aufmerksamkeit intensiv dem Thema der kulturellen Schulentwicklung. Hier nimmt Kulturelle Bildung die Rolle eines strategisch eingesetzten Instruments ein, das Veränderungsprozesse gezielt initiiert. Das Beispiel der Schule Chemnitzstraße zeigt, dass die konsequente Umsetzung eines kulturellen Schulprofils einen ›Kulturwandel‹ für die gesamte Schule bedeutet. Über den Fachunterricht und die Kooperationsangebote hinaus betrifft dieser Wandel vor allem die Schulkultur: Werte und Handlungsorientierung, Sozialraumorientierung, der sogenannte ›geheime Lehrplan‹, die Atmosphäre. Kurzum eine Schulidentität, die das Subjekt in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten stellt. Kulturelle Bildungspartnerschaften, die sinnvoll in einen konzeptionell fundierten Schulentwicklungsprozess eingebunden sind, können Motoren für die Entwicklung einer neuen Schulkultur sein. Bislang bestehen bundesweit vereinzelt Erfahrungen in der Entwicklung und Umsetzung von kulturellen Schulprofilen. Besonders innovativ auf diesem Gebiet zeigt sich der Stadtstaat Hamburg mit seinen ›Pilotschulen Kultur‹. Auch das Amt für Lehrerbildung in Hessen fördert unter dem Motto ›Eine Kunst für jeden!‹ im Rahmen einer Schulentwicklungsmaßnahme ›KulturSchulen‹. Im BKJ-Netzwerk ›Kultur macht Schule‹ gilt es, derzeitig bestehende Erfahrungen zu bündeln und auszuwerten.
QUELLENVERZEICHNIS Becker, Helle (2007): Auf dem Weg zur neuen Bildung – Trägererfahrungen evaluiert, in: Kelb, Viola (Hg.): Kultur macht Schule. Innovative Bildungsallianzen – Neue Lernqualitäten, München, S. 73-90. Kelb, Viola (Hg.) (2007): Kultur macht Schule. Innovative Bildungsallianzen – Neue Lernqualitäten, München.
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UND
K U LT U R
Regionale Kooperationen im Kulturbereich können potenziell nicht nur das fi nanzielle Überleben von Einrichtungen sichern. Vor allem die gesamt-gesellschaftlichen Potenziale von und für Kultur sollten im Mittelpunkt erfolgreicher Partnerschaften stehen. In diesem Kontext versteht ›Culture is it!‹ Kunst, Kultur und Kreativität als Motoren einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Die Initiative des Berliner Vereins ›id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit‹ erforscht, wie neuartige Kooperationen nicht nur zwischen Kulturschaffenden und zivilgesellschaftlichen Initiativen, sondern auch zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft gesellschaftlichen Wandel bewirken können. Um die lokalen Bedingungen besser zu verstehen und neue Impulse aufzunehmen, ist der Austausch mit europäischen Partnern ein wichtiger Baustein, der bisher mit der Stadt Paris am weitesten fortgeschritten ist. Letztendlich bedürfen die aktuellen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Herausforderungen in ihrer Komplexität dringender Revision und der Ergänzung bisheriger Strukturen. Hierzu zählt auch, neue – und erneuerbare – Ressourcen zu erschließen: Kreativbündnisse mit Partnern, die bislang noch nicht oder nur wenig miteinander kooperieren. Nicht erst seit der aktuellen Finanzkrise steht die Gesellschaft vor der Herausforderung, drastische Langzeitentwicklungen wie Klimawandel, demographischer Wandel oder Zersiedelung anzuerkennen und zu bewältigen. Viele Städte sind mit Schulden konfrontiert, in deren Folge z.B. öffentlicher Raum verstärkt zum Spekulationsobjekt oder zur Werbefläche wird. Dort, wo Stadt neu gedacht und den Bürgern neuer Gestaltungsraum erschlossen werden könnte, werden transformatorische Beispiele zur Verwirklichung von nachhaltiger Entwicklung häufig noch nicht wahrgenommen. Eine zukunftsfähige Entwicklung erfordert hierbei integrierte Konzepte, die Zusammenhalt schaffen. Laut dem sogenannten ›Brundtland-Report‹ der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ist Nachhaltigkeit eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren
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Lebensstil zu wählen.1 Culture is it! sieht in der Entwicklung zukunftsfähiger Lebensformen – Lebensformen, die soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Verantwortung verbinden – eine kreative Herausforderung. Dahinter steht die Überzeugung, dass eine ausgeglichene Entwicklung eine Balance zwischen öffentlichen und privaten Interessen sowie das Zusammenspiel aller relevanten Politikbereiche wie der Sozial-, Wirtschafts-, Bildungs-, Umwelt-, Kultur- und Stadtplanungspolitik erfordert. Zukunftsfähigkeit scheint nur gemeinsam erreichbar zu sein, vor allem aber bedarf es der Unterstützung von und Verstetigung in der Gesellschaft. Culture is it! möchte sich durch Einbezug des kulturellen Aspekts als Grundlage der Nachhaltigkeit in einen notwendigen Entwicklungsprozess einbringen. Denn bislang gilt das ›kulturelle Defizit‹ als ein wesentlicher Grund für die geringe Attraktivität des Leitbildes der Nachhaltigkeit (vgl. Kurt/Wagner 2002). Das Tutzinger Manifest von 2001, mit dem Persönlichkeiten der Nachhaltigkeitspraxis und -politik gemeinsam mit Vertretern des gesamten Spektrums der kreativen Gestaltung zu einer Stärkung der kulturell-ästhetischen Dimension der Nachhaltigkeit aufriefen, diente als Grundlage für das Kapitel ›Kultur der Nachhaltigkeit entwickeln‹, das 2002 von der Bundesregierung in die nationale Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen wurde. Die Beschäftigung mit Kunst und Kultur ist aus Sicht der Autoren eine zentrale Ressource für eine zukunftsfähige Gesellschaft, da sie kreatives Potenzial freisetzt, das es dem Individuum erlaubt, sich selbst und Gesellschaft ›neu zu denken‹. Damit ist Kultur ein essentieller Bestandteil gelebter Demokratie. Kultur erlaubt identitätsstiftende Orientierung und zugleich persönliche Differenz. Sie besitzt das Potenzial gemeinschaftlicher Aktivierung ebenso wie kreativer Emanzipation. Sie ist das tragende Element jeder Gesellschaft, das Zusammenhänge, Zusammenhalt und Inhalte kommuniziert und erfahrbar macht. Kulturschaffende sowie zivilgesellschaftliche Initiativen tragen einen großen Teil dazu bei, ihr Lebensumfeld mit neuen Ideen und Engagement zu entwickeln und zu bereichern. Diese Kompetenzen gilt es zu aktivieren. Nicht in erster Linie, um die staatlichen Mittel zu schonen, sondern um über demokratische Mitgestaltung das Gemeinwesen zu stärken.
2 B E R L I N : K R I S E N S TA D T , M Ö G L I C H K E I T S R A U M UND ZUKUNF TSLABOR Berlin wird seit jeher auch als Laboratorium für Experimente genutzt. In diesem Kontext arbeitet Culture is it! mit den dafür charakteristischen Ressour1
Vgl. http://www.worldinbalance.net/agreements/1987-brundtland.php vom 20.01. 2009.
Michael A. LaFond, Mareen Scholl, Nathalie Rostagny £Culture is it! Aktivierung von Kreativbündnissen
cen: die dynamische und facettenreiche Kulturszene der Hauptstadt, kombiniert mit der Energie vieler dort engagierter Menschen sowie den zahlreichen urbanen Freiräumen. Culture is it! hat sich zum Ziel gesetzt, die Ressource Kreativität noch stärker zu mobilisieren und pragmatisch zu verdichten. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem die Aktivierung von Potenzialen zivilgesellschaftlicher Initiativen, wie z.B. langfristig arbeitende soziokulturelle Zentren oder partizipative Kunstprojekte sowie Interventionen im öffentlichen Raum, die ein reges soziales Netzwerk und weitreichendes Engagement mitbringen. Hier gilt es, eine konstruktive Verbindung mit den Anforderungen der Nachhaltigkeit einzugehen und ressortübergreifend an einer umfassenden integrierten Stadtentwicklungspolitik zu arbeiten, bei der wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Interessen gleichberechtigt ineinander greifen und an der die Zivilgesellschaft demokratisch mitwirkt. Berlin positioniert sich als europäische Kulturmetropole und zunehmend auch als Standort der Kreativwirtschaft. Seit 2008 wird der Kulturwirtschaftsbericht neben den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Kultur in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellt. Letztere analysierte, inwieweit die Kulturwirtschaft stadträumlich zu planen oder deren Entwicklung längerfristig zu fördern sei. Auch die Zusammenhänge zwischen temporären Nutzungen, räumlichen Clustern und Netzwerken wurden thematisiert. Eine nachhaltige Entwicklung wird ansatzweise angesprochen und die Dichte der Akteure und der soziokulturellen Netzwerke der Stadt als wesentlicher Baustein für Berlins Wettbewerbsfähigkeit hervorgehoben (vgl. SenStadt, Overmeyer 2007). 2.1
id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit
Träger von Culture is it! in Berlin ist der gemeinnützige Verein id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit. Der Verein beteiligt sich durch die Arbeit mit Modellprojekten der sogenannten lokalen Agenda 21 (vgl. Abgeordnetenhaus Berlin 2006) daran, das Programm mit Leben zu füllen, es als kontinuierlichen dialogischen Prozess weiter zu entwickeln und auf Seiten der Politik sowie Verwaltung deren Umsetzung und Unterstützung einzufordern. Dabei bietet der Verein eine Plattform für Erfahrungsaustausch, Vernetzung und Kooperationen an. Er möchte damit öffentliches Interesse wecken, Politik, Wirtschaft und Medien aktivieren und mit eigenen Veranstaltungen, Projekten und Seminaren zeigen, dass kreative und integrierte Nutzungen von Flächen und Räumen mit ökologischen, gemeinschaftlichen und kulturellen Ansätzen eine Stadt lebenswerter und attraktiver machen. Die wesentlichen Handlungsfelder des Instituts sind die Kommune, der Bezirk und das Viertel – die Lebenswelt Stadt.
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2.2
Culture is it! als Möglichkeitsraum
Die Initiative Culture is it! versteht sich als Plattform, als Projektpartner sowie -förderer und ist Initiator verschiedenster Aktionen. Culture is it! wurde im Jahr 2006 von der Kulturwissenschaftlerin Dr. Hildegard Kurt, Leiterin des Berliner Büros und ›Instituts für Kunst, Kultur und Zukunftsfähigkeit‹ mit id22 als Kooperationspartner ins Leben gerufen. Neben dem Netzwerk ›Berlin 21‹ konnte auch die Akademie der Künste als Partner gewonnen werden, wodurch es gelang, eine maßgebliche Kulturinstitution Berlins in den stärker werdenden Nachhaltigkeitsdiskurs mit einzubeziehen. Christian Schneegass, Leiter des Fachbereichs Kunst + Gesellschaft, Programmbüro der Akademie der Künste in Berlin, gehört zum Initiatorenteam des Zukunftslabors, welches im Rahmen von Culture is it! eingerichtet wurde. Er engagiert sich vor allem für grenzüberschreitende, experimentelle Initiativen, die Kulturschaffende mit ›Stadt- und Nachhaltigkeitsaktivisten‹ in Berlin zusammenbringen. »Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit erfordern weitblickend taugliche Anpassungen der bestehenden Verhältnisse und somit auch oft erst noch zu entwickelnde, zu intensivierende Kulturpraktiken, förderliche Strukturen, neuartige Gemeinschaftsprojekte gleichberechtigter Partner, heterogen sich zusammensetzender Teams und interdisziplinär gesamtgesellschaftlicher Kreativbündnisse. Von vorrangigem Interesse sind daher, wie ich es nenne, ›not-wendig‹ attraktive Formen dialogisch ›sich ausbildender‹ Forschung auf dem Wege zu einer sich befähigenden, synergetisch qualifizierenden Kultur des Mit-ein-ander. Im Hier und Jetzt gegenwärtig engagiert und zugleich verantwortlich zukunftsbezogen, gilt es, ein präventiv ausgerichtetes Zusammenwirken unbeirrbar mutiger, lernwillig aufgeschlossener, kritisch teilnehmender, sich konstruktiv einbringender wie mitreißend begeisternder Menschen, sich ergänzender individueller Kompetenzen, entsprechend ambitionierter wie bewährter Projekte, situativ optimierend, immer wieder zu ermöglichen.« (Christian Schneegass2) Als Beitrag zur lokalen Berliner Nachhaltigkeit wurde mit Culture is it! eine Plattform geschaffen, die in einem ersten Schritt eine Vielzahl unterschiedlichster Akteure in einen qualifizierten und praxisorientierten Austausch brachte. Vor allem sollten Nachhaltigkeitsinitiativen, die immer noch eine Art zivilgesellschaftliche Subkultur darstellen, als auch die Kulturszene Berlins als experimenteller Innovationsraum einbezogen werden. Die Beteiligten sollten informell voneinander lernen, um Strukturen für neue Ideen zu entwickeln und durch Vernetzung und Synergiebildung eine 2
Gesprächszitat vom 27.01.2009.
Michael A. LaFond, Mareen Scholl, Nathalie Rostagny £Culture is it! Aktivierung von Kreativbündnissen
bessere Basis für die Etablierung und Popularisierung des Leitbildes Nachhaltigkeit zu schaffen. Die Einladung zur Mitwirkung an diesem Prozess stieß in allen angesprochenen Akteursgruppen auf positive Resonanz. Zudem wurde ein Beirat mit engagierten Persönlichkeiten unterstützend berufen. Gefördert wurde der Projektstart vor allem im Rahmen der Auszeichnung mit dem Bundespreis ›Bürger initiieren Nachhaltigkeit‹ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Zudem wurde Culture is it! als offizielles Projekt der UN-Dekade ›Bildung für nachhaltige Entwicklung‹ ausgezeichnet. 2.2.1 Zukunftslabor: Phase I Das Zukunftslabor 2006 als Auftakt für Culture is it! sollte theoretisches Wissen mit praktischer Erfahrung verknüpfen. Im Mai 2006 wurden fast 40 in Berlin Engagierte eingeladen, um nach gemeinsamen Interessen und Zielen zu forschen. Bedeutsamer war es jedoch, über einen rein diskursiven Austausch hinaus Konzepte für wegweisende Kooperationen zu entwickeln. Bereits in der konzeptionellen Phase sollten Akteure der kommunalen Politik, der lokalen Wirtschaft sowie potenzieller institutioneller Fördereinrichtungen miteinbezogen werden. Es sollten nicht nur neue Finanzquellen erschlossen, sondern neue Förderformen entwickelt werden, als integraler Bestandteil einer neuen Kooperationskultur, die nachhaltig tragfähig ist. Im Labor sollten schließlich konkrete Schritte in die Praxis unternommen werden. 2.2.2 Kreativbündnisse: Phase II Aus dem ›Culture is it!-Zukunftslab‹ gingen schließlich Ansätze für modellhafte Kreativbündnisse hervor, die in Phase II weiter ausgearbeitet wurden: • die ›Hafeninitiative‹ als Anlaufstelle für kreative Pioniere in der Stadt; • die ›Schnittstelle für zukunftsfähige Kunst, Bildung und Gesellschaft‹ als unterstützende Institution für ästhetische, kulturelle Bildung vor allem für Kinder und Jugendliche sowie • das Schulprojekt ›wissen wollen‹. 2.2.3 Projekte: Phase III Die Zukunftslab-Ansätze haben sich im Anschluss unterschiedlich entwickelt. Die ›Hafeninitiative‹ wurde u.a. durch anschlaege.de weiter gefördert und in ihrem Buch ›Plan B‹ unter dem Begriff ›Port‹ bekannt gemacht (vgl. anschlaege.de 2007). Daraufhin wurde das ›Kreativ Coaching Center‹ für Berliner Existenzgründungen und Unternehmen der Kreativwirtschaft bei der Investitionsbank Berlin umgesetzt.3 3
Im Rahmen des Technologie Coaching Centers, ein Unternehmen der IBB, Investitionsbank Berlin.
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Die ›Schnittstelle‹ wurde 2006 vom Rat der Künste und der ›Offensive kulturelle Bildung in Berlin‹ weiterverfolgt: Anfang 2008 wurde der Berliner Projektfonds für kulturelle Bildung eingerichtet, um Partnern aus Kunst, Kultur und Bildung neue Projekte zu ermöglichen. Zudem unterstützte die Schnittstelle das Projekt ›wissen wollen‹ als ein für ihre Zielsetzung exemplarisches Projekt der kulturellen Bildung. Das Schulprojekt ›wissen wollen‹ zur Förderung eines Kompetenzaustausches zwischen Jugendlichen und lokalen Kulturschaffenden wurde von der Künstlerin Seraphina Lenz und Eva Mutschler von der Solar Lifestyle GmbH realisiert sowie vom Berliner Bezirkskulturfonds finanziert. Von September bis Dezember 2007 setzten sich Schüler des Kunstgrundkurses der zwölften Klasse des Immanuel Kant Gymnasiums in Berlin-Lichtenberg mit dem Thema ›Kultur‹ und dem eigenen Kulturbegriff auseinander. Sich als Kulturschaffende zu erfahren, sollte den Jugendlichen die Option näher bringen, Berlin selbst (kulturell) weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wurden durch Culture is it! weitere Initiativen angestoßen. Hierzu zählt bspw. das Projekt ›blickwechsel‹ in Kooperation mit der InWent gGmbh (Personal- und Organisationsentwicklung in der internationalen Zusammenarbeit). ›blickwechsel‹ ist ein Kunst- und Bildungsprojekt und zielt darauf, die im Erleben einer anderen Gesellschaft erworbenen Erfahrungen mithilfe eines partizipativ erarbeiteten Kunstprojekts zu reflektieren und zu vertiefen, ihnen Gestalt zu verleihen und so ihre gesellschaftliche Relevanz zu erschließen. In diesem Kontext arbeiteten 2007 ›blickwechsel-Künstler‹ mit InWent-Teilnehmern aus den Ländern Guatemala, Honduras, Peru und China. Mittels dialogischer Prozesse beschäftigten sich die Teilnehmer in den Räumlichkeiten der Lokomotivhalle im Naturpark Südgelände in Berlin mit neuen Techniken des ästhetischen Lernens. Die künstlerischen Ergebnisse wurden abschließend öffentlich präsentiert und diskutiert. 2008 hat ›blickwechsel‹ wieder in der Lokomotivhalle mit InWent-Teilnehmern aus China, Vietnam und Indonesien im Rahmen des Workshops ›streetmedia‹ gearbeitet. Gedanken zum Thema ›Gesundheit‹ – im körperlichen Sinne sowie übertragen auf die Stadt und den öffentlichen Raum – wurden gesammelt und künstlerisch mit Streetart-Methoden wie Schablonen und Graffiti verarbeitet. Die Ergebnisse wurden einem breiten Publikum im Rahmen des Media Facades Festivals in Form eines Films auf der Fassade des Collegium Ungaricums präsentiert.
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3 K U LT U R
OHNE
GRENZEN
Culture is it! verfolgt neben seiner lokalen und kommunalen Arbeit auch einen internationalen Dialog, um Kunst, Kultur und Kreativität aus neuen Perspektiven zu betrachten sowie einen gegenseitigen konstruktiven Lernprozess zu gestalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Suche nach übertragbaren Bedingungen und Strategien, die neue Bündnisse und eine breite Wirkung befördern sowie nach ortsspezifischen Faktoren, die für ein Gelingen relevant sind. Das Institut id22 hat sich 2007 und 2008 im Rahmen europäischer Austauschprogramme mit Paris als Partner angeboten und wurde eingeladen, den Berliner Kontext sowie interessante Projekte vorzustellen. Der von der Stadt Paris (Département) geförderte CAUE de Paris (Conseil Architecture Urbanisme Environnement) ist seit 1977 für Sensibilisierung, Information, Fortbildung und Beratung in den Bereichen Architektur, Städtebau und Umwelt gesetzlich verantwortlich. In diesem Rahmen finden regelmäßig Seminarausflüge zur Fortbildung der lokalen Politiker statt. Der CAUE organisierte im Rahmen eines solchen Fortbildungsprogramms für Pariser Politiker Tagungen und Seminarreisen nach Berlin zu den Themen Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung, unterstützt von der Stadt Berlin und id22. Der Einbezug kreativer Prozesse in eine nachhaltige Entwicklung wurde zunächst 2007 über Besichtigungen von Berliner Einrichtungen wie der Kulturbrauerei, der ufaFabrik und der KulturArena sowie in mehreren Gesprächsrunden thematisiert. Die anschließenden Diskussionen sowie die Reaktionen des politischen Publikums stellten den kulturellen Ansatz der Nachhaltigkeit als Berliner Merkmal heraus und betonten die Relevanz lokaler Vernetzungen. Die Ergebnisse wurden 2008 auf einer interdisziplinären Tagung in Paris sowie an einem Runden Tisch bei der Genossenschaft ›Gewerbehöfe‹ in der alten Königstadt in Berlin unter dem Thema ›Vergleich Entwicklungsstrategien in nachhaltigen kulturellen Initiativen‹ vertieft. In Berlin stellten sich ExRotaprint, anschlaege.de und die Kolonie Wedding dem Publikum vor und berichteten von ihren lokalen Erfahrungen. Welche räumlichen Strategien für eine nachhaltige Gestaltung entwickelt werden können und mit welchen Unterstützungen sowie Hindernissen die Initiativen zu arbeiten haben, wurde in der Runde diskutiert und einem Vergleich mit Paris unterzogen. Paris verfügt z.B. über sehr geringe Freiflächen, und durch das stetige Wachstum der Bevölkerungszahlen steigt ebenfalls die Immobiliennachfrage an. So lässt der Raummangel der öffentlichen Hand kaum Spielraum, Initiativen zu unterstützen. Bei einigen Projekten haben sich jedoch interessante und effiziente Kooperationen entwickelt, sowohl durch Topdown- als auch Bottom-up-Prozesse. An dieser Stelle ist die sozio-kulturelle Hausbesetzungsinitiative MACAQ als Plattform für alternative Pariser Projek-
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te zu den Themen soziale Begegnung, Kultur und Wohnungsnot zu erwähnen (vgl. Emmanuelle/Kamil 2007). Zum einen unterstützt der Verein das kulturelle Leben im Kiez, zum anderen vermittelt er zwischen öffentlichen Trägern, den Kunst- und Sozialaktivisten und den Eigentümern leerstehender Gebäude und schafft so einen Diskussions- und Handlungsraum. Ein weiteres Praxisbeispiel ist das Atelier en Commun, das seit 2008 den Baustein eines Pariser ›Creative Cluster‹ bildet. Das Künstlerhaus entstand durch die gemeinsame Arbeit zwischen einer Kommission der Mairie de Paris und dem Künstlerverein ›100 Charenton‹ und steht stellvertretend für die neue Kulturpolitik der Stadt und deren Interessen. Seit 2001 erkennt die Regierung der Koalition PS/Verts (Sozialistische Partei/die Grünen) alternative und kollektive Kreativzentren als wichtigen Beitrag zur kulturellen und dynamischen Entwicklung von Paris an (vgl. Mairie de Paris 2008). Ergebnis des Vergleichs war die Wahrnehmung der Potenziale einer nachhaltigen kreativen Stadtentwicklung anhand Berliner Beispiele. Raumplaner, Künstler, Kulturmanager, Wissenschaftler sowie Verwaltung und Politik erläuterten die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten und Projekttypen aus ihrer Perspektive. Mit dem Vergleich modellhafter Beispiele und dessen Auswertung sollte die Auseinandersetzung mit den verschiedenen städtischen Kontexten den Pariser und Berliner Vertretern neue Blickwinkel auf ihre eigene Stadt und deren Projekte ermöglichen. Die Aufmerksamkeit der Akteure für lokale Kreativität und deren Förderung wurde gestärkt. Ein weiterer Raum für innovative Diskussionsprozesse soll geschaffen werden, um das Spektrum der Kreativbündnisse zu erweitern. Dazu muss vor allem begleitendes Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken zwischen den Beteiligten überwunden werden, um ergänzend an gemeinsamen Zielen zu arbeiten.
4 BILANZ Berlin setzt große Hoffnungen in die ›Creative Class‹ und die Kulturwirtschaft, Wachstum wieder anzukurbeln, wo die Industrie nicht mehr vorhanden ist (vgl. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen et al. 2008). In der ›kreativen Euphorie‹ sollte man jedoch nicht vergessen, dass die Kunst, die Kultureinrichtungen als auch die Kulturwirtschaft nicht immer zukunftsfähig im Sinne einer tragfähigen sozialen oder ökologischen Gerechtigkeit sind. Oftmals sind sie nur ein weiterer Teil eines ökonomischen Verwertungssystems. Zudem arbeiten sie häufig nicht integrativ, sondern bilden hermetische Interessenzirkel. Kreative, imagesteigernde Initiativen führen manchmal zur Verdrängung genau der Künstler, die die urbane Pionierarbeit leisten; eine Bevölkerungsgruppe, die ihre Kulturarbeit unter immer prekäreren Bedingungen schafft. Und das, obgleich sie als Selbstständige oder mit
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ihren Kleinstbetrieben einen Großteil der Kulturwirtschaft ausmachen und somit einer besonderen Förderstrategie bedürften (vgl. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen et al. 2008). Die derzeitigen komplexen Herausforderungen verlangen aus Sicht der Autoren die Entwicklung neuartiger Kooperations- und Förderformen, die eine strategische und innovative Kulturentwicklung ermöglichen. Denn Zukunftsfähigkeit scheint nur dann erreichbar, wenn Erfahrungen, Ressourcen und Gestaltungskompetenzen in ein langfristig strukturiertes Miteinander eingebettet werden. Es liegt nahe, dass die Städte ihre traditionelle, sektorale ›Topdown-Kultur‹ und die entsprechenden Stadtentwicklungsstrategien mit integrierten Bottom-up-Ansätzen effektiv ergänzen müssen. Die aktuellen Krisen erfordern strukturelle Veränderungen und ermöglichen so neue Chancen für Kreativbündnisse als Motoren der nachhaltigen Stadtentwicklung. Die kreativen Kräfte und Kompetenzen der Zivilgesellschaft und der lokalen Ökonomie stellen ein wichtiges Potenzial für lokale Entwicklung dar. Sie handeln lokal in einem sozialen Netzwerk und verfestigen regionale Strukturen. Die einzelnen Stadtteile als auch der gesamte Stadtbereich sind komplexe Gebilde, für die die Zivilgesellschaft notwendige Erfahrungskompetenzen mitbringt. Eines der beispielhaften Berliner Regionalkooperationsprojekte, das sich den Pariser Politikern im Dezember 2008 in Berlin präsentierte, ist das ExRotaprint. Die gemeinnützige GmbH betreibt auf dem Gelände der ehemaligen Rotaprintfabrik eine modellhafte Projektentwicklung, die Profit mit Grund und Boden ausschließt. ExRotaprint sichert damit einen ehemaligen Industriestandort für soziale Einrichtungen, Kunst und Produktion. Am Beispiel von ExRotaprint zeigt sich, wie eine Initiative vor Ort ein gesamtgesellschaftliches Gefüge lokal neu aufstellt und durch Vernetzung der Akteure optimiert. Initiiert von Künstlern, war das Ziel von ExRotaprint, Kulturschaffende an diesem Ort mit lokaler Wirtschaft und sozialen Einrichtungen zu verbinden. Die so geschaffenen Synergien sollten die einzelnen Bereiche stabilisieren und ausbauen und damit positive Impulse für den Bezirk setzen. Weitere Partner hat das Projekt auf der politischen Bezirks- und Landesebene sowie überregional mit der Stiftung trias, der Stiftung Edith Maryon und der GLS Gemeinschaftsbank als tatkräftige und zugleich idealistische finanzielle Unterstützer gefunden. Für innovative und experimentelle Kreativbündnisse stehen in Berlin zahlreiche Freiräume wie das Südgelände oder der ehemalige Flughafen Tempelhof bereit, die eine Chance bieten, diese nachhaltig zu gestalten und eine Entfaltungsgesellschaft zu ermöglichen. Oftmals bedarf es – so die Erfahrung von id22 – lediglich einer Vermittlung zwischen den Stadtakteuren und dem Aufzeigen von realistischen sowie praktischen Möglichkeiten, wie sich gemeinsam Ziele verwirklichen lassen.
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Obwohl oder gerade weil die Moderation zwischen den pluralistischen Interessen der Kooperationsinitiativen nicht immer einfach ist, wird sich Culture is it! weiterhin in Berlin mit Projekten und Veranstaltungen engagieren, um zwischen Künstlern und Kultureinrichtungen sowie Verwaltung, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu vermitteln und Berliner Ansätze untersuchen, vernetzen und fördern. Aktuell arbeitet die Initiative an der Organisation des 2. Zukunftslabs, bei dem weitere europäische Städte eingeladen sind, ihre lokalen Strukturen und Bedingungen vorzustellen und engagierte Projekte, universitäre Programme sowie Initiativen der Verwaltung und Wirtschaft in diesem Kontext zu betrachten. In den nächsten Jahren sollen kulturelle Entwicklungsstrategien durch eine internationale Zusammenarbeit vorangebracht werden, indem die Städte ihre eigene Situation analysieren und sich einem Vergleich stellen. Wechselseitiges Lernen soll den eigenen Horizont erweitern und die Relevanz der nachhaltigen Entwicklung – nicht nur der europäischen Städte – weiter ins Bewusstsein der unterschiedlichen Akteure rufen. Des Weiteren sollen die Kooperationen zwischen Culture is it! und dem CAUE de Paris, aber auch mit anderen lokalen, regionalen wie europäischen Partnern – wie der Akademie der Künste oder Relais Culture Europe, mit der sich Culture is it! 2008 auf der Kulturpolitik-Konferenz im Rahmen der französischen EU-Präsidentschaft in Avignon austauschen konnte – ausgebaut werden.
QUELLENVERZEICHNIS Abgeordnetenhaus Berlin (Hg.) (2006): Lokale Agenda 21. Berlin zukunftsfähig gestalten, 2. Aufl., Berlin. anschlaege.de (2007): Plan B. Kulturwirtschaft in Berlin, Berlin. Emmanuelle, Piriot; Kamil, Majchrzak (2007): Kulturinitiativen und Mietergruppen machen mit Besetzungen auf Wohnungsnot aufmerksam, in: JournalistInnenkollektiv »KRISE UND KRITIK« (März). Kurt, Hildegard; Wagner, Bernd (2002): Kultur-Kunst-Nachhaltigkeit, Die Bedeutung von Kultur für das Leitbild Nachhaltige Entwicklung, Essen. Mairie de Paris (2008): L’Atelier en Commun, LE SO.C.L.E., Presseakte, Paris. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Studio UC/Klaus Overmeyer (2007): Urban Pioneers, Berlin: Stadtentwicklung durch Zwischennutzung, Berlin. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen, Referat Kommunikation, Medien, Kulturwirtschaft, Landesinitiative Projekt Zukunft (2008): Kulturwirtschaft in Berlin. Entwicklungen und Potenziale, Berlin.
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› TA N Z E N ! 0 8‹ . E I N P RO J E K T B E I S PI E L D E R A R B E I TS G E M E I N S C H A F T › K U LT U R I M G R O S S R AU M N Ü R N B E R G , F Ü R T H , E R L A N G E N , S C H WA B A C H ‹ Ruth Kiefer
1 E I N L E I T U N G : D I E A R B E I T S G E M E I N S C H A F T K U LT U R I M G R O S S R A U M ( A RG E ) Die Arbeitsgemeinschaft ›Kultur im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen, Schwabach‹ (ARGE) wurde 1988 gegründet. Anfang Februar 1989 wurde die Vereinbarung als »beachtlicher Schritt in eine Zukunft der engen Zusammenarbeit« der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit wurde die langjährige gemeinsame Bemühung um Kooperation im kulturellen Bereich auf eine neue Basis gestellt, denn einer der Ursprünge des Kooperationsmodells lag in der in Nürnberg 1976 unterzeichneten Vereinbarung des Arbeitskreises für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. (siehe Beitrag von Christine Fuchs in diesem Band), in dem alle vier Städte vertreten sind (vgl. hierzu auch Klett 1989). Hauptziel der ARGE war und ist die kontinuierliche, gemeinsame Entwicklung, Durchführung und Basisfinanzierung von Höhepunktveranstaltungen. Dies geschieht durch die Weiterführung und Weiterentwicklung von erfolgreichen Veranstaltungen. Aber vor allem sollen aktuelle Themen und innovative Ansätze neue Impulse für die Kultur im Großraum liefern. Zusätzlich werden aber auch andere Projekte (z.B. das Figurentheaterfestival) gemeinsam von der ARGE getragen bzw. unterstützt. Die Abstimmung von Planungen, Maßnahmen in der Infrastruktur (z.B. vierteljährliche Herausgabe des Literaturspiegels) und gemeinsame Werbung (vor allem bei den Höhepunktveranstaltungen) befördert die Kooperation zwischen Kultureinrichtungen der einzelnen Städte und schafft ein öffentliches Bewusstsein für die Kulturarbeit in der Region. Das Gremium für die Zusammenarbeit ist die Beteiligtenversammlung der Arbeitsgemeinschaft, die ca. fünfmal im Jahr stattfindet. Die vier Städte werden durch ihren/ihre Kulturreferenten/Kulturreferentin oder deren Bevollmächtigte (in der Regel die Kulturamtsleiter) vertreten. Im Kulturreferat Nürnberg wurde eine ›Geschäftsstelle für allgemeine Angelegenheiten‹ eingerichtet. Für gemeinsame Höhepunktveranstaltungen wird alle zwei Jahre eine Projektgruppe mit Vertretern aus allen Städten berufen. Die Federführung übernimmt jeweils eine der vier Städte. Hierfür sind feste Haushaltsstellen in den Kommunen eingestellt. Ähnlich des Arbeitskreises bayerischer Städte richtet sich der finanzielle Anteil an den Projekten nach der Größe (Einwohner) der beteiligten Städte.
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Daraus ergibt sich folgende Verteilung: Nürnberg 4/9, Fürth 2/9, Erlangen 2/9 und Schwabach 1/9. Einmal im Jahr lädt die ARGE alle kulturpolitischen Sprecher aller Fraktionen großraumweit ein, um mit ihnen kulturelle Perspektiven zu diskutieren. Die vier Mitgliedsstädte der ARGE werden dabei durch die Kulturreferentinnen/-referenten vertreten. Auf der Basis aktueller Fragestellungen und kulturpolitischer Zielsetzungen werden die unterschiedlichsten Themen aufgegriffen und künstlerisch umgesetzt. Die fünfzehn durchgeführten Projekte boten eine breitgefächerte Themenvielfalt, wie z.B.: • politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen im eigenen Land (›Geburt einer Republik‹ 1988, ›Eurovisionen‹ 2005); • anderer Länder (›Begegnungen mit Brasilien‹ 1988, ›Facing America‹ 1992); • internationale Literaturtage mit Schwerpunkt Afrika, Asien, Karibik (Interlit 2-4, 1988, 1993, 1997); • interkulturelle und kulturelle Bildung (›moving cultures‹ 2003, ›Traumräume‹ 1995); • die Auseinandersetzung mit neuen Technologien (›log.in – netz/kunst/ werke‹ 2000); • regionale Vernetzung (›Kommen.Bleiben.Gehen‹ 1990, ›Kulturbörse‹ 1989, 1994). Der Großraum findet thematisch mit Blick von außen und nach innen seinen Platz. (›Kommen. Bleiben. Gehen‹; siehe auch ›Facing America‹). Beim Blick ins Innere steht vor allem Bestandsaufnahme und Vernetzung im Vordergrund (Kulturbörse 1989, 1994, tanzen!08). Künstlerische Rundum-Betrachtungen und kulturelle Spartenvielfalt prägen die Projekte der ARGE.1
2 › TA N Z E N !0 8 – 2.1
DIE
REGION
BEWEGT SICH‹
Der Tanz als Thema für die ARGE Kultur im Großraum
2005 wurde der Grundstein zu einem der erfolgreichsten Projekte der ARGE gelegt. Mit ›tanzen!08‹ sollte an den Erfolg von Veranstaltungen wie ›tanzraum 1998/2001‹ angeknüpft und gleichzeitig das 20-jährige Bestehen gefeiert werden. Tanzraum ist ein Kooperationsprojekt der Tafelhalle und den Theatern des Großraums, des SiemensForums Erlangen sowie des Siemens arts program, das bisher 1998 bzw. 2001 realisiert werden konnte. Tanz und Bewegungskunst fand sich in vielerlei Aktivitäten und Ansätzen 1
Siehe ausführlich http://www.kultur-im-grossraum.de.
Ruth Kiefer £›tanzen!08‹. Ein Projektbeispiel
in der Region wieder: Die Choreographin Daniela Kurz am Staatstheater suchte nach individueller Bewegungssprache. Am Stadttheater Fürth deckte eine seit Jahren äußerst erfolgreiche Tanzreihe die Strömungen der klassischen Moderne ab, in Erlangen wurden grenzüberschreitende Tanzkünstler in Festivals und Reihen einbezogen, freie regionale Choreographen produzierten in der Nürnberger Tafelhalle und im Fürther Kulturforum. Darüber hinaus boten viele Studios für modernen Tanz in Schwabach, Fürth, Erlangen und Nürnberg Angebote für Laien an; andere Gruppen und Vereine engagierten sich im breiten Feld der Tanzfolklore. Gleichzeitig reihte man sich in die allgemeine Entwicklung in Deutschland ein: ob Tango- oder Salsaszene, HipHop Kids in Jugendzentren oder StepptanzShows in Stadthallen. Tanzkurse boomen, Tanzfilme erobern die Kinos und prominente Tanzbeine im Privatfernsehen zeigten die neue Popularität des Tanzes. Zeitgenössischer Tanz stand einerseits hoch im Kurs, war anderseits aber bedroht durch Sparmaßnahmen an den Theatern. So reagierte auch 2006 die Bundeskulturstiftung mit dem ›tanzplan Deutschland‹, um die Strukturen für zeitgenössischen Tanz zu verbessern und zu vernetzen. Zeitgenössischer Tanz ist gerade wegen seiner Vielfalt der ästhetischen Formen, seiner Offenheit, seiner Suche nach Grenzüberschreitungen zwischen den Künsten eine der innovativsten und impulsgebenden Kunstsparten. Schon bei Kindern fördert Tanzen die persönliche Gesamtentwicklung. Es schult das Koordinations- und Vorstellungsvermögen, fördert Kreativität und Konzentration. Daher wurde das Großraumfestival tanzen!08 beiden Seiten gewidmet: dem professionellen, zeitgenössischen Tanz und den populären Seiten dieser Kunstform. 2.2
Das Konzept ›tanzen!08 – die Region bewegt sich‹
Vor dem oben dargestellten Hintergrund entstand die Idee für das nächste Großraumthema und eine Entwicklergruppe aus den Städten bereitete die Konzeptskizze zu tanzen!08 vor. Bei der Ausrichtung eines Festivals sollte nicht allein die Betrachtung von zeitgenössischem Tanz wesentlich sein. Es ging um das Miteinbeziehen, um das Teilen und Vermitteln von Bewegungsund Körpererfahrung vom reinen Betrachten hin zum eigenen kreativen Einsatz. Das Festival sollte kein elitäres Tanz-(Kunst-)Festival werden, sondern Menschen aller Altersstufen zum Tanz, zur eigenen Körpererfahrung und zur Schärfung der Bewegungs-Sinne auffordern. ›tanzen! 08‹ sollte im internationalen Kontext mit entsprechenden Gastspielen stehen und die tragfähigen vorhandenen Ansätze sowohl strukturell als auch qualitativ nutzen. Gleichzeitig sollten diese viel versprechenden Ansätze zur Förderung des Tanzes in der Region nachhaltig angeschoben wer-
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den, und so wachsende gesellschaftliche Bedeutung und zusätzliche Relevanz erlangen. Das von der Entwicklergruppe bzw. vom Projektteam gemeinsam ausgearbeitete Konzept ruhte auf vier Säulen und wurde der Presse bereits Ende 2007 folgendermaßen vorgestellt: • Städteübergreifende Projekte machen den Großraum als zusammenwachsenden Kulturraum sichtbar oder verführen dazu, sich über die Stadtgrenzen hinaus zu bewegen (z.B. ›Le Bal Moderne‹ als simultane Großraumtanzaktion, ›tanz!börse‹ als erste große Bestandsaufnahme der gesamten regionalen Tanzszene, mit ›tanz!Zentral‹ – ein Tanzhaus der freien Tanzinitiativen). • Ortspezifische Veranstaltungen mit spezifischem Schwerpunkt in den einzelnen Städten kommen den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung sowie der ansässigen Tanzinitiativen entgegen (Kindertanzinitiativen mit den Tanzalarmkids). • Internationale Gastspiele in allen Städten und ein Symposium werfen den Blick nach außen. • Zukunftsweisende Modellprojekte unterstreichen den sozialen und künstlerischen Innovationscharakter des Festivals (›tanz!leonhard‹, ›ernst tanzt 3D!‹, ›cool memories‹). Daraufhin titelten die Nürnberger Nachrichten: »Vom hohen Tanztheater bis zum Volkstanz wollen die 74 Veranstaltungen alles widerspiegeln, was das Motto ›die Region bewegt sich‹, rechtfertigt.« (Voskamp 2007) 2.3
Notwendige Kooperationen und Partner
Zahlreiche Kooperationspartner wurden von Beginn an angefragt, eingebunden und prägten die Programminhalte wesentlich: Tanzinitiativen, die bei diesem Projekt in der Region in ihrer Gesamtheit erreicht werden sollten, freie und kommunale Kultureinrichtungen wie auch kommunale Einrichtungen als solche, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Schulen, Choreographen und Tänzer. Kommunale Kultureinrichtungen wie das Staatstheater Nürnberg mit ihrer Tanztheatersparte, das Stadttheater Fürth und das Markgrafentheater in Erlangen kooperierten mit eigenen Produktionen wie mit Gastspielen. Die freie Tanzszene, zusammengeschlossen in der Tanzzentrale Fürth e.V., der Tanzstelle Erlangen oder dem Tanzhaus Erlangen, entwickelten verschiedenste Angebote: angefangen von Mitmachangeboten bis hin zu Festivalproduktionen. So wurde unter der Regie der Nürnberger Programmmacher das ›tanzZentral!‹ im Künstlerhaus des KunstKulturQuartiers als Festivalzentrale zum Schauplatz
Ruth Kiefer £›tanzen!08‹. Ein Projektbeispiel
der freien Szene mit Kursen, Workshops, Videolounge, Ausstellung und einer Festivalproduktion. Die ›tanz!börse‹ in der Stadthalle Fürth sollte zum zentralen Ausstellungsort der regionalen Tanzszene werden, und die vielen Möglichkeiten für Tanzinteressierte im Großraum zusammenfassen und aufzeigen. Die Kooperation mit Schulen und mit freien Choreographen legte den Grundstein für die Entstehung von St. Leonhard2 und ›ernst tanzt 3 D‹. Projekte, die als Festivalproduktionen mit langer Vorbereitungszeit die Schüler in einen Prozess einbezogen. Beispielsweise initiierte die Choreographin Beate Höhn mit der Grundschule Ziegelstein einen Tanz zur Eröffnung von ›tanzen!08‹ mit 380 Kindern. Die gesamte Fläche des Festivaltreffs im Künstlerhaus Nürnberg wurde zur Tanzfläche. Ausstellungen innerhalb des Festivals wie z.B. ›tranzpositionen‹, eine umfangreiche Ausstellung mit fünf regionalen Künstlern, die die Schnittstelle von Bildender und Darstellender Kunst bildete, kam nur durch die Kooperation mit dem Kunsthaus Nürnberg und freier bildender Künstler zustande. Auch die Werkschau zu Daniela Kurz, die erfolgreich zehn Jahre als Leiterin der Tanzsparte arbeitete, beinhaltete die Kooperation mit dem Staatstheater Nürnberg. Die Initiativen im Großraum wurden integraler Bestandteil des Konzepts bzw. der Programmentwicklung von ›tanzen! 08‹. Das Wissen, die Kreativität und die Hilfe der freien Szene wie der kommunalen Tanzszene brachten bei der Aus- und Durchführung des Festivals die Breitenwirkung und die angestrebte Nachhaltigkeit mit sich. 2.4
Struktur der ARGE am Beispiel des Großraumprojektes ›tanzen!08‹
Neben der bestehenden ›Entwicklergruppe‹ gab es ab Dezember 2006 – wie bei allen Projekten der ARGE – ein Projektteam aus den Verantwortlichen des Kulturamts jeder Stadt. Die Mitglieder des Projektteams waren für die konkrete organisatorische Umsetzung aller Veranstaltungen von ›tanzen!08‹ in ihrer Stadt verantwortlich. Ab Herbst 2006 wurde die geschäftsführende Projektleitung extern als Zeitauftrag mit einer Dramaturgin besetzt, um die organisatorischen Vorbereitungen zu beginnen. Da die Projektleitung bzw. das Projektmanagement abwechselnd jeweils einer Stadt zugeordnet waren, wurde es dem Projektbüro des Kulturreferats Nürnberg angegliedert. Das Projektbüro sollte die Projekt-
2
Tanzprojekt mit Jugendlichen von 12-16 Jahren unter Leitung des Choreographen Samir Akika im Nürnberger Stadtteil St. Leonhard mit hohem Migrationshintergrund.
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leitung, z.B. durch eine Fundraising-Stelle, fachlich wie organisatorisch unterstützen. Die Anforderungen an die Projektleitung bestanden vor allem in der Organisation des Gesamtfestivals, der Koordination der einzelnen Ämter, des Fundraisings und der Öffentlichkeitsarbeit. Die Verantwortung für einzelne Projekte bzw. Gastspiele war auf die jeweiligen Kulturämter aufgeteilt. Während der gesamten Vorbereitungszeit blieb das bestehende Entwicklerteam Ansprechpartner in künstlerischen Fragen.
3 DURCHFÜHRUNG 3.1
VON
› TA N Z E N !0 8 ‹
Verlauf der Umsetzung
Die Arbeitsgruppe – das Projektteam – steuerte und gestaltete mit einem monatlichen Treffen ab Januar 2007 die Umsetzung des Konzeptes in eine konkrete Veranstaltungsstruktur. Die Aufgaben für das Projektmanagement für ›tanzen!08‹ beinhalteten u.a.: • selbständige Gesamtkoordination und Organisation des Großraumprojektes ›tanzen!08‹ der AG • Controlling des vorgegebenen Finanzrahmens inkl. fortlaufender Kalkulation • Abrechnung gegenüber den Städten und den Zuschussgebern • Marketing und Öffentlichkeitsarbeit inkl. Erstellung der Publikationen • dramaturgische Beratung der Projektpartner • Fundraising in Zusammenarbeit mit dem Projektbüro • Vorbereitung, Durchführung und Moderation der Sitzungen • Herausgabe von schriftlichen Sitzungsunterlagen (Vor- und Nachbereitung) • Vorbereitung der ARGE-Hauptsitzungen in Bezug auf ›tanzen!08‹ Vorgegeben war ein Kostenrahmen (Gesamtvolumen rund 500.000,- EUR), der in der Organisation 66.500 EUR und für die gesamte Werbung 50.000 EUR vorsah. Angegliedert war direkt das Projekt ›tanz!börse‹ mit einem Kostenaufwand von 10.500 EUR. Diese Etats wurden vom Projektmanagement verwaltet, wie auch die personelle Ausstattung in diesem Bereich. Die personelle Ausstattung des Projektmanagements bestand aus der Projektmanagerin, drei wechselnden Praktikantinnen und der Projektleitung der ›tanz!börse‹.
Ruth Kiefer £›tanzen!08‹. Ein Projektbeispiel
3.2
Öf fentlichkeitsarbeit, Marketing – exemplarisch das Aufgabenfeld
Mit der Öffentlichkeitsarbeit steht und fällt ein Projekt, d.h. ein noch so hochwertiges oder innovatives Festival braucht eine effiziente Pressearbeit, um am heutigen Kulturmarkt von den Rezipienten wahrgenommen bzw. erlebbar zu werden. 3.2.1 Koordination und Probleme der Öf fentlichkeitsarbeit bei ›tanzen!08‹ Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist schneller Informationsfluss und gesicherte Zuarbeit durch den Arbeitskreis die wichtigste Voraussetzung. Der festgelegte Redaktionsschluss von Homepage und Programmheft musste z.B. im Verlauf von Dezember auf Ende Februar 2008 verlegt werden. Die 74 Projekte des Konzepts wuchsen zu einem dichten Veranstaltungsprogramm. Aus dem angedachten Festivaltreff ›tanzzentral‹ (1 Projekt) entwickelten sich insgesamt 235 Programmpunkte vom Researchprojekt (Tanztheater zur Geschichte des KOMMs) bis hin zu verschiedensten Workshops für unterschiedlichste Altersklassen und Sparten: Unter der Regie der Tafelhalle wurde das Festivalzentrum zur ›Programmpalette‹ der freien professionellen Tanzszene der gesamten Region. Es entstanden wesentlich mehr Programmpunkte als geplant, was die Öffentlichkeitsarbeit arbeitsintensiver machte. Auch die Realisierung der Druckerzeugnisse wurde somit teurer als kalkuliert. Die Aufnahme und die eingebrachten Ideen von Kooperationspartnern und die Vorstellungen des Arbeitskreis von gemeinsamen wie rein städtischen Gastspielen veränderten das Festival zu einer Art Leistungsschau, verlangsamten aber das Projektmanagement, da vielerlei Interessen koordiniert werden mussten. 3.2.2 Medientausch als ›Kooperationsmodell‹ – die Medienpartnerschaften Rund 50.000 EUR standen für die Öffentlichkeitsarbeit tanzen!07 zur Verfügung. Mit diesem Betrag musste die graphische Gestaltung, der Druck und das Marketing finanziert werden. Das Festival ›tanzen!08‹ setzte zum zwanzigjährigen Bestehen der ARGE auf die weitere Zukunft der engeren Zusammenarbeit und auf die Fortsetzung gemeinsam bewährter Kulturarbeit. Diese Faktoren waren für Medien- und Pressevertreter überregional wie regional redaktionell interessant. Die genaue Errechnung des Wertes einer Seite im Programmheft wurde das wichtigste Instrument für den kooperativen ›Medientausch‹. Eine Seite (Auflage: 40.000 Stück) wurde in Zusammenarbeit mit dem Fundraising-Büro regionalen wie
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überregionalen Magazinen als ›Tauschgeschäft‹ angeboten: Von überregionalen Tanzzeitschriften, regionalen Monatsmagazinen und Kulturkalendern fanden sich Unterstützer bzw. Tauschpartner, die dieses ›Wagnis‹ begleiten wollten. Als direkter Medienpartner konnte eine in allen vier Städten verbreitete regionale Fernsehstation gewonnen werden. 3.3
Finanzierung kurz umrissen
Das Kooperationsmodell ARGE finanziert sich aus den Jahresbeiträgen der Städte. Diese werden aufgespart, um die Großraumprojekte zu finanzieren, in der Regel mit zwei gesamten Jahresbeiträgen, die auch in der ursprünglichen Kalkulation eingerechnet waren. Der vorläufig geschätzte Kostenrahmen von ›tanzen! 08‹ betrug 425.000 Euro, mit etwa der Hälfte aus ARGE-Mitteln und Drittmitteln.3
4 FA Z I T 4.1
Realisierung des Konzepts ›tanzen!08‹ – ein erfolgreiches Festival für die ARGE
Die Konzeption der ARGE, eine Plattform für die ganze Bandbreite der Tanzszene im Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach zu bieten, erwies sich als richtig – der Bedarf war vorhanden. Nach einer gelungenen Eröffnung im Nürnberger Künstlerhaus mit über 1500 Besuchern und Mitwirkenden – darunter 400 Kinder – wurden gerade die städteübergreifenden Projekte weit besser angenommen als erwartet. Die ›tanz!börse‹ Fürth zeigte sich als Anziehungspunkt für Tanzbegeisterte mit einschlagendem Erfolg: 78 Stände informierten über ihre Angebote in der Region – rund 5000 Besucher fanden den Weg in die Stadthalle Fürth. Auf vier Bühnen gab es 93 Auftritte mit ca. 780 Mitwirkenden, die Einblicke in die verschiedensten Tanzstile von Ballett über Salsa, Hip-Hop, Afrikanischen 3
Einnahmen: ARGE-Mittel (06/07) 222.400 EUR, Drittmittel 200.000 EUR, sonstige Einnahmen 2600 – Gesamt: 425.000 EUR. Ausgaben: Projekte, Veranstaltungen 320.000 EUR, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing 50.000 EUR, Personal, Projektteam Honorare 50.000 EUR, sonstige Ausgaben 5000 EUR – Gesamt: 425.000 EUR. Mit rund 456.000 EUR Gesamtkosten wurden tanzen!08 abgeschlossen. Die Jahresbeiträge (Arge-Sitzung 26. Juli 07 – Beschluss) bis zur Hälfte der Jahresbeiträge 2008 dürfen in tanzen!08 verwendet werden, wurde eingehalten. Die Einnahmen beliefen sich auf rund 68.000 EUR, Zuschüsse, Sponsoring (der Sparda Bank Nürnberg, Kulturfonds Bayern) auf 113.000 EUR, der Anteil der ARGE rund 280.000 EUR.
Ruth Kiefer £›tanzen!08‹. Ein Projektbeispiel
Tanz, Volkstanz bis hin zum Modernen Tanz boten. Das Nürnberger Künstlerhaus avancierte mit ›tanz!zentral‹ zum achtzehntägigen Festivalzentrum. Als Treffpunkt der Tanzszene eingerichtet, zählten die Veranstalter in zahlreichen Workshops mannigfacher Tanzstile knapp 4.000 Tanzinteressierte aller Altersschichten: Senioren und Kinder, Profis und Laien, Zuschauer und Mittänzer. Eine gute Resonanz zeigte auch der ›tanz!platz‹ in der Fußgängerzone Erlangens mit rund 2000 Besuchern. Der Schulterschluss simultan mit ›Le Bal Moderne Simultan‹, zeitgleich in allen vier Städten, ließ das Festival ›tanzen!08‹ gemeinsam zu Ende gehen. Insgesamt haben bei den 419 Veranstaltungen und Angeboten über 2200 Akteure mitgewirkt. Als realistische Besucherzahl wurden von allen Beteiligten über 22.000 Besucher angenommen. 4.2
Nachhaltigkeit
Vieles wurde bewegt und angestoßen. In der Nachbetrachtung wurde der häufige Wunsch von Festivalteilnehmern aufgegriffen, die geschaffenen Impulse fortzuführen. So schrieb Urban (2008): »Man mag über den kulturellen Wert eines Mitmachfestivals streiten. Außer Frage steht, dass es wichtige Impulse gegeben hat. So sollen die Schulprojekte in Erlangen und Nürnberg weitergeführt werden. Auch dass viele ältere Besucher sich für jugendliche Tanzstile interessierten, ist in einer Zeit, in der das Verständnis zwischen Generationen immer schwieriger wird, nicht zu unterschätzen. Und für die zahlreichen Tanzschulen und -initiativen der Region, die sich auf breiter Basis präsentieren konnten, bedeutet das Festival fraglos eine Stärkung des Selbstbewusstseins.« Die verschiedensten Tanzstile, Besucher, Teilnehmer und Ausführende aller Altersschichten, Institutionen und unzählige Tanzgruppierungen und -Vereine haben einen Ruck in der Tanzszene verursacht, und manches hinterlässt augenscheinliche oder unscheinbare Spuren. Die Medien dokumentieren dies. Doch die Gelder werden knapp und das Tanztheater am Puls der Zeit ist meist zugleich aussagekräftig und zu teuer. Fest steht, dass Nürnberg mit dem Tanzplan 2010 sicher auf unzählige Kooperationsmöglichkeiten zurückgreifen kann. Der Großraum ist einer Fortführung der Tanzbörse und vor allem der soziokulturellen Projekte aufgeschlossen, und die Erfolge einzelner Projekte fordern förmlich eine Fortsetzung. 4.3
Resümee
Die regionale Kooperation war Grundlage des Festivals. Die projektbezogenen Kooperationen enden aber meist mit dem Abschluss der Projekte. Auch in ›tanzen!08‹ ist die Auswertung und Verknüpfung anschließend nicht gleich
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weiter verfolgt worden. Wichtige Impulse könnten so eventuell im Sande verlaufen, weil weder Personal noch finanzielle Mittel nach Ausschöpfung der Projektmittel zur Verfügung stehen. Dem ›Blick ins Innere‹, wo vordergründig die Bestandsaufnahme und Vernetzung stehen sollte, fehlt vorerst die Auswertung und die Reaktion. So wäre ein öffentlicher Zugriff auf aktuelle Auflistungen der Institutionen und Initiativen gerade bei den ARGE-Projekten Kulturbörse 1994 und ›tanzen!08‹ sehr hilfreich. Eine Fortführung der Tanzbörse – wie von Besuchern und Teilnehmern immer wieder vehement gefordert – halten auch die Kulturreferenten für wichtig, um die gesetzten Impulse zu verfestigen.
QUELLENVERZEICHNIS Klett, Siegfried (1989): Modell AG Kultur im Großraum – Kooperationsimpulse, in: Kulturamt der Stadt Erlangen (Hg.): Kulturbörse Katalog Kultur in der Region, S. 39-40. Urban, Regina (2008): Es bewegt sich was. Festival gab wichtige Impulse, in: Nürnberger Nachrichten vom 21. April 2008. Voskamp, Jens (2007): Die Region bewegt sich, in: Nürnberger Nachrichten vom 20. November 2007.
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DER ARBEITSKREIS FÜR GEMEINSAME K U LT U R A R B E I T B AY E R I S C H E R S T Ä D T E E .V. Christine Fuchs
1 ZUM ARBEITSKREIS Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. (kurz AKGK) ist ein Zusammenschluss von derzeit 50 Kommunen in Bayern. Der Verein ist aus einem Arbeitskreis des Bayerischen Städtetags hervorgegangen und arbeitet eng mit dessen Kulturausschuss zusammen. Die Mitgliedschaft ist für die Kommunen freiwillig und kostenpflichtig. Der Arbeitskreis führt gemeinsame Kulturprojekte durch und unterhält eine Geschäftsstelle mit Projektbüro. Die regionale Zusammenarbeit erfolgt durch Vernetzung der Kommunen über die der Kulturverwaltungen vor Ort.
2 GESCHICHTE Der Zusammenschluss bayerischer Städte wurde Ende der 1970er Jahre in Nürnberg gegründet. Zeitgleich sind in NRW vergleichbare Arbeitskreise entstanden aus denen die Kultursekretariate in NRW gebildet wurden. Doch anders als in NRW kam es in Bayern nicht zu einer staatlich geförderten Institutionalisierung der kommunalen Zusammenschlüsse. Der Arbeitskreis bayerischer Städte organisierte sich als Verein. Er leistete in den ersten Jahren wichtige kulturelle Aufbauarbeit in den Kommunen. Bis zum Jahr 2001 lagen die Schwerpunkte der regionalen Arbeit im nördlichen Bayern. Mit dem Geschäftssitz in Erlangen konzentrierte sich die regionale Zusammenarbeit bereits in den 1980er Jahren stark im Großraum NürnbergFürth-Erlangen-Schwabach. Hier entwickelte sich ein selbstständiger Verbund ›Kultur im Großraum‹ mit eigenen Kulturprojekten, wie dem Internationalen Figurentheater-Festival, dem Literaturspiegel und dem Kulturserver KUBISS. Weitere Kreise zog die regionale Arbeit des AKGK mit dem Projekt ›Literaturlandschaft Franken‹, einem Literaturfestival, das dreimal (1998-2002) veranstaltet wurde und an dem sich 61 fränkische Städte beteiligten. Leider blieben Gemeinschaftsprojekte dieser Art auf wenige begrenzt, da die vernetzende Arbeit nebenamtlich geleistet werden musste und die Projekte jeweils von Einzelförderungen abhängig waren. Die Mitglieder nutzten den Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte in erster Linie zum Erfahrungsaustausch, als Ideen- und Kontaktbörse und zum Austausch kultureller Programme. Der Arbeitskreis veranstaltete Tagungen, Fortbildungsreihen und bot seinen Mitgliedern regelmäßig die Übernahme von zeitgenössischen Kunstausstellungen an. Nach 25 Jahren
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erfolgreicher Professionalisierung der kommunalen Kulturarbeit und der vielerorts gelungenen fachspezifischen Vernetzung auf der Ebene der Einrichtungen, stand der AKGK vor einem Neuanfang. Im Jahr 2001 konnte er dabei an folgende Ergebnisse anknüpfen: • Anbindung an Kulturausschuss des Bayerischen Städtetages, • 25 Jahre gemeinsame Kulturarbeit, • nebenberuflich organisiert, • kulturelle Profilierung der Städte und Bildung regionaler Kooperationsnetze, • Tätigkeiten: Internationales Figurentheaterfestival, Literaturlandschaft Franken, Wanderausstellungen, Jahrestagung, Kontakt- und Ideenbörse, • 19 Mitgliedsstädte.
3 UMFR AGE
IM
R AHMEN
DER
NEUSTRUKTURIERUNG
Im Jahr 2001 wechselte der Geschäftssitz des Arbeitskreises von Erlangen nach Ingolstadt, das geographisch zwischen den beiden Kulturzentren München und Nürnberg gelegen ist. Hier wurde der Arbeitskreis zum ersten Mal mit einer eigenen Geschäftsstelle ausgestattet. Die Arbeit begann mit einer Umfrageserie bei den bayerischen Städten: • Welche grundsätzlichen Aufgaben müsste der Arbeitskreis Ihrer Meinung nach wahrnehmen? • Haben Sie konkrete Erwartungen an den Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit? • Unter welchen Voraussetzungen halten Sie eine Mitgliedschaft im Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. für sinnvoll? • Es ist geplant, im Internet eine Informations- und Angebotsbörse für Kulturveranstaltungen in Bayern aufzubauen. Sind Sie an einer Mitwirkung interessiert? 66 Kommunen antworteten auf die Fragen. Was hatten sich die Kommunen von der Zusammenarbeit erhofft? Gewünscht wurden möglichst viele konkrete Kooperationsmöglichkeiten, die Umsetzung gemeinsamer Projekte, ein größeres kulturelles Programm mit kulturellen Konzepten, die über das pragmatische Tagesgeschäft hinausgehen. Gewünscht wurde weiterhin eine kontinuierliche Kommunikation, möglichst intensive Diskussionsformen zu möglichst vielfältigen Themen sowie interessante Informationsangebote. Die Eigenprofilierung der Städte sollte nicht beeinträchtigt werden und eine klare Regionalisierung des Arbeitskreises sollte praktische Kooperationen ermöglichen. Bei geringem Verwaltungsaufwand sollte sich praktischer
Christine Fuchs £Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V.
Nutzen zeigen, z.B. in Form der Effizienzsteigerung kultureller Arbeit und in der verbesserten Bewerbung kultureller Veranstaltungen. Folgende Aufgaben sollte der Arbeitskreis übernehmen: gemeinsame Veranstaltungen durchführen und Angebote machen, Informations- und Erfahrungsaustausch organisieren, als Kontaktbörse fungieren und die Vernetzung der Kulturarbeit in Bayern schaffen. Er sollte auch kulturpolitische Aufgaben wahrnehmen u.a. als Fürsprecher kommunaler Kulturarbeit eine Lobby bilden, Bewusstsein in der Öffentlichkeit für die Notwendigkeit von Kulturarbeit schaffen, sich für Verbesserung der Lebens-/Arbeitsbedingungen von Künstlern einsetzen, rechtliche Rahmenbedingungen überschaubar machen und regeln. Die Städte schilderten die jeweils sehr unterschiedlichen Strukturen ihrer Kulturverwaltungen, aus denen sich heterogene Interessen an einer Kooperation im Arbeitskreis ergaben. Kommunen, die ihre Kulturarbeit weitgehend privatisiert hatten, stellten die Frage, ob eine Mitgliedschaft im Arbeitskreis für sie überhaupt sinnvoll ist. Städte, die am Rande einer Großstadt gelegen sind, wünschten sich eine Berücksichtigung ihrer spezifischen Standortsituation. Das Gleiche galt für kleinere Kommunen, die im weiteren Umkreis ein gehobenes Kulturangebot haben, gleichwohl vor Ort Kulturveranstaltungen durchführen wollen. Einige Kommunen befanden sich in der kulturellen Aufbauphase und wünschten sich entlastende Beratung und Unterstützung, wieder andere erwarteten vom Arbeitskreis eine ›Renommeé-Steigerung‹ und neue Anregungen für die bestehende Kulturarbeit. Zusammenfassend wurden die folgenden Wünsche an die Zusammenarbeit im Rahmen des AKGK formuliert: • renommierende Kooperationsprojekte, • kontinuierliche Kommunikation, • Erfahrungs- und Ideenaustausch, • Berücksichtigung der unterschiedlichen Strukturen vor Ort.
4 PROJEKTENT WICKLUNG Es wurden daraufhin konkrete Projekte entwickelt, bei denen die verschiedenen Wünsche und Anregungen aus den Städten aufgegriffen und umgesetzt wurden. Seither werden gemeinsame Festivals im zweijährigen Turnus veranstaltet. Als groß angelegte Kooperationsprojekte ermöglichen sie kulturelle Höhepunkte vor Ort, die über das Tagesgeschäft hinausgehen, prominent beworben werden und kulturpolitisch wichtige Impulse setzen können. Unter dem Dach eines gemeinsamen Themas ist jede Stadt für ihr eigenes Programm selbst verantwortlich, kann also in der Zusammenarbeit zugleich ihr eigenes Profil schärfen. Aus der Zusammenarbeit bei einem Festival gehen regelmäßig weitere Kontakte und Kooperationen hervor. Landesweite
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Festivals, die der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit veranstaltet hat, sind ›Die Literaturlandschaften Bayerns‹ (2004 und 2006) und ›KUNSTRÄUME BAYERN‹ (2008). Informations- und Erfahrungsaustausch findet bei den Tagungen und Koordinationssitzungen statt. Zur Weitergabe von Konzepten, Veranstaltungen und Kontakten wurde eine sog. Angebotsbörse im Internet geschaffen, die per Newsletter aktuelle Informationen an die Kulturreinrichtungen weitergibt.
5 D A S K O O P E R AT I O N S B E I S P I E L KUNSTR ÄUME BAYERN Vom 1. Juni bis 14. September 2008 veranstaltete der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit zusammen mit 68 Städten und Gemeinden unter dem Titel ›KUNSTRÄUME BAYERN‹ das erste landesweite Festival zur Kunst im öffentlichen Raum. Entstanden ist das Kunstfestival aus dem gemeinsamen Anliegen der Mitglieder des Arbeitskreises, der zeitgenössischen Kunst vor Ort mehr Raum zu geben und die Relevanz der Kunst für den eigenen öffentlichen Raum zu befragen. Sie gaben eine aktuelle Übersicht der stadtrelevanten Themen zur Kunst im öffentlichen Raum. Die Veranstaltungen im Rahmen des Festivals wurden nicht zentral kuratiert, sondern eigenständig vor Ort konzipiert und eigenverantwortlich von den Mitgliedsstädten und Partnern geplant. Die Leitung des Gesamtfestivals lag bei der Geschäftsstelle. Als Gesamtheit gaben die einzelnen Beiträge eine aktuelle Übersicht der stadtrelevanten Themen zur Kunst im öffentlichen Raum. Die zentralen Fragen des Festivals lauteten: Welche Räume schafft die Kunst? Welche Räume nimmt sie ein in den Städten und Gemeinden, in der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlichen Diskurs? Ausgehend von diesen Fragen gliederten sich die Veranstaltungen in sechs thematische Reihen: ›KUNSTRÄUME_Stadträume‹ zeigte Kunstprojekte und Ausstellungen als urbane Erscheinung, im öffentlichen, städtischen Raum. Diese Beiträge thematisierten die Wahrnehmung von Stadträumen mit Hilfe der Kunst, die Wahrnehmbarkeit von Kunst im öffentlichen Raum und ihre Möglichkeiten, Impulsgeber für urbane Entwicklungen zu sein. ›Grüne Gürtel‹ fassten künstlerische Auseinandersetzungen mit der Natur zusammen z.B. Künstlergärten und LandArt. ›KUNSTRÄUME_Denkräume‹ bezeichnete diskursive Veranstaltungen, die die Ästhetik des öffentlichen Raums befragten, Gestaltungsräume und Gestaltungsbedingungen der Städte untersuchten und den Sinn und die Nachhaltigkeit der Veranstaltungen reklektieren. Regionale Räume, die regionale Vernetzung, ist ein Thema von erheblicher Aktualität, besonders in Gegenden, die sich bisher noch wenig als Kulturregionen profiliert haben. Aus einer Werbegemeinschaft von Museen, Galerien und Kunstvereinen ist die Kulturkooperative Oberpfalz (KoOpf) entstanden, ein sta-
Christine Fuchs £Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V.
biler Regionalverbund, der sich bei den KUNSTRÄUMEN BAYERN mit der Veranstaltungsreihe ›Standpunkte_Landeplätze‹ vorstellte. 18 Institutionen in 15 Städten und Gemeinden haben in Zusammenarbeit mit den Kunstakademien Nürnberg und Prag je einen jungen Künstler/eine junge Künstlerin ausgewählt und eine Arbeit im Außenraum ihres Gebäudes realisieren lassen. Auch die Kommunen der Donau-Altmühl-Region haben sich zur Zusammenarbeit unter dem Motto ›Kunst im Fluss‹ verabredet. Mit dem Titel ›Paar-Kunst‹ traten in Schwaben die Städte Friedberg, Aichach und Dasing zusammen auf. Kunst im öffentlichen Raum lebt von der Baukunst und ihrer Kritik. Die Bayerische Architektenkammer verlieh 25 Architektenwerken eine besondere Auszeichnung. Unter dem Titel ›KUNSTRÄUME_Raumkunst‹ präsentierten sich diese als besonders gelungen und qualitätsvoll. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler wurden mit Kurzvita im Programmheft und im Internet vorgestellt. Eine Festivalhomepage informierte über alle Veranstaltungen mit Bild, Text, Veranstaltungsdaten und Presseinformationen. Die Organisationszeit betrug zwei Jahre. Förderer waren das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (Kulturfonds Bayern), der Bezirk Mittelfranken, der Bezirk Oberbayern, sowie viele Förderer der Einzelprojekte vor Ort. Partner der Reihe waren u.a. die Akademien der Bildenden Künste in München und Nürnberg, die Bayerische Architektenkammer und viele Künstlervereinigungen. Mehr als 200 Künstlerinnen, Künstler und Künstlergruppen haben ihre Ideen eingebracht und konnten ihre Projekte realisieren. Die Kunst ist in den öffentlichen Räumen der Städte und in den städtischen Gremien sehr präsent gewesen. Dass das Festival wie dargestellt umgesetzt werden konnte, ist vor allem auf folgende Aspekte zurückzuführen: • gemeinsames Thema, • partizipatorische Planung und Umsetzung, • zentrale Koordination und Organisation des Overhead, • diskursive Begleitung des gesamten Projektes.
6 NEBENEINANDER
VON REGIONALEN
NETZWERKEN
Das Gebiet, in dem der AKGK tätig ist, ist sehr groß. Es umfasst räumlich das gesamte Flächenland Bayern. Innerhalb dieses Kulturraums gibt es kleinere regionale Zusammenschlüsse, die intensiv zusammenarbeiten. Neben dem bereits genannten Großraum Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach deckt die Metropolregion Nürnberg mittlerweile mit einer eigenen Arbeitsgruppe ›Kultur‹ den Nordbayerischen Raum ab, im Süden bemüht sich die Metropolregion München um die Schaffung einer entsprechenden Kulturarbeitsgruppe. Das nördliche Oberbayern versucht mit Unterstützung der dort ansässigen Indus-
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trie unter dem Namen IRMA (Initiative Regionalmanagement Ingolstadt) ein eigenes Profil zu gewinnen. In der Oberpfalz hat sich über die Vernetzung von Kunsteinrichtungen ein regionales Kooperationsnetz gebildet, die bereits genannte Kulturkooperative Oberpfalz (KoOpf). Angeregt und unterstützt vom Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit haben schließlich kleinere Kommunen in der Nähe von Augsburg kulturelle Kooperationen begonnen. Zwischen diesen ›Teilregionen‹ und dem AKGK gibt es gemeinsame Schnittmengen und personelle Übereinstimmungen bei gleichzeitiger organisatorischer Unabhängigkeit. Der Arbeitskreis unterstützt die Bildung von kleineren regionalen Zusammenschlüssen, ohne dass es verbindliche Kooperationen gibt. Auch mit anderen regionalen Akteuren, wie den Bezirken, den Landkreisen und den Einrichtungen des Freistaates arbeitet der AKGK zusammen, wobei die Zusammenarbeit freiwillig und flexibel gehandhabt wird und sich nach den Zielen des jeweiligen Kulturprojektes richtet. Regionale Kooperationen, die sich an der räumlichen Aufteilung der Regierungsbezirke orientierten, waren beispielsweise für die Realisierung der Literaturlandschaften Bayerns nötig und sinnvoll. Für das Festival KUNSTRÄUME BAYERN war eine regionale Gliederung in Nord- und Südbayern zweckmäßig. Öffentlich beworben wurden demgegenüber nur solche Teilregionen, die sich gezielt für die KUNSTRÄUME BAYERN gebildet und sich mit einem ›Festival im Festival‹ beworben haben, z.B. in der Oberpfalz die Reihe ›Standpunkte_Landeplätze‹ der Kulturkooperative Oberpfalz, die Reihe ›Paar-Kunst‹ der Städte Aichach, Friedberg und Dasing oder die Reihe ›Kunst im Fluss‹ der Städte Ingolstadt, Neuburg, Eichstätt, Pfaffenhofen und Schrobenhausen (unterstützt von der Initiative Regionalmanagement Ingolstadt).
7 FA Z I T : B A U S T E I N E D E R R E G I O N A L E N Z U S A M M E N A R B E I T I M A R B E I T S K R E I S G E M E I N S A M E K U LT U R A R B E I T B AY E R I S C H E R S TÄ D T E E .V. Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. verfügt über sehr große Kooperationspotenziale, da die Kommunen mit allen Kultursparten befasst sind und vielfältige Vernetzungen herstellen können. Dank des öffentlichen Kulturauftrags haben die Städte offene Ohren und ein erhebliches Interesse, insbesondere in den kulturpolitisch relevanten Bereichen zusammen zu arbeiten. Verlässliche Partner sind das Erfolgsrezept jeder Kooperation. Nützlich ist es, auf bereits bestehenden Strukturen aufbauen zu können. Die Kulturverwaltungen der Städte sind seriöse und sehr effektive Partner. Die Verwaltungen haben den Überblick über die kulturellen Aktivitäten vor Ort und können als Ansprechpartner und Vermittler fungieren. Denn neben den kommunalen und
Christine Fuchs £Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V.
öffentlichen Trägern ist es sinnvoll, auch die freien Veranstalter und Künstler in die Planung einzubeziehen. Art und Umfang der Zusammenarbeit muss sich nach dem konkreten Projekt richten. Die Zusammenarbeit der Kommunen im AKGK beruht auf freiwilliger Basis. Daher funktioniert die Kooperation so lange und so gut als sie nützlich ist. Der Nutzen, den die kulturelle Zusammenarbeit der Städte hervorbringt, lässt sich durch den beliebten Managementbegriff der ›win-win-Situation‹ nur unzureichend beschreiben. Die verschiedenen Städte und Einrichtungen profitieren auf sehr unterschiedliche Weise von der Zusammenarbeit. In der einen Stadt stellt der Werbeerfolg den wesentlichen Nutzen dar, in einer anderen sind es die kulturellen Impulse, die durch die Zusammenarbeit entstehen, in der dritten Stadt profitieren vor allem die vor Ort lebenden Künstlerinnen und Künstler von der Zusammenarbeit, während schließlich in wieder einer anderen Stadt die Zusammenarbeit solidarisch und aus bildungs- sowie kulturpolitischen Zielen motiviert ist. Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. ist eine durchlässige und bewegliche Einrichtung, die sich ständig weiter entwickelt. Seine Mitgliederzahl hat sich seit 2001 von 19 auf 50 Kommunen erhöht. Mit den Projekten reagiert er auf aktuelle kulturelle Themen in den Kommunen. Eine straffe Projektsteuerung, die sich ständig und korrekturbereit im Austausch mit den Kooperationspartnern befindet, vereint ›Topdown‹- mit ›Bottom-up‹-Strategien und lässt die Bildung selbstständiger Teilnetze zu. Die Zusammenarbeit erfolgt unter Einbeziehung aller Kräfte, die sich mit Kultur befassen. Sowohl die öffentlichen als auch die privaten Träger, sowohl Institutionen als auch ›Off-Szenen‹ sind wichtig. Der Arbeitskreis für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte liefert die Stabilität, die für den Erfolg großer Projekte notwendig ist. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler füllen mit ihren Beiträgen die Projekte mit Leben und nicht selten sorgt die freie Szene für Aktualität und verhindert das Erstarren in institutionell verfestigten Strukturen. Die Einbindung der politischen Ebene trägt dazu bei, Ideen voranzubringen und Türen zu öffnen, die operative Ebene schafft die Voraussetzungen, dass sich die Kultur vor Ort bestmöglich entfalten kann. Zusammenfassend lassen sich die folgenden zentralen Bausteine erfolgreicher Kooperation anführen: • verlässliche Partner, • gegenseitiger Nutzen, • Entwicklungsoffenheit, • ›Bottom-up‹- und ›Top-down‹-Strategien, • Kooperation mit allen kulturellen Kräften.
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Ihr Gelingen verdankt eine Kooperation immer dem glückenden Zusammenspiel zwischen engangierten Menschen, guter Kunst, der rechten Zeit und dem rechten Ort. Hierfür kann man Rahmenbedingungen schaffen. Eine kooperative Grundhaltung und ein vernetzendes Denken gehören unverzichtbar dazu.
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K U LT U R L A N D B R A N D E N B U R G – E I N M OTO R F Ü R V E R N E T Z U N G U N D Brigitte Faber-Schmidt
1 K U LT U R L A N D B R A N D E N B U R G –
DA S
K O O P E R AT I O N
PROFIL
Kulturland Brandenburg besteht als Dachmarke des Landes Brandenburg bereits seit dem Jahr 1998. Die Idee war zunächst, anlässlich des Fontane-Jubiläumsjahres die verschiedenen Aktivitäten in der Region zu bündeln und gemeinsam zu kommunizieren, um Brandenburg als ›Kulturland‹ zu profilieren. Im Jahr 2002 wurde der gleichnamige Verein ins Leben gerufen, mit dessen Gründung der Vielfalt der Akteure, die sich mittlerweile an den landesweit ausgerufenen und durch den Museumsverband des Landes koordinierten Themenjahren beteiligten, Rechnung getragen werden sollte. Inzwischen hat sich daraus eine breite Plattform entwickelt, die kulturelle Akteure auf verschiedenen Ebenen miteinander verbindet, diese aber auch an den thematischen und strategischen Schnittstellen zu Bildung, Wissenschaft, Regionalentwicklung und Tourismus vernetzt. Kulturland Brandenburg e.V. ist ein Netzwerk der kulturellen Netzwerke und Verbände. Gründungsmitglieder sind u.a. der Brandenburgische Verband Bildender Künstler, der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg e.V., der Kulturfeste im Land Brandenburg e.V., der Landesverband der Freien Theater, das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, der Museumsverband des Landes Brandenburg, das Brandenburgische Landeshauptarchiv und das Fontanearchiv, die Universität und die Fachhochschule Potsdam, der Arbeitskreis der Kulturverwaltungen im Land Brandenburg, die Tourismus Marketing Brandenburg GmbH und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Aus dem Zusammenhang der Themenjahre seit 2004 traten u.a. die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur/Landesverband Berlin-Brandenburg, die Stiftung St. Matthäus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz und die Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen dem Verein bei. Kulturland Brandenburg konzipiert und organisiert zu einem jährlich wechselnden Thema in Kooperation mit unterschiedlichsten Partnern im Land kulturelle Projekte, insbesondere auch an den Schnittstellen zu Wissenschaft, Wirtschaft/Tourismus und (kultureller) Bildung. Die bisherigen Themen waren: • ›Fontane/Die Zisterzienser in Brandenburg‹ (1998), • ›Brandenburg und das Haus Oranien‹ (1999), • ›Von gestern bis morgen. Stationen der Industriekultur‹ (2000),
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›300 Jahre Preußen‹ (2001), ›Romantik‹ (2002), ›Europa ist hier!‹ (2003), ›Landschaft und Gärten‹ (2004), ›Der Himmel auf Erden – 1000 Jahre Christentum in Brandenburg‹ (2005), ›Baukultur‹ (2006), ›Fokus Wasser‹ (2007), ›Provinz und Metropole | Metropole und Provinz‹ (2008), ›Freiheit. Gleichheit. Brandenburg. Demokratie und Demokratiebewegungen‹ (2009), Das kommende Jahr, 2010, wird unter dem Motto ›Frauen in Brandenburg und Preußen‹ (Arbeitstitel) stehen.
Kulturland Brandenburg lädt Bewohner und Besucher der Region gleichermaßen dazu ein, das kulturelle Erbe und die kulturelle Vielfalt der Region aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu entdecken. Weit über drei Millionen Besucher zogen die vielfältigen Projekte und Veranstaltungen von Kulturland Brandenburg bisher an. Kulturland Brandenburg fördert, unterstützt und qualifiziert die kulturelle Infrastruktur im Land und regt gezielt Kooperationen sowie ressortübergreifende und interdisziplinäre Ansätze an. Kulturland Brandenburg gibt dabei als Dachmarke konzeptionelle Impulse, begleitet Kooperationen inhaltlich, organisatorisch und durch die Akquise von Drittmitteln und bietet die eigene Infrastruktur sowie die eigenen Netzwerke als Plattformen für fachlichen Austausch und Kooperationen an. Durch Vernetzung, Kooperationen und regionale bzw. thematische Verbundprojekte können Synergieeffekte erzielt und Ressourcen gebündelt werden. Darüber hinaus vernetzt Kulturland Brandenburg die Akteure und die Aktivitäten des Landes Brandenburg mit Projekten und Einrichtungen anderer Bundesländer, aber auch international. Schwerpunkte sind dabei das Bundesland Berlin und das europäische Nachbarland Polen. Kulturland Brandenburg profiliert, steuert, koordiniert und begleitet kontinuierlich und strategisch verschiedene Kooperationsprojekte. Hierzu zählen bspw. die ›Tage des Offenen Ateliers‹, das Kulturportal des Landes Brandenburg (vgl. http://www.kul turportal-brandenburg.de), der Arbeitskreis der Kulturverwaltungen im Land Brandenburg und Gartenland Brandenburg e.V., ein Verein zur Förderung der Belange von Parks und Gärten in der Region, der aus dem Themenjahr ›Landschaft und Gärten‹ hervorgegangen ist. Kulturland Brandenburg hat ebenso die Initiative Freiwilliges Soziales Jahr in der Kultur im Land Brandenburg mit angestoßen (vgl. http://www.fsjkultur.de). Darüber hinaus realisiert Kulturland Brandenburg temporäre Projekte und
Brigitte Faber-Schmidt £Kulturland Brandenburg – ein Motor für Vernetzung und Kooperation
Tagungen, die sich thematisch aus der konkreten kulturellen Praxis der Netzwerke und der Themenjahre ergeben. So hat Kulturland Brandenburg in Kooperation mit der Lorenz Tourismusberatung GmbH im Rahmen des von der LASA (Landesagentur für Struktur und Arbeit) Brandenburg ausgeschriebenen INNOPUNKT 14-Projektes unter dem Motto ›Allianzen zwischen Kultur und Wirtschaft‹ ein Qualifizierungsprojekt an der Schnittstelle von Kultur und Tourismus durchgeführt, das mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert wurde. Das Projekt ›Qualifizierungsoffensive und regionale Netzwerkbildung ›Kulturreisen im Land Brandenburg‹ hat in einer Laufzeit von zwei Jahren (September 2005 bis August 2007) durch gezielte Anregung, Initiierung und Moderation von Vernetzung in den Regionen sowie durch ein gezieltes, praxis- und bedarfsorientiertes Qualifizierungsprogramm für kulturelle und touristische Akteure die Entwicklung marktfähiger kulturtouristischer Angebote unterstützt und professionalisiert. Es bedarf oft eines Impulses und einer Moderation von Außen, um auf regionaler und lokaler Ebene Akteure füreinander zu sensibilisieren und zur Zusammenarbeit anzuregen. Im Juni 2007 hat Kulturland Brandenburg im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie des Ministeriums für Wirtschaft des Landes Brandenburg eine Tagung zum Thema ›Kultur und Wirtschaft‹ konzipiert und organisiert, in deren Rahmen der aktuelle Stand des Berichts zur Kulturwirtschaft des Landes vorgestellt wurde, aber insbesondere auch Akteure aus verschiedenen Praxis-, Beratungs- und Förderfeldern ihre Einschätzung zur Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in Brandenburg vorstellen konnten.
2 K U LT U R L A N D B R A N D E N B U R G – FI N A NZ I E R U N G U N D FÖ R D E R U N G Kulturland Brandenburg geht es insbesondere auch darum, ressortübergreifende und interdisziplinäre Ansätze anzuregen und zu fördern sowie Ressourcen zu bündeln. So sollen explizit Verbundprojekte befördert und Vernetzungen in der Region entwickelt werden. Dabei sind die Schnittstellen zwischen Kultur und (kultureller) Bildung, Kultur und Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft sowie Kultur und Tourismus von besonderer Bedeutung. Kulturland Brandenburg stellt dabei sowohl ein kulturpolitisches Steuerungs- und Förderinstrument als auch ein Marketinginstrument des Landes dar. Den ressortübergreifenden und interdisziplinären strategischen Ansätzen des Vereins entspricht die mittlerweile ressortübergreifende Förderung der Themenjahre. So ist neben dem Hauptzuwendungsgeber und strategisch-in-
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haltlichen Partner, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung ein kontinuierlicher sowohl konzeptioneller als auch fördernder Partner der Kulturlandaktivitäten. Themenorientiert beteiligen sich darüber hinaus auch weitere Ministerien und Landeseinrichtungen auf unterschiedliche Weise an der Unterstützung der Kampagnen von Kulturland Brandenburg. Der Ostdeutsche Sparkassenverband ist der Hauptsponsor-Partner für Kulturland Brandenburg. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die lokalen Sparkassen engagieren sich gezielt für einzelne Projekte, die im Rahmen der Themenjahre realisiert werden. Kulturland Brandenburg e.V. ist beliehen und kann zugewendete Mittel des Landes an Dritte weitergeben. In der Regel werden ca. vierzig Projekte aus den zahlreichen Projektanträgen, die bei Kulturland Brandenburg auf der Grundlage eines öffentlichen Aufrufs eingehen, mit fachlicher Unterstützung eines jährlich wechselnden Beirats ausgewählt und durch Kulturland Brandenburg gefördert sowie inhaltlich, organisatorisch, beratend, durch Marketingmaßnahmen und eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, durch Kulturland Brandenburg gefördert zu werden und als Projekt ein Baustein der Themenjahre zu werden. Einerseits gibt es Schwerpunktprojekte, also ›Leuchttürme‹, wie zentrale Ausstellungen und Verbundprojekte, andererseits Einzelprojekte, die mit einer Summe in Höhe von 8000 EUR – quasi als ›Standardförderung‹ – unterstützt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auch ohne finanzielle Förderung als ›assoziiertes Projekt‹ in die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings der Dachmarke einbezogen zu werden. Bei einer Auflage von jeweils 80.000 Exemplaren der halbjährig erscheinenden Veranstaltungskalender, die gezielt und strategisch vertrieben werden, einer gut frequentierten Website und einer gezielten Medienarbeit kein gering zu schätzender Effekt, insbesondere auch für Projekte, die primär durch bürgerschaftliches Engagement getragen werden.
3 P R O J E K T E , P A R T N E R S C H A F T E N , N A C H H A LT I G K E I T Kulturland Brandenburg arbeitet zur Realisierung der Themenjahre mit unterschiedlichsten Partnern zusammen. Öffentliche Einrichtungen, Kommunen, wissenschaftliche Einrichtungen, Vereine, Arbeitsgemeinschaften, Künstlervereinigungen, kirchliche Einrichtungen, touristische Akteure, Landkreise und Gemeinden sowie ihre Einrichtungen stellen ein breites Spektrum für Kooperationen dar. Dabei sind unterschiedlichste Arbeitsfelder und künstlerische Genres involviert. Die Themenjahre und die bei Kulturland Branden-
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burg einbezogenen Netzwerke umfassen vielfältige Veranstaltungsformate u.a. Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Literaturprojekte, Theater-, Tanz- und Filmprojekte ebenso wie Performances, Tagungen, Workshops, Streitgespräche, Rad- und Wandertouren sowie Stadtführungen und Markierungen im öffentlichen Raum. Als besondere Verbündete haben sich in den letzten Jahren beispielsweise der Museumsverband des Landes Brandenburg, die Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen und die Gemeinde Schwielowsee mit unterschiedlichen bürgerschaftlichen Initiativen und Akteuren erwiesen. Die gezielte Unterstützung und Förderung bürgerschaftlichen Engagements stellt ein zentrales Anliegen von Kulturland Brandenburg dar – das ›Gütesiegel‹, zu der Landeskampagne Kulturland Brandenburg zu gehören, kann dazu beitragen, Fördermittel zu akquirieren und Sponsoren zu gewinnen. Immer wieder wird die – berechtigte – Frage gestellt, inwieweit die Themenjahre von Kulturland Brandenburg tatsächlich nachhaltig, also mit Effekten über das Themenjahr und die damit verbundene Präsenz hinaus, wirken. Hierzu einige Beispiele, die belegen, dass es über die Themenjahre gelingt, nicht nur eine regionale Identität zu befördern und ein positives Image von Brandenburg als ›Kulturland‹ nach außen zu vermitteln, sondern ebenso Projekte und Strukturen anzuregen und zu unterstützen, die weit über das einzelne Kampagnenjahr hinaus wirksam sind. Das Themenjahr 2004 ›Landschaft und Gärten‹ war nach der Phase der Umstrukturierung das erste Jahr, in dem der Verein bzw. die Geschäftsstelle das neue Profil und das neue Selbstverständnis als umfassende Plattform für Kooperation und Kommunikation umsetzen und zur Geltung bringen konnte. Dieses Themenjahr hat bewusst den Spannungsbogen zwischen dem historischen Erbe, den vielfältigen hochkarätigen Park- und Gartenanlagen sowie den unbekannteren Kleinodien im Land und den aktuellen Herausforderungen, die mit Landschaft im Wandel und Regionalplanung, verdichtet in der Bergbaufolgelandschaft der Lausitz, verbunden sind, hergestellt. Aus dem Jahr hat sich zunächst eine informelle fachliche Plattform entwickelt, die schließlich 2006 in die Gründung des Vereins ›Gartenland Brandenburg e.V.‹ mündete. Dieser Verein wird durch die Geschäftsstelle von Kulturland Brandenburg koordiniert und betreut, die ebenfalls die Schnittstelle zu dem mittlerweile gegründeten bundesweit agierenden Netzwerk ›Gartennetz Deutschland e.V.‹ darstellt. Somit konnte das Thema Parks und Gärten im Land Brandenburg strategisch weiterentwickelt werden und es ist gelungen, projektorientiert zusätzliche Mittel aus unterschiedlichen Quellen für die Vorhaben des ›Gartenland Brandenburg e.V.‹ zu akquirieren u.a. wurden Vorhaben durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und das Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg gefördert.
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Ein wichtiger strategischer Meilenstein war die Realisierung eines dreitägigen internationalen Gartensymposiums anlässlich des Themenjahres der Deutschen Zentrale für Tourismus 2008, in dem Schlösser, Parks und Gärten im Zentrum des internationalen Marketings für Deutschland standen. Das Symposium ›Parks und Gärten als Kunstwerk – Potenzial und Vielfalt unentdeckter Werte im Land Brandenburg‹ war ein großer Erfolg und fand bei den rund 120 Teilnehmern aus ganz Deutschland, Frankreich, Schweden und den baltischen Staaten überaus positive Resonanz. Gefördert wurde das Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das Ministerium für Wirtschaft sowie das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Jedes Jahr werden insbesondere Verbund- und Kooperationsprojekte gefördert und damit Synergien und die Bündelung von Ressourcen erzielt. Beispiele dafür sind die Verbundprojekte des Museumsverbandes des Landes Brandenburg, in deren Rahmen gemeinsame Marketingstrategien entwickelt werden, oder die Kooperationsprojekte der Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen. Aus der AG Städte mit historischen Stadtkernen mit insgesamt 31 Mitgliedskommunen beteiligen sich zwischen sieben und zwölf Städte an den jeweiligen Kulturlandkampagnen. Es wird ein eigener thematischer Rahmen entwickelt und jede der Städte versucht, einen spezifischen Zugang zu diesem Thema aufzubereiten, der häufig durch Ausstellungen im öffentlichen Raum und ein umfangreiches Begleitprogramm (z.B. Stadtführungen) umgesetzt wird. Parallel wird ein gemeinsames Marketing, abgestimmt auf das Corporate Design und die Marketingmaßnahmen von Kulturland Brandenburg, konzipiert und realisiert. Darüber hinaus greifen die Projekte der AG Städte mit historischen Stadtkernen auf die Kompetenzen der Historischen Fakultät der Universität Potsdam sowie auf Tourismusberatungsunternehmen zurück, um ihre Vorhaben wissenschaftlich zu untersetzen und für eine nachhaltige touristische Vermarktung zu qualifizieren. Auch diese Qualifizierung der Akteure und der über die Themenjahre entwickelten Angebote und Produkte stellt einen wesentlichen Aspekt für die Wirksamkeit der Landeskampagnen dar. In jedem Kulturland-Themenjahr entstehen aus zahlreichen Projekten vielfältige kulturtouristische Angebote und Produkte, die über die Themenjahre hinaus abrufbar sind: Stadtführungen und -führer, thematische Routen, Radtouren und Wanderführer, Markierungen und Ausstellungen im öffentlichen Raum. Darüber hinaus werden zu den Themenjahren immer wieder Wanderausstellungen entwickelt, die z.T. über mehrere Jahre hinweg durch das Land, aber auch in andere Bundesländer oder sogar ins Ausland touren – ein wir-
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kungsvolles Beispiel für Nachhaltigkeit. Ebenso wie das Beispiel eines anderen strategischen Ansatzes, in dem zu den Kulturland-Jahren spezifische, profilierte Ausstellungen konzipiert werden, die dann, zumindest als Bausteine, in die Dauerausstellung eines Museums einfließen, deren Gestaltung so mittelfristig erneuert werden kann.
4 Z U S A M M EN FA SS U N G
UND
AUSBLICK
Das kulturpolitische Konzept von Kulturland Brandenburg ist darauf ausgerichtet, insbesondere auch in einem Flächenland wie Brandenburg, Netzwerke zu befördern, Kooperationen zu initiieren und zu stabilisieren sowie neue Allianzen zwischen unterschiedlichsten Partnern anzuregen. Die Orientierung auf ein jährlich wechselndes Thema ermöglicht es dabei immer wieder anderen Partnern, sich mit einem Projekt einzubringen und an der Jahreskampagne zu beteiligen. Außerdem werden dadurch immer wieder andere Aspekte des historischen Erbes und der kulturellen Vielfalt der Region beleuchtet und ins öf fentliche Bewusstsein gehoben. Die Themenjahre wirken nicht nur im Rahmen des Binnenmarketings identitätsstiftend für die Bewohner der Region, sondern auch werbend nach außen. Die Themenjahre stellen also auch ein Marketinginstrument des Landes dar. Über die Realisierung der einzelnen Projekte hinaus wirken die Themenjahre für die Akteure im Land auch als Plattform für fachlichen Austausch und zur Vertiefung von Kooperationsbeziehungen. Dies stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den kontinuierlich durch die Geschäftsstelle von Kulturland Brandenburg betreuten fachlichen Netzwerken, wie z.B. die ›Offenen Ateliers‹ oder der Arbeitskreis der Kulturverwaltungen dar. Hier entstehen auch fruchtbare Wechselbeziehungen. Zusammenfassend lassen sich folgende positive Effekte der Landeskampagne Kulturland Brandenburg anführen: • Kulturelle Aktivitäten im Land Brandenburg werden zu einem jährlich wechselnden Thema gebündelt, gefördert, vermarktet und unter einer Dachmarke durchgeführt. • Dadurch werden immer wieder neue Blickwinkel auf das kulturelle Erbe und das kulturelle Potenzial der Region ermöglicht sowie unbekannte Kleinode »wieder«entdeckt. • Es werden gezielt Kooperationen angeregt und ressortübergreifende und interdisziplinäre Ansätze befördert. • Durch die Vernetzung werden Synergieeffekte unter den einzelnen Partnern erzielt sowie Ressourcen gebündelt. • Aus temporären Projekten entstehen neue Netzwerke und Initiativen.
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Die Qualifizierung und die Kooperation kultureller und (kultur-)touristischer Akteure werden befördert. Kulturland Brandenburg ist Koordinator, Berater, Moderator und Kommunikator. Durch die Aktivitäten wird das bürgerschaftliche Engagement gefördert.
Für Kooperationspartner ergibt sich daraus folgender Nutzen: • Kulturland Brandenburg gibt konzeptionelle Impulse und begleitet Kooperationen inhaltlich und organisatorisch. • Es werden Infrastruktur und Netzwerke als Plattformen für fachlichen Austausch und für Kooperationen angeboten. • Die Projekte werden professionell unter einer Dachmarke beworben und durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit begleitet. • Durch die vielfältigen Themen werden unterschiedlichste Anknüpfungspunkte für Förderer angeboten. • Der Verein Kulturland Brandenburg e.V. kann zugewendete Mittel des Landes an Dritte weitergeben und damit zahlreiche Projekte im Land Brandenburg fördern. • Als Gütesiegel kann Kulturland Brandenburg dazu beitragen, weitere Fördermittel zu akquirieren und Sponsoren zu gewinnen. Für die Umsetzung eines solchen Konzepts, wie es Kulturland Brandenburg repräsentiert, ist es wichtig, dass dieses mit entsprechenden Ressourcen umgesetzt und ausgestattet wird sowie dass eine weitgehend unabhängige Einrichtung diese Aufgabe übernimmt, die in der Lage ist, möglichst viele Akteure, Verbände und Netz werke zu bündeln und bei divergierenden Interessen ausgleichend zu moderieren. Im Selbstverständnis dieser Einrichtung ist es bedeutsam, dass man die Akteure im Land als gleichberechtigte Partner betrachtet und selbst im einen oder anderen Fall als Dienstleister fungiert. Ebenso gehört es dazu, erst einmal Energie und Kompetenz in eine Idee oder eine Kooperation zu investieren, auch, wenn das Ergebnis noch nicht unmittelbar absehbar ist. Die häufig genutzten Schlagworte ›Netzwerk‹, ›Vernetzung‹ und ›Kooperation‹ sind nur dann etwas wert und zukunftsfähig, wenn die Beteiligten durch eine gemeinsame Idee, eine gemeinsame Aufgabe und am besten durch eine gemeinsame Philosophie verbunden sind. Dies gelingt nur, indem man Prozesse zulässt und auf einen Dialog auf gleicher Augenhöhe setzt. Kulturland Brandenburg sollte ein Seismograph für die gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen im Land sein und flexibel auf aktuelle Themen reagieren, um auch perspektivisch zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Potenziale der Region zu fördern und nach außen zu kommunizieren.
£
REGIONAL GOVERNANCE AM BEISPIEL K U LT U R E L L E R P R O J E K T E I N S TA D T R E G I O N E N Stefan Peters
1 ANLA SS, ZIELSETZUNG
UND
AUFBAU
DES
BEITR AGS
Zwei Themen halten sich in der politisch-administrativen Sphäre beharrlich und erfolgreich: Das erste ist die Stärkung der regionalen Steuerungsebene, die auch als Regionalisierung bezeichnet wird. Besonders in Stadtregionen geht dies einher mit einem Bündel von Aufgaben und Herausforderungen, welche die Gebietskörperschaften allein nicht lösen können. Das zweite ist die Suche nach neuen Wegen der Steuerung für die Region, die nicht zwangsläufig hoheitlich und autoritativ sind und die auch nichtstaatliche Akteure an Beratungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt. Diese Art der Steuerung wird mit dem Begriff der Regional Governance belegt. Beiden Themen geht es darum, positiv auf die Regionalentwicklung und den Wettbewerb der Regionen zu wirken. Im Schatten der bestimmenden Fragen um die regionale Arbeitsebene entwickeln sich kulturelle Projekte immer mehr zu einem festen Bestandteil einer zukunftsgerichteten Regionalentwicklung: Ihnen werden Eigenschaften der räumlichen Bindung von Bürgern, Unternehmen und touristischen Besuchern zugesprochen, auf die Regionen nicht mehr verzichten können. Regional Governance ist ein möglicher Steuerungsansatz, regionale Strategien für die kulturelle Entwicklung zur Umsetzung zu bringen. Die drei Stichworte der Regional Governance, der Stadtregion und der kulturellen Projekte bilden den Rahmen des vorliegenden Beitrags. Folgende Fragen sollen an Praxisbeispielen überprüft und im Fazit diskutiert werden: 1. Wie wirken sich stadtregionale kulturelle Projekte auf die Regionalentwicklung aus? Welche Rolle spielt bei dieser Wirkung Regional Governance? 2. Da weiche Kooperationsmodelle wie Regional Governance ihren Einfluss wesentlich aus der Art ihres Akteursnetzwerkes entwickeln: Welche regionalen Akteure (mit welchen Kompetenzen) kooperieren für kulturelle Projekte? Wie lassen die Akteursstrukturen sich im Sinne des Konzepts von Regional Governance positiv verändern? 3. Da die Leistungsfähigkeit einer Institution auch von ihrer Organisationsstruktur abhängt: Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Organisationsstruktur und Leistungsfähigkeit einer regionalen Kooperation in Bezug auf kulturelle Projekte verbessern? Im folgenden Kapitel 2 werden die wichtigsten Begriffe des vorliegenden Beitrags definiert. Kapitel 3 stellt vier Praxisbeispiele von Regional Governan-
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ce in der Kulturarbeit vor. Dabei geht es auch um die Frage, wie die Praxisbeispiele sich zwischen der Ersterhebung im Jahr 2003 und einem erneuten Interview im Jahr 2009 entwickelt haben.1 Abschließend werden in Kapitel 4 die Ergebnisse der Praxisbeispiele vor dem Hintergrund der drei oben genannten zentralen Fragen ausgewertet.2
2 DEFINITIONEN Die Region wird im vorliegenden Zusammenhang als die mittlere Ebene zwischen Kommunen und dem Nationalstaat definiert. Wie sie im einzelnen weiter abgegrenzt wird, hängt maßgeblich von den Akteuren und deren inhaltlichen Zielen im konkreten Praxisbeispiel ab (zur Herleitung vgl. Peters 2003: 10-12). Für den Begriff von Regional Governance wird eine Arbeitsdefinition herangezogen, die den Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus dem Jahr 2003 wiedergibt: »Regional Governance bezeichnet schwach institutionalisierte, eher netzwerkartige Kooperationsformen [intra]regionaler Akteure für Aufgaben der Regionalentwicklung« (Fürst 2001: 370; eigene Anmerkung) und »Regional Governance beschreibt [.] eine geregelte, dennoch flexible Form kooperativer Politik, welche von den beteiligten Akteuren eine dauerhafte Anpassungs- und Lernfähigkeit verlangt.« (Benz 2001: 58) Definitionsmerkmale sind:
1
Die empirisch gewonnen Daten des vorliegenden Beitrags stammen aus leitfadengestützten Interviews der Jahre 2003 und 2009. Der Leitfaden des Jahres 2003 gliederte sich in 32 Fragen und tangierte Ziele, Organisationsstruktur, Finanzierung und personelle Verflechtungen der Kooperation sowie die persönliche Einschätzung des Interviewpartners. Der Leitfaden für die Überprüfung im Jahr 2009 orientierten an den sechs Jahre zuvor gemachten Aussagen, deren weitere Gültigkeit abgefragt wurde. Schlüsselinterviews fanden mit einer Person in geschäftsführender Funktion innerhalb jeder regionalen Kooperation statt. In zwei der vier Praxisbeispiele fanden 2003 ergänzende Interviews mit zwei bis drei weiteren Personen statt, die die unterschiedlichen Perspektiven auf die Kooperation plastischer herausstellen konnten. Die Überprüfung 2009 bezog sich nur auf die Interviewpartner in geschäftsführender Funktion. Die Interviews im Jahr 2003 fanden hauptsächlich persönlich statt, im Jahr 2009 auf telefonischem Wege.
2
Dieser Beitrag basiert in wesentlichen Teilen auf der gleichnamigen Diplomarbeit des Verfassers an der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund im Jahr 2003. Die Verweise auf den Stand der wissenschaftlichen Diskussion beziehen sich daher auf das Jahr 2003.
Stefan Peters £Regional Governance am Beispiel kultureller Projekte in Stadtregionen
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eine Form von Selbstorganisation (vgl. Rhodes 1997: 15); Beteiligung von Akteuren aus den drei Sphären von Staat, Markt und Gesellschaft (vgl. Butzin 2000: 159); Interdependenz und Ressourcenabhängigkeiten der Akteure (vgl. Rhodes 1997: 15); Zusammenarbeit in Verhandlungsprozessen durch ein System von Regeln, Normen, Konventionen förmlicher und/oder ungeschriebener Art (vgl. Rhodes 1997: 15); Umsetzung in politischen Handlungssystemen (vgl. Rhodes 1997: 15); Akteure sind nur mit einem Teil ihrer Tätigkeit in regionalen Organisationen aktiv. Leitung durch ein System von Regeln, Normen, Konventionen förmlicher und/oder ungeschriebener Art (vgl. Rhodes 1997: 15); die Region ist kein Gebiet, das Kompetenzgrenzen festlegt, sondern ein Funktions- und Handlungsraum (vgl. Benz 2001: 58); Regional Governance impliziert kein bestimmtes Organisationsmodell, definiert auch kein bestimmtes Planungs- oder Steuerungskonzept (vgl. Benz 2001: 57).
In der vorliegenden Arbeit geht es um kulturelle Projekte im Gegensatz zur fortdauernden Kulturarbeit. Projekte sollen in Anlehnung an Häußermann/ Siebel als thematisch, zeitlich und finanziell, nicht selten auch personell gebundene Vorhaben innerhalb eines größeren Kontextes definiert werden (vgl. Häußermann/Siebel 1993: 9f.). Die inhaltliche Abgrenzung über die Art der Kultur bei der Betrachtung kultureller Projekte für die vorliegende Arbeit folgt einer Untersuchung im Rahmen der Kulturfinanzstatistik. Auf der Grundlage eines Vergleichs zahlreicher nationaler und internationaler statistischer Abgrenzungen hat der Freistaat Sachsen eine Systematisierung entwickelt, die sich an den öffentlich geförderten Sparten der Kultur orientiert (im Detail vgl. Söndermann 2003: 387). Die Praxisbeispiele dieses Beitrags werden in ein vierstufiges Phasenmodell weicher Kooperationen nach Fürst eingeordnet: In der Startphase herrscht noch relatives Misstrauen. Die Akteure verhalten sich zum Teil noch abwartend. In der Entwicklungsphase werden erste Erfolge sichtbar, was das Engagement erhöht und Bedenken zunächst abbaut. In der Sättigungsphase wird die Kooperation zur Routine. Die Endphase kann sich in zwei Richtungen entwickeln: Entweder hat die Kooperation sich überlebt und läuft aus oder sie hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass sie institutionell stabilisiert und weitergeführt wird (vgl. Abbildung 1 und Fürst 1999: 357).
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Abbildung 1: Vierstufiges Phasenmodell nach Fürst
Quelle: eigene Darstellung nach Fürst 1999: 357
3 PR A XISBEISPIELE Die Praxisbeispiele sollen Regional Governance im Kulturbereich möglichst facettenreich widerspiegeln. Daher wurden vier Beispiele freiwilliger Kooperation mit unterschiedlichen räumlichen und organisatorischen Ausgangsbedingungen untersucht. Gemeinsam ist ihnen die freiwillige Form der Zusammenarbeit mit dem Ziel des Anstoßens kultureller Projekte, die auf regionaler Ebene umgesetzt werden. Drei der vier Beispiele liegen in Stadtregionen. Wegen der interessanten Organisationsform wurde zusätzlich eine ländliche Region in die Untersuchung aufgenommen. Praxisbeispiele ausfindig zu machen, in denen nichtstaatliche Akteure an der Entscheidungsfindung partizipieren, stellte sich als schwierig heraus. Auch deshalb wurde eine ländliche Region in die Untersuchung aufgenommen. Drei der Fallbeispiele liegen in Nordrhein-Westfalen, was nichts über die bundesweite Streuung von Kooperationen aussagt, sondern zufällig bedingt ist. Um zu überprüfen, welche Auswirkungen das Fehlen eines gemeinsamen (Förder-)Rechtsrahmens auf eine Kooperation haben, wurde ein grenzüberschreitendes Beispiel in die Untersuchung aufgenommen. Im Folgenden geht es um die Klärung der Frage, ob und wie Regional Governance unter variierenden organisatorischen und gesetzlichen Voraussetzungen sowie mit differierenden Akteursspektren funktioniert. 3.1
Kultur Ruhr GmbH
Die Kultur Ruhr GmbH entstand 1997 aus der Zusammenarbeit zwischen dem Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (IBA) und dem Verein Pro Ruhrgebiet (vgl. Rose 1997: 40). Ihr wichtigstes Instrument war die Vergabe von Fördermitteln im Rahmen der regionalen Kulturpolitik NRW. Im Jahr 2001 beendete die Kultur Ruhr GmbH ihre Tätigkeit. Zwar blieb die
Stefan Peters £Regional Governance am Beispiel kultureller Projekte in Stadtregionen
Organisation auch anschließend bestehen, widmete sich jedoch anderen Aufgaben. Aus diesem Grund wurde für den vorliegenden Beitrag nur die Arbeit der sogenannten ›alten‹ Kultur Ruhr GmbH 1997-2001 betrachtet. Sie steht als Beispiel für eine stark institutionalisierte, aber freiwillige Form der Kooperation mit einer hohen Anzahl an der Entscheidungsfindung beteiligter Akteure.3 3.1.1 Hintergrund, Ziele und Handlungsfelder Aufgabe der Kultur Ruhr GmbH war die kulturelle Profilschärfung des Ruhrgebiets im Rahmen der Regionalen Kulturpolitik NRW. Aus den Zielen der Regionalen Kulturpolitik NRW entwickelte die Kultur Ruhr GmbH drei Arbeitsschwerpunkte (vgl. KupoGe et al. 2000: 10f.): • Profilierung des Ruhrgebiets nach innen und außen durch die Förderung von zeitlich und inhaltlich herausragenden Kulturereignissen; • Unterstützung des Strukturwandels durch vernetzende und strukturbildende Maßnahmen, welche die regionalen Kräfte bündeln; • Sicherung der kulturellen Grundversorgung.
Innerhalb der Organisation führte der erste Schwerpunkt zu zwei unvereinbaren Interpretationen: Auf der einen Seite standen Vertreter, die den kulturell eigenständigen Charakter des Ruhrgebiets über vernetzende und strukturbildende Maßnahmen fördern und damit ein international sichtbares Profil bilden wollten (›Netzwerkstrategie‹). Auf der anderen Seite standen Akteure mit dem Wunsch, schwerpunktmäßig über externe Künstler internationale Aufmerksamkeit für das Ruhrgebiet zu erreichen (›Highlightstrategie‹). Bedingt durch die enorme Größe des Aufsichtsrats war es nicht möglich, dieses fundamentale Missverständnis einvernehmlich zu beseitigen (vgl. KupoGe et al. 2000: 20-23). Die thematischen Handlungsfelder der Kultur Ruhr GmbH bestanden aus den Bereichen Theater, Musik, Tanz, Landmarken, Geschichtskultur, ›freies Feld‹ und Marketing. Das ›freie Feld‹ umfasst den Bereich der Soziokultur und freien Kulturszene. Es stellt eine ausdrückliche Beteiligung freier Träger der regionalen Kulturarbeit dar (vgl. KupoGe et al. 2000: 13f.). Das Gesamtvolumen für Verwaltung und Förderung der Kultur Ruhr GmbH lag zwischen 1998 und 2000 bei durchschnittlich 5,1 Mio. EUR jährlich. 85 Prozent der Mittel stammten vom Land Nordrhein-Westfalen, ergänzt um Eigenmittel und um Fördermittel des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (vgl. KupoGe et al. 2000: 16). 3
Soweit nicht anders angegeben, stammen die Angaben von Bernhard Rechmann, Verwaltungsleiter und ehemaliger Geschäftsführer der Kultur Ruhr GmbH.
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3.1.2 Organisatorischer Rahmen Die Kultur Ruhr GmbH war eine Gesellschaft öffentlichen Rechts. Ihre Gesellschafter waren der Kommunalverband Ruhrgebiet (heute Regionalverband Ruhrgebiet), der Verein Pro Ruhrgebiet und bis Oktober 1999 die Internationale Bauausstellung Emscherpark (vgl. KupoGe et al. 2000: 13). Das beschlussfassende Gremium war der aus 24 Personen bestehende Aufsichtsrat. Die Mitglieder des Aufsichtsrats wurden von den Gesellschaftern entsprechend ihres Proporzes entsandt und stammten aus der Lokalpolitik, Kulturinstitutionen und Wirtschaft. Etwas mehr als die Hälfte der Mitglieder im Aufsichtsrat verfügte über einen kulturpolitischen oder kulturfachlichen Hintergrund. Der Aufsichtsrat tagte unregelmäßig in ein- bis fünfmonatigen Abständen (vgl. KupoGe et al. 2000: 14). Debatten im Aufsichtsrat waren stark von Verteilungskonflikten geprägt. Die Debatte um die sachliche Ausrichtung der regionalen Kulturpolitik stand laut Rechmann eher im Hintergrund. Maßgeblich für die Entscheidung war in der Regel das Votum des sogenannten Moderators (fachlicher Berater innerhalb der Kultursparte). Um Rechtswirksamkeit zu erlangen, mussten Projektentscheidungen vom Land NRW bestätigt werden. Dem Aufsichtsrat arbeiteten die sogenannten Mentoren und die sogenannten Moderatoren zu. Diese erarbeiteten Projektstellungnahmen mit gutachterlichem Charakter, was die Fachlichkeit der Aufsichtsratsentscheidungen verbessern sollte. Als institutionelle Besonderheit bildete sich in der Kultur Ruhr GmbH ein informeller Arbeitskreis der Aufsichtsratsmitglieder, der allen Mitgliedern offen stand und die Sitzungen inhaltlich vorbereitete. Für die Entscheidungsvorbereitung spielte er eine entscheidende Rolle (vgl. KupoGe et al. 2000: 14). Rechmann hebt als das Grundsätzliche einer institutionalisierten Kooperation in der GmbH die gesetzlichen Regularien hervor, auf welche die Arbeit der Kooperation sich als sichere Grundlage berufen könne. Die Rivalität der Städte sei so tief verwurzelt gewesen, dass eine rein informelle Zusammenarbeit nicht funktioniert hätte. 3.1.3 Akteursnetzwerk Die Kommunen waren auf dreifache Weise indirekt, nie aber direkt in die Entscheidungen der Kultur Ruhr GmbH einbezogen. Sie konnten sich vom KVR in den Aufsichtsrat entsenden lassen, über die Kulturbeigeordnetenkonferenz des KVR die Position des KVR in den Sitzungen vorbereiten und waren meist ausführende Kräfte eines Kulturprojekts. Vertreter des Landes nahmen an den Sitzungen des Aufsichtsrats teil, so dass eine intensive Informationsund Beratungsverflechtung bestand. Dass das Land die Entscheidungen der Kultur Ruhr GmbH bestätigen musste, diese also nicht autonom agieren
Stefan Peters £Regional Governance am Beispiel kultureller Projekte in Stadtregionen
konnte, empfanden zahlreiche Aufsichtsratsmitglieder als einschränkend (vgl. KupoGe et al. 2000: 34). Private Akteure berieten die Kultur Ruhr GmbH in geringer Anzahl durch das Gesellschaftertum des Vereins ›pro Ruhrgebiet‹ und verfügten auch über Stimmrecht. Der ›freies Feld‹ genannte dritte Sektor verfügte über einen eigenen Arbeitskreis mit Moderator und einen ihm zugeordneten Mentor, über den die freie Kulturszene Positionen an den Aufsichtsrat weitergeben konnte. Stimmrecht erwuchs daraus nicht. Weitere Verknüpfungen außerhalb der politischen Sphäre wurden vermieden, um die demokratische Legitimation der Aufsichtsratsentscheidungen nicht zu gefährden. 3.1.4 Zwischenfazit Die Kultur Ruhr GmbH hat aus Sicht interner wie externer Akteure fundamentale Schwächen in der Organisations- und Entscheidungstransparenz gezeigt (vgl. KupoGe et al. 2000: 35-37). Die Arbeit wurde von der gegenseitigen Konkurrenz der Ruhrgebietsstädte bestimmt, welche die einvernehmliche Entscheidungsfindung aus Sicht von Rechmann stark eingeschränkt hat. Die Größe des Aufsichtsrats und die Entwicklung der Arbeit in der Kultur Ruhr GmbH erwecken den Eindruck, als habe die Kooperation die Arbeit ohne eine vertrauensbildende ›Startphase‹ begonnen, wodurch eine wichtige Grundlage der langfristigen kooperativen Arbeit von Anfang an fehlte. Die schwache Einbeziehung der kommunalen Akteure in die Projektentscheidungen der Kultur Ruhr GmbH wurde innerhalb der Organisation nicht als demokratischer Mangel wahrgenommen. Im Gegenteil wurde die Frage aufgeworfen, ob überregional bedeutsame Projekte möglicherweise vor allem durch die Auslassung der kommunalen Ebene mit ihren interkommunalen Konflikten besser zu verwirklichen seien (vgl. KupoGe et al. 2000: 29f.). 3.2
Rheinland AG
Die Rheinland AG ist eine kulturpolitische Arbeitsgemeinschaft der vier größten Städte des Rheinlandes mit zusammen rund 2,4 Mio. Einwohnern. Die Kulturdezernenten der Städte Bonn, Köln, Düsseldorf und Duisburg entwickeln gemeinsam Strategien in Fragen regionaler kultureller Projekte (vgl. MSWKS 2001: 12) und bilden die vom personellen und institutionellen Umfang her kleinste Kooperation in der vorliegenden Arbeit. Beim Vergleich der Jahre 2003 und 2009 manifestierte sich die stärkste Veränderung aller untersuchten Kooperationen. Sie existiert heute nur noch auf dem Papier. 4 4
Sofern nicht anders vermerkt, bezieht sich die Darstellung der Rheinland AG auf Aussagen ihres Geschäftsführers Roderich Stumm.
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3.2.1 Hintergrund, Ziele und Handlungsfelder Die Rheinland AG entwickelte sich 1998/99 aus einem losen Verbund der Kulturdezernenten der Städte Bonn, Köln, Düsseldorf und Duisburg. Sie arbeitet auf rein freiwilliger und informeller Basis und bezieht sich auf ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen den Akteuren. Ziel ist es, die gemeinsame Kulturpolitik in der Rheinschiene zu verbessern. Die Rheinland AG betrieb Projektförderung von städtischen und regionalen Spitzenevents innerhalb der vier Mitgliedsstädte in den Bereichen Bildende Kunst, Musik, Tanz, Theater, Film und Literatur. Sie führte die Projekte nicht selbst durch, sondern delegierte sie an städtische, in Einzelfällen auch andere Institute. In den Jahren 1999-2002 wurden einige namhafte Events angestoßen. Die Finanzierung erfolgte in erster Linie über die städtischen Kulturetats, in denen zwischenzeitlich für die Arbeit der Rheinland AG feste Mittel eingestellt waren. 3.2.2 Organisatorischer Rahmen Die Rheinland AG besteht aus zwei Runden, die sich aus den Kulturdezernenten bzw. den Kulturamtsleitern zusammensetzen (vgl. MSWKS 2002: 17). Inhaltliche Impulse können von beiden Runden oder von außerhalb in die Rheinland AG eingebracht werden. Das beschlussfassende Gremium der Rheinland AG ist die Gruppe der Kulturdezernenten, die konsensual entscheidet. An der Durchführung von Projekten müssen sich nicht alle Städte beteiligen, so dass ein umfassender Konsens nicht zwingend notwendig ist, um ein Projekt zu realisieren. Davon konnte die Rheinland AG profitieren. Die Kulturdezernenten der Rheinland AG treffen sich in unregelmäßigen Abständen alle ein bis sechs Monate. Die Häufigkeit hing von der aktuellen Agenda und der Motivation der Akteure ab. Gegenwärtig finden dementsprechend keine Treffen mehr statt. Die dargestellte Organisationsstruktur charakterisieren vier zentrale Eigenschaften: • Flexibilität in Bezug auf Themen, kurzfristige Termine, neue Gesprächspartner, • informelle Kommunikationsprozesse, • Abhängigkeit vom Engagement der Beteiligten, • geringstmöglicher Institutionalisierungsgrad. 3.2.3 Kulturelle Projekte, Kulturmarketing und Regionalentwicklung Um das kulturelle Profil der Region signifikant zu verbessern, sieht Stumm es als vorteilhaft an, die verfügbaren Ressourcen in die Förderung kultureller Projekte der einzelnen Städte zu investieren und diese aufeinander abzu-
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stimmen. Der Vorteil dieser Strategie liege darin, dass die Partnerstädte ihr eigenes Angebot ausbauen können, ohne sich dem Mantel der Region unterordnen und ihre städtische gegenüber einer regionalen Identität zurückstellen zu müssen. Dieses Verfahren diene auch den Kulturnutzern, die sich mit der eigenen Stadt stärker identifizieren könnten als mit der Region. Fundamentalere Herausforderungen als der Aufbau des regionalen kulturellen Angebots sah Stumm beim Interview im Jahr 2003 in der Glättung von Raumüberwindungshindernissen durch z.B. die überörtliche Verfügbarkeit von Eintrittskarten (regionales Ticketing) oder eine reibungslose Erreichbarkeit von Veranstaltungsorten anderer Städte (Öffentlicher Nahverkehr). Beides seien Hürden, die bisher einen stadtgrenzenüberschreitenden Veranstaltungsbesuch erschwerten und regionale Festivals in der Rheinschiene behinderten. 3.2.4 Akteursnetzwerk Die Arbeit der Rheinland AG ist bzw. war fest in der kommunalen Kulturpolitik verwurzelt, weil alle ihre Akteure auch zugleich kommunale Kulturpolitiker sind. Reibungsverluste bei der Projektrealisierung gibt es insofern nicht, als dass alle regionalen Projekte über eine direkte Abstimmung mit und Einbindung in den kommunalen Kontext erfahren. Vertreter des Landes nahmen in den Anfangsjahren der Rheinland AG an den Treffen der beiden Runden in der Rheinland AG teil. Systematische Beziehungen oder eine strategische Zusammenarbeit mit der freien Kunst- und Kulturszene bestehen nicht. Ein Hindernis ihrer Einbeziehung bestehe primär darin, dass der dritte Sektor meist in sehr kleinen Gruppen organisiert sei, die keine gleichwertigen Gesprächspartner für die Städte darstellten. Systematische Beziehungen oder eine strategische Zusammenarbeit mit Akteuren der Privatwirtschaft (vor allem private Veranstalter) bestehen nicht. 3.2.5 Entwicklung 2003-2009 Im ersten Interview im Jahr 2003 diagnostizierte Stumm bei der Rheinland AG eine Ruhephase. Es fehlte ein inhaltlicher Impuls, der dem Bündnis nach einem Projektausfall im Jahr 2002 eine neue Richtung geben konnte. Wegen der guten Tradition der Kooperation stufte Stumm die Ruhephase allerdings als vorübergehend ein. Beim Interview 2009 zeigte sich, dass keine weiteren Impulse gefolgt waren. Ideen wie das erwähnte regionale Ticketing wurden nicht weiter verfolgt. Regelmäßige Treffen fanden nicht mehr statt. Der Versuch, einen erneuten Sitzungsturnus zu starten, schlug fehl. Infolgedessen entfiel auch die Zusammenarbeit der Rheinland AG mit kulturpolitischen Vertretern des Landes. Die Kooperation ruht seit 2003 und ist daher der ›Endphase‹ im Sinne des Phasenmodells weicher Kooperationen zuzuordnen. Die Gründe sieht Stumm im personellen, aber nicht im zwischenmensch-
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lichen Bereich. So sei die Stimmung zwischen den Kulturdezernenten und Kulturamtsleitern der vier Städte weiterhin ausgezeichnet. Es gebe weiterhin Kooperationen zwischen den Kulturdezernaten und Kulturämtern einzelner Städte, besonders zwischen den AG-Mitgliedern Köln und Düsseldorf. Personelle Wechsel und Vakanzen bei Mitgliedern der Rheinland AG hätten jedoch die Kontinuität der Treffen der vier Städte unterbrochen. 3.2.6 Zwischenfazit In der Rheinland AG bedeutet Regional Governance vor allem Netzwerkpflege. Die Rheinland AG ist klein, flexibel und von engen persönlichen Kontakten geprägt. Sie agiert ausschließlich aus intrinsischen Beweggründen. Während dies in der ersten Phase bis 2002 auch Projekte mit regionsweiter Ausstrahlung zur Folge hatte, fehlten später Handlungsimpulse, so dass die Gruppe heute nur noch auf dem Papier existiert. Nichtstaatliche Akteure hätten neue Akzente setzen können. Hier wäre jedoch die Bereitschaft zur konzeptionellen Erweiterung des funktionierenden persönlichen Netzwerks erforderlich gewesen. Die Rheinland AG selbst hat die ›Endphase‹ erreicht. Dass die Mitglieder in anderen Konstellationen weiterhin kooperieren, zeigt auf, wie fließend weiche Kooperationen sein können. Wo institutionelle Formen fehlen, bedeutet das Scheitern der einen Gruppe nicht zwangsläufig das Scheitern der Idee, sondern unter Umständen nur den Übergang in eine andere personelle oder inhaltliche Konstellation. 3.3
MAHHL-Kulturkommission
In der Euregio Maas-Rhein (EMR) kooperieren die fünf großen Städte Maastricht, Aachen, Heerlen, Hasselt und Lüttich (MAHHL) in verschiedenen Bereichen der Stadt- und Regionalentwicklung, so auch in der Kultur. Sie stellten 2003 750.000 der insgesamt 3,7 Mio. Einwohner großen Euregio Maas-Rhein. Die MAHHL-Kulturkommission dient im vorliegenden Beitrag als Beispiel für eine grenzüberschreitende Form der regionalen kulturellen Zusammenarbeit.5
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Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Aussagen von Paul Lambrechts (2003 Koordinator der Kulturkommission und Senior Advisor for Arts and Culture to the City of Maastricht), Olaf Müller (2003 Beauftragter der Stadt Aachen für die MAHHL-Kulturkommission), Thomas Fiedler (2009 Beauftragter der Stadt Aachen für die MAHHL-Kulturkommission) sowie Manfred Bausch (INTERREG-Manager der Region Aachen).
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3.3.1 Hintergrund, Ziele und Handlungsfelder Die MAHHL-Kooperation wurde Anfang der 1990er Jahre als Reaktion auf eine als unzureichend empfundene Arbeit der Euregio Maas-Rhein gegründet. In diesem Zuge entstand auch die Kulturkommission. Von der Anfangsphase abgesehen lag die Arbeit lange Zeit brach und wurde 2001 reaktiviert. Strukturell und inhaltlich befand die Kulturkommission sich zum Zeitpunkt der ersten Interviews im Jahr 2003 in der Startphase weicher Kooperationsmodelle. Die Kommission hatte gemeinsame Ziele, aber noch keine gemeinsamen Projekte entwickelt. Die Ziele der MAHHL-Kooperation stimmen mit denen der Euregio MaasRhein überein: Die fünf Städte wollen durch ein gemeinsames Auftreten einen Austausch der Bewohner untereinander schaffen. Der kulturelle Bereich spielt dabei eine besondere Rolle. Die Kulturkommission verfolgt vier Ziele: • Ausbau des Informationsnetzes zwischen den MAHHL-Städten in den Bereichen Kunst, Kultur und Kulturtourismus; • Stärkung der Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit für überregionale Festivals in den MAHHL-Städten; • kulturelle Zusammenarbeit über gemeinsame Projekte, z.B. im Museumsbereich; • Vernetzung der (Kunst-)Hochschulen im Bereich der MAHHL-Städte.
Die Vernetzung genießt in der Kulturkommission Vorrang vor der Organisation eigener Veranstaltungen. Als Aspekte der Vernetzung nannte Lambrechts 2003: • Internetauftritte der MAHHL-Städte und die Berichterstattung in Printmedien über kulturelle Aktivitäten der MAHHL-Kooperation sollten verstärkt werden. • Ein wöchentliches Kulturmagazin in regionalen Fernsehkanälen sollte über regionale kulturelle Festivals und Ereignisse berichten. Handlungsfelder der MAHHL-Kooperation sind alle Bereiche kultureller Projekte im Sinne dieses Beitrags, wobei die gegenseitige Vernetzung durch Information, Ticketing und Marketing vorrangiges Interesse genießt. Ein Budget für kulturelle Projekte der Kulturkommission gibt es nicht. Als großes Ziel im Projektbereich stellte Lambrechts 2003 die Schaffung einer regionalen Kulturintendanz für die gesamte Euregio Maas-Rhein heraus, die das kulturelle Profil der Region entwickeln solle. Für das Folgejahr 2004 beabsichtigte die Kulturkommission die Herausgabe einer Publikation kulturtouristischer Reiseziele innerhalb der Euregio Maas-Rhein. Am Ende einer mehrjährigen Kooperation könne zudem ein großes Kulturfestival sowie euregionales Ticketing stehen. Hilfreich für die kontinuierliche Arbeit der MAHHL-
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Städte wäre aus Sicht von Lambrechts 2003 zudem die Einrichtung eines ständigen kulturpolitischen Sekretariats der Kulturkommission. Es könne die Koordinations- und Informationsaufgaben systematischer ausführen als die bisherige Koordination über Beauftragte der Städte. 3.3.2 Organisatorischer Rahmen Das Lenkungsgremium für die Kooperation der MAHHL-Städte sind deren Oberbürgermeister. Innerhalb der MAHHL-Kooperation gibt eine operationale Ebene, die aus mehreren Arbeitsgruppen besteht. Eine dieser Arbeitsgruppen ist die Kulturkommission. Sie trifft sich seit 2001 halbjährlich. Die Kulturkommission besteht aus den fünf Kulturdezernenten der Mitgliedsstädte sowie den ersten Verwaltungsbeamten im Bereich der Kultur. Die Kulturkommission kann in einem Rahmen eigenständig entscheiden, der den Kulturdezernenten nach den kommunalrechtlichen Regularien der Mitgliedsstädte zusteht. Entscheidungen werden in den Arbeitsgruppen und der Lenkungsgruppe nur konsensual getroffen. Die Mitgliedsstädte der Kommission müssen nicht stets gemeinsam agieren, sondern können auch bi- oder trilateral Projekte anstoßen. Diese Flexibilität hat sich als sehr hilfreich erwiesen, weil auf diese Weise eine Entscheidungsblockade einzelner Städte umgangen werden kann. Die MAHHL-Kooperation unterliegt nicht den Regularien einer Rechtsform, sondern handelt rein aus endogenem Antrieb. Die Arbeitsgrundlage bilden der inhaltliche Antrieb und das Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis der beteiligten Akteure untereinander. Dieses wurde 2003 und 2009 als sehr gut bezeichnet. Lambrechts bewertet die Organisationsstruktur der Kulturkommission 2003 als positiv. Ideen seien flexibel umsetzbar und nicht an formale Entscheidungshürden geknüpft. Der größte Nachteil bestehe darin, dass eine rein informelle Kooperation wie die Kulturkommission über keine eigenen Mittel verfüge, was die Umsetzung einer regionalen Strategie für kulturelle Projekte verlangsame. Weiterhin stufte er den halbjährlichen Rhythmus der Treffen als zu selten ein. 3.3.3 Kulturelle Projekte, Kulturmarketing und Regionalentwicklung Wenn die überregionale Bekanntheit einer Region und ihr regionales kulturelles Profil verbessert werden soll, kommt dem Tourismus aus Sicht aller befragten Akteure 2003 eine große Bedeutung als Trägerstruktur zu. Diese könne innerhalb der Region und über diese hinaus auf kulturelle Angebote aufmerksam machen. Daher könne die Zusammenarbeit von Kultur und Tourismus Vorteile erbringen und solle verstärkt gefördert werden. Die Kulturkommission selbst könne nach den Worten Lambrechts jedoch zur regionalen kulturellen Profilierung kaum etwas beitragen. Neben der Ideenentwicklung
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fehlten für die Realisierung die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Hier mache sich bemerkbar, dass alle Mitglieder der Kulturkommission auch zugleich vollzeitlichen Verpflichtungen in den Heimatstädten nachkommen müssen. 3.3.4 Akteursnetzwerk Die MAHHL-Kooperation stützt sich vor allem auf die Zusammenarbeit der Oberbürgermeister und ihre Arbeitsgruppen. Einen Austausch zwischen Kulturkommission und der Arbeitsgruppe (AG) der Oberbürgermeister innerhalb der MAHHL-Kooperation findet nicht statt. Die engste Verknüpfung besteht zwischen der MAHHL-Kooperation und der kommunalen Ebene der Mitgliedsstädte. Zwischen der Kulturkommission und Stellen der Landesverwaltung gibt es keine strategische Zusammenarbeit. Die Zusammenarbeit mit weiteren Stellen innerhalb des Gebietszuschnitts der Euregio Maas-Rhein ist schwach ausgeprägt. Während mit der Euregio MaasRhein Beratungs- und Informationsbeziehungen unterhalten werden, besteht mit der Regio Aachen und den Provinzverwaltungen praktisch gar keine Beziehungen. Eine systematische Zusammenarbeit mit kulturellen Vertretern des dritten Sektors auf der Ebene der MAHHL-Kulturkommission gibt es nicht. Diese Kontakte liegen, soweit vorhanden, auf der kommunalen Ebene. Der Bereich der privaten Wirtschaft ist in die strategischen Überlegungen der Kulturkommission ebenfalls nicht eingebunden, um der Gefahr der Vorteilsnahme zu begegnen. 3.3.5 Entwicklung 2003-2009 Die MAHHL-Kulturkommission setzte ihre Arbeit in halbjährlichen Treffen zwischen 2003 und 2009 fort. Die im Jahr 2003 geplanten Projektideen einer kulturtouristischen Publikation, einer regionalkulturellen Intendanz, einem ständigen Sekretariat und des euregionalen Ticketings wurden nicht umgesetzt. Die gewünschte Intensivierung der Berichterstattung im Radio und in regionalen Fernsehformaten hat nicht stattgefunden. Stattdessen dominiert innerhalb der MAHHL-Kooperation die Kulturhauptstadtbewerbung der Stadt Maastricht für das Jahr 2018. Maastricht bewirbt sich stellvertretend für die Städte der Euregio Maas-Rhein, weshalb die MAHHL-Mitglieder erhebliche Hoffnungen mit einem erfolgreichen Abschneiden verknüpfen. Die Mithilfe bei der Ausgestaltung des Kulturhauptstadt-Antrags findet in einem größeren Rahmen als dem der Kulturkommission statt, so dass die kulturpolitische Interessenvertretung der MAHHL-Städte in den Hintergrund getreten ist. Fiedler bewertet die Kulturkommission 2009 dennoch weiterhin als wichtige Instanz. Die Arbeitsatmosphäre sei ausgezeichnet und
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die gemeinsame Bewerbung als Kulturhauptstadt eine Chance für alle Mitgliedsstädte innerhalb und außerhalb der Kommission. 3.3.6 Zwischenfazit Die Kulturkommission ist eine reine Verwaltungs-Kooperation ohne Ambitionen zur Beteiligung des privatwirtschaftlichen oder dritten Sektors. Gegenüber dem Jahr 2003 hat sie sich anders entwickelt als geplant. An die Stelle der eigenen Ziele von Informationsvernetzung, Sekretariat, Intendanz, euregionalem Ticketing und Kulturfestival ist die Perspektive auf die Bewerbung Maastrichts als Kulturhauptstadt Europas 2018 getreten. Die Kooperation befindet sich damit weiterhin in der Entwicklungsphase: Die Gruppe baut sich eine Basis auf, aber erste Ergebnisse fehlen noch. Bei beiden Interviews wurde die vertrauensvolle Zusammenarbeit der MAHHL-Städte und die in der Zukunft liegenden Ziele in den Vordergrund gestellt. Es ist also wichtiges Potenzial vorhanden, ohne das die Kulturkommission sich nicht entwickeln kann. Bei kritischer Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Entwicklung einer Idee maßgeblich von vorhandenen Geldmitteln abhängt. Ein fehlendes Budget war 2003 eines der Kernprobleme der Kulturkommission. Da dieser Mangel sich offenbar nicht überwinden ließ, orientierten die Mitglieder der Kommission sich auf die größere Projektidee der (von anderer Stelle finanzierten) Kulturhauptstadtbewerbung und ließen die eigene Arbeit in den Hintergrund treten. Es wird deutlich, dass die Kraft, eigene Themen zu setzen und zum Erfolg zu bringen, bei rein freiwilligen Kooperationen ohne Budget außerordentlich begrenzt ist. 3.4
Landschaftsverband Südniedersachsen
Der Landschaftsverband Südniedersachsen e.V. (LVS) ist in einem ländlich strukturierten Gebiet aktiv und wird in der vorliegenden Untersuchung wegen seiner Organisationsform betrachtet. Er ist als eingetragener Verein organisiert und hatte vor 2003 die Verwaltung der niedersächsischen Landesfördermittel im Kulturbereich im Rahmen eines Modellversuchs übernommen. Dieser Versuch ist inzwischen in eine reguläre Aufgabe überführt worden.6 3.4.1 Hintergrund, Ziele und Handlungsfelder Der LVS wurde 1989 gegründet. Seine Mitglieder sind die Landkreise Göttingen, Holzminden, Northeim und Osterode am Harz sowie die kreisfreie Stadt 6
Soweit nicht anders vermerkt, fußen die Angaben des Praxisbeispiels auf Auskünfte von Olaf Martin, Geschäftsführer im LVS.
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Göttingen und die Samtgemeinde Oberharz (Landkreis Goslar) mit insgesamt rund 520.000 Einwohnern (vgl. Hammerbacher 2003: 13). Das Ziel des LVS ist die »Förderung des kulturellen Lebens« (Satzung des LVS § 2, Abs. 1) als Ergänzung der Kulturförderung durch die Kommunen (vgl. LVS 1997: Nr. 7). Der LVS betreibt aus der Sicht von Martin eine breitangelegte Kulturförderung nach einem »wohlverstandenen Gießkannenprinzip«. Überregional wirksame kulturelle Leuchtturmprojekte stehen nicht im Mittelpunkt des Interesses. Der LVS fördert Projekte, die einen besonderen inhaltlichen Bezug zur Region haben und Akteure und Veranstaltungsorte aus mehreren Orten der Region einschließen (vgl. LVS 2003: 46f.). Die Förderentscheidungen des Vorstandes orientieren sich an formalen und weniger an künstlerischen Kriterien. Die drei Schwerpunkte der Arbeit des LVS sind (vgl. LVS 1997: Nr. 6): • die (anteilige) finanzielle Förderung von Projekten; • die Erbringung von Informationsdienstleistungen über Angebote im Kulturbereich; • die Herausgabe von Publikationen zur regionalen Kultur und Geschichte. Die Handlungsfelder des LVS liegen in den darstellenden und bildenden Künsten, Musik, Film und Literatur (vgl. Satzung des LVS § 2, Abs. 1). Der LVS finanziert seinen Jahreshaushalt aus Mitgliedsbeiträgen, einer regelmäßigen Spende der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) und den für den Verbandsbereich vorgesehenen Anteil der Kulturfördermittel des Landes für Kleinprojekte bis 10.000 EUR. Auf der Ausgabenseite standen im Jahr 2008 rund 300.000 EUR zur Verfügung. Der Anspruch der regionalen Kulturförderung kann mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erreicht werden. Die Konzeption größerer Projekte ist beim Rahmen bis 10.000 EUR je Projekt allerdings nicht möglich. 3.4.2 Organisatorischer Rahmen Die Mitgliedschaft im LVS gliedert sich in ordentliche, Förder- und sonstige Mitglieder. Das Recht der ordentlichen Mitgliedschaft haben Gebietskörperschaften sowie einige Sondergruppen, deren Recht zur Mitgliedschaft regionalhistorisch bedingt ist. Eine Fördermitgliedschaft können natürliche und juristische Personen mit Bereitschaft der finanziellen Unterstützung des LVS erwerben, wobei keine Vertretung in Organen des Verbandes besteht. Sonstige Mitglieder sind juristische Personen, vor allem potenzielle Projektträger, die sich für die kulturpolitischen Ziele des LVS einsetzen (vgl. Satzung des LVS § 4). Das Vertretungsorgan für ordentliche Mitglieder ist die jährliche Mitgliederversammlung, die den Vorstand wählt, kontrolliert und über neue Mitglied-
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schaften und den Haushaltsplan entscheidet (vgl. Satzung des LVS § 6). Die sonstigen Mitglieder des LVS sind in einem Beirat organisiert, dessen Vorsitzender stimmberechtigtes Mitglied des Vorstandes ist (vgl. Satzung des LVS § 9). Der Beirat versteht sich als Vertretungsorgan der Förderungsempfänger. Er begleitet die Arbeit des LVS, übt aber keinen Einfluss auf den Vorstand aus. Das entscheidungstreffende Organ des LVS ist der neunköpfige Vorstand, dem ein Vertreter der meisten ordentlichen Mitglieder angehört (vgl. Satzung des LVS § 6). Bei der Projektauswahl spielt eine ausgewogene Berücksichtigung aller Mitgliedskommunen eine große Rolle. Der Vorstand tagt nicht öffentlich, was dessen Mitglieder als angenehm empfinden. Es ermöglicht, dass gebietskörperschaftliche Vertreter freier für Projekte stimmen können, von denen sie nicht selbst profitieren. Die Organisationsstruktur des LVS und die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren wurden im Jahr 2003 von befragten Mitgliedern aus Vorstand und Beirat als gut bzw. angemessen eingeschätzt. Seine eingespielte, routinierte Arbeitsweise erlaubt es, ihn der Sättigungsphase informeller Steuerungsmodelle zuzuordnen. Im Einzelnen sind in der Organisationsstruktur hervorzuheben: • Persönliche Kontakte und der informelle Austausch jenseits der Tagesordnung erleichtern die Zusammenarbeit. • Die Organisationsform des Vereins sichert eine eigenständige Verbandspolitik frei von tagespolitischer kommunaler Einmischung. • Der LVS kann in fachlichen Fragen stärker beratend wirken als ein rein informeller Arbeitskreis. 3.4.3 Kulturelle Projekte, Kulturmarketing und Regionalentwicklung Das zwar konstante, aber niedrige Budget des LVS erlaubt keine großen strategischen Projekte, die eine überregionale Bedeutung entfalten könnten. Zudem ist keine ausgeprägte ›regionale Identität‹ vorhanden, auf der ein solches Marketing aufbauen könnte – Bewohner beziehen sich eher auf Teilräume als den Gesamtraum Südniedersachsen. Daher sieht der LVS vor allem zwei Wege, um die kulturelle Regionalentwicklung zu fördern, durch Projektförderung und Kulturmarketing. Während ersteres Kerngeschäft des LVS ist, hatte letzteres den Durchbruch noch nicht geschafft. Im Jahr 2000 scheiterte der Versuch, EU-Fördermittel für regionales Veranstaltungsinformationssystem mit regionalem Ticketing zu akquirieren. Marketing für touristische und kulturelle Ziele sollten dabei miteinander kombiniert werden. Das Ziel des Kulturmarketings stand 2003 aber weiterhin auf der Agenda.
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3.4.4 Akteursnetzwerk Die Beziehungen innerhalb des Verbands beschränken sich auf den Austausch zwischen Vorstand und Beirat sowie zwischen der Mitgliederversammlung und den Gremien. Für die Entscheidung zur Projektförderung spielen sie nur eine untergeordnete Rolle, da der Vorstand autonom entscheidet. Kooperationen mit dem Ziel der gegenseitigen Information finden statt mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft und Kultur (MWK), in Arbeitsausschüssen des Regionalverbands Südniedersachsen, dem Informationsnetzwerk der niedersächsischen Landschaftsverbände (ALLviN) sowie in Arbeitsgemeinschaften mit Kulturämtern aus Mitgliedsgemeinden und -städten. Kürzlich ist weiterhin eine Arbeitsgemeinschaft der Kulturamtsleiter der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg hinzugekommen, in der der LVS die südniedersächsische Fläche vertritt. Eine strategische Zusammenarbeit mit dem dritten Sektor und mit Akteuren der Privatwirtschaft findet nicht statt. Der Beirat vertritt zwar Institutionen des dritten Sektors, ein inhaltlicher Diskurs wird aber nicht verfolgt. Im Bereich möglicher Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft will der LVS nicht in Konkurrenz zu Kulturträgern und Kommunen treten, die um Sponsorengelder werben. 3.4.5 Entwicklung 2003-2009 Seit 2007 bietet der LVS ein starkes Vernetzungsprojekt seiner Kultureinrichtungen an, den Kulturbonus. Er sieht dies als Folge seiner Anstrengungen um regionsweites Kulturmarketing. Wer das Kulturbonus-Heft zum Preis von zehn Euro erwirbt, kann in 60 Einrichtungen Südniedersachsens einmalig von einem kostenreduzierten Eintritt profitieren. Während die Projektförderung zuvor das uneingeschränkte Ziel des LVS darstellte, setzte sich mit dem Kulturbonus die Erkenntnis durch, dass Förderung auch bedeuten kann, über Vernetzung die Nachfrage zu stärken. Die Entwicklung des Bonushefts ist so positiv, dass das Projekt fortgesetzt werden soll. 3.4.6 Zwischenfazit Der Landschaftsverband Südniedersachsen e.V. (LVS) kümmert sich um die Binnenvernetzung der kulturellen Angebote der Region und verteilt Fördermittel in die Fläche. Die Anzahl der Akteure ist hier größer als in den rein informellen Kooperationen, und trotz sehr geringer Fördervolumina spielen Verteilungskonflikte kaum eine Rolle. Nichtstaatliche Akteure verfügen im LVS über ein Stimmrecht im Vorstand, welches aber kaum entscheidungsverändernd genutzt wird. Die Entwicklung im Zeitraum 2003-2009 ist außerordentlich positiv. Neben dem Kompetenzzuwachs, die Landeskulturförderung für Projekte bis 10.000 EUR
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regulär und nicht nur im Modellversuch zu vergeben, ging der LVS mit einem aufwendigen Vernetzungsprojekt, dem Kulturbonus an die Öffentlichkeit. Die gewachsenen Strukturen des LVS sorgen offenbar für Verlässlichkeit und das niedrige, aber kontinuierlich vorhandene Budget für eine verbindliche Zusammenarbeit. Der Verweis auf den ›Köder‹ durch Fördermittel für die eigene Kommune genügt jedoch nicht, um den Erfolg der Arbeit des LVS zu begründen. Auch hier ist das zwischenmenschliche Miteinander bestimmend. Martin verweist darauf, dass eine andere Institution als der LVS nicht die integrative Wirkung gehabt hätte, um das Vernetzungsprojekt ›Kulturbonus‹ zum Erfolg zu bringen. Er beobachtet selbst, dass der personelle Wechsel bei einem großen LVS-Mitglied die Zusammenarbeit zwischenzeitlich ›erkalten‹ lassen konnte, obwohl das Interesse an der Zusammenarbeit auf beiden Seiten fortbestand: Personelle Wechsel bringen die Notwendigkeit zum erneuten Vertrauensaufbau mit, was Zeit kostet. Das Vorhandensein eines Budgets scheint beim LVS somit nur der Dünger für erfolgreiche Arbeit zu sein, während seine Mitglieder die Saat darstellen.
4 AUSWERTUNG Die in Kapitel 1 aufgeworfenen zentralen Fragen werden anhand der Erfahrungen aus den vier Praxisbeispielen bilanziert. Da die Auswertung sich nur auf diese geringe Anzahl von Beispielen bezieht, ist der Hinweis notwendig, dass es sich dabei um eine qualitative Auswertung handelt. 4.1
Wirkungen von stadtregionalen kulturellen Projekten auf die Regionalentwicklung
Der regionale Aspekt der Zusammenarbeit stellte sich in allen Fallbeispielen erwartungsgemäß als Herausforderung dar. Bezugspunkt für kulturelle Projekte ist die Kommune, die sich in der Regel um Planung und Ausführung kümmert. Alle Praxisbeispiele bemühen sich um regionale Initiativen. Sie sehen diese als lohnenden Kampf, der aber, da geldliche Mittel fehlen, oft ein ideeller Kampf ist. Wirkungen ließen sich in drei der vier Praxisbeispiele trotz schwieriger Rahmenbedingungen erzielen. Der vierte Fall, die MAHHLKulturkommission befindet sich noch immer in der Vorbereitungsphase auf das erste große Projekt. Der städtische Aspekt der Stadtregion ließ sich in der vorliegenden Arbeit nicht als signifikant herausstellen. Selbst die mögliche Annahme, dass eine Stadtregion u.U. einen stärkeren Zusammenhalt im Sinne einer regionalen Identität haben könnte als eine ländliche Region, ist unzutreffend. Im Gegenteil: Drei der vier Praxisbeispiele, darunter zwei Stadtregionen, berichten von
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einer mangelnden regionalen Identität und werfen die Frage auf, ob diese überhaupt herstellbar sei. Die Interviewpartner aus Rheinland AG und MAHHLKooperation bekräftigten ihre Beobachtung, dass Besucher kultureller Veranstaltungen sich primär auf ihre Heimatstadt bezögen. Im Kulturraum Südniedersachsen ist die Schaffung einer regionalen Identität kein Ziel. Für ein regionsweites Vernetzungsprojekt zur Nachfragesteigerung wie den Kulturbonus stellt dies jedoch kein Hindernis dar. Positive Effekte auf die regionale Identität oder die Regionalentwicklung sind dabei nicht ausgeschlossen. 4.2
Akteursnetzwerke für Regional Governance
Die Praxisbeispiele bestehen zum überwiegenden Teil oder ausschließlich aus sogenannten Machtpromotoren, die kraft ihres Amtes die Entscheidungen selbst umsetzen oder ihre Umsetzung maßgeblich beeinflussen können. Da Projekte später im Verantwortungsbereich dieser Entscheider umgesetzt werden, ist deren Beteiligung unabdingbarer Bestandteil der Organisationsstruktur. Entsprechend der in Kapitel 2 eingeführten Definitionsmerkmale von Regional Governance sollten weitere gesellschaftliche Sektoren an der Entscheidungsfindung partizipieren. Vertreter aus dem dritten Sektor und aus der Privatwirtschaft sind jedoch nur bei den größeren, stärker institutionalisierten Kooperationen beteiligt. In beiden Fällen ist deren Charakter überwiegend oder ausschließlich beratend. Die kleineren Kooperationen, MAHHL-Kulturkommission und Rheinland AG, arbeiten rein auf Verwaltungs-, bzw. Politikebene. Ihre Nichtintegration der nichtpolitischen Sphäre in Entscheidungsprozesse ist auf eine Mischung aus diskontinuierlicher Arbeitsweise und Bedenken gegenüber Interessenskonflikten zu sehen. Für die Ergebnisse der regionalen Kulturarbeit ist die Nichteinbeziehung der nichtpolitischen Akteure aus Sicht der Befragten indes ohne negative Auswirkung. Im Sinne des Konzepts Regional Governance und der optimalen Nutzung von Wissens- und Handlungsressourcen handelt es sich dabei jedoch um einen Mangel. 4.3
Verhältnis zwischen Organisationsstruktur und Leistungsfähigkeit
Als Organisationsmerkmale erfolgreicher Regional Governance für kulturelle Projekte lassen sich einige Mindestbedingungen herausstellen. Oft bedingen sie sich gegenseitig, so dass vor allem die Summe der erfüllten Bedingungen eine erfolgreiche Kooperation ausmacht. Die Merkmale stellen Aspekte dar, die sich aus den vier dargestellten Praxisbeispielen ableiten lassen und sind somit keine abschließende Darstellung:
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Regionale Kooperation für kulturelle Projekte erfordert eine klare Zielvereinbarung über den Zweck und die Art der Projekte. Die Arbeit der Kultur Ruhr GmbH litt unter dauerhaftem Disput um die Auslegung der Förderziele. In den anderen Kooperationen besteht weitgehend Klarheit über Ziele. Dies führt nicht automatisch zum Erfolg der Kooperationen, scheint aber als Grundkonsens unabdingbar zu sein. Ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis ist der Schmierstoff jeder informellen regionalen Kooperation. Von der Kultur Ruhr GmbH abgesehen bekräftigen alle Kooperationen ein außerordentlich vertrauensvolles Verhältnis und sehr gute Netzwerkarbeit. Da Kooperationen auf rein freiwilliger Basis der beteiligten Gebietskörperschaften und Institutionen stattfinden, schafft Vertrauen erst die Arbeitsgrundlage. Auch dies garantiert noch keinen Kooperationserfolg, scheint aber eine Grundbedingung für die Möglichkeit zum Erfolg zu sein. Denn obwohl in der MAHHL-Kulturkommission und in der Rheinland AG derzeit keine inhaltlichen Impulse zu verzeichnen sind, wären deren Mitglieder aus Sicht des jeweiligen Interviewpartners ohne weiteres bereit, die Kooperation wieder aufzunehmen. Personelle Kontinuität vertieft das Vertrauensfundament. Im Jahr 2009 berichteten alle Interviewpartner über Schwächungen der Kooperation, die durch personelle Wechsel in Schlüsselpositionen hervorgerufen werden. Während dies in einer nur aus vier Akteuren bestehenden Kooperation wie der Rheinland AG eine substanzielle Bedrohung darstellt, bedeutet es in den anderen Fällen nur eine kleinere Einschränkung bei der Qualität des Zusammenarbeitens. Regional Governance lebt nicht nur vom Vertrauensverhältnis, sondern auch vom ›Dabeibleiben‹. Regional Governance benötigt eine klar begrenzte Anzahl von Akteuren. Die Entscheidungsgremien in den Praxisbeispielen verfüg(t)en über vier bis 24 Mitglieder. In der Evaluation der Kultur Ruhr GmbH wurde die große Anzahl von Mitgliedern im Entscheidungsgremium als zentrale Schwäche herausgestellt. In der nächstkleineren Kooperation, dem Vorstand des LVS, wird die Anzahl von neun Entscheidern hingegen als passend empfunden. Um Wirksamkeit zu erlangen, benötigen die Kooperationen ein Mindestbudget. Der Landschaftsverband Südniedersachsen bewertet sein Budget zwar als niedrig, kann damit aber regionsweit kulturelle Projekte anstoßen. Die Aussicht auf diese Mittel und die damit verbundene Aufwertung der Kulturlandschaft der Region veranlasst die Verbandsmitglieder zur Kooperation. Der Rheinland AG und der MAHHL-Kulturkommission fehlen diese Mittel, was sich in der (fehlenden) Kontinuität schmerzlich bemerkbar macht. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Arbeit der MAHHL-Städte sich auf die mit erheblichen Geldmitteln unterlegte Kulturhauptstadtbewerbung Maastrichts
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konzentriert. Wahrscheinlich ist, dass ohne Budget keine größere Wirksamkeit erreicht werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei Vorliegen entsprechender organisatorischer Mindeststandards und einer Portion an visionärem Geist der Akteure Regional Governance in der Kulturarbeit Früchte tragen kann. Diese hinterlassen unter Umständen nur kleine Spuren. Mitunter sind diese nicht durchgängig sondern einmalig oder sporadisch auftretend. In jedem Falle sind es in der öffentlichen Wahrnehmung relevante Spuren für die Regionalentwicklung.
QUELLENVERZEICHNIS Literatur
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Bausch, Manfred. INTERREG-Manager der Regio Aachen, Telefoninterview 4.8.2003. Fiedler, Thomas. Fachbereich Wirtschaftsförderung und Europäische Angelegenheiten, Telefoninterview 4.2.2009. Lambrechts, Paul. Senior Adviser for Arts and Culture der Stadt Maastricht, Telefoninterview 19.8.2003. Martin, Olaf. Geschäftsführer im Landschaftsverband Südniedersachsen e.V., Telefoninterviews 3.7.2003 und 16.1.2009. Müller, Olaf. Fachbereich Wirtschaftsförderung und Europäische Angelegenheiten der Stadt Aachen, schriftliche Stellungnahme 16.7.2003 und Interview 23.7.2003. Rechmann, Bernhard. Verwaltungsleiter und ehemaliger Geschäftsführer der Kultur Ruhr GmbH, Telefoninterview 19.8.2003. Stumm, Roderich. Geschäftsführer der Rheinland AG im Kulturdezernat Köln, Interview 6.8.2003 und Telefoninterview 6.2.2009.
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T H E A R T S I N C R O S S -S E C T O R C O L L A B O R AT I O N S : R E F L E C T I O N S O N R E C E N T P R A C T I C E I N T H E U.S . Bill Flood and Beth A. Vogel 1
1 INTRODUCTION In this Chapter we look at cross-sector collaborations in the United States – arts and cultural organizations partnering with other community-based organizations to create positive local change. These collaborations address a wide variety of issues and involve diverse types of organizations including non-profit and government agencies. Partners in these collaborations represent education, housing and economic development, youth development, juvenile and adult justice, senior and social services, public health, refugee and ethnic-based organizations, tourism, and other neighborhood and community improvement groups. Based on both experience and research the authors concur with Lane DeMoll, former Executive Director of Cart’m Recycling in Manzanita, Oregon, »There Ain’t No Other Way«. Collaboration, when undertaken in good spirit and with sound practice, is the most powerful tool for sustaining our organizations and communities while effecting positive change. The history and practice of cross-sector collaborative work in the U.S. is not to be romanticized. Much of what has been accomplished emerged out of the struggle to identify and quantify the value of arts and culture in our nation. Unlike other countries such as Germany, which have a long tradition of substantial public financial support for arts and where individuals and communities highly value the arts and culture for their inherent significance, public, and even private support in the U.S. is often determined based on an organization’s ability to provide tangible evidence of the effect that its programming has on those they serve. This Chapter explores the following themes: • Collaborative work is driven by the need to address broad, complex, and overlapping community goals such as youth development, economic de1
Mr. Flood and Ms. Vogel are both consultants, working daily with a variety of public and private non-profit organizations, and each has more than a decade of experience working in the public sector. We met in 1996 when Bill Flood was Community Development Coordinator at the Oregon Arts Commission and Beth Vogel was Program Officer for Arts Education at the New Jersey Council for the Arts. This chapter draws on our experience in working with both cultural and community-based organizations as well as our academic studies and formal interviews conducted with more than 15 highly collaborative non-profit cultural organizations across the U. S.
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velopment, ethnic integration, and the like, and has been shaped by the history of how the arts and culture have been supported in the U.S. U.S. arts and cultural organizations have been increasingly concerned with creating access to their programs and services. In response to a variety of outside forces and internal pressures, organizations appear to be taking a more public service oriented approach than ever before. At the same time, they are continuing to strive for artistic and programmatic excellence. Often, they find it difficult to reconcile these seemingly opposing goals. Change is both a motivation for, and an outcome of, cross-sector collaboration.
2 KEY CONCEPTS For the purposes of this discussion ›collaboration‹ is defined as intentionally working with others toward a common goal. Collaboration, or partnership as it is often called, is the result of individuals and the organizations they represent coming together in pursuit of a shared vision. We have an affinity for Jo Ann Romero’s definition of collaboration as »the movement of value between two parties« (Romero 2008: 3). The most successful collaborations change the partnering organizations and the larger community. ›Culture‹ is what motivates humans and binds them one to the other. It is what we feel most strongly about – our values, traditions, stories, languages, beliefs, faiths, arts, crafts, and the ways we construct our communities and care for our families. Culture, more times than not, is deeply rooted in and shaped by place. We are Portlanders, we are New Yorkers, we are Berliners, or we are Siletz (a Native American Tribe on the Oregon Coast). The term ›community‹ is used quite differently in the U.S. than in other countries. In fact, there are two meanings that are employed equally often. The first is geographic community, which refers to a physical place such as a city, town, or village where people live together and over time develop shared interests, values and patterns of living. Second, there is cultural community or community of interest, which describes a group or network of people of common background, interests or beliefs that extends beyond geographical boundaries. Cultural communities are usually made up of those who share an ethnicity or religion. Communities of interest are groups of people who share a hobby or passion or a concern for a social or political issue such as the environment. ›Community cultural development‹ describes processes of utilizing and strengthening local culture to improve communities. An individual’s participation in his or her culture creates stronger individuals, families and groups and fosters the achievement of broader social and infrastructure improvements. The ways people work together in community cultural development projects
Bill Flood, Beth A. Vogel £The Arts in Cross-Sector Collaborations
are as important as the product or outcomes of the collaboration. Arlene Goldbard describes community cultural development in New Creative Community as (Goldbard 2006: 20): »The work of artist-organizers and other community members collaborating to express identity, concerns and aspirations through the arts and communications media. It is a process that simultaneously builds individual mastery and collective cultural capacity while contributing to positive social change.« ›Sustainability‹ is becoming better understood and is of greater concern in the U.S. than ever before. In fact, it is often the motivation for collaboration. The Native American (Iroquois) concept of considering the impact of decisions made now on seven generations in the future is a vivid illustration of this concern. The term is used to describe both planning for long-term organizational success and reaching environmental improvement objectives by decreasing negative impact on the natural world. The acclaimed novelist, poet and social observer, Wendell Berry of rural Kentucky, does an excellent job of describing the connection between culture, community, and sustainability in the concluding paragraph of his book Home Economics (Berry 1987: 192): »The local community must understand itself finally as a community of interest – a common dependence on a common life and a common ground. And because a community is, by definition, placed, its success cannot be divided from the success of its place, its natural setting and surroundings: its soils, forests, grasslands, plants and animals, water, light, and air. The two economies, the natural and the human, support each other; each is the other’s hope of a durable and livable life.«
3 T H E A R T S , C O M M U N I T Y C U LT U R A L D E V E L O P M E N T A N D C O L L A B O R AT I V E W O R K I N T H E U. S. In order to understand and perhaps model new efforts in cross sector collaborative work currently being conducted in the U.S., it is necessary to at least briefly examine the historical and contemporary forces that have resulted in the increase in the practice. 3.1
Historical Events and Forces that Shape American Understanding of Arts, Culture and Community
U.S. political and social history demonstrates a serious conflict and deep ambivalence with the concepts of culture and multiculturalism. The social, political and cultural remnants of slavery, the Civil War that ended it and the civil rights movement that continues today, is a major force in how Americans
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understand and participate in the arts, culture and communities. Similarly, the notions of honor, justice and rugged individualism that developed during the settling of the American West during the 19th century – succeeding alone, without the help of community, as personified by characters portrayed on film by Clint Eastwood and others – continues to shape the American character and how people in geographic communities relate to each other. The conflict between policy and practice was clearly demonstrated during the early to mid 20th century. President Theodore Roosevelt (in office from 1901-1909) declared ›hyphenated-Americans‹ (German-Americans, Irish-Americans etc.) to be traitors to the country. This era spawned the ›melting pot‹ theory which declared that all Americans and new immigrants in particular, should blend their cultures into a single uniquely American way of believing and acting. At the same time, community activists, such as Jane Addams who founded the Settlement House movement in the U.S., sought to help people retain their native languages, cultural traditions, heritage, and those elements that comprise a community’s cultural assets. Interestingly, during periods of internal crisis the U.S. has utilized arts and culture as part of the solution to repairing ailing communities. Certainly the federal New Deal and the Works Progress Administration’s Federal Art Project (1935-1943) tapped the power of local culture and employed artists, resulting in the creation of more than 200,000 works of literature, public art, architecture, and symbols of American culture which still exist. In fact, our newly elected President is speaking in such terms once again. The outcomes, however, remain to be seen. 3.2
Infrastructure for Funding the Arts, Culture and Community Development in the U.S.
Patronage was the earliest form of support for the arts and culture in the U.S. Individuals or families with means established and provided the financing for museums, orchestras, symphonies and schools of art. The first major change came at the turn of the 19th Century with government policy in a tax reform act that deemed such organizations as educational in nature as they »enriched and civilized the masses«. As a result, arts groups were freed from paying corporate taxes and individuals and businesses began receiving significant tax deductions for their donations to the organizations’ operations and programming. This created considerable confusion and conflict; the organizations continued to be seen by the public as elitist at the very time they had been handed a public service imperative. It was not until the establishment of the National Endowments for the Arts and Humanities in 1965 that the federal government began providing signifi-
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cant financial support to the arts/cultural sector based on the premise that the production and preservation of culture through artistic endeavor was of value to the nation. Shortly thereafter, states began establishing their own agencies to augment and distribute the federal funds. County, regional and local agencies were founded to add further support and coordinate local arts programming. It took quite some time, however, before the Endowments’ policies began to force arts and cultural groups to address the public service mandate. Over the past 44 years public policy has evolved so that it now demands all publicly funded organizations to offer full and open access to their programs and services. Organizations face increased requirements for detailed information on who they serve and what tangible effects the programming has on those individuals and communities. Still, the private sector, through foundations, corporations and individual donations continues to comprise the vast majority of financial support to arts and culture organizations in the U.S. Over the past decade economic and social factors have furthered the public service approach to the delivery of arts/cultural programming. Foundations are increasingly interested in what outcomes the production and preservation of art has for populations. Corporations are increasingly providing funds through sponsorships via their marketing departments, with the expectation of gaining visibility among the organization’s audiences, rather than making straightforward philanthropic donations. In addition, following various scandals involving mismanagement corporations have become more concerned about accountability which has spilled over to their giving practices. They have begun viewing their support of non-profits as investments and are carefully monitoring the returns. The cultural sector has assimilated the public service imperative. There has been a major shift in orientation even in our nation’s most traditional theater and opera companies and museums; almost all have an educational component in their mission or a department dedicated to community engagement. Collaboration has become an imperative. Combining our own expertise and experience with others working to understand, manage and solve problems ranging from sweeping demographic changes in small locales, to the legacy of entrenched prejudice, growing economic disparity, and educational inequity is the best way to ensure that we remain relevant and solvent. 3.3
Current Collaborative Practice
The U.S. cultural sector has never enjoyed entitlement to public financial support and private support has become more difficult to access, particularly for smaller more locally based organizations. Therefore, early collaborations within the arts community focused on advocacy for its own survival. Stud-
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ies were commissioned to document the positive effect of arts education on increased capacity to learn and economic impact studies were conducted to demonstrate the financial contributions arts organizations make to communities as audiences also spend on meals, parking and shopping. Through such efforts the arts and cultural community has developed significant partnership experience and skills which are now being transferred to working in cross-sector collaborations. The current challenge is to simultaneously maintain our artistic and cultural integrity while being of service to individuals and communities in tangible and meaningful ways. Economic crisis and greater awareness of the principles of sustainability are pushing all sectors to re-think how to deploy critical resources, the most vital being human creativity and knowledge, to meet their goals. Non-profit organizations, by their very nature, must evolve according to the needs and resources in their communities. Therefore, they are forced to constantly consider their stated mission and ask themselves ›why do we exist?‹. New non-profits are being formed to address emerging issues while existing ones are changing operating structures and programming goals, or going out of business. The reality is that more can be accomplished by collective work. As Bob Lynch, Chief Executive Officer of Americans for the Arts summed it up, ›1+1=3.‹ Organizational change and collaboration with others is imperative for success and even survival. 3.3.1 Highly Collaborative and Successful Organizations 2 Perhaps the best way to understand current practice in the U.S. is to consider what experienced collaborators are doing and how they are doing it. The following profiles describe highly collaborative organizations that demonstrate the following characteristics: • The collaborative work is intentional and has been sustained over several years. • Collaboration is central to the organization’s mission and core values. • The collaboration addresses dynamic issues, challenges, or concerns in a definable community. 3.3.2 NY Writers Coalition (New York City, New York) 3 The New York Writers Coalition (NYWC) gives voice to marginalized New Yorkers through free and low-cost creative writing workshops. Last year NYWC provided 1,000 workshops in 45 locations. NYWC provides expertise in teaching and facilitating writing workshops. Its partners – youth centers, so2
See for other interesting examples in Scheff/Kotler 1996.
3
See http://www.nywriterscoalition.org.
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cial service agencies, immigrant and refugee associations, schools, housing authorities, neighborhood associations, libraries, homeless shelters, senior centers, prisons, and churches – provide a knowledge of and an access to individuals and groups in the community who NYWC would otherwise be unable to reach. Programmatic success depends on a range of factors including the depth of the partner’s commitment to and engagement in the effort, consistency and depth of client participation, staff dedication to accomplishing stated goals, and artist commitment to working with the given population. NYWC is a relatively young organization (7 years), but Executive Director Aaron Zimmerman says that funders are impressed and interested in reaching the populations that the partners serve. 3.3.3 Appalshop/Roadside Theatre (Whitesburg, Kentucky) 4 Any article discussing community cultural development work in the U.S. should note Appalshop and its Roadside Theater. Appalshop began in 1969 as an economic development project on the War on Poverty. Appalshop’s philosophy has always been that »Appalachian people must tell their own stories and solve their own problems«. Over 40 years Appalshop has grown into a nationally-recognized media center working in film, video, audio recording, radio broadcast as well as live performance of music and theater. The subject matter ranges from documenting traditional arts to exploring history to dealing with the social issues currently effecting life in the Appalachian region. Appalshop has partnered with the Letcher County Kentucky Schools for several years on teaching traditional folk music in the public schools. This collaboration is growing due to the skill of the Appalshop musicians working in the schools and to the commitment of the school superintendent to the arts. When asked to share an insight on the collaboration with the schools, Appalshop Managing Director Beth Bingam said »Developing a partnership and meeting the needs of the schools has required patience and a commitment to working together«. In addition to local partnerships, Appalshop has a long tradition of initiating and supporting national collaborative projects, such as Alternate Roots, a national resource organization to artists, organizers, and cultural workers. Appalshop recently published a national research project on community cultural development curriculum. 3.3.4 Conscious Youth Media Crew (San Francisco, California) 5 Conscious Youth Media Crew is a San Francisco-based, youth-driven, digital media production studio. CYMC provides the technology and training neces4
See http://www.appalshop.org.
5
See http://www.consciousyouthmediacrew.org.
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sary for inner city youth to create quality media that represent their experiences, stimulates meaningful dialogue, and promotes social change. Partners are most often schools and social service organizations serving at-risk youth. Debra Koffler, Executive Director of CYMC, stresses that collaboration is her »mode of working«. She stresses that regular, consistent communication is often the key to successful collaborative work. »You support each other, and the more you communicate, the more you learn. Partners must maintain respect and be clear on values, expectations, and resources. Definitely be clear on what you are looking for, expectations, logistics of the programming, do regular communication check-ins, and develop and sign a memo of understanding!« 3.3.5 Portland Center Stage (Portland, Oregon) 6 Portland Center Stage (PCS), now in its 20th season, is Portland’s largest professional theater company. Guided by the mission of »inspiring our community by bringing stories to life in unexpected ways«, PCS has become known for both its commitment to excellence in theater and its ability to facilitate dialogue around key community issues. In 2006 PCS renovated a historic armory building into a new theater complex. The facility is the first historic rehabilitation on the National Historic Register, and the first performing arts venue to achieve a LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) Platinum rating. Central to success was development of new strategies for community partnerships, civic engagement, and innovative uses of public space in and around the building. Tim DuRoche, PCS Community Program Manager proudly says that »the results of the ›green‹ design, coupled with a very active community engagement program that reached beyond traditional arts/theater audiences to preservation/sustainability communities, as well as other cultural, education, human service and civic organizations have reaped stunning results in terms of new audiences, rising subscriptions, broadened community partnerships and a sense of collective efficacy in line with Portland’s ›Green Dividend‹ – the idea that building and connecting green returns handsome social and economic dividends«. Regarding community partnerships and collaboration Mr. DuRoche says that »process is as important as end product, and impact can be achieved as much by failure or unintended successes«. That lesson was learned by reaching out to both likely partners and unlikely partners. Anticipated partnerships with literary and historical groups on the stage adaptation of Ken Kesey’s Sometimes a Great Notion found little success, but the dialogue the project 6
See http://www.pcs.org.
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opened grew into collaborative programming about regional concerns including forest stewardship, urban/rural difference, and environmental history with the public library, civic groups, universities, writers and poets and environmental organizations. As a result doors were opened to present an exhibit of works by Buckminster Fuller that explores issues of equity, shelter, new growth economy and a less-is-more ethic through new partnerships with Portland State University’s Urban and Public Affairs Department, the Coalition for Livable Future, Museum of Contemporary Craft, and the Metropolitan Service District (Portland’s regional planning organization). PCS’ new ›green‹ facility is often the site for community meetings and workshops. Through a ›civic ecology approach‹ it is truly positioning itself as an organization serious about its mission. 3.3.6 Cart’m Recycling – Conser vation Action Resource Team of Manzanita (Manzanita, Oregon) 7 Cart’m is a recycling center in Manzanita, a community on the north Oregon coast with a population of approximately 1,200. Cart’m was founded in 1998 out of a vision for a place that would be both the county’s transfer center for recycling and re-adaptive use that would also raise attention to the critical state of the natural world by serving as a community gathering place. In order to achieve this Cart’m engaged the arts early and, over the past ten years, has blossomed into a center for art, creativity, humor and fun. Cart’m works collaboratively with multiple public agencies, community groups, businesses, and schools. Many artists living in the region are highly involved with Cart’m, creating works of art from discarded objects. They lead the Center’s ›trash art‹ classes and work in Cart’m’s resale store. The Center’s annual festival/ fundraising event, ›The Trash Bash‹, features a fashion show and artwork created from materials obtained at the site, attracting up to 1,000 people. Cart’m is becoming a magnet for eco-tourism through its artistic approach to environmentalism. Lane DeMoll, one of Cart’m’s founders and first Executive Director, says that collaborations are essential in a small town. »There aren’t enough people and resources to go around otherwise. So we share material resources like slide and digital projectors, sculpture display stands, table cloths, flip chart easels. People often serve on multiple boards.« She sees collaborative work as essential to the sustainability of Cart’m and to Manzanita. »Absolutely (collaborative work) stretches resources and people. The interconnections benefit the communications and effectiveness of the community as a whole.« In rural communities such as Manzanita, people play multiple roles, get to know one another, and are able to establish trust. The 7
See http://www.cartm.org.
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model of collaboration, trust, shared resources shown by Cart’m is being replicated by other non-profits in and around Manzanita.
4 A PR ACTIC AL GUIDE RE ADINESS8
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Now that we have defined cross-sector collaboration, reviewed how it came to be an important tool for arts and cultural organizations in the U.S., and examined selected collaborations, we turn to the discussion of how to plan and carry out collaborative work that is successful, sustainable and creates tangible change in the organizations and the community. In order to ensure that the planned collaborative effort is reasonable and can be successful it is critical to reflect on who you are and what you hope to achieve as an organization. The first step is to determine whether collaboration will help achieve the organization’s mission and if the practice reflects its core values. At this stage you must consider why your organization exists. If it is simply to present or preserve works of art but not to expand the ways in which audiences participate or benefit, full scale collaboration is probably not the best approach. In this case targeted alliances with others that can help attract new audiences may be of use. If, however, the stated mission includes words such as community, outreach, expand or educate, collaborating probably should be part of your organizational culture and practice. Some additional questions that must be considered include: Are there adequate resources available to continue operating in isolation or do you need to work with others to access the money, people or facilities you need? Have you encountered social, cultural or infrastructure-based barriers to reaching constituencies that you have wanted to serve? Have you been unsuccessful at developing deeper, more direct and meaningful connections to audiences? If you can answer yes to these questions then the organization clearly has a value system conductive to collaborating with other sectors within the community. The second step is to determine whether your organization is in fact ready to collaborate with an entity working in another sector. This can be assessed by considering several key questions. Is there a community concern or issue that the mission or values drive the organization to address? Is the organization dedicated to ensuring its artistic products or are programs an integral part of how the community identifies itself? Is there consensus among and commitment from all stakeholders including board, executive and program staff and artists? Are adequate human resources in place? This is actually a two8
See also Kohm/La Piana 2003, Winer/Ray 2002.
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part question: does your existing staff have the necessary skills or expertise and, does the staff have the time for the ongoing communication, planning and assessing critical to successful collaboration? Successful collaborations are based on an understanding that there will be mutual responsibility in order to reap mutual benefits. Therefore you must consider your motivation for collaborating. If it is to gain something simple such as increased ticket sales, stop and re-think whether it makes sense to invest in all it takes to collaborate. On the other hand, if you are approaching collaboration as a means of improving your operating practice, learning more about your community, or expanding skills and capacities you most likely possess the flexible spirit needed to partner well with others and are ready to proceed. This is also the time to look for compatible partners. Is there an appropriate partner available in the community, one that can contribute what your organization lacks and seeks something of value that you have to offer? Even if there is such an organization, it is important to determine whether it is also ready to collaborate – that is, what are their answers to the questions posed above? When collaborating across sectors there are a variety of issues to take into account. Perhaps the most important is that organizations utilize structures and operating processes that reflect their intent and constituencies. Therefore, even if the partner is also a non-profit organization it will have a very different working culture than yours and will be guided by different mandates. This presents both challenges and opportunities. Time is the best investment to avoid potential misunderstanding. Partners need to learn as much as possible about each other. Determine where power lies, whether the organizational chart reflects the actual flow of authority, how decisions are made, how information is shared internally, what public profile is intended, and how progress is marked and success defined. One of the most important things to discover is if individuals and departments freely share information and assist each other in reaching overarching goals. Organizations that are skilled and practiced at working this way internally tend to be more successful when attempting to work with others from the outside. The great opportunity is the potential infusion of new information, skills and methods into your organization. You will learn a great deal about the other sectors’ concerns, practices and constituents which will only enhance your ability to reach your own goals. It is essential to remember that your artists are not necessarily prepared to work in other settings or with specific communities, just as the partner’s specialists are not trained in the arts. Provide opportunities for the individuals who will be delivering the programming to engage in joint professional development so that they can share skills and information and come to understand and respect each other’s perspectives on the community issue they are working to address.
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Be mindful that collaborations are like making a work of art; they constantly evolve and change. Since cross-sector collaborations are formed to address a community issue the situation is inherently dynamic. Some organizations are better than others at accepting change. There will be transitions in leadership, staffing, working conditions and within the community at large. You may be dealing with shifting demographics or economics. You may be in an environment of cultural or social transformation. Flexibility is critical. Partners need to be willing to alter course mid-stream, adjust timelines and objectives, and adopt new methodologies, definitions and measures. All of which points to an imperative to engage the program participants in planning. Allow them input into where and when services are delivered and welcome them to share their hopes and fears. Finally, collaborations are never perfect. If a problem is identified, either formally or informally, address it as soon as possible. Determine what resources are needed to resolve the situation in a way that is acceptable to all partners and the audience. At times the specific cause is not obvious, there is just a sense that something is not working well. In such cases get help. Bring in a facilitator to uncover what the conflict is, smooth lines of communication and develop renewed consensus. The following chart is intended to help organizations prepare to collaborate, overcome challenges as they arise, and reap the benefits of working together. While we are always somewhat prepared to partner, entering into collaboration with another organization should be treated with care and respect, especially when reaching across sectors to provide new services. Table Challenge
Management Implication/Action
There is lack of consensus within your organization in regard to the mission, core values or motivations or expectations for the collaboration
• Clarify, revise and rededicate to the mission and core values. • Identify opportunities, challenges, and feasible solutions that relate to your mission. • If you are satisfied with the status quo and do not want to grow, learn, meet new people or expand services, you are not ready to collaborate. • Planning is not just a pre-program activity, it is a continuous practice. • Involve the artists, partner’s specialists and participants in planning and debriefing.
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• Accept that leadership may come from your partner. • Determine what your organization can afford to devote to the collaboration in terms of time and money. • Identify who holds authority and can make decisions on behalf of each partner and for the partnership as a whole. Ensure that they are allowed and encouraged to exercise that authority. • Select staff with appropriate skills or provide them with training. • Be open to hiring someone with experience in the other sector. • Create and agree to a budget and monitor it regularly.
Defining arts and other sector outcomes while maintaining the integrity of each
• All partners must articulate their intended outcomes, ensure that there is agreement and that there will be both individual and shared benefits. • Build attainable benchmark goals into plans and celebrate when they are reached. • Share your methods of marking progress with each other and if necessary engage a facilitator to help you develop a process that utilizes both. Develop a system for continuous assessing progress then commit the time and funds needed to assess outcomes as well as whether the collaboration is working effectively. • Assess measurable outcomes in at least three ways: 1. Community issue – how has the collaboration measurably impacted the community? 2. Clients – how has the collaboration measurably changed the lives of individuals? 3. Your organization – how has the collaboration changed your organization? What have you learned? Are you ready for deeper collaborations? • Agree on who the products belong to. • Maintain individual identity while growing a separate identity for the collaborative work. • Document the collaboration – this will help you market the services and obtain future funding.
Building cooperative spirit, trust and good communications
• Ensure that information flows up and down both organizational charts and between organizations. • Identify the roles and responsibilities of all individuals involved in the collaboration. • Establish and maintain a system to share information. Be sure to keep the boards of directors and staffs fully informed. • Be sure to schedule regular project meetings, and encourage informal fun get-togethers between staff, board, artists across both organizations. The more you know and trust one another, the deeper the collaboration will become. • Become a skilled listener. • Commit to working in the best interest of the program and to taking risks to achieve excellence. Trust that your partner will do the same. • Be accountable to all stakeholders including boards, staffs, clients, funders, and the community.
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5 REFLEC TIONS
• Be flexible in your definitions. • Do not let organizational hierarchy bog you down. • Celebrate when a problem has been solved, when it’s time for the collaboration to end, or when it’s time for one or both of the collaborators to change forms. • Revisit your own mission and motivations to keep the larger purpose rather than the daily details at the forefront. • Use the collaborative experience as a means of learning to evolve and adapt. • Be ready to embrace uncertainty and live with ambiguity in process and outcomes.
ON
PERSONAL PR ACTICE
After observing, supporting, and participating in many cross-sector collaborations, we suggest the following: • People are key. You don’t have to ›love‹ your partners, but you must respect and trust them, and want to work together. Spending time with your partners informally is a good thing. • Clarity and trust are probably the two most important factors in successful collaborations. • Be clear on the issue you are addressing, and then find the right partner(s) to help you create the change you envision. • Be ready for extra work – defining expectations, training each other, keeping the lines of communication open, monitoring progress, evaluating outcomes, and documenting accomplishments take a great deal of time. • Assume that your partner has never worked with an arts/cultural organization before. A common challenge in cross-sector partnerships is that the non-arts partner does not understand the time and preparation it takes for artists to work successfully in community settings. • Communicate, communicate, communicate – clearly and consistently. • Be open to change, stay flexible. Be ready to shift direction when a challenge or opportunity arises. • Work in incremental steps that can be realized. Build in small, attainable, meaningful successes as you work toward the larger goal. • Document outcomes. • Always consider what needs and expectations all involved have. Most importantly, stay true to your own mission and values. • Do not forget, »There is no other way!« The result (usually) will be more than you could have accomplished alone.
Bill Flood, Beth A. Vogel £The Arts in Cross-Sector Collaborations
WO R K S C I T E D Berry, Wendell (1987): Home Economics, San Francisco: North Point Press, 1987. Goldbard, Arlene (2006): New Creative Community – The Art of Cultural Development, Oakland: New Village Press. Kohm, Amelia; La Piana, David (2003): Strategic Restructuring for Nonprofit Organizations. Merger, Integrations, and Alliances, Westport: Greenwood Pub Group Inc. Romero, Jo Ann (2008): The Art of Collaboration – The Real Truth About Working Well With Others, New York: iUniverse. Scheff, Joanne; Kotler, Philip (1996): How the Arts Can Prosper Through Strategic Collaborations, in: Harvard Business Review, Reprint 96111 (Jan.-Feb.). Winer, Michael; Ray, Karen (2002): Collaboration Handbook. Creating, Sustaining, and Enjoying the Journey, 6. ed., Saint Paul MN: Wilder Publishing Center.
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ANWENDUNGSORIENTIERTE FORSCHUNG Z U R E G I O N A L G O V E R N A N C E -P R O Z E S S E N I M K U LT U R B E R E I C H . B E I S P I E L E I N E S K U LT U R M A N A G E R I A L E N F O R S C H U N G S A N S AT Z E S Patrick S. Föhl
1 K U LT U R M A N A G E R I A L E F O R S C H U N G 1.1
Forschungsdiskussionen und -aktivitäten im Kulturmanagement
Das Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement 2007/2008 dokumentiert aktuell einen Diskussions- und Reflexionsprozess um das Themengebiet ›Kulturmanagement als Wissenschaft‹,1 der seit einigen Jahren (wieder) innerhalb bzw. zwischen mehreren deutschsprachigen Studiengängen im Fach Kulturmanagement geführt wird. Hierbei stehen Themen wie die Rolle von Kulturmanagern (vgl. Mandel 2008), die Eigenständigkeit von Kulturmanagement als wissenschaftliche Disziplin (vgl. Höhne 2008), die Entwicklung eines facheigenen methodischen und theoretischen Rahmens (vgl. Tröndle 2008) sowie die Verbindung von wissenschaftlichen und praxeologischen Ansprüchen (vgl. Föhl/Glogner 2008, Zembylas 2008) im Mittelpunkt. Insgesamt geht es um die Diskussion und die Entwicklung eines übergreifenden Verständnisses von Kulturmanagement als (wissenschaftliche) Disziplin. Diese findet im Kontext der realwissenschaftlichen Ausrichtung und der Schnittstellenfunktion von Kulturmanagement durch die Arbeit mit verschiedenen Bezugsdisziplinen statt. Dieser generelle Dialog soll im vorliegenden Beitrag allerdings nicht weitergeführt werden. Hierfür sei vertiefend und aktuell auf das Schweizer Jahrbuch (vgl. Keller et al. 2008) und das Jahrbuch Kulturmanagement 2009 (vgl. Fachverband Kulturmanagement 2009) verwiesen.2 Im vorliegenden Beitrag soll das Thema ›Forschen im Kulturmanagement‹ als ein Themen- bzw. Diskussionsstrang aus dieser generellen Debatte um Kulturmanagement herausgearbeitet und an einem Fallbeispiel vertieft werden. In der Auseinandersetzung mit Kulturmanagement als wissenschaftlicher Disziplin stellt sich automatisch die Frage, wie und wo tatsächlich geforscht wird und welchen Zugewinn diese Forschungen zum wissenschaftlichen Fortschritt im Rahmen der realwissenschaftlichen Ausrichtung des Fachs beisteuern bzw. welchen Beitrag diese zur Verbesserung der Bedingungen im kul-
1
Vgl. hierzu grundsätzlich Heinrichs 1999 und Klein 2006, 2008.
2
Vgl. vertiefend auch Föhl/Glogner 2010.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
turmanagerialen Arbeitsfeld leisten. Denn ohne konkrete und zielorientierte Forschung scheint diese Diskussion hinfällig. Eine stichhaltige Aussage über den Forschungsstand im Kulturmanagement ist allerdings schwer zu treffen, da bislang keine systematisierte Bestandsaufnahme entsprechender Aktivitäten vorliegt (vgl. Föhl/Glogner 2009). Auch reicht es nicht, einen Blick auf die zahlreichen Kulturmanagement-Studiengänge im deutschsprachigen Raum zu werfen, da viele als reine ›Lehreinrichtungen‹ keine bzw. kaum Forschung betreiben, Institute häufig ihre Forschungsaktivitäten nicht umfassend transparent darstellen und kulturmanagerial relevante Forschung auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen bzw. Instituten stattfindet. Hier sei exemplarisch auf die umfangreichen Aktivitäten der ARTAMIS-Forschungsgruppe am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, insbes. zum Marketing, oder auf die Fülle von Dissertationen zum Theatermanagement an der Jahrtausendwende hingewiesen, die an betriebswirtschaftlichen oder theaterwissenschaftlichen Instituten entstanden sind (vgl. u.a. Nowicki 2000, Röper 2001). Vor dem dargestellten Hintergrund sollen in diesem Beitrag einige Beispiele (expliziter) kulturmanagerialer Forschung genannt werden, die für die gegenwärtigen Aktivitäten in diesem Bereich stehen. Zuvorderst müssen hier die Forschungsprojekte der Vertreter/-innen der Kulturmanagementinstitute genannt werden, die diese im Hinblick auf persönlich gesetzte Forschungsschwerpunkte und -ziele – alleine oder in kleinen temporären Teams – vorantreiben (vgl. exempl. Klein 2009, Mandel 2007).3 Das Zentrum für Audience Development am Studiengang Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin ist ein – bislang relativ seltenes – Beispiel für eine institutionalisierte Forschungsrichtung, die über mehrere Jahre forciert werden soll. Außerdem ist auf Dissertationen im Fach Kulturmanagement zu verweisen, die u.a. am Institut für Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg oder am Studiengang Kulturmanagement und Kulturtourismus an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder entstehen. Abschließend sei auf Forschungsprojekte hingewiesen, die im Rahmen von Beratungs- bzw. Auftragsleistungen entstehen und aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeitsweise neue empirische Wissensfelder erschließen. Genannt sei z.B. die Fülle von Analysen im Kulturmarketing und die Kulturkonzeptionen, die am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg durchgeführt werden, die Beratung von 3
Ebenso sind Forschungs-/Beratungsprojekte zu nennen, die überwiegend durch einzelne Akteure auch außerhalb oder in einem interdisziplinären Verbund von Hochschulen (vgl. z.B. Tröndle et al. 2008) entstehen oder bspw. von Beratungsunternehmen (z.B. die zahlreichen Kulturkonzepte der ICG culturplan Unternehmensberatung) durchgeführt werden.
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
Schweizer Kulturinstitutionen und Kommunen durch das Studienzentrum für Kulturmanagement der Universität Basel oder die aktuellen Publikumsuntersuchungen im Kontext von RUHR.2010 durch das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim. 1.2
Herausforderungen und Perspektiven von Kulturmanagement-Forschung
Kulturmanagement ist ein verhältnismäßig junges Fach, sodass nicht selten – und dies auch zu Recht – andere gewichtige Fragen im Mittelpunkt stehen (Mission, Curricula, Praxispartnerschaften etc.). Deshalb ist festzustellen, dass bislang viele – für das Kulturmanagement (ggf.) relevante – Themengebiete wissenschaftlich noch nicht abgesteckt oder gar erschlossen sind. Zudem weisen einige Kulturmanagement-Studiengänge (noch) keine spezifischen Arbeitsschwerpunkte/Vertiefungen4 auf (vgl. Föhl 2009a: 122f.), was die Formulierung eingrenzbarer Forschungsprofile erschwert. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, welche vorhandenen Untersuchungen, Instrumente und Methoden der Bezugsdisziplinen (z.B. Soziologie und Betriebswirtschaftlehre) auf das Kulturmanagement übertragen bzw. weiterentwickelt/spezifiziert werden können (vgl. hier und im Folgenden Föhl/Glogner 2009).5 Die Notwendigkeit eines solchen Übertragungs- und Reflexionsprozesses wird auch dadurch unterstrichen, dass das Fach Kulturmanagement aufgrund seiner überschaubaren Größe kaum in der Lage sein wird, einen umfassenden Bestand an Forschungsschwerpunkten und ›Technologien‹ aus sich selbst heraus zu entwickeln. Andererseits besteht die Notwendigkeit aufzuzeigen, für welche Herausforderungen spezifische Instrumente durch eine vertiefende Forschung im Fach Kulturmanagement entwickelt werden müssen, da keinerlei übertragbare Technologien, Ansätze und Vorgehensweisen in den Bezugsdisziplinen vorliegen. Zusammenfassend bietet es sich an, zukünftig gemeinsam – trotz einer Konkurrenzsituation um Studenten und ggf. Forschungs-/Fördermittel – abgestimmte Forschungsschwerpunkte zu entwickeln. Darüber hinaus müssen an dieser Stelle einige strukturelle und finanzielle Herausforderungen kulturmanagerialer Forschung angesprochen werden. So stellt sich die Finanzierung und damit die Realisierung entsprechender Projekte als schwierig dar. Selten stehen konkret abrufbare Mittel für eine kulturmanageriale (Antrags-)Forschung zur Verfügung, da sich Kulturmanagement in 4
Z.B. Schwerpunkt auf eine Sparte oder einen Teilbereich des Kulturmanagement.
5
In diesem Prozess müssen die aus den Bezugsdisziplinen übertragenen Modelle etc. auf ihre kulturmanageriale Tauglichkeit adäquat überprüft bzw. evaluiert werden.
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
den entsprechenden Kriterien- und Förderkatalogen noch nicht als eigenständiges Wissenschaftsfach etabliert hat. Zugleich ist der bislang erarbeitete wissenschaftliche Bestand nicht transparent genug erfasst, was die Begründung als förderfähige Disziplin erschwert. Darüber hinaus fehlt es an den Kulturmanagement-Instituten häufig an zusätzlichen Mitarbeitern, die Forschungsprojekte akquirieren, betreuen und durchführen könnten. Zuvor wurde bereits im Ansatz dargestellt, wie Forschung im Fach Kulturmanagement unter den genannten Bedingungen realisiert wird. Bislang ist sie vor allem an die persönlichen Aktivitäten und Forschungsinteressen der Fachvertreter gekoppelt, die entsprechende Projekte – häufig – ohne größere Ressourcen realisieren. Neben einer zunehmenden Anzahl an zielgerichteten Dissertationen im Kulturmanagement sind als ›dritte Säule‹ die zuvor erwähnten Projekte im Rahmen von Beratungen und Auftragsforschungen zu nennen. Allerdings enden diese Projekte häufig mit der Abgabe einer Expertise an den Auftraggeber. Die Expertisen inkludieren zwar schon wissenschaftliche Erkenntnisse, weisen aber große Potenziale (empirische Rohdaten, Erfahrungen etc.) für weitere Forschung bzw. Analysen auf. Diese können meist aber kaum ausgeschöpft werden, da die entsprechenden Mittel – selbst wenn die Auftraggeber wissenschaftlichen Ansätzen offen gegenüberstehen – nur für die Erstellung der Expertise ausreichen, nicht aber für die weitere – primär an den Interessen des jeweiligen Kulturmanagement-Institutes orientierte – Forschung. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im Rahmen der bisherigen Möglichkeiten vermehrt Forschungsaktivitäten stattfinden; zudem kann davon ausgegangen werden, dass kulturmanageriale Forschung mit zunehmender Konsolidierung der Studiengänge, einer notwendigen Profilschärfung sowie stärker thematischen Schwerpunktsetzungen zunehmen wird. Vor dem geschilderten Hintergrund und als Schritt in die Richtung eines systematisierten Forschungsansatzes soll im Folgenden auf die Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ des Studiengangs Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam eingegangen werden. Allerdings stehen hier weniger konkrete Ergebnisse im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Idee, die Arbeitsweise, die Realisierung und die bisher erfolgreich durchgeführten Projekte. Damit soll zur Transparenz gegenwärtiger Forschungstätigkeiten im Kulturmanagement beigetragen werden und ein Know-how-Transfer stattfinden hinsichtlich der Finanzierung, der Verfahrensweisen, der bisherigen Erfolge, aber auch hinsichtlich der größten Stolpersteine. Da die vorliegende Publikation im Kontext der Forschungsgruppe entstanden ist, stellt diese einen geeigneten Rahmen dar, um den Ansatz von ›Regional Governance im Kulturbereich‹ einem breiteren Publikum vorzustellen.
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
2 EINFÜHRUNG: DIE FOR SCHUNGSGRUPPE ›R E G I O N A L G O V E R N A N C E I M K U LT U R B E R E I C H ‹ 2.1
Inhalte, Selbstverständnis und Ziele der Forschungsgruppe
Die Forschungsgruppe erarbeitet seit dem Jahr 2006 im Rahmen von Auftragsforschungen und hier vorwiegend durch die Erstellung von Kulturentwicklungskonzeptionen einen Forschungsbestand zum Thema ›Regional Governance‹ im Kulturbereich und je nach Projekt weiteren Themenfeldern. Auf die Relevanz der aufgeworfenen Thematik soll an dieser Stelle nicht vertiefend eingegangen werden. Hierzu wurden schon zahlreiche Hinweise in vorherigen Beiträgen gegeben (vgl. u.a. die Beiträge von Diller, Föhl und Neisener in diesem Band). Regional Governance stellt für die Akteure der Forschungsgruppe eines der zentralen Themenfelder dar, das in der gegenwärtigen und zukünftigen Kulturarbeit/-politik an Bedeutung gewinnt bzw. gewinnen wird (vgl. hierzu auch den Beitrag von Knoblich/Scheytt in diesem Band). Darüber hinaus inkludiert bzw. vernetzt dieses Thema verschiedene Arbeits- und Entwicklungsbereiche, die im Erkenntnisinteresse von Kulturmanagement liegen. Hierzu zählen neben den Aspekten der reinen Kooperation, z.B. der demografische Wandel als ein zentraler Auslöser von Kooperationsund anderen Veränderungsprozessen, das bürgerschaftliche Engagement, neue Koordinations- und Steuerungsstrukturen in Kommunen und Regionen, aber auch qualitative Fragen, bspw. nach dem Stellenwert von Kultur bei der Weiterentwicklung oder Neupositionierung einer Region. Dieser relativ weite Ansatz ergibt sich daraus, dass die Projekte zum größten Teil im Rahmen von Kulturentwicklungsplanungen (vgl. vertiefend Neisener 2009, Wagner 2008) durchgeführt werden und – auch wenn das Thema Governance/Kooperation jeweils im Mittelpunkt steht – weitere Aspekte der strategischen Ausrichtung des Kulturangebotes erforscht und entwickelt werden. Auch wenn die Forschungsgruppe schon in verschiedenen Bundesländern aktiv war, so wird der Fokus derzeit vor allem auf das Land Brandenburg gerichtet. Das hat einerseits mit der Verankerung der Forschungsgruppe in Potsdam zu tun und dem Anspruch, Unterstützung- und Forschungsleistungen für die Akteure ›vor Ort‹ zu erbringen, aber auch mit der Schärfe, mit der sich die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in vielen Kommunen des Bundeslandes vollziehen. Entsprechend tief lassen sich Governance-Ansätze erforschen und/oder relativ schnell in Gang setzen, da das Veränderungsbewusstsein der Akteure, vor allem hinsichtlich des demografischen Wandels, meistenteils bereits stark ausgeprägt ist. Was das Selbstverständnis der Forschungsgruppe betrifft, werden ausschließlich Projekte angenommen und bearbeitet, die – zumindest teilwei-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
se – einen inhaltlichen Bezug zu den Forschungsschwerpunkten, also zu den Themen Governance bzw. Kooperation, aufweisen. Was die Eingrenzung auf die ›Region‹ betrifft, werden auch lokale Untersuchungsbereiche zugelassen. Hier muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch bei Kulturentwicklungskonzeptionen für eine Gemeinde oder Stadt die regionale Perspektive eine gewichtige Rolle spielt. Die Stichworte ›Interkommunale Zusammenarbeit‹ oder ›Regionen im Wettbewerb‹ stehen hierfür exemplarisch. Denn gerade in schrumpfenden Kommunen muss der Blick auch bei lokalen Entwicklungsprozessen auf die Partnerkommunen gelenkt werden, wenn es z.B. um die Aufteilung von Verantwortlichkeiten (wer betreibt in Zukunft welches Angebot etc.), den zukünftigen gemeinsamen Betrieb von Kultureinrichtungen, geht oder den kulturtouristischen Zusammenschluss, um als Region gegen andere Regionen in Konkurrenz treten zu können. Die Begleitungsprojekte der Forschungsgruppe haben zum Ziel, die Praxis bei der Bewältigung gegenwärtiger Herausforderung durch belastbare wissenschaftliche Bestandsaufnahmen, Analysen und Handlungsempfehlungen zu unterstützen und strategische Handlungsperspektiven aufzuzeigen. Gleichzeitig leisten sie durch die Gewinnung von aktuellen qualitativen sowie quantitativen Materialien einen Beitrag zur kulturmanagerialen Forschung. Die Gutachten und Konzeptionen der Forschungsgruppe werden nach wissenschaftlichen Standards hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Forschungssystematik aufbereitet, sodass sie für sich genommen bereits einen wissenschaftlich verwertbaren Aussagegehalt aufweisen. Zusammenfassend verfolgt das Forschungsprojekt folgende Hauptziele: • anwendungsorientierte kulturmanageriale Forschung zur Formulierung belastbarer Gestaltungshinweise für die Praxis; • qualitative und quantitative Forschung zu entstehenden sowie bereits existierenden regionalen Kooperationen sowie anknüpfenden Themen und damit die Erarbeitung eines entsprechenden Forschungsbestandes; • Verbindung wissenschaftlicher Methoden mit Beratungstätigkeiten (Supervision, Coaching etc.), um einen Theorie-/Praxisbezug herzustellen; • Aufbau von Kooperationen mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, Kulturbetrieben aus allen dritten Sektoren und weiteren Akteuren aus relevanten Bereichen der Regional Governance; • regelmäßige Veröffentlichungen, die Veranstaltung von Tagungen, Vortragstätigkeiten und Einbindung in die Lehre des Studiengangs Kulturarbeit und anderen Instituten, an denen die Mitglieder der Forschungsgruppe tätig sind.
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
2.2
Aufbau der Forschungsgruppe
Die Forschungsgruppe setzt sich im Kern aus zwei Mitarbeitern mit jeweils einer halben Stelle zusammen, die die Forschungsgruppe hauptverantwortlich leiten und steuern. Die Mitarbeiter finanzieren sich bzw. ihre akademischen Mitarbeiterstellen ausschließlich aus den selbst akquirierten Drittmittelprojekten. Das gilt auch für die anfallenden Reise- und Sachkosten. Der Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam, an den die Forschungsgruppe angegliedert ist, stellt einen Raum zur Verfügung und die Forschungsgruppe profitiert von der Hochschulinfrastruktur (z.B. Finanzmanagement). Die Hochschule – und hier insbes. der Studiengang Kulturarbeit – profitiert durch die Akquise von Drittmitteln, durch eine erhöhte Außenwahrnehmung im Rahmen der Aktivitäten der Forschungsgruppe, sowie den getätigten Forschungsleistungen, die in die Lehre, in Vorträge und Publikationen einfließen. Die Forschungsgruppe ist durch eine Kooperation mit Lehrenden des Studiengangs Kulturarbeit verknüpft, die verschiedenartig an den Projekten partizipieren. Andererseits fließen die Erkenntnisse und Erfahrungen der Forschungsgruppe vereinzelt in die Lehre des Studiengangs ein. Dies betrifft nicht nur das Forschungsthema an sich, sondern vor allem die Verwendung wissenschaftlicher Methoden in der Praxis sowie Einblicke in die Herausforderungen der gegenwärtigen Kulturarbeit in den Städten, Gemeinden und Regionen. Darüber hinaus werden von der Forschungsgruppe Hausarbeiten und Diplomarbeiten zu forschungsrelevanten Themen betreut und zunehmend Studenten in die verschiedenen Arbeitsprozesse im Rahmen der Forschungsprojekte mit einbezogen.
3 METHODEN
UND
TH E O R I E N
An dieser Stelle soll ausführlicher auf die Methoden und Theorien eingegangen werden, die in der Arbeit der Forschungsgruppe Anwendung finden. Grundsätzlich lässt sich darlegen, dass die Forschungsgruppe auf vorhandene Theorien, Methoden und Forschungsergebnisse aus dem Kulturmanagement sowie aus anderen Disziplinen – wie z.B. Regionalplanung, Gerontologie, Soziale Arbeit und Betriebswirtschaftslehre – zurückgreift, insofern diese eine Relevanz für das Untersuchungsgebiet aufweisen und – im Rahmen eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse – auf das Untersuchungsfeld angewendet werden können. Hier gilt es laut Armin Klein, Problemansätze zu erfassen und nicht einfach virulente Fragstellungen zu kopieren (vgl. Klein 2008a: 3). Da die Forschungsgruppe aufgrund des Forschungsthemas und ihres Selbstverständnisses interdisziplinär ausgerichtet ist, versteht sich die Einbindung
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
anderer Wissenschaften und Denkweisen von selbst. Das gilt auch für die Untersuchungsfelder der Forschungsgruppe, also vorwiegend die Kommunen und Regionen sowie ihre entsprechenden (Kultur-)Akteure im öffentlichen, privatwirtschaftlichen und privat-gemeinnützigen Bereich. Der Kulturbereich wird nicht isoliert erforscht; vielmehr wird u.a. die wirtschaftliche und touristische Entwicklung in die Konzeptionen einbezogen sowie Akteure aus den Feldern Schule, Jugend- und Seniorenarbeit, Stadtplanung u.v.m. in den Prozess integriert. Mit dieser Arbeitsweise werden neue Synthesen aus vorhandenem Wissen und bestehenden Ansätzen im Kontext der jeweiligen Fragen gebildet, aber auch neue Herangehensweisen erprobt. D.h., es wird auf existierendes Wissen zurückgegriffen, um es auf das Forschungsgebiet anzuwenden und zu modifizieren; zugleich wird neues Wissen durch einen interdisziplinären Ansatz und entsprechend verschränkte Anwendungsweisen generiert. Was den Methodeneinsatz betrifft, so wird hauptsächlich auf die Praktiken der empirischen Sozialforschung (vgl. vertiefend Atteslander 2008) zurückgegriffen. Hierzu zählen vor allem: • Literatur- und Dokumentenanalyse/Inhaltsanalyse (z.B. Dokumente zur Bevölkerungsstruktur, Stadthistorie, Sozialräumen, Stadtentwicklung; alte Kulturkonzepte; thematisch relevante Fachliteratur); • Leitfadengestützte und offene Experteninterviews; • strukturierte Gruppengespräche in Form von Workshops u.ä.; • schriftliche Fragebogenerhebungen (in den untersuchten Einrichtungen, aber auch z.B. in der Bevölkerung); • teilnehmende Beobachtung, z.B. in Form von strukturieren Stadtteilbegehungen, wie sie im Rahmen von Sozialraumanalysen durchgeführt werden (vgl. vertiefend Deinet 2009), oder ausführlichen Aufenthalten in den zu untersuchenden Kultureinrichtungen. Grundsätzlich wird jeweils die Anwendung einer Methodentriangulation angestrebt, um möglichst vielfältige Perspektiven auf den untersuchten Gegenstand einbeziehen zu können (vgl. Flick 2004). Dabei handelt es sich um die Kombination qualitativer und quantitativer Methoden. Mit der zunehmenden Komplexität der Umwelt und entsprechend spezifischer bzw. spezieller Fragestellungen im Rahmen von kulturmanagerialer Forschung sind vielschichtige Untersuchungsdesigns notwendig, um den Forschungsgegenstand adäquat erfassen zu können. Allerdings stehen bei den Untersuchungen der Forschungsgruppe die qualitativen Methoden im Vordergrund. Quantitative Untersuchungen haben – falls sie durchgeführt werden – zumeist ergänzenden Charakter. Die Schwerpunktsetzung im Bereich der qualitativen Methoden lässt sich damit begründen, dass sich diese ›näher‹ an den Menschen
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
und ihren Projekten vor Ort orientieren. So können z.B. in Einzelinterviews Details und persönliche Einstellungen herausgearbeitet werden, die mit einem geschlossenen, schriftlichen Fragebogen nicht gewonnen werden könnten. Zugleich ist die Arbeit der Forscher vor Ort als partizipativer Prozess zu verstehen, der es ihnen nicht nur erleichtert, die Besonderheiten der Einrichtungen kennenzulernen, sondern der viele Akteure aktiv in den Erstellungsprozess der Konzeptionen einbindet. Durch Besichtigungen vor Ort, Workshops, Interviews, Informationsveranstaltungen und dergleichen mehr kann die Akzeptanz gegenüber den Konzepten erhöht und damit ihre Chance auf Umsetzung grundlegend verbessert werden. Bislang ist festzustellen, dass eine Fülle von Empfehlungen der Forschungsgruppe umgesetzt wird. Die Stadt Teltow hat bspw. die durch die Forschungsgruppe entwickelte Kulturkonzeption nach deren Fertigstellung als künftige Grundlage für das kulturpolitische Handeln in der Kommune im Kulturausschuss beschlossen und arbeitet seitdem die Empfehlungen größtenteils Punkt für Punkt ab. Seit 2006 ist ein breiter Bestand an wissenschaftlich relevantem Material entstanden. Um nur einige Beispiele zu nennen: • Seit Gründung der Forschungsgruppe wurden in den Projekten insgesamt mehr als 150 leitfadengestützte Experteninterviews geführt. • Es wurden über 100 Kultureinrichtungen besucht und strukturiert evaluiert. • Die Durchführung von Bürgerbefragungen zum Kulturangebot, die z.B. im Landkreis Prignitz an über 40.000 Haushalte verteilt wurde, erbrachten aufschlussreiche Ergebnisse. Für die Analyse der Bestandsaufnahmen, Evaluationen und Forschungsergebnisse steht die Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analyse im Mittelpunkt. Hier werden die Ergebnisse sowie Eindrücke zusammengeführt und bewertet. Diese Analyse kombiniert Untersuchungen zu den Akteuren, Einrichtungen und der zu evaluierenden Region (interne Stärken und Schwächen) mit Analysen der Umweltfaktoren, wie z.B. dem technologischen Fortschritt (externe Chancen und Risiken), und setzt diese in Beziehung zueinander (vgl. Bea/Haas 2001: 106-160). Entsprechende Erkenntnisse und die systematisierte Sichtbarmachung von positiven wie negativen Entwicklungen stellen die Grundlage für die Formulierung umfassender Handlungsempfehlungen dar. Dementsprechend entsteht nicht nur ein breiter Bestand an wissenschaftlich verwertbarem Material, sondern auch eine umfangreiche Palette an Praxisempfehlungen und möglichst innovativen Ansätzen zur strategischen Weiterentwicklung eines regionalen bzw. kommunalen Kulturangebotes. Im Rahmen der Forschungssystematik (welche Fragen stellen wir etc.), der Analyse entsprechender Ergebnisse und der Formulierung darauf aufbauen-
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
der Praxisempfehlungen werden vielfältig die neuesten Erkenntnisse des Kulturmanagements herangezogen,6 aber auch Ergebnisse, Theorien und Empfehlungen aus anderen Disziplinen. An erster Stelle sind hier interdisziplinäre Ansätze der Governance-Forschung zu nennen, die wichtige und für die Forschungsgruppe relevante Ergebnisse, aber auch den theoretischen Unterbau aus ihren unterschiedlichen Forschungsfeldern bereithält (vgl. vor allem Benz 2004, Benz et al. 2007). Die Diskussion um Regional Governance und deren Erforschung grenzt dabei an zahlreiche Theorie- bzw. Forschungszweige, wie bspw. die Milieu- und Cluster-Forschung sowie die Partizipations- und Kooperationsforschung. Die Forschungsgruppe ist sich dabei der Abgrenzungsnotwendigkeit von Theorien an den Schnittstellen zur Governance-Thematik bewusst, um mit ihr auf diesem begrenzten Gebiet arbeiten zu können. Auf der anderen Seite sollen diese Schnittstellen genutzt werden, um über die Beobachtung von Regelungs- und Handlungssystemen hinauszugehen und mit Hilfe angrenzender Theorien zielgerichtet Kooperations- und Interaktionsprozesse beschreiben zu können. Ausgangspunkte stellen hierbei u.a. die Grundsätze der ›Regime-Theorie‹ (Kooperation in Erwartung eines gemeinsamen Mehrwerts, Macht- und Entscheidungsverhältnisse) und der ›Netzwerktheorie‹ (Koordinationsformen zwischen Hierarchie und Markt) dar, um die existierenden und potenziellen Netzwerke der Akteure zu orten und zu analysieren. Dabei sollen einerseits in der Entwicklung befindliche (u.a. Entstehungsbedingungen) sowie existierende Kooperationen untersucht (u.a. Leistungsfähigkeit und Formen) und begleitet werden.
4 FR AG E S T ELLU N G EN
UND
SCHWERPUNKTE
Wie bereits dargestellt, stehen das Thema ›Regional Governance‹ und die daran anknüpfenden Felder, wie z.B. konkrete Kooperations- und Steuerungsformen, bürgerschaftliches Engagement oder Auslöser für partizipative Prozesse im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses der Forschungsgruppe. Entsprechend ausführlich werden z.B. die Akteure innerhalb einer Kommune im Hinblick auf ihre Erfahrungen und Einstellungen hinsichtlich der Kooperationsthematik befragt. So wurde in allen leitfadengestützten Interviews – unabhängig von der thematischen Schwerpunktsetzung des jeweiligen Projektes – auf den Kooperationsbegriff hinsichtlich positiver und negativer Erfahrungen abgestellt. Dadurch konnten zielgerichtet abgestimmte Handlungsempfehlungen hinsichtlich der Kooperationsthematik (Antipathien, Wünsche, Ideen, bisherige Projekte etc.) formuliert – und gleichzeitig ein 6
Z.B. die zahlreichen Werke von Armin Klein zu verschiedenen Theorie- und Arbeitsfeldern des Kulturmanagements (vgl. Klein 2005a/b, 2007, 2008b/c/d).
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
breiter Bestand an qualitativem Material gewonnen werden (z.B. über 150 individuelle Definitionen des Begriffs ›Kooperation‹). Von besonderem Interesse ist für die Forschungsgruppe, welche Formen von Governance – also Steuerung, Koordination und Kooperation – in den Kommunen bereits umgesetzt werden, wie diese funktionieren bzw. warum sie nicht funktionieren und welche Ergebnisse Governance erzielt. Gleichermaßen wird der Frage nachgegangen, welche Bedingungen vorliegen bzw. geschaffen werden müssen, um Governance-Prozesse in Gang zu setzen. Da die spezifischen Forschungsfragen in Projekte integriert werden müssen, die im Sinne einer Beauftragung konkrete praxeologische Zielstellungen verfolgen, handelt es sich bei der Ausgestaltung der Fragen und Schwerpunkte immer um eine Gratwanderung. D.h., die spezifischen Interessen der Auftraggeber müssen mit den Interessen der Forschungsgruppe zusammengebracht werden, um gemeinsame Untersuchungsschwerpunkte zu definieren. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass sich beide Partner aufeinander zu bewegen. Denn die Forschungsgruppe ist weder ein klassisches Beratungsunternehmen, das den Kundenwunsch – immer – eins zu eins umsetzen kann/möchte, noch kann man von den Auftraggebern, die für ihre Kommune o.ä. einen strategischen Leitfaden erarbeiten wollen, erwarten, dass sie ihre Mittel und ihre Vorstellungen in Gänze den Forschungsinteressen der Gruppe unterordnen. Bislang konnten im Einvernehmen stets Mittelwege und Kompromisse gefunden werden, die für beide Seiten vertretbar waren. Für die Forschungsgruppe bedeutet dies allerdings, dass sie neben den eigenen Schwerpunkten nicht selten auch Themen abdecken muss, die nicht in ihrem engeren Erkenntnisinteresse liegen (z.B. Lokalisierung von Qualifizierungsbedarf). Bislang konnten diese Themen aber immer sinnvoll mit den eigenen Forschungsthemen ›vernetzt‹ werden. Darüber hinaus entstehen durch die Untersuchungen aktuelle Bestands- und Situationsbeschreibungen von Kulturarbeit in Kommunen und Regionen. Um zusammenfassend ein typisches Forschungsprojekt vorzustellen, wird im Folgenden die Gliederung des ›Kulturkonzeptes für die Stadt Teltow‹ aufgeführt: 1. Projektbeschreibung (Zielsetzung, Untersuchungsschwerpunkte [u.a. kulturelle Infrastruktur, Ehrenamt und Kooperation, Jugendarbeit], Projektablauf, Methoden etc.); 2. Ausgangssituation und theoretische Exkurse (z.B. Geschichte der Stadt, Einwohnerentwicklung, Struktur- und Wirtschaftsdaten, Kulturhaushalt, Kulturbegriff); 3. Vorstellung der Forschungs- und Analysemethoden sowie Synopse der Untersuchungsergebnisse (u.a. Durchführung und Ergebnisse von Experteninterviews, Vor-Ort-Besichtigungen, Befragung an Schulen); 4. Bestandsaufnahme und Analyse des Kulturangebotes (Analyse zentraler
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
Einrichtungen und individuelle Empfehlungen, Übersicht des gesamten Kulturangebotes in der Kommune und in den Nachbargemeinden, zusammenfassende SWOT-Analyse des Kulturangebotes in Teltow); 5. übergreifende und zusammenfassende Handlungsempfehlungen (1. Leitlinien für Kultur, 2. Kultureller Inhalt und Kulturangebote, 3. Kooperationen, 4. Koordination, 5. weitere Anmerkungen [Marketing, Tourismus, Vertiefungsbedarf]); 6. Resümee.
5 DIE PROJEKTE DER FORSCHUNGSGRUPPE ›R E G I O N A L G O V E R N A N C E I M K U LT U R B E R E I C H ‹
IM
ÜBERBLICK
Insgesamt konnte die Forschungsgruppe seit 2006 die nachfolgend genannten Projekte durchführen. In der Tabelle finden sich neben einer Übersicht der Schwerpunkte und Methoden jeweils auch Angaben zu den Zeiträumen, dem jeweiligen Umfang und den Auftraggebern der Studien: Tabelle: Bisherige Projekte der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ Kulturkonzept für die Stadt Teltow Schwerpunkte/ Bestandsaufnahme Kulturangebot, Unterstützung/Koordinierung Ziele lokaler und regionaler Kooperationen im Kulturbereich sowie besondere Berücksichtigung der Jugendkulturarbeit und der Kulturangebote des Bürgerhauses sowie des Bürgersaals bei der Kulturentwicklung in Teltow. Methodik
Dokumenten- und Literaturanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, offene Interviews, teilnehmende Beobachtung, schriftliche Bürgerbefragung (über lokale Monatszeitschrift), SWOTAnalyse
Zeitraum
Februar bis Oktober 2007
Umfang
158 Seiten
Auftraggeber
Stadt Teltow
Museumsentwicklungskonzeption für die Museen im Kreis Euskirchen Schwerpunkte/ Bestandsaufnahme Museumslandschaft, Stärken und Schwächen Ziele der einzelnen Einrichtungen sowie Erforschung und Auslotung von Kooperationspotenzialen zwischen den 31 Museen (öffentliche, privatgemeinnützige, private Museen und museumsähnliche Einrichtungen) im Landkreis Euskirchen. Weitere Themen: u.a. Barrierefreiheit, Kulturtourismus, Qualitätsstandards, Leitlinien, Kooperationen mit anderen Akteuren (z.B. Bibliotheken, Archive) Methodik
Dokumenten- und Literaturanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, offene Interviews, teilnehmende Beobachtung, Evaluation aller Museumseinrichtungen, schriftliche Befragungen, Workshop, SWOT-Analyse
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen Zeitraum
März 2007 bis Juni 2008
Umfang
1. Teil (Hauptdokument): 239 Seiten; 2. Teil (Bestandsaufnahme der 31 Einrichtungen und jeweilige Einzelempfehlungen): 117 Seiten
Auftraggeber
Kreis Euskirchen und Landschaftsverband Rheinland
Gutachten zur Umstrukturierung des Grafschafter Museums in Moers Schwerpunkte/ Zukünftige Rechtsform des Grafschafter Museums, weitere Aspekte Ziele der Umstrukturierung (u.a. Kooperationen, Finanzmanagement, nachhaltiges Museumsmanagement) Methodik
Dokumenten- und Literaturanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, offene Interviews, schriftliche Passantenbefragung, SWOT-Analyse
Zeitraum
November 2007 bis November 2008
Umfang
124 Seiten
Auftraggeber
Stadt Moers; Finanzierung: Sozial- und Kulturstiftung des Landschaftsverbandes Rheinland
Expertise Dachmarketing der Akteure auf der ›Burg Eisenhardt‹ in Belzig Schwerpunkte/ Potenziale eines Dachmarketings und weiterer Ziele Kooperationspotenziale der Akteure (u.a. Bibliothek, Stadtmuseum, Kunstgalerie, Hotel) auf der Burg Belzig Methodik
Dokumentenanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, schriftliche Bestandsaufnahme, teilnehmende Beobachtung, SWOT-Analyse
Zeitraum
Oktober 2008 bis Februar 2009
Umfang
54 Seiten
Auftraggeber
Initiative ›Burg Eisenhardt‹ in Belzig. Finanzierung: Europäischer Sozialfonds
Supervision und Begleitforschung des Projektes ›Lebendiges Templin 2010‹ des Kunstvereins Templin Schwerpunkte/ Chancen und Risiken der Verbindung von professioneller und Ziele ehrenamtlicher Arbeit, Kooperationspotenziale des Vereins in Templin und der Uckermark Methodik
Supervisionen, Workshops, Moderationen, leitfadengestützte Experteninterviews, Dokumentenanalyse, teilnehmende Beobachtung, SWOT-Analyse
Zeitraum
2007-2009
Umfang
Ca. 70 Seiten
Auftraggeber
Kunstverein Templin aus Mitteln der Kulturstiftung des Bundes (›Fonds zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements für die Kultur in den Neuen Ländern‹)
Kulturkonzeption für den Regionalen Wachstumskern Perleberg-Wittenberge-Karstädt Schwerpunkte/ Kulturangebote und Strukturen (Bestandsaufnahme), Ziele Entwicklungsschwerpunkte und Strategien, Vernetzungs- und Kooperationspotenziale, Umlandfunktion des RWK im Kulturbereich, Qualifizierungsbedarfe
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich Methodik
Dokumenten- und Literaturanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, offene Interviews, teilnehmende Beobachtung, schriftliche Bürgerbefragung aller Haushalte des Landkreises Prignitz über ein Wochenblatt, Workshops, SWOT-Analyse
Zeitraum
Oktober 2008 bis September 2009
Umfang
Ca. 270 Seiten
Auftraggeber
RWK Prignitz (Gemeinde Karstädt, Stadt Perleberg, Stadt Wittenberge). 75 %-ige Ko-Finanzierung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
Wissenschaftliche Begleitung einer Kulturkonzeption für die Gemeinde Kleinmachnow Schwerpunkte/ Bestandsaufnahme aller kulturellen Einrichtungen und Ziele Organisationen/Vereine, Perspektiven der Kulturträger und -veranstalter, Ziele für die kommunale Kultur, Beurteilung von Räumen und Hallen zur kulturellen Nutzung, Vernetzung und Synergien Methodik
Dokumentenanalyse, schriftliche Bürgerbefragung, Experteninterviews, Workshops (Anm.: alle Schritte/Maßnahmen werden von der Gemeinde durchgeführt; die Forschungsgruppe begleitet den gesamten Prozess wissenschaftlich)
Zeitraum
August 2008 bis Dezember 2009
Auftraggeber
Gemeinde Kleinmachnow
Kulturkonzept für die Stadt Brandenburg an der Havel Schwerpunkte/ Bestandsaufnahme Kulturangebot, Strategien und Leitlinien, Ziele Umlandfunktion der kulturellen Angebote, Vernetzungspotenziale, Kulturwirtschaft, Qualifizierungs-bedarfe Methodik
Dokumenten- und Literaturanalyse, leitfadengestützte Experteninterviews, offene Interviews, teilnehmende Beobachtung, Workshops, Bürgerforen, SWOT-Analyse
Zeitraum
Mai 2009 bis April 2010
Umfang
Ca. 270 Seiten
Auftraggeber
Stadt Brandenburg an der Havel, 75 %-ige Ko-Finanzierung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
Über diese Projekte hinaus, die die Kernleistung der Forschungsgruppe darstellen, werden Ergebnisse, Erfahrungen und zentrale Themen der Forschungsgruppe publiziert (s. diesen Band und bspw. Föhl 2009b, Neisener 2009). Zusätzlich wurden bislang ein Diskussionsforum zum Thema ›Regional Governance‹7 und eine Tagung zum Thema ›kooperative Kulturplanung‹8 7
Im Rahmen des Festivals ›Europa in Friedrichshain‹ veranstaltete die Forschungsgruppe gemeinsam mit dem Verein ›Strohlinka e.V.-Europäisches Künstler Netzwerk‹ am 13. Dezember 2006 in Berlin ein Diskussionsforum zum Thema ›Regional Governance – Neue Formen der Zusammenarbeit im Kulturbereich‹ mit verschiedenen Akteuren des öffentlichen und privaten Kulturbetriebs sowie Vertretern unterschiedlicher Politikfelder.
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Diese Tagung wurde am 6. Februar 2009 von der Forschungsgruppe in Kooperation
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
durchgeführt, in denen zentrale Themen der Forschungsgruppe mit Wissenschaftlern und Praktikern diskutiert wurden. Zudem werden seit 2006 zahlreiche Diplom- und Hausarbeiten zum Thema Kooperation und den angrenzenden Bereichen betreut und Forschungsergebnisse sowie praktische Erfahrungen punktuell in die Lehre des Studiengangs Kulturarbeit eingebracht. Außerdem fließen die Ergebnisse der Forschungsarbeit in weitere Dozenten- und Vortragstätigkeiten der Mitarbeiter ein (u.a. Universitäten Basel, Hamburg, Friedrichshafen, Poznan und Wroclaw, PH Ludwigsburg, Hochschule Künzelsau).
6 R E S Ü M E E: ST O L P E R S T E I N E
UND
POTENZIALE
Die Potenziale der Forschungsgruppe wurden im Textverlauf bereits herausgearbeitet. Abschließend sollen auch die Stolpersteine und Schwierigkeiten fokussiert werden, mit denen die Forschungsgruppe in den laufenden Prozessen konfrontiert ist. Hierzu zählen vor allem: • Die Durchführung umfangreicher qualitativer Methoden ist kostenaufwendig und kann zumeist nicht vollständig über die Einnahmen aus den Projekten abgedeckt werden. Allerdings haben sich die notwendigen VorOrt-Besuche und die Durchführung von leitfadengestützen Interviews als wichtigste empirische Quelle für die Projekte erwiesen. Dieses Dilemma zwischen Qualität, Nutzen und Aufwand konnte bislang nicht gelöst werden. • Für die Durchführung der Projekte steht zumeist nur ein Zeitrahmen von ca. einem Jahr zur Verfügung, da vor allem die Kulturpolitik auf relativ ›schnelle‹ Empfehlungen angewiesen ist; zudem stehen Projektmittel oft nur in einem definierten Haushaltsjahr zur Verfügung. Dadurch entsteht häufig Zeitdruck, der gelegentlich den notwendigen kreativen Frei- bzw. Denkraum der Forscher einschränkt. • Die Einbettung der Forschungsgruppe in die öffentliche Verwaltung einer Hochschule impliziert verschiedenste Schwierigkeiten. Auf der einen Seite muss das Forscherteam den Ansprüchen an ein Beratungsprojekt gerecht werden, d.h. kurzfristig Dienstreisen durchführen, externe Mitarbeiter einbinden und generell zeitlich sehr flexibel sein. Andererseits muss es die mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und Kulturland Brandenburg e.V. im Potsdamer T-WERK durchgeführt. Ziel der Veranstaltung war es, sich mit dem Bedeutungsgewinn von Kooperationen im Rahmen kultureller Planungsprozesse auseinanderzusetzen. Etwa 120 Teilnehmer aus Kulturpolitik und -verwaltung sowie Kulturschaffende und Künstler aus allen drei Sektoren waren anwesend (vgl. Föhl/Neisener 2009).
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
•
Dienst- und Haushaltsvorschriften berücksichtigen und einhalten. Diese Gratwanderung zwischen unternehmerischem Handeln/Denken und den öffentlich-rechtlichen Regularien erschwert die Arbeit zusätzlich (häufig müssen privat Gelder vorgestreckt werden etc.) und verursacht teilweise einen erheblichen Zeitaufwand. Mittelfristig ist deshalb über eine Ausgründung der Forschungsgruppe in eine privatwirtschaftliche Rechtsform nachzudenken. Das bislang größte Manko besteht darin, dass die direkte wissenschaftliche Verwertung der Ergebnisse über den Projektauftrag bzw. die Konzeptionen hinaus nicht finanziert wird, da sich die Forschungsgruppe ausschließlich aus Drittmitteln trägt. Die erarbeiteten Forschungsbestände und Erkenntnisse können in aller Regel nicht vollumfänglich einer vertiefenden Auswertung analog der Forschungsfragen unterzogen werden. Allerdings liegt inzwischen ein breiter Bestand an empirischem Material vor, sodass ein Antragsforschungsprojekt zu dessen Aufarbeitung ggf. Aussichten auf Erfolg haben könnte.
Diesen Herausforderungen stehen die bereits genannten Potenziale des Ansatzes der Forschungsgruppe gegenüber. Um Kulturmanagement-Forschung zu ermöglichen, sind verschiedene (Finanzierungs-)Ansätze notwendig. Mit den oben aufgeführten Aktivitäten wird der Versuch unternommen, einen – im Rahmen der Möglichkeiten – systematischen Forschungsansatz im Kulturmanagement zu etablieren, zu vermitteln und voran zu treiben. Ob das längerfristig gelingt, lässt sich derzeit kaum einschätzen, da sich die Forschungsgruppe weiterhin von Projekt zu Projekt finanzieren muss. In jedem Fall lässt sich jedoch konstatieren, dass bislang bei jedem Auftrag eine Win-win-Situation festzustellen war: Die Auftraggeber legen Wert auf die Wissenschaftlichkeit der beauftragten Untersuchung und gleichzeitig auf eine profunde ›Übersetzung‹ der empirischen Befunde in konkrete Handlungsempfehlungen. Beides liegt im Selbstverständnis der Forschungsgruppe, die mit wissenschaftlichen Methoden arbeitet und zugleich aufgrund ihrer kulturmanagerialen Ausrichtung das Ziel verfolgt, Hilfestellungen für die Praxis zu erarbeiten. Für die Forschungsgruppe stellen die Drittmittelprojekte bislang die Möglichkeit dar, wenn auch nur mittelfristig und mit den formulierten Einschränkungen, im Hinblick auf konkrete Untersuchungsschwerpunkte im Fach Kulturmanagement zu forschen und vor allem einen breiten Bestand an empirischem Material zum Thema ›Regional Governance im Kulturbereich‹ zu generieren.
Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
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Patrick S. Föhl £Anwendungsorientierte Forschung zu Regional Governance-Prozessen
(Hg.): spiel plan: Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement 2007/2008, Bern u.a.O., S. 61-73. Tröndle, Martin; Kirchberg, Volker; Wintzerith, Stéphanie; van den Berg, Karen; Greenwood, Steven (2008): Innovative Museums- und Besucherforschung am Beispiel des Schweizerischen Nationalforschungsprojektes eMotion, in: Kultur und Management im Dialog. Das Monatsmagazin von Kulturmanagement Network, Nr. 26 (Dezember 2008), S. 33-36. Wagner, Bernd (2008): Kulturentwicklungsplanung – Kulturelle Planung, in: Klein, Armin (Hg.): Kompendium Kulturmanagement. Handbuch für Studium und Praxis, 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl., München, S. 163-179. Zembylas, Tasos (2008): Kulturmanagement zwischen wissenschaftlichem und applikativem Anspruch, in: Keller, Rolf; Schaffner, Brigitte; Seger, Bruno (Hg.): spiel plan: Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement 2007/2008, Bern u.a.O., S. 103-109.
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A U S WA H L B I B L I O G R A P H I E Z U M T H E M A › R E G I O N A L E K O O P E R AT I O N E N I M K U LT U R B E R E I C H ‹ zusammengestellt von Patrick S. Föhl
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£
ZU
DEN
BEITRÄGERINNEN
UND
BEITRÄGERN
Christian Diller, Prof. Dr. Ing., Dipl. Ing., seit 2007 Professor für Kommunale und Regionale Planung am Institut für Geographie der Justus-Liebig Universität Gießen. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Regional Governance, europäische und nationale Raumordnung, Landesplanung, Regionalplanung, kommunale Entwicklungsplanung, Raumplanungsmethoden; Stadt- und Regionalforschung. Christian Esch, Dr. phil., als Musikwissenschaftler, Dramaturg und Journalist veröffentlichte er Essays, Beiträge und Rezensionen für Tages- und Fachzeitungen, wissenschaftliche Publikationen und nahm verschiedene Lehraufträge wahr. Lebte in Italien und Österreich. Musiktheater- und Schauspieldramaturg u.a. in Frankfurt, München, Wien. Musikproduzent, Redakteur und Moderator beim Hessischen Rundfunk, entwickelte und programmierte landesweit Konzerte und Konzertreihen sowie zahlreiche CD-Produktionen. Musikbeirat des Goethe-Instituts von 2001 bis 2008. Seit 2004 Direktor des NRW KULTURsekretariats mit Sitz in Wuppertal. Brigitte Faber-Schmidt, arbeitete im Anschluss an ihr Studium organisatorisch, dramaturgisch, schauspielerisch und wissenschaftlich in zahlreichen künstlerischen und kulturellen Projekten in Nordrhein-Westfalen und in Berlin. Anfang der 1990er Jahre leitete sie ein Informations-, Beratungs- und Fortbildungsprogramm für die neu entstehenden Kulturverwaltungen in den ostdeutschen Bundesländern, das im Auftrag der kommunalen Spitzenverbände durchgeführt wurde. 1995 wurde sie Abteilungsleiterin für Kulturförderung und Kulturveranstaltungen im Kulturamt der Landeshauptstadt Potsdam, das sie ab 2000 kommissarisch leitete. Seit 2002 Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin des Vereins Kulturland Brandenburg e.V. Sie ist regelmäßig als Referentin an verschiedenen Hochschulen tätig und an der Realisation von Fachtagungen sowie Fortbildungsprogrammen beteiligt. Bill Flood, M. Sc., is a consultant specializing in community cultural development. He is adjunct faculty with the University of Oregon Arts and Administration Program. In 2006 and 2008 (through a Fulbright Foundation grant) he was guest faculty with the Cultural Management Program at the Potsdam Fachhochschule, an applied sciences university in Potsdam, Germany. Patrick S. Föhl, Diplom-Kulturarbeiter, ist Gründer und Leiter der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ und des Forschungsbereiches ›Governance/Kulturentwicklungsplanung‹ am Studiengang Kulturarbeit
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Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich
der Fachhochschule Potsdam, Doktorand bei Prof. Dr. Armin Klein, Institut für Kulturmanagement in Ludwigsburg, Lehrbeauftragter im In- und Ausland sowie freier Kulturberater im Netzwerk für Kulturberatung, Berlin. Seit 1996 im Kulturbereich tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Kulturmanagement in Theorie und Praxis. Arbeits-, Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: Strategisches Kulturmanagement, insb. Kooperationen und Fusionen sowie Kulturmarketing, Ausstellungsmanagement, Kulturfinanzierung und Kulturentwicklungsplanung. Christine Fuchs, Dr. jur., Volljuristin (Universität Freiburg, Kammergericht Berlin) und Bildende Künstlerin (Kunsthochschule Kassel), Promotion ›Avantgarde und Erweiterter Kunstbegriff. Eine Aktualisierung des Kunst- und Werkbegriffs im Verfassungs- und Urheberrecht‹ (Universität Frankfurt). Früher tätig als Juristin, Künstlerin und Kunstvermittlerin. Seit 2001 Projektleiterin und Geschäftsführerin des Arbeitskreises für gemeinsame Kulturarbeit bayerischer Städte e.V. Organisatorin interkommunaler Kulturprojekte u.a. 2004 ›Die Literaturlandschaften Bayerns‹, 2006 ›Wo befreundete Wege zusammen laufen‹, 2008 ›Kunsträume Bayern‹. Mitglied im Sprecherrat der Kulturpolitischen Gesellschaft LG Bayern. Dietrich Fürst, Prof. Dr. habil., war von 1974-81 Professor in Konstanz tätig und ab 1981 am heutigen Institut für Umweltplanung, dem früheren Institut für Landesplanung und Raumforschung der Universität Hannover (seit 2004 im Ruhestand). Seine Forschungsschwerpunkte sind Regionalplanung, Steuerungsformen regionaler Prozesse (Regional Governance), die Rolle der Raumbindung (Place-making) und Instrumente der Regionalentwicklung. Patrick Glogner, Dr. phil., M.A., nach Lehramtsstudium (1. Staatsexamen) und Magisteraufbaustudium Kulturmanagement von 2001 bis 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg. 2005 Promotion zum Dr. phil. Daneben freiberufliche Tätigkeit als Berater und Dozent im Netzwerk für Kulturberatung. Seit 2007 Akademischer Rat für Kultur- und Medienbildung an der PH Ludwigsburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Publikumsforschung, empirische Forschungsmethoden, Kulturmarketing, Kulturpolitik sowie kulturelle Bildung. Marc Grandmontagne, Volljurist und M.A., Lehrbeauftragter für Europapolitik an der Universität Duisburg-Essen von 2004-2005, 2006 Tätigkeit als parlamentarischer Assistent im Europäischen Parlament, seit 2007 Referent der Geschäftsführung und Leiter des Büros der Geschäftsführung von RUHR.2010 GmbH.
Patrick S. Föhl, Iken Neisener £Zu den Beiträgerinnen und Beiträgern
Uwe Hanf, Diplom-Sozialpädagoge, langjährige Tätigkeit als Geschäftsführer gemeinnütziger Einrichtungen. Seit Oktober 2001 ist Uwe Hanf wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studienbereich ›Kultur und Management‹ am Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam. Er vertritt dort die Fächer BWL und Recht und ist in der Lehre und Forschung tätig. Daneben selbständige Tätigkeit als Dozent in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung und als Berater von Non-Profit-Organisationen. Andreas Huber, Dipl.-Ing. für Stadt- und Regionalplanung, ist seit 2006 als Partner in die Beratungspartnerschaft Public One eingetreten. Seine Schwerpunkte sind Strategie- und Organisationsberatung, Organisationsentwicklung, Vorbereitung, Durchführung und Integration von Fusionen im öffentlichen Sektor und im Non-Profit-Bereich sowie Arbeitsprozess- und Ablaufoptimierung. Von 2001 bis 2004 war er Consultant und Projektmanager bei PLS RAMBØLL Management im Bereich ›Strategie und Organisation‹. Er ist Gründer und Koordinator der Forschungsgruppe ›Public Cooperations and Mergers‹ an der Zeppelin University in Friedrichshafen und seit 2004 Doktorand an der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke. Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen und Expertisen in den Themenfeldern Kooperation, Fusion und Governance des öffentlichen Sektors. Viola Kelb, Diplom-Pädagogin und Diplom-Sozialpädagogin, seit 2005 Bildungsreferentin bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e.V., leitet dort das Projekt MIXED UP/Kultur macht Schule. Ruth Kiefer, M.A. (Publizistik und Theaterwissenschaft). Konzeption, Aufbau, Leitung der Kulturfabrik Roth (1991-2001) mit verschiedenen Projektreihen (u.a. Bluestage Roth). Entwicklung der Arena-Bühne im CineCitta Nürnberg (1996-98); Freiberuflich (seit 2003): Durchführung der KultTour – Festival für die Stadt Hilpoltstein. Dozentin bei ebam (Studiengang ›Kulturmanagement‹, München). Projektmanagement des Großraumprojektes ›tanzen!08‹ für das Kulturreferat der Stadt Nürnberg. Tobias J. Knoblich, M.A., 1996 bis Mai 2001 freiberuflicher Kulturwissenschaftler und Publizist in Berlin u.a. für das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK), 05/2001 bis 09/2001 Musikreferent im SMWK. Seit 10/2001 Geschäftsführer des Landesverbandes Soziokultur Sachsen e.V. Lehrauftrag an der Humboldt-Universität zu Berlin (zum Thema ›Soziokultur – Theorie, Geschichte und Perspektiven der kulturellen Demokratisierung‹). Honorardozent an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) im Studiengang Kulturmanagement. Bis 11/2005
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Vorstand der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V. (Berlin). Seit Mai 2003 Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (Bonn), ab September 2006 als deren Vizepräsident. Monika Kuberek, M.A., Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Politik in Marburg. Bibliotheksreferendariat in der Amerika-Gedenkbibliothek Berlin. Tätigkeiten in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und im Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg. Ab 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin im KOBV-Projekt; seit 2000 stellvertretende Leiterin der Verbundzentrale des Kooperativen Bibliotheksverbundes Berlin-Brandenburg (KOBV). Michael Kurzwelly, lebt als freischaffender Künstler in Frankfurt an der Oder. Er gründete die Stadt Slubfurt, die ›weisse zone‹ und das ›iwf-institut für weisse zone forschung‹. Michael A. LaFond, Dr., ist Wahlberliner aus Seattle, USA. Ausbildung: Kunst, Architektur, Stadtentwicklung. Interessen: Cultural Sustainable Community Development, Zusammenhänge zwischen Kreativität, Selbstorganisation, Kreativbündnisse, Stadtentwicklungsprozesse und Zukunftsfähigkeit, Nachnutzungen von städtischen Freiräumen, Wohnprojekte, Kulturzentren. Gründer und Leiter des Instituts id22 seit 2000. Lehraufträge u.a. an der Kunsthochschule Weißensee, Studiengang RaumStrategien und an der TFH Berlin für Nachhaltiges Bauen und die summer academy. Iken Neisener, Diplom-Kulturarbeiterin und Werbekauffrau, Projektleiterin in der Forschungsgruppe ›Regional Governance im Kulturbereich‹ und Leiterin des Forschungsbereiches ›Demografischer Wandel/Kulturentwicklungsplanung‹ am Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam, freie Kulturberaterin im Netzwerk für Kulturberatung, Berlin. Arbeits-, Forschungs- und Publikationsschwerpunkte: Strategisches Kulturmanagement, Kulturmarketing und Kulturförderung, Erarbeitung von Kulturkonzeptionen sowie Potenzialanalysen, insbesondere hinsichtlich des demografischen Wandels und der Kultur in ländlichen Regionen. Ilka Normann, Diplom-Bibliothekarin, studierte Informationswissenschaften in Berlin und Madrid und arbeitete jahrelang im Bereich Technische Dokumentation und Marketing. Seit 1996 freie Kulturmanagerin und Kuratorin u.a. am Museum Neukölln, Kulturamt Neukölln, für Quartiersmanagements und freie Galerien. 2005 bis 2008 Projektleiterin der 48 Stunden Neukölln, seit 2008 Geschäftsführung Kulturnetzwerk Neukölln.
Patrick S. Föhl, Iken Neisener £Zu den Beiträgerinnen und Beiträgern
Stefan Peters, Dipl.-Ing. Raumplanung, Diplomarbeit 2003 zum Thema ›Regional Governance am Beispiel kultureller Projekte‹. 2003-2006 wiss. Mitarbeiter im Institut für Raumplanung (IRPUD) der Uni Dortmund. Dort Mitarbeit an den ESPON Projekten 2.3.1 ›Impacts of the ESDP‹ und 2.3.2 ›Governance of Territorial and Spacial Policies‹. Seit 2005 Mitarbeiter im Planungsbüro Stadt-Kinder, Dortmund, Arbeitsfeld Stadterneuerung und Quartiersmanagement. Bettina Rinke, M.A., Studium der Volkskunde, Kunstgeschichte sowie Ur- und Frühgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen. Volontariat am LWL-Freilichtmuseum Detmold/Westfälisches Freilichtmuseum Detmold. Wissenschaftliche Mitarbeit an verschiedenen Museen in Ostwestfalen-Lippe. Seit 2002 Projekt- und Geschäftsstellenleiterin der Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe e.V. Nathalie Rostagny, freiberufliche Architektin, in Paris ausgebildet, in Berlin berufstätig. Als Mitglied und Mitarbeiterin von id22, des CAUE de PARIS und der europäischen Zeitschrift Urbaine entwickelt sie Kooperationsprojekte zwischen Berlin und Paris und engagiert sich für alternative Stadtentwicklungsprozesse sowie kreative Bündnisse in Architekturprojekten. Oliver Scheytt, Prof. Dr. jur., von 1983-88 Management von Kulturprojekten bei der Stadt Essen und beim Kultursekretariat NRW, 1986-93 Referent beim Deutschen Städtetag, zunächst Büroleiter des Hauptgeschäftsführers, ab 1990 Beauftragter für die neuen Länder und Leiter Berlin-Vertretung. Von 1993 bis 2009 Kulturdezernent der Stadt Essen, zusätzlich auch zuständig für Bildung (1997-2007), Grün und Gruga (2001-06) sowie Jugend (2005-2007). Seit 2006 Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, seit 2007 Professor für Kulturpolitik und kulturelle Infrastruktur an der Hochschule für Musik und Theater, Hamburg. Zahlreiche Ehrenämter u.a. 1995-2003 Vorsitzender des NRWKultursekretariates, seit 1997 Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V., Bonn, 2003-07 Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ›Kultur in Deutschland‹, Mitglied in den Kulturausschüssen des Deutschen Städtetages und der Dt. UNESCO-Kommission, Mitglied des Beirates der Kulturstiftung des Bundes. Lehr-, Vortrags- und Gutachtertätigkeit. Autor zahlreicher Publikationen zu den Bereichen Kommunalpolitik, Kulturpolitik, Kulturmanagement, Kulturrecht, Personal- und Organisationsentwicklung. Mareen Scholl, studierte Kunstgeschichte und Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin, Culturele en Maatschappelijke Vorming (kulturelle und gesell-
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schaftliche Bildung) an der Hogeschool van Amsterdam und schreibt momentan ihr Diplom in Kulturarbeit an der FH Potsdam. Sie arbeitet in den Bereichen Konzeption, Organisation und Kommunikation für Kunst + Kultur, Raum + Gesellschaft sowie Nachhaltigkeit. Seit 2006 ist sie Mitglied bei id22. Hellmut Seemann, Jurist, seit 2001 Präsident der Klassik Stiftung Weimar. 1994 bis 2001 Geschäftsführer der Kulturgesellschaft Frankfurt mbH und Direktor der Schirn Kunsthalle. 1987 bis 1993 Verwaltungsdirektor der Kulturgesellschaft Frankfurt mbH. 1989 bis 1993 Mitglied der künstlerischen Leitung des Theaters am Turm in Frankfurt a.M. Hermann Voesgen, Prof. Dr. rer. pol., Prodekan und Leiter des Studiengangs Kulturarbeit an der Fachhochschule Potsdam. Im Studiengang verantwortlich für Theorie und Praxis der Projektarbeit. Die Schwerpunkte der Studiengangsprojekte liegen zum einen in der Kooperation mit Kulturträgern im Großraum Berlin und zum anderen in internationalen Projekten. Zwischen 1989 und 1993 leitete er ein Modellprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaften. Mit dem Vorhaben sollten neue Wege in der ländlichen Kulturarbeit entwickelt und erprobt werden. Experimentierfeld war die Region Ostfriesland. Von 1993-1995 arbeitete er als freiberuflicher Kulturberater. Beth A. Vogel, is a consultant to numerous arts and other non-profit organizations. Known as a specialist in collaboration, she has served as Director of the National Guild of Community Schools of the Arts‹ Partners in Arts Education Institute since 2004 and has been contributing editor to various publications on the subject. Ms. Vogel served as Program Officer at the New Jersey Council on the Arts from 1992-2003 and has taught Arts Management at New York University since 2002. Matthias Wagner, Dr. phil., M.A., Kulturmanager und stellv. Leiter des Eigenbetriebes Kloster Bronnbach (Kultur-, Bildungs- und Tagungszentrum), Projektverantwortlicher für die dortigen Kulturveranstaltungen, Marketingmanagementaufgaben und Konzeption des Konzert- und Kulturprogramms. Zudem Kulturmanager der Kurtz GmbH in Kreuzwertheim sowie Konzeption, Organisation von internationalen Kunstausstellungen und Kunstprojekten. Lehrbeauftragter an der Universität Würzburg am Institut für Europäische Ethnologie/ Volkskunde. Seminare und Exkursionen zu kulturanthropologischen und kulturmanagerialen Themen u.a. Stereotypenerfindung in Fremdenverkehr und Tourismus, Die Stadt als Kulturraum, Kulturförderung im Unternehmen.
Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Patrick S. Föhl, Stefanie Erdrich, Hartmut John, Karin Maass (Hg.) Das barrierefreie Museum Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch 2007, 518 Seiten, kart., 46,80 €, ISBN 978-3-89942-576-5
Hartmut John, Anja Dauschek (Hg.) Museen neu denken Perspektiven der Kulturvermittlung und Zielgruppenarbeit 2008, 282 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-802-5
Hartmut John, Bernd Günter (Hg.) Das Museum als Marke Branding als strategisches Managementinstrument für Museen 2008, 192 Seiten, gebunden, durchgängig farbig mit zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-89942-568-0
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
2009-10-29 12-04-00 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 031b224715059438|(S.
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Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Hartmut John, Hans-Helmut Schild, Katrin Hieke (Hg.) Museen und Tourismus Wie man Tourismusmarketing wirkungsvoll in die Museumsarbeit integriert. Ein Handbuch Dezember 2009, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1126-7
Birgit Mandel PR für Kunst und Kultur Handbuch für Theorie und Praxis (2., komplett überarbeitete Auflage) Mai 2009, 240 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1086-4
Martin Tröndle (Hg.) Das Konzert Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form Juni 2009, 336 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1087-1
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Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Joachim Baur Die Musealisierung der Migration Einwanderungsmuseen und die Inszenierung der multikulturellen Nation
Reinhold Knopp, Karin Nell (Hg.) Keywork Neue Wege in der Kultur- und Bildungsarbeit mit Älteren
Oktober 2009, 408 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1264-6
2007, 262 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-89942-678-6
Joachim Baur (Hg.) Museumsanalyse Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes Dezember 2009, 294 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-814-8
Laura J Gerlach Der Schirnerfolg Die »Schirn Kunsthalle Frankfurt« als Modell innovativen Kunstmarketings. Konzepte – Strategien – Wirkungen 2007, 242 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-769-1
Marc Grellert Immaterielle Zeugnisse Synagogen in Deutschland. Potentiale digitaler Technologien für das Erinnern zerstörter Architektur 2007, 606 Seiten, kart., zahlr. Abb., 37,80 €, ISBN 978-3-89942-729-5
Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze (Hg.) Kreative gründen anders! Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch April 2009, 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., 23,80 €, ISBN 978-3-89942-981-7
Thomas Knubben, Petra Schneidewind (Hg.) Zukunft für Musikschulen Herausforderungen und Perspektiven der Zukunftssicherung öffentlicher Musikschulen 2007, 310 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-619-9
Hannelore Kunz-Ott, Susanne Kudorfer, Traudel Weber (Hg.) Kulturelle Bildung im Museum Aneignungsprozesse – Vermittlungsformen – Praxisbeispiele Oktober 2009, 206 Seiten, kart., zahlr. Abb., 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1084-0
Birgit Mandel Die neuen Kulturunternehmer Ihre Motive, Visionen und Erfolgsstrategien 2007, 146 Seiten, kart., 16,80 €, ISBN 978-3-89942-653-3
Carmen Mörsch, Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen (Hg.) Schnittstelle Kunst – Vermittlung 2007, 390 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-732-5
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