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German Pages 476 Year 2016
Carsten Baumgarth, Berit Sandberg (Hg.) Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen
Carsten Baumgarth, Berit Sandberg (Hg.)
Handbuch Kunst-Unternehmens-Kooperationen
Gefördert durch das Institut für angewandte Forschung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld
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Inhalt
Vorwort Carsten Baumgarth/Berit Sandberg | 9
T eil I: E inführung Unternehmen und Künstler — Von der Koexistenz zur Kooperation Berit Sandberg | 21
Was wir schon wissen — Stand der KUK-Forschung Carsten Baumgarth | 49
T eil II: B eziehungen und B arrieren zwischen K unst und U nternehmen Ein bisschen dramatischer ist es schon — Skizzen über Organisation, Wirtschaft, ›Welt‹ und Gegenwart Wolf Dieter Enkelmann | 83
What Business can learn from the Arts Marija Skobe-Pilley/Giovanni Schiuma | 95
Creative Leadership — Führung als kreative Arbeit Jörg Reckhenrich | 107
Das Unternehmen als Ressourcenquelle und Entwicklungsfeld — Kooperationsmotive von Künstlern Berit Sandberg/Alexander Schirm | 121
Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern Berit Sandberg | 133
T eil III: A usgewählte S piel arten von K unst -U nternehmens -K ooperationen Markenführung mit Kunst — Berührungspunkte und Kollaborationen zweier Welten Carsten Baumgarth | 155
Kunst im Auftrag der Gegenwart — Wirkungsfelder der Kunst im öffentlichen Raum Martin Schönfeld | 173
Unternehmenstheater — Ein Blick aus der Praxis Claudia Borowy | 187
Orchestrierte Führungskultur — Dirigieren & Führen Gernot Schulz/Bettina Dornberg | 199
Kreativität als Kapital — Künstlerische Praxis in Organisationen Jörg Reckhenrich/Peter Winkels | 215
T eil IV: E rfolgsbeispiele für K unst - U nternehmens -K ooperationen aus der P raxis Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen — Ein Überblick Berit Sandberg | 233
Das 3x3-Projekt Tanja Schirmacher/Linda Poimann/Berit Sandberg | 245
»Abenteuer Kultur« bei dm Alexander Schirm/Berit Sandberg | 261
›Act Leadership — ein theaterbasiertes Trainingsformat‹ für ImmobilienScout24 Nicole Lohrisch/Carsten Baumgarth | 271
Detecon International — »Art Works« Alexander Schirm/Berit Sandberg | 283
Markenrelaunch und Positionierungskampagne der aixigo Melanie Engelhardt/Linda Schwär/Carsten Baumgarth | 297
WARSTEINER Art Collection Carsten Baumgarth/Marina Kaluza/Nicole Lohrisch | 307
BENEO-Lifestyle-Kampagne Carsten Baumgarth/Hendrik Brunsen | 321
T eil V: M anagement von K unst -U nternehmens -K ooperationen Die richtigen Fragen stellen — Herausforderungen offenlegen, Entwicklungen gestalten und Lösungen erproben Mirjam Strunk/Sandra Freygarten/Thomas Egelkamp | 337
Das Projekt planen — Mit agilen Methoden kreative Prozesse steuern Thomas Sakschewski | 349
Die Partner suchen und finden — KUK-Plattformen als Impulsgeber Carsten Baumgarth/Hendrik Brunsen/Nicole Lohrisch | 365
Die Künstler auswählen — Hilfsinstrumente bei der Künstlerauswahl Lisa O’Connor-The | 389
Den rechtlichen Rahmen setzen — Anforderungen an die rechtliche Absicherung von Kunst-Unternehmens-Kooperationen Pascal Decker/Lara Conrads | 397
Den Prozess moderieren oder: Eine Aufforderung zum Tanz Bernhard Zünkeler | 409
Das Projekt sinnvoll evaluieren — Chancen und Herausforderungen Gesa Birnkraut | 425
T eil VI: L eitfäden für K unst -U nternehmens -K ooperationen Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können — KUK-Checkliste für Unternehmen Carsten Baumgarth/Nicole Lohrisch/Sarah Bieleke | 443
Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können — KUK-Checkliste für Künstler Carsten Baumgarth/Nicole Lohrisch/Sarah Bieleke | 455
Autorinnen und Autoren | 465
Vorwort
Heute gilt nicht mehr nur »Wirtschaft fördert Kunst«, sondern zunehmend »Kunst fördert Wirtschaft«. Diese Grundaussage bildet den Ausgangspunkt des Handbuches Kunst-Unternehmens-Kooperationen. Dabei ist die Beschäftigung mit der Schnittstelle von Kunst und Unternehmen nicht neu: seit rund zwanzig Jahren lassen sich entsprechende Publikationen identifizieren. Trotz dieser mittlerweile umfangreichen Literatur sind explizite Kollaborationen zwischen Künstlern und Unternehmen zur Lösung von betriebswirtschaftlichen Fragestellungen in der Unternehmenspraxis, in der Managementausbildung und in der Mainstream-Forschung bislang eher Ausnahmen als Normalität. Ein Grund dafür könnte sein, dass dem Management von solchen Kooperationen zwischen zwei Welten – Kunst und Wirtschaft – bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde und dadurch das Potenzial von solchen Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) kaum zur Entfaltung kommen kann, da es Defizite im Management dieser speziellen Kooperation gibt. Das vorliegende Herausgeberwerk basiert maßgeblich auf dem Forschungsprojekt »Arts Push Business« (1.4.2013 bis 31.3.2015; www.arts-push-business.de), ist jedoch in erster Linie anwendungsorientiert ausgelegt. Es soll dazu beitragen, das Thema Kooperation stärker in kunstfernen Unternehmen wie auch in der Kreativwirtschaft zu verankern und das Management von KUKs zu professionalisieren. Die insgesamt 28 Beiträge liefern einen komprimierten und trotzdem vielfältigen Überblick über das facettenreiche und für manche Künstler und Manager immer noch exotische Thema der Zusammenarbeit von Künstlern und Unternehmen jenseits von Kunstsponsoring, Unternehmenssammlungen und Auftragsarbeiten. Teil I führt mit einem Überblick über Erscheinungsformen von Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern und der Dokumentation des Forschungsstandes in die Thematik ein. Berit Sandberg zeigt in ihrem Beitrag »Unternehmen und Künstler – Von der Koexistenz zur Kooperation«, welche ökonomische, künstlerische und gesellschaftspolitische Relevanz die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Unter-
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nehmen hat und was solche Kooperationen von einer unternehmerischen Förderung der schönen Künste unterscheidet. Anhand zahlreicher Beispiele arbeitet sie die Definitionsmerkmale kunstbasierter Kooperationen im Allgemeinen und Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) im Besonderen heraus und ordnet die vier Kooperationstypen Förderung, Werkproduktion, Systemische Beratung und Wissenstransfer in ein Modell ein, das kunstbasierte Kooperationen als mehr oder weniger enge Beziehungen deutet. Carsten Baumgarth skizziert in seinem Beitrag »Was wir schon wissen – Stand der KUK-Forschung« den aktuellen Forschungsstand. Neben einer Einordnung der KUK-Forschung in den größeren Kontext der Forschung zum Themenfeld Kunst und Unternehmen wird eine Literaturbasis von 82 KUK-Quellen zeitlich, inhaltlich und methodisch ausgewertet. Dabei zeigt sich, dass seit rund zwanzig Jahren zu dem Thema KUK publiziert wird, aber erst seit 2014 eine intensive Publikationstätigkeit feststellbar ist. Inhaltlich zeigt sich, dass sich die bisherige Forschung überwiegend mit den verschiedenen Spielarten auseinandergesetzt hat, hingegen Arbeiten zum Entstehen von KUKs und zur KUK-Evaluation relativ stiefmütterlich behandelt wurden. Methodisch lässt sich erkennen, dass die KUKForschung bislang nur relativ selten empirisch arbeitet und dabei die methodische Qualität insgesamt noch stark ausbaufähig ist. Teil II, Beziehungen und Barrieren zwischen Kunst und Unternehmen, ist den Argumenten gewidmet, die Unternehmen bzw. Künstler motivieren KUK einzugehen, zeigt aber auch »Beziehungsprobleme« auf, die eine Annäherung der Akteure erschweren. »Ein bisschen dramatischer ist es schon«, meint Wolf Dieter Enkelmann, der in seinen »Skizzen über Organisation, Wirtschaft, ›Welt‹ und Gegenwart« das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft aus einer philosophischen Perspektive beleuchtet. Enkelmann diskutiert die gegenseitige Durchdringung von Kunst und Wirtschaft und das Spannungsverhältnis, in dem sich die Systeme befinden. Er sieht Unternehmen als korporative Akteure, deren Wesen auf Ratio und Planung statt auf Beziehungen beruht. Kunst kann auf eine aufklärerische Weise das Unsichtbare, Intangible in Unternehmen sichtbar und das Rationale in Organisationen durch Transformation erfahrbar machen. Unternehmen können sich jedoch nur bedingt den ästhetischen Spielregeln der Kunst unterwerfen, und umgekehrt tötet die ökonomische Vereinnahmung die Kunst – zu groß sind die Unterschiede in der Systemlogik. Marija Skobe-Pilley und Giovanni Schiuma führen in »What Business can learn from the Arts« aus, welchen Nutzen die Integration von Kunst in die Wirtschaft haben kann. Für die Unternehmen, denen zunehmend Kreativität und Innovationskraft abverlangt werden, kann Kunst zum Wissens- und Erfahrungsfundus werden, der jenseits des klassischen Management-Paradigmas rigider Steuerung und Kontrolle kreative Potenziale freisetzt, Organisationslernen unterstützt und damit letztlich zum Unternehmenserfolg beiträgt. Der Weg zur »kunstvollen Or-
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ganisation« führt über verschiedene Formen kunstbasierten Lernens mit Lektionen in Wahrnehmung, Umgang mit Unsicherheit und anderen künstlerischen Kompetenzen. Die Autoren verweisen auf die Vorteile von Arts-based Learning, mahnen aber auch den bestehenden Forschungsbedarf an und zeigen einen Ansatz zum empirischen Nachweis der vermuteten Wirkungen. Jörg Reckhenrich konzentriert sich in »Creative Leadership – Führung als kreative Arbeit« auf den Bereich der Organisations- und Personalentwicklung. Auch er plädiert für mehr künstlerisches Denken in Unternehmen und beschreibt Kreativität als erlernbare Haltung. Anhand von exemplarischen Werken aus bildender Kunst und Musik stellt Reckhenrich vier Dimensionen vor, die grundlegend für künstlerische Arbeit sind und Anstoß für eine kreative Haltung und agile Gestaltung von Prozessen im Unternehmen bieten: den Umgang mit Komplexität, das Orchestrieren von Kreativität, eine emotionale Verpflichtung zur Veränderung und den gesellschaftlichen Bezug des Handelns. Er erläutert die Bedeutung von Wahrnehmung, Glaubwürdigkeit, Lern- und Reflexionsbereitschaft und beschreibt, wie sich Planung mit Improvisation verknüpfen lässt und in schöpferische Beziehungen mündet. In ihrem Beitrag »Das Unternehmen als Ressourcenquelle und Entwicklungsfeld« wechseln Berit Sandberg und Alexander Schirm die Perspektive und stellen »Kooperationsmotive von Künstlern« vor. Ihre Auswertung von Literatur und empirischem Sekundärmaterial greift die Frage auf, welchen Nutzen Künstler von der Zusammenarbeit mit Unternehmen haben und welche Bedeutung dem Motiv der Einkommenserzielung zukommt. Dokumentiert sind überwiegend solche Beweggründe, die sich auf das künstlerische Schaffen beziehen. Unternehmenskooperationen erscheinen als persönliches Wachstums- und Entwicklungsfeld. Die Auseinandersetzung mit dem ungewohnten Arbeitsumfeld ist für Künstler Inspirationsquelle und reizvolle Herausforderung, die nicht nur den Zugang zu Ressourcen erschließt, sondern auch dem Kompetenzerwerb und der persönlichen künstlerischen Entwicklung dienen kann. So vielfältig sich die potenziellen Vorteile für die Partner darstellen, so vielfältig sind auch die Ursachen, die Akteure aus Kunst und Wirtschaft von einer Kooperation abhalten können. »Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern« liegen, wie Berit Sandberg in ihrer empirisch fundierten Analyse zeigt, nicht nur in divergierenden Zielvorstellungen, sondern auch in den teilweise unterschiedlichen Wertvorstellungen und Handlungslogiken beider Systeme. Kooperationsnachteile, die Unternehmen wie Künstler von einer Zusammenarbeit abhalten können, resultieren vor allem aus Informationsdefiziten: fehlende Kontakte, das Problem der Passung von Problemstellung und künstlerischer Position und die mit dem angestrebten Ergebnis zwangsläufig verbundene Qualitätsunsicherheit sind mögliche Hindernisse. Offenheit und Vertrauen – Basis für jede erfolgreiche KUK – werden oft von Vorurteilen überlagert.
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Teil III stellt eine Auswahl von Formaten vor, mit denen Unternehmen Kunst in Funktionsbereiche wie Marketing, Organisation und Personalwesen integrieren können. Carsten Baumgarth diskutiert in seinem Beitrag »Markenführung mit Kunst – Berührungspunkte und Kollaborationen zweier Welten« das Potenzial von Kunst für das extern orientierte KUK-Feld Markenführung. Auf bauend auf einem historischen Überblick zu den Berührungspunkten von Marke und Kunst leitet Baumgarth fünf Potenziale von Kunst für die Markenführung ab: Inspiration und Kreativität, Ästhetik und Schönheit, Aufmerksamkeit, Imagetransfer sowie Verknappung. Diese werden mithilfe von Beispielen erläutert und abschließend den Feldern der Markenführung zugeordnet. Martin Schönfeld widmet sich in seinem Beitrag »Kunst im Auftrag der Gegenwart« den von der Wirtschaft vergleichsweise selten genutzten »Wirkungsfeldern der Kunst im öffentlichen Raum«, welche für Künstler nicht zuletzt aufgrund ihrer gesellschaftlichen Relevanz ein interessantes Arbeitsfeld darstellt. Schönfeld präsentiert sechs Beispiele aus dem öffentlichen Sektor, an denen deutlich wird, wie Kunst auf soziale und gesellschaftliche Zusammenhänge von Institutionen einzuwirken vermag und welches Potenzial die Platzierung von Kunstwerken innerhalb von Gebäuden bzw. als »Kunst am Bau« auch für die Wirtschaft entfalten könnte. Ausgehend vom rechtlichen Rahmen für die künstlerische Gestaltung bei staatlichen Baumaßnahmen schlägt Schönfeld privaten Auftraggebern den Wettbewerb als zuverlässigen Mechanismus für eine Auswahl qualitativ hochwertiger Werke vor. Der Beitrag »Unternehmenstheater – Ein Blick aus der Praxis« von Claudia Borowy behandelt theaterbasierte Interventionen im Kontext von Organisations-, Personal- und Führungskräfteentwicklung sowie der Marken-Kommunikation. Es sind Trainingsformate, die nach Auffassung der Autorin weniger als Kunstform denn als Beratungsansatz bzw. als Dienstleistung einzuordnen sind. Borowy stellt die unterschiedlichen Interventionsformate und methodischen Ansätze vor, darunter inszenierte und improvisierte Spielszenen, eLearning-Anwendungen und Konzepte wie »Mitarbeiter-« und Forumtheater. Je nach Anlass, Zielsetzung und Anwendungsbereich wird Unternehmenstheater für Groß- und Kleingruppen kundenspezifisch entwickelt. Daraus ergibt sich für die Umsetzung solcher Projekte ein bestimmter Arbeitsprozess von der Selektion, Beauftragung und Briefing über Konzeption und Umsetzung bis hin zur Evaluation. Gernot Schulz und Bettina Dornberg greifen mit dem Trainingskonzept »Dirigieren & Führen« eine andere KUK-Spielart aus der Personal- und Führungskräfteentwicklung auf: einen Ansatz, der auf eine »Orchestrierte Führungskultur« abzielt. Schulz und Dornberg begreifen Führung als Form von Kommunikation und schlagen die Brücke zum Dirigieren als Form nonverbaler Kommunikation, die nur mit sensibler Wahrnehmung, Emotionalität und Authentizität gelingt. Im Rahmen ihrer Seminare gehen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern in die Rolle des Dirigenten. Dieses sinnliche, mit unmittelbarem Feedback verbundene Er-
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lebnis soll durch die Selbst- und Fremdwahrnehmung des eigenen Führungsstils die Persönlichkeitskompetenzen der Teilnehmer stärken, es soll Veränderungsund Teambildungsprozesse anregen. Im abschließenden Interview berichtet eine Top-Managerin, wie der Ansatz ihren Führungsstil beeinflusst hat. In »Kreativität als Kapital – Künstlerische Praxis in Organisationen« beschreiben Jörg Reckhenrich und Peter Winkels, wie organisationale Fragestellungen für die Beteiligten im künstlerischen Prozess sichtbar und emotional erfahrbar werden. Kunstbasierte Methoden bieten eine Möglichkeit der Reflexion, in der die Situation eines Unternehmens und ihre Prozessabläufe deutlich werden, wenn die Coaches systematisch auf das kreative Potenzial der Teilnehmer zurückgreifen. Entlang von vier Formaten – der dialogischen Betrachtung eines Gemäldes, dem Bau einer Murmelbahn, der Umsetzung von Werten in eine Skulptur und der Zusammenarbeit in einer unternehmensbezogenen Filmproduktion – erläutern die Autoren Ansätze künstlerischer Interventionen in der Organisationsentwicklung und ihre Anwendung auf Themenbereiche wie Teambuilding und Leitbildentwicklung. Teil IV des Bandes stellt sieben Fallbeispiele für erfolgreiche, teilweise preisgekrönte KUKs vor, die verschiedene Kooperationsanlässe und Spielarten von KUKs, aber auch deren Nutzen und immanente Herausforderungen illustrieren. Den »sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen« ist »ein Überblick« vorangestellt, der die Fälle kurz vorstellt und ihre Besonderheiten vergleichend zusammenfasst. Das 3x3-Projekt ist ein temporärer Mini-Think Tank aus Unternehmensvertretern und Künstlern, der für unterschiedliche strategische und operative betriebliche Problemstellungen angesetzt wird. »Abenteuer Kultur« bei dm ist wie »Act Leadership« bei ImmobilienScout24 eine Form des Unternehmenstheaters, das in diesem Fällen in der Personal- bzw. Führungskräfteentwicklung eingesetzt wird. Die Intervention »Art Works« bei Detecon International bespielt die Räume des Unternehmens mit bildender Kunst und verfolgt eine Mischung aus marketing- und personalbezogenen Zielen. Die »Art Collection« der Brauerei WARSTEINER ist ein Beispiel für künstlerische Produktgestaltung, während der »Markenrelaunch« von aixigo und die »Lifestyle-Kampagne« von BENEO in der (Unternehmens-)kommunikation angesiedelt sind. Die Beiträge in Teil V loten Besonderheiten des Managements von KUKs aus, thematisieren Herausforderungen und geben Handlungsempfehlungen. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Künstlern wird entlang wesentlicher Schritte beleuchtet, die die Partner vollziehen, wobei die einzelnen Phasen nicht zwingend in der Reihenfolge ablaufen, in der sie hier präsentiert werden: Situationsanalyse, Zielformulierung, Aufgabenklärung, Projektplanung, Partnersuche und -auswahl, rechtliche Rahmung, Koordination der Umsetzung und schließlich die Evaluation.
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Mirjam Strunk, Sandra Freygarten und Thomas Egelkamp machen den Auftakt, indem sie im Sinne eines künstlerischen Zugangs zu Interventionen in Unternehmen zunächst »die richtigen Fragen stellen« und dann »Herausforderungen offenlegen, Entwicklungen gestalten und Lösungen erproben«. Sie betrachten die Klärung des offenen oder verdeckten Anliegens eines Unternehmens und der Zielsetzung der Kooperation als künstlerischen Prozess. Aus der Zusammenarbeit entsteht ein »Produkt«, das auf den Arbeitsalltag der Unternehmensangehörigen übertragen werden kann. Die Autoren strukturieren die Entwicklung und Durchführung künstlerischer Interventionen in drei Prozessphasen – Anliegen-/Auftragsklärung und Konzeptentwicklung, Prozessgestaltung, Reflexion –, formulieren zu jeder Phase Leitfragen und illustrieren den Ablauf mit anonymisierten Praxisbeispielen. Der Beitrag »Das Projekt planen – Mit agilen Methoden kreative Prozesse steuern« führt in das Projektmanagement von KUKs ein. Ausgehend von methodischen Grundlagen und innovativen Ansätzen für die Projektarbeit erläutert Thomas Sakschewski, wie man »mit agilen Methoden kreative Prozesse steuern« kann. Sakschewski erklärt, warum kreative Prozesse in Unternehmen eine Projektorganisation brauchen, und macht dabei u.a. deutlich, dass dem Projektmanagement eine wichtige Übersetzungsfunktion zwischen Unternehmensvertretern und Künstlern bzw. zwischen künstlerischen Repräsentationen und Organisationssprache zukommt. Er benennt Anforderungen an ein erfolgreiches KUK-Projektmanagement bzw. Kompetenzen der verantwortlichen Akteure und empfiehlt für KUKs mit offenen Aufgabenstellungen Instrumente eines agilen, d.h. ebenso schlanken wie flexiblen Projektmanagements. Carsten Baumgarth, Hendrik Brunsen und Nicole Lohrisch präsentieren in ihrem Beitrag »Die Partner suchen und finden – KUK-Plattformen als Impulsgeber« das Konzept einer institutionalisierten Plattform, die Künstler und Unternehmen zusammenbringt. Dazu werden zunächst sechs verschiedene idealtypische Formen von KUK-Plattformen abgeleitet, beschrieben und durch reale Beispiel erläutert. Diese sechs Typen werden anschließend beurteilt, wobei diese Beurteilung auch die Einschätzung von Managern und Künstlern integriert. Die mehrdimensionale Evaluation zeigt u.a., dass es nicht die »optimale« KUK-Plattform gibt und das der Abbau von Wissensdefiziten auf Künstler- und Unternehmensseite ein zentraler Baustein einer erfolgreichen KUK-Plattform sein sollte. Lisa O’Connor-The widmet sich auf der Grundlage ihrer Erfahrungen mit der Arbeit in einer vermittelnden Agentur dem Prozessschritt »Die Künstler auswählen – Hilfsinstrumente bei der Künstlerauswahl«. Sie benennt die Kriterien, nach denen Künstler in Kooperationen eingebunden werden, und erläutert, wer sich für welche Aufgabenstellung eignet. O’Connor-The empfiehlt, die Auswahlkriterien situationsbezogen zu entwickeln und aus den Formen und Zielen der Zusammenarbeit abzuleiten und zeigt Optionen auf, mit denen Unternehmen den Ablauf des Auswahlprozesses bedarfsgerecht variieren können. Über Hinweise zur internen und externen Kommunikation und zum rechtlichen Rahmen
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der Auswahl hinaus liefert sie eine komprimierte Checkliste für ein Briefing, an der sich Unternehmen bei der Künstlerauswahl orientieren können. Mit ihrem Beitrag »Den rechtlichen Rahmen setzen« vertiefen Pascal Decker und Lara Conrads juristische Aspekte von KUKs. Sie formulieren »Anforderungen an die rechtliche Absicherung von Kunst-Unternehmens-Kooperationen« und weisen auf Aspekte hin, die problematisch sein können und bei der Ausgestaltung von Kooperationsverträgen im Interesse beider Parteien tunlichst berücksichtigt werden sollten. Vertragsrechtliche Fragen betreffen Rechte und Pflichten der Kooperationspartner in unterschiedlichen Konstellationen. Die Autoren erläutern Aspekte, die beim Abschluss von Werkverträgen zu bedenken sind, wie Honoraranspruch, Urheberrecht, Nutzungsrechte und Gewährleistung, und beschreiben wesentliche Komponenten von Dienstverträgen mit Künstlern. Ein besonderes Rechtsgebiet ist die Beteiligung unternehmensnaher Stiftungen als Partner oder Katalysatoren von KUKs. Bernhard Zünkeler überschreibt seinen Essay zum Thema »Den Prozess moderieren« mit »Eine Aufforderung zum Tanz«. Er geht der Frage nach, unter welchen Bedingungen tragfähige Verbindungen zwischen Kunst und Wirtschaft gelingen und welche Motive für die beteiligten Akteure handlungsleitend sein sollten. Unter der Prämisse, dass Kunst mehr sein sollte als ein dekorativer Zusatz, macht er Unternehmen und Künstler zu neugierigen Tanzpartnern, die in offenen Systemen agieren und mit Unplanbarem umgehen können. Die Umsetzung einer KUK vollzieht sich in einem strukturierten und zugleich offenen Prozess, der zielorientiert ist, aber Raum für Zufälle lässt. Sie braucht einen Mittler, der diesen Prozess moderiert. Zünkeler berichtet, welche Rollen und Aufgaben ein solcher Intermediär übernimmt und welchen Anforderungen und Erwartungen er dabei begegnet. Gesa Birnkraut bringt die KUK in ihrem Beitrag »Das Projekt sinnvoll evaluieren – Chancen und Herausforderungen« quasi zum Abschluss. Sie klärt, was im Zusammenhang mit KUKs unter Evaluation zu verstehen ist, welche Funktionen und Dimensionen die abschließende Bewertung der Kooperation hat und welche Modelle und Instrumente geeignet sind, die Wirkung künstlerischer Interventionen zu messen. Birnkraut macht dabei deutlich, welche Herausforderung darin liegt, sich künstlerischem Handeln mit betriebswirtschaftlichen Verfahren zu nähern. Sie stellt geeignete Modelle und Instrumente vor und illustriert die Zielsetzung von KUK-Evaluationen mit passenden Kriterien am Beispiel von zwei Fallstudien aus Teil IV dieses Handbuchs. Teil VI fasst wesentliche Aspekte von KUKs in pragmatischer Weise mithilfe von zwei Checklisten zusammen. Dazu präsentieren Carsten Baumgarth, Nicole Lohrisch und Sarah Bieleke jeweils eine Checkliste für Unternehmen und für Künstler, die beide durch Diskussionen mit Unternehmensvertretern bzw. Künstlern auf Verständlichkeit und Nützlichkeit überprüft wurden.
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Dieses Herausgeberwerk thematisiert Zusammenarbeit und basiert selbst auf vielfältigen Kollaborationen. Zunächst danken wir dem Institut für angewandte Forschung (IFAF Berlin, www.ifaf-berlin.de) für die finanzielle Förderung des Forschungsprojektes »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen als Motor für Wirtschaft und Kunst« und des vorliegenden Handbuches. Für interessante Einblicke, Gespräche und gemeinsame Aktionen danken wir unseren Partnern in diesem Forschungsprojekt: Verein Berliner Künstler (VBK), Kunst in den Gerichtshöfen, inszenio – Agentur für szenische Kommunikation und Berliner Gaswerke AG (GASAG). Darüber hinaus danken wir allen Gesprächspartnern aus der Wirtschaft und der Kunstszene, die uns interessante Einblicke in ihre eigenen KUK-Projekte und ihre Einschätzungen zu KUKs ermöglicht haben. Wir danken allen wissenschaftlichen Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften unseres Forschungsteams an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, die das Forschungsprojekt und die vorliegende Buchpublikation tatkräftig unterstützt haben. Sarah Bieleke, Hendrik Brunsen, Melanie Engelhardt, Antje Hering, Sandra Klautzsch, Nicole Lohrisch, Linda Poimann, Alexander Schirm, Tanja Schirmacher, Linda Schwär und Özlem Yildiz haben durch inhaltliche Beiträge, Workshop-Organisation, Interviews, Korrekturlesen, Unterstützung der Pop-up-Ausstellung »Farbrausch trifft RAL 4010« und formale Überarbeitung der Beiträge alle einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen des Forschungsprojektes sowie zum Entstehen dieses Handbuches geleistet. Unser Dank geht auch an den Verlag transcript, für die Bereitschaft das Handbuch zu verlegen, und besonders an Anke Poppen für die angenehme Zusammenarbeit. Nicht zuletzt danken wir allen Autoren dieses Handbuches, die trotz hoher beruflicher Belastung und eigener Projekte die Zeit gefunden haben, uns wertvolle und bereichernde Beiträge zur Verfügung zu stellen. Wir hoffen nun, dass sich die Arbeit aller Beteiligten, die in diesem Buchprojekt steckt, für Sie als Leserin und Leser1 auszahlt und das Buch dazu beiträgt, dass in Zukunft mehr und vor allem professioneller gemanagte KUKs zum Nutzen von Unternehmen UND Künstlern entstehen. Aktuelle Informationen zu diesem Buch und zum Forschungsprojekt finden Sie auch unter: www.arts-push-business.de
1 | Im vorliegenden Handbuch wird bei der Personenbezeichnung die jeweils gängige (männliche oder weibliche) Form gewählt. Dies soll keineswegs eine Diskriminierung von Frauen und/oder Männern darstellen, sondern die Lesbarkeit des Textes erhöhen.
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Wir freuen uns jetzt schon darauf, Sie, lieber Leser, entweder persönlich oder virtuell zu treffen, um über das Thema KUK mit Ihnen zu diskutieren. Nun wünschen wir Ihnen aber erst einmal eine spannende und anregende Lektüre und viele Impulse für Ihre künstlerische, wirtschaftliche oder forscherische Tätigkeit. Berlin, im August 2015 Carsten Baumgarth und Berit Sandberg
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Teil I: Einführung
Unternehmen und Künstler Von der Koexistenz zur Kooperation Berit Sandberg
1. E inführung 1889 wurde die Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen gegründet. Bereits um die Jahrhundertwende arbeitete das Unternehmen mit Künstlern zusammen, die die Keksdosen so aufwändig und unverwechselbar gestalteten, dass sich Bahlsen als Marke etablieren konnte. Die künstlerisch gestalteten Verpackungen sind nicht nur ein Stück Firmengeschichte, sondern spiegeln vom Jugendstil bis zur Pop Art viele Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts. Damit nicht genug: Künstler entwarfen für Bahlsen Plakate und Anzeigen, Schaufensterdekoration, Musterläden und Fabrikarchitektur. Der Unternehmensgründer Hermann Bahlsen sah Kunst nicht nur als Gestaltungsmittel, sondern als Teil eines für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Gesamtkonzepts, das heute als Corporate Cultural Responsibility bezeichnet würde (Panzert 2014). Das Beispiel verweist auf die historischen Wurzeln eines Phänomens, das in den vergangenen zwanzig Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Kunstferne Unternehmen arbeiten mit Künstlern zusammen, um künstlerische Ansätze für betriebswirtschaftliche Problemstellungen zu nutzen. Kooperationen mit bildenden Künstlern haben eine lange Tradition, denn die bildende Kunst gilt als Manifestation von Kunst schlechthin (Ullrich 2013, S. 123) und ist daher die erste Wahl, wenn Kunst demonstrativ in unternehmerische Zusammenhänge integriert werden soll. Die darstellenden Künste tauchen in Unternehmen erst Ende des 20. Jahrhunderts auf – 1986 hob Michel Fustier das Unternehmenstheater aus der Taufe (Tschui 2005) – und die Musik ist eine Begleiterin der Eventkultur (Sigmund 2013). Auch andere neue Formate wie Kreativ- und Strategie-Workshops unter Anleitung von Künstlern deuten an, dass es im Verhältnis von Wirtschaft und Kunst um mehr gehen könnte, als um dekoratives Grafikdesign oder um die Inszenierung von Macht durch eine Corporate Collection (Ullrich 2000). Es heißt, Kunst und Wirtschaft seien zwei fremde Welten (Ferro-Thomsen 2005a, S. 22; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1839). Tatsächlich sind Kunst und
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Wirtschaft soziale Systeme mit unterschiedlichen Handlungslogiken, kommunikativen Codes und Ritualen (Baecker 2005, S. 124; Haltern 2014, S. 11f.). Künstlerisches Handeln ist Unternehmen, die nicht der Kreativwirtschaft angehören, i.d.R. ebenso fremd wie es Künstlern die zweckrationalen Handlungsmuster von Unternehmen sind. Diese Andersartigkeit macht die Kunst für die Wirtschaft interessant und umgekehrt. Sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen, verspricht also einen Mehrwert. »The art world and the business environment can be visualized as a mutually beneficial permeable boundary.« (Fillis 2014, S. 53) Corporate Collections und Art Leasing sind vorsichtige Versuche der Integration von Kunst in Unternehmen. Vorsichtig deshalb, weil sie selten programmatischen Charakter haben und die Akteure mit dem Import fertiger Kunstwerke die imaginäre Grenze zwischen Kunst und Wirtschaft nicht wirklich überwinden. Künstler und Unternehmen lassen sich erst in Formen der Zusammenarbeit aufeinander ein – mal mehr, mal weniger. Die Beziehung zwischen Kunst und Wirtschaft im Kontext von Kooperation auszuloten, eröffnet eine neue Perspektive auf ein Thema, das im Hinblick auf die zunehmende Anzahl einschlägiger wissenschaftlicher Publikationen und Medienberichte (z.B. Bergmann 2012; Laudenbach 2013) ganz offensichtlich auf der Agenda ist. Ziel dieses Beitrages ist es, den sozioökonomischen Kontext und die Relevanz von Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen aufzuzeigen (Abschnitt 2). Außerdem soll ausgelotet werden, was solche Kooperationen im Unterschied zu anderen Konstellationen von Kunst und Wirtschaft ausmacht (Abschnitt 3) und welche Kooperationstypen sich in Bezug auf den Gegenstand der Kooperation unterscheiden lassen (Abschnitt 4). Diese Typen werden schließlich in ein Modell eingeordnet, das kunstbasierte Kooperationen als mehr oder weniger enge Beziehungen deutet (Abschnitt 5).
2. D ie R ele vanz kunstbasierter K ooper ationen 2.1 Ökonomische Perspektive »Neue Verbindungen schaffen« lautete das Motto einer Konferenz, die die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung 2014 in Berlin veranstaltete. Die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit einer Branche, die sich durch die erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Produktion und Distribution von Kunst und Kultur definiert (WMK 2009), bildet den Rahmen für die Förderung von Kooperationen zwischen der Kreativwirtschaft und Unternehmen anderer Wirtschaftszweige. Dass Wirtschaftsförderung branchenübergreifende Kooperationen mit Kreativen propagiert, ist ein politisches Novum. Kunst und Kultur wurden Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als weiche Standortfaktoren identifiziert, die bis heute die klassische staatliche Infrastrukturförderung legitimieren
Unternehmen und Künstler
(Grabow et al. 1995; Bowitz/Ibenholt 2009). Angesichts rückläufiger öffentlicher Fördergelder sind nun Arrangements gefragt, die Künstlern neue Arbeitsfelder und Einkommensquellen jenseits des Kunstbetriebes erschließen (Reckhenrich 2006, S. 212f.). 63,7 % der Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft arbeiten mit anderen Unternehmen zusammen. Diese gehören überwiegend derselben Branche an bzw. sind selbst Kulturschaffende. Nicht einmal jede zweite Kooperation betrifft branchenfremde Unternehmen (46,6 %) (BMWI 2013, S. 10f.). Wie hoch dieser Anteil bei Kleinstunternehmen und Selbstständigen ist, ist ebenso wenig bekannt wie der Gegenstand der Zusammenarbeit. Anders als für die gesamte Branche kann auch nicht beziffert werden, welches Umsatzvolumen in solchen Kooperationen erwirtschaftet wird und wie hoch die Bruttowertschöpfung ist. Aus der Perspektive der Unternehmen, die nicht der Kultur- und Kreativwirtschaft angehören, ist die Kooperation mit Künstlern oder Künstlergruppen Kulturförderung mit anderen Mitteln.1 Die verschiedenen Formen des Kultursponsorings (Vergabe von Geld- oder Sachmitteln, Kunstwettbewerbe, Artist in Residence-Programme etc.), sind im Unterschied zum bedingungslosen Maecenatentum ein Geschäft auf Gegenseitigkeit und damit eine, wenn auch vom Mittelgeber einseitig dominierte Kooperationsform. 2010 gaben deutsche Unternehmen 0,3 Milliarden Euro für Kultursponsoring aus, wobei die meisten Museen und Ausstellungen förderten (pilot checkpoint 2010, S. 7, 23). Mit Sponsoring Imagepflege zu betreiben, reicht jedoch nicht mehr aus. Eine umfassende Corporate Cultural Responsibility soll als Pflege der kulturellen Umwelt auf das Unternehmen zurückwirken (Hutter o.J.) und intern einen Beitrag zur Humanisierung der Arbeitswelt leisten (Enkelmann 2006, S. 358f.). Die Förderung der Kunst ist nicht mehr Liebhaberei einer »neoaristokratische[n] Elite« (Ullrich 2013, S. 115), sondern Business Case. Die gezielte Einbindung von Kunst und künstlerischen Arbeitsweisen, die über oberflächliche Kosmetik hinausgeht, verspricht einen noch höheren Beitrag zum Unternehmenserfolg (Ullrich 2013, S. 118). Kooperationen mit Künstlern scheinen rentabel und legitimieren sich durch ihren Beitrag zum Unternehmenswert. Unternehmen, die sich erfolgreich am Markt etablieren oder behaupten wollen, müssen gesellschaftliche Trends wahrnehmen und rechtzeitig darauf reagieren. Dabei gelten Innovationsfähigkeit und Kreativität als entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Kunst ist dabei nicht nur potenzielle Identifikationsfläche und Imagefaktor für Kunden und Mitarbeiter, sondern eröffnet Möglichkeiten der Differenzierung im Wettbewerb (Jeffcut/Pratt 2002, S. 225). Unternehmen, die mit Künstlern kooperieren, setzen darum häufig auf der strategischen Ebene an. Die Zusammenarbeit zielt auf einen umfassenden organisatorischen Wandel in Bereichen wie Unternehmensphilosophie und -kul1 | Zur Kulturförderung durch Unternehmen vgl. Kulturkreis der deutschen Wirtschaft 2010.
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tur, Innovation und Führung ab. Beispiele sind temporäre Mini-Think Tanks aus Unternehmensvertretern und Künstlern, die im strategischen Management angesiedelt sind, oder die Visualisierung der Corporate Identity durch eine Raumgestaltung, die über eine rein dekorative Funktion hinausgeht. Auf der instrumentellen Ebene wird künstlerischer Input für konkrete Aufgabenstellungen im Marketing (z.B. Produktentwicklung und -design, Kommunikation, Markenführung) sowie in der Personal- und Organisationsentwicklung (z.B. Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit, Ausbildung von Schlüsselkompetenzen) genutzt (Darsø 2009, S. 14f.). Kunst ist für die Wirtschaft vor allem deshalb wertvoll, weil sie durch Überraschung und Irritation die Wahrnehmung erweitern und Neues hervorzubringen vermag (Priddat 2006, S. 325). Über die Wertschöpfung im beauftragten Werk hinaus hat künstlerische Arbeit einen pädagogischen Wert. In Kooperationen können Unternehmen von Künstlern lernen und umgekehrt. Aus der Perspektive der Unternehmen bedeutet dieser Know-how-Transfer (Tröndle 2005, S. 153), in der Annäherung an künstlerisches Denken gewohnte Handlungsmuster und Konventionen aufzugeben und in offenen Systemen zu navigieren (Bertram 2012b, S. 42f.). Künstler arbeiten mit Methoden, die sich vom analytischen, planvollen Vorgehen des Managements unterscheiden (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1840). Sie sind darin geübt, mit widersprüchlichen und unsicheren Situationen umzugehen. Die Handlungsmaxime der Künstler, der »geregelte Regelbruch« (Tschacher/ Tröndle 2005, S. 145), kann, so wird unterstellt, auch im Kontext der Wirtschaft Grenzen verschieben und Innovationsprozesse in Gang setzen. Der Nutzen von Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen ist vielfältig. Im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung sind die Wirkungen auf die Organisation bzw. den Unternehmenserfolg meist indirekter Natur und lassen sich auf individuelle Lernprozesse zurückführen. Sie folgen keiner eindimensionalen Wirkungslogik (Arts & Business 2004, S. 13; Berthoin Antal/ Strauß 2013, S. 8, 13). Ähnliches gilt für die Wirkung von Kunst am Arbeitsplatz (IAC 2012). Im Marketing sind die positiven Effekte unmittelbarer, beziehen sich aber auf Konstrukte wie Einstellung und (Marken-)Image und lassen sich daher schwer isolieren (Hagtvedt/Patrick 2008). Wie groß der monetäre Mehrwert ausfällt, der letztlich das übergeordnete Ziel ist, ist unklar und lässt sich nicht einmal auf der Mesoebene zuverlässig erfassen. Unabhängig davon ist der Diskurs um das Verhältnis von Kunst und Wirtschaft nun um die Umkehrung der traditionellen Lesart reicher: »Kunst fördert Wirtschaft.« (Bertram 2012a)
2.2 Künstlerische Perspektive Dies ist auch aus einer künstlerischen Perspektive ein neuer Zugang. Insofern fällt das Aufkommen von Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern, die auf eine betriebliche Problemstellung gerichtet sind, mit einer Erweiterung des Kunstbegriffs zusammen.
Unternehmen und Künstler
Dass freie Kunst die Wirtschaft thematisiert, ist nicht neu. In der jüngeren Vergangenheit gibt es zahlreiche Beispiele u.a. in der Literatur, in der Musik, in der Malerei, im Schauspiel und in der Aktionskunst. Der 2012 erschienene Roman »Johann Holtrop« von Rainald Goetz erzählt den Fall eines Vorstandsvorsitzenden in den Nullerjahren. Die 2013 uraufgeführte komische Oper »Onkel Präsident«, die Friedrich Cerha komponierte, dreht sich um den Präsidenten eines Stahlkonzerns und zieht en passant den Opernbetrieb durch den Kakao. Die audio-visuelle Installation »NASDAQ Voices« von Fabio Cifariello Ciardi (2011) übersetzt Kursbewegungen in Klangbilder. 2010 karikierte Ron English mit dem Poster »Killfrog’s Sugar Smack – What Children Crave« die Verpackung zuckriger Frühstückscerealien, nachdem der Hersteller das Produkt mit einer Rückrufaktion aus dem Handel nehmen musste. Für ihr Interviewprojekt »Feindbild-Verleih« verlieh die Malerin Verena Landau 2005 Portraits von Managern und Politikern, die auf den Foto-Vorlagen vor Kunstwerken posierten. Die Wirtschaftskomödie »Die Kontrakte des Kaufmanns« von Elfriede Jelinek (Uraufführung 2009) und das Drama »Das Himbeerreich«, das Andres Veiel 2013 auf die Bühne brachte, thematisieren die Finanzkrise. Das Performance-Kollektiv Rimini Protokoll erklärte 2009 eine Aktionärsversammlung der Daimler Benz AG kurzerhand zum Theaterstück. Viele weitere Werke wären zu nennen. Allein die Ausstellung »Art & Economy« versammelte 2002 in Hamburg 50 Arbeiten, die sich mit der Wirtschaft auseinandersetzen (Zdenek et al. 2002). Zu den künstlerischen Strategien gehören auch die Übernahme der Arbeitnehmer- oder die Simulation der Unternehmerrolle und die reale Unternehmensgründung. Beispiele sind die Arbeiten der Artist Placement Group (APG) in den 60er und 70er Jahren und die Maria Eichhorn Aktiengesellschaft, die die Künstlerin 2002 gründete und auf der documenta 11 präsentierte. Solche fiktiven Unternehmensgründungen standen bereits 1993 im Mittelpunkt der Ausstellung »Business Art/Art Business«, die das Groninger Museum kuratierte (von Radziewsky 1993). Freie künstlerische Arbeiten zum Thema Wirtschaft repräsentieren noch die Funktion der Kunst als Spiegel ihres gesellschaftlichen Umfeldes und stehen in der Tradition des autonomen Kunstbegriffs. In der Reflektion gesellschaftlicher Phänomene grenzten sich die Künstler von ihrem Gegenstand ab und bezogen eine eher wirtschaftskritische Position.2 Das Primat der Autonomie und der Impetus der Andersartigkeit haben mit dem Niedergang der Avantgarde Ende des 20. Jahrhunderts an Bedeutung verloren (Ullrich 2013, S. 147). Künstler verorten sich in der Gesellschaft als sozialem Raum (Moser 2013, S. 309), indem sie »Kunst als eine soziale Aktivität verstehen und nicht als einen Spiegel der Wahrheit« (Hansen 2005, S. 174). »Die Kunst wird
2 | Vgl. dazu auch Boltanski/Chiapello (1999), die den umstrittenen Begriff der »Künstlerkritik« einführten.
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von einer Adels-Luxus-Angelegenheit zu einem Beitrag gesellschaftlicher Funktion.« (Priddat 2006, S. 332) Mit der Autonomie steht auch das Dogma der unbedingten Zweckfreiheit von Kunst (Belfiore/Bennett 2007, S. 141) zur Disposition. Wenn Kunst eine konkrete gesellschaftliche Aufgabe erfüllen und Systeme nicht nur reflektieren, sondern gestalten soll, verändern sich das Selbstbild und das Image des Künstlers. Er ist nicht mehr das unabhängige und einsame Genie (Cassandro/Simonton 2003, S. 163), sondern ein kooperationsbereiter und -fähiger Dienstleister, dem es nicht allein um die kritisch-distanzierte Auseinandersetzung mit der Wirtschaft bzw. mit Unternehmen geht, sondern um Wechselwirkungen und Synergien. Berufung und Auftrag schließen sich nicht mehr aus (Röbke 2000, S. 203; Ullrich 2013, S. 115, 117, 147). Die einseitige Kunstförderung durch die Wirtschaft konservierte die Trennung der beiden Sphären und hatte keinen Einfluss auf das Verständnis von Kunst. Indem Kunst in Unternehmen integriert und – je nach Einsatzfeld – zu einem Inkubator oder Katalysator für betriebliche Prozesse wird, erweitert sich auch der Kunstbegriff (Ullrich 2013, S. 115f.). Wie diese Annäherung zu bewerten ist, ist strittig. Die einen deuten sie als Form der Instrumentalisierung von Kunst für wirtschaftliche Interessen, die nicht aus künstlerischen, sondern aus moralischen Gründen verwerflich ist (Enkelmann 2006, S. 361; Laudenbach 2013, S. 78), die anderen als Chance, in der Interaktion die gegenseitige Neugier zu befriedigen und konstruktiv zu nutzen (Ullrich 2013, S. 120). Mit der »Einbindung des Wirtschaftsvokabulars in den Kunstbegriff« (Ullrich 2013, S. 127), bezieht sich Kunst nicht mehr allein auf das Werk, sondern wird als Business interpretiert (Ullrich 2013, S. 145). Unabhängig davon, ob sich Künstler heute überwiegend als Kleinunternehmer verstehen oder nicht (Henze 2013, S. 71; a. A. Hausmann 2007, S. 223, 225), wird der Manager folglich zum Vorbild für den Künstler (Groys 1992, S. 136; Bauer 2005, S. 106; Ullrich 2013, S. 119; Mir 2014, S. 351f.), allerdings mit dem Unterschied, dass es nicht um das Management eines Unternehmens, sondern um Selbstmanagement geht (Reither 2008, S. 175f.; Richter/Maier 2011, S. 295; Mir 2014, S. 353-356). Vor allem in der bildenden Kunst entwickelt sich die Fähigkeit zur Selbstvermarktung offenbar zu einer wichtigen Handlungskompetenz (Röbke 2000, S. 160). Dabei wird nicht nur das Vokabular, sondern auch das Instrumentarium der Managementlehre entlehnt. Künstlern wird beispielsweise empfohlen, im Wettbewerb um Aufmerksamkeit eine unverwechselbare Identität zu entwickeln und sich als Marke zu positionieren – eine Aufforderung, der sich scheinbar nur die Etablierten gelassen entziehen können (so z.B. Schütte 2013). Für viele andere ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen eine mögliche Überlebensstrategie in einem Berufsfeld, dessen Angehörige sich überwiegend in einer unsicheren und prekären Einkommenssituation befinden (Haak 2008). Sie ist außerdem eine pragmatische Taktik, weil die Partnerschaft nicht nur eine Erweiterung der eigenen künstlerischen Fähigkeiten verspricht (Grzelec 2013,
Unternehmen und Künstler
S. 90-92), sondern auch den Zugang zu finanziellen und – etwa in der Media Art – technischen Ressourcen ermöglicht (Ullrich 2013, S. 149). Was sie idealerweise nicht ist: ein Rückfall in die vormoderne Ära der Auftragskunst.
2.3 Gesellschaftliche Perspektive In der postindustriellen Informations- und Wissensgesellschaft galt theoretisches Wissen als zentrale Ressource (Bell 1973). Inzwischen wird lebensweltliche Kreativität als Schlüssel zur Innovation gesehen, weil individuelles und organisationales Lernen und die Erzeugung von Wissen ohne sie nicht denkbar sind (Stevens et al. 2000, S. 14; Florida 2002, S. xiii). Angesichts globaler Megatrends wie Individualisierung und Urbanisierung »ist die eigentliche gesellschaftliche Herausforderung der Wertewandel hin zu Kreativität« (Rothauer 2005). Trendforscher prognostizieren gar den Übergang zur Kreativgesellschaft (Brühl/Keicher 2007; Zellmann 2007). Kreativität wird zum »Produktionsethos«, das die Rationalität von Organisationsstrukturen und Prozessen mit Ästhetik überzieht (Reckwitz 2014, S. 40, 141-143) und die Führungskompetenz des Managers herausfordert (Dobson 1999; Kaniuth 2000; IBM 2010, S. 23-31). Die Arbeitsgesellschaft wandelt sich zur Tätigkeitsgesellschaft, in der Selbstverwirklichung und Sinn im Mittelpunkt stehen. Regelgeleitetes Handeln wird vom Ideal der zweckfreien, selbstbestimmten Tätigkeit abgelöst (Röbke 2000, S. 220; Brater et al. 2011, S. 21). Individuelle Kreativität und Gestaltungskompetenz, d.h. die Bereitschaft und die Fähigkeit sich permanent anzupassen und zu verändern, werden damit zu zentralen gesellschaftlichen Anforderungen (Röbke 2000, S. 13; Brater et al. 2011, S. 70). Damit korrespondiert ein Szenario der Arbeitswelt, das an die Arbeitssituation von Künstlern erinnert. Arbeit wird zur Gestaltung unplanbarer, offener Prozesse, in denen situatives Handeln erfolgreicher ist als determiniertes Verhalten (Brater et al. 2011, S. 57f.). Das Bild des Künstlers als gesellschaftlicher Außenseiter (Müller-Jentsch 2005, S. 161), der eine Sub- oder gar Gegenkultur repräsentiert, ist damit überholt. Der Künstler wird zum Rollenmodell der Tätigkeitsgesellschaft und die Kunst zur »Kreativitätsressource (für andere gesellschaftliche Bereiche)« (Haltern 2014, S. 15).
3. D as W esen kunstbasierter K ooper ationen 3.1 Definitionsmerkmale kunstbasierter Kooperationen Der Begriff Kooperation kommt aus dem Lateinischen. Der Wortstamm »cooperare« bedeutet »Zusammenarbeit« oder »gemeinschaftliche Erfüllung von Aufgaben« (Spieß 2004, S. 193). Darum ist neben Zusammenarbeit Partnerschaft ein häufig verwendetes Synonym (Spieß 2004, S. 193). Weniger geläufig ist die mit
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der Kooperation verwandte Komplizenschaft, die Arbeitsbeziehungen zwischen Künstlern positiv umdeutet (Ziemer 2013). Ebenso wenig wie ein einheitlicher Kunstbegriff existiert, gibt es einen konsensfähigen Kooperationsbegriff. Je nach Fachdisziplin werden unterschiedliche Merkmale betont und eine Vielfalt von Erscheinungsformen subsumiert (Friese 1998, S. 57-67). Daraus lassen sich sechs Merkmale destillieren, die die Kooperation als Form sozialer Interaktion ausmachen und auch Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen kennzeichnen: Partner, Freiwilligkeit, Zielharmonie, Reziprozität, Autonomie und Koordination.3 Im Kern sind Kooperationen Transaktionen, in die unabhängige Akteure freiwillig Ressourcen einbringen, um gemeinsam eine Aufgabenstellung zu bearbeiten und daraus beiderseitigen Nutzen zu ziehen (Grochla 1972, S. 1f.; Spieß 2004, S. 199; Föhl 2009, S. 25f.). Kunstbasierte Kooperationen verbinden die beiden Sphären Kunst und Wirtschaft über mindestens zwei Akteure bzw. Partner. Im weitesten Sinne sind also auf der einen Seite Einzelkünstlern und/oder Künstlerkollektive und auf der anderen Einzelpersonen oder Unternehmen involviert. Die Sammlung Marli RitterHoppe, die passend zur Marke Ritter Sport Kunstwerke im Quadrat vereint, ist keine Corporate Collection, sondern gehört der Enkelin des Firmengründers. Bei der Ausstellung »Sieben« im Jahr 2014 bespielte das Museum Ritter die Ausstellungsräume u.a. mit eigens geschaffenen Installationen mehrerer Künstler. In den Inszenierungen des Theaterstücks »Kölner Devisen«, das 2002 uraufgeführt wurde, übernahmen ehemalige Top-Manager deutscher Banken tragende Rollen. Macht das den Ex-Banker zum Künstler? Der Anbieter oder Nachfrager der Leistung, die innerhalb der Kooperation erbracht wird, ist Künstler im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG, wenn er »Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft [oder] ausübt«. Nach § 73 UrhG ist »ausübender Künstler […], wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt«. In der Praxis kommt es jedoch regelmäßig nicht auf solche Legaldefinitionen an, sondern darauf, ob die Betreffenden ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Kunst haben, sich als Künstler verstehen und als solche öffentlich sichtbar sind (Berthoin Antal 2012, S. 62). Eine Legaldefinition des Unternehmens gibt es nicht. Der Begriff wird in der Regel als bekannt vorausgesetzt. Die klassische betriebswirtschaftliche Definition, die auf die Prinzipien Privateigentum, Autonomie und Gewinnstreben abstellt (Gutenberg 1929), ist für Beziehungen zum Kunstsystem weniger fruchtbar als organisationstheoretische Ansätze, die das Unternehmen als Beziehungsgeflecht deuten (Jensen/Meckling 1976) und u.a. verhaltens-, entscheidungs- oder systemtheoretisch erklären (Simon 1947; March/Simon 1958; Baecker 1999). Schließlich entscheidet und handelt nicht das Gebilde Unternehmen, sondern es sind die Unternehmenseigentümer und -angehörigen, die kunstbezogene Ko3 | Zur literaturbasierten Herleitung vgl. Baumgarth et al. 2014, S. 15-17.
Unternehmen und Künstler
operationen initiieren und umsetzen. Die organisationssoziologische Perspektive schlägt die Brücke zur ästhetischen Wahrnehmung in Organisationen (Wirtschaftsästhetik) (Strati 1999; Linstead/Höpfl 2000). Kooperationen basieren auf Freiwilligkeit. Das unterscheidet die öffentliche Performance »Alice im Wunderland«, die seit 2012 in und mit Berliner Shoppingcentern koproduziert wird, von Interventionen, die von Unternehmen nur geduldet oder sanktioniert werden, wie die Performance »Ein sehr kurzes Stück für Bankdirektoren«, die 1997 erstmals in der Hauptstelle der Deutschen Bank in Berlin stattfand und in einem Polizeieinsatz endete. Ob die Partner ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mündlich erklären oder ihre Absichten schriftlich fixieren, ist für die Begriffsabgrenzung unerheblich. Beides ist möglich. Ähnlich den Gepflogenheiten im Kunsthandel werden teilweise Rahmenvereinbarungen mit geringem Detaillierungsgrad oder informelle Verträge (Handschlag) abgeschlossen (Caves 2006, S. 537, 540; Sigmund 2013, S. 186, 202). Es sind implizite Verträge, die durch Verhaltensnormen abgesichert werden (Salanié 2005, S. 3). Die Arrangements funktionieren, weil die Partner die gleichen oder komplementäre Ziele verfolgen, diese Ziele aber im Alleingang weniger effektiv erreichen können (Triebel/Hürter 2012, S. 21f.). Bei den oben erwähnten Performances im Shoppingcenter stehen für das Künstlerkollektiv MS Schrittmacher die Reflektion des Themas Identität und gesellschaftliche Reibungsprozesse im Vordergrund, während die Geschäftsführung des Kaufhauses Karstadt auf die emotionale Ansprache der Kunden und den innovativen Charakter der Inszenierung setzt (Quickert 2013). Im Konsumtempel vertragen sich die Marketingziele bestens mit der künstlerischen Ambition. Anders als für Unternehmen sind wirtschaftliche Ziele und finanzielle Aspekte für Künstler häufig nachrangig. Die Frage ist vielmehr, ob die Kooperation ihre Nutzenerwartungen erfüllt. Diese Erwartungen beziehen sich auf ihr künstlerisches Schaffen, ihre Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven sowie auf die soziale Dimension der Zusammenarbeit (Baumgarth et al. 2014, S. 28-31).4 Die Partner gehen eine Kooperation ein, weil die damit verbundenen Vorteile die geopferten Ressourcen und den Nutzen alternativer Verwendungsmöglichkeiten bzw. den Nutzen von Kooperationsalternativen überwiegen. Die soziale Austauschtheorie erklärt Kooperationsbeziehungen also über den subjektiv bewerteten Nettonutzen von Transaktionen (Thibaut/Kelley 1959; Homans 1961). Damit wird Reziprozität zu einem zentralen Element der Beziehung. Das Prinzip der Gegenseitigkeit impliziert einen Austausch von Leistung und Gegenleistung. Dieses Geben und Nehmen kann sich auf unterschiedliche Arten von Ressourcen beziehen: auf Geld, Sachgüter, Dienstleistungen, Wissen, Fähigkeiten etc. (Spieß 2004, S. 199; Triebel/Hürter 2012, S. 21f.). Anders als bei einer marktlichen Transaktion sind die nicht-monetären Leistungen, die die Partner austauschen, meist nicht genau spezifiziert. Es geht nicht 4 | Vgl. dazu den Beitrag von Sandberg und Schirm (S. 121ff.) in diesem Handbuch.
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um den anonymen Erwerb eines standardisierten Produktes, sondern um sogenannte Kontraktgüter, d.h. um kundenspezifische Leistungen, die oft aus einer offenen Aufgabenstellung heraus gemeinsam entwickelt werden (Kaas 1995, S. 24). Während ein Künstler, der in einem Unternehmen ein eigenes Werk realisiert, seine künstlerische Unabhängigkeit wahrt und in der Beobachterrolle auf Abstand zu seinem Gegenstand bleibt (Reckhenrich 2006, S. 212), muss er als Kooperationspartner seine Arbeit mehr oder weniger an die spezifischen Anforderungen und Vorgaben des Unternehmens anpassen. Umgekehrt muss ein Unternehmen, das von einem Künstler mit der Ausführung von Arbeiten an einem Werk beauftragt wird, versuchen, im Rahmen des technisch Möglichen dem künstlerischen Konzept zu genügen. Das bedeutet, dass die Partner innerhalb einer Kooperation zwar wirtschaftlich weitgehend unabhängig voneinander bleiben, aber ihre Entscheidungsfreiheit und (künstlerische) Autonomie teilweise aufgeben müssen (Föhl 2009, S. 26). Bei Vorhaben, die den Charakter von Dienstleistungen haben, ergibt sich dies schon aus den Eigenarten der immateriellen Leistung. Ohne die Integration von Unternehmensressourcen, des sogenannten externen Faktors (z.B. Mitarbeiter, Räume), kann die Leistung gar nicht erbracht werden. So binden beispielsweise trainingsorientierte Formen des Unternehmenstheaters vor Ort Mitarbeiter als Regisseure und Darsteller in die Inszenierung ein. Der Kunde ist Koproduzent. Der Künstler, der wie beim IT-Dienstleister DATEV als Unternehmensangehöriger Ausstellungen von Mitarbeitern organisiert und schließlich zum Referenten für Kunst und Kultur ernannt wird, ist nicht autonom. Er ist in die Unternehmenshierarchie eingebunden und seine Tätigkeit wird durch Weisungen koordiniert. Diese Konstellation steht in der Neuen Institutionenökonomie, genauer in der Transaktionskostentheorie, für die Hierarchie. Sie ist das Gegenstück zum Markt, auf dem Transaktionen über den Preismechanismus koordiniert werden. Die Kooperation ist ein Hybrid, das sowohl marktliche als auch hierarchische Elemente aufweist. Im Unterschied zur Interaktion ist die Kooperation zweckgerichtet. Die Partner müssen planvoll vorgehen und sich abstimmen, um ihr gemeinsames Ziel zu erreichen (Fontanari 1996, S. 35). Bei unternehmensbezogenen Aufgabenstellungen sind es oft Intermediäre, die wichtige Koordinationsaufgaben übernehmen. Das sind Personen, die Anbieter (Künstler) und Nachfrager (Unternehmen) in Kontakt bringen und bei der Abwicklung der Kooperation unterstützen. Je nach Kontext werden sie auch als Mittler, Promotoren, Mediatoren oder Broker bezeichnet. Intermediäre sind die Fachleute, die als Übersetzer die Kluft zwischen Wirtschaft und Kunst überbrücken können (Schiuma 2011, S. 226f.). Bei personenbezogenen Dienstleistungen (z.B. Unternehmenstheater, Kreativworkshops) sind die involvierten Intermediäre oft selbst ausgebildete Künstler, während bei objektbezogenen Leistungen (z.B. Werbe- und Produktgestaltung) auch klassische Marketing-Agenturen ohne kulturellen Arbeitsschwerpunkt agieren.
Unternehmen und Künstler
Die Koordinationskosten liefern die ökonomische Erklärung dafür, dass Akteure Kooperationen eingehen und ggf. Intermediäre einschalten. Unter bestimmten Bedingungen ist die Kooperation Markt und Hierarchie als institutionelles Arrangement überlegen, weil sie die Transaktionskosten minimiert. Das gilt dann, wenn gleichartige Transaktionen nicht häufig wiederholt werden, wenn spezifische Ressourcen eingebracht werden, für die es jenseits des Vorhabens keine Ertrag bringende alternative Verwendungsmöglichkeit gibt, und wenn der Austausch mit Unsicherheit verbunden ist (Williamson 1979, S. 239). Leistungen, die an die Bedürfnisse eines Unternehmens angepasst werden müssen, sind spezifische Investitionen (Williamson 1979, S. 240f.). Ein vollendetes Gemälde kann am Kunstmarkt erworben werden, eine künstlerisch gestaltete Produktverpackung nicht. Die »Balloon Venus«, die Jeff Koons 2013 als Verpackung für den »Dom Pérignon Rosé Vintage« entwarf und die in einer Auflage von 650 Stück für 15.000 Euro angeboten wurde, war nur im Rahmen einer Kooperation realisierbar.
3.2 Die Kunst-Unternehmens-Kooperation als Spezialfall Die oben beschriebenen Wesensmerkmale führen zu einem sehr weit gefassten Verständnis kunstbasierter Kooperationen, in dem das Phänomen »Kunst fördert Wirtschaft« aufgeht, aber damit auch nicht deutlich sichtbar wird. Im Rahmen des Forschungsprojekts »Arts Push Business« haben Baumgarth et al. daher den Begriff der Kunst-Unternehmens-Kooperation (KUK) eingeführt (Baumgarth et al. 2013; Baumgarth et al. 2014). Ihre Definition setzt an den oben beschriebenen Charakteristika an: »Eine Kunst-Unternehmens-Kooperation ist die informelle oder formell fixierte, freiwillige Zusammenarbeit zwischen einem Künstler oder Künstlergruppen und einem Unternehmen, die ihre künstlerische und/oder wirtschaftliche Autonomie partiell zu Gunsten eines koordinierten, der Norm von Reziprozität verpflichteten Handelns aufgeben, um angestrebte gemeinsame oder komplementäre Ziele im Vergleich zum individuellen Vorgehen besser erreichen zu können. Sie beinhaltet den Austausch von Ressourcen zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung« (Baumgarth et al. 2014, S. 21). Gemeint sind Transaktionen, in die beide Partner Ressourcen einbringen, um gemeinsam eine unternehmensbezogene Aufgabenstellung zu bearbeiten und daraus beiderseitigen Nutzen zu ziehen, der z.B. in einem Wissenstransfer oder in Einkommens- bzw. Gewinnerzielung bestehen kann. Dabei geht es weder darum Kunst zu fördern noch ein Kunstwerk zu schaffen, sondern darum, eine unternehmensbezogene Problemstellung zu bearbeiten. Damit werden sowohl Formen des Sponsorings als auch andere Vorhaben ausgeklammert, bei denen Unternehmen als Unterstützer bzw. Auftragnehmer in den Entstehungsprozess einer künstlerischen Arbeit involviert sind. Die Initiative zu einer KUK geht nicht von Künstlern, sondern vom Unternehmen selbst oder von Intermediären aus,
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die vom Unternehmen beauftragt werden. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die Idee, das Problem mit künstlerischen Mitteln anzugehen, erst im Laufe des Prozesses geboren wird. Diese Idee kann aus den Reihen des Unternehmens kommen oder von einer Agentur, die für eine Kommunikationsaufgabe herangezogen wird. Eine weitere wichtige Abgrenzung wird insofern vorgenommen, als die Unternehmen, die betrachtet werden, kunstfern sind. Musikproduzenten, Galeristen, Agenturen und Verlage, um nur einige zu nennen, arbeiten bei der Produktion und Distribution kreativer Leistungen zwangsläufig mit Künstlern zusammen (Caves 2006). Die direkte oder indirekte Zusammenarbeit mit Künstlern ist ihr Kerngeschäft. Bei KUKs geht es dagegen nicht um Kunstvermittlung, sondern um die Einbindung künstlerischer Arbeit in Unternehmen, die nicht der Kreativwirtschaft zuzurechnen sind. Auch wenn die Bindungsintensität nicht immer hoch ist (Baumgarth et al. 2013, S. 148), gehen KUKs über die temporären Partnerschaften, die entstanden, als Unternehmen Künstlern Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Nutzung von Anlagen und Werkstoffen offerierten (Mir 2014, S. 158160), weit hinaus. Die Initiative »Künstler arbeiten in Industriebetrieben«, ein Stipendienprogramm, mit dem der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von 1973 bis 1976 Künstler förderte und ihnen Experimente mit neuen Technologien und Materialien wie Kunststoff ermöglichte, schob mehrere fruchtbare Kooperationen an, deren Ergebnisse u.a. in der Ausstellung »ars viva 73« und auf der documenta 6 gezeigt wurden. Während sich der Akzent in der Grundsatzförderung im BDI zu Wettbewerben und Sponsoring-Partnerschaften verschoben hat, entdecken nicht nur Großunternehmen das Potenzial von KUKs für das Management.
4. D er G egenstand kunstbasierter K ooper ationen Die typische Kooperation gibt es nicht, auch wenn eine Gemeinsamkeit der Erscheinungsformen darin besteht, dass es nicht darum geht, »›lediglich‹ bereits fertig gestellte Kunstwerke in eine Organisation einzuführen« (Ferro-Thomsen 2005b, S. 186), sondern darum, Wahrnehmungs- und Veränderungsprozesse zu initiieren. Meistens werden kunstbasierte Kooperationen anhand der Aufgabenstellung bzw. ihres Ergebnisses beschrieben (Blanke 2002). Die Frage, ob es sich bei den Gütern und Leistungen, die im Rahmen der Kooperation von Künstlern produziert bzw. erbracht werden, um Kunstwerke oder um Kunsthandwerk handelt, um künstlerische Artefakte, Designobjekte oder um etwas völlig Kunstfernes, wird dabei überhaupt nicht aufgeworfen. Anders als beim Kunstkauf scheint diese Frage mit Ausnahme der Installation von Kunstwerken in Unternehmensräumen völlig nebensächlich zu sein. Was im Auftrag des Unternehmens entsteht, soll weder der Verwertung auf dem Kunstmarkt die-
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nen noch die Reputation des Künstlers steigern, ist also nicht notwendigerweise ein Kunstwerk. Anders als bei Kooperationen, in denen Unternehmen werkbezogene Aufträge von Künstlern erfüllen, kommt es darauf nicht an (Chodzinski 2014, S. 264). Zudem ist der Kunstbegriff als Basis eines Kategorienschemas denkbar ungeeignet, da er sich einer widerspruchsfreien Definition entzieht.5 Die folgende Einteilung ist eine ökonomische. Sie knüpft an die Klassifikation der Güter nach deren Materialität an und identifiziert vier Kategorien von Erscheinungsformen kunstbasierter Kooperationen. Die erste Gruppe ist mit Förderung überschrieben, denn ihr Kern ist der Austausch monetärer Leistungen und Rechte. Bei der Werkproduktion und der systemischen Beratung dreht sich die Zusammenarbeit um die Produktion von Sachgütern und um das Erbringen von Dienstleistungen. Bei der vierten Gruppe, Wissenstransfer, stehen mit der Entwicklung von Ideen bzw. dem Austausch von Know-how ideelle Güter im Mittelpunkt.6 Wie die Entstehungsgeschichte der Corporate Collection des Automobilherstellers Renault zeigt, umfassen manche Kooperationen gleich mehrere dieser Ausprägungen.
4.1 Förderung Eine der öffentlichkeitswirksamsten Formen kunstbasierter Kooperationen ist das Kultur- bzw. Kunstsponsoring, mit dem Unternehmen Organisationen oder Personen Geld oder geldwerte Vorteile gewähren, um künstlerische Vorhaben zu fördern. Zu den Bedingungen der Transaktion gehören kommunikative Gegenleistungen, die auf die Leistungen des Sponsors hinweisen und damit hauptsächlich der Imagepflege dienen. Oft erhält der Sponsor einen kostenfreien Zugang zu den geförderten Projekten z.B. in Form von Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen (Moog 2006, S. 160f.). In der Regel schließen Unternehmen Sponsoring-Verträge mit Kultureinrichtungen oder Veranstaltern und nicht mit Einzelkünstlern ab, weil der erwartete Reputationsgewinn bei individueller Förderung zu gering ist. Neben der kontinuierlichen finanziellen Förderung von Künstlerkollektiven, wie bei der Zusammenarbeit zwischen BWM und dem West-Eastern Divan Orchestra, kommen temporäre Maßnahmen vor. Der Choreograph William Forsythe realisierte 2014 in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Installation »Black Flags«. Für dieses automatisierte Ballett setzte er zwei Industrieroboter
5 | Zur Begriffsdefinition BVerfGE 30, 173 – Mephisto; vgl. auch Tschacher/Tröndle 2005, S. 135; Schiuma 2011, S. 34, 54. 6 | In keiner der vier Gruppen ist der Kooperationsgegenstand immer eindeutig einer Güterart zuzuordnen. Eine Förderung kann auch in Form von Sachleistungen erfolgen und die Werkproduktion kann wie der Wissenstransfer Dienstleistungsanteile haben, doch das Gut, das als Abgrenzungskriterium fungiert, dominiert den Gütermix.
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des Herstellers KUKA ein, der auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages mit der Forsythe Company die Maschinen sponserte. Die GASAG Berliner Gaswerke AG unterhält am Standort des Unternehmens seit 2014 eine Ausstellungsfläche. Im GASAG Kunstraum werden Wechselausstellungen einzelner Künstler und Gruppenausstellungen präsentiert. Ausstellungsmöglichkeiten werden auch in Verbindung mit Kunstwettbewerben offeriert. Die Künstler verpflichten sich, die preisgekrönten bzw. geförderten Arbeiten honorarfrei für Ausstellungs- und Werbezwecke zur Verfügung zu stellen, einen Ausstellungskatalog zu gestalten oder sind gehalten, dem Sponsor Werke zum Kauf anzubieten – so auch bei der GASAG. Das Unternehmen vergibt in Zusammenarbeit mit der Berlinischen Galerie alle zwei Jahre den GASAG-Kunstpreis für Nachwuchskünstler. Die Arbeiten der Finalisten und Preisträger des »Blooom Award by WARSTEINER«, den die Privatbrauerei seit 2010 für junge Kreative auslobt, werden im Rahmen der ART.FAIR | Messe für moderne und aktuelle Kunst vorgestellt. Ausstellungen sind auch fester Bestandteil von Artist in Residence-Programmen. Bei geförderten Arbeitsaufenthalten bekommen Künstler Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten, Stipendien zur Deckung der Lebenshaltungskosten und Zuschüsse zu den Produktionskosten der entstehenden Werke. Solche Residencies ermöglichen Künstlern, in einem anderen kulturellen und sozialen Umfeld zu arbeiten. Der Gastaufenthalt wird aber nicht bedingungslos gewährt, denn die Künstler sind eingeladen Projekte umzusetzen, die einen Bezug zum Unternehmenszweck haben. Als eines der erfolgreichsten Residencies gilt das Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das die Xerox Palo Alto Research Center (Xerox PARC) 1993 auflegte (Gold 1999). Aus der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Künstlern gingen zahlreiche technische Innovationen hervor. Seit 2013 erhalten Künstler auch bei der Microsoft Corporation Zugang zu Technologie und Know-how und präsentieren die daraus entwickelten Werke im Studio 99, der Galerie des Unternehmensbereichs Forschung und Entwicklung. Das Programm soll den Mitarbeitern neue Perspektiven auf ihre Arbeit eröffnen und Kreativität stärker in der Unternehmenskultur verankern. Die Whisky-Destillerie William Grant & Sons Ltd, besser bekannt unter dem Markennamen Glenfiddich, unterhält seit 2001 ein weltweites Programm und lädt jeden Sommer mehrere Künstler ein. Engagements mit langen Laufzeiten zeigen, wie sich das Kunstsponsoring über die Jahre verändert hat. Es wandelt sich von der einmaligen Transaktion zur längerfristigen, strategisch verankerten und wertebasierten Geschäftsbeziehung (McNicholas 2004, S. 58f.).
4.2 Werkproduktion Wenn Künstler Unternehmen damit beauftragen, eine Arbeit zu produzieren, erschöpft sich die technische Umsetzung des Entwurfs keinesfalls immer in einer schlichten Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung, bei der die Ausführung in allen Details vorgegeben ist und nach Maßgabe des Künstlers umgesetzt wird
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(a. A. Mir 2014, S. 157f.). Manchmal steht am Anfang nur die künstlerische Idee und die Möglichkeiten der technischen Umsetzung werden mit dem Unternehmen zusammen ausgelotet. Nicht selten ist das Modell oder die Skizze Ausgangspunkt für das Experimentieren mit Materialien und Verfahren. Beispielsweise verlangt die Arbeit von Kunstgießereien nicht selten eine intensive Beratung und enge Zusammenarbeit mit den Künstlern. Im Auftrag von Elmgreen & Dragset fertigten die Edelstahlwerke Schmees die Skulptur »Han«, die 2012 als männliches Gegenüber der Kleinen Meerjungfrau in Helsingør aufgestellt wurde. Mit seinen beweglichen Augenlidern war das Objekt eine technische Herausforderung für das Unternehmen, die wie auch bei anderen Kunstwerken im Dialog mit den Künstlern gelöst wurde. Auch im umgekehrten Fall, in dem ein Künstler von einem Unternehmen mit einer Arbeit beauftragt wird, können komplexe Beziehungen entstehen, zumal dabei oft Intermediäre eingeschaltet werden. Unternehmensvertreter sind in die Konkretisierung der Aufgabenstellung und in die Abnahme der Entwürfe involviert, aber nicht in die Werkerstellung selbst, die dem Künstler obliegt. Erfahrungsgemäß sind diejenigen Arbeiten, auf die der Auftraggeber abgesehen vom Thema wenig Einfluss nimmt, qualitativ besser (Shaw 2014). Schließlich werden Künstler gerade für Aufgaben angefragt, die einen unkonventionellen Zugang haben sollen. Insofern überrascht es nicht, dass Kooperationen, in denen Werke entstehen sollen, überwiegend einen Bezug zum Unternehmensbereich Marketing und Kommunikation haben – Markenführung, Produktgestaltung, Werbung und Event-Marketing inklusive –, denn künstlerische Arbeiten versprechen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit einen Distinktionsgewinn. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Arbeiten auf das Unternehmen abgestimmt sind. Arbeiten, die als Kunst am und im Bau geschaffen werden, haben durch die Platzierung am Unternehmensstandort einen unmittelbaren (räumlichen) Bezug zum Unternehmen. Andere Möglichkeiten, inhaltliche Bezüge zum Unternehmenszweck herzustellen, sind beispielsweise die Umsetzung des Firmennamens in die Noten einer Auftragskomposition, die Nutzung von Maschinen bei einem Event,7 die Verarbeitung unternehmenstypischer Werkstoffe zu einem architektonischen Detail oder die gezielte Verwertung unternehmenseigenen Bildmaterials im Rahmen einer Werbekampagne. Manchmal sind solche Einfälle Ausdruck künstlerischer Kreativität, manchmal gehören sie zu den Vorgaben des Auftraggebers. Meistens ist die Kunst bzw. das, was im Rahmen der Zusammenarbeit entsteht, nur die »Kirsche auf der Torte«, die das Unternehmensimage transportieren soll. Die künstlerische Arbeit greift Elemente der Unternehmenswelt bzw. der 7 | Ein Beispiel ist der »Tango Tonnage«, Ballett für 21 Straßenwalzen und Kompaktoren, der 2002 aus der Zusammenarbeit Kunstbüros Concept Nouveau mit der Hamm AG entstand.
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Produktpalette auf, bleibt aber letztlich an der Oberfläche. Entsprechend lose war die Zusammenarbeit von Moët & Chandon mit dem Komponisten Alexandre Desplat, dem Regisseur Robert Wilson und dem Pianisten Lang Lang für ein exklusives Event in Versailles 2012. Inspirationsquelle für die Auftragskomposition »The Power of Creation« war eine ausgiebige Champagner-Verkostung. Die Marke Dom Pérignon wurde bereits mehrfach mit Unterstützung von Künstlern inszeniert. Ähnlich programmatisch geht BMW mit seinen »Art Cars« vor. Seit 1975 haben insgesamt 17 bildende Künstler die Karosserie eines Serien- oder Rennwagens gestaltet. Einige Rennwagen gingen flankiert von Öffentlichkeitsarbeit beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans an den Start, andere wurden zu Werbezwecken eingesetzt. Alle Fahrzeuge blieben in der Sammlung des Unternehmens. Ein Beispiel für die Gestaltung eines marktfähigen Produkts sind die Shirts, die Schiesser 2013 als limitierte Sonderedition »Artists For Revival« auflegte und anschließend als Wanderausstellung durch den Einzelhandel touren ließ. Seltener sind Kooperationen, die in Analogie zum künstlerischen Arbeitsprozess einen ungeplanten Verlauf nehmen. Mit der Kampagne »Insect Respect – Fliegen retten in Deppendorf« veränderten die Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin vom Atelier für Sonderaufgaben 2012 die Unternehmensphilosophie der Reckhaus GmbH & Co. KG. Aus dem Auftrag, den Launch einer Fliegenfalle zu bewerben, machten sie eine kreative Gegenstrategie und eine Aktion, bei der Dorf bewohner schonend gefangene Stubenfliegen in einem Festzelt ablieferten und die Fliege Erika einen luxuriösen Wellness-Urlaub verbringen durfte. Indem sie das Geschäft mit der Insektenbekämpfung künstlerisch unterwanderten, animierten sie das Unternehmen zu einer Produktinnovation. Seitdem vertreibt es unter der Marke Insect Respect ökologisch unbedenkliche Insektizide und investiert in artgerechte Ausgleichsflächen (Bergmann 2012).
4.3 Systemische Beratung In vielen Kooperationen werden künstlerische Interventionen realisiert, bei denen Künstler zusammen mit Angehörigen des Unternehmens einen künstlerischen Prozess durchlaufen (Ferro-Thomsen 2005a, S. 14; Barry-Meisiek 2010, S. 1513f.; Biehl-Missal 2011, S. 93f.). Der Begriff der künstlerischen Intervention bezeichnet Aktionen, die im sozialen Umfeld als »Störfaktor« wirken. Um die Veränderung der Wahrnehmung und des Bewusstseins geht es auch beim Einsatz in Unternehmen. Allerdings erfüllen die Aktivitäten, »die den Arbeitsalltag unterbrechen«, erwünschte didaktische Zwecke und werden daher besser als kunstbasierte Interventionen bezeichnet (Biehl-Missal 2011, S. 93). Sie werden genutzt, um Probleme und Herausforderungen im Unternehmen zu adressieren, die noch offen oder bereits identifiziert und spezifiziert sind (Handler 2007, S. 22), und gehören mittlerweile zum festen Repertoire der Personal- und Organisationsentwicklung. Im Rahmen der meist zeitlich begrenzten Zusammenarbeit konfrontieren Künstler Unternehmensmitarbeiter an deren Arbeitsplatz mit ihren Techniken
Unternehmen und Künstler
(Biehl-Missal 2011, S. 94). Der oder die Künstler nehmen die Rolle des Coachs oder Moderators ein, der Mitarbeiter anleitet, eine bestimmte Methode anzuwenden und den Verlauf der Intervention zu reflektieren. Dabei hat der Künstler als Außenstehender den Vorteil, dass er eine unkonventionelle Perspektive einnehmen kann (Drabble 2008; Handler 2007, S. 202). Die Intervention bildet die Situation bzw. das Problem des Unternehmens ab, indem es sie mit künstlerischen Methoden in ein Modell übersetzt und »einen experimentellen Raum schaff[t]« (Jepsen/Reckhenrich 2006, S. 187), in dem sich die Kreativität der Teilnehmer entfalten kann. Die Mitarbeiter lernen an diesem Modell und sind aufgefordert, ihre Erfahrungen in die Praxis umzusetzen (Jepsen/Reckhenrich 2006, S. 185-187).8 Künstlerische Interventionen bedienen sich aller Kunstformen und werden regelmäßig maßgeschneidert. Unternehmenstheater (Business Theater) hat sich inzwischen als Produktgattung etabliert und umfasst sowohl einfache Formen, bei denen professionelle Schauspieler Szenen aus dem Unternehmensalltag spiegeln, als auch trainingsorientierte Formate, die Mitarbeiter zu Regisseuren und Darstellern machen (Nissley et al. 2004).9 Das Nordkolleg Rendsburg initiierte im Projekt »Unternehmen! KulturWirtschaft« von 2012 bis 2015 drei vorbildliche Aktionen. Im Rahmen einer Teambuilding-Maßnahme drehten sechs Mitarbeiter der Haus & Grund Kiel mit Unterstützung von Künstlern eine hauseigene Serie. Nachwuchsführungskräfte der Getreide AG Rendsburg zeichneten im gleichen Jahr einen Comic, der die nationalen Standorte des Unternehmens auf einer Landkarte portraitierte. Bei Holm & Laue, die sich auf Anlagen zur Kälberaufzucht spezialisiert haben, wurde ein Kälberiglu von den Mitarbeitern zur Wellness-Lounge umfunktioniert, um die unternehmensinterne Kommunikation zu verbessern. Die Konfrontation der unterschiedlichen Handlungslogiken von Kunst und Wirtschaft und der bewusste Bruch von Spielregeln sollen eine Selbstreflektion auf individueller und organisationaler Ebene anregen, die zur Problemlösung führt (Strauß 2007, S. 62). Künstlerische Interventionen können Handlungsnormen, Verhaltens- und Rollenmuster bewusst machen und in Frage stellen, weil sie als Störung oder Anregung empfunden werden (Simon 2007, S. 108; Ullrich 2013, S. 150). In der Intervention selbst geht es zunächst nur um Wahrnehmung. Im Idealfall löst die gezielte Irritation damit den gewünschten Veränderungsprozess im System aus. Künstlerische Interventionen folgen insofern einem systemtheoretischen Ansatz und lassen sich der systemischen Beratung zuordnen (Handler 2007, S. 19; Fenkart 2014, S. 108).
8 | Vgl. dazu den Beitrag von Reckhenrich/Winkels (S. 215ff.) in diesem Handbuch. 9 | Vgl. dazu den Beitrag von Borowy (S. 187ff.) in diesem Handbuch.
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4.4 Wissenstransfer Werkproduktion ist manchmal, aber nicht immer mit Wissenstransfer verbunden. Teilweise ist die Vermittlung von Kompetenzen explizit Gegenstand der Kooperation. Unternehmen, die kunstbasierte Arbeitsweisen erproben (Artistic Experimentation), arbeiten aber nicht zwangsläufig mit Künstlern zusammen, sondern entwickeln mit der Hilfe von Think Tanks, Organisationsberatern oder gar in Eigenregie einen Zugang (Barry/Meisiek 2010, S. 1517f.). Bei einseitigem Wissenstransfer vom Künstler zum Unternehmen, halten Künstler beispielsweise Vorträge über ihre Arbeit oder führen Kreativworkshops mit Mitarbeitern durch, damit diese in einem kurzen Zeitraum eine bestimmte künstlerische Fertigkeit ansatzweise erlernen und erproben (Drabble 2008). Unilever setzte mit »Catalyst« 1999 ein umfassendes unternehmensinternes Personalentwicklungsprogramm auf, in dem Schauspiel, Lyrik, Malerei, Fotografie und Musik zu Metaphern für betriebswirtschaftliche Fragen wurden. Künstler leiteten Mitarbeiter zur Laienkunst an und ließen sie zugleich Problemfelder des Unternehmens bearbeiteten (Darsø 2009, S. 109-123; Boyle/Ottensmeyer 2005). Künstler werden auch in die Entwicklung von Produkten eingebunden. Mit der International Touring Organ präsentierten die Orgelbauer Marshall & Ogletree 2014 die erste mobile digitale Orgel. Sie entstand im Auftrag und in enger Zusammenarbeit mit dem Organisten Cameron Carpenter, der seine künstlerische Erfahrung in den Prozess einbrachte. Einen mehrdimensionalen Twist bekam der Know-how-Transfer bei Atari. Das Unternehmen band 2005 über 65 Street Art-Künstler in das Design des Computerspiels »Marc Gecko’s Getting Up: Contents Under Pressure« ein. Die sechs prominentesten agieren im Spiel als Mentoren, die ihr Können an andere Figuren weitergeben. Angesichts der Tatsache, dass Street Art ursprünglich anti-kommerziellen Idealen folgte, eine im doppelten Sinne bemerkenswerte Entwicklung. Auch bei Kooperationen, die weniger auf ein unternehmerisches als auf ein künstlerisches Interesse zurückgehen, wird Wissen eher in einer Richtung von Unternehmen zu Künstler vermittelt, so beispielsweise bei Recherchen für ein künstlerisches Vorhaben. Zur Vorbereitung der dokumentarischen Theaterstücke »Atalanta«, »um uns herum nur nichts« und »Exodus« der Künstlergruppe Das Letzte Kleinod (2012, 2014) reiste der Autor und Regisseur Jens-Erwin Siemssen auf Containerschiffen mit. Er sprach mit Offizieren, Maschinisten und Decksleuten, um ein Gespür für das Leben auf See zu bekommen. Seine Schiffsreisen wurden von zwei Reedereien unterstützt, die aber nicht als Sponsoren auftraten und ungenannt bleiben. Abgesehen von einem Obulus für Kost und Logis war den Unternehmen das Interesse, das die Künstler der Arbeit und den Geschichten der Mitarbeiter entgegenbrachten, Gegenleistung genug. Wenn für die Arbeit an einem Kunstwerk technisches Know-how mobilisiert werden muss, verlagern Künstler ihren Arbeitsprozess gerne in das Unternehmen. Sie tun das nicht nur, um technologische Ressourcen zu nutzen, sondern
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binden die Expertise von Unternehmensmitarbeitern ein (Drabble 2008). Kern der Kunstsammlung von Renault sind Werke, die der Automobilhersteller zwischen 1967 und 1985 bei namhaften zeitgenössischen Künstlern in Auftrag gab. Das Unternehmen richtete den Künstlern Arbeitsmöglichkeiten an den Produktionsstandorten ein, stellte Autoteile zur Verfügung und gewährte technischen Support. Insbesondere die Werke von Arman und Jean Dubuffet wären ohne das Know-how der Ingenieure so nicht entstanden. Im besten Fall lernen beide Seiten voneinander. Ebon Heath wurde von Villeroy & Boch mit der Gestaltung eines Produkts beauftragt und entwickelte daraus die »LoopArt Kollektion«, eine limitierte Edition von 100 Grafik-Elementen für Badkeramik. Keramik war für den Künstler ein unbekanntes und daher reizvolles Material. Im Anschluss an das Projekt »Second Glance« experimentierte Heath weiter und entwarf Mobile-Elemente und Schmuck. Die Ingenieure bei Villeroy & Boch nahmen den kreativen Input auf und setzten die Entwürfe des Künstlers mit einer völlig neuartigen Gestaltungstechnik um. Beide Partner haben in der Kooperation voneinander gelernt. Das Potenzial solcher Kooperationen liegt in der Offenbarung impliziten Wissens. Künstler haben eine andere Wahrnehmung als Manager und konstruieren Wissen anders als Ingenieure. Für das Unternehmen wird die Intuition des Künstlers zur Ressource, die neue Perspektiven auf Arbeitszusammenhänge eröffnet und alternative Handlungsoptionen aufzeigt (Barry/Meisiek 2010, S. 1514).
5. T ypen kunstbasierter K ooper ationen 5.1 Kriterien zur Typenbildung Die Versuche, kunstbasierte Kooperationen zu systematisieren (Drabble 2008; Schiuma 2011, S. 48-50; Baumgarth et al. 2013, S. 145-149; Baumgarth et al. 2014, S. 25-28), sind überschaubar. Die Verschiedenartigkeit der Ansätze spiegelt aber die ganze Vielfalt der Akteurskonstellationen und Varianten kunstbasierter Kooperationen. Das ist bei Typologien der Erscheinungsformen intrasektoraler Kooperationen zwischen Unternehmen nicht anders.10 Formale Kriterien, mit denen sich kunstbasierte Kooperationen sinnvoll kategorisieren lassen, sind die Anzahl der Akteure, der Zeithorizont, die Kunstform und die Wirkungsrichtung (Baumgarth et al. 2013, S. 145-149). Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Künstlern kann bilateral angelegt sein oder eine Vielzahl von Akteuren einbeziehen und die Struktur eines Netzwerks annehmen. Häufig werden Intermediäre wie z.B. Agenturen eingebunden, die die Anbahnung und Umsetzung der Kooperation maßgeblich be10 | Für eine Übersicht über die intrasektoralen Erscheinungsformen von Kooperationen vom Lieferkontrakt bis zur Fusion vgl. Etter 2003, S. 47-51.
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einflussen, indem sie Aufgaben wie die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner, das Matching und Koordinations- und Kommunikationsaufgaben zwischen den Beteiligten übernehmen. Viele Intermediäre greifen dabei auf einen Künstlerpool zurück.11 In Bezug auf den Zeithorizont reichen die Erscheinungsformen von temporären Verbindungen, die nicht wiederholt werden, bis zu einer dauerhaften Zusammenarbeit, die über Aufgaben mit Projektcharakter hinausgeht. Aus einer erfolgreichen Kooperation kann eine Geschäftsbeziehung entstehen, in der eine Abfolge gemeinsamer Vorhaben realisiert wird. Die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit hängt vom Stellenwert der Kunst im Unternehmen, d.h. von deren strategischer Relevanz ab. Hier sind die einmalige, zeitlich begrenzte Intervention, das mittelfristige, auf einen ausgewählten Unternehmensbereich beschränkte Projekt und das strategisch angelegte Programm, das das Unternehmen insgesamt prägt, zu unterscheiden (Schiuma 2011, S. 48-50). Beispiele sind Kreativworkshops mit Mitarbeitern, die von Künstlern gestaltete Marketingkampagne »Denken ist handeln« der Boston Consulting Group 2003 und das Kunstkonzept, das die Droege & Comp (heute Droege Group Internationale Unternehmer-Beratung) seit 1995 als Ausdruck und Gestaltungsmittel ihrer Unternehmenskulturverfolgt. Auf der inhaltlichen Ebene spiegelt sich in den Kooperationen die gesamte Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen in Musik, bildender und darstellender Kunst (s. dazu Sigmund 2013; Mir 2014; Hüttler 2005). Dabei ist bemerkenswert, dass manche Unternehmen Ausdrucksformen favorisieren, die noch nicht lange als Kunstform anerkannt sind wie z.B. Comics12 oder Street Art (Reinecke 2012, S. 165ff.). Kooperationen, die sich auf betriebliche Problemstellungen beziehen, können in verschiedenen Funktionsbereichen ansetzen, beispielsweise im strategischen Management, in der Produktentwicklung, im Marketing oder im Personalwesen. Daran anknüpfend lässt sich der Gegenstand der Kooperation, sei es ein Werk oder eine Dienstleistung, grundsätzlich zwei verschiedenen Wirkungsbereichen zuordnen; er entfaltet entweder eine endogene oder eine exogene Wirkung oder beides (Baumgarth et al. 2013, S. 152; Mir 2014, S. 21). Wenn es um eine endogene Wirkung geht, richtet sich das Vorhaben auf interne Aufgabenstellungen, die überwiegend dem Feld Personal- und Organisationsentwicklung zuzuordnen sind, wie »Catalyst« bei Unilever. Exogene Wirkungen beziehen sich dagegen auf den Markt bzw. auf externe Stakeholder. Stehen solche Ziele im Vordergrund, sind meist diejenigen Unternehmensbereiche in die Zusammenarbeit involviert, die für Aufgaben in Produktentwicklung, Vertrieb und Kommunikation zuständig sind, wie bei den Limited Editions und Kampagnen für »Absolut Vodka« (Pernod Ricard). Manche Einsatzbereiche und Erscheinungsformen von Kunst 11 | Vgl. dazu den Beitrag von Sandberg (S. 233ff.) in diesem Handbuch. 12 | Vgl. dazu eine Literaturübersicht mit klassischen Beispielen aus den letzten 100 Jahren unter www.comicforschung.de/dtcom/werbecomics.html (27.12.2014).
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in Unternehmen erzeugen einen Wirkungsmix, der gleichzeitig nach innen und nach außen gerichtet ist. Dazu gehören Effekte, die die Corporate Identity und das Corporate Image bzw. den Markenstatus des Unternehmens berühren, wie bei der Rauminstallation »Welcome to the Club«, die 2004 in einem Großraumbüro der Deutschen Bank im Frankfurter ibc platziert wurde. Das Leitsystem »Wie und Wo«, für das Fotos der Belegschaft in Media Art verwandelt wurden, weist Mitarbeitern und Besuchern den Weg dorthin.
5.2 Das Kooperationsfeld Das Kategorienschema, das in diesem Abschnitt entwickelt wird, knüpft mit dem Gegenstand der Transaktion an ein formales Kriterium an und bezieht die in Abschnitt 4 beschriebenen Erscheinungsformen auf zwei transaktionsbezogene Charakteristika von Kooperationen: die Merkmale Reziprozität und Autonomie. Der Charakter des Austauschs und der Grad der Unabhängigkeit der Partner sind Indikatoren für Bindungsintensität (Küting 1983, S. 2), die zusammen mit dem Merkmal Machtverteilung beschreibt, wie Künstler und Unternehmen bei den verschiedenen Aufgabentypen tendenziell agieren. Das Ausmaß der Reziprozität wird zum einen dadurch bestimmt, ob es im Rahmen des Vorhabens regelmäßig oder nur sporadisch zu gemeinsamen Aktivitäten der Partner kommt. Damit sind auch Koordinationsaufgaben gemeint. Zum anderen hängt die Gegenseitigkeit vom Umfang und der Richtung des Ressourcenaustauschs ab (einseitig vs. reziprok) sowie von der Art der Ressourcen, die die Partner einbringen. Generische, d.h. austauschbare Ressourcen, die auch andere Akteure offerieren, binden die Partner weniger stark als Kernkompetenzen (Austin 2000, S. 72, 78). Der Grad der Autonomie der Partner hängt maßgeblich von der Form der Aufgabenstellung ab. Entweder wird sie von einem der Partner mehr oder weniger stark vorgegeben oder sie ist zunächst offen und wird von den Beteiligten gemeinsam entwickelt und präzisiert. Ohne ein Minimum an künstlerischer Freiheit und einem persönlichen Interesse an der Problemstellung, wird sich ein Künstler, der sich nicht als Kunsthandwerker versteht, nicht auf einen Auftrag oder eine Kooperation einlassen. Selbst eine geschlossene Aufgabenstellung muss in der Ausführung Raum für die künstlerische Deutung lassen (Brater et al. 2011, S. 118). Die Machtstruktur innerhalb von Kooperationen wird von der Verteilung der Entscheidungskompetenz geprägt. Bei einem reinen Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis ist sie anders als in einer Kooperation einseitig konzentriert. Bei einer Partnerschaft »auf Augenhöhe« ist die Macht gleichmäßig verteilt. Sofern die Kooperation nicht auf einer gemeinsamen Idee beruht, ist entweder der Künstler (z.B. Werkproduktion) oder das Unternehmen (z.B. Produktgestaltung) in der per se mächtigeren Rolle des Auftraggebers. Aus diesen drei Faktoren ergibt sich ein Feld von Kooperationstypen, die sich durch eine unterschiedlich hohe Bindungsintensität zwischen den Partnern und
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einen unterschiedlich hohen Grad an wirtschaftlicher bzw. künstlerischer Autonomie auszeichnen (s. Abbildung 1). Die vier Kategorien wurden auf der Diagonalen platziert, die sich aus dem umgekehrten Zusammenhang zwischen den Merkmalen Autonomie und Reziprozität ergibt, und zwar unter der Annahme, dass die Machtverteilung zwischen Künstler und Unternehmen ausgeglichen ist. Diese dritte Dimension wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nur angedeutet. Marktnahe Transaktionen wie Kunstkauf und -Leasing werden außerhalb von Kooperationen abgewickelt. Sie stehen für maximale Autonomie bei minimaler Reziprozität, wären in der Abbildung also am Schnittpunkt zwischen y-Achse und Diagonale angesiedelt. Der umgekehrte Fall – Schnittpunkt zwischen x-Achse und Diagonale – wird durch die Integration des Künstlers in die Unternehmenshierarchie markiert.
Abb. 1: Kooperationsfeld Bei kunstbasierten Kooperationen wie Sponsoring, die den Charakter einer eher einseitigen Kunstförderung haben, ist sowohl die Bindungsintensität als auch die Einflussmöglichkeit des geförderten Künstlers gering (Oevermann 2007, S. 21). In Kooperationen mit schöpferischem Charakter und solchen, in denen Wissen weitergegeben wird, ist die Interaktion deutlich intensiver. Bei Formaten, die der systemischen Beratung zuzuordnen sind, lassen sich die Akteure am stärksten aufeinander ein, denn hier steht nicht die Zielsetzung des Unternehmens im Vordergrund, sondern der künstlerische Ansatz (John 2005, S. 366). Sie haben mit der Kategorie Wissenstransfer den zwingend persönlichen Kontakt zwischen Künstlern und Mitarbeitern gemein. Die idealtypische Kooperation ist ausgeglichen. Die beteiligten Künstler und Unternehmensmitarbeiter sind gleichberechtigte Partner in einem längerfristigen
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kreativen Prozess, dessen Ende nicht definiert ist. Die Aufgabenstellung wird im Zuge des Prozesses ergebnisoffen entwickelt und die Partner teilen sich die Verfügungsrechte am Ergebnis (Drabble 2008). Aber nicht alle kunstbasierten Kooperationen sind so angelegt und die Partner sind auch nicht immer auf Augenhöhe.
6. F a zit 2001 ließ das Modeunternehmen Prada Wände in seinem Flagship Store Epicenter in New York von Künstlern gestalten. Elmgreen & Dragset bauten vier Jahre später die Replik eines Prada Stores mitten in die texanische Wüste und gaben die Installation Verwitterung und Vandalismus preis. Sie durften für »Prada Marfa« sowohl das Unternehmenslogo als auch originale Kollektionsteile verwenden. Das sind zwei ganz unterschiedlich gelagerte Kooperationen und zwei Möglichkeiten, sich als Künstler mit einem Unternehmen auseinanderzusetzen. Weder bei der Auftragsarbeit noch beim Land Art-Objekt kam es zu einer engen Zusammenarbeit; das Store-Konzept des Unternehmens als solches blieb wie der künstlerische Entwurf im Kern unberührt. Die Wirtschaft nähert sich der Kunst nur langsam an und umgekehrt. Nicht jede Form der Integration von Kunst in Wirtschaftszusammenhänge führt zu einer »intersektoralen« Kooperation. Die Fremdartigkeit der Sphären macht ihre Attraktivität aus und ist zugleich eine Barriere.13 Auch wenn Partnerschaften zwischen Künstlern und Unternehmen längst nicht mehr bekannten industriellen Vorreitern wie BMW, Renault und Unilever vorbehalten sind, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen involvieren, sind sie gemessen an anderen Management-Trends noch lange kein Massenphänomen. Wenn Unternehmen die Zusammenarbeit mit Künstlern suchen, dürfen diese meist nur an der Oberfläche agieren, damit sich die Relevanz der Kunst in Grenzen hält. Selten gelingt es Künstlern im Rahmen von Kooperationen, das System Unternehmen grundlegend in Frage zu stellen und die Entwicklung neuer Handlungsstrategien auszulösen, denn die Freiheitsgrade innerhalb der Konstellation sind limitiert. Obwohl kunstbasierte Kooperationen unter solchen Voraussetzungen begrenzt innovativ sind, haben sie für Unternehmen den Reiz des Neuen und den Charme der Rentabilität. Der Künstler ist die vermeintlich spannendere Alternative zum Berater und der vergleichsweise kostengünstige Gestalter von Räumen und Bilderwelten. Ob sich das für Unternehmen jenseits subjektiver Erfolgsgeschichten tatsächlich in barer Münze auszahlt, ist ungewiss. Sobald dieser Nachweis gelingt, wird die klassische unternehmerische Kunstförderung sukzessive von den neuen Kooperationen verdrängt werden (Ullrich 2013, S. 118). »Nicht mehr Kunstförderung von Seiten der Wirtschaft, sondern Wirtschaftsförderung von Seiten der Kunst ist die Perspektive.« (Ullrich 2013, S. 116) 13 | Vgl. dazu den Beitrag von Sandberg (S. 133ff.) in diesem Handbuch.
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Was wir schon wissen Stand der KUK-Forschung Carsten Baumgarth
1. E inige V orbemerkungen Einen vollständigen Überblick über die Kunst-Unternehmens-Kooperations-Forschung (im Folgenden: KUK-Forschung) zu geben, ist auf der einen Seite sehr einfach, da dieser Begriff von uns in die Diskussion eingeführt wurde und unser Fokus auf die Kooperationsprozesse und das Management von solchen Kooperationen bislang kaum explizit untersucht wurde. Auf der anderen Seite ist aber ein vollständiger Überblick über den Stand der KUK-Forschung auch unmöglich, da verschiedene Strömungen und Forschungsgebiete (u.a. Kulturmanagement, Kulturwissenschaften, Kunst, Management, Marketing, Soziologie) sich mit dem Thema befasst haben, keine einheitlichen Begriffe existieren, die eine systematische Auswertung von Datenbanken erlauben würden, und etablierte Lehrbücher oder andere Veröffentlichungsorgane zu diesem Thema fehlen. Für diesen Literaturüberblick wurden in einem ersten Schritt durch Datenbank- und Internetrecherchen, Closed-Circle-Verfahren, Auswertung der Beiträge dieses KUK-Handbuches sowie durch Zufall versucht, alle bis Mitte 2015 erschienen Beiträge zu identifizieren. Dieser Schritt erbrachte eine Literaturbasis von 120 Quellen. Diese 120 Quellen wurden ausgewertet und die Anzahl nach folgenden Kriterien reduziert: • KUK-Beitrag: Berücksichtigung nur von solchen Beiträgen, die mindestens eine konkrete Zusammenarbeit zwischen einem oder mehren Künstlern und einem oder mehreren Unternehmen thematisieren. Ausgeschlossen von der weiteren Analyse werden damit u.a. Beiträge, die sich mit dem Kunstsponsoring oder Kunstsammlungen befassen, da bei diesen Formen i.d.R. keine explizite Kooperation stattfindet. Auch wurden Beiträge eliminiert, die Kunst und Unternehmen nur auf einer gedanklichen, symbolisch-metaphorischen Ebene miteinander verknüpfen.
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Carsten Baumgar th
• Wissenschaftliches oder wissenschaftsnahes Outlet: Es wurden nur Beiträge weiter berücksichtigt, die im weitesten Sinne der wissenschaftlichen Forschung zugeordnet werden können. Dadurch wurden Beiträge, die in reinen Praxis- oder Publikumszeitschriften erschienen sind, nicht berücksichtigt. Nach Bereinigung verblieben insgesamt 82 Quellen (vgl. Anhang), welche die Datenbasis für die folgende Analyse bilden. Die identifizierte Literaturbasis vermittelt trotz der nicht realisierbaren Vollständigkeit einen guten Eindruck über den aktuellen Entwicklungsstand bzgl. der analysierten Objekte, der Methodik sowie der Inhalte. Bevor im Folgenden auf die Auswertung der KUK-Literatur eingegangen wird, erfolgt in Kapitel 2 zunächst eine Einordung der KUK-Forschung in Bezug auf klassische Quellen und Protagonisten, Institutionen und Impulsfelder.
2. O rientierungspunkte und I mpulsfelder der KUK-F orschung (1) Klassiker und Protagonisten Einer der »Väter« der Analyse der Beziehungen zwischen Kunst und Unternehmen ist der Italiener Antonio Strati (u.a. 1992, 1999), der als einer der ersten Organisationen unter ästhetischen Aspekten beschrieben und analysiert hat. Seine Arbeiten waren der Ausgangspunkt für das Forschungsgebiet Organizational Aesthetics (synonym: Wirtschaftsästhetik). Weitere wichtige Publikationen in diesem Feld stammen u.a. von dem Engländer John Dobson (1999) und dem Italiener Pasquale Gagliardi (1990, 1996). Wichtige Herausgeberwerke wurden von Linstead/Höpfl (2000) und Carr/Hancocks (2003) publiziert. Einen wichtigen Ausgangpunkt der KUK-Forschung i.e. S., d.h. der Beschreibung und Analyse von Zusammenarbeiten von Künstlern und Unternehmen, bildet die Publikation »Artful Creation – Learning-Tales of Arts-in-Business« der dänischen Forscherin Lotte Darsø (2004). Darauf auf bauend sind u.a. die Arbeiten der luxemburgischen Forscherin Ariane Berthoin Antal (u.a. 2009, 2012, 2013) sowie der deutschen Forscherin Brigitte Biehl-Missal (2011) wichtige Bezugspunkte in der KUK-Literatur. Eine stärkere unternehmens- und controllingorientierte KUK-Sicht findet sich in dem Buch »The Value of Arts for Business« des italienischen Wissenschaftlers Giovanni Schiuma (2011). Im Marketing- und Markenbereich sind als wegweisende Publikationen insbesondere der geschichtliche Überblick zum Thema Marke und Kunst vom Direktor des Deutschen Verpackungsmuseums Hans-Georg Böcher (1994) sowie die experimentellen Studien des Norwegers Henrik Hagvedt und der Amerikanerin Vanessa M. Patrick (2008a, b; 2011) zu nennen.
Was wir schon wissen
Zusammenfassend zeigt sich, dass verstärkt seit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhundert zu der Schnittstelle von Kunst und Unternehmen geforscht und publiziert wird, wobei auffällig ist, dass der Großteil der Publikationen aus Europa bzw. von europäischen Autoren stammt. Ferner lässt sich erkennen, dass die marketing- bzw. markenorientierte Betrachtung auf der einen und die organisationsinterne Betrachtung auf der anderen Seite bislang kaum voneinander Kenntnis genommen haben.
(2) Institutionen Neben einzelnen Forschern spielten und spielen für die Etablierung der KUK-Forschung auch Institutionen wie Special Issues, spezialisierte Zeitschriften, Konferenzen und mehrjährige Forschungsprojekte eine große Bedeutung. Wichtige Special Issues sind u.a. erschienen 1996 in Organization (»Essays on Aesthetics and Organization«), 2002 im Consumption, Markets and Culture (»Aesthetics and Management in Consumption«) und im Tamara-Journal of Critical Postmodern Organization Science (»Art and Aesthetics at Work«), 2004 im Organization Studies (»Theatre and Organization«), 2005 im Journal of Business Strategy (»Arts-based learning for business«), 2008 im Journal of Management & Organization (»Reconceiving the Artful in Management Development and Education«) und 2010 im Leadership (»Leadership as an Art«) sowie im Journal of Business Strategy (»Arts-based learning for business«). Für 2016 sind zwei Special Issues im Journal of Business Research (»Arts as Sources of Value Creation for Business: Theory, Research, and Practice«) und im Arts and the Market (»Arts Based Initiatives for Business Innovation«) in Vorbereitung. Zu einer einflussreichen Institution könnte sich zukünftig auch die 2012 zum ersten Mal herausgegebene Zeitschrift Organiaztional Aesthetics (www.digitalcommons.wpi.edu/ oa/) entwickeln. Eine wichtige Konferenz zu der Schnittstelle von Kunst und Unternehmen ist die seit 2002 im zweijährigen Rhythmus stattfindende Konferenz Art of Management & Organization Conference (www.artofmanagement.org). Eine letzte hier zu nennende institutionelle Form bilden mehrjährig angelegte Forschungsprojekte. Tabelle 1 skizziert einige wichtige abgeschlossene und laufende Forschungsprojekte (auch Berthoin Antal 2012).
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Carsten Baumgar th Name des Projektes Airis
Beteiligte und Land
Jahr
Conexiones improbables
Künstlerische Interventionen in Organisationen
Unternehmen! KulturWirtschaft
Arts Push Business
Internetadresse
Tillt (Nonprofitorganisation), Schweden
seit 2002
Initiierung von KUKs mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung
www.tillt.se
Spanien
2005 – ?
Initiierung von KUKs mit Schwerpunkt Innovation und Kreativität
www.disonan cias.com
Verein für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung, Alanus Hochschule, LMU München, Deutschland
20082011
Nutzen von Kunst für die Arbeitswelt (betriebliche Arbeit, berufliche Bildung, Fortbildung)
www.dienstleis tungskunst.de
c2+i, Spanien
seit 2009
Initiierung von KUKs mit breitem Fokus
www.conexionesimprobables.es
WZB Berlin, Prof. Berthoin Antal, Deutschland
20082014
Analyse (Primärund Sekundärforschung) von bereits durchgeführten KUKs und KUK-Projekten mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung
www.wzb.eu/de/ forschung/been dete-forschungsprogramme/kultu relle-quellen-vonneuheit/projekte/ kuenstlerischeinterventionen-i
Nordkolleg, Agentur für innovative Schnittstellenaktivitäten, Deutschland
20122015
Initiierung von KUKs in Schleswig-Holstein
www.nordkolleg. de/fachbereiche/ kulturwirtschaft/ unternehmenkulturwirtschaft2012-2015.html
IFAF, HWR Berlin, HTW Berlin, Prof. Baumgarth, Prof. Sandberg
2012 – 2015
Analyse der Koope- www.arts-pushrationsprozesse business.de von KUK und Ableitung von Empfehlungen zum Kooperationsmanagement
Disonancias
Dienstleistung als Kunst (KunDien)
Schwerpunkte
Tab. 1: Ausgewählte KUK-Forschungsprojekte
Was wir schon wissen
Auffällig ist, dass sich die skizzierten Institutionen überwiegend mit Fragestellungen von Kunst im Rahmen der Organisations- und Mitarbeiterentwicklung beschäftigt haben. Die Verknüpfung von Kunst und nach außen gerichteten Aspekten des Marketing und der Markenführung ist bislang kaum thematisiert worden.
(3) Impulsfelder Neben dem im Weiteren dargestellten Forschungsstand zu KUKs i.e.S. gibt es eine Vielzahl von angrenzenden und teilweise auch überschneidenden Themen, die wichtige Impulse für die KUK-Forschung geliefert haben oder liefern könnten. Im Folgenden werden wichtige Impulsfelder skizziert. Ein erstes, oben bereits erwähntes Impulsfeld bildet der Forschungsansatz Organizational Aestetics, welcher ästhetische Prinzipien zur Beschreibung und Analyse von Organisationen und der Arbeitswelt verwendet (zum Überblick Carr/ Hancock 2003; Linstead/Höpfl 2000; Richards 1995; Strati 1999). Eng verwandt sind damit auch Beiträge, die spezielle Kunstformen bzw. spezielle Kunstausprägungen oder künstlerische Techniken als Metaphern und Folien verwenden, um Manager und deren Entscheidungsmuster zu beschreiben oder Empfehlungen für »richtiges« Managementverhalten abzuleiten. Exemplarisch werden als Metapher und Vorbild für Management, Managemententscheidungen und Führung Kunst im Allgemeinen (z.B. Anderson et al. 2010; Austin/Devin 2003; Dobson 1999), Jazz (z.B. Dennis/Macaulay 2010; DePree 1992; Hatch 1998; Hatch/Weick 1998), Dirigenten und Orchester (z.B. Drucker 1998) sowie Theater und Schauspiel (z.B. Biehl-Missal 2010; Gardner/Avolio 1998; Harvey 2001; Zandee/Broekhuijsen 2009) häufig verwendet. Diese beiden Impulsfelder diskutieren auf einer rein gedanklichen Ebene die Verknüpfungspunkte zwischen Kunst und Unternehmen. Hingegen thematisieren Arbeiten zum sog. Arts-based Learning die konkrete Integration von Kunst und/oder künstlerischen Techniken in die Managementausbildung (z.B. Becker 2013; Nissley 2010, Seifter/Buswick 2005, 2010; Winner/ Hetland 2000, Winner et al. 2001). Ähnlich behandeln Arbeiten zum Art-based Research (z.B. Barone/Eisner 2012; Leavy 2009; McNiff 1998) die Nutzung von künstlerischen Techniken in der empirischen Forschung als Erhebungs-, Auswertungsund Präsentationstechnik. In beiden Feldern erfolgt aber diese Integration eher auf einer methodisch-technischen Ebene i.d.R. ohne Einbeziehung von Künstlern. Im Bereich Marketing und Kommunikation liefern die Arbeiten zum Kunstund Kultursponsponsoring (z.B. Mermiri 2010, O’Hagan/Harvey 2000, Schwaiger 2001, Schwaiger/Sarstedt/Taylor 2010) und zu Unternehmenssammlungen (z.B. Conzen/Salié 2012; Jacobson 1993; Kottasz et al. 2000, 2008) wichtige Impulse, die aber im Vergleich zu KUKs i.d.R. keine echte und intensive Interaktion zwischen Künstler und Unternehmen beinhalten. Ein letztes Impulsfeld bilden Dokumentation von Unternehmen und Marken über ihr Kunstengagement (z.B. Allianz 1999; Girst 2014; Luna 2009; Rosentahl
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2003; Schäfer 2013) sowie Kataloge von entsprechenden Ausstellungen (z.B. Albus/Kriegeskorte 1999; Baumgarth 2014a; Felix et al. 2002; Geese/Kimpel 1982; Hoffmann 2014; Meißner 2004; Schweiger/Spicko 2008). Diese Dokumentationen beschreiben aber lediglich beispielhaft die Ergebnisse von KUKs und anderem Kunstengagement. Die eigentliche Zusammenarbeit, d.h. der Kooperationsprozess zwischen Künstler und Unternehmen, wird nicht explizit thematisiert, weshalb diese Publikationen nicht der KUK-Forschung i.e. S. zugeordnet werden.
3. Z eitliche E nt wicklung der KUK-F orschung Die Erforschung von KUKs beginnt 1994 und 1996 mit ersten Publikationen. In der Folge erscheinen regelmäßig einige wenige Beiträge pro Jahr. Die Anfangsphase der KUK-Forschung ist neben einigen konzeptionellen Beiträgen insbesondere durch das Thema Unternehmenstheater dominiert (z.B. das Herausgeberwerk von Schreyögg/Dabitz 1999 mit neun Beiträgen). Zwischen 2004 und 2012 lässt sich eine regelmäßige, aber nicht besonders intensive KUK-Forschung identifizieren. Einen deutlichen Anstieg erfährt die KUK-Forschung in den Jahren 2013 (10 Publikationen) und 2014 (13 Publikationen). Dies ist insbesondere auch auf die bereits dargestellten Forschungsprojekte im deutschsprachigen Raum zurückzuführen, die in diesem Zeitraum überwiegend beendet wurden und sich somit in der Publikationsphase befinden. Abbildung 1 fasst die zeitliche Entwicklung der KUK-Forschung zusammen.
Abb. 1: Zeitliche Entwicklung der KUK-Forschung (1994-2014)
Was wir schon wissen
4. I nhaltliche S chwerpunkte und E rkenntnisse der KUK-F orschung 4.1 Bezugsrahmen und Überblick KUKs können grundsätzlich für interne Zwecke wie z.B. Personal- oder Organisationsentwicklung oder für externe Zwecke wie z.B. Werbung oder Markenführung eingesetzt werden (Baumgarth et al. 2013). Darüber hinaus gibt es Beiträge, die beide Formen adressieren. Die Auswertung der Datenbasis ergab, dass bisher insbesondere intern orientierte KUKs (50 %) im Mittelpunkt standen. Arbeiten zu extern orientierten KUKs werden mit rund 33 % bislang deutlich seltener in der Literatur thematisiert. Ein weiteres Auswertungskriterium bildet die in den Arbeiten berücksichtigte Kunstform. Der überwiegende Anteil aller Beiträge beschränkt sich nicht auf eine besondere Kunstform (57 %). Bei den Arbeiten, die sich mit einer Kunstform beschäftigen, dominieren die Bildende Kunst (inklusive Street Art) (22 %) sowie das Theater (17 %). Musik, Literatur, Tanz, Kleinkunst etc. werden hingegen selten oder gar nicht in der Literatur als gesonderte Kunstform im Rahmen von KUKs behandelt. Zur weiteren inhaltlichen Strukturierung der KUK-Publikationen wurde auf den im Rahmen des Forschungsprojektes »Arts Push Business« entwickelten idealtypischen KUK-Prozess zurückgegriffen (Baumgarth et al. 2014a, S. 20).
Abb. 2: Leitfragen für die KUK-Literaturanalyse
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Dieser unterteilt den KUK-Prozess in fünf Phasen: Impuls, Partnerselektion, Konfiguration, Realisierung, Reflexion. Dieser Prozess lässt sich für die Literaturanalyse in drei Hauptphasen adaptieren: Start der Kooperation, Kooperation i.e. S. und Output der Kooperation. Diese drei Hauptphasen lassen sich jeweils durch zwei inhaltliche Fragestellungen mit Unterfragen weiter konkretisieren, die in Abbildung 2 zusammengefasst sind. Die Zuordnung der Quellen zu den sechs Feldern der KUK-Forschung ergab, dass sich die bisherige KUK-Forschung am intensivsten mit den verschiedenen Spielarten (60 %) auseinander gesetzt hat. Häufig werden auch die Ziele und Motive (34 %), die Wirkungen (33 %) und das KUK-Management (26 %) behandelt. Selten hingegen werden bislang Evaluationsansätze (16 %) und der Impuls für KUKs (11 %) untersucht.
4.2 Forschungsstand in einzelnen Feldern Die folgenden Unterkapitel skizzieren wichtige inhaltliche Aussagen der verschiedenen Publikationen, wobei diese Darstellung nicht den Anspruch der Vollständigkeit erhebt, sondern eher substantielle Beiträge exemplarisch skizziert. Diese sollen einen Eindruck der Inhalte und Methoden geben und zukünftige KUK-Forschungsprojekte inspirieren.
4.2.1 KUK-Impuls Wie bereits dargestellt, hat sich die Literatur bislang wenig mit dem eigentlichen Entstehen von KUKs auseinandergesetzt. Die bisherigen Arbeiten betonen insbesondere drei Impulsgeber, die zum Entstehen von KUKs führen (vgl. Abbildung 3).
Abb. 3: Impulsgeber für KUKs
Was wir schon wissen
Die erste Kategorie umfasst externe Faktoren, die das Entstehen von KUKs wahrscheinlicher machen. Dabei lassen sich allgemeine Trends in der Wirtschaftswelt wie steigender Innovationsdruck oder zunehmende Komplexität (z.B. Adler 2006; Arts & Business 2004) und Unternehmensmerkmale wie hohe Wichtigkeit der Marke, Leistungen mit einem hohen Informationsteil und/oder einem hohen emotionalen Anteil oder umfangreiche Kommunikationsnotwendigkeit (Blanke 2002) voneinander unterschieden. Den zweiten, in der KUK-Literatur diskutierten Impulsgeber, bilden einzelne (Top-)Manager, welche die KUK-Idee und/oder einzelne KUK-Projekte initiieren und durch ihre Machtstellung auch durchsetzen können. Beispielsweise wird bei dem mittlerweile schon klassischen Beispiel des KUK-Projektes »Catalyst« bei Unilever auf die Wichtigkeit des CEO explizit verwiesen (Boyle/Ottensmeyer 2005). Im Rahmen der Luxusindustrie weisen Dion/Arnould (2011) auf die zentrale Rolle von charismatischen Kreativdirektoren wie Karl Lagerfeld oder Marc Jacobs hin. Neben dem Einfluss durch Macht oder Charisma werden in der Literatur auch ein Kunstinteresse und -verständnis des Top-Managements als unterstützende Eigenschaft genannt (z.B. Blanke 2002). Den dritten, in der bisherigen Literatur immer wieder erwähnten Impulsgeber, stellt der Intermediär dar. Dieser erfüllt in der Impulsphase insbesondere die Aufgabe des Matching zwischen Künstler und Unternehmen (z.B. Berthoin Antal 2012). Darüber hinaus ist der Intermediär in vielen Fällen der eigentliche Initiator, der Unternehmen von der Sinnhaftigkeit von KUKs aktiv überzeugt. Grzelec/ Prata (2013) berichten Zahlen, nach denen rund 80 % der untersuchten KUKs von Intermediären initiiert wurden. Dabei nutzen die Intermediäre insbesondere Weiterempfehlungen, gefolgt von eigenen und fremden Seminaren und, wenn auch mit geringerer Intensität, Kaltakquise. Neben diesen drei Hauptimpulsen hat die Literatur in der Impulsphase noch notwendige Qualifikationen der Künstler (Blanke 2002) sowie Barrieren (z.B. Blanke 2002; Spencer 2005) diskutiert.
4.2.2 Ziele und Motive der KUK-Beteiligten Ziele und Motive für KUKs wurden in der Literatur bislang sehr ausführlich behandelt, wobei konzeptionelle Überlegungen über mögliche Ziele und Motive dominieren. Im Weiteren werden drei Perspektiven skizziert: Unternehmenssicht mit interner Perspektive, Unternehmenssicht mit externer Perspektive und Künstlersicht.
(1) Unternehmenssicht mit interner Perspektive Im Bereich der unternehmensinternen Sicht werden als Motive immer wieder Kreativität steigern, Unternehmenskultur entwickeln, Irritationen erzeugen und Mitarbeitermotivation bzw. Arbeitsklima verbessern genannt (z.B. Arts & Business 2004; Fenkart 2014; Smagina/Lindemanis 2012; Weinstein/Cook 2011). Daneben
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wird vereinzelt auch auf direkte wirtschaftliche Motive wie Steuereinsparung oder Wertanalage hingewiesen (Müller-Raß 2000; Weinstein/Cook 2011). Diese diversen Motive und Ziele lassen sich durch das im Rahmen der Projekte »Airis« und »Künstlerische Interventionen in Unternehmen« entwickelte Modell mit drei Ebenen sinnvoll systematisieren. Dieses Modell unterscheidet zwischen der Mitarbeiter-, Team- und Unternehmensebene (z.B. Berthoin Antal/Strauß 2013), wobei auch deutlich wird, dass diese Ebenen nicht voneinander unabhängig sind. Relativ selten sind in der bisherigen KUK-Forschung empirisch gestützte Aussagen über die Motive und Ziele. Ausnahmen bilden die Arbeiten von Berthoin Antal/Strauß (2013) und Grzelec/Prata (2013), die sich schwerpunktmäßig mit nach innen wirkenden KUKs beschäftigt haben. Speziell für KUKs im Bereich der Personalentwicklung liefert das Buch von Blanke (2002) Zahlen. Abbildung 4 zeigt exemplarisch die empirischen Ergebnisse von Grzelec/Prata (2013), die insgesamt 41 Intermediäre aus unterschiedlichen europäischen Ländern befragt haben. Die Ergebnisse zeigen, dass mit KUKs überwiegend organisationsinterne Ziele und Motive verfolgt werden. Künstlerische und marktbezogene Zielsetzungen sind deutlich nachgeordnet.
Abb. 4: Ziele und Motive von KUKs Quelle: Grzelec/Prata 2013, S. 33
Was wir schon wissen
(2) Unternehmenssicht mit externer Perspektive Wie die Abbildung 4 schon gezeigt hat, sind extern ausgerichtete Motive und Ziele bislang weniger wichtig in der KUK-Forschung. Neben einer speziellen Diskussion für das Luxusmarketing (Kapferer 2013) oder sehr abstrakten Ansätzen wie der Arbeit von Mir (2014), der das Potenzieren und das Legitimieren als Motive intensiv diskutiert, hat Baumgarth (2014b) für die Markenführung die folgenden fünf Motivklassen für KUKs abgeleitet und anhand von Beispielen erläutert:1 • • • • •
Inspiration und Kreativität Ästhetik und Schönheit Aufmerksamkeit Image Unikat und Verknappung.
(3) Künstlersicht Noch seltener wurden bislang die Ziele und Motive von KUKs aus Künstlersicht analysiert.2 Neben konzeptionellen Katalogen (Baumgarth et al. 2014a, Smagina/ Lindemanis 2012) hat bislang nur Henze (2013) empirisch die Gründe für KUKs aus Künstlersicht analysiert. Dabei wurden folgende Motivkategorien von den befragten Künstlern genannt: • • • •
Geld verdienen Aufmerksamkeit für das eigene Schaffen Schärfung des eigenen Profils Menschen mit Kunst in Berührung bringen, die sonst wenig oder gar keinen Kunstzugang haben • Versicherung der Instrumente und Kunstwerke • Lernen von unternehmerischen Prozessen und Strukturen, die auf das eigene »Management« übertragbar sind. Darüber hinaus finden sich die Motive von Künstlern vereinzelt in Überlegungen und Studien, die versuchen, die Ziele und Motive von KUKs gesamthaft zu erheben (z.B. Berthoin Antal 2012; Grzelec/Prata 2013).
4.2.3 KUK-Spielarten Der Bereich KUK-Spielarten ist bislang am häufigsten in der Literatur behandelt worden (zum Überblick auch Baumgarth et al. 2014a)3. Dabei reicht das Spek1 | Vgl. dazu ausführlich den Beitrag von Baumgarth (S. 155ff.) in diesem Handbuch. 2 | Vgl. dazu ausführlich den Beitrag von Sandberg/Schirm (S. 121ff.) in diesem Handbuch. 3 | Vgl. dazu Teil III (S. 153ff.) in diesem Handbuch.
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trum von anekdotischen Aneinanderreihungen verschiedener Beispiele (z.B. ausführliche Darstellung vieler Spielarten bei Biehl-Missal 2011, S. 91ff.; auch Baumgarth 2014d; Stollsteiner 2008) über Systematiken bestimmter Formen (z.B. Unternehmenstheater: Schreyögg 2009) bis hin zu theoretisch begründeten Systematisierungen (z.B. Baumgarth et al. 2013; Darsø 2004, S. 149ff.; Schiuma 2011, S. 177ff.)4 und empirisch abgeleiteten Typologien (z.B. Kastner 2014). Da die beiden zuletzt genannten Ansätze wissenschaftlich anspruchsvoller sind, soll exemplarisch jeweils ein konkreter Ansatz vorgestellt werden:
(1) Theoretisch fundierte KUK-Typologie nach Baumgarth et al. (2014a) Im Rahmen des Forschungsprojektes »Arts Push Business« wurde eine KUKTypologie entwickelt, die eine kooperationsbezogene und eine inhaltliche Dimension integriert. Die kooperationsbezogene Dimension, die auf der Arbeit von Austin (2000) basiert, klassifiziert die Intensität der KUK und unterscheidet die drei Ausprägungen Dotation (geringe Intensität), Transaktion (mittlere Intensität) und Integration (hohe Intensität), wobei zwischen diesen Kategorien fließende Übergänge und unscharfe Grenzen existieren. Die KUK-Intensität lässt sich über Merkmale wie Relevanz der Projektaufgabe, Offenheit der Aufgabenstellung, Breite und Regelmäßigkeit der Aktivitäten, Umfang des Ressourcentauschs und Machtverteilung weiter konkretisieren. Die inhaltliche Dimension resultiert aus dem Schwerpunkt der angestrebten Wirkungssichtung der KUK und wird vereinfachend in die beiden Ausprägungen intern und extern eingeteilt. Tabelle 2 fasst diese Typologie mit entsprechenden Beispielen zusammen. KUK-Intensität
unternehmensintern
Dotation
Transaktion
Integration
Corporate Collection/ Auftragskunst Sammlung Ricola (Ricola)
Kunstbasierte Intervention Abenteuer Kultur (dm) FilialArt (Alnatura) Raumgestaltung Smart-Office (Detecon) Werkproduktion Han (Edelstahlwerke Schmees) Produktgestaltung ArtCars (BMW) Artists for Revival (Schiesser) Art Collection (WARSTEINER) Campaigning Imagekampagne (BENEO) Kunstprojekt RheinArt (KunstUnternehmen)
Artist in Residence VISIT (RWE Stiftung) Kunstbasierte Intervention/Kunstausstellung DATEV Kulturevent (DATEV)
Maezenatentum Das Letzte Kleinod (div. Unternehmen) UnternehSponsoring mensVattenfall extern Contemporary (Vattenfall)
Galerie MADE (ABSOLUT Vodka)
Tab. 2: KUK-Typologie mit Beispielen, Quelle: Baumgarth et al. 2014a, S. 28. 4 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Sandberg (S. 21ff.) in diesem Handbuch.
Was wir schon wissen
(2) Luxur y-Brands-Collaboration Typolgie nach Kastner (2014) Die empirische Ermittlung von KUK-Typen basiert hingegen nicht auf Theorien oder abstrakten Systematisierungsansätzen, sondern auf der Beschreibung von realen Beispielen mithilfe von Merkmalen und der statistischen Bestimmung von Typen durch den Einsatz von Clusteranalysen und verwandten Ansätzen (allg. Baumgarth 2003). Im Bereich von KUKs wurde diese Vorgehensweise bislang nur für die Kooperation zwischen Künstlern und Luxusmarken eingesetzt (Kastner 2014; auch Baumgarth et al. 2014b). Im Rahmen einer Internetrecherche wurde für 654 Luxusmarken analysiert, ob sie im Erhebungszeitraum eine Kooperation mit Kunst bzw. Künstler eingesetzt haben. 106 Marken (16,2 % aller Luxusmarken nutzen nach außen sichtbare KUKs) bzw. 136 Kooperationen konnten identifiziert und mithilfe von 23 Merkmalen näher beschrieben werden. Aus Gründen der Stichprobengröße wurden für die Clusteranalyse neun Merkmale ausgewählt. Die Clusteranalyse ermittelte drei Cluster, die in Tabelle 3 dargestellt sind.
Name
Cluster 1 Arty Limited Edition
Cluster 2 Philanthropic LBAC
Cluster 3 Experimental LBAC
Affiliation
Independent (71 %)
Affiliated (43 %)/ Independent (57 %)
Independent (76 %)
Age***
Old (43 %)
Middle-aged (43 %)
Young (76 %)
Form**
Visual arts (88 %)
Role within the LBAC***
Functional (93 %)
Visual arts (67 %)/ Non-visual arts (33 %) Creative-inspirational (98 %)
Visual arts (62 %)/ Non-visual arts (38 %) Creative-inspirational (93 %)
Existent (48 %)/ Non-existent (52 %)
Existent (84 %)
Existent (69 %)
Direction of collaboration***
Towards brand (100 %)
Towards art (90 %)
Towards brand (93 %)
Duration***
Limited (100 %)
Limited (47 %)/ Unlimited (53 %)
Limited (100 %)
Intensity***
Image-driven (100 %)
Fit***
Application***
Size
Image-driven (75 %)
Commercial (98 %)
Non-commercial (88 %)
56 (41.2 %)
51 (37.5 %)
Image-driven (69 %)/ Identity-driven (31 %) Commercial (31 %)/ Non-commercial (69 %) 29 (21.3 %)
*: p < 0.1, **: p < 0.05; ***: p < 0.01
Tab. 3: Empirisch ermittelte KUK-Typologie im Kontext von Luxusmarken Quelle: Baumgarth et al. (2014b), S. 136f.
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Carsten Baumgar th
4.2.4 KUK-Management Spezielle Überlegungen und Analysen zu einem KUK-Management finden sich in der bisherigen Literatur relativ selten.5 Insbesondere finden sich kaum empirisch abgesicherte Erkenntnisse über das erfolgreiche Management von KUKs. Die im Folgenden exemplarisch dargestellten Arbeiten, die drei Gruppen zugeordnet werden, basieren entweder auf der Übertragung allg. Managementansätze auf das KUK-Feld oder auf »Erfahrungswissen« der Autoren.
(1) Prozessansätze Eine erste Gruppe von Beiträgen strukturiert die verschiedenen Entscheidungsfelder des KUK-Management in einer prozessorientierten Modellbetrachtung. Baumgarth et al. (2014a) haben z.B. einen fünfstufigen Kooperationsprozess mit den Phasen Impuls, Partnerselektion, Konfiguration, Realisierung und Reflexion (vgl. auch Abbildung 2) vorgeschlagen. Daneben gibt es vereinzelt Ansätze, die den klassischen Managementprozess auf KUKs anpassen: Lehman-Fiala (2000) hat für extern orientierte KUKs, die sie als Artventuring bezeichnet, einen vierstufigen Managementprozess mit den Phasen Vorüberlegungen, Konzeption und Planung, Zentrale Umsetzungsergebnisse und Konzept- und Wirkungskontrolle vorgeschlagen und ausgeführt. Schiuma (2011) hat für das Management von ArtsBusiness-Initiatives einen fünfstufigen Prozess mit den Phasen Plan, Design, Implementation, Assessment und Review entwickelt.
(2) Spezielle KUK-Managementfelder Neben diesen strukturierenden Ansätzen gibt es einige wenige Beiträge, die spezielle Felder des KUK-Management beleuchten. Beispielsweise diskutiert Berthoin Antal (2012) die Rolle und Aufgaben von Intermediären für das Gelingen von KUKs. Hensius/Lehikoinen (2013) hingegen thematisieren ausführlich die Wichtigkeit und Umsetzung von Trainingsprogrammen für Künstler, um erfolgreich KUKs zu realisieren.
(3) »Erfolgsfaktoren« des KUK-Management Eine dritte Art von Arbeiten lässt sich der Kategorie »Erfolgsfaktoren« zuordnen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine klassische, empirisch gestützte Erfolgsfaktorenforschung, sondern um die Auflistung von Empfehlungen, die überwiegend auf anekdotischen Erfahrungen mit einzelnen KUKs basieren. Tabelle 4 listet exemplarisch einige ausgewählte Kataloge von Managementempfehlungen auf.
5 | Vgl. dazu ausführlich Teil V (S. 335ff.) in diesem Handbuch.
Was wir schon wissen Darsø (2004) • Be clear about
Buswick et al. (2004) • Start from business
the purpose and
issues – Remember,
objectives
this is not sponsor-
• Consider shortterm or longterm
ship of external performances • Aim high –
• Consider the
Don’t be timid
timing in
• Assure active par-
Smagina/Lindemanis (2012) • Hard work, because creative processes are unpredictable • Parties take each other seriously and bring their assets together (mutual engagement) • Both sides have to cooperate • It is better to actively engage artists with the workforce
relation to the
ticipation form the
• Strategic matching of core values
organisation
organization’s leaders
• Relationships (2-way communication,
• Select excellent
– A supportive memo
artists • Consider
is not enough • Offer experiences in
the type and
multiple arts –
potential of an
They will comple-
Artist-Business relationship • Prepare well by
ment each other • Speak the languages of business and arts –
asking relevant
And understand
questions
the different attitu-
• Start small
des, too.
interaction, common vision) • Longevity of commitment • Creativity and customization in terms of approach • Management sensitivity and commitment towards each other • Commitment of all stakeholder • Matching of the objectives of stakeholders of bot sides • Well-planned projects with enough time given for adjustments
• Exemplify seriousness • Resources allocated for supporting and commitment – It
good collaboration relationships
must come from the
• Open communication, inclusive all
organization’s; lip service won’t cut it.
stakeholders • Well-documented track of activity and results records
Tab. 4: Ausgewählte Listen von »Erfolgsfaktoren« des KUK-Managements
4.2.5 KUK-Evaluation Umfangreiche Überlegungen zur Durchführung von KUK-Evaluationen finden sich bislang in der Literatur relativ selten.6 Zwar betont eine Reihe von Autoren die zentrale Bedeutung von KUK-Evaluationen (u.a. Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011; Blanke 2002; Styhre/Erikosn 2007), aber konkrete Ausführungen zur Konstruktion, Durchführung und Auswertung finden sich nur vereinzelt. Bei der Evaluation ist es wichtig zu unterscheiden, ob es eher darum geht, verallgemeinerbare Ergebnisse über eine Mehrzahl von KUKs zu generieren oder um die Verbesserung von konkreten KUK-Projekten (Berthoin Antal/Strauß 2013). Unabhängig davon lassen sich zum einen Beiträge identifizieren, die einzelne
6 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Birnkraut (S. 425ff.) in diesem Handbuch.
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Kennzahlen (sog. KPIs) diskutieren und zum anderen solche, die umfangreichere Konzeptionen zur Evaluation vorschlagen.
(1) KPIs für KUKs Neben den (empirischen) Wirkungsstudien, welche die KUK-Wirkungen messen und daher auch entsprechende Kenngrößen verwenden, und den diskutierten Zielkatalogen, die in entsprechende Kennzahlen übersetzt werden könnten, gibt es ein paar wenige Publikationen, die einzelne Kennzahlen thematisieren. Beispielsweise diskutieren Buswick et al. (2004) die Möglichkeit, den Lerntransfer von KUKs und anderen künstlerischen Interventionen zu messen. Sie kritisieren bspw. die zu einfache und wenig aussagefähige Messung eines Lerntransfers durch eine Vorher-Nachher-Messung des Wissens und plädieren eher für eine Größe, welche die Fähigkeit zum zukünftigen Lernen (»Prepration for future learning«) misst. Außerdem weisen sie auf das Problem hin, dass einmalige KUKs wenig sinnvoll für Lerntransfers sind, da Lernen Wiederholungen benötigt. Daher ist nach ihrer Meinung die Evaluation von einzelnen Workshops etc. wenig sinnvoll, sondern die Messung sollte sich auf umfangreiche Programme mit Wiederholungen beziehen. Erikson (2009) diskutiert in seiner Wirkungsstudie zum »Airis«-Projekt zum einen das klassische Vorher-Nachher-Design als Evaluationsansatz, wobei er für zwei Nachher-Messungen (kurz- und langfristig) plädiert. Zum anderen schlägt er die vier folgenden mehrfaktoriellen Konstrukte zur KUK-Evaluation vor: • • • •
Organisationklima-Index Effizienzorientierungs-Index Kreativitäts-Index Interaktions-Index
(2) KUK-Evaluationsansätze Beiträge zu KUK-Evaluationsansätzen hingegen schlagen umfassendere Ansätze, die mehrere KPIs und weiterführende Ideen integrieren, vor. Für extern orientierte KUKs hat z.B. Lehman-Fiala (2000) ein Schema mit den drei folgenden Wirkungsebenen entwickelt: • Entwicklungsorientierung (Verbesserung des internen Wissens und der Mitarbeiterfähigkeiten) • Distinktion (Aufmerksamkeit und Bekanntheit sowie Abgrenzung auf den Absatzmärkten) • Integration (Unternehmenskultur und Interaktionsqualität mit Stakeholdern) Für diese drei Evaluationsebenen schlägt sie Erfolgskriterien, Kontrollmethoden und Kontrollzeiträume vor.
Was wir schon wissen
Die bisher umfangreichste Auseinandersetzung einer unternehmensorientierten Betrachtung der KUK-Evaluation hat Schiuma (2011) vorgeschlagen. Zentral für seine Evaluationsüberlegungen ist zunächst die Unterscheidung von vier verschiedenen, durch KUKs beeinflussbare Unternehmensressourcen: Brainware (z.B. Mitarbeiterkompetenz, Gesundheit, Mitarbeitereinstellung), Netware (z.B. interne und externe Beziehungen), Hardware (z.B. Arbeitsplatzgestaltung, Infrastruktur) und Software (z.B. Markenreputation, Unternehmenskultur).7 Diese Ressourcen verbindet Schiuma auch mit ökonomisch orientierten Größen und schlägt, wie Abbildung 5 zeigt, als Evaluationsinstrument, ähnlich einer Balanced Scorecard, einen mehrdimensionalen Ansatz vor.
Abb. 5: KUK-Evaluationansatz nach Schiuma Quelle: Schiuma 2011, S. 192.
4.2.6 KUK-Wirkungen Beiträge zu den KUK-Wirkungen spielen sowohl in der grundlagenorientierten als auch in der angewandten Forschung eine zentrale Rolle. Während erstere versuchen, Wirkmechanismen von KUKs theoretisch zu erklären (häufig in Form von Hypothesen) (z.B. Hagtvedt/Patrick 2008a, b), verfolgen die Arbeiten zur angewandten Forschung eher das Ziel des allgemeinen Wirknachweises von KUKs (z.B. Berthoin Antal/Strauß 2013), welcher insbesondere zur Überzeugung von Geldgebern und Unternehmen wichtig ist. Weiterhin lassen sich die Arbeiten danach unterscheiden, ob sie eher interne oder externe Wirkungen analysieren. 7 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Sandberg/Schirm (S. 121ff.) in diesem Handbuch.
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Diese Unterscheidung wird auch für die weitere Skizzierung dieses Forschungsfeldes verwendet.
(1) Wirkungen von intern orientierten KUKs Einen Überblick zu den Wirkungen von intern orientierten KUKs hat insbesondere Berthoin Antal (2012, Berthoin Antal/Strauß 2013) geliefert. In ihrem Beitrag von 2012 vergleicht sie die (angestrebten) Wirkungen von sieben Forschungsprojekten. In dem Beitrag von 2013 werten die beiden Autorinnen 268 Beiträge in Bezug auf die berücksichtigen Wirkungen aus. Dabei werden nur in 47 Beiträgen (16 %) überhaupt forschungsbasierte Wirkungsnachweise präsentiert. Diese Wirkungsbeiträge kategorisieren die Verfasserinnen in die folgenden acht Wirkungskategorien mit insgesamt 29 Wirkungsdimensionen: • Strategische und operative Unternehmensgrößen (z.B. Profitabilität, Umsatz) (37 Nennungen) • Organisationsentwicklung (65 Nennungen) • Beziehungen (63 Nennungen) • Personalentwicklung (88 Nennungen) • Zusammenarbeit (89 Nennungen) • Künstlerische Arbeitsweisen (64 Nennungen) • Offenheit und Reflektion (117 Nennungen) • Aktivierung (114 Nennungen) Diese Arbeit gibt einen guten Überblick über mögliche Wirkungskategorien, allerdings enthält der Beitrag keine Aussagen darüber, ob und in welchem Ausmaß diese Wirkungen mit internen KUKs realisiert wurden. Erikson (2009) hat im Rahmen des »Airis«-Projektes die Wirkungen von internen KUKs auf die Mitarbeiter gemessen. Dabei zeigt sich, dass in einem Vorher-Nachher-Vergleich kaum signifikante Veränderungen festgestellt werden konnten. Theorell et al. (2013) konnten in einer großzahligen Studie in Schweden hingegen leicht positive Effekt von künstlerisch-kulturellen Aktivitäten am Arbeitsplatz auf die physische Gesundheit der Mitarbeiter nachweisen.
(2) E xterne KUK-Wirkungen Im Bereich der extern orientierten KUKs, konnten Studien insbesondere im Kontext von Luxusmarken positive Wirkungen von KUKs aufzeigen. Beispielsweise konnten Lee et al. (2014) in einem Experiment für die Marke Louis Vuitton zeigen, dass eine KUK zu einem erhöhten Prestigewert führt. Fuchs et al. (2013) konnten für Luxusmarken im Rahmen einer Co-Creation-Studie empirisch belegen, dass die Einbindung von Künstlern im Vergleich zu »normalen« Konsumenten in die
Was wir schon wissen
Gestaltung von Sondereditionen zu deutlich positiveren Konsumentenwahrnehmungen führen. Neben den Luxusmarken-Effekten hat die bisherige KUK-Forschung insbesondere die sog. Art Infusion-Hypothese nach Hagvedt/Patrick (2008a) untersucht (Hagtvedt/Patrick 2011; Huettl/Gierl 2012; Lee et al. 2014). In der Grundlagenstudie (Hagvedt/Patrick 2008a) konnte gezeigt werden, dass die Einbindung von Kunst, unabhängig davon, ob diese vom Konsumenten als schön oder nicht schön beurteilt wird, zu positiven Urteilen gegenüber Produkten, Marken und Kommunikation führt. Dieser Effekt konnte zwar in den weiteren Studien grundsätzlich bestätigt werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen wie z.B. dem Vorliegen von hedonistischen Produkten (Huettl/Gierl 2012) oder dem Hinweis auf die Kunst (Hagvedt/Patrick 2011).
5. M e thodische R outinen der KUK -F orschung Abschließend wird der KUK-Forschungsstand noch in Bezug auf die methodischen Routinen hin analysiert. Dabei wird zunächst zwischen begrifflich-konzeptionellen und empirischen Beiträgen differenziert. Als nicht empirisch werden, obwohl sie auch ein Bezug zur Empirie haben, Arbeiten eingeordnet, die anekdotische Erfahrungen in die Beiträge integrieren. Diese dienen eher der Illustration und genügen nicht den Anforderungen an wissenschaftliche empirische Forschung. Empirische Beiträge werden weiter nach der Art der eingesetzten Methoden kategorisiert. Dabei werden als Unterkategorien folgende verwendet: • Sekundäranalysen (Sekundärauswertung von empirischen Studien, Metaanalysen etc.) • Qualitative Routinen (Fallstudien, Experteninterviews, Action Research etc.) • Quantitative Befragungen (Managerbefragungen, Mitarbeiterbefragungen etc.) • Experimente (bewusste Manipulation bestimmter unabhängiger Variablen und Kontrolle von Störvariablen) Die Auswertung in Abbildung 6 zeigt, dass rund zwei Drittel der bisherigen KUK-Publikationen nicht empirisch arbeitet (62 %). Bei den empirischen Arbeiten dominieren qualitative Ansätze, wobei insbesondere Fallstudien (7 von 12) zum Einsatz kommen. Relativ selten wurden bislang Experimente durchgeführt, wobei sich alle sechs berücksichtigten experimentellen Studien mit externen KUKs beschäftigen.
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Abb. 6: Empirische KUK-Arbeiten
6. F a zit : E nt wicklungsstand , offene F elder und I mpulse Auch wenn sich eine explizite KUK-Forschung bereits seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts nachweisen lässt und damit seit rund 20 Jahren eine KUK-Forschung mit entsprechenden Publikationen existiert, ist der inhaltliche und methodische Entwicklungsstand der KUK-Forschung insgesamt noch nicht sehr tief und breit entwickelt. Inhaltlich lässt sich festhalten, dass die intern und extern orientierte KUK-Forschung kaum voneinander Kenntnis genommen hat, wobei die intern orientierte KUK-Forschung deutlich umfangreicher ausfällt. Diese Trennung ist in Bezug auf Wirkungen und Spielarten nachvollziehbar, aber in Bezug auf das Management von solchen Kooperationen überwiegen wohl eher die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede. Als besonders wichtiges Feld wird die Evaluation immer wieder genannt, aber die bisherige Forschung liefert speziell zu diesem Feld wenig Substantielles. Weiterhin fällt die Forschung zum Entstehen von KUKs sehr gering aus. Dies könnte auch dadurch bedingt sein, dass die meisten Publikationen aus Forschungsprojekten resultieren, die durch finanzielle Unterstützung die Etablierung von einzelnen KUKs anstoßen. Fraglich ist daher, ob und wie KUKs in der »normalen« Welt entstehen bzw. entstehen können. Methodisch lässt sich festhalten, dass die KUK-Forschung bislang eher nach »Relevance« als nach »Rigour« strebt. Dies kann zum einen an dem »jungen«
Was wir schon wissen
Entwicklungsstadium der KUK-Forschung liegen. Zum anderen kann es auch an den Forschungstraditionen der beteiligten Akteure liegen. Nur ein geringer Teil der KUK-Arbeiten basiert auf empirischer Forschung und diese Gruppe an Publikationen genügt nur sehr eingeschränkt den Kriterien an anspruchsvolle wissenschaftliche Methodik. Daraus resultiert auch, dass bislang kaum KUK-Forschungsarbeiten in hochgerankten Management- und Marketingzeitschriften erschienen sind, sondern eher in Herausgeberwerken, Büchern und spezialisierten Zeitschriften. Für die zukünftige Forschung lässt sich eine Reihe von inhaltlichen und methodischen Ideen formulieren:
(1) Impulsphase stärker untersuchen Eine KUK wird nur dann entstehen und ihr Wirkungspotenzial für einzelne Unternehmen, einzelne Künstler und die Gesellschaft insgesamt entfalten können, wenn diese überhaupt stattfindet. Dabei geht es insbesondere um ein Stattfinden außerhalb von Forschungsprojekten, die Künstler und Unternehmen mit finanziellen und anderen Anreizen für eine KUK gewinnen. Daher sollte die zukünftige Forschung sich verstärkt mit der Impulsphase, d.h. mit dem Entstehen von regulären KUKs auseinandersetzen.
(2) Aussagekräftige Evaluations-Ansätze für verschiedene KUK-Spielarten entwickeln Um das Management von KUKs zu verbessern, den Einsatz von KUKs überhaupt zu legitimieren und auch KUKs in Unternehmen vom Ad-hoc-Projekt zu einem nachhaltigen Ansatz zu entwickeln, sind KUK-Evaluationen notwendig. Die bisherige KUK-Literatur hat zu diesem Feld bislang wenig beigetragen. Insbesondere sind mehrdimensionale und langfristig orientierte Ansätze notwendig, die aber trotzdem mit geringer Komplexität und überschaubaren Kosten den Praxistest bestehen. Weiterhin ist es notwendig, Ansätze für die verschiedenen KUK-Spielarten zu entwickeln, da z.B. interne und externe KUKs vollständig unterschiedliche Aufgabenstellungen aufweisen.
(3) Erfolgsfaktoren eines KUK-Managements in der Realität identifizieren Bislang beschränken sich die Aussagen zum »optimalen« KUK-Management auf anekdotischen Erfahrungen und Vermutungen. Zukünftig ist daher eine stärkere empirische Untersuchung von erfolgreichem und weniger erfolgreichem KUKManagement notwendig. Dies kann auf prozessorientierten Fallstudien, Action Research oder klassischer Erfolgsfaktorenforschung basieren.
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(4) KUK mit Alternativen in Bezug auf Auf wand und Wirkungen vergleichen Interne wie auch externe KUKs sind aus Unternehmenssicht nur jeweils eine von mehreren Optionen. Beispielsweise kann eine Maßnahme zur Führungskräfteentwicklung anstatt mit einem Unternehmenstheater auch durch einen onlinegestützten Kurs umgesetzt werden. Alternativ zu einer durch einen Künstler entworfenen Sonderedition kann eine solche durch eine Co-Creation mit Konsumenten realisiert werden. Daher sollte die zukünftige Forschung sich auch mit einem Vergleich von KUKs und Alternativen verstärkt auseinandersetzen. Neben den Wirkungen (kurz- und langfristig) sind dabei auch die notwendgien Ressourcen sowie die Prozesse (z.B. Frustration, Erfolgswahrscheinlichkeit, Dauer) zu berücksichtigen.
(5) Effekt von KUKs auf die beteiligten Künstler analysieren Die bisherige Forschung hat sich überwiegend mit der Unternehmensperspektive beschäftigt. Allerdings werden KUKs nur funktionieren, wenn es sich um eine Win-win-Situation handelt, d.h. auch der Künstler muss von einer KUK profitieren. Daher sollte die zukünftige Forschung sich verstärkt auch mit der Künstlerperspektive auseinandersetzen. Dabei sind sowohl die Beurteilung einer konkreten KUK aus Künstlersicht als auch langfristige Effekte wie Reputation bzw. Street Credibility oder Netzwerkauf bau zu berücksichtigen.
(6) Empirische Qualität der Forschungsarbeiten erhöhen Bislang ist die methodische Qualität der KUK-Forschung überwiegend gering. Insgesamt existieren nur wenige empirische Arbeiten und diese beschäftigen sich kaum mit der Qualität der eingesetzten Methode. Das reduziert die Glaubwürdigkeit, die Qualität und den Impact der KUK-Forschung. Daher sollten zukünftige Arbeiten sowohl bei qualitativen als auch quantitativen Studien ein größeres Augenmerk auf methodische Qualität legen. Auch bei Ansätzen wie Fallstudien lässt sich durch Triangulation der Aussagen oder kommunikative Validierung die Qualität steigern. Darauf auf bauend können dann auch anspruchsvolle quantitative Ansätze wie u.a. Kausalmodelle oder Experimente zu belastbaren Aussagen führen.
(7) Publikation von KUK-Arbeiten in Management-, Marketing- und Markenzeitschriften Eng mit der methodischen Qualität hängt auch die letzte Idee für die zukünftige KUK-Forschung zusammen. Bislang erscheinen die KUK-Arbeiten überwiegend in KUK-nahen Outlets. Dies ist deshalb problematisch, da dadurch zum einen die
Was wir schon wissen
Qualität der Beiträge nur bedingt durch etablierte Verfahren wie Double-BlindReviews sichergestellt ist. Zum anderen führt dies auch dazu, dass der Mainstream der Forscher und Praktiker das Thema kaum zur Kenntnis nehmen. Exemplarisch erreichen auch Klassiker der KUK-Literatur nur geringe Zitationswerte (Berthoin Antal 2009: 3 Zitate; Biehl-Missal 2011: 34 Zitate; Darsø 2004: 152 Zitate; Schiuma 2011: 53 Zitate; Google Scholar, Stand 1. August 2015). Dies wiederum führt auch dazu, dass die Sensibilität und Bereitschaft für KUKs auf der Managementseite eher gering ausfällt, da diese Forschung weder im Studium noch in der Managementweiterbildung vorkommt. Daher sollte zukünftig stärker versucht werden, sowohl Beiträge für interne als auch externe KUKs in hochgerankten Management- und Marketingjournals zu platzieren, als auch KUKs in die Hochschullehre und Managementweiterbildung stärker zu integrieren.
A nhang : KUK -L iter aturdatenbasis (1)
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Aragou-Dournon (1999)
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Arts and Business (2004)
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Hetsroni/Tukachinsky (2005)
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Huettl/Gierl (2012)
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Jacobson (1996)
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Jepsen/Preissler/Reckhenrich (2003)
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Jepsen/Reckhenrich (2006)
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Joy/Wang/Chan/Sherry/Cui (2014)
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Kapferer (2014)
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Kastner (2014)
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Keßler (2006)
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Lee/Chen/Wang (2014)
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Lehman-Fiala (2000)
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McNicholas (2004)
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Meffert (2001)
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Meisiek, S.; Dabitz, R. (1999)
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Mir (2014)
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Müller-Raß (2000)
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Reinecke (2012)
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Was wir schon wissen Ringe (2009)
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Scheff/Kotler (1996)
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Schiuma (2011)
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Schreyögg (1999a)
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Schreyögg/Höpfl (2004)
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Schubert/Fuchs (2009)
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Sigmund (2013)
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Silberer/Köpler/Maquardt (2000)
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Slowinska (2014)
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Smagina/Lindemanis (2012)
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Spencer (2005)
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Stollsteiner (2008)
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Strobel (1999)
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Styhre/Eriksson (2007)
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Teichmann (1999)
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Terhalle (1996)
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Theorell et al. (2013)
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Ullrich (2006)
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Wehner/Dabitz (1999)
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Weinstein/Cook (2011)
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Weiß (2012)
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(1): Impuls, (2): Ziele und Motive; (3): KUK-Spielarten; (4): KUK-Management; (5): Evaluation; (6): Wirkungen
Q uellen Vorbemerkung: Alle mit einem * markierten Quellen sind Bestandteil der KUKLiteraturdatenbasis (vgl. Anhang). Adler, N. (2006): The Arts and Leadership, in: Academy of Management Learning an Education, 5. Jg., H. 4, S. 486-499.* Albus, V.; Kriegeskorte, M. (Hg.) (1999): kauf mich!, Köln. Allianz (Hg.) (1999): Im Gehen sehen, Friedberg.
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Teil II: Beziehungen und Barrieren zwischen Kunst und Unternehmen
Ein bisschen dramatischer ist es schon Skizzen über Organisation, Wirtschaft, ›Welt‹ und Gegenwart Wolf Dieter Enkelmann
Unternehmen sind hochkomplexe Organisationsleistungen. Man übertreibt jedoch kaum, wenn man Organisation sogar für einen entscheidenden operativen Baustein globaler Handlungsfähigkeit hält oder in diesem Medium mehr als in allem anderen den praktischen Garanten für den potenziellen Zusammenhalt der Welt sieht. Organisation ist entsprechend ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis von Unternehmen, ja der Moderne überhaupt. Was immer man tut oder lässt: Will man mit anderen jenseits der nächsten Umgebung und des eigenen Rayons in Verbindung treten und damit auch nur ein Fünkchen Relevanz gewinnen, kommt man unweigerlich mit dieser Agentur in Berührung. Umso eigenartiger, dass das Wesen der Organisation trotz ausgefeilter praktischer Kompetenz und intensiver Forschung, so jedenfalls der Soziologe Günther Ortmann (2015), immer noch erhebliche Rätsel aufgibt. Er ist der Sache akribisch auf den Grund gegangen und zum Ergebnis gekommen: Ohne Philosophie geht es nicht. Doch die steht, so kürzlich sein Befund (2015, S. 213), spröde abseits. Damit hat er, soweit ich das überblicke, wohl recht. Und die Kunst? Die käme ja vielleicht auch in Betracht. Was versteht sie davon? Schauen wir mal, wo wir hinkommen, wenn wir der Frage auf die Spur gehen.
1. O rganisation aus V erstand und D ämonie ? Man kann alles organisieren. Kommunikation, Kultur, Produktion, Führung, Erfolg, Profitabilität, Innovation etc., schließlich auch die Organisation selbst. Man muss sich organisieren, wenn man etwas erreichen will. Allein ist man verloren. Man kommt zu nichts, in vielen Fällen nicht einmal zu einer staatlichen Legitimation. Es mag anderes auch noch brauchen, zum Beispiel technischen, ökonomischen oder politischen und bürokratischen Sachverstand oder persönliche Begabungen wie Intuition und Kreativität. Auch Selbstbewusstsein und Weltläufigkeit, Sprachkenntnisse, Allgemeinbildung schaden nicht, solange sie
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nicht allzu selbstgenügsam und eitel überhand nehmen. Doch was wäre das alles wert, ließe es sich nicht organisieren? Was nützten dergleichen Tugenden ohne Organisation, ohne dieses Passepartout, das allen sonstigen Fähigkeiten und jeder Praxis überhaupt erst einen geeigneten Gestaltungsrahmen und Entfaltungsraum schafft? Also organisiert man, was auch immer man zu realisieren vorhat, und eh man sich’s versieht, hat man eine Organisation oder findet sich in einer solchen wieder. Organisieren bringt Menschen zusammen, gibt ihren Plänen Schlag- und ihren Zielen Durchsetzungskraft. Und es gibt ihnen persönliche Realität. Wer ist schon Herr Müller oder Frau Schmidt? Zu Identität und Anerkennung zu kommen, ist doch sehr erleichtert, wenn z.B. Siemens auf der Visitenkarte steht, vom Bedeutungsgewinn durch die Zugehörigkeit zu dieser weltweit präsenten Gemeinschaft ganz zu schweigen, – wenn denn eine Organisation wie dieses Unternehmen eine Gemeinschaft ist. Sicher sagen lässt sich nur, es ist eine Organisation, noch dazu von ausgefeiltester Komplexität in ihrem Verfahrensmanagement. In den Organisationen potenziert sich das Organisieren. In ihnen findet diese Formierung des Engagements seine originäre, eigenständige und dauerhafte institutionelle Verkörperung. Und dort findet es auch erst so recht seine eigene Wucht. Denn die Organisationen verselbständigen sich gegenüber ihren Protagonisten. Sie werden selbst zu – korporativen – Akteuren. Dass sie sich derart verselbständigen, ist gerade einer der wichtigsten Vorteile dieses Verfahrens, Praxis mit Sinn und Verstand ins Werk zu setzen. Wenn man sagt, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, dann findet das in der Organisation vielleicht seinen eindrucksvollsten Nachweis. Die Menschen, die sich so arbeitsteilig wie gemeinsam um die Erfolge ihrer Unternehmung bemühen, vermehren sich um einen weiteren Akteur, nämlich um das Unternehmen als solches in Form seiner Organisation. Das ist soweit nun zunächst noch nichts Besonderes. Im Grunde kennt jeder dieses Phänomen schon aus seiner Familie oder sonstigen persönlichen Beziehungen. Wo sich Ich und Du zusammenfinden, ist mit dem Wir, das sie miteinander teilen, sogleich im Gemeinsinn, den sie bilden, noch ein Drittes im Spiel. Und dieser Gemeinsinn ist nicht nur eine Art Verfassung, sondern mausert sich zu einem gelegentlich überaus eigensinnigen und bestimmenden dritten Akteur im Spiel. Die Iche wirken aufeinander ein, sie beeinflussen sich gegenseitig und werden beeinflusst durch den Komment, der sich aus Grund und Genesis ihrer Zusammenkunft, aus der wechselseitigen Erkenntnis, der je eigenen Gewohnheiten und Charakterbildungen, ihrem Selbst- und Weltbild, der Vielzahl von Rücksichtnahmen, ihrer Moral, Begierden und Schuldgefühle usw. entwickelt. All das schmilzt zusammen und gibt ihrem Wir seinen eigenen Charakter – und wirkt auf sie zurück. Beide bilden dieses Wir, das aus seiner Eigenart zugleich sie bildet. Keiner ist mit ihm identisch. So wenig es dieses Wir ohne sie gäbe, so sehr sind sie seiner doch nie ganz Herr. Entsprechend verhält es sich zunächst auch mit den Organisationen, nur auf einem abstrakteren und unpersönlicheren Niveau. Damit aber geht die Organi-
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sation in mancherlei Hinsicht über mehr oder weniger spontane Paarungen und informelle Gemeinschaftsbildungen hinaus. Die Menschen bestimmen, was die Organisation ist, wozu sie gut ist und wie sie ihre Ziele erreichen soll. Zugleich bestimmt die Organisation aber auch – und je länger es sie bereits gibt, desto wirksamer – das Spektrum der Methoden sowie die Inhalte und Ziele der Menschen, die sie in sich einbegreift oder auf die sie nach außen einwirkt. Organisationen basieren auf Plänen, nicht auf Beziehungen. Ob die Menschen individuell Interesse aneinander haben und etwas miteinander anfangen können, ist sekundär. Was auch immer die Absichten sind und was auch immer getan wird, alles wird von den gewählten Verfahren bestimmt. Man tut nicht einfach, was zu tun ist, sondern reflektiert stetig auf die Aktivitäten, prüft die Tauglichkeit der Pläne und den Stand ihrer Erfüllung. Man analysiert die Chancen, wägt die Risiken ab, wählt die passende Strategie und beschließt die nötigen taktischen Maßnahmen. Das Ganze ist also auch eine Formation des sich selbst durchsichtig Machens. So gehen Theorie und Praxis alias Rationalität und Effektivität in der Organisation die vielleicht unmittelbarste Verbindung ein, die beiden Seiten Genüge tut und ideal gerecht wird. Nirgends sonst wird Theorie plastischer in Praxis »umgesetzt«, sodass man sich vielleicht angewöhnen müsste, statt im Dualismus von Theorie und Praxis zu verharren, von einem Dreiklang von Theorie, Praxis und Organisation (alias »Umsetzung«) zu reden. Man organisiert etwas, was sich als Organisation zu einem Organismus eigener Art als Subjekt eigenen Rechts verselbständigt und sich dann über alle Zwecke, denen sie ihre Existenzberechtigung verdankt und deren Einlösung es zu organisieren gilt, hinaus vor allem zur Aufgabe macht, sich, ergo die Corporate Identity, die sie verkörpert, und deren Fortbestand – sowie den ihrer universellen Gültigkeit! – zu organisieren. Eine Organisation von Organisation der Organisation. Und das eben ist es, was ›Management‹ in organisationalen Kontexten derart konsequent als leitenden Praxisbegriff etabliert, dass es völlig gleichgültig ist, ob ein angestellter Manager oder der Eigner selbst an der Spitze steht. Die Option des Managements als solches lässt sich nicht in Frage und zur Disposition stellen. Die intrinsische Rationalität, ohne die die Existenz einer Organisation völlig undenkbar und unvorstellbar ist, verführt dazu, diese Verselbständigungseffekte entsprechend auch in rationale Begriffe zu fassen. Man spricht von Systemimperativen oder Eigendynamik, doch das trifft es nicht wirklich, das ist zu technisch, zu funktional, zu asubjektiv, zu unbewusst und ist viel zu sehr noch dem Kausalitätsglauben verhaftet, dem sich die moderne Rationalität bis zur Besinnungslosigkeit verpflichtet fühlt. Mit derartigen Begrifflichkeiten bestätigt sich diese Rationalität mehr zirkulär nur selbst, als dass sie begreiflich machte, wie das alles, was eine Organisation ausmacht, zusammen – und gegeneinander – wirkt. Je durchsichtiger man die Abläufe macht, desto intangibler wird zugleich die Organisation als solche und desto rätselhafter, warum das alles immer so sein muss. Es scheint, als ob die Menschen bestimmten, was z.B. Siemens ist, darauf fußen alle Compliance- und Corporate Responsibility-Strategien. Und zugleich gilt
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auch umgekehrt: Es scheint, als ob Siemens als Corporate Citizen oder Corporate-Economist agierte. »Was Organisationen können, ist nicht die Summe oder Aggregation der individuellen Vermögen ihrer Mitglieder«, so Ortmann (2015, S. 218). Auf die Frage, »inwiefern verursacht oder determiniert individuelles Handeln – wenn auch nur partiell – organisationale Hervorbringungen und vice versa?« (2015, S. 219), antwortet er: »Organisationen werden als juristische Personen und korporative Akteure fingiert« (Ortmann 2015, S. 219, 2010, S. 63), so, wie der »Akteurseigenschaft« generell ein »Anteil an Fiktion« zukommt« (2015, S. 219). So faktisch es die Organisationen gibt, so fiktiv sind sie zugleich oder: Wären sie nicht fiktiv, kämmen sie nicht zu faktischer Evidenz. Nicht einmal die konkreten Produkte helfen aus dem Taumel dieser schwindelnden Dynamik heraus. Jeder Marketing- und Marken-Stratege weiß: Wer Produkte verkauft, gefährdet seine Existenz, man muss Emotionen verkaufen, das heißt, aus der Diktion und den Diktaten der Rationalität ausbrechen, will man die rationale Organisation als Organisation des Rationalen erhalten. Wo auf Emotionen gesetzt wird, wird – logisch – auf die segensreiche Wirkung des Irrationalen gebaut, in das Unerklärliche vertraut und das Alogische als existenzieller Bestandteil logischer Effektivität ins Spiel gebracht. Doch was verbirgt sich hinter diesen rationalen Negationen Irrationalität, Alogik und Unerklärlichkeit? Das Mysteriöse, Mythos oder gar Dämonisches?
2. A n den G renzen der R ationalität Mit welchen Verfahren lässt sich erfahrbar machen, was eine Organisation ist, als ein Wir, das es als ein solches nicht gibt, sich aber gerade so als Organisation objektiviert, indem es – so geht es immer wieder – gerade nicht konkret wird, sondern abstrakt bleibt. Lässt sich das technisch oder bürokratisch, rechtlich, betriebswirtschaftlich oder organisationssoziologisch angemessen und hinreichend bestimmen? Günther Ortmann, wie gesagt, vermisst die Philosophie bei der Klärung dieser Fragen. Den Ball kann man aber genauso gut an die Kunst weiterspielen. Doch welche Kunst sollte es sein? Welche Gattung eignet sich am besten? Theater oder Musik, Tanz, bildende Kunst, Literatur? Die Aufgabe allerdings ist klar. Es geht um Aufklärung. Doch das ist nun nicht zwangsläufig Aufgabe der Kunst, so, wie im Übrigen auch die Philosophie längst auf einer anderen Baustelle tätig ist, nämlich der der Auf klärung der Aufklärung, und das macht gelegentlich auch Verfahren nötig, die man dann gar nicht mehr rationale Verfahren nennen kann und in denen die für alle Theoriebildungen konstitutive Gleichsetzung von Denken und Abstraktion aufgehoben ist. Andererseits versteht sich die Kunst wie kaum anderes aufs Rätselhafte. Und sie ist nicht gezwungen, das Uneindeutige, Schillernde und Mysteriöse wie die Wissenschaft um jeden Preis zu eliminieren, um damit fertig zu werden. Überhaupt muss die Kunst mit nichts
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fertig werden, um sich zu erfüllen. Außerdem fehlt es ja vielleicht auch gar nicht an Aufklärung, wie sie wissenschaftlich und analytisch möglich ist, sondern an einem ganz anderen Modus, einem anderen Paradigma von Aufklärung, an einer weniger abstrakten, als solche bereits korporativeren Form. Selbst wenn die Annahme stimmt, dass Organisationen zu einem wesentlichen Teil Verkörperung oder Materialisierung von Rationalität sind, sind sie doch eben gerade auch Verkörperungen. Und dem Körperlichen ist etwas eigen, was sich allen Rationalisierungen aus Prinzip entzieht. Es ist opak und damit jedenfalls dem Luftgeist der Beobachtungsvernunft verschlossen. Was immer er sieht, sieht er doch nicht, worauf es ankommt. So klar es ihm auch vor Augen liegen mag, bleibt er doch blind. Maurice Merleau-Ponty hat dieses Phänomen sehr radikal gefasst: »Die gesehene Welt ist nicht in meinem Leib, und mein Leib ist letztlich nicht in der sichtbaren Welt: als Fleisch, das es mit einem Fleisch zu tun hat.« Zugleich traute er gerade diesem in sich unsichtbaren, rein »fleischlichen« Realitätsbezug zu, »das Sichtbare und das Unsichtbare« zusammenzuhalten (Merleau-Ponty 1994, S. 182). Einerseits greift er damit einen klassischen Topos der Philosophie auf, nämlich die Unterscheidung zwischen dem kosmos aisthetos und dem kosmos noetos, der sichtbaren Welt und der zu denkenden bzw. nur spekulativ durch Denken zu erkennenden Welt. Andererseits verlegt er diese noetische Dimension der Realität aus dem traditionell üblichen intelligiblen Überbau zur Ästhetik ins Innere der ästhetisch verifizierbaren Phänomene. Schon Nietzsche sprach gelegentlich von der großen Vernunft des Leibes (Nietzsche 1980b, S. 39ff.), an die der Verstand auch der klügsten Köpfe selten heranreicht. Angesichts dessen, dass sich die Wissenschaft der Empirie verschrieben, d.h. ihr noetisches Potenzial ans Ästhetische gebunden und damit den noetischen transzendenten Eigensinn dahingegeben hat, ist die Noesis ort- und heimatlos geworden. Sie verbirgt sich und bleibt verborgen im intransistent Opaken, aber nicht untätig. Kurz und gut, das alles will sagen: Es gibt ein korporatives oder inkorporiertes Wissen, das sich nur unbeobachtet in Formen einer Art Tiefenempirie der Beteiligung, des organischen Sich-Einlassens, »als Fleisch, das es mit einem Fleisch zu tun hat« (Merleau-Ponty 1994, S. 182) explorieren und darstellen lässt. Und da käme die Kunst mit ihren Methoden und Fähigkeiten dann doch wie gerufen, und zwar in jeder Form: Unternehmen haben etwas Theatralisches. Sie sind Konglomerate funktionsbedingter Rollenspiele. Funktionalistische Analysen, standardisierte Abläufe, formalisierte Kommunikationsverfahren, kausale Prozessorganisation, konsequente Zweckrationalität, hohe ethische Ansprüche an die Führungskultur, Vertrauen in Marktmechanismen – diese ganze funktionalistische Verfahrenstechnik, um die Dinge in den Griff zu kriegen, kann letztlich nur mit Müh und Not darüber hinwegtäuschen, dass Ökonomie en gros et en détail im Grunde ihres Wesens ein Drama ist. Bertolt Brecht etwa hatte das in seinem »dramatischen Taylorismus« aufgegriffen (Brecht 1994, S. 338). Shakespeare wusste das. Also: Mehr Shakespeare in den Führungsetagen! Gewiss, ganz ohne den utilitären Funktionalis-
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mus, der die Wirtschaft durchherrscht, wird es nicht gehen. Der funktionalistische, schamlos herrisch auftretende Jargon universaler Dienlichkeit hat aber – im postheroischen Zeitalter – wohl auch die Funktion, durch Verharmlosung des Dramas die nötige Unerschrockenheit und Massenkompatibilität herzustellen. Jedes Unternehmen hat seinen Sound. Es gibt noch etwas anderes, worauf hinzuhören wäre, als nur das, was rational greif bar ist, weil es sich widerstandslos in die mentalen Zweckerfüllungsapparaturen einordnen lässt. Alles, was funktioniert, hat in seiner schlichten Gegenwärtigkeit eine metafunktionale Dimension, einen funktional sinnlosen, aber Aufmerksamkeit, schlicht Da-Sein und Präsenz generierenden Klang. Man braucht Musikalität, das wahrzunehmen und in die Wertschöpfungsprozesse einzuspeisen. Vielen mag sich eher die bildende Kunst nahelegen. Vor allen in den Verwaltungsbereichen breitet sich häufig eine unfassbare visuelle Öde aus. Ein merkwürdiger Glaube an ein eher immaterielles Design aus weißen Wänden und Tischen, Stahlrohrstühlen und grauen Teppichböden etc. lässt körperlose Räume von ausgeprägter Leere, bar jeglichen Raumgefühls entstehen. Was wäre die Lösung? Andere Designer und Designkonzepte oder aber künstlerische Wahrnehmung und Interventionen? Doch wer glaubte einem Unternehmensberater, der vorschlüge, statt Geld in ihn zu investieren, einen Künstler ins Haus zu rufen, um die Loyalitätsprobleme unter der Mitarbeiterschaft mit dem Farbeimer zu lösen? Wer reagierte da nicht verständnislos? Wer käme auf die Idee, einen Künstler hinzuzuziehen, wenn es darum geht, Fabrikhallen zu entwerfen und Produktionslinien zu konzipieren? Ästhetische Kompetenz taugt fürs Marketing, für Imagepflege und vielleicht auch noch hinsichtlich sozialer Belange. Aber auch in Bereichen funktionaler hard facts? Doch es gibt sie, die Manager und Unternehmer und, nicht zu vergessen, Mitarbeiter, die dergleichen bis zu einem gewissen Grade zumindest zulassen und darauf setzen, dass Kunst ihrem Unternehmen gut tut. Und last but not least die Sprache und die Spezialisten des Fiktionalen: Unternehmer schreiben, wie Ernst-Wilhelm Händler, der parallel als Unternehmer und als Schriftsteller Karriere macht (Händler 2012). Oder sie lassen sich von Schriftstellern wie z.B. Burkhard Spinnen eine Bilanz schreiben, wie sie kein Buchhalter zuwege bekäme (Spinnen 2003). Ein deutscher Premium-Automobilhersteller berief neben einem Mathematiker und anderen wirtschaftsnahen oder wissenschaftlichen Kompetenzträgern auch einen Schriftsteller in sein Science fiction-Kompetenzteam. Oder Unternehmer veranstalten ihr Unternehmen gleich komplett als Kunstprojekt wie Raphael Horzon (2010). Und der legendäre MärzVerleger Jörg Schröder versuchte sich an einem Unternehmen rein um des Unternehmens willen ohne Zweck und Output, scheiterte dabei allerdings an Intrigen seines rationalen Managements (Herhaus/Schröder 1975). Zur gesellschaftlichen Wirtschaftskultur tragen außerdem auch jenseits der Unternehmen die freie Literatur bei oder Filme wie »Der große Crash« (Margin Call) von J. C. Chandor, 2011 nominiert für den Goldenen Bären, oder Aktionen wie etwa Joseph Beuys’
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Installation »Das Kapital Raum 1970-1977«, für ihn mit seiner Formel »Kreativität = Kapital« ein Kraftfeld der Transformation der Gesellschaft, und anderes mehr.
3. A ufhebung der Ö konomie durch K unst ? Die Verweise auf Chandor oder Beuys deuten es an, ganz so einfach und harmonisch ist es allerdings dann doch nicht. Zwar gibt es kaum noch ein Unternehmen, das nicht eine Philosophie hätte. Doch halten sie sich die Philosophie, wie sie von den Philosophen verstanden wird, – außer Karl Popper und seinen kritischen Rationalismus – eher vom Leibe, es sei denn, ihre Beiträge erweisen sich im Moral Business bei der Verfertigung von Ethik-Kodizes und dergleichen als nützlich. Ihre Wahrheitsansprüche allerdings sind, so etwa kein geringerer als Milton Friedman (2008, S. 148), nichts für die Wirtschaft. Und die Kunst? Ernsthaft ließe sie im Allgemeinen letztlich doch keiner soweit an sein Unternehmen heran, dass sie bestimmen dürfte, nach welchen rationalen oder sonstigen Kriterien er seine Geschäfte betreiben sollte. Wenn die Kunst im Kontext von Unternehmen aber doch ökonomisch wird, was wird dann aus der Ökonomie? Für welche Ökonomie oder in welchem Sinne von Ökonomie kann sie tätig werden? Zum Zwecke der Nutzenmaximierung? Nützlichkeit könnte durchaus ein byside-Effekt sein, kaum aber Grund und Zweck der Kunst. Wenn sie ein Mittel ist, dann nur ihrer selbst und um ihrer genuinen Wirksamkeit willen. Das hat sie aus dem sozio-ökonomischen Aktionsgeflecht in einen Sonderbereich eskamotiert. Definitiv als Kunst anerkannt wird, was im Feuilleton seinen Niederschlag findet oder im Museum landet. Und das ist natürlich nicht nur ein Segen. Wo, wann und wie fände Kunst in der Welt gemäß ihrem Wesen als Agentur aktueller gesellschaftlicher Bewusstseinserweiterung und Realitätsstiftung statt, wenn sie so frei wäre, wie sie sich nennt? So gesehen wäre, die Schutzzone des isolierten Kunstbetriebs zu verlassen und sich einzumischen in eine Sphäre, die die Realität de facto und unterm Strich mehr bestimmt als fast alles andere (Michéa 2014), wohl allererste künstlerische Aufgabe. Aber, wie gesagt, was wird dann aus der Ökonomie, wenn sie ästhetischen Gesetzen der Kunst zu folgen hat? Zumindest um das Primat der Nützlichkeit wäre es wohl geschehen. À la longue müsste das – so jedenfalls die Philosophie von Aristoteles (1985, I 1) bis Bataille (2001) – ihr Schaden nicht sein, kurzfristig wäre es aber wohl eine bestandsgefährdende Katastrophe. Nach Boris Groys, der der Ökonomie der Künste auf die Spur gegangen ist, transformiert Kunst alles, was sie ergreift, in sich selbst. Und das ist nicht unproblematisch (Groys 2004; s. auch Enkelmann 2006). Was Kunst wird, hört auf zu sein, was es war, oder wird in dem, was es war, wie etwa sakrale Objekte oder Werke, entwertet. Es wird also nicht veredelt oder sonst wie zu seinem Besten verändert. Sakrale Fetische etwa verlieren, ins Museum transferiert, ihre ursprüngliche Wertfunktion. War, was wir heute z.B. als Kulturerbe zu retten und zu be-
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wahren versuchen, zur Zeit seiner Schöpfung auch bereits Kultur nach unserem säkular entzauberten und entmachteten Sinn? – Die Kunst nimmt sich einfach, was sie braucht, und das war’s dann. Die Wirtschaft wird das nicht beunruhigen. Zu sicher kann sie sich ihrer Macht sein und zu gewiss der betörenden Effektivität ihrer Verfahren. Man kauft einfach, was an sich nicht käuflich ist – sie ist dann meistens doch bezahlbar –, und beschämt so die Kunst, die allerdings ihrerseits ihre Gründe hat, das gelassen mitzumachen. Für die Kunstszene sind auch Unternehmen, die in Kunst investierten, in der Regel nur Kunstsammler, und davon kann sie gar nicht genug kriegen. Das hebt den Wert, besonders wenn für die Sammlungen dann eines Tages auch noch Museen gestiftet werden.
4. D er Tod der K unst Künstler sehen sich und ihr Metier ja in der Regel auf der richtigen Seite der Weltgeschichte angesiedelt. Im Prinzip jedenfalls, »denn nur als ästhetisches Phänomen ist das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt«, so Nietzsche (1980a, S. 47). In der Tat ist ihr Einfluss auf den jeweiligen Zeitgeist, auf die Wahrnehmungseinstellung der Menschen, ihren Möglichkeitssinn und die Darstellung der Welt, also all das, was Kultur ausmacht einschließlich Wissenschaft und Technik, gar nicht hoch genug einzuschätzen. Und das allerdings nicht nur zum Besten aller, meinte jedenfalls Platon, nachdem Sokrates mit Verweis auf Sprüche Homers zum Tode verurteilt worden war. Deshalb trachtete er, sie aus der Polis zu verbannen, sofern sie ihr zum Schaden gereichte oder sich im Besitz höherer oder tieferer Wahrheit glaubte und größere Legitimation anzumaßen versuchte, als die Polis aus eigener Kraft zu generieren im Stande sein könnte (Platon 1990, III 1-8). Was mit Platon – bzw. genauer bereits schon in vorsokratischen Zeiten der Philosophie, z.B. mit Heraklit, – begann, hat Geschichte gemacht in Europa. Nie wieder erlangte das Kunstschaffen jene allgemeingültige Verbindlichkeit für alle Lebensbereiche wie zu Zeiten der antiken »Kunstreligion«. Bis dann Hegel, der diesen Begriff entscheidend prägte (Hegel 1970, S. 512ff.), sogar den Tod der Kunst dekretierte (Röttges 1999, S. 485ff.), womit er aus Sicht der Kunstfreunde zum Bannerträger einer Jahrtausende langen intellektuellen, aber durchaus auch populären Kunstfeindschaft, d.h. Feindschaft gegenüber einem »Platzhalter und Wappenzeichen der Menschenautonomie überhaupt« (Darth 2015, S. 9) wurde. Die Depravierung der Kunst war indes eines der bedeutendsten Ereignisse, der die europäische Geschichte ihre spezifische Entwicklung und die europäische Kultur ihre unverwechselbare Prägung verdankt. Die damit auf brechende Differenz von Mythos und Logos wurde zur Geburtstunde von Rationalität und Wissenschaft. Aus dem Drama löste sich die Idee nüchterner Sachlichkeit und eines unaufgeregten pragmatischen Funktionalismus. Und nicht zuletzt erhielt der Nomos die Chance autonomer Ausprägungen in der Naturbetrachtung, in der Politik, der Ökonomie und insgesamt in dem, was wir heute Kultur nennen.
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Es war die dramatische Kunst selbst, die diesen Übergang provozierte. Sophokles’ Antigone stellt die Etablierung von Rechstaatlichkeit gegenüber allen überlieferten heiligen oder göttlichen Rechten dar (Hegel 1970, S. 328ff.) und seine Tragödie »König Ödipus« ist sehr viel mehr als nur das Psychodrama, das Freud daraus extrapoliert hat. Sie ist darüber hinaus den Gesetzen der Ökonomie auf der Spur. So gesehen scheint, über sich hinaus zu gehen und aus sich Wertschöpfungsmodi hervorzubringen, die sich unter ihre eigenen Maßgaben nicht mehr subsumieren lassen, die sich ihrer Macht entwinden und eigenständig werden, geradezu ein Wesenszug künstlerischer Freiheit und Produktivität zu sein. Die Kunst entdeckt für sich die Raumperspektive und Kolumbus macht sie wahr. Erst das ist Re-Naissance. Aufhebung und Transformation ihrer in etwas anderes, Fremdes, Unerwartetes bildet – im Schatten der Groys’schen Analyse der Kunstökonomie – ihren Charakter. Dabei restituierte sie sich aber über eine inzwischen lange Geschichte vielfältigster kreativer Hervorbringungen, die sie letztlich nicht bei sich behalten konnte, von Epoche zu Epoche auch jedes Mal wieder – verwandelt – neu als Kunst. Schicksal und Tod der Repräsentanten des Lebens, die die Tragödie auf die Bühne bringt, ereilte die Kunst dann in der Moderne, so Hegel, selbst. Während sich die bürgerlichen Kunstfreunde mit dem Vorwurf der Kunstfeindschaft aufhalten, hat sich die Kunst ihrerseits der Frage ihres Todes längst angenommen. Sie war natürlich die erste, die spürte und wusste, dass sie, was das Stiften von Welt, was deren Erkenntnis und Deutung angeht, gegenüber den neuen Mächten Wissenschaft und Technik, Politik und Ökonomie heillos ins Hintertreffen geriet. Allein Museen zu füllen, private Heime oder öffentliche Räume zu dekorieren und gesellschaftliche Gefühlshaushalte zu bedienen – das konnte es ja nicht sein. Die moderne Kunst veranstaltet ihren Tod in immer wieder neuen Formen der Negation dessen, was als Kunst kanonisch geworden war, und der Abstraktion von allem, was das Publikum erwartet, zu sehen willens oder überhaupt fähig ist – und ertragen kann. Nach den Maßgaben, nach denen man sich sonst in der Welt orientiert, sieht man, wenn man auf bildende Kunst trifft, meist nichts. Erkennt man doch etwas in gewohnter Weise wieder, dann erklärt sich nicht mehr, wie das und was daran Kunst ist. Geht es um Musik, wissen die Meisten kaum, wie sie sie überhaupt hören sollen, und im Theater fallen Sätze, auf deren Sinn sich nur wenige Auserwählte einen Reim machen können. Fast immer und überall braucht man, soweit man nicht selbst über die entsprechende geisteswissenschaftliche, kunsttheoretische und kulturelle Bildung verfügt, Spezialisten, die einem erklären, was jeweils vor sich geht oder an Gedanken dahinter steht. Kunst spricht nicht mehr autonom für sich selbst. Ohne die hagiographischen Bemühungen dieser außerhalb der Kunst erzeugten Deutungskompetenz geht heute nichts mehr. Die unmittelbaren Sinneseindrücke helfen nicht weiter oder führen in die Irre.
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5. J enseits der F unktionalität : E in M al ist doch nicht kein M al Der Tod der Kunst – ist nicht der Tod der Kunst. Man könnte jetzt die alten, heute vergessenen oder ins Abseits der Irrelevanz gestellten Unsterblichkeitslehren heranziehen, um dieses dämonische Phänomen begreif bar zu machen. Aber es ist bereits auch in die Pragmatik und den Erwartungshorizont der kapitalistischen Moderne existenziell eingeschrieben zwischen Schumpeters kreativer Zerstörung als Triebkraft wirtschaftlicher Entwicklung und technischer Revolutionen sowie jenem geläufigen Amalgam von Konservativismus und Fortschritt, das in der These kulminiert, dass die Dinge verändert werden müssten, damit sie die Gleichen bleiben. Hat sich nun die Kunst an ihre Zeit angepasst oder folgt die Zeit der Kunst? Zumindest hatte sie gut vor der Zeit vorausgesehen, was kommen wird: Der Siegeszug eines alle Lebensbereiche durchdringenden, in abstrahierendem Denken gründenden Rationalitätstypus, neutrale Sachlichkeit und ideologiefreier Pragmatismus, der hedonistische Populismus individualistischer Massenkultur – das alles und manches mehr antizipierte sie nicht nur frühzeitig, sondern gab dem allem auch Gestaltungsräume und wies ihm vielfältige Wege angemessener Darstellung. Aus vielen Bereichen zwischen Wissenschaft, Technik, Ökonomie und Gesellschaft ist ihr Wirken gar nicht wegzudenken, auch wenn das die jeweiligen Protagonisten wohl häufig erst merken würden, wenn es das Spektakel, das die Kunst um sich macht, plötzlich nicht mehr gäbe. Aber es gibt doch gravierende Unterschiede zwischen der künstlerischen und der ökonomischen Herangehensweise an die Kunst des Endens. Wenn es hart auf hart kommt, gilt der Kampf dem Überleben des Unternehmens. Auch weltpolitisch ist das Überleben des Wirtschaftssystems immer ein schlagendes Argument, mit Macht und ggf. auch Gewalt realen oder auch nur behaupteten oder eingebildeten Gefährdungen seinen Fortbestandes Einhalt zu gebieten. Schon Schumpeters kreative Zerstörung hat ihre Notwendigkeit in der Erhaltung des Systems der freien Marktwirtschaft und dient nicht etwa dessen Aufhebung oder Überbietung. Da ist die Kunst tendenziell deutlich radikaler. Kunst, die vor allem vorführt, dass sie Kunst sein will, also in ähnlicher Weise dem Gebot der Selbstbehauptung folgt, verstimmt und langweilt und schafft es nicht in die Kanonisierung. Was überzeugen will, muss schon die Frage, ob das überhaupt noch oder ab jetzt Kunst ist, riskieren. Wo die Ökonomie ihr Geschäft aller Unique Selling Points zum Trotz erst mit Wiederholbarkeit und Massenproduktion macht, zählt in der Kunst auch in Zeiten ihrer Reproduzierbarkeit noch immer die Überraschung, die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit, das Ein-für-alle-Mal-Gemachte. Gerade davon lebt allerdings auch die Ökonomie mehr, als sie in ihre Erfolgsbilanzen schreibt. So sehr sich Künstler gelegentlich beklagen, dass selbst noch die radikalste antikapitalistische Geste von der gesellschaftlichen Verwertungsmaschinerie auf-
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gesogen und gleichsam zur Reklame für die große Offenheit und Freiheit dieser Kultur depraviert wird, so sehr bleibt doch die Differenz am Leben. Verschmelzen werden Kunst und Ökonomie, wie sie gegenwärtig nun mal ist, wohl nie. Gerade, indem sie einander widerstehen, miteinander konkurrieren und sich gegenseitig provozieren – am besten vor Ort, etwa ganz prosaisch in Unternehmen, statt die jeweilige Autonomie zurückgezogen und abgeschottet hinter die eigenen Bereichsgrenzen zu verteidigen – bleibt die Welt im Großen wie im Kleinen aber immerhin vor der Versklavung in Alternativlosigkeit bewahrt. Wirtschafts- und Unternehmenskultur ist entgegen verbreiteter Auffassung keine moralische Veranstaltung, sondern eine Kunst (Wiedinger/Enkelmann 2005). Ohne Kultur kein Markt, Preise verlören ihren Gegenwert (Rustemeyer 2015) – und so schafft auch nur ein Kulturbegriff, was auch der ausgefeiltesten funktionalistischen Analyse nicht gelingt, nämlich der Organisation zwischen Theorie und Praxis eine Gegenwart und eine Welt.
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What Business can learn from the Arts Marija Skobe-Pilley/Giovanni Schiuma
1. I ntroduction Business in today’s competitive landscape can deploy the arts as a means to drive organisational development as well as to innovate actual management systems. As business environments are becoming more uncertain, in the challenging atmosphere where the only constant is change (Buzan et al. 2007), companies are challenged to improve existing products and services and develop new products quickly and efficiently. As a result, there is an increasing demand for creativity and innovation in businesses (von Braun 1997). Thus, in the ever-changing environment businesses are seeking employees with creative and innovative skills to meet the demands for constant innovation. This is a feature which is traditionally primarily demonstrated by artists, rather than by business employees (Adler 2006). However, in order to extend their competencies and capacity organisations can deploy the arts for business purposes. In particular, from practical point of view organisations can adopt Arts-Based Initiatives (ABIs), i.e. managerial or organisational initiatives that use any form of arts to address and solve a business issue and support business value creation. Specifically, in order to support learning mechanisms organisations can deploy Arts-Based Learning Programmes (ABLPs), that can be, particularly, implemented with the specific focus to inspire, motivate and stimulate individuals to become creative, openminded and confident in expressing their ideas (Boyle/Ottensmeyer 2005). ABLPs have the potential to create an environment directly enhancing the capacity for creativity and innovation in an organization; change and development of creative and lateral thinkers, among others (Lloyd 2011; Schiuma 2009). In this perspective Arts-Based Learning Programmes (ABLPs) can be seen as a managerial and organisational platform to develop competent, holistic individuals equipped with skills that meet the current challenging business demands. So they represent a potential managerial means to shape creative organisations and to add creative value in the organizations’ business life as well as to support, along with other different activities, organisational learning and development.
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ABLPs targeted for employees can help to listen to their ‘voices’, explore what is their experience of everyday work life; transfer artistic skills that are relevant for their daily work and development, and support personal competence development. This chapter aims to introduce the role and relevance of the arts in management as a managerial means to address business challenges. Particularly, it provides a view of the scope that Arts-Based Learning Programmes (ABLPs) can play as artsbased initiatives to achieve organisational development objectives.
2. A post- modern management par adigm to face contempor ary business challenges Today’s economic scenario is going through changes that are radically reshaping the landscapes of our lives. New technologies are transforming the way we live, communicate, learn, travel and work. Alongside rapid technological changes, Robinson (2011) maintains that the size of the human population has never been larger, which also has a profound influence on our society. We are facing huge environmental changes; humanity is already exploiting the vast majority of natural resources to create food and bare necessities for almost seven billion people and as a result, the climate is also rapidly changing causing worldwide natural disasters. Other major worldwide challenges are related to politics, morality, social relationships, justice, security, peace and other social mechanisms. All these dimensions shape and affect the business landscape in which organisations operate. Due to technological development alone – without even considering many other components – organisations are challenged to re-think the way how people are working and learning at work. In the 20th century alone, our society faced the transformation from the ‘industrial’ to the ‘information age’ (Fukuyama 1999). Nowadays it is widely acknowledged that information per se is not enough for organizational success in the current society, while leading in knowledge and expertise, or having early access to significant information as well as managing big data are becoming crucial for business success. The ability to use information in order to extract knowledge and support knowledge management has represented the key feature of the knowledge economy, although, still the relevant issue of how we creatively use information and combine knowledge is the fundamental shift from the modern industrial paradigm to the post-modern one which can be labelled as the ‘conceptual age’ (Silverman 2008). It brings its own philosophy and challenges. The basic philosophical approach of the conceptual age is the “realization that consciousness itself can create reality – that our dreams, emotion, intuition, creativity, and such aspects are of far greater importance than previously recognized” (Silverman 2008, p. xxii). This postulate is the basis for different labels that the conceptual age carries when translated into economic practices, such as the Experience Economy, the Creative Age, the Dream Society, and, from sociocultural standpoint, the Existential Era among others, all based on the aspects of
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human reality that are increasingly shown to be the core values of today’s society and fundamental value drivers for 21st century organisations. The values based on individual dreams, passions, experience and emotions are the emerging challenges and changes, which influence the way organizations operate and people work - inside or outside the organizations. Research suggests that the ‘inner work life’ – interplay between emotions, motivation and people’s perception – and focusing on the creative human spirit is influencing employees’ performance (Amabile/Kramer 2007). Employees’ perceptions, experience, and relationships are shaping their workplace, working style and performance of their organization. It is not strange, therefore, that tackling the increasing requirements for constant creativity and innovation, together with meeting employees’ increasing demands for self-development, and working in harmony with their values, are a fundamental managerial issue in today’s business organisations (Adler 2006). The arts can help in meeting these demands. They can help to rethink the companies’ practices and philosophy in order to address organisational dimensions related to human experiences, passions and inspirational human encounters (Darsø 2004, p. 35). In this light the arts can represent a new knowledge mine to enrich management theory and to realise the management innovation that 21st century organisations need in order to renew their management systems and being equipped to cope with the challenges of today’s post-modern management paradigm (Schiuma, 2011). The post-modern management paradigm responds to new management principles that acknowledge company success more and more as the result of an organisation’s capacity to be creative, resilient, flexible, lean and proactively open to continuous change, rather than to be focus on control, standardisation and predictability that have represented the grounded principles of modern management. The post-modern management represents the managerial answer to the evolving society which can be labelled as the ‘Age of Behaviour’, where success depends on the “How” (Seidman 2011). This means that how organisations operate has significant impact on their employees and customers. Also, the people in the organisations are shaping its character and outward appearance, resulting in reputation and profit. In the Age of Behaviour, customers buy experiences and very often these experiences are connected with the purpose of the company, or some notable actions that company pursue and will keep them apart from the competition. In that term, behaviours cannot have integrity in the long term unless they are the outward expression of a real purpose. Therefore, organisations today are challenged to identify a real purpose and living and working to realise that purpose.
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2.1 Artful organisations There is a consensus among social scientists that creativity and innovation are seen as key drivers for sustainable adaptability in business today (Florida 2012; Gibb 2006; Hartley 2005; Zhou 2007). Amabile et al. (1996) define creativity as ‘the production of novel and useful ideas in any domain’; and innovation within the organization as ‘successful implementation of creative ideas’ (p. 1155). Production and implementation of ideas certainly involve a number of factors and appropriate resources to allow creative ideas to come to fruition, including motivation, risktaking, freedom to explore ideas and information (Davila 2007), and the capacity to learn in order to develop working knowledge and skills. The embrace of creativity implies a shift from efficiency and control to encouraging possibility and unexpectedness – which also equals to creating an environment for creativity and innovation to occur. Then the main question still remains: How can organizations become creative and shape a creative environment conducive of intuition and engagement into work activities? The answer to this question is related to the understanding of the role and relevance of the arts (Schiuma 2014). This equals to acknowledge that organizations should establish artful ways of working and learning in order to tap the rich creative potential of all their members. In other words, through the integration of the arts into organization’s business life a company can transform itself into an artful organization, i. e. an organization that acknowledges the power of the arts as a means to manage and develop their business activities and outputs in a way that creative processes, principles, practices and people are an integral part of the organization’s ‘DNA’. There are numerous lessons that the business can learn by employing some of the artistic practices. For example, De Pree (2008) explains how a jazz band leader is a great example of a business leader, as he needs to operate his band efficiently by inspiring partnership with each of the band members and providing trust among them for a maximum efficiency. Barrett (2012) also relates the metaphor of a jazz band to the current complex business environment. He explains how great jazz bands improvise together, invent new responses, take calculated risks, negotiate with each other as they perform and don’t dwell on each other’s mistakes. In fact, jazz musicians ‘say yes to the mess’ (Barrett 2012) – they accept the challenges of today’s innovative world. Jazz bands see errors as inevitable and something to be assimilated and incorporated into the performance. The principles of jazz thinking and jazz performance are helpful in today’s complex business environment as leaders need to become expert improvisers in order to orchestrate the change and challenges. Another example is Laloux’s (2014) research into the practices of successful organizations. He argues that emerging profound changes in consciousness, culture and social systems significantly influence organizational values, practices and structures. He discovered that new, successful organizations create selfmanagement teams; they move hierarchical levels and group the employees into
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teams of usually 10 to 15 people who can make any decision for the company. In that case, the upper management level (CEO, CFO and COO) are working among team members who can flourish given the opportunity to operate on any level of hierarchy they are capable of, and make major decisions as well. As they work in a team, each employees is learning from other team members and they all might have breakthrough ideas and implement them, creating astonishing success for the organization. For this new way that organizations operate, listening is one of the most significant skill required, in order for employees to understand each other, communicate their ideas and work toward communal purpose. In this regard, the arts can provide significant lessons for the business, in terms of applying the well-known listening practices in music and theatre. Involvement in art forms, especially music and drama, could have significant relevance as an instrumental tool for enhancing listening skills among organizational employees. Overall, it appears that the artists and artistic practices have many competencies that are in demand for current business organizations. Therefore, organizations can turn towards artistic practices and learn from and embed them into their workplace culture in order to stay adaptable and competitive in the current business environment. Most importantly the deployment of ABLPs can help to create the workplace of 21st century organisations. In the 20th century the concept of knowledge workers has emerged as a key notion to describe successful employees capable of developing, managing and deploying knowledge to create value. Although knowledge still represents a fundamental factor for success, it needs to be integrated and complemented with the increasing relevance that behaviour is playing to achieve sustainability. Indeed, in the Age of Behaviour successful employees are those that are able to use both their ‘mind’ and their ‘heart’. In other words, they are proficient in the use of technical knowledge as well as in the deployment of emotive knowledge. Those employees can be labelled as ‘artful workers’ (Schiuma, 2011).
2.2 Artful workers The Age of Behaviour raises issues regarding how people work. This can have significant implications for the ways organizations operate. Silverman (2008) maps out main challenges regarding people in the current organizations. Firstly, employee engagement significantly contributes towards organizational success, as satisfied and engaged employees are significant factors in increasing profitability. Florida (2012, p. 93) supports the notion that in many instances people want to be able to “bring themselves to work their real identities and selves – rather than create a separate, instrumental self to function in the workplace”. Hence, one can say that developing engaged, authentic and satisfied employees should be at the top of the organizational agenda. Another increasing factor is the quality of life, which is significantly influencing employees’ work-related choices. Organizations are challenged to find ways to
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provide good conditions, job satisfaction, and allow work-life balance in order to retain their talented and skilled staff – ‘best and brightest’ who choose how to live and work. This means that ‘experience’ seems to be a central element for employees, customers, and other stakeholders (Zukav 2001); hence organizations are challenged to better understand employees’ and customers’ perspectives (Silverman 2008) in order to succeed in a competitive market. This means, not only the understanding of employees’ experience of their own work, but also the development of programmes they are attending, their opinions of growing and developing the organisations and overall, commitment to their workplace. The great relevance of employees’ engagement points out that in the current age people are increasingly focused on emotional, aesthetic spiritual ways of living as these dimensions emerge as fundamental needs and wants of people’s life and work (Pink 2006). This notion implies that people skills and emotional intelligence in combination with creativity and innovation are becoming the core values of employees. Indeed, Amabile and Kramer (2007) reveal that focusing on employees’ creative spirit and “inner work life” can affect business performance. While embracing creative skills in regard to business performance, organizations also need to re-think what it means to have creative employees and how they can develop and retain them. This concept can be further articulated acknowledging that in the new business age, organisations need to consider ‘emotive knowledge’ – i. e. how people are aware, engaged and deploy their emotions and energy levels at work – as a relevant value driver mediating and affecting an organisation’s total productive factor and then influencing business performance. Emotive knowledge affects the quality and productivity of people’s actions, and builds intangible values into organizational products. In this regards, arts create aesthetic experiences that can activate people’s involvement in daily work activities. Therefore, experiencing arts through ABLPs can help employees to better deal with challenges, solve problems and make decisions, as well as put their emotions and energy into practice, leading towards ‘becoming highly efficient, happy, and engaged employees’. The Age of Behavior is shifting the concepts of work and careers. The contemporary workforce has been redefined from having ‘a job for life’, to the ‘jungle gym’ (Sandberg 2014) type of careers shifting between different jobs and careers throughout working life. Skills, experience and performance are the primary determinants of ‘lifetime employability’ an individual’s ability to receive the training and experience that will continue to make (the employee) valuable in the job market (Forrier/Sels 2003). The contemporary workforce requires exposure to various learning and development opportunities that will cultivate employees’ skills and capabilities. Future skills required in the workforce include leadership, entrepreneurship, communication, team work, creative skills, cross-cultural understanding, and problem solving (Kerr/Lloyd 2008). These skills are recognized by economic policymakers across the world, as they focus on all things ‘creative’, based on three factors: the growth of the creative and cultural sectors, creative input as a part of wider innovation policy and skills, aptitudes, and ways of working. For
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the development of creative capabilities shaping artful organizations and workers the arts-based learning programs play a fundamental role (see Figure 1). Learning from the arts in business provides a platform to understand how employees can better engage in working activities in a way that can become more meaningful, so that it can matter more significantly to employees and being extended in order to contribute to make society a ‘better place’. Through the arts in business it is possible to give the opportunity to employees to express themselves in a way that can convey their voice and offer the opportunity to the organisation to shape a creative environment potentially challenging existing status quo, but at the same time safeguarding organisational operations and structure, unless differently strategically planned.
Fig. 1: How Arts-based learning programmes can shape artful organisations and workers
3. H ow the arts can support le arning organiz ation : A rts -B ased L e arning P rogr ammes ( ABLP s) There are generic dimensions across the arts domain that can be significantly valuable for business. Firstly, the arts have always been connected with creativity and innovation (Adler 2006; Stockil 2004; Weisberg 2006). The work of the arts implies exploring new ideas, thinking ,outside the box’, using the trial and error methods, exploring different solutions until the artists’ vision finds its way to the end products – either a tangible product or the performing act. Artists know
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that these processes allow creativity and innovation to happen. The processes and practices that work for artists in their working context can be applied in the business context as well, as the arts can empower people to construct, question, and change the sense and meaning of the context and content they work with.
4. R ese arch discussion : designing a phenomenoligical inquiry to assess the impact of ABLP s on participants ’ compe tences As the research stream of arts in business is under development informing the constituents building blocks of the discipline of Arts Based Management (Schiuma 2011), it is fundamental to collect empirical evidences. For this reason in this session we discuss a possible research process to investigate the impact of ABLPs on participants’ experiences. The three key research questions to be investigated are: a) how do employees experience Arts-Based Learning Programmes (ABLPs); b) what do employees learn (in ABLPs); and c) how do employees apply what they have learnt in their daily work? According to van Manen (1990), ABLPs could be seen as a ‘lived experience’ for participants – an event they lived through. Their direct observation and participation in the event, a learning programme, is “the actual living through the event” (Gove 1981). That implies that everything related to this particular event form their experience of it. Specifically, ‘experience’ refers to participants’ thoughts and impressions, participation and interaction with other participants, emotions, beliefs, understandings, reflexion, meaning-making, and so on. Therefore, the phenomenon under study is participants’ experience of a particular ABLP. The research should aim to understand how participants make sense of the event from their perspective. From methodological point of view the phenomenological method fits the scope and it is proposed as an inquiry approach based on human lived experience (van Manen 1990) of everyday situations from the perspective of those involved (Denscombe 2010; Mertens 1997; Tesch 1990). In such kind of study, each participant of a particular ABLP represents one case, i.e. employees of the same organization who have attended the same ArtsBased Learning Programme (ABLP). In accordance with the phenomenological inquiry, there should be a maximum of six participants (Smith et al. 2009) to allow for gathering in depth data. Then, the research process needs to be divided into three interrelated stages (or three interview sessions) to represent how the data is gathered and analysed for each research questions. Each stage of the research is based on one interview session, focused on one research question, although all three questions are interrelated. Data collected from each stage represents a base for the following stage. The first stage of the research process starts with the observation of the learning programme, followed by the interview with participants. The interview
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schedule, or the list of themes will be produced before the interview, and the transcripts will be transcribed and analysed by step-by-step IPA analysis (Smith et al. 2009). The themes emerging from the interview will be categorised into subthemes, for each participant separately, and common sub-themes will be grouped together into themes. The initial analysis of the first interview will be done before the next stage, as at that point findings will provide the basis for the second stage. The second stage, or second interview session will be three months after the event. This time, the art-based methods will be used during the interview. The analysis of the transcripts will also be through IPA approach. Arts work will be participants’ visual and verbal representation and researchers will employ pictureby-picture comparison with each case to look for similarities and patterns as well as to look at themes and common patterns to represent the findings from interview transcript. A brief template for describing events in which participants apply what they learnt at the programme has to be built for the scope. The last stage of the research is the third session of interviews, conducted six months after attending the programme. This final interview will provide participants with an opportunity to reflect upon the situations, which they recognized were influenced by the learning programme and for that purpose. Critical Incident Charting will be used to encourage reflective conversational style, while they are reflecting upon the events. For this reason a river can be drawn, and using it each narrative can be located to the bend of the river, forming the representation of participants’ Learning River - a visual representation of their account, and can be used as a basis for a descriptive narrative of it. Finally, themes and patterns across all the three interviews will be look after in order to form a narrative account according to each research question. Figure 2 charts the above research design process.
Fig. 2: Chart representing the research process
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To enhance participants’ reflection and conversation during the interview, artsbased methods can be adopted. The assumption underpinning arts-based methods is that the arts can enhance individuals’ reflection upon their own selves and their role in a workplace workplace (Katz-Buonincontro/Phillips 2011). As researchers observed (Barone/Eisner 2011), the arts allow an engagement of the whole human being and they offer a means to say what might not otherwise be said. Implementing images in the research can result in holistic kinds of knowing. During the interview, participants can be invited to make a visual representation (Saldaña 2011) of themselves during the arts-based learning programme – reflecting on their experience of the programme and their role in the organization. Following that activity, researchers can direct the conversation around their artwork and explore its meanings. Also, they can be encouraged to create a haiku poem about their experience. In addition, participants can be engaged in the conversation through creative interviews (Mason/Dale 2011) in a combination with arts-based methods. Creative interviews can allow participants to be engaged in arts-based methods; such as looking at images to elicit conversation about their experience (photo elicitation), making a visual representation of their experience through a drawing, composing a haiku poem.
5. F inal remarks This chapter has reviewed the changing nature of contemporary business environments and its implications for how organizations operate and people work. The contemporary workforce requires exposure to creative skills, where the arts can provide additional value, through participation in arts-based learning programmes. As the implications of such programmes have not been much explored from the perspective of employees, we call for research to explore employees’ views and experience of arts-based learning programmes in order to provide empirical evidence and move the research field forward. For this reason a research design process has been discussed as a basis to collect empirical evidences on the impact of the arts in business.
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Creative Leadership Führung als kreative Arbeit Jörg Reckhenrich
1. E inleitung Die 2010 veröffentlichte IBM-Studie »Unternehmensführung in einer komplexen Welt« beschreibt die Dringlichkeit, Führungsaufgaben mit kreativem Handeln zu verknüpfen (IBM 2010). Die Studie basiert auf 1500 Gesprächen mit CEOs aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor. Der Kern der Studie beschreibt die Herausforderungen, in sich schnell ändernden Umfeldern und wechselnden Kontexten mit Komplexität umzugehen. Kreativität wird als die entscheidende Ressource identifiziert, um auf die vielfältigen Veränderungen, wechselnden Bezugsysteme und Ansprüchen von Markt, Kunden und Gesellschaft schnell und in geeigneter Weise reagieren zu können. Agilität, mentale Flexibilität und Offenheit für Experimente sind Themen, die genannt werden. Die Entwicklung eines aussagekräftigen Bildes, wo wir stehen und wie wir handeln können und gleichzeitig dieses Bild entsprechend den Veränderungen anzupassen, ist eine kreative Leistung, die alle Unternehmen meistern müssen. Im Wesentlichen teilen die befragten CEOs drei Einsichten (IBM 2010): 1. »Führungskräfte auf der ganzen Welt glauben, dass die rasche Zunahme von Komplexität die größte Herausforderung ist, vor der sie stehen. Sie rechnen damit, dass die Komplexität in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird – und zwar noch schneller als bisher. 2. Ihnen ist ebenfalls klar, dass ihr Unternehmen heute nicht dafür gerüstet ist, diese Komplexität im globalen Umfeld effektiv zu bewältigen. 3. Schließlich nennen sie ›Kreativität‹ als wichtigste Führungsqualität für Unternehmen, um einen erfolgreichen Weg durch diese komplexe Welt zu bahnen.« Die Studie bietet auch den Führungskräften Empfehlungen für kreatives Handeln, wie das Überwinden von Barrieren und Vorbild sein für bahnbrechende
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Ideen. Das sind sicherlich richtige Aspekte, hinzukommen muss allerdings ein kreativ-künstlerischer Geist, um Prozesse zu befeuern und zu meistern. Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch hat ein kreatives Potenzial. Kreative Arbeit ist eine Frage der inneren Gestimmtheit, der daraus resultierenden Haltung und der Erfahrung mit kreativen Prozessen. Die Arbeit im kreativen Prozess balanciert die unterschiedlichen Dimensionen und Herausforderungen einer Aufgabe oder eines Themas mit dem Ziel etwas Neues zu schaffen und eine andere Sicht freizusetzen. Der Maler Paul Klee bezeichnete diese Haltung als künstlerisches Denken. Die Spannung der Gestaltung durch den Künstler wird durch ein Kunstwerk erlebbar. Paul Cézanne entwickelte beispielsweise durch einen radikal anderen Blick auf Landschaft eine neuartige Bildstruktur. Kontemplativ »registrierte« er, was vor ihm lag und als Erscheinung präsent wurde. Er »durchschaute« Landschaft, ordnete deren abstrakte Strukturen und entwickelte die Idee eines »Bauplans« der Natur. Die komplexen Herausforderungen, die Unternehmen bewältigen müssen, brauchen eine solche Art des künstlerischen Denkens und einen transformatorischen Geist. Es geht nicht darum, einfach kreativer zu sein und beispielsweise Produktzyklen zu beschleunigen, sondern in Bezug auf den gesamten Rahmen, in dem ein Unternehmen agiert, gestaltungsfähig zu werden. Führungskräfte müssen in diesem Sinne in der Lage sein, Umbrüche und Übergänge zu beschreiben, sichtbar zu machen und zu gestalten, also kreative Arbeit zu leisten.
2. D imensionen von »C re ative L e adership « Wie kann man sich dem Handwerkszeug und der Haltung kreativer Arbeit im Unternehmen nähern? Ein Blick auf bestimmte Kunstwerke und Künstler beschreibt im Folgenden vier Dimensionen, die grundlegend für künstlerische Arbeit sind und Anstoß für eine kreative Haltung und Arbeitsweise im Unternehmen, für »Creative Leadership« bieten. Diese Dimensionen sind: 1. Umgang mit Komplexität 2. Orchestrieren von Kreativität 3. Emotionales Commitment für Veränderung 4. Verankerung von Organisationen in der Gesellschaft
2.1 Umgang mit Komplexität — Diego Velasquez (»Las Meninas«) Ein eindrucksvolles Beispiel für die Darstellung und gleichermaßen dem Umgang mit einer komplexen Situation ist das Gemälde »Las Meninas« des spanischen Hofmalers Diego Velasquez von 16561. Neben seiner künstlerischen 1 | Zur besseren Nachvollziehbarkeit empfehlen wir bei diesem und den folgenden Beispielen das entsprechende Kunstwerk in Google zu suchen und parallel zum Text anzuschauen.
Creative Leadership
Tätigkeit als Maler war Velasquez für vielfältige Aufgaben am spanischen Hof zuständig, von der Entwicklung architektonischer Entwürfe bis hin zur Organisation von zeremoniellen Festen. Zu dieser Zeit kam der Malerei eher der Status eines Handwerks zu. Der Künstler kämpfte um die Reputation seines Berufs, was auch Teil der Geschichte des Bildes ist. Betrachtet man das Bild und seine Kompositen genauer, gliedert diese den Bildraum zunächst in einen unteren und oberen Teil, was eine erste einfache Organisation bedeutet. Der obere Teil stellt uns den Gesamtraum, in dem sich die Szene abspielt, vor. Er ist fast leer, skizziert allerdings mit wenigen Attributen die höfische Architektur und setzt damit eine entsprechende Grundstimmung. Im unteren Teil sind sämtliche Figuren angeordnet. Wie auf einer Bühne wird das Geschehen Figur für Figur vorgestellt. Am prominentesten präsentiert Velasquez, ganz im Zentrum des Bildes, die Tochter des Königspaars Philipp IV und seiner Frau Maria Anna, die kleine fünfjährige Margarita. Sie wird von zwei Hofdamen umrahmt. An der rechten Seite sehen wir einen Hofzwerg, ein Kind, zwei Personen dahinter und einen Hund. Auf der linken Seite sehen wir Velasquez selbst. Er schaut von der Leinwand, an der er gerade arbeitet, auf. Eigenartigerweise sieht er nicht auf die Gruppe, die er aller Wahrscheinlichkeit nach malt, sondern wendet seinen Blick nach außen aus dem Bild heraus. Hier entsteht ein direkter Blickkontakt mit dem Betrachter. Im Hintergrund ist der Hofmarschall Jose Nieto, zuständig für die Hofetikette, zu sehen. Er steht in der offenen Tür und erzeugt dadurch einen starken perspektivischen Sog in den Hintergrund des Bildes. Seine Anwesenheit im Bild ist ein Hinweis darauf, dass das königliche Paar anwesend ist. Und hier beginnt das Geheimnis des Bildes. Die ganze Szene wirkt wie angehalten, fast aufgeschreckt. Wo steht das königliche Paar, auf das alle Personen die im Bild zu sehen sind, anscheinend blicken? Ist das was wir im Hintergrund sehen ein Bild oder ein Spiegel? Wäre es ein Spiegel, würde das königliche Paar genau an dem Ort stehen, wo wir uns als Betrachter befinden, nämlich außerhalb des Bildes. Velasquez kompositorischer Einfall hat für den Betrachter ungeahnte Auswirkungen. Folgen wir der Idee des Spiegels und des anwesenden Königpaares außerhalb des Bildes, beginnen wird uns langsam mit dieser Position zu identifizieren. Die Frage, in welcher Realität wir uns befinden, ist nach einer Weile nicht mehr genau zu beantworten. Sind wir Beobachter, oder werden wir beobachtet und sind Teil des Bildes? Das Kunstwerk wird noch mysteriöser, wenn wir fragen: was malt Velasquez wirklich? Ist es das königliche Paar oder die Szene links vom ihm, und wie integriert er sich eigentlich selbst in die Komposition? Die scheinbar einfache Darstellung einer typischen höfischen Situation entpuppt sich als komplexes Gefüge, das sich einer einfachen Einschätzung und Beurteilung entzieht. Je nachdem welchen Betrachtungswinkel wir wählen, führt uns die Beobachtung in unterschiedlichste Richtungen und Interpretationsräume. Die Frage des richtigen Ansatzes für die Betrachtung des Bildes und seiner Interpretation ist ein Streit unter Experten, der mittlerweile mehr als 350 Jahre
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andauert. Es gibt vier große Thesen zu diesem Bild. Die prominenteste ist die Auffassung, dass im Hintergrund ein Spiegel zu sehen ist, in dem sich das Königspaar spiegelt. Das führt allerdings zu den beschriebenen Problemen, das Bild zusammenhängend lesen zu können, macht aber zugleich den Zauber des Kunstwerkes aus. Die Repräsentationsthese, vertreten von dem Philosophen Foucault, sieht »Las Meninas« als reines Repräsentationsbild, als eine Art soziologisches Portrait des spanischen Hofes im 17. Jahrhundert. Das Werk schildert seiner Meinung nach die engen Bezüge und Abhängigkeiten der höfischen Gesellschaft, ein Rollenverständnis, das wenig Spielraum zuließ. Die dritte Auffassung, die Spiegelbildthese, 1981 von Hermann Ulrich Asemissen entwickelt, ist eine eher technisch bedingte Sicht, das Rätsel des Bildes durch einen Kompositionstrick zu erklären. Sie argumentiert, dass die Figuren gar nicht aus dem Bild, sondern in einen Spiegel schauen und die Spiegelsituation gemalt wurde. Die jüngste These wurde von der Chefkonservatorin des Prado, Mena Marques, 1997 geäußert. Auf Grundlage von Röntgenuntersuchungen entwickelt sie die Auffassung, dass das Bild eine Kombination aus Teilen einer alten Komposition in Verbindung mit neueren Bildelementen sei. Diese These wurde allerdings durch den Kunsthistoriker Jonathan Brown als zu subjektiv zurückgewiesen. Sicherlich haben alle Sichtweisen ihren Punkt und lassen sich glaubwürdig darstellen. Allerdings birgt die Expertensicht das Risiko für den Betrachter, wesentliche Punkte im Umgang mit der Bildsprache und den komplexen Kompositionsstruktur zu verpassen. Wollen wir uns als Betrachter das Kunstwerk selbstständig aneignen, so ist ein gutes Vorgehen, Beobachtungen, Deutungen und unterschiedliche Ansätze zunächst nebeneinander zu legen, auszubalancieren und daraus dann Schlüsse zu ziehen. Durch unsere Wahrnehmung entsteht in dem langsamen und stückweise Aneignen und Zusammensetzen der vielfältigen Beobachtungen das, was letztendlich zu unserem Standort, unserer ganz eigene Sicht werden kann. Allerdings gilt und das ist der Unterschied zur Expertenhaltung, was wahr ist für uns, muss nicht wahr für andere sein. Die komplexe Welt von Velasquez »Las Meninas« lässt uns verstehen, dass in dem Moment, in dem wir Komplexität akzeptieren und beginnen, unsere Eindrücke uneingeschränkt nebeneinander zu legen und mit anderen zu teilen, ein erweiterter Bedeutungsraum entstehen kann. Was bedeutet das für Organisationen? Wie lassen sich in einer Welt, die durch Technologie einen Überfluss an Informationen erzeugt, welche schwer zu ordnen sind, kohärente Perspektiven entwickeln und sich dadurch Komplexität meistern? In einem Kunstwerk werden bildnerische Elemente wie Farbe, Formen, Bildfiguren so aufeinander abgestimmt, dass ein Ordnungsprinzip erkennbar wird und sich durchsetzt. Das macht eine schlüssige Komposition aus. Wie wäre es, wenn wir mit Informationen genauso verfahren und diese wahrnehmen, lesen und ordnen wie Bildelemente? Dafür brauchen wir einen Rahmen, der eine geeignete Beobachtungsrichtung setzt und Fragestellungen, um spezielle Situationen genau zu beobachten und geeignet einschätzen zu können.
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Diese Vorbereitungen sind die Grundlage, um gezielt Informationen zu sammeln. Als Grundhaltung bietet sich an, möglichst unvoreingenommen die Sache anzugehen. Wir versuchen, in die Erfahrung des Neuen so uneingeschränkt wie möglich einzutauchen, geleitet durch den Beobachtungsrahmen, den wir uns anfänglich gesetzt haben. Entscheidend ist die genaue Beobachtung, das Hinhören, sich überraschen lassen und die lernende Grundhaltung. Um im unternehmerischen Umfeld eine bestimmte Situation besser zu erfassen, bietet es sich insofern an, eine Vielfalt solcher Momente und Blickwinkel zu suchen. Das kann den Grad der Komplexität sogar noch erhöhen. Der Umgang mit Komplexität sollte nicht in die Richtung gehen, zu früh zu vereinfachen und »Simplicity Management« zu betreiben. Das Sammeln von Informationen, Erfahrungen, Beobachtungen und Ideen steht am Anfang und führt fast zwangsläufig zu anderen Einsichten. Wie Neues daraus entsteht, ist eine Frage, wie diese Einsichten miteinander orchestriert werden.
2.2 Orchestrieren von Kreativität — Miles Davis (»Bitches Brew«) Orchestrieren von Kreativität ist die Fähigkeit, Impulse und Ideen kreativer Arbeit in Bewegung zu setzen und so zu strukturieren, dass daraus ein erlebbares (Kunst-)Werk entsteht. Nun mag man denken, Bewegen und Strukturieren seien zunächst einmal Gegensätze. Braucht Kreativität nicht das unbegrenzte Spiel? Dass es ein gutes Maß an Rahmung braucht, ist oft überraschend. Diese Rahmung ist notwendig und Kreativität entwickelt sich aus der Spannung von Vorgaben und freier Bewegung. Erst dadurch entsteht das Neue. Die Geschichte von Miles Davis und die Entstehung des Albums »Bitches Brew« zeigt, wie der schmale Grat aus Vorgaben und freiem Fluss musikalischer Stilrichtungen, zu einer radikal neuen Richtung in der Jazzgeschichte führt. Miles Davis wurde 1926 in Alton, Illinois geboren. Er ist einer der herausragenden Musiker des 20. Jahrhunderts und revolutionierte den Jazz mehrfach. Nach dem großen Erfolg seines Albums »Kind of Blue« mit über 6 Millionen Verkäufen experimentierte er mit neuen musikalischen und technischen Möglichkeiten. Im August 1969 begab er sich mit den besten Jazzmusikern dieser Zeit, unter anderem Chick Corea, John McLaughlin und Joe Zawinul, in die Columbia Aufnahmestudios. Gemeinsam nahmen sie das legendäre Album »Bitches Brew« auf. Miles Davis ließ den Tontechniker Teo Macero die gesamte Studio Session aufnehmen. Keiner der Musiker wurde während seines Spiels unterbrochen. Miles Davis gab lediglich einen großzügigen musikalischen Rahmen vor, innerhalb dessen jeder Musiker frei war, zu improvisieren. Dieser Rahmen bestand aus einem einzigen Akkords auf den sich die Musiker bezogen und der ausreichte, die Musik zusammenzuhalten. Miles Davis sagte: »Wir legten los, und ich begann, die Musiker fast wie ein Dirigent zu führen; die Musik wuchs und wurde zunehmend besser.« Anders als üblich war die Aufnahme der Studio Session ein spontaner und kreativer Prozess. Musiker wie John Coltrane hatten schon vorher mit dem Konzept
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kollektiver Improvisation experimentiert. Erst Miles Davis gelang es allerdings, Musiker so zu arrangieren, dass jeder von Ihnen mit seinem Instrument eine ganz eigene Qualität entfalten konnte. Es entstand eine originäre und lebendige Komposition, ein kaleidoskopartiger Sound, den es vorher so nicht gab. Die Spannung aus Vorgabe und freiem Spiel war der Rahmen, den Miles Davis setzte und innerhalb dessen jeder Musiker in seiner eigenen Art etwas beitragen konnte. Auf diese Weise entstand eine neue musikalische Richtung. Künstler versuchen, neue Realitäten zu schaffen und suchen nach Lücken, in denen sie durch ihre Arbeit veränderte Standards setzen können. Sie sind in der Lage, Impulse und Ideen aufzugreifen und diese zu einem Kunstwerk zu transformieren. Das ist eine künstlerische Strategie, in der Planung und Improvisation eng verwoben sind. Improvisation lebt vom schnellen Entwerfen und Verwerfen von Ideen und Lösungen. Das ist der Kern aller kreativen Arbeit, die auch Organisationen meistern müssen. Die Herausforderung, in sich schnell ändernden Marktumfeldern Lücken zu finden und dort tätig zu werden, braucht die Fähigkeit, zu improvisieren und mit schnellen kleinen Schritten flexibel auf Situationen eingehen zu können. Führungskräfte sind gefordert, durch das Orchestrieren verschiedenster Einflüsse und Ideen neue Realitäten für Ihre Organisation zu entwickeln. Damit eine andere Ebene von Kreativität erreicht werden kann, müssen Führungskräfte mit dem Blick auf Miles Davis der Zusammenarbeit eine neue Qualität geben. Rahmung und Freiraum müssen gekonnt gesetzt und gespielt werden. Ein Zuviel an Bestimmtheit unterbricht den kreativen Fluss ebenso wie ein Zuwenig kaum zu produktiven Ergebnissen führt. Ein Modell kann es sein, dass Führungskräfte sich eher als Arrangeur des kreativen Potenzials in der Organisation verstehen als im traditionellen Führungsverständnis Aufgaben an »Solisten« zu vergeben. Damit Orchestrieren von Kreativität gelingen kann, müssen zwei Aspekte berücksichtig werden. Erstens bedarf es auf der strukturellen Ebene einer Verankerung. Organisationen brauchen »Bühnen«, das sind Prozesse, Räume oder Formate, auf denen kreatives Handeln Raum bekommt. Zweitens muss das Zusammenspiel auf solchen Bühnen gelungen »inszeniert« werden. Orchestrieren von Kreativität braucht Erfahrung und Gespür für den Prozess und seine Dramaturgie. Inspirieren, Wertschätzen, Akzeptieren von Misserfolgen und daraus zu lernen und in der Lage zu sein, mit intellektuellen Herausforderungen zu motivieren, sind Fähigkeiten, mit denen Führungskräfte den Prozess befeuern können und gehören zum Handwerkszeug. Um gleiche Augenhöhe zu erreichen, ist es ratsam, als Führungskraft mit auf der Bühne zu stehen und sich selbst als Teil des Ganzen, der Gruppe bzw. des Teams zu sehen. Dies entspricht dann weniger der Rolle eines klassischen Regisseurs als der Haltung eines »Facilitators«, der Impulse aufgreift, transformiert, spiegelt und zurückspielt. Aus dieser Sicht lässt sich Orchestrieren von Kreativität als eine Qualität begreifen, die aus der Gruppe selbst, durch eine Reihe von Aktivitäten entsteht und umgesetzt wird. Kreative Arbeit kann sich so auf vielen organisatorischen Ebenen entfalten. Neue-
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rungen, Ziel jeder kreativen Arbeit, drängen nach Umsetzung und provozieren Veränderungen. Deshalb hängt der Erfolg der Umsetzung kreativer Ergebnisse nicht unwesentlich davon ab, wie diese in den Kontext des Unternehmens eingebettet werden können. Die Zustimmung, das »Buy In« für Veränderung zu bewirken, ist in erster Linie emotionale Überzeugungsarbeit, für die entsprechende Geschichten entwickelt werden müssen.
2.3 Emotionales Commitment für Veränderung — Pablo Picasso (»Guernica«) Eine der wesentlichen Fragen für den Umgang mit Veränderung ist die Art und Weise, wie diese emotional begreif bar wird. Unsere Fähigkeit, mit Veränderung umgehen zu können, hängt maßgeblich davon ab, welche Bilder wir damit verknüpfen und welche Ereignisse dadurch erlebbar werden. Bilder konzentrieren Komplexität, generieren einen Fokus und setzen damit einen Anker. Solche Bilder, wenn sie stark genug sind und den Nerv einer Situation treffen, werden Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel dafür ist das Bild »Guernica« von Pablo Picasso. Das Thema des Bildes ist die Zerstörung der Stadt Guernica 1937 durch die Legion Condor. Das Ereignis markiert den Beginn einer Form des Krieges, der in einer nie zuvor gekannten Weise mit Terrormitteln geführt wurde. Kurz vor dem Ereignis war Picasso eingeladen worden, für den Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris ein großes künstlerisches Projekt umzusetzen. Als er von dem Bombardement von Guernica hörte, ließ er seine ursprüngliche Idee für das Bild »Maler und Modell« – ein typisches Picasso Motiv – fallen und nahm Stellung: »Es ist mein Wunsch, Sie daran zu erinnern, dass ich stets davon überzeugt war und noch immer davon überzeugt bin, dass ein Künstler, der mit geistigen Werten lebt und umgeht, angesichts eines Konflikts, in dem die höchsten Werte der Humanität und Zivilisation auf dem Spiel stehen, sich nicht gleichgültig verhalten kann«. (Picasso im Dezember 1937)
Picassos Werk zeigt die Apokalypse, das Trauma des modernen Krieges, in all ihren Dimensionen. Nichts und niemand bleibt verschont. Entsprechend der architektonischen Situation des Spanischen Pavillons entwickelte Picasso eine ungewöhnliche Komposition. Die Besucher betraten den Raum von der rechten Seite, wo man unmittelbar mit der vollen Größe des Bildes konfrontiert wurde, begannen es von dort aus zu »lesen« und wurden immer weiter in die Komposition hineingezogen. Das Bild beginnt mit einem Schockmoment. Eine Figur reißt die Arme zum Himmel. Nichts bereitet diese Szene vor, ganz im Gegenteil, sie konfrontiert den Betrachter direkt mit dem Geschehen. So unmittelbar wie das Desaster über Guernica losbrach, so unmittelbar beginnt dieses Bild. Dann leitet ein Ensemble aus Figuren, Raum und Versatzstücken, in einem Dreieck
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lose zusammengefasst, den Blick ins Bildzentrum. Dort zerfällt jegliche Form von Ordnung. Je länger wir schauen, umso mehr gleitet der Raum ins Chaotische ab. Einzelne Bildelemente erscheinen unwirklich und erzeugen eine starke Ambivalenz. So kann das Licht, welches die Szene gespenstisch ausleuchtet, sowohl das einer nackten Glühbirne sein, als auch das Licht einer erneuten Explosion. Auf der linken Seite findet die Komposition einen jähen Abschluss. Wir sehen einen Stier. Er ist mit der Komposition eigenartig verstrickt, fast gefangen. Das Tier, für Picasso ein Ausdruck für die Brutalität der Situation, dreht seinen Kopf zur Seite und scheint das Ereignis nicht ertragen zu können. Sehr bald wurde das Kunstwerk eine Ikone und ein Statement gegen den Krieg. 1944 sah ein deutscher Soldat »Guernica« und fragte Picasso: »Haben Sie das gemacht?« Die Antwort des Künstlers ist legendär: »Nein das waren Sie!« 1985 wurde eine Kopie des Bildes sehr prominent im Eingangsbereich des Weltsicherheitsrates in New York aufgehängt als Mahnmal gegen Krieg und Terror. In seiner Dramatik und der Beschreibung des menschlichen Desasters ist »Guernica« ein modernes Bild. »Guernica« entfaltet eine Wirkung, der man sich kaum entziehen kann. Welche Ausstrahlungskraft das Kunstwerk nach wie vor ausübt, zeigt die folgende Geschichte. 2003 veranstaltete der amerikanische Außenminister Colin Powell im Gebäude des Weltsicherheitsrates eine Pressekonferenz über Massenvernichtungswaffen im Irak. Als Ort absichtsvoll und strategisch gewählt befand sich der Veranstaltungsraum selbst allerdings in unmittelbarer Nähe zu dem Bild. Während der Pressekonferenz wollte Colin Powell den Journalisten Fotos von vermeintlichen Lagerstätten dieser Waffen vorstellen. Er befürchtete, dass »Guernica« mit seiner starken Ausstrahlung die Fotos, die er präsentieren wollte, nicht nur entkräften, sondern gänzlich in Frage stellen würde. Die Vermutung lag nahe, dass er die Wirkung des Kunstwerkes und seiner Geschichte richtig einschätzte. Das Kunstwerk wurde zum Hindernis und er ließ es verhängen, was zu einem Aufschrei nicht nur in der Kunstwelt führte. »Guernica« bewegte und bewegt die Welt. Es zeigt, wie durch ein Bild ein geschichtlicher Wendepunkt transformiert und emotional aufgeladen werden kann und uns als Betrachter die Möglichkeit bietet, mit dieser Geschichte umzugehen. Die kreative Herausforderung, der sich Organisationen stellen müssen, geht in zwei Richtungen. Zum einen muss die Notwendigkeit für Veränderung deutlich gemacht werden. Eine Bestandsaufnahme über Zahlen, Fakten und Daten bietet dafür eine Grundlage. Damit eine transformative Situation allerdings die notwendige Kraft bekommt und Momentum entsteht, muss die emotionale Ebene der Veränderung nicht nur mitgedacht, sondern auch überzeugend entwickelt werden. Veränderung braucht eine Dramaturgie, damit Verbindung und Verbindlichkeit entstehen können. Um eine solche Dramaturgie zu gestalten, sollten sich Führungskräfte als Transformatoren verstehen. Hier liegt die Nähe zu Künstlern, die Übersetzungsleistungen als Bilder, Skulpturen, Texte oder Filmen in die Welt setzen. Im Gegensatz zu Künstlern ist das Spielfeld von Führungskräften der performative Raum des Dialogs. Dies ist die Bühne der Organisation, für wel-
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che Führungskräfte Bilder entwickeln müssen, die Veränderungssituation tragen können. Vier Dimensionen sind für die Kunst, emotionale Bindung zu erzeugen, wichtig:
1. Die Wahrhaftigkeit des Autors Gute Bilder spiegeln eigene Erfahrungen und zwar bis in jedes einzelne Detail. Das Ringen, Suchen und Fragen, die man sich selbst stellt, öffnen den Raum für den Zuhörer, sich für diese Bilder zu öffnen. Verletzlichkeit zu wagen kann ganz unvermittelt zur Nähe führen. Eine solche Offenheit birgt allerdings ein gewisses Risiko für Führungskräfte und braucht den Rückhalt in einer Kultur die eine solche Haltung mitträgt und nicht sanktioniert.
2. Die Wahrhaftigkeit gegenüber dem Publikum Erzähler suchen die Nähe und Verbindung mit dem Publikum. Sie entsteht aus der Situation und dem Fluss der Bilder. Sich auf die Welt des Zuhörers einzustellen, ist eine Kunst. Dafür braucht es Bilder mit einem persönlichen Bezug und ein gutes Gespür für die Spannung, damit besondere Momente entstehen können. Führungskräfte müssen genau hinhören, ob ihre Bildsprache greift und Kraft entfaltet. Trifft man auf diese Weise die Fragen, Sorgen oder Erwartungen, die im Raum stehen, stellt sich der lebendige Kontakt zum Publikum ganz selbstverständlich ein.
3. Die Wahrhaftigkeit des Moments Gute Bilder sind Teil einer durchdachten Dramaturgie. Diese kann bei einer entsprechenden Wahl und Zusammenstellung der Bilder eine performative Energie und Momentum erzeugen. Für Bilder, die immer wieder benutzt werden, wie z.B. auf »Road Shows«, die große Veränderungsprojekte begleiten, ist jedoch auch Vorsicht geboten. Ein immer wieder gleichartig präsentiertes Bild neigt dazu, sehr schnell zu verflachen. Hier kann das Spiel mit Tempo, Gewichtung und dem Moment, wann und wie das Bild genutzt wird, diesem eine neue Farbe und einen veränderten »Dreh« verleihen.
4. Die Wahrhaftigkeit der Aussage Jedes Bild, gleichgültig ob es in Fabeln, Kindergeschichten, Filmen oder Unternehmensgeschichten eingebettet ist, zielt darauf, eine Botschaft zu vermitteln. Deshalb müssen Bilder in den Fluss einer Geschichte so integriert sein, dass Werte, Haltung und Anliegen des Autors erkennbar werden. Bei der Arbeit mit Bildern in Organisationen müssen wir immer berücksichtigen, dass durch sie reale Situationen gespiegelt werden. Bei der Auswahl von Bildern ist es deshalb ratsam, solche zu finden, die nicht nur überzeugend, sondern vor allen Dingen glaubwürdig sind. Ein zu werberisch gewähltes Bild kann die Wirkung einer aufrichtig gemeinten Aussage leicht zunichtemachen.
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Der Blick auf »Guernica« spiegelt diese Dimensionen wider. Picasso entwickelte das Kunstwerk aus einer tiefen persönlichen Betroffenheit. Er war in der Lage eine Situation, die man sich kaum vorzustellen vermag, in ein Bild zu übersetzen, dem wir folgen können und das stärker ist als jede abgebildete Realität, die kaum zu ertragen wäre. Durch diese Übersetzungsleistung gelang es Picasso, den menschlichen, politischen, sowie den moralischen Aspekt von »Guernica« tief in der Gesellschaft zu verankern. So gesehen sind Führungskräfte die Protagonisten, kreative Gestalter von Transformation in und für Organisationen. Dafür müssen diese nicht nur solche Bilder finden, die eine emotionale Verbindung schaffen, sondern sie müssen für die Organisation als Ganzes eine Beschreibung liefern, wie diese ihren Platz in der Gesellschaft finden kann.
2.4 Verankerung von Organisationen in der Gesellschaft— Joseph Beuys (»Art into Society«) Durch die digitalen Möglichkeiten stehen Unternehmen unter einer viel kritischeren Beobachtung. Diese müssen sich mehr als je zuvor fragen, welchen gesellschaftlichen Beitrag sie leisten wollen und können. Die Verankerung von Organisationen in der Gesellschaft geht über die klassische Diskussion in Unternehmen um Social Responsibility weit hinaus und sucht die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen. Die Frage welchen Unterschied Kunst für unsere Gesellschaft machen kann, stellte der Künstler Joseph Beuys ganz ins Zentrum seiner Arbeit. Provokativ erklärte er Kreativität zum eigentlichen gesellschaftlichen Kapital und entwickelte daraus den Ansatz des »Erweiterten Kunstbegriffs«. Er proklamierte: »Jeder Mensch ist ein Künstler«, und forderte kreatives Denken für alle gesellschaftlichen Bereiche ein. Beuys wurde 1921 in Krefeld geboren und diente als Pilot im zweiten Weltkrieg. 1946 schrieb er sich an der Kunstakademie in Düsseldorf ein und wurde 1951 Meisterschüler von Walter Mataré. 1961 wurde er Professor für Monumentalbildhauerei an der Akademie in Düsseldorf und begann den Begriff der künstlerischen Arbeit systematisch auf gesellschaftliche Fragestellungen auszuweiten. Er stellte den klassischen Kunstbegriff, den er kritisch als eine Form kreativer »Produktdifferenzierung« bezeichnete, radikal in Frage. Gesellschaft ist eine Skulptur und die anstehenden Gestaltungsaufgaben das neue Arbeitsfeld der Kunst, so Beuys. Mit seinem »Erweiterten Kunstbegriff« und der Idee der »Sozialen Skulptur« war er in der Lage, ein neues Verständnis von Kunst zu etablieren. Diesen Ansatz brachte er in verschiedenste gesellschaftliche Bereiche wie z.B. Erziehung, Politik und Wirtschaft ein. Er betonte, dass Kreativität Kern aller menschlichen Produktivität ist: »Kunst ist unser eigentliches Kapital mit dem wir die Anforderungen der Gesellschaft durchdenken und diese auf eine höhere Ebene transformieren, indem wir unsere kreativen Fähigkeiten nutzen.« Durch die leidvollen Erfahrungen mit fehlgeleiteter Kreativität während des Zweiten Weltkrieges war sich Beuys
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sehr bewusst, dass Kreativität immer mit ethischen und moralischen Fragenstellungen in Verbindung gebracht werden muss. Die Auffassung, künstlerische Arbeit sei Arbeit an der Gesellschaft als sozialer Skulptur, setzte Beuys konsequent in der Installation »Richtkräfte für eine neue Gesellschaft« um. 1974 wurde Beuys vom Institute of Contemporary Arts in London zu der Ausstellung »Art into Society – Society into Art« eingeladen. Im Vorfeld sammelte er eine große Anzahl schwarzer Schultafeln, die er als Rohmaterial für die Installation nutzte. In der Ausstellung führte er mit Besuchern einen Dialog über Kunst und Kreativität sowie über kulturelle und politische Aspekte zur Erneuerung von Gesellschaft. Beuys nutzte die Tafeln, die auf Staffeleien aufgebaut waren, um den Dialog durch Zeichnungen und Schlüsselbegriffe zu veranschaulichen. War eine der Tafeln vollgezeichnet, nahm er sie und warf sie auf den Boden. Beuys sprach von einer »Wurfperformance« und schuf damit eine prägnante Aussage: Die Ideen und Einsichten, die gedankliche Arbeit des Dialoges, bilden einen neuen Boden. Sie sind Material und geistige Grundlage, um über Fragen der Neuordnung von Gesellschaft konstruktiv nachdenken zu können. »Ideen sind Wirklichkeit, Denken ist Skulptur, das ursprünglichste kreative Produkt sind unsere Gedanken«, sagte Beuys. Den kontinuierlichen Dialog, das zeigt die »Richtkräfte«-Installation, verstand er als kreative Arbeit an der Gesellschaft, die er als soziale Skulptur sah. Um unternehmerisches Handeln als soziale Skulptur zu begreifen und Organisationen stärker in der Gesellschaft zu verankern, müssen diese ihre Rolle und Aufgabe im Gesamtumfeld betrachten. Um einen Ansatz für einen wirksamen gesellschaftlichen Beitrag herauszufinden, braucht es die kreative Arbeit des Dialogs, der mit allen beteiligten Stakeholdern geführt werden muss. Hier geht es um Gestaltung von Beziehung, Erfahrungen mit anderen Welten und Perspektiven, die eingenommen werden und auszuhandeln sind. Wird ein solcher Findungsprozess offen geführt, kann er die gesellschaftliche Tragweite des unternehmerischen Handelns, dessen Ausrichtung und die Verantwortung die daraus entsteht, mutig erkunden. Der Dialog ist ein gedankliches Experimentierfeld, ein Raum, in dem etwas auftauchen kann, was im Englischen mit dem Begriff »purpose« zutreffend beschrieben wird und ein wesentlich weiter gefasster Begriff ist als das deutsche Wort »Zweck«. Die Arbeit an einem solchen »purpose« wird konkret, indem sich Unternehmen über spezifische Aspekte und Werte bewusst werden, die über das Produkt hinaus verweisen. Dann ist es ratsam, das gesellschaftliche Umfeld aus einer Innen- und Außensicht zu beschreiben und zu fragen, wie sich das Unternehmen darin bewegt. Schließlich gilt es, gesellschaftliche Veränderungen als Zusammenspiel von Menschen und sozialen Systemen zu sehen, die sich in wechselnden Konstellationen immer wieder neu finden. Um dieser Arbeit die richtige Bodenhaftung zu geben, bieten sich reale Räume an, für die entsprechende Formate zu finden sind und in denen der Dialog mit internen und externen Stakeholdern geführt wird. Warum nicht hier Kreativität wagen und zum Beispiel einen Poetry Slam-Abend oder ein Theater-Festival
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veranstalten und damit die Bühne öffnen, provokant und mutig die Frage nach gesellschaftlicher Tragweite zu erkunden? Auf dieser Bühne sind Führungskräfte Akteure – Regisseure und Mitspieler – gleichermaßen. Die Herausforderung für sie besteht darin, aus dem Dialog, mit Bedacht einen glaubwürdigen und für die Organisation gültigen Anspruch in Bezug auf gesellschaftliche Verankerung zu formulieren. Ihnen fällt die Aufgabe zu, dafür ein einprägsames Bild zu entwickeln und die Organisation zu befähigen, diesen Anspruch in allen Dimensionen der täglichen Arbeit umzusetzen. Persönliche Glaubwürdigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt, und Führungskräfte müssen insofern diesen Anspruch entsprechend mit Leben füllen. Mut ist gefragt und persönliches Risiko damit verbunden, diese Rolle nicht nur in der Organisation, sondern vor allen Dingen gegenüber der Gesellschaft einzunehmen. Verankerung von Organisationen in der Gesellschaft ist nichts weniger als die »Licence to Operate« des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft zu gestalten und zu bestärken. Für Beuys war alles Denken, alles Handeln und die Art und Weise, wie wir dem Leben eine Form geben, Kunst. Kunst ist dazu da, die Augen zu öffnen und zu erkennen, dass wir uns nicht auf ein Ziel hin bewegen, sondern wir das Ziel erreicht haben und uns mit ihm verändern. Das Brisante an dieser Sicht, die durch die Herausforderungen und Komplexität, mit der wir zurechtkommen müssen, nach wie vor aktuell ist, besteht darin, dass Kreativität und kreative Führung nicht so sehr auf die Entwicklung neuer Produkte zielt, sondern auf die kontinuierliche Gestaltung gesellschaftlichen Raums.
3. Z usammenfassung Creative Leadership umfasst kreatives Denken, Haltung und Gestaltung von Prozessen. Es wäre eigenartig, die vier Dimensionen als Einzelelemente oder »Tools« zu denken und zu isolieren. Viel passender ist es, diese als Bestandteile eines Prozesses zu sehen, in dem die Elemente »gespielt« und spielerisch verknüpft werden. Erst dadurch entfaltet sich die dahinterliegende Kraft der kreativen Haltung – des kreativen Geistes. Nichtsdestotrotz geht es um Ergebnisse. Creative Leadership zielt auf die Transformation unternehmerischer Fragen. Die vier Dimensionen bieten dafür einen Rahmen. So müssen wir, um Komplexität zu begreifen, zunächst eine Vielfalt von Informationen und Ideen sammeln, und dann dem Ganzen Richtung und Perspektive geben. Das Orchestrieren dieser Informationen und Ideen sollte dann nicht zu mehr von dem Gleichen führen, sondern zu einem Auf bruch in’s unbekannte Land oder zu mindestens dazu, das Terrain, was man kennt, mit wachen Augen neu zu entdecken. Dieser Schritt mag der mutigste sein, den es für Führungskräfte zu meistern gilt, den sie jedoch nicht alleine gehen müssen. Denk- und Experimentierräume bieten sich an, in denen auf Augenhöhe gearbeitet wird und das Verhältnis von Führung und Geführt-Sein da-
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durch bestimmt ist, wer inspirierende Ideen beisteuert. Gelingt der Durchbruch, muss dieser anschaulich und greif bar werden. Es braucht die Übersetzung, den Dialog und das Bild, um Menschen nicht nur faktisch zu informieren. Das Anders-Sein, das Neue, braucht emotionale Kraft, um Fahrt aufzunehmen und zu überzeugen. Schließlich geht es darum, das Neue zu hinterfragen und zu verankern, indem wir es im Licht des gesellschaftlichen Umfeldes betrachten. Nützt es etwas und für wen und wie, sind die Fragen, und ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Das ist möglicherweise der risikoreichste Schritt der zu gehen ist. Hier trifft sich Creative Leadership mit der Haltung des Künstlers, so lange zu entwerfen und zu verwerfen, bis Qualität, Klarheit und Einfachheit, die Merkmale eines jeden guten Kunstwerkes, entstehen.
Q uelle IBM (Hg.) (2010): Unternehmensführung in einer komplexen Welt, Ehningen et al.
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1. K ünstler -M otive als blinder F leck der K ooper ationsforschung Obwohl die Zusammenarbeit von Unternehmen und Künstlern für beide Seiten einen Mehrwert bringt (Fillis 2014, S. 53), richtet sich das Interesse von Wissenschaft und Praxis vor allem auf die Frage, welchen Nutzen künstlerische Interventionen oder andere Kooperationsvarianten für Unternehmen haben. Berthoin Antal und Strauß überschrieben den Report, für den sie 268 einschlägige Publikationen auswerteten, mit »Artistic Intervention in Organizations – Finding Evidence of Value-Added« und stellten klar: »The focus here is on the effects in organizations.« (Berthoin Antal/Strauß 2013, S. 8) Schiuma legte mit »The Value of Arts for Business« (2011) eine Monographie zur Wirkung von »Arts-based Initiatives« vor. Die Titel sind Programm: der Mehrwert für Unternehmen dominiert die Literatur (Teichmann 2001; Blanke 2002; Ferro-Thomsen 2005; Darsø 2009; Schiuma 2011; Ventura 2005; Staines 2010; Berthoin Antal 2009, 2011, 2013; Biehl-Missal, 2011; Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011; Baumgarth et al. 2013; Grzelec/Prata 2013). Der Nutzen, den Künstler aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen ziehen, wird bislang eher kursorisch behandelt. Mit ähnlich wirtschaftsgeprägter Denke wie beim »Unternehmensbias« des Diskurses wird dabei gelegentlich unterstellt, Künstler sähen in der Zusammenarbeit mit Unternehmen in erster Linie eine Möglichkeit der Einkommenserzielung oder – etwas dramatischer – der Existenzsicherung (Arts Push Business o.J.). Auch die Initiative Kreativwirtschaft der Bundesregierung, die sich für eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Künstlern einsetzt, will »die Erwerbschancen […] freischaffender Künstlerinnen und Künstler verbesser[n]« (BMWi 2012, S. 1). Abgesehen davon, dass in der Hypothese von der Dominanz des Einkommensmotivs ein tradiertes Bild von der
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Rollenverteilung zwischen mächtigen Unternehmen und bedürftigen Künstlern aufscheint, gibt es kaum empirisches Material, das geeignet ist, diese Annahme zu belegen. Henze, die Unternehmenskooperationen mit einem quantitativen empirischen Ansatz (Online-Umfrage) untersuchte, kam mit Angaben von 200 Künstlern zu dem Ergebnis, die Zusammenarbeit »soll in erster Linie Geld und damit auch ein gewisses Maß an Sicherheit […] bringen« (Henze 2013, S. 68). Allerdings schloss das Untersuchungsdesign Kooperationsformen wie Sponsoring ebenso ein wie reine Auftragsarbeiten, die gar keine Kooperationsmerkmale aufwiesen (Henze, S. 67). Die Ergebnisse sind auch deshalb nicht unbedingt verallgemeinerbar, weil die Studie nicht repräsentativ ist. Das Gleiche gilt für die Online-Erhebung von Berthoin Antal (2012), an der 47 Künstler teilnahmen, und die wenigen Fallstudien, die sich gezielt mit dem Nutzen künstlerischer Interventionen für deren Urheber befassen (Grzelec 2013).1 Insofern lässt sich auch die Antithese zur vermuteten Bedeutung monetärer Anreize nicht fundiert belegen. Sie beruht auf der Zuschreibung klischeehafter Attribute wie »leidenschaftlich« und »neugierig«. Künstler gelten als hochgradig intrinsisch motiviert; ihre Arbeit beruht auf einem starken inneren Antrieb. Geld ist ihnen angeblich unwichtig (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1841): »It is in their blood. They live to create rather than create to live.« (Major 2014, S. 71) Inwieweit solche Aussagen zutreffen oder ein romantisches Idealbild spiegeln, das die prekäre Einkommenssituation von Künstlern (Haak 2008) zu verklären sucht, bleibt offen. Unabhängig vom Stellenwert einzelner Motive sehen Künstler in Kooperationen mit Unternehmen Vorteile, die sowohl materieller als auch immaterieller Natur sind. Diese Vorteile sind vielschichtig. Sie beziehen sich auf das künstlerische Schaffen, auf Arbeitsbedingungen und Karriereperspektiven, auf die soziale Dimension der Zusammenarbeit und nicht zuletzt auf Möglichkeiten zur Einkommenserzielung (Staines 2010, S. 15; Berthoin Antal 2011, S. 139; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843). Nutzenkategorien, die Künstler und ihr soziales Umfeld betreffen, werden in der Literatur allerdings weit ausführlicher und detaillierter beschrieben als einkommensbezogene Aspekte. Mit welchen Ansätzen lassen sich die vielfältigen Nutzenaspekte systematisieren? Wenn sich Künstler mit ihrer Arbeit in Organisationen hineinbegeben, tun sie das meistens, um Werke zu schaffen und zu präsentieren, wie z.B. eine Theateraufführung mit Unternehmensangehörigen oder die Gestaltung von Innenräumen. Das kann als Selbstvermarktung gedeutet werden, für die folgende Motive handlungsleitend sind (Ventura 2005, S. 84):
1 | Vgl. dazu auch die Fallstudien in Teil IV (S. 231ff.) in diesem Handbuch.
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• • • • • •
Selbstausbildung (jenseits von Kunstakademien) Selbsthilfe (in Ermangelung eines Managements) Selbstbestimmung (statt Delegation der Vermittlung) Sozialmomente (im Sinne eines sozialen Austauschs) Netzwerkbildung (in Bezug auf professionelle Kontakte) Strukturgestaltung (in Bezug auf das eigene Arbeitsfeld und den Kunstbetrieb).
Ein anderer Ansatz, der künstlerische Interventionen in Unternehmen als Lernumgebung für Künstler deutet, unterscheidet folgende Motive und Wirkungen (Grzelec 2013, S. 89-96): • • • • • •
Selbstvertrauen in Bezug auf den Wert der eigenen Arbeit Abstecken bzw. Überschreiten persönlicher und künstlerischer Grenzen Entwicklung von Techniken und Vorgehensweisen Zugang zu neuen Erfahrungswelten durch veränderte Nachfrage Kommunikation und Vermittlung von Werken im heterogenen Umfeld Erkennen der Bedeutung von Kunst und Entwicklung der eigenen Identität.
Der folgende Beitrag, der auf einer Auswertung der einschlägigen (fallstudienbasierten) Literatur und den in diesem Band gesammelten Fallstudien zu KunstUnternehmens-Kooperationen2 basiert, wählt stattdessen eine umfassendere, ressourcenorientierte Sicht und interpretiert Unternehmenskooperationen als persönliches Wachstums- und Entwicklungsfeld. Er greift den Ansatz von Schiuma zum Nutzen von Kunst in Unternehmen auf und deutet verschiedene Ausprägungen und Quellen von Organisationswissen, in denen der Nutzen kunstbasierter Interventionen verankert ist (Schiuma 2011, S. 177-179), zu künstlerischen Ressourcen um. In Anlehnung an die Struktur der »hierarchy of knowledge dimensions of the Knoware Tree« (Schiuma 2011, S. 178) werden im Folgenden zunächst personenbezogene Nutzendimensionen vorgestellt, die Handlungskompetenzen und Beziehungen umfassen (Abschnitt 2.1). Weitere Vorteile sind werkbezogen und betreffen materielle und immaterielle Ressourcen (Abschnitt 2.2). Abbildung 1 zeigt die Struktur der Nutzen-Dimensionen. Die einzelnen Effekte können auftreten, müssen es aber nicht bzw. sind im Einzelfall unterschiedlich stark ausgeprägt. Zudem sind die Vorteile nicht überschneidungsfrei; teilweise bedingen sie einander.
2 | Vgl. Teil IV (S. 231ff.) in diesem Handbuch.
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Abb. 1: Nutzen-Dimensionen von Künstlern in Unternehmenskooperationen Quelle: in Anlehnung an Schiuma 2011, S. 178
2. N ut zen -D imensionen kunstbasierter K ooper ationen aus K ünstlersicht 2.1 Personenbezogene Nutzen-Dimensionen Personenbezogene Nutzen-Dimensionen betreffen zum einen Haltungen und Fähigkeiten von Künstlern, die in verschiedenen Ausprägungen von Handlungskompetenz zum Ausdruck kommen (Kompetenz-Dimension), wobei Erscheinungsformen von Selbstkompetenz von den Befragten besonders häufig angesprochen werden. Zum anderen sind Unternehmenskooperationen mit sozialen Vorteilen verbunden, die sich aus den Beziehungen im Rahmen der Partnerschaft ergeben (Netzwerk-Dimension).
2.1.1 Kompetenz-Dimension Die Dimension Selbstkompetenz umfasst Einstellungen, die primär auf die eigene Person gerichtet sind. Sie bedingen die innere Haltung zur Umwelt und zur eigenen künstlerischen Arbeit. Unternehmenskooperationen wirken auf die Motivation, auch weil sie im günstigen Fall mit Selbstbestätigung verbunden sind. Sie beeinflussen das Selbstvertrauen und das Selbstbild der Akteure. Mehrere Quellen betonen die mit Unternehmenskooperationen verbundene Motivation bzw. die Tätigkeitsanreize, die schon bei der Entscheidung für oder
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gegen eine Zusammenarbeit greifen. Demnach ist es für Künstler inspirierend und motivierend, künstlerische Methoden in einer anderen als der gewohnten Umgebung einzusetzen und dabei ggf. mit neuen Ausdrucksformen und Materialien zu experimentieren. Unternehmenskooperationen bieten Entfaltungsmöglichkeiten und Gelegenheiten, Neues zu erproben (Staines 2010, S. 9; Berthoin Antal 2011, S. 148; Grzelec 2013, S. 91f.; Kaczor o.J.; Fallstudien 3x3, BENEO, Detecon International). Schließlich sind Neugier und das Interesse an komplexen Strukturen ein Leitmotiv künstlerischer Arbeit (Staines 2010, S. 6). Manche Künstler schätzen die Möglichkeit, ein Feld zu verändern und Menschen Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen (Berthoin Anthal 2011, S. 148). Doch auch die konkrete Aufgabe im unternehmerischen Kontext als solche und die mit ihr verbundene Übertragung geläufiger Methoden und Techniken in ein anderes Setting sind eine reizvolle Herausforderung (Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011, S. 2; Brattström 2012, S. 8), deren Bewältigung Freude macht (Fallstudien 3x3, Detecon International). »Working outside the comfort zone is essential to this work and makes it both demanding and rewarding.« (Staines 2010, S. 13) Ein anderes Publikum zu erreichen und den eigenen Wirkungsgrad zu erhöhen, ist ein willkommener Nebeneffekt in der Werkvermittlung (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Henze 2013, S. 68). Die gelungene Lösung ist eine Quelle der Selbstbestätigung. Die Befriedigung liegt nicht nur im gelungenen Werk an sich, sondern auch in den Wirkungen, die es im bzw. für das Unternehmen entfaltet: »feeling ›enriched‹ when problems are solved, behavior is influenced positively and discussion is engendered.« (BiehlMissal/Berthoin Antal 2011, S. 2) Künstler setzen sich in Unternehmenskooperationen mit Selbstwirksamkeit und der Sinnhaftigkeit ihres Tuns auseinander (Fallstudie 3x3). Auch das Bewusstsein, Pionierarbeit zu leisten, wird genannt (Fallstudie Detecon International). Die Anerkennung anderer und die Wertschätzung der eigenen Arbeit bzw. der Werke ist für die beteiligten Künstler ein wichtiger Anreiz, wobei die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit des Feedbacks eine wichtige Rolle spielt (Teichmann 2001, S. 151; Staines 2010, S. 13; Berthoin Antal/Strauß 2013, S. 30). Manche Künstler bekommen Zuspruch als Sinnstifter und Kommunikatoren (Berthoin Antal 2011, S. 110), andere erleben positive Rückmeldungen auf der sozialen Ebene: »They told us that it is fun, entertaining and exciting to have us in the house and through spontaneous hugs.« (Augustsson 2010, S. 133 zit.n. Berthoin Antal/Strauß 2013, S. 30) Künstlerische Interventionen, bei denen Künstler z.B. zusammen mit Mitarbeitern ein Unternehmensthema zur Skulptur oder zu einem Theaterstück werden lassen, stärken das Selbstvertrauen von Künstlern in ihre Kompetenzen, in ihr Schaffen und in den Wert ihrer Arbeit für die Gesellschaft (Areblad 2010, S. 61; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Grzelec 2013, S. 89). Die Arbeit im Rahmen einer Unternehmenskooperation wird für manche Künstler zur Offenbarung ihrer Fähigkeiten (Brattström 2012, S. 5), bei der sie ihr berufliches Potenzial, aber
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auch ihre Grenzen erkennen (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843). Im Umgang mit Unternehmensangehörigen wird einigen Künstlern zudem bewusst, dass andere ihr Wissen und ihre Fertigkeiten anerkennen und honorieren. Mitunter wird ihnen dabei klar, dass sie den Wert ihrer Arbeit unterschätzt haben und künftig angemessenere Bedingungen nicht zuletzt in puncto Honorar einfordern sollten (Staines 2010, S. 13; Grzelec 2013, S. 89). Die Auseinandersetzung mit unternehmensbezogenen Themen zwingt Künstler auch zu einer Reflektion ihres Selbstbildes: »Now I am more conscious about my place in society.« (Grzelec 2013, S. 91) Es geht jedoch nicht nur darum, sich gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld zu positionieren, sondern auch um die eigene Auffassung von Kunst. Manche Künstler verändern während oder nach einer Unternehmenskooperation ihr Kunstverständnis (Hallström 2007, S. 14; Grzelec 2013, S. 91): »I changed my view of art. I used to believe in ›art for art’s sake‹. Now it is more important for me that art changes something, someone. Therefore I am now more concerned with how my art is received: who is it for and who cares?« (Hallström 2007, S. 14 zit.n. Grzelec 2013, S. 91) In Kooperationen mit Unternehmen wird manchen Künstlern bewusst, dass ihre Arbeit von der Lebensrealität anderer entfernt ist. Sie überdenken ihre Position und setzen ihre Werke stärker in einen Bezug zu möglichen Adressaten (Grzelec 2013, S. 91). In Unternehmenskooperationen erproben Künstler ihre Fähigkeiten auf einem Terrain, das ihnen meist noch unbekannt ist. Manchmal sind sie mit ihrer gesamten Fachkompetenz, also insbesondere in ihrer Kreativität, ihrer Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit gefordert. Idealerweise entwickeln sie ihre Fähigkeiten weiter, indem sie z.B. ihre Materialkompetenz vertiefen. Sie wachsen an der Aufgabenstellung (Areblad 2010, S. 61; Staines 2010, S. 13; BiehlMissal/Berthoin Antal 2011, S. 2; Kaczor o.J.): »I have stretched myself. I gained access to new parts of myself and use competencies I had never used before.« (Grzelec 2013, S. 92) »I have become a more mature artist. It is good to be confronted with a new context and people who are not familiar with art. It forced me to define myself in new terms – terms that can be understood by people outside the artistic environment.« (Grzelec 2013, S. 90) Manche Künstler lernen demnach, ihre Arbeit besser zu vermitteln (Staines 2010, S. 13), was als eine Form von Kommunikationsfähigkeit bzw. als eine Ausprägung von Sozialkompetenz aufgefasst werden kann. Durch Kooperationen können sich Künstler im zwischenmenschlichen Bereich weiterentwickeln, indem sie sich auf ihnen unbekannte Menschen und deren Umfeld einlassen und auf ihr unmittelbares Gegenüber einwirken (Berthoin Antal 2011, S. 148). Das fordert und trainiert Fähigkeiten wie Kooperationsbereitschaft, Empathie, Kritik- und Konfliktfähigkeit. Künstler, die es gewohnt sind, allein zu arbeiten, erfahren in der Interaktion mit Unternehmensangehörigen eine andere Situation, die ihnen Gelassenheit und Selbstbeschränkung abverlangt (Grzelec 2013, S. 93). Außerdem können Unternehmenskooperationen die Methodenkompetenz erweitern, d.h. sekundäre Kompetenzen wie Lern-, Problemlösungs- und Planungs-
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fähigkeit stärken. Dies ist u.a. auf die Notwendigkeit zurückzuführen, auf fremde Anforderungen und Feedback zu reagieren, die eigenen Arbeitstechniken zu hinterfragen und sie ggf. dem unternehmerischen Kontext anzupassen (Smagina/ Lindemanis 2012, S. 1843): »It is a new space, being in a business context is stimulating […] makes you reconsider your functions, methods and objectives.« (Berthoin Antal 2012, S. 10) Fehler werden dabei als Chance für Lernprozesse gewertet (Teichmann 2001, S. 153): »there are also indications of learning to settle with less than perfect – to tolerate imperfection.« (Grzelec 2013, S. 93) Künstler lernen durch die Zusammenarbeit die Bedingungen und treibenden Kräfte der Arbeit in Unternehmen kennen und erweitern ihren Erfahrungshorizont. Sie können geeignete Management-Strategien und Handlungsmuster übernehmen und sie für die eigene Kunstvermittlung nutzen (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Fallstudien 3x3, Detecon International, dm, ImmobilienScout24). Kooperationen sind außerdem eine Chance, Markterfordernisse mit künstlerischen Intentionen abzugleichen und einen offeneren Umgang mit den ökonomischen Bedingungen des Kunstmarktes zu üben (Adamopoulos et al. 2005, S. 302; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Grzelec 2013, S. 90).
2.1.2 Netzwerk-Dimension Künstler erhalten durch Unternehmenskooperationen Zugang zu anderen Netzwerken (Berthoin Antal 2011, S. 96; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843). Aus diesen Unternehmenskontakten und dem Zugang zu Entscheidern können sich weitere Kooperationsmöglichkeiten oder Aufträge ergeben (Bachmann 2014, S. 234; Fallstudie 3x3; s. dazu auch Abschnitt 2.2.2). So gesehen wird die Beziehung zu Unternehmensangehörigen in der Literatur als Mittel zum Zweck also als rationales Kalkül behandelt. Der emotionale Wert von neuen Bekanntschaften im Unternehmenszusammenhang wird selten thematisiert (Staines 2010, S. 13). Kollegiale Beziehungen scheinen als Kooperationsvorteile keine Rolle zu spielen. Sie werden jedenfalls nicht explizit genannt, obwohl manche Vorhaben mehrere Künstler zusammenbringen.
2.2 Werkbezogene Nutzendimensionen Werkbezogene Vorteile sind mit den Arbeitsbedingungen von Künstlern verbunden, und zwar sowohl im Rahmen der Kooperation als auch in deren Folge. Sie betreffen zu einen die Dimension der Ressourcen mit der Ebene der Inspiration, in der Kreativität als Ressource aufscheint, sowie der Ebene der materiell bzw. monetär fassbaren Ressourcen, die die Voraussetzung für den physischen Entstehungsprozess eines Werkes sind. Zum anderen berühren diese Vorteile eine immaterielle Werte-Dimension, die als moderierender Rahmen wirkt.
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2.2.1 Ressourcen-Dimension Kreativität gilt in Unternehmen als entscheidende Ressource (Florida 2002, S. xiii). Umgekehrt sind Unternehmen für Künstler eine potenzielle Quelle der Inspiration und Ideenfindung. Künstler, die die Auffassung vertreten, dass Kunst an gesellschaftlich relevanten Orten präsent sein sollte, wählen bewusst ihr Arbeitsfeld im unternehmerischen Zusammenhang (Adamopoulos et al. 2005, S. 300). Insofern entfalten Unternehmenskooperationen einen unmittelbaren Nutzen, indem sie Arbeitsgelegenheiten schaffen und Themen liefern wie z.B. die Gestaltung einer Marketing-Kampagne, die Visualisierung von Unternehmenswerten oder die schauspielerische Darstellung von Kommunikationsmustern (Fallstudien 3x3, BENEO). In einer ungewohnten Umgebung zu arbeiten und dabei anderen sozialen und ökonomischen Bedingungen ausgesetzt zu sein, ist für Künstler inspirierend. Das gilt für die konkrete unternehmensbezogene Aufgabe, kann sich aber auch auf eigene Arbeiten jenseits der Kooperation auswirken (Staines 2010, S. 9; Berthoin Antal 2011, S. 108, 148; Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011, S. 2; Grzelec 2013, S. 91f.). Ideen, die nicht innerhalb der Kooperation umgesetzt werden können, werden bisweilen bewahrt und später evtl. in eigenen Projekten verwirklicht (Berthoin Antal 2011, S. 148; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Grzelec 2013, S. 92). Arbeiten in einem neuen Kontext kann Künstler von selbstreferentiellen Routinen befreien und sie aus ihrer ›Komfortzone‹ herausbringen (Staines 2010, S. 13; Grzelec 2013, S. 91f.): »getting out of the ›ghetto‹ or ›bubble‹ where most art is made and presented« (Staines 2010, S. 13). Die wichtigste materielle Ressource, die mit Unternehmenskooperationen verbunden ist, sind Finanzmittel. So sind solche Kooperationen für Künstler nicht nur ein neuer Markt und eine weitere Möglichkeit, die eigene Arbeit zu finanzieren, sie sind auch schlicht Einkommensquellen (Areblad 2010, S. 61; Berthoin Antal 2011, S. 148; Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011, S. 2; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843). Manche Künstler wenden sich im Anschluss an erste unternehmensbezogene Projekte mit maßgeschneiderten Angeboten neuen Kooperationen zu oder akquirieren weitere Aufträge (Areblad 2010, S. 61). Auch wenn dies nicht immer gelingt, verbinden Künstler mit der Zusammenarbeit die Erwartung, Folgeaufträge zu realisieren (Fallstudien 3x3, Detecon International). Im Endeffekt kann sich die aus Unternehmenskooperationen resultierende Erfahrungskurve und die damit verbundene Reputation (s. dazu Abschnitt 2.2.2) auch in höheren Honoraren für ähnliche Projekte niederschlagen (Artlab 2013, S. 6; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843). Eine Wertsteigerung der eigenen Werke auf dem Kunstmarkt oder – bei darstellenden Künstlern – eine Steigerung des persönlichen Marktwertes ist dagegen regelmäßig nicht zu verzeichnen (Henze 2013, S. 69). Darüber hinaus können Künstler projektabhängig Zugang zu Arbeitsmaterial und neuen, teilweise kostenintensiven Technologien bekommen, was bei Kunst-
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formen wie z.B. der Media Art eine Grundvoraussetzung für die Werkproduktion ist (Berthoin Antal 2011, S. 113; Biehl-Missal/Berthoin Antal 2011, S. 2; Smagina/ Lindemanis 2012, S. 1843; Ullrich 2013, S. 149). Der Arbeitsplatz selbst, das Gebäude, in dem sich der Arbeitsplatz befindet oder die materielle Ausstattung des Unternehmens sind potenzielle Nutzenfaktoren, werden in den Fallstudien aber nicht thematisiert.
2.2.2 Werte-Dimension Das ›Fremdartige‹ an Organisationen ist für Künstler interessant und für die Werkproduktion relevant. Weitere Faktoren, die die Werkproduktion beeinflussen, sind die Arbeitsatmosphäre und das Arbeitsklima, die Künstlern eine ästhetische und emotionale Befriedigung verschaffen können (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Berthoin Antal/Strauß 2013, S. 13). Es wird angenommen, dass Künstler durch Unternehmenskooperationen sichtbarer werden und sich die erhöhte Aufmerksamkeit positiv auf den Marktpreis für ihre Leistungen auswirkt (Smagina/Lindemanis 2012, S. 1843; Fallstudien aixigo, Detecon International). Allerdings scheint es Unternehmen, aber auch Intermediären viel eher als Künstlern zu gelingen, durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen mit erfolgreichen Projekten ihre Reputation zu stärken und zu kapitalisieren.3
3. S chlussbemerkung Die Vorteile, die Künstler aus Unternehmenskooperationen ziehen können, sind kein Spiegelbild der Vorteile, die sich Unternehmen im konkreten Fall von der Zusammenarbeit versprechen. Beispielsweise haben die Ziele einer künstlerischen Intervention, die die Kreativität der Mitarbeiter und damit die Innovationsfähigkeit des Unternehmens positiv beeinflussen soll, keine unmittelbare Entsprechung auf Seiten der involvierten Künstler. Eine solche Übereinstimmung ist für eine Kooperation auch gar nicht erforderlich, solange die organisationsbezogenen und individuellen Ziele komplementär sind. Letztlich kann die Zusammenarbeit aber auf beiden Seiten zu Lernprozessen führen. Die meisten Antworten auf die Frage, welche Folgen Unternehmenskooperationen für die beteiligten Künstler haben, sind positiv – vorausgesetzt, eine solche Liaison mit der Wirtschaft passt überhaupt zum künstlerischen Selbstverständnis. Allerdings lassen sich alle Nutzen-Kategorien auch in einem negativen Sinne deuten, etwa, dass vereinbarte Honorare nicht (pünktlich) gezahlt werden oder Künstler Reputationseinbußen in ihrem originären Tätigkeitsfeld, dem Kunstbetrieb riskieren.
3 | Vgl. dazu z.B. die Fallstudie Detecon International (S. 283ff.) in diesem Handbuch.
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Zu den wahrgenommenen Risiken von Unternehmenskooperationen zählen die fehlende Akzeptanz und Wertschätzung seitens des Unternehmens und seiner Angehörigen (z.B. Kunst als Unterhaltung oder Dekoration), der Verlust der kritischen Distanz zum Gegenstand und damit der Verlust von Integrität, Kompromisse in Bezug auf die künstlerische Position und die geringe künstlerische Qualität des Ergebnisses (Berger o.J., S. 15f.). Künstler fürchten, vereinnahmt und in ihrer künstlerischen Freiheit beschnitten zu werden (Henze 2013, S. 70). Allerdings werden solche negativen Erfahrungen selten thematisiert. Es gibt kaum Fallstudien zu gescheiterten Kooperationen (Berger o.J., S. 10). Unabhängig von der Zielsetzung einschlägiger Forschungsarbeiten und Evaluationen künstlerischer Interventionen, sind es methodische Hürden, die eine objektive Sicht verschleiern. Sämtliche Fallstudien, die für diesen Beitrag als Sekundärmaterial herangezogen wurden, basieren im Wesentlichen auf persönlichen Interviews. Dabei sind neben anderen Verzerrungen auch Antworten, die die Befragten für sozial erwünscht halten, nicht auszuschließen. Problematisch dürfte vor allem das Einkommensmotiv sein. Wie ehrlich äußern sich Künstler im persönlichen Gespräch zu ihren monetären Interessen? Kommerzieller Erfolg gilt zwar im Kunstbetrieb nicht mehr als suspekt (Mir 2014, S. 349), doch das Gegenteil bzw. eine Einkommenssituation, die zu beruflichen Alternativen zwingt, wird vermutlich nicht offensiv kommuniziert. Die Frage nach dem Stellenwert einkommensbezogener Ziele ist also noch offen. Auch in der Frage nach den Gründen für negative Kooperationserfahrungen und erlittene Nachteile liegt weiterer Forschungsbedarf. Die Antworten auf solche Fragen helfen, Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern zu intensivieren.
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Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern Berit Sandberg
1. E inführung Wie und warum entstehen Kooperationen? Auf diese Frage gibt es mindestens neun verschiedene Antworten, ebenso so viele wie Theorien und Erklärungsansätze. Diese reichen von wettbewerbs- und spieltheoretischen Deutungen über Theoriestränge der Neuen Institutionenökonomik bis zur Systemtheorie. Einen besonderen Stellenwert haben die ökonomisch fundierte Transaktionskostentheorie und Interaktionstheorien wie die soziale Austauschtheorie (Swoboda 2003). Diese beiden Ansätze taugen auch als Erklärungsansätze für die Entstehung von Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern, weil sie Konstellationen erklären können, die in der Heterogenität der Akteure intersektoralen Partnerschaften ähneln. Die Umkehrung der Ausgangsfrage, nämlich »Woran scheitern Kooperationen?«, lässt sich allerdings nicht allein mit dem kostenrechnerischen Kalkül der Transaktionskostentheorie begründen, denn zu den Erfolgsfaktoren von Kooperationen zählen auch Aspekte, die die sozialen Beziehungen zwischen den Partnern betreffen. In der Vielzahl der Faktoren, die in der Literatur in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen thematisiert werden, kristallisieren sich Zielharmonie, der strategische und kulturelle Fit, Kommunikation, Koordination und nicht zuletzt Commitment und Vertrauen als zentrale Faktoren für das Gelingen oder Scheitern heraus (Austin 2000, S. 186-188; Schiuma 2011, S. 242-248; Holtbrügge 2005, S. 1188; Siebenlist 2007, S. 140; Holzberg 2009, S. 171f.). Diese Erfolgsfaktoren beziehen sich zwar auf den Verlauf von Kooperationen, liefern aber auch Hinweise auf Gründe, warum Akteure Kooperationen gar nicht erst eingehen. Die soziale Austauschtheorie verdichtet sie zu einem Nutzenkalkül. Die Akteure wägen die mit der Zusammenarbeit verbundenen Belohnungen und Bestrafungen bzw. Vor- und Nachteile ab und gehen nur dann eine Kooperation ein, wenn deren Nutzen die monetären und nicht-monetären Kosten übersteigt und die Ziele der Beteiligten kongruent sind (»domain consensus«) (Swoboda 2003, S. 52).
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In Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern bringen beide Partner Ressourcen ein, um gemeinsam eine unternehmensbezogene Aufgabenstellung zu bearbeiten und daraus beiderseitigen Nutzen zu ziehen – so die Idealvorstellung. Wenn es an kooperationsrelevanten Ressourcen wie z.B. Zeit, Geld, Räumen und Know-how fehlt, sind die Akteure von vornherein nicht kooperationsfähig. Doch selbst, wenn Ressourcen vorhanden sind und Unternehmen und Künstler ein Nutzenpotenzial erkennen, kommt es nicht unbedingt zu einer Kooperation. Erklärungsversuche beschränken sich meist auf die lapidare Feststellung, dass mit Kunst und Wirtschaft zwei grundverschiedene Welten aufeinanderprallen, die eine Art Sprachbarriere trennt (Ferro-Thomsen 2005, S. 22; Schiuma 2011, S. 226f.). Der folgende Beitrag versucht, diesen Umstand näher zu beleuchten. Er nimmt das Kalkül der sozialen Austauschtheorie zum Ausgangspunkt für eine Analyse von möglichen Unterschieden in den Zielvorstellungen und Einstellungen auf Künstler- wie auf Unternehmensseite und identifiziert Kooperationsnachteile, die die Akteure unter Umständen von einer Zusammenarbeit abhalten können. Die Analyse basiert auf einer deskriptiven empirischen Untersuchung des Verlaufs von Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern im Rahmen des Forschungsprojekts »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen als Motor für Wirtschaft und Kunst«.1 Das Material umfasst • sieben explorative Fallstudien zum Verlauf kunstbasierter Kooperationen,2 • zwölf leitfadengestützte Experteninterviews mit Intermediären, die in kunstbasierte Kooperationen involviert sind,3 • vier Fokusgruppeninterviews mit insgesamt 22 bildenden Künstlern, acht Telefoninterviews und ein Fokusgruppeninterview mit acht Unternehmensvertretern in leitenden Positionen zu Nutzen und Barrieren kunstbasierter Kooperationen, sowie • 27 Interviews mit Künstlern unterschiedlicher Sparten und 21 mit Führungskräften zu individuellen Arbeitshaltungen und Berührungspunkten zwischen Kunst und Wirtschaft, die im Rahmen des Forschungsprojekts »Die Künstlerbrille«4 geführt wurden.
1 | Forschungsprojekt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, 1.4.2013 bis 31.3.2015, www.ifaf-berlin. de/projekte/kuk/ (letzter Abruf: 28.2.2015). 2 | Vgl. Teil III (S. 153ff.) in diesem Handbuch. 3 | Die nicht anonymisierten wörtlichen Zitate in diesem Beitrag stammen aus diesen Interviews. 4 | Forschungsprojekt der kubus Kulturvermittlung, Balzers (LI), und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, 1.9.2014 bis 31.8.2016, www.htw-berlin.de/organi sation/?typo3state=projects&lsfid=2070/ (letzter Abruf: 15.3.2015).
Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern
Die relevanten Passagen des Interviewmaterials wurden transkribiert und einer thematischen Inhaltsanalyse unterzogen (Braun/Clarke 2006). Abgesehen von Themen, die sich theoriegeleitet an den Erfolgsfaktoren von Kooperationen orientierten, wurde die Kodierung anhand der Daten, also induktiv entwickelt. Auf diese Weise wurden drei wesentliche Hürden für kunstbasierte Kooperationen identifiziert: Zieldivergenz (Abschnitt 2), Informationsdefizit (Abschnitt 3) und Kulturdistanz (Abschnitt 4). Ob diese Faktoren überhaupt vorliegen, wie stark sie ausgeprägt sind und unter welchen Bedingungen sie eine Kooperation vereiteln, hängt zum einen von den konkreten Gegebenheiten im Einzelfall und zum anderen vom subjektiven Nutzen ab, den die potenziellen Partner von einer Zusammenarbeit erwarten und der die damit verbundenen Nachteile überkompensieren kann.5
2. Z ieldivergenz Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine Kooperation zu Stande kommt, ist, dass die potenziellen Partner mit der Aufgabenstellung gemeinsame oder zumindest kompatible Ziele verfolgen. Im Hinblick auf Kooperationen von Unternehmen und Künstlern betrifft diese Zielharmonie bzw. der sogenannte strategische Fit die Bedeutung der Zusammenarbeit für die Unternehmensziele bzw. das Selbstverständnis von Künstlern und die gegenseitige Wertschätzung (Schiuma 2011, S. 242; Smagina/Lindemanis 2012, S. 1841). Insofern ist ein grundsätzlicher Mangel an Relevanz für die Geschäftstätigkeit bzw. das künstlerische Arbeitsfeld ebenso eine mögliche Hürde, wie ein Mangel an Wertschätzung und Interesse am Gegenüber. Hinzu kommt, dass der Gegenstand der Kooperation eine mehrdeutige Situation schafft und Entscheidungen unter Ungewissheit erfordert. Letzteres mag auch erklären, warum kunstbasierte Kooperationen teilweise einen mehrjährigen Vorlauf haben.
2.1 Irrelevanz »Wenn ich [als Unternehmen] nicht weiß, welches bzw. dass ich überhaupt ein Problem habe, kann ich es auch mit Kunst nicht lösen.« (Dr. Wolf Dieter Enkelmann, Institut für Wirtschaftsgestaltung, 17.3.2014)
Kunstbasierte Kooperationen beruhen immer auf einer betrieblichen Problemstellung, und zwar unabhängig davon, wer den Impuls für die Partnersuche setzt (Unternehmen, Künstler oder Intermediäre) und ob zu Beginn bereits die gesamte Problemstruktur klar ist oder nur ein Thema im Raum steht. Wenn ein Unter5 | Vgl. dazu die Beiträge von Skobe-Pilley/Schiuma (S. 95ff.) sowie Sandberg und Schirm (S. 121ff.) in diesem Handbuch.
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nehmen ein solches Thema nicht identifizieren kann, wird es die Zusammenarbeit mit Künstlern nicht in Betracht ziehen, aber auch keine Alternativen z.B. im Feld der Unternehmensberatung suchen. Ob eine Aufgabenstellung mit einer künstlerischen Lösung verknüpft wird, hängt zudem davon ab, ob die Entscheider Kunst im Unternehmen eine positive Wirkung zuschreiben oder sie in einem negativen Sinne als Störfaktor begreifen (Belfiore/Bennett 2007, S. 141). Ein wichtiger Aspekt für die Bereitschaft von Künstlern in bzw. mit Unternehmen zu arbeiten ist ihr Selbstverständnis als Künstler bzw. ihre Auffassung von Kunst, denn bei kunstbasierten Kooperationen geht es regelmäßig nicht um freie, sondern um angewandte Kunst. Für Künstler, die eine Position der Autonomie und unbedingte Zweckfreiheit von Kunst vertreten (Belfiore/Bennett 2007, S. 145), kommt eine Kooperation von Vornherein nicht in Frage, da der künstlerische Prozess einer bestimmten Funktion unterworfen wird. Sobald die Rahmenbedingungen der künstlerischen Arbeit vom Unternehmen vorgegeben werden, unterscheidet z.B. den bildenden Künstler nach dieser Sichtweise nichts vom Designer oder Ausstatter (Strauß 2007, S. 50). Im Kontext von Unternehmen ist künstlerisches Handeln demnach »konstruiert« (Chodzinski 2014, S. 265) und hat im Ergebnis »als Ausnahmesituation […] mit Kunst in der Regel nichts zu tun« (Chodzinski 2014, S. 264). Viele Künstler, die der Position der unbedingten Zweckfreiheit von Kunst anhängen, weigern sich, sich für Interessen der Wirtschaft instrumentalisieren zu lassen. Eine vordergründige Marktorientierung entwertet tendenziell die künstlerische Arbeit und gilt als unseriös (Enkelmann 2006, S. 358; Kurz 2014, S. 150). »Man kämpft gegen Berge an Vorurteilen, auch bei Galeristen und Künstlern, die sagen: Wir machen uns doch nicht zur Nutte der Wirtschaft.« (Ulrich Zünkeler, Orange Council, zit.n. Laudenbach 2013, S. 78)
Indem sich Künstler mit Arbeiten auf die Bedarfe und Codes der Wirtschaft einlassen und sich diesen mehr oder weniger anpassen, geraten sie möglicherweise in Widerspruch zu Codes, die im »Kunstbetrieb« akzeptiert sind. Sie laufen Gefahr, sich von dem zu entfernen, was in der Kunstwelt als angemessen und wertvoll anerkannt wird (Strauß 2007, S. 68). Ein Indiz dafür ist, dass Werke, die im Kontext kunstbasierter Kooperationen entstehen, in der Kunstwelt (z.B. in Kunstzeitschriften) kaum rezipiert und nicht ernst genommen werden. »Auf dem Kunstmarkt zählt eine Ausstellung mehr als in einem Hotel.« (Künstlerin 2, Malerin, 27.2.2014)
Aus der Zusammenarbeit mit Unternehmen können sich für Künstler also Nachteile in ihrer Peer Group ergeben (z.B. negative Imagewirkung), die antizipiert und vermieden werden. In Kooperationen mit Unternehmen, die in der Szene
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einen guten Ruf haben z.B. als Sponsoren von Kunstpreisen, wird die Gefahr des Reputationsverlusts geringer eingeschätzt. Viele Künstler sehen in der Auseinandersetzung mit Unternehmen jedoch die Chance, neue Impulse für ihre Arbeit zu gewinnen (Ullrich 2013, S. 127). Die Bereitschaft von Künstlern, sich anzupassen, sich in die Belange eines Unternehmens hineinzuversetzen und im Hinblick auf die Aufgabenstellung einen Teil ihrer künstlerischen Freiheit aufzugeben, gilt unter Unternehmen und Intermediären als eine notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ein persönliches Desinteresse an der Arbeitswelt unterläuft dagegen jede Kooperationsbemühung. »Ich hatte für die Umsetzung [des Projekts] zwei Künstler engagiert und die wollten sich partout nicht mit dem Leitbild auseinandersetzen. […] Es war schwierig, weil sie das Managementumfeld und die Zielsetzung dahinter nicht sehen wollten und nicht sehen konnten. […] Da wollte man einfach Kunst machen um der Kunst willen.« (Dagmar Frick-Islitzer, kubus Kulturvermittlung, 23.10.2013)
Was die (strategische) Bedeutung des Ausgangsproblems für das Unternehmen ist, ist für den Künstler die persönliche Relevanz des Themas. Fehlt diese »Verbindung zu einem seiner Grundthemen« (Brater et al. 2011, S. 119), wird er sich wahrscheinlich einer Zusammenarbeit entziehen. Dies gilt vor allem für bildende Künstler, bei denen es anders als in der darstellenden Kunst um eine originär schöpferische Tätigkeit und nicht um die Inszenierung fremden Materials geht.
2.2 Ambiguität Der Gegenstand kunstbasierter Kooperationen ist erklärungsbedürftig und bedarf in Unternehmen vor allem bei komplexen Vorhaben meist einer mehr oder weniger intensiven Überzeugungsarbeit, die die Kommunikationsfähigkeit von Künstlern herausfordert. Nicht allen fällt es leicht, Fachfremden ihre künstlerische Position und Gedankenwelt zu vermitteln. »Die Unternehmen wollten ja nicht gleich die Kunst. Da war die Kommunikation eine Voraussetzung. Man musste zuerst erklären, dass es für sie interessant sein könnte.« »Das Ganze in Gang zu bringen, war ein ziemlicher Überzeugungsaufwand und ohne Empathie scheitert man.« (Ulrike Israel & Bernadette Hörder, KunstUnternehmen, 17.10.2013) »Unternehmen haben Vorbehalte bei mir und dem was ich tue. Sowas läuft nicht wie Brötchen kaufen. Das braucht Zeit, eine Anwärmphase, und das Projekt muss gut besprochen sein.« (Dagmar Frick-Islitzer, kubus Kulturvermittlung, 23.10.2013)
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Eine weitere mögliche Schwierigkeit liegt darin, dass der Gegenstand kunstbasierter Kooperationen ergebnisoffen ist, was ihn von der Auftragsarbeit unterscheidet. Das betriebswirtschaftliche Nutzenkalkül des Unternehmens kann insofern den Kriterien widersprechen, die ein Künstler an eine Kooperationsentscheidung anlegt. »Das Nutzenparadigma ist hochproblematisch. ›Sagen Sie mir in drei Sätzen, wie das meinem Unternehmen nutzt.‹ – da stirbt natürlich jeder Künstler. Das ist im Grunde die Schlüsselbarriere: dieser Nützlichkeitszwang auf der einen Seite und die Freiheit vom Nutzenparadigma auf der anderen.« (Dr. Wolf Dieter Enkelmann, Institut für Wirtschaftsgestaltung, 17.3.2014)
Künstlerisches Handeln ist Unternehmen, die nicht der Kreativwirtschaft angehören, i.d.R. fremd (Strauß 2007, S. 62). Anders als Management-Prozesse verläuft es weder zielgerichtet noch planmäßig und linear. Für den künstlerischen Prozess ist typisch, dass sein Ergebnis zu Beginn völlig unklar ist. Der Künstler nimmt ein Motiv, eine Idee oder ein Thema zum Ausgangspunkt und setzt sich damit auseinander. Er geht dabei bewusst nicht zielorientiert vor, so dass sowohl das Resultat als auch der Prozess lange offen bleiben. Das Werk ist letztlich nicht das Ergebnis rationaler Planung, sondern ergibt sich aus dem Handeln und der Wahrnehmung des Künstlers im Dialog mit dem Material (Brater et al. 2011, S. 121-131; Hartmann et al. 2012, S. 348f.). Ein Vorhaben, dessen Ergebnis vorhersehbar ist, ist nicht reizvoll. »Ich […] möchte am Ende ein Bild erhalten, das ich gar nicht geplant hatte […] ich möchte ja gern etwas Interessanteres erhalten als das, was ich mir ausdenken kann.« (Gerhard Richter zit.n. Brater et al. 2011, S. 127) »If I knew how a project was going to turn out, I wouldn’t do it.« (Frank Gehry zit.n. Berthoin Antal 2012, S. 64)
Einen Auftrag zum Anlass zu nehmen, schließt dieser Anspruch nicht aus, auch nicht im Kontext von Unternehmen, solange nur ein Thema vorgegeben wird, aber die Details der Ausführung offen bleiben (Brater et al. 2011, S. 117). Diese Einschränkung müssen Unternehmen als Auftraggeber ebenso anerkennen, wie das Bedürfnis der Künstler nach künstlerischer Autonomie. Umgekehrt müssen Künstler bereit sein, sich auf die angewandte Aufgabenstellung und damit verbundene Vorgaben einzulassen, auch wenn sie flexible Organisationsformen und offene Prozesse bevorzugen, die ihnen eigenverantwortliches Arbeiten erlauben (Loacker 2010, S. 327). »Ohne dass man die Ergebnisoffenheit von Kunst akzeptiert, geht es nicht.« (Peer Holthuizen, 3x3, 13.3.2014)
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2.3 Mangel an Wertschätzung Neben dem gemeinsamen Thema ist im Zuge der Anbahnung einer Kooperation der Grad der Wertschätzung und Akzeptanz des potenziellen Partners von Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird vor allem der Stellenwert von Kunst bei den Verantwortlichen im Unternehmen thematisiert. Ohne kunstaffine Schlüsselpersonen, die ein Projekt vorantreiben, kommen Kooperationen nicht zu Stande. »Es gibt nur ganz wenige Leute in Unternehmen, die mit Kunst was anfangen können, die auch eine gewisse kulturelle Bildung haben. […] Es sind oft einzelne Personen, die so einen Dialog in Gang setzen, und die werden dann oft torpediert und lächerlich gemacht, auch von den anderen Mitarbeitern.« (Künstler 14, Maler, 26.1.2015)
Neben unternehmensinternen Konflikten zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen kann die fehlende Unterstützung der Führungsebene ein Vorhaben behindern (Schiuma 2011, S. 243). Mitunter werden fertige Konzepte nach einem Führungswechsel gekippt, obwohl sich die finanziellen Rahmenbedingungen nicht geändert haben. Das zeigt, dass kunstbasierte Kooperationen von persönlichen Präferenzen abhängen. Insofern scheinen die Bedingungen für Kooperationen bei inhabergeführten Unternehmen, bei denen der Impuls oft von den Eigentümern selbst ausgeht und nicht aus einer Fachabteilung kommt,6 günstiger zu sein als in Großunternehmen mit ihren komplexen Entscheidungsstrukturen. Inhabergeführten Unternehmen, deren Führung Projekte relativ leicht durchsetzen kann, wird von Intermediären eine größere Offenheit bescheinigt. Auf der persönlichen Ebene kann ein Mangel an Wertschätzung für künstlerische Arbeit und den Beruf des Künstlers die Zusammenarbeit behindern. Künstler, die Erfahrung mit unternehmensbezogenen Projekten haben, berichten von Unwissenheit, Klischees und einem Mangel an Respekt seitens der Unternehmensvertreter (so auch Henze 2013, S. 70).7 Der Umgang ist wohl nicht selten jovial und von freundlicher Herablassung geprägt. Künstlern wird die Rolle von Bittstellern zugewiesen (John 2007, S. 318), was – in Bezug auf die Arbeit mit Unternehmen – deren Selbstverständnis als Dienstleister und der erwünschten respektvollen Kommunikation »auf Augenhöhe« zuwiderläuft. »Können die [Künstler] überhaupt betriebswirtschaftlich arbeiten? Arbeiten die überhaupt? […] Das ist ja mein Vorbehalt.« (Unternehmensvertreterin 12, Geschäftsführerin einer Agentur, 10.3.2015) 6 | Für Beispiele vgl. Sigmund 2013, S. 182, und die Fallstudie dm (S. 261ff., besonders S. 263) in diesem Handbuch. 7 | Zu Vorurteilen gegenüber Künstlern vgl. auch Abschnitt 4.3.
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3. I nformationsdefizit Unternehmen wie Künstler müssen in der Phase der Anbahnung einer Kooperation verschiedene Informationsprobleme lösen, die je nach Ausgangslage unterschiedlich gravierend sind. Manchmal ergeben sich Kontakte durch puren Zufall oder aus Bekanntschaften entsteht bei gegebenem Anlass eine Zusammenarbeit. In der Regel kostet die Suche und Auswahl eines geeigneten Partners jedoch Zeit und Mühe, weil die Akteure einander nicht kennen. Das zukünftige Verhalten des potenziellen Partners und die Wahrscheinlichkeit, dass die Zusammenarbeit erfolgreich verläuft, lassen sich nur bedingt einschätzen. Sie treffen eine Entscheidung unter Unsicherheit und es hängt von ihrer Risikoneigung ab, ob sie einander Vertrauen entgegenbringen und eine Kooperation eingehen (Weibel 2004, S. 133f.).
3.1 Kontaktdefizit Unternehmen, die für eine Zusammenarbeit aufgeschlossen sind, präferieren Formen der Information, die unverbindlich und wenig zeitintensiv sind (Baumgarth et al. 2014, S. 25). Auch Künstler thematisieren den Zeitaufwand. Bildende Künstler z.B. wollen sich auf ihre Arbeit konzentrieren, anstatt sich mit dem Vertrieb ihrer Werke zu belasten (Kurz 2014, S. 149). Diese Haltung findet sich auch in Bezug auf eine Kooperation mit Unternehmen. »Ich habe die Recherche gescheut, mich sachkundig zu machen. Es bringt mich aus meinem Prozess des Schaffens heraus. Ich muss mir Zeit freischaufeln.« (Künstlerin 5, Malerin, 27.2.2014)
Den Zugang zu Unternehmen zu finden, ist für Künstler schwierig, es sei denn, sie haben persönliche Beziehungen zu Entscheidern.8 Ohne solche Kontakte brauchen sie Fürsprecher, die eine offene Haltung zur Kunst zeigen (Strauß 2007, S. 62). Wer die richtigen Ansprechpartner sind und in welchen Unternehmen sie zu finden sind, ist für die außenstehenden Künstler schwer auszumachen. »Die Türöffner sind das A und O. Sobald man einen Türöffner hat, dann werden die Hemmungen weniger. Dann nimmt man sich auch die Zeit.« (Künstler 7, Maler, 27.2.2014)
Künstler nehmen eine aktive Kontaktpflege als Belastung wahr, zumal sich der Aufwand nicht immer auszahlt (Loacker 2010, S. 328-330). Viele entwickeln eine ausgesprochene »Abneigung gegenüber Selbstvermarktungs-Aktivitäten« (Loacker 2010, S. 338), auch weil sie sie als peinlich empfinden. 8 | Beispiel WARSTEINER Art Collection, http://warsteiner.de/artcollection/2013/stefanstrumbel (letzter Abruf: 18.3.2015).
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Unternehmen, die für eine Zusammenarbeit mit Künstlern aufgeschlossen sind, greifen Empfehlungen Dritter auf (Arts & Business 2004, S. 28) oder sprechen gezielt Künstler an, die z.B. durch Ehrungen öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. Manche Konstellationen beruhen jedoch schlicht auf absichtslosen Zufallsbekanntschaften, die weder von Unternehmen noch von Künstlern aktiv steuerbar sind.
3.2 Mismatch Das Problem des Unternehmens und die Problemlösungsfähigkeit des Künstlers müssen kompatibel sein. Unternehmen haben aber heterogene Bedürfnisse und Künstler sind unterschiedlich talentiert (Caves 2006, S. 543). Sowohl Unternehmen als auch Künstler müssen in der Lage sein, die Problemstellung und den geeigneten künstlerischen Lösungsansatz zu erkennen und zur Deckung zu bringen, also auf einer abstrakten Ebene die betriebliche Aufgabenstellung und die individuellen Kompetenzen aufeinander zu beziehen (Matching). Im Vorfeld einer Kooperation ist das vor allem dann schwierig, wenn das Problem noch unstrukturiert ist und situationsbezogene Lösungsansätze im Grunde erst im Rahmen der Zusammenarbeit erarbeitet werden können. Dass es einen unmittelbaren Fit zwischen dem Thema des Unternehmens bzw. seinen Merkmalen (z.B. Unternehmensphilosophie, Produktpalette, Werkstoffe) und den Themen oder der Arbeitsweise (z.B. bevorzugte Sujets, Materialien und Techniken) eines Künstlers gibt, den die potenziellen Partner ohne großen Rechercheaufwand identifizieren könnten, ist eher selten. »Nicht jeder Künstler ist für jede Aufgabe geeignet.« (Norbert Schulz, art matters, 17.3. 2014) »Ich wüsste nicht, welche Auswahl ich treffen sollte. Es muss ja auch ein bisschen zu meiner Arbeitsweise passen.« (Künstlerin 1, Malerin, 27.2.2014)
Bei kunstbasierten Kooperationen scheinen die erwarteten Such- und Informationskosten, die anfallen, um überhaupt einen passenden Kooperationspartner zu finden, für beide Seiten eine der größten Barrieren zu sein. Eine Ausnahme sind künstlerische Angebote, die sich bereits als Produktgattung etabliert haben, wie z.B. das Unternehmenstheater. In diesem Fall ist die Vorgehensweise im Kern standardisiert und wird ggf. unternehmensspezifisch modifiziert. Typische Problemstellungen lassen sich vergleichsweise einfach kommunizieren, so dass die Wahl eines passenden Anbieters erleichtert wird.
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3.3 Qualitätsunsicherheit »Ich konnte also keinen Auftrag annehmen, sondern nur etwas versuchen und das Ergebnis anbieten.« (Gerhard Richter zit.n. o. V. 2001).
Was Gerhard Richter in Bezug auf einen Bilderzyklus beschreibt, der übrigens Museumsqualität hat, aber nach seiner Fertigstellung von den Auftraggebern abgelehnt wurde, erinnert an eine typische Situation in kunstbasierten Kooperationen. Die Zusammenarbeit ist ein »beidseitiges Unsicherheitsgeschäft« (Adler 1996, S. 76). Der Künstler kann nicht prognostizieren, wie die Leistung ausfallen wird, und das Unternehmen muss damit rechnen, dass er nicht willens oder in der Lage ist, die Erwartungen zu erfüllen bzw. den Vorstellungen des Unternehmens zu entsprechen, was die künstlerische Qualität der Arbeit jedoch nicht zwangsläufig schmälert. Im Gegenteil: Ein Entwurfswettbewerb für eine Marketing-Kampagne zeigte z.B., dass die ersten Entwürfe, bei denen die Unternehmensvertreter noch nicht interveniert hatten, besser waren (Shaw 2004). Die Kooperation verpflichtet Unternehmen und Künstler zu Leistungen in der Zukunft. Dabei geht es um die »Produktion« von sogenannten Kontraktgütern, d.h. um unternehmensspezifische Leistungen, die mitunter aus einer offenen Aufgabenstellung heraus gemeinsam entwickelt werden. Die Kooperationspartner schließen also einen Vertrag über »Leistungsversprechen, deren Modalitäten nicht abschließend geregelt werden« (Kaas 1994, S. 249). Dabei geht es meistens um komplexe Dienstleistungen, deren Ergebnis sich regelmäßig erst beurteilen lässt, nachdem die Leistung erbracht wurde, nachdem also z.B. eine künstlerische Intervention umgesetzt wurde (Erfahrungseigenschaften). Manchmal lässt sich das Ergebnis nur mit hohem (finanziellen) Aufwand oder überhaupt nicht ermitteln (Vertrauenseigenschaften), wie z.B. die Image-Wirkung von Kampagnen-Motiven oder die Lernprozesse bei Mitarbeitern und ihr Einfluss auf arbeitsbezogenes Verhalten (Darby/Karni 1973, S. 68f.). Die Verantwortlichen im Unternehmen müssen also eine Entscheidung unter Qualitätsunsicherheit treffen, die sich nicht allein auf die künstlerische Qualität bezieht. Dieses Informationsproblem birgt jedoch für das Unternehmen das größte Risiko, weil die Akteure in der Regel keine »expert buyer« sind (Adler 1996, S. 74). Aber nicht nur Unternehmensangehörige, denen die nötigen Fachkenntnisse fehlen, haben Schwierigkeiten, eine künstlerische Arbeit zu beurteilen. Die künstlerische Qualität eines Werkes ist ein Konstrukt, das von gesellschaftlichen Anspruchsgruppen entwickelt und definiert wird. Der Wert und die Bedeutung eines Kunstwerkes hängen davon ab, wie es von den Adressaten wahrgenommen und verarbeitet wird. Das Qualitätsurteil richtet sich nach der individuellen Wahrnehmung und der subjektiven Beurteilung des Betrachters. Ein Werk kann nicht nach objektiven Maßstäben beurteilt werden, es ist nicht einmal möglich, es zweifelsfrei als Kunstwerk einzuordnen (Bonus/Ronte 1997, S. 104; Kurz 2014, S. 45f., 167f.).
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Auch wenn die Anforderungen, die das Unternehmen an die Leistung stellt, nicht notwendigerweise diejenigen Maßstäbe sind, die der Kunstmarkt oder die Kunstkritik anlegen, bleibt das Problem der Kennerschaft. »Diese Kennerschaftslücke ist um so [sic!] größer, je innovativer und folgenreicher, also wünschbarer, die kulturelle Erzeugung ist.« (Oevermann 2007, S. 20) Bei kunstbasierten Kooperationen, die auf eine Außenwirkung abzielen, werden die Folgen von Fehlentscheidungen zudem noch öffentlich sichtbar und damit das Arrangement als solches riskanter (Oevermann 2007, S. 20). Reputation ist ein wirkungsvolles Signal, um Qualitätsunsicherheit zu reduzieren (Adler 1996, S. 91). Künstler werden von Unternehmen als glaubwürdig wahrgenommen, wenn sie ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Kunst haben, sich als Künstler verstehen und als solche öffentlich sichtbar sind (Berthoin Antal 2012, S. 62). Künstler, die auf Referenzen in Unternehmenszusammenhängen verweisen können, sind im Vorteil, denn Reputationstransfer ist der wichtigste Treiber für kunstbasierte Kooperationen (Arts & Business 2004, S. 28). »Dann nehmen die [Unternehmen] oft in solchen Fällen einen Künstler, der einen Namen hat. Da sind sie sicher. Die wollen kein Risiko eingehen.« (Künstlerin 5, Malerin, 27.2.2014)
Unbekannten Künstlern und Künstlern, die keine Erfahrungen mit Unternehmen als Auftraggeber oder Partner haben, fehlt diese Reputation. Häufig fehlen ihnen die Mittel und die Kontakte, um sich durch Kommunikation eine Reputation bei Unternehmen aufzubauen (Kurz 2014, S. 149).
3.4 Verhaltensunsicherheit »Manche [Unternehmen] befürchten, die gewohnte Kontrolle zu verlieren.« (Peer Holthuizen, 3x3, 11.3.2015)
Bedenken von Unternehmen, dass Künstler nicht kontrollierbar seien, sind eine weitere Hürde für kunstbasierte Kooperationen. Die Angst der Führungskräfte vor Kontrollverlust richtet sich dabei nicht nur auf die Person des Künstlers, sondern auch auf die Wirkungen, die eine künstlerische Intervention bei den Mitarbeitern entfalten kann. Was das Verhalten von Künstlern angeht, haben solche Bedenken ihren Ursprung in der Arbeitsweise, im Selbstverständnis und im Habitus von Künstlern. Der Künstler muss »er selbst« bleiben, um eigenständig künstlerisch tätig sein zu können. Da künstlerische Arbeit an den persönlichen Ausdruck und Gestaltungswillen gebunden ist, ist sie »unmittelbar . lebenspraktischen Krisen ausgesetzt« (Tänzler 2007, S. 125). Dies impliziert eine Unberechenbarkeit, die der Systemlogik von Unternehmen widerspricht und ein Kooperationsrisiko birgt. Krisen sind Teil der meisten künstlerischen Prozesse. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein Künstler an einer Aufgabe gänzlich scheitert. Während ein
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Scheitern im Unternehmenszusammenhang negativ besetzt ist und gravierende (finanzielle) Folgen haben kann, wird es in der künstlerischen Arbeit in der Regel als weiterführende Erfahrung interpretiert und produktiv gewendet (Brater et al. 2011, S. 172f.; Berger o.J., S. 11). Anders als Unternehmensangehörige bewegt sich der Künstler im Kunstsystem nicht in einer Hierarchie, sondern in einer Heterarchie, d.h. in einem System mit flexibler Ordnung, das von Selbstorganisation geprägt ist. Kreative Prozesse lassen sich nicht in rigide Strukturen einordnen; sie brauchen Freiräume und Fehlertoleranz (Tschacher/Tröndle 2005, S. 143, 146). Der Künstler »tendiert eher zum schöpferischen Chaos denn zu Etikette und Ordnung« (Bonus/Ronte 2002, S. 48). Der »geregelte Regelbruch«, die Handlungsmaxime der Künstler (Tschacher/ Tröndle 2005, S. 145), taucht in Unternehmen selten als Organisationsmuster auf. »Ich habe den Eindruck ich benehme mich immer daneben, weil ich die hierarchischen Strukturen [nicht kenne]. […] Das ist für mich immer wieder eine Schwierigkeit, ich kann überhaupt nicht so denken, wie die denken. […] Ich will es auch gar nicht. Ich merke dann, ich habe so einen inneren Widerstand, dieses verstehen zu wollen.« (Künstlerin 4, Objektkünstlerin, 27.2.2014)
Auch Künstler müssen damit rechnen, dass sich der Kooperationspartner anders als erwartet verhält und Vereinbarungen nicht einhält. Ideen-Diebstahl und die schlechte Zahlungsmoral von Unternehmen, sind ein potenzielles Risiko, das Künstler, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben, antizipieren.
4. K ulturdistanz Kultur steht für die Summe von Werten und Normen, die das Verhalten in einem sozialen Bezugssystem prägen. Da das Umfeld Verstöße gegen diese Konventionen und Codes (Kleiderordnung, Körperhaltung, Sprache etc.) sozial oder emotional sanktioniert, setzt Kultur Anreize für akzeptables Verhalten und schafft stabile Verhaltenserwartungen, die Unsicherheit reduzieren (Göbel 2002, S. 263; Kautonen 2006, S. 103). Kulturelle Unterschiede wie die zwischen Kunst und Wirtschaft als sozialen Systemen mit unterschiedlichen Handlungslogiken und kommunikativen Codes (Baecker 2005, S. 124; Haltern 2014, S. 11f.) bewirken das Gegenteil.
4.1 Wertdissens Selbst Künstler, die grundsätzlich bereit sind, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, lehnen entsprechende Offerten ab, wenn sie Vorbehalte gegenüber dem Unternehmenszweck oder bestimmten Geschäftspraktiken haben, die ihren persönlichen Wertvorstellungen widersprechen (Henze 2013, S. 70).
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Abgesehen von solchen einzelfallbezogenen Bedenken, sind für kunstbasierte Kooperationen die Unternehmens- bzw. Organisationskultur und die Professionskultur der Künstler relevant. Die Organisationskultur umfasst Verhaltens- und Handlungsmuster, Beziehungen und Rollen sowie explizite und implizite Werte innerhalb einer Organisation (Stark/Dell 2012, S. 329). Analog dazu besteht eine Professionskultur aus Werten, Regeln und Symbolen, die von den Angehörigen eines Berufsstandes geteilt werden. Sie ist mit den Arbeitsinhalten und dem gesellschaftlichen Status der Profession verknüpft (Hall 2005, S. 188). »Wenn ich als Künstler nicht weiß, wie ist deren Sprache, wie muss ich mich benehmen, dass ich überhaupt einen Fuß über deren Schwelle bekomme, wird es total schwer. Man muss mit den Gepflogenheiten des Unternehmens, mit der nüchternen Art zu denken und Ziele festzuzurren vertraut sein.« (Dagmar Frick-Islitzer, kubus Kulturvermittlung, 23.10.2013)
Unabhängig von ihren jeweiligen Ausprägungen haben Organisationen Kulturen, die Diskurs und Macht betonen (Wodack 1996, S. 10). Dagegen betont die Kultur der künstlerischen Berufe spartenübergreifend den Diskurs und die Autonomie. Eine kunstbasierte Kooperation ist insofern eine Art interkulturelles Arrangement, das nur dann getroffen wird und erfolgreich verläuft, wenn die Zusammenarbeit auf beiden Seiten von Offenheit, Wertschätzung, Verständnis und Respekt für den Partner geprägt ist. »Es muss ein gewisses offenes Klima vorhanden sein.« (Norbert Schulz, art matters, 17.3.2014)
Als zentraler Erfolgsfaktor für kunstbasierte Kooperationen gilt eine Unternehmenskultur, die den Bruch mit Routinen ermöglicht und Handlungsspielräume eröffnet. Das Adjektiv »verrückt«, mit dem sowohl Unternehmensangehörige als auch Intermediäre oft beschrieben werden,9 bringt die erforderliche unkonventionelle Haltung auf den Punkt, die in Unternehmen nicht selbstverständlich ist. Von Künstlern wiederum wird nicht nur Kommunikationsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit erwartet (Berthoin Antal 2012, S. 62), sondern auch, das »Verrücken« ihrer Einstellungen. Sie sollen ein Verständnis für unternehmerisches Handeln entwickeln und sich die »Sprache der Wirtschaft« aneignen (Schiuma 2011, S. 245).
4.2 Wahrnehmungsverzerrung Die Forderung nach Anpassung, die über Erwartungen an Empathie-Fähigkeit weit hinausgeht, steht im Widerspruch zu dem, was Künstler für Unternehmen 9 | Vgl. die Fallstudie Detecon International (S.283ff., hier S. 290) und den Beitrag von Zünkeler (S. 409ff., hier S. 411) in diesem Handbuch.
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als Partner überhaupt erst interessant macht: das Neue, Anders- und Fremdartige, das nur durch Authentizität erhalten bleibt (Ullrich 2013, S. 121). »Ich bin kein Manager und als solcher tret’ ich da auch nicht auf.« (Künstler 14, Maler, 26.1.2015)
Manche Künstler präsentieren sich in Unternehmen so, dass ihr Auftreten und ihre Umgangsformen von Managern als unangemessen wahrgenommen werden. Beschreibungen wie »der stets korrekt gekleidete [Unternehmer] und die eher strubbeligen [Künstler]« (Bergmann 2012, S. 159) deuten mögliche Irritationen an, die je nach individueller Toleranz-Schwelle die Kooperationsbereitschaft tangieren können. Wenn Personen wenig voneinander wissen oder bestimmte Eigenschaften besonders hervorstechen, besteht die Gefahr, dass die Beurteilung des Gegenübers durch den sogenannten Halo-Effekt verzerrt wird. Eine einzelne Eigenschaft, die als negativ wahrgenommen wird, überlagert die objektive Bewertung anderer Eigenschaften, wie z.B. Qualifikation oder Zuverlässigkeit (Thorndike 1920). Dieser Effekt tritt nicht nur bei Künstlern oder Unternehmensangehörigen ein, sondern auch im Zusammenhang mit dem Unternehmensimage. »Das, was hier immer wieder durchscheint, ist eben die mangelnde Kenntnis des Gegenübers. […] Wir Künstler reden ja auch so über die Unternehmen und sagen: . [nennt einen Konzern] – keine Ahnung. Die machen böse Sachen. Und schwupp, das ganze Unternehmen […] Das ist ja von beiden Seiten aus.« (Künstlerin 16, Malerin, 26.1.2015)
Die Annäherung ist also eine Gratwanderung, denn vermutete bzw. tatsächliche Andersartigkeit kann entweder Neugier wecken und eine Zusammenarbeit befördern (Ullrich 2013, S. 120) oder verunsichern, und zwar auf beiden Seiten. »Für mich ist die Wirtschaft extrem weit weg, aber das wäre ja genau das Spannende.« (Künstlerin 27, Choreographin, 4.11.2014) »Beide haben Angst voreinander.« (Künstlerin 16, Malerin, 26.1.2015)
Diese Ängste beruhen teilweise auf den Mechanismen sozialer Wahrnehmung. Künstlern wie Managern werden vom jeweils anderen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die aus dem Verhalten und der nonverbalen Kommunikation abgeleitet werden (Personenwahrnehmung). Dabei kommt es zu Wahrnehmungsfehlern wie z.B. Vorurteilen, die sich kognitionspsychologisch erklären lassen (Herkner 1986, S. 360).
Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern
4.3 Vorurteile Der Anteil an Künstlern, die am Rande der Armutsgrenze leben und ihr Einkommen im Wesentlichen mit anderen Tätigkeiten bestreiten, ist hoch (Haak 2008). Daher werden Künstler in der Gesellschaft als prekäre Berufsgruppe mit geringem sozialen Status wahrgenommen (Müller-Jentsch 2005, S. 160). Sein unkonventioneller Lebensstil macht den Künstler zum sozialen Außenseiter. So »verstehen sich Künstler häufig als Antipoden einer zweckrational eingerichteten Welt und eines bürgerlichen Lebensstils« (Müller-Jentsch 2005, S. 160). Die gesellschaftliche Rolle, die ihm zugeschrieben wird, wird schließlich Teil des Habitus oder der Selbstinszenierung (Müller-Jentsch 2005, S. 161). Der Glaube, dass Unternehmenskulturen und die künstlerische Professionskultur unvereinbare Gegensätze bergen, schafft Stereotypen, die letztlich zu Vorbehalten gegenüber kunstbasierten Kooperationen führen (Berthoin Antal 2012, S. 56). Den Angehörigen der betreffenden Gruppe werden stark verallgemeinernd bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die innerhalb des eigenen Wertesystems teilweise negativ besetzt sind (Scollon/Scollon 2001, S. 168). »Ich habe die Erfahrung mit Vertretern der Vorstandsetage gemacht, dass diese in ihrem Kopf in einer abgeschlossenen Welt existieren und vom Leben nicht so viel verstehen. […] Sie kreisen in ihrem bekannten System. Es ist dann schwierig, etwas Neues zu übermitteln.« (Künstlerin 29, Lichtkünstlerin, 19.11.2014) »Es gibt ’ne Menge Künstler, die […] sind so was von mühsam und sperrig. Künstler sind egozentrisch.« (Unternehmensvertreter 17, CEO eines Beratungsunternehmens, 9.10.2014) »Viele Wirtschaftsleute haben Bedenken, mit Künstlern zusammenzuarbeiten, die gewöhnlich den Ruf haben, eher ein bisserl schwierig zu sein, Kostenexplosionen herzustellen, zeitlich nicht so zu funktionieren wie man es sich wünscht und auch mal einen falschen Ton gegenüber dem Vorgesetzten anzuschlagen.« (Norbert Schulz, art matters, 17.3.2014)
Dass künstlerisches Handeln auch noch eine andere Dimension hat, die Künstler im Prinzip zu vertrauenswürdigen Partnern für Unternehmen machen, wird oft übersehen und unterschätzt. Künstlerische Arbeit beruht auf einem starken inneren Antrieb. »It is in their blood. They live to create rather than create to live.« (Major 2014, S. 71) Künstler zeigen Persönlichkeitsmerkmale, die auch Managern abverlangt werden: Kreativität, Originalität, Neugier, Wahrnehmungsvermögen, Urteilskraft, Selbstvertrauen, Ehrgeiz und Flexibilität (Fillis 2014, S. 54).
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5. F a zit Barrieren für kunstbasierte Kooperationen sind kontextspezifisch. Abgesehen davon, dass der qualitative empirische Zugang eine Generalisierbarkeit der Erkenntnisse erschwert, haben die möglichen Hürden aus einer individuellen Perspektive jeweils unterschiedliches Gewicht. Wovon es abhängt, wie stark die identifizierten Faktoren ausgeprägt sind und welche unter welchen Bedingungen greifen, zeigt den verbleibenden Forschungsbedarf auf. Neben einer quantitativen Überprüfung der hier formulierten Hypothesen bieten beispielsweise die Innovationsund die Vorurteilsforschung Anknüpfungspunkte. Künstler scheinen grundsätzlich weniger Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit zu haben bzw. eher bereit zu sein, sich darauf einzulassen. »Die Angst vor der Unberechenbarkeit der Begegnung« (Chodzinski 2014, S. 264) scheint auf der Seite der Unternehmen stärker ausgeprägt zu sein. Auch diese These bedarf einer besseren empirischen Fundierung. Was erschwert die Anbahnung kunstbasierter Kooperationen? Neben inkompatiblen Zielen und Wertvorstellungen sind es vor allem wahrgenommene Risiken, die auf einem Mangel an Informationen beruhen. Unternehmen und Künstler »missverstehen sich, weil weder der Künstler einen (zumindest rudimentären) Einblick in den Alltag unternehmerischen Handelns hat, noch der Unternehmer einen eigenen Eindruck von (verschiedenen) künstlerischen Haltungen und Arbeitsweisen« (John 2007, S. 318). In einer solchen Situation können Intermediäre wichtige Funktionen übernehmen wie die Suche nach potenziellen Partnern, das Matching, das Monitoring der Qualität und die Koordination der Zusammenarbeit. Intermediäre ermitteln die Bedürfnisse und Erwartungen der potenziellen Partner an die Zusammenarbeit sowie die Chancen und Risiken der Kooperation. Sie klären, ob die Erfolgsvoraussetzungen für das Projekt erfüllt sind oder ggf. geschaffen werden können und moderieren den Aushandlungsprozess (Caves 2006, S. 543).10 Über Fachwissen hinaus muss ein Intermediär, der kunstbasierte Kooperationen anbahnt und begleitet, über systemische Beratungskompetenz verfügen. D.h. er braucht Fachkompetenz in Bezug auf die sozialen Systeme Kunst und Wirtschaft und deren unterschiedliche Handlungslogiken (Handler 2007, S. 432) und nicht zuletzt »interkulturelle Kompetenz«. Intermediäre müssen an beide Bereiche anschlussfähig sein und die kulturelle Distanz zwischen den Partnern überbrücken können (Schiuma 2011, S. 226f.; Berthoin Antal 2012, S. 60f.). Mit der Fähigkeit, beide Sprachen sprechen zu können (Schiuma 2011, S. 226), ist nicht nur der Jargon gemeint, sondern ein Verständnis für das gesamte Kommunikationsverhalten, die Werte und Einstellungen der Partner. Letztlich sind jedoch die Riskobereitschaft und das Vertrauen der Entscheider im Unternehmen der Schlüssel zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit. »Trifft 10 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Sandberg (S. 233ff.) in diesem Handbuch.
Kooperationsbarrieren zwischen Unternehmen und Künstlern
künstlerischer Schwung auf risikoaverses Verhalten in der Unternehmensführung, dann lässt sich selbst dem hilfebedürftigsten Unternehmen auch mit der besten Kunst nicht mehr helfen.« (Shaw 2004)
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Teil III: Ausgewählte Spielarten von Kunst-Unternehmens- Kooperationen
Markenführung mit Kunst Berührungspunkte und Kollaborationen zweier Welten Carsten Baumgarth
1. K unst und M arken : »L auf der D inge « »Lauf der Dinge« ist auf der einen Seite der Titel eines weltbekannten, rund 30-minütigen Kunstfilms der beiden Schweizer Künstler Peter Fischli (*1952) und David Weiss (*1946, †2012), die eine sog. Rube-Goldberg-Apparatur zeigt und erstmals 1987 auf der documenta8 vorgestellt wurde. Eine Rube-Goldberg-Apparatur, die ihren Namen nach dem US-amerikanischen Cartoonisten Reuben (Ruebe) Lucius Goldberg (*1883; †1970) erhielt, ist eine Nonsens-Maschine, die zwar tadellos funktioniert, aber ohne erkennbaren Nutzen. Dieser Kunstfilm inspirierte die Werbung und führte 2003 zu einem Werbespot für die Marke Honda Cog (YouTube 2008). Die beiden Schweizer Künstler klagten erfolglos gegen die Verwendung ihrer Idee in der Werbung. »Lauf der Dinge« kann auf der anderen Seite aber auch als Ausdruck für die seit langer Zeit zu beobachtende Nähe und Kollaboration zwischen Unternehmen und Marken auf der einen und Kunst und Künstler auf der anderen Seite dienen. Zunächst sind auf den ersten Blick Kunst und kommerzielle Marken zwei fremde und häufig auch antagonistische Welten. Allerdings zeigt eine vertiefte Analyse, dass es schon sehr lange Kollaborationen zwischen diesen beiden Sphären gegeben hat. Die Collage in Abbildung 1 visualisiert sieben Felder, in denen Unternehmen bzw. Marken mit Kunst in Berührung gekommen sind (ausführlich Baumgarth 2014a):
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Abb. 1: Collage historischer Berührungspunkte zwischen Kunst und Unternehmen Quelle: Baumgarth 2014a, S. 35 (1) Auftragskunst: Eine erste historische Form stellt die klassische Auftragskunst dar, bei der die Kirche, Herrscherhäuser, Kaufleute etc. Kunstwerke (überwiegend Bildende Kunst) in Auftrag gegeben haben und dadurch erst die Rahmenbedingungen für die Kunstproduktion schufen (z.B. Oevermann 2007; Hirschfeld 1968). (2) Reklame: Ein zweites historisches Feld der Kooperation zwischen Kunst und Wirtschaft stellen die Anfänge der Werbung dar, die damals noch als Reklame (z.B. Reklameplakate und -marken) bezeichnet wurde (z.B. Meißner 2004; Schweiger/Spicko 2008). (3) Branding: Ein drittes Begegnungsfeld stellt die Gestaltung des Branding wie Logo oder Design durch Künstler dar (z.B. Böcher 1994). (4) Künstler als Testimonial: Eine weitere Schnittmenge zwischen Kunst und Wirtschaft bildet der Einsatz von Künstlern als Testimonials für Unternehmen und Produkte (z.B. Albus/ Kriegeskorte 1999). (5) Kunstbasierte Interventionen: Ferner wurden und werden unter der Bezeichnung kunstbasierte Interventionen Kunst und künstlerische Techniken in der Organisations- sowie Personalentwicklung eingesetzt und erforscht (z.B. Berthoin Antal/Strauß 2013; Nissley 2010; Darsø 2004). Beispiele sind Kunst am und im Bau oder Einsatz von künstlerischen Techniken (z.B. Schauspiel, Dirigieren) in Trainingsprogrammen.
Markenführung mit Kunst (6) Ressourcennutzung durch Künstler: Darüber hinaus finden sich in der Historie und Gegenwart Künstler, die mit Unternehmen kooperieren, da letztere neben Geld bestimmte Ressourcen (z.B. Maschinen, Know-how in der Logistik) besitzen, die der Künstler für seine Kunst benötigt. (7) Kunstsammlungen: Einen letzten Berührungspunkt bilden Kunstsammlungen von Unternehmen (Corporate Collections) (z.B. Conzen/Salié 2012; Kottasz/Bennett/Savani/AliChoudhury 2008).
Diese skizzierten Felder verdeutlichen, dass es schon seit Langem und in vielfältiger Weise Berührungspunkte zwischen Kultur und Unternehmen gegeben hat. Allerdings sind diese Berührungspunkte bislang kaum systematisch mit der Markenführung verknüpft worden. Die wissenschaftliche Forschung hat sich bislang nur spärlich mit dieser Schnittstelle beschäftigt (Ausnahmen: Baumgarth 2014a, b; Baumgarth/Lohrisch/Kastner 2014; Heusser/Imesch 2006; Meffert 2001; Hagtvedt 2008a, b; Huettl/Gierl 2012). Hingegen war das Verhältnis zwischen Marke bzw. Werbung und Kunst schon öfters Gegenstand von Ausstellungen und musealen Konzepten (z.B. Baumgarth 2014c; Schweiger/Spicko 2008; Meißner 2004; Albus/Kriegeskorte 1999; Geese/Kimpel 1982). Die fehlende systematische Auseinandersetzung und das damit ungenügende Wissen führt zum einen dazu, dass Markenverantwortliche bestenfalls zufällig oder aus einem persönlichen Interesse an die Integration von Kunst in die Markenführung denken. Zum anderen wird dadurch verhindert, dass Künstler dieses Feld als zusätzliches Tätigkeits- und Einkommensfeld erkennen und nutzen. Zielsetzung des Beitrags ist es daher, beide Seiten – Kunst und Unternehmen – für die Potenziale von Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) im Markenkontext zu sensibilisieren.
2. M arkenführung : E in Ü berblick Markenführung umfasst alle bewussten Entscheidungen des Managements, um eine Marke aufzubauen oder zu pflegen. Dabei wird eine Marke nachfragerorientiert interpretiert, d.h. sie zeichnet sich durch einen hohen Bekanntheitsgrad, ein differenzierendes Image und eine ausgeprägte Präferenz aus (Baumgarth 2014d). Zur Systematisierung der Markenführung gibt es in der Literatur eine Vielzahl von Ansätzen (z.B. Burmann/Halaszovich/Hemmann 2012, S. 92; Chernatony 2010, S. 100; Keller 2013). Hier sollen, wie Abbildung 2 zeigt, sechs Felder, die alle interdependent sind, unterschieden werden (Baumgarth 2014d, S. 32).
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Abb.2: Zentrale Entscheidungsfelder der Markenführung Im Rahmen der Markenpositionierung als Basis der Markenführung wird die Sollposition der Marke festgelegt. Im engen Zusammenhang zur Markenpositionierung steht die Markenstrategie, die im Kern die Beziehungen zwischen den Marken und Leistungen eines Unternehmens definiert. Typische Markenstrategien sind Entscheidungen über die Markenbreite und -tiefe, die Anzahl der Marken (Markenportfolio), die Verknüpfung mehrerer Markenebenen (Markenhierarchie) sowie die Übertragung bestehender Marken auf neue Leistungen (Markentransfer). Das Branding umfasst alle Symbole, welche die Marke kennzeichnen, wiedererkennbar machen und deren Positionierung zum Ausdruck bringen. Typische Brandingelemente sind der Name, das Logo, die Typographie, das Soundlogo, das Produktdesign, die Architektur, der Geruch etc. Die Markenanreicherung umfasst die bewusste Verbindung der eigenen Marke mit einem zusätzlichen Imageobjekt wie Regionen, andere Marken, Personen etc., um Aufmerksamkeit für die eigene Marke zu erzeugen oder positive Imagetransfereffekte auf die eigene Marke zu fördern. Die Markenverankerung (synonym: Interne Markenführung, Behaviorial Branding) hat zur Aufgabe, die Markenwerte und die Markenführung bei den eigenen Mitarbeitern intern zu verankern. Das Markenorientierte Marketing schließlich umfasst die Umsetzung der Markenpositionierung und des Branding in die verschiedenen Marketinginstrumente wie Produkte, Kommunikation, Preis und Distribution.
Markenführung mit Kunst
3. P otenziale von K unst für die M arkenführung : F ünf I mpulse Kunst ist weder eine homogene Erscheinungsform noch sinnvoll und eindeutig zu definieren. Allerdings lassen sich trotz dieser Heterogenität und Unschärfe gemeinsame Merkmale identifizieren, welche den meisten realen Kunstbeispielen gemeinsam sind. Aus dieser Sammlung werden im Weiteren fünf Merkmale ausgewählt und diskutiert, welche gleichzeitig Potenziale für die Markenführung aufweisen.
3.1 Inspiration und Kreativität Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass dieser ein kreativer und schöpferischer Prozess zugrunde liegt und die Ergebnisse die Rezipienten inspirieren und bestenfalls die eigene Kreativität fördern. Marken können diese Kreativität der Kunst als Ressource in vielfältiger Weise nutzen und diese in unterschiedliche Entscheidungsfelder der Markenführung integrieren. Beispielsweise wurden KUKs im Bereich der Markenpositionierung, der Markenverankerung und der Werbung1 bereits eingesetzt.
(1) Weiterentwicklung der Positionierung der Marke Dornbracht Das Familienunternehmen Dornbracht aus Iserlohn produziert Armaturen für Bad und Küche im Premiumbereich. Die Marke positioniert sich als innovatives Unternehmen und Vorreiter sowie Trendgeber der Branche. Seit 1996 fördert und initiiert Dornbracht künstlerische Projekte und Ausstellungen (Dornbracht 2015). Den Beginn dieser Kooperationen machte ein Auftrag von Dornbracht an verschiedene Künstler, das Thema Badkultur frei zu interpretieren. Das Ergebnis war die »Statement-Reihe«, welche für das Unternehmen zu einer Neuausrichtung in Form und Design der Produkte führte. Die Zusammenarbeit mit den Künstlern brachte neue Denkanstöße und wurde in den folgenden Jahren weiter vertieft (Täubner 2014). Bis heute kooperierte Dornbracht bislang mit über 75 Künstlern, engagiert sich im Bereich der zeitgenössischen Kunst und fördert kulturelle Projekte. Die Kunst hat sich im Laufe der Zeit bei Dornbracht als fester Bestandteil der Markenidentität etabliert. Sie fungiert nicht als schmückendes und dekoratives Beiwerk, sondern als Impulsgeber für neue Denkperspektiven und als Beobachter gesellschaftlicher Trends (Schöwing/Meiré 2013).
1 | Vgl. dazu auch ausführlich die Fallstudien aixigo (S. 297ff.) und BENEO (S. 321ff.) in diesem Handbuch.
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(2) Markenverankerung durch künstlerische Raumgestaltung bei der Marke Detecon Ein aktuelles Beispiel für die Integration von Kunst und Künstlern zur Markenverankerung stellt die neu bezogene Zentrale der Telekom-Tochter Detecon in Köln dar. In diesem Gebäude, welches für die Belegschaft einen Umzug von Bonn nach Köln bedeutete, wurden die Räume von insgesamt 15 Künstlern gestaltet (Laudenbach 2013)2 . Die unterschiedlich gestalteten Räume sollen die Philosophie des Unternehmens ausdrücken, Mitarbeiter inspirieren und diese miteinander ins Gespräch bringen.
(3) Kreation der Werbung bei tesa Pack Für tesa Pack wurde 2008 in Zusammenarbeit mit Jung von Matt/Neckar der amerikanische Klebekünstler Mark Khaismann (*1958) (www.khaismanstudio.com) engagiert, um die Stärke des Klebebandes auszudrücken. Insgesamt drei Motive (Body Builder, Sumo-Ringer, Boxer) entwickelte der Künstler, wobei dieser seine auch in freien Kunstwerken verwendete »Klebetechnik« einsetzte. Die Motive wurden in Fachmedien sowie als Plakate geschaltet (Jung von Matt/Neckar 2008). Abbildung 3 vergleicht seine eigene freie Kunst mit der Nutzung seiner Kreativität für die Werbung.
3.2 Ästhetik und Schönheit Kunst ist auch für Ästhetik und Schönheit verantwortlich. Viele Kunstwerke spiegeln zeitgemäße oder auch zeitlich überdauernde Schönheitsideale (z.B. Goldener Schnitt, Melodie und Harmonie in der Musik und im Tanz) wider. Diese Funktion kann auch für die Markenführung interessante Anknüpfungspunkte liefern. Beispielsweise sind einige Künstler für das Branding von Marken verantwortlich, unterstützen die Entwicklung und Gestaltung von Limited Editions (allg. Winter 2009)3 als spezielle Form des Markentransfers oder sind in die Live-Kommunikation von Marken eingebunden.
(1) Branding von Rolls-Royce Ein klassisches Beispiel für die Ästhetik bezogene Brandinggestaltung durch einen Künstler ist die ikonische Kühlerfigur »Göttin – The Spirit of Ecstasy« der Marke Rolls-Royce. Diese wurde durch den britischen Künstler Charles R. Sykes (*1875, †1950) unter seinem Pseudonym Rilette (www.rilette.com; Böcher 1994, S. 891f.) 1911 für die Automarke gestaltet.
2 | Vgl. dazu auch ausführlich die Fallstudie Detecon International (S. 283ff.) in diesem Handbuch. 3 | Vgl. dazu auch die Fallstudie WARSTEINER (S. 307ff.) in diesem Handbuch.
Markenführung mit Kunst
Abb. 3: Vergleich von »freier« Kunst und kunstbasierter Werbung am Beispiel Mark Khaishmann Quelle: Khaismann 2014; o. V. 2008
(2) Limited Edition von Villeroy & Bosch Ein Beispiel für Ästhetik bezogene Limited Editions liefert der Keramikhersteller Villeroy & Boch, der zur Weiterentwicklung seiner Produkte im Rahmen der »Second Glance Kampagne« mit dem amerikanischen Künstler Ebon Heath zusammengearbeitet hat. Entstanden ist unter anderem eine limitierte Edition von 100 Waschtischen mit drei-dimensionalen und dekorativen Grafikelementen. Zu dem Projekt gehörte außerdem das Erstellen einer Skulptur, welche dann auf verschiedenen Events in Berlin und anschließend während einer Roadshow in Shanghai, Moskau, London, Paris, New York und Milan vorgestellt wurde. Nach dieser Zusammenarbeit entwickelte Heath zudem ein Keramik-Typographie-Mobile aus 166 Buchstaben sowie Schmuck, welche ebenfalls während der Roadshow präsentiert wurden (Kaczor 2013; Second Glance 2013; Villeroy & Boch 2013).
(3) Live-Kommunikation von Olympus Nach 2013 hat die Kameramarke Olympus auch im Frühjahr 2014 in Berlin das Ausstellungskonzept »Photography Playground« (Olympus 2014) veranstaltet. In den baufälligen Opernwerkstätten haben insgesamt neun Künstler(-gruppen) ästhetische und fotografisch interessante und überraschende Kunstwerke aufgebaut, welche die Besucher mit ausgeliehenen Kameras selbst entdecken und festhalten konnten. Diese Live-Kommunikation, die durch Fotografieworkshops
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und Live-Programme ergänzt wurde, hat über 50.000 Besucher intensiv mit der Marke in Kontakt gebracht (vgl. Abbildung 4). Dieser Livekommunikationsansatz wurde auch in anderen Städten (u.a. Amsterdam, Hamburg, Köln, Zürich) umgesetzt und wird auch in 2015 fortgesetzt.
Abb. 4: Photographische Impressionen des Photography Playgrounds von Olympus 2014 Quelle: Carsten Baumgarth und Olympus
3.3 Aufmerksamkeit Kunst und Kultur kämpft regelmäßig auch um die Aufmerksamkeit des Publikums. Dabei entwickelt die Kunst- und Kulturszene durch ihre innewohnende Kreativität der Beteiligten immer wieder neue und überraschende Lösungsansätze wie temporäre Ausstellungen, ungewöhnliche Ausstellungs- und Kunsträume, Aktionskunst, Urban Art etc. (Gashi 2013, allg. zum Potenzial der Urban Art für die Markenführung Baumgarth 2015). Weiterhin kann die Integration von Kunst an sich, zu einer Erhöhung der Aufmerksamkeit in klassischen Medien (PR-Funktion) oder zu einer verstärkten Word-of-Mouth-Kommunikation führen. Dabei kann die Kunst im ersten Fall Ansätze wie das Guerilla-Marketing (allg. Hutter/Hoffmann 2013) indirekt durch Anregungen oder direkt durch die Beauftragung von Künstlern unterstützen. Der zweiten Richtung lassen sich spektakuläre Inszenierungen der Marke durch Künstler zuordnen, die durch die Besonderheit und die Story zu PR- und Word-of-Mouth-Effekten führen.
Markenführung mit Kunst
(1) Guerilla-Marketing-Kampagnen von Boxfresh Die 1989 gegründete englische Schuh- und Bekleidungsmarke Boxfresh kooperierte 2003 mit dem Street-Art-Künstler Solo One (*1971). Boxfresh produzierte Sticker und druckte mit Erlaubnis des Künstlers den Tag von Solo One direkt auf den Aufkleber. Solo One gab nicht nur seinen Namen und Tag, sondern verbreitete selbst auch die Aufkleber in London und weltweit (Reinecke 2012, S. 89). Aktuell arbeitet die Marke im Rahmen von Kommunikation und Produktdesign mit dem Street-Art-Künstler Josh Stika (*1986, www.jforjosh.com) zusammen, der schon mit vielen Marken wie Adidas, Play Station, Moet Chandon und Red Bull kooperierte. Abbildung 5 zeigt zwei Beispiele für die Kollaboration der Marke Boxfresh mit Street-Art-Künstlern.
Abb. 5: Street-Art-Techniken am Beispiel Boxfresh Quellen: Solo One: Reinecke 2012, S. 89; Josh Sika: Sika 2014
(2) PR- und WoM-Effekte der BMW art cars Ein interessantes Beispiel aus dem Pkw-Bereich ist das Konzept BMW art cars (BMW art cars 2014; Girst 2014). Im Rahmen dieses Konzeptes gestalteten seit 1975 in unregelmäßigen Abständen mittlerweile 17 etablierte und renommierte Künstler wie u.a. Alexander Calder (*1898; †1976), Robert Rauschenberg (*1925; †2008), Ernst Fuchs (*1930), Olafur Eliasson (*1967), David Hockney (*1937) und Cesar Manrique (*1919; †1992) BMWs, die häufig nach der Gestaltung auch jeweils an einem klassischen Autorennen (24-Stunden-Rennen Le Mans) teilnahmen. Weiterhin werden die art cars im eigenen BMW-Museum, auf Kunstmessen, bei Events und in Kunstmuseen präsentiert.
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3.4 Imagetransfer Kunst und Kultur weist als Kategorie aus Sicht des Publikums bestimmte (positive) Imagemerkmale wie Kultiviertheit, Exklusivität, Anspruch, Kreativität oder Rebellion auf. Diese Imagemerkmale werden mit einzelnen Künstlern entweder besonders stark verbunden oder noch um weitere Assoziationen ergänzt. Im Rahmen eines Imagetransfers können Marken durch explizite und nach außen sichtbare Zusammenarbeiten und Verbindungen mit Künstlern diese Imagefacetten auf ihre Marke übertragen bzw. diese stärken. Weiterhin lassen sich durch die Zusammenarbeit und Unterstützung von Kunst und Kultur ein Corporate Citzenship-Image stärken. Im Folgenden werden mit Werbung, mit einer strategischen und identitätsstiftenden Integration sowie Corporate Collections drei Beispiele für diesen Imagetransfereffekt skizziert.
(1) Testimonialwerbung am Beispiel Mazda In dem TV-Spot für das Modell Mazda 3 (2014) integrierte der japanische Autobauer u.a. den Multimediakünstler Phil Hansen (*1979) (Gäck 2014; o.V. 2014). Phil Hansen leidet an einer Nervenkrankheit, die sich in einem Zittern äußert und es ihm unmöglich macht, seine frühere Ausdrucksform (»Pointilismus«) weiter zu verfolgen. Nach einer Sinnkrise hat Phil Hansen dann neue Ausdrucksformen entwickelt und ist damit zu einem Star der internationalen Kunstszene avanciert. Diese Story über den Künstler, die in einem ausführlichen Video (YouTube 2014) multimedial nacherzählt wird, unterstützt die von Mazda angestrebte Positionierung (»Dinge grundlegend anders anzugehen als alle anderen«).
(2) Kunstbasierte Markenidentität bei Absolut Vodka Absolut Vodka ist ein Premium-Wodka aus Schweden, der 1993 auf dem deutschen Markt eingeführt wurde. Absolut positioniert sich auf dem Spirituosenmarkt als Lifestyle-Marke insbesondere durch die Einbindung von Kunst. Dadurch grenzt sich die Marke von anderen Spirituosen-Herstellern ab, die sich eher über Reinheit, Geschmack und Herkunft positionieren. Die Integration von Kunst setzt Absolut seit 1979, in Deutschland entsprechend zur Markteinführung der Marke seit 1994 (Absolut 2015; GWA 2004, Baumgarth 2014b, c) ein und ist mittlerweile identitätsstiftend. Beispiele für die Integration von Kunst sind bei Absolut Vodka vielfältig und können hier nur angeschnitten werden. Exemplarisch zur langen Tradition der Einbindung von Künstlern gestalteten die Popart-Künstler Andy Warhol (*1928, † 1987) und Keith Haring (*1958, † 1990) in den 1980er Jahren Werbeplakate für Absolut Vodka im Rahmen der »Absolut Art Collection«. Mit dem 2010 ins Leben gerufenen Kunstförder-Projekt »Made« hat Absolut eine finanziell geförderte, aber unabhängige Avantgarde-Plattform und Galerie geschaffen, welche Künstler oder auch Kunstevents präsentiert sowie eigene Projekte vorstellt (Made 2014). Im Rahmen der Kampagne »Absolut Unique« wurden die Flaschen mit einer speziellen Sprühmaschine individuell gestaltet. Jede der
Markenführung mit Kunst
fast vier Millionen Flaschen wurden dadurch mit einem einzigartigen Design versehen (Connolly 2013). Auch die offizielle Homepage von Absolut Vodka informiert insbesondere auf der Startseite viel stärker über Künstler und Kunstevents als über das Produkt selbst (Absolut 2015). Derzeitige Kollaborationen bestehen mit der Modedesignerin Yiqing Yin (*1985), dem Musiker Woodkid (*1983), dem Digitalmedienkünstler Aaron Koblin (*1982) sowie Comickünstler Rafael Grampá (*1978). Im Rahmen der Kampagne »Transform Today« wurden alle vier Künstler auf Werbepostern in Szene gesetzt und als Hauptfiguren in einen TV-Werbespot für Absolut Vodka eingebunden. Im Mai 2014 wurde in Zusammenarbeit mit dem Künstler Zhivago Duncan (*1980) mit Absolut Berlin die erste Limited Edition der Städtereihe einer deutschen Stadt eingeführt.
(3) Corporate Collections als Ansatz des Corporate Citizenships am Beispiel Würth Die weltweit im Bereich Befestigungs- und Montagematerial tätige Würth-Gruppe baut bereits seit den 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Kunstsammlung auf. Während diese heute rund 16.000 Kunstwerke umfassende Sammlung zu Beginn überwiegend intern in den Verwaltungsgebäuden präsentiert wurde, sind Großteile der Sammlung seit 1991 in eigenen Museen der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich (Conzen/Salié 2012; Würth 2015). Dieses nach innen und außen wirkende Engagement lässt sich als ein Corporate Citizenship-Ansatz interpretieren.
3.5 Verknappung Kunst hat i.d.R. auch etwas mit Unikaten und Verknappung zu tun. Der Wert eines Kunstwerkes für den Kunstrezipienten hängt entscheidend auch von der Seltenheit (z.B. Unikat des Bildes, Livevorführung) ab. Auch wenn bspw. Andy Warhol durch seine »Fabrik« und die massenhafte Produktion dieses Prinzip aufhob, sind auch heute noch die meisten Kunstwerke Unikate oder werden, um höhere Preise rechtfertigen zu können, als Kleinserie (10er-Auflagen bei Fotografien) aufgelegt. Dieses Prinzip lässt sich auch in der Markenführung u.a. durch kunstbasierte Limited Editions und Pop-up-Stores (allg. Baumgarth/Kastner 2012) nutzen.
(1) Geschenkverpackungen und Kunstinstallation von Dom Pérignon Der amerikanische »Kitsch«-Künstler Jeff Koons (*1955) entwickelte zusammen mit der Champagnermarke Dom Pérignon 2013 eine limitierte Auflage von zwei Geschenkverpackungen (Dom Pérignon 2014). Darüber hinaus wurden in einer limitierten Auflage (650 Stück weltweit) zu einem Preis von 20.000 $ von Jeff Koons für diese Marke Getränkehalter in Anlehnung an seine »Balloon«-Skulpturen gestaltet (o.V. 2013).
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(2) Pop-up-Store von Louis Vuitton Im Luxusmarkenbereich ist die Zusammenarbeit mit Kunst und Künstlern eine häufig genutzte Option. Eine aktuelle Studie zeigt, dass rund 16 % aller Luxusmarken weltweit auf ihren Internetseiten über Kollaborationen mit Kunst berichten (Baumgarth/Lohrisch/Kastner 2014; Kastner 2014). Eine prototypische Luxusmarke für die starke Integration von Kunst ist die 1854 gegründete französische Marke Louis Vuitton, die in ihrer Geschichte immer wieder mit Künstlern zusammengearbeitet hat. Insbesondere Marc Jacobs, der zwischen 1997 und 2013 künstlerischer Direktor von Louis Vuitton war, hat die Zusammenarbeit mit der Kunst stark verändert und intensiviert. Aus der Vielzahl der Maßnahmen lässt sich der Pop-up-Store von Louis Vuitton in Zusammenarbeit mit der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama (*1929) als eine Maßnahme interpretieren, die durch die kurze Dauer (acht Wochen) und die Realisierung in einem einzelnem Geschäft in London das Unikatprinzip der Kunst auf die Warenwelt überträgt (Sofilium 2012).
4. Z usammenfassung und A usblick Die vorangegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass Kunst sehr wohl die Markenführung im kommerziellen Bereich befruchten kann. Tabelle 1 beurteilt zusammenfassend das Potenzial der fünf diskutierten Kunstmerkmale für die sechs Felder Markenführung. Markenpositionierung
Markenstrategie
Branding
++
+
Ästhetik & Schönheit Aufmerksamkeit
Inspiration & Kreativität
Imagetransfer Verknappung
+
Markenanreicherung
Markenverankerung
Markenorientiertes Marketing
+
++
++
+
+
+
++
+
+
+
++
++
+
++
++
++
+: mittleres Potenzial, ++: hohes Potenzial
Tab. 1: Potenziale der Kunst für die Markenführung
+
Markenführung mit Kunst
Wie Tabelle 1 zunächst zeigt, besitzt Kunst allgemein für alle sechs Felder der Markenführung Relevanz, wobei das markenorientierte Marketing im Sinne von Werbung, Live-Kommunikation und Ladengestaltung und die Markenstrategie im Sinne von Limited Editions am stärksten von KUKs profitieren können. Weiterhin belegt Tabelle 1, dass Kunst nicht nur ein Potenzial besitzt, sondern vielfältige positive Beiträge für die Markenführung leisten kann. Daher lohnt es sich sowohl für Markenverantwortliche als auch für Künstler sich verstärkt mit KUKs auseinanderzusetzen. Allerdings setzen ernsthafte Kollaborationen auf beiden Seiten das Vorliegen einiger Erfolgsfaktoren voraus, die thesenhaft im Weitern skizziert werden. Da diese Erfolgsfaktoren neben der Literaturrecherche überwiegend auf qualitativen Ansätzen (Fallstudien, Expertengespräche, Workshops), die im Rahmen des Forschungsprojektes Arts Push Business (www.arts-push-business.de) durchgeführt wurden, basieren, handelt es sich dabei nicht um belastbare empirische Evidenzen, sondern um eine erste, explorativ gewonnene Sammlung möglicher Erfolgsfaktoren.
(1) Markenverantwortliche Markenverantwortliche müssen zunächst erkennen, dass Kunst eine sinnvolle und wertvolle Ressource für die eigene Markenführung darstellen kann. Darüber hinaus sind folgende Erfolgsfaktoren zu beachten: • Bereitschaft und Neugier, sich auf Kunst und Künstler einzulassen und Künstlerklischees zu überwinden • Kunstexpertise auf bauen und Renommee in den Kunstmärkten erarbeiten • Künstler sind nicht als reine Dienstleister zu verstehen, sondern als Partner zu interpretieren, mit denen auf »Augenhöhe« und empathisch zusammengearbeitet wird • Einfluss von Kunst auf die Marke und deren Führung zulassen und Kunst nicht als »billige Dekoration« missbrauchen • Systematisch und professionell Künstler aussuchen und nicht dem eigenen Geschmack folgen oder nur auf private Kontakte zurückgreifen • KUKs als »normale« Ressource interpretieren und nicht als Hype-Thema oder als einmalige Aktion verstehen • Fair gegenüber Künstlern in Bezug auf vertragliche und geschäftliche Aspekte einer KUK verhalten
(2) Künstler Künstler müssen zunächst für sich selbst entscheiden, ob sie eine Zusammenarbeit mit Unternehmen und Marken überhaupt anstreben. Wenn ja, sind folgende Erfolgsfaktoren relevant: • Bereitschaft, sich auf Marken und Unternehmen einzulassen • »Frustrationstoleranz«, Selbstbewusstsein, verkäuferisches Talent und Fähigkeit andere zu begeistern
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• Sich selbst als Marke verstehen, positionieren und kommunizieren • Offenheit und Expertise nach außen signalisieren (z.B. Informationen über bisherige Kollaborationen mit Marken auf der eigenen Internetseite darstellen) • Gezielte Präsenz in der Marken- und Unternehmenswelt (PR, Events, Kooperationen mit Verbänden und Medien etc.) kreieren • Netzwerke in die Werbe-, Design- und Markenszene und zu Intermediären aufbauen • Mit eigenen Konzepten aktiv auf Unternehmen zugehen • »Markenkunst«, d.h. Integration von Marken in die eigene Kunst ohne eine Auftragsbeziehung, als Einstieg in KUKs nutzen • Professionalität entwickeln (z.B. eigene Internetpräsenz, Nutzung von Plattformen wie artsy.net, Briefing, Verträge, Projektplanung und -abwicklung etc.).
(3) Wissenschaftler Darüber hinaus liefert dieses Feld auch für Wissenschaftler ein interessantes und bislang kaum erforschtes Gebiet. Abschließend werden daher einige mögliche Fragestellungen für zukünftige Forschungsprojekte formuliert: • Markenwirkungen: Wie wirkt die Integration von Kunst auf die Konsumenten bzw. auf die Markenstärke? Hängt die Wirkung von der Kunstexpertise der Konsumenten ab oder wirkt Kunst auch bei Kunstlaien? Wie wirken unterschiedliche Kunstarten auf den Konsumenten (z.B. Fine Art vs. Urban Art)? Welche Rolle spielt der Fit zwischen Kunst und Marke für den Erfolg der jeweiligen Option (z.B. Limited Edition)? Steigt der Fit im Rahmen eines Markentransfers automatisch durch die Einbindung von Kunst (Hagtvedt/ Patrick 2008a; Huettl/Gierl 2012)? Wie wirken einmalige im Vergleich zu langfristigen KUKs auf die Marke? Hat nur »schöne« Kunst einen positiven Einfluss auf die Markenstärke oder auch »hässliche« oder kontroverse Kunst (Hagtvedt/Patrick 2008b)? • Markenführung: Wie lassen sich Künstler effektiv (Prozess, Tools) in die Formulierung von Markenpositionierungen einbinden? Sind kunstbasierte Markentransfers klassischen Markentransfer grundsätzlich überlegen? Erhöht die Einbindung von Künstlern die Kreativität und letztlich auch die Wirksamkeit von Werbung oder anderen Kommunikationsinstrumenten? • KUK-Management: Welche (spezifischen) Erfolgsfaktoren gelten für KUKs? Sind KUKs mit der Einbindung von Intermediären wie z.B. Agenturen effektiver als direkte Kooperationen? • Künstler: Welche Einstellung haben Künstler in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Marken? Sind diese Einstellungen der Künstler abhängig von der Kunstgattung, demographischen Merkmalen (z.B. Alter, Geschlecht, Aus-
Markenführung mit Kunst
bildung) oder dem Herkunftsland der Künstler? Welche Wirkungen haben KUKs auf den Künstler (»Markenstärke« des Künstlers, künstlerische Entwicklung, Reputationsgewinn oder -verlust in der Kunstszene, Verlust der Street Credibility von Urban Artists)?
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Kunst im Auftrag der Gegenwart Wirkungsfelder der Kunst im öffentlichen Raum Martin Schönfeld
1. E inleitung Das Stadtbild wird wesentlich von der Architektur und der Raumbildung ihrer Baukörper geprägt. Dazwischen formt sich der öffentliche Raum, der den Passanten Wegfeld und Bühne zugleich ist. Die Aufenthaltsqualität des Stadtraums hängt von vielen Faktoren ab: von der Stadtmöblierung, von der Durchgrünung oder der Intensität des Verkehrs. Sie sind Elemente des Gewöhnlichen. Überragt werden sie von dem Außergewöhnlichen, das nur so und nicht anders und nur an einem bestimmten Ort existiert. Das können Brunnen und Denkmäler sein, und das kann auch die Kunst im öffentlichen Raum sein, die einen Stadtraum bereichert und zu einer unverwechselbaren Erfahrungswelt werden lässt. Kunstwerke im öffentlichen Raum sind ein Ausnahmefall. Denn Kunst kostet Geld, und jeder Bauherr achtet auf die Kosten. Während in Deutschland private Investoren weitgehend frei von Kunst bauen, sind sie in großen Städten der USA verpflichtet, im Rahmen ihrer Bauvorhaben »Kunst am Bau« durchzuführen. Ähnliches wäre auch in Deutschland mit städtebaulichen Verträgen möglich. Doch scheuen die Verantwortlichen vor solchen Auflagen zurück, um die Investoren nicht zu verschrecken. Das führt beispielsweise in Berlin zu dem ernüchternden Resultat stereotyper Baublöcke mit austauschbaren Rasterfassaden. So konzentriert sich in Deutschland die Kunst im öffentlichen Raum weitgehend auf den vom Staat erteilten Kunstauftrag. Die heutigen »Auftragswerke« des Staates rufen oftmals Diskussionen hervor. Im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehend geben sie wichtige Anstöße für einen breiten Diskurs über die Gestaltung des Stadtraums, über aktuelle gesellschaftliche Fragen und über zeitgenössische Kunst. Die Kunst, die sich heute in den öffentlichen Raum begibt, findet immer eine vielfältige Resonanz. Ein solcher Aufmerksamkeitsfaktor durch und mit der Kunst könnte auch für die Wirtschaft ein attraktives Mittel sein, sich gegenüber der Gegenwart und ihren Zeitfragen aufgeschlossen darzustellen. Das setzt eine Offenheit auch für kritische Diskurse
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über das eigene Selbstverständnis voraus, die über bloße Repräsentationsinteressen hinausreicht. Entsprechende Beispiele der Wirtschaft für eine aktuelle Kunst im öffentlichen Raum stehen noch aus.
2. H intergründe und historische E nt wicklungen 2.1 Richtlinien Während für private Bauherren Vorgaben für künstlerische Gestaltungen fehlen, sind diese in der Bundesrepublik Deutschland für staatliche Baumaßnahmen vorgesehen. Die Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) sehen auch in ihrer jüngsten Fassung von 2013 im Kapitel K7 die »Beteiligung bildender Künstler« vor: »Bei Baumaßnahmen des Bundes sind Leistungen zur künstlerischen Ausgestaltung an bildende Künstler zu vergeben, soweit Zweck und Bedeutung der Baumaßnahmen dieses rechtfertigen.« Näheres wird durch einen »Leitfaden Kunst am Bau« des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in seiner Fassung von 2012 geregelt. Er präzisiert die RBBau nicht nur hinsichtlich der anzusetzenden Gelder für die Kunst, sondern auch hinsichtlich durchzuführender Wettbewerbe zur Auswahl der Kunst. Diese Richtlinien und Vorgaben erheben die Kunst im Rahmen öffentlicher Baumaßnahmen zu einer Aufgabe der öffentlichen Baukultur und der Kunstförderung durch den Staat. Auf der Grundlage der Vorgaben des Bundes haben sich einzelne Bundesländer eigene Richtlinien für die Durchführung künstlerischer Leistungen im Rahmen öffentlicher Baumaßnahmen gegeben. Im Land Berlin ist dies in der »Anweisung Bau« geregelt. Danach sollen ein bis zwei Prozent von Maßnahmen des Hochbaus, des Tief baus und des Landschaftsbaus für Kunst verwendet werden. Dabei sollen die Kunstmittel einen Höchstbetrag von 500.000 Euro nicht überschreiten, ein äußerst selten vorkommender Betrag.
2.2 Historische Entstehung Die Regelung für »Kunst am Bau« entstand in Deutschland vor dem Hintergrund schwerer wirtschaftlicher Probleme am Ende der 1920er Jahre. Der Reichswirtschaftsverband Bildender Künstler konnte das preußische Innenministerium 1928 zu einem Runderlass veranlassen, nach dem »beschäftigungslosen und in Not geratenen bildenden Künstlern Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten« im Rahmen kommunaler Bautätigkeiten geschaffen werden sollten (Büttner 2011, S. 150ff.). Der Gedanke der Wirtschaftsförderung der bildenden Künstler im Rahmen staatlicher Bautätigkeit erfuhr erst 1934 mit einem Erlass des Reichsministers der Finanzen seine Umsetzung in vielen Wandmalereien. Die nationalsozialistischen Großbauanlagen erhielten eine reiche bildhauerische Ausstattung.
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Nach 1945 wurden die staatlichen Vorgaben für Kunst am Bau in beiden deutschen Staaten neu aufgelegt: In der Bundesrepublik Deutschland mit einem Bundestagsbeschluss 1950 und in der Deutschen Demokratischen Republik mit einer »Verordnung« vom 16. März 1950, deren Vorgaben zur Kunst am Bau in einer »Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten« am 22. August 1952 konkretisiert wurden. Während man im Westen keine formalen Vorgaben machte, zielte in der DDR die Kunst am Bau in der Verordnung von 1950 auf Werke »volksnaher, realistischer Kunst«.
2.3 Die Auswahl der Kunst Der Runderlass des Preußischen Innenministeriums von 1928 sah die Hinzuziehung der Künstler zur Ausstattung der Architektur im Sinne einer Beschäftigungsmaßnahme vor. Wie und auf welche Weise die Künstler ausgewählt werden sollten, darüber machte er keine Aussage. Auch nach 1945 blieb das Auswahlprinzip weitgehend undefiniert. Immerhin legte der Bundestagsbeschluss 1950 fest, dass dies durch ein »Fach-Gremium« erfolgen soll. Die RBBau erwähnte 1957 die Möglichkeit eines Wettbewerbs und in ihrer Fortschreibung 1975 wurde die Durchführung von Wettbewerben für bedeutende Baumaßnahmen verbindlich. In der DDR sah demgegenüber die Anordnung vom 22.8.1952 vor, dass bei »größeren Vorhaben Wettbewerbe der Kunstschaffenden durchzuführen« sind. Tatsächlich fanden aber Wettbewerbe für Kunst am Bau oder Kunst im öffentlichen Raum in der DDR nur sehr selten statt. So bestand in beiden Teilen Deutschlands und auch über die Wiedervereinigung hinaus für lange Zeit ein relativ großer Spielraum hinsichtlich der Vergabe von öffentlichen Kunstaufträgen.
2.4 Der Kunstwettbewerb Der Wettbewerb ermöglicht Transparenz und Chancengleichheit im öffentlichen Kunstauftrag. Er gibt dem Auftraggeber die Möglichkeit, eine Aufgabenstellung von unterschiedlichen Kunstauffassungen bearbeiten zu lassen und daraus den geeignetsten Entwurf auszuwählen. Vor allem gibt der Wettbewerb einer Vielzahl von Künstlern die Möglichkeit, sich an einer konkreten Aufgabenstellung zu erproben. Spätestens seit Ende der 1970er Jahre konkurrierte der Wettbewerb mit dem sonst häufigen Direktauftrag. Der Gedanke der Beteiligung und Demokratie im öffentlichen Kunstauftrag verstärkte sich. Heute ist die Ausschreibung von Kunstwettbewerben für Kunst am Bau der Regelfall. Wettbewerbe erfordern Grundlagen und Strukturen. So wurden spätestens seit Ende der 1970er Jahre Fachkommissionen gebildet, welche die Wettbewerbe für Kunst am Bau vorbereiten. Einer der ersten dieser Fachausschüsse war in Berlin der Beratungsausschuss Kunst, der seit 1979 die Berliner Landesregierung in allen Fragen der Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum berät. In diesem
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Ausschuss arbeiten Künstler als Vertreter der Berufsverbände und der Akademie der Künste ehrenamtlich. Darüber hinaus sind Experten der Architektur und der Landschaftsarchitektur vertreten. Gemeinsam mit den Verwaltungen der Kultur und des Bauwesens beraten sie die Bauprojekte und sprechen Empfehlungen zur Durchführung der Kunstwettbewerbe aus.
2.5 Fachkommissionen als stellvertretender Auftraggeber Neben dem Berliner Beratungsausschuss Kunst verfügen auch die meisten Berliner Bezirke auf kommunaler Ebene über gesonderte Fachkommissionen, in denen die bezirklichen Baumaßnahmen beraten werden. Diese Projekte betreffen vor allem Schulerweiterungen, Sporthallen, bezirkliche Kindertagesstätten. Auch viele andere deutsche Städte verfügen über entsprechende Kunstkommissionen, so Dresden, Karlsruhe, Kiel, Köln, Leipzig, Mainz, München, Münster. Landesweite Fachkommissionen gibt es in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig Holstein. Die Fachkommissionen sind die Stützen der Wettbewerbskultur für Kunst im öffentlichen Raum in der Bundesrepublik Deutschland. Und das sind vor allem das Land Berlin und seine Bezirke, das Land Baden-Württemberg, das Land Bayern und seine Metropole München. Hier werden regelmäßig nichtoffene und offene Wettbewerbe für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum durchgeführt. Offene Wettbewerbe werden dabei vor allem in Bayern und Baden-Württemberg praktiziert. Die Fachbeiräte übernehmen in der Demokratie die Rolle des Auftraggebers. Als ein vielstimmiges Gremium unterscheiden sie sich von einem Kurator. Demgegenüber ist ein differenziert besetzter Kunstbeirat ein unpersönlicher Kurator, der auf seiner strukturell mehrstimmigen Arbeitsgrundlage zu einem kollektiven Auftraggeber wird. Erst der Fachbeirat ermöglicht es der Demokratie, ihrem Kunstauftrag die der Gesellschaft angemessene Diversität zu verleihen.
2.6 Zweckentfremdungen Während im Osten Deutschlands die »architekturbezogene Kunst« wesentlich zur Selbständigkeit breiter Künstlerkreise beitrug, ging es im Westen mit der Kunst am Bau für lange Zeit bergab. Schnell wurde sie als Brosche am Bauwerk verhöhnt und noch schneller wurden die Kunst-Mittel auch zweckentfremdet: Am bekannten West-Berliner Internationalen Congress Centrum (ICC) wurde das von den Architekten geschaffene Licht-Leit-System aus den Kunstmitteln bezahlt. Das rief den Protest der Künstler hervor. Auch die Verwaltung ging häufig eigenmächtig mit den Kunstmitteln um: Ein Schulamtsleiter eines Berliner Bezirks bekundete, dass er früher die Kunst am Bau selbst »entworfen« habe. Und oft wird bei Schulbauten die Kunst am Bau auch im Kunstunterricht erstellt.
Kunst im Auf trag der Gegenwar t
2.7 Die Neubelebung der Kunst im öffentlichen Raum Der Skandal um das ICC führte im Berliner Westen in den 1980er Jahren zu einer Neubelebung der Kunst im öffentlichen Raum. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1984-1987, der 750-Jahrfeier 1987 und der Europäischen Kulturhauptstadt 1988 standen zusätzliche, maßnahmeungebundene Mittel für Kunst im Stadtraum zur Verfügung. Sie fand ihren Ausdruck beispielsweise im Skulpturenboulevard auf dem Kurfürstendamm und in Giebelwandmalereien in den Stadterneuerungsgebieten der IBA in Berlin-Kreuzberg. In den 1980er Jahren wurde die Kunst im Stadtraum um das Thema der Erinnerungskunst erweitert. Dieses absorbierte seit den 1990er Jahren die maßnahmeungebundenen Mittel. Beide Bereiche der Kunst im öffentlichen Raum erfuhren seit den 1990er Jahren eine Belebung: Künstler strömten in die Stadt Berlin und brachten sich mit unkonventionellen Vorschlägen und künstlerischen Arbeitsansätzen in die Aufgabenfelder ein. Damit eröffneten sich inhaltliche und formale Erweiterungen. Auf diesem Wege verlor die Kunst am Bau ihren bürokratischen Beiklang und wurde von den Künstlern als ein herausforderndes Arbeitsfeld neu entdeckt. Zu dieser Entwicklung trug auch ein kontextbezogener Kunstansatz bei.
2.8 Gegenkraft zum Kunstmarkt Die Künstler erkannten in der Kunst im öffentlichen Raum ein inhaltliches Potenzial, das der Dominanz des Kunstmarktes entgegen stand und dessen formalästhetische Fokussierung thematisch überwand. Gegenüber den Verwertungszwängen als freischaffender Künstler eröffnet die Kunst am Bau eine inhaltliche Offenheit. Hier können Aussagen formuliert werden, die auf dem Kunstmarkt kontraproduktiv wirken würden. Und im Rahmen eines qualifizierten Wettbewerbswesens werden die Entwurfsideen unter künstlerischen Aspekten beurteilt und nicht unter der Verkaufsaussicht. Viele Künstler praktizierten Kunst im öffentlichen Raum auch als eine zeitgenössische Form politischer Kunst, denn sie ermöglicht eine gesellschaftliche Wirksamkeit. Kunst am Bau entsteht an einem konkreten Ort und eröffnet damit die Möglichkeit zu einer »barrierefreien« Begegnung zwischen der Kunst und dem Publikum. Der von Käthe Kollwitz geprägte Satz, »Ich will wirken in meiner Zeit«, erfährt in einer gesellschaftlich engagierten Kunst im öffentlichen Raum eine neue Bedeutung. In der Auftragskunst von einst konnten und können heute die Künstler ihren selbst gewählten Auftrag entwickeln. Die Neuentdeckung der Kunst am Bau wurde auch von einem gewandelten Auftragsverhältnis begünstigt. Der staatliche Kunstauftrag zielt heute vorrangig auf eine freiheitliche Kunstförderung, die eine selbstbestimmte Reaktion auf eine spezifische räumliche, soziale und ästhetische Situation zur Aufgabe stellt. Ein
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solches Auftragsverständnis eröffnet den Künstlern neue Handlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig bietet die Kunst am Bau den Künstlern weiterhin eine für die Gesamtheit der Künstler nicht unbedeutende zusätzliche Einnahmequelle.
3. W e ttbe werbe als G rundl age für Tr ansparenz und I nnovation 3.1. Der offene Wettbewerb Das Grundprinzip der Chancengleichheit verkörpert der offene Wettbewerb, an dem sich jeder professionelle Künstler beteiligen kann. Offene Wettbewerbe verfügen über das besondere Potenzial, innovative Lösungsvorschläge zu erlangen. Darüber hinaus bieten sie auch noch unbekannten Künstlern sowie dem künstlerischen Nachwuchs eine Entwicklungsmöglichkeit. Da offene Wettbewerbe eine hohe Beteiligungszahl finden, wird dessen Arbeitsaufwand von der Verwaltung gescheut. Sie bevorzugt nicht offene Wettbewerbsverfahren mit einer kleinen Teilnehmerzahl. Für die Künstlerauswahl führen einige Auslober so genannte Teilnahmewettbewerbe durch. Diese rein formalen Bewerbungsverfahren fordern keine künstlerischen Entwurfsleistungen, sondern Bewerbungen mit vorliegenden Werkbeispielen. Damit sind die etablierten Künstler, die entsprechende Arbeitsleistungen vorweisen können, bevorzugt. An Teilnahmewettbewerben wird häufig die intransparente Auswahl, die der Auslober vornimmt, kritisiert.
3.2 Die Berliner Datei für Kunst im öffentlichen Raum Um vielen Künstlern eine Beteiligung an nicht offenen Wettbewerben zu ermöglichen, wurde bereits Ende der 1970er Jahre eine Datei für Kunst im öffentlichen Raum beim Kulturwerk des berufsverbandes bildender künstler berlin (bbk berlin) eingerichtet. In diese Datei können sich alle Künstler, die in Berlin leben und arbeiten, mit einer Mappe eintragen und damit signalisieren, dass sie zu Wettbewerben für Kunst im öffentlichen Raum eingeladen werden möchten. Aus der Datei werden die Künstlervorschläge für nicht offene Wettbewerbe von einer Fachkommission des bbk berlin ausgewählt. Die dem Prinzip der Künstlerselbstorganisation folgende Arbeit der Fachkommission bemüht sich, möglichst viele verschiedene Künstler an den nicht offenen Wettbewerbsverfahren zu beteiligen.
3.3 Das Wettbewerbsverfahren Ein regulärer Wettbewerb gründet sich auf eine dreiteilige Auslobung, die erstens das Wettbewerbsverfahren mit seinen Formalitäten erläutert, zweitens die Situa-
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tion und Planungsvorgaben darstellt und drittens die Aufgabenstellung des Wettbewerbs mit dem künstlerischen Arbeitsbereich ausführt. Zwei Wochen nach Ausgabe der Auslobung erfolgt ein Einführungskolloquium, auf dem die Auslobung und das Wettbewerbsverfahren detailliert vorgestellt werden. Nach dem Einführungskolloquium erhalten die Künstler eine zweiwöchige Rückfragenfrist. Für die Entwurfserarbeitung sollten drei Monate Arbeitszeit zur Verfügung stehen. Die zur Abgabefrist rechtzeitig und vollständig eingereichten Entwürfe werden auf der Grundlage einer Vorprüfung dem Preisgericht vorgestellt. In mehreren Wertungsrundgängen ermittelt die Jury den Wettbewerbssieger, eine Rangfolge der ersten drei Plätze, und sie spricht eine Realisierungsempfehlung für einen der platzierten Entwürfe aus.
3.4 Wettbewerbsrichtlinien Der Ablauf von Wettbewerbsverfahren und Jurysitzungen wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW2013) geregelt. Sie beschreiben eine verlässliche Grundstruktur für die Durchführung eines Wettbewerbs und geben den Wettbewerbsteilnehmern Sicherheit, dass das Wettbewerbsverfahren neutral und gleichberechtigt durchgeführt wird und dass im Preisgericht der Fachverstand überwiegt. So bestimmen die RPW2013, dass ein Preisgericht sich mehrheitlich aus Fachpreisrichtern zusammensetzen soll, wobei Fachpreisrichter Personen mit der beruflichen Qualifikation der Wettbewerbsteilnehmer sind. Und das sind in Kunstwettbewerben Künstler. Vor allem in Kunstwettbewerben weicht die Zusammensetzung der Preisrichter häufig von den RPW2013 ab. An Stelle von praktisch erfahrenen Künstlern werden häufig auch Kuratoren, Kunsthistoriker, Museumsleiter, Kunstkritiker, Journalisten und andere Personen als Preisrichter eingesetzt. Der Wettbewerb wird mit einem Ergebnisprotokoll und mit einer Entwurfsausstellung abgeschlossen. Die Grundlage jeder Realisierung ist ein Vertragsabschluss zwischen dem Künstler und dem Auftraggeber. Zum Abschluss der Werkausführung erfolgt eine formale Abnahme durch den Auftraggeber zusammen mit dem Auftragnehmer, dem Nutzer und Vertretern aus dem Preisgericht. Bei der Abnahme wird die vollständige und korrekte Auftragserfüllung festgestellt.
3.5 Hindernisse Während das Interesse an der Kunst im öffentlichen Raum zugenommen hat, haben sich deren Voraussetzungen in den öffentlichen Verwaltungen durch den allgemeinen Personalabbau verschlechtert. Da Kunst am Bau eine zusätzliche Aufgabe ist, wird sie von der Verwaltung oft übergangen. So kam es in einem Berliner Bezirk dazu, dass Mittel für Kunst am Bau zwar in eine Baumaßnahme eingestellt waren, diese aber nicht ausgeschöpft wurden, weil sich sowohl die Kultur- als auch die Bauverwaltung von dem Mehraufwand überfordert sahen.
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Deshalb wurde in Berlin 1978 das Büro für Kunst im öffentlichen Raum als ein Bestandteil der infrastrukturellen Kunstförderung des Landes Berlin geschaffen, das sowohl die Verwaltungen berät als auch mit der Datei für Kunst im öffentlichen Raum den Künstlern eine Zugangsmöglichkeit zum staatlichen Kunstauftrag verschafft. Fast vierzig Jahre nach der Entstehung des Büros sind einige Probleme unverändert: Jedes einzelne Projekt muss errungen werden. Aber nicht nur die Wettbewerbe sind der Verwaltung abzutrotzen. Auch die Künstler müssen sich für die Ausführung ihrer zur Realisierung empfohlenen Projekte den nötigen Freiraum erkämpfen. Eingeladen und freundlich gebeten werden sie im seltensten Fall. Schon für den Arbeitsvertrag als rechtliche Grundlage für die Werkausführung ist Beharrlichkeit gefordert. Auf den Baustellen ist Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Bauleitern, Architekten und den Baufirmen gefragt, und eine kontemplative Ruhe für den künstlerischen Schöpfungsakt ist hier in der Regel nicht zu finden. Und schließlich müssen die Künstler häufig auch die Vermittlung ihrer Werke gegenüber der Öffentlichkeit selbst in die Hand nehmen.
4. K unst in der R e alisierung Die Einfügung der Kunst in einen institutionellen Zusammenhang wird von einem qualifizierten Wettbewerbsverfahren gewährleistet. Dieses stellt die Verbindung zwischen den Künstlern und den Nutzern der Kunst her, die sich im Einführungskolloquium des Wettbewerbs begegnen. Hier können die Künstler sowohl die geplante Baumaßnahme als auch die Einrichtung und ihre soziale Situation kennen lernen und mit deren Mitarbeitern ins Gespräch kommen. Als Sachpreisrichter sind die Nutzervertreter in der Jurysitzung an der Entscheidungsfindung beteiligt, Schüler- und Elternvertreter können als Gäste an der Jurysitzung teilnehmen. Im Land Berlin und seinen Bezirken werden jährlich circa zehn bis fünfzehn Wettbewerbe für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum durchgeführt. Die Projektzahl schwankt mit der baulichen Tätigkeit. In Phasen von Konjunkturprogrammen nimmt auch die Zahl der Kunstprojekte zu. So besteht eine kontinuierliche Auftragstätigkeit des Staates für Kunst am Bau. Die nachfolgenden Beispiele geben einen Einblick in die Vielfalt der Ergebnisse.
4.1 Kunst als gesellschaftliches Lehrbeispiel Im Berliner Bezirk Lichtenberg wurde seit 2011 eine Schule mit sonderpädagogischem Förderbedarf errichtet. Im Rahmen dieser Baumaßnahme stand ein Realisierungsbetrag für Kunst am Bau über 98.400 Euro zur Verfügung. Aus einem nicht offenen Wettbewerb unter neun Künstlern ging der Entwurf von Tobias Rehberger erfolgreich hervor (vgl. Abbildung 1). Sein aus verschieden farbigen Zerrspiegeln zusammen gesetztes Wandrelief überträgt den besonderen
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Bildungsauftrag der Nils-Holgersson-Schule in eine bedeutungsvolle, aber dennoch anschauliche Form. Die von der Wandinstallation hervorgerufenen Spiegelbilder versinnbildlichen die Unterschiedlichkeit der Wahrnehmungen. Das Thema von körperlicher und geistiger Behinderung wird zu einer Betrachtungsfrage und verdeutlicht, dass die Abweichung von der Norm eine Ansichtssache sein kann. Der spielerische Umgang mit dem »Handicap« erleichterte der Schule die Identifikation mit dem Kunstwerk, das sich zugleich in die Arbeit der Schule und der Vermittlung der besonderen Aufgabenstellung integrieren ließ.
Abb. 1: Wandinstallation von Tobias Rehberger Foto: Martin Schönfeld
4.2 Kunst in Partizipation Im Berliner Bezirk Neukölln erhielt die Zürich-Grundschule einen Erweiterungsbau, für den 17.000 Euro für Kunst am Bau bereit standen. In einem nicht offenen Wettbewerb stellte der Bezirk drei Künstlern eine Beteiligungsmöglichkeit der Schüler zur Aufgabe. Den Wettbewerb gewann 2010 Stefan Krüskemper. Sein Projekt sah eine spielerische Annäherung an die Kunst vor. In Workshops wurden bekannte Kunstwerke des Berliner Stadtraums behandelt und von den Schülern selbst und als lebendige Gruppenbilder dargestellt. Drei dieser Motive wurden in Form von feinen, bronzefarbenen Konturschnitten verewigt und an verschiedenen Stellen im Schulneubau installiert. Seine Zusammenwirkung mit den Schülern dokumentierte der Künstler in einer Projektbroschüre.
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4.3 Kunst als Sinnbild Zu den außerordentlichen Bildungseinrichtungen des Landes Berlin gehört die Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik im Berliner Bezirk Pankow. Sie erhielt seit 2008 einen Erweiterungsbau, für den 80.000 Euro für Kunst am Bau zur Verfügung gestellt wurden. In einem nicht offenen Wettbewerb unter acht Teilnehmern erhielt die Künstlerin Veronike Hinsberg die übereinstimmende Realisierungsempfehlung für ihren Entwurf »öffnen-bauschen-fließen-lüftengleiten-schließen«, der sich den Bühnenvorhang zum Bildmotiv nahm. Den Bewegungsablauf des Vorhangs übertrug die Künstlerin in eine leuchtend rote Skulptur, die im Außenbereich gut einsehbar aufgestellt wurde und gegenüber der Öffentlichkeit zu einem symbolischen Hinweis auf die Schule geworden ist. Die Einweihung des Werkes im September 2012 inszenierten die Schüler als eine tänzerische Performance. Das Fest wurde zum Ausdruck der Identifikation mit der Kunst als ein neues Sinnbild der Ballettschule.
4.4 Kunst als eine Interpretation des Ortes Im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick wurde 2012 bis 2015 eine neue Mittelpunktbibliothek für den Ortsteil Schöneweide errichtet. Im Rahmen der Baumaßnahme stand ein Realisierungsbetrag von 37.000 Euro für die Kunst am Bau zur Verfügung. In einem nicht offenen Wettbewerb unter sieben Künstlern entschied sich das Preisgericht im April 2012 für den Entwurf »Imago Mundi« der Künstlerin Ricarda Mieth. Das mehrteilige künstlerische Konzept verbindet Innen- und Außenraumbereiche miteinander und lässt sie in der Zusammenschau zu einer fiktiven Kartenzeichnung imaginärer Inseln werden. Das Kunstwerk fügt sich in subtiler Weise in die Bibliothek ein. Es interpretiert den Bildungsauftrag der Bibliothek im Gedanken der Schaffung einer Vorstellung von der Welt.
4.5 Kunst als Brennglas gesellschaftlicher Konflikte Der Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf errichtete 2009-2010 zur JuliusHirsch-Sportanlage ein neues Sportfunktionsgebäude. Für Kunst am Bau stand ein Realisierungsbetrag von 35.000 Euro zur Verfügung. In einem nicht offenen Wettbewerb unter fünf Künstlern entschied sich das Preisgericht für den Entwurf »Hirsch Rot« der Künstlerin María Linares (vgl. Abbildung 2). Dieses griff die historischen und politischen Dimensionen des Ortes auf. Die Sportanlage ist nach einem jüdischen Fußball-Nationalspieler benannt, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde und dient auch dem jüdischen Sportverein TuS Makkabi als Trainingsgelände. Die Künstlerin María Linares sprach in ihrem Projekt das Zusammenleben verschiedener Sportvereine an diesem Ort an. Zusammen mit einer Ethnologin befragte sie die Sportler zu den Themen Antisemitismus, Rassismus und Gewalt im
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Fußball. Aus den Gesprächen wurden einzelne Zitate ausgewählt und in eine LEDLaufschrift im Flur des Gebäudes eingebracht, dessen Wände in kräftigem Rot gestrichen wurden. Mit der Gebäudeübergabe war auch das Kunstwerk im Oktober 2010 fertig gestellt. Die Lektüre der hier wieder gegebenen Gespräche führte zu Reaktionen: Zunächst wurde die konkrete Nennung von einzelnen Sportvereinen in den Zitaten moniert, weshalb die Installation wieder ausgeschaltet wurde. Daraufhin einigte man sich auf eine Anonymisierung. Auch erstellte die Künstlerin im Frühjahr 2012 eine Projektdokumentation, um das Kunstwerk der Öffentlichkeit zu vermitteln. Doch nun erhoben sich Vorwürfe gegen einzelne Zitate der Laufschrift. Dem Kunstwerk wurde sogar Antisemitismus unterstellt. Deshalb wurde die Installation erneut ausgeschaltet. Am Kunstwerk wurden 2013 verschiedene Gespräche und Vermittlungen durchgeführt. Ein Übereinkommen sah schließlich eine Ergänzung der Installation durch zusätzliche Gespräche mit den Fußballern der Sportanlage vor, welche die Künstlerin im Herbst und Winter 2013/2014 durchführte. So konnte im Frühjahr 2014 die Laufschrift wieder angestellt werden. Die Arbeit von María Linares ist ein Beispiel für das künstlerische Einwirken in soziale und politische Zusammenhänge einer Institution. Die besondere gesellschaftliche Situation des Ortes selbst – das gemeinschaftliche Zusammenleben der unterschiedlichen Nutzergruppen – wurde thematisiert. Wie schwierig eine solche Kooperation ist, verdeutlichte der fast vierjährige Rezeptionsprozess des Kunstwerks.
Abb. 2: »Hirsch Rot« von María Linares Foto: Martin Schönfeld
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4.6 Kunst als Standortfaktor Seit den 1990er Jahren entwickelt das Land Berlin das Gelände des ältesten Berliner Flughafens in Berlin-Johannisthal zu dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof. Neben naturwissenschaftlichen Instituten der Humboldt-Universität findet sich hier ein Technologiepark, der von der landeseigenen Wista Management GmbH betrieben und ausgebaut wird. Obwohl die Anweisung Bau des Landes Berlin die Durchführung von Kunst am Bau auch landeseigenen Unternehmen auferlegt, hatte die Wista dies bislang nicht befolgt. Erst für den Neubau des Zentrums für Mikrosysteme und Materialien in Berlin-Adlershof konnte die Wista auch für Kunst am Bau gewonnen werden. Das Themenspektrum des 2010-2011 errichteten Hauses machte sie zur Aufgabe in einem nicht offenen Kunstwettbewerb unter 20 Teilnehmern. Als Realisierungsbetrag wurden 50.000 Euro vorgegeben. In einem zweiphasigen Wettbewerbsablauf empfahl das Preisgericht zwei Vorschläge zur Realisierung. Der Empfehlung des Preisgerichts folgend gelang es dem Auslober, zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen zu können, so dass sowohl die Videoinstallation »in search of« von Margund Smolka im Treppenhaus (vgl. Abbildung 3) als auch die Installation »Smart Systems« von Josefine Günschel auf dem Gebäudevorplatz ausgeführt werden konnten. Während Günschel das Bienenvolk zu einem Beispiel für Systemtechnologie erhebt, thematisiert Smolka Geduld und Entschleunigung im Bild einer Schnecke als Sinnbild der Forschung und wissenschaftlichen Arbeit. Im Unterschied zu kommunalen Baumaßnahmen verfügte die Wista Management GmbH als ein öffentliches Unternehmen über einen größeren Handlungsspielraum im Mitteleinsatz für Kunst am Bau. Dabei konnten nicht nur zusätzliche Gelder für die Realisierung gleich zweier Werke beschafft werden. Der Auslober betrachtete die »Kunst am Bau« sehr viel stärker als eine Frage der »Öffentlichkeitsarbeit« bei der Werbung um Forscher und Firmen für den Standort. Ähnliche Motive verfolgt auch die landeseigene Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge (Hohenschönhausener Wohnungsbau-Gesellschaft), die seit 2012 großformatige Wandbilder von Künstlern an einigen ihrer Wohnbauten ausführen lässt. Damit fand die Howoge eine breite öffentliche Resonanz und konnte sich somit auf dem Wohnungsmarkt als ein an der Gestaltung ihres Baubestandes besonders interessiertes öffentliches Unternehmen darstellen. Für die Auswahl der Kunstwerke führt auch die Howoge Wettbewerbe durch. Im Unterschied zu einer Kunst am Bau, die in die öffentlichen Bildungseinrichtungen hineinwirkt, zeigen die Beispiele der Wista und der Howoge ein stärkeres Interesse an einer Außenwirkung. Für private Unternehmen geben sie gerade auch hinsichtlich der Kunstauswahl ein Beispiel, indem sie den Auftrag durch Wettbewerbsverfahren öffnen und sich durch ein Preisgericht kompetent beraten lassen. Dabei kann das öffentliche Wettbewerbswesen auch privaten Auftraggebern ein Vorbild für eine qualitativ hochwertige und verfahrenssichere Auswahl sein. Das setzt aber ein Maß an Offenheit gegenüber dem künst-
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lerischen Fachurteil und der Kunst voraus, das nicht jeder private Auftraggeber einräumen möchte. Zu groß ist häufig die Angst vor einem Kontrollverlust, zu dem nur wenige Wirtschaftsunternehmen gegenüber der Kunst bereit sind. Die Identifikationen und Deutungen, welche die Kunst am Bau des »Staatsauftrages« ihren Institutionen verleiht, wären für die Privatwirtschaft nicht weniger attraktiv.
Abb. 3: »in search of« von Margund Smolka Foto: Martin Schönfeld
5. D er K unst mit O ffenheit begegnen Die Kunst am Bau hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte weit über die bloße Platzierung eines Werkes an einen bestimmten Ort hinaus entwickelt. Schon allein durch die Komplexität der Wettbewerbsverfahren ist sie heutzutage in einen Kommunikations- und Vermittlungsprozess eingetreten. Im Wettbewerb kommt es zu einem Dialog mit dem Auftraggeber. Die Künstler können die Aufgabenstellung hinterfragen und damit der Kunst viele Wirkungsmöglichkeiten eröffnen. Die heutige Neuinterpretation der Kunst am Bau hat auch zu einer Weiterentwicklung des öffentlichen Kunstauftrags geführt. War dieser für lange Zeit im Ergebnis stark von den Wünschen des Auftraggebers vorbestimmt, so bringt der heutige Kunstauftrag das Unerwartete hervor. Die in den Wettbewerbsverfahren zu praktizierende Kunstfreiheit sorgt für die notwendige Offenheit. Der
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Kunstauftrag in der Demokratie hat sich durch das Wettbewerbsprinzip zu einem offenen Prozess entwickelt, der in seinem Ergebnis auf einem Fachurteil beruht. Die Demokratie und ihre Humanität repräsentieren sich auch in einem breiten Verständnis für die Kunst und ihrem Stellenwert in der Gesellschaft. Kunst und Kultur gehören selbstverständlich zu einer demokratischen Gesellschaft hinzu. Unverständnis gegenüber der Kunst lässt sich nur durch Offenheit überwinden. Denn Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum ist keine zusätzliche Belastung, sondern eine Bereicherung und Erweiterung von Möglichkeiten. Sie verdeutlicht die Vielfalt und Freiheit von Gesellschaft und Kultur und hat das besondere Potenzial, aus den Sackgassen des Gewöhnlichen herauszuführen. Ihre Visionen und Möglichkeiten können nur durch Offenheit erschlossen werden. Wer eine offene und demokratische Gesellschaft will, kommt nicht daran vorbei, auch der Kunst mit der nötigen Offenheit zu begegnen.
Q uelle Büttner, C. (2011): Geschichte der Kunst am Bau in Deutschland, Hg.: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin.
Unternehmenstheater Ein Blick aus der Praxis Claudia Borowy
1. W as ist und was will U nternehmensthe ater ? Mit dem Begriff »Unternehmenstheater« und seinem englischen Pendant »Businesstheater« sind seit Mitte der 80er Jahre unterschiedliche und sich wandelnde Definitionen verbunden. In der Praxis gibt es vermutlich so viele Unternehmenstheater-Ansätze wie Anbieter auf der einen und Auftraggeber auf der anderen Seite. Das Spektrum reicht von inszenierten Großgruppen-Formaten bis hin zu interaktiven theaterbasierten Trainings-Formaten zur Begleitung von Organisations- oder Personalentwicklungsprozessen. Welche »Spielarten« von Unternehmenstheater schließlich in welchem Organisationskontext zur Anwendung kommen hängt zum einen von den (mehr oder weniger ausgeprägten) Vorstellungen über Inhalt und Leistung des Formats Unternehmenstheater ab, wie es auf Seiten des Auftraggebers existiert. Auch auf Seiten der Anbieter von Unternehmenstheater-Formaten bietet sich spätestens seit den 90er Jahren ein immer weiter ausdifferenziertes Bild. Berufliche Qualifikationen und Erfahrungen in der klassischen Theaterpraxis (Regie-, Schauspiel-Ausbildung oder Improtheater-Praxis) und/ oder im Business-Kontext (z.B. Führungserfahrung in Unternehmen, Trainer-/ Berater-Tätigkeit etc.) führen zu unterschiedlichen methodischen Formaten und Leistungsportfolios unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner namens »Unternehmenstheater«. Um potenziellen Auftraggebern den besonderen methodischen Ansatz von inszenio zu beschreiben, spreche ich von szenischen bzw. theaterbasierten Interventions- oder Trainingsformaten. Auf der Homepage www.inszenio.de findet sich dazu folgende Erläuterung: »Im Zentrum unserer Arbeit steht die Spiegelung und Bearbeitung von Kommunikations- und Führungsverhalten im Business-Alltag. Und zwar individuell konzipiert auf den spezifischen Organisationskontext und die Anliegen unserer Zielgruppe.« Damit sind die zentralen Merkmale von theaterbasierten Interventionen genannt: Übergeordnetes Ziel beim Einsatz von theaterbasierten Interventionen als
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spezieller Ausprägung des Unternehmenstheaters ist die Bewusstwerdung über und die Veränderung von kommunikativen Verhaltensweisen (z.B. von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitern oder von Mitarbeitern gegenüber Kunden) im Business-Kontext. Verhaltensmuster, Rollenbilder und Problemsituationen aus dem jeweiligen Unternehmensalltag werden mit Hilfe von professionellen Schauspielern gespiegelt und bearbeitet. Insbesondere Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten werden mit theaterbasierten Techniken trainiert und gestärkt. Mit der Wahl der Methode »Unternehmenstheater« im Allgemeinen und der eines spezifischen Interventionsformates im Besonderen verbindet sich also immer eine konkrete inhaltliche Zielsetzung. Insofern verstehe ich die Arbeit von inszenio als Anbieter theaterbasierter Interventionen in erster Linie als Dienstleistung und nicht primär als Kunst. Zugleich erbringen wir die Dienstleistung mit professionellen künstlerischen Mitteln unter Rückgriff auf die Kompetenzen, die wir uns in einem Theater-Umfeld (als Autor, Regisseur, Schauspieler) angeeignet haben. Mindestens gleichbedeutend für die (messbare) Wirksamkeit theaterbasierter Interventionen sind meines Erachtens Fähigkeiten und Kenntnisse aus dem konkreten Businessalltag, um einen sinnvollen und anwendungsorientierten Transfer für die Zielgruppe leisten zu können. Für eine weitere Differenzierung der unterschiedlichen Interventions-Formate, die unter dem Label »Unternehmenstheater« zum Einsatz kommen, bietet sich eine Unterscheidung zwischen Großgruppen (über 30 Personen) und Kleingruppen (unter 30 Personen) an. Zudem lassen sich Differenzierungskriterien anhand der Frage benennen, ob es sich um ein inszeniertes oder improvisiertes Interventionsformat oder um eine Mischform aus beidem handelt.
2. A nl ässe und A uf tr aggeber Zur Beschreibung von unterschiedlichen Unternehmenstheater-Formaten bietet sich eine anlassbezogene Klassifizierung an. Klassische Anlässe für den Einsatz eines Unternehmenstheater-Formates sind in der Regel Veranstaltungen im Kontext der Unternehmenskommunikation (intern/extern) bzw. der Organisationsund Personalentwicklung. Dazu können Mitarbeiter-Veranstaltungen wie Jahres-Kick-Off, Führungstagungen, Mitarbeiter-Versammlungen im Rahmen von Veränderungsprozessen etc. gehören. Auch im Rahmen von externen Veranstaltungen wie Kunden-Messen, Produkt- und Marken-Präsentationen etc. werden Unternehmenstheaterformate zur spielerisch-theatralen Vermittlung von Kernbotschaften herangezogen. Diesen Großgruppen-Events stehen theaterbasierte Trainingsformate für Kleingruppen gegenüber, die als Maßnahmen der Organisations- und Personalentwicklung durchgeführt werden und zumeist die Vermittlung von spezifischen Kommunikations-Skills beinhalten.
Unternehmenstheater
Als Auftraggeber treten in der Praxis drei verschiedene Instanzen auf: a) Fachabteilungen in Organisationen mit Planungshoheit über abteilungsinterne Veranstaltungen und Entwicklungsmaßnahmen b) Querschnittfunktionen und Business Partner in Organisationen wie zum Beispiel Human Resources/Personal oder Unternehmenskommunikation/Marketing mit übergeordneten strategisch-konzeptionellen Kompetenzen c) Externe Dienstleister wie Unternehmensberatungen oder Event-Agenturen, die im Auftrag von Organisationen Unternehmenstheater-Formate im Rahmen ihres Gesamtkonzeptes mit anbieten und zu diesem Zweck als Auftraggeber für Unternehmenstheater-Anbieter auftreten. Mit dem Einsatz eines Unternehmenstheater-Formates können sich, je nach Anlass und Auftraggeber, sehr unterschiedliche Zielsetzungen verbinden. Drei zentrale Zielstellungen sollen im Folgenden anhand unterschiedlicher Beauftragungs-Anlässe skizziert werden.
3. Z ielse t zungen 3.1 Begleitung organisationsinterner Veränderungsprozesse Unternehmenstheater-Formate werden häufig als Leuchttürme im Rahmen von länger andauernden unternehmensinternen Veränderungs-Prozessen eingesetzt, um bei Mitarbeitern einen Bewusstseins- und Reflexionsprozess zu bestimmten Themen, beispielsweise der Unternehmenskultur, in Gang zu setzen. Häufig geht es dabei um die wertschätzende Spiegelung eines gelebten und ggf. als suboptimal erlebten Status Quo. An diese Spiegelung schließt sich eine Phase der Reflexion und des Austausches über das Gesehene sowie eine Phase der Bearbeitung bzw. Operationalisierung der aus der theatralen Intervention gewonnenen Erkenntnisse an. In der Regel werden theaterbasierte Interventionen als kommunikativer KickOff im Rahmen eines organisationalen Veränderungsprozesses eingesetzt. In selteneren Fällen werden theatrale Interventionen auch als kontinuierliche Maßnahmen zur kommunikativen Begleitung von Organisationsentwicklungsprozessen konzipiert.
3.2 Organisationsinterne Personalentwicklungsmaßnahmen Individuelle oder teamorientierte Entwicklungsmaßnahmen auf Basis von theaterbasierten Methoden halten gefühlt erst etwa seit der Jahrtausendwende Einzug in die konzeptionellen Überlegungen von Auftraggebern im Bereich Personalentwicklung bzw. unternehmensinterne Weiterbildung.
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Dabei steht zumeist die praxisnahe Vermittlung von kommunikativen Skills für unterschiedliche Anwendungskontexte als Zielsetzung im Vordergrund: Neben individuellen Präsentationstechniken werden zunehmend auch Führungsverhalten oder Verhalten in Kunden- bzw. Teamsituationen mit theaterbasierten Methoden trainiert. Der Mehrwert gegenüber klassischen, häufig sehr theorielastigen Trainingskonzepten scheint für die Auftraggeber im interaktiven Erlebniswert und dem realitätsnahen Praxisbezug zu liegen.
3.3 E xterne Marken-Kommunikation Auch in der externen Marken- und Produkt-Kommunikation finden Unternehmenstheater-Formate ihre Anwendung. Ob im Rahmen von Kundenveranstaltungen oder internen Anlässen zu Produkteinführungen etc. werden Kernbotschaften und Markenversprechen mit theaterbasierten Mitteln transportiert, um sie auf emotionaler Ebene bei den Adressaten zu verankern. Die Bandbreite an hier eingesetzten Formaten reicht von inszenierten Theaterszenen ohne Interaktion über Walk Acts mit eins-zu-eins-Interaktion bis hin zu interaktiven Standup- bzw. Improtheater-Formaten.
4. M e thodische A nsät ze und I nterventions -F ormate Unabhängig von einzelnen Interventions-Formaten lassen sich übergeordnet zwei zentrale Merkmale für die Methode Unternehmenstheater beschreiben: Unternehmenstheater-Formate bieten ihrem Publikum in der Regel eine pointierte und humorvolle Spiegelung unternehmensinterner Wirklichkeiten. Was genau dabei als humorvoll verstanden wird, welche komödiantischen Genres konkret bedient werden sollen und wo für welche Zielgruppe die Grenzen der Pointierung resp. des Humors liegen, hängt sowohl vom Auftraggeber und seiner Zielgruppe als auch vom Können und Wollen des Anbieters ab. In jedem Fall muss ein gemeinsames Verständnis von »Humor« im Vorfeld zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer präzisiert werden. Nach meiner Erfahrung ist es eine der größten Herausforderungen, den schmalen Grat zwischen selbstironisch-wertschätzendem Augenzwinkern und verletzendem Affront zu treffen. Denn nur in der richtigen Dosierung kann Humor die gewünschte Wirkung erzielen und zur kritischen Selbstreflexion anregen. Andernfalls wird destruktive Distanzierung die Folge sein. Unternehmenstheater-Formate agieren in der Regel mit professionellen Schauspielern als Stellvertretern bzw. Sparringspartnern auf der Bühne. Häufig – jedoch nicht notwendigerweise – sind mit der theatralen Intervention auch interaktive und dialogische Elemente verbunden, die dem Publikum erlauben, die Darstellung zu reflektieren und zu diskutieren oder sie aktiv zu verändern. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Unternehmenstheater-Formate, wie sie u.a. bei inszenio zum Einsatz kommen, in ihren Abläufen und Inhalten
Unternehmenstheater
näher erläutert werden. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal die Anzahl an Formaten so groß ist wie die Anzahl an individuellen Zielstellungen und Auftraggebern. Formate unterliegen einem permanenten Veränderungs- und Innovationsprozess und reagieren auf veränderte Markt- bzw. Nachfrage-Bedingungen.
4.1 Szenische Inter ventionsformate für Großgruppen Unternehmenstheater-Formate, die im Rahmen von Großgruppen-Veranstaltungen zum Einsatz kommen, bestehen häufig aus inszenierten Theaterszenen unterschiedlicher Länge. Das Spektrum reicht von dreiminütigen Sketches und szenischen Blitzlichtern zur Spiegelung einer zugespitzten Botschaft bis hin zu ausgestalteten Theater-Stücken von 60 Minuten Dauer. Neben Spielformen und Genres des klassischen Schauspiels werden häufig auch musikalische Formate angeboten. Dabei werden musikalische Elemente entweder punktuell ins Spiel integriert oder komplette Musik-Genres (Oper, Operette, Musical, Konzert) bedient. Ästhetisch setzen diese Formate ihre Botschaften entweder im Rahmen von realitätsnahen und zugleich verfremdeten (d.h. anonymisierten) Settings aus einem angenommenen Unternehmensalltag im Hier und Heute um. Alternativ dazu werden Botschaften häufig auch in Form von Analogien, Parabeln oder Metaphern theatral inszeniert. Je nach thematischem Kontext sind Schiffsmetaphern (Kapitän und Crew) oder das Genre Science Fiction häufig gesehene Übersetzungen z.B. für Themen wie Führung oder Innovation. Das Mittel der Pointierung wird inhaltlich häufig in Form eines negativen oder positiven Extrems umgesetzt. Das heißt, das Publikum wird mit Lesarten für eine Situation bzw. für ein bestimmtes Verhalten konfrontiert, das entweder als überzeichnetes Bad Practice- und Negativ-Exempel oder als ein Best PracticeBeispiel wahrgenommen werden soll. Im Fall der Bad Practice-Version bieten sich im Anschluss vielfältige methodische Möglichkeiten für eine Reflexion in der Groß- oder in Kleingruppen. In einer interaktiven Spielart, die in der Regel als Forumtheater bekannt ist und eine Abwandlung des von Augusto Boal entwickelten Forumtheaters darstellt, ist die Reflexion über die Bad Practice-Szene gemeinsam mit dem Publikum Teil des Formats. Mehr noch: in einer sich anschließenden Phase der Bearbeitung sind Teilnehmende im Publikum eingeladen, die dargestellte Negativ-Version einer Situation durch ihre Regie-Anwendungen zu einer Positiv-Version zu bearbeiten. Teil der Aufführung ist neben den Schauspielern auf der Bühne auch ein Moderator, die den Dialog zwischen Bühne und Publikum steuert und den gewünschten Transfer für die Teilnehmenden sichert. In der Regel werden die theatralen Inszenierungen von den Auftragnehmern gemäß den spezifischen Zielsetzungen jeweils inhaltlich individuell entwickelt. Darüber hinaus gibt es Unternehmenstheater-Anbieter, die mit vorproduzierten Szenen und Stücken zu spezifischen Themen (z.B. Betriebliches Gesundheitsma-
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nagement, Kundenkommunikation, Teambuilding etc.) am Markt operieren und die Inhalte gegebenenfalls nur noch marginal an den jeweiligen Auftraggeber und die Zielgruppe anpassen. Allen beschriebenen Formaten ist gemein, dass es sich um komplett gescriptete und inszenierte Spielszenen handelt. Im Unterschied dazu kommen im Unternehmenstheater-Kontext auch rein improvisierte Spielformate zur Anwendung, die ihren Ursprung im Improvisationstheater und im Theatersport haben. Dabei handelt es sich in der Regel um Formen und Formate der themenzentrierten Improvisation, bei der die Spieler auf der Bühne zwar im Vorfeld definierte thematische Bezüge herstellen, die konkreten Figuren und Dialoge allerdings ad hoc und improvisiert »erfinden«.
4.2 Theaterbasierte Trainingsformate für Kleingruppen Trainingsformate für Kleingruppen von zehn bis 15 Personen, die mit theaterbasierten Methoden arbeiten, lassen sich grob in zwei Feldern verorten: Zum einen handelt es sich um Trainingsangebote, die Kompetenzen und Fähigkeiten aus dem Handwerkskasten von Theatermachern, also Autoren, Regisseuren und Schauspielern, nutzbar machen für die Anwendung im beruflichen Kontext respektive im Unternehmensalltag. Fragen der wirksamen Inszenierung von Botschaften, von Authentizität und Nachhaltigkeit in der persönlichen Wirkung, von Präsenz und Wirkung in Kommunikations- und Präsentationssituationen werden mit Methoden und Techniken vermittelt, die in der Dramaturgie von Theateroder Filmstoffen und in der Performance auf Theaterbühnen angewandt werden. Dazu gehören Storytelling-Techniken genauso wie die zielführende Anwendung rhetorischer Stilmittel bzw. Körper-, Stimm- und Sprechtechniken. Eine besondere Form von Trainings, die gezielt theatrale Kompetenzen der Teilnehmenden fördern und fordern sollen, wird unter dem Etikett »Mitarbeiter-Theater« realisiert. Dabei handelt es sich um die Gelegenheit für Mitarbeiter, selbst eine Theaterszene bzw. ein kleines Theaterstück inhaltlich zu entwickeln (i.d.R. auf Basis einer thematischen Vorgabe) und auf die Bühne zu bringen. Publikum sind in der Regel andere Kollegen aus anderen Teil-Gruppen oder in Form von geschlossenen Aufführungen. Eine Variante davon spielt mit filmischen Mitteln, das Produkt ist ein Video. Professionelle Theatermacher agieren dabei in der Regel als Coaches und steuern den weitgehend ergebnisoffenen Entstehungsprozess ohne inhaltlich einzugreifen. Ein weiteres Anwendungsfeld für theaterbasierte Methoden sind Kommunikations-Trainings aller Art, in denen der Transfer von kommunikativen Skills, von Haltungen und Verhalten im Mittelpunkt steht. Dazu gehören Themen wie beispielsweise Kundenkommunikation und Führung. Hier agieren professionelle Schauspieler an der Seite des Trainers oder der Trainerin als Sparringspartner für die Teilnehmenden, und zwar in vorab definierten Situationen und Rollen (z.B. Mitarbeitergespräch, Kundengespräch etc.). Durch den Einsatz und das unmittel-
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bare Feedback der Schauspieler können hier vor allem situative Kompetenzen der Teilnehmenden herausgearbeitet werden. Im Unterschied zu klassischen Rollenspielen liefert diese Vorgehensweise ein als deutlich realitätsnäher erlebtes Trainings-Setting für die Teilnehmenden. Eine ausführliche Beschreibung eines konkreten Projektes liegt in Form einer Case Study zum Führungskräfte-Training »Act Leadership« vor, das inszenio für den Kunden Immobilien Scout GmbH entwickelt hat und dafür mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis 2014/15 ausgezeichnet wurde.1
4.3 Szenische Formate für eLearning-Umgebungen Mit der zunehmenden Anwendung von eLearning-Angeboten als Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeitende in Unternehmen kommen Unternehmenstheater-Formate nicht nur in Live-Situationen, sondern zunehmend auch in digitaler und audio-visueller Übersetzung zum Einsatz. Eingebettet in eine eLearningUmgebung können szenische Sequenzen bestimmte Lerninhalte visuell anteasern oder vertiefen. In beiden Fällen sorgt die szenische Umsetzung für erhöhten Praxisbezug und für größtmögliche Nachhaltigkeit in der Lernwirkung. Ähnlich wie für die oben beschriebene Aufführung in Live-Situationen vor Großgruppen wird auch hier in der Entwicklung der Szenen sehr häufig auf eine Pointierung in Richtung Bad oder Best Practice gearbeitet.
5. B esondere H er ausforderungen im A rbeitsprozess Die Gestaltung des Arbeitsprozesses im Rahmen eines UnternehmenstheaterProjektes ist von vielen Binnenfaktoren auf Auftraggeber- und auf Auftragnehmer-Seite abhängig und unterscheidet sich natürlich auch in Abhängigkeit von den gewählten Interventionsformaten. Von daher soll im Folgenden ein idealtypischer und zugleich abstrahierter Prozess skizziert werden, wie er sich für inszenio in vielen Kundenprojekten bewährt hat und wie er im Vorfeld auch gegenüber dem Kunden transparent kommuniziert wird. Die zentrale Intention bei der Gestaltung des Prozesses liegt dabei in der Sicherstellung von Feedback-Möglichkeiten resp. in der Gewährleistung einer professionellen und kooperativen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dies unter der Prämisse, dass mit der Beauftragung eines Unternehmenstheater-Anbieters in der Regel überdurchschnittlich große Unsicherheiten, zuweilen auch Ängste auf Seiten der Auftraggeber verbunden sind, die sich auf die konkrete Arbeitsweise als auch auf die Wirkungsweise der gewählten Interventionen bezieht. Theaterbasierte Interventionen als Trainings- und Kommunika1 | Vgl. die Fallstudie ImmobilienScout24 (S. 271ff.) in diesem Handbuch.
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tions-Methode im Unternehmenskontext sind für viele Auftraggeber immer noch »Neuland« und nur selten mit Erfahrungswerten bzw. unternehmensinternen Prozess-Routinen besetzt. Insofern erweist sich ein hohes Maß an Transparenz und Professionalität in der Abstimmung einzelner Projektschritte als absolut erfolgskritisch mit Blick auf die intendierte Wirkung.
5.1 Selektionsphase und Pitch Vor der Beauftragung steht in der Regel – wie in anderen Dienstleistungsbereichen auch – der Pitch bzw. die Ausschreibung. Auf Basis einer unternehmensintern (oder durch einen externen Berater oder Vermittler) formulierten konzeptionellen Idee, eine theaterbasierte Intervention im Rahmen einer Veranstaltung o. ä. zu integrieren, kommt es in der Regel zunächst zu einem Screening von geeigneten Anbietern bzw. Lieferanten. Der Such-Radius kann sich dabei beginnend bei der unternehmensinternen Lieferanten-Datenbank (und dort entsprechend gelisteten Dienstleistern) über die Nutzung von persönlichen Netzwerken und Empfehlungen bis hin zur Internet-Recherche erstrecken. Geeignete Screening-Kandidaten werden per Mail oder telefonisch kontaktiert und zur Abgabe eines schriftlichen Angebotes eingeladen, das dem entsprechenden Briefing gerecht wird. Schriftlich formulierte Briefings bzw. Anforderungskataloge sind in der Regel mit einer Beschreibung von Zielgruppen und Zielsetzungen sowie des genauen fachlich-inhaltlichen Kontextes versehen, in den die theaterbasierte Intervention eingebettet werden soll. In eher seltenen Fällen kommt es in dieser ersten Phase zu Kennenlern-Terminen mit der Chance für potenzielle Anbieter, sich mit ersten konzeptionellen Ideen und Referenzbeispielen einem Auswahlgremium auf Kundenseite persönlich vorzustellen. Der Angebotsabgabe folgt dann ein unternehmensinternes Auswahlverfahren resp. ein Entscheidungsprozess, dessen Kriterien in vielen Fällen aus Anbietersicht wenig transparent sind. Konkret rückgemeldet werden – im Falle eines Zuschlages – auf Nachfrage typischerweise folgende Punkte: • • •
Angebot hat formal (d.h. im Auf bau, in der konzeptionellen Prägnanz und Klarheit) überzeugt. Der persönliche Kontakt (telefonisch oder live) hat Vertrauen für die weitere Zusammenarbeit gegeben. Vorgestellte Referenzen und Arbeitsbeispiele haben besonders überzeugt.
Gründe für eine Ablehnung liegen zum einen in der subjektiv empfundenen Nicht- oder Teilerfüllung der oben genannten Punkte. Darüber hinaus ist häufig zu beobachten, dass die Idee zur Integration eines Unternehmenstheaters in unternehmensinternen Gremien »gekippt« wird bzw. durch Änderungen der konzeptionellen Leitidee nicht mehr als zielführend erachtet wird.
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5.2 Briefing und Recherche im Unternehmen Nach erfolgter Beauftragung geht es für den Unternehmenstheater-Anbieter darum, nicht nur Zielsetzungen und konzeptionelle Hintergründe der Auftrag gebenden Ansprechpartner im Unternehmen tiefergehend zu erfassen. Des Weiteren müssen nun auch die möglichen Anliegen und Bedürfnisse der direkten Zielgruppe, an die sich die theatrale Intervention richtet wird, detailliert ergründet und antizipiert werden. Zu diesem Zweck schließt sich eine mehrtägige Recherche-Phase an, die in der Regel aus zwei Komponenten besteht: • ausführliche Briefing-Gespräche mit allen relevanten unternehmensinternen Projektbeteiligten bzw. Stakeholdern • Interviews und ggf. teilnehmende Beobachtungen im zielgruppenrelevanten Unternehmenskontext zu den zentralen Themenstellungen der geplanten Intervention. Interviews finden in der Regel auf Basis von vorbereiteten strukturierten Fragebögen statt. Die Option, Teilnehmende ganz konkret in Ihrem Arbeitsumfeld zu erleben, ist meist nur in Ausnahmefällen gegeben bzw. notwendig. Darüber hinaus kann in der Regel auf diverse Materialien der internen und externen Unternehmenskommunikation zurückgegriffen werden. Dazu gehören neben digitalen Medien (Website, audiovisuelle Medien, Download-Dokumente) auch projektrelevante interne Dokumente und Unterlagen, deren weitere Verwendung ggf. strengen Regeln der Vertraulichkeit unterliegt.
5.3 Konzeptionelle Entwicklung Auf Basis der Recherche-Ergebnisse beginnt die konzeptionelle Entwicklung, die sich für Unternehmenstheater-Formate bei inszenio in der Regel über den Verlauf von ca. vier bis fünf Wochen in drei Teilphasen gliedert: • Phase 1: Entwicklung eines Grobkonzepts für den Gesamtablauf, sowie die eingebetteten Spielszenen, die handelnden Figuren und die Hauptstränge der Handlung. • Phase 2: Entwicklung des Feinkonzepts inkl. Erarbeitung der Dialogfassung für die Spielszenen. • Phase 3: Entwicklung des Inszenierungskonzeptes, Herstellung und Bereitstellung von Ausstattung und Kostüm sowie Probenarbeit mit den beteiligten Schauspielern und Schauspielerinnen. Verantwortlich für Phase 1 sind im direkten Kundenkontakt zunächst die Berater bzw. Trainer des Dienstleisters, in Phase 2 dann die für die Spielszenen verantwortlichen Autoren. In Phase 3 stoßen ein Regisseur und die Schauspieler zum
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Prozess hinzu. Beide werden über die Projekt-Hintergründe in Form eines internen Briefings informiert. Häufig werden mindestens einige der oben beschriebenen Rollen von einem Ansprechpartner in Personalunion ausgeübt, was für den Kunden zu geringeren Reibungsverlusten in der Kommunikation führt. Wie interne Prozesse im Detail ausgestaltet sind, kann je nach organisatorischer Aufstellung des Anbieters stark variieren und hängt maßgeblich von den vorhandenen fachlichen Kompetenzen der einzelnen Akteure ab. An den Übergängen aller Phasen ist jeweils eine Feedbackschleife mit dem Kunden zwischengeschaltet. Dieses iterative Vorgehen stellt für beide Seiten einen permanenten Abgleich von strategisch-kommunikativen Intentionen und kreativem Gestaltungswillen sicher, der dem Produkt und seiner Wirkung am Ende zu Gute kommt. Parallel zur konzeptionellen Entwicklung der Intervention sind in dieser Phase vielfältige Projektmanagement-Aufgaben zu koordinieren. Dazu gehören Fragen der Proben- und Reise-Disposition bis hin zum Einsatz von Technik und Ausstattung am Aufführungsort (z.B. Bühnenaufbau, Licht, Ton etc.). In diesem Kontext agieren viele Unternehmenstheater-Anbieter wie klassische Tourneetheater: Das heißt, der Ausstattungsaufwand – und damit das Maß an logistischem Aufwand – wird in der Regel weitestgehend minimiert. Zurückgegriffen wird am Ende häufig einfach nur auf das, was am Veranstaltungsort an Ausstattungsgegenständen (Bühnenpodest, Tische, Projektionswand etc.) direkt verfügbar ist bzw. im Vorfeld entsprechend geordert wurde. Die Unaufwendigkeit in der Bühnenausstattung ist häufig auch der Tatsache geschuldet, dass sich die theatrale Intervention möglichst naht- und reibungslos in den eng getakteten Veranstaltungsablauf einfügen muss und dabei selten längere Auf- und Abbau-Pausen möglich sind. Zugleich bieten einige Unternehmenstheater-Anbieter Spielformate an, die sich durch aufwendigere Bühnen- und Ausstattungs-Settings (beispielsweise im musikalischen Bereich) auszeichnen und vor Ort einen entsprechend höheren technischen Einrichtungsbedarf nach sich ziehen.
5.4 Durchführung bzw. Aufführung Theaterbasierte Interventionen treten für eine Zielgruppe bzw. für ein Publikum häufig überraschend auf. Selbst wenn sie in der Veranstaltungsagenda als Format explizit angekündigt sind, verbindet sich damit in der Regel keine homogene Erwartungshaltung. Im Gegenteil: Interessierte und gespannte Vorfreude mischt sich sehr häufig mit Skepsis und konkreten Ängsten, als Zuschauer im Rahmen der Bühnenhandlung involviert zu werden und beispielsweise als »Rollenspieler« auf der Bühne agieren zu müssen. Häufig sind szenische Interventionen auch komplett verdeckt konzipiert, d.h. Veranstaltungsteilnehmende werden ad hoc und unangekündigt damit konfron-
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tiert. Umso entscheidender und erfolgskritischer für die Wirkung der Intervention ist dann der antizipierende Umgang mit den möglichen Befindlichkeiten. Das kann u.a. durch eine initiale oder begleitende Anmoderation erfolgen, in der vor Beginn der Spielhandlung darauf hingewiesen wird, was die Zuschauer und Zuschauerinnen erwartet und explizit nicht erwartet. Wie oben bereits ausgeführt, hat die Wahl des Spiel- resp. Interventionsformates wesentlichen Einfluss auf die konkrete Aufführungssituation und alle zeitlichen und organisatorischen Implikationen. Entscheidend ist dabei vor allem die Differenzierung zwischen Spielformaten mit oder ohne Interaktion mit dem Publikum bzw. im Falle von szenischen Trainings-Settings mit den Teilnehmenden.
5.5 Evaluation und Wirkungsmessung Um den Wirkungsgrad einer theaterbasierten Intervention bei einer Zielgruppe nach der Aufführung valide messen zu können, bieten sich verschiedene Evaluations-Methoden an und werden im Feld mehr oder weniger praktiziert.2 Auch hier kann ich am besten aus der inszenio-Praxis berichten und gehe davon aus, dass andere Anbieter ähnliche Instrumente der Wirkungsmessung einsetzen. Einem unmittelbaren Maß an Feedback, das Teilnehmende bzw. Publikum durch direkte Reaktionen während des Spiels (Lacher, Intensität der Interaktion etc.) zu erkennen geben, folgen nach einer Aufführung in der Regel weitere Prozess-Schritte: • Ausgabe von vorbereiteten Feedbackbögen im Printformat an die Teilnehmenden und Zuschauer direkt im Anschluss an die Durchführung. Die Bögen enthalten i.d.R. zwischen fünf und 20 Einzelfragen mit strukturierten Antwort-Optionen und Freitextfeldern. Die Frage- bzw. Evaluationsbögen werden wahlweise vom Unternehmenstheater-Anbieter oder von der Fachabteilung des beauftragenden Unternehmens erstellt. • Erstes atmosphärisches Feedback vom Ansprechpartner auf Kundenseite unmittelbar nach der Aufführung bzw. Durchführung. • Vertiefendes, meist telefonisches Feedbackgespräch mit dem Auftraggeber resp. Ansprechpartner auf Kundenseite etwa drei Tage nach der Veranstaltung und mit Blick auf unternehmensinterne Feedbacks von Teilnehmenden. Dabei steht eine inhaltlich-qualitative Bewertung der szenischen Intervention mit Blick auf die Zielerreichung und weitere mögliche Folge-Schritte im Zentrum. Um die Langzeitwirkung von szenischen Interventionen zu messen, werden Teilnehmende ca. drei bis sechs Monate nach Durchführung bzw. Aufführung 2 | Zur Evaluation von KUKs im Allgemeinen vgl. den Beitrag von Birnkraut (S. 425ff.) in diesem Handbuch.
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erneut zur Beantwortung eines strukturierten Fragebogens eingeladen. Diese Befragung erfolgt i.d.R. auf digitalem, webbasiertem Weg mit Hilfe von entsprechenden Evaluationstools (z.B. surveymonkey). Nur über eine möglichst sorgfältige Wirkungsmessung können die methodischen Mehrwerte, die Unternehmenstheater- und szenische Interventionsformate gegenüber klassischen Kommunikations- und Trainingsmethoden ausweisen, tatsächlich valide und nachhaltig hergeleitet werden. Und nur so lässt sich am Ende eines Prozesses die tatsächliche Transfer- und Anschlussfähigkeit der Methode an den Businesskontext der Teilnehmenden bzw. des Publikums als entscheidendes Erfolgs- und Qualitätskriterium nachweisen. Zur qualitativen Wirkung von theaterbasierten Interventionen hat die wissenschaftliche Forschung in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse geliefert.
Orchestrierte Führungskultur Dirigieren & Führen Gernot Schulz/Bettina Dornberg
1. F ühren wie ein D irigent »Wer etwas erreichen will, was er noch nie erreicht hat, muss Dinge tun, die er noch nie getan hat.« N ossrat P eseschkian
Ein Orchester zu dirigieren ist die direkteste, transparenteste Art der Mitarbeiterführung und der Kommunikation im beruflichen Kontext. So unmittelbar der Dirigent auf das Orchester einwirkt, so zeitnah und ehrlich ist das Feedback auf seine Führung. Dirigieren ist nonverbale Kommunikation in Reinform. In Unternehmen nimmt die Bedeutung kommunikativer Fähigkeiten mit wachsender Führungsverantwortung zu, wobei auch hier der intuitiv-emotionale, nonverbale Anteil die Wirkung auf die Mitarbeiter bestimmt. Sie beeinflusst nachhaltig und nachweisbar die Leistungsfähigkeit und Leidenschaft eines jeden Mitarbeiters und eines jeden Teams. Von daher eignet sich die Erfahrung, in die Rolle eines Dirigenten zu wechseln, vortrefflich, um sein individuelles Führungsrepertoire im Unternehmen zu verfeinern. Erfolgreiche Führungskultur basiert auf optimaler Impulsgebung. Die Führungskraft muss fähig sein, Inhalt, Strategie und Begeisterung zu vermitteln und authentisch ihre Verantwortung wahrzunehmen. Dadurch gelingt es, das Potenzial der Mitarbeiter zu erschließen und zu entwickeln sowie emotionale Bindung zu schaffen. Was die Interaktion zwischen Dirigent und Orchester kennzeichnet, ist die Notwendigkeit, präzise zusammenzuspielen sowie sich zu konzentrieren und zu zentrieren; inspiriert zu sein, leidenschaftlich und mit klarer Vision vom »Endprodukt« die unternehmerische Strategie zu verfolgen; die Mitarbeiter in ihrer Kompetenz wertzuschätzen und für die Balance zwischen Individualität und Teambildung zu sorgen.
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In den Seminaren von »Dirigieren & Führen« begeben sich Führungskräfte auf das ihnen unbekannte Terrain des Dirigierens und lassen sich damit auf etwas völlig Neues ein. Sie können ihren individuellen Führungsstil – frei von der Verantwortung im Unternehmen – im ›Spielraum Orchester‹ ausprobieren. Sie erleben umgehend, wie er wirkt. »Ich bin mir selbst begegnet« oder »ich habe vor Glück geweint«: Dass sich teilnehmende Führungskräfte in der Weise spontan äußern, zeigt, dass »Dirigieren & Führen« zum Kern dessen vordringt, was erfolgreiche Führungskultur entscheidend bestimmt: die Persönlichkeit und damit die Fähigkeit, Menschen dazu zu bewegen, ihre Potenziale zu nutzen und im Idealfall zu erweitern und sie auf den Erfolg des Ganzen auszurichten. Reinhard K. Sprenger hält »Führung zur Selbstführung« grundsätzlich für »die einzig legitime Aufgabe der Führung. Ihre wahre Funktion ist weniger das Unterrichten, vielmehr das Aufrichten. Hellhörig für Berufungen zu werden. Andere zu ermutigen, ihr Potenzial zu verwirklichen« (Sprenger 2012, S. 277).
2. P hänomenologie von F ührung Im Wesentlichen lassen sich Führungsqualität und -persönlichkeit auf fünf Kompetenzfelder verdichten, für die der Dirigent mit seinem Orchester paradigmatisch steht.
2.1 Ausgeprägte Wahrnehmungskultur Führen heißt, intensiv wahrzunehmen und aufmerksam zu sein. Entscheidend ist, dass sich die Führungspersönlichkeit bewusst ist, dass jede Wahrnehmung subjektiv ist sowie von Standort und Rolle abhängt. Es gilt also nicht nur, seine Eigenwahrnehmung als Dirigent, als Führungsverantwortlicher zu verfeinern, sondern ebenso anzuerkennen, dass der Musiker respektive der Mitarbeiter seine eigene Wahrnehmung besitzt. Der Musiker verbessert nicht nur sein eigenes Spiel, sondern schärft gleichzeitig seine persönliche Wahrnehmung aufgrund seiner täglich mehrstündigen Übungspraxis. Übertragen auf Unternehmen bedeutet dies, dass der Führungskraft bewusst ist, dass Mitarbeiter in der Regel nicht nur hoch qualifiziert sind, sondern zugleich ihre subjektive Sicht aufs Unternehmen und den Wettbewerb besitzen. Zum Gelingen eines Unternehmens trägt in gleicher Weise die feinsinnige Fremdwahrnehmung der Kollegen untereinander bei. Orchestrales Musizieren setzt gleichsam eine zweite Ebene der Wahrnehmung voraus – nämlich bewusst in sich aufzunehmen, was die Anderen tun. Der Dirigent wiederum muss fähig sein, das Orchester zu motivieren. Das heißt, nicht nur möglichst fein und schnell Hoch- und Minderleistungen im Orchester wahrzunehmen, sondern auch angemessen darauf zu reagieren. Er ist insbesondere für die Wahrnehmungs- und Wertschätzungskultur verantwortlich. Aufmerksamkeit für sich zu
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bekommen, ist hierbei leicht, denn er befindet sich auf dem Dirigentenpodest an exponierter Position. Die Aufmerksamkeit aller über die gesamte Probenarbeit und Aufführung aufrecht zu erhalten, ist hingegen die wesentliche Führungsaufgabe des Dirigenten. Für Führungskräfte stellt sich die verwandte Herausforderung bei Change-Management-Prozessen, bei der Umsetzung neuer Strategien und bei langfristig angelegten Projekten. Nicht zuletzt, wie eine Marke, ein Produkt oder eine Dienstleistung wahrgenommen wird, entscheidet über unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg. Die Güte der Interaktion mit den Kunden – bei Serviceleistungen wie in Social Media – ist ausschlaggebend, ob ein Produkt gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen wird. Das Bewusstsein und Handeln eines Menschen wird wiederum zu 95 Prozent von den intuitivemotionalen Elementen der Kommunikation bestimmt.
2.2 Kommunikation und Kompetenz Nichts könnte die Verantwortung des Dirigenten für seine musikalisch-fachliche Kompetenz besser ausdrücken, als die Worte Leonard Bernsteins zu angehenden Dirigenten: »Ihr seid die Stellvertreter der Komponisten. Die Komponisten sind meistens tot und können sich nicht mehr wehren. Ihr habt die Verantwortung für ihre Werke. Ihr habt nur dann das Recht, Euch vor ein Orchester zu stellen, wenn Ihr der Kompetenteste im Raum seid.«
Ein Dirigent setzt sich permanent mit Komponisten und ihren Werken auseinander. Er ergründet deren jeweiligen Zeitgeist und unter welchen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen die Komposition entstand. So erschließt sich ihm die dem Stück zugrunde liegende Kompositionsidee. Diese Fachkompetenz und disziplinierte Arbeit versetzt den Dirigenten in die Lage, mit einem schlüssigen Gesamtkonzept vor das Orchester zu treten. Übertragen auf die Führungspraxis eines Unternehmens, einer Organisation oder einer Institution bedeutet dies: • Fach- und Sachkompetenz • Wissen um und die Auseinandersetzung mit Betriebswirtschaft und Marktentwicklung • Psychologie • Überblick in Trend- und Zukunftsforschung • Beschäftigung mit gesellschaftlichen wie politischen Rahmenbedingungen • Bewusstsein für die Identität des Unternehmens • Berücksichtigung und Anpassung der strategischen Leitlinien • Klare Positionierung zum Wettbewerb
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Führen und Kommunikation Erfolgreiche Unternehmensführung besteht zu einem hohen Anteil aus Kommunikation – konkret: Unternehmensstrategie, Zielorientierung und Sinngebung zu vermitteln. Je höher eine Führungskraft in der Hierarchie eines Unternehmens steht, desto intensiver werden ihre Kommunikationsfähigkeit und ihre Soft Skills wahrgenommen, während ihre Sach- und Fachkompetenz in den Hintergrund rückt (vgl. Abbildung 1).
Abb. 1: Bedeutung nonverbaler Kommunikation im Verlauf der Führungskarriere Führen heißt also kommunizieren, wobei bekanntlich der nonverbale Anteil zu einem hohen Grad wirkt, wahrgenommen und erinnert wird. Das bedeutet: Stimmlage, Resonanzraum und Sprechverhalten wie Artikulation, Lautstärke, Sprechtempo und Sprachmelodie (paraverbal) sowie Körpersprache, Mimik, Gestik und Ausstrahlung (nonverbal) sind entscheidend. Ein Dirigat ist pure, nonverbale Kommunikation, und die wohldosierte Impulsgebung ist das wirksamste Mittel eines Dirigenten, um die Aufmerksamkeit der Musiker zu maximieren (vgl. Abbildung 2).
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Abb. 2: Dirigieren & Führen
Dosierung der Impulse Zu wenige Führungsimpulse schaffen Unsicherheit. Zu häufige Impulse verhindern wiederum, sich der eigentlichen Führungsaufgabe zu widmen, nämlich die großen Handlungs- und Spannungsbögen von Projekt-, Jahres-, und generellen Unternehmenszielen zu vermitteln. Wer zu viele Impulse setzt, ist mit seiner Führungsaufgabe nicht wirklich verbunden, denn sonst würde ihm auffallen, dass sie zum Teil nutzlos und unnötig aufwendig sind; er wirkt nicht souverän und untergräbt damit seine eigene fachliche Autorität. Außerdem ist niemand daran interessiert, Unwichtiges und Unnötiges wahrzunehmen; das verbreitet Langeweile und Unaufmerksamkeit. Übertriebene Kontrolle führt überdies dazu, dass sich Musiker und Mitarbeiter eingeengt und in ihrer Kompetenz nicht angemessen ernst genommen fühlen.
Sinngebung und Vision Eine Symphonie ist zunächst nicht mehr als eine Ansammlung von schwarzen Punkten und Linien auf weißem Papier. Daraus etwas Faszinierendes entstehen zu lassen, dafür ist der Dirigent verantwortlich. Nachdem er die Komplexität einer Symphonie durchdrungen hat, ist es seine wichtigste Aufgabe, über die technisch-handwerkliche Perfektion hinaus den Inhalt, den Sinn und die Vision den Musikern zu vermitteln. Die Analogie zum Leitbild eines Unternehmens, zu schriftlichen Vereinbarungen über Kennzahlen und Wachstumsziele liegen auf der Hand. Erst indem die Führungskraft Sinn stiftet, kann Leistung gefordert und können Ziele und Vision umgesetzt werden.
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2.3 Emotionalität schafft Bindung Führen heißt emotionalisieren und begeistern. Eine verbindende Leidenschaft zu entfachen, das ist originäre Führungsaufgabe. Sie muss durchgängig von ganz oben bis unten gelebt werden. Marken, Produkte oder Dienstleistungen, die keine Emotion auslösen, sind wertlos – so der Psychologe Hans-Georg Häusel, der die Macht des Unbewussten und die Erkenntnisse der Hirnforschung, genauer des limbischen Systems, nicht nur auf das Marketing übertragen hat, sondern auch auf die erfolgreiche Mitarbeiterführung (Häusel 2008). Emotionen werden nicht geweckt durch Vorschriften und technische Anweisungen, sondern durch Bilder, Fantasien, durch Vorschläge und Anregungen, die über das Kognitive hinaus auf das Herz und den Bauch zielen. Denn nur dann werden Musiker und Mitarbeiter bereit sein, das Wertvollste, nämlich ihre Kompetenz, Leidenschaft und Hingabe, einzubringen. Nur so gelingt es, die individuellen Potenziale der Musiker und Mitarbeiter zu einer kreativen Kraft des gesamten Orchesters und Unternehmens zu bündeln. Führen heißt also vor allem aktiv, interaktiv wie kreativ zu gestalten. Wie und mit welchem Handwerkszeug, aber vor allem mit welcher Haltung das zu erreichen ist, dafür hat ein Dirigent, der mit der emotionalen Materie Musik zu tun hat, einen besonders feinen Sinn entwickelt. Führen wie ein Dirigent heißt letztendlich Bewegung oder eben E-motion – ganz bewusst im Doppelsinn: Als Dirigent bewege ich mich, damit ich meine Mitarbeiter (Musiker) dazu bewege, sich mit ihren Bögen, Fingern zu bewegen, um letztendlich das Publikum zu ›bewegen‹. Emotional bewegte Kunden kommen wieder und empfehlen weiter.
2.4 Authentizität und Haltung Führen heißt den Mut auf bringen, authentisch zu sein und Haltung zu zeigen. Wer auf der Bühne oder auf dem Dirigentenpodest steht, hat eine Rolle inne. Er sollte sich dieser Rolle bewusst sein und sie nicht etwa spielen. Rollenbewusstsein und Authentizität bilden kein Gegensatzpaar. Transparenz schafft sowohl Vertrauen als auch Glaubwürdigkeit und steigert die Motivation. Im Orchester herrscht totale Transparenz in zweierlei Hinsicht: Das Publikum nimmt das Orchester auf das Genaueste wahr und innerhalb des Orchesters hört jeder, was und wie der Andere spielt. Umfassende Transparenz stellt einen entscheidenden Faktor des Leistungsanreizes und des Qualitätsbewusstseins dar. Gleichzeitig ist das Orchesterspiel ein offenkundiges Paradebeispiel dafür, dass Missklang in der Binnenstruktur eines Unternehmens auch im Außen, von den Kunden, der Öffentlichkeit, dem Wettbewerber wahrgenommen wird. Oder, wie es Johann Wolfgang von Goethe (o.J.) in seinem Gedicht »Epirrhema« ausdrückt: »Nichts ist drinnen, nichts ist draußen: Denn was innen, das ist außen.«
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Nirgendwo lässt sich dies so gut erleben wie bei der Führung eines Orchesters. Der Charakter der Zeichengebung bestimmt Klang, Dynamik und Stimmung der Musik. Identisches Notenmaterial kann zu völlig unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Versionen ein und derselben (vor)geschriebenen Musik führen. Wichtig ist, mit welcher Haltung und mit wie viel Empathie, Respekt und Vertrauen geführt wird. Das macht den Unterschied aus zwischen Pflichterfüllung und glanzvoller, die Kunden begeisternder Performance. Um auf ein beeindruckendes Beispiel aus einem Meisterkurs für Dirigenten von Kurt Masur zurückzugreifen: Sechs junge, aber bereits berufserfahrene Dirigenten stellten ihr Können dem Altmeister vor. Einer versuchte sich am zweiten Satz von Beethovens Eroica, was nicht so recht gelingen wollte. Der Maestro war unzufrieden. Da sagte er dem jungen Mann: »Nehmen Sie mal Ihre Hände in die Hosentaschen, und versuchen Sie es dann.« Der junge Dirigent war zurückgeworfen auf sich selbst. Keine Fuchtelei. Keine wilde Zeichengebung. Er hatte nur sich, seine eigene Persönlichkeit, seine Ausstrahlung, seine Haltung und bestenfalls seinen Blick. Ein leichtes Nicken, das Orchester begann, und der Anfang des zweiten Satzes war gelungen.
2.5 Diversität und Integration Führen heißt, die Polarität zwischen Individualität und Geschlossenheit aufzulösen sowie die Balance zwischen Leidenschaft und Präzision herzustellen und zu halten. Nirgendwo sonst auf der Welt arbeiten Menschen so präzise zusammen wie in einem Orchester: Es gibt keine Toleranz von auch nur einer 100stel Sekunde beim Zusammenspiel. Der perfekte Einklang bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zeit: Jedes Crescendo, jede Artikulation, jede Klangfärbung – alles, was ein Orchester macht, wird nur wahrnehmbar und ergibt Sinn, wenn es in perfekter Geschlossenheit und Homogenität geschieht. Auf der anderen Seite ist die Individualität der Mitarbeiter eines Orchesters besonders stark ausgeprägt: Musik ist ein emotionales Element. Jedes Instrument besitzt seine individuelle Note, aber auch Stärken und Schwächen – zum Beispiel in Dynamik, Tonumfang und Beweglichkeit. Diese Diversität macht das Wesen eines Orchesters und den Reiz für einen Musiker aus, Teil des Orchesters zu sein. In ihm treffen auf kleinstem Raum die verschiedensten Instrumente und Instrumentengruppen, also Charaktere und Kulturen aufeinander. Jeder Musiker ist Experte seines individuellen Instruments und hat aufgrund intensiver Übungspraxis seine eigene Auffassung des gemeinsam zu spielenden Stücks gewonnen. Der Dirigent ist gefordert, den künstlerischen Eigenwillen, das innere Feuer und die Leidenschaft der Musiker auf das große Ganze auszurichten. Nur bei starker und überzeugender Sinngebung stellen Individualisten ihre persönlichindividuelle Sichtweise hinten an. Das heißt, neben der enormen psychischen und mentalen Kraftanstrengung der Mitarbeiter muss der Dirigent seinerseits fähig sein, zu überzeugen und zu integrieren.
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Das bedarf definitiv des Ausgleichs: Gute Orchesterdirigenten achten darauf, dass ihre Musiker Zeit und Gelegenheiten bekommen, solistisch oder kammermusikalisch aufzutreten, um ihre Individualität auszuleben. Danach sind sie umso engagiertere und wertvollere Teamplayer. Im Unternehmen zeichnet es gute Führungskräfte aus, dass sie ihren Mitarbeitern die Chance bieten, sich in ihrem Verantwortungsbereich individuell zu profilieren. Nicht zuletzt müssen Führungskräfte brennen für die Arbeit, für das Unternehmen. Nur wer brennt, kann andere entflammen. Aber man kann nicht immer brennen. Um sich selbst erneut leidenschaftlich engagieren zu können und Mitarbeiter damit anzustecken, braucht es als Gegengewicht Zeiten und Räume der Ruhe, um sich – jenseits der operativen Alltagsgeschäftigkeit – wieder dem Kern des Führens widmen zu können: Nachdenken, mitdenken, vorausdenken, planen, Strategien entwickeln.
3. O rchestrierte F ührungskultur erleben »Sag es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.« K onfuzius
3.1 Herausforderungen und Ziele Die Herausforderungen, denen sich heutzutage eine Führungskraft stellen muss, sind komplex, miteinander verzahnt und permanentem Wandel unterworfen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Globalisierte Unternehmen müssen Aufgaben zwischen Zentrale und Ländergesellschaften immer wieder neu verteilen und justieren. Schnelllebige, innovative Technologien und die Digitalisierung ganzer Branchen und Wertschöpfungsketten führen dazu, dass etablierte Unternehmen von dynamischen Start-ups mit hohem kreativen Know-how attackiert werden und um ihre Marktposition bangen müssen. Nicht zuletzt fordert der demografische Wandel eine veränderte Unternehmenskultur: Junge Mitarbeitergenerationen formulieren neue Ansprüche an Führung. Dieser tiefgreifende Strukturwandel verlangt von einer Führungskraft den Willen, permanent selbst dazu zu lernen, als auch die Lernbereitschaft und Wandlungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern und ihr Zusammenspiel in Teams zu orchestrieren. Insbesondere bei flachen Hierarchien, die an Bedeutung gewinnen, gilt es für Führungskräfte, schnell, intuitiv und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.
Orchestrier te Führungskultur »Eine Industrie, ein Unternehmen wird im heutigen Wettbewerb nur überleben, wenn es sich permanent erneuert.« (Satya Nadella, CEO Microsoft)
Die Innovationskraft gehört heute zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens. Innovationen bedeuten zusätzliche Anstrengung und Unsicherheit. Nur jene Mitarbeiter, die sich mit ihren Aufgaben, ihrer Führungskraft und ihrem Unternehmen emotional verbunden fühlen, nehmen diese Herausforderung mit Neugier und Freude an, wie das Beratungsunternehmen Gallup seit mehr als 14 Jahren mit seinen jährlichen, repräsentativen Studien beweist. Die zentralen Ergebnisse des Engagement Index 2013 (Gallup 2014) sind: • 17 Prozent der Arbeitnehmer oder hochgerechnet 5,75 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben innerlich gekündigt. • 67 Prozent oder hochgerechnet 22,66 Millionen Erwerbstätige leisten Dienst nach Vorschrift. • Lediglich 16 Prozent der Mitarbeiter oder hochgerechnet 5,41 Millionen Beschäftigte haben eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber und sind bereit, sich für dessen Ziele einzusetzen. Gallup beziffert die volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund innerer Kündigung auf jährlich 98,5 bis 118,5 Milliarden Euro. Laut Gallup-Institut wirkt sich die fehlende emotionale Bindung nicht nur auf die Mitarbeiterfluktuation, sondern auch auf das Recruiting von Fachkräften und »besten Talenten« aus. Gallup verweist auch auf den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit: Emotional gebundene Mitarbeiter fühlen sich deutlich weniger gestresst als Mitarbeiter, die »innerlich gekündigt« haben und gleichzeitig das Gefühl haben, »ausgebrannt zu sein« (Gallup 2014). Ziel von »Dirigieren & Führen« ist es, • Führungskräften die Impulse zu geben, die für den Wandel vom »Silo-Denken« zum abteilungs- und standortübergreifenden Wahrnehmen und zur »orchestrierten« Zusammenarbeit notwendig sind; • durch den Umgang mit dem Orchester eine lernende Organisation zu erleben, in der die partizipative Unternehmens- und Führungskultur von entscheidender Bedeutung ist und in der sich die zentrale Steuerung in eine Kultur sich selbst steuernder Teams transformiert. Dies verantwortungs- und vertrauensvoll zu fördern bedarf einer Führung, die begeisternd wirkt beziehungsweise einer Führungspersönlichkeit, die authentisch überzeugt.
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3.2 Grundprinzipien Alle Trainings von »Dirigieren & Führen« beruhen auf langjähriger Erfahrung und dem wissenschaftlichen Nachweis, dass Menschen vor allem emotional einschneidende Erlebnisse erinnern. Nur sie bewegen Menschen dazu, ihr Verhalten, ihre Haltung und Sichtweise zu reflektieren, zu ändern oder zu erweitern. Um es mit den Worten Galileo Galileis auszudrücken: »Man kann niemand etwas lehren. Man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu finden.« »Dirigieren & Führen« ist implizit auf (hoch) emotionales Erleben und die damit nachhaltig wirkende Erfahrung des eigenen Führungsstils und -musters angelegt. Die teilnehmenden Führungskräfte erhalten aufgrund des unmittelbaren Feedbacks in Verbindung mit dem sinnlichen Erlebnis, ihre ›Orchester-Mitarbeiter‹ zu dirigieren, Antworten auf folgende Fragen, um sie in ihre unternehmerische Praxis transferieren zu können:
• Bin ich überzeugend? • Bin ich in der Lage, Begeisterung zu wecken? • Wie komme ich mit einer mir unbekannten, mich herausfordernden Situation zurecht? • Welche mir bisher unbekannten Ressourcen entdecke ich? • Schaffe ich es, das Zusammenspiel zu fördern? • Habe ich eine klare Vorstellung, von dem, was ich vermitteln will? • Habe ich eine gute Wahrnehmung? • Schaffe ich es, Vertrauen zu gewinnen sowie Vertrauen zu schenken? • Gelingt mir die richtige Mischung aus präzisen Vorgaben und vertrauensvollem Gewähren lassen? Im Kern bedeutet dies erst einmal, sich selbst führen zu lernen – oder, wie Peter F. Drucker auf die Frage nach seinem wichtigsten Tipp für Führungskräfte antwortete: »Erkenne Dich selbst.« In diesem Sinne bietet »Dirigieren & Führen« vier wertvolle Chancen für Führungskräfte: 1. Sich auf dem unbekannten Terrain des Dirigats zu bewegen verunsichert. Wer unsicher ist, klammert sich an ureigenste, eingeübte Muster und hält an ihnen fest. Diese eingefahrenen Muster unmittelbar zu spüren und sie bewusst zu erkennen, ermöglicht den Teilnehmern, sie wiederum aufzulösen, ihr Führungsrepertoire zu erweitern oder sogar neu zu entwickeln. 2. Die ungewohnte Rolle als Dirigent schärft die Fähigkeit, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren und sie zu bewältigen. Neue Ressourcen können mobilisiert sowie Improvisationskunst und Kreativität im Umgang mit Stress
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und Anspannung erprobt werden. Im Dirigat wird schnelles und selbstverantwortliches sowie intuitives Entscheiden und Führen erlebt und genutzt. 3. Am Dirigentenpult bekommen Führungskräfte ein direktes und ›team-intelligentes‹ Feedback. Das sensibilisiert sie ›im Spielraum Orchester‹ sowohl für die Diversität ihrer Mitarbeiter als auch darauf, in welcher Weise ihr Führungsstil auf den einzelnen und auf das Team wirkt. 4. Zu erleben und zu lernen, was es bedeutet, mit einer emotionalen Materie wie Musik umzugehen, öffnet sie nachhaltig für die intuitiv-emotionale Seite von Führung.
3.3 Formate Das Konzept »Dirigieren & Führen« entspringt der über Jahre hinweg intensiven Zusammenarbeit zwischen zwei profilierten Vertretern ihrer Fachgebiete, dem Kommunikationsmanager und Medienexperten Professor Manfred Harnischfeger und dem Dirigenten und Pädagogen Professor Gernot Schulz. Diese einmalige Konstellation von unternehmerischer und musikalischer Führungskompetenz ermöglicht einen wirkungsvollen Transfer dessen, was Unternehmen und deren Führung von einem Orchester und seinem Dirigenten lernen können. Das Portfolio von »Dirigieren & Führen« umfasst vier Trainings-/Workshopformate sowie das Veranstaltungsformat »Unternehmen Orchester«. Beim Konzertevent – auf Firmentagungen, zu Jubiläen sowie auf Kongressen – wird auf interaktive und eher unterhaltsame Weise vermittelt, was eine hochwertige Unternehmenskultur ausmacht. In den vier Trainingsformaten wird konkret an Führung, Veränderungsprozessen, Teambildung und Persönlichkeitsentwicklung gearbeitet. Die Formate unterscheiden sich in Teilnehmerzahl, Orchestergröße, Fokus, Intensität und Dauer: Vom halbtägigen Workshop als Schnupperveranstaltung über das zweitägige Basistraining bis hin zum dreitägigen Auf bauseminar und schließlich zum Intensivtraining (dreimal zwei Tage). Bei allen Seminaren werden weder musikalische Kenntnisse noch Notenkenntnisse vorausgesetzt. »Dirigieren & Führen« kooperiert mit Orchestern vor Ort; reguläre Trainings finden in der Berliner Philharmonie und im Konzertsaal des Rundfunksenders rbb statt. Seit fünf Jahren entwickelt sich »Dirigieren & Führen« in Zusammenarbeit mit Partnern, Trainern und Coachs stetig fort und wird von einem Beirat unterstützt.
4. E pilog : M anagerin M artina S androck im G espr äch Martina Sandrock ist Beiratsvorsitzende von »Dirigieren & Führen«. Die 2006 ausgezeichnete »Managerin des Jahres« war Geschäftsführerin bei Unilever, Sara Lee und zuletzt Vorsitzende der Geschäftsführung der Iglo GmbH.
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Frage: Frau Sandrock, Sie haben »Dirigieren & Führen« für sich persönlich gebucht und sich zwei Tage Ihrer eigenen Führung gewidmet. Was hat Sie dazu bewogen? Martina Sandrock: Ich habe zwei Credos in meinem Leben. Das eine heißt: »Intellekt optimiert ein Unternehmen, Kreativität verändert es.« Das andere ist: »Führung ist ein Geben und Nehmen.« Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal Professor Schulz und sein Orchester zusammen mit zehn Kolleginnen aus dem Verband der Unternehmerinnen kennengelernt habe, in der Berliner Philharmonie, da war ich sehr angetan. Man erhält als Führungsperson die Bestätigung, wie sehr es sich lohnt, an diesen Grundsätzen weiter zu arbeiten. Als erstes hat mich diese Möglichkeit der unmittelbaren Erfahrung beeindruckt. Mein zweites besonderes Erlebnis während dieser Session war die Kommentierung durch Professor Schulz und Professor Harnischfeger. Sie haben akzentuiert und – insbesondere Herr Schulz – auch sehr emotional darüber gesprochen, was eigentlich zwischen Dirigent und Orchester abgeht. Wir sind durch unsere Konzernkarrieren ja häufig eher technokratisch; Emotionalität zu zeigen, das ist uns abtrainiert worden. »Dirigieren & Führen« ermöglicht eine Begegnung, wie man sie in der Wirtschaftswelt fast nie erlebt – höchstens, wenn mal ein Kreativer einer Agentur im Unternehmen erscheint. Dann bekommt man wieder ein Gefühl dafür, dass es auch deutlich emotionalere Menschen gibt als die klassischen Manager. Sie haben außerdem ein ganz anderes Werterepertoire und tragen ihr Herz auf der Zunge. Das erinnerte mich durchaus an die eigene Kindheit, in der man eben offener kommunizierte. Warum gelingt diese Begegnung bei »Dirigieren & Führen«? Sandrock: Obwohl er ausschließlich in der Dirigenten- und Musikerwelt gelebt hat, weiß Professor Schulz extrem gut über die Herausforderungen der Unternehmen und die Führungsaufgaben dort Bescheid. Er verbindet diese Welten auf frappierende Weise und kreiert dadurch wirklich überraschende Reaktionen bei den Menschen aus den Unternehmen. Wenn ich es in einem Wort formulieren sollte, dann bewirkt das seine Empathie, mit der er sich extrem gut auf Menschen und Situationen einstellen und einlassen kann. Und er findet immer die richtigen Worte… …und bringt das persönliche Erleben noch einmal auf eine intellektuelle Reflexionsebene. Sandrock: Ja, genau das ist es. Welchen persönlichen Gewinn haben Sie aus der Teilnahme am Basisseminar gezogen?
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Sandrock: Die Fokussierung auf das, was wirklich wichtig ist bei Führung: die Wahrnehmung, das unmittelbare Feedback. Und die Konzentration, diese unglaubliche Aufmerksamkeit des Dirigenten. Im Unternehmensalltag wird darauf nicht viel Wert gelegt. Jeder kommt in den Meetingsaal, der eine ist noch am Telefon beschäftigt, der andere schreibt noch etwas in seinem Buch. Diese Muster werden einem ganz besonders bewusst. Diese Erfahrung hat Sie dazu angeregt, als damalige Geschäftsführerin der Iglo GmbH ein eintägiges Inhouse-Seminar bei »Dirigieren & Führen« zu buchen? Sandrock: Schon während des Seminars habe ich mir überlegt: Ich möchte doch ein ganzes Unternehmen mit auf die Reise nehmen, offen zu werden und Kreativität zu nutzen, um sich zu verändern. Dafür hätte es nicht gereicht, nur die Führungskräfte einzuladen. Also habe ich alle Hierarchiestufen – 150 Leute aus der Marketing Sales Unit und den Fabriken – mitgenommen. Mir war klar: Wenn alle die Möglichkeit bekommen, »Dirigieren & Führen« zu erleben, können wir das im Unternehmensalltag viel, viel gründlicher und konsequenter umsetzen, als wenn ich nur die Führungskräfte mitnehme. Das war eine ganz wichtige Erkenntnis. Können Sie die Atmosphäre beschreiben, und was waren die Bausteine für’s Gelingen? Sandrock: Die Mitarbeiter waren hoch gespannt, nach Berlin zu fahren und mit einem Orchester und einem Dirigenten zusammenzuarbeiten. Das allein war schon ein erstes Highlight und hat die Leute positiv aufgeregt sowie in eine besondere Stimmung versetzt. Dass sie sich mitten ins Orchester setzen durften, gab der Gruppe einen weiteren Impuls. Ganz wichtig war auch das enorme Gefühl der Wertschätzung, das sich bei den Mitarbeitern im Laufe des Tages breitgemacht hat. Ihnen wurde die Möglichkeit offeriert, Teil eines besonderen Erlebnisses zu sein. Den Mitarbeitern das Gefühl zu geben, sie werden wertgeschätzt, ist schon ein extrem wichtiger Baustein auf der Reise, eine kreative, leistungsorientierte Unternehmenskultur zu schaffen. Das versetzt Berge. Welche Rückmeldungen haben Sie von den Mitarbeitern erhalten? Sandrock: Eine typische Reaktion war: »Ich hätte es ja gar nicht für möglich gehalten, dass ich da vorne stehen und Impulse geben kann.« Einige waren erst ein bisschen schüchtern und bescheiden und wollten sich eigentlich nicht ans Dirigentenpult stellen. Dann haben sie es doch getan und dann den Applaus der Mitarbeiter bekommen. Es wurde vor Freude gelacht, wenn jemand das toll gemacht hatte. Gerade für jemanden aus der Buchhaltung, der halt seine Bücher führt und keinerlei besondere Wahrnehmung bekommt, da vorne zu stehen, alle schauen ihm zu und er macht es auch noch richtig gut, das ist ja für jeden Mitarbeiter ein besonderes Erlebnis.
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Welche Wirkung hat das Dirigieren auf die Leistung der einzelnen Mitarbeiter und des Teams? Sandrock: Einem größeren Publikum ausgesetzt zu sein, eine Leistung zu zeigen, von der man gedacht hat, das könne man gar nicht, und dann auch noch Applaus zu erhalten – das hat eine unmittelbare, aber auch eine langfristige Wirkung. Von einigen Mitarbeitern habe ich gedacht: Denen fehlt Emotionalität, Einsicht oder Empathie und sie werden ihren Führungsstil nie ändern. Doch auch sie haben sich verändert und deutlich bessere Ergebnisse erzielt, belegt durch anonyme Mitarbeiterbefragungen. Da ist ein Steinchen im Kopf gefallen, dass Führung gar nicht so schwer ist, wenn man es zulässt, auf Mitarbeiter einzugehen und erkennt, welch große Abstrahleffekte die eigene Leidenschaft für ein Thema auf das Team haben kann. Mit meiner positiven Stimmung und meiner Motivation übe ich eine positive Kraft auf die Mitarbeiter aus und kann Energie abgeben. Im Grunde genommen bestätigen meine Erfahrungen mit »Dirigieren & Führen« genau das, worauf es ankommt: auf den Führungsstil. Die Gallup-Studie zeigt ja jedes Jahr, dass es viele, viele demotivierte, frustrierte Mitarbeiter in den Unternehmen gibt. Und das liegt entweder am Führungsstil des Vorgesetzten oder aber an der Führungskultur des Unternehmens. Deren Ziel es eigentlich sein müsste, dass Mitarbeiter mit Leidenschaft agieren? Sandrock: Ja genau, Sie sollten motiviert sein, Kreativität einzubringen, ihren unternehmerischen Mut unter Beweis zu stellen, indem sie mal etwas wagen und experimentieren, um herauszufinden, was für sie und natürlich generell fürs Unternehmen funktioniert. Wir befinden uns doch alle im großen Wandel auf allen Ebenen und insbesondere in den zentralisierten Unternehmen. Sie meinen internationale Konzerne mit einer Zentrale und Ländergesellschaften? Was hat Dirigieren & Führen mit deren besonderen Herausforderungen zu tun? Sandrock: Tendenziell neigt eine Zentrale dazu, alle Entscheidungen an sich zu reißen und homogene und harmonisierte Lösungen für alle zu entwickeln. Diese Konzepte und Strategien werden dann den Mitarbeitern in den Local Operating Units mit der Erwartung gegeben: ›Jetzt implementiert das in Euren Märkten!‹ Ich glaube, die heutige Führungskultur muss sich zu einem aktiven Dialog zwischen Zentrale und den lokalen Einheiten weiterentwickeln. Wenn ich die Leute dort jedes Mal vor den Kopf stoße, motiviere ich sie nicht. Da geht ein extrem hohes Energieniveau einfach verloren, weil die Mitarbeiter auf der Strecke bleiben und in Gallup-Umfragen so antworten, wie wir es kennen. Und irgendwann verlieren Unternehmen wertvolle Mitarbeiter, wenn sie ihre Führungskultur nicht anpassen. Bei »Dirigieren & Führen« erlebt man hingegen, wie gewinnbringend
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es ist, Mitarbeiter als Experten ihres Umfeldes ernst zu nehmen und wertzuschätzen anstatt noch deutlich mehr zu zentralisieren. Vielen Dank für das Gespräch.
Q uellen Gallup (2014): Engagement Index 2013, Berlin, www.gallup.de (letzter Abruf: 30.3.2015). von Goethe, J. W. (o.J.): Website Deutsche Gedichte, http://gedichte.xbib.de/Goe the_gedicht_Epirrhema.htm (letzter Abruf: 30.3.2015). Häusel, H.-G. (2008): Think Limbic!, Freiburg. Sprenger, R. K. (2012): Radikal führen, Frankfurt a.M.
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Kreativität als Kapital Künstlerische Praxis in Organisationen Jörg Reckhenrich/Peter Winkels
1. E inleitung Künstlerische Formate im Rahmen von Organisationsarbeit bieten durch ihre spezielle Prozessdynamik, die auf die Erstellung eines Werkes zielt, insbesondere für Themen im Rahmen kultureller Veränderung ein weites Spielfeld. Durch den künstlerischen Prozess lassen sich organisationale Fragestellungen inszenieren und werden sichtbar. Die Ergebnisse selbst – Bilder, Skulpturen, Installationen oder Filme – spiegeln sehr direkt die Situation und eröffnen vielfältige Perspektiven. Eine der wesentlichen Grundfragen organisatorischen Handelns ergibt sich daraus, welches Bild wir von einer bestimmten Situation haben bzw. entwickeln können. Künstlerische Formate eröffnen hier einen Raum zur schnellen Reflexion und bieten die Möglichkeit, eine noch nicht vorhandene Realität zu inszenieren. Die Praxis zeigt allerdings, dass diese Formate häufig eher als »kreatives Addon« mit Unterhaltungswert im Rahmen von Workshops gesehen werden. Wenn sich aber das Künstlerische im gemeinsamen abendlichen Trommeln erschöpft, wird der eigentliche Wert kreativer Leistung nicht wirklich ausgeschöpft. Die Kenntnis und Erfahrung mit kreativen Prozessen schaffen allerdings eine wichtige Kompetenz für unternehmerisches Handeln, vor allem deshalb, weil sich Unternehmen zunehmend einem »Gestaltungsdruck« gegenüber sehen: intern, um eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die Raum für kreative Potenziale bietet, extern, um sich im Markt flexibel und schnell zu bewegen. Für eine solche Haltung, die Ausrichtung des Unternehmens und für die Orientierung von Mitarbeitern müssen tragfähige Bilder entwickelt werden. Diese Bilder »aus den Köpfen zu holen« und ans Licht zu bringen, stellt den eigentlichen Wert künstlerischer Arbeit in Unternehmen dar.
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2. F ormate zur O rganisationsent wicklung Entlang von vier Formaten – der dialogischen Betrachtung von Kunstwerken, dem Bau einer Murmelbahn, der Umsetzung von Werten in eine Skulptur und der kreativen Zusammenarbeit im Film – werden Ansätze künstlerischer Arbeit in der Organisationsentwicklung und ihre Anwendung auf verschiedene Organisationsthemen beschrieben.
2.1 Dialog im Museum: Team-Betrachtung von Kunstwerken (1) Situation Eine Situation mit ihrer entsprechenden Problematik zu erkennen und Lösungsstrategien zu entwickeln, braucht in der Regel die Einbeziehung einer Vielfalt von Perspektiven. Allerdings tendieren Teams häufig dazu, Lösungen sehr schnell aus einer sehr naheliegenden Richtung zu entwickeln und versäumen so, den eigenen Zielhorizont zu erweitern. Wie aber gelingt eine Perspektivenvielfalt in Teams? Wie verhindert man hierarchische Abgrenzung und damit die Ausgliederung der Sichtweisen aller Teammitglieder? Wie unterbindet man den unproduktiven Wettbewerb um die größtmögliche Sachkompetenz, wenn es zunächst nur um Beobachten und Beschreiben gehen soll? Wie muss ein solcher gemeinsamer Lösungsweg moderiert werden? Ein ungewöhnlicher Weg ist das gemeinsame Betrachten eines Kunstwerkes und der Dialog über die Erfahrungen und Einsichten, die sich mit einem solchen Werk verbinden. Es bietet Teams die Möglichkeit, das optimale Verhalten für eine gemeinsame Situationsbeschreibung und Problemlösung einzuüben. Der Dialog vor einem Kunstwerk bietet ein Instrument zur konstruktiven Erarbeitung von gemeinsamen Zielhorizonten und Ausrichtung des Teams. In dem Ansatz geht es darum, die Unterschiedlichkeit von Beobachtungen, Erfahrungen und Ideen als Ressource zu nutzen und daraus eine produktive Situation für die Entwicklung von gemeinsamen Bedeutungen, Standpunkten und neuen Einsichten zu generieren, die alleine in aller Regel so nicht zustande kommen.
(2) Umsetzung Für die Erarbeitung einer bestimmten Frage, wie z.B. der Neuausrichtung der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit und deren Spielregeln, suchen sich die Teilnehmer eines Dialogworkshops ein Kunstwerk aus. Dieses wird eher intuitiv gefunden, als dass es die Thematik zu offensichtlich illustriert. Aus dem Kreis der Teilnehmer wird dann ein Dialogleiter gewählt, der entlang einer Anleitung, in der die Regeln der Bildbetrachtung und die Vorgaben zu seiner Rolle beschrieben sind, den Dialog führt. Diese Person soll eine offene und neugierige Grundhaltung einnehmen und über eine gewisse spielerische Leichtigkeit verfügen, um die Teilnehmer miteinander in einen guten Gesprächsfluss zu bringen. Nicht Expertenwissen ist gefragt,
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sondern eine fragende Einstellung. Im Dialog achtet der Leiter darauf, dass die Beobachtungen und Einsichten aller Teilnehmer aufgenommen und in den Dialog überführt werden. Er sorgt für die Einhaltung der Rahmung, den Ablauf des Dialogs mit seinen einzelnen Phasen und das Zusammenfassen der Zwischenschritte und Ergebnisse. Außerdem achtet er darauf, dass abweichende Beobachtungen oder Minderheitenmeinungen wertschätzend benannt werden. Sie sind ein wichtige Ressource, die häufig vollkommen neue Perspektiven eröffnen können. Die Person des Dialogleiters behält im Auge, dass die drei Phasen – in der Regel sollte jede ca. 20 Minuten dauern – systematisch aufeinander aufbauen. »Ausreißer«, so zum Beispiel eine vorschnelle Interpretation in der ersten Phase der Bildbeobachtung, müssen eingefangen und zurückgeführt werden – Leitfrage: »Haben wir schon alle Bildteile erfasst, was gibt es noch an Details zu beobachten?« etc. Die erste Phase ist rein empirisch und beschreibt das Kunstwerk in möglichst vielen, präzise beschreibbaren Details. Eine möglichst unvoreingenommene Wahrnehmung und Beschreibung der einzelnen Aspekte steht im Vordergrund. Es ist faszinierend, wie viele unterschiedliche Details mit zehn Augenpaaren gesehen werden. Hier ist es besonders wichtig, dass alle Teilnehmer zu Wort kommen und ein Fluss im Sinne eines »erkundenden Sprechens« entsteht – Wahrnehmungen werden erprobt und verworfen. Welche Figuren, Gegenstände, Landschaften, Formen, Farben lassen sich beobachten? Welche kompositorischen Merkmale lassen sich beschreiben? Gibt es formale Bezüge (Figuren, Farbfelder, geometrische Grundformen etc.)? In dieser Situation geht es darum, so viele Fakten wie möglich zu sammeln. Sie sind das »Material«, aus dem im Dialog das Kunstwerk Bedeutung gewinnt. Hier entwickelt sich Vertrauen im Team, dass keine Beobachtung falsch ist. Genau diese Erfahrung bringt häufig für Teams eine erste Erleichterung, gerade wenn diese im Alltag mit hierarchischen Strukturen und eingespielten Rollen zu kämpfen haben. Insofern ist das Bremsen von Experten oder »Vielwissern« an diesem Punkt sehr wichtig. Die akademische Kunstgeschichte bleibt vor der Tür. In der zweiten Phase betritt die Gruppe die emotionale Ebene. Welche Gefühle, welche Wirkung löst das Kunstwerk aus? Welche Stimmungen kommen auf? Wie lässt sich die Atmosphäre des Werks beschreiben? Gibt es Brüche? Schlägt Heiteres in Ernstes um? Gibt es bedrohliche Elemente? In dieser Phase kann es zu Pausen kommen. Diese sind willkommen, häufig der Kern des kreativen Dialogs und in aller Regel Vorbereitung auf neue Erkenntnisse. In den Alltagssituationen von Teamarbeit wird dieser Aspekt, das »Bauchgefühl« und der Wert der »kontemplativen« Pause, häufig übersehen. Die emotionale Einordnung, das sich Einstimmen auf eine Situation, das scheinbar selbstverständliche Zusammenfinden, ist aber ein entscheidender Punkt, ohne den ein gemeinsames Projekt kaum die notwendige Energie bekommt. In der dritten Phase schließt sich die gemeinsame Konstruktion von Bedeutung an. Und auch hier ist Expertenmeinung eher hinderlich. Entscheidend ist, auf welche Ideen die Gruppe im Dialog selbst kommt. Die Herausforderung und
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kreative Leistung des Dialogleiters besteht darin, die Beobachtungen, Ideen und Einsichten gemeinsam mit der Gruppe zu einer Art Leitmotiv und Deutungsversuch zu verknüpfen. Am Ende des Prozesses steht eine Zusammenfassung, welche durchaus abweichende Auffassungen von einzelnen Teammitgliedern mit einbezieht. Damit wird der integrative Aspekt des Dialoges betont. Es gilt, sich von den beiden Polen »Jede Idee gilt!« und »Am Ende müssen alle dem Ergebnis zustimmen!« fernzuhalten. Der Erfolg des Dialogs zeichnet sich dadurch aus, dass ein »Bedeutungsraum« entsteht, der präzise genug ist, Sinn zu stiften und dennoch genug Offenheit für unterschiedliche Sichtweisen zulässt. Im Alltag von Teamarbeit, in dem immer unterschiedliche professionelle Hintergründe eine große Rolle spielen, gilt es, genau diese Spannung zu meistern.
(3) Erfahrung Zwei Bereiche – IT und Operations – einer große Organisation hatten sich in der Zusammenarbeit und Kommunikation festgefahren. Gegenseitige Schuldzuweisungen und Absicherungsstrategien waren an der Tagesordnung. Um die Zusammenarbeit wieder in Schwung zu bringen und gemeinsame Spielregeln für eine gelungenere Zusammenarbeit zu finden, traf sich eine Gruppe, die aus Vertretern beider Bereiche bestand, im Museum. In einem ersten Durchgang wurde in vier gemischten Teams das Vorgehen der Dialogarbeit vor Kunstwerken erprobt. In einem zweiten Schritt suchte sich jedes Team intuitiv ein Kunstwerk aus, das es mit dem Thema der gelungenen Zusammenarbeit verbinden konnte. Die Ergebnisse aus den Dialoggesprächen zu den Kunstwerken waren erstaunlich zutreffend. In einem Fall wählte ein Team eine christliche Szene des Künstlers Lodovico Mazzolino von 1524: »Der zwölfjährige Jesus im Tempel lehrend« (s. Abbildung 1). Das Bild zeigt zwei streitende Gruppen am Fuße einer Treppe, welche die beiden Gruppen trennt. Als das Team in der gemeinschaftlichen Schlussrunde das Ergebnis vorstellte, kam es zu einer vehement geführten Diskussion. Kollegen, welche das Bild in diesem Moment zu ersten Mal betrachteten, sahen die Figur des Jesus als starke Führungspersönlichkeit, welche den Streit ordnet, was der klassischen Erwartung an das Topmanagement entspricht. Diese Deutung wurde allerdings von dem Team, welches sich über eine Stunde mit dem Kunstwerk auseinandergesetzt hatte, vehement abgelehnt. Für dieses Team wurde durch die Bildgeschichte klar, dass es weniger um Führungsfragen ging, als vielmehr darum, eine Klarheit in der strategischen Ausrichtung zu bekommen, was als dann als eine wesentliche Anforderung für eine konstruktive Zusammenarbeit der beiden Teams identifiziert wurde. Die Dialogarbeit der anderen Teams erarbeitete im weiteren Verlauf noch andere Themen, wie z.B. das regelmäßige Innehalten und Reflektieren im Team in bestimmten Projektsituationen oder die klare Beschreibung von Rollen.
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Abb. 1: »Der zwölfjährige Jesus im Tempel lehrend« von Lodovico Mazzolino Quelle: bpk/Gemäldegalerie, SMB/Jörg P. Anders
2.2 Bau einer Murmelbahn (1) Situation Simulationen sind Erfahrungsfelder, in denen durch Testläufe prototypartige Modelle von Organisationssystemen überprüft werden können. Dabei entwickelt sich aus den individuellen und gemeinsamen Erfahrungen der Teilnehmer solcher Simulationen eine Erfahrungsgrundlage. Aus dieser entsteht und verdichtet sich das Bild der Organisation – Lernen wird visuell verankert. Wesentliche Aspekte einer Simulation, beispielsweise einer Ablauforganisation, sind: • • •
Die typischen Prozessabläufe des Systems mit seinen Eigenarten und Schnittstellen werden anlog abgebildet. Konzeptionelle Überlegungen der Planungsphase werden in der Simulation in praxisorientiertes Handeln übersetzt. Das Führungs- und Rollenverständnis von Mitarbeitern, Führungskräften und Experten wird erprobt und eingeübt.
Als künstlerische Intervention ist die Murmelbahn ein solches Erfahrungsfeld, welches den Auf bau und die Veränderung von Bereichen, Organisationen oder kompletten Fabriken mit ihren Fertigungsabläufen simulieren kann. Für die be-
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teiligten Mitarbeiter kann dadurch der Gesamtzusammenhang der zu bewältigenden Situation schnell erkennbar werden, und es wird deutlich, wie jede Person in den unterschiedlichen Prozessen ihren Platz einnimmt, um ein Projekt gemeinsam erfolgreich umzusetzen. In der speziellen Situation stand die betreffende Organisation, ein Unternehmen aus der Automobilbranche, vor der Herausforderung, ein neues Produktionswerk im Ausland in systematischen Schritten aufzubauen. Ein großer Teil der Mitarbeiter, in diesem Fall Fertigungsabschnittsleiter und Gruppenleiter, wurden dafür in dem betreffenden Produktionsstandort rekrutiert. Als Vorbereitung wurden diese im Hauptstandort »on the job« ausgebildet und sollten dann den Auf bau vor Ort verantwortlich leiten. Etwa die Hälfte der Fertigungsabschnittsleiter und der überwiegende Teil der spanischsprachigen Gruppenleiter stammten aus dem neuen Standort. Ziel für den Bau der Murmelbahn war es, als Führungsmannschaft gemeinsam die Grundprinzipien eines sicheren, belastbaren und effektiven Kernprozesses der Montagefabrik kennenzulernen und zu erproben. Dabei waren insbesondere die Führungsleitsätze der Montage, das Rollenverständnis der Gruppen sowie der Gruppenleiter, das Prozess-Know-how, das Zusammenspiel der Funktionen, Fertigungsprozesse und unterstützenden Dienstleistungen und die interkulturellen Aspekte zu berücksichtigen. In der Murmelbahn-Simulation sollten diese Aspekte ins Spiel gebracht und erprobt werden, um möglichst gute Voraussetzungen für das Gelingen des Auf baus des Produktionswerkes vor Ort zu schaffen.
(2) Umsetzung Der Bau der Murmelbahn erfolgte in drei Phasen: 1. Planung und Konstruktion 2. Probelauf und Optimierung 3. Serienanlauf und Reflexion Phase 1: Planung und Konstruktion In der ersten Phase waren die Mitarbeiter gefordert, eine Planung für den Bau der Murmelbahn zu erstellen und diese dann zu konstruieren. Entsprechend der vier Hauptabschnitte des neuen Produktionswerkes sollte die Konstruktion aus vier Segmenten bestehen. Das für den jeweiligen Abschnitt verantwortliche Team entwarf dafür einen Kubus mit zwei Metern Kantenlänge aus Dachlatten als Grundgerüst der Murmelbahn. In dieses wurde dann das in der Planung ausgearbeitete »Bahnen-Layout«, das die Eigenarten des Produktionsabschnittes herausarbeiten sollte, eingebaut. Die Bahnen selbst wurden aus Pappschienen gefertigt, die an sogenannten »Stellschnüren« befestigt wurden. Alle vier Murmelbahn-Segmente mussten dann so verbunden werden, dass ein durchgängiger Prozessverlauf gewährleistet ist. Dafür musste die Schnittstelle, von Kubus 1 zu 2, von 2 zu 3 usw.
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mit dem jeweiligen Anschlussbereich genau besprochen, entwickelt und gebaut werden. Jeder Mitarbeiter war repräsentativ durch eine Murmel vertreten, die in der Bahn positioniert werden musste. Der Gesamtprozess wurde durch die optimale Impulsweitergabe von Murmeln zu Murmel symbolisiert. Phase 2: Probelauf und Optimierung Im Probelauf wurde die Funktionsfähigkeit der Murmelbahn schrittweise überprüft (s. Abbildung 2), zunächst in den Einzelabschnitten und dann als Gesamtbahn. Dieses Vorgehen entsprach dem industriellen Konzept der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) und war eine Analogie zu den Optimierungszyklen, welche beim Auf bau eines Produktionswerkes angewendet werden. Deshalb war es für die Murmelbahn vorrangig, den kontinuierlichen Durchfluss der Murmeln sowie die reibungslose Übergabe des Impulses an den Schnittstellen sicherzustellen. Während dieser Phase wurden durch einen Teil des Teams bereits wesentliche Lernerfahrungen zu Punkten wie Klarheit in der Planung, Koordination der Teams, Definition und Konstruktion der Schnittstellen sowie Zeit- und Ressourcenplanung für die anschließende Reflektion vorbereitet.
Abb. 2: Murmelbahn Foto: Jörg Reckhenrich Phase 3: Serienanlauf und Reflexion In der dritten Phase stellten die Teams sicher, dass die Gesamtkonstruktion der Murmelbahn einer Mehrfachbelastung standhielt. Entsprechend der Anlaufzyklen eines Produktionswerkes wurde der Gesamtdurchlauf in drei Testphasen erprobt. Nach dem offiziellen Durchlauf, dem symbolischen »Start of Production« tauschten sich die Teams zunächst intern und dann gegenseitig mittels der vorbereiteten Kurzpräsentationen aus. In einem zweiten Schritt wurden dann in der
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Großgruppe die »Stellhebel« für den Transfer in den Arbeitsalltag beschrieben und eine erfolgreiche Umsetzung identifiziert.
(3) Erfahrungen Den vier Teams gelang es, eine Murmelbahn zu bauen, die sich durch folgende Eigenschaften auszeichnete: kontinuierlicher Durchfluss der Murmeln, Funktionsfähigkeit der Schnittstellen und Backup-Lösungen für mögliche Ausfälle. Darüber hinaus wurden die erfolgskritischen Aspekte unmittelbar erkennbar und gezielt beschrieben. Insbesondere gelang die Simulation deshalb, weil die vier Teams eine engmaschige Kommunikation innerhalb und zwischen den einzelnen Teams sichergestellt hatten. Eine besondere Rolle kam dabei den so genannten »Schnittstellenkoordinatoren« zu. Diese hatten die Aufgabe, Informationen zur Planung und Konstruktion der Murmelbahn aus allen Teams zu sammeln, um diese dann für eine zielgerichtete Lösung »vor Ort« zur Verfügung zu stellen. Die notwendigen Anpassungen von Planung und Konstruktion der Murmelbahnsegmente konnten so über alle vier Segmente der Murmelbahn hinweg sehr schnell sichergestellt werden. Diese Erfahrung wurde dann in Form einer bereichsübergreifenden »Beobachtungsgruppe« für den Auf bau des Produktionswerkes weiterentwickelt. Eine ganz andere und eher schwierige Erfahrung war, dass alle Teams dazu tendierten, zugunsten einer perfekten, 150-prozentigen Lösung zeitliche und materielle Ressourcen außer Acht zu lassen. So war das Bewusstsein für das »Timing«, wann welche Phasen zum Abschluss gebracht werden, um im Zeitplan zu bleiben, wenig vorhanden und Zeitbudgets wurden überzogen. Dieser Aspekt wurde in der Reflexion dahingehend besprochen, dass die Planungsphase eine Vereinfachung der Schritte und der zeitlichen Vorgaben benötigt. Die Erfahrungen und Erkenntnissen bezüglich Strukturen, Rollen, Zusammenspiel im Team, im Planungs- und Bauprozess und der Verprobung waren wesentliche Punkte, die durch die Murmelbahn als Simulation herausgearbeitet werden konnten. Entscheidend für den Erfolg war es allerdings, dass das komplexe System des Produktionswerkes als Gesamtbild sichtbar und emotional erlebbar wurde.
2.3 Werte als Skulptur (1) Situation Der kulturelle Kern von Organisationen jeder Art sind ihre Werte. Entscheidungen, die wir treffen, gründen sich immer auf Werte und in dem Moment, in dem wir uns für oder gegen eine Situation entscheiden, werden diese explizit. Vor allem in Phasen unternehmerischer Veränderungen beobachten wir, wie verschiedene Werte im Unternehmen in Konflikt miteinander treten können. Als Individuen leben wir in aller Regel mehr oder weniger bewusst mit Werten und kaum ein Mensch führt (hoffentlich) die Diskussion in der Familie, welche fünf Werte für eine effiziente Organisation des Haushalts wichtig sind und wie
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diese umgesetzt werden. Unternehmen hingegen brauchen einen Diskurs über Werte als Orientierung für die Organisation sowie für die Mitarbeiter. Allerdings birgt ein solcher Diskurs, der Werte explizit macht, ein nicht unbedeutendes Risiko. Einmal veröffentlicht, können Werte schnell zu einer Auflistung von Begriffen verblassen. Vision – Mission Statements – einschließlich entsprechender Werte haben kaum Kraft, wenn diese auf Postern gedruckt werden, deren Halbwertzeit erstaunlich kurz ist. Der vielbeschworene Satz: »Jetzt müssen wir die Werte nur noch leben«, zeugt eher von Ratlosigkeit, wie das denn geschehen und in die Praxis umgesetzt werden soll. Werte brauchen einen Raum, die Einbindung in einen kontinuierlichen Dialog, der Werte eher implizit mit »anspielt« oder einen Ritus, der die Werte verankert. Wie ein solcher Raum entstehen kann, durch den Werte von Führungskräften sichtbar werden, war eine Frage, die sich die Führungskräfteakademie der Deutschen Bahn vor neun Jahren stellte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Unternehmenswerte gerade neu entwickelt worden, und wurden konzernweit kommuniziert. Im Prozess der Implementierung entstand die Frage, wie sich die Führungskräfte nicht nur mit den Unternehmenswerten, sondern insbesondere mit ihren persönlichen Werten auseinandersetzen können. Ziel war es, denjenigen Werten auf die Spur zu kommen, die handlungsleitend für den Führungsalltag sind. Werte sollten, so die Idee, als Geschichten Kraft bekommen und erlebbar werden. Darüber hinaus sollte ein physischer Ort entstehen, welcher die Werte der Führungskräfte als kollektives Feld bündelt. Aus einer Reihe von verschiedenen künstlerischen Formaten, die im Vorfeld diskutiert wurden, setzte sich die Idee der Werteskulptur durch.
(2) Umsetzung Der künstlerische Ansatz war eng mit dem Prozess der Werteerarbeitung verknüpft. Die Werteskulptur bestand aus Bahnschwellen aus Eichenholz, die im Gleisbau Verwendung finden. Diese wurden senkrecht aufgestellt und kreisförmig angeordnet. Die Skulptur hatte einen Durchmesser von 6 Metern, war 2,20 Meter hoch und wurde an einem zentralen Ort im Parkgelände der Akademie installiert (s. Abbildung 3). Die Wahl der Bahnschwellen als Material, mit dem im weitesten Sinne jeder Mitarbeiter bei der Deutschen Bahn verbunden ist, war einer der Erfolgsfaktoren. Durch das Material selbst entstand ein unmittelbarer Bezug. Die Führungskräfte, die an dem Programm teilnahmen, schlugen mit Hammer und Beitel jeweils einen Wert in die Skulptur ein. Über 1.000 Führungswerte finden sich mittlerweile in der Skulptur wieder.
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Abb. 3: Werteskulptur Foto: Jörg Reckhenrich Die Werte selbst wurden von jeder Führungskraft durch einen systematischen Prozess erarbeitet. Dafür notierte jeder Teilnehmer stichwortartig im ersten Schritt drei Ereignisse eines gelungenen Arbeitstages. Im zweiten Schritt arbeiteten die Führungskräfte dann mit einem Kollegen in einer Art Coaching-Setting zusammen. Hier bestand die Aufgabe der begleitenden Person darin, bei jedem Ereignis immer wieder nachzufragen: »Was ist daran wichtig?«. Schritt für Schritt wurden so die Antworten vertieft, bis zu dem Punkt, an dem der dahinter liegende Wert erkennbar wurde. Dieser Wert wurde dann noch einmal überprüft, indem der Partner rückfragte, wo sich Situationen im Arbeitsalltag finden lassen, in welchen der betreffende Wert einen leitenden Einfluss hat. Im Idealfall wurden durch die Werteübung drei Kernwerte herausgearbeitet, von denen dann einer für die Skulptur ausgewählt wurde.
(3) Erfahrung Die Werteskulptur kombinierte einen Prozess der Reflexion mit handwerklicher Arbeit. In der vorbereitenden Werteübung wurde für die Teilnehmer erkennbar, wie persönliche Werte ihren Arbeitsalltag beeinflussen bzw. wie sie sich dadurch leiten lassen können. Insbesondere trug das intensive Gespräch mit dem Kollegen maßgeblich zur Vertiefung bei. Häufiger gab es in dieser Phase ein Gespräch darüber, ob das, was gemeinsam notiert wurde, ein Wert oder mehr ein Leitmotiv sei. Werte wurden als eine klare Setzung begriffen, während Leitmotive anschaulich das persönliche Handeln in der Organisation beschrieb. Jenseits der Frage, ob es sich im engeren Sinne um einen Wert oder um ein Leitmotiv handelt, war das
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entscheidende Kriterium der persönliche Bezug bzw. die Frage: »Was unterstützt mich bei meinem Handeln in meinem Führungsalltag?«. Der handwerkliche Aspekt, den für sich gefundenen Wert in die Skulptur einzuschlagen, machte die Übung für die Führungskräfte zu etwas Besonderem. Die Energie der einzelnen Teilnehmer ging deutlich nach oben, wenn es darum ging, einen geeigneten Ort in der Skulptur zu finden, seinen Wert dort einzuschlagen und damit eine bleibende Spur zu hinterlassen. Teilweise bekam dieser Moment durch den Rhythmus und Ton der Hammerschläge der Teilnehmer einen fast performativen Charakter. Mit Stolz zeigten sich die Teilnehmer gegenseitig ihre Ergebnisse und kommentierten immer wieder mit Humor verbunden ihre handwerkliche Leistung. Durch die Arbeit an der Werteskulptur gelangen zwei Dinge. Zum einen nahmen sich die Teilnehmer als Teil des kreativen Prozesses wahr, als Künstler, welche diese Skulptur aktiv mitgestalteten. Zum anderen wurde für sie die Werteskulptur zu einem Ort, der für sie persönlich eine Bedeutung bekam. Mit der Werteskulptur sind zahlreiche Geschichten verbunden, welche die Skulptur emotional aufladen. Bei einem erneuten Besuch der Akademie gehen Führungskräfte immer wieder zu »ihrem« Wert oder stellen diesen Kollegen vor. Das Kunstwerk wurde zu einem Ankerpunkt, durch den die Führungskräfte die Auseinandersetzung mit ihren persönlichen Werten in der Bahn weitertrugen. Die Wertearbeit und deren künstlerische Umsetzung in die Werteskulptur ist nach wie vor aktuell und auch heute ein fester Bestandteil des Repertoires der Führungskräfteakademie der Deutschen Bahn.
2.4 Kulturelle Zusammenarbeit im Film (1) Situation Zu den schwierigsten Aufgaben eines Teams gehört sicher, eine Vision für den gelungenen Umgang miteinander zur Schaffung einer entsprechenden Teamkultur zu entwickeln. Die Herausforderung liegt sowohl in der Beschreibung des Ist-Zustands als auch in der zukünftigen erwünschten und angestrebten Art und Weise der Zusammenarbeit. Zu den Eigenarten einer solchen Kulturentwicklung gehört, dass sie nie bei Null beginnt. In jeder Organisation existiert immer auch eine Kultur – zumeist auch mehrere nebeneinander – die das Miteinander bestimmen. Allerdings geschieht dies zumeist unreflektiert. Insofern gilt es bei einer Kulturentwicklung, die informellen und formellen Regeln sowie die Eckpunkte zu identifizieren, welche für eine konstruktive Arbeitssituation förderlich sind. Was auf Unternehmensebene oft sperrig sein kann, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren im Spiel ist, kann auf der Teamebene einfacher und sehr konkret durchgespielt werden. Die Inszenierung von Ist-Zustand und angestrebter Form der Zusammenarbeit spielt den kulturellen Aspekt fast beiläufig durch und betont gerade durch die Beiläufigkeit den Wert der Erfahrung. Um kulturelle The-
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men zu visualisieren und emotional aufzuladen, sind Filme ein geeignetes Format. Filme von Teams, die zu unternehmensspezifischen Fragen gedreht werden, können eine inspirierende Ausstrahlung auch auf andere Bereiche des Unternehmens haben und können zu einer kulturellen Veränderung beitragen. Als Beispiel soll ein großer Mobilitätsdienstleister dienen, für den nach einer gelungenen Transformation von einem Staatsbetrieb zu einem internationalen Dienstleistungskonzern die Vision eines kundenfreundlichen und kundenzentrierten Marktteilnehmers zu entwickeln war. Besonders die Führungskräfte sahen sich mit einem großangelegten kulturellen Wandel konfrontiert, denn bislang wurden Mitarbeiter mit engen und direktiven Vorgaben geführt. Ziel dieses kulturellen Wandels war es, Eigenverantwortung und Initiative der Mitarbeiter zu stärken. Führung sollte transformationalen Prinzipien folgen: Offenheit, Inspiration und kollegiale Unterstützung. Schnell wurde klar, dass diese Veränderung ein stärker ausbalanciertes Gleichgewicht von Team und Führung brauchte. Integrative Führung und Eigeninitiative der einzelnen Teammitglieder mussten gleichermaßen betont werden. Im Rahmen eines Führungskräfteentwicklungsprogrammes wurde ein Filmprojekt integriert, das sowohl den kulturellen Ist-Zustand der Organisation als auch die Entwicklung eines emotionalen Bildes des neuen Führungsanspruchs und der damit einhergehenden kulturellen Veränderung thematisierte. Der Kulturwandel mit all seinen Ecken und Kanten wurde so in Szene gesetzt. Film ist ein kollaboratives künstlerisches Format: hier wird Kreativität im Team verlangt, Kompromisse müssen gefunden und Ideen für einzelne Szenen und den »Plot« als Ganzes auf ihre technische Machbarkeit überprüft werden. Dabei gilt es, eine feine Balance zu halten zwischen planerischen Schritten und Spontanität in der Umsetzung, die nicht unterbunden werden darf, sondern im Prozess des Filmemachens verankert werden muss. Das Team steht vor einer Reihe von komplexen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Verschiedene Teile – Szenen und »Storylines«, Darsteller, eine Kameracrew, die Rolle des Regisseurs, Ton- und Musikgestaltung – werden benötigt und müssen zu einem Ganzen zusammengeführt werden.
(2) Umsetzung Das Filmformat war Teil des dritten Moduls des Programms. Kultur bildete das Schwerpunktthema, dazu wurden zunächst Kulturanalysen anderer Unternehmen hinzugezogen. Im Film-Workshop wurden dann zwei Teams mit der Aufgabe betraut, einen kurzen Film, der inhaltlich in zwei Teile gegliedert werden und die Unternehmenskultur heute und in fünf Jahren widerspiegeln sollte, zu produzieren (s. Abbildung 4). Der zeitliche Rahmen umfasste etwa vier Stunden. Bis dahin musste das fertig gedrehte Material einschließlich einer Schnittanleitung an den Cutter übergegeben werden. Die Teams bestimmten Regie, Kamera und Ton. Der Workshop-Leiter gab diesen drei Personen eine kurze Einführung in ihre Aufgaben.
Kreativität als Kapital
Im Filmformat fällt der Regie die Aufgabe zu, die einzelnen Aspekte der Entwicklung der Geschichte und die Vorbereitung des Drehs zusammenzuhalten, alles, was im Team als Drehbuch entworfen wurde, zu inszenieren oder, wenn Team und Regisseur auf »gleicher Augenhöhe« arbeiten, die Vorschläge des Teams zum Dreh zusammenzuführen, an die Anschlüsse von einer Einstellung zur nächsten zu denken, die Kommandos zum Drehen wie – »Ruhe bitte!«, »Ton ab!«, »Kamera ab!« oder »Danke« – zu geben. Mit anderen Worten: die Regie orchestriert die Kreativität des Teams.
Abb. 4: Filmset Foto: Jörg Reckhenrich Die Kameracrew – Kameraführung und Ton – ist für den Stil des Films verantwortlich. Neben den Schauspielern und dem Regisseur gewährleisten sie die Qualität der Bilder und der Inszenierung. Sie verantworten die emotionale Kraft des Films. Die Dynamik durch Schwenks oder Zooms, das Wechseln zwischen Totalansichten zu Close-Ups etc. sind wichtige stilistische Mittel. Außerdem sieht die Kameracrew am deutlichsten, ob eine Einstellung gelungen ist oder noch einmal gedreht werden muss. Im Team nimmt die Kameracrew damit neben der aktiven Aufgabe des Drehs zusätzlich die Rolle eines Beobachters ein. Das Drehbuch und der Drehplan werden durch das Team gemeinsam entwickelt. Aus der Diskussion werden meist sehr schnell die jeweiligen Rollen bestimmt. Dabei reichen einige wenige Kostüme und Requisiten aus, um in eine Rolle schlüpfen zu können.
(3) Erfahrung Interessant war immer wieder zu beobachten, wie unterschiedlich die Filmteams mit dieser komplexen Aufgabe umgingen. Manche entschieden sehr schnell über
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Jörg Reckhenrich/Peter Winkels
Aufgabenverteilung, fanden spontan eine erste zündende Idee und begannen dann mit der Umsetzung. Im Laufe der einzelnen Einstellungen wurden neue Ideen geboren und die Ursprungsidee für die Storyline dementsprechend verändert. Andere wiederum brauchten lange für eine detaillierte Planung. Stellte sich das erste Vorgehen als günstig heraus, um die Energie des Teams durch den produktiven Druck des »ad hoc« konstant oben zu halten, profitierten die Teams mit der sorgfältigen Planung, wenn aus technischen oder anderen Gründen am Set improvisiert werden muss. Allerdings hatten solche Teams gelegentlich mit Zeitknappheit zu kämpfen. In der Reflexion des Film-Workshops wurde deutlich, wie sehr diese Dynamik zwischen dem passenden Grad an Planung und Raum für Spontanität – dem »einfach Machen«, mit den Erfahrungen des Alltags in Projektarbeit zusammenhängen und in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen müssen. Auch das Rollenverständnis der Regie war unterschiedlich: vom freundlichen Diktator bis zum Antreiber, Moderator oder Katalysator, der Ideen im Team umsetzt, konnte hier alles beobachtet werden. Kooperatives und direktives Führungsverhalten wurden klar erkennbar und gelegentlich auch mit großer Lust ausgespielt. Der Transfer zur Frage der transformationalen Führung erwies sich dann als ausgesprochen spannend. Wurde transformationale Führung bislang immer wieder als »Kuschelführungsstil« beurteilt, stellte sich durch die Filmarbeit ein anderes Verständnis ein. Inspirieren und Vorgaben machen wurden weniger als Gegensatz gesehen, sondern als Führungselemente, die in unterschiedlichen Situationen zum Zuge kommen. Die geschnittenen Filme selbst wurden dann auf einem kleinen »Filmfestival« am nächsten Tag vorgeführt. Da die Filmteams diese noch nicht gesehen hatten, war die Überraschung groß und in aller Regel sehr positiv. Ein solches Projekt gemeinsam »gestemmt« zu haben stärkte das Gefühl von Gemeinschaft. Nach der Vorführung wurde zusammen mit geladenen Gästen das Thema des kulturellen Wandels vertieft. Die Filme stellten sich dabei im Gespräch als ein wichtiges Element heraus. Durch die dargestellten Geschichten konnten konkrete Punkte der konzernweiten Diskussion in Verbindung mit transformationaler Führung angesprochen werden.
3. S chlussfolgerungen Die anhand der Fallbeispiele vorgestellten künstlerischen Formate ermöglichen eine Bearbeitung von sehr unterschiedlichen Organisationsthemen. Dabei kann sowohl mit einem kleineren Teilnehmerkreis in Seminargröße (Fallbeispiel Wertewerkstatt) als auch mit einem großen Teilnehmerkreis im Rahmen einer entsprechenden Großveranstaltung (Fallbeispiel Murmelbahn) gearbeitet werden. In allen Fällen wird für die Bearbeitung der Organisationsthemen systematisch auf das kreative Potenzial der Teilnehmer zurückgegriffen. Dabei sucht das
Kreativität als Kapital
beschriebene Format eine Balance zwischen Komposition und Improvisation. Komposition meint in diesem Zusammenhang, dass die Intervention klaren Vorgaben folgt und auf Fokussierung ausgerichtet ist. Denn Kreativität ohne Komposition bleibt beliebig. Improvisation bedeutet dagegen, dass die Intervention Freiraum für ein gelingendes Zusammenspiel des vorhandenen Potenzials schafft. Ohne Improvisation kann Kreativität den Arbeitsprozess nicht über sich selbst hinausführen. Beides ist notwendig, wenn das kreative Potenzial der Teilnehmer zur Bearbeitung eines Organisationsthemas genutzt und damit in Performance überführt werden soll. Die dargestellten Bespiele verdeutlichen darüber hinaus, dass der Erfolg der künstlerischen Arbeit in Unternehmen von einer Reihe weiterer Aspekte abhängt: zunächst bedarf es der Eingrenzung auf ein konkretes Thema der Organisation. Eine »hidden agenda« im kreativen Prozess kann diesen schnell zum Erliegen bringen. Dann muss das künstlerische Medium dem Thema entsprechen: es ergibt keinen Sinn, eine vielschichtige Wertediskussion im Team mittels einer auf Linearität gerichteten Murmelbahn zu initiieren. Des Weiteren sollten die Aufgabenstellung und die Erfolgskriterien so transparent wie möglich gemacht werden. Niemand mag kreativ sein, wenn er »im Trüben fischt«. Letztlich – und das ist der entscheidende Punkt künstlerischer Arbeit – muss ein »Werk« entstehen, das die Prozesse und die Situation der Organisation deutlich veranschaulicht. Dazu braucht es unbedingt die notwendigen Ressourcen. Notwendig heißt in diesem Zusammenhang: nicht mehr und nicht weniger! Ein Überangebot an Werkzeugen – zwei Kameras pro Team beim Filmen, so viel Zeit wie man möchte beim Museumsdialog etc. – erschweren den Konzentrationsprozess. Insofern spiegelt die Ressourcenorientierung im kreativen Prozess eins zu eins die organisationale Realität wider. Schließlich brauchen die künstlerischen Prozesse die Beobachtung, die Auswertung und die Verankerung der gewonnenen Erkenntnisse in die weiteren Arbeitsprozesse. Für das jeweilige Unternehmen lohnt sich diese Investition in die Kreativität der Mitarbeiter jedem Fall. Schließlich können alle Beteiligten durch die künstlerische Erfahrung und das qualitative Ringen mit Format und Inhalten den Erfolg direkt sehen und dadurch die Ergebnisse leichter in den Alltag der Organisation übertragen.
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Teil IV: Erfolgsbeispiele für Kunst-Unternehmens- Kooperationen aus der Praxis
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen Ein Überblick Berit Sandberg
1. B ezugsr ahmen und M e thode »Kunst und Wirtschaft« ist ein junges Forschungsgebiet, das sowohl theoretisch als auch empirisch vergleichsweise spärlich beleuchtet ist (Baumgarth et al. 2013, S. 158-160). Jenseits des Anwendungsbereiches Kulturmanagement konzentrieren sich betriebswirtschaftliche Forschungsarbeiten zu diesem Thema auf die Funktionen und Potenziale einer Übertragung künstlerischer Strategien und Handlungsmuster auf Unternehmensbereiche wie Personalmanagement, Organisation und Marketing. Sie gehen vor allem der Frage nach, welche Wirkungen der Einsatz von Kunst in Unternehmen entfalten kann.1 Berührungspunkte zwischen Kunst und Wirtschaft aus der Perspektive der Kooperationsforschung zu betrachten, ist neu und gab Anlass zum Forschungsprojekt »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen als Motor für Wirtschaft und Kunst«.2 Mit diesem Vorhaben sollten der Verlauf und die Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit von Unternehmen und Künstlern in Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUKs) genauer untersucht werden. Aufgrund des geringen theoretischen und empirischen Erkenntnisstandes verfolgte das Projekt eine deskriptiv-explorative Zielsetzung. Das Phänomen sollte also zunächst in seinen Erscheinungsformen und seiner Problematik detailliert beschrieben werden, um im nächsten Schritt theoriebildende Hypothesen zu den Funktionsmechanismen von KUKs aufzustellen (Barton/Lazarsfeld 1955; Eisenhardt 1989, S. 548). Eine solche Ausgangslage bedingt einen qualitativen Forschungsansatz, der mit offenen Erhe1 | Vgl. dazu den Beitrag von Baumgarth (S. 49ff.) in diesem Handbuch. 2 | Forschungsprojekt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, 1.4.2013 bis 31.3.2015, www.ifafberlin.de/projekte/kuk/ (letzter Abruf: 28.2.2015).
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Berit Sandberg
bungsinstrumenten wie Interviews und Fallstudien verfolgt wird (Eisenhardt 1989, S. 535f.). In diesem Beitrag wird mit sieben KUK-Fallstudien ein Auszug aus dem empirischen Material präsentiert, das während der Laufzeit des Projekts »Arts Push Business« erhoben wurde. Die Fälle wurden mit gezieltem Sampling ausgewählt, und zwar anhand der Kriterien Prägnanz, Ergiebigkeit und Heterogenität (Patton 1990), so dass die Fallstudien verschiedene Erscheinungsformen und Akteurskonstellationen erfolgreicher KUKs abdecken. Alle betrachteten KUKs sind öffentlich sichtbar und liefern vergleichsweise umfangreiches, leicht zugängliches Quellenmaterial. Bei jeder der sieben KUKs wurden mit maßgeblichen Akteuren leitfadengestützte Interviews geführt (Gläser/Laudel 2010). So wurden jeweils mindestens ein Unternehmensvertreter, ein Künstler und ein beteiligter Intermediär befragt. Die Gespräche wurden auf Tonträger aufgezeichnet; relevante Passagen wurden transkribiert. Die Aussagen wurden um Sekundärmaterial u.a. aus veröffentlichten Projektbeschreibungen, Presseberichten und audio-visuellen Quellen ergänzt (Datentriangulation), um die Validität der Ergebnisse zu verbessern. Das Material wurde thematischen bzw. zusammenfassenden Inhaltsanalysen unterzogen (Braun/Clarke 2006; Mayring 2015), die offen für eine gleichzeitige Anwendung verschiedener theoretischer Konstrukte sind. Die Kodierung und Kategorienbildung orientierte sich zum einen theoriebasiert an Phasenmodellen (Rath 2011, S. 91) und Erfolgsfaktoren von Kooperationen (Schiuma 2011, S. 242248; Holtbrügge 2005, S. 1188), zum anderen wurde sie anhand der Daten entwickelt. Dieses Vorgehen ermöglichte einen permanenten Abgleich von Theorie und Empirie und eine sukzessive Verfeinerung der Befragungs- und Auswertungstechnik, da sich Datenerhebung und -analyse überlappten (Eisenhardt 1989, S. 538f.). Die Fallstudien wurden schließlich verschriftlicht, durch die befragten Personen validiert (Konstruktvalidität) und abschließend fallübergreifend auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin untersucht (Cross-Case-Analyse) (Eisenhardt 1989, S. 540; Yin 2014, S. 46f., 164ff.). Die Muster, die dabei ermittelt wurden, werden im Folgenden erläutert.
2. D ie KUK s Die sieben Fallstudien decken typische Erscheinungsformen und Felder für KUKs ab. Sie beziehen sich auf Kooperationen aus den Jahren 2012 bis 2014 bzw. auf Programme, die inzwischen fest in einigen Unternehmen verankert sind.
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen
2.1 Das Projekt 3x3 3x3 ist ein Projekt-Format, bei dem drei Vertreter eines Unternehmens mit drei Künstlern einen weitgehend standardisierten Prozess der Ideenfindung durchlaufen. So entsteht in einem Zeitfenster von maximal fünf Wochen ein MiniThink Tank in Form einer moderierten Workshop-Reihe, bei dem die Beteiligten gemeinsam einen Lösungsvorschlag für eine Aufgabenstellung des betreffenden Unternehmens entwickeln. Die Art der Problemstellung ist völlig offen, so dass mit 3x3 sowohl strategische Fragen als auch operative Herausforderungen z.B. im Marketing oder im Personalmanagement bearbeitet werden können. Die Kooperationen auf Zeit werden vom 3x3-Projektbüro vermittelt und kontinuierlich begleitet.
2.2 dm — »Abenteuer Kultur« »Abenteuer Kultur« ist ein Workshop-Programm, das 2000 bei der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG für die Lehrlingsausbildung aufgelegt und wenig später von der Alnatura Produktions- und Handels GmbH übernommen wurde. Die Auszubildenden bringen unter der Anleitung von externen Theaterpädagogen, Regisseuren und Schauspielern ein Theaterstück zur Aufführung. Jährlich finden rund 120 Workshops statt, die von einem mehrköpfigen Lenkungsgremium koordiniert und einem Stamm aus 170 Künstlern umgesetzt werden. Das Konzept ist bei dm die dritte Säule der Berufsausbildung und Teil der Unternehmensidentität. 2004 wurde es mit dem Initiativpreis Aus- und Weiterbildung ausgezeichnet.
2.3 ImmobilienScout24 — »Act Leadership« »Act Leadership« ist ein Trainingsformat, das die Agentur für szenische Kommunikation, inszenio, für den Betreiber des webbasierten Immobilienportals ImmobilienScout24 entwickelte. Die ImmobilienScout GmbH suchte nach einem weiteren Modul für ihr umfassendes Programm zur Führungskräfteentwicklung und fand es in einer maßgeschneiderten Form von Unternehmenstheater. inszenio setzte das detaillierte Briefing in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber um. Das Ergebnis ist eine theaterbasierte Trainingsmethode, die von einem Team aus darstellenden Künstlern mit Führungskräften des Unternehmens erfolgreich umgesetzt wird und beim Deutschen Trainingspreis 2014/15 ausgezeichnet wurde.
2.4 Detecon International — »Art works« Der Umzug des Firmensitzes in ein ungeliebtes Verwaltungsgebäude wurde für die Detecon International GmbH 2012 zum Kooperationsanlass. Mit Hilfe intensiver Vermittlungsarbeit einer Galerie und einer Kommunikationsagentur ließ das Beratungsunternehmen von 15 Künstlern ausgewählte Räume des nüchter-
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nen Zweckbaus gestalten. Das innovative Office Konzept erntete den Zuspruch der Belegschaft, viel öffentliche Aufmerksamkeit und den German Design Award 2015 in der Kategorie »Interior Design«. Mit »Art works« gelang es den Beteiligten nicht nur, das Gebäude und damit das Unternehmensklima aufzuwerten, sondern auch die Unternehmenskultur zu visualisieren. »Art works« ist mehr als Dekoration.
2.5 WARSTEINER — »Art Collection« Die »Art Collection« der Brauerei WARSTEINER ist eine Serie von Künstlern gestalteter Bierflaschen, die erstmals 2013 als limitierte Edition in den Handel kamen. Bei der Produktgestaltung arbeitete das Unternehmen mit sechs Street Art-Künstlern zusammen. Jeder gestaltete das Äußere einer handelsüblichen Aluminiumflasche. Die Aktion war in eine umfassende Kommunikationskampagne eingebettet und so erfolgreich, dass sie 2014 wiederholt wurde. Die »Art Collection« steht für eine KUK im Konsumgüter-Marketing, die exogene Wirkungen entfalten soll und das Image der Traditionsbrauerei mit dem Lifestyle einer jugendlichen Zielgruppe verknüpft.
2.6 aixigo — Markenrelaunch und Positionierungskampagne Um eine ähnliche Aufgabe ging es beim Markenrelaunch des Software-Hauses aixigo, bei der die Mitarbeiter des Unternehmens als Markenbotschafter im Mittelpunkt stehen sollten. Den Anstoß zur Kooperation mit einem Künstler gab die Agentur, die für das Kreativkonzept verantwortlich war. Sie vermittelte die Zusammenarbeit mit dem Theatermaler Mathias Daenschel, der den Markenkern grafisch umsetzte und zudem Mitarbeiter der aixigo portraitierte. Die zehn ausgewählten Arbeiten werden jedoch nicht nur auf der Homepage des Unternehmens eingesetzt, sondern auch für die unternehmensinterne Kommunikation genutzt. Die Kampagne schaffte es auf die Shortlist des marconomy Award 2013 und belegte Platz 4.
2.7 BENEO — Lifestyle-Kampagne BENEO ist eine Marke der Südzucker AG unter der funktionelle Inhaltsstoffe zur Aufwertung von Lebensmitteln und Tiernahrung produziert und an die verarbeitende Industrie vertrieben werden. Der Auftrag für eine Lifestyle-Kampagne, der einer Kommunikationsagentur übertragen wurde, führte zur Kooperation mit dem Collagen-Künstler Derek Gores. Aus unternehmenseigenem Bildmaterial entwickelte Gores für BENEO eine Serie von auffälligen und unverwechselbaren Kampagnen-Motiven, die die Markenbotschaft visualisieren. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Künstler und vermittelnder Agentur ist ein Beispiel für eine KUK, die sich auf die Differenzierung und Emotionalisierung einer Marke bezieht.
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen
3. B e teiligte A kteure 3.1 Die Unternehmen Abgesehen von einigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die am 3x3Projekt teilgenommen haben, sind alle Kooperationspartner Großunternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern. Dies ist jedoch auf die Auswahlkriterien für die Fallstudien zurückzuführen, bei denen u.a. die Sichtbarkeit der Kooperationen und deren Erfolg eine Rolle spielte. Es ist kein Hinweis auf eine Regelmäßigkeit. Auch KMU gehen KUKs ein.3 Die Fallstudien zeigen eine große Bandbreite von Branchen von Lebensmittelproduktion und -vertrieb über Dienstleistungen (Softwarelösungen, Management- und Technologieberatung, Immobilienvermittlung, Finanzdienstleistungen etc.) bis hin zum Einzelhandel. Es sind sowohl Unternehmen vertreten, die ihre Leistungen an Endverbraucher absetzen (dm), als auch Anbieter im Business-to-Business-Bereich (Detecon International, BENEO, aixigo) oder solche, die beide Kundensegmente bedienen (WARSTEINER, Immobilienscout24). Die Frage, ob branchenspezifische Faktoren wie z.B. die Wettbewerbsintensität KUKs befördern und welche Faktoren das sind, war nicht Gegenstand der Studie. Wer im Unternehmen für die Anbahnung und Koordination der Partnerschaft zuständig war, hing von der Aufgabenstellung ab. Selbst wenn der Impuls für die Kooperation im Einzelfall von der Geschäftsleitung ausging (WARSTEINER, dm, aixigo; s. dazu Abschnitt 4.1), war diese meist nicht unmittelbar in die KUK involviert. Vielmehr wurden die Kooperationen maßgeblich von Protagonisten aus den betroffenen Abteilungen getragen, etwa von der Leiterin der Unternehmenskommunikation (Detecon International), dem Brand Manager (WARSTEINER). Haben künstlerische Interventionen langfristigen Programmcharakter, entwickelten sich innerhalb mancher Unternehmen Strukturen, die die Zusammenarbeit koordinieren (dm).
3.2 Die Intermediäre Keine der untersuchten KUKs kam ohne Intermediäre aus. Das sind Personen, die Anbieter (Künstler) und Nachfrager (Unternehmen) in Kontakt bringen und bei der Abwicklung der Kooperation unterstützen. Je nach Kontext werden sie auch als Mittler, Promotoren, Mediatoren oder Broker bezeichnet. Intermediäre erfüllen im Rahmen von KUKs im Wesentlichen vier Funktionen: die Partnersuche, das Matching der Partner, das Monitoring und die Koordination der Kooperation. Sie übernehmen nicht nur die Konzeptentwicklung und Organisation der Umsetzung, sondern moderieren während der Kooperation den ergebnisbezogenen Abstimmungsprozess zwischen Unternehmen und Künst3 | Vgl. dazu die Fallstudien bei Sigmund 2013.
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lern. Dadurch reduzieren die Intermediäre die Transaktionskosten der Partner und gleichen deren Informationsdefizit und Kulturdistanz, die für kunstbasierte Kooperationen charakteristisch sind, mit Glaubwürdigkeit und interkultureller Kompetenz aus. Die Intermediäre bei personenbezogenen künstlerischen Interventionen waren oft selbst ausgebildete Künstler (Peer Holthuizen für 3x3, Dr. Claudia Borowy für Immobilienscout24, Silvia Hatházy für dm), während bei objektbezogenen Dienstleistungen neben Kuratoren mit einschlägigem Erfahrungshintergrund (Dr. Bernhard Zünkeler, E105, für Detecon International) auch klassische Marketing- und Kommunikationsagenturen ohne kulturellen Arbeitsschwerpunkt agierten (BOLD Berlin für WARSTEINER, wob für BENEO, Wibo für aixigo, Orange Council für Detecon International). Der erstgenannte Kreis von Intermediären griff auf Netzwerke aus Künstlern zurück (E105 für Detecon International, 3x3), während die Agenturen Künstler erst auftragsbezogen ansprachen. Es gibt in Deutschland noch nicht viele Intermediäre, die sich freiberuflich oder als Organisation auf KUKs spezialisiert haben. Eine Ausnahme ist das Unternehmenstheater. Es gibt mehrere Anbieter am Markt, die aus einer Vermittlerfunktion von Einzelpersonen heraus entstanden sind und diese Funktion als Organisation mit freien Mitarbeitern weiterführen (inszenio für Immobilienscout24).
3.3 Die Künstler KUKs beschränken sich nicht auf bestimmten Kunstgattungen. Welcher Berufszweig zum Zuge kommt, hängt von der jeweiligen Aufgabenstellung ab. Für Kooperationen, die auf das Marketing bzw. die Unternehmenskommunikation abzielen, werden i.d.R. bildende Künstler gewählt, weil es um originäre schöpferische Aufgaben geht (WARSTEINER, Detecon International, BENEO, aixigo). Künstlerische Interventionen im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung sind dagegen die Domäne der darstellenden Künste, deren Vertreter fremdes Material interpretieren (Immobilienscout24, dm). Je nach Umfang und Charakter der Aufgabe wurde ein einzelner mehr oder weniger bekannter Künstler eingesetzt, dessen persönlicher Stil gezielt genutzt wurde (Derek Gores für BENEO; Mathias Daenschel für aixigo) oder es wurden mehrere, auch unterschiedlich ausgebildete Künstler in die Kooperation eingebunden (3x3 u.a. Amely Spötzl und Florian Benet für Detecon International u.a. Stefan Strumbel für WARSTEINER).
4. KUK -P rozess Auf der Grundlage verschiedener Ansätze, die den Kooperationsprozess modellieren (Rath 2011, S. 91), wurde für die Fallstudien ein Phasenmodell für KUKs
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen
entwickelt, das deren idealtypischen Verlauf abbildet (s. Abbildung 1). Das Modell umfasst fünf Phasen, die sich in der Realität allerdings manchmal überlappen und auch nicht zwingend in der idealtypischen Reihenfolge aufeinander folgen. Das Modell bildet jedoch die wesentlichen Schritte ab, die die Partner vollziehen und verweist damit auf Aspekte, die einer Koordination bedürfen. Die Impuls-Phase (Phase 1), für die das Erkennen eines Problems bzw. eines Bedürfnisses und ein noch ungerichteter Wunsch zur Zusammenarbeit zentral sind, liefert Idee und Anlass für die KUK. Darauf folgen die Suche nach potenziellen Kooperationspartnern und deren Auswahl (Phase 2, Partnerselektion). In der Phase der Konfiguration (Phase 3) stimmen die Partner die strukturellen Rahmenbedingungen für die KUK ab und legen u.a. Projektziele, Aufgaben, Rechte und Pflichten fest. Phase 4, Realisierung, ist von der Umsetzung der vereinbarten Aufgaben und den damit verbundenen Koordinationsaufgaben geprägt. Phase 5 schließt den Prozess mit der Reflexion der Zusammenarbeit ab, die neben deren subjektiver Bewertung durch die Akteure auch eine summative Evaluation umfassen kann. Die Kooperationsdauer ist abhängig vom Gegenstand der Kooperation. Generische Kooperationsformate sind kurzfristig angelegt und auf wenige Wochen bzw. Termine beschränkt (3x3), andere Kooperationen dauerten aufgrund der Komplexität des Vorhabens über ein Jahr (Detecon International). In manchen Fällen entwickelt sich aus einer erfolgreichen temporären Kooperation eine Geschäftsbeziehung, bei der die Partner die verschiedenen Phasen wiederholt durchlaufen. Verstetigung der KUK-Idee bei Unternehmen und Künstlern
(Potenzielle) Ergebnisse
Inhalte
Impuls
Partnerselektion
Konfiguration
Realisierung
Reflexion
• Ziel & Motivation • Initiator (Künstler, Unternehmen, Mittler)
• Suchansatz (offen, geschlossen, systematisch, agil) • Partnerselektion (Kriterien, Instrumente) • Partnergewinnung
• Ziele & Aufgaben • Timing & Budget • Rechte (z.B. Copyrights) • Verhandlungen
• Koordination & Projektmanagement • Feinjustierung
• Formale Evaluation • Persönliche Reflexion
Grundsatzentscheidung für KUK
„Letter of Intent“ (KUK-Absichtserklärung)
KUK-Vertrag
KUK-Ergebnis (Kunstwerk, künstlerische Prozesse)
Beendigung, Fortsetzung oder Ausweitung der KUK
t
Abb. 1: Idealtypischer KUK-Prozess Quelle: Baumgarth et al. 2014, S. 20
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4.1 Phase 1: Impuls Ausgangspunkt für die KUKs war regelmäßig ein latentes Problem oder ein konkretes Anliegen im Unternehmen, auch wenn es manchmal die Intermediäre waren, die das Problembewusstsein erst schürten, indem sie eine künstlerische Lösung anboten (3x3). Die KUKs drehten sich in der Regel um Veränderung und Innovation und hatten insofern für die meisten Unternehmen eine hohe strategische Relevanz, sei es ein Programm zur Personalentwicklung (ImmobilienScout24, dm) oder ein Markenrelaunch (aixigo). Gelegentlich wurde ein Ereignis wie ein Standortwechsel (Detecon International) oder ein Firmenjubiläum (WARSTEINER) zum Anlass, nach einer innovativen Lösung zu suchen. Manche Unternehmen hatten bereits in der Impulsphase eine Zusammenarbeit mit Künstlern vor Augen (Detecon International, dm, ImmobilienScout24, WARSTEINER), doch das war nicht in allen Fällen so. Vor allem in der Zusammenarbeit mit klassischen Marketing-Agenturen waren es regelmäßig die Intermediäre, die im Rahmen ihres Auftrages diese Idee entwickeln und vorschlugen (BENEO, aixigo). In inhabergeführten (Groß-)Unternehmen kam der Impuls für die KUK von der Unternehmensleitung (WARSTEINER, dm), in anderen Fällen aus den Fachabteilungen (Detecon International). Unabhängig davon war die Unterstützung des Vorhabens durch die Führungsebene bei allen untersuchten KUKs einer der Erfolgsfaktoren.
4.2 Phase 2: Partnerselektion Typisch ist, dass sich die Akteure, d.h. Unternehmen und Intermediäre – und damit indirekt die Künstler – allmählich und meist über einen längeren Zeitraum annähern, es sei denn, das Verfahren wird vom Unternehmen als Wettbewerb bzw. Pitch angelegt. In diesem Fall kann die Einbindung von Künstlern eine Prämisse für die Partnerwahl sein (ImmobilienScout24) oder sie ist nicht explizit Teil der Ausschreibung, wird aber vom Bewerber eingebracht (BENEO). Dieser langsame Annäherungsprozess reduziert vor allem auf Seiten des Unternehmens Komplexität und Unsicherheit und damit Folgeprobleme im Verlauf der KUK. Wenn sie Künstler einbinden wollen, müssen Intermediäre vor allem dann Überzeugungsarbeit leisten, wenn es sich um ein komplexes Vorhaben mit großer strategischer Bedeutung für das Unternehmen handelt. Auch wenn die Partner einander bereits kennen und erfolgreich eine KUK vollzogen haben, braucht eine neue Zusammenarbeit Vorlauf (Detecon International). Bei Unternehmen erhöht Erfahrung das Vertrauen und die Bereitschaft, sich auf eine KUK einzulassen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um dieselben Akteure handelt, also das Unternehmen bereits mit bestimmten Intermediären zusammengearbeitet hat. Anders als die beteiligten Künstler (Derek Gores für BENEO, Mathias Daenschel
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen
für aixigo, Amely Spötzl für Detecon International, 3x3, inszenio) hatten die meisten Unternehmen keinerlei Vorerfahrung mit KUKs. Mit Ausnahme klassischer Agenturen griffen die Intermediäre bei der Einbindung von Künstlern regelmäßig auf ihr Netzwerk (»Künstlerpool«) zurück. Die Künstler wurden nicht von den Unternehmen beurteilt und ausgewählt, sondern von den Mittlern unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung eigenverantwortlich bestimmt (3x3, E105 für Detecon International, dm) oder gezielt vorgeschlagen (BENEO). In den Unternehmen war die für den Auswahlprozess notwendige Kompetenz nicht vorhanden, es sei denn, Künstler oder andere Experten waren für solche Aufgaben angestellt worden (dm).
4.3 Phase 3: Konfiguration Die untersuchten KUKs unterscheiden sich nicht nur im Hinblick auf ihren Gegenstand, sondern auch in Bezug auf die Art und Weise, wie die Aufgabenstellung entwickelt wurde. In einigen Fällen wurde sie vom Unternehmen sehr detailliert vorgegeben (ImmobilienScout24), in anderen waren es die Intermediäre, die das Konzept entwickelten (BENEO, aixigo). In manchen Konstellationen ist die KUK von vornherein ergebnisoffen angelegt (3x3). Teilweise griffen die Unternehmen stark in die Konkretisierung des Vorhabens ein (ImmobilienScout24) oder stellten z.B. mit der Vorgabe von Arbeitsmaterial und Stil Bedingungen an die Ausführung (WARSTEINER, BENEO, aixigo). Dass die Künstler in der Umsetzung des Themas völlig künstlerische Freiheit hatten, war die Ausnahme (Detecon International). Die beteiligten Künstler mussten ihre künstlerische Freiheit unterschiedlich weit aufgeben. Obwohl sie sich damit stark von einem eigenverantwortlichen, offenen künstlerischen Prozess entfernten und zum Design übergingen, schienen sie dies jedoch entweder pragmatisch aufzunehmen oder sie betrachten die Restriktionen als Teil der Themenstellung (WARSTEINER, Derek Gores für BENEO, Mathias Daenschel für aixigo). In einem ganz anders gelagerten Fall war die Anpassung an die vermeintliche Erwartungshaltung des Unternehmens regelrecht unerwünscht und führte zur Beendigung der Zusammenarbeit mit den betreffenden Künstlern (dm).
4.4 Phase 4: Realisierung Sofern vor der KUK keine persönlichen Beziehungen privater Natur bestanden (WARSTEINER), blieben Unternehmensvertreter und Künstler vor allem bei solchen Aufgabenstellungen auf Abstand, deren Bearbeitung keine unmittelbare Mitwirkung von Unternehmensvertretern erforderte. In diesen Fällen übernahmen Intermediäre überwiegend die gesamte Kommunikation zwischen den Partnern, so dass Unternehmensangehörige und Künstler fast keinen unmittelbaren Kontakt zueinander hatten (Detecon International, BENEO; Ausnahme: aixigo). Bei KUKs, deren endogene Zielrichtung eine Einbindung von Mitarbeitern er-
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zwingt, ist das anders. In solchen Fällen arbeiteten die Künstler unmittelbar mit Unternehmensvertretern zusammen (3x3, ImmobilienScout24, dm). Obwohl die KUKs mit Ausnahme des 3x3-Projekts in der Machtverteilung klar unternehmensdominiert waren, was sich letztlich auch an der Verteilung der Nutzungsrechte an den Werken zeigt, gaben die befragten Künstler an, dass sie sich als gleichberechtigte Partner gefühlt hätten. Das lässt auf gegenseitigen Respekt schließen und ist ein Hinweis auf die Bedeutung der Intermediäre. Die Akteure fanden offenbar die richtige Balance zwischen Unternehmensvorgaben und der künstlerischer Autonomie.
4.5 Phase 5: Reflexion Alle Fälle werden von den Beteiligten als erfolgreich bewertet, auch wenn diese Einschätzungen auf subjektiver Wahrnehmung beruhen. Eine systematische Evaluation des Kooperationsverlaufs und -erfolgs erfolgte nämlich nur ausnahmsweise (BENEO). Eine Qualitätskontrolle bzw. gezielte Reflexion ist nur bei künstlerischen Interventionen im Prozess verankert, die als Programm (dm, ImmobilienScout24) bzw. als modulares und damit multiplizierbares Angebot angelegt sind (3x3).
5. F a zit Eine KUK braucht starke Protagonisten im Unternehmen. Das sind vor allem die »verrückten Überzeugungstäter« in den Abteilungen (Detecon International) und die Unternehmensinhaber, die ihre persönlichen Neigungen weitgehend risikofrei ausleben (WARSTEINER). Mut, Vertrauen und Offenheit auf Seiten der Unternehmen wie der Künstler werden häufig als Erfolgsfaktoren genannt. Eine Unternehmenskultur, die Berührungspunkte zu künstlerischem Handeln oder eine offene, veränderungsbereite Haltung aufweist, begünstigen nachhaltige KUKs, die eine unternehmensinterne Wirkung entfalten sollen. Die Unternehmenswerte kommen in der KUK zum Ausdruck bzw. werden durch sie sichtbar gemacht und gelebt (Detecon International, dm). Kurzfristig angelegte KUKs, vor allem solche mit angestrebter Kommunikationswirkung im Unternehmensumfeld, kommen ohne diese Voraussetzung aus, fordern dafür aber tendenziell mehr Flexibilität von den Künstlern (BENEO, aixigo). Unternehmen gehen KUKs ein, um im Wege der Kooperation eine bestimmte Problemstellung anzugehen. Der mit der KUK verbundene Nutzen ist daher aufgabenbezogen und entsprechend individuell. Finanzielle Aspekte sind im KostenNutzen-Kalkül nicht zu unterschätzen. In einigen Fällen waren oder sind KUKs eine vergleichsweise kostengünstige Lösung für ein Problem (Detecon International, 3x3). Obwohl die Künstler i.d.R. ein Honorar für ihre Arbeit erhalten, nannte keiner dies ausdrücklich als Motiv für seine Beteiligung an einer KUK. Allen ging
Sieben Fallstudien zu Kunst-Unternehmens-Kooperationen
es vielmehr um die künstlerische Herausforderung und die persönliche Entwicklung. Potenzielle Folgeaufträge wurden öfter von Intermediären thematisiert als von Künstlern. Aufgrund der guten Erfahrungen zeigten sich auch diejenigen Unternehmen, die die künstlerische Intervention nicht ohnehin fest im Unternehmen integriert haben wie dm, offen für weitere KUKs. Tatsächlich planen manche, die Zusammenarbeit auf andere Unternehmensbereiche oder verwandte -aufgabenstellungen auszuweiten (Immobilienscout24 und inszenio für die Personalentwicklung). Andere setzten die Zusammenarbeit in der bewährten Konstellation bereits in einem Folgeprojekt fort (Detecon International und E105 mit dem preisgekrönten Webauftritt »Art Works Digitally«).
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Das 3x3-Projekt Tanja Schirmacher/Linda Poimann/Berit Sandberg
1. D as P rojekt 3 x 3 Das 3x3-Projekt ist ein innovatives Beratungsformat, bei dem Künstler aus unterschiedlichen Sparten in einer Workshop-Reihe zusammen mit Unternehmensvertretern Lösungen für ausgewählte betriebliche Problemstellungen von drei Unternehmen entwickeln. Insofern umfasst jeder Projektdurchlauf drei KunstUnternehmens-Kooperationen (KUKs). Der gesamte Prozess dauert etwa vier Wochen und wird durch einen Intermediär organisiert. Die einzelnen Workshops werden von einem Coach begleitet. Die Aufgabenstellungen variieren. Interne Kommunikation und Personalmanagement, insbesondere die Rekrutierung von Fachkräften, sind die Themengebiete, die am häufigsten bearbeitet werden (Holthuizen 2014). Einzelne Problemstellungen können recht komplex sein, wie z.B. die eines Bankhauses, das 2011 an einem 3x3-Projekt teilgenommen hat. Diesem Unternehmen ging es vor allem darum, neue Wege der internen Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen (z.B. Backoffice und Kundenbetreuung) zu schaffen. Die Künstler analysierten die Unternehmensstrukturen und erkannten, dass der Schlüssel zu einer Lösung in einer effektiven wechselseitigen Verständigung lag. So entstand zusammen mit Unternehmensvertreten die Idee, ein Redaktionssystem aufzubauen. Es konnte nicht nur die originäre Problemstellung lösen, sondern zugleich den internen Informationsfluss auf das notwendige Maß vereinfachen. Zudem bot die kreative wie schlüssige Lösung die Chance, ein positives Betriebsklima zu fördern (3x3 2015). Der holländische Projektkünstler Peer Holthuizen rief das 3x3-Projekt 2010 ins Leben. Hierfür importierte er das ursprünglich 4x4 genannte Konzept aus Groningen (NL) nach Oldenburg und passte es den regionalen Bedingungen an. Holthuizens Konzept »lässt Betriebe aus unerwarteter Perspektive und aus neuer Sicht auf sich selbst schauen, indem sie Arbeits- und Denkweisen von Künstlern und anderen Kreativen kennenlernen und auf ihre betriebliche Praxis übertragen« (3x3 2015).
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Das Format folgt einem eher statischen Prinzip, das jedoch durch die wechselnden Teilnehmer eine lebendige Dynamik erhält: Drei Künstler1 und drei Unternehmensmitarbeiter,2 die idealerweise unterschiedlichen Hierarchieebenen angehören, erarbeiten in fünf halbtägigen Sitzungen gemeinsam kreative Lösungen für eine konkrete betriebliche Aufgabenstellung. An einem Projektdurchlauf beteiligen sich stets drei Unternehmen parallel. Aus dieser Logik begründet sich der Name des Projektes: Drei Künstler, drei Mitarbeiter, drei Unternehmen – macht 3x3. »Das Ganze klingt möglicherweise ein bisschen kompliziert«, merkt der Bremerhavener Unternehmensberater und Autor Heiko Kleinhanns an, »ist es jedoch nicht. Das Konzept […] geht in der Praxis auf, wie zahlreiche klangvolle Referenzen bestätigen.« (Kleinhanns 2013) (Zur Referenzliste s. Tabelle 2; Abschnitt 2.2.) 2012 wurde zusätzlich zum bewährten ursprünglichen Projektformat das 3x3Kurzformat in zwei Varianten eingeführt (s. Tabelle 1, zu Einzelheiten des klassischen Formates s. Abbildung 2, Abschnitt 3.4). Klassisches Format
Kurzformat A
Kurzformat B
Ziel
Interaktive, innovative Lösungsfindung (Prozess)
Kreative Lösungsfindung (Innovationen)
Zielgruppe
Mittlere und große Unternehmen
Kleinere Unternehmen, geringfügige finanzielle und personelle Aufwendungen
Voraussetzung Teilnahme
Interesse von Seiten der Unternehmen
Einreichung einer Kurzbeschreibung (max. eine A4 Seite) mit betriebsspezifischer Aufgabenstellung
Zeitbedarf
4 + 1 Termine, halbtägig 18 Stunden
1 vorgegebener Termin 1 frei wählbarer Termin Künstlertraining 1 Künstlerdurchlauf 4 Stunde Stunden
Kosten
ca. 5.000 Euro
1.000 Euro
1.500 Euro
Teilnehmer
3 Unternehmen mit je 3 Mitarbeitern 3 Künstler 1 Coach
1 Unternehmen 1 Betriebsangehöriger 12 Künstler á 3 Teams
1 Unternehmen 1 Betriebsangehöriger 3 Künstler = 1 Team
Ergebnis
Abschlusspräsentation
Präsentation Lösungsprotokoll
Präsentation vor Unternehmensdelegation Lösungsprotokoll
Tab. 1: Übersicht über die 3x3-Formate (Stand: Dezember 2014)
1 | Konkret sind dies Kunstschaffende aus den Bereichen der darstellenden und bildenden Kunst sowie Musik. Zum Begriffsverständnis vgl. Baumgarth et al. 2014, S. 7f. 2 | Der Begriff Mitarbeiter schließt auch Führungskräfte ein.
Das 3x3-Projekt
Zunächst unterstützt durch die Oldenburgische Wirtschaftsförderung konnte das Projekt 2012 auf die Metropolregion Nordwest ausgeweitet werden. Die entsprechenden Veranstaltungsorte werden so gelegt, dass der Anfahrtsweg für Beteiligte möglichst kurz bleibt. Der Sitz des Projektbüros befindet sich in Oldenburg/Bad Zwischenahn, wo Holthuizen seit der regionalen Ausweitung von 3x3 Anett Syrbe als Projektassistentin zur Seite steht (Syrbe 2012). Interessierte Unternehmen können 3x3 auf mehreren Wegen kontaktieren; sie wenden sich entweder direkt an das Projektbüro oder an ihre örtliche Wirtschaftsförderung. Die Nordseeregion als Kreativsektor zu begreifen und sein kreativwirtschaftliches Wachstum zu fördern, wurde 2009 durch das transnationale EU-Projekt »Creative City Challenge« angeregt. Aus den regionalen Aktivitäten dieses Projektes ging das »Netzwerk Kreativwirtschaft cre8 oldenburg« hervor, welches u.a. das Ziel verfolgt, die Vernetzung von Kreativen und klassischer Wirtschaft zu begünstigen. Das eigenständige 3x3-Projekt bildet in diesem Zusammenhang eine Plattform, mit der das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden soll (Stadt Oldenburg 2015). Förderer von 3x3 ist die Metropolregion Bremen-Oldenburg im Nordwesten e.V., Hauptunterstützer und Antragsteller ist die Wirtschaftsförderung Stadt Oldenburg. Weitere Unterstützer sind die Landkreise Verden und Osterholz, die Wirtschaftsförderung Bremen sowie die Stadt Delmenhorst. Zusätzliche Kooperationspartner sind die Handelskammer Bremen und die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (3x3 2015).
2. B e teiligte A kteure Im Hinblick auf die Funktionsweise des 3x3-Prozesses muss die klassische Trias der Akteure einer KUK aus Unternehmen, Künstler(n) und Intermediär (Baumgarth et al. 2014, S. 20f.) um den Coach ergänzt werden, der die Interaktion von Unternehmen und Künstlern moderiert. Intermediär und Coach bilden im Prozess den formgebenden Außenrahmen, Unternehmen und Künstler bespielen den kreativen Innenraum (vgl. Abbildung 1).
2.1 Intermediär: Peer Holthuizen Peer Holthuizen wurde 1960 in Eindhoven (NL) geboren. Bis 1981 studierte er an der Hogeschool voor de Kunsten zu Utrecht in den Fachbereichen Architektur/Freie Kunst und wechselte im Anschluss nach Düsseldorf an die Kunstakademie. Dort führte er bis einschließlich 1985 sein Studium der freien Kunst, Malerei bei Gotthard Graubner fort (Holthuizen 2015). 2002 kam er nach Oldenburg (Thein 2011). Auch wenn Holthuizen selbst Künstler ist, so fungiert er im 3x3-Prozess konsequent als Intermediär. Er initiiert den Prozess, akquiriert sowohl Künstler als auch Unternehmen und fügt sie interdisziplinär, hierarchie- und branchenüber-
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greifend zusammen. Er beschafft Ressourcen für das Projekt und handelt Rahmenbedingungen aus. Für die Moderation der Prozesse engagiert er Coaches, die entsprechend der betrieblichen Aufgabenstellung ausgewählt werden.
Abb. 1: 3x3-Akteurskonstellation beim klassischen Format Seine Kernkompetenzen liegen in der Akquisition und dem außergewöhnlichen Matching der Akteure, die dem Konzept letztendlich zu einem besonderen Alleinstellungsmerkmal mit einem beinahe mystischen Charakter verhelfen. So schwärmen ehemalige Teilnehmer vom »3x3-Moment« als einem »Zeitpunkt, an dem klar ist, dass man nicht mehr zurück kann und der Weg weiterverfolgt werden muss.« (3x3 2015)
2.2 Unternehmen 3x3 verfolgt das übergeordnete Ziel, Kunst und Wirtschaft zu vernetzen. Die Liste der 3x3-Kooperationsunternehmen, ist abwechslungsreich: Neben einer Landesbank finden sich ein Chemiebetrieb und ein Hotel. Sie alle zeichnen sich nicht nur durch ihre vergleichsweise komplexen Strukturen aus, sie eint auch die Bereitschaft, gewohntes Terrain zugunsten innovativer Lösungen zu verlassen. Bisher konnten fünf 3x3-Projektdurchläufe realisiert werden, an denen zwei der insgesamt 15 Unternehmen sogar zweimal teilgenommen haben (s. Tabelle 2).
Das 3x3-Projekt Branche
Banken und Finanzen
Projektdurchlauf Nr. 1
2
Handwerk, Industrie und Technik
Oldenburgische BÜFA ComLandesbank AG posite Systems GmbH & Co. KG Landessparkasse zu Oldenburg AöR
Volksbank Oldenburg eG
5
Volksbank Oldenburg eG Sparkasse Bremen AG
altera Hotel und Restaurant Oldenburg
MEVO Medizinisches Versorgungszentrum am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg gGmbH
/
BÜFA Gelcoat Plus GmbH & Co. KG Dachdeckermeister Förster & Sohn GmbH
4
/
Kultur, Tourismus, Freizeit und Gastronomie
AWO Bezirksverband WeserEms e.V.
/
3
Gesundheit und Soziales
Institut für Informatik OFFIS e.V. /
/
/ Klinikum Oldenburg gGmbH
/
Weser-Ems Halle Oldenburg GmbH & Co. KG Center Parcs Park Nordseeküste
Tab. 2: Kooperationsunternehmen im 3x3-Projekt Der erste 3x3-Projektdurchgang fand im März 2011 mit der Oldenburgischen Landesbank, BÜFA Composite Systems und dem Hotel altera statt. Der zweite Durchlauf folgte ein halbes Jahr später im November 2011 mit dem AWO Bezirksverband Weser-Ems, Medizinischen Versorgungszentrum am Evangelischen Krankenhaus und der Landessparkasse Oldenburg. Der dritte Projektdurchlauf startete im Juli 2012 mit dem BÜFA Tochterunternehmen Gelcoat Plus, der Volksbank Oldenburg und Dachdeckerei Förster & Sohn. Der vierte Durchgang fand im April 2013 mit der Weser-Ems Halle Oldenburg, dem Institut für Informatik OFFIS und erneut der Volksbank Oldenburg statt. Der fünfte und bis dato letzte Projektdurchlauf erfolgte im März 2014 mit der Sparkasse Bremen, dem Klinikum Oldenburg und Center Parcs Park Nordseeküste (3x3 2015). Die Daten aller Projektdurchläufe sind nummeriert und nach Branchen sortiert in Tabelle 2 aufgeführt.
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Die Rechtsform, Branche und Größenklasse geben Aufschluss über die Kooperationsunternehmen im 3x3-Projekt. Am häufigsten haben Unternehmen aus den Branchen »Banken und Finanzen« sowie »Handwerk, Industrie und Technik« teilgenommen – dicht gefolgt von »Gesundheit und Soziales« sowie »Kultur, Tourismus, Freizeit und Gastronomie«. Es fällt auf, dass etwa zu einem Drittel mit Non-Profit-Organisationen kooperiert wird. Weiterhin wird deutlich, dass die Unternehmen aufgrund ihrer Rechtsform tendenziell eher den Größenklassen KMU oder Großunternehmen zuzuordnen sind. »Es müssen Unternehmen sein, die groß genug sind, damit sie es sich leisten können […] drei Mitarbeiter [für fünf halbe Tage freizustellen]«, stellt auch der Intermediär aus Erfahrung fest (Holthuizen 2014). Daneben bietet das 3x3-Kurzformat (s. Tabelle 1) kleineren Unternehmen mit einem geringfügigen finanziellen und personellen Budget die Möglichkeit, am 3x3-Prozess teilzunehmen (3x3 2015). Als Resultat fassen die beiden Projektformate von 3x3 zwei Zielgruppen ins Auge: Die klassische Variante eignet sich offenbar gut für mittlere und größere Unternehmen, das Kurzformat in seinen beiden Varianten hingegen für kleinere.
2.3 Künstler: Der 3x3-Künstlerpool Am Projekt beteiligen sich derzeit 85 qualifizierte Künstler aus den unterschiedlichsten Gattungen: Schauspiel, Musik, Design, Fotografie etc. Etwa 80 Prozent stammen aus der Metropolregion im Nordwesten (z.B. Oldenburg, Bremen), ca. 20 Prozent aus anderen Teilen Deutschlands (z.B. Osnabrück, Hamburg, Düsseldorf, Berlin) (Holthuizen 2014). Für eine Teilnahme im 3x3-Projekt müssen sich die Künstler zunächst bewerben. Sie werden von Holthuizen in den Pool aufgenommen, wenn sie »außerhalb üblicher Pfade« denken können, ambitioniert und interdisziplinär erfahren sind. Der Intermediär beurteilt die Zugangsvoraussetzungen in einem eigens konzipierten Auswahlverfahren – u.a. durch den sogenannten 3x3-Bewerberbogen. »Die Fragen sind so prägnant, dass wir wissen bzw. ahnen können, wie offen der Bewerber im Team funktionieren wird.« (Holthuizen 2014) Der Künstlerpool lebt von seiner Dynamik, daher können Interessierte jederzeit für ihn kandidieren. Im Vorfeld eines Projektdurchgangs findet das obligatorische 3x3-Künstlertraining statt. Der Schwerpunkt liegt auf Teambildungsprozessen und der effektiven Kooperation in gezielt zusammengestellten Kreativteams (3x3 2015). Die Künstler im Pool sind hinsichtlich ihrer Qualifikationen vielseitig aufgestellt und haben teilweise mehrere Hochschul- oder Berufsabschlüsse sowie diversere Zusatzausbildungen. Dabei ist ein künstlerisches Hochschulstudium keine zwingende Voraussetzung, denn Holthuizen nimmt auch Kreative und Autodidakten mit auf, die sich bereits am Markt beweisen konnten (3x3 2015).
Das 3x3-Projekt
2.4 Moderatoren: Die 3x3-Coaches Für das 3x3-Projekt arbeiten zehn selbständige Coaches. Vor Prozessbeginn erhalten sie alle aufgabenrelevanten Informationen, die der Intermediär im Erstgespräch mit den Unternehmen ermittelt. Sie führen die Workshop-Moderationen durch und bündeln die Ergebnissicherung zum Ende eines Prozesses. Ähnlich wie die Künstler, betätigen sich die Coaches überaus vielseitig – z.B. als Berater, Ausbilder, Geschäftsführer oder Regisseure. Unter ihnen sind studierte Architekten, bildende Künstler, Psychologen, Designer, Germanisten und Ingenieure (3x3 2015). Ihr Einsatzspektrum bewegt sich auf einer Skala von sachlich-prozessorientiert bis künstlerisch-ergebnisorientiert. Einer der Coaches ist Stefan Beusch, der zuvor als Diplomkaufmann in England und der Schweiz arbeitete. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Wirtschaftsinformatiker stieg er zur Führungskraft auf und leitete in dieser Funktion internationale Teams in den Bereichen Informatik und Organisationsentwicklung. Seit 2007 ist er in Norddeutschland als freiberuflicher Trainer, Coach und Organisationsberater aktiv (Beusch 2015). Für das 3x3-Projekt ist Stefan Beusch seit drei Jahren tätig. In dieser Zeit hat er insgesamt drei Prozesse moderiert. Seine Aufgabe sieht er in der Prozessbegleitung der Teams. In der Anfangsphase ist es die Hauptaufgabe des Coachs, der Gruppe Struktur zu geben und sie dabei zu unterstützen, in kurzer Zeit zu einem Team zusammenzuwachsen. Einmal hat er die Schulung neuer CoachingKollegen durchgeführt (Beusch 2014). Den 3x3-Coach-Trainings liegt ein Handbuch zu Grunde, das Peer Holthuizen mit Unterstützung der 4x4-Projektleitung aus Groningen überarbeitet und dem deutschsprachigen Kontext angepasst hat (3x3 2015).
3. KUK -P rozess Im Folgenden wird das 3x3-Projekt in Bezug auf die vier Phasen eines idealtypischen KUK-Prozesses – Impuls, Partnerselektion, Konfiguration und Realisierung – reflektiert (Baumgarth et al. 2014, S. 20).
3.1 Phase 1: Impuls Die Impulsphase liefert den Auslöser, der ein Unternehmen zur Teilnahme am 3x3-Projekt motiviert. Verschiedenste Ziel- bzw. Themenstellungen, z.B. die Verbesserung des Betriebsklimas oder Images, die Erhöhung der gegenseitigen Wertschätzung bzw. die Erweiterung des Kundenkreises oder das Bedürfnis nach neuen Denkansätzen können hier den entscheidenden Anstoß geben (Kleinhanns 2013). Eine Besonderheit der ersten Phase des 3x3-Projektes ist die Kaltakquise von Unternehmen durch Holthuizen. Der Impuls erfolgt überwiegend durch den
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Intermediär. Insgesamt wurden in den letzten zwei Jahren über 570 Unternehmen angesprochen. Zwar zeige laut Holthuizen die Hälfte dieser Unternehmen Interesse an 3x3, ihnen fehle es jedoch an »Zeit oder Courage«, die Zusammenarbeit tatsächlich umzusetzen. Signalisiert ein Unternehmen konkrete Bereitschaft, wird die Aufgabe gemeinsam besprochen und das Projekt im Anschluss gestartet.
3.2 Phase 2: Partnerselektion Die systematische Partnerselektion ist eine der wichtigsten Komponenten der zweiten KUK-Prozessphase. Das prozessartige Vorgehen beginnt mit der Direktansprache der Unternehmen. An Interessenten wird die Anforderung gestellt, bereits eine offene, flexible Unternehmenskultur aufzuweisen, in der Mitarbeiter wertgeschätzt und bei der Lösungsfindung aktiv beteiligt werden. Die Unternehmen sollten außerdem in der Lage sein, die benötigten zeitlichen und räumlichen Ressourcen zu schaffen. Es folgt die gemeinsame Sondierung der Aufgabenstellung, anhand derer eine Strategie zum weiteren Vorgehen geplant wird und durch den Intermediär mögliche Ansatzpunkte aufgezeigt werden. Die Unternehmen bekommen eine Entscheidungsgrundlage für die Auswahl geeigneter Mitarbeiter, die am 3x3-Prozess teilnehmen (Holthuizen 2014). Im nächsten Schritt nimmt der Intermediär unter Beachtung der jeweiligen spezifischen Qualifikationen die Auswahl der Künstler und des Coaches vor. Anfänglich nutzte Holthuizen seinen privaten Adressenbestand mit rund 250 Künstlern, später versuchte er über andere Instanzen wie die Künstlersozialkasse (KSK), den Kontakt zu geeigneten Kreativen aufzubauen. Je nach betrieblicher Problemstellung – z.B. »Wie kreiert man Entspannung, gegenseitige Wertschätzung und Gründerstimmung?« – erfolgt die Auswahl der Künstler adäquat aus einem Künstlerpool. Für diesen Pool werden Künstler anhand vordefinierter Basiskriterien, wie z.B. Aufgabenrelevanz, Autonomie aber auch Professionalität und Markterfahrung, systematisch ausgewählt (Holthuizen 2014).
3.3 Phase 3: Konfiguration Zwischen dem 3x3-Projektbüro und den Kooperationsunternehmen wird eine Zielvereinbarung vertraglich geschlossen. Der klassische 3x3-Prozess umfasst einen zeitlichen Rahmen von insgesamt 18 Stunden, aufgeteilt auf fünf halbtägige Termine. Die Gesamtkosten einer Workshop-Reihe belaufen sich auf ca. 5.000 Euro (Beusch 2014). Der Intermediär formuliert bereits in der Phase der Partnerselektion gemeinsam mit dem Unternehmen eine Aufgabenstellung. Diese wird im weiteren Verlauf zusammen mit den entsandten Mitarbeitern präzisiert (Holthuizen 2014). Neben dem Intermediär steht auch der beauftragte Coach in Kontakt mit dem
Das 3x3-Projekt
Unternehmen. Einige Wochen vor dem offiziellen Beginn des 3x3-Durchlaufs verschafft sich der Coach über Vorgespräche mit dem Unternehmen ein erstes Bild über die Situation und Problemstellung. Das ist für eine ausführliche Vorbereitung des Coachings besonders wichtig. Zwischen den drei Kreativen gibt es im Vorfeld lediglich einen »KennenlernTermin«, das sogenannte »Künstlertreffen«. Die beteiligten Unternehmen sowie deren Aufgabenstellungen bleiben den Künstlern bis zur Auftaktveranstaltung unbekannt. Die Künstler, die den Reiz der Zusammenarbeit vor allem in einem neuen Erlebnis sehen, treffen erst in der Umsetzungsphase (s. Abschnitt 3.4), nämlich bei einer Kick off-Veranstaltung auf den Coach und die Unternehmensangehörigen (Beusch 2014). Alle innerhalb des 3x3-Projektes erarbeiteten Ergebnisse unterliegen dem geteilten Urheberrecht aller Prozessbeteiligten. Es empfiehlt sich, im Vorfeld eine schriftliche Vereinbarung über die Verwendung der Ergebnisse sowie über eine Beteiligung der Künstler als Miturheber zu schließen. Diese »Prozentregelung« hat sich bereits bewährt (Holthuizen 2014).
3.4 Phase 4: Realisierung Der klassische 3x3-Prozess beinhaltet die Koordination von drei Arbeitsgruppen, die jeweils mit drei Unternehmensvertretern und drei Künstlern besetzt sind. Während das Matching von Unternehmen, Künstlern und Coach durch den Intermediär koordiniert wird, wird der Prozess selbst ausschließlich durch den Coach begleitet. Dieser hat die Funktion, Orientierung zu geben, den Prozess entlang der entwickelten Aufgabenstellung zu steuern und die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben zu wahren (Beusch 2014). Durch die Abstimmung der Partner gelingt es, Synergieeffekte auf allen Ebenen zu erzeugen (s. Abschnitt 4.2), womit ein lösungsorientierter und innovativer Prozess gestaltbar wird. Die erste und die letzte Sitzung bilden den zeitlichen Rahmen eines klassischen 3x3-Projekts (zum Prozessablauf s. Abbildung 2). Bei den Kurzformaten ist der Prozess auf einen oder wenige Termin(e) verkürzt. Zwischen den Einzelterminen liegt üblicherweise eine Woche, in der sich die Teams variabel zusammenfinden und an der Aufgabenstellung arbeiten können. Die inoffiziellen Treffen, die nicht im 3x3-Projekt vorgesehen sind und von den Teams selbst organisiert werden, werden nicht durch den Coach betreut. Es wird lediglich eine Austauschplattform eingerichtet, auf der alle beteiligten Personen Daten digital über Computer synchronisieren und austauschen können.
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Abb. 2: Klassischer 3x3-Prozessablauf (Stand: März 2015) Der Prozess startet mit einer Kick-off-Veranstaltung in kreativer Atmosphäre, die als »Kennenlernen« der Teilnehmer untereinander dient. Hierbei ist ein Teambuilding-Prozess von ca. 30 Minuten vorgesehen. Der erste Prozesstermin dient hauptsächlich dazu, ein klares Verständnis der Aufgabenstellung bei allen Teilnehmenden zu erzeugen. Dafür stellt das jeweilige Unternehmensteam kurz sein Unternehmensprofil vor und schildert die Problemstellung. Der zweite Termin ist ebenso wie Termin drei von größter Bedeutung, da hier die kreative Lösungsfindung und somit die Wertschöpfung stattfindet. Der Coach moderiert die aktive Arbeit der zwei Sitzungen. Ist ein ausreichendes und komplexes Verständnis geschaffen und haben vor allem die Künstler das Problem in Gänze erfasst, werden am Ende des zweiten Tages erste Hypothesen aufgestellt, die zu einer potenziellen Lösung führen können. Die Arbeit an der Problemstellung steht auch beim dritten Termin im Fokus. Potenzielle Lösungen werden beschrieben, durchleuchtet, diskutiert und entschieden. Es folgt die Auf bereitung der Präsentation. Der ursprüngliche klassische 3x3-Prozess bestand aus vier Terminen. Dieses Konzept ist seit 2013 um einen weiteren Zwischentermin ergänzt worden. Er findet zwischen dem dritten Termin und der Abschlusspräsentation statt und wird als Generalprobe der Präsentation zum Zweck des Qualitätsmanagements verstanden. Um die Allgemeinverständlichkeit des Erarbeiteten zu überprüfen und somit spätere Umsetzungs-
Das 3x3-Projekt
chancen und Akzeptanz im Unternehmen zu erhöhen, werden die (Zwischen-) Ergebnisse folgenden Personengruppen präsentiert: zum einen dem Intermediär, der durch eine objektive Person begleitet wird, und zum anderen einem Vertreter des Kooperationsunternehmens, der zuvor an keinem der Workshops mitgewirkt hat. Der Vorteil dieser letzten Probe besteht darin, dass insgesamt deutlich wird, was bereits besonders gut gelungen ist und an welcher Stelle noch Verbesserungspotenzial besteht (Beusch 2014). Die Art der Präsentationen des Projektteams variiert dabei von Powerpoint-Präsentationen bis hin zu künstlerischen Darbietungen (3x3 2015).
3.5 Phase 5: Reflexion Im klassischen 3x3-Format ist eine freiwillige, standardisierte Evaluation des Prozesses vorgesehen, auch aus Sicht der Unternehmen (3x3 2015). Die Erfahrung der beteiligten Coaches und des Intermediärs sowie Aussagen aus Kooperationsunternehmen bestätigen die überwiegende Zufriedenheit aller Beteiligten mit den Ergebnissen (Beusch 2014). Oftmals sind die Teilnehmer von der Ernsthaftigkeit der Lösungen positiv überrascht (Holthuizen 2014). Inwiefern erarbeitete Lösungsansätze tatsächlich in den Unternehmen umgesetzt werden, kann nicht genau ermittelt werden. Nach Einschätzung von Stefan Beusch »hakt [es] oft daran, dass die Unternehmen wirklich auch den Mut haben, das umzusetzen«. Er »habe bei einem Projekt mitbekommen, dass es in die Schublade gesteckt wurde und gar nichts damit gemacht wurde«. Dennoch hat das 3x3-Format aus seiner Sicht Erfolgspotenzial, denn »das Format und die Zusammensetzung der Teams sind ungewöhnlich. Den Beteiligten macht diese Form des Arbeitens Spaß« (Beusch 2014).
4. B e wertung der K ooper ationen 4.1 Erfolgsfaktoren Den Erfolg von 3x3 bedingen mehrere Faktoren, insbesondere aber 1. Die Fähigkeit des Intermediärs Peer Holthuizen, die Akteure zu akquirieren und effektiv zusammenzustellen, 2. die Offenheit der Unternehmen, Künstler und Coaches sowie 3. die Prozessqualität als solche. Holthuizens Talent, für die Aufgabenstellungen der Unternehmen stets die passenden Künstler und Coaches aus dem Pool zu »fischen«, ist laut Stefan Beusch ein zentraler Erfolgsfaktor für das Gelingen des 3x3-Prozesses. Auch sieht er den Coach als weiteren essenziellen Faktor, denn ohne ihn könne kein verwendbares Ergebnis entstehen (Beusch 2014). Der Intermediär selbst findet: »Das Erfolgsgeheimnis ist der Künstlerpool.« Es sei gut, dass die Unternehmen durch die Unvoreingenommenheit der Künstler eine Tiefenanalyse bekommen. Er legt be-
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sonderen Wert auf einen wertschätzenden Umgang: »Die Zeit, die ich bei unseren Künstlergruppen beanspruche, das mache ich sehr respektvoll!« (Holthuizen 2014) Die Offenheit und hohe Motivation der Akteure ermöglichen eine ebensolche Kommunikation und führen zu einem entspannten, kreativen Prozess, der auch Raum für Informelles bietet (s. Abschnitt 3.4). Dass nicht nur Führungskräfte, sondern auch Mitarbeiter der operativen Ebene an Problemlösungen beteiligt werden, begrüßt Holthuizen ausdrücklich: »Weil sich Unternehmen immer flexibler aufstellen müssen, ist das sehr zukunftsträchtig, so zu arbeiten.« (Holthuizen 2014) Das 3x3-Projektformat ist in der Konsequenz, mit der es Künstler und Unternehmen zusammenführt, außergewöhnlich. Für die gute Ergebnisqualität können zusammenfassend folgende Prozesskriterien verantwortlich gemacht werden: die professionelle, zügige und transparente Durchführung, das spezifische Matching der Partner, die konstruktive Herangehensweise der Künstler sowie ein grundsätzlich positive Arbeitshaltung aller Akteure.
4.2 Nutzen »Es sind immer Lösungen da. […] Ich habe es noch nie anders erlebt.« (Beusch 2014) Daher ist davon auszugehen, dass der 3x3-Prozess einen Nutzen für alle Akteure hervorbringt – jedoch insbesondere für Unternehmen und Künstler. Nachfolgend werden ausgewählte Aspekte von drei Nutzendimensionen vorgestellt, die anhand des Datenmaterials gebildet werden konnten: »Kompetenzentwicklung und Lerneffekte«, »Finanzielle und immaterielle Aspekte« sowie »Kontakte und Netzwerke« (s. Tabelle 3). Die Unternehmen profitieren auf vielfältige Weise allein schon dadurch, dass sie ihre Aufgabenstellung deutlich formulieren (müssen) (s. Abschnitt 3.3). Dadurch können sie ihre Thematik und ihre Mitarbeiter besser verstehen lernen und identifizieren Probleme, die hinter den offensichtlichen Schwierigkeiten liegen. Die Reziprozität im Gedanken- und Wissensaustausch hat außerdem oftmals den Effekt, dass die Unternehmen im Prozess des Erklärens selbst erste Lösungen finden. Inspiriert von künstlerischen Denk- und Arbeitsweisen sowie gerüstet mit diversen Kreativitätstechniken können Unternehmen das »Querlernen lernen« und die Fähigkeit erwerben, Dinge aus einer anderen Sicht zu betrachten (Beusch 2014). Insgesamt fördert dies ein gesundes Unternehmensklima und kann zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit führen. Durch die Zusammenarbeit mit Künstlern können ebenso Vorurteile gegenüber Kunst, allem voran das Stigma mangelnder Ernsthaftigkeit, abgebaut werden (Holthuizen 2014). Dass Letzteres auch auf der Gegenseite gut funktioniert, beschreibt der Künstler Michael Olsen: »Es hat mir gut getan, dass mir mal der Kopf […] gewaschen wurde. Viele generelle Vorurteile gegen Banker […] haben sich in Luft aufgelöst. […] Ferner habe ich deutlich gespürt, dass ich in meinem Sein als Quergeist […]
Das 3x3-Projekt
wirklich ernst genommen werde.« (3x3 2015) Künstler können von Unternehmen im Gegenzug »Struktur lernen«, d.h. sie erhalten einen Einblick, wie »Unternehmen ticken« und wie »strukturiertes und organisiertes Vorgehen« im Wirtschaftskontext gelingt (Beusch 2014). Akteure Nutzendimensionen
Intermediär
Kompetenzentwicklung und Lerneffekte
Unternehmen Perspektivwechsel künstlerische Denk- und Arbeitsweisen kennenlernen partizipative und kreative Unternehmenskultur stärken
Künstler betriebsorientiertes Wissen und Innovationskraft erweitern persönliche Entfaltung (vorrangig)
innovative Personalentwicklung und Mitarbeiterförderung
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Coach
erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit von Struktur und Kreativität profitieren
/
Vorurteile abbauen Chance Neues auszuprobieren Wissensaustausch und praktische Anwendung eigener Fähigkeiten der Selbstwirksamkeit bewusst werden Finanzielle und Honorar immaterielle Aspekte
Investitionsbereitschaft ermöglicht Projekt und hat positive Signalwirkung nach innen und außen
Honorar (nachrangig)
Ersparnis von Zeit und Kosten: vergleichbare Lösungen würden bei Unternehmensberatungen ein Vielfaches kosten Imagefaktor Reputation Folgeaufträge und -kooperationen Spaß und Sinnstiftung Kontakte und Netzwerke
erweitern und verknüpfen
Tab. 3: Nutzen für beteiligte Akteure
Honorar
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4.3 Problemfelder Neben vielseitigen Nutzenaspekten haben die Akteure auch Probleme im Rahmen der fünf Projektdurchgänge wahrgenommen, wenn auch keine gravierenden. Holthuizen orientiert sich bei der Unternehmensauswahl konsequent an seinen Zugangskriterien (s. Abschnitt 3.2) und würde im Einzelfall die Zusammenarbeit auch ablehnen; z.B. bei Wünschen der Führungsebene, die Haltung bestimmter Mitarbeiter mit Hilfe des 3x3-Prozesses zu verändern. Häufig stellt die Terminplanung mit 21 Personen in der Umsetzungsphase eine große Herausforderung dar. Der Intermediär beobachtet auch einen Wendepunkt mit der Finanzkrise: »Innovationswille« sei zwar vorhanden, »aber in der Praxis sieht es oft ganz anders aus. Viele Unternehmen konzentrieren sich auf das Alltagsgeschäft – aus Ängsten und den Marktbedingungen heraus […] vergessen [sie] die Zukunft«. Auch in Bezug auf die Urheberrechte (s. Abschnitt 3.3) sind in der Anfangsphase des 3x3-Projekts Probleme aufgetreten, z.B. als noch ohne Verträge gearbeitet wurde und ein Unternehmen zur Umsetzung der Lösung ein Grafik- und PR-Büro beauftragte, und zwar ohne die Künstler zu beteiligen (Holthuizen 2014). Im Prozess wird die Dynamik zwischen den Akteuren aufgrund des »ungewohnten und spannenden Formats« von Stefan Beusch allgemein positiv beurteilt. Es könne zwar passieren, dass Teilnehmer sich »festfahren« oder es mal Unstimmigkeiten gebe, das sei aber woanders auch so. Auch dass die »Zeit davon rennt«, sei kein ausschließlich 3x3-typisches Phänomen. Dennoch habe er Verständigungsprobleme zwischen Künstlern und Unternehmen beobachten können, d.h. wenn beide nicht dieselbe Sprache sprechen. Kritisches Hinterfragen und ein bewusster Umgang damit würden aber helfen (Beusch 2014). Holthuizen zufolge gibt es sogar wesentliche Berührungspunkte; für ihn sind künstlerische Kernkompetenzen (»zäh«, »erfolgsorientiert«, »hochleistungsorientiert«) identisch mit unternehmerischen (Holthuizen 2014). Generell konnte der Coach beobachten, dass einige Unternehmen die Zusammenarbeit mit Künstlern anfänglich nicht besonders ernst nehmen. Sie gehen in den Prozess hinein, »weil es gerade marketingtechnisch interessant ist zu sagen: ›Hey, wir machen was mit Künstlern!‹ » Dies sei mit einer Art »Macht mal was zu dem Thema und wir schauen, was dabei raus kommt«-Mentalität verbunden. Unabhängig von der Qualität würde das Resultat dann in der »Schublade landen«. Andere Unternehmen sehen dagegen das Potenzial der erarbeiteten Lösung, scheuen aber die Umsetzung und die damit verbundenen Veränderungsprozesse (Beusch 2014).
Das 3x3-Projekt
5. F a zit Vor dem Hintergrund der erweiterten KUK-Typologie (Baumgarth et al. 2014, S. 25f.) steht die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren im 3x3Projekt beispielhaft für eine KUK des Typs Transaktion. Die Erscheinungsform ist die einer kunstbasierten Intervention, die primär eine unternehmensinterne Perspektive verfolgt. Den Strukturmerkmalen der KUK (Relevanz, Aufgabenstellung, Umfang der Aktivitäten, Umfang und Richtung des Ressourcenaustauschs, Machtverteilung) wird in allen Gesichtspunkten gemäß einer mittleren Intensität entsprochen (s. Abschnitt 3). Dabei ist der Aspekt Augenhöhe herauszustellen. Der weit gefasste Mitarbeiterbegriff, der sowohl Führungskräfte als auch operativ Tätige einschließt, ermöglicht sogar eine Kooperation auf zweidimensionaler Augenhöhe: Auf horizontaler Ebene zwischen allen Akteuren und auf vertikaler Ebene zwischen Unternehmensangehörigen. Weiterhin ergeben sich bei 3x3 die künstlerischen Prozesse aus einem deutlich definierten Auftrag (s. Abschnitt 3.3), dessen Lösungsweg jedoch ausdrücklich offen bleibt. Da am Ende immer ein qualitativ hohes Ergebnis steht, konnte das Projekt seinen Aktivitätsumfang innerhalb der fünf Durchläufe bereits intensivieren und mit der BÜFA-Gruppe und dem Klinikum Oldenburg zwei Folgeaufträge vereinbaren (s. Abschnitt 2.2). Auf der Prozessebene ist die spezifische Systematik hervorzuheben. Durch die präzise Vorarbeit (klare Aufgabenbeschreibung etc.) und straffe Zeitplanung in der Durchführung können kreative Outputs auf den Punkt gebündelt werden. Durch die wechselnden Akteure und ihre Zusammenstellung erhält der Prozess jedes Mal seine individuelle, dynamische Note. Im Regelfall werden in einem 3x3-Projekt adäquate Lösungen erarbeitet. Damit die Ergebnisse nachhaltig in den Unternehmen etabliert werden können, erfordert es in erster Linie Mut und Ausdauer. Dabei haben konkret formulierte Lösungsvorschläge höhere Umsetzungschancen als ein abstrakter Ideenpool. Um Ideen effektiv zu realisieren, würde sich eine temporäre Unterstützung der Mitarbeiter anbieten – gemäß 3x3-Konzept sind sie ohnehin als »Multiplikatoren im Betrieb« vorgesehen (3x3 2015). Darüber hinaus wäre ein planmäßiges Evaluationselement als fester 3x3-Prozessbestandteil günstig. Der ideelle Stabilitätsanker des Projektes ist Peer Holthuizen als Intermediär, Künstler, Unternehmer und Visionär. Seine ausgezeichnete Vernetzung im Künstler- und Wirtschaftsumfeld ist von unschätzbarer Bedeutung für 3x3. Der Coach besetzt innerhalb des 3x3-Prozesses eine neutrale Schlüsselposition, die zum Erfolg beiträgt. Dies gilt ebenso für die Künstler in ihrer Unbefangenheit, da sie bis zur Erstveranstaltung nicht wissen, auf wen oder was sie treffen werden. Die Coaches und Künstler sind aber im Vorfeld »maßgeschneidert« auf die betriebliche Aufgabenstellung ausgewählt worden, so dass Holthuizens Vision einer kreativen, demokratischen und bereichernden Kooperation zwischen Künstlern und Unternehmen gelingt.
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Zwar fördert die feste Verortung des Projektes im norddeutschen Raum, die insbesondere durch die Kooperation mit den örtlichen Wirtschaftsförderungen der Metropolregion erreicht wird, das Fortbestehen und die Entwicklung von 3x3. Unklar bleibt jedoch, welches Gewicht dem Projekt als Triebfeder für die regionale (Kreativ-)Wirtschaft zukommt. Das klar abgesteckte Tätigkeitsgebiet macht es dennoch möglich, sich intensiv mit den regionalen Zielgruppen auseinanderzusetzen. Die begrenzte Mobilität führt aber dazu, dass andere Regionen (noch) nicht vom Konzept profitieren können. Wir danken Peer Holthuizen (Initiator des 3x3-Projekts) und Stefan Beusch (freiberuflicher Coach im 3x3-Projekt) für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen 3x3-Projekt (2015): Webseite 3x3, www.3mal3.net/ (letzter Abruf: 25.2.2015). Baumgarth, C.; Sandberg, B.; Brunsen, H.; Schirm, A. (2014): Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK), www.mba-berlin.de/fileadmin/user_upload/ MAIN-dateien/1_IMB/Working_Papers/2014/WP78_online.v.2.pdf (letzter Abruf: 10.8.2015). Beusch, S. (2014): Interview mit dem Coach Stefan Beusch vom 3.12.2014. Beusch, S. (2015): Webseite Stefan Beusch, www.stefanbeusch.com/ (letzter Abruf: 23.2.2015). Holthuizen, P. (2014): Interview mit dem Initiator Peer Holthuizen vom 13.3.2014. Holthuizen, P. (2015): Webseite Projektkunst, www.projektkunst.net/vita.htm (letzter Abruf: 18.2.2015). Kleinhanns H. (2013): Webseite Heiko Kleinhanns, www.heiko-kleinhanns.de/ eine-erfolgsformel-3-x-3-kreative-losungen-fur-konkrete-betriebliche-aufgaben stellungen/ (letzter Abruf: 17.2.2015). Stadt Oldenburg (2015): Webseite Oldenburg, www.oldenburg.de/startseite/wirt schaft/regionalentwicklung/eu-projekte/creative-city-challenge.html (letzter Abruf: 22.2.2015). Syrbe, A. (2012): Webseite cre8 oldenburg, www.cre8oldenburg.de/anett.syrbe (letzter Abruf: 17.2.2015). Thein, A. (2011): Videointerview »nachgefragt« mit Peer Holthuizen vom 7.4.2011, www.oldenburger-lokalteil.de/2011/04/07/nachgefragt-peer-holthuizen-3mal3projekt/ (letzter Abruf: 11.3.2015).
»Abenteuer Kultur« bei dm Alexander Schirm/Berit Sandberg
1. »A benteuer K ultur « In dieser Fallstudie wird die künstlerische Intervention »Abenteuer Kultur« bei der Drogeriemarktkette dm-drogerie markt GmbH + Co. KG untersucht. »Abenteuer Kultur« ist im Unternehmen nicht der einzige Ansatz zur Integration von Kunst. dm hat Kultur seit seiner Gründung als einen Teil seiner Unternehmensidentität festgehalten. Durch den anthroposophischen Hintergrund des Unternehmensgründers wird die Integration von Kultur im Unternehmen groß geschrieben. Der Unternehmensgründer Götz Werner führte das Konzept für die künstlerische Intervention »Abenteuer Kultur« 2001 bei dm ein. Ungefähr zwei Jahre später übernahm die Alnatura Produktions- und Handels GmbH, die Biolebensmittel vertreibt, das Konzept. Auch die norddeutsche Drogeriemarktkette Budnikowsky arbeitete zeitweise damit. »Abenteuer Kultur« wird bei dm in der Berufsausbildung junger Erwachsener eingesetzt und bildet neben Theorie und Praxis eine dritte feste Säule der Ausbildung. Dabei werden Jugendliche mit Theaterszenen, epischen Texten, Gedichten oder klassischen Stücken konfrontiert, die sie einstudieren und gemeinsam mit anderen Lehrlingen vor Kollegen, Familienmitgliedern und Freunden zur Aufführung bringen. Sie werden dafür von erfahrenen unternehmensexternen Theaterpädagogen, Theaterregisseuren und Schauspielern angeleitet, mit denen dm kooperiert. Die Jugendlichen schreiben die Stücke und Szenen nicht selbst. Es geht in den Texten auch nicht um ihren Alltag bzw. nicht darum, wie sie sich richtig oder falsch verhalten. Die Jugendlichen sollen sich mit Literatur, mit geschriebenen Worten auseinandersetzen. Ausgehend von den Themen, die sie interessieren, werden in Gesprächen und Improvisationen neuralgische Punkte ergründet. Die Auszubildenden erproben in der Auseinandersetzung mit anderen Figuren und in theatralischen Situationen, in die von ihnen dargestellten Figuren kommen, sich selbst. In diesem Teil des Prozesses nehmen die Jugendlichen ihre Rollen an
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und entdecken neue Seiten, neue Fähigkeiten und neue Fragen (Hatházy 2009, S. 2f.). Die Jugendlichen verbringen fünf Proben-Tage am Stück zu je siebeneinhalb Stunden außerhalb der Stadt und ohne Mobilfunkempfang und mit ausschließlich vegetarischem Essen. Etwa vier Wochen später bringen sie dann nach einem Proben-Wochenende ihr Stück an einem Sonntag zur Uraufführung.
2. B e teiligte A kteure 2.1 Unternehmen: dm 1973 eröffnete Götz W. Werner in Karlsruhe den ersten dm-Drogerie Markt. Heute ist dm in zwölf europäischen Ländern mit rund 2.900 Märkten präsent; in Deutschland wird gerade an der 1.500sten Filiale gearbeitet. Im Geschäftsjahr 2012/2013 erwirtschaftete der dm-Konzern 7,69 Mrd. Euro Umsatz. In ganz Europa arbeiten knapp 50.000 Mitarbeiter – davon rund 34.000 in Deutschland. 3.200 junge Menschen erlernen bei dm einen Beruf. Sie wurden seit 2001 in insgesamt mehr als 550 »Abenteuer Kultur«-Workshops für kreatives Handeln und die Schönheit des Wortes sensibilisiert. Dafür engagiert das Unternehmen jährlich etwa 170 Künstler (dm 2013a; dm 2013b). Die Unternehmensleitung ist anthroposophisch ausgerichtet, was einen starken Einfluss auf die Unternehmenskultur hat. In den Unternehmensleitlinien wird die Überzeugung vermittelt, dass ein Unternehmen für die Menschen da sein solle und nicht umgekehrt (dm 2013b). Junge Lernende werden beispielsweise nicht als Auszubildende oder als Lehrlinge begriffen, sondern intern als »Lernlinge« bezeichnet. Diese Bezeichnung hat einen aktiven Wert und lehrt die Jugendlichen früh, ihre Arbeit aktiv, selbstbewusst und selbstbestimmt zu gestalten (Hatházy 2009, S. 1).
2.2 Intermediär und Künstlerin: Sylvia Hatházy Sylvia Hatházy arbeitet als freischaffende Beraterin bzw. als Autorin, Regisseurin und Projektkoordinatorin u.a. für dm, Alnatura und Budnikowsky und betreut sowohl bei dm als auch bei Alnatura die Workshops »Abenteuer Kultur« sowie die jährlich stattfindenden vorweihnachtlichen Mitarbeiter-Aufführungen. In der Institution Theater fühlte sich die Künstlerin nie richtig heimisch und wollte stattdessen Theater mit Menschen statt mit Schauspielern machen. Bei Alnatura arbeitet sie künstlerisch noch selbst und komplett eigenverantwortlich. Die Konzeption, Betreuung und Realisierung der Workshops obliegt ihr dort im Gegensatz zu dm noch allein.
»Abenteuer Kultur« bei dm
3. KUK -P rozess In diesem Kapitel werden die verschiedenen Phasen der Kunst-UnternehmensKooperation (KUK) in Bezug auf die Initiierung, Partnerselektion, Fixierung und Umsetzung der Intervention untersucht.
3.1 Phase 1: Impuls Die Idee, künstlerische Prozesse in die Ausbildung zu integrieren und somit die Idee zu »Abenteuer Kultur« hatte 1999 der dm-Gründer Götz Werner. Er las damals einen Aufsatz, in dem es darum ging, dass jungen Menschen zunehmend die Sprache abhandenkäme. Da sie weniger läsen und weniger an das Sprechen herangeführt würden, dafür aber mehr Fernsehen und andere Medien konsumierten, verkümmere eines der wichtigsten Kommunikationsmittel. Die Vorstellung, dass seine Drogeriemarkt-Kette viele junge Menschen beschäftigt, die mit Kunden in Kontakt treten sollen, es aber nicht können, beunruhigte den Anthroposophen (Hatházy 2009, S. 2; Weiß 2010, S. 234). Im Jahr 2000 machte dm Versuche, das Bildungsproblem durch Betrachten und Beschreiben von Bildern anzugehen; Theater war ein weiterer Versuch. Es stellte sich heraus, dass Theater im Vergleich zu Tanzperformances oder Bildbetrachtungen diejenige Kunstform ist, mit der junge Menschen der Sprache am besten wieder näher kommen. Nicht dadurch, dass sie Texte auswendig lernen und wiedergeben, sondern indem sie Texte begreifen, erleben und mit ihrer eigenen Phantasie füllen, gleichen sie mangelnde Kommunikationsfähigkeit aus (Weiß 2010, S. 234).
3.2 Phasen 2 und 3: Partnerselektion und Konfiguration »Abenteuer Kultur« wurde 2001 bundesweit mit 33 Workshops und 650 Lehrlingen erprobt, für deren Leitung im ganzen Land Künstler gesucht wurden. Wie Abbildung 1 zeigt, wuchs das Projekt schnell. 2014 wurden 118 Veranstaltungen durchgeführt. Die ersten Workshops gab dm durch Ausschreibungen unter dem Motto »Kunst der Ausbildung« in einschlägigen Theater-Zeitschriften bekannt. Es wurden Theaterpädagogen, Schauspieler und Regisseure gesucht, die mit Lehrlingen arbeiten. Auch Sylvia Hatházy bewarb sich trotz ihrer Skepsis – »Was hat denn ein Unternehmen mit Kunst zu tun? Wie soll das denn gehen?« – und wurde engagiert. Zu Beginn des neuen Jahrtausends arbeiteten bereits 30 Schauspieler, Regisseure und ehemalige Intendanten für dm; heute sind es ca. 170 Künstler. Für die Selektion und Koordination der Künstler, ist bei dm mittlerweile ein vierköpfiges Leitungsgremium verantwortlich. Es ist mit einem belgischen Theaterregisseur, der Leiterin der Aus- und Weiterbildung des Unternehmens, der Ehefrau des Unternehmensgründers und mit Sylvia Hatházy besetzt.
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Abb. 1: Anzahl der »Abenteuer Kultur«-Workshops bei dm im Zeitablauf Quelle: Hatházy 2009, S. 2f.; Weiß 2010, S. 234 Die Künstler werden vor allem danach ausgewählt, »ob der so sehr brennt […] für sein Handwerk, dass er in der Lage ist, das auch zu vermitteln, und dann nehmen wir so jemanden« (Hatházy 2013). Dass ein Künstler Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen hat, ist nachrangig, da er ggf. vom Leitungsgremium an seine Aufgaben herangeführt wird. Heute ist das Unternehmen in einer komfortablen Situation. »Es gibt unendlich viele Bewerbungen.« (Hatházy 2013) Beim Ausbau der Workshops hatte das Unternehmen zeitweilig aber auch einen großen Bedarf an neuen Künstlern. »Wenn es in einem Jahr auf einmal 15 Workshops mehr sind, dann sind das 30 Leute, die man braucht.« (Hatházy 2013) Das ist einer der Gründe, warum versucht wird, die Fluktuation des Künstlerstammes so gering wie möglich zu halten. Dies gelingt in den meisten Fällen, es sei denn, das Lenkungsgremium sieht keine Weiterentwicklung im Schaffen eines Künstlers. So mussten für das Jahr 2013 lediglich 13 neue Künstler akquiriert werden. Es besteht der Anspruch, dass nicht jeder Workshop nach einem bestimmten Schema durchzuführen ist, sondern immer wieder neu die Dynamik der Jahrgänge und deren Rhythmus aufgenommen werden muss. »Stillstand heißt Tod« lautet das Motto von Götz Werner, das in diesem Sinne auch umgesetzt wird. Die Selektion ist aber auch abhängig von den Jahrgängen der Lehrlinge, die durchaus problematisch seien können, oder der Art der Vorbildung eines Künst-
»Abenteuer Kultur« bei dm
lers. Erkennt das Leitungsgremium, dass ein Künstler schwierige Aufgaben zu bewältigen hatte, bekommt er eine erneute Chance. Der Anspruch an die Künstler ist auf Grund des Konkurrenzdrucks hoch. Dies hängt auch mit der sehr guten Vergütung der Workshops zusammen. Sie führt einerseits dazu, dass es eine hohe Zahl an Bewerbern gibt, andererseits lässt sie Künstler dazu tendieren, ihre künstlerische Freiheit selbst einzuschränken. Die Künstler bekommen Werkverträge für jeden Workshop im Gegensatz zu den Verträgen des Leitungsgremiums, welche sich jährlich verlängern. Es sind immer so genannte »Tandems« – also zwei gleichberechtigte Künstler, die zwei Verträge bekommen und sich ein Honorar von 9.000 Euro je Workshop teilen. Jeder Künstler darf dann jährlich ca. zwei Workshops durchführen. Sie sollen möglichst lange gebunden und dazu ermutigt werden, sich weiterzuentwickeln.
3.3 Phase 4: Realisierung Der administrative Aufwand bei dm steigt seit Jahren kontinuierlich an und es müssen immer feinere Strukturen zur Abwicklung des Pensums geschaffen werden. Wesentliches Strukturmerkmal in der Ablauforganisation von dm sind das Lenkungsgremium und die 2012 neu eingeführten Paten, die aus dem bestehenden Künstlerstamm rekrutiert werden. Während das Lenkungsgremium eher organisatorische Aufgaben wie die Buchung von Hotels und Veranstaltungsorten sowie die Zuordnung von Künstlern zu den einzelnen Workshops übernimmt, sind die Paten für die inhaltliche Leitung der Künstler verantwortlich. Konzeptionelle Fragen werden (noch) gemeinsam besprochen. Paten sind Künstler mit einer bestimmten herausragenden Fähigkeit. Einige sind mehr Dramaturg, andere sind eher auf die Belange der Jugendlichen bedacht und wieder andere interessieren sich ausschließlich für zeitgenössische Dramatik. So können sie je nach Bedarf in unterschiedlichen Workshops eingesetzt werden. Dort fehlen je nach »Besetzung« unterschiedliche Fähigkeiten, welche über den erfahrenen Blick des Paten ausgeglichen werden sollen. Die Paten besuchen wenigstens zwei Proben und nach einem Vorgespräch erkennt ein Pate idealerweise schon im Vorfeld neuralgische Punkte. Sylvia Hatházy war 2014 Patin von 26 Projekten. Sie erkundigt sich regelmäßig vor und während der Workshops bei den Künstlern, was diese für die ihnen zugewiesenen Workshops planen oder ob es Fragen oder Probleme gibt. Dabei geht es nicht um eine Kontrolle der Künstler, sondern um eine inhaltliche Unterstützung und künstlerische Begleitung des Arbeitsablaufs. Das Organisationsteam trifft sich alle sechs Wochen mit den derzeit sieben Paten, um einen ganzen Tag, ggf. auch zwei Tage lang die Workshops und alles, was um die Interventionen herum geschieht, zu besprechen. Das Leitungsgremium ist die Verbindung zur dm-Unternehmensleitung und informiert diese über die aktuellen Ergebnisse der Treffen.
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Mit den Künstlern findet eine separate Abstimmung statt. Einmal im Jahr gibt es ein so genanntes »Künstlertreffen«. Dafür werden externe Referenten für ein Impulsreferat zu einem vorher festgelegten Thema eingeladen. Die Künstler erhalten vorab Briefe, in denen sie um Sperrzeiten und um Angaben, wann und wo sie Workshops im kommenden Jahr abhalten möchten, gebeten werden. Auf den Treffen werden dann Arbeitsgruppen für relevante Themen gebildet.
3.4 Phase 5: Reflexion Bei dm wird das Programm kontinuierlich inhaltlich überwacht. Dabei spielen das Leitungsteam und die sogenannten Paten eine wichtige Rolle. Das Unternehmen verzichtet jedoch auf eine systematische Evaluation der Wirkung von »Abenteuer Kultur« sowie der Beziehungen im Rahmen der Kooperation.
4. B e wertung der KUK 4.1 Erfolgsfaktoren dm macht mit dem Konzept »Abenteuer Kultur« sehr positive Erfahrungen. Eine Schlüsselfrage, die zum Erfolg derartiger Projekte führt, ist: Wie ernst nimmt eine Organisation die Kunst? Demnach braucht es auf Unternehmensseite verrückte Idealisten, die eine Einbindung der Kunst wirklich wollen und daran glauben, dass die Arbeit mit künstlerischen Interventionen sinnvoll ist. Nicht nur der Glaube an und die Wertschätzung für die Kunst spielen eine Rolle, auch die strategische Einbindung der künstlerischen Intervention in das Unternehmen ist wichtig. Die Erwartungen an die Intervention zu klären ist ebenso wichtig wie Vorerfahrungen sowohl auf Künstler- als auch auf Unternehmensseite. So muss nicht nur das Unternehmen in der Lage sein, sich auf den Künstler einzulassen, sondern dieser muss Fähigkeiten einbringen, die dies überhaupt erst ermöglichen.
4.2 Nutzen der KUK dm macht sehr gute Erfahrungen mit seinen Ansätzen. Die künstlerischen Interventionen haben einen subjektiv wahrnehmbaren positiven Einfluss auf das Unternehmensklima bzw. die Unternehmenskultur. »Abenteuer Kultur« selbst ist »zur Unternehmenskultur geworden« (Hatházy 2009, S. 6). Bei dm werden mit Hilfe des Programms viele Mitarbeiter sehr jung, d.h. mit 22, 23 Jahren Filialleiter. Mitarbeiterinnen trauen sich mehr zu und treten häufiger in verantwortliche Positionen ein. Es ist eine neue Offenheit entstanden, einander zuzuhören und sich gegenseitig in kreative Prozesse einzubinden: Beim Theater spielt man mit anderen zusammen und nur mit ihnen zusammen ist es
»Abenteuer Kultur« bei dm
möglich, sich weiterzuentwickeln (Hatházy 2009, S. 6f.). Durch die künstlerische Intervention verändert sich die Art und Weise, wie Mitarbeiter miteinander in Kontakt kommen. Die Menschen erinnern sich anders aneinander, wenn sie miteinander Theater gespielt haben. Die Mitarbeiter arbeiten dadurch eigenverantwortlicher, entwickeln sich weiter und fühlen sich dabei gut. Jeder ist aber auch im Rahmen der bei dm herrschenden Unternehmenskultur gefordert, aktiv den Arbeitsplatz und das Unternehmen zu gestalten. Die »Lernlinge« von dm erleben, dass sie allein und in der Gruppe etwas geschafft und geleistet haben, was sie sich im Vorfeld selbst nie zugetraut hätten. Sie überwinden Ängste und stärken ihr Selbstbewusstsein. Sie lernen, vor einem großen Publikum frei zu sprechen und zu spielen und setzen ihre neu entdeckten Fähigkeiten im Anschluss sowohl beruflich als auch privat individuell ein. dm nutzt »Abenteuer Kultur« auch für seine Öffentlichkeitsarbeit und seinen Employer Branding-Ansatz. Das Konzept wird in Anzeigen und auf der Webseite des Unternehmens als »dritte Säule« der beruflichen Ausbildung beschrieben. Dort wird damit geworben, dass das Konzept mit dem Initiativpreis Aus- und Weiterbildung 2004 ausgezeichnet wurde, der von der Otto-Wolff-Stiftung, dem Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Wirtschaftswoche vergeben wird (dm 2013c). Die unterschiedlichen Nutzen der einzelnen Akteure sind in Tabelle 1 zusammengefasst. dm
Sylvia Hatházy
Externe Künstler
• Mitarbeiter-
• Finanzierung des
• Finanzierung des
zufriedenheit • Mitarbeitermotivation Nutzen
• Mitarbeiterentwicklung
Lebensunterhalts
Lebensunterhalts
• Künstlerische Selbst-
• Erfahrung im Um-
verwirklichung
• Positiver Imagetransfer • Positives Betriebsklima
gang mit Unternehmen • Soziale Kompetenz
Tab. 1: Nutzen der KUK
4.3 Problemfelder Das Konzept von »Abenteuer Kultur« wirft allerdings auch Probleme auf. Sie sind u.a. ethnisch, politisch, generationenspezifisch, hierarchisch oder kulturell bedingt und entstehen vor allem zwischen • den engagierten Künstlern und den Lehrlingen sowie • den Künstlern und dem Lenkungsteam und/oder den Paten.
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(1) Probleme zwischen Künstlern und Lehrlingen Zwischen den Künstlern und den Auszubildenden gibt es verschiedene Spannungsfelder. Es gibt Gegenden mit einem hohen Anteil Jugendlicher mit Migrationshintergrund und andere, wo kaum Jugendliche nicht-deutscher Herkunft leben. Daraus erwachsen kulturell bedingte Differenzen bzw. die Heranwachsenden wollen oder können bestimmte Dinge nicht sagen oder darstellen (Hatházy 2009, S. 9). Ein drängendes Problem anderer Art besteht z.B. im Südosten Deutschlands. Dort scheinen vermehrt Jugendliche mit rechtsradikalem Hintergrund in den Gruppen aufzutreten. Dies wird insbesondere dann schwierig, wenn diese Jugendlichen sehr ordentlich, pünktlich und fleißig agieren, jedoch im Kontext der künstlerischen Intervention mit ihrer Ideologie und ihrem Auftreten direkt konfrontiert werden. Auch (mühsam aufgebaute) äußerliche Fassaden werden entlarvt und aufgebrochen, und zwar nicht nur bei diesen Jugendlichen. Derartige Vorgänge beeinflussen den Erfolg des Projektes, da hier auch direkt die didaktische Kompetenz der Künstler in Frage gestellt wird. Dies ist für Künstler, aber auch für das Lenkungsteam, für die Paten sowie für die Unternehmens- bzw. Filialleitung eine schwierige Situation. In einigen Jahrgängen wird es schwieriger, andere Wege zu gehen. Seit einigen Jahren ist das Aufkommen eines sehr schlichten Denkens zu beobachten: »Ich habe eine Aufgabe, die löse ich und zack fertig!« (Hatházy 2009, S. 4)
(2) Probleme zwischen Künstlern und Lenkungsteam Auch zwischen Künstlern und Lenkungsteam kommt es zu Spannungen. Sie resultieren insbesondere daraus, dass Künstler den Anforderungen des Lenkungsteams und/oder denen der Paten zu entsprechen versuchen, indem sie ihre künstlerische Freiheit selbst einschränken. Damit sollen die Erwartungen der Auftraggeber möglichst genau erfüllt werden, um auch im kommenden Jahr wieder ein Engagement für »Abenteuer Kultur« zu bekommen. Die Workshops werden, wie bereits erwähnt, sehr gut bezahlt. Jeder Künstler kann zwei Workshops pro Jahr machen. Und jeder Künstler, der dabei ist, möchte auch dabei bleiben. So muss das Team darauf achten, dass nicht das Gegenteil von dem entsteht, was gewollt ist, nämlich Querdenken zu fördern und Neues zuzulassen. Einige Künstler entwickeln die Attitüde: »Das ist ganz toll, damit sichere ich 80 Prozent meines Einkommens im Jahr!« (Hatházy 2013) Wenn diese Künstler nicht an ihrem Verhalten und ihrer Performance arbeiten, geht die künstlerische Qualität ihrer Arbeit darüber verloren. Die Koordination von mehr als 100 Workshops und fast 200 Künstlern gestaltet sich durchaus schwierig, insbesondere da es viele Mütter mit Kind gibt. Schwierig ist es auch, wenn Künstler aufgrund eigener Terminvorgaben nur einen statt zwei Termine zugewiesen bekommen. Selbst wenn ein Künstler bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Unternehmen insbesondere mit Unternehmenstheater hat, können Probleme auftreten, denn der offene Umgang mit der Kunstform Theater wird nicht überall
»Abenteuer Kultur« bei dm
in der bei dm üblichen Weise praktiziert wird. Demnach gibt es wenige Unternehmen, in denen Theater wie bei dm ein Selbstzweck ist. Zweck von Unternehmenstheater ist häufig die Aufarbeitung von internen Konflikten oder Prozessen. Beteiligte Mitarbeiter werden dabei mit eingebunden oder es wird ihnen etwas vorgeführt. Bei dm ist der Weg das Ziel; es geht nur um Persönlichkeitsentwicklung. So bleiben Künstler aus diesem Bereich selten lange, da sie Theater zu pädagogisch angehen und es instrumentalisieren.
5. F a zit »Abenteuer Kultur« ist ein Beispiel für eine KUK, die vom Unternehmen selbst initiiert und entwickelt wurde. Der entscheidende Impuls kam vom Unternehmensgründer selbst. Das Programm ist nur eines von mehreren Aktivitäten, die bei dm Kultur in den Unternehmensalltag integrieren. Die Zusammenarbeit von dm mit den unternehmensexternen (Einzel-)Künstlern, die auf Honorarverträgen beruht, also formell fixiert ist, bezieht sich auf einzelne Workshops. Jede KUK ist insofern zeitlich begrenzt, hat aber durch die Einbindung in das kontinuierliche Programm informell eine längerfristige Perspektive. Alle Partner sind frei, sich auf eine längere Zusammenarbeit einzulassen. Für das Unternehmen hat die Zusammenarbeit eine hohe strategische Relevanz in der Lehrlingsausbildung und der Schaffung einer weltoffenen und eigenverantwortlichen Unternehmenskultur. Für die beteiligten Künstler generiert die Kooperation eine hohe Reputation, Erfahrungen und auch eine hohe Vergütung. Beide Seiten bleiben im Rahmen einer relativ offenen, aber klar abgegrenzten Aufgabenstellung wirtschaftlich voneinander unabhängig, geben aber zu Gunsten eines koordinierten, der Norm von Reziprozität verpflichteten Handelns, einen Teil dessen tatsächlich für eine funktionierende Partnerschaft auf. Die Aufgabenstellung als solche und die Zielsetzung des Programms werden vom Unternehmen definiert; in der Ausgestaltung sind die beteiligten Künstler frei. Der Kooperationsprozess bei »Abenteuer Kultur« wird von dm dominiert, in dessen Auftrag die externe Mittlerin, die einen beruflichen Hintergrund als Künstlerin hat, agiert. Sie koordiniert das Programm im Unternehmen und übernimmt die Kommunikation mit den externen Künstlern. Bei dm nahm das Programmvolumen derart zu, dass »Abenteuer Kultur« institutionalisiert und in die Verantwortung eines unternehmensinternen Gremiums übergeben wurde. Mit der Mitgliedschaft in diesem Gremium veränderte sich die Position der nach wie vor wirtschaftlich unabhängigen Mittlerin. Aufgrund der hohen strategischen Bedeutung des Bildungsprogramms für das Unternehmen, der relativ offenen Aufgabenstellung in den Workshops und der Intensität der Zusammenarbeit, in die beide Seiten regelmäßig Ressourcen einbringen und zur Wertschöpfung beitragen – vereinfacht: Honorar gegen
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Arbeitsleistung –, ist die Kooperation im Rahmen von »Abenteuer Kultur« dem Typus »Transaktion« zuzuordnen. In Bezug auf die weitgehende Integration von Mittlerinnen, die über die Mitgliedschaft in unternehmensinternen Gremien bis zur Festanstellung reicht, bewegt sich diese KUK in Richtung des fusionsähnlichen Typus »Integration«, der eine noch höhere Bindungsintensität aufweist (Baumgarth et al. 2014, S. 26-28). »Abenteuer Kultur« hat sich bei dm etabliert und ist im Laufe der Jahre ausgeweitet worden. Das Unternehmen will das Programm fortführen. »Abenteuer Kultur« wird von den Beteiligten als erfolgreiches Programm bewertet und ist auch im Hinblick auf die Qualität der Kooperation(en) positiv zu beurteilen. Diese strategisch-verankerte KUK lebt von den Protagonisten im Unternehmen und wird von einer Kultur der Offenheit getragen. Wir danken Sylvia Hatházy (als Freiberuflerin für dm tätig) und Christian Harms (Mitglied der Geschäftsführung der dm-drogerie markt GmbH + Co. KG) für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen Baumgarth, C.; Sandberg, B.; Brunsen, H.; Schirm, A. (2014): Kunst-UnternehmensKooperationen (KUK), www.mba-berlin.de/fileadmin/user_upload/MAINdateien/1_IMB/Working_Papers/2014/WP78_online.v.2.pdf (letzter Abruf: 10.8.2015). dm (2013a): Webseite, www.dm.de/de_homepage/unternehmen/zahlen-fakten/ unternehmenszahlen/ (letzter Abruf: 10.12.2013). dm (2013b): Webseite, www.dm.de/de_homepage/unternehmen/kurzportrait/ (letzter Abruf: 10.12.2013). dm (2013c): Webseite, www.dm.de/de_homepage/arbeiten-und-lernen/erlebnis_ ausbildung_home/erlebnis-ausbildung/ (letzter Abruf: 10.12.2013). Hatházy, S. (2009): Die Lehrlings-Ausbildung Abenteuer Kultur, Salzburg. URL: http://toihaus.at/fileadmin/user_upload/helga/hatazy2.pdf (letzter Abruf: 18.12.2013). Hatházy, S. (2013): Experteninterview mit Sylvia Hatházy vom 5.12.2013. Weiß, H. (2010): Best Practice II – Abenteuer Kultur, in: Kunst fördert Wirtschaft, Hg.: Bertram, U., Bielefeld, S. 232-239.
›Act Leadership — ein theaterbasiertes Trainingsformat‹ für ImmobilienScout24 Nicole Lohrisch/Carsten Baumgarth
1. ›A ct L e adership ‹ Für den Ausbau und die Professionalisierung des bestehenden Führungskräfteprogramms des Online-Unternehmens ImmobilienScout24 entwickelt inszenio – Agentur für szenische kommunikation das innovative Trainingsformat ›Act Leadership‹. ›Act Leadership‹ kann als innovativ bezeichnet werden, weil im Gegensatz zu traditionellen Trainingsmethoden kunstbasierte Interventionen eingesetzt werden. Eine kunstbasierte Intervention ist der didaktische Einsatz von künstlerischen Techniken in Unternehmen in den Bereichen Organisations- und Personalentwicklung, Aus- und Weiterbildung, im Rahmen von Zusammenführungen von Abteilungen oder Standorten oder Verkaufs- und Vertriebstrainings. Kunstbasierte Interventionen stammen aus allen Bereichen der Kunst: Malerei, Musik, Dichtung, Literatur, Tanz oder auch wie im Fall von inszenio des Theaters (Berthoin-Antal 2009; Biehl-Missal 2011, S. 242). Mit dem Einsatz von theaterbasierten Interventionen als spezielle Ausprägung des Unternehmenstheaters (allg. Heindl 2007; Hune 2002; Hüttler 2005; Schreyögg/Dabitz 1998) verfolgt inszenio das Ziel, Verhaltensmuster, Rollenbilder und Problemsituationen aus dem Alltag der Führungskräfte durch Schauspieler zu spiegeln und zu bearbeiten. Gleichermaßen sollen kommunikative Fähigkeiten und Techniken mit künstlerischen Mitteln transferiert werden, um zum Beispiel Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten zu trainieren und zu stärken. Die Zusammenarbeit zwischen ImmobilienScout24 und inszenio ist ein Beispiel für eine nach innen gerichtete Kunst-Unternehmens-Kooperation (KUK), die in diesem Beitrag untersucht und vorgestellt wird. Die Analyse der KUK von Immobilienscout24 und inszenio beruht auf Internetrecherchen, zwei Experteninterviews mit Beteiligten bei ImmobilienScout24 und inszenio sowie weiteren von den Partnern bereitgestellten Dokumenten. ›Act Leadership‹ wurde von inszenio im Auftrag von ImmobilienScout24 konzipiert und erprobt, um das Trainingsangebot für Führungskräfte weiterzuent-
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wickeln (ImmobilienScout24/inszenio 2014). Im Rahmen von ›Act Leadership‹ werden Führungsthemen auf der Basis von individuell entwickelten Szenen mit professionellen Schauspielern bearbeitet. Auf der Grundlage theaterbasierter Methoden werden alltägliche Problem- und Konfliktsituationen aufgegriffen und stereotypische Verhaltensmuster von den Schauspielern auf der Bühne und den Unternehmensalltag realistisch widergespiegelt. ›Act Leadership‹ öffnet den Teilnehmern den Blick auf Rollenbilder, Haltungen und Verhaltensweisen von Führungskräften. Spielerisch und emotional sollen vorhandene Blockaden aufgearbeitet, reflektiert und diskutiert werden. Dabei spielt die Interaktion zwischen den Schauspielern und den Teilnehmern und eine aktive Lösungsfindung seitens der Teilnehmer eine entscheidende Rolle für den nachhaltigen Erfolg des Trainings. In diesem Beitrag werden in Kapitel zwei zunächst die beteiligten Akteure skizziert. Daran anschließend wird im dritten Kapitel der Prozess der KUK anhand der Analyseergebnisse beschrieben und abschließend im letzten Kapitel resümiert, indem die Besonderheiten, Erfolgsfaktoren und Nutzenkategorien abgeleitet werden.
2. B e teiligte A kteure In diesem Kapitel werden die beteiligten Akteure der Kooperation kurz vorgestellt. Im Fall von ImmobilienScout24 und inszenio wird auch auf die bisherigen Erfahrungen dieser Akteure mit KUKs eingegangen.
2.1 Unternehmen: ImmobilienScout24 ImmobilienScout24 wurde im Jahr 1998 als Immobilienportal im deutschsprachigen Internet gegründet. ImmobilienScout24 gehört der Scout24-Gruppe an, worunter verschiedene Online-Marktplätze wie AutoScout24, FriendScout24, JobScout24 und weitere Online-Plattformen zusammengefasst werden. ImmobilienScout24 konzentriert sich auf das Immobiliengeschäft und bietet Immobilienanbietern und Immobiliensuchenden über das Internet eine Begegnungsplattform. ImmobilienScout24 ist ebenso eine Serviceplattform für Themen wie Baufinanzierung, Immobilienbewertung, Umzugsplanung und Einrichtung (ImmobilienScout24 2014). Fortwährend werden auch neue Geschäftsfelder erschlossen, so zum Beispiel die Förderung von Online-Start-Ups über die interne Innovationsplattform »You is now« (You is now online 2014). Das Weiterbildungsengagement und Weiterbildungsangebot für die Mitarbeiter ist hoch und vielfältig.
›Act Leadership – ein theaterbasier tes Trainingsformat‹ für ImmobilienScout24
2.2 Intermediär und Künstler: inszenio — agentur für szenische kommunikation inszenio – agentur für szenische Kommunikation ist eine im Jahr 2006 von Dr. Claudia Borowy gegründete Agentur, die szenische Trainings und theaterbasierte Interventionen anbietet. Zuvor war Dr. Borowy Geschäftsführerin einer Kommunikationsagentur und davor als Theaterregisseurin an den verschiedensten deutschen Bühnen tätig (Borowy 2014). Diese zwei Erfahrungsbereiche führt sie in einer Agentur für theaterbasierte Kommunikations- und Trainingsformate zusammen. Diese theaterbasierten Kommunikations- und Trainingsformate werden innerhalb von Unternehmen in Form von Trainings oder im Rahmen von Events zu den Themen Unternehmenskultur, Employer Branding, Teambuilding, Diversity und Mitarbeiterführung eingesetzt. Im Zentrum der Trainings steht die Spiegelung und Bearbeitung von Kommunikations- und Führungsverhalten im Businessalltag. Dr. Borowy konzipiert die Trainingsformate individuell, indem sie eng mit dem Unternehmen zusammenarbeitet und den spezifischen Organisationskontext und die Anliegen der Zielgruppe aufgreift.
2.3 Künstler: Schauspieler Die Agentur inszenio arbeitet mit einem beständigen Pool an professionellen Schauspielern und Schauspielerinnen zusammen, die über eine theaterfundierte Ausbildung und Bühnenerfahrung verfügen. inszenio engagiert diese Schauspieler für die Vorbereitung, Proben und Durchführung der theaterbasierten Interventionen. Im Rahmen des theaterbasierten Trainings fungieren die Schauspieler als Werkzeuge zur Darstellung und interaktiven Bearbeitung von Situationen oder Rollenbildern auf der Bühne.
3 KUK -P rozess 3.1 Phase 1: Impuls Als ein schnell wachsendes Internetunternehmen, das stetig strukturellen und prozessualen Veränderungen unterliegt, besitzt bei ImmobilienScout24 die Entwicklung der Mitarbeiter wie auch der Führungskräfte einen großen Stellenwert. Hierfür wird auch ein hohes Weiterbildungsbudget zur Verfügung gestellt. ImmobilienScout24 legt einen besonderen Wert auf die Umsetzung und Verankerung eines transformationalen und kooperativen Führungsstils im Unternehmen, der auf Vertrauen, Respekt und Loyalität des Mitarbeiters gegenüber der Führungskraft beruht (ImmobilienScout24/inszenio 2014). Davon ausgehend wurde ein Führungskräfteprogramm mit einzelnen Modulen entwickelt und etabliert, das von den Mitarbeitern je nach Position und Aufgaben auf verschiedenen Stufen
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durchlaufen wird: Die erste Stufe bildet das Nachwuchsführungskräftetraining, das sich an die Mitarbeiter richtet, die auf Führungsaufgaben vorbereitet werden. Es widmet sich der Auseinandersetzung mit der Rolle als Führungskraft, der Selbst- und Fremdeinschätzung und der situativen Führung. Darauf folgt die zweite Stufe, die anschließend die Führungskräfte in den ersten 100 Tagen in ihrer neuen Rolle begleiten soll. Daran schließt die dritte Stufe des Führungskräftetrainings an, wo die Führungskräfte ein Rundum-Feedback erhalten. In den Trainings auf der ersten, zweiten und dritten Stufe geht es vorwiegend um die Vermittlung inhaltlicher und praktischer Führungsthemen aus theoretischer Sicht und anhand von Rollenspielen und Übungen. Um vor allem Praxiserfahrungen aufzugreifen, wurde eine vierte Stufe installiert. Hier gilt es vor allem darum, Fähigkeiten und Techniken in Praxisworkshops möglichst realitätsnah zu trainieren und Rollenmodelle zu reflektieren. Der Bedarf einer weiteren Trainingseinheit kristallisierte sich in einer unternehmensinternen Mitarbeiterbefragung heraus. Insbesondere für den Ausbau der vierten Stufe wollte ImmobilienScout24 einen wirksamen Trainingsbaustein etablieren, der dazu verhilft, die Führungskultur zu verbessern (ImmobilienScout24/inszenio 2014). Hierfür suchten ab Herbst 2013 die Mitarbeiter der Abteilung Personalentwicklung von ImmobilienScout24 gezielt nach geeigneten Trainingsmaßnahmen. Bereits im Findungsprozess präferierten die Beteiligten das Trainingsformat Improvisationstheater. So erfolgte die bewusste Recherche nach einem zum Unternehmen passenden aber auch innovativen Trainingsformat vorrangig über Kollegen, das Internet und auf Messen. Anschließend konkretisierte ImmobilienScout24 den Auftrag und die Anforderungen zur Entwicklung eines Trainingsformats für 100 mittlere und gehobene Teamleiter und forderte drei Agenturen, darunter inszenio, zum Pitch auf. Damit setzte ImmobilienScout24 den ersten Impuls zur Entstehung der KUK.
3.2 Phase 2: Partnerselektion ImmobilienScout24 wertete die Ideen, Maßnahmen und Angebote der zur Präsentation geladener Trainingsanbieter aus und entschied sich in einem mehrstufigen Auswahlprozess im Ergebnis für inszenio und damit für theaterbasierte Interventionen. Entscheidende Auswahlkriterien von ImmobilienScout24 waren die Trainingsmöglichkeit mit Fokus auf den kooperativen Führungsstil, die Effektivität der Trainingsmaßnahme und die Einzigartigkeit (Lensinger 2014). ImmobilienScout24 wollte den Mitarbeitern mit einer theaterbasierten Intervention etwas Außergewöhnliches anbieten, um sich als Arbeitgeber vor allem von den Wettbewerbern abzuheben.
›Act Leadership – ein theaterbasier tes Trainingsformat‹ für ImmobilienScout24
3.3 Phase 3: Konfiguration Seit Herbst 2013 beschäftigte sich inszenio in mehreren Phasen mit der Erarbeitung eines individuell auf ImmobilienScout24 abgestimmten Führungskräftetrainings. Dabei war ImmobilienScout24 als Auftraggeber während des gesamten Prozesses eng in die Planung der Szenen und des Ablaufs involviert. inszenio hat sich im Vorfeld intensiv in das Unternehmen, die Unternehmenskultur und die Unternehmenssprache von ImmobilienScout24 eingearbeitet. Um neben der eigentlichen Problemstellung auch Hintergründe des Unternehmens zu eruieren, das Produktportfolio und die Unternehmenssprache aus Sicht der Mitarbeiter kennenzulernen und in den geplanten theaterbasierten Trainings aufzugreifen, wurden im Vorfeld zehn Interviews mit der Geschäftsführung und acht Führungskräften geführt. Im Mittelpunkt der Interviews standen Fragen zur Ausgangslage, den Erwartungen und den Bedürfnissen an ein Führungskräftetraining. Ebenso arbeitete sich inszenio intensiv in das Unternehmensleitbild und die Unternehmenskultur ein. Aus den Ergebnissen wurden ImmobilienScout24-spezifische szenische Umsetzungsmöglichkeiten herausgearbeitet und diskutiert. Die Szenen wurden in einem dreistufigen Prozess mit ImmobilienScout24 entwickelt: Zuerst wurde eine Themen-/ Szenenmatrix konzipiert, dann eine Storyline aus dem Arbeitsalltag der Führungskräfte abgeleitet und daraus ein Drehbuch verfasst. Das Drehbuch wurde in zwei Feedbackschleifen finalisiert. Dann wurden einzelne Szenen mit den Schauspielern erprobt und per Video aufgezeichnet. Das Drehmaterial wurde ImmobilienScout24 zur Abstimmung von Feinheiten zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis entstand das Konzept für das Trainingsformat für Führungskräfte ›Act Leadership‹.
3.4 Phase 4: Realisierung Im Januar 2014 folgte der Einsatz von ›Act Leadership‹ im Unternehmen ImmobilienScout24. Jeweils an zwei Tagen arbeiteten Dr. Borowy in der Rolle der Trainerin und Regisseurin und zwei Schauspieler von inszenio mit je acht Führungskräften von ImmobilienScout24 zusammen. Die Teilnahme der Mitarbeiter war auf freiwilliger Basis, dennoch wird von ImmobilienScout24 das Ziel verfolgt, dass jede Führungskraft ›Act Leadership‹ einmal besucht hat. Im Vorfeld bestand seitens der Führungskräfte die Befürchtung, bloßgestellt zu werden, davor ein negatives Feedback zu erhalten oder öffentlich zeigen zu müssen, dass die Führungskraft Situationen im Führungsalltag nicht bewältigen kann. Diese Ängste konnten im Training schnell abgebaut werden, vor allem weil Dr. Borowy stets versucht, die konkreten Bedürfnisse der Teilnehmenden zu erfassen und die Trainingssituation lösungsorientiert zu steuern. Am ersten und zweiten Trainingstag wird mit den Teilnehmern eine zu Beginn des Trainings noch leere Roadmap mit Führungsthemen (Leadership-Map) erarbeitet, die als roter Faden durch das Training führt und konkrete Transfers verankert. Die Map beinhaltet je ein Metathema mit bis zu drei Tooltipps auf Verhaltensebene.
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Die einzelnen Führungsthemen werden im Training sukzessive erarbeitet und vertieft. Im ersten Durchgang wird anhand einer vorgefertigten Szene von professionellen Schauspielern eine Situation im Businessalltag einer Führungskraft suboptimal dargestellt. Dabei wirken die Schauspieler als Dienstleister, denn sie setzen ihre Schauspielfähigkeiten als Handwerk zur Darstellung und Vermittlung ein. Nach der ersten Szene folgt eine Feedbackrunde. Die Teilnehmer haben jetzt die Aufgabe, zu erläutern: Welche Probleme und Rollenmuster ihnen aufgefallen sind, und was sie als Führungskraft in der gespielten Situation anders machen würden. Nach dem Feedback wird die ganze Szene mit den Verbesserungsvorschlägen der Teilnehmer noch einmal wiederholt. Die Teilnehmer übernehmen die Rolle des Regisseurs und geben den Schauspielern Anweisungen, wie sie etwas anders bzw. zielführender machen können. Einen hohen Einfluss auf die verschiedenen Lösungsvorschläge hat dabei, dass die Teilnehmer aus unterschiedlichen Abteilungen mit verschiedenen Teams, Arbeitsprozessen und Führungsanforderungen kommen. Anschließend wechseln die Teilnehmer die Perspektive und schlüpfen selbst in die Rolle der Führungskraft oder des Mitarbeiters in der Szene und erspielen sich selbst Lösungsalternativen. Zuletzt werden die szenisch erarbeiteten Verhaltensoptionen mit den Teilnehmern reflektiert und die erlernten Handlungsmöglichkeiten noch einmal konkret benannt. Im Rahmen des Führungsentwicklungsprogramms fanden bisher fünf Trainings statt. ›Act Leadership‹ wurde intensiv promotet und die Führungskräfte wurden zur Teilnahme aufgerufen: Es wurden E‑Mails durch die Geschäftsleitung an alle Führungskräften versandt, Flyer im Haus verteilt und Plakate in den Fahrstühlen des Unternehmens aufgehängt (vgl. Abbildung 1).
Abb. 1: Plakat zur internen Promotion des Formats ›Act Leadership‹ Quelle: ImmobilienScout24
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Vor allem setzen ImmobilienScout24 und inszenio auf die Mund-Zu-Mund-Propaganda, die sich, da die Teilnehmerfeedbacks zu ›Act Leadership‹ positiv ausfielen, als effektivstes Kommunikationsinstrument herausstellten. Weiterhin hat sich inszenio mit ›Act Leadership‹ für den Internationalen Deutschen Trainingspreis 2014/15 beworben und wurde mit Bronze ausgezeichnet.
3.5 Phase 5: Reflexion Jeder Teilnehmer hat die Möglichkeit, die im Training bearbeiteten Themen noch einmal zu reflektieren: Hierzu erhält er eine Übersichtsdarstellung der im Training erarbeiteten Themen in Form eines Fotoprotokolls und Videomitschnitten. Ebenso wurde von inszenio ein Handbuch mit Führungsfragen entwickelt, damit die Mitarbeiter auch zu einem späteren Zeitpunkt zu den jeweiligen Fragestellungen rund um das Thema Führung, noch einmal Anregungen und Lösungsansätze nachlesen können. Nach jedem Training wird an die Teilnehmer zur Evaluation des Trainings ein standardisierter Fragebogen verteilt. Darin sollen von Teilnehmern vier verschiedene Perspektiven zu den Inhalten, Auf bau, Trainer und Organisation des Trainings bewertet werden (vgl. Abbildung 2 und 3).
Abb. 2: Fragebogen zur Evaluation der Trainings (Teil 1) Quelle: ImmobilienScout24
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Abb. 3: Fragebogen zur Evaluation der Trainings (Teil 2) Quelle: ImmobilienScout24 Weiterhin lädt die Personalabteilung eine Woche nach dem Seminar zu einer offenen Feedbackrunde mit allen Teilnehmern ein, wobei auch Feedback per E‑Mail oder Telefon abgeben werden kann. Darüber hinaus sollen im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche weitere Feedbacks eingeholt werden. Um eine Langzeitwirkung des Trainings zu evaluieren, ist es Ziel, erneut nach sechs Monaten die Teilnehmer mittels eines Fragebogens zur Veränderungen in ihrem Führungsverhalten und Erlebnissen zu befragen. Die Kooperation und ihr Ergebnis werden positiv von den Akteuren ImmobilienScout24 und inszenio bewertet. Zeugnis davon ist auch der Wunsch aller Akteure, ›Act Leadership‹ fortzusetzen und auf weitere Zielgruppen zu erweitern, was auch konkret geplant ist.
4. B e wertung der KUK 4.1 Prozessmerkmale Die Besonderheit an der KUK zwischen ImmobilienScout24 und inszenio ist, dass inszenio stark als Intermediär zwischen ImmobilienScout24 und den künstleri-
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schen Akteuren (Schauspieler) agiert und dabei für die Entwicklung des Trainingskonzepts verantwortlich ist. Die Rolle der Autorin und Regisseurin wird von Dr. Borowy in Personalunion mit der Funktion als (Kunden-)Beraterin, Trainerin und Künstlerin übernommen. Der Kontakt zwischen den KUK-Verantwortlichen von ImmobilienScout24 und den Schauspielern hingegen ist in den ersten Phasen des KUK-Prozesses gering. Erst in den Trainings treffen sie auf die Mitarbeiter und stellen in diesem Zusammenhang ihre künstlerischen Spiel- und Ausdruckstechniken in den Dienst der Trainings. Sie selbst werden als Instrument eingesetzt und agieren nach Drehbuch und Anweisungen durch die Teilnehmer. Ein wichtiges Merkmal in der Impulsphase ist, dass ImmobilienScout24 mit einer klaren Aufgabenstellung und Anforderungsprofil an bereits ausgewählte Partner herantrat. Im Vorfeld des Auswahlprozesses hat sich ImmobilienScout24 bereits stark vorbereitet und informiert und sich auf eine theaterbasierte Trainingsmethode verständigt. Der Intermediär inszenio trat als klassischer Dienstleister und Vertragspartner auf. Direkte vertragliche Vereinbarungen oder Absprachen mit ImmobilienScout24 und den Schauspielern gab es nicht. Zur Konfiguration der KUK fanden zahlreiche Abstimmungsprozesse zwischen den Partnern statt. inszenio arbeitete sich intensiv in die Unternehmenskultur, die Produkte und Unternehmenssprache von ImmobilienScout24 ein und baute dieses spezifische Wissen stark in die Entwicklung des Trainingsformats ein. In der Realisierungsphase lassen sich folgende Merkmale feststellen: Die Zusammenarbeit zwischen den KUK-Akteuren kann über den gesamten KUK-Prozess als eng bezeichnet werden, wodurch wenig Raum für Kreativität und künstlerische Selbstentfaltung besteht und das Projektergebnis weniger offen gehalten ist. Bereits im Vorfeld und während der KUK stehen die Akteure in einem engen Abstimmungsprozess immer mit dem Fokus auf das Projektergebnis. ImmobilienScout24 übt immer wieder einen Einfluss auf die Produktentwicklung des theaterbasierten Trainingsformats aus. In der Betrachtung der Reflexionsphase wird deutlich, dass die KUK-Partner der Reflexion und der Messung der Wirkung der Trainingsmaßnahme eine wichtige Rolle attestieren. Zum einen zur Untersuchung des internen und externen Nutzens der KUK und zum anderen um das Trainingsformat weiter an die Bedürfnisse von ImmobilienScout24 anpassen und verbessern zu können.
4.2 Erfolgsfaktoren Folgende Erfolgsfaktoren können u.a. für die erfolgreiche Kooperation zwischen ImmobilienScout24 und inszenio verantwortlich gemacht werden: • Unterstützung durch die Geschäftsführung, • Evaluation der Bedürfnisse im Unternehmen und bei den Mitarbeitern, • genaues Briefing von inszenio durch ImmobilienScout24,
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• Professionalität in der Vorbereitung und intensive Einarbeitung in den konkreten Unternehmenskontext durch den Intermediär, • transparente Abstimmung und Durchführung durch inszenio, • Professionalität und Einführungsvermögen von Autor, Regisseur und Schauspieler in Führungsthemen und Rollenmodelle des Wirtschaftsbereichs, • enge und zielführende Kommunikation der Akteure, • interne »Vermarktung« des KUK-Projektes, • nachhaltige Wirksamkeit des Trainingsformats, • umfassende Evaluation des KUK-Projektes.
4.3 Nutzen Der Nutzen von ›Act Leadership‹ für die einzelnen Parteien liegt, wie in Tabelle 1 dargestellt, in den folgenden Dimensionen: ImmobilienScout24
Nutzen
• Mitarbeiterschulung • Führungskräfteentwicklung • Mitarbeiterzufriedenheit • Motivation • Positive Resonanz (intern, extern)
inszenio
Schauspieler
• Konzeption und Er- • Aufmerksamkeit probung Trainings- • Interaktives Spiel format mit hohem Improvisationsanteil • Aufmerksamkeit und positive • Sammlung von Medienresonanz Erfahrungen und (PR) Weiterbildung zu Themen aus dem • Folgeaufträge Wirtschaftsbereich • Beschäftigung und Einkommen
Tab. 1: Nutzen der KUK ImmoblienScout24 erhält im Ergebnis eine effektive und von den Teilnehmern akzeptierte und als wirksam bestätigte einzigarte Trainingsmaßnahme, die auf ihre Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten wurde. Durch die realitätsnahe Spiegelung der Probleme und Situationen durch die Schauspieler ist eine realistische und effektive Bearbeitung der Führungsthemen möglich. Weiterhin bietet diese Maßnahme ImmobilienScout24 den Nutzen, die Mitarbeiter praxisnah und nachhaltig zu schulen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zum Thema Führung zu erweitern und dadurch die Zufriedenheit bei den Führungskräften wie auch bei ihren Mitarbeitern zu steigern. Die Trainingsmaßnahme wurde intern, wenn auch mit anfänglichen Ängsten, gut von den Führungskräften angenommen und schaffte interne wie externe Aufmerksamkeit. Der Nutzen für inszenio besteht in dem Auf bau und der Erprobung eines neuen Trainingsformats, das in der Folge auch weiteren Unternehmen angeboten werden kann. Darüber hinaus werden im Rahmen des Führungskräftepro-
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gramms von ImmobilienScout24 weitere Trainings von ›Act Leadership‹ durchgeführt. Geplant ist ebenso, die Trainings auf die anderen Unternehmensbereiche der Scout24-Gruppe auszuweiten. Dies zeigt die Anerkennung der Leistungen von inszenio und bringt weitere Aufträge. Die Schauspieler wiederum profitierten neben der finanziellen Leistung auch davon, dass sie sich durch das Trainingsformat von inszenio mit Erfahrungen und Kenntnissen über zwischenmenschliche Zusammenarbeit und Kommunikation im Allgemeinen sowie Techniken und Mechanismen der Führung im Wirtschaftsbereich im Speziellen auseinandersetzen, die sie in anderen Beschäftigungs-Kontexten einsetzen können. Wir danken Lisa Lensinger (ImmobilienScout24) und Dr. Claudia Borowy (inszenio Agentur für szenische Kommunikation) für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen Berthoin-Antal, A. (2009): Transforming Organizations with the Arts, Gothenburg. Biehl-Missal, B. (2011): Wirtschaftsästhetik, Wiesbaden. Borowy, C. (2014): Interview mit Dr. Claudia Borowy (inszenio) am 3.11.2014. Heindl, A. (2007): Theatrale Interventionen, Heidelberg. Hüttler, M. (2005): Unternehmenstheater, Stuttgart. Hune, M. (2002): Unternehmenstheater als Instrument des organisationalen Wandels, Hamburg. ImmobilienScout24 (2014): www.immobilienportale.com/uebersicht-immobilien portale/20084-immobilienscout24/ (letzter Abruf: 16.12.2014). ImmobilienScout24/inszenio (2014): Bewerbungspapier Deutscher Trainingspreis 2014, Berlin. Lensinger, L. (2014): Interview mit Lisa Lensinger (ImmobilienScout24) am 27.10.2014. Schreyögg, G.; Dabitz, R. (Hg.) (1998): Unternehmenstheater, Wiesbaden. You is now online (2014): http://youisnow.com/ (letzter Abruf: 16.12.2014).
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Detecon International »Art Works« Alexander Schirm/Berit Sandberg
1. »A rt W orks « »Art Works« ist ein Beispiel für eine Kunst-Unternehmens-Kooperation (KUK), die auf den Einsatz von Kunstwerken in der Raumgestaltung und auf die Visualisierung von Unternehmenskultur abzielt. Anlass für die Zusammenarbeit der Detecon mit den involvierten Künstlern und den Brüdern Dr. Bernhard und Ulrich Zünkeler, die als Intermediäre agierten, war der von der Telekom forcierte Umzug ihrer Tochtergesellschaft von Bonn in das 30 km entfernte Köln. Dieser »befohlene« Umzug in einen ehemaligen Telekom-Zweckbau aus den 80er Jahren löste schon im Vorhinein Widerstände innerhalb der Belegschaft der Detecon aus (Zünkeler/Zünkeler 2013). Die Führungsebene der Detecon war mit der Entscheidung für den Umzug und der Auswahl des Gebäudes unzufrieden. Das Unternehmen steht in der Beratungsbranche in einem harten Wettbewerb und konkurriert als Arbeitgeber um die qualifiziertesten Fachkräfte. Insofern war das Projekt »Art Works« im Hinblick auf die Motivation aktueller und potenzieller Mitarbeiter bedeutend und besaß für die Unternehmensleitung eine hohe strategische Relevanz. Die Detecon-Führung und die Gebrüder Zünkeler verständigten sich darauf, an frühere gemeinsame Projekte anzuknüpfen und die Zusammenarbeit auszubauen. Um jenseits der rein funktionalen Ebene des neuen ungeliebten Gebäudes emotionale Nähe zur neuen Arbeitsumgebung aufzubauen, wurden ausgewählte Räume mit Werken von 15 internationalen Künstlern bespielt (Laudenbach 2013, S. 76, 78). Das Projekt war Teil des umfassenderen Wandlungsprozesses im Rahmen des Gesamtkonzepts »Office2012« für den neuen Detecon-Hauptsitz in Köln (Zünkeler/Zünkeler 2013). Durch die unterschiedlichen Ansätze der beteiligten Künstler wurde eine dem Arbeitsfeld entsprechende internationale, offene Arbeitsumgebung geschaffen (Detecon 2012a, S. 2). Abbildung 1 zeigt eine der Rauminstallationen.
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Abb. 1: Relax-Zone »Piazza« von Florian Benet Foto: Bernd Zöllner
2. B e teiligte A kteure 2.1 Unternehmen: Detecon International Die Detecon International GmbH ist eine weltweit tätige Unternehmensberatung mit Sitz in Köln. Die Gesellschaft hat etwa 1.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 168 Millionen Euro in 2012. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG. Seit über 30 Jahren werden Unternehmen erfolgreich dabei unterstützt, ihre Wettbewerbsfähigkeit mit Hilfe moderner Technologien in den Feldern Strategie, Organisation, Prozesse und Human Resource Management zu verbessern (Detecon 2013). Abgesehen von Kunstausstellungen am ursprünglichen Bonner Stammsitz hatte die Detecon vor dem Projekt »Art Works« kaum Erfahrung im Umgang mit Künstlern. Ingrid Blessing, die Leiterin des Bereiches Marketing & Kommunikation, war im Unternehmen eine der treibenden Kräfte für das Projekt.
2.2 Intermediär: E105 und Orange Council Dr. Bernhard Zünkeler gründete 2007 die Galerie E105, um künstlerische Dienstleistungen jedweder Art zu erbringen und mit seinen Projekten junge Künstlertalente zu entdecken und zu fördern (Zünkeler/Zünkeler 2013). Als Galerist und Produzent von Kunst unterhält er ein Netzwerk von und für Künstler. Er kuratiert, produziert Filme,
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Bücher sowie Comics und sucht geeignete Protagonisten für eigens entwickelte Geschichten, um diese überhaupt erzählen zu können (Zünkeler/Zünkeler 2013). Orange Council ist eine Marketing-Agentur mit Büros in Berlin, Hamburg und Amsterdam, die Ulrich Zünkeler zusammen mit einem Partner betreibt. Die Agentur beschäftigt sich vor allem mit interner Kommunikation, offeriert jedoch Angebote in allen Kommunikationsdisziplinen. Neben dem Schwerpunkt interne Kommunikation werden hauptsächlich Corporate Identity und Type Design-Lösungen angeboten, daneben Web-, Mobile-Marketing und Social-Media-Lösungen. Das Projekt mit der Detecon war für die Agentur das erste dieser Art – mit Künstlern hatte sie vorher noch nicht zusammengearbeitet.
2.3 Künstler: Amely Spötzl Amely Spötzl, die 1975 in Biberach geboren wurde, studierte von 1997 bis 2003 Bildhauerei an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft (Spötzl 2013a). Ihre Werke untersuchen vielschichtig die menschliche Wahrnehmung. Dabei reicht das Spektrum von performativer Fotokunst bis zur filigranen Neukompositionen von Pflanzenfragmenten (Detecon 2012b, S. 56). Neben ihrer freischaffenden Tätigkeit lehrt sie an der Alanus Hochschule und gibt Workshops für Unternehmensvertreter und Studierende. 2010 erhielt sie den Alanus Preis für Bildende Kunst (Spötzl 2013a). Für Bernhard Zünkeler gehört sie derzeit zu den zehn besten Künstlern Deutschlands (Zünkeler/Zünkeler 2013). »Art works« war für Spötzl die erste Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, jedoch nicht die erste Arbeit mit E105 (Laudenbach 2013, S. 76). Neben dieser Künstlerin waren mehrere weitere Künstler an dem Projekt beteiligt.
3. KUK -P rozess Im Folgenden wird die Zusammenarbeit zwischen der Detecon, E105 und Amely Spötzl bzw. den Künstlern anhand des Schemas eines idealtypischen Prozesses einer KUK vorgestellt. Auf die Annäherung der Partner und die Auswahl der Künstler (Impuls und Selektion), bei der in diesem Fall die Intermediäre eine wichtige Rolle spielten, folgen die Konzeption und Umsetzung der Kooperation (Konfiguration und Realisierung) (Baumgarth et al. 2014, S. 20).
3.1 Phasen 1 und 2: Impuls und Partnerselektion Der Kontakt zwischen den Künstlern und der Detecon kam durch den Mittler E105 zu Stande. Dem entscheidenden Impuls für das Projekt »Art Works« ging ein mehrjähriger Annäherungsprozess zwischen E105 und der Detecon voraus, der die tiefgreifenden und von künstlerischer Freiheit geprägten Interventionen überhaupt erst ermöglichte (Blessing 2013, Zünkeler/Zünkeler 2013).
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Eine Ausstellung in den Räumen von E105 war Anlass für den ersten Kontakt. Eine befreundete Agentur brachte die Galerie und die Detecon zusammen, die sich für die Ausstellung »Blind Date« bei E105 interessierte. Daraufhin organisierte E105 Kunstführungen, bei denen sich Partner und Kunden der Detecon kennenlernten. Im nächsten Schritt sollte E105 die Eingangshalle des Detecon-Gebäudes mit repräsentativer Kunst ausstatten. Der Vorschlag wurde von E105 abgelehnt, die anstelle eines solch »klassischen« Auftrages etwas »Lebendiges« kreieren wollten. Die Detecon nahm diesen Widerstand nicht zum Anlass, den Kontakt abzubrechen. Er wurde vielmehr zum Impuls für eine engere Zusammenarbeit. Das nächste gemeinsame Projekt war die Kuration einer Ausstellung zu den wechselnden Meta-Themen des halbjährlich erscheinenden Detecon-Kunden-Magazins. Künstlerische Arbeiten zu Themen wie »Geschwindigkeit« oder »Transparenz« wurden im Magazin abgebildet und E105 führte Mitarbeiter zum Erscheinen des Magazins durch die Ausstellung. Im Gegenzug finanzierte die Detecon die Ausstellungen und realisierte das Projekt mit Künstlern, die sich »ernsthaft am Markt positionieren wollten«. Die Zusammenarbeit war in dieser Phase eine Zweckgemeinschaft, die es den Beteiligten ermöglichte, mit einer Ausstellung künstlerische Reputation aufzubauen. Ein Teil der an diesem Projekt beteiligten Künstler, darunter u.a. Amely Spötzl und Florian Benet, arbeitete später auch an »Art Works« (Blessing 2013). Erst in einem dritten Schritt wurde die Umzugsproblematik thematisiert. Aufgrund der langjährigen guten Zusammenarbeit trat Ingrid Blessing mit dem Problem an Ulrich und Bernhard Zünkeler heran. Die Brüder sahen darin eine »historische Chance«, ein Projekt zu realisieren, das über die Aufgaben eines »Kunst-Dekorateurs« hinausging. Ohne die Offenheit der Leiterin der Unternehmenskommunikation wäre das Projekt schwer zu realisieren gewesen (Blessing 2013; Zünkeler/Zünkeler 2013). Die weitere Zusammenarbeit, die sich aus den ersten Gesprächen über den Umzug entwickelte, verlief nicht nach dem idealtypischen Phasenschema einer KUK (Baumgarth et al. 2014, S. 20). Sowohl die Selektion der Künstler, als auch die Konfiguration und Umsetzung des Vorhabens erfolgten zeitgleich. Von den ersten Gesprächen bis zur Unterzeichnung von Verträgen vergingen etwa drei Monate, von der Präsentation erster Entwürfe bis zum Einzug der Detecon in das neue Gebäude ca. 14 Monate. Viele Künstler wurden unmittelbar involviert, nachdem die Detecon mit dem Problem an E105 herantrat, doch auch nach der vertraglichen Vereinbarung der Zusammenarbeit wurden weitere Künstler in das Projektteam eingeladen. Die Suche nach geeigneten Kandidaten war ein langer und schwieriger Prozess und wurde mit Blick auf die Aufgabe durchgeführt: »Wir suchten Künstler, die sich auf diese neue Umgebung einlassen und sich in diese neuen Bereiche hineinbegeben wollten.« (Bernhard Zünkeler zit.n. Laudenbach 2013, S. 78). In einigen Fällen fiel die Auswahl leicht: »Tim Burton arbeitet am liebsten mit Johnny Depp. Und wir haben eben auch unsere Johnny Depps.« (Zünkeler/Zünkeler
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2013). Gemeint ist Amely Spötzl, die von Rückschlägen nach der bereits erfolgten Auswahl berichtet: »Es gab viele, […] die haben auch wirklich den Mut verloren.« (Spötzl 2013b). Die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen war für die meisten beteiligten Künstler Neuland (Zünkeler/Zünkeler 2013).
3.2 Phasen 3 und 4: Konfiguration und Realisierung Im Rahmen der Konfiguration der Rahmenbedingungen der KUK wurden vertragliche Regelungen zwischen der Detecon und E105 als Mittler sowie zwischen Künstlern und E105 getroffen. Zwischen einigen Künstlern wie z.B. Amely Spötzl und E105 bestanden auch informelle Vereinbarungen, die per Handschlag besiegelt wurden. Zwischen der Detecon und Amely Spötzl gab es keinen Vertrag. Die Künstlerin wurde durch E105 vertreten (Spötzl 2013b). Die Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und den Intermediären gestalteten sich durchaus als schwierig. Der Mutterkonzern der Detecon, die Telekom, besitzt ein stark ausdifferenziertes Geflecht an Regelungen und Vorgaben zur Beschaffung von Materialien und Gebäude- bzw. Büroausstattung. In diesem Fall war die Transparenz für die Telekom zunächst nicht gegeben: »Wo kommt da jetzt auf einmal irgendeine Galerie her?« Das federführende Global FacilityManagement der Telekom sah jedoch für die Detecon eine Chance, als Vorreiter innerhalb des Konzernverbundes zu agieren, und willigte mit Blick auf die kommenden Aufgaben in die »Future-Workplace«-Gestaltung ein (Blessing 2013). Die dreiteilige Vereinbarung zwischen der Detecon und E105 beinhaltete die Erstellung eines neuen Raumkonzepts durch eine Neugestaltung und Ausstattung der Flure, das so genannte »Flurgeflüster«, die Verwendung der New Media Art und die Kreation von so genannten »Themenräumen«. Die baulichen Anforderungen wurden von E105 vertraglich genau spezifiziert. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Detecon, das Festpreis-Projekt umzusetzen, waren u.a. finanzielle Aspekte (Blessing 2013; Zünkeler/Zünkeler 2013). Die Beauftragung eines renommierten (Innen-)Architektur-Büros hätte weitaus mehr als den für das Projekt budgetierten mittleren sechsstelligen Betrag gekostet. Die Materialien wurden überwiegend von den Künstlern selbst aus einem eignen Budget angeschafft, in dessen Rahmen jeder frei verfügen konnte (Spötzl 2013b). Für die Konzepte der New Media Art stellte die Telekom Flachbildschirme bereit (Blessing 2013). Die Mitarbeiter der Detecon wurden nicht in die Konzeptentwicklung einbezogen. Es gab keine künstlerischen Vorgaben der Detecon als Auftraggeber, so dass die Künstler weitgehend freie Hand bei der Umsetzung ihrer Ideen hatten und ihre Autonomie nur zu einem sehr kleinen Grad aufgeben mussten. Die Kunst sollte sich lediglich im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes bewegen, sodass ggf. missverständliche Themen wie Alter, Sex, Religion etc. thematisch bewusst nicht bearbeitet wurden. Letztlich wurde Konsens hinsichtlich des bestimmenden The-
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mas erzielt: »Wahrnehmung als erster Schritt der Kommunikation« (Zünkeler/ Zünkeler 2013). Ein weitergehendes Konzept unter Einbezug der direkten Arbeitsbereiche wurde bewusst vermieden, da dies im Rahmen des vereinbarten Budgets nicht umzusetzen war. Außerdem wäre ein weiterführender Ansatz verfrüht gewesen. Die Brüder mussten zunächst einige Überzeugungsarbeit leisten, um das endgültige Konzept bei der Unternehmensleitung durchzusetzen. Bewusst setzen die Auftragnehmer darauf, dass bei der Detecon der »Hunger beim Essen kommt« (Zünkeler/Zünkeler 2013). Konzeptionell und strategisch wirkte sich dieses Vorgehen positiv für die Agenturen der Brüder aus. Nach der erfolgreichen Umsetzung des Projektes konnten sie weitere Aufträge für den Standort der Detecon in Eschborn sowie am Standort Köln akquirieren. Hier sollen nun in einem noch radikaleren Ansatz auch die Arbeitsbereiche der Mitarbeiter einbezogen werden (Zünkeler/Zünkeler 2013). Bei der Realisierung dieser Kunst-Unternehmens-Kooperation fand eine enge, regelmäßige Abstimmung zwischen Ulrich und Bernhard Zünkeler einerseits, der Detecon und deren Architekten andererseits sowie zwischen Ulrich und Bernhard Zünkeler und den beteiligten Künstlern statt. »Die erste Hälfte des Jobs bestand darin, sich mit den Architekten über Arbeitsteilung zu unterhalten.« (Zünkeler/ Zünkeler 2013) Zwischen der Detecon und den beteiligten Künstlern gab es überwiegend keinen Kontakt. Die Art und Weise dieser Zusammenarbeit ist bemerkenswert. Amely Spötzl hatte beispielsweise während der gesamten Laufzeit des Projekts lediglich sporadischen Kontakt zu Blessing, jedoch zu keinem anderen Mitarbeiter des Unternehmens: »Ich habe überhaupt nicht gewusst für wen ich das mache.« (Spötzl 2013b) Diesen Umstand hat die Künstlerin im Nachhinein als eine Art glückliche Fügung beschrieben. Sie arbeitete dadurch völlig autark vom Unternehmen und dessen Vorstellungen. Demnach wäre diese Art der »Zusammenarbeit« bei direktem Kontakt kaum zum selben Ergebnis gekommen oder die Partner hätten gegebenenfalls von vornherein eine Zusammenarbeit für unmöglich gehalten (Spötzl 2013b). Die Brüder nahmen auch in der Phase der Umsetzung elementare Aufgaben der Kooperation wahr. So vermittelten sie Künstlern wie Amely Spötzl Anforderungen der Detecon und umgekehrt. Gespräche dieser Art wurden fast immer von Bernhard Zünkeler begleitet, um zu verhindern, dass Künstler uneinlösbare Zusagen machten (Zünkeler/Zünkeler 2013a). Die Künstlerbetreuung und die Vermittlung zwischen den Künstlern und der Detecon erfolgte dementsprechend hauptsächlich durch E105. Die Phase der Realisierung ist im vorliegenden Projekt stark mit der Konfiguration bzw. Konzeption verbunden. Amely Spötzl wurde neben weiteren Künstlern von Anfang an von Bernhard Zünkeler in die Konzeptentwicklung miteinbezogen. Mit Rundgängen durch das zu diesem Zeitpunkt noch unbewohnte und renovierungsbedürfte Haus testete Zünkeler die von ihm ausgewählten Künstler, um ihre Reaktionen auf das Gebäude zu beobachten. So wurde zunächst ermittelt,
Detecon International
inwieweit es für die Künstler vorstellbar war, mit einer derartigen Atmosphäre zu arbeiten: »Eigentlich wollten wir alle wieder raus – so schnell wie möglich.« (Spötzl 2013b). Amely Spötzl begriff die Situation als Chance: »Wenn man sein Bewusstsein auf die Möglichkeit lenkt, Dinge in die Hand zu nehmen und spürt, was runterzieht und was die Stimmung hebt und das dann greift und in […] ein Thema bringt – das ist ein Vorgang, wo man wirklich alles einsetzen kann, was man . gelernt hat als Künstler.« (Spötzl 2013b) So wurden in einem zweiten Schritt gemeinsam Ideen entwickelt, welche Möglichkeiten und Potenziale sich vor Ort boten. Erst in einem dritten Schritt wurde dann mit Blick auf das von der Detecon vorgegebene Gesamtbudget geprüft, welche Möglichkeiten umsetzbar waren und für die Zielstellung Sinn ergaben und auf welche Ideen die Künstler am meisten Lust hatten. »Das war eher eine inhaltliche als eine formale Klärung.« (Spötzl 2013b) Der Prozess zur Umsetzung der Ideen wurde hauptsächlich vor Ort, d.h. im neuen Detecon-Gebäude ausgeführt. Amely Spötzl und andere Künstler durften dort rund um die Uhr arbeiten und konnten kommen und gehen, wann sie wollten. In dieser Phase erwiesen sich die häufig auftretenden baulichen Planänderungen als besonders problematisch für die Beziehung zwischen Künstlern, Mittlern und den Projektverantwortlichen der Detecon (Spötzl 2013b). Amely Spötzl gestaltete die komplette dritte Etage mit mehreren Lichtachsen, Sitzecken und flexibel einsetzbaren Quadraten. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen zwei dieser Arbeiten. Neben ihren künstlerischen Fähigkeiten hatte sie durch ihre räumliche Nähe zum Arbeitsort Köln ein weiteres Alleinstellungsmerkmal im Projekt. Daher fertigte sie auch einige Teile in ihrem eigenen Atelier an. Aus ihrem Budget wurden aber auch Aufträge an externe Handwerker zur Anfertigung von Tischen und ähnlichen Gegenständen erteilt (Spötzl 2013b).
Abb. 2: Aufenthaltsraum »Green Oasis« von Amely Spötzl Foto: Bernd Zöllner
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3.3 Phase 5: Reflexion Das Projekt und seine Wirkung wurden von den Beteiligten nicht systematisch evaluiert. Unabhängig davon wird es von den Akteuren als erfolgreich bewertet. Es hat sowohl dem Auftraggeber als auch den involvierten Künstlern und den Intermediären einen erkennbaren Nutzen gebracht, der im folgenden Abschnitt beschrieben wird.
4. B e wertung der KUK 4.1 Erfolgsfaktoren Alle Interviewpartner nennen die gleichen Erfolgsfaktoren und gewichten diese ähnlich. Die Projektpartner attestieren sich gegenseitig eine gewisse Verrücktheit und betonen den »Spaß an der Sache«. Die Gebrüder Zünkeler heben die Offenheit von Blessing hervor, aber auch den verhältnismäßig geringen Preis der eigenen Leistungen und der Leistungen ihrer Künstler. Die kooperative und sachorientierte Verständigung und Abstimmung mit den Architekten der Telekom, welche das neue Raumkonzept der Detecon umsetzten, war für die Mittler ein Erfolgsgarant. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren waren aber das Vertrauen in die Kenntnisse und die Möglichkeiten des Gegenübers, Mut und Risikobereitschaft, neue Wege zu gehen – vor allem der Mut der Detecon wurde von Amely Spötzl und den Zünkelers unterstrichen –, sowie Respekt und Aufgeschlossenheit gegenüber der Kunst. »Das ist auch das Wertvolle gewesen, dass der Respekt einfach da war Risiko zu tragen, dass man einfach Vertrauen hat in die Qualität der Künstler […] Und die dann machen lässt! […] Und das hat die Detecon einfach geleistet, das find’ ich super bemerkenswert! […] Dass sie wirklich . sagt: ›Wir wissen nicht was dabei raus kommt!‹ Wer macht das schon?!?« (Spötzl 2013b).
4.2 Nutzen Die Kooperation der Akteure ist in diesem Fall sehr gut gelungen. Die Gebrüder Zünkeler bezeichnen die Detecon als »tolles, verrücktes Unternehmen«, das bereit sei, mit solchen Projekten Risiken einzugehen und seinen Kooperationspartnern völlige Handlungsfreiheit einräumte (»Carte Blanche«). Für beide war »Art Works« die Gelegenheit, ein Referenzprojekt zu entwickeln. Ihnen war die Reichweite der Telekom-Entscheidung, die Detecon von Bonn nach Köln umziehen zu lassen, aber auch ihre eigene Leistungsfähigkeit sowie die ihres KünstlerNetzwerks vollkommen bewusst. Sie konnten in diesem Projekt ihren eigenen Anspruch, für Unternehmen kein »Kunst-Dekorateur« zu sein, verwirklichen. Insbesondere während der fragilen Impulsphase, bei der die Detecon noch mit
Detecon International
der Entscheidung über den Umzug nach Köln haderte, konnten die Mittler die Grundstimmung verbessern, indem sie die teils eigenwilligen Ideen ihrer Künstler zur Umgestaltung des ungeliebten neuen Standortes überzeugend und witzig präsentierten (Zünkeler/Zünkeler 2013). Die Zusammenarbeit diente den Agenturen vor allem zum Reputationsauf bau und vermag auch Folgeprojekte für die Agenturen E105 und Orange Council zu generieren. Auch die Detecon äußerte sich begeistert von »Art Works«. Diese Begeisterung führte dazu, dass neue Projekte mit den Gebrüdern Zünkeler lanciert wurden; es werden Etats zur Verfügung gestellt, wo vorher keine waren. So wurde am DeteconStandort in Eschborn bereits ein ähnliches Projekt realisiert; für die Kölner Zentrale sind weitergehende Maßnahmen geplant (Zünkeler/Zünkeler 2013). Durch das Projekt, das im Change-Prozess des Umzugs von weiteren Maßnahmen flankiert wurde, konnte verhindert werden, dass insbesondere innerhalb des ständig am Hauptsitz präsenten, administrativen Personalstammes die Stimmung kippte (Blessing 2013). Doch die neuartige Gestaltung wirkt nicht nur auf Mitarbeiter. Mit Geschäftspartnern kommen Detecon-Berater in dieser Atmosphäre schneller, humorvoller, unkonventionell und persönlich ins Gespräch (Spötzl 2013b). Asiatische Besucher und Kunden sitzen und fotografieren sich am liebsten in der von Spötzl gestalteten Bayernstube (Laudenbach 2013, S. 78) (s. Abbildung 3).
Abb. 3: Aufenthaltsraum »Bayernstube« von Amely Spötzl Foto: Bernd Zöllner Das Unternehmen hat mittlerweile innerhalb der Konzern-Struktur der Deutschen Telekom eine Leuchtturm-Funktion und gilt als Innovator. Das Wirtschaftsmagazin BrandEins berichtete über das Projekt (Laudenbach 2013). Das Unternehmen präsentierte seine Räumlichkeiten auf einer nächtlichen Veranstaltung für (Innen-)Architektur und moderne Bürowelten sowie im Rahmen von Imagefilmen auf YouTube. Die Kommunikation über »Art Works« weckte die Aufmerk-
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samkeit von Kongressdelegationen, Unternehmen, Familienmitgliedern der Beschäftigten und Mitarbeitern aus anderen Konzernbereichen (Human Resources, Innovation). Sie schlägt sich letztlich in einem bei Projektbeginn nicht intendierten Imagegewinn innerhalb der Belegschaft, der Konzernstruktur und gegenüber Außenstehenden nieder (Blessing 2013; Zünkeler/Zünkeler 2013). Es gibt keine Informationen darüber, wie viele der beteiligten Künstler nach Abschluss des Projekts eine erhöhte Auftragslage verzeichnen konnten. Für Amely Spötzl war die Entscheidung des Unternehmens »wirklich sein ganzes Haus mit Kunst zu fluten« eine »sooo […] schöne Entscheidung; da hat man das Gefühl, da möchte ich mich zur Verfügung stellen« (Spötzl 2013b). Die Künstlerin betrachtet das Projekt rückblickend als eine neue und dadurch spannende Gattung, bei dem ihre Ideen »nur so sprudelten« und sie als Künstlerin mit ihrer Kompetenz akzeptiert wurde. Dabei merkte sie, was sie abrufen konnte und nutzte die Möglichkeit, ihre freie Kunst aus dem vom wirklichen Leben entkoppelten Atelier mit praktischen Aspekten zu konfrontieren. Tabelle 1 gibt die Nutzendimensionen für die Beteiligten zusammenfassend wieder. E105 Orange Council
Detecon • Friedliches, kreativeres Unternehmensklima • Erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit
• Folgeaufträge • Erfahrung im Umgang • Hohe Reputation • Hohe
• Hohe Sichtbarkeit
Sichtbarkeit
• Reputation als mitarbeiterfreundliches, Nutzen
Amely Spötzl
mit Unternehmen • Finanzielle Mittel • Inspiration • Erhöhte Aufmerksamkeit • Folgeprojekte (in Kooperationen)
innovatives Unterneh-
• Folgeaufträge (frei)
men
• Leisten von Pionierarbeit
• Erhaltung der Attrakti-
• Bewusstsein über
vität als Arbeitgeber
Wirkungsweise
• Positiver Imagetransfer • Möglichkeit der originellen Abgrenzung • Neues Beratungs-
der eigenen Arbeit • Chance, Neues auszuprobieren • Praktische Anwendung
Know-How
eigener Fähigkeiten
Tab. 1: Nutzen der KUK
Detecon International
4.3 Problemfelder Neben den verschiedenen Nutzendimensionen wurden von den Akteuren auch Risiken und Probleme genannt. Für Amely Spötzl, E105 und Orange Council waren insbesondere die sich ständig ändernden Pläne ein großer Unsicherheitsfaktor, der die Planung und Umsetzung der Arbeit erheblich erschwerte. Beide Seiten betonten jedoch auch, dass dies bei einem Umzug normal sei und man sich letztlich damit arrangieren konnte. Auch die Detecon sah sich einer großen Ungewissheit ausgesetzt, da nicht einmal die Künstler selbst am Anfang die Ergebnisse ihrer Arbeit voraussehen konnten. Der mit dem Umzug einhergehende Zeitdruck, die vielen baulichen Änderungen sowie die Formalien und Regeln der Telekom über interne Beschaffungsprozesse erschwerten das Projekt. Insbesondere die Aufgabe, die teilweise im Ausland und auf Flohmärkten beschafften Devotionalien der Künstler im internen Rechnungswesen zu verbuchen und einzupassen, wurde von allen drei Seiten als große Schwierigkeit beschrieben (Zünkeler/Zünkeler 2013). Für Künstler wie Amely Spötzl war das Projekt mit Risiken verbunden. Ihnen drohte im Rahmen des Projekts ein Reputationsverlust, der einerseits aus der Arbeit mit weniger renommierten Künstlern – andererseits auch durch die Arbeit mit einem großen Unternehmen hätte resultieren können, da hier immer »die Gefahr des Ausverkaufs der Kunst lauert« (Zünkeler/Zünkeler 2013).
5. F a zit »Art Works« ist eine KUK, die an eine vorherige vorübergehende Zusammenarbeit des Unternehmens mit den Intermediären und Künstlern aus deren Pool anknüpfte. Vor diesem Erfahrungshintergrund ergriff das Unternehmen die Initiative, womit die Realisierung des Vorhabens jedoch noch nicht konkretisiert und beschlossen war. Die maßgebliche Protagonistin hat innerhalb des Unternehmens eine Führungsposition, gehört jedoch nicht der Unternehmensleitung an. Insofern bedurfte das Projekt der Abstimmung mit der Unternehmensleitung und innerhalb des Konzernverbundes. Für das Unternehmen hat das Projekt eine hohe strategische Relevanz. Ausgangspunkt war eine konkrete vom Unternehmen vorgegebene Problemstellung, deren konzeptionelle Lösung jedoch von den Intermediären kuratiert wurde. Das Ziel wurde definiert, die Aufgabe blieb offen. Somit genossen die beteiligten Künstler nahezu unbeschränkte künstlerische Freiheit. Das Risiko des Scheiterns trugen letztlich die Mittler, die die Umsetzung des komplexen Vorhabens organisierten. Die beteiligten Akteure blieben wirtschaftlich selbstständig, waren aber durch Verträge oder informelle Absprachen (zwischen Intermediär und Künstlern) an das gemeinsame Vorhaben und an das vereinbarte Budget gebunden. Während
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Alexander Schirm/Berit Sandberg
das Unternehmen das Vorhaben finanzierte und darüber hinaus auch Sachleistungen stellte, brachten die Künstler ihre Arbeit ein. Die Entscheidungskompetenz war im weiteren Verlauf des Projekts gleichmäßig verteilt. Der Abstimmungsprozess verlief partnerschaftlich und harmonisch. Eine vertrauensvolle Haltung und konstruktive Kommunikation waren zentrale Erfolgsfaktoren für das Projekt. Die Mittler moderierten die Konzeption und Umsetzung so, dass Künstler und Unternehmensvertreter so gut wie keinen persönlichen Kontakt hatten und mögliche Konflikte vermieden wurden. Diese Übersetzungsleistung bezieht sich auf individuelle Codes und Haltungen, aber auch auf widersprüchliche Merkmale der Arbeitssituation (u.a. Bürokratie vs. individuelle Freiheit). Damit ist »Art Works« die prototypische »Transaktion«, eine Form temporärer KUK mit mittlerer Bindungsintensität (Baumgarth et al. 2014, S. 26-28). Die Folgen der erfolgreichen Zusammenarbeit haben für das Unternehmen eine umfassende und nachhaltige Wirkung. Den Standort als Problem zu begreifen und als Aufgabe für die unternehmensinterne und -externe Kommunikation sowie die Unternehmensidentität als Ganzes zu sehen, ist ein Indiz für eine offene, veränderungsbereite Haltung. In »Art Works« kommen zentrale Unternehmenswerte zum Ausdruck bzw. werden durch die entstandenen Kunstwerke sichtbar gemacht. Bemerkenswert ist, dass das Unternehmen in seiner Rolle als Auftraggeber mit Unterstützung von Intermediären, die nicht der Szene klassischer Agenturen zuzurechnen sind, Kunst ermöglicht hat, ohne sie offensichtlich für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Wir danken Ingrid Blessing (Detecon International GmbH), Amely Spötzl, Dr. Bernhard Zünkeler (E105 GmbH) und Ulrich Zünkeler (Orange Council) für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen Baumgarth, C.; Sandberg, B.; Brunsen, H.; Schirm, A. (2014): Kunst-UnternehmensKooperationen (KUK), www.mba-berlin.de/fileadmin/user_upload/MAINdateien/1_IMB/Working_Papers/2014/WP78_online.v.2.pdf (letzter Abruf: 10.8.2015). Blessing, I. (2013): Interview mit Ingrid Blessing (Head of Marketing & Communications, Detecon International GmbH) vom 10.12.2013. Detecon (2012a): The Starter, Köln. Detecon (2012b): Art Works-Kunstkatalog, Köln. Detecon (2013): Fact Sheet, www.detecon.com/de/ueber_detecon/unternehmens profil.html (letzter Abruf: 1.12.2013). Laudenbach, P. (2013): Kunst wirkt, in: BrandEins, 15. Jg. H. 6, S. 74-79.
Detecon International
Ludwig, C. (2012): Neue Arbeitswelten, in: Connect, o. Jg., H. 3, www.detecon-dmr. com/de/article/neue-arbeitswelten_2012_10_25 (letzter Abruf: 29.11.2013). Spötzl (2013a): Webseite Amely Spötzl, www.amelyspoetzl.de/ (letzter Abruf: 8.2.2015). Spötzl, A. (2013b): Interview mit der Künstlerin Amely Spötzl vom 4.11.2013. Zünkeler, B.; Zünkeler, U. (2013): Interview mit Dr. Bernhard Zünkeler (E105) und Ulrich Zünkeler (Orange Council) vom 29.10.2013.
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Markenrelaunch und Neupositionierungskampagne der aixigo Melanie Engelhardt/Linda Schwär/Carsten Baumgarth
1. N eupositionierungsk ampagne der aixigo Seit über zehn Jahren bietet die Aachener aixigo AG (aixigo) passgenaue Softwarelösungen für den Finanzbetrieb im B-to-B-Bereich an. Im Jahre 2013 entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur Wibo – Technologiekommunikation GmbH (Wibo) eine Neupositionierungskampagne, welche sich aufmerksamkeitswirksam von Markenauftritten anderer IT- Finanzdienstleister abhebt. Wibo und aixigo schufen eine einzigartige Emotionalisierung und Differenzierung in Innenund Außenwirkung, welche ihnen auch zu einer Nominierung beim marconomy Award 2013 verhalf. Ein wesentlicher Baustein der Neupositionierungskampagne von aixigo ist die Integration des Künstlers Matthias Daenschel, dessen Illustrationen die Bildwelt des neu gestalteten Markenauftrittes reflektieren. Ein zentraler Erfolgsfaktor dieser Kampagne ist die Einbindung des Künstlers in die interne Kommunikation sowie die Integration von Mitarbeitern in der Außenwirkung. Matthias Daenschel wurde durch eine interne Mitarbeiter-Zeichnungs-Aktion zielgerichtet für das Employer Branding und die Mitarbeiterbindung eingesetzt. Der Einsatz von Kunst zur Schaffung von internen Markenbotschaftern ist Teil der neuen Markenstrategie, welche auf eine emotionale Vermittlung des Markenversprechens (die Erstellung einer passgenauen Softwarelösung) durch die Markenakteure selbst (die Mitarbeiter) abzielt. Die Zusammenarbeit zwischen aixigo, Wibo und Daenschel steht exemplarisch für eine nach innen wie auch nach außen gerichtete Kunst-UnternehmensKooperation (KUK). Das Datenmaterial für die Fallstudie setzt sich unter anderem aus Internetrecherchen, zwei Telefoninterviews mit Beteiligten bei aixigo und Wibo, einer persönlichen Befragung des Künstlers Matthias Daenschel sowie weiteren bereitgestellten Dokumenten zusammen. Die Neupositionierungskampagne des Softwareunternehmens aixigo zielte darauf ab, den Charakter von aixigo deutlich herauszustellen, sich klar vom Wettbewerb
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abzugrenzen und Zielgruppen aufmerksamkeitsstark anzusprechen (aixigo 2013). Die Kampagne wurde von der Agentur Wibo umgesetzt, von welcher auch die initiale Idee der Umsetzung durch die Kunst ausging (Schumacher 2014). Dazu entwickelte die Agentur Wibo eine zweigeteilte Bildwelt (s. Abbildung 1), die den Markencharakter des Softwareherstellers aufgreift und sichtbar macht (marconomy 2013).
Abb. 1: Beispiel der Positionierungskampagne (Homepage-Design aixigo AG) Quelle: Daenschel 2014c Zunächst gehörten die Analyse von Kundenmeinungen sowie eine Wettbewerbsbetrachtung zu den notwendigen Schritten der Neupositionierung (marconomy 2013). Darauf basierend wurde die zweigeteilte Bildwelt erstellt, bei welcher auf der einen Seite ein echtes Kunstwerk des Künstlers Matthias Daenschel steht und auf der anderen Seite Mitarbeiter von aixigo ein Abbild des jeweiligen Kunstwerks erschaffen (aixigo 2013). Diese Bildwelt vermittelt in erster Linie, dass aixigo sich intensiv mit dem jeweiligen Kunden beschäftigt, um die für ihn passgenaue Softwarelösung anbieten zu können (marconomy 2013). Im Zuge der Kampagne wurde durch eine modernisierte Farbgebung, Formensprache und Typographie auch das Logo des Unternehmens runderneuert (aixigo 2013). Die neue Positionierung samt neuem Logo und den Motiven der Kampagne, findet sich auf der neu gestalteten aixigo-Homepage wieder (marconomy 2013, Neuenhaus 2014). Die Kampagne wurde nicht nur für die Außenwirkung des Unternehmens eingesetzt, sondern auch für die interne Kommunikation. In Kapitel zwei werden zunächst die beteiligten Akteure skizziert. Anschließend wird im dritten Kapitel der Prozess der KUK anhand der Analyseergebnisse
Markenrelaunch und Neupositionierungskampagne der aixigo
beschrieben und abschließend im Fazit resümiert sowie Nutzenkategorien abgeleitet.
2. B e teiligte A kteure In diesem Kapitel werden die an der Kooperation beteiligten Akteure kurz vorgestellt. In Bezug auf das Unternehmen aixigo als Auftraggeber und die Kommunikationsagentur Wibo wird auch kurz auf bisherige Erfahrungen mit Künstlern eingegangen. Im Falle des Künstlers Matthias Daenschel wird ein kurzer Hinweis zu seinen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Unternehmen gegeben.
2.1 Unternehmen: aixigo AG Die aixigo AG entwickelt Beratungssoftware für Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister und hat ihren Unternehmenssitz in Aachen (aixigo 2014). Gegründet wurde das Unternehmen vor über zehn Jahren von zwei Assistenten und einem Professor als Spin-off der Universität zu Aachen (aixigo 2014). Heute beschäftigt aixigo knapp 100 Mitarbeiter. Das Unternehmen aixigo hat bisher nur einmal mit einer Illustratorin zusammengearbeitet, welche für eine Art Märchenbuch im Rahmen einer Mailingaktion eingesetzt wurde (Neuenhaus 2014).
2.2 Intermediär: Wibo – Technologiekommunikation GmbH Die Agentur Wibo – Technologiekommunikation GmbH existiert seit 1992 und entwickelt laut eigener Aussage Konzepte im Bereich Marketing und Kommunikation für erklärungsbedürftige oder technische Produkte und Dienstleistungen ihrer Business-to- Business-Kunden, sowohl online als auch offline (Wibo 2014a). Dabei dient die Positionierung der Kunden als Grundlage (Wibo 2014a). Die Agentur versteht sich selbst als eine Mixtur aus Unternehmensberatung und Werbeagentur (Schumacher 2014). Für Wibo stellte die aixigo-Positionierungskampagne den Rahmen für eine erste Zusammenarbeit mit einem externen Künstler dar.
2.3 Künstler: Matthias Daenschel Der Künstler Matthias Daenschel wurde 1970 in Mannheim geboren und kam für eine Ausbildung zum Theatermaler 1992 nach Berlin. Von 1998-2004 absolvierte er außerdem ein Studium im Bereich Animation an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« in Potsdam. Seine Arbeiten umfassen vielseitige Projekte u.a. in den Bereichen Film, Animation, Illustrationen, Backgrounds und Malerei (Daenschel 2014a), wie auch in Abbildung 2 zu sehen. Er entwarf Backgrounds für Kinofilme, wie z.B. »Der kleine Eisbär 2« und arbeitete an Animatio-
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nen für Sandmännchen-Folgen und Kinofilme, wie »Alois Nebel«. Auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen hat ihren Platz in Matthias Daenschels Arbeit. So gab es bereits Kooperationen mit der Deutschen Telekom und Tchibo.
Abb. 2: Ausschnitt des Portfolios von Matthias Daenschel Quelle: Daenschel 2014b
3. KUK-P rozess In diesem Kapitel werden die verschiedenen Phasen des idealtypischen Prozesses einer KUK am Beispiel der aixigo-Neupositionierungskampagne untersucht. Zunächst werden dazu die Entstehung der KUK und die Rollen der jeweiligen Akteure hierbei beschrieben (Phase 1-2). Anschließend wird die Umsetzung der KUK erläutert (Phase 3-4) und zum Abschluss die Reflexion der Kooperation aus Sicht der Beteiligten dargestellt (Phase 5).
3.1 Phase 1 und 2: Impuls und Partnerselektion Wie bereits beschrieben, ist die Kampagne aus dem Wunsch der aixigo hervorgegangen, sich als Unternehmen neu zu positionieren und dafür auch eine neue Unternehmenswebsite zu kreieren (Neuenhaus 2014). Laut Wibo ging die Initiative dabei von der Agentur aus, welche die Firma aixigo vor ca. drei Jahren über eine Akquisition per telefonischer Direktansprache auf sich aufmerksam gemacht hatte (Schumacher 2014). Das Unternehmen aixigo selbst war sich intern im Klaren
Markenrelaunch und Neupositionierungskampagne der aixigo
darüber, etwas verändern zu wollen und hat demnach für die Neupositionierung gezielt nach einer Agentur gesucht. Im Pitch wurde sich dann für Wibo entschieden (Neuenhaus 2014). Die Idee der KUK wurde von Wibo angestoßen, nachdem im Zuge des Positionierungs-Prozesses erkannt worden war, mit Hilfe des Faktors »Kunst« Wettbewerbsdifferenzierung und eine emotionalere Kunden- und Interessentenansprache erlangen zu können. Der Positionierungs-Prozess lief chronologisch wie folgt ab: Im Vorfeld wurde eine Kundenbefragung, die aixigo zuvor hatte extern erstellen lassen, systematisch ausgewertet: Hierbei stand im Fokus zu erörtern, welches Wissen die Zielgruppen über aixigo besitzen, welche Kanäle kommunikativ zu bevorzugen sind und wie sich das Unternehmensimage darstellt. Wibo erstellte zudem eine Wettbewerbsanalyse, um herauszufinden, wie aixigo-Konkurrenten positioniert sind und sich argumentativ darstellen. Mit diesem Wissen stieg man in den mehrstufigen Workshop-Prozess ein, an dessen Ende die neue aixigo-Positionierung stand, die sich im Spannungsfeld zwischen Kundenmotiv und Markenkern bewegt (Schumacher 2014). Auf Basis der Positionierung wurden seitens Wibo vier grundsätzlich verschiedene Visualisierungen zur Positionierung vorgeschlagen. Das Unternehmen entschied sich für die »Kunst-Variante«. Die Partnerselektion verlief relativ zügig und ohne besondere Kriterien ab. Die Kreativ- Direktorin von Wibo, Chrysis Lengen, hatte ihren ehemaligen Studienkollegen Matthias Daenschel gleich nachdem aixigo die Kunstkampagne verabschiedet hatte, kontaktiert (Schumacher 2014). Auf die Empfehlung von Wibo hin hat aixigo sich Arbeiten des Künstlers angesehen und recht schnell die Entscheidung getroffen, das Projekt mit Matthias Daenschel durchzuführen (Neuenhaus 2014). Laut Wibo wurde ein weiterer Künstler angefragt. Dieser Atelierbesitzer aus Aachen kam jedoch nicht für die Kampagne infrage. Daenschel hingegen war aufgrund seiner Ausbildung zum Theatermaler und diversen Auftragsarbeiten in den letzten Jahren bereit, termingerecht und zielgerichtet exklusive Arbeiten anzufertigen (Schumacher 2014).
3.2 Phase 3 und 4: Konfiguration und Realisierung Die Ziele der Kampagne wurden bereits in Kapitel 1 angesprochen, dabei handelt es sich vor allem um die Neupositionierung der aixigo und die damit einhergehende KUK, die bei der Visualisierung der neuen Positionierung helfen und zur internen und externen Darstellung dieser beitragen sollte. Ziel der KUK war es ferner, die Individualität der Lösungen, welche aixigo den Kunden anbietet, auf die Mitarbeiter zu übertragen und durch die künstlerische Form auf der Homepage von aixigo zum Ausdruck kommen zu lassen (Neuenhaus 2014). Laut Daenschel stand am Anfang der Positionierungskampagne der Auftrag, alle Mitarbeiter aixigos zu skizzieren. Diese Zeichnungen wurden zum Rollout der Kampagne an die Mitarbeiter übergeben (Schumacher 2014). Erst im zweiten Schritt erstellte Daenschel die zehn Motive für die eigentliche Kampagne (Daen-
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schel 2014d). Diese Bilder sollten für die Innen- und Außendarstellung erstellt werden, vor allem aber auch als Motive für die Homepage dienen. Bezüglich des Timings lässt sich festhalten, dass es seitens aixigo ca. ein Jahr gedauert hat, bis die Entscheidung fiel, die Neupositionierung mit der Agentur Wibo anzugehen (Schumacher 2014). Die Erarbeitung der Positionierung beanspruchte ca. drei Monate, die Konzeptausarbeitung weitere zwei bis drei Monate und die tatsächliche KUK ungefähr acht Wochen, von der Besprechung mit dem Künstler über die Auftragserteilung bis zur Fertigstellung durch Matthias Daenschel (Schumacher 2014). Die Mitarbeiter-Skizzen fertigte Daenschel innerhalb von drei Tagen an. Laut eigener Aussage hatte er einen knappen Monat Zeit, zwölf Kampagnen-Motive zu erstellen, von denen zehn von aixigo ausgewählt wurden (Daenschel 2014d). Weitere Verhandlungspunkte waren die Rechte an den Werken Daenschels, was sich als Herausforderung herausstellte, sowie die Absprachen zu Stil und Art der Portraits (Daenschel 2014d). Die KUK unterteilt sich in zwei Aufträge, welche jeweils vertraglich geregelt waren: Zum einen der Auftrag für die Mitarbeiterportraits, zum anderen der Auftrag für die Motive (Daenschel 2014d). Als Ergebnis der KUK lassen sich vor allen Dingen die Mitarbeiterportraits, die Kampagnenbilder und die neue Website von aixigo festhalten. Allerdings hat diese KUK auch bewirkt, dass die gesamte Firma aixigo die neue Positionierung verinnerlichen konnte. Dabei war die Zufriedenheit mit dem Künstler so hoch, dass die Originalkunstwerke jetzt bei aixigo im Foyer hängen (Schumacher 2014d).
3.3 Phase 5: Reflexion Die KUK erfreute sich großer Zufriedenheit bei allen Beteiligten, denn von allen drei Akteuren gab es positives Feedback. Daenschel würde eine KUK auch anderen Künstlern empfehlen, betont jedoch, dass jeder dies für sich selbst entscheiden muss und es vor allem von der Glaubwürdigkeit abhängt, ob eine solche Zusammenarbeit für den Künstler sinnvoll ist oder nicht. Die Agentur als Intermediär in einer KUK sieht Daenschel allgemein als sehr hilfreich an, da diese sich um die Kommunikation kümmert und auch die speziellen Kundenwünsche verarbeitet. Andererseits besteht die Gefahr, dass Informationen durch die Kommunikation über einen Intermediär verloren gehen (Daenschel 2014d). Des Weiteren merkt der Künstler an, dass der Erfolg einer KUK aus seiner Sicht auch stark vom Unternehmen abhängt, da eventuell langwierige Abstimmprozesse hinderlich sein können (Daenschel 2014d). Seitens aixigo gab es ebenfalls keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil, das Unternehmen war äußerst zufrieden mit der Kampagne und dem Künstler und erhielt außerdem 95 % positive Rückmeldungen von Außenstehenden, da es ein unübliches Projekt in dieser Branche darstellt und somit deutlich vom Wettbewerb dif-
Markenrelaunch und Neupositionierungskampagne der aixigo
ferenziert (Neuenhaus 2014). Der Erfolg der Kampagne in der Kundenakquisition lässt sich laut aixigo jedoch nicht messen (Neuenhaus 2014). Die Agentur Wibo hat keine empirische Evaluation zur Kampagne durchgeführt, berichtet aber von positiven Äußerungen vom Kunden aixigo. Aus Sicht der Wibo ist eine Agentur als Intermediär für eine KUK nicht zwingend nötig. Die Zusammenarbeit von Künstlern und Unternehmen ohne Intermediär setzt allerdings ökonomische Kenntnisse des Künstlers voraus. Diese stellt Wibo stark infrage, weshalb die Agentur dann doch eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Künstlern und Unternehmen spielt (Schumacher 2014).
4. B e wertung der KUK 4.1 Prozessmerkmale Die besondere Rolle von Wibo als Intermediär in dieser KUK zeigt sich im Zusammenkommen von Unternehmen und Künstler, demnach in den Prozessphasen des Impulses und der Partnerselektion. Impulsgebend für die generelle Zusammenarbeit an einer Neupositionierungskampagne ist die Agentur Wibo, welche auch den Anstoß für eine Kunstmetapher brachte. Hierbei ist als wichtiges moderierendes Merkmal die Kunstaffinität des Vorstandes der aixigo zu nennen, welche entscheidend für die Auswahl eines Kunst-Projektes und demnach der Entstehung einer KUK war. Die letztendliche Partnerselektion eines Künstlers war in großem Maße von den persönlichen Kontakten und Erfahrungen der Mitarbeiter Wibos abhängig und wurde durch eine schnelle Entscheidung seitens aixigo bestätigt. In der Konfigurationsphase lässt sich die stufenweise Vertiefung des Projektes und der damit verbundenen Aufgaben des Künstlers erkennen: Der Künstler Matthias Daenschel wurde zunächst strategisch in der Innenwirkung, in der Entstehung von internen Markenbotschaftern durch eine Mitarbeiter-Zeichnungsaktion, eingesetzt und in einem zweiten Schritt in die Konzipierung der neuen Bildwelt für die Außenwirkung integriert. Bezüglich der Formalitäten gestaltete sich diese KUK als unproblematisch. Das kaufmännische Vorwissen und die Erfahrung in der Auftragsarbeit des Künstlers Daenschel waren hierbei von großem Vorteil und wurden laut Aussagen der Agentur auch in der Partnerselektion berücksichtigt. Die Kommunikation zwischen den Akteuren verlief in hohem Maße informell, teils direkt, teils über die Agentur Wibo, wobei größere Abstimmungsaufgaben und Informationsflüsse vom Intermediär abgefedert wurden. Die problemlose und im Zeitumfang relativ zügige Umsetzung der KUK-Idee spricht für den Erfolg der Zusammenarbeit. In der Reflexion der KUK äußerten sich alle Beteiligten ausschließlich positiv. Wibo zieht ein positives Resümee zur bisher einzigen Zusammenarbeit mit einem Künstler. Als zentralen Erfolgsfaktor einer KUK sieht sie vor allem die Arbeitseinstellung und die Kooperationsbereitschaft des Künstlers. Daenschel sieht den Erfolg außerdem als sehr stark abhängig von
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der Einstellung des Unternehmens. aixigo und Wibo sind für weitere Kooperationen mit Künstlern aufgeschlossen.
4.2 Erfolgsfaktoren Folgende wesentliche Erfolgsfaktoren können für die Kooperation zwischen aixigo, Wibo und Matthias Daenschel verantwortlich gemacht werden: • • • • • • •
Vorerfahrung des Künstlers mit KUKs Persönliche Kontakte des Intermediärs in die Kunstwelt Integration eines Intermediärs in allen Phasen Stufenweise Vorgehensweise und Projektvergabe Schnelligkeit bei der Erstellung der Kunstwerke durch den Künstler Nutzung der primär extern ausgerichteten KUK auch intern Kunstaffinität des Vorstandes auf Unternehmensseite.
4.3 Nutzen Bei der Neupositionierungskampagne der aixigo handelt es sich um eine KUK, welche für alle Beteiligten einen positiven Nutzen aufweist. Tabelle 1 fasst die Nutzenkategorien der einzelnen Beteiligten zusammen. aixigo
Wibo
• Aufmerksamkeit
• Aufmerksamkeit
• Referenz, Ausbau
und positive Medien-
des eigenen Netz-
(intern/ extern)
resonanz (PR)
werks
• Kunstmetapher als
• Erfahrung in der
• Markenidentifikation
Nutzen
Matthias Daenschel
Türöffner im Vertrieb
Arbeit mit Künstlern • vergleichsweise geringe Kosten
• Aufmerksamkeit • gewisses Maß an künstlerischer Freiheit (Eigenmarke des Künstlers)
Tab. 1: Nutzen der KUK Für aixigo sind die maßgeblichen Nutzenkategorien u.a. in der hohen Aufmerksamkeit sowie der nach innen gerichteten Markenidentifikation verankert. Die auffällige Kunstmetapher wird von den Beteiligten als »Türöffner« im Vertrieb gelobt und stellt eine Differenzierung und Provokation im biederen Wettbewerbsumfeld dar (Schumacher 2014). Des Weiteren sind die Mitarbeiter von der Umsetzung der »anti-krawattesken« Kunstmetapher, vor allem in Form der Homepage (Schumacher 2014), begeistert und werden wie folgt zitiert: »Endlich ’ne Seite, die toll aussieht; endlich ’ne Seite, die uns Ausdruck verleiht, die uns stark macht, die
Markenrelaunch und Neupositionierungskampagne der aixigo
Akquisition unterstützt, die unseren Charakter wiedergibt; wo man merkt, ja die geben sich Mühe, das ist nicht ein ›Laden‹ von vielen, sondern die haben schon etwas mehr zu bieten« (Schumacher 2014). Des Weiteren nennen die Befragten Individualität und Exklusivität der Kunstwerke im Vergleich zu sog. »Stock-Material« (Einkauf von Fotos bei Bildagenturen) (Schumacher 2014) als wesentliche Nutzenfaktoren. Die Befragten berichten von weitgehend positiver Resonanz bei Kunden und Partnern. Für Wibo war die aixigo-Neupositionierungskampagne aufmerksamkeits- und medienwirksam, da die Kampagne für den marconomy Award 2013 nominiert und somit der Kampagnenerfolg öffentlich wurde. Zwei weitere wichtige Nutzenfaktoren sind die Sammlung von Erfahrungen im Umgang mit Künstlern und der monetäre Nutzenfaktor, da eine Zusammenarbeit mit einem Künstler ein relativ preisgünstiges Arrangement darstellt. Der Künstler Matthias Daenschel zieht ein ausschließlich positives Resümee aus der Zusammenarbeit mit aixigo und Wibo. Laut eigenen Äußerungen ergeben sich vier zentrale Nutzenkategorien für den Künstler: Zunächst sieht Matthias Daenschel den Ausbau seiner Referenzen und den Auf bau eines Netzwerks als zentralen Beweggrund für einen Künstler, eine KUK einzugehen. Des Weiteren arbeitet der Künstler regelmäßig mit drei verschiedenen Agenturen zusammen und hat mehrfach Erfahrungen in der Auftragsarbeit gesammelt. Der aus der Theatermalerei kommende Künstler Matthias Daenschel ist mit der Auftragsarbeit vertraut und empfand die aixigo-Kampagne durchaus als eine seiner künstlerisch freieren Arbeiten. Wir danken Thorsten Schumacher (Wibo-Technologiekommunikation GmbH), Christian Neuenhaus (aixigo AG), Matthias Daenschel (Trick Film Produktion) und Chrysis Lengen (Wibo-Technologiekommunikation GmbH) für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen aixigo (2013): aixigo AG Newsletter Nov. 2013, www.aixigo.de/2013/11/newsletternovember-2013/#newsletter-november-2013 (letzter Abruf 13.02.2014) aixigo (2014): Feuer für…, www.aixigo.de/aixigo/ (letzter Abruf: 13.2.2014) Daenschel, M. (2014a): Vita, www.matthiasdaenschel.de/vita.html (letzter Abruf: 13.2.2014) Daenschel, M. (2014b): Matthias Daenschel, http://matthiasdaenschel.de/index. html (letzter Abruf: 21.5.2014) Daenschel, M. (2014c): Illustrationen – Aixigo, http://matthiasdaenschel.de/illus trationen/aixigo.html (letzter Abruf: 21.5.2014)
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Melanie Engelhardt/Linda Schwär/Carsten Baumgar th
Daenschel, M. (2014d): Face-to-Face-Interview mit Matthias Daenschel am 9.4.2014. marconomy (2013): aixigo AG – einfach. besser. beraten., www.marconomy.de/in spiration/articles/417900/ (letzter Abruf: 22.5.2014) Neuenhaus, C. (2014): Telefoninterview mit Christian Neuenhaus (aixigo AG) am 27.3.2014. Schumacher, T. (2014): Telefoninterview mit Thorsten Schumacher (Wibo-Technologiekommunikation GmbH) am 27.3.2014. Wibo (2014a): Unser Selbstverständnis, www.Wibo- agentur.de/agentur/selbstver staendnis/ (letzter Abruf: 13.2.2014).
WARSTEINER Art Collection Carsten Baumgarth/Marina Kaluza/Nicole Lohrisch
1. W arsteiner A rt C ollection Die WARSTEINER Art Collection ist ein Markenprojekt der Marke WARSTEINER, die als eine externe Kunst-Unternehmens-Kooperation (KUK) beschrieben werden kann. Der Inhalt der Kampagne ist in erster Linie eine limitierte Sonderedition von sechs künstlerisch gestalteten Bierflaschen. Diese Sonderedition hat die WARSTEINER Brauerei zum 260sten Firmenjubiläum im Sommer 2013 zum ersten Mal auf den Markt gebracht (2014: zweite Auflage mit ebenfalls sechs Künstlern). Für die erste WARSTEINER Art Collection gab es eine Kooperation mit sechs Künstlern: Stefan Strumbel (Deutschland), 123 Klan (Frankreich), Insa (Großbritannien), Aaron de la Cruz (USA), Nychos (Österreich) und Brooke Reidt (USA). Die Künstler haben jeweils ihr eigenes künstlerisches Flaschendesign im Auftrag von WARSTEINER umgesetzt. Die sechs internationalen Künstler kommen dabei aus dem Bereich Illustration, Grafik, Graffiti und Streetart. Ein weiterer Teil der Kooperation ist die Agentur Bold aus Berlin. Die künstlerisch gestalteten Aluflaschen wurden durch eine Ausstellung gelauncht. Hierfür wurden die Flaschen zusammen mit anderen Arbeiten der sechs Künstler am 24. August 2013 im ehemaligen Kaufhaus Jandorf in Berlin präsentiert. Diese Ausstellung wurde zudem vom 25. bis zum 27. August für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Anschluss daran waren die limitierten Flaschen zeitlich begrenzt ab September 2013 im Handel erhältlich. Den 24er und 20er Bierkästen von WARSTEINER Premium Verum war jeweils eine »Art CollectionFlasche« beigefügt. Dabei waren die sechs verschiedenen Motive zufällig verteilt. Die Aktion wurde auch als Möglichkeit für den Kunden, die WARSTEINER Art Collection Flaschen zu sammeln, beworben. Im Laufe der KUK wurde parallel zu der Launch-Veranstaltung des Projektes und der Ausstellung, eine Graffiti-Wand im Außenraum in Berlin von den beteiligten Künstlern gestaltet. In verschiedenen deutschen Großstädten gab es Verkaufsautomaten, an denen jeweils zeitlich begrenzt, die WARSTEINER Art Collection Flaschen einzeln erworben werden konnten. Zudem hat WARSTEINER
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Carsten Baumgar th/Marina Kaluza/Nicole Lohrisch
alle Interessierten zu einem Design-Wettbewerb über das Internet aufgerufen. Über die Social-Media Plattform Facebook konnte sich jeder an Gestaltung und Bewertung beteiligen. Der Gewinnerentwurf ist auf einer WARSTEINER-Flasche in 2014 erschienen. Insgesamt wurde die Kampagne WARSTEINER Art Collection von einer umfassenden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet, hierzu wurden insbesondere die Webseite, Social-Media und Video Kanäle verwendet. In diesem Zusammenhang wurden aufwändige Filmspots produziert und verbreitet. Es gab im Vorfeld der beschriebenen KUK schon zwei Kooperationen mit stärker begrenzter Reichweite, die als Vorläuferform der WARSTEINER Art Collection gesehen werden können, da beide die künstlerische Gestaltung der Flasche beinhalteten. Zudem handelt es sich hierbei auch um Kooperationen mit jungen Künstlern, die zu modernen Lifestyle Szenen gezählt werden können: Im Sommer 2012 gab es eine Kooperation zwischen WARSTEINER und dem Hip HopKollektiv Odd Future Wolf Gang Kill Them All (OFWGKTA) aus Los Angeles. »Die Künstlergruppe aus Los Angeles um Tyler – the Creator und Frank Ocean avancierte vom Blogger-Geheimtipp zum aktuell wohl angesagtesten und umworbensten Act der Branche« (GQ-Magazin 2013). OFWGKTAs Gestaltungsentwurf der Bierflasche nutzt das Motiv der rosa Donuts, welches von den in 2012 aktuellen CDCovern des Kollektivs bekannt ist. Diese limitierte OFWGKTA Special Edition von WARSTEINER war ausschließlich vom 20. bis 25. August 2012 in einem Pop-UpStore im Pariser Shop Colette erhältlich. Die Flasche war dann zusätzlich auf der US-Tour von OFWGKTA 2012 zu bekommen (Weilberg 2013; GQ-Magazin 2013). Die Ergebnisse der Kooperation zwischen der Wohltätigkeitsorganisation Iwishusun, dem italienischen Designer Marcelo Burlon und WARSTEINER wurden im Rahmen der Berliner Fashion Week am 3. Juli 2013 im Soto Store in Berlin-Mitte vorgestellt. Burlon entwarf ein limitiertes T-Shirt für Iwishusun, das einem guten Zweck gewidmet ist (Warsteiner Gruppe 2013a). Jedes verkaufte T-Shirt finanziert in Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner Orbis eine Augenoperation eines am Grauen Star erkrankten Patienten in Dhaka, Bangladesch (Warsteiner Gruppe 2013a). Das Design zeigt eine abstrahierte Eule, die den Kampf für das Augenlicht symbolisiert (Iwishusun 2013a). Dieses Design wurde in limitierter Auflage auf WARSTEINER-Flaschen übertragen, welche während der Veranstaltung im Soto Store gemeinsam mit den T-Shirts erworben werden konnten (Warsteiner 2013a). In diesem Zusammenhang wurde auf der Webseite des Unternehmens ein Film zur Kooperation gezeigt, in dem Andy Chiu ankündigt, dass in diesem Jahr noch etwas Größeres im Bereich Kunst vorgestellt wird, das »hoffentlich für Furore sorgt« (Iwishusun 2013b). Diese Ankündigung war der erste öffentliche Hinweis auf die WARSTEINER Art Collection.
WARSTEINER Ar t Collection
2. B e teiligte A kteure 2.1 Unternehmen: WARSTEINER (1) Marke Die WARSTEINER Brauerei, gegründet 1753, ist eine deutsche Privatbrauerei, die ihren Hauptsitz im westfälischen Sauerland hat und sich in der neunten Generation in Familienbesitz befindet. Seit dem Tod des letzten Inhabers Albert Cramer 2012 wird das Unternehmen von seiner Tochter Catharina Cramer als geschäftsführende Gesellschafterin geleitet. Heute gehört die Marke WARSTEINER neben anderen Marken zur Haus Cramer Management GmbH. Das Unternehmen hat sich von einer regional operierenden Brauerei zu einer internationalen Marke entwickelt. Eine Entwicklung, die mit einigen Um- und Einbrüchen einherging. Catharina Cramers Leitidee ist »Think global, act local« (YouTube 2013). Zu den Kerngeschäftsfeldern von WARSTEINER zählen neben der Getränkeproduktion, die Logistik sowie der nationale und internationale Getränkehandel. Darüber hinaus ist WARSTEINER Gastronomiepartner. Das Unternehmen produziert an vier Standorten in Deutschland: im Sauerland, in Ostwestfalen, im Rheinland und in Bayern. Zum Produktportfolio gehören Marken wie WARSTEINER Premium Verum, WARSTEINER Radler Zitrone, WARSTEINER Radler Grapefruit, WARSTEINER Radler Alkoholfrei, die Biermischgetränke WARSTEINER Premium Lemon und Cola sowie das WARSTEINER Herb. Neben der WARSTEINER Brauerei gehören die Paderborner Brauerei (mit den Bieren Paderborner, Isenbeck, Weissenburg), die Herforder Brauerei (u.a. mit dem Bier Herforder Pils), die Privatbrauerei Frankenheim (mit dem Bier Frankenheim Alt) sowie eine Beteiligung an der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg (mit den Bieren König Ludwig Dunkel, König Ludwig Weissbier, König Ludwig Hell) zur WARSTEINER Gruppe. Alle diese Produkte werden in über 60 Länder vertrieben. Das Exportgeschäft des Unternehmens beruht auf eigenen Vertriebsorganisationen im Ausland und Kooperationen mit internationalen Partnerbrauereien. In einigen Ländern wird WARSTEINER auch in Lizenz hergestellt (Warsteiner Gruppe 2013b). Ziel von WARSTEINER ist es, durch die Gewinnung von Marktanteilen mit hochwertigen Produkten und Dienstleistungen, sowie durch effiziente Vertriebsarbeit und innovative Marketingstrategien ihre Position auf dem regionalen und nationalen Biermarkt als Premiummarke langfristig zu kräftigen und die Marktanteile international auszuweiten (Warsteiner 2013a).
(2) Personen: Brandmanager Andy Chiu und Geschäftsführerin Catharina Cramer Wie gezeigt wurde, handelt es sich bei WARSTEINER um ein Traditionsunternehmen, das seit Generationen in Familienbesitz ist und als Familienunternehmen geführt wird. Neben der Führungsriege mit Catharina Cramer als Geschäftsführerin, sind weitere Personen wichtig für die hier beschriebene KUK.
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Cramer, die ein persönliches Interesse für Kunst mitbringt, formuliert, dass sie WARSTEINER erfolgreich in die Zukunft führen will, in eine Zukunft die Tradition und Moderne vereinen soll (YouTube 2013). Zu dieser Ausrichtung passt insbesondere die Personalentscheidung für Andy Chiu. Chiu ist seit 2012 Head of Brand Management und seit 2014 Brand- and Creative Director bei WARSTEINER. Der junge Manager, der aus Dortmund stammt und Honkong-chinesische Wurzeln hat, war zuvor für deutsche Sportmarken wie adidas und Puma tätig. Hier war er insbesondere als Produktmanager für die Vermarktung von Lifestyle Produkten verantwortlich. In dieser Tätigkeit entwickelte er innovative Marketingkonzepte, die in der Branche und der Presse hochgelobt wurden (Kietzmann 2010, Hypebeast 2012). Beispielsweise konnte Chiu mit einem geringen Marketingbudget einen eigens kreierten Sportschuh zu einem hundertausendfach verkauften Kultobjekt machen. Der Schuh wurde auf der Düsseldorfer Creative Summit NRW vorgestellt und vom US-Wirtschaftsmagazin »BusinessWeek« unter die 25 besten Schuhe des Jahres gewählt (Kietzmann 2010). Der aus innovativen Materialien gefertigte Sportschuh wurde hauptsächlich über Social-Media Kanäle vorgestellt und in Zusammenhang mit dem angesagten und riskanten Radrennsport beworben. Das Interesse der Online-Nutzer und -Kunden war hierbei hoch, was an den Messalgorithmen nachgewiesen werden konnte (Kietzmann 2010). Das Marketing für Bier hingegen ist für den Markenmanager Chiu eine neue Erfahrung. Chius Aussagen nach erfordert der erfolgreiche Verkauf von Bier eine individuelle Perspektive, da jeder Konsument stark auf seine eigenen Erfahrungen mit der Marke rekurriert. Chiu forciert eine Weiterentwicklung der Marke WARSTEINER, welche die über 260 Jahre alte Tradition von WARSTEINER einbezieht (Hypebeast 2012). Es liegen keine Informationen dazu vor, mit welchen Anforderungen und Zielabsprachen die Position des Brand Managers besetzt worden ist. Die Erfahrungen Chius mit Lifestyle- und innovativen Modeprodukten lassen den Schluss zu, dass beabsichtigt wurde, Assoziationen wie innovativ, modern und jung auf die Marke WARSTEINER zu übertragen. Innerhalb seiner Tätigkeit bei WARSTEINER ist beispielsweise ein Internetclip produziert worden, der als Imagefilm für die Verbindung eines modernen Lebensstils mit der Traditionsmarke WARSTEINER zu sehen ist (Vimeo 2013a, b, c). Für diesen Videoclip gab es eine Zusammenarbeit von WARSTEINER mit dem französischen Künstler Yue Wu, der als Illustrator mit Animationen arbeitet und dem deutschen DJ und Produzenten Rafik. Der Clip zeigt Szenen unterschiedlicher Sport- und Musikevents. Dazu wurde ein Remix der WARSTEINER Werbemelodie »Zarathustra« produziert. Der Clip endet mit dem Slogan »Taste of life«. Das Video setzt somit den Anspruch von Andy Chiu, Tradition mit etwas ganz Neuem zu verbinden um. Das Engagement von WARSTEINER für Sport und andere Events ist schon sehr alt – die Auseinandersetzung mit Kunst kommt mit der in dieser Fallstudie beschriebenen KUK hinzu.
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Neben seiner Rolle als Brand Manager bei WARSTEINER besitzt und betreibt Chiu als Rechtevertreter, laut Impressum, die Agentur bzw. Internet-Plattform http://artvantgar.de/. Chiu wird in allen offiziellen Veröffentlichungen als Brand Manager von WARSTEINER beschrieben, die mögliche selbstständige Tätigkeit mit artvantgar ist in keinem vorliegenden Dokument ersichtlich. Daher muss offen bleiben, welche Rolle die Plattform artvantgar für die skizzierte KUK besitzt.
2.2 Intermediär: Bold Berlin Bold ist eine Kommunikationsagentur mit Sitz in Berlin und Los Angeles. Die Agentur ist spezialisiert auf Public Relations, Lifestyle und Guerilla Marketing. Bold wurde von Svenja Altan und Julia Winkels-Dowlatshahi im Jahr 2010 gegründet und hat heute circa zwanzig Mitarbeiter in den Bereichen PR-, Projekt-, EventManagement und Social-Media. Die Arbeit mit verschiedenen Marken, Kampagnen und Projekten wird bei Bold in ihrer Öffentlichkeitswirkung betont und insbesondere Lösungen im Bereich Lifestyle-Marketing werden auf der Webseite beworben. Drei Jahre nach Agenturgründung wurde im Jahr 2013 die Expansion in die USA vorgenommen, indem eine Zweigstelle in Los Angeles eröffnet wurde. Zu den Kunden der Kommunikationsagentur gehören u.a. Baby-G, Freitag, Bugaboo, Mye Kosmetik, Jules Mumm und Mavi Jeans. Das Unternehmen stellt sich selbst als jung, international, innovativ und trendbewusst dar. Zudem werden die internationalen Kontakte zu Meinungsführern in den Feldern Kultur-, Musik-, Kunst-, Mode- und Design in der Eigendarstellung betont: »Bold ist weit mehr als nur ein Name – Bold ist eine Haltung und ein Versprechen: Mit wachem Blick und durchdachtem Gespür für kommende Trends, Nischen und Marktlücken entwickeln wir frische, ungewöhnliche und aufmerksamkeitsstarke Kommunikation.« (Bold 2015) Junge zeitgemäße Kommunikation ist laut Altan insbesondere möglich, weil die Geschäftsführer auf dem neuesten Stand von Facebook, Blogs etc. sind und sich selbst als Teil dieser Kommunikationsmittel sehen. Die Agentur gibt an, dass die Kundenauswahl sehr sorgsam kuratiert wird, um eine attraktive Markenpalette präsentieren zu können. Die Zusammenarbeit mit WARSTEINER ist nach den vorliegenden Informationen auf das Projekt WARSTEINER Art Collection begrenzt.
2.3 Künstler Für die WARSTEINER Art Collection 2013 gab es eine Kooperation mit sechs Künstlern, die jeweils ihr eigenes künstlerisches Flaschendesign im Auftrag von WARSTEINER umgesetzt haben. Im Folgenden werden die Künstler kurz vorgestellt. Stefan Strumbel (Deutschland) ist ein Künstler aus Offenburg. Er bedient sich in seinem Schaffen traditioneller Motive wie beispielsweise der Kuckucksuhr, die mit seiner Heimat, dem Schwarzwald, assoziiert wird. Strumbel setzt sich abs-
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trakt mit den Inhalten und Paradigmen von »Heimat« auseinander, gleichzeitig hinterfragt er den Begriff in seiner künstlerischen Arbeit (weiterführend: Strumbel 2013). 123Klan (Frankreich) ist 1992 als Kreativstudio in Frankreich von einem bekannten französischen Paar aus der Graffiti Szene, Scien und Klor, gegründet worden. Seit 2007 ist der Standort Montreal, Kanada. Intensive Auseinandersetzung mit Graffiti steht bei der Arbeit im Vordergrund, ebenso gestalten 123Klan Logos, Charakterdesigns, Illustrationen und Typo-Entwicklungen (weiterführend: 123Klan 2013). Der Künstler INSA (Großbritannien) hat seine Wurzeln im Graffiti. Die Verwendung von Fetischmustern, die als sein Markenzeichen gelten, machten ihn überregional bekannt. INSA setzt sich oft mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinander indem er die polemischen Aspekte in Szene setzt (weiterführend: INSA 2013). Aaron De La Cruz (USA) ist ein Street Art Künstler aus San Francisco, Kalifornien. Als ein freier Fluss von Ideen, die als fließendes Gesamtkunstwerk auf Leinwänden erscheinen, können seine Werke beschrieben werden. Als Ziel seiner Arbeit beschreibt er das Ergebnis, große Spuren in der Gesellschaft mit nur einem Minimum an Medium zu hinterlassen (weiterführend: Aaron De La Cruz 2013). Nychos (Österreich) ist ein österreichischer Urban Art und Graffiti Künstler und Gründungsmitglied des Kunstkollektivs Rabbit Eye Movement. Er ist für seine Arbeiten im urbanen Umfeld und insbesondere durch Ausstellungen in Galerien international bekannt und etabliert (weiterführend: Nychos 2013). Brooke Reidt (USA) stammt aus Los Angeles, Kalifornien. Ihre Malerei wirkt dicht gedrängt und übereinander geschichtet. Ihre spezielle Herangehensweise an jedes Werk ist eine individuelle Beziehung, die einen intensiven Entwicklungsprozess durchläuft (weiterführend: Reidt 2013).
3. KUK -P rozess In diesem Kapitel wird der Prozess der Umsetzung der WARSTEINER Art Collection unter der konzeptionellen Anleitung des idealtypischen Prozesses einer KUK vorgestellt. Dazu wird zunächst der Weg zur KUK und dabei die Rolle der Agentur Bold beschrieben (Phase 1-2). Im Anschluss wird die Umsetzung (Phase 3-4) näher erläutert und abschließend die Reflexion der Zusammenarbeit aus der Sicht der Beteiligten abgebildet (Phase 5).
3.1 Phase 1: Impuls Für den Impuls und die Anbahnung der KUK zwischen der Brauerei WARSTEINER, der Agentur Bold und den sechs Künstlern ist WARSTEINER als Initiator auszumachen. Es wird davon ausgegangen, dass der grundlegende Impuls
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im Unternehmen als eine Grundsatzentscheidung für eine Marketingkampagne gefällt wurde. Dabei lag die Motivation für die WARSTEINER Art Collection in der langfristigen Zielrichtung, die Traditionsmarke in Verbindung mit Lifestyle Elementen der Streetart- und Graffitikunst und Musik darzustellen.
3.2 Phase 2: Partnerselektion Die Anbahnung und Planung der KUK ist dabei in verschiedene Phasen unterteilbar und verlief mit zeitlichem Vorlauf und unternehmerischen Projektmanagement. Der zeitliche Planungsprozess ist an der Ankündigung Chius im Iwishusun-Spot vom 07.07.2013 zu erkennen. Er sagte, dass in diesem Jahr noch etwas Größeres im Bereich Kunst folgen wird, dass große Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird (Iwishusun 2013b). Nach der Idee durch das Unternehmen, gab es die Auswahl der Kommunikationsagentur Bold zur Durchführung von Teilen der Kampagne. Nach welchen Kriterien diese ausgewählt wurde, ist nicht bekannt. Die Ausrichtung und der Kundenstamm von Bold im Lifestyle und Kunstbereich kann als Kriterium gesehen werden. In einer weiteren Phase wurden Künstler ausgewählt. Die Künstler sind alle mit der Bitte angesprochen worden, für die WARSTEINER Art Collection tätig zu werden. Welche Rolle die Agentur bei der Anbahnung der Kooperation zu den Künstlern genau gespielt hat, wird in den Interviews nicht deutlich. Es kann vermutet werden, dass die Auswahl und Ansprache der internationalen Künstler auch über die Agentur Bold erfolgte, da Bold die notwendigen Verbindungen und Netzwerke in die Szene bieten konnte. Nach welchen Kriterien die Auswahl der Künstler genau erfolgte, kann nicht nachgewiesen werden. Die Idee hinter dieser Auswahl erklärt WARSTEINER folgendermaßen: »Die ausgewählten Künstler sind Teil einer neuen Generation, die abseits von Galerien und gängigen Kunstvorstellungen ihren eigenen Weg der Ausdrucksform entwickelt haben« (Weilberg 2013). Der WARSTEINER Brand Manager Chiu äußert sich zur Kampagne produzierten Spot folgendermaßen: »Künstler, die sehr authentisch sind, aber die die Werte von WARSTEINER vertreten.« (Vimeo 2013a) Aus den Beschreibungen der Künstler auf der Webseite der WARSTEINER Art Collection sind für die Künstlerauswahl die Kriterien Internationalität, Urbanität, Modernität, Unabhängigkeit und Kreativität auszumachen. Zudem sind alle Künstler in jungen hippen Genres wie Street Art und Graffiti aktiv und haben Netzwerke zu Künstlerkollektiven und zur Musikszene (Warsteiner 2013b).
3.3 Phase 3: Konfiguration Über die Zusammenarbeit von WARSTEINER mit den Kooperationspartnern im Rahmen der WARSTEINER Art Collection sind kaum Einzelheiten veröffentlicht worden. Es kann von einem festgelegten Abgabedatum ausgegangen werden,
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da es für die Planung und die Umsetzung der Launch Veranstaltung und aller begleitender Kommunikation bezüglich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens einen Zeitrahmen mit festgelegten Daten gegeben haben wird. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Agentur Bold, die im Auftrag von WARSTEINER die Pressemitteilungen und vermutlich weitere Kommunikationsaktionen gestaltet hat.
3.4 Phase 4: Realisierung Um die Realisierung nachzuzeichnen, wird im Folgenden der Prozess in den verschiedenen Einzelheiten beschrieben.
(1) Konzept und Grundidee WARSTEINER ließ bis auf die Vorgabe der Flaschengröße laut Aussagen der Künstler, diesen kreative Freiheit. Die WARSTEINER Aluflasche wird als ideales Medium für Graffiti-Kunst beschrieben und ebenso als Herausforderung. Aus Sicht der Künstler werden folgende Stichworte für den künstlerischen Umsetzungsprozess der KUK genannt (Warsteiner 2013b): • • • • • • • • • •
Kreativer Prozess Zeichnungen Skizzen Vektorgrafik Spiel mit Drucktechnik Nachdenken Frische Ideen Schnelles Arbeiten Ohne festes Konzept Meditativer Prozess
Eine deutliche Herausforderung stellte die Größe der Aluflasche dar, da die bearbeitbare Fläche auf der Aluflasche klar begrenzt war und das WARSTEINERLogo nicht übermalt werden durfte. Das Logo musste demnach in der Gestaltung ausgespart bleiben. Zudem wird die Form des Objektes als Einflussfaktor für den künstlerischen Prozess beschrieben. Dass die Künstler in der Gestaltung frei waren, zeigt sich an den jeweiligen Motiven, diese sind durch die Künstler selbst gewählt und lehnen sich an die Arbeitsweisen und Techniken des jeweiligen Künstlers an. Es wird von »völliger kreativer Freiheit« gesprochen. Es wird aber die Zielgruppe erwähnt, was darauf schließen lässt das den Künstlern diese vorher dargestellt wurde oder der Künstler selbst Überlegungen über die Konsumenten angestellt hat (Warsteiner 2013b). Abbildung 1 zeigt die Flaschenentwürfe.
WARSTEINER Ar t Collection
Abb. 1: Flaschendesigns Warsteiner Art Collection Quelle: Warsteiner 2013b; Warsteiner 2013c Ein wichtiger Bestandteil der Kampagne war die Webseite http://warsteiner.de/ artcollection/. Als eine Unterwebseite der Unternehmenswebseite wurden hier die grundsätzlichen Informationen zur WARSTEINER Art Collection der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
(2) Ankündigung Erste Berichterstattung durch »WARSTEINER Art Collection Teaser« am 25. Juni 2013 auf der WARSTEINER Webseite. Dieser erste kurze Spot gab eine kurze Erklärung was die WARSTEINER Art Collection beinhaltet. Mit ausdrucksstarken Bildern, schnellen Schnitten und Musikuntermalung von eigens engagierten DJs. Hierdurch wurde erste mediale Aufmerksamkeit für die Kampagne erzeugt.
(3) Launch Party Nach dem eigentlichen Design der Flasche durch die Künstler gab es dann einen Launch der Kampagne durch die Ausstellung in Berlin in einem alten Kaufhaus. Dazu wurden am 29. August 2013 circa 1000 Gäste in die Off-Location im ehemaligen Kaufhaus Jandorf geladen.
(4) Warsteiner Art Collection Graffiti Wall Bei dem Launch Event waren die beteiligten sechs Künstler der WARSTEINER Art Collection in Berlin anwesend. Neben der Präsenz bei der Veranstaltung gestalteten die Künstler während ihres mehrtägigen Aufenthaltes gemeinsam eine
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Außenwand im Berliner Stadtraum. Das entstandene Kunstwerk, die Graffiti Wall ist in Alt Friedrichsfelde jedermann zugänglich (s. Abbildung 2).
Abb. 2: Graffiti Wall Quelle: Warsteiner 2013b Somit wurde ein weiteres öffentlichkeitswirksames Projekt innerhalb der Kampagne umgesetzt. Das Unternehmen nutzte diese für weitere Kommunikationsmaßnahmen zum Projekt.
(5) Vending Maschine Neben der Zugabe der sechs WARSTEINER Art Collection Flaschen als Kastenzugabe der 20er und 24er WARSTEINER Premium Verum Kästen gab es die Vending Machine. Dieser eigens entwickelte Verkaufsautomat wurde einzig für die WARSTEINER Art Collection genutzt und ist ein weiterer Marketingbestandteil der Kampagne.
(6) Social-Media Implementierung Es sind kurze Videospots zu verschiedenen Schritten der WARSTEINER Art Collection produziert worden. Auf den Videokanälen YouTube und Vimeo sind diese kurzen Spots jeweils zur Vorstellung der Kampagne veröffentlich worden.
(7) »Design your bottle« mit Facebook Mit dem Aufruf »Design your Bottle« wurde eine Einbindung der Öffentlichkeit bzw. der Fans der Marke WARSTEINER geschaffen, indem jeder über Facebook die Möglichkeit hatte, selbst, wie die sechs Künstler es vorher umgesetzt haben,
WARSTEINER Ar t Collection
bis zu 10 Flaschendesigns über eine Facebook-App einzureichen. Die Einreichungsphase lief bis zum 3. November. Im Anschluss nominierte eine von WARSTEINER eingesetzte Jury 15 Gestaltungseinreichungen. Diese wurden wiederum von den Facebook-Nutzern bis zum 30. November mit je einer Stimme bewertet. Das Gewinnerdesign wurde von WARSTEINER 2014 als limitierte siebte Flasche der WARSTEINER Art Collection zugefügt und war »in ausgewählten Gastro-Objekten in Deutschland zu haben« (Warsteiner Gruppe 2013c).
3.5 Phase 5: Reflexion Zu den ersten Reaktionen zur WARSTEINER Art Collection äußert sich Brand Manager Andy Chiu in der zweiten Pressemitteilung zur Kampagne folgendermaßen: »In die WARSTEINER Art Collection haben wir, und vor allem die Künstler, viel Arbeit und Herzblut gesteckt. Umso mehr freut es uns, dass durchweg positives Feedback an uns und unsere Partner herangetragen wird.« (Warsteiner Gruppe 2013d)
Daraus kann aus der Sicht des Unternehmens ein positives Feedback zu der Aktion zum damaligen Stand konstatiert werden. Auch die Neuauflage der WARSTEINER Art Collection in 2014 kann als Indikator für den Erfolg der KUK gewertet werden. Allerdings ist unbekannt, welche Maßnahmen und Instrumente WARSTEINER eingesetzt hat, um den Erfolg der KUK zu evaluieren.
4. B e wertung der KUK 4.1 Prozessmerkmale Die vorgestellte KUK zeichnet sich durch einen sehr projekthaften Charakter aus. Dies zeigt sich darin, dass die Aktion nur kurzfristig stattgefunden hat und nicht Bestandteil der Hauptkampagne von WARSTEINER war. Weiterhin ist ein charakteristisches Merkmal dieser KUK, dass nicht der einzelne Künstler im Vordergrund steht, sondern durch die Beteiligung von sechs Künstlern aus dem Umfeld Urban Art versucht wird, diese Kunstrichtung mit der Marke zu verknüpfen. Dies belegt auch die WARSTEINER Art Collection 2014, die sechs andere Künstler engagiert hat, die ebenfalls alle der Urban Art-Szene zugeordnet werden können. Schließlich zeigt sich in der Realisierungsphase, dass die KUK zum einen den Kern einer Kommunikationskampagne (überwiegend nicht-klassische Kommunikation) bildet und zum anderen die KUK stark durch Kommunikation unterstützt wird.
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4.2 Erfolgsfaktoren Folgende Erfolgsfaktoren können u.a. für die erfolgreiche KUK identifiziert werden: • Kunstinteresse der Geschäftsführerin • Vernetzung mit der (jungen) Kunstszene durch den Brand Manager • Alle für die KUK ausgewählten Künstler weisen eine gemeinsame Klammer auf • Massive und mehrstufige Kommunikation zur Begleitung der KUK • Freiheit in der Gestaltung für die Künstler bei gleichzeitiger Konstanz des Brandings (Flaschenform, Name, Logo)
4.3 Nutzen Da die beteiligte Agentur Bold sich vermutlich hauptsächlich um die kommunikative Begleitung gekümmert hat, werden im Weiteren nur die beiden KUK-Beteiligten WARSTEINER und Künstler betrachtet. Die WARSTEINER Art Collection ist eine KUK, die in der Hauptsache eine imagegetriebene Markenkampagne darstellt. Mit der Kampagne kommuniziert WARSTEINER öffentlich das Ziel, jungen Künstlern und Künstlerkollektiven Unterstützung bieten zu wollen, um sich im professionellen Kunst- und Kreativmarkt zu positionieren und mittels Kommunikation über Kunst einen Imagetransfer herzustellen. Primär dient die KUK als Story und Plattform, um diverse Kommunikationsanlässe zu schaffen. Durch die Zusammenarbeit mit jungen und innovativen Künstlern ergänzt WARSTEINER das Image in Richtung Urbanität, Kultur und Lifestyle. Weiterhin versucht die Marke durch die KUK gleichzeitig, die Marke WARSTEINER zu verjüngen. Ein wichtiges Ziel der KUK ist daher auch die Ausweitung der Zielgruppe. In den Interviews mit den einzelnen Künstlern, die auch auf der WARSTEINER Art Collection veröffentlicht wurden, nennen die Künstler eine Reihe von Nutzendimensionen (Warsteiner 2013b). Diese reichen von Steigerung der eigenen Bekanntheit und der Reputation über Inspiration, Herausforderung und Spaß bis hin zum Erreichen von neuen Zielgruppen für Kunst. Tabelle 1 fasst die genannten Nutzendimensionen zusammen.
WARSTEINER Ar t Collection Künstler
WARSTEINER • Schaffung einer Story und Plattform für die Markenkommunikation
Markenzeichens • Ehre durch Verbindung
• Imageanpassung (Urbanität, Kultiviertheit, Lifestyle etc.) • Ausweitung und Verjüngung der Zielgruppe
• Verwendung des eigenen
mit Traditionsmarke WARSTEINER • Inspiration schaffen, auch für die zukünftige Generation • Innenleben zeigen
Nutzen
• Neues Medium • Originalität • Spaß • Ergänzung Kunst und Design • Eigenes Design mit existierendem Logo zu verbinden als Challenge • Visuelle Beziehung zu neuen Zielgruppen
Tab. 1: Nutzen der KUK
Q uellen Aaron De La Cruz (2013): Homepage, www.aarondelacruz.com/ (letzter Abruf: 3.3.2015). Bold (2015): Homepage, www.boldberlin.com/de/ (letzter Abruf: 30.03.2015). GQ-Magazin (2013): www.gq-magazin.de/leben-als-mann/essen-und-trinken/oddfuture-x-warsteiner-donut-bier (letzter Abruf: 11.12.2013). Hypebeast (2012): The Making of Warsteiner’s »Taste of Life« with Yue Wu, DJ Rafik and Andy Chiu, http://hypebeast.com/2012/11/the-making-of-warsteinerstaste-of-life-withyue-wu-dj-rafik-and-andy-chiu (letzter Abruf: 10.12.2013). INSA (2013): Homepage, www.insaland.com (letzter Abruf: 3.3.2015). Iwishusun (2013a): http://iwishusun.de/2013/07/04/recap-marcelo-burlon-x-iwis husun-collaboration-launch-brunch-im-soto-store/ (letzter Abruf: 11.12.2013). Iwishusun (2013b): www.youtube.com/watch?v=uyG9JOmuqrA&feature=c4overview-vl&list=PL1RrgcX9lCwhzU0lAs2Y37747akDtyWvw (letzter Abruf: 11.12.2013). Kietzmann, M. (2010): Erfolgsrezept Mangel, in: Focus Online, www.focus.de/ finanzen/news/wirtschaft-erfolgsrezept-mangel_aid_496016.html (letzter Abruf: 10.12.2013). Nychos (2013): Homepage, www.rabbiteyemovement.at/ (letzter Abruf: 3.3.2015). Reidt (2013): Homepage, www.brookereidt.com (letzter Abruf: 3.3.2015).
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Strumbel (2013): Homepage, https://www.facebook.com/stefanstrumbel (letzter Abruf: 3.3.2015). Vimeo (2013a): Warsteiner Art Collection Launch, http://vimeo.com/73132915 (letzter Abruf: 10.12.2013). Vimeo (2013b): WARSTEINER – Taste of Life feat. DJ Rafik and Yué Wu, http://vimeo.com/46476740 (letzter Abruf: 10.12.2013). Vimeo (2013c): Warsteiner Art Collection x Teaser, http://vimeo.com/72695136 (letzter Abruf: 10.12.2013). Warsteiner (2013a): Homepage, http://warsteiner.de/brauerei/ (letzter Abruf: 14.12. 2013). Warsteiner (2013b): Homepage, http://warsteiner.de/artcollection/ (letzter Abruf: 10.12.2013). Warsteiner (2013c): Homepage, http://warsteiner.de/artcollection/event-party (letzter Abruf: 14.12.2013). Warsteiner Gruppe (2013a): Presseinformation 23.07.2013: Die Flasche als Leinwand, www.warsteiner-gruppe.de/sites/default/files/presse/PM_Warsteiner% 20Art%20Collection_FP.pdf (letzter Abruf: 10.12.2013). Warsteiner Gruppe (2013b): Homepage, www.warsteiner-gruppe.de/de/warsteinergruppe (letzter Abruf: 14.12.2013). Warsteiner Gruppe (2013c): Presseinformation 02.09.2013: Design your bottle, www.warsteiner-gruppe.de/sites/default/files/presse/PM_Warsteiner%20 Art%20Collection_Design%20your%20bottle.pdf (letzter Abruf: 10.12.2013). Warsteiner Gruppe (2013d): Presseinformation 26.08.2013: Art meets bottle, www. warsteiner-gruppe.de/sites/default/files/presse/PM_Warsteiner%20Art%20 Collection _Launchevent_26.08.13.pdf (letzter Abruf: 10.12.2013). Weilberg, A. (2013): Kunstvolles Warsteiner Bier, in: page-online, www.pageonline.de/emag/kreation/artikel/kunstvolles-warsteiner-bier (letzter Abruf: 11.12.2013). YouTube (2013): Die Frau hinter der Biermarke Warsteiner: Catherina Cramer, www.youtube.com/watch?v=2E_JL1XmJV4 (letzter Abruf: 14.12.2013). 123Klan (2013): Homepage, www.123klan.com/ (letzter Abruf: 3.3.2015).
BENEO-Lifestyle-Kampagne Carsten Baumgarth/Hendrik Brunsen
1. BENEO-L ifest yle -K ampagne Mitte des Jahres 2013 hat BENEO, ein Zutatenlieferant für die Lebensmittelindustrie (B-to-B-Geschäft), eine neue Markenkampagne gelauncht, welche sich stark von Markenauftritten anderer Unternehmen im Konkurrenzumfeld unterscheidet. In Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur wob wurde eine Emotionalisierung der Marke geschaffen, welche einmalig für die ansonsten eher rational geprägte B-to-B-Landschaft ist. Einen wesentlichen Bestandteil bei der Umsetzung des im Vorfeld entwickelten Markenkonzeptes von BENEO hat dabei der amerikanische Künstler Derek Gores gespielt, dessen Collagentechnik für die Visualisierung der Ideen und Konzepte von BENEO und wob eingesetzt wurde. Die neue Markenstrategie zielt auf eine tiefe und emotionale Vermittlung des Markenversprechens sowie die Ermöglichung eines gesunden Lebensstils ab. Im Weiteren wird zur Abgrenzung dieser Kampagne daher der von uns kreierte Begriff der BENEO-Lifestyle-Kampagne verwendet. Die Zusammenarbeit zwischen BENEO, wob und Derek Gores steht exemplarisch für eine extern ausgerichtete Kunst-Unternehmens-Kooperation (KUK). Das Datenmaterial für die Fallstudie setzt sich unter anderem aus Internetrecherchen, zwei Experteninterviews mit Beteiligten bei BENEO und wob, einer schriftlichen Befragung des Künstlers Derek Gores sowie weiteren von den Partnern bereitgestellten Dokumenten zusammen. Die BENEO-Lifestyle-Kampagne ist das Ergebnis der markenstrategischen Überlegung von BENEO, dass die Zusammenlegung der drei einzelnen Marken, nämlich BENEO-Orafti, BENEO-Palatinit und BENEO-Remy, unter einem Dach mit einem neuen Markenauftritt verbunden werden muss. Neben dem 2007 für BENEO entstandenen einheitlichen Claim »connecting nutrition and health« sollte die Marke auch in der Tiefe eine klare Botschaft kommunizieren. Das Grundproblem lag nach der Beschreibung der Befragten nämlich darin, dass die Kunden nicht eindeutig verstanden haben, was die Marke BENEO im Speziellen ausmacht. Demnach war ein zentrales Anliegen, die Marke klarer in einer Form zu kommunizieren, dass
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die einzelnen Bestandteile von BENEO beziehungsweise die unterschiedlichen Produkte hinsichtlich ihrer Botschaften und Nutzen für den Kunden ersichtlich und greifbar werden. Eine wichtige Anforderung an dieses Vorhaben war dabei eine Reduktion in der Kommunikation bei gleichzeitigem Anspruch, die Breite der Produktpalette beziehungsweise ihrer Botschaften nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine wichtige Zielkategorie der angedachten Markenstrategie war insbesondere eine Differenzierung zu anderen Marken im B-to-B-Umfeld sowie, auch als Mittel dafür, eine Emotionalisierung der Marke. In Kombination mit der Kampagnen-Aussage »Matching today’s expectations. Smart ingredients for healthy lifestyles.« wird dieser Anspruch auf kreativer Ebene durch die Collagen von Gores übersetzt: Aus dem perfekten Zusammenspiel der vielfältigen Produkte, Expertise und Leistungen von BENEO (repräsentiert durch die einzelnen BENEO-Grafiken, -Bilder und -Texte) entstehen zufriedene Endkunden als emotionale und aufmerksamkeitsstarke Kampagnen-Motive. Die ›Lifestyle-Kampagne‹ zielt auf einen modernen Lebensstil ab und positioniert BENEO als Zutaten-Lieferanten, der den vielfältigen Ernährungsbedürfnissen der heutigen Zeit auf unterschiedliche Art gerecht wird (wob 2013c, S. 5). Die ersten konzeptionellen Überlegungen für die Definition der ›Brand Identity‹ erfolgten im Herbst 2012. Dem Kreativkonzept ging eine strategische Überlegung seitens wob voran: BENEO sollte als innovativer Zulieferer positioniert werden, der die heutigen Erwartungen der Endverbraucher durch sein Portfolio an funktionellen Zutaten in jeder Hinsicht erfüllt – und so zum unverzichtbaren Partner der Lebensmittelhersteller wird! Nach dieser ersten Grundlegung für das neue Erscheinungsbild begann die Agentur wob mit dem Konzept einer Visualisierung der formulierten Markenbestandteile. Die zentrale Anforderung für wob war dabei, die Emotionalisierung der Marke in dem bislang eher rational strukturierten B-to-B-Bereich zu schaffen. Zu dieser Aufgabe wurde der Künstler Derek Gores in die Kampagne eingebunden, der mit seiner Collagentechnik einen wesentlichen Beitrag für die Visualisierung leistete. Nach der Beschreibung der Befragten von wob schaffen es die Collagen von Gores, die Markenbotschaft zu vermitteln und gleichzeitig die Tiefe der einzelnen BENEO-Bestandteile trotz Reduktion in der Kommunikation nicht aus dem Blick zu verlieren. So beschreibt ein Mitarbeiter des Kreativteams bei wob, mit den Werken von Gores sei es möglich, »einen sehr interessanten, emotionalen und auch differenzierenden Weg, um das Markenversprechen zu übersetzen« (Hecker/Frank 2013), zu gehen. Die Arbeiten von Gores sorgen ferner für eine authentische Vermittlung eines modernen Lebensstils. Öffentlichkeitswirksam ist die BENEO-Lifestyle-Kampagne im Juni 2013 mit einem Messestand in Chicago/USA gestartet. Gleichzeitig dazu wurden eine Print- und Onlinekampagne gelauncht, unter anderem mit einem neuen Webseiten-Layout, Bannern und Pressemitteilungen in nationalen und internationalen Magazinen und Broschüren, ein neu gestalteter YouTube-Channel sowie Imagebroschüren. Abbildung 1 zeigt exemplarisch ein von Derek Gores gestaltetes Key
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Visual für die BENEO-Lifestyle-Kampagne. Dieses Motiv fungiert unter anderem als Banner der Webseite von BENEO sowie als Cover für die Imagebroschüre.
Abb. 1: Key Visual I Quelle: wob 2013b Die Agentur wob erfüllt in dieser KUK neben den Funktionen als Markenberatung und Kommunikationsagentur auch die Funktion des Intermediärs zwischen Künstler (Gores) und dem Auftraggeber (BENEO). Die Agentur wob fungiert als zentraler Akteur und als Intermediär mit einem starken Austausch zu dem Künstler Gores sowie BENEO. Zwischen BENEO und Gores ist die Verbindungslinie weniger stark ausgeprägt. Dies soll zum Ausdruck bringen, dass diese Akteure durch die Kooperation zwar in einer Beziehung zueinander stehen, der kommunikative Austausch jedoch über wob vermittelt wird (vgl. Abbildung 2).
Abb. 2: Zusammenspiel der KUK-Akteure
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In Kapitel zwei werden zunächst die beteiligten Akteure knapp skizziert. Daran anschließend wird im dritten Kapitel der Prozess der KUK dann anhand der Analyseergebnisse beschrieben und abschließend im Fazit resümiert sowie Nutzenkategorien abgeleitet.
2. B e teiligte A kteure In diesem Kapitel werden die drei beteiligten Akteure der Kooperation sowie die BENEO-Lifestyle-Kampagne kurz vorgestellt.
2.1 Unternehmen: BENEO BENEO gehört zu dem Segment Spezialitäten des international operierenden Mannheimer Unternehmens Südzucker. Es handelt sich bei BENEO um eine Dachmarke, welche 2007 als Zusammenschluss von Orafti, Palatinit und Remy gegründet wurde. Unter der Dachmarke BENEO produzieren und verarbeiten nun die rechtlichen Einheiten BENEO-Orafti, BENEO-Palatinit und BENEO-Remy insbesondere Inhaltsstoffe zur technologischen und ernährungsphysiologischen Aufwertung von Lebensmitteln und Tiernahrung. BENEO wirtschaftet im B-to-B-Umfeld und ist in über 75 Ländern weltweit aktiv. Es gehört zu den weltweit führenden Unternehmen in diesem Bereich. Die Warenproduktion richtet sich hauptsächlich an das Marktsegment Lebensmittel und darüber hinaus an Pharmazie, Non-Food-Anwendungen und Tiernahrung. Neben der Produktion von Zutaten bietet BENEO auch Dienstleistungen und Beratung an. Diese richten sich vor allem auf die Unterstützung der Kunden bei der Entwicklung gesunder, wohlschmeckender und funktioneller Nahrungsmittel. BENEO hat fünf Produktionsstandorte in Deutschland, Chile, Belgien und Italien und insgesamt rund 900 Mitarbeitern (Südzucker 2013; BENEO 2013).
2.2 Intermediär: wob wob ist eine Agentur für Kommunikation im B-to-B Bereich. Ansässig ist die Agentur in Viernheim und wurde 1973 gegründet (wob 2013a). Die Agentur wob beschreibt sich selbst als Deutschlands B-to-B-Experten. Spezialisiert ist die Agentur insbesondere auf Markenführung und markenorientierte Vertriebsunterstützung. Die wob AG beschäftigt über 100 Mitarbeiter und ist an vier Standorten, nämlich Viernheim, München, Stuttgart und London, tätig. Abgedeckt werden die Bereiche Branding, klassische Werbung, Dialog, Digital & Social Media, Content, PR, Media und Events (wob 2013a).
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2.3 Künstler: Derek Gores Derek Gores ist ein 1971 geborener US-amerikanischer Künstler. Er ist prämierter Absolvent der Rhode Island School of Design in Melbourne, Florida. Gores gehört zu den bedeutendsten Künstlern des »New Contemporary Movement« (wob 2013b; Gores 2013a). Gegenstand seiner Arbeiten ist insbesondere die Anfertigung von Collagen. Der Künstler Gores recycelt Magazine, Daten oder analoge und digitale Materialien für seine Kreationen. Abbildung 3 zeigt eine kleine Auswahl aus dem Portfolio der Collagen-Werke von Derek Gores.
Abb. 3: Ausschnitt des Portfolios von Derek Gores Quelle: Gores 2013a Gores hat bereits in diversen namenhaften Galerien seine Kunst ausgestellt und unter anderem mit ESPN, Lenny Kravitz, Sony, Adidas, Madonna, Harley Davidson u.v.m. diverse namhafte Kunden (Gores 2013a).
3. KUK -P rozess In diesem Kapitel wird der Prozess der BENEO-Lifestyle-Kampagne unter der konzeptionellen Anleitung des idealtypischen Prozesses einer KUK vorgestellt. Dazu wird zunächst der Weg zur KUK und dabei die Rolle von wob beschrieben (Phase 1-2). Im Anschluss wird die Umsetzung (Phase 3-4) näher erläutert und abschließend die Reflexion der Zusammenarbeit aus der Sicht der Beteiligten abgebildet (Phase 5).
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3.1 Phase 1 und 2: Impuls und Partnerselektion Die BENEO-Lifestyle-Kampagne ist, wie schon angedeutet, hervorgegangen aus dem Bestreben von BENEO, die Marke tiefer und eindeutiger zu kommunizieren und dabei insbesondere auf eine Emotionalisierung der Marke in dem eher rational geprägten B-to-B-Umfeld zwecks Differenzierung abzuzielen. Impulsgebend für die Kooperation mit einem Künstler ist letztlich die Agentur wob. Dabei basiert die Zusammenarbeit zwischen BENEO und wob auf einem Pitch zur Unterstützung der Markenentwicklung, zu dem unterschiedliche Agenturen eingeladen wurden. Diesen Wettbewerb konnte wob für sich entscheiden, da diese ein überzeugendes Konzept für eine Emotionalisierung der Marke vorlegten. Nach gemeinsamer Entwicklung der Markengrundlagen entwickelt wob ein Kreativkonzept und setzte dabei zur Visualisierung bereits bestehende Collagen des Künstlers Gores ein. Die Einbindung eines Künstlers war von Seiten der Agentur wob nicht von Anfang an angedacht, sondern entwickelte sich erst im Laufe der Ideenkonzeption für das vorzustellende Kreativkonzept. Vor der eigentlichen KUK zwischen BENEO, wob und Gores sowie dem Impuls von wob einen Künstler einzubinden, steht also die Partnerselektion bezogen auf den Künstler durch wob. Die Agentur wob wurde über eine Internetrecherche auf Gores aufmerksam. Wie die Befragten bei wob beschreiben, sei ihnen Gores auch im Vergleich zu anderen Künstlern durch seine ausgefeilte Collagentechnik aufgefallen, welche optimal zu der angedachten Kampagne passte. In den Collagen von Gores würden, wie die Befragten weiter beschreiben, sowohl die Einzelteile als auch das Gesamtbild erhalten bleiben. Die bereits vorhandenen BENEO Einzelteile (z.B. Broschüren, Grafiken) bilden in den Collagen das große Ganze ab (Motiv: Konsument). Dem Impuls für die KUK zwischen BENEO, wob und Gores ist die Partnerselektion des Künstlers durch wob vorgeschaltet. Wie die Befragten von wob beschreiben, hätten die Verantwortlichen bei BENEO begeistert auf die Idee reagiert, denn diese Idee würde genau jene Differenzierung durch Emotionalisierung herstellen, die bei den Verantwortlichen von BENEO angedacht war. Jene Mitarbeiter bei BENEO, welche der Idee der Einbindung eines Künstlers weniger aufgeschlossen gegenüber standen, wurden durch die Tatsache überzeugt, dass Gores in der Lage war, die Zielkategorien der angedachten Kampagne (Differenzierung und Emotionalisierung) künstlerisch umzusetzen. Die Aussagen der Befragten bei BENEO untermauern den Eindruck über die Akzeptanz der Idee, wobei sich insbesondere durch zwei Punkte anfängliche Skepsis an der Kooperation äußerte. Zum einen waren dies finanzielle Bedenken. Den Verantwortlichen bei BENEO war nicht klar, ob die Einbindung eines Künstlers in den finanziellen Rahmen passt. Zum anderen hatten die Verantwortlichen Bedenken, ob sich der Künstler steuern lässt. Diese Bedenken entstanden vor dem Hintergrund, dass Künstler oftmals ihren eigenen Kopf haben. Bei einer strategischen Positionierung eines Unternehmens sei es laut der Aussage der Befragten von BENEO aber besonders bedeutsam, dass der Künstler auf die Anforderungen und Vorschläge
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des Unternehmens eingeht. Hierbei hat jedoch einerseits wob vermittelt und sich andererseits der Künstler als kompromissbereit herausgestellt. So beschreibt eine befragte Mitarbeiterin von BENEO, dass die Zusammenarbeit letztlich in einer »Win-win-Situation« (Meißner/Böhm 2013) mündete. Die Verwobenheit von Partnerselektion und Impuls stellt auch das Besondere einer KUK dar, der eine Agentur zwischengestaltet ist, welche die Rolle des Intermediärs einnimmt. So lässt sich die Beziehung zwischen Unternehmen und Künstler nicht mehr gemäß dem idealtypisch konstruierten Prozess einer KUK denken, bei dem Impuls zur KUK und Partnerselektion auf einer der Seiten von Kunst und Unternehmen zu verorten ist. Vielmehr handelt es sich um einen Impuls und eine Partnerselektion auf indirektem Weg durch die Vermittlung von wob. Dabei stellt sich die Einbindung eines Künstlers im Falle der BENEO-Lifestyle-Kampagne als Ergänzung zu einer Dienstleistung dar, welche zwischen zwei Unternehmen, BENEO und wob, vereinbart wird. wob erweist sich als Impulsgeber für die KUK und hat gleichsam den künstlerischen Partner ausgesucht. Flankiert wird dies durch die Partnerselektion bei BENEO, welche sich für wob entschieden haben. Aber auch diese Partnerselektion kann nicht getrennt von der KUK gedacht werden. Diese steht in einem Zusammenhang mit der Einbindung eines Künstlers, da wob als exemplarisches Präsentationsmaterial ein Werk von Gores verwendet hat. Der Impuls zur KUK ist ab der Partnerselektion bei wob in jede Phase eingebunden und wird erst zum Ende hin, mit dem konkreten Vorschlag bei BENEO den Künstler einzubinden, zu einem endgültigen Impuls.
3.2 Phase 3 und 4: Konfiguration und Realisierung Die Initiierung der KUK geht mit einer formellen wie informellen Konfiguration des KUK-Vertrages einher. Vertraglich wurde eine Projektvereinbarung im Sinne einer rechtlichen Rahmung geschlossen. Darin wurde beispielsweise geregelt, wer welche Materialien verwenden darf. Dies bezieht sich unter anderem auf die Verwendung der Markennamen BENEO oder Derek Gores für die Werbung. Zu einer wichtigen Anforderung an künstlerisches Schaffen in der Wirtschaft gehört auch, dass die Wahl der Arbeitsmittel sorgsam abgestimmt wird. So muss jedwede Verwendung von Materialen im werblichen Kontext urheberrechtlich geprüft sein. Diese Aufgabe hat insbesondere die Agentur wob übernommen und dem Künstler die Arbeitsmaterialen zur Verfügung gestellt. Wie ein Mitarbeiter von wob beschreibt, wurden die Bestandteile von einzelnen Motiven vorab eindeutig geklärt. Geregelt wurde, wie der Befragte weiter beschreibt, »was ist ein Muss und was ist ein Kann« (Hecker/Frank 2013), da die Motive an die Funktion des Visuals angepasst werden mussten und für den Einsatz auf bestimmten Märkten gedacht sind. Der Künstler hat dabei eine klare Vorgabe mit einem begrenzten Rahmen an Spielraum für die freie Gestaltung bekommen. Ferner wurde vorab geregelt, dass die erbrachten Kunstwerke inklusive eines Copyrights von Gores an BENEO verkauft werden. Diese formellen wie informellen Regelungen weisen darauf hin,
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dass der Künstler seine Autonomie zum Zwecke eines koordinierten Handelns zu einem gewissen Grad aufgeben musste. Die Einschränkung der Autonomie, die sich aus den Vereinbarungen der beteiligten Akteure ergibt, ist von Beginn der KUK festgelegt und, wie die Befragten einstimmig berichten, eine Notwendigkeit für die Einbindung eines Künstlers in einem wirtschaftlichen Kontext. Neben der ›harten‹ Konfiguration der formell-rechtlichen Rahmenbedingungen wurden bei einer jedweden Leistung des Künstlers ›weiche‹ informelle Faktoren, welche sich auf die Verwendung der Arbeitsmittel beziehen, neu konfiguriert. Für die Gestaltung eines jeweiligen Motives wurden entsprechend die Arbeitsmaterialien sowohl von wob, als auch unterstützend von BENEO ausgesucht und dem Künstler zur Verfügung gestellt. »Er kriegt eine Fotovorlage und er kriegt einen Stapel von Broschüren und Fotos die alle rechtlich geklärt sind und mit denen muss er dann tätig werden« (Hecker/Frank 2013), illustrieren die Mitarbeiter bei wob. Der weitere Arbeitsverlauf ergibt sich im Sinne eines Wechselspiels der Gestaltung des Künstlers und der Prüfung durch BENEO. wob nimmt dabei wiederum die Position des Intermediärs ein. Aus den Materialen gestaltet der Künstler eine Collage und schickt diese zurück an wob. »wob provided the perfect assortment of materials for me. I communicated back in the form of sketches« (Gores 2013b), beschreibt Gores. wob macht dann Vorschläge, wo und wie das Werk eingesetzt werden könnte. Im Anschlusswird das Werk dann an BENEO weitergegeben. Die Verantwortlichen bei BENEO begutachten die Arbeit des Künstlers und können gegebenenfalls Veränderungswünsche anbringen. Zusammen mit den Veränderungswünschen setzt sich der Künstler dann an eine Weiterentwicklung des Werkes, welche den Ansprüchen des Kunden mehr entspricht. Diese Veränderungen sind jedoch nicht in der Weise radikal, dass das ganze Werk umgestaltet werden muss. Wie ein Verantwortlicher von wob beschreibt, sei zumeist schon in der ersten Runde ca. 80 Prozent des endgültigen Werkes realisiert. Eine Befragte von BENEO beschreibt das Wechselspiel zwischen Gores und BENEO als einen Prozess des ›Hin und Hers‹, der von Kompromissen und Annäherungen in einer gemeinsamen Abstimmung lebt. An dieser Aussage wird auch deutlich, dass ebenso wie der Künstler auch das Unternehmen einen gewissen Grad an seiner Autonomie zum Zwecke eines koordinierten und effektiven Handelns aufgibt. Ähnlich, aber bezogen auf die Seite der Kunst, beschreibt ein Mitarbeiter von wob, dass die Erstellung einer Collage als Ausdruck einer Kunstform in einem wirtschaftlichen, kommerziellen Umfeld als ein Diskussionsprozess zu begreifen ist. Bezogen auf den Künstler spricht der Befragte von »kommerzieller Kunst« (Hecker/Frank 2013), bei der einerseits eine Vermittlung zwischen Kunde und Künstler enthalten ist und andererseits das Kunstwerk als solche noch immer erhalten bleibt. Der Künstler Gores konnte trotz der Anpassung an die Wünsche von BENEO dennoch in gewisser Weise frei arbeiten. Ferner konnte er seine Meinung immer zum Ausdruck bringen. »I explained my purpose, for an intuitive, sensory experience for the viewer, and we always worked it out together« (Gores 2013b), beschreibt Gores.
BENEO-Lifestyle-Kampagne
Gemäß der Rolle als Intermediär übernimmt die Agentur wob die Führerschaft in der Kommunikation sowie den Vereinbarungen mit den beteiligten Partnern. Die Kommunikationskanäle sind insbesondere Telefonate und EMails. Dies liegt auch in der räumlichen Entfernung der Partner begründet. So hat der Künstler Derek Gores ausschließlich in den USA gearbeitet. Meetings, bei denen alle Beteiligten persönlich zusammenkommen können, habe es nicht gegeben. Das Meeting sei als Knotenpunkt von Abstimmungsprozessen in der projektbasierten Arbeit hier nicht notwendig, da alle Regelungen im Vorfeld der KUK sowie im Rahmen der Konfiguration einer jeweiligen Werkerstellung mitsamt des Diskussions- und Abstimmungsprozesses vereinbart wurden. Wie die Befragten von BENEO sowie Derek Gores berichten, habe es in der ganzen Zeit nie einen persönlichen Kontakt zu dem Künstler gegeben, was aber erstens aufgrund der Arbeitsweise des Künstlers, der sich, wie die Befragten bei BENEO beschreiben, durchaus auch briefen lasse und Änderungswünsche bereitwillig annehme, nicht weiter problematisch ist und zweitens durch die Agentur wob als Intermediär aufgefangen wurde. Zeitlich hat die intensivere Zusammenarbeit zwischen BENEO, wob und Gores im Frühjahr 2013 begonnen. Die Kampagne wurde ab Juni 2013 öffentlichkeitswirksam. Die Kampagnenidee wurde wie die Abbildung 4 zeigt in verschiedenen Kommunikationsinstrumenten umgesetzt.
Abb. 4: Auswahl klassischer Kommunikationsinstrumente und Messekommunikation Quelle: wob 2013c
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Neben der externen Kommunikation wurde im Prozess der Realisierung bei BENEO auch eine Form von interner Kommunikation zum neuen Erscheinungsbild forciert. So wurde eine interne Veranstaltung von wob bei BENEO organisiert, welche einen ersten Ansatz darstellt, um das Markenversprechen nach innen zu den Mitarbeitern zu transportieren. Im Rahmen der Veranstaltung wurden Vorträge gehalten und Workshops durchgeführt. Die Teilnehmer konnten dabei zum Beispiel an der Anfertigung einer Collage aktiv teilnehmen, wie auch Abbildung 5 veranschaulicht.
Abb. 5: Beispiele für die interne Kommunikation Quelle: wob 2013c Sowohl die Befragten von BENEO, als auch von wob berichten, dass diese Veranstaltung weitgehend positive Resonanz nach sich zog.
3.3 Phase 5: Reflexion Alle Beteiligten sprechen von einer gelungenen Kooperation. Zum wichtigsten Detail der Kooperation, welches zu einer kritischen Reflexion seitens der Befragten führte, gehört der Fit zwischen Akteuren der Kunst und Akteuren der Wirtschaft. Sowohl die Verantwortlichen bei wob, als auch bei BENEO beschreiben, dass sie am Anfang der Kooperation Bedenken hatten, ob der Künstler die Anforderungen annimmt. Wie eine Verantwortliche von BENEO beschreibt, habe es zu Beginn schon Nervenkitzel gegeben, ob es mit der Steuerbarkeit des Künstlers
BENEO-Lifestyle-Kampagne
auch in Hinblick auf die Deadlines bei BENEO klappt. In dieser Hinsicht hat sich aber gezeigt, dass der Künstler absolut zuverlässig war und sich den Anforderungen von BENEO angepasst hat. Diese Anpassung des Künstlers in der Form einer Kundenorientierung wird von den Beteiligten als ein zentrales Erfordernis für eine funktionierende und professionelle KUK reflektiert. Gleichsam haben auch die Verantwortlichen bei BENEO dem Künstler in gewisser Hinsicht Freiräume in seiner Arbeit gelassen. Im Diskussions- und Abstimmungsprozess sind alle Akteure als gleichberechtigte Partner aufgetreten. So haben sich auch die Bedenken von wob, den Künstler eventuell zu sehr in seiner Freiheit einzuschränken, durch die Arbeitsweise und die Kompromissbereitschaft von Gores nicht bewahrheitet. Auch die anfänglichen Bedenken bei den Verantwortlichen von BENEO, dass die kulturellen Unterschiede (USA vs. Europa) zu einem Problem werden könnten, haben sich im Nachhinein als weniger gewichtig erwiesen. Der Künstler Gores spricht davon, dass die Kreation einer Serie »for a language and culture different to my own« (Gores 2013b) zu einer wichtigen Motivation zur Partizipation an der Kooperation gehörte. Der Künstler spricht aber auch von kleineren Problemen, die durch die Sprachunterschiede aufgetaucht sind. Diese seien auch aufgrund des integrierten Diskussions- und Abstimmungsprozesses in der Realisierung der KUK jedoch schnell zu beheben gewesen. Wie die Verantwortlichen bei BENEO berichten, habe es weitgehend positive Resonanz auf die Kampagne gegeben. Für BENEO erweist sich die KUK als ein Erfolgsfall, da diese eine Stringenz habe und alle Verantwortlichen davon überzeugt seien. Sie sei geprägt von Professionalität und Kreativität. Neben der eher informellen Resonanz hat BENEO zusätzlich eine formale Evaluation in der Form einer Imagebefragung (Vorher-/Nachher-Ansatz) durchgeführt. Insgesamt erweisen sich die bisherigen Reflexionen als positiv, sodass die derzeitige Kampagne weitergeführt und eventuell auch noch ausgeweitet wird. Ferner halten sich die Verantwortlichen offen, eventuell Künstler auch in anderen Bereichen temporär in das Unternehmen einzubinden. Die Beteiligten bei wob sprechen ebenso von einer gelungenen Kooperation. Die schon existierende Verbindung zur Kunst durch die Art-Direktoren bei wob soll, darauf lassen die Aussagen der Beteiligten schließen, durch weitere Formen der Einbindung von Künstlern weitergeführt werden, falls diese zu der Marke und der Kreativkonzeption passen. Auch Derek Gores wird in Zukunft weiter mit Unternehmen zusammenarbeiten, zumal die Kooperation mit Unternehmen für Gores ein interessantes Arbeitsfeld und keine unmittelbare Einschränkung seiner künstlerischen Freiheit bedeutet. Die Gleichberechtigung der Partner ist dabei für Gores ein wichtiges Element. »Also, I know that I am hired to ›do what I do‹, and therefore I intentionally lead the project just as much as wob and BENEO.« (Gores 2013b)
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4. B e wertung der KUK 4.1 Prozessmerkmale Die besondere Rolle von wob als Intermediär zwischen BENEO und Gores führt zu einer spezifischen Ausgestaltung von Impuls und Partnerselektion. Impulsgebend ist letztlich die Agentur wob, wobei die Partnerselektionen des Künstlers bei wob sowie die Agenturwahl bei BENEO darin eng verwoben sind. Als wichtiges Merkmal lässt sich hierbei isolieren, dass die innovative Idee von wob einen Künstler einzubinden den Ausschlag für die Entstehung der KUK gegeben hat. Die Konfiguration erfolgte auf formellem und informellem Wege. Die informellen Regelungen mussten dabei bei jedem Teilauftrag neu justiert werden. Als zentrale Merkmale für die Koordination der Arbeitsabläufe erweist sich dabei einerseits der Diskussions- und Abstimmungsprozess zwischen BENEO, wob und Gores, welcher zu einer permanenten und flexiblen arbeitsorganisatorischen Abstimmung führte und andererseits die Mittlerrolle von wob. Die Reflexion der KUK seitens der Beteiligten ist positiv. Dementsprechend gehen bei allen Akteuren die Bestrebungen dahin, auch in Zukunft weiterhin mit Künstlern beziehungsweise Unternehmen zusammenzuarbeiten. Ferner sehen alle Beteiligten die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Unternehmen als ein Zukunftsmodell auch für andere Unternehmen und Künstler. Auch die Rolle von Kommunikationsagenturen ist dabei hervorzuheben, da diese sowohl für Unternehmen, als auch für Künstler die manchmal schwierige anfängliche Partnerselektion übernehmen und während des Prozesses einer KUK federführend und für Pioniere der KUK unterstützend agieren können.
4.2 Erfolgsfaktoren Folgende Erfolgsfaktoren können u.a. für die erfolgsreiche Kooperation zwischen BENEO, wob und Derek Gores identifiziert werden: • Vorerfahrung des Künstlers mit KUKs • Aktive Kommunikation der bisherigen KUK-Aktivitäten durch den Künstler (Internetauftritt) • Integration eines Intermediärs in allen Phasen • Klare vertragliche Basis • Intensiver und iterativer Abstimmungsprozess • Bereitschaft auf beiden Seiten (Unternehmen und Künstler), Kompromisse einzugehen • Gleichberechtigung aller Beteiligten • Einhalten von Deadlines durch den Künstler • Quantitative und qualitative Evaluation des KUK-Projekts
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4.3 Nutzen Bei der BENEO-Lifestyle-Kampagne handelt es sich um eine KUK, welche für alle Beteiligten einen positiven Nutzen aufweist. Dass dem so ist, lässt sich auch auf bestimmte Nutzenfaktoren für die einzelnen Beteiligten zurückführen. Für BENEO sind die Nutzenfaktoren insbesondere in der hohen Aufmerksamkeit sowie dem mit der Kampagne verknüpften neuen Image zu finden. Die Befragten berichten von weitgehend positiver Resonanz bei Kunden und Partnern. Als weitere Nutzendimension beschreiben die Befragten auch die Entstehung einer Form von Selbstbewusstsein, welche sich aus der Überwindung der anfänglichen Unsicherheit über die Kampagne entwickelte. Auch für wob spielt die BENEO-Lifestyle-Kampagne hinsichtlich der Aufmerksamkeit sowie der positiven Resonanz eine wichtige Rolle. So beschreiben die Befragten, dass mittlerweile viele Fachzeitschriften und andere Medien wegen dieser Kampagne einerseits anfragen und diese andererseits gar als Exempel für die Arbeit von wob anführen. Weitere wichtige Nutzenfaktoren sind für wob die gesammelten Erfahrungen im Arbeitsprozess mit einem Künstler sowie die sich daraus entwickelte Motivation für zukünftige Zusammenarbeiten. Letztlich ist zudem, trotz aufwändiger Abstimmungsprozesse in beide Richtungen, der Nutzenfaktor des Geldes zu nennen, da eine Zusammenarbeit mit einem Künstler ein relativ preisgünstiges Arrangement für wob darstellt. Für den Künstler Derek Gores lassen sich drei wichtige Nutzenkategorien unterscheiden. Erstens führen die Mitarbeit bei der BENEO-Lifestyle-Kampagne zu mehr Eigenwerbung und dadurch eine potenzielle Steigerung der Attraktivität der eigenen Kunst bei Klienten oder Galleristen. Zweitens hat Gores die Möglichkeit bekommen, kreativ zu arbeiten und dabei seinem eigenen künstlerischen Stil treu zu bleiben. Diese Nutzenkategorie der Ermöglichung des künstlerischen Arbeitens ist insbesondere für intrinsisch motivierte Künstler von hervorgehobener Bedeutung. Zuletzt ist drittens der finanzielle Aspekt dieser KUK für den Künstler ein ebenso wichtiger Nutzen. Tabelle 1 fasst die Nutzenkategorien für die drei Parteien zusammen.
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Carsten Baumgar th/Hendrik Brunsen BENEO • Aufmerksamkeit
wob • Kundenzufriedenheit
Derek Gores • Aufmerksamkeit
• Emotionalisierung
• Kreative Basis für die
• Neue Klienten
weitere Kommuni-
für die Kunst
der Marke (Image) • Selbstbewusstsein • Positive Resonanz (intern, extern) Nutzen
• Differenzierung der Marke
kationsentwicklung • Aufmerksamkeit und positive Medienresonanz (PR)
und Galerien • Spannende Herausforderung • Möglichkeit
• Motivation
der Anwendung
• Erfahrungen
des eigenen Stils
im Arbeitsprozess
und kreatives
mit Künstlern
Arbeiten
• Vergleichsweise
• Einkommen
geringe Kosten
Tab. 1: Nutzen der KUK Wir danken Jens Böhm (BENEO GmbH), Sebastian Frank (wob AG), Derek Gores, Carola Hecker (wob AG), Claudia Meißner (BENEO GmbH) und Gudmund Semb (wob AG) für die Unterstützung bei der Erstellung dieser Fallstudie.
Q uellen BENEO (2013): Homepage, www.BENEO.com/Homepage/ (letzter Abruf: 18.11.2013). Gores, D. (2013a): Homepage, http://derekgores.com/ (letzter Abruf: 18.11.2013). Gores, D. (2013b): EMail-Interview mit Derek Gores am 11.11.2013. Hecker, C.; Frank, S. (2013): Telefoninterview Carola Hecker und Sebastian Frank (wob) am 10.10.2013. Meißner, C.; Böhm, J. (2013): Telefoninterview mit Claudia Meißner und Jens Böhm (BENEO) am 28.10.2013. Südzucker Online (2013): Homepage, www.suedzucker.de/de/Homepage/ (letzter Abruf: 18.11.2013). wob (2013a): Homepage, www.wob.ag/ (letzter Abruf: 18.11.2013). wob (2013b): Referenzen – BENEO, www.wob.ag/referenzen/cases/BENEO (letzter Abruf: 20.11.2013) wob (2013c): BENEO-Bewerbung um den Marketingpreis der Metropolregion Rhein-Neckar, o.O.
Teil V: Management von Kunst-Unternehmens- Kooperationen
Die richtigen Fragen stellen Herausforderungen offenlegen, Entwicklungen gestalten und Lösungen erproben Mirjam Strunk/Sandra Freygarten/Thomas Egelkamp
»Was tut die Kunst? Sie erlöst vom Augenschein.« (Handke 2005, S. 121)
1. K unst im U nternehmen Was tut die Kunst im Unternehmen? Kunst im Unternehmen kennt viele Facetten der Kooperation. Jeder Künstler hat seinen individuellen Ansatz und jedes Unternehmen sein eigenes, kunstspezifisches Anliegen. Die Frage: »Wozu kooperieren Unternehmen mit Künstlern?« ist somit nur schwer zu beantworten. Grundsätzlich zeigt sich Kunst im Unternehmen jedoch vorrangig als ästhetische Investition beispielsweise in Form eines Kunstwerkes oder einer Aufführung und seltener als Erprobung einer ästhetischen Praxis, als künstlerischer Prozess. Was tun wir als Künstler im Unternehmen? In unseren Kooperationen mit Unternehmen ermöglichen wir Menschen im Unternehmenskontext, miteinander in einen künstlerischen Prozess zu gehen, ihn konkret zu durchleben und sich in ihm zu üben. Dabei steht im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit, Erfahrungen des künstlerischen Handelns zu machen und eine künstlerische Haltung zu entwickeln. Unsere Prozessinitiierung und -begleitung orientiert sich hierbei an ästhetischen sowie systemischen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsparadigmen. Was tut die Kunst an sich? Peter Handke beantwortet diese Frage mit den Worten: »Sie erlöst vom Augenschein.« (Handke 2005, S. 121) Was genau kann damit gemeint sein?
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Der richterliche Augenschein gilt demnach als urteilsfähig auf der Basis offensichtlicher Tatbestände oder Gegebenheiten. Ihnen gegenüber steht, nach Handke, die Kunst als ein Projekt kritischer Intervention. Wie aber vermag die Kunst uns von augenscheinlichen Tatbeständen zu »erlösen«? Wie aber vermag die Kunst uns von beweiskräftigen Tatsachen zu erlösen? Gibt es eine lösungsorientierte »Perspektivführung« der Kunst? Was tritt an die Stelle der bisherigen Tatsache? Viele Tatsachen? Eine neue Frage? Eine Metapher? Eine Leerstelle, die es zu füllen gilt? Nach Handkes Zitat entspricht es den Möglichkeiten der Kunst, vorhandene Wirklichkeit neu wahrzunehmen und für Veränderungen zu erschließen. Sie bedient sich dabei umfangreicher Mittel und differenzierter Methoden. In jedem Fall zielt sie aber auf eine Intensivierung und Perspektivierung in der Gegenstandswahrnehmung; auf Effekte der Verfremdung durch Variation und Improvisation; auf Erkenntniszuwachs durch Prozesse des experimentellen Spiels; und durch eine kreative Ausbildung von Handlungsoptionen.
2. K ünstlerische I nterventionen im U nternehmenskonte x t : K onzep tion , P rozessgestaltung , Tr ansfer Unsere Erfahrungen als Künstler in Unternehmen haben deutlich gezeigt, wie durch künstlerische Prozesse offene und verdeckte Anliegen wahrnehmbar werden und Lösungen und Veränderungsvorhaben sich unmittelbar in der praktischen Umsetzung ergeben. Auch wenn es in diesem Prozess eben nicht darum geht, einen Plan, den man zuvor im Kopf hat, anschließend eins zu eins wiederzugeben, haben sich doch für unsere Entwicklung und Durchführung von künstlerischer Interventionen in Unternehmen folgende drei Prozessphasen bewährt, die fließend ineinander übergehen können: 1. Phase: Anliegen, Auftrag, Konzeption In der ersten Phase geht es um das Anliegen des Unternehmens, den konkret zu formulierenden Auftrag und die individuelle Konzeption der künstlerischen Intervention. 2. Phase: Initiierung, Prozessgestaltung, Ergebnis In der zweiten Phase geht es um die Befragung des Materials, zum Beispiel Textes, Objektes oder Raumes als künstlerische Herangehensweise. Daraus ergibt sich die Prozessinitiierung und die konkrete Prozessbegleitung bis zum Ergebnis. 3. Phase: Reflexion, Transfer, Nachhaltigkeit In der dritten Phase geht es um die Reflexion der künstlerischen Intervention. Erfahrungen werden konkret transferiert zu Haltungen und neuen Handlungsoptionen. Es eröffnen sich neue Wege für eine nachhaltige Anwendung und Weiterentwicklung in der alltäglichen Arbeit.
Die richtigen Fragen stellen
Anhand dieser drei Phasen entfaltet sich die Prozessdramaturgie unserer künstlerischen Interventionen. Die wichtigsten Aspekte jeder Phase bündeln sich in relevanten Fragestellungen und zentralen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsprämissen.
2.1 Anliegen, Auftragsklärung, Konzeption (Phase 1) Das scheinbar nicht Lösbare wird wahrnehmbar und befragbar. Erfolgsversprechend ist, wenn zu Beginn der Kooperation noch völlig offen ist, welche künstlerischen Formate und Methoden zum Einsatz kommen werden. Diesbezüglich gehen wir als Künstler mit einer fragenden, unvoreingenommenen Grundhaltung zum Erstgespräch mit den Unternehmensvertretern. Am Anfang einer Kooperation steht ein Anliegen, dass es zu beleuchten gilt. Häufig liegt hinter dem erstgenannten Anliegen eines Auftraggebers ein weiteres, mitunter unausgesprochenes, teilweise unbewusstes Anliegen. Dieses gilt es möglichst frühzeitig auf den Plan zu rufen, um es produktiv und zentral für den bevorstehenden Prozess nutzbar zu machen. Es braucht eine fragende Haltung direkt zu Beginn einer Kooperation zwischen Unternehmen und Künstler. Die Grundierung des Augenscheins, das Hintergrundrauschen des Ausgesprochenen gilt es zu berücksichtigen. Um sichtbar und befragbar zu machen, was als mentales oder strukturelles System zunächst noch unsichtbar und unhörbar im Hintergrund wirkt, betrachten wir bereits die Anliegen- und Auftragsklärung als künstlerischen Prozess. Ein künstlerischer Prozess ist geprägt durch das Wechselspiel von Wahrnehmen und Handeln. Dieses Wechselspiel regen wir durch folgende Fragen an: • Fragen zur Klärung des Anliegens: Was ist die genaue Fragestellung des Unternehmens? Wie formuliert das Unternehmen sein Anliegen? Was erwartet das Unternehmen von uns Künstlern? Wer ist bei der Formulierung des Anliegens beteiligt, wer nicht und warum? Gibt es ein Anliegen hinter dem Anliegen, bewusst oder unbewusst? • Fragen zur Klärung des Auftrags: Wie könnte die künstlerische Intervention das Unternehmen bei seinem Anliegen unterstützen? Wie könnte das Unternehmen die Intervention der Künstler unterstützen? Woran erkennen das Unternehmen und die Künstler eine erfolgreiche Unterstützung? Was wollen Unternehmen und Künstler dazu vereinbaren? • Fragen zur Klärung der Konzeption: Welches kunstbasierte Format ist aufgrund der unternehmensspezifischen Fragestellungen zielführend? Welche relevanten Erfahrungen sollen die Mitarbeiter im kunstbezogenen Prozess konkret machen? Was befürchten Mitarbeiter, wenn sie von künstlerischen Methoden in der Personal- und Organisationsentwicklung hören? Welche konkreten Erfahrungsfelder und Freiräume können Künstler und Unternehmen bieten? Wo finden sich »Veränderungsmethoden« bezüglich der Fragestellung
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in der künstlerischen Arbeit? Wie lassen sich daraus Übungen und Settings ableiten, die es Menschen aus außerkünstlerischen Feldern möglich machen, aus dem künstlerischen Prozess fruchtbare Perspektiven zu entwickeln. Diese Fragen fördern das Verständnis zwischen Unternehmen und Künstlern in Bezug auf das Anliegen, um das es im Kern gehen soll. Darüber hinaus schärfen konkrete Beobachtungsstudien, Dokumentationen des Arbeitsalltags oder in komplexen Einzelfällen auch Hospitanzen der Künstler vor Ort das Verständnis der Kernfragestellung. Denn es geht darum, mögliche Strukturähnlichkeiten im Denken und Handeln von unternehmerischer und künstlerischer Praxis zu finden. Je mehr wir die Möglichkeit erhalten, vorhandene Unternehmensstrukturen und Abläufe konkret zu erleben, desto leichter fällt es uns, strukturelle Schnittmengen ausfindig zu machen. Hierbei unterstützen uns folgende Wahrnehmungs- und Handlungsparameter: Wir nehmen eine neugierige und fragende, nicht wissende Haltung ein. Vor Ort machen wir uns ein konkretes Bild vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern, Prozessen und Atmosphären. In Bezug auf mögliche Formate, Methoden und Konzepte sind wir offen. Wir arbeiten mit dem, was da ist. Diesbezüglich verdichten wir oder dünnen wir aus, verschieben oder verschränken, beschleunigen oder verlangsamen, überbetonen und unterbelichten, explorieren oder reduzieren, dokumentieren oder fiktionalisieren, was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wir versuchen nicht, originell zu sein. Wir begrüßen es, scheitern zu dürfen. Die erste Prozessphase einer konkreten Intervention, die in Unternehmen Y durchgeführt wurde: Intervention Phase 1 Ein Unternehmen, das sich in einem strukturellen Veränderungsprozess befindet, will seine Mitarbeiter auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. Das Anliegen der Unternehmensleitung lautet: »Wir können als Unternehmen ein rasantes Wachstum verzeichnen. Das ist grundsätzlich gut. Dieses Wachsen bringt jedoch Veränderungsanforderungen für jeden Mitarbeiter mit sich. Wir möchten ,gesund‹ wachsen; auch unsere Unternehmensphilosophie, die auf sozialer Verantwortung, Menschlichkeit, Nachhaltigkeit gründet, soll dabei im Auge behalten werden. Wir möchten das Thema Wachstum und Veränderung für unsere Mitarbeiter erfahrungsorientiert thematisieren. Die Mitarbeiter sollten nicht nur darüber nachdenken, sondern erleben, was Veränderung bedeutet und wie sie sich selbst dazu verhalten können.« Mit den Prozessverantwortlichen des Unternehmens führen wir Gespräche, um die Arbeitsrealität der Mitarbeiter besser zu verstehen. Während dieser Gespräche nehmen wir bereits, erste assoziative Ideen, Dynamiken und Bilder wahr. Wir verknüpfen die rationalen Fragestellungen und Hintergrundinformationen des Unternehmens mit intuitiven Vorgehensweisen und nonlinearem Denken.
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Wir beginnen mit Suchbewegungen nach einer stimmigen Methode und einem passgenauen Format. Diese konkretisiert sich, indem wir die Veränderungsanforderung des Unternehmens mit der Veränderungsbereitschaft eines Künstlers in Beziehung setzen. Was sind die wesentlichen Voraussetzungen die notwendig sind, damit Veränderung nicht aufgesetzt und restriktiv wirkt, sondern aus sich selbst gestaltend und nachvollziehbar umgesetzt wird? Aus dieser Frage entwickeln wir eine experimentelle Aufgabe, in der eine praktische Erfahrung im künstlerischen Tun genau das widerspiegelt, was sich im Unternehmen als zentrale Herausforderung zeigt. Gegenstand dieser experimentellen Aufgabe kann ein Bild, ein Objekt, ein Stück, eine Installation oder eine Szene sein, die gemeinsam entwickelt wird und die sich, nachdem sie präsentiert wird, immer weiter zu verändern hat. Kern dieser Konzeption ist demnach ein gemeinsam gestaltetes Werk, mit dem sich die Teilnehmer identifizieren, um anschließend die Aufgabe zu stellen, dieses Werk in seiner Form völlig zu verändern, umzugestalten. Optionen wie Reduktion, Addition, Neukonstellation, Variation, Akzentuierung oder Zerstörung werden ausprobiert und reflektiert.
2.2 Initiierung, Prozessgestaltung, Ergebnis (Phase 2) Das scheinbar nicht Machbare wird erlebbar und erprobbar. In der zweiten Prozessphase geht es um die Initiierung der Intervention, die Begleitung der künstlerischen Aktion im Unternehmenskontext und die Entwicklung eines künstlerischen Ergebnisses. Bevor wir zu den relevanten Fragen dieser Phase kommen, noch ein paar Worte zu unserem Verständnis der zentralen Begriffe »Künstlerischer Prozess« und »Künstlerisches Handeln«. Was prägt einen künstlerischen Prozess? Der künstlerische Prozess ist keine Abfolge von planbaren Phasen, sondern er verläuft nonlinear. Er hat nicht einen, zentralen Kern, sondern viele einzelne Aspekte, die miteinander ins Spiel kommen, die wir als künstlerische Handlungsoptionen bezeichnen. Am Anfang eines künstlerischen Prozesses steht für den Künstler häufig zunächst die Suche eines Problem- oder Interessenfeldes, in dem es etwas zu erforschen gibt, was noch neu ist. In dieser forschenden Haltung konfrontieren Künstler sich selbst mit einem Material. Der Dialog mit diesem Material kann, beim Gestalten einer Skulptur geführt werden, beim Drehen eines Films genauso wie in einer Klangperformance oder einer Rauminstallation. Voraussetzung für dieses Spiel ist für uns, einen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem beispielweise Zahlen, Worte, Farben, Licht, Körper, Stimme oder eine Vielzahl von unterschiedlichsten Materialien ins freie Spiel gebracht werden können. Diesen Spielraum als Erfahrungsfeld gilt es in einem Unternehmen zu gestalten. Hierfür verlassen wir als Künstler bereits in der Konzeption, sowie die Mitarbeiter während des Prozesses gewohnte Zielvorgaben und lineare Vorgehensweisen, um neue Strategien zu erproben.
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Die Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten im Unternehmen steht im Vordergrund. Das geschieht vor allem durch die Förderung einer intuitiven Entscheidungsfindung und eines individuellen Improvisationsvermögens. Das praktische künstlerische Arbeiten schärft das Bewusstsein der Mitarbeiter für neue Perspektiven und neue Handlungsoptionen. Die Mitarbeiter erleben im Handeln eine vielfältige Methodenkompetenz, die es später auf ihren Berufsalltag anzuwenden gilt. Denn grundsätzlich stellt der künstlerische Prozess, im Gegensatz zu vielen funktionalen Arbeitsprozessen in Unternehmen ein eher divergentes Vorgehen dar. Dort, wo berechenbare Parameter die Abläufe in Unternehmen bestimmen, setzen Künstler ästhetische Spielmethoden ein, um gerade das Unbestimmbare und Unerwartete in betrieblichen Abläufen sichtbar und gestaltbar zu machen. »Künstlerisches Handeln bedeutet also, unter Bedingungen von hoher Ungewissheit und Unsicherheit zu handeln, mit offenen Situationen auch offen umzugehen. Es beschreibt einen Handlungstypus, der ohne vorgefertigte Pläne an Fragestellungen herangeht, der durch den Wechsel von Handeln und Wahrnehmen höchst situativ Prozesse steuern und somit Unerwartetes integrieren und zu individuellen und kreativen Lösungen kommen kann.« (Brater et al. 2011, S. 190) Entscheidend ist in dieser Prozessphase die individuelle Entdeckung der künstlerischen Haltung. Kommen wir nun zu den Kernfragen der zweiten Prozessphase: • Unsere Fragen zur Initiierung einer künstlerischen Intervention im Unternehmen: Welche kommunikativen, materiellen, atmosphärischen, räumlichen und zeitlichen Voraussetzungen sind notwendig, damit die Mitarbeiter sich sicher fühlen? Wie kann bereits die Prozessinitiierung den zur Verfügung stehenden freien Raum und die zur Verfügung stehende freie Zeit verdeutlichen? In welcher Form wird im Prozessbeginn bereits an die innere Freiheit der Mitarbeiter appelliert? Welcher Rituale und Regeln bedarf es, um diese innere Freiheit zu fördern und auch herauszufordern? Wie gestalten die Künstler die Einladung zur gemeinsamen Zusammenarbeit? Auf welche Weise gelingt die »Verführung«, sich wirklich auf den bevorstehenden, fremden Prozess einzulassen? Wie schaffen wir einen Ebenenwechsel heraus aus bekannten Themen, Mustern und Kontexte und hinein in neue Themen, Muster und Kontexte? Welche Möglichkeiten bieten sich an, zu Beginn der Intervention eine positive Anspannung, eine emotionale Erregung und ein gedankliches Interesse zu fördern und diese so miteinander zu verknüpfen, dass sich daraus ein Erkenntnisinteresse entwickeln kann? • Unsere Fragen zum künstlerischen Handeln und zur künstlerischen Prozessbegleitung im Unternehmen: Wie kann die individuelle Aufgabenstellung, die zu eigenen Lösungswegen führt, unterstützt werden? Mit welchen Methoden wird das individuelle und gemeinsame Erkenntnisinteresse im Zuge aktuel-
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ler unvorhergesehener Entwicklungen auf seine aktuelle Gültigkeit hin überprüft? Werden neue Fragestellungen mit zwischenzeitlichen Prozessstadien verknüpft? Wie geht man mit auftretender Frustration und Lustlosigkeit um? Womit begegnet man einem möglichen Originalitätsdruck? Bleibt die Wahrnehmung des Materials, in Form von Farbe, Pappe, Holz, Text, Szene lebendig? Wie kommt man immer wieder in einen tastenden Suchprozess hinein, in dem noch nicht der nächste Schritt erkennbar ist? Können wir den aufkommenden Leistungs- und Zeitdruck konstruktiv für den Prozess nutzbar machen? Sind auftretende, kognitive Probleme immer wieder zurückzuführen in die Wahrnehmung und Erprobung von Material, Körper und Raum? Wie können Widerstände als Motivation betrachtet werden? Wodurch ist die emotionale Intelligenz zu stärken? • Unsere Fragen zum Ergebnis einer künstlerischen Intervention im Unternehmen: Was ist phänomenologisch zu erkennen? Was ist da? Was ist sichtbar geworden? Wie wird das Ergebnis aus den verschiedenen Perspektiven wahrgenommen und beschrieben? Inwieweit wird das Ergebnis als stimmig empfunden? Welche neuen Aspekte der behandelten Thematik sind zutage getreten? Wie kann eine künstlerische Intervention zu einem integrierten Bestandteil der täglichen Arbeit werden? Welche Wertschätzung benötigt die Intervention innerhalb der betrieblichen Strukturen, um als Form eines Veränderungspotenzials anerkannt zu werden? Was für Szenerien und Reaktionen löst eine künstlerische Aktion womöglich aus und wie können wir diese für das System nutzbar machen? Wie groß ist der Spielraum? Wo liegen die Grenzen? Was unterstützt die Mitarbeiter dabei, in einem möglichen Scheitern eine Chance zu erkennen und zu nutzen? Unsere Wahrnehmungs- und Handlungsprämissen in dieser zweiten Prozessphase orientieren sich vornehmlich an den Grundregeln der Improvisation im künstlerischen Handeln: Wir handeln unter Ungewissheit und starten mit dem, was da ist. Indem wir das Thema auf eine andere Ebene heben, werden feste Muster und Diskurse verlassen. Wir sagen bevorzugt JA. Das Ungeplante, das uns zufällt, hat Vorrang. Unser Handeln, bei dem schnell Entscheidungen getroffen und Risiken getragen werden, will einfache Regeln haben. Wir planen nicht und lösen uns von vorgefertigten Ideen. Dies gelingt, indem wir jenes individuelle Handeln suchen, finden und fördern, das Etwas aus sich heraus »erschafft«. Den bekannten und sicheren Weg ergänzen wir durch neue Pfade. Wir suchen Gestaltungsanlässe in den Angeboten unserer Mitgestalter, und überraschen uns dabei selbst. Am Beispiel des Unternehmens Y zum Thema Wachstum und Veränderung bedeutet dies:
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Intervention Phase 2 Die konkrete Auseinandersetzung des Unternehmens mit der sichtbaren Veränderung eines gemeinsam geschaffenen Werkes provoziert Erfahrungsräume. Diese liegen zwischen der Lust am verändernden Gestalten, der Entdeckung von neuen, bisher nicht gekannten Möglichkeiten, dem Mut, anderes zu wagen und dem Verlustempfinden dessen, was nicht erhalten werden soll und der Schwierigkeit Altes loszulassen. Einige Teilnehmer behindern eine Weiterentwicklung, andere sind wiederum so radikal in ihrer Veränderungsbereitschaft, dass Bewährtes nicht einbezogen wird. Zwischen diesen Polen können verschiedene Vorgehensweisen ausprobiert und eigene Empfindungen wahrgenommen werden. Teilnehmer können auf dem künstlerischen Spielfeld »anders Handeln« versuchen, indem sie Materialien wegnehmen, entstehende Wirkungen wahrnehmen, neue Varianten der Gestaltung testen, um sie zu verdichten oder wieder aufzugeben. »Der erste Wurf« bleibt nicht Endergebnis, sondern Zwischenschritt in einer Reihe von Zwischenstadien eines sich dauernd wandelnden künstlerischen Ausdrucks.
2.3 Reflexion, Transfer, Nachhaltigkeit (Phase 3) Das scheinbar nicht Integrierbare wird einsetzbar und umsetzbar. Der Weg von der künstlerischen Intervention im Unternehmenskontext, über die Prozessreflexion zum Transfer ist nach unseren Erfahrungen nachhaltig, wenn dieser begonnene Weg im Arbeitsalltag fortgeführt wird. Unsere künstlerische Intervention ist ein erster Impuls, den es weiterzuführen gilt. Neben der Prozessreflexion und ihrem Blick zurück, geht es am Ende einer künstlerischen Intervention vor allem darum, gemeinsam neue Fragen und konkrete Aufgabenstellungen für die Zukunft zu entwickeln. Reflexion und Transfer sind zwei verschiedene Arbeitsschritte in den von uns initiierten Prozessen. In der Reflexion blicken wir zurück auf die Erfahrungen in der künstlerischen Intervention. Wir machen alte Handlungsstrategien und neue Handlungsoptionen bewusst. Im Transfer geht es um die Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse auf den beruflichen Alltag. Jede künstlerische Intervention braucht eine ausführliche, individuelle Prozessreflexion der persönlichen Erfahrungen. • Unsere Fragen zur Reflexion einer künstlerischen Intervention im Unternehmen: Wie ist vorgegangen worden? Wie wurde improvisiert? Auf welche Art wurde gestaltet? Welche Schritte sind anders gemacht worden als sonst? Was ist bekannt und was ist neu? Wo haben die Akteure sich selbst oder andere gebremst? Wo entstand ein Flow-Gefühl? Welche neuen Perspektiven haben sich eröffnet? Was war zielführend? Was war hemmend? Wie konnte Energie für eine befremdliche Aufgabe aufgebracht werden? Wie wurde mit Blockaden
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und Krisen umgegangen? Wo gab es Überraschungsmomente? Was hat Freude bereitet? Wodurch kam Frustration auf? Was war hilfreich? • Unsere Fragen zum Transfer einer künstlerischen Intervention im Unternehmen: Wo befinden sich rationale und emotionale Strukturähnlichkeiten zwischen künstlerischer Erfahrung und beruflicher Erfahrung? Welche neuen Handlungsoptionen lassen sich auf welche konkrete Arbeitssituationen im Alltag übertragen, indem sie Lösungswege eröffnen? Welche Phasen des künstlerischen Prozesses unterstützten die Teilnehmer in der Entwicklung einer künstlerischen Haltung und in wieweit sind diese Phasen im beruflichen Handeln bewusst einzusetzen und zu durchlaufen? • Unsere Fragen zur Nachhaltigkeit einer künstlerischen Intervention im Unternehmen: Wie können wir eine künstlerische, temporäre Intervention im Unternehmen so verankern, dass sie weiterhin wirksam ist? Wie lassen sich regelmäßige, künstlerische Lernräume im Unternehmen etablieren, damit eine Verstetigung der künstlerischen Haltung stattfinden kann. Welche konkreten Maßnahmen und Aufgaben lassen sich aus der Reflexion und dem Transfer ableiten und begleiten zukünftig die Mitarbeiter in ihrem Berufskontext? In welchen Intervallen und in welcher Art und Weise werden diese Maßnahmen und Aufgaben von uns Künstlern begleitet? Welche Maßnahmen und Aufgaben sind im Team oder Einzeln sinnvoll, um die künstlerische Haltung im außerkünstlerischen Feld aktiv zu pflegen und weiter zu entwickeln? Intervention Phase 3 Am Beispiel der künstlerischen Intervention im Unternehmen zum Thema Mitarbeiterverhalten in Veränderungsprozessen werden Strategien des Umgangs mit Veränderung erarbeitet. Durch den künstlerischen Erfahrungsraum entsteht eine Offenheit für Experimente und Improvisationen, es entwickelt sich Risikobereitschaft und Entscheidungsfreude. Auch Grenzen werden austariert und eine Balance gefunden zwischen extremen Polen; beispielsweise einem aktionistischem Handeln, das möglicherweise zu Beliebigkeit führt und einem Verharren in Bewegungsunfähigkeit, das als Stillstand erlebt wird. Die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens und der eigenen Möglichkeiten, aber auch das Erleben anderer neuer Handlungsoptionen und das gemeinsame Rekonstruieren von Handlung und Wirkung machen einen Diskurs möglich, der sich an konkret Erfahrbarem orientiert und damit verhandelbar wird. Trotz unterschiedlichem Erleben und teilweise gegenteiligen Wahrnehmungen zum Tempo, Art und Radikalität von Veränderungsschritten ist das künstlerische Experimentierfeld ein »neutraler« Ort, an dem Grundsatzfragen gefahrlos abgestimmt werden können. Dennoch ist die Erfahrung echt, das Erleben real. In verschiedenen Konkretisierungsschritten werden aus den künstlerischen Herangehensweisen Transfermöglichkeiten auf den Arbeitskontext abgeleitet. Substantielle Erkenntnisse und Reflexionsaspekte werden in konkrete Maßnahmen übersetzt.
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Es werden beispielsweise Situationen im Arbeitskontext identifiziert, wo konkretes Ausprobieren von neuen Vorgehensweisen ausdrücklich erwünscht ist, ein »zurückgehen« zu alten Strategien aber auch ein sinnvoller Schritt sein kann. Gesprächsforen werden initiiert, in denen neue Dialogkulturen erprobt werden. Neue Mitarbeiter und sogenannte »alte Hasen« diskutieren auf Augenhöhe über ausgesprochene und unausgesprochene Regeln und Gesetze.
3. F a zit — V on künstlerischem H andeln , künstlerischem P rodukt und künstlerischer H altung Wir folgten der Frage, inwieweit man mit Hilfe der Kunst aus einem Anliegen einen Auftrag, und aus einem Auftrag eine Konzeption entwirft, die schließlich zu einer Prozessinitiierung und Prozessgestaltung führt, an der am Ende ein Produkt steht, das reflektiert und auf den Arbeitsalltag der Mitarbeiter transferiert wird. Neben der Darstellung der drei Prozessphasen und der damit verbundenen, möglichen Prozessdramaturgie, möchten wir den Blick noch einmal weiten. »Kunst unternehmen« heißt für uns, als Maler, Bildhauer, Autor, Konzeptkünstler, Dramaturg, Szenograph und Regisseur, die wir in ein Unternehmen gehen, mit den dort vorhandene Menschen, Verhaltensweisen, Strukturen und Arbeitsformen künstlerisch in Dialog zu gehen. Wir explorieren eine ungewohnte und neue Sichtweise auf das angeblich Bekannte. Neue Blickwinkel auf eine komplexe und dynamische Wirklichkeit fordern neue Herangehensweisen, Improvisationsvermögen und ein hohes Maß an Kreativität heraus (s. Abbildung 1). Das Unternehmen als zu modellierendes Modell, als zu besetzende Figurenorchestrierung, als zu improvisierende Komposition zu denken, verlangt in der Folge nach neuen Gestaltungsoptionen und Lösungswegen. Das Unternehmen als System wird zum Gestaltungsspielraum, den es raumästhetisch zu betrachten, rollenspezifisch zu erproben und künstlerisch zu reflektieren gilt. Es entsteht im gemeinsamen Prozess ein Ausdruck in Form einer Skizze, einer Skulptur, einer Installation, einer Performance oder eines Forschungslabors. Als Ergebnis des künstlerischen Prozesses ist es ein Beweismittel für dessen Gelingen oder Scheitern. Es ist eine grundlegende Erfahrung, die wiederum befragt werden will. Reflexiv eröffnet der künstlerische Prozess bei den Beteiligten neue Handlungsperspektiven und Erkenntnishorizonte. Durch seine Befragung wird das Werk zum Spiegel, zum Resonanzkörper des gesamten Prozesses und seiner Protagonisten: Den Künstlern als Prozessbegleiter, den Mitarbeitern als Prozessteilnehmer und dem Unternehmen als Prozessinitiatoren. Das Spiel mit künstlerischen Handlungsoptionen, dem Wechsel von wahrnehmen und handeln, hinterfragen und experimentieren, spielen und finden, beobachten und verwerfen, konkretisieren und reduzieren, zweifeln und scheitern, ändern und setzen, verfolgen und
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zuspitzen folgt keiner wiederkehrenden Chronologie. Es wirkt innerhalb des Gestaltungsprozesses als Komposition freier Radikale.
Abb. 1: Komplexe und dynamische Wirklichkeiten begreifen Foto: Sandra Freygarten »Jedes Kunstwerk ist ein Augenblick; momentanes Innehalten des Prozesses als der es dem beharrlichen Auge sich offenbart. Sind die Kunstwerke Antworten auf ihre eigene Frage, so werden sie dadurch selber erst recht zu Fragen.« (Adorno 1970, S. 17)
Q uellen Adorno, T. W. (1970): Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M. Brater, M.; Freygarten, S.; Rahmann, E.; Rainer, M. (2011): Kunst als Handeln – Handeln als Kunst, Bielefeld. Handke, P. (2005): Gestern Unterwegs, Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990, Salzburg, Wien.
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Das Projekt planen Mit agilen Methoden kreative Prozesse steuern Thomas Sakschewski
1. E inführung »Künstler sind keine guten Organisatoren. Sie hassen Bürokratie, Sitzungen und Versammlungen. Sie finden das langweilig. Es fehlt ihnen auch die nötige Geduld, ein dauerhaftes Verteidigungssystem aufzubauen.« (Haacke/Bourdieu 1995, S. 20) Was Hans Haacke ebenso treffend wie verallgemeinernd über die Einstellung der Künstler behauptet, kann sicherlich nicht für jeden Künstler gelten. Nach einem aufreibenden, 23 Jahre dauernden politischen Prozess gelang es Christo und Jean-Claude, 1995 den Reichstag zu verhüllen. Das Gebäude, in dem auch Hans Haackes Installation »Der Bevölkerung« seinen Platz im nördlichen Innenhof gefunden hat. Auch diese Entscheidung verlief nicht ohne massive Kritik. Ai Weiwei betreibt mit viel künstlerischem, politischem und nicht zuletzt auch wirtschaftlichem Geschick eine Kunstfabrik, die zum einen chinesische Zensurbehörden beschäftigt und zum anderen international Ausstellungen, Installationen, Vorträge und Ehrungen plant und umsetzt – trotz weiterhin bestehenden Reiseverbots des Künstlers. Künstler sind eben nicht nur Selbstvermarkter – das waren sie schon in der Renaissance – sondern Initiatoren von Projekten. Und auch wenn die Künstler Bürokratie langweilig finden, so gelingen ihnen im Widerstreit mit Bürokratie, erstaunliche Projekte, meist im Team mit einer Technischen Leitung als Projektleiter. Kunsthistorisch ließe sich der Unterschied aus einem veränderten Werkverständnis von einem durch den Künstler selbst erschaffenen Werk hin zu einem offenen, durch Dritte nach dessen Ideen und Konzepten umgesetzten Werk herleiten. In dieser Hinsicht verändert sich auch die Rolle eines »Kunst-Projektmanagements«. Der lediglich konservatorische Blickwinkel eines Projektmanagements als erweitertes Art Handling oder einer nachgeordneten, technisch-operativen Abteilung im Museumsmanagement mit dem Ziel eines möglichst beschädigungsfreien und langfristig erhaltenden Umgangs mit Kunst kann somit nicht mehr allein geltend gemacht werden. Wenn die Werke selbst erst vor Ort gebaut,
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angepasst und vollendet werden, wenn das Werk im Dialog mit lokalen Akteuren entsteht, wenn das Werk über unterschiedliche Kanäle und Medien transportiert, vermittelt, ja vielleicht erst realisiert wird, dann verlangen Kunst-UnternehmensKooperationen (KUKs) ein Projektmanagement, das befähigt komplexe Entscheidungsprozesse zu planen und zu steuern. Die Legitimation für ein Kunst-Projektmanagement ergibt sich nicht zuletzt aus der Definition und den grundlegenden Methoden und Werkzeugen des Projektmanagements.
2. G rundl agen des P rojektmanagements Projekte zeichnen sich durch folgende Faktoren aus (Rinza 1998, S. 3; Diethelm 2000, S. 4): 1) Zielorientierung: Projekterfolg kann am Grad der Zielerreichung gemessen werden. 2) Befristung: Ein Projekt hat einen Anfang und ein Ende. 3) Begrenzung: Die finanziellen und personellen Ressourcen sind beschränkt. 4) Einmaligkeit: Die Gesamtheit der Bedingungen ist einmalig. 5) Komplexität der Aufgabe 6) Projektspezifische Organisation Jede Organisation ist bestrebt, betriebliche Routineprozesse zu optimieren, da routinierte Abläufe effizienter von Mitarbeitern ausgeführt werden können und die Abläufe leichter zu kontrollieren sind. Projekte stehen dieser Routine gegenüber und somit ist ein Projektmanagement vom Management der Routinegeschäftsprozesse abzugrenzen. Mit Projekten wird Neuland betreten, bei dem häufig anwendbare Erfahrungswerte oder vergleichbare Ausgangsdaten fehlen (Klein 2005, S. 10). Die strenge Zielorientierung stellt aus den oben genannten Faktoren die wichtigste Grundlage des Projektmanagements dar. Klar definierte, smarte – also spezifische, messbare, attraktive und realistische – Ziele im Projekt berücksichtigen die verschiedenen, an das Projekt gebundenen Interessen der Stakeholder. Sie unterstreichen den interdisziplinären Charakter der allermeisten Projekte. Ziele bewegen sich innerhalb der Größen Leistung, Termine und Kosten, die als zu berücksichtigende Parameter im Spannungsfeld des Magischen Dreiecks des Projektmanagements veranschaulicht werden und verschiedene Funktionen zu erfüllen haben (Gessler 2011, S. 102f.): • Kontrollfunktion: Mithilfe der Projektziele kann bewertet werden, ob ein Projekt erfolgreich war und, bei Zielerreichung, ob ein Projekt abgeschlossen ist. • Orientierungsfunktion: Projektziele geben eine Richtung an, in die sich das Projekt entwickeln soll.
Das Projekt planen
• Verbindungsfunktion: Eine gemeinsame Zieldefinition der Projektbeteiligten ermöglicht die Entstehung eines »Wir-Gefühls« untereinander. • Koordinationsfunktion: Die Definition verschiedener Projektziele ermöglicht eine Koordination einzelner Tätigkeiten im Projekt. • Selektionsfunktion: Bei einer Auswahl mehrerer Alternativen erleichtern Ziele das Treffen von Entscheidungen (hinsichtlich der Projektzielerreichung). Die vorab definierten Ziele bilden zumeist die Grundlage von Vertragsvereinbarungen zwischen Auftraggeber und Projektleitung und bestimmen den effizienten Einsatz der bei Projekten restriktiven Ressourcen. Konkret formulierte Ziele bilden die zentralen Steuerungsgrößen im Projektmanagement (Klein 2005, S. 32). Diese können organisationsintern oder extern beschränkt sein. Als organisationsinterne Restriktionen werden die zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen verstanden, die direkt durch die Projektleitung eingesetzt werden. Als extern gelten die Einschränkungen außerhalb der Projektverantwortung, die aber direkt auf das Projektmanagement einwirken, wie Anzahl und Bedeutung der Stakeholder, technische Bedingungen oder Vorgaben des Auftraggebers. Wenn wir die einzelnen Faktoren für eine Definition eines Projekts aufnehmen, können wir Projekte definieren als »Vorhaben mit definiertem Anfang und Abschluss, die durch die Merkmale zeitliche Befristung, Einmaligkeit, Komplexität und Neuartigkeit gekennzeichnet sind und wegen ihres interdisziplinären Querschnittcharakters eine vorübergehende organisatorische Veränderung und damit verbunden auch eine Neufestlegung der Aufgabenbereiche im Betrieb bewirken können; kurz ein Projekt ist ein außergewöhnliches Vorhaben.« (Madauss 2000, S. 516) Das Projektmanagement muss die Besonderheiten eines Projekts, also das Außergewöhnliche berücksichtigen. Anders als ein ablauforientiertes Management von Routinegeschäften zielt das Projektmanagement auf Ergebnisse, auf den Termin der Abnahme mit wechselndem Personal und häufig über Organisationsgrenzen hinweg. Das Routinegeschäft verlangt jedoch, wiederkehrende Prozesse unter möglichst effizientem Einsatz des Stammpersonals zu planen und muss daher organisationsorientiert statt zielorientiert arbeiten (Diethelm 2000, S. 6). Als Aufgaben des Projektmanagements gelten daher (DIN 69 901): • Umsetzung strategischer und operativer Konzepte des Unternehmens; Veranschaulichung der Projektziele und des Zeitrahmens bei der Projektplanung • Messung des Aufwands durch geeignete Instrumente und Gewährleistung von Optimierungspotenzial • Risikoanalysen für die technischen, wirtschaftlichen und ablauforganisatorischen Lösungen • Aktuelle Kommunikation zwischen den Teilnehmern innerhalb des Projekts und eine Darstellung über den Projektstatus • Steuerung und Koordination sämtlicher technischer Maßnahmen • Informationsweitergabe an extern mitwirkende Institutionen und Organisationen
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• Effektive Nutzung sämtlicher zur Verfügung stehender Ressourcen • Darstellung von Erfahrungen aus früheren bzw. aktuellen Projekten Das Projektmanagement verantwortet eine ausreichende Bereitstellung von Ressourcen, die Bestimmung der Projektabläufe und sorgt für die Bereitstellung der passenden Methoden und Steuerungsformen. Dabei sind die drei Grundprinzipien eines Projektmanagements zu beachten (Boy et al. 1995, S. 32): 1. Strukturierung des Projekts in Projektphasen 2. Bearbeitung vom Groben zum Detail 3. Projektsteuerung durch intentionale, integrative und möglichst transparente Problemlösungen Bei nur wenig komplexen Vorhaben kann ein Vorgehen in drei Schritten angebracht sein. Zunächst eine Beschreibung der Ausgangslage, nachfolgend die Zielformulierung und sodann die Zusammenstellung von Maßnahmen zur Zielerreichung (Bemmé 2011, S. 56). Für das Projektmanagement von KUKs erscheint die Zielformulierung (Was soll erreicht werden? Wer soll angesprochen werden? Wie kann der Erfolg gemessen werden?) von besonderer Bedeutung, denn im Sinne des Grundsatzes eines Projektmanagements gilt es die strategischen, taktischen und operativen Ziele der Kooperation zu beschreiben sowie die konvergenten und divergenten Zielvorstellungen der Stakeholder zu identifizieren und zu bewerten. Mit Abschluss der Zielsammlung und -bewertung werden die einzelnen Ziele konkretisiert (Boy et al. 1995, S. 45). Daraufhin ist die Projektorganisationsform festzulegen, eine Aufgabenplanung vorzunehmen sowie eine Aufwands- und Kostenkontrolle, die Terminplanung und das Projekt-Controlling festzulegen. Dabei ist die Reihenfolge der Bearbeitungsschritte von der Zieldefinition zur Planung und bis zur Kontrolle unter Nutzung der Methoden des Projektmanagements zu berücksichtigen. Nur so können die Vorteile eines Projektmanagements auch für die Planung und Durchführung von KUKs zum Tragen kommen. Als Vorteile gelten die terminorientierte und strukturierte Vorgehensweise, eine effiziente Ressourcennutzung und die schnelle Reaktionsfähigkeit bei Veränderungen (Burghardt 2012, S. 15f.; Diethelm 2000, S. 28). Im Sinne von Hans Haacke hat ein Projektmanagement von KUKs also die Aufgabe, die Künstler dort zu unterstützen, wo sie schwach sind – in der Organisation, bei Sitzungen in den mikropolitischen Schlangengruben der Durchsetzung von Vorhaben – und dort für die Künstler als Dienstleister zu wirken, wo ihre Stärken sind – in ihrer Flexibilität, Reaktionsschnelle und Kreativität. Für ein effizientes Projektmanagement gilt es, das Projekt ablauf- und aufbauorganisatorisch abzugrenzen, um auf bauorganisatorisch die Schnittstellen intern und extern zu identifizieren und ablauforganisatorisch die Aufgaben in ihren logischen Zusammenhängen zu erfassen. Für die auf bauorganisatorische Abgrenzung ist im ersten Schritt die Projektorganisation zu bestimmen und sind
Das Projekt planen
im zweiten über eine Stakeholder-Analyse die Interessensvertreter zu beschreiben. Die Organisationsformen lassen sich in Abhängigkeit vom Ausmaß der Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse der Projektleitung in vier grundsätzliche Arten unterscheiden: reine Projektorganisation, Einfluss-Projektorganisation, Matrix-Projektorganisation und Linien-Projektorganisation. Bei der reinen Projektorganisation werden die Projektmitarbeiter für die Dauer des Projekts zu einer neuen Organisationsform unter Führung des Projektleiters zusammengefasst. Die Projektleitung trägt die volle Verantwortung für die Erreichung der Projektziele und die Einhaltung von Terminen und Kosten (Vahs 2007, S. 198). Bei der Einfluss-Projektorganisation wird die Aufgabe der Projektkoordination von einer eigens dafür geschaffenen Stabsstelle oder als eingebettete Projektorganisation von einer Bereichsleitung übernommen. Die Projektkoordination besitzt hierbei weder Entscheidungs- noch Weisungskompetenzen. Die Projektverantwortung liegt bei der übergeordneten Instanz. Bei der Matrix-Projektorganisation werden die vertikalen funktions- oder objektorientierten Bereiche durch die horizontale Projektstruktur überlagert. Die Projektleitung ist für das Projekt verantwortlich (Diethelm 2000, S. 200f.). Häufig wird ein Lenkungsausschuss installiert, in dem neben dem Auftraggeber alle Entscheidungs- und Verantwortungsträger für das Projekt zusammengefasst sind. Bei der Linien-Projektorganisation ist das Projekt als Einzelprojekt in die bestehende Organisation des Unternehmens eingegliedert. Hierbei wird der Projektleiter beispielsweise als Gruppenleiter direkt dem Leiter einer Fachabteilung unterstellt. KUKs ohne explizites Projektmanagement werden zumeist als ein Einflussmanagement in Nebentätigkeit durch eine Stabsstelle wie z.B. Öffentlichkeitarbeit, Kulturabteilung oder Interne Kommunikation betrieben. Fehlende Weisungsbefugnis kann dabei durch individuelles Engagement, einem hohe Vernetzungsgrad im Unternehmen sowie kommunikative Kompetenz nach innen und nach außen aufgewogen werden. Eine reine Projektorganisationsform wird sich hingegen dann anbieten, wenn entweder die Projektleitung als Partner des Künstlers von außen kommt oder das Unternehmen wiederkehrend KUKs durchführt. Eine Matrix-Projektorganisation wird dann angebracht sein, wenn langfristig durch KUKs ein Veränderungsprozess des gesamten Unternehmens beabsichtigt wird. Da die Wahl der Projektorganisationsform von der Kooperationsform, dem Umfang und der Komplexität des Projekts und nicht zuletzt von der Organisation abhängig ist, kann eine allgemeingültige Empfehlung nicht gegeben werden. Im Selbstverständnis des Projektmanagements werden Stakeholder auch als »Projektbeteiligte« (DIN 69901) bezeichnet. Beispielhaft werden in der DIN 69901 Auftraggeber, Auftragnehmer, Projektleiter, Projektmitarbeiter und Nutzer des Projektergebnisses als Projektbeteiligte genannt. Für KUKs können als Stakeholder in diesem Sinne die Unternehmensmitarbeiter, Arbeitnehmervertreter, die Fachöffentlichkeit der Kunstwelt, die lokale Öffentlichkeit vor Ort, Kooperationspartner des Unternehmens und der Künstler genannt werden. Die Stakeholder-Analyse erfolgt in vier Schritten (Paul/Sakschewski 2014, S. 249):
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1. 2. 3. 4.
Identifikation der Projektbeteiligten Informationssammlung zu den Einstellungen und Einflussmöglichkeiten Bewertung von Einstellung, Einfluss und Macht Visualisierung der Bewertungen und Ableitung von Maßnahmen
Da gerade bei komplexen Vorhaben, mit mehrdeutiger Zielbestimmung Interessenskonflikten zwischen den Stakeholdern vorprogrammiert sind, basiert erfolgreiches Projektmanagement in einem hohen Maße auf einem guten Management der Stakeholder. Projektorganisationsform und Stakeholder-Analyse bilden auf bauorganisatorisch die Grundlage für ein Projektmanagement, während die Planung der Bearbeitungsschritte und Termine eine ablauforganisatorische Analyse verlangt. Die ablauforganisatorische Analyse eines Projekts erfolgt über eine Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilaufgaben und Arbeitspakete mit einer definierten Dauer, einer eindeutigen Verantwortlichkeit und einer Zuordnung zu den Projektphasen. Durch eine Strukturierung wird ein Projekt transparent, planbar und steuerbar (Diethelm 2000, S. 268). Die Aufgabenstruktur wird üblicherweise in der Form eines Baumdiagramms, eines so genannten ein Projektstrukturplans (PSP) erstellt. Der Projektstrukturplan ist eine vollständige, hierarchische Darstellung aller Elemente eines Projekts und gleicht einem Modell des Projekts, in dem ein logisches Gesamtbild aller projektrelevanten Aufgaben dargestellt wird. Durch die Zuordnung der Arbeitspakete zu einzelnen internen oder externen Mitarbeitern oder Abteilungen werden die einzelnen Pakete wieder zu Teilaufgaben synthetisiert. Der Projektstrukturplan verbindet als Instrument damit die ablauf- mit der auf bauorganisatorischen Analyse und bildet die Grundlage zur Terminplanung. Getreu der ersten beiden Grundprinzipien der Projektbearbeitung, also der Strukturierung des Projektes in Projektphasen und der Bearbeitung vom Groben ins Detail, werden Projekte in fünf Projektphasen, logisch und chronologisch voneinander getrennten Abschnitten unterteilt (DIN 69901). Die DIN-Norm zum Projektmanagement empfiehlt fünf Phasen: Initialisierung, Definition, Planung, Steuerung und Abschluss. Darin wird das Primat der Planung im Projektmanagement unterstrichen. Die drei Phasen Initialisierung, Definitionen und Planung dienen der Vorbereitung des Vorhabens. In der Steuerungsphase wird das Projekt umgesetzt und nachfolgend ordentlich abgeschlossen. Die Zeitpunkte, zu denen die Phasen abgeschlossen werden, stellen Ereignisse von besonderer Bedeutung (sog. Meilensteine) dar (DIN 69901). Das Projekt beginnt mit einem Kick-Off, ein gemeinsames Treffen möglichst aller Projektbeteiligten. In der Initialisierungsphase erfolgt der Projektauftrag. In der folgenden Definitionsphase werden die im Projektauftrag angelegten Ziele fixiert und das Projektumfeld analysiert. Das Team wird zusammengestellt und beginnt mit der Planung zur Umsetzung des Vorhabens. In Abgrenzung zur Definitionsphase besteht die besondere Herausforderung der Projektleitung
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in der Planungsphase darin, »einen Rückfall in die Ideenfindungsphase so weit wie möglich zu verhindern.« (Klein 2005, S. 55) Um stärker als in der Initialisierungsphase zielorientiert zu arbeiten, sind von der Projektleitung und vom Team Sozial- und Methodenkompetenzen gefragt. »Planen heißt, das zukünftige Handeln im Projekt zu durchdenken, den Weg zwischen Ausgangspunkt und Ziel im gedanklichen Vorgriff zu bestimmen und prognostisch abzuschreiten, um bei der anschließenden Umsetzung das geforderte Ziel mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen.« (Bemmé 2011, S. 71) In der Planungsphase werden der Projektstrukturplan, Finanzplan sowie Termin- und Ablaufplan zunehmend konkretisiert. Nach der Planungsphase beginnt die Steuerungs- bzw. Durchführungsphase. Hier werden die zuvor definierten Arbeitspakete in logischer Reihenfolge abgearbeitet. Die Aufgabenschwerpunkte der Projektleitung in der Durchführungsphase von KUKs bestehen nach innen in der Steuerung der Projektmitarbeiter durch regelmäßige Teamsitzungen, Kontrolle der delegierten Aufgaben und Entwicklung von Lösungen bei Konfliktfällen. Nach außen steht die Ergebnis- und teilweise auch Durchführungskontrolle der externen Partner im Vordergrund. Eine kontinuierliche Terminplanung und die Logistik für die einsatzsynchrone Anlieferung von Materialien und Objekten zur Kunstproduktion sowie nach Bedarf die Einsatzplanung für zusätzliche Fachkräfte und Experten wie z.B. bei der Mediensteuerung für Videoinstallationen sind ebenfalls wichtige Aufgabenbestandteile der Projektleitung. In der Durchführungsphase lässt sich das Rollenbild der Projektleiters als eine Mischung aus Assistenz der Künstler, Vermittler zwischen Künstlern und Stakeholdern und Controller zur Überwachung des Terminplans und des Budgets verstehen. Eine sorgfältige Planung stellte die Grundlage einer konfliktarmen Durchführungsphase, aber keine Garantie dafür dar, denn wie detailliert auch die Planung gewesen sein mag, so kommt es durch den Charakter eines Projektes immer wieder zu Entwicklungen, die nicht vorhersehbar gewesen sind. In der Planungsphase sind für diese Fälle zeitliche und finanzielle Puffer einzuplanen und Lösungsalternativen vorzubereiten. In der Abschlussphase müssen alle materiellen Ressourcen zurückgeführt werden, eventuell befristete Beschäftigungsverhältnisse aufgelöst und die Dokumentation des Projektes erstellt werden. Die Ziele eines systematischen Projektabschlusses sind (Klose 2001, S. 163): Aufarbeitung und Archivierung der Projektunterlagen, allgemeine Verfügbarmachung der Ergebnisse, betriebswirtschaftliche Auswertung, Auf bereitung des Projektes für die Öffentlichkeit und die Analyse der Projektabwicklung. Mit der auf bau- und der ablauforganisatorischen Analyse sind die Grundlagen eines Projektmanagements gegeben, denn mit Ablaufplanung ist es der Projektleitung möglich, die notwendigen Maßnahmen zur Zielerreichung den Projektphasen zuzuordnen und zu terminieren. Der Phasen- und Meilensteinplan ermöglicht die Bestimmung der Dauer von Vorgängen innerhalb der zeitlichen Abschnitte sowie die Identifikation von Zeitpunkten für Zwischenberichte und
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-kontrollen durch das Unternehmen und den Künstler. Mit einem Projektstrukturplan erfolgt die Zuordnung der Arbeitspakete und Teilaufgaben innerhalb der Projektorganisation oder in Beauftragung von externen Partnern oder Lieferanten und Dienstleitern.
3. A nforderungen an ein KUK -P rojektmanagement In der »Kunst des Handelns« beschreibt De Certeau Kreativität als Antidisziplin, die Ordnung als Disziplin (De Certeau 1988, S. 13ff.). Er nennt hierbei kreative Praktiken im Alltag, die sich gegen die Mechanismen der Disziplinierung durch Ordnung richten, also Gepflogenheiten, sie sich im Inneren von technokratischen Strukturen verbreiten und deren Funktionsweise unterlaufen.1 In diesem Sinne müsste ein Projektmanagement künstlerischer Prozesse die Differenz zwischen Kreativität und Organisation zu überwinden versuchen, um trotz der Unterschiede fruchtbare KUKs zu ermöglichen. Eine derartige Anforderung kann ein Projektmanagement nur überfordern. Eine derartige Opposition zwischen Kreativität und Ordnung beruht auf Bildern von Wirtschaft und Kunst, die auf ein spezifisches Verständnis Kunst und Kreativität beruhen (Richter/Maier 2011, S. 291). Wenn wir uns damit von der Lust an der Differenz der 1980er Jahre bei De Certeau trennen, dann schließen sich Kreativität und Organisation gar nicht aus, sondern kommunizieren miteinander, beeinflussen sich, ergänzen sich. Organisation und Kreativität sind eigenständige Disziplinen, die sich in einer vergleichbaren Struktur eines unterschiedlichen Sprachschatzes bedienen. »Sowohl im Bereich der Kreativität als auch im Bereich der Organisation wird mit Repräsentationen gearbeitet. Die Einen hantieren mit Geschäftsmodellen, Organigrammen, Tabellen und Zahlen. Die Anderen produzieren Romane, Bilder und Klänge und arbeiten mit Noten. […] Management ist also, wie die Kreativität, ein Vorgang, bei dem Komposition und Repräsentation eine wichtige Rolle spielen.« (Richter/Maier 2011, S. 296f.) Projektmanagement ist somit kaum als Brücke zwischen einem gegensätzlichen Paar zu verstehen, sondern als Übersetzer künstlerischer Repräsentationen in organisationale Sprache und umgekehrt. Restriktionen müssen dem Künstler vermittelt werden, auch ungewöhnliche Ideen müssen Gesprächspartnern erläutert werden, die wenige oder gar keine Vorkenntnisse zur Kunst besitzen.2 Diese Übersetzungsfunktion kann Projektmanagement im besonderen Maße leisten, da die Lösung von Transferaufgaben mit den damit verbundenen Ungewissheiten essenzieller Bestandteil der Projektarbeit ist (Peters 2012, S. 163). Die Ausrichtung an Schnittstellen und somit ein Denken in Projektnetzwerken, also temporären und zweckgebundenen Kooperationen, die sich an klaren Zielvorgaben und der gemeinsamen Bearbeitung von definierten Aufgaben orien1 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Enkelmann (S. 83ff.) in diesem Handbuch. 2 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Zünkeler (S. 409ff.) in diesem Handbuch.
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tieren, bildet eine Grundlage für das Projektmanagement komplexer Aufgaben (Paul/Sakschewski 2012, S. 207). Diese Kommunikationsaufgaben werden in der Projektorganisation durch Ergebnisorientierung, Interdisziplinarität und Befristung ergänzt. Projektorganisationen unterstützen daher im besonderen Maße kreative Prozesse in Unternehmen (Staber 2004, S. 30). »Die typische Kombination aus interdisziplinären, visionär-schaffenden, planerisch-strukturierenden und interaktiven Aufgabenstellungen eines Kulturprojekts setzt ein vielseitiges Kompetenzprofil voraus.« (Bemmé 2011, S. 30) Hierbei spielt die kommunikative Kompetenz in heterogenen Strukturen und ambiguen Situationen eine besondere Rolle (vgl. Abbildung 1). Das Projektmanagement von KUKs verlangt die Fähigkeit in den einzelnen Projektphasen fachliche Inhalte unter Berücksichtigung sozialer Komponenten zu verstehen und diese zum Teil komplexen Inhalte mit mehrdeutigen Bezügen unterschiedlichen Kommunikationspartnern glaubhaft und authentisch zu vermitteln. In der Initialisierungsphase gilt es, die technischen, infrastrukturellen und finanziellen Vorgaben des Auftraggebers zu bewerten sowie die Ideen und Konzepte des Künstlers fachlich und methodisch zu erfassen. In der Definitionsphase müssen diese unterschiedlichen Repräsentationsmodelle zusammengefasst und für eine Vielzahl von Schnittstellen wie technischen Dienstleistern, dem Projektteam und Abteilungen und Bereichen innerhalb des Unternehmens wie dem Controlling oder den Fachabteilungen auf bereitet werden. In der Planungsphase müssen im Dialog zwischen Kunst und Technik Lösungsmodelle mit dem Künstler und dem Team entwickelt werden, die in der Steuerungsphase gegenüber allen Partnern vertreten werden müssen.
Abb. 1: Kommunikationsaufgaben der Projektleitung in den KUK-Projektphasen
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In der Abschlussphase muss teamintern zurückgeblickt und müssen für mögliche Mängel oder Probleme Lösungen über den Projektzeitraum hinaus mit unterschiedlichen Gesprächspartnern im Unternehmen und extern initiiert werden. Dabei muss die Projektleitung dialogisch und im Team führen. Der Zusammenhalt im Team ist für das Projekt elementar. Diese Verantwortung liegt bei der Projektleitung. Sie muss eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, in der das Wir-Gefühl überwiegt, was nur durch eine offene, umfassende Kommunikation zu erreichen ist. Konfliktpotenziale existieren in heterogenen Kommunikationssituationen regelmäßig, doch diese sind möglichst früh aufzudecken und gute Leistungen im Projekt anzuerkennen (Schelle 1995, S. 44). Neben einem ausgewogenen Verhältnis von fachlichen Kompetenzen in dem spezifischen Kulturbereich, den methodischen Kompetenzen des Managements und den sozialen Kompetenzen, die eine derartige dialogische Führung erst ermöglichen, ist als besondere Fähigkeit für ein Projektmanagement von KUKs zu nennen, »sich selbst situativ zu managen, also bedarfsorientiert selbst zu führen und bewusst bzw. gezielt das eigene Verhalten zu erkennen (Selbst-Bewusst-Sein) und zu steuern« (Bremmé 2011, S. 32). In der Folge muss die Projektleitung in Konflikten zwischen Terminen, Kosten und Aufwand, zwischen Sach-, Inhalts- und medialen Zielen, zwischen Nutzungsanforderungen durch das Unternehmen und Nutzungsausschluss durch den Künstler eigenständig entscheiden, in welchem Maße diese Anforderungen erfüllt werden können, ohne dass die Ergebnisorientierung des künstlerischen Werks dadurch gemindert wird. Die Schwierigkeit besteht dabei in der Balance zwischen einem dem Projektmanagement inhärenten Blickwinkel der Zerlegung von Aufgaben in Teilaufgaben und dem holistischen Selbstverständnis der Kunst, in der das Werk eben nicht der Summe der Einzelteile entspricht, sondern nur ganzheitlich zu erfassen ist (Bendixen 2009, S. 178). Da der Projektleiter nicht nur erster Ansprechpartner für den Künstler, sondern auch für den Unternehmer ist, muss dieser neben Koordinationsaufgaben auch Konfliktmanagement nach innen und Projektmarketing nach außen betreiben. Er befindet sich in einer »Sandwich-Position« (Streich/Brennholt 2012, S. 65). Er trägt daher eine hohe persönliche Verantwortung für die Zielerreichung. Der Projektleiter ist für die inhaltliche Erfüllung der Sachziele, für die Einhaltung der Zwischen- und Endtermine sowie für die Einhaltung des Kostenrahmens verantwortlich (Rübner/Wünsch 2009, S. 84). Zudem ist eine Projektleitung bei KUKs als Vermittler gefragt und sollte über Kenntnisse von Moderations-, Gesprächsführungs- und Feedback-Techniken sowie von Methoden aus der systemischen Beratung verfügen (Rübner/Wünsch 2009, S. 66). Gerade in der Steuerungsphase wird von der Projektleitung eine hohe Stressresistenz verlangt, die durch die häufige Improvisation in letzter Sekunde verstärkt wird. Das Schaffen von Kunst ist ein Prozess, denn die Produktion von Kunst ist nicht vergleichbar mit der Ausschreibung und Vergabe einer Handwerkerleistung, da der künstlerische Prozess nicht lediglich die Umsetzung eines inneren Bildes in den Raum bedeutet, sondern zumeist eine schrittweise Annäherung. Häufige Änderungen von
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geplanten Maßnahmen stellen da die Regel dar. Hier nimmt die Projektleitung die Rolle eines Freundes und Weggefährten ein, der zwar bereit ist, alles sofort zu ermöglichen, aber auch Einwände formulieren darf, wenn durch Änderungswünsche abzusehen ist, dass das Budget überschritten wird oder Termine nicht eingehalten werden können. Die besonderen Anforderungen für ein KUK-Projektmanagement bestehen somit in folgenden Punkten: • • • •
Selbststeuerungskompetenz Vermittlung zwischen Kreativität und Organisation Hohe Schnittstellenkompetenz Dialogische Ergebnisorientierung
4. M ethoden und W erkzeuge für ein KUK-P rojektmanagement 4.1 Schnittstellenkompetenz als Basis Projektmanagement hängt in großem Maß von der Art und Weise ab, mit der Informationen im Projekt weitergegeben und verarbeitet werden (Bemmé 2011, S. 40). Das Projektmanagement von KUKs muss zumeist sehr unterschiedliche Ziele und eine Vielzahl verschiedener Stakeholder berücksichtigen. Dies verlangt eine hohe Schnittstellenkompetenz, dabei sind folgende Regeln und Hinweise zu beachten (Paul/Sakschewski 2014, S. 249f.): • Die Projektleitung übernimmt die Rolle eines Information-Hub mit einer zentralisierten Kommunikationsschnittstelle. Kommunikation über eine Vielzahl von Zwischengliedern führt zu Informationsverlusten durch Übermittlungsfehler oder Missverständnisse. Dies kann sowohl soziologisch als Alltagserfahrung, wie bei dem Kinderspiel der »Stillen Post« verstanden werden als auch technisch: »Since, ordinarily, channels have a certain amount of noise, and therefore a finite capacity, exact transmission is impossible.« (Shannon 1948, S. 635) Informationssysteme unterliegen also den Gesetzen der Entropie und Informationsverluste sind zwingend. Die Zentralisierung der Kommunikation verringert jedoch nicht nur die Informationsverluste, sondern verringert auch die Gefahr der Informationsverzerrungen durch unkontrollierte und informelle Kommunikationsprozesses zwischen beteiligten Partnern. • Die Projektleitung ist vernetzt und versteht die KUK als Projektnetzwerk in einer kontinuierlichen Kommunikation mit möglichst gleich bleibenden Gesprächspartnern durch alle Projektphasen hindurch. Dies erleichtert den Austausch zwischen unterschiedlichen Stakeholdern und verringert die Gefahr von Informationsverlusten. • Im Dialog mit dem Künstler werden im kreativen Prozess Abstimmungen und Zwischenschritte häufig mündlich auf Grundlage von einfachen Hand-
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skizzen oder Fotos geklärt, doch diese reichen zumeist bei der Weitergabe und Vermittlung an Produktionsbetriebe oder das Gebäudemanagement nicht aus. Hier ist die Schriftform zu bevorzugen. Die Schriftform getroffener Abstimmungen im Produktionsprozess, sei es auch nur als Stichwortprotokoll, ist dringend zu empfehlen, denn das gesprochene Wort ist zu häufig interpretationsbedürftig. Für die nachfolgende Dokumentation und um einen Lerneffekt aus gemachten Erfahrungen zu erzielen, ist die Schriftform unerlässlich. • Die Projektleitung sollte mit visuellen Mitteln arbeiten, denn eine grafisch ansprechende und übersichtliche Darstellung aller Akteure mit den wichtigsten Schnittstellen erleichtert den Umgang. Diese Übersicht kann in Form einer Mind Map, eines Organigramms oder mit webbasierten Werkzeugen erfolgen. Wichtig ist ein direkter Zugriff für alle Beteiligten.
4.2 Agiles Projektmanagement Die Werkzeuge und Methoden des traditionellen Projektmanagements stehen seit den 2000er Jahren zunehmend in der Kritik. Zahlreiche Großprojekte können erst nach erheblichen Terminverschiebungen mit enormen zusätzlichen Kosten fertiggestellt werden. Projekte verstetigen sich, werden nicht abgeschlossen oder drohen unter der Last bürokratischer Formalismen zu zerbrechen. Plan- und Ist-Werte, Wunsch und Wirklichkeit klaffen zu häufig auseinander. Die Methodenbreite des Projektmanagements führt zu Unsicherheit beim Projekteinsatz. Statt eine schnelle, flexible und kompetente Lösung zu finden, werden organisatorische Hürden aufgebaut. Vor diesem Hintergrund entstand 2001 in Utah das sogenannte »Manifest für Agile Softwareentwicklung«, zunächst nur eine Selbstverpflichtungserklärung der 17 Erstunterzeichner. Auf das Projektmanagement im Allgemeinen übertragen lassen sich die folgenden Prinzipien identifizieren (Hanisch 2013, S. 77; Meyerbröker 2011a, S. 6; Pröper 2012, S. 26): 1) Personen und Interaktionen sind bedeutender als erklärte Prozesse und Werkzeuge 2) Funktion ist bedeutender als umfassende Dokumentation 3) Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen 4) Offenheit für Veränderung ist wesentlicher als eine einfache Verfolgung des Plans Das agile Projektmanagement konzentriert sich stärker auf erreichbare Zwischenergebnisse, die im Dialog entstehen, anstatt sich auf Zielvorstellungen zu fixieren, die in einer frühen Planungsphase definiert worden sind. Dadurch wird es bei Beibehaltung der Vorteile des Projektmanagements (Planungstransparenz, Ergebnisorientierung, Teamarbeit) möglich, statt starrer Zielvorgaben mit Entscheidungsspielräumen zu planen. Projektmanagement löst sich damit vom Zen des Bogenschießens, mit einem einzigen Schuss Erfolg erzielen zu wollen, und
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wechselt zu den kontinuierlichen Ergebnissen eines Golfers, der von Loch zu Loch sich dem Ziel näher schlägt (Meyerbröker 2011a).
Abb. 2: Das Magische Dreieck des traditionellen Projektmanagements im Vergleich zu dem des agilen Projektmanagements Quelle: in Anlehnung an Müller/Gross 2011, o.S. Ein agiles KUK-Projektmanagement kann auf sich verändernde Anforderungen der Künstler reagieren, damit auch die drei Parameter des Magischen Dreiecks – Leistung, Termine, Kosten – flexibler gestalten, um den Erfolg des Produkts in den Vordergrund zu stellen. Im traditionellen Projektmanagement wird sehr früh eine genaue Leistungsbeschreibung verlangt. Veränderungen gelten dann als Feind des Projektmanagers (Meyerbröker 2011a). Veränderung im agilen Projektmanagement hingegen soll als Chance für das Projekt im Sinne selbstorganisierter Systeme nutzbar gemacht werden (Peters 2012, S. 152). Bei künstlerischen Projekten ist ein Projektverlauf ohne wesentliche Veränderungen kaum denkbar. Der Umfang der Leistungen lässt sich in der Initialisierungsphase höchstens grob schätzen. Wird der Leistungsumfang jedoch zu Beginn fixiert, so gilt dieser im Projektmanagement als Zielvorgabe. Steht aber der Leistungsumfang nicht mehr zur Diskussion, weil dieser z.B. als Vertragsgrundlage dient, werden häufig Zeit- und Kostenziele überzogen, um den anfänglich formulierten Leistungsumfang trotz Änderungen zu erreichen. Im agilen Projektmanagement wird der Leistungsumfang in der Initialisierungsphase nur ungenau beschrieben und erst im Projektverlauf spezifiziert (vgl. Abbildung 2). Dadurch bleibt der Leistungsumfang lange Zeit variabel und ist abhängig vom kontinuierlichen Dialog mit den Partnern. Termin und Kostenziele werden dagegen als fix betrachtet (Müller/ Gross 2011). Für die Leitung künstlerischer Projekte, in denen das Werk häufig ebenfalls inkrementell entsteht, würde eine starre Vorgabe in der Initialisierung die Enttäuschung beim Abschluss des Projekts bereits einschließen. Was zu Be-
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ginn an Idee und Vision mal diskutiert wurde, wird bei künstlerischen Projekten nur selten genauso am Ende auch umgesetzt. Da der Leistungsumfang in einem agilen Projektmanagement variabel ist, sind Vertragsvereinbarungen anders zu erfassen.3 Für den Einsatz bei KUKs bieten sich hier drei verschiedene Varianten an (Meyerbröker 2011b): • Reviews der getroffen Vereinbarungen in regelmäßigen, zeitlichen Abständen: Dieses Konzept bietet sich vor allem bei langfristigen Projekten an und verhindert die negative Wirkung von Nachverhandlungsrunden, wenn im Projektverlauf deutlich wird, dass frühere Ideen in der Form oder zu den Kosten nicht umsetzbar sind. Sind diese Runden von vornherein eingeplant, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass die Situation als Schwäche der jeweiligen anderen Seite gedeutet wird. • Ein eher ungenaue Absichtserklärung (Letter of Intent) für das gesamte Projekt und eine fixe Vereinbarung für die ersten Projektphasen: Dieses Vorgehen bietet sich bei sehr innovativen Formen der KUKs oder einer erstmaligen Kooperation an. Statt wegen bestehender Ängste und Zweifel über das Ausmaß und die Form der KUK gar nicht zusammen kommen zu können, ermöglicht die Absichtserklärung plus einer fixen Vereinbarung ein Kennenlernen und Ausprobieren, was dem gegenseitigen Vertrauen dient. Es erhöht zwar das Risiko für beide Seiten, wenn die ersten Projektphasen scheitern, kann aber bei einem partnerschaftlichen Verhältnis sehr viele Potenziale freisetzen, um die bestmögliche Lösung im Sinne der Projektziele zu erreichen. • Als agiler Festpreis kann die dritte Variante bezeichnet werden, bei der auf Basis einer genauen Projektbeschreibung für das gesamte Projekt eine pauschale Gesamtsumme vereinbart wird. Bei einer KUK wird beiden Seiten aber das Recht eingeräumt, Teile der in der Projektbeschreibung aufgeführten Leistungen umzuwandeln, solange der dafür benötigte Ressourcenaufwand bzw. die inhaltlichen Ausrichtungen auch als gleichwertig eingeschätzt werden. Die Flexibilität des Leistungsumfangs kann auch auf einen Teil des Gesamtumfangs wie z.B. 30 % oder 40 % der Tätigkeitsfelder laut Projektbeschreibung begrenzt werden. Diese Variante, die sich für alle KUK-Formen eignet, hat einen besonderen Vorteil bei bestehenden Kooperationen, da hierbei aufgrund bereits bestehender partnerschaftlicher Beziehungen die Gefahr gering ist, den flexiblen Vertragsteil für den eigenen Vorteil auszunutzen und so bereits zu Beginn eine Atmosphäre des Misstrauens zu schaffen.
3 | Vgl. dazu den Beitrag von Decker/Conrads (S. 397ff.) in diesem Handbuch.
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Die Partner suchen und finden KUK-Plattformen als Impulsgeber Carsten Baumgarth/Hendrik Brunsen/Nicole Lohrisch
1. E inleitung Kunst-Unternehmen-Kooperationen (im Folgenden als KUKs bezeichnet) gestalten sich heutzutage als eine für beide Seiten nutzbringende Beziehung. Unternehmen greifen auf Künstler zurück, um beispielsweise die Öffentlichkeitswirkung in eine bestimmte und für eine positive Reputation dienliche Richtung zu beeinflussen. Zum Einsatz kommen Künstler in Unternehmen auch, wenn das Personal durch gezielte Maßnahmen motiviert, neue Produktideen generiert oder die innerbetrieblichen Organisationsabläufe mit künstlerischen Ideen neu strukturiert werden sollen (Baumgarth et al. 2013, S. 149). Anreiz für die Künstler ist jedoch nicht nur das Finanzielle, sondern auch die Erweiterung ihres künstlerischen Horizonts durch neue Arbeitsmittel oder Aufgabenstellungen. Auch die Erzeugung von Aufmerksamkeit zur Akquise zukünftiger Aufträge stellt einen wichtigen Grund für Künstler dar, um mit Unternehmen zu kooperieren. Die Ergebnisse in der entsprechenden wissenschaftlichen Literatur (zum Überblick Baumgarth et al. 2014a; Berthoin Antal/Strauss 2013; Smagina/Lindemanis 2012; Darsø 2004) sowie die im Rahmen des Forschungsprojektes »Arts Push Business« (www.arts-push-business.de) durchgeführte Forschung unterstreichen diesen Nutzen für beide Seiten. Doch auch wenn solche Kooperationen in den meisten Fällen eine Win-winSituation darstellen, handelt es sich bei KUKs noch immer um ein relativ seltenes Phänomen. Die Problematik liegt hier zum einen darin, dass die Kunst und die Wirtschaft von den Akteuren mitunter als getrennte Welten betrachtet werden und eine gegenseitige Befruchtung als nahezu aussichtslos bewerten. Zum anderen sind im Fall einer grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft sowohl Künstler als auch Unternehmen mit dem Problem konfrontiert, einen passenden Kooperationspartner zu finden. Aus diesem Grund scheitert in vielen Fällen eine Kooperation nicht an der Bereitschaft der Partner, sondern an der Grundproblematik des mangelnden Wissens darüber, wer als Partner wie für eine Kooperation angeworben werden kann.
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An dieser Problematik setzt der vorliegende Beitrag an. Ziel dieses Beitrags ist es, mit den KUK-Plattformen ein Konzept zur Suche nach geeigneten Partnern für KUKs vorzustellen. Dazu erfolgt zunächst eine Konkretisierung des Ausgangsproblems zur Initiierung von KUKs und eine nähere Bestimmung sowie Einordnung von KUK-Plattformen. Anschließend werden mögliche Designs von KUK-Plattformen anhand der Recherche und der Analyse bereits existierender Plattformen herausgearbeitet. Anhand von realen Beispielen werden diese KUKPlattformen erläutert und in Idealtypen überführt. Diese idealtypischen Formen von KUK-Plattformen werden dann mit Hilfe eines Kriterienkatalogs systematisch beurteilt.
2. KUK -P l attformen als K onzep t zur I nitiierung von KUK s Einführend wird das Grundproblem der KUK-Initiierung in zwei Konstellationen beschrieben. Anschließend erfolgt eine begriffliche Bestimmung und Einordnung von KUK-Plattformen in den Prozess einer Kooperation.
2.1 Ausgangsproblem Das Grundproblem für die Initiierung von KUKs lässt sich auf zwei idealtypische Beziehungskonstellationen zwischen Künstlern und Unternehmen zurückführen. Diese Beziehungskonstellationen beschreiben zum einen eine Situation, in der sich Künstler und Unternehmen wie Fremde gegenüberstehen. In dieser Konstellation ist in erster Linie Unwissenheit über den Anderen sowie, aufgrund des oben genannten Problems der getrennten Welten, eine potenzielle Ablehnung des Anderen angelegt. Unternehmen erachten in dieser Konstellation Künstler als ökonomisch unproduktiv. Künstler wiederum betrachten die Zusammenarbeit mit Unternehmen als nicht erstrebenswert, da die ökonomische Welt der Rationalität und Effizienz die künstlerische Freiheit paralysiert. Zum anderen ergibt sich eine Situation, in der Künstler oder Unternehmen durchaus gewillt sind, mit dem jeweils Anderen zusammenzuarbeiten, jedoch Unsicherheit bezüglich der Wahl des potenziellen Partners herrscht.1 Als verbindendes Element dieser beiden Konstellationen lassen sich Wissensdefizite ausmachen. In der ersten Beziehungskonstellation handelt es sich um ein Wissensdefizit über den potenziellen Nutzen von KUKs, welches sich durch ein Wissensdefizit über die jeweils andere Systemlogik ergibt. Der Begriff System bezieht sich dabei auf einen durch seine spezifische Logik abzugrenzenden Gesellschaftsbereich (z.B. Luhmann 1998). Die systemische Grenze zwischen Kunst und Wirtschaft ist dabei nicht nur als eine Funktionale, sondern auch als eine Ideologische zu verste1 | Vgl. dazu ausführlich den Beitrag von Sandberg (S. 133ff.) in diesem Handbuch.
Die Par tner suchen und finden
hen. Für die Kunst erscheint die Wirtschaft als fremde Welt, für die Wirtschaft erscheint die Kunst als unbekannte Welt. Eine Zusammenarbeit erscheint als nahezu ausgeschlossen. Es handelt sich hierbei um eine schwache Beziehungskonstellation zwischen Unternehmen und Künstlern. Man kann auch von einem sehr geringen KUK-Potenzial sprechen. In der zweiten Beziehungskonstellation, in der durchaus die Bereitschaft angelegt ist, mit dem jeweils anderen zusammenzuarbeiten, entsteht eine Unsicherheit durch ein Wissensdefizit, welches durch das Überangebot an Künstlern beziehungsweise Unternehmen sowie fehlendes Wissen über die Kunstmärkte oder den Auf bau und die Prozesse von Unternehmen entsteht. Die Vielzahl an Möglichkeiten für potenzielle Kooperationen und die geringe Transparenz sowie die Vielzahl an potenziellen Kooperationspartner erschwert die Auswahl eines geeigneten Partners. Es handelt sich dabei um ein Wissensdefizit über den Passungsgrad, das Matching. Die hohe Komplexität führt zu Handlungsunsicherheit. In dieser Konstellation fehlen in erster Linie Informationen über potenziell passende Partner. Grundsätzlich lässt sich in dieser Konstellation von einer Bereitschaft der Akteure sprechen, eine Kooperation einzugehen. Die Beziehungskonstellation weist demnach ein weitaus höheres KUK-Potenzial auf. Im Folgenden wird mit dem Konzept der KUK-Plattformen ein Instrument in die Diskussion eingeführt, welches sowohl das Wissens- als auch das MatchingProblem reduzieren kann und damit in der Lage ist, die Anzahl an KUKs zu steigern. Es ist zu erwarten, dass KUK-Plattformen insbesondere in der Konstellation »Wissensdefizit über Matching« ein hohes Potenzial zur Initiierung von KUKs aufweisen.
2.2 Begriff und Einordnung von KUK-Plattformen Als KUK-Plattform wird jedes institutionelles und geplantes Instrument bezeichnet, welches potenziell in der Lage ist, die Idee von KUKs zu fördern und einzelne KUKs zu initiieren. Wichtig ist, dass es sich bei einer KUK-Plattform um keine zufällige Initiierung (z.B. Zufallsbekanntschaft auf einer Party) von KUKs handelt, sondern um eine bewusst geplante Vorgehensweise. Weiterhin zeichnet sich eine KUK-Plattform dadurch aus, dass es sich nicht um eine Einzelmaßnahme (z.B. Veröffentlichung eines Beitrags von KUKs in einer Managementzeitschrift), sondern um ein Bündel von Maßnahmen, welches zu einem stimmigen Design integriert wird, handelt. Schließlich verfolgt eine KUK-Plattform erstens mit der allgemeinen Sensibilisierung für den Sinn und einen Überblick über die Optionen von KUKs (»Aufklärungsfunktion«) sowie zweitens die Initiierung von konkreten KUKs durch das Matching (»Initiierungsfunktion«) gleichzeitig zwei Aufgaben. Solche KUK-Plattformen lassen sich in den allgemeinen KUK-Prozess (Baumgarth et al. 2014a) einordnen. Dieser KUK-Prozess, setzt sich, wie Abbildung 1 zeigt, aus den fünf Phasen Impuls, Partnerselektion, Konfiguration, Realisie-
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rung und Reflexion zusammen. KUK-Plattformen lassen sich insbesondere der Impuls- und Partnerselektionsphase zuordnen. Darüber hinaus kann eine solche KUK-Plattform für Künstler und/oder Unternehmen nachgelagert auch eine Möglichkeit zur Reflexion realisierter KUKs eröffnen.
KUK-Plattform
Impuls
Inhalte
• Ziel & Motivation • Initiator (Künstler, Unternehmen, Mittler)
(Potenzielle) Ergebnisse
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Grundsatzentscheidung für KUK
Partnerselektion • Suchansatz (offen, geschlossen, systematisch, agil) • Partnerselektion (Kriterien, Instrumente) • Partnergewinnung
„Letter of Intent“ (KUK-Absichtserklärung)
Konfiguration • Ziele & Aufgaben • Timing & Budget • Rechte (z.B. Copyrights) • Verhandlungen
KUK-Vertrag
Realisierung
Reflexion
• Koordination & • Formale Evaluation Projektmanagement • Persönliche • Feinjustierung Reflexion
KUK-Ergebnis (Kunstwerk, künstlerische Prozesse)
Beendigung, Fortsetzung oder Ausweitung der KUK
t
Abb. 1: Einordnung von KUK-Plattformen in den KUK-Prozess
3. T ypologie von KUK -P l attformen Um einen Überblick über die möglichen Ausgestaltungen von KUK-Plattformen zu erarbeiten, bieten sich zwei grundsätzliche Vorgehensweisen an (Kluge 1999, Knoblich 1972): • Erarbeitung von Idealtypen durch die Sammlung und Kombination von theoretisch abgeleiteten Merkmalen • Sammlung von realen Beispielen mit anschließender Beschreibung und Bildung von Realtypen Aufgrund der bislang geringen Anzahl von KUK-Plattformen wird im Weiteren eine Kombination aus theoretisch-deduktiver und beispielhaft-induktiver Vorgehensweise gewählt. Da bislang nur wenige reale KUK-Plattformen existieren, werden auch solche Plattformen berücksichtigt, die zur Kooperationsanbahnung von Unternehmen mit anderen Dienstleistern bzw. von Künstlern mit anderen Organisationen eingesetzt werden. Methodisch wurden zunächst Grundtypen von KUK-Plattformen theoretisch abgeleitet. Anschließend wurden Plattformen im Internet recherchiert und hinsicht-
Die Par tner suchen und finden
lich ihrer Form, ihrer Ausprägungen sowie ihrer zugrundeliegenden Mechanismen analysiert. Weiterhin wurde für jeden Grundtypen ein prototypisches Beispiel näher beschrieben und analysiert. Schließlich wurden auf der Basis der empirischen Beispiele idealtypische Ausprägungen der einzelnen Merkmale abgeleitet.
3.1 Grundtypen der KUK-Plattformen KUK-Plattformen lassen sich zunächst in drei Formen einteilen. Sie erscheinen entweder als Wettbewerb, als Community oder als Börse. Darüber hinaus lassen sie sich danach unterscheiden, ob sie überwiegend real oder virtuell stattfinden. Durch die Kombination dieser beiden Ebenen ergeben sich sechs Grundtypen für KUK-Plattformen. (1) Communities Gemeinsame Merkmale von Communities sind der überwiegend kontinuierliche Charakter verbunden mit einer losen Bindung zwischen den Teilnehmern. Typische Beispiele für diesen Typ sind Social-Media-Plattformen, wie beispielsweise die Online-Plattform deviantart.com. Community umfasst andererseits aber auch reale Formen wie Künstlervereine, Konferenzen oder Messen zum Verhältnis von Kunst und Wirtschaft (z.B. Bertram 2012; Hellmann 2005; Slater 2004; Loewenfeld 2006). (2) Wettbewerbe Im Sinne von Wettbewerben werden Preise in Aussicht gestellt, auf die sich die Teilnehmer mit ihrer Idee oder ihrem Konzept bewerben können. Zentrale Merkmale von Wettbewerben sind, dass i.d.R. eine einzelne Aufgabe mit einer Zeitbegrenzung ausgeschrieben wird und am Ende einzelne Vorschläge prämiert (häufig durch eine Jury oder eine Abstimmung in der Community) werden. Weiterhin handelt es sich bei Wettbewerben nicht immer um konkrete Problemstellungen aus der Unternehmenssicht, sondern häufig um offene und nur bedingt mit dem Unternehmen verknüpfte Ausschreibungen. Weiterhin ist die Netzwerkstruktur eher durch ein fokales Element (z.B. Unternehmen) und viele weitere, untereinander wenig verbundene Elemente gekennzeichnet, die überwiegend nur mit dem fokalen Element in Austausch stehen. Die Wettbewerbe ähneln insbesondere der in der Werbewirtschaft verbreiteten Pitchkultur, sind aber hier als ein heterogener und variabler Grundtyp von KUK gedacht (z.B. Walcher 2007, S. 38ff.). (3) Börsen Börsen funktionieren wie Marktplätze, auf denen potenziell Interessierte an konkreten Kooperationen aus Kunst und Wirtschaft zusammentreffen, mittels Kommunikation den Passungsgrad zueinander ausloten und Möglichkeiten sowie Formen der Kooperation aushandeln (z.B. Kollmann 2009, S. 394ff.; Simon 2000). Börsen als Institution sind nicht immer zeitlich begrenzt, sondern können
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auch kontinuierlich stattfinden (lediglich die einzelnen Angebote und Ausschreibungen sind zeitlich begrenzt). Weiterhin kann im Gegensatz zu Wettbewerben auf allen Seiten eine stärkere Vernetzung zwischen den Elementen entstehen. Abbildung 2 visualisiert diese drei Grundtypen der KUK-Plattformen.
Abb. 2: Grundtypen einer KUK-Plattform Neben diesen Grundformen lassen sich KUK-Plattformen auch danach unterscheiden, ob es sich um eine reale oder eine virtuelle Plattform handelt, wobei es sich bei dieser Einteilung nicht um eine eindeutige Kategorisierung, sondern um eine Frage der Intensität handelt, da auch reale Formen z.B. für die Kommunikation und Bekanntmachung digitale Kommunikationsinstrumente einsetzen. Community real
virtuell
Art matters Workshops Arts Club Berlin Designertreff Made Nordkolleg Seminar DeviantART Made Startnext
Wettbewerb
Börse
Art matters Kampagnen Artist in residence Blooom Award by WARSTEINER
3x3 Co-Brands Marxconomy Matchmaking Pitchmarathon
Designboom Jovoto Krügerol Lego Cuusoo
12 Designer InnoCentive Design Crowd InnoCentive UnserAller
Tab. 1: Typologie von KUK-Plattformen
Die Par tner suchen und finden
Im Rahmen einer Internetrecherche wurden insgesamt 24 Plattformen identifiziert. Dabei zeigt die Empirie, dass alle drei Grundformen sowohl in virtueller als auch realer Form existieren. In Tabelle 1 werden exemplarisch jeweils ein Fallbeispiel für einen Wettbewerb, eine Community und eine Börse aufgeführt und der realen beziehungsweise virtuellen Erscheinungsform zugeordnet.
3.2 Plattformbeispiele Um die verschiedenen Grundtypen besser zu verstehen, wird im Weiteren jeweils ein konkretes Beispiel vorgestellt, wobei nicht alle der vorgestellten Beispiele KUK-Plattformen i.e. S. sind, sondern teilweise auch zur Initiierung von andersgearteten Zusammenarbeiten von Künstlern und/oder Unternehmen dienen. Diese Darstellung soll die Bandbreite an Optionen und die konkreten Umsetzungsmöglichkeiten verdeutlichen. Gleichzeitig unterstützt die Analyse von realen Beispielen die Konzeption einer eigenständigen KUK-Plattform. Die realen Plattformen werden nach einem einheitlichen Schema anhand von zehn Merkmalen systematisch charakterisiert. In Tabelle 2 sind diese Merkmale aufgeführt und kurz erläutert. Plattformtyp
Einordnung in die Typologie von KUK-Plattformen
Initiator
Gründer der Plattform (Künstler, Unternehmen oder Intermediäre)
Fokus
Eine Plattform kann gleichermaßen, stärker oder ausschließlich Unternehmen oder Künstler hinsichtlich der Zusammenführung der Partner ansprechen
Ablauf & Merkmale
Dargestellt wird die Funktionsweise der Plattform hinsichtlich der Etappen auf dem Weg zu einer KUK
Offenheit & Teilnehmer
Bezieht sich auf ein potenzielles Anmeldeverfahren, Beschränkungen bei der Teilnehmerzahl oder eine Auswahl von Teilnehmern
Strukturierungsgrad
Unterschieden wird hier zwischen den Polen eines flexiblen und eines strukturierten Zusammenkommens. Je höher der Strukturierungsgrad, desto stärker forciert die Plattform die Initiierung von KUKs
Zeitlicher Bezug
Zeitlicher Rahmen der Plattform, Zeitraum der KUK
KUK-Bezug
Da nicht jede Plattform auf Kooperationen von Künstlern und Unternehmen ausgerichtet ist, wird hier der Bezug zu KUKs hergestellt
Output
Abgebildet wird, was die Plattform im Kontext von KUKs direkt oder indirekt bewirkt
Besonderheiten
Besondere Merkmale, Funktionsweisen oder Tools der spezifischen Plattform
Tab. 2: Merkmalskatalog zur Charakterisierung von KUK-Plattformen
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3.2.1 Communities (a) Arts Club Berlin Der Arts Club Berlin (ACB) versteht sich selbst als ein kommunikatives Forum für den künstlerischen und interdisziplinären Austausch. Er wurde 2012 von dem Verein Berliner Künstler (VBK), dem ältesten Künstlerverein Deutschlands, ins Leben gerufen. Mit der Gründung des ACB wurde auf die sich wandelnden Bedingungen künstlerischer Praxis reagiert. Ein wichtiges Ziel des ACB ist es, den Künstlern neue Perspektiven zur Kooperation mit kunstfremden Akteuren aufzuzeigen. Es handelt sich um einen Community-Plattform, welche überwiegend real stattfindet. Im Rahmen des ACB werden Vorträge, Clubtreffen und Diskussionsabende für alle interessierten Künstler und Kulturschaffende organisiert. Im Jahr 2013 fand eine Themenreihe mit mehreren Abendveranstaltungen zu »Kunst und Wirtschaft« in den Räumen des Künstlervereins statt. Im Jahr 2014 standen Verbindungen zwischen »Kunst und Politik« im Mittelpunkt. Die Teilnahme an den Veranstaltungen des ACB ist grundsätzlich ohne Beschränkung und kostenfrei, lediglich eine Anmeldung zu den Veranstaltungen ist erforderlich. Geworben wird für die Veranstaltungen unter anderem mit einer eigenen Homepage und einem E‑Mail-Verteiler. Durch den kommunikativen Austausch auf den Veranstaltungen des ACB entsteht nicht nur eine Plattform, welche Informationen weitergibt und damit Aufklärung betreibt, sondern auch ein Ort, welcher die Initiierung möglicher Kooperationen fördern kann. Der ACB tritt dabei als Intermediär auf und fokussiert eher die Künstlerperspektive (ACB 2014). Tabelle 3 fasst die wesentlichen Punkte zusammen. Plattformtyp
Reale Community
Initiator
Intermediär
Fokus
Eher Künstler
Ablauf & Merkmale
1) Vorträge durch Künstler sowie Akteure aus anderen gesellschaftlichen Bereichen 2) Anschließende Diskussion und Zusammenkommen
Offenheit & Teilnehmer
Offen; Jeder kann teilnehmen
Strukturierungsgrad
Sehr flexibel, geringer Strukturierungsgrad
Zeitlicher Bezug
Mehrere Abendveranstaltungen
KUK-Bezug
Möglichkeit der KUK-Initiierung
Output
Information/Aufklärung, Kennenlernen/Kontakte knüpfen
Besonderheiten
Bezieht sich insbesondere auf die Vortragsreihe »Kunst und Wirtschaft« im Jahr 2013
Tab. 3: Plattform Arts Club Berlin (b) DeviantART DeviantART ist eine im Jahre 2000 gegründete Online-Community für Künstler. Sie ermöglicht Künstlern, darunter Fotografen, ihre Werke online zu stellen und
Die Par tner suchen und finden
damit einem breiten Publikum zugänglich zu machen. DeviantART ist kostenfrei und fungiert ebenso als Social-Media-Plattform für Künstler inklusive eines integrierten Nachrichtensystems. Es handelt sich nach eigenen Angaben mit 30 Millionen Usern um die größte Online-Community für Künstler weltweit. 65 Millionen Besucher klicken monatlich durch die Seiten von DeviantART (Stand Februar 2014). Der User kann auf den Seiten von DeviantART über 278 Millionen Kunstwerke anschauen (Stand Februar 2014). Neben der Ausstellung digitalisierter Werke bietet DeviantART auch eine Verkaufsfunktion. Nutzer der Community können ihre Werke beispielsweise als Poster oder Drucke verkaufen. DeviantART richtet sich insbesondere an die bildenden Künste sowie die Fotografie. Zu den vorgestellten Kunst-Kategorien gehören beispielsweise klassische und moderne Kunst, Cartoons & Comics, Manga & Anime, aber auch Literatur sowie Filme und Animationen. Zudem werden auf der Seite auch Design-Wettbewerbe vorgestellt, an denen sich die User beteiligen können. Mit der Möglichkeit der Wohnort-Angabe ist es zudem möglich, andere User auch real zu treffen (DeviantART 2014). Tabelle 4 fasst die wesentlichen Punkte zusammen. Plattformtyp
Virtuelle Community
Initiator
Intermediär
Fokus
Künstler
Ablauf & Merkmale
Künstler können ihre Werke präsentieren und eventuell verkaufen
Offenheit& Teilnehmer
Eher offen; Künstler
Strukturierungsgrad
Flexibel, eher geringer Strukturierungsgrad
Zeitlicher Bezug
Kontinuierlich
KUK-Bezug
Kooperation können sich durch Präsentation oder regionale Treffen ergeben
Output
Präsentationsmöglichkeit für Künstler; Verkäufe
Besonderheiten
Richtet sich insbesondere an bildende Kunst
Tab. 4: Plattform DeviantART
3.2.2 Wettbewerbe (a) Blooom Award by WARSTEINER Seit 2010 findet jährlich der Blooom Award statt, ein von der Firma WARSTEINER initiierter Kunstwettbewerb (ausführlich Baumgarth et al. 2014b). Nach Angabe von WARSTEINER zielt der Blooom Award darauf ab, jungen aufstrebenden Künstlern eine Chance zu bieten, Fuß in der internationalen Kunstszene zu fassen. Der Blooom Award funktioniert wie ein realer, klassischer Wettbewerb. Die Teilnahme an dem Wettbewerb ist kostenfrei. Die Teilnehmer können ihre Ideen in einem ca. zehnmonatigen Bewerbungszeitraum einreichen. Dabei ist ein zentrales Anliegen der Blooom Award-Initiatoren, die Grenzen zwischen bildender
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und darstellender Kunst, Musik, Design, Mode, Urban Art, Filmen oder Werbung verschwimmen zu lassen. Die Kunstwerke werden durch eine Jury bestehend aus Künstlern, Kulturschaffenden sowie einer Vertreterin von WARSTEINER bewertet. Auf der Online-Plattform des Blooom Awards werden die zehn Finalisten präsentiert. Die ersten drei Gewinner erhalten zusätzliche Preise, wie beispielsweise die öffentliche Präsentation der Werke auf der Blooom-Ausstellung, eine Mentorenunterstützung sowie Reisen zu internationalen Kunstausstellungen (Blooom Award 2014). Tabelle 5 fasst die wesentlichen Punkte zusammen. Plattformtyp
Realer Wettbewerb
Initiator
Unternehmen (WARSTEINER)
Fokus
Künstler
Ablauf & Merkmale
1) Künstler und Kreative bewerben sich mit einer Idee 2) Auswahl von Preisträgern
Offenheit& Teilnehmer
Offen; Künstler
Strukturierungsgrad
Strukturiert, eher hoher Strukturierungsgrad
Zeitlicher Bezug
10-monatiger Bewerbungszeitraum; jährliche Ausschreibung
KUK-Bezug
WARSTEINER kooperiert mit Künstlern
Output
Ausstellung für Künstler; Image für Unternehmen
Besonderheiten
-
Tab. 5: Plattform Blooom Award (b) Jovoto Jovoto wurde 2006 an der Universität der Künste Berlin gegründet (Jovoto 2014). Jovoto ist eine Online-Plattform mit einem Pool von 50.000 bis 100.000 Kreativen aus über 190 Ländern. Auf der Plattform können Unternehmen unter den Rubriken Design & Branding, Communication, Innovation (Produktdesign) und Architektur online ein Problem samt Preisgeld einstellen und zur Problemlösung aufrufen. Der Kreativpool – bestehend aus Architekten, Produktdesignern, Erfindern, Künstlern, Illustratoren, Copywritern, Konzeptköpfen, Art Direktoren, Sounddesignern, Creative Technologists, 3D-Animateuren und Ingenieuren – tritt dann zum Wettbewerb an. Die Kreativen aus den unterschiedlichsten Bereichen haben dann die Möglichkeit, aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Ausschreibung mit kreativen Ideen und innovativen Lösungsansätzen zu reagieren. Communityteilnehmer wie auch projekt- und branchenspezifische Jurys kommentieren und bewerten die eingereichten Ideen. Die besten Einzel- und Teamideen werden mit Preisgeldern prämiert. Bisher wurden in den acht Jahren des Bestehens von Jovoto rund 250 Projekte umgesetzt. Tabelle 6 fasst die wesentlichen Punkte zusammen.
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Virtueller Wettbewerb
Initiator
Unternehmen
Fokus
Künstler, Kreative, Architekten, Ingenieure
Ablauf & Merkmale
1) Ausschreibung Wettbewerb inklusive Preisgeld 2) Einreichung von Ideen zur Problemlösung 3) Bewertung durch Community und Jury 4) Prämierung der besten Ideen und Preisverleihung
Offenheit& Teilnehmer
Offen, Anmeldung
Strukturierungsgrad
strukturiert
Zeitlicher Bezug
Ausschreibungszeitraum
KUK-Bezug
Künstlerbezug
Output
Preisgeld
Besonderheiten
Gegründet von Studenten der Universität der Künste Berlin
Tab. 6: Plattform Jovoto
3.2.3 Börsen (a) Marconomy Matchmaking Matchmaking ist ein Veranstaltungsformat im Sinne einer realen Börse. Es handelt sich um eine eintägige Veranstaltung, auf der Werbetreibende und Verantwortliche aus den Bereichen Marketing, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit mit Akteuren aus der Kreativwirtschaft zusammengebracht werden. Initiiert wurde diese Plattform von marconomy, einem Intermediär aus der Fachmedienbranche, und ist auf Unternehmen und Dienstleister fokussiert. Die Veranstaltungen finden regelmäßig statt. Teilnehmen kann potenziell jede Person aus den Bereichen Kunst/Kultur oder Werbung/Marketing bei vorheriger Anmeldung. Die Dienstleister aus der Kreativwirtschaft, die sich in achtminütigen Präsentationen vorstellen können, zahlen einen Beitrag von 2.990-3.490 Euro. Die teilnehmenden Unternehmen zahlen einen Eintritt von 250 Euro. Der Ablauf eines Matchmakings gestaltet sich in drei Schritten. Im ersten Schritt stellen 18 Kreative und Künstler in acht-Minuten-Kurzpräsentationen ihre Konzepte, innovative Ideen oder erfolgreiche Projekte vor, die im Bereich Marketing und Kommunikation von Relevanz sein könnten. Im zweiten Schritt werden ähnlich zu einer Speed-Dating-Börse die Referenten und die Besucher aus der Wirtschaft für kurze, 15-minütige Gespräche zusammengebracht. Dort können die Akteure Informationen austauschen und die Möglichkeiten einer potenziellen Zusammenarbeit ausloten. Dabei kann jeder Vertreter aus der Wirtschaft selbst entscheiden, mit welchen Referenten er sprechen möchte und wie eine potenzielle Kooperation ausgestaltet wird. Den Teilnehmern wird auch die Gelegenheit geboten, persönliche Gespräche mit ausgewählten Dienstleistern schon vor der Veranstaltung zu buchen. Entwickelt wurde auch eine App, um Matchmakings online zu buchen (Matchmaking 2014). Tabelle 7 fasst die wesentlichen Punkte zusammen.
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Carsten Baumgar th/Hendrik Brunsen/Nicole Lohrisch Plattformtyp
Reale Börse
Initiator
Intermediär (Medienunternehmen)
Fokus
Künstler und Unternehmen
Ablauf & Merkmale
1) Kreative präsentieren Werbetreibendenkurz auf der »Bühne« ihre Ideen 2) Im Anschluss finden potenzielle Matchmaking-Gespräche zwischen einzelnen Kreativen und Unternehmen statt
Offenheit& Teilnehmer
Eher geschlossen; 50 Unternehmen, 18 Kreative
Strukturierungsgrad
hoher Strukturierungsgrad
Zeitlicher Bezug
1 Tag
KUK-Bezug
Kooperation von Unternehmen und Kreativwirtschaft bzw. Marketingdienstleistern
Output
Initiierung von Kooperationen
Besonderheiten
striktes und zeiteffizientes Programm Insbesondere für Werbung/Marketing
Tab. 7: Plattform Matchmaking (3b) InnoCentive InnoCentive ist eine virtuelle Börse zur Vermittlung von Innovativen und Kreativen für Unternehmen, welche ein unternehmerisches Problem zu lösen haben. Initiiert wurde diese Online-Plattform 2001. Mittlerweile operiert sie in über 200 Ländern. Nach eigenen Angaben erreicht InnoCentive über 13 Millionen potenzielle Problemlöser. Über InnoCentive wurden bis heute über eine halbe Million Projekte abgewickelt (Stand Februar 2014). Der Ansatz von InnoCentive ist, dass Probleme in der Wirtschaftswelt, aber auch in der Gesellschaft im Allgemeinen, durch Kreativität sowie emotionale Hingabe gelöst werden können. Ein Argument von InnoCentive ist, kostengünstig über dieses Portal Problemlöser unterschiedlicher Bereiche einzubinden. Der Prozess verläuft in drei Schritten. Im ersten Schritt kontaktieren Unternehmen mit einem unternehmerischen Problem die Agentur InnoCentive und beauftragen diese, das Problem zu lösen. Im zweiten Schritt tritt InnoCentive an passende Problemlöser heran und lässt von diesen das Problem bearbeiten. Im dritten Schritt wird dem Auftraggeber der Problemlösungsvorschlag unterbreitet. Neben dieser Form des Zusammenbringens ist auf der Webseite auch eine Plattform für Wettbewerbe geschaltet, auf der sich Problemlöser für spezifische Projektemit ihren Ideen bewerben können. Aufgelistet sind die Firmen mit dem Auftrag, die Vergütung sowie die Deadline für die Ideen (InnoCentive 2014). Tabelle 8 fasst die wesentlichen Punkte zusammen.
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Virtuelle Börse
Initiator
Intermediär (Agentur)
Fokus
Künstler/Innovative/Kreative
Ablauf & Merkmale
1) Unternehmen mit Probleme kontaktieren Agentur 2) Agentur sucht passenden Akteur, welcher das Problem lösen kann
Offenheit& Teilnehmer
Eher geschlossen; Künstler/Innovative/Kreative
Strukturierungsgrad
Strukturiert, eher hoher Strukturierungsgrad
Zeitlicher Bezug
Projektbezogen
KUK-Bezug
Auch Künstler können beauftragt werden
Output
Aufträge für Künstler und Dienstleistung für Unternehmen
Besonderheiten
Eher für Innovationen gedacht
Tab. 8: Plattform InnoCentive
3.3 Merkmale der idealtypischen KUK-Plattformen Um die einzelnen Plattformtypen klar zu unterscheiden und einen deutlichen Bezug zu KUKs herzustellen, können die Plattformtypen in Idealtypen überführt werden. Die beschriebenen Beispiele sind zum Teil nicht ausschließlich auf Künstler und Unternehmen bezogen, so dass sich eine Abstraktion zur Konstruktion von KUK-bezogenen Idealtypen anbietet. Ferner hat dieser Schritt auch einen methodischen Hintergrund. Unternehmen und Künstler wurden danach befragt, welche der Plattformtypen, ihrer Meinung nach, umsetzbar und fruchtbar für KUKs sind. Für die Charakterisierung der Idealtypen sind, wie in Tabelle 9 aufgezeigt, die gleichen Kategorien wie bei der Beschreibung der Beispiele verwendet worden. Als zusätzliche Kategorie wird der finanzielle Beitrag für Unternehmen, Künstler und Betreiber aufgenommen. Der zeitliche Bezug stellt auf eine spezifische KUK ab. Virtuelle Wettbewerbe oder virtuelle Börsen bieten ein fast permanentes Angebot an potenziellen KUKs an. Berücksichtigt bei der idealtypischen Konstruktion wurden nicht nur die oben beschriebenen Beispiele, sondern alle recherchierten und kategorisierten Plattformen.
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Carsten Baumgar th/Hendrik Brunsen/Nicole Lohrisch Plattformtyp Initiator
Fokus
Ablauf & Merkmale
Community real virtuell Künstler & Künstler & IntermeIntermediär diär Künstler & Unternehmen 1) Informationsvermittlung 2) Diskussion
Offenheit & eher offen Teilnehmer Strukturierungsgrad
sehr flexibel
Zeitlicher Bezug
1-2 Tage
Finanzieller Geringe Bezug Teilnehmerkosten & hohe Betreiberkosten
Output
Künstler & Unternehmen 1) Sozialer Austausch unterschiedlicher Akteure und Präsentation eigener Werke
Wettbewerb real virtuell UnterUnternehmen & nehmen & Intermediär Intermediär Künstler Künstler
Börse real virtuell Interme- Intermediär diär
Künstler & Unternehmen 1) Infor1) Ausschrei- 1) Ausbung eines schreibung mationspräsenWettbewer- eines Wettbewer- tationen bes inkl. durch Rahmenbe- bes inkl. dingungen Rahmenbe- Initiator dingungen sowie 2) EinreiKünstler 2) Einreichung der chung der 2) EinIdeen und Ideen und zelgeWerke der Werke der spräche Künstler zwiKünstler 3) Evaluaschen 3) Evaluation durch tion durch KünstInitiator lern und Initiator oder Jury Unternehmen offen offen eher offen eher geschlossen flexibel flexibel strukturiert sehr strukturiert Kontinuier- wenige wenige 1-2 Tage lich Wochen bis Tage bis wenige mehrere Monate Wochen Hohe Keine Geringe Teil- Keine Teilnehmerkos- Teilnehmer- Teilnehten & hohe kosten & merkosten nehmerkosten & geringe Betreibergeringe BetreiberBetreiber& hohe kosten Betreikosten kosten berkosten
InformaInformation tion, Interaktion
Kooperationen, Aufträge, Preise
Künstler & Unternehmen 1) Auftrag vom Unternehmen an den Initiator 2) Suche nach passendem Künstler inkl. Auftragsvergabe 3) Werkerstellung eher geschlossen strukturiert kontinuierlich
Hohe Teilnehmerkosten für Unternehmen & hohe Betreiberkosten Kooperatio- Koopera- Kooperanen, tionen tionen Aufträge
Tab. 9: Idealtypische Merkmale der KUK-Plattformen
Die Par tner suchen und finden
4. B eurteilung der P l attformt ypen Die sechs abgeleiteten und durch Beispiele exemplifizierten Typen von KUK-Plattformen weisen unterschiedliche Stärken und Schwächen auf. Um diese zu verdeutlichen, werden im Folgenden zunächst Evaluationskriterien abgeleitet. Diese dienen anschließend der Beurteilung der sechs KUK-Plattformtypen.
4.1 Ableitung von Beurteilungskriterien Für die Beurteilung von KUK Plattformen werden insgesamt vier Kriterien zu Rate gezogen. Dabei handelt es sich erstens um die Kosten, zweitens um den Funktionsumfang, drittens um die Eignung für alle Kunstarten und viertens um die Akzeptanz bei Künstlern und Unternehmen. (1) Kosten für das Unternehmen, die Künstler und die Betreiber Ein wichtiges Evaluationskriterium für Plattformen sind die entstehenden Kosten für alle beteiligten Akteure. Insbesondere für Künstler können (zu hohe) Teilnahmegebühren dazu führen, dass lediglich ein kleiner Teil der Kunstschaffenden an der Begegnungsplattform partizipieren kann. Auch für Unternehmen sind die Kosten abzuwägen, wobei neben den eigentlichen Kosten für die Plattform auch Zeitaufwand und Reisekosten zu berücksichtigen sind. Zu hohe Kosten können insbesondere bei Unternehmen zu Ablehnung führen, wenn bei diesen der aktuelle Bedarf zur Initiierung einer KUK nicht besonders hoch ist. Für den Betreiber der Plattform gilt aber in jedem Fall, dass die Plattform wirtschaftlich sein sollte, das heißt die investierten Gelder durch die Einnahmen mindestens ausgeglichen werden müssen. Demnach gilt es, die richtige Balance zwischen der Wirtschaftlichkeit der KUK-Plattform für den Betreiber einerseits und den möglichst geringen finanziellen Hürden für Künstler und Unternehmen anderseits zu berücksichtigen. Ferner ist auch zu beachten, dass ein zu niedriger Preis den Stellenwert von KUK reduzieren könnte. Denn der Preis symbolisiert auch die Qualität der KUK-Plattform nach außen. (2) Funktionsumfang Eine KUK-Plattform muss Unternehmen und Künstler als beteiligte Akteure integrieren. Sie sollte zudem grundlegende Informationen über die Möglichkeiten, die Wirkung sowie den potenziellen Nutzen von KUKs im Allgemeinen bereitstellen und jedem Akteur die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren beziehungsweise seine Aufträge und Arbeiten zu konkretisieren. Schematisch gedacht (vgl. Abbildung 3), sollte eine Begegnungsplattform auf den drei Säulen Information, Selbstpräsentation und Interaktion auf bauen.
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Abb. 3: Funktionen einer KUK-Plattform Die drei Säulen fungieren als grundlegende Bestandteile einer KUK-Plattform und können sowohl in einem realen, als auch in einem virtuellen Kontext umgesetzt werden. Information meint hier eine grundlegende Aufklärung über Möglichkeiten und Reichweite von KUKs. Diese kann einerseits von Intermediären, die sich im Geschäftsfeld der Vermittlung von Künstlern und Unternehmen befinden, und andererseits von Beobachtern, zum Beispiel Forschern, geleistet werden. Im Rahmen der Selbstpräsentation muss allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst darzustellen, was auch eine Konkretisierung der angedachten Kooperation meint. Dies kann zum Beispiel in der Form einer Ausstellung geschehen. Auch kann die Selbstpräsentation auf einem Marktplatz erfolgen, auf dem sich nicht nur die Anbieter, sondern auch Nachfrager bewegen. Diese Nachfrager können dann potenzielle Partner für sich entdecken, auch ohne vorher schon eine konkrete Idee zu einer bestimmten Kooperation gehabt zu haben. Die Interaktion sorgt insbesondere für das Zusammenkommen der Künstler und der Unternehmen zur Anbahnung und Abstimmung von konkreten KUKProjekten. Dieses Zusammenkommen kann auf der Grundlage der Information und der Selbstpräsentation geschehen. Mit Interaktion ist aber auch gemeint, dass Wettbewerbe ausgeschrieben werden können. Selbstpräsentation und Interaktion sind dabei nicht streng zu unterteilen, sondern als ein dynamisches Miteinander zu denken. Wichtig bei der Interaktion ist, diese offen sowie anonym zu gestalten.
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3) Eignung für alle Kunstarten Ein weiteres Kriterium ist die Eignung der jeweiligen KUK-Plattform für verschiedene Kunstarten. Die Durchsicht der Plattformen zeigt, dass insbesondere die bildenden Künste durch Spielarten von KUK-Plattformen abgedeckt werden. Dies liegt an dem Gegenstandsbezug der bildenden Künste für Unternehmen. Denn Bilder oder Skulpturen lassen sich beispielsweise relativ unproblematisch in die Räume von Unternehmen integrieren. Die bildenden Künstler können zudem mit ihrer Kunst eine wichtige Rolle bei der Markenbildung oder Produktgestaltung spielen. Für eine KUK-Plattform ist jedoch entscheidend, dass diese nicht nur einen Ausschnitt der Kunst integriert. Auch die darstellenden Künste sowie Musiker sollten in angemessenem Maße an der Begegnungsplattform partizipieren können. (4) Akzeptanz bei Künstlern und bei Unternehmen Die Akzeptanz von Künstlern und Unternehmen ist eine empirisch zu bestimmende Kategorie. Hierbei wurden Künstler und Unternehmen im Rahmen von Fokusgruppen und Telefoninterviews die idealtypisch konstruierten Plattformtypen vorgestellt und nach ihrer Meinung zur Akzeptanz, Umsetzbarkeit und Fruchtbarkeit der Ansätze befragt. Abbildung 4 fasst die wichtigsten Merkmale dieses Ansatzes zusammen.
Abb. 4: Empirischer Ansatz zur Messung der Akzeptanz der KUK-Plattformen
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4.2 Evaluation Anhand der herausgearbeiteten Evaluationskriterien werden in diesem Schritt die Plattformtypen der Community, des Wettbewerbes und der Börse in realer und virtueller Form bewertet. (1) Kosten für das Unternehmen, die Künstler und die Betreiber Communities sind für Unternehmen und Künstler eine kostengünstige Plattform. Sowohl in realer als auch in virtueller Form können sich Unternehmen und Künstler für Communities ohne (großen) finanziellen Aufwand anmelden und an der Plattform partizipieren. Für die Betreiber hingegen entstehen Kosten. Bei realen Communities betrifft dies die Veranstaltungskosten, bei virtuellen Communities betrifft dies die Pflege des Internetauftritts. Wettbewerbe sind für alle Parteien eine kostengünstige Plattform. Für die Unternehmen sowie potenzielle Betreiber entstehen bei realen Wettbewerben lediglich Kosten bei der Ausschreibung sowie der Organisation von Evaluationen oder eventuellen Preisverleihungen. Bei virtuellen Wettbewerben ist die Pflege der Internetseite ein Kostenfaktor. Insgesamt sind diese Kostenfaktoren jedoch als günstig zu kategorisieren. Sowohl für Unternehmen, als auch für Künstler und Betreiber sind die virtuellen und realen Börsen relativ kostenintensiv. Für Künstler und Unternehmen schlagen sich die Kosten bei den realen Börsen insbesondere in hohen Teilnahmegebühren nieder. Auch in der virtuellen Form fallen für die Unternehmen für einen Auftrag Kosten an. Die virtuellen Börsen sind jedoch kostengünstig, da diese von den Intermediären ohne Pauschale vermittelt werden. Virtuelle Börsen verlangen von den Betreibern eine ständige und aufwändige Pflege des Internetauftritts sowie der Vermittlung von Künstlern und Unternehmen. Auch bei realen Börsen entstehen für die Betreiber insbesondere durch die Veranstaltungsorganisation Kosten. (2) Funktionsumfang Die Säulen Information, Selbstpräsentation und Interaktion werden insbesondere von den Communities sowie von den Börsen gut abgedeckt. Bei der Information stechen die realen und virtuellen Communities sowie die realen Börsen mit ihrem hohen Informationsgehalt heraus. Die virtuellen Communities haben einen geringeren, aber immer noch guten Informationsgehalt. Wettbewerbe bieten in realer Form keine Informationen zu möglichen Kooperationen. In virtueller Form informieren Wettbewerbs-Plattformen ähnlich wie virtuelle Börsen über entstandene Projekte über die eigene Plattform. Auf die Selbstpräsentation kommt es besonders bei realen Börsen und realen Communities an. Bei virtuellen Communities beschränkt sich die Selbstpräsentation auf den Künstler. In realen und virtuellen Wettbewerben wird keine Möglichkeit der umfassenden Selbstpräsentation geboten. Auch bei virtuellen Communities ist die Möglichkeit für Künstler und Unternehmen nur in gewissem Umfang gegeben, sich selbst zu
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präsentieren. Interaktion findet insbesondere bei realen Börsen und realen Communities statt. Bei virtuellen Communities, realen und virtuellen Wettbewerben sowie den virtuellen Börsen sind die Möglichkeiten der Interaktion zwischen Künstler und Unternehmen gering. Hier geht es meistens um die Feinjustierung der Auftragsarbeit. (3) Eignung für alle Kunstarten Insgesamt sind alle Plattformtypen geeignet, um die Kunstarten der bildenden Kunst, der darstellenden Kunst sowie der Musik in ausreichendem Maße zu integrieren. Hervorzuheben sind jedoch jene Plattformen, welche mit einem hohen Maß an Informationen aufwarten können, das heißt, die Künstler und die Unternehmen über die Möglichkeiten von KUKs aufklären kann. Hier sind insbesondere die realen Communities sowie die realen Börsen die geeignetsten Plattformen für eine Integration aller Kunstarten. (4) Akzeptanz a) Künstler Die Daten aus der Erhebung mit den Künstlern zeigen, dass insbesondere die virtuelle Börse für die befragten Künstler von Interesse ist (grün). Abbildung 5 stellt die Ergebnisse dar. Die Künstler schreiben der virtuellen Börse das höchste Potenzial zur Initiierung von KUKs zu. Bei der Mehrheit der befragten Künstler lässt sich ablesen, dass diese den Anbahnungs- und Austauschprozess mit Unternehmen über eine Online-Plattform bevorzugen. Der Impuls für eine Zusammenarbeit soll dabei vom Unternehmen ausgehen. Bei den Künstlern steht vor allem, die direkte und schnelle Generierung von Aufträgen im Vordergrund. Wettbewerbe werden von den Künstlern sowohl in realer als auch in virtueller Form durchaus angenommen. Von höherem Interesse ist dabei die Teilnahme am virtuellen Wettbewerb, gefolgt vom realen Wettbewerb. Nach Aussage der Mehrheit der befragten Künstler könnten für die Berliner Künstler, die reale Community und die virtuelle Börse von Interesse sein. Auffällig ist bei der Präferenz für die reale Community, dass obwohl die wenigsten befragten Künstler an der realen Community persönlich teilnehmen würden, sie dieser KUK-Plattform ein hohes Teilnahmepotenzial für Berliner Künstler zusprechen. Die virtuelle Community wird von der Mehrheit der befragten Künstler abgelehnt (rot). Ebenso die reale Börse. Nach Aussagen der Künstler besteht bei beiden Plattformen vor allem die Angst vor »Ideenklau« und Urheberrechtsverletzungen. Die Künstler sprechen aus der Erfahrung heraus, dass sie mit der Teilnahme an der virtuellen Community zwar Traffic auf ihren Profilen verzeichnen, Verkäufe oder KUKs jedoch darüber nicht zu Stande kommen. Unter Berücksichtigung der qualitativen Daten verschiebt sich das Meinungsbild. Insgesamt halten die Künstler die reale Börse für eine nützliche Plattform. Dennoch stellen zu hohe Teilnahmegebühren Barrieren dar. Es sei denn, die Akquise eines Auftrags würde
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garantiert. Hierbei steht für die Künstler vor allem der Kosten-Nutzen-Aspekt im Vordergrund. Weitere Barrieren liegen in der Unerfahrenheit, im Unwissen und in den Hemmungen der Künstler, sich professionell selbst darstellen sowie die eigene Kunst einem Fachfremden erklären und »verkaufen« zu müssen.
Abb. 5: Akzeptanz der KUK-Plattformtypen aus Sicht der Künstler Positiv aufgenommen werden daher die Plattformen mit Intermediären, da der Intermediär die Funktion der Selbstdarstellung und die Ansprache von Unternehmen übernehmen würde. Dass die Wettbewerbe angenommen werden, aber durchaus auch polarisieren, liegt daran, dass den Künstlern dieser Plattformtyp als klassische Form bekannt ist. In der Polarisierung spiegeln sich unterschiedliche positive und negative Erfahrungen über Erfolgsaussichten. b) Unternehmen Die Mehrheit der befragten Unternehmen bekundet (grün), wie Abbildung 6 zeigt, deutlich ihr Interesse an der Teilnahme an der virtuellen Community. Die Mehrheit der befragten Unternehmen will sich über eine virtuelle Community bei Bedarf über Künstler und KUKs informieren und anregen lassen. Sie meiden in der Anbahnungsphase den direkten Kontakt zu den Künstlern und setzen schwache Impulse zur Initiierung von KUKs. Ebenso stellt die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit für die Unternehmen ein Argument für die virtuelle Community dar. Interessensbekundungen für die anderen vorgestellten KUK-Plattformen sind dagegen schwächer ausgeprägt.
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Die Mehrheit der befragten Unternehmen prognostiziert das Interesse für die virtuelle Community auch für die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland (gelb). Ebenso wird für den realen Wettbewerb ein Interesse an einer Teilnahme für die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland ausgesprochen, wenn auch geringer ausgeprägt. Eine einheitliche Präferenz für bestimmte Plattformen ist nicht auszumachen, da einzelne Unternehmen sich für den realen und den virtuellen Wettbewerb sowie für die reale Börse oder die virtuelle Börse interessieren, wenn auch deutlich schwächer als für die virtuelle Community, im Gegenzug Unternehmen diese jedoch wiederum ablehnen. Die Mehrheit der befragten Unternehmen (rot) lehnt vor allem eine Teilnahme an der realen Börse und an der realen Community ab. Die reale Community birgt zu starke Verbindlichkeiten für das Unternehmen. Einige Unternehmen sprachen sich gegen die reale Community aus, weil ihnen für die Teilnahme zeitliche und personelle Ressourcen fehlen. Weitere Unternehmen argumentierten, dass sie aufgrund der Gleichbehandlung der Künstler den Fokus nicht auf einen Verein setzen wollen. Aber auch der reale und der virtuelle Wettbewerb und die virtuelle Börse stoßen auf ein geringes Interesse.
Abb. 6: Akzeptanz der KUK-Plattformtypen aus Sicht der Unternehmen c) Vergleich Akzeptanz bei Unternehmen und Künstler Die Ergebnisse zur Akzeptanz der vorgeschlagenen sechs KUK-Plattformen bei Unternehmen und Künstlern zeigen, dass die Mehrheit der befragten Unternehmen andere Kontakt- und Austauschplattformen als die befragten Künstler bevorzugt. Werden die Untersuchungsergebnisse aus den Telefoninterviews
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und Fokusgruppengesprächen verglichen, lassen sich geringe Interessensüberschneidungen durch die Künstler und die Unternehmen für eine gemeinsame KUK-Plattform diagnostizieren. Klare Übereinstimmungen bestehen in der Ablehnung der realen Börse. Ein gemeinsames Interesse beider Seiten, wenn auch nicht hoch ausgeprägt, besteht in der Teilnahme am realen Wettbewerb.
4.3 Zusammenfassung der Evaluation Die Tabelle 10 zeigt eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Evaluation der einzelnen KUK-Plattformen anhand der vier Kriterien Kosten, Funktionsumfang, Eignung für alle Kunstarten und Akzeptanz bei Künstlern und Unternehmen. Die Evaluation ist systematisch abgebildet und mit einem Punktesystem bewertet. Die Abstufung der Punkte erfolgt in vier Stufen (»++« [gut], »+« [eher gut], »-« [eher schlecht], »--« [schlecht]). Community
Kosten
Funktionsumfang
Kunstarteignung
Akzeptanz
Wettbewerb
Börse
real
virtuell
real
virtuell
real
virtuell
Unternehmen
++
++
+
+
-
-
Künstler
++
++
++
++
-
+
Betreiber
-
-
+
+
-
--
Information
++
++
--
+
++
+
Selbstpräsentation
++
+
--
--
++
-
Interaktion
++
-
-
-
++
-
Bildende Kunst
++
+
+
+
++
+
Darstellende Kunst
++
+
+
+
++
+
Musik
++
+
+
+
++
+
Künstler
+
-
+
+
-
++
Unternehmen
--
++
+
-
-
-
Skala: 4er-Skala von -- (negativ) bis ++ (positiv)
Tab. 10: Evaluation der Plattformtypen
5. F A ZIT UND A USBLICK KUKs stellen eine interessante Option zur Lösung von betrieblichen (z.B. fehlende Kreativität) und künstlerischen (z.B. prekäre Einkommensverhältnisse) Herausforderungen dar. Allerdings fällt die Anzahl realisierter KUKs trotz des
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unbestreitbaren Potenzials bislang relativ gering aus. Dies liegt zum einen an einem Wissensdefizit über die jeweils andere Systemlogik und zum anderen an einem Wissensdefizit über ein effektives Matching zwischen Unternehmen und Künstler. Der vorliegende Beitrag stellt mit dem Konzept der KUK-Plattform einen Ansatz zur Reduzierung dieser Wissensdefizite vor und präsentiert damit eine Vorgehensweise, die zur Erhöhung der KUK-Anzahl beitragen kann. Auf bauend auf theoretischen Überlegungen und der Auswertung von 24 realen Plattformen wurden insgesamt sechs idealtypische KUK-Plattformen mit entsprechenden Merkmalen identifiziert und beschrieben. Diese sechs KUKPlattformen wurden anschließend mit Hilfe der Kriterien Kosten, Funktionsumfang, Kunstarteignung sowie Akzeptanz aus Künstler- und Unternehmenssicht beurteilt. Diese Bewertung zeigte, dass es keine grundsätzlich überlegene KUKPlattform gibt. Vielmehr folgt aus der Analyse, dass für die Entwicklung einer eigeneständigen KUK-Plattform es notwendig ist, positiv evaluierte Merkmale der einzelnen KUK-Plattformtypen zu kombinieren. Zentral wird für das Gelingen einer solchen KUK-Plattform sein, die Akzeptanz aus Künstler- und Unternehmensseite sicherzustellen und gleichzeitig für die KUK-Plattform ein Geschäftsmodell zu entwickeln, welches mindestens mittelfristig die Existenz der KUKPlattform auch finanziell sicherstellt. Zusätzlich zeigten die Fokusgruppen und die Telefoninterviews auch, dass für Künstler und Unternehmen große Wissensdefizite über KUKs existieren. Häufig erfolgte erst nach ausführlichen Erklärungen und Nachfragen ein Erinnern an eigene Erfahrungen mit KUKs. Daraus lässt sich folgern, dass die KUKPlattform oder auch andere Maßnahmen zunächst Künstler und Unternehmen für die Potenziale und Spielarten von KUKs sensibilisieren müssen.
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Die Künstler auswählen Hilfsinstrumente bei der Künstlerlauswahl Lisa O’Connor-The
1. E inleitung Die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Künstlern und Unternehmen sind so facettenreich wie die unterschiedlichen Zielsetzungen, die beide Seiten verfolgen. Unternehmen müssen sich heutzutage stetig an veränderte Rahmenbedingungen in den Märkten anpassen. Dafür benötigen sie leistungsfähige und kreative Mitarbeiter, die Lösungen entwickeln, Kundenbedürfnisse erkennen und Innovationen hervorbringen. Dass Künstler hier durch kreative Impulse wertvolle Beiträge leisten können, ist mittlerweile bekannt. Aber wie finden Unternehmen passende Künstler und wie sieht die praktische Umsetzung aus? Reicht ein Event oder eine Ausstellung, um Mitarbeiter zu motivieren und von den Unternehmenszielen zu überzeugen? Genügt eine einzelne künstlerische Aktion, um Kunden und Mitarbeiter zu begeistern und nachhaltig an das Unternehmen zu binden? Künstler sind als selbstständige Unternehmer ebenfalls vom Wandel des Marktes abhängig. Nur wenige Künstler können sich auf die Kunstszene als einzige Einnahmequelle verlassen. Die freie Wirtschaft bildet für viele ein zweites Standbein, wodurch sich die Möglichkeiten der Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen stetig weiter entwickeln und verbessern. Dass es zu diesen Kooperationen kommt, ist unter anderem auf eine steigende Vermittlertätigkeit von Kunstagenturen, Agenten oder Galeristen zurückzuführen, die die Bedürfnisse und Chancen beider Seiten erkennen und umsetzen. Kunst ist längst nicht mehr nur das elitäre Aushängeschild für große Unternehmen, die aus Image- und Abschreibungsgründen teure Sammlungen unterhalten. Im Gegenteil: Heute sind flexible, aber auch innovative Lösungen gefragt, die sowohl dem Künstler als auch dem Unternehmen Vorteile bringen. So wie die Ausstellungsmöglichkeiten und Netzwerke von Unternehmen den Künstlern von Nutzen sein können, so können Unternehmen umgekehrt von kreativen Impulsen und der künstlerischen Denk- und Arbeitsweise profitieren. Immer mehr Unternehmen laden aus diesem Grund Künstler für Events und
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Gesprächsrunden ein oder entsenden ihre Mitarbeiter zu Kreativworkshops bzw. gestalten ihre Räume künstlerisch anspruchsvoll. Ein schönes Beispiel dafür, wie gut Kunst und Unternehmen zusammen wirken können, ist die 2013 ins Leben gerufene Veranstaltung »add art – Unternehmen in Hamburg zeigen und fördern Kunst«. Add art bedeutet »Füge Kunst hinzu« und fordert Geschäftsleute dazu auf, sich eingehender mit den Möglichkeiten der Kunstförderung und mit Kunst in Unternehmen zu befassen. An jeweils einem Wochenende gibt es einen Tag der offenen Tür für Besucher. Dabei wird erlebbar gemacht, welche Relevanz die verschiedenen Kunstpositionen für das Unternehmen haben, welche Konzepte hinter dem Kunstengagement stehen und welche Art der Kooperation zwischen Künstlern und Unternehmern gewählt wurde. Die verschiedenen Spielarten machen deutlich, was alles möglich ist und welcher positive Nutzen aus der Zusammenarbeit entstehen kann. Um den passenden Künstler und die geeignete Form der Kooperation zu finden, gilt es im Vorfeld einige wichtige Punkte zu beachten und zu klären. Diese werden im Folgenden aufgeführt und sollen als Rat- und Ideengeber dienen.
2. F ormen und Z iele der Z usammenarbeit Bei der Künstlerauswahl stellt sich als erstes die Frage, welche Form der Zusammenarbeit das Unternehmen anstrebt und welche Ziele es damit verfolgt. Hier einige Beispiele: • • • • •
Sollen die Firmenräume mittels Kunst aufgewertet werden, um Mitarbeiter zu motivieren und ein repräsentatives Ambiente für Kunden zu schaffen? Geht es um einen Aufhänger für Events, bei denen Mitarbeiter und Geschäftspartner in stilvoller und kreativer Atmosphäre zusammenkommen können? Geht es um den Auf bau einer Sammlung und die Förderung von Künstlern im Rahmen von Corporate Social Responsibility Aktivitäten? Soll Kunst in der Unternehmenskommunikation eingesetzt werden, um bei relevanten Zielgruppen für gesteigerte Aufmerksamkeit zu sorgen? Soll Kunst die Corporate Identity widerspiegeln und einen Imagewandel begleiten?
Mit der Einbindung der Kunstaktivitäten in die Unternehmenskommunikation können sich die Mehrwerte aus einer Künstler-Unternehmens-Kooperation häufig erst richtig entfalten. Der Dialog wird angeregt, die Aktion wird sichtbar und verständlich für interne und externe Zielgruppen. Daher ist zu Beginn der Künstlerauswahl auch zu klären, welche Aspekte der Kommunikation zu berücksichtigen sind. Eventuell möchte das Unternehmen Künstler prozessual in den Arbeitsalltag einbinden – zum Beispiel in Form von Kreativworkshops mit den Mitarbeitern. Unternehmerische Herausforderungen mit Hilfe künstlerischer Denk- und
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Handlungsweisen zu lösen, kann wertvolle Impulse liefern, stellt aber ganz andere Anforderungen an einen Künstler als die Schaffung einer Skulptur oder die Organisation einer Ausstellung. Die Auswahlkriterien sind also je nach Aufgabenstellung sehr unterschiedlich.
3. K riterien für die K ünstler auswahl (1) Genres und Kunstformen Basierend auf dem, was das Unternehmen mit einer Kunst-Unternehmens-Kooperation anstrebt, stellt sich zunächst die Frage, welche Kunstformen und Genres für die Zusammenarbeit in Frage kommen. Für eine Ausstellung als Event eignen sich zum Beispiel Original-Gemälde, die durch ihre Einzigartigkeit und hohe Wertigkeit überzeugen. Mit Medienkunst können bewegte Bildwelten und interaktive Installationen präsentiert werden. Fotografie-Motive sind gut geeignet, wenn es darum geht, ein breites Publikum anzusprechen. Skulpturen wiederum erfordern weitläufige Räume, um ihre Wirkung entfalten zu können und sind in der Regel aufwändiger zu transportieren als Bilder. Auch eine Kombination von bildenden Künstlern mit darstellenden Künstlern wie Musikern, Tänzern oder Schauspielern ist denkbar. Die einzelnen Aktionen müssen jedoch sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Welche Genres und Kunstformen eignen sich für die Zusammenarbeit? • • • • • •
Malerei Fotografie Bildhauerei, Skulpturen Grafiken, Reprografien Medienkunst von Filmen bis hin zu interaktiven Installationen Musik, Theater, Tanz
Welche Stilrichtung ist gewünscht? Hier einige Beispiele: • • • •
Abstrakt Figurativ, gegenständlich Modern Klassisch
(2) Lokalität und Reichweite In Abhängigkeit von den Zielgruppen und der gewünschten Reichweite ist es sinnvoll zu entscheiden, ob der Künstler aus der Region stammen soll, in der
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das Unternehmen ansässig ist. In diesem Fall verfügt er eventuell über eigene Bekanntheit im Umkreis. Oder möchte das Unternehmen mit international anerkannten Künstlern arbeiten und somit die eigene überregionale Ausrichtung unterstreichen? Der Grad der Bekanntheit des Künstlers hat selbstverständlich auch Einfluss auf die Preise der Kunstwerke und die Entlohnung des Künstlers, d.h. diese Aspekte sind auch abhängig vom Budget des Unternehmens.
(3) Imagetransfer Die Wahl des Künstlers beeinflusst die Außenwirkung des Unternehmens und dessen gesamten Aktivitäten im Bereich Kunst. Die Bandbreite reicht von seriös, renommiert und gediegen bis hin zu provokativ und eigenwillig. Natürlich ist es auch möglich, bei einem Projekt ganz unterschiedliche Positionen von traditionell über modern, von unkonventionell bis hin zu rebellisch zu zeigen und damit generelle Aufgeschlossenheit und Toleranz zu demonstrieren. Wichtig ist zu entscheiden, in welche Richtung man als Unternehmen gehen will.
(4) Professionalität und Bekanntheit Bewusst junge Künstler zu fördern kann eine Chance für beide Seiten bedeuten. Dem Unternehmen muss jedoch klar sein, dass junge Künstler eventuell weniger Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Firmen haben und es nicht unbedingt gewohnt sind in unternehmerischen Strukturen zu arbeiten. Erfahrene und anerkannte Künstler, die bereits für mehrere Unternehmen gearbeitet haben, kennen diese Strukturen und können ihrerseits mit Erfahrungswerten punkten, die insbesondere bei größeren Projekten wertvoll sind. Der Grad der Professionalität lässt sich allerdings nicht nur anhand der Vita und der Referenzen ablesen. Junge Künstler oder Autodidakten können genauso versiert und erfahren sein wie renommierte Künstler mit aussagekräftigem Lebenslauf. Unbekanntere Künstler sind eventuell offener für neue Wege und eher bereit, Kompromisse einzugehen.
(5) Erforderliche Eigenschaften Welche Kompetenzen sind für die konkrete Aufgabenstellung gefragt? Soll der Künstler das Projektmanagement übernehmen, baurechtliche Sachfragen klären? Ist es wichtig, dass der Künstler über Medienkompetenz verfügt und Interviews geben kann? Ist es wichtig, dass der Künstler die Unternehmensziele authentisch widerspiegelt? Beispiel: Künstler verwendet nachhaltige Materialien für ein Kunstwerk für ein Naturprodukte-Unternehmen.
Die Künstler auswählen
Auch das bisherige Werk kann eine Rolle spielen: Passen die bisherigen Projekte des Künstlers zu dem geplanten Vorhaben oder entsteht ein Bruch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit?
(6) Budget Letztlich entscheidet das Budget darüber, ob sich die Visionen des Künstlers realisieren lassen. Es obliegt auch den Kompetenzen und der Kreativität des Künstlers, das zur Verfügung gestellte Budget optimal zu nutzen. Das Budget oder zumindest ein finanzieller Rahmen sollten unbedingt zu Beginn kommuniziert werden. Allzu oft wird dieser Aspekt anfangs vernachlässigt, da man sich noch nicht festlegen oder falsche Erwartungen wecken will. Das kann dann leicht dazu führen, dass die Vorstellungen von Künstler und Unternehmen sehr stark differieren und das Projekt an einem Punkt scheitert, an dem beide Seiten schon viel Arbeit investiert haben. Aber wie setzt man nun die Auswahl der Künstler, unter Berücksichtigung dieser Fragen, in der Praxis um?
4. Passende K ünstler suchen , finden und auswählen Unternehmen, die auf der Suche sind, haben im Auswahlprozess verschiedene Möglichkeiten passende Künstler zu finden. • Naheliegend ist die unternehmensinterne Lösung, bei der ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin nach geeigneten Künstlern recherchiert: im Internet, bei Hochschulen, auf Messen, über Empfehlungen, im Bekanntenkreis. Häufig kennt auch jemand in der Belegschaft einen Künstler oder einen Künstlerin und hat Ideen, wen man einbinden könnte. Persönliche Kontakte bieten einerseits den Vorteil, dass man schon ungefähr weiß, mit wem man es zu tun hat. Andererseits kann sich eine Absage auch als schwieriger erweisen, wenn klar wird, dass die Zusammenarbeit doch nicht optimal ist. Der kommunikative und organisatorische Aufwand für eine eigene Kraft, die neben dem Tagesgeschäft die Zusammenarbeit mit dem Künstler koordinieren muss, ist nicht zu unterschätzen. Die Person muss sich in ein völlig neues Themengebiet einarbeiten und als Schnittstelle zwischen Künstler und den eigenen Kollegen und Vorgesetzten vermitteln. • Eine zweite Möglichkeit besteht in der Kooperation mit einer Galerie. Das Unternehmen sucht sich eine Galerie mit Künstlern, die für die Zusammenarbeit in Frage kommen. Galerien verfügen in der Regel über einen hochwertigen Künstlerpool sowie über gute Kontakte in die Kunstszene und zu einem kunstinteressierten Publikum. Dieses Netzwerk kann für das Unternehmen vorteilhaft sein und zu Synergien führen. Gerade bei Kunstveranstaltungen
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können Galeristen für ein hochwertiges Rahmenprogramm sorgen. Von einer fundierten Einführungsrede durch einen Kunsthistoriker über Beiträge in einem Ausstellungskatalog bis hin zur Bewerbung im Kunstmarkt können Galeristen das Unternehmen unterstützen. Dies wäre eventuell auch für Künstler ein zusätzlicher Anreiz für die Zusammenarbeit. Und insbesondere wenn es darum geht, verschiedene Künstler in einer Gemeinschaftsausstellung zu präsentieren, kann die Zusammenarbeit mit einer Galerie die Durchgängigkeit von Stilrichtung und Professionalität gewährleisten. Nur wenige Galerien sind jedoch auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen spezialisiert. Daher gilt es zu prüfen, ob die Galerie die Kommunikation zwischen Künstler und Unternehmen übernehmen kann und darüber hinaus die Interessen des Unternehmens als Auftraggeber gut versteht und berücksichtigt. Insbesondere kleinere Galerien verfügen gegebenenfalls nicht über die Kapazität, sich neben der Galeriearbeit noch ausreichend um das Projekt zu kümmern, womit ein Großteil der Organisation wiederum am Unternehmen hängen bleiben kann. • Eine dritte Möglichkeit liegt in der Beauftragung einer Kunstagentur, welche die Auswahl passender Künstler übernimmt. Kunstagenturen haben Zugang zu zahlreichen Künstlern ganz unterschiedlicher Genres, Stilrichtungen und Preisklassen. Sie haben Einblick in die Projekte, Referenzen und aktuellen Arbeiten der Künstler und kennen deren Arbeitsweise. Mit diesem Wissen können Kunstagenturen ihren Auftraggebern passende Vorschläge unterbreiten und sie bei der Auswahl qualifiziert beraten. Die Zusammenarbeit mit einer Agentur bietet Unternehmen eine gewisse Sicherheit in Bezug auf Professionalität, Einhaltung von Fristen etc. Außerdem spart ein Unternehmen mit der Einschaltung einer Kunstagentur eigene Ressourcen und kann durch eine gründliche Beratung im Vorfeld Problemen im Projektverlauf vorbeugen. Ganz gleich für welche der Varianten sich das Unternehmen entscheidet, für die Kontaktaufnahme mit den Künstlern ist ein möglichst klares Briefing erforderlich. Erst dann weiß der potenzielle Kooperationspartner, was von ihm gefordert ist und kann einen Vorschlag machen bzw. ein Angebot abgeben.
5. H ilfsinstrumente bei der K ünstler auswahl 5.1 Künstlerauswahl kommunikativ nutzen Die Einbindung von Mitarbeitern in Kunstprojekte bietet großes Potenzial. Mitarbeiter fühlen sich wertgeschätzt, können mitgestalten und sich einbringen. Regelmäßige Informationen und Vorabpräsentationen sowie die Einbindung in die Abstimmung sorgen dafür, dass sich Mitarbeiter mit dem Projekt identifizieren. Ohne die Beteiligung der Mitarbeiter können leicht Widerstände entstehen und zu Aussagen wie »und dafür geben wir dann Geld aus« führen.
Die Künstler auswählen
Bei größeren Aufgabenstellungen, beispielsweise der Erstellung einer Skulptur für den Eingangsbereich mit Bezug zum Corporate Design des Unternehmens, sind Wettbewerbe oder ein sogenannter Pitch üblich. Vorausgewählte Künstler entwickeln passend zur Aufgabenstellung Vorschläge, die mit einer Aufwandsentschädigung honoriert werden. Das Unternehmen profitiert von verschiedenen, professionell ausgearbeiteten Entwürfen. Bereits diese Entwürfe können kommunikativ genutzt werden, sofern das Unternehmen sich die Rechte dafür sichert. Von der Bewerbung der Aktion als Sponsoring und Künstlerförderung bis zur Ausstellung der Entwürfe in den eigenen Firmenräumen stehen verschiedene Spielmöglichkeiten offen.
5.2 Einen Rahmen schaffen Bereits im Auswahlprozess ist die Wahrung und Sicherung von Rechten des Künstlers, aber auch des Unternehmens ein wichtiger Aspekt. Gibt es einen festen Rahmenvertrag, Interessen eventueller Vermittler, die berücksichtigt werden müssen, Geheimhaltungsklauseln, Verpflichtungen? Es sollte von Anfang an klar sein, was der Auftraggeber in Bezug auf die Weiterverarbeitung von Bilddaten etc. wünscht. Die Urheberrechte des Künstlers müssen gewahrt und die gewünschten Nutzungsrechte des Unternehmens geklärt werden. Das gilt für die Nutzung nach Medienart, z.B. Bilddaten, Abbildungen, Filme und andere Aufzeichnungen oder nach zeitlicher und räumlicher Beschränkung. Je nach Art der Zusammenarbeit sollten Verträge ausgehandelt werden, die sicherstellen, dass Firmeninterna nicht nach außen dringen und die Rechte Dritter gewahrt werden. Ebenso wie der rechtliche Rahmen1 spielt auch die geplante Dauer der Zusammenarbeit schon im Auswahlprozess eine Rolle. Soll nur für ein Event, projektweise oder langfristig und regelmäßig mit dem Künstler zusammengearbeitet werden? Wie flexibel soll die Zusammenarbeit sein? Diese Faktoren haben mitunter Auswirkung auf die Entwürfe und Angebote und somit auch auf den Auswahlprozess.
5.3 Das Briefing – Eine Checkliste Am Beginn der Künstlerauswahl hat das Unternehmen also im Idealfall ein Dokument entwickelt, das die Zielsetzung des Unternehmens, mögliche Kunstformen und Stilrichtungen sowie Angaben zum Umfang der Zusammenarbeit inklusive Budgetvorstellungen umfasst. Mit diesem schriftlichen Briefing kann die Suche nach passenden Künstlern beginnen. Ein Briefing dient der Auftragsklärung und umfasst im Wesentlichen folgende Informationen:
1 | Vgl. dazu auch den Beitrag von Decker/Conrads (S. 397ff.) in diesem Handbuch.
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• Unternehmensname und Anschrift • Ansprechpartner mit Funktion und Kontaktdaten • Kurzbeschreibung des Unternehmens inklusive Angaben zu den Märkten und Zielgruppen • Kurzbeschreibung des Vorhabens inklusive möglicher Kunstformen, Dauer der geplanten Zusammenarbeit, wichtiger Termine und Abgabefristen • Kommunikative Zielsetzung des Projektes: Was soll erreicht werden? Beispiele: Aufmerksamkeit erregen, Profilschärfung, Imagetransfer, Wiedererkennung, Maßnahmen zur Bewerbung etc. • Operative Zielsetzung: Was soll mit der Kommunikation erreicht werden? Beispiele: Neukundenkontakte generieren, Mitarbeiter motivieren und an das Unternehmen binden, Kundenbindung etc. • Künstlerprofil: Was für ein Künstler wird gesucht – beginnend mit dem Grad der Professionalität und Bekanntheit über Wohnort oder Herkunftsland bis hin zu Auszeichnungen und Vernetzung im Kunstmarkt. • Rahmenbedingungen: Welche zeitlichen und rechtlichen Rahmendaten (Nutzungsrechte) stellt sich das Unternehmen für diese Kooperation vor? • Budget: Welcher finanzielle Rahmen steht zur Verfügung? Wie soll der Künstler entlohnt werden? Finanziert das Unternehmen Werbematerialien und Kataloge oder sorgt für sonstige Mehrwerte? • Sonstiges: Welche weiteren Einflussfaktoren gilt es zu berücksichtigen? Beispiel: Auf bau- und Montagebedingungen bei Kunst am Bau-Projekten etc.
6. S chlussbemerkung Abschließend ist noch festzuhalten, dass es bei der Auswahl wichtig ist, Fragen, Änderungswünsche oder Unstimmigkeiten früh zu klären – auch und gerade wenn man selbst nicht über Fachkenntnisse verfügt. Ist das Projekt bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, können Änderungen sehr aufwändig werden. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Kunst Geschmacksache ist und man in den wenigsten Fällen jeden Geschmack trifft oder verfehlt. Ist die Mehrheit der Entscheider jedoch zufrieden und sind die Rahmenbedingungen geklärt, war es eine gute Wahl. Es ist bestimmt lohnend, sich auf ein solches Projekt einzulassen und sei es nur, um frische und eventuell auch unkonventionelle Ansätze und Ideen für Unternehmen und Mitarbeiter zu gewinnen.
Den rechtlichen Rahmen setzen Anforderungen an die rechtliche Absicherung von Kunst-Unternehmens-Kooperationen Pascal Decker/Lara Conrads
1. E inleitung Ob Unternehmen und Künstler miteinander glücklich werden, ist eine Frage, die von sehr vielen Einzelfaktoren bestimmt wird. Der rechtliche Rahmen ist – wie die Metapher des Rahmens andeutet – keine inhaltliche Determinante für den Erfolg einer Kooperation, sondern eine Einrahmung, um diesen zu sichern. Dennoch ist eine vertragliche Regelung nicht unbedeutend für das Gelingen des Projektes. Das liegt vor allem daran, dass es Menschen wie Unternehmen stets hilft, sich über das Setting, die Erwartungen und Wünsche, aber auch über Empfindlichkeiten und Grenzen des Zumutbaren, miteinander zu verständigen, bevor sie beginnen zusammenzuarbeiten. Dieser Verständigung zum terminus ante quem dient klassischerweise der Vertrag. Dass damit zugleich Beweiserleichterungen verbunden sind, ist ein nützlicher Nebeneffekt. Das folgende Kapitel wird sich demnach intensiv mit vertragsrechtlichen Fragen rund um Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern befassen. Wo es erforderlich ist, wird zudem auf gesetzliche Regelungen, die Verträge ergänzen oder vertraglichen Regelungen Grenzen setzen, verwiesen. Dieses Kapitel wird keine Sammlung von Musterverträgen bieten. Dafür sind Kooperationen zwischen Unternehmen und Künstlern zu vielfältig. Sinn dieser Kooperationen ist es ja gerade, etwas Einzigartiges für das Unternehmen zu erschaffen. Die zugrundeliegenden Verträge sind daher ebenso einzigartig. Skizziert werden deshalb nur Punkte, welche problematisch sein können und wie diese bei einer Vertragsgestaltung bedacht werden sollten. Eine detaillierte Erläuterung der in Frage kommenden Vertragsklausen würde den gegebenen Rahmen sprengen. Wichtigstes Ziel einer vertraglichen Regelung, die dauerhaft Bestand haben soll, ist es, einen wirtschaftlich ausgeglichenen Vertrag zu erreichen. Unterneh-
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men, die einem »schwachen« Künstler gegenüber stehen, also einem, der noch nicht auf dem Kunstmarkt etabliert ist und daher auf den Auftrag finanziell angewiesen ist, sollten der Versuchung widerstehen, ihre Interessen einseitig durchzusetzen. Die Zusammenarbeit dient ja nicht zuletzt dazu, einen Imagetransfer vom Künstler und dessen Werk auf das Unternehmen zu ermöglichen. Dieses Ziel würde torpediert werden, wenn es später zu einem Rechtsstreit oder zu einem Medienskandal käme, in dem der Künstler behauptet, »über den Tisch gezogen« worden zu sein. Maßgabe der folgenden Ausführungen wird es daher sein, ausgeglichene Verträge zu erreichen, die die Interessen beider Parteien hinreichend berücksichtigen.
2. D ie E ntscheidung für den richtigen V ertr agst ypus Die Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung einer Kunst-UnternehmensKooperation (KUK) sind so vielfältig wie die Spielarten der Kooperationsmodelle selbst. Zu Beginn der Zusammenarbeit sollte mit Blick auf den mit der KUK angestrebten Zweck die strategische Entscheidung für einen bestimmten Vertragstypus als entscheidende Weichenstellung fallen. Besonders praxisrelevant erscheint hierbei mit Blick auf die in diesem Handbuch beschriebenen Erfolgsmodelle aus der Praxis (Teil IV) jenes Konzept, das den Künstler mit der Einbringung eines projektbezogenen künstlerischen Beitrags in das Unternehmen, etwa in Form der Produktgestaltung, betraut.1 Charakteristisch für diese Konzeption ist aus rechtlicher Sicht, dass der Künstler als Arbeitsergebnis der KUK eine konkrete künstlerische Leistung abliefern soll, das herzustellende Werk. Die künstlerische Betätigung an sich, als reiner Schaffensprozess, steht hingegen nicht im Fokus dieser Form der KUK. Diese Konzeption ist rechtlich regelmäßig als typengemischter Vertrag mit werk- und urheberrechtlichen Elementen einzuordnen. Die beiden wichtigsten Komponenten sind hierbei zunächst die Werkerstellung und anschließend die Einräumung von Nutzungsrechten an den Besteller des Werkes. Soll im Rahmen einer KUK dagegen die künstlerische Betätigung an sich, ohne ein konkret festzulegendes Arbeitsergebnis am Abschluss der KUK im Vordergrund stehen, kann ein Dienstvertrag nach §§ 611ff. BGB den passenden rechtlichen Rahmen bieten. Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Abgrenzung ist hier das Verhältnis von künstlerischer Gestaltungsfreiheit und Weisungsgebundenheit des Künstlers. Als Beispiel für eine dienstvertragliche Konstruktion seien die Künstlerworkshops in diesem Handbuch genannt.2
1 | Vgl. dazu die Fallstudien Detecon International (S. 283ff.), aixigo (S. 297ff.), WARSTEINER (S. 307ff.) und BENEO (S. 321ff.) in diesem Handbuch. 2 | Vgl. dazu die Fallstudien dm (S. 261ff.), 3x3-Projekt (S. 245ff.) und ImmobolienScout24 (S. 271ff.) in diesem Handbuch.
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Beide Vertragstypen, sowohl der Werkvertrag als auch der Dienstvertrag, werden nachfolgend Gegenstand eines eigenen Unterkapitels sein. Der Vertragstypus des Werkliefervertrags, der nach § 651 S. 3 BGB die Anwendung des Kaufrechts nach sich zieht, wird sich, im Rahmen des dieser Studie zu Grunde liegenden Verständnisses einer KUK, regelmäßig nicht anbieten, da in Abgrenzung zum Werkvertrag hierbei verstärkt die Bedeutung der künstlerischen Idee und deren Reproduzierbarkeit hinter deren konkreter Verkörperung zurücktritt.
3. D er W erk vertr ag als pr a xisnahes G estaltungsmodell Die in der Praxis häufig anzutreffende werkvertragliche Ausgestaltung mit urheberrechtlicher Komponente birgt, mit Blick auf die besondere Konstellation der Kooperation von Künstler und Unternehmen, die teilweise durch einen Interessengeleichlauf, teilweise jedoch auch durch einen nicht unerheblichen Gegenlauf der Interessen gekennzeichnet ist, an einzelnen Punkten erhebliches Konfliktpotenzial, dem frühzeitig durch individualvertragliche Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften begegnet werden sollte. Denn unter den werkvertraglichen Regelungen der §§ 631ff. BGB gibt es, wie stets im BGB, solche, die zwingend eingehalten werden müssen und solche, die zur Disposition der Vertragspartner stehen. Von der dadurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeit sollte in jedem Fall Gebrauch gemacht werden. Folgende Punkte sind bei der werkvertraglichen Ausgestaltung im Rahmen einer KUK als besonders wesentlich hervorzuheben:
3.1 Die vertragliche Leistungspflicht des Künstlers im Werkvertragsmodell Die vertraglichen Hauptleistungspflichten des Künstlers umfassen im Rahmen einer projektbezogenen KUK regelmäßig neben der Werkerstellung auch die Übertragung von Urheberrechten. Beide Punkte sind als separate Hauptleistungspflichten des Künstlers anzusehen, auch wenn sie in einer engen Verbindung zueinander stehen. So kann eine Pflichtverletzung in Bezug auf eine dieser Hauptleistungspflichten selbstständig Sekundäransprüche des Bestellers auslösen, insbesondere Schadensersatzansprüche und Rücktrittsrechte. Die bezüglich der Herstellung des Werkes einschlägigen gesetzlichen Vorschriften der §§ 631ff. BGB bezeichnen die am Werkvertrag beteiligten Parteien als »Unternehmer« und »Besteller«. Werkunternehmer ist im Kontext einer KUK regelmäßig der Künstler, Besteller das kooperierende Unternehmen. Für den Fall, dass das Unternehmen als Besteller des Werkes konkrete Vorstellungen über die Ausgestaltung des künstlerischen Beitrags im Rahmen der KUK, beispielsweise mit Blick auf eine künftige Vermarktungsstrategie, hat und dem Künstler daher von Beginn an kein unbegrenzter künstlerischer Gestal-
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tungsspielraum zur Verfügung stehen soll, ist die vertragliche Konkretisierung für den Besteller unentbehrlich. Denn wird die Gestaltungsfreiheit des Künstlers nicht vertraglich eingeschränkt, läuft der Besteller Gefahr ein Werk abnehmen zu müssen, das nicht seinen Vorstellungen entspricht. Dies ist Ausfluss der in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantierten Kunstfreiheit.3 Regelungsbedürftig ist auch die Frage, inwieweit Entwürfe und Vorarbeiten des Künstlers vergütungspflichtig sind. Die gesonderte Vergütung einer Konzeption ist nicht eindeutig von § 632 Abs. 2 BGB umfasst, dies hängt vielmehr jeweils vom konkreten Einzelfall ab.4 Gerade im Bereich von KUKs, welche die Gestaltung einer Produktlinie zum Gegenstand haben (vgl. hierzu etwa: WARSTEINER ART COLLECTION),5 kann es durchaus sinnvoll sein zu vereinbaren, dass die vertragliche Leistungspflicht des Künstlers auf die Erstellung eines Entwurfs beschränkt ist, welcher die Basis für eine Weiterverwertung des Werkes bietet, etwa durch Übertragung auf das konkrete Produkt. Ergänzend sollte zudem eine Verschwiegenheitsvereinbarung aufgenommen werden, falls dem Künstler im Zusammenhang mit der Erstellung des Werkes Unternehmensinterna übermittelt werden.
3.2 Abnahme des Werkes und Fälligkeit der künstlerischen Leistung Grundsätzlich ist der Besteller laut § 640 BGB zur Abnahme des vertragsgemäß hergestellten Werkes verpflichtet. Mit Blick auf die künstlerische Gestaltungsfreiheit kann der Besteller im Umkehrschluss somit nur dann die Abnahme berechtigt verweigern, wenn das Werk nicht dem entspricht, was vorher zwischen den Parteien ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. Ein bloßes »Nichtgefallen« reicht, wie oben ausgeführt, nicht aus. In Bezug auf die Vereinbarung von zeitlichen Rahmenbestimmungen einer KUK ist ein flexibler aber klar definierter Zeitrahmen einer vertraglichen Fixschuld in jedem Fall vorzuziehen. Dies mag zwar zu Lasten der unternehmerischen Planungssicherheit gehen, beugt jedoch mit Blick auf die Besonderheiten und Unwägbarkeiten künstlerischer Tätigkeit Spannungen in der KUK vor.
3.3 Vergütung des erstellten Werkes Laut gesetzlicher Regelung wird erst mit Abnahme durch den Besteller gemäß § 641 BGB die vereinbarte Vergütung fällig. Der Künstler ist in dieser Konstellation demnach vorleistungspflichtig. Es empfiehlt sich jedoch, abweichend von den gesetzlichen Regelungen, zumindest einen Teil der Vergütung und ein festes Budget im Voraus an den Künstler auszuzahlen. Die Erbringung des künstle3 | Vgl. Urteil des AG München vom 19.4.2011. 4 | Vgl. BGH Urteil vom 4.9.2004. 5 | Vgl. dazu die Fallstudie WARSTEINER (S. 307ff.) in diesem Handbuch.
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rischen Beitrags ist regelmäßig mit nicht unerheblichen Material- und Produktionskosten verbunden und der Künstler sollte während der zeitintensiven Schaffensperiode hinreichend finanziell abgesichert sein. Die synallagmatische Vergütungspflicht des Bestellers bezieht sich zum einen auf die Herstellung des versprochenen Werkes und zum anderen auf die Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Die Erstellung des verkörperten Werkes für sich erscheint jedoch im Zusammenhang mit den im Rahmen dieser Studie behandelten KUKs von, gegenüber der Entwicklung der künstlerischen Idee, untergeordneter Bedeutung, weshalb sie, und insbesondere auch ihre Vergütung, stets im Zusammenhang mit der Übertragung von Urheberrechten an dem Werk zu sehen ist. Grundsätzlich hat jeder Werkunternehmer Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung nach §§ 631, 632 BGB. Bei der Aushandlung einer konkreten Summe sind die Parteien im Werkrecht zunächst weitestgehend frei von gesetzlichen Einschränkungen. Eine Grenze bildet hier regelmäßig nur das Wucherverbot nach § 138 BGB. Im Falle der KUK trägt das Gesetz jedoch der besonderen Schutzwürdigkeit des Künstlers als geistigem Schöpfer des hergestellten Werkes zusätzlich dadurch Rechnung, dass ergänzend zu den werkvertraglichen Regelungen das Urheberrecht Anwendung findet. Die Vergütung der Werkerstellung und der Übertragung der an ihm bestehenden Urheberrechte sind demnach meist nicht sinnvoll voneinander zu trennen.
3.4 Übertragung von Urheberrechten Grundsätzlich steht dem Künstler als Urheber gemäß §§ 7, 15 UrhG das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an dem im Rahmen der KUK geschaffenen Werk zu. Es gestattet ihm, das Werk frei nach seinem Belieben urheberrechtlich zu nutzen, zu verwerten und zu übertragen. Dem Urheber stehen darüber hinaus weitreichende Abwehransprüche gegen jede Form der Beeinträchtigung seiner urheberrechtlichen Positionen zu. Im Rahmen einer KUK wird der beteiligte Künstler seine Rechte an dem Werk jedoch regelmäßig, zumindest teilweise, auf das kooperierende Unternehmen übertragen wollen. Relevant ist hierbei insbesondere das Recht zur Verbreitung des Werkes aus § 17 UrhG und, speziell im Fall der Gestaltung einer Produktlinie, auch das Recht zur Vervielfältigung aus § 16 UrhG. Aber auch das Recht zur Bearbeitung des Werkes nach § 23 UrhG kann im Rahmen einer KUK von Relevanz sein. In jedem Fall muss die konkrete Reichweite und die Dauer der Übertragung von Urheberrechten Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sein, möchte sich das Unternehmen die Möglichkeit einer effektiven (Weiter-)Verwertung des Werkes sichern. Hierbei kommt es nun auf eine frühzeitige Verständigung darüber an, inwieweit der konkrete künstlerische Beitrag dauerhaft in das Unternehmen eingebracht werden soll und in welchem Ausmaß die Person des Künstlers bei der Vermarktung künftig eine Rolle spielen wird. An diesem sensiblen Punkt entscheidet sich nicht selten der langfristige Erfolg einer KUK. In Anbetracht der
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nicht unerheblichen wirtschaftlichen Interessen, die das Unternehmen regelmäßig an der Verwertung des künstlerischen Beitrags hat, muss dem Künstler hinreichend Gelegenheit dazu gegeben werden, seine persönlichen Grenzen in Bezug auf den Umgang mit dem Werk, aber auch mit seiner eigenen Person im Rahmen der Kommunikationsstrategie des Unternehmens aufzuzeigen und abzusichern. Dem vorrangig wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens an der öffentlichkeitswirksamen Vermarktung der KUK steht nämlich regelmäßig das berechtigte Interesse des Künstlers an einer durch ihn kontrollierten Wahrnehmung seiner Person in der Öffentlichkeit gegenüber, welches als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG auf verfassungsrechtlicher Ebene geschützt ist. Oftmals möchte der an einer KUK beteiligte Künstler insbesondere verhindern, dass seine Reputation auf dem für ihn ausschlaggebendem Heimatmarkt, dem Kunstmarkt, Schaden nimmt. Diese Sorge ist nicht unberechtigt. Insbesondere junge Künstler, die sich noch keine gefestigte Position im internationalen Kunstbetrieb erarbeiten konnten, laufen Gefahr, durch einen zu intensiven Imagetransfer im Rahmen einer KUK Schaden zu nehmen. Aber auch etablierte Künstler möchten es häufig vermeiden, dass ihr Name für die Zukunft untrennbar mit einem bestimmten Unternehmen verbunden bleibt. Hier schützt den Künstler zum einen das in §§ 12, 13, 14 UrhG geregelte Urheberpersönlichkeitsrecht, ergänzt durch das bereits erwähnte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses gibt dem Urheber beispielsweise das Recht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form das Werk mit seiner Urheberbezeichnung zu versehen ist. Entscheidend erscheint in diesem Zusammenhang, dass es den Beteiligten gelingt, sich ihrer teilweise widerstreitenden Interessen bezüglich der urheberrechtlichen Verwertung des Werkes frühzeitig klar zu werden und diese, zumindest weitestgehend, in Einklang zu bringen. Hierbei sollte das beteiligte Unternehmen in besonderem Maße Rücksicht auf die persönlichen Grenzen des Künstlers walten lassen. Sind sich beide Parteien darüber einig, in welchem Ausmaß dem kooperierenden Unternehmen Nutzungs- und Verwertungsrechte im Rahmen der KUK übertragen werden sollen, so ist dies bis hin zur Einräumung eines ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechts gemäß §§ 15, 31 Abs. 1, Abs. 3, 35 UrhG möglich. Die wirksame Einräumung von Verwertungsrechten ist jedoch gesetzlich an die Entrichtung einer angemessen Vergütung im Sinne des § 32 UrhG gebunden. Als absolute Untergrenze wäre beispielsweise an die Heranziehung der marktüblichen Vergütung von Designern zu denken. Erweist sich die im Einzelfall vereinbarte Vergütung mit Blick auf den Umfang und die Dauer der eingeräumten Verwertungsrechte als nicht angemessen, so kann der Urheber, auch noch Jahre später, die Anpassung der geschlossenen Vereinbarung verlangen. Im Streitfall läuft das Unternehmen daher Gefahr, zu einer beträchtlichen Nachvergütung verurteilt zu werden. Der damit oftmals einhergehende Imageschaden vermag hierbei die wirtschaftlichen Einbußen bei Weitem zu übersteigen. Sollte
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das Unternehmen bei einer nur teilweisen Übertragung von Nutzungsrechten im Nachhinein Interesse an einer weitergehenden Nutzung des Werkes haben, ist gegebenenfalls, auch bezüglich der vereinbarten Vergütung, nachzuverhandeln. Einer ausgeglichenen und detaillierten individualvertraglichen Ausgestaltung der Übertragung von urheberrechtlichen Verwertungsrechten und der Aushandlung einer fairen Vergütung für den Künstler sollten demnach, auch im Interesse des kooperierenden Unternehmens, besondere Priorität eingeräumt werden.
3.5 Gewährleistungsrechte des Bestellers Das Unternehmen ist durch die werkvertraglichen Gewährleistungsrechte der §§ 633ff. BGB grundsätzlich umfassend gegen Leistungsstörungen auf Seiten des Künstlers abgesichert. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die gesetzlich intendierte Interessenskonstellation auf jene der KUK nur begrenzt übertragbar ist. Ob das Ergebnis künstlerischer Arbeit mangelfrei ist oder nicht, entzieht sich, mit Blick auf die künstlerische Gestaltungsfreiheit, oftmals in weiten Teilen der Beurteilung des kooperierenden Unternehmens. Auch der objektive Fehlerbegriff des § 633 Abs. 1 S. 2 BGB hilft hier nicht weiter. Nur mit Blick auf die konkret ausgehandelten Vorgaben zur Gestaltung und im Hinblick auf materielle Fehler des Werkes, etwa in der Herstellung oder Verarbeitung, kann das gesetzliche Gewährleistungsrecht demnach überhaupt auf einen künstlerischen Beitrag uneingeschränkt Anwendung finden. Umso wichtiger sind im Interesse des Bestellers die bereits angesprochenen individualvertraglichen Vorgaben in Bezug auf die Ausgestaltung des Werkes. Sollte es tatsächlich zur Ablieferung eines mangelhaften Werkes kommen, welches nicht den vereinbarten Vorgaben entspricht, ist dem Künstler zunächst das Recht zur Nachbesserung nach §§ 634 Nr. 1, 635 BGB zu gewähren. Sollte dies misslingen, stehen dem Unternehmen auf einer weiteren Stufe schließlich die Gewährleistungsrechte des § 634 Nr. 2 bis Nr. 4 BGB, insbesondere Rücktritt und Schadensersatz offen. Deren Geltendmachung sollte im Rahmen einer KUK jedoch nur als ultima ratio herangezogen werden. Denn die Rückabwicklung von Vertragsverhältnissen im Rahmen einer KUK kann weitreichende urheberrechtliche Folgeprobleme und einen hohen Imageschaden auf Seiten des Unternehmens nach sich ziehen. Präventiv empfiehlt sich auch hier die Vereinbarung von individualvertraglichen Regelungen für den Fall der Leistungsstörung zwischen Künstler und Unternehmen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang etwa Bestimmungen darüber, wem im Fall des Abbruchs der Vertragsbeziehungen die bisherigen urheberrechtlich relevanten Arbeitsergebnisse aus der KUK zustehen. Nicht selten sind diese durch die individuellen Vorgaben des Unternehmens erheblich mitgeprägt. Um zu verhindern, dass der Künstler nach einer vorzeitigen Beendigung der KUK beliebig mit den Arbeitsergebnissen verfahren darf, erscheint eine vertragliche Regelung unentbehrlich.
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3.6 Fazit zur werkvertraglichen Ausgestaltung einer KUK Auch das mit vielen Vorzügen ausgestattete und in der Praxis häufig anzutreffende Modell des typengemischten Werkvertrags mit urheberrechtlicher Komponente vermag letztlich keinen abschließenden rechtlichen Rahmen für eine KUK zu bieten. Unter Berücksichtigung der individuellen und teilweise widerstreitenden Interessen von Künstler und Unternehmen erscheint es mithin unentbehrlich, die gesetzlichen Vorschriften an bestimmten Punkten individualvertraglich zu modifizieren oder zu ergänzen. Das kooperierende Unternehmen sollte sich jedoch bereits in der Phase der Planung und Konzeption der KUK darüber bewusst werden, dass auch die gründlichste Vertragsgestaltung einen gewissen Spielraum, sowohl in finanzieller als auch in zeitlicher Hinsicht mit Blick auf die anzustrebende Konfliktprävention nicht ersetzen kann. Kunst und künstlerische Tätigkeit sind auch im Rahmen einer KUK nur begrenzt rechtlich und wirtschaftlich kalkulierbar.
4. D ienst vertr ag 4.1 Vertragstypologische Einschlägigkeit der dienstvertraglichen Bestimmungen Wie einführend erläutert, kommt im Rahmen einer KUK neben einer gemischttypisch werkvertraglichen Ausgestaltung unter anderem auch ein dienstrechtlicher Vertragstypus in Betracht. Die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist jedoch nicht in allen Fällen trennscharf vollziehbar. Die dienstvertraglichen Regelungen nach §§ 611ff. BGB erweisen sich insbesondere dann als einschlägig, wenn im Mittelpunkt der KUK die künstlerische Tätigkeit als solche Vorrang vor der Herbeiführung eines konkreten Erfolges hat. Weitere Kriterien sind das Maß der Weisungsgebundenheit des Künstlers und die Dauer der vertraglichen Zusammenarbeit. Erst eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände erlaubt es, im Einzelfall den rechtsdogmatisch einschlägigen Vertragstypus zu ermitteln. Widersprechen sich in der Praxis Deklaration und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend.6 Als Erfolgsbeispiel einer dienstvertraglichen Ausgestaltung in der Praxis lässt sich das Projekt »Abenteuer Kultur« bei Alnatura und dm anführen,7 welches die künstlerische Leitung von Workshops zum Gegenstand hatte.
6 | Vgl. BGH Urteil vom 29.9.2013. 7 | Vgl. dazu die Fallstudie dm (S. 261ff.) in diesem Handbuch.
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4.2 Wichtige Komponenten der dienstvertraglichen Gestaltung Eine umfassende Abhandlung der spezifisch arbeitsrechtlichen Anforderungen einer KUK ist im Rahmen dieses Beitrags kaum möglich. Skizziert werden daher nur einige vertragliche Komponenten, die bei der Ausgestaltung eines Dienstvertrages für eine gelungene KUK von hervorgehobener Bedeutung sein können. Zunächst empfiehlt es sich, in der Präambel dem Vertrag einige Anmerkungen über den Zweck und die Ziele der KUK voranzustellen. Dies ermöglicht eine interessensgerechte Auslegung der vertraglichen Bestimmungen unter Berücksichtigung des konkret von den Parteien verfolgten Zwecks. Beginn und Beendigung der vertraglichen Zusammenarbeit sind im Voraus möglichst genau zu kalkulieren und im Rahmen des Dienstvertrages festzulegen. Der Künstler begibt sich regelmäßig in eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmen und hat ein berechtigtes Interesse daran, geregelt im Voraus planen zu können. Sollten die Parteien im Anschluss an eine befristete Beschäftigung weiter zusammenarbeiten wollen, ist eine erneute befristete oder sogar unbefristete Anstellung unter bestimmten Voraussetzungen regelmäßig möglich. Auch im Rahmen einer KUK kann eine Probezeit vereinbart werden, die jedoch im angemessenen Verhältnis zur Gesamtdauer der Zusammenarbeit stehen muss. Da das Dienstverhältnis von einem erhöhten Maß der Weisungsgebundenheit des Künstlers geprägt ist, empfiehlt es sich, im Vertrag die Anforderungen des Unternehmens an den Künstler konkret zu formulieren. Ein Mindestmaß an künstlerischer Gestaltungsfreiheit sollte jedoch in jedem Fall gewährleistet sein, um den Charakter einer KUK aufrecht zu erhalten. Auch die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung ist wesentlicher Teil des Dienstvertrages. Hierbei sollte sich das Unternehmen erneut verstärkt darum bemühen, einen interessensgerechten Ausgleich zu schaffen und die, möglicherweise schwächere, Position des Künstlers nicht zur Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Interessen zu nutzen. Nur ein ausgeglichener Dienstvertrag bietet die Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit und eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Bei Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit sollte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände einer KUK ein gewisses Maß an Flexibilität des Künstlers erhalten bleiben. Ihm muss, insbesondere bei länger währenden Dienstverhältnissen, die Möglichkeit gegeben werden, sich weiterhin seiner schöpferischen Haupttätigkeit, der selbstständigen Arbeit als freier Künstler, in ausreichendem Maße zu widmen und fortzuentwickeln. Über die Zulässigkeit von anderweitigen Nebenbeschäftigungen ist im Einzelfall zu entscheiden. Im Zweifel ist im Rahmen einer KUK die Zustimmung zu erteilen, sollte dies nicht mit gewichtigen Interessen des Unternehmens kollidieren. Von hervorgehobener Bedeutung ist sicherlich die vertragliche Vereinbarung einer Verschwiegenheitspflicht des Künstlers über die ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Verfügung gestellten Unternehmensinterna und die Ein-
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blicke in betriebliche Vorgänge. Diese sollte über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus vereinbart werden. Erneut ist die Verhandlung der urheberrechtlichen Rahmenbedingungen der KUK ein elementarer Bestandteil der zu treffenden vertraglichen Vereinbarung. Der Dienstvertrag eröffnet hierbei unter bestimmten Voraussetzungen die besondere Möglichkeit, die speziellen Regelungen über die Urheberschaft in Arbeitsoder Dienstverhältnissen nach § 43 UrhG heranzuziehen, um den Rechtserwerb des Unternehmens vom Künstler als Urheber zu erleichtern. In Anbetracht dessen, dass das Werk gemäß § 43 UrhG im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses entstanden sein muss, ist eine entsprechende Bestimmung darüber in den Vertrag aufzunehmen, dass im Rahmen der KUK erbrachte künstlerische Leistungen als im Rahmen eines Dienstverhältnisses entstanden gelten. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf zu achten, dass die vereinbarte Vergütung des Dienstverhältnisses angemessen erscheint. In jedem Fall sollte zur Ausgestaltung des Dienstvertrags im Rahmen einer KUK die Expertise eines fachkundigen Beraters in Anspruch genommen werden.
5. D ie (unternehmensnahe) S tiftung als K atalysator einer KUK Abschließend soll noch auf die nicht zu unterschätzenden Möglichkeiten hingewiesen werden, welche sich aus der Einbeziehung einer unternehmensnahen Stiftung als Partner im Rahmen von KUKs für Künstler und Unternehmen ergeben können. Charakteristisch für die, hier als Prototyp beispielhaft angeführte, selbstständige Stiftung des Bürgerlichen Rechts, ist ihre Eignung als Instrument zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten Zwecks in Ausrichtung nach dem Stifterwillen. Obgleich sie gesetzlich nicht definiert ist, lässt sie sich begrifflich grob umreißen als Vermögensmasse, die einem bestimmten, oftmals gemeinnützigen Zweck, auf Dauer gewidmet ist. Die selbstständige Stiftung des Bürgerlichen Rechts ist als juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und unterliegt der staatlichen Stiftungsaufsicht. Das Stiftungsmodell bietet sich bei KUKs insbesondere dann an, wenn ein Unternehmen beabsichtigt, langfristig und wiederholt kunst- und kulturfördernde Projekte zu initiieren und die Kulturförderung zu einem dauerhaften Bestandteil seines Unternehmensprofils zu machen. Als Erfolgsmodell aus der Praxis sei hier exemplarisch auf die MARLI HOPPE-RITTER Stiftung als Trägerin des Museum Ritter hingewiesen, welche sich der Präsentation und Förderung vorwiegend geometrisch-abstrakter Kunst verschrieben hat. Die Vorteile der Bündelung des unternehmerischen Engagements in einer unternehmensnahen Stiftung sind vielfältig, insbesondere wenn hierbei das Modell einer gemeinnützigen Stiftung gewählt wird. Das hohe Maß an Glaubwürdigkeit, das eine Stiftung dem unternehmerischen Engagement in der Öf-
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fentlichkeit verleiht, kann dabei nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch für den Künstler kann sich die Zusammenarbeit mit, nicht in das gewinnorientierte Geschäft des Unternehmens eingebundenem, Stiftungspersonal als sehr angenehm und fruchtbar erweisen. Weiterhin bietet die Errichtung einer Stiftung dem Unternehmen auch aus steuerrechtlicher Sicht interessante Anreize. Diese sollten jedoch, insbesondere im Rahmen von KUKs, allenfalls einen erfreulichen Nebenaspekt darstellen. Denn als bloßes Instrument zur Steuerersparnis ist die Stiftung weder geeignet, noch ihrem Sinn nach konzipiert. Zu bedenken ist auch, dass die Errichtung einer Stiftung zu einer dauerhaften Bindung des gewidmeten Vermögens führt. Die Stiftung ist jedoch als Ideengeber und Träger von Projekten, insbesondere im Bereich von Kunst und Kultur, ein unverzichtbarer und essentieller Bestandteil unserer Zivilgesellschaft geworden und bietet Unternehmen die wertvolle Möglichkeit, durch nachhaltiges Engagement die Gesellschaft an ihrem Erfolg teilhaben zu lassen.
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Den Prozess moderieren oder: Eine Aufforderung zum Tanz Bernhard Zünkeler
1. D ie A usgangssituation Unternehmen träumen von großartigen Kreativideen. Als sog. USP (Unique Selling Proposition) sollen diese Ideen die Firma möglichst weit vor den Wettbewerb stellen. Bei der Entwicklung und Umsetzung solcher Ideen denken Unternehmen jedoch zumeist an ihr Trainings-, Marketing, Sales- oder Produktentwicklungsteam. Kunst und deren Urheber – nach klassischem Sprachjargon – sind im Zuge dieses Verständnisses »nice-to-have«, aber eher nicht »essential« fürs Business. Böse Zungen behaupten: Kunst ist ein hübsches Statussymbol, ermöglicht einen coolen Imagetransfer oder dient als kurzweiliges Entertainment zur Motivation. Selten scheint sie mehr zu bedeuten, auch wenn viele gute Seelen daran arbeiten. Künstler – speziell wenn sie eine akademische Kunstausbildung genießen durften – denken bei Unternehmen eher an die Aufnahme ihrer freien Werke in anerkannte Unternehmenssammlungen. Sie wünschen sich eine Ausstellungsmöglichkeit, mit der sie ihren Namen bekannt zu machen suchen. Die Unternehmenssammlung gilt hier als Sprungbrett in Galerien und Museen. Der »Unternehmersammler« ist und war immer auch ein wichtiger Mäzen und Auftraggeber.1 Werke in Kleinunternehmen, insbesondere in Zahnarztpraxen, Restaurants oder Schalterhallen zu platzieren und/oder sie in die Funktionalität eines Unternehmens einzubinden, gilt dagegen geradezu als tabu. Es sei denn, ein ordentliches »Schmerzensgeld« verlockt, der Künstler ist sich der Risiken nicht bewusst oder schlicht verzweifelt genug, seine Werke überhaupt mal zeigen zu dürfen. Kunst im Unternehmen ist aus Sicht von Künstlern also eher Ausnahme und nur in seltenen Fällen erstrebenswert.
1 | Dieses Kapitel wird sich genau mit diesem bereits viel beschriebenen und im Wesentlichen eingespielten Segment des Kunstbetriebes eher nicht befassen.
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2. D er kurze P rozess Wer bei dieser Konstellation der Fordernde und wer der Geforderte ist, weiß so recht keiner. Moderation nach meiner höchst subjektiven Erfahrung und Interpretation dieser Rolle bedeutet in diesem Zusammenhang wohl am ehesten den Tanzpartnern die Musik schmackhaft zu machen, sie aufs Parkett bzw. die Bühne zu locken. Das ist besonders deshalb spannend, weil das Verständnis darüber, was ein Unternehmen macht und wer eigentlich Künstler ist, sehr unterschiedlich gesehen werden kann. Dabei geht es um einen uralten Tanz. Er findet täglich in jedem von uns statt. Ein Tanz zwischen Perzeption, Emotion, Ratio und Motivation. Im sog. Wirtschaftsleben wird er zumeist auf zwei Typen von Protagonisten verkürzt. Auf der einen Seite die Vernünftigen mit der Ratio des logisch Denkenden, die klare Ziele formulieren (am besten in Zahlen bewertbar), die damit einen Plan ausarbeiten und dessen Umsetzung konsequent vorantreiben. Auf der anderen Seite, die emotionalen, unverantwortlichen Chaoten, die der Zufall, die Freiheit und das Risiko begeistert. Unorganisierte Charmeure, die um »Deadlines« und verbindliche Zusagen einen weiten Bogen machen. Das ist natürlich eine schwarz-weiße Vereinfachung. Aber jeder, der die Rituale der globalen Wirtschaftsprozesse beobachtet und sieht, was das Leben in jüngster Zeit mit Hilfe des Internet aus dieser Verkürzung bereits herausgeholt hat, der dürfte leicht erahnen, welch großartiges Potenzial für die Aufführung eines wunderbaren Tanzes noch vor uns liegt. Das Thema Partnerwahl macht das ganze erst richtig spannend, weil die überkommenen Kriterien und Praktiken im Zeitalter globaler Vernetzung kaum mehr Geltung beanspruchen können. Eine intelligente Installation in der kriselnden Opa-Eckkneipe kann genauso ein nachhaltiges Ereignis werden wie die Realisierung eines Puzzle-Spiels in den Flugzeugen einer Airline.2 Zum besseren Verständnis des Kapitels vorab eine kurze Selbstprüfung.
2.1 Zum Stoff Eine »Prozessmoderation und -beteiligung« sollte nach meinem Geschmack für alle, die mit dem Gedanken spielen, der Aufforderung zum Tanz zu folgen (gleich, ob von Unternehmensseite oder als externe Künstler/Moderatoren), mit folgender Fragestellung beginnen: Fühlt sich die Gesamtstory authentisch an? Falls Du in den Tiefen Deines Bauches spürst, es geht wieder um a) das berühmte »Feigenblatt: Wir-sind-jetzt-auch-mal-alle-total-kreativ«, b) ein »dekoratives Ablenkungsmanöver: Ach-guck-mal-dahin-was-ist-das-wieder-interessant« oder c) Dir jemand gönnerisch bzw. aus Mitleid einen zu bespielenden Raum stellt, dann renn was 2 | Letzteres arrangierte Hans Ulrich Obrist für Alighiero Boetti mit der Austrian Airlines, dargestellt in seinem Buch »Ways of Curating« mit einer wunderbaren Ansammlung wegweisender Ansätze, vgl. Obrist 2014, S. 10ff.
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das Zeug hält! Es sei denn, a) du brauchst das Geld, b) machst es aus Pflichtgefühl für Deinen Chef, c) willst aus dem Hamsterrad steigen, d) bist masochistisch veranlagt oder e) einfach verrückt.3
2.2 Zum Kreis der Akteure Die zweite Frage, die Du Dir stellen solltest, ist: Bin ich auf dieser Bühne wirklich der richtige Akteur? Falls Du nach kurzen Vorbesprechungen in den Tiefen Deines Bauches das Gefühl ausmachst, dass es hier eher um a) die Position des Master-of-Desaster für »stramme Kreativvollstreckung«, b) die Stelle eines Umsetzungsorgans von »Wir-wissen-alles-(besser)-weil-wir-den-Plan-haben« geht, c) keine gleichgesinnten Mitkreativen in Aussicht stehen, dann renn was das Zeug hält! Es sei denn, a) Du brauchst das Geld, b) Dein Partner findet eine Beteiligung sexy, c) Du wolltest immer schon mal Clown sein oder d) Du bist einfach verrückt.
2.3 Zur Verbindlichkeit Die dritte Frage, die Du Dir stellen solltest: Wird das Projekt von der höchsten Entscheidungsinstanz (sei es der sog. CEO – Chief Executive Officer, oder die Eigentümerin des Blumenladens um die Ecke) mitgetragen und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet? Falls Du bereits im ersten Meeting in den Tiefen Deines Bauches merkst, dass man a) nur mal vage was aus der Human Resources-, PR- oder Marketing-Abteilung von Kreativkraft zu hören war, b) kein ernstzunehmender (Künstler)-Kollege mit dem Projekt etwas zu tun haben will, c) der Berliner Hotelier, der gerade vor Dir steht, ein paar Wände »frei« zur Verfügung stellt und d) natürlich kein klares Budget oder Bezahlung für Kunstwerke oder Transporte zur Verfügung steht, dann renn was das Zeug hält! Es sei denn, a) Du kannst Dir das Hoffen auf Geld leisten, b) self-fulfilling prophecies sind Dein Spezialgebiet, c) Du hast sonst nichts zu tun oder d) Du bist einfach verrückt und magst es zu tanzen.
2.4 Dazu ein paar Faustregeln Wenn Du nach diesen drei Vorprüfungen immer noch an Bord bist, respektive auf die Bühne drängst, dann gibt es Millionen kluge Ratschläge von allen Seiten. Jeder scheint es besser zu wissen. Du bist der Dumme (und wirst es hoffentlich auch bleiben). Bei näherem Hinsehen wirst Du aber feststellen, dass bisher keiner verrückt genug war, dieses Projekt tatsächlich zu beginnen. Du musst einfach selbst das Parkett ertasten, die richtigen Tanzpartner finden und die Musik erspüren. Wenn Du erwartet hast, dass es eine einfache Checkliste gibt, die man nur abhaken muss, dann kannst Du an dieser Stelle aufhören zu lesen. Jedes wirklich
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künstlerische Projekt ist anders. Das liegt schon an der Sache selbst, sonst wäre es ja kaum kreativ. Das Einzige, was ich Dir aus meiner Erfahrung raten kann, ist Folgendes: 1. Bei der Vorbereitung: a) Wecke Neugierde, um (fast) jeden Preis! b) Eine knackige Behauptung ist besser als ein schlapper Beweis! c) Wenn Du schon nicht überzeugen kannst, dann versuche wenigstens zu verwirren! d) Der Hunger (d.h. das Budget bzw. die Honorarabsprache) kommt beim kreativen Essen! e) Frage regelmäßig nach den Träumen von Menschen, die Dir interessant erscheinen und sei bereit, wenn ein Projekt auf Dich zukommt! 2. Bei der Umsetzung: a) Sag immer ja und lass Dich vom Ungewohnten oder Unerwarteten inspirieren! b) Wenn Du beharrlich und radikal bist, dann werden sich die richtigen Verbündeten einstellen! c) Gib, was Du kannst und lass Dich nicht mit halbgaren Sachen abspeisen! d) Deadlines geben Kraft für Entscheidungen und sind dennoch nicht das letzte Wort (Es sei denn, Du befindest Dich vor Gericht)!
3. D ie l ängere V ersion Als ich den Titel des von mir zu gestaltenden Kapitels las, kamen mir unwillkürlich Gedanken zum Wort »Prozess«. Franz Kaf kas gleichnamiges Werk sprang herbei. Erinnerungsfetzen aus meiner Zeit als Anwalt gesellten sich dazu. Erstaunliche Spektakel der Konzeptkunst vor dem Arbeitsgericht. Ein leichter Hauch von Surrealismus und neuer Sachlichkeit zog durch den Raum. Kunst und Unternehmen in einem anderen Kontext. Es ist schon faszinierend zu sehen, wie das Gehirn aus Worten Bilderreihen entstehen lässt. Gerade deswegen fällt es mir schwer, fokussiert bei der Sache zu bleiben. Und genau darum geht es beim Moderieren des Prozesses – um ein Spiel aus Zufall und Berechnung. Ein Balanceakt aus Bruch und Konsequenz. Durch welche Kombination kann die begehrte Innovation entstehen? Denkeffekte wie Closing, Priming, Framing und Anchoring spiegeln uns in allem Sinnhaftigkeit,4 gleich wie verrückt das Ganze auch sein mag. Sie sind 4 | Besonders zu empfehlen ist hier die großartige Darstellung in dem Buch »Thinking, Fast and Slow«, vgl. Kahneman 2011, S. 50ff.
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unsere Anker im (Wahn)-Sinn des Zufalls. Oftmals kreieren sie aber auch kognitive Illusionen. Machen uns nur zu leicht vor, wir seien auf dem richtigen Weg, nur weil sich alles logisch erklären lässt und in der Vergangenheit immer geklappt hat. Wer zu sehr auf ihre Wirkung vertraut, der kann schnell in einer Sackgasse aufwachen. Manchmal scheint es einfach als bessere Strategie, sich von der Neugierde treiben zu lassen und immer auch zu unbekannten Ufern aufzubrechen.5 Ein wunderbares Schauspiel zwischen Gesetz(-mäßigkeit) und Freiheit. Ein Schautanz. Aber welches Stück sollen wir denn spielen? Was macht eigentlich ein gutes Stück aus? Kommen wir zurück auf die drei wichtigen Bestandteile: Story, Akteure und Ausstattung.
3.1 Wann tanzt Du in der richtigen Stor y? Versuchen wir der Suche nach den Kriterien der besten Story im Unternehmen auf den Grund zu gehen. Der allgemeinen Beliebtheit wegen beginnen wir exemplarisch mit dem Schauspiel »Ewiges Wachstum«. Wachstum! Ein herrliches Erfolgskriterium. Und was ist »Fast Track« unter den Wachstumsgeschichten? Natürlich! Die wunderbare »Fusion unter Gleichen«, gespickt mit »unglaublichen Synergie-Effekten« und das in alle »Ewigkeit«. In Wirtschaftskreisen ein echter Bestseller. Wird in ganz großer Regelmäßigkeit auf den Parketts dieser Welt aufgeführt. Außerdem wird sie von allen Großen dieser Welt wohlwollend beklatscht, finanziert und ist fast immer ausverkauft. Das Skript variiert erstaunlicherweise nur selten. Sind wir wirklich so fantasielos? Ein bisschen genauer vielleicht: Stellen Sie sich einfach eine Wachstumslinie vor. Eine Gerade, die ständig in die Höhe steigt, ohne Wachstumsknicke, ohne Abreißen, ohne Schwankungen, ohne Querschläger, ohne Unausgewogenheit, ohne Zwischenhalt, nur stabil, einfach nach oben! Wie herrlich! Ein ewiges Happy End. Start-Ziel-Sieg. Der Traum eines jeden CEO? Eine Traumgeschichte, oder? Mag sein, der genügsame Shareholder sinkt in den verdienten Schlaf! Aber was ist bei Dir? Es regt sich Unbehagen? Das kann nicht sein. Das ist doch die Erfolgsgeschichte! Aber wie steht es mit den härtesten Kritikern des CEO, seinen Kleinen daheim? Kriegt er mit so einer Traumgeschichte seine Kinder zu Bett?
5 | Am Beginn seines Buches »Fröhliche Wissenschaft« hat Friedrich Nietzsche dieses Spiel mal mit folgenden Worten beschrieben: »Seit ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden. Seit mir ein Wind hielt Widerpart, segl‹ ich mit allen Winden«, Nietzsche 1882, S. 15; sehr empfehlenswert auch die Schilderung der Macht des Ungeplanten in Buch »Antifragile«, vgl. Taleb 2014, S. 105ff.
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Abb. 1: »Bühne frei« von Hervé Boully Foto: Bernd Zöllner Lassen Sie mich den Wortlaut der Gute-Nacht-Geschichte ein wenig verändern: Es war einmal ein Prinz (Unternehmen 1). Der traf eine Prinzessin (Unternehmen 2). Es war Liebe auf den ersten Blick (Letter-of-Intent). Sie konnten nicht voneinander lassen (Due-Diligence). Die königlichen Eltern erteilten ihnen endlich den Segen (Go der Aufsichtsräte und Kontrollbehörden). Sie heirateten (Vertragsschluss und Eintragung ins Handelsregister). Zur Hochzeit sind alle gekommen (Alle Medien berichten). Jeder brachte schöne Geschenke (keiner guckte so genau auf die Ausgangskurse) und sie bekamen Kinder und Kinder und Kinder und Kinder (Synergien über Synergien stellten sich ein)... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute (Erreichung der Systemrelevanz, Too big to fail)! Toll, nicht!? Wir stellen uns vor, wie der CEO in die erwartungsvollen Augen seiner Kleinen schaut. Aber diese Augen sagen mehr als tausend Worte: Das ist eine doofe Geschichte! Erzähle uns doch mal eine richtige Geschichte! Glücklicherweise hat jeder CEO zu Hause dann doch mehr zu bieten. Kann von Kabalen und Liebe berichten. Und seine Kleinen gehen begeistert ins Bett, träumen von Irrwegen, Feen, Rittern, Geistern, brausenden Tsunamis, bösen Magiern und großen Helden. Denn Gott-sei-es-gedankt spielt das Leben immer spannendere Stücke wie die »Traumhochzeit« oder die »Ewige Wachstumskurve«. Weshalb das so ist? Warum CEOs oder die sog. »Entscheider« doch immer noch lieber die gradlinigen Bestseller aufführen wollen, obwohl Ihnen weltweit die Erfolgsstücke à la Wikipedia, Twitter, Youtube und Google längst etwas anderes vormachen? Warum auch diese Stücke einen Zenit haben? Und wieso es trotzdem spannend weitergeht? Nun, das liegt am Leben selbst. Das Leben ist die permanente Möglichkeit. Ein Perpetuum Mobile. Eine ständige Geschichte ohne Ende. Es ist fraktal, impulsiv, reziprok, nicht-linear, heterogen, schwankend, dynamisch und vielseitig. Und genau daraus sind die echten Geschichten gemacht. Die Geschichten, deren Authentizität auch langfristig Menschen bewegen. Jedes
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Problem hat einen Spannungsbogen. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Überwindung eines unternehmerischen Problems fast immer zu einem wichtigen USP werden kann. Die Geschichte dazu gibt es gratis. Künstler lieben Problemstellungen als Inspirationsquelle. Eine echte Win-win-Situation. Ironischerweise machen wir uns das nur selten klar, obwohl jeder von uns stöhnt, wenn er aus einem langweiligen Film rennt oder mal wieder von einer glattpolierten Werbung gequält wird. Um den Rahmen nicht zu sprengen, lassen Sie mich nur einen der möglichen Story-Treiber, ein wenig konkreter darstellen und damit zeigen, dass das Wissen von heute fast immer zum Irrtum von Gestern wird. Egal wie glatt sie den polieren, der genaue Plan und die klaren Ziele helfen da nur bedingt weiter. Nehmen wir zum Beispiel eine Façon des Lebens: fraktal. Es bedeutet, jeder Sache kann man endlos auf den Grund gehen und endlos nach dem Grund fragen. Prinzip: Im Kern des Kleinen liegt der Ansatz fürs Große. Vereinfacht gesagt, ist es im Leben oft wie mit einer Matrjoschka-Puppe. Es geht immer weiter in die Tiefe oder in die Höhe.6 Man weiß nie, wo man steht und wie weit es noch geht. Der Gegenstand vor einem sieht stimmig und fertig aus, ist er aber nicht. Hierzu vielleicht ein kleiner Exkurs: Vor tausend Jahren glaubten die meisten Menschen noch zu wissen, dass sich alle Dinge aus vier Elementen (Erde, Feuer, Luft, Wasser) zusammensetzen. Dann stellte man fest, dass es eher unterschiedlichste Grundelemente in unterschiedlichen Aggregatsformen gibt, die sich aus Atomen zusammensetzen, dann berechnete man messerscharf, dass dahinter eher Neutronen und Protonen stecken. Wenig später kamen Neutrinos und Quarks auf den Plan. Gerade konnten wir die Hicks-Teilchen nachweisen. Und ich gehe jede Wette ein, dass das nicht das Ende der Reise in den Mikrokosmos ist. In Richtung Makrokosmos, glaubten wir vor tausend Jahren noch an eine Scheibe, vor fünfhundert Jahren an eine Kugel, dann an ein dreidimensionales Universum mit den physikalischen Gesetzen zu Zeit-Raum, Materie und Energie, seit fünfzig Jahren glauben wir mehrheitlich an den berühmten Urknall. Aber es zeichnen sich schon erste Umrisse ab, dass die nächste Matrjoschka-Puppe nicht lange auf sich warten lässt. Es scheint, als ob unser Urknall weniger eine Explosion, sondern wahrscheinlich eher eine Kollision mit einem anderen vierdimensionalen Universum gewesen sein könnte. Fraktalität, das ist nur eins der Hölzer aus dem unsere Geschichte geschnitzt ist. Den Dingen immer auf den Grund zu gehen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, ist aber auch immer ein Treiber unternehmerischen Denkens. Ein schönes Storyfeld, welches Künstler und Unternehmer gemeinsam beackern können. Von den unzähligen anderen Feldern will ich hier gar nicht erst reden. Neuigkeiten lauern überall und warten darauf entdeckt zu werden. Angesichts dieser Überraschungsdichte kann es einem schon den Atem verschlagen, 6 | Beeindruckend hierzu der bereits 1977 gedrehte Film von Charles und Ray Eames »Powers of Ten«.
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aber es macht die Sache auch ungeheuer anziehend. Daher schreibt die besten Geschichten bekanntlich das Leben. Deswegen sind das Bekenntnis von Unternehmen zur eigenen Authentizität und der originelle Umgang mit allen Unsicherheiten und Kämpfen immer noch die beste Story. Damit will ich nicht sagen, dass vorhandene Strukturen unwichtig sind, bilden sie doch Teil der Authentizität. Wer aber nur ein stilisiertes Drehbuch bzw. einen Top-down Jahres-Plan im Gepäck hat, der mutet doch etwas sehr fad an. Das klingt nicht unbedingt nach dynamischer Tatkraft und Zukunftsstärke. Es mutet eher ein bisschen an, wie das zaghafte Pfeifen im Dunklen der Höhle oder das stumme Blicken in die Landkarte, wenn der Fluss die Brücke weggerissen hat. Dabei wollen wir doch sehen, wie jemand die Fackel anmacht, wie wir um die Untiefen des reißenden Flusses hinwegkommen. Wir wollen sehen, dass die Helden hart kämpfen müssen. Ohne das: keine richtige Geschichte und auch keine Prinzessin oder wahlweise Prinz, deren Herz wir gewinnen. Je näher wir an der Spannung des Lebens dran sind, umso glaubwürdiger sind wir. Wer Spannung und Konflikte versucht unter den Teppich zu kehren, bestraft sich selbst. Denn jeder Widerspruch, jedes Problem, jedes Paradox trägt vielleicht den Kern einer großen Erfolgsstory in sich und ist wahrscheinlich der beste USP. Jeder der sich auf eine Prozessmoderation einlässt, sollte zusehen, dass er ein Stück richtigen Leben zu greifen kriegt und nicht in einer oberflächlichen Scheinwelt spielt. Das gilt für jeden Bereich einer Unternehmung.7 Sollte Kunst dagegen wie so oft nicht immanenter Bestandteil der Unternehmung sein, sondern nur als schlichter Zusatz fungieren, etwa unter dem Motto »Kunst am Bau« oder ähnlichem Additiv, dann kannst Du mit einiger Sicherheit davon ausgehen, Du tanzt (noch) nicht in der richtigen Story!
3.2 Wer sind Deine besten Tanzpartner? Und wer kann dieses Abenteuer am besten bestehen und unser Herz gewinnen? Auch hier muss ich etwas ausholen, weil das Verständnis über Kriterien zur Wahl geeigneter Akteure im Wirtschaftsleben nach meiner persönlichen Erfahrung doch sehr auseinanderdriftet. Dabei geht die Geschichte zurück bis zu unseren Anfängen. Im Prinzip sind die Selektionskriterien dieser Urzeit immer noch in uns allen abgebildet und zu spüren. Angefangen hat es, als eine Laune des impulsiven Lebens sich auf unserem Planeten aufmachte, aus dem Wasser zu steigen. Da waren wir noch ziemlich hirnlose Kleinstwesen. Es brauchte einige Zeit bis sich die Zellen etwas ausdifferenzierten und unsere Steuerungszentrale für Bewegung an Land herausgebildet wurde. Im Wasser konnte man sich ja einfach über Milliarden Jahre treiben lassen. Aber an Land musste etwas geschehen, um nicht in der Sonne zu verdorren. Um nicht vorzeitig auszusterben, konnte man 7 | Jedem der sich ein Bild davon machen will, wie merkwürdig ein Schamanentum herüberkommt, welches nur an der Bedeutungsoberfläche kratzt, dem sei an dieser Stelle die Darstellung des sog. Cargo Cultes zu empfehlen, vgl. Lotter 2011.
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sich am Anfang zu den wichtigen Dingen wie Fortpflanzung ins Wasser zurückziehen. Mancher Molch macht das auch heute noch. Aber auf Dauer musste das Leben schon was unternehmen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Es war ein äußerst komplexer und langwieriger Vorgang, bis sich aus dieser Bewegungskoordinationszentrale eine Art Gehirn bildete. Die harten und schnellen Unwägbarkeiten des Landlebens gaben den Evolutions-Takt an. Vor Vierhundertmillionen Jahren war es dann soweit. Endlich hatte sich das Hirn des Reptils gebildet. Welches, nebenbei bemerkt, übrigens erstaunliche Übereinstimmung mit unserem heutigen Stammhirn aufweist. Beim Auftreffen mit dem »Unbekannten« hieß die Logik dieses Hirns noch schlicht »flight or fight«. Ist im heutigen politischen und wirtschaftlichen Leben immer noch erstaunlich oft anzutreffen. Im primitiven war das ein zweistufiger Entscheidungsvorgang: 1. unbekannt = flight, bekannt = Präzisierungsschritt 2. Großes = flight und Kleines = fight. Auch ein uns heute nicht unbekanntes Phänomen! Glücklicherweise hat uns die Evolution geholfen, dies über die Jahre etwas zu verfeinern. Wir wissen inzwischen, dass uns das Leben dann doch mit ein paar mehr Variablen beglückt. Unbekanntes seine guten Seiten haben kann und auch Großes seine Schwächen hat. Trotzdem wohnen diese Kräfte noch immer in uns. Es ist ein wahres Glück, dass bereits unsere Urahnen im Tierreich ein limbisches Zentrum ausbildeten, das unserem Reaktionsapparat und unserem Erinnerungspotenzial erheblich mehr Entscheidungsvarianten bereitstellt. Die einfachen Regeln des flight-or-fight wurden somit stetig erweitert, bis hin zur Entwicklung des jüngsten Teil unseres Hirns dem Präfrontal-Kortex.8 Warum das genau passierte, können wir nur vermuten. Auf jeden Fall lernten unsere Vorfahren sorgsam abzuwägen, wann Sicherheitsdenken von Vorteil und wann eher Neugierde den Erfolg brachte. Den Vogel abgeschossen hat dann einer unserer Ahnen, als er, anders wie man vermuten mochte, nicht vor dem gefährlichen Unbekannten wegrannte, sondern von Neugierde angetrieben, das erste Feuer zu beherrschen lernte. Das Spiel mit dem Feuer wurde so zu einer Art Königsdisziplin und diejenigen, die sich darauf einlassen, sind auch heute noch die wichtigsten Akteure, wenn es um bahnbrechende Neuerungen oder Lösungen in verfahrenen Situationen geht. Diese Akteure und ihren Bewegungsdrang zu unterstützen, genau darum geht es bei der Moderation im Zusammenspiel von Unternehmen und Künstlern. Dabei sollte man jedoch nicht den Fehler begehen und die Selektion der Akteure statischen Kriterien, insbesondere staatlichen Prüfungszeugnissen oder hergebrachten Standardregeln überlassen. Wer glaubt, dass Künstler nichts mit Logik im Sinn haben und Unternehmer immer einfallslos auf Nummer sicher gehen, der verbaut sich die Chance, die richtigen Mitstreiter zu finden. In den vergangenen Jahrzehnten ist – angetrieben von Großunternehmungen (und statistischen Bundesämtern) – vor allem zu beobachten, dass die Berechen8 | Phänomenale Darstellung der Hirnfunktionalität bei kreativen Leistungen in Kandel 2012, S. 485ff.
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barkeit der Zukunft mit einem Rückblick in die Vergangenheit vorangetrieben wird. Es geht im Wesentlichen darum, einem Budgetprozess zu folgen, der sich an den Ausgaben der Vergangenheit orientiert. Mit geschickter Kalkulation und Einsparungen versucht man effektiver zu werden und mehr zu erreichen. Damit bleibt es aber bei generischen Weiterentwicklungen und dem berühmten Moreof-the-same. Generell kommt der Kontrolle dabei eine überragende Bedeutung zu. Und mit ihr auch den Akteuren, die sich besonders gut darauf verstehen und Spaß daran haben. Gegen angemessene Kontrolle und Risikomanagement ist auch nichts einzuwenden. Es geht dabei aber um Steuerung durch Blicken in den Rückspiegel. Das ist wichtig. Letztlich bleibt es aber nur ein Steuerungskriterium. Der unbefangene Blick nach vorne durch die Windschutzscheibe ist demgegenüber mindestens so wichtig. Ohne ihn verspielt man seine Zukunftschancen. Zukunft ist immer unbekannt. Um sie mit all ihren Unwägbarkeiten zu gestalten, braucht es Akteure, die sich auf Unbekanntes freuen. Produkte haben einen Lebenszyklus und der ist oft kürzer als gedacht, Mitarbeiter verändern sich. Forschung bleibt nicht stehen. Rahmenbedingungen wandeln sich laufend. Angetrieben durch die Wissensvernetzung im Internet gehen in jüngerer Zeit Unternehmungen daher auch andere Wege, versuchen sich gar nicht erst stereotype »Mission-Statements« oder gleichlautende »Visionen« als Feigenblatt ihrer Kreativität umzuhängen. Sie versuchen auch nicht mit platten Sprüchen eine innere Haltung zu beschönigen, die sich in der Betriebswirklichkeit nicht wiederfindet.9 Hier geht es eher darum Akteure zu suchen, die erfolgreiche Strategien entwickeln, wie man auf der einen Seite effektive Strukturen schafft und diese auf der anderen Seite dennoch ständig hinterfragt. Das ist nicht immer leicht. Künstler mussten sich mit dieser Aufgabe seit Jahrhunderten auseinandersetzen und haben unzählige Strategien entwickelt, sich immer neu zu beweisen. Daher scheint es nicht ganz abwegig, wenn sich erfahrene Unternehmen einem Kreis von Akteuren öffnen, der bisher nicht so richtig auf der Wunschliste standen. Aber wie findet man diese Akteure? Gibt es Künstler und Unternehmensentscheider, die zueinander passen? Dass lässt sich pauschal kaum beantworten. Aus meiner Erfahrung gibt es ein paar gemeinsame Charakterzüge und ein paar grundsätzliche Unterschiede. Diese Eigenschaften geschickt zu kombinieren, darauf kommt es bei der Moderation besonders an, wenn man am Ende nicht frustriert auseinander gehen will. Findet man keine Gemeinsamkeiten und ist nicht in der Lage Unterschiede wirken zu lassen, wird der Tanz eher ein leerer Akt der Provokation oder eine schleichende Vergewaltigung. Zu den Gemeinsamkeiten sollten insbesondere folgende Grundeigenschaften gehören: Offenheit, Neugierde, Enthusiasmus, Empathie, Imagination, Hartnäckigkeit, Willensstärke, und nicht zu vergessen: Kooperationsbereitschaft. Wie gesagt, dass gilt für alle Tanzpartner. Wer lieber als einsamer Wolf an der Spitze 9 | Eine lesenswerte Beschreibung zum »Believe in your own Slogans« bieten Schmidt/ Rosenberg 2014, S. 27ff.
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tanzt oder als einsames Genie viel Platz braucht, dem würde ich von solch einer gemeinsamen Unternehmung eher abraten. Den wohl wichtigsten Grundunterschied bildet demgegenüber die Einschätzung der Reichweite von Planung. Während im Unternehmen ein unglaublicher Planungswille und Planungsglaube vorhanden ist, stellt die starre Verpflichtung an ein festes Planziel die meisten Künstler vor eine schwierige Gewissensfrage. Kurz: Der Unternehmer kauft ungern die »Katze im Sack« und der Künstler will seiner Phantasie ungern die »Flügel stutzen« lassen. Gerade aus diesem Unterschied erwächst aber die besondere Fruchtbarkeit einer Zusammenarbeit. Beide Ansätze haben ihr gutes und gerade aus dem permanenten Dialog entstehen die schönsten Ergebnisse. Sie sind nie endlich und können doch vollendet sein. Um die Zentrifugalkräfte einer solchen Kooperation produktiv zu nutzen, empfiehlt es sich, ein paar Grundvoraussetzungen für wachsendes Vertrauen zu schaffen. Dazu gehört vor allem eines: Künstlern die Möglichkeit zu geben, die Scheu vor einer betrieblichen Funktionalisierung zu verlieren. Die sog. Freie Kunst hat gerade in Bezug auf die jüngere Geschichte in Deutschland mit Recht eine erhebliche Aversion gegen Bevormundung entwickelt. Auf der anderen Seite bescherten uns über die Jahrhunderte Auftragsarbeiten, die ausreichend Freiraum hatten, einige der überragendsten Kunstwerke. Rahmen und Freiheit müssen sich nicht widersprechen. Letztlich geht es bei Auftragsarbeiten darum, in einem gesetzten Umfeld die Unendlichkeit zu suchen. Im umgekehrten Fall geht es bei sog. Freien Arbeiten vielfach darum, unendliche Freiheit in eine bestimmte Struktur zu bringen. Beides hat seine Reize. Und deswegen gibt es in der Wissenschaft wahrscheinlich auch Astronauten, die in die unbekannten Weiten des Raumes fliegen und dort gleichzeitig mikroskopische Versuchsreihen durchführen, die sie schon tausendfach auf der Erde durchgetestet haben. Genau diese »Artronauten«, wie ich sie nenne, gibt es auch in der Kunst. Menschen, die bereit sind, sich in die unbekannte Schwerelosigkeit zu begeben und sich dennoch vor Pflichtaufgaben nicht scheuen. Genau diese Künstler kommen im Unternehmensumfeld wohl am besten zurecht. Demgegenüber stehen für mich eher die »Artokraten«. Eine etwas schwierige Gattung, weil sie mit ungeheurer Kompetenz ausgestattet zu sein scheint, oft allerdings einen ausgeprägten Hang zu festen Strukturen haben. Sie legen besonderes Gewicht auf Bestätigung durch große Namen, schriftliche Zeugnisse, Rankings etc., um vermeintlich sicher sein zu können und kein Risiko einzugehen. Das Festhalten an starren Rahmenbedingungen und das bewusste Setzen von festen Parametern und Qualitätssiegeln, sorgt deshalb auch eher dafür, dass besonders viele »Artokraten« angelockt werden. Damit erzeugt man leider nur zu leicht einen vorauseilenden Gehorsam der Planerfüllung, denn »Artokraten« sind eher vergleichbar mit den in den Rückspiegel schauenden betrieblichen Controllern. Leider findet sich so kaum die erfinderische Frische, bei der Unternehmen von Künstlern profitieren können. Statt gewichtiger Planvorgaben ist es daher sicherlich lohnenswerter, den Künstlern den Reiz des planbaren und dem Unternehmen die Frische des ungeplanten
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näherzubringen. Beides passiert, wenn sich die Artronauten auf beiden Seiten finden und zusammentun. Und woran erkennen diese sich? Sie stellen viele Fragen, versuchen den anderen zu verstehen, legen viel Wert auf Authentizität und Originalität und können über ihren eigenen Schatten springen. Für einen solchen Mitstreiterkreis bleibt es letztlich auch egal, welche paradoxe Story den Ausgangspunkt bildet. Jeder versucht ohnehin immer das Beste fürs Gesamtergebnis herauszuholen.
3.3 Wann stimmt die Ausstattung? Damit kommen wir zu den oben genannten Rahmenbedingungen, um die richtigen Akteure anzulocken. Am bequemsten ist es sicher, wenn folgende Parameter gesetzt sind: a) Existenz eines klar umrissenen Kunstkonzeptes, b) Künstler werden dazu wahlweise nach Reputation, Ausbildung, Alter, Tätigkeitsschwerpunkt, Nationalität oder ähnlichem vorsortiert, c) ein entsprechendes jährliches Budget für den Ankauf von Kunst besteht und dieses wird nicht hinterfragt, d) eine sorgsam ausgewählte Unternehmensabteilung, die kunsthistorisch (am besten promoviert) vorgebildet ist, kann sich dem Thema Kunst das ganze Jahr ausschließlich widmen – ungestört von den widrigen Verhältnissen, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, versteht sich. Klingt einleuchtend, die Gefahr überproportional viele »Artokraten« anzulocken oder nur in einer »Scheinwelt« zu spielen, darf hier nicht verkannt werden.10 Wenn schon solch komfortable Rahmenbedingungen bestehen, sollte man sich zumindest verstärkt Gedanken machen, wie es nicht zu bequem wird! Wesentlich spannender ist es, wenn a) b) c) d)
ein Unternehmen in der Krise steckt, die Situation völlig verfahren ist, keinerlei Geldmittel für Kunst oder andere »Sperenzien« vorhanden sind noch nie im Unternehmen irgendjemand glaubte, etwas mit Kunst zu tun haben zu wollen und e) keiner weiß, an wen er sich zur Lösung von Problemen wenden soll. Auf den ersten Blick schreit eine solche Situation nach dem Insolvenzverwalter. Man könnte die Lage aber auch so interpretieren, dass gerade hier die Chance besteht, neue Wege zu gehen. Insbesondere weil die alten erwiesenermaßen ver10 | Und Vorsicht! In jedem von uns steckt ein kleiner Artokrat, genauso wie ein kleiner Controller!
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baut sind. Es gibt sicherlich auch weniger dramatische Situationen. Diese müssen nicht weniger reizvoll sein. Dutzende von Szenarien sind denkbar, über alte Wege neu nachzudenken. Das reicht von der Änderung wesentlicher Rahmenbedingungen (man denke hier nur an ganze Industriezweige, die sich in den nächsten Jahren neu erfinden müssen, das reicht von der Tabakindustrie bis zur Energiebranche). Es geht aber auch um mögliche Betriebsnachfolgen, Fusionen, Übernahmen, Produktwechsel oder schlichte Straßenbauarbeiten. Wie schon gesagt, letztlich kommt es auf die Authentizität der Geschichte an. In einer solchen Lage stellen sich Artronauten für gemeinsame Experimente nur zu gerne zur Verfügung. Der Reiz der Aufgabe muss einfach im Vordergrund stehen. Wenn mögliche Ideen gefunden sind, dann findet man zumeist auch das Geld für deren Umsetzung. Dem Moderator kommt an dieser Stelle oft eine Schlüsselfunktion zu. Er muss in der Lage sein, eine künstlerisch reizvolle Aufgabe zu identifizieren. Geeignete Kandidaten auf Seiten der Künstler zu finden, die sich an der Aufgabe versuchen wollen, ohne sich und ihr Werk verbiegen zu müssen. Weiterhin muss er in der Lage sein, die Unternehmensvertreter davon zu überzeugen, dass die betreffenden Künstler immer ihr ganzes Herz in eine Aufgabe stecken. Schöner Begleiteffekt ist hier, dass sie einfach mehr an die Qualität des Werkes als an die Uhr11 denken. Dienst nach Vorschrift findet selten statt. Der Moderator muss hier einen guten Weg finden, um einerseits Künstler nicht der Selbstausbeutung preiszugeben und andererseits bestimmte zeitliche Erwartungen des Unternehmens zu wahren. Das gelingt am besten im permanenten Dialog und mit stetiger Transparenz des Prozesses. Zwischenergebnisse eines unvollendeten Werkes zu zeigen, ist zwar nicht ganz unproblematisch. Dennoch wirkt es zumeist Wunder. Zum einen weil in der Regel das Unternehmen den Arbeitseifer der Kreativen unterschätzt und zum anderen weil die beteiligten Künstler positiv überrascht sind von der begeisterten und Mut machenden Reaktionen der Betrachter. Dem Moderator kommt an dieser Stelle die wichtige Aufgabe des richtigen Timings zu. Gleich ob ein Moderator seine Rolle eher im Sinne eines Dirigenten, eines Produzenten, eines Kurators oder Filmemachers auslegt, hin und wieder ist es notwendig, dass jemand »Cut!« ruft, um allen Beteiligten die nötigen Verschnaufpausen zu gewähren. Vielleicht ist das am Ende sogar eine der wichtigsten Aufgaben und Gründe, warum man bei einem größeren Projekt nicht auf einen Moderator verzichten sollte. Daneben sollte er darauf bedacht sein, den Künstler von den im betrieblichen Alltag häufig anzutreffenden wahnwitzigen Report-Routinen zu entbinden. Er könnte versuchen, diese selbst abzudecken. Vielleicht sogar dadurch, dass er dem Unternehmen an dieser Stelle mit einigen Arbeiten den Spiegel vorhält. Ich habe in meinem Leben schon so viele kleinteilige Reports gelesen, die vor Eintönigkeit strotzten und ungelesen abgelegt wurden, dass ich mich immer gefragt habe, wer 11 | Eine Eigenschaft, die von vielen Unternehmen als sog. Ergebniskultur geradezu herbeigesehnt wird.
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das eigentlich lesen soll und besser noch, wer diese Pflichtarbeit bezahlt. Schafft es der Moderator dann noch, die finanziellen Bedürfnisse beider Seiten zu bedienen, dann steht einem Erfolg eigentlich kaum etwas im Wege. Um gerade in der leidigen Geldfrage keinen Schiff bruch zu erleiden, empfiehlt es sich, die Taten für sich sprechen zu lassen. Die Transparenz und das gegenseitige Vertrauen werden sehr gesteigert, in dem man sich auf eine für beide Seiten hinreichend erklärbare Basissumme verständigt und je nach Entwicklungsstufe des Werkes, weitere Zahlungsstufen einfügt. Das ist keine Hexerei und wird letzten Endes bei fast allen Werk- bzw. Werklieferungs-Verträgen angepeilt. Natürlich schadet es nicht, wenn der Moderator mit der ein oder anderen Excel-Liste versucht, die Übersicht zu wahren. Aber er sollte es nicht übertreiben. Eine wesentliche Herausforderung besteht für den Moderator eher darin, die unternehmensseitige Einkaufsmaschinerie, die in der Regel darauf gedrillt ist, jeden Preis möglichst weit herunterzuhandeln, davon zu überzeugen, dass sie sich mit dieser rabattorientierten Methodik letztlich ins eigene Fleisch schneidet. Ein Künstler will letztlich immer ein gelungenes Werk vollbringen. Daher neigt er tendenziell dazu, beim Geld nicht so genau hinzusehen und sich eher noch herunterhandeln zu lassen. Wenn die routinierte Einkaufsmaschinerie eines Unternehmens also dessen ungeachtet zuschlägt, werden häufig bestimmte Grenzen unterschritten, die es dem Künstler oft schwer machen, den Qualitätsstand zu erreichen, den er dem Unternehmen eigentlich geben will. Es geht bei Kunst in der Regel auch nicht um geschlossene und beliebig skalierbare Dinge, deren Preis nach Mengen zu bemessen ist. Auch dies zu erklären, ist eine permanente Transferleistung des Moderators, damit beide Seiten das Beste voneinander bekommen. Ein immer wieder unterschätzter Punkt besteht sicherlich darin, den gemeinsamen Weg in Entwicklung und Produktion nicht hinreichend zu dokumentieren. Die kreative Kraft entfaltet sich gerade auch im Prozess und ist für die Beweiskraft in möglichen Folgeprojekten von unschätzbarem Wert. Nach meiner Überzeugung ist es jedenfalls am sinnvollsten, die gemeinsame Arbeit als längerfristigen Prozess zu definieren. Man beginnt zuerst mit einem kleinen Projekt und leicht überschaubaren Ansatz, um dann langsam die Intensität zu steigern. Meistens geht der Reflex von Unternehmen in Richtung von: a) Klarheit, d.h. keine zweideutige Botschaften, b) Direktheit, d.h. keine Umwege und d) Risikovermeidung, d.h. bloß keine unvorhersehbaren Reaktionen hervorrufen. In der Kunst gehen die Reflexe eher in die entgegengesetzte Richtung: a) Ambivalenz, b) Komplexität, c) Diversität und Spannung sind geradezu Wirkvoraussetzungen für ein gelungenes Werk.
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Interessanterweise setzt sich der Wagemut in künstlerischer Sicht langfristig fast immer durch. Ein Werk, das zu schnell durchschaut wird, hält eben nicht lange vor. Und oft ist das einfachste, gerade das komplexeste. Das sieht bei Film, Musik und guten Speisen nicht anders aus. Im Nachhinein (bewegte) Bilder des Prozess zu haben, hilft enorm, um diesmal auch den Rückspiegel-Fahrern beim Folgeprojekt weitere Sprünge zu ermöglichen.
4. F a zit Man muss in der Lage sein, eine authentische Geschichte des Lebens zu finden. Eine Geschichte, bei der sich weder Unternehmen noch Künstler verbiegen müssen, sondern ihre Balanceakte zwischen planvollen und ungeplanten Handeln ungeschönt aufeinandertreffen können. Damit werden auf beiden Seiten genug »Artronauten« angelockt, die gerne Neuland betreten. Bei der Moderation ist es ein bisschen wie mit dem Lauf über glühende Kohlen. Man hält dem Probanden mit gewohnten Gesten quasi beruhigend die Hand. Eh er sich versieht, steht er bereits mitten im Kohlenfeld. Und kann es dann selbst nicht fassen, dass er den Wagemut aufgebracht hat, mit unvorhersehbarer Kunst zu neuen Ufern aufzubrechen. Ob es ein »schöner Tanz« war, wird man am Ende daran merken, dass keinem der Beteiligten mehr klar ist, wer eigentlich die Hand gehalten hat, wer der Proband war und wer die Glut in den Kohlen entfacht hat.
Q uellen Eames, C.; Eames R. (1977): Powers of Ten, https://www.youtube.com/watch? v=5CKd0aPSWe8 (letzter Abruf: 24.3.2015). Kahnemann, D. (2011): Thinking, Fast and Slow, London et al. Kandel, E.R. (2012): The Age of Insight, New York. Lotter, W. (2011): Der Stand der Dinge, in: BrandEins, o. Jg., H. 12, S. 46-58. Nietzsche, F. (1882): Die Fröhliche Wissenschaft, Chemnitz. Obrist, H.U. (2014): Ways of Curating, London. Schmidt, E.; Rosenberg, J. (2014): How Google Works, New York, Boston. Taleb, N.N. (2014): Antifragile, New York.
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Das Projekt sinnvoll evaluieren Chancen und Herausforderungen Gesa Birnkraut
1. E inleitung Kultur und Wirtschaft sind schon lange keine Gegensätze mehr. Partnerschaften zwischen Kulturinstitutionen und Wirtschaftsunternehmen stehen fast schon auf der Tagesordnung, denn das Thema Spenden und Sponsoring ist auf beiden Seiten eine fest verankerte Größe. Auch wenn es in diesem Bereich noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, so sind hier doch bereits viele Strukturen entstanden, die eine Strategie und Konzeption erleichtern. Anders sieht es aus, wenn man sich Partnerschaften von Künstlern und Wirtschaftsunternehmen (Kunst-Unternehmens-Kooperationen: KUKs) anschaut. Hier gibt es sehr viel seltener Beispiele, bei denen Künstler in das Geschehen der Wirtschaftsunternehmen einbezogen werden und gemeinsam Veränderungsprozesse gestalten. Das Thema dieses Artikels soll es sein, wie solche Partnerschaften evaluiert werden können, wie der Erfolg messbar gemacht werden kann und wie Evaluationen auch dazu beitragen können, dass diese Partnerschaften weitergetragen und fortgeführt werden und auch als Multiplikator dienen können. Dazu wird zunächst einmal verdeutlicht, was in diesem Artikel unter Evaluation verstanden wird und wie Wirkung überhaupt messbar gemacht werden kann. Danach werden geeignete Modelle und Instrumente aufgezeigt.
1.1 Was ist Evaluation? Wenn von Evaluation gesprochen wird, dann sind viele Begriffe im Raum, viele Deutungen und viele verschiedene Aspekte, die von den unterschiedlichen Akteuren unterschiedlich verstanden werden (ausführlich Birnkraut 2011, S. 9ff.). Dabei geht es im Wesentlichen um die Begrifflichkeiten, hier werden oft Begriffe wie Controlling, Qualitätsmanagement, Monitoring synonym oder zumindest in einem Atemzug mit dem Wort Evaluation genutzt. Bevor man sich allerdings den Beziehungen zwischen diesen Begrifflichkeiten zuwendet, muss es immer zunächst um den Evaluationsgegenstand gehen.
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Soll die künstlerische Qualität eines Projektes evaluiert werden oder die Managementkompetenz? Sollen die Prozesse zwischen Partnern betrachtet werden, die Kommunikation der Partner oder die Wirkung, die die Partnerschaften hat. Evaluationen sind dabei in erster Linie »ein wichtiges Instrument zur Generierung von Erfahrungswissen […]. Sie werden durchgeführt, indem Informationen gesammelt und anschließend bewertet werden, um letztendlich Entscheidungen zu treffen« (Stockmann 2004, S. 47). Trotzdem muss man vorsichtig sein, inwiefern man dieses Erfahrungswissen einsetzt, denn gerade bei künstlerischen Partnerschaften, bzw. Beziehungen zwischen Künstlern und Wirtschaftsunternehmen ist es wichtig, sich nicht nur mit den quantitativ messbaren Ergebnissen auseinander zu setzen. Baecker sagt dazu: »Gerade in dieser Hinsicht sind die betriebswirtschaftlichen Verfahren der Evaluation daraufhin zu überprüfen, welche künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontexte sie zu berücksichtigen in der Lage sind und welche nicht. Nichts könnte die gesellschaftliche Funktion eines kulturellen Projekts möglicherweise schneller verfehlen als eine wirtschaftliche Kosten- und Nutzenrechnung, die dazu zwingt, nur monetäre Daten zur Kenntnis zu nehmen und etwa politische und ästhetische, pädagogische und moralische Werte auszuklammern.« (Baecker 2008, S. 102). Egal was man als Evaluationsgegenstand wählt, die Evaluation selbst ist dazu da, zu lernen. Dinge zu bewerten kann dabei nur die Grundlage sein, um sich selbst zu verbessern und die Partnerschaft mit den anderen kontinuierlich zu verändern und damit die Wirkung der Projekte und der Partnerschaften noch intensiver zu gestalten. Um Evaluation in den Kontext zu setzen zu den anderen benutzten Worten, so kann man vereinfacht sagen, dass das Monitoring »eine kontinuierliche Beobachtungsfunktion [ist], die eine systematische Sammlung von relevanten und ausgewählten Daten nutzt, um dem Management und den wichtigsten Beteiligten (Stakeholders) eines Projekts Indikatoren zu liefern über Fortschritt und Zielerreichung, sowie über Prozesse und Impact« (de Perrot/Wodiunig 2008, S. 97). Controlling wird als ein klassischer Soll-Ist-Vergleich angesehen, der sich stark auf quantitative Kostenaspekte fokussiert. Controlling liefert dabei »organisationsinterne als auch -externe Daten, um Entscheidungsträger kontinuierlich über das Verhältnis der geplanten und tatsächlichen Entwicklungen (Soll-Ist-Vergleich) zu informieren, damit diese zielgerichtete Korrekturen vornehmen können« (Stockmann 2004, S. 57). Controlling und Monitoring sind damit zwei Aspekte, die Evaluationen helfen, und die es ermöglichen, dass Evaluationen zu dem ganzheitlichen Verständnis eines Projektes oder einer Institution kommen, das benötigt wird, um Veränderungs- und Lernprozesse in Gang zu setzen. Qualitätsmanagement ist anders als Controlling und Monitoring als ein ganzheitliches System zu verstehen, dass sich stärker auf Aussagen in Bezug auf Qualität von Prozessen, von Produkten und von Beziehungen fokussiert.
Das Projekt sinnvoll evaluieren
Gegenüber gestellt, schlussfolgert Stockmann, dass Evaluationen im besten Falle dazu beitragen, Prozesse transparent zu machen, Wirkungen zu dokumentieren und Zusammenhänge aufzuzeigen. Dies alles soll dazu führen, dass Entscheidungen getroffen werden können. Ziel einer solchen Entscheidung kann zum Beispiel sein, Ablaufprozesse effektiver zu gestalten, den Input effizienter einzusetzen, den Output zu erhöhen, den Wirkungsgrad zu verbessern oder die Nachhaltigkeit zu sichern. Schneider fasst die vier Leitfunktionen folgendermaßen zusammen (Schneider 2008, S. 21f.): • Erkenntnisfunktion – Evaluationen erfüllen diese durch die Bereitstellung von Informationen zur Ermöglichung rationaler Entscheidungen • Kontrollfunktion – dies wird erreicht durch die Überprüfung der Erreichung von geplanten Zielen • Entwicklungsfunktion – Sowohl die Erkenntnis als auch Kontrollorientierung liefert Informationen, die die Entwicklung von Programmen, Projekten oder Einrichtungen ermöglichen • Legitimationsfunktion – auf der Basis von gesammelten Daten im Evaluationsprozess kann belegt werden, mit welchen Ressourcen, welche Aktivitäten umgesetzt und welche langfristigen Wirkungen ausgelöst wurden.
1.2 Wann wird evaluiert? Prinzipiell gibt es die Möglichkeiten eine Vorab-Evaluation durchzuführen, eine formative oder eine summative Evaluation. Die Vorabevaluation eignet sich gerade bei Partnerschaften zwischen Künstlern und Wirtschaftsunternehmen, wenn es sich um innovative Produkte oder um neue kreative Entwicklungsmaßnahmen handelt. Es handelt sich dabei um einen Pretest, der herausfiltern soll, ob das geplante Vorgehen sinnvoll und erfolgsversprechend ist. Hier können also schon im Vorhinein Verbesserungen bzw. Veränderungen durchgeführt werden. Die formative Evaluation bedeutet eine kontinuierliche und durchgehende Evaluation, die wie im Projektmanagement, Meilensteine setzt und betrachtet, inwieweit die Ist-Zustände den gewollten Soll-Zuständen gleichzusetzen sind. Dies hat den Vorteil, dass man kontinuierlich nachsteuern kann und den Prozess nicht aus den Augen verliert. In der Zusammenarbeit mit Künstlern kann ein kontinuierliches Nachsteuern eventuell schwierig sein, wenn die Prozesse zeitlich nicht klar definiert werden können. Die summative Evaluation steht am Ende des Projektes und schaut auf das Ganze – hier geht es drum herauszufinden, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden und in welcher Qualität. Es geht auch darum herauszufinden, wo die Lernprozesse für beide Partner liegen und wie diese Prozesse weiter für folgende Prozesse und Projekte genutzt werden können. Gerade bei innovativen Partnerschaften ist es von großer Bedeutung, dass eine solche summative Evaluation
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stattfindet, um herauszufinden, was diese Neuerung mit den beiden Partnern gemacht hat. Empfehlenswert ist dabei zumindest eine Mischung aus formativer und summativer Evaluation, denn nur durch die Mischung aus einer kontinuierlichen und einer finalen Evaluation können Aussagen zur Erreichung der Ziele und zur Optimierung der Prozesse aufgezeigt werden.
1.3 Wer evaluiert? Grundsätzlich gibt es die Möglichkeiten der internen und der externen Evaluation. Bei der internen Evaluation ist es das KUK-Team selbst, dass den Prozess gestaltet, das Modell aufsetzt, die Ziele setzt, die Indikatoren findet, die Daten sammelt und analysiert. Hier ist es dann wichtig, dass die jeweiligen Teammitglieder die notwendigen Kompetenzen besitzen. Die Teammitglieder müssen respektiert sein und sie müssen eine gewisse Neutralität auf bringen können, sonst besteht die Gefahr, dass die Evaluationsergebnisse geschönt werden. Im Falle der KUK kommt hinzu, dass es sich im besten Falle um ein Team aus dem Unternehmen und den Künstlern zusammensetzt, also in gewisser Hinsicht bereits eine Innenund Außensicht zusammen in Bezug auf das Unternehmen. Aber in Bezug auf das gemeinsame Projekt eben die klare Innensicht. Wichtig ist, dass nicht nur ein Partner die Evaluation initiiert und durchführt, sondern alle Partner partizipieren und einverstanden sind. Wer dann die Leitung der Evaluation übernimmt, ist zweitrangig. Ein externer Evaluator hat den Vorteil, dass er von außen kommt und einen unvoreingenommenen Blick auf Personen und Prozesse hat. Herausforderung dabei ist, die Prozesse in der Kürze der Zeit zu verstehen und zu durchschauen, hier können manchmal Nachteile entstehen. Auch hier ist es extrem wichtig, dass die Kommunikation zwischen dem Evaluator und dem Team stimmt und alle transparent im gesamten Prozess mitgenommen werden.
2. D ie W irkung messen Worum geht es, wenn davon gesprochen wird, Wirkung zu messen? Es geht dabei weit über die rein quantitative Messung hinaus, geht eher in die mittel- und langfristige Wirkung bei den Teilnehmern und sogar der Gesellschaft. Als Grundlage kann die in Abbildung 1 dargestellte Impact Value Chain von Clarke et al. (2004) dienen.
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Abb. 1: Impact Value Chain Quelle: Clarke et al. 2004, S. 7 Entscheidend für die Evaluation von Partnerschaften zwischen Künstlern und Wirtschaftsunternehmen sind dabei die Aspekte des Inputs, der Aktivitäten, des Outputs und des Outcomes. Beim Input handelt es sich um alle Investitionen, die in das Projekt getätigt werden, dies können sein Finanzen, Personal, Material, Räume sowie Infrastruktur. Daraus resultieren die Aktivitäten, die evaluiert werden sollen – Produkte, Workshops, Seminare etc. Ab dem Output wird es nun spannend, denn der Output definiert die direkt sichtbaren und direkt messbaren Ergebnisse der Aktivitäten. Wie viele Teilnehmer oder Zuschauer waren da, wie viele Produkte sind entstanden – das sind die quantitativ messbaren und schnell und gut nachweisbaren Ergebnisse. Es geht aber auch hier schon um qualitative Indikatoren wie zum Beispiel: wie zufrieden waren die Zuschauer, wie viel Spaß hatten die Teilnehmer, wie viel haben sie gelernt und welchen Mehrwert hatten sie? Dieses ist schon schwieriger messbar, aber immer noch gut darstellbar z.B. durch Vorher-/Nachher-Messungen. Danach kommt der Outcome – hier geht es jetzt um die mittelfristigen Veränderungen, die durch die Aktivität entstehen: Haben die Käufer des Produktes nun eine andere Meinung von dem Produkt, haben die Mitarbeiter eine bleibende Veränderung für ihren Arbeitsalltag aus den Workshops mitgenommen, haben sich Einstellungen geändert? Dies alles sind eher qualitative Ergebnisse, die durch Indikatoren messbar gemacht werden können. Die Findung der Indikatoren und danach auch die Aufstellung der Instrumente wird desto schwieriger, je mehr man Qualität messen möchte. Die Wirkungsmessung ist letztendlich eine Mischung aus Output und Outcome, die Messung nur eines der beiden würde dabei zu kurz greifen. Der Impact beinhaltet die gesellschaftlichen Veränderungen, die unter anderem durch die Aktivitäten der Institution, aber auch durch andere ähnliche
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Prozesse erreicht werden. Gerade bei den hier angesprochenen Partnerschaften zwischen Kunst und Wirtschaft werden wir selten bis zu einer gesellschaftlichen Veränderung kommen, da dies auch selten das Ziel dieser Partnerschaften ist. Aus diesem Grunde wird die Messung des Impacts hier im Weiteren vernachlässigt werden. Wirkungen sind also Veränderungen, »die Sie mit Ihrer Arbeit bei Ihren Zielgruppen, deren Lebensumfeld oder der Gesellschaft erreichen. Gesellschaftliche Wirkung wird als Impact, Wirkungen bei den Zielgruppen werden als Outcomes bezeichnet. Bei den Outcomes lassen sich wiederum verschiedene Wirkungsebenen unterscheiden, z.B. die Veränderung von Fähigkeiten, Verhalten oder der Lebenslage der Zielgruppen« (Kurz/Kubek 2013, S. 5). Abbildung 2 verdeutlicht grafisch diese Zusammenhänge.
Abb. 2: Wirkungstreppe Quelle: Kurz/Kubek 2013, S. 5 Warum soll überhaupt die Wirkung gemessen werden? Können Prozesse nicht auch einfach wertfrei oder ergebnisfrei sein? Diese Frage wird gerade in der Kunst und Kultur öfter gestellt, aber auch Unternehmen gestalten oft Prozesse, die sie nicht bewerten wollen oder können. Diese Entscheidung liegt bei den Akteuren, sie sollte zumindest am Anfang deutlich besprochen und festgehalten werden, denn ohne Ziele, ohne Messung von Erfolgen oder Wirkungen können am Ende auch Enttäuschungen entstehen, die durch eine unzureichende Kommunikation am Anfang entstanden sind. Das Messen von Wirkung und Zielerreichung stellt dabei sicher, dass beide Partner sich darüber einig sind, was sie erreichen wollen
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und wie sie dies erreichen wollen. Gerade bei einer neuen Partnerschaft ist es zu empfehlen, dies am Anfang festzulegen.
3. E valuieren von Partnerschaf ten Das Evaluieren von Partnerschaften ist immer etwas Besonderes, denn hier muss das Evaluationsmodell beide Partner und ihre Besonderheiten mitnehmen. Gerade bei Partnerschaften zwischen Künstlern und Unternehmen treffen zwei unterschiedliche Arbeitsformen und vielleicht auch unterschiedliche Verständnisse zusammen. Wichtig dabei ist aber zuallererst das Verhältnis der beiden Partner zueinander – handelt es sich um Auftraggeber und Auftragnehmer oder handelt es sich um gleichberechtigte Partner, die gemeinsam das Projekt und die Prozesse erdenken? Dies verändert wahrscheinlich den Evaluationsgegenstand und auch das Evaluationsziel. Von Beginn an muss es, egal wie die Partnerschaft aufgebaut ist, gemeinsam formulierte Ziele geben. Diese Ziele sollten nicht nur spezifisch, messbar und terminiert sein, sie sollten auch von beiden Seiten verstanden und beherzigt werden. Als weitere klassische Herausforderungen können Mangel an Zeit und an Finanzen gesehen werden, genauso wie der Zweifel, dass die eigenen Prozesse überhaupt messbar sind, geschweige denn inwiefern eine Evaluation auch wirklich hilfreich sein kann. Diese Herausforderungen halten einer ernsthaften Überprüfung oft nicht stand, denn es gibt sehr viele Modelle und Instrumente, die wenig Zeit und Geld kosten und trotzdem ermöglichen eine Veränderung herauszukristallisieren. Zusammenfassend sollten folgende Grundsätze bei einer Evaluation von KUKs immer befolgt werden: • • • •
klare Zielsetzung der Evaluation, transparente Kommunikation, deutliches Mitnehmen aller einbezogenen Mitarbeiter, Bereitschaft der Leitungsebene, Veränderungen aus den Evaluationen umzusetzen.
Ein Schwerpunkt muss dabei auf der gemeinsamen Setzung von Zielen liegen. Nur wenn spezifische, messbare und terminierte Ziele gesetzt werden, kann am Ende auch evaluiert werden, ob diese Ziele erreicht wurden. So schwer es manchmal auch sein mag, sich am Anfang bereits für Ziele zu entscheiden, so essentiell ist dies, um am Ende wirklich über das Ergebnis sprechen zu können.
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4. S innvolle M odelle Ein Modell, was die Impact Value Chain einfach und übersichtlich umsetzt ist die Logical Framework Matrix, die in vielen Bereichen genutzt wird. Hier wird die Impact Value Chain als Basis genutzt, um in einer einfachen 4x4-Matrix alles Wichtige aufzunehmen, was für eine Evaluation benötigt wird (vgl. Abbildung 3).
Impact
Projektbeschreibung
Indikator
Quelle
Längerfristige Effekte und Beitrag des Projektes zu den übergeordneten Zielen.
Wie (mit welchen Messgrößen) wird der Impact gemessen, inkl. geplanter Quantität, Qualität und Zeit? Wie (mit welchen Messgrößen) wird der Outcome gemessen, inkl. geplanter Quantität, Qualität und Zeit?
Wie wird die Information gesammelt, wann und durch wen?
Wie (mit welchen Messgrößen) wird der Output gemessen, inkl. geplanter Quantität, Qualität und Zeit?
Wie wird die Information gesammelt, wann und durch wen?
/
/
Direkter Nutzen und Effekte des Projekts für die Zielgruppen. Outcome
Output
Aktivitäten
Konkrete Produkte oder Dienstleistungen, die vom Projekt erbracht werden.
Aktivitäten, die unternommen werden müssen, damit das Projekt die gewünschten Outputs erbringt.
Wie wird die Information gesammelt, wann und durch wen?
Annahme
/
Wenn der Outcome erzielt wird, welche Annahmen müssen erfüllt sein, damit zum Impact beigetragen wird? Wenn die Outputs erbracht werden, welche Annahmen müssen erfüllt sein, um damit zum Outcome beizutragen? Wenn die Aktivitäten ausgeführt werden, welche Annahmen müssen erfüllt sein, damit daraus der Output resultiert?
Abb. 3: Logical Framework Matrix Quelle: ZEWO 2015 Einmal ausgefüllt kann dies die Grundlage für die gesamte Evaluation sein.
Das Projekt sinnvoll evaluieren
Von den vielen möglichen Modellen, die in den Fachbüchern und Leitfäden genannt werden, können zusammengefasst immer wieder die folgenden Schritte eines Evaluationsmodells genannt werden:
4.1 Phase 1: Planung und Definition In dieser Phase geht es darum, die Ziele des Projektes festzusetzen und gemeinsam darüber nachzudenken, durch welche Aktivitäten diese Ziele erreicht werden können. Als nächster Schritt müssen hier auch die Indikatoren definiert werden, anhand derer die Ziele messbar gemacht werden sollen. Die Ziele müssen quantifiziert und qualifiziert werden anhand der Indikatoren. Beispielsweise ist das Ziel die Stärkung des Selbstbewusstseins der teilnehmenden Mitarbeiter, dann wäre der Indikator der Grad des Selbstbewusstseins nach dem Training im Vergleich zum Selbstbewusstsein vor dem Training. Die Qualifizierung des Ziels wäre der Wunsch, dass bei einem Vorher-/Nachher-Vergleich mit einer Skala von 1-10 (10 ist besonders hohes Selbstbewusstsein) das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter um mindestens 1 Skaleneinheit verbessert wurde.
4.2 Phase 2: Methoden wählen In diesem Schritt werden die Methoden gewählt, die passend erscheinen, um die Indikatoren sichtbar zu machen. Es wird hier auch geplant, wann die Daten gesammelt werden müssen und wie die Prozesse der Datensammlung aussehen werden.
4.3 Phase 3: Daten sammeln Hier werden die benötigten Daten gesammelt und ausgewertet.
4.4 Phase 4: Daten analysieren und Lernprozesse initiieren Die Analyse der Daten ist der notwendige Schritt, um zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Jetzt können auch Aussagen getroffen werden, ob eine Wirkung erzielt werden konnte. Am wichtigsten ist es jedoch, aus den Analysen heraus Komplimente auszusprechen für bereits erreichte Ziele und Wirkungen, aber auch Veränderungen zu initiieren, Lernprozesse zu aktivieren und für die nächste Zusammenarbeit die Prozesse und Aktivitäten anzupassen und noch weiter zu verbessern. Evaluation ist dabei als Kreislauf anzusehen, der immer wieder von vorne beginnt. So ist das Ende des Kreislaufes gleich auch wieder der Beginn des Prozesses für ein nächstes Projekt.
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5. S innvolle I nstrumente Der Mangel an Geld und Zeit werden oftmals genannt als Gründe gegen eine Evaluation. Und gerade die Instrumente sind oftmals die Engpässe in diesen Argumentationen. Dabei müssen die eingesetzten Instrumente weder teuer noch zeitaufwändig sein, wichtig sind die Partizipation der richtigen Leute und die richtigen Fragen, die gestellt werden. Hier soll anhand von Beispielen, die in diesem Band als Fallstudien ausgeführt werden,1 aufgezeigt werden, mit welchen Instrumenten diese Projekte evaluiert werden könnten.2 Dies ist rein hypothetisch zu verstehen und die Beispiele werden nur zu Verständniszwecken hinzugezogen. In den Fallstudien selbst werden die verschiedenen Nutzenebenen aufgezeigt, die die Partner von der Partnerschaft haben. Die Evaluation der Projekte widmet sich allerdings deutlicher den Zielen, die die Partner oder der Auftraggeber hat in Bezug auf die Zielgruppen der Projekte, also die Kunden, die Mitarbeiter, die Teilnehmer etc. Der Nutzen für beide Partner ist dabei natürlich auch ein wesentlicher Faktor, wird aber im Folgenden nicht noch einmal explizit aufgeführt.
(1) Beispiel »Art works« bei Detecon International Mögliche Ziele des Projektes: • Z1: Erhöhung der Zufriedenheit der Mitarbeiter der Detecon mit ihrem neuen Arbeitsumfeld • Z2: Erhöhung der Attraktivität des neuen Arbeitsumfeldes für die Mitarbeiter • Z3: Erhaltung der Mitarbeitermotivation durch den Umzug hinweg • Z4: Erhöhung der Attraktivität des Unternehmens für potenzielle Mitarbeiter Mögliche Indikatoren: • I1: Level der Zufriedenheit der Mitarbeiter der Detecon mit dem neuen Arbeitsumfeld • I2: Level der Attraktivität des neuen Arbeitsumfeldes für die Mitarbeiter • I3: Level der Mitarbeitermotivation durch den Umzug • I4: Level der Attraktivität für potenzielle Mitarbeiter
1 | Vgl. die Fallstudien Detecon International (S. 283ff.) und aixigo (S. 297ff.) in diesem Handbuch. 2 | Zur Evaluation von Unternehmenstheater vgl. den Beitrag von Borowy (S. 187ff.) in diesem Handbuch.
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Mögliche Quantifizierungen der Ziele: Bei allen vier Indikatoren kann man Skalenwerte setzen, die erreicht oder erhalten werden sollen. Entweder also eine Veränderung von x Skalenwerten nach oben oder aber die Sicherung eines Skalenwertes (z.B.: die Zufriedenheit darf gesamt nicht unter den Skalenwert y sinken). Mögliche Instrumente, um diese Ziele messbar zu machen: I1-I3: Die Zufriedenheit, die Attraktivität und die Mitarbeitermotivation können allesamt mit einem einzigen Instrument gemessen werden, nämlich mit einem kleinen Barometer, das wöchentlich die Veränderung dieser drei Faktoren abfragt. Es werden drei Fragen gestellt, die jeweils mit einer Skala beantwortet werden können. Wichtig dabei ist die einfache graphische Umsetzung, die zum Beispiel anhand von Emoticons eine Skala ausmacht oder aber anhand von Begriffen. Dieses Instrument sollte so früh wie möglich eingesetzt werden und kann entweder als anonymisierte kleine Online-Umfrage jede Woche bei den Mitarbeitern auf dem Bildschirm erscheinen, oder kann auch ausgedruckt jede Woche bereit gelegt werden. Der Aufwand und die Ressourcen die dahinter stecken sind gering, die Durchführung für die Mitarbeiter auch. Die Analyse der Daten geht schnell, mehr oder minder auf einen Blick hat man ein Ergebnis über die Veränderung der Stimmung generell. Dies ist besonders von Vorteil im Laufe des Projektes, da man genau ablesen kann, welche Schritte und welche Faktoren zu einer besonderen Veränderung geführt haben. Gerade beim Beispiel der Detecon, wo dieses Projekt auch eine Art Prototyp für weitere Veränderungsprozesse war, hätte dieses Monitoring-Verfahren dazu beitragen können diese noch zu optimieren. I4: Dieses Ziel kann anhand von Vorher-/Nachher-Befragungen bei Bewerbungsgesprächen messbar gemacht werden. Beispielsweise kann eine kleine Zielscheibe auf einem Blatt Papier vorbereitet werden, auf der abgefragt wird, wie wichtig die Arbeitsplätze für die Bewerber sind, wie der Eindruck des Gebäudes sich auf die Attraktivität des Arbeitgebers auswirkt und so weiter. Auch hier ist der Ressourcen und Zeitaufwand denkbar gering, es gibt eine sofortige Übersicht über die Ergebnisse und so eine schnelle und unkomplizierte Überprüfbarkeit, ob die Räumlichkeiten zu der Attraktivität des Arbeitgebers beitragen.
(2) Beispiel »Abenteuer Kultur« bei dm Mögliche Ziele des Projektes: • Z1: Erhöhung der Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmer • Z2: Erhöhung des Selbstbewusstseins der Teilnehmer • Z3: Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität für potenzielle Mitarbeiter
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Mögliche Indikatoren: • • • • •
I1: Level der Eigenverantwortung der Teilnehmer I1a: Anzahl der Übernahmen von verantwortungsvollen Posten I2: Level des Selbstbewusstseins der Teilnehmer I3: Level der Arbeitgeberattraktivität I3a: Anzahl der Bewerber auf Anzeigen
Mögliche Quantifizierungen der Ziele: Bei allen Indikatoren kann die Quantifizierung erfolgen durch das Festlegen von Skalenveränderungen. Bei I1 kann zusätzlich auch die Anzahl gesetzt werden an Lehrlingen, die verantwortungsvolle Posten einnehmen sollen oder an ausgelernten Lehrlingen, die nach bestimmten Zeiten Führungspositionen einnehmen sollen. Bei I3 kann zusätzlich die Zahl der Bewerber gesetzt werden, die man erreichen will. Mögliche Instrumente, um diese Ziele messbar zu machen: I1 und I2 können wieder bei den Workshops selbst als Vorher-/Nachher-Abfrage gestaltet werden. Als Alternative zu den oben beschriebenen Skalen können hier auch Szenarien abgefragt werden (z.B.: Wenn ein Kunde zu Ihnen kommt und sich beschwert, wie reagieren Sie? Oder wenn Kollege A und Kollege B sich streiten, wie verhalten Sie sich?). Für I1 und I2 können auch am Ende der Workshops eine Road Map (z.B. Causemann et al. 2012) erstellt werden – dieses Instrument gestaltet zusammen mit den Teilnehmern die Reise, auf die sie sich gemeinsam begeben haben, und beschreibt dabei die wichtigsten Erfolge und Hemmnisse, die auf dem Weg zum Ziel passiert sind. I1a und I3a können aus den Statistiken des Unternehmens entnommen werden und entweder verglichen werden mit anderen Unternehmen um einen Unterschied wahrzunehmen. Oder die Zahlen werden lediglich dazu genommen, die Personalentwicklung zu bestätigen und die Personalplanung zu stärken. I3 kann wiederum durch eine kurze Abfrage der Bewerber gemessen werden, inwieweit die »dritte Säule der Ausbildung« den Ausschlag für die Bewerbung gegeben hat. Hier kann eine Skala eingesetzt werden. Die Ressourcen für alle diese Maßnahmen sind gering, der Zeiteinsatz auch. Die Analyse wiederum schnell möglich und so hat man schnell eine gute Übersicht über die Veränderungen, die sich bei den Teilnehmern entwickeln. Gerade die Ergebnisse der Teilnehmer der Workshops zum Selbstbewusstsein und Eigenverantwortlichkeit können auch wichtige Anhaltspunkte für die Künstler und das Leitungsteam sein, sich weiter zu entwickeln und ihre Konzepte weiter zu verändern.
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Gerade bei den im Fallbeispiel aufgeführten Schwierigkeiten mit der Veränderung der Charaktere der Jugendlichen kann eine solche inhaltlich – qualitative Evaluation Aufschlüsse darüber geben, wie mit diesen Schwierigkeiten umgegangen werden kann und ob und wie die Workshops zu einer Veränderung führen können.
(3) Beispiel aixigo AG Mögliche Ziele des Projektes: • Z1: Höhere Bekanntheit der Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens • Z2: Zielgruppenspezifischere Ansprache der Kunden • Z3: Herausarbeitung des Charakters des Unternehmens Mögliche Indikatoren: • • • •
I1: Grad der Bekanntheit der Alleinstellungsmerkmale bei vorhandenen Kunden I1a: Grad der Bekanntheit der Alleinstellungsmerkmale bei Mitarbeitern I2: Anzahl von neuen Kunden, die den definierten Zielgruppen entsprechen I3: Grad der Verinnerlichung der Charaktereigenschaften bei den Mitarbeiterinnen
Mögliche Quantifizierungen der Ziele: Bei den Indikatoren I1, I1a und I3 kann die Quantifizierung erfolgen durch das Festlegen von Skalenveränderungen. Gerade bei I3 könnte man allerdings argumentieren, dass eine reine Skalenveränderung nicht ausreichend ist. Hier müsste gegebenenfalls auf eine rein qualitative Aussage zurückgegriffen werden, die eher beschreibt, wie stark die Charaktereigenschaften verinnerlicht sind. Trotzdem würde auch das eine Aussage dazu treffen, inwieweit die Ziele erreicht sind, da die qualitative Beschreibung in Bezug gesetzt wird zur Erwartung der Projektgeber (siehe weitere Erläuterung bei den Instrumenten). Bei I2 ist es eine einfache Quantifizierung. Mögliche Instrumente, um diese Ziele messbar zu machen: Für die Ziele Z1 in Bezug auf die Kunden kann eine Exitfrage entwickelt werden, die zum Einsatz kommt bei jedem Kundenkontakt. Der entsprechende Mitarbeiter würde dann eine Frage stellen, die beim Abschluss des Kundenkontaktes zum Einsatz kommt (Exit) und nachfragt, ob der Kunde denn mit der Kampagne auch das/die Alleinstellungsmerkmale xy verbinden würde. Intern sollte es dazu dann eine Datenbank/Tabelle geben, in die anonymisiert die Ergebnisse dieser Antworten eingegeben werden. Instrumente wären also einmal individuelle Fragen und dann eine gemeinsame Datenquelle, die analysiert werden kann.
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Beim Ziel Z1 in Bezug auf die Mitarbeiter und deren Kenntnis der Alleinstellungsmerkmale ist eine Vorher/Nachher-Befragung am sinnvollsten. Dies ist auch der Fall beim Ziel Z3, das heißt diese beiden Ziele könnten bei den Instrumenten auch gemeinsam abgefragt werden. Hier kann zum Beispiel das Instrument des »most significant changes« (Davies/Dart 2005) eingesetzt werden, dass die Veränderungen abzeichnet durch ein Ereignis oder eine Kampagne. Im Grunde eine Selbsteinschätzung der Mitarbeiter vor der Kampagne und nach der Kampagne, wie sich ihr Wissen über den Charakter Ihrer Firma verändert hat. Dies ist ein qualitatives Instrument, dass stärker mit Geschichten und Aussagen arbeitet und nicht mit Skalen. Das kann anonym passieren oder im Rahmen von Mitarbeitergesprächen oder in gemeinsamen Workshops. Das hängt etwas ab von der Kultur des Unternehmens. Für das Ziel Z2 sollte einfach eine Tabelle aufgestellt werden mit den soziodemographischen Merkmalen der gewünschten/definierten Zielgruppe. Dann kann bei jedem Neukunden eingetragen werden, inwiefern er zu dieser Zielgruppe passt – hier kann allerdings keine klare Abgrenzung erfolgen, inwiefern die Kunden durch die Kampagne gekommen sind oder sowieso Kunde geworden wären. Um dieses noch besser herauszufiltern, können Neukunden gefragt werden, wie sie auf das Unternehmen aufmerksam geworden sind. Die Ressourcen für die aufgeführten Maßnahmen sind gering und fügen sich gut in den bereits vorhandenen Kommunikationsprozess ein. Die Analyse ist wiederum schnell und einfach durchgeführt. Es geht hier auch stark um eine eigene Reflexion der Kampagne im Unternehmen. Das bedeutet auch, dass eine Analyse der Ergebnisse nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle Mitarbeiter auch willens sind die Evaluation in Kommunikation mit den Kunden durchzuführen. Diese Voraussetzung sollte vorher im Gespräch mit den Mitarbeitern geprüft werden. Die drei Beispiele zeigen exemplarisch, dass eine Evaluation weder zeitintensiv noch teuer sein muss, es geht eher um den begleitenden und kontinuierlichen Prozess der von Beginn an, die Zielsetzung des Projektes in Einklang bringt mit Evaluationsprozessen. Die reine Sammlung der Daten wiederum ist nur die Basis der Evaluation, also auch in den beschriebenen Beispielen kann und muss dieses die Grundlage für weitergehende Überlegungen und Lernprozesse sein. Auch die Entscheidung keine Evaluation durchzuführen, ist akzeptabel, solange die Partner dieses gemeinsam zu Beginn des Projektes beschlossen haben.
6. F a zit Jedes Projekt und jede Partnerschaft kann entscheiden, ob und was evaluiert werden soll. Es gibt dabei kein richtig oder falsch. Entscheidend dabei ist es, dass alle Partner sich wissentlich vor Beginn des Projektes mit dem Thema auseinandersetzen. Es ist wichtig, dass es eine gemeinsame Entscheidung zu dem Thema
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gibt, ob Ziele gesetzt werden sollen, ob diese Ziele erreicht werden sollen und ob die Erreichung dieser Ziele auch gemessen werden soll. In Bezug auf die Nachhaltigkeit eines Projektes ist es immer zu empfehlen, eine Evaluation zu initiieren und durchzuführen. Evaluationen führen zu mehr Klarheit im gemeinsamen Verständnis des Projektes, sie führen zu einer sorgsameren Umgangsweise mit Ressourcen und Menschen. Evaluationen helfen dem Projektmanagement und vor allem helfen sie mit der Reflexion am Ende des Projektes. Die Lernimpulse, die durch eine gut durchgeführte Evaluation entstehen können, sind von großem Wert für die Organisation, die Partner und auch für die Teilnehmer. Alle Partner müssen sich aber auch im Klaren darüber sein, dass Evaluationen voraussetzen, dass die Beteiligten bereit sind, Fehler und Schwächen zuzugeben und nicht zu vertuschen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung gerade bei Partnerschaften, die noch am Beginn stehen. Trotzdem muss auch dieses Verständnis zu Beginn jedes Projektes etabliert werden.
Q uellen Baecker, D. (2008): Zur Evaluation kultureller Projekte, in: Zeitschrift für Evaluation, 7. Jg., H. 1, S. 97-111. Birnkraut, G. (2011): Evaluation im Kulturbetrieb, Wiesbaden. Causemann, B.; Gohl, E.; Brenner, V. (2012): Tiny Tools, Stuttgart. Clarke, C.; Rosenzweig, W.; Long, D.; Olsen, S. (2004): Double Bottom Line Project Report: Assessing Social Impact In Double Bottom Line Ventures, o.O. www.riseproject.org/DBL_Methods_Catalog.pdf (letzter Abruf: 6.3.2015). Davies, R.; Dart, J. (2005): The ›Most Significant Change‹ Technique, www. mande.co.uk/docs/MSCGuide.pdf (letzter Abruf: 25.3.2015). de Perrot, A.-C.; Wodiunig, T. (2008): Evaluieren in der Kultur, Zürich. Kurz, B.; Kubek, D. (2013): Kursbuch Wirkung, Berlin. Schneider, V. (2008): Evaluation, in: Evaluation als Grundalge und Instrument kulturpolitischer Steuerung, Hg.: Ermert, K., Wolfenbüttel, S. 19-27. Stockmann, R. (2004): Was ist eine gute Evaluation?, in: Evaluation in der Kulturförderung, Hg.: Ermert, K., Wolfenbütttel, S. 47-69. ZEWO (2012): Logical framework approach, http://impact.zewo.ch/de/wirkungs messung/hilfsmittel/logical_framework_approach (letzter Abruf: 20.2.2015).
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Teil VI: Leitfäden für Kunst-Unternehmens- Kooperationen
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können KUK-Checkliste für Unternehmen Carsten Baumgarth/Nicole Lohrisch/Sarah Bieleke
Ziel der KUK-Checkliste ist es, Unternehmen mit geringer KUK-Erfahrung für eine erfolgreiche Partnerschaft mit Künstlern eine Orientierung und Starthilfe zu geben. Die Checkliste wurde aus den Ergebnissen des IFAF-Forschungsprojektes »Arts Push Business – Kunst- und Unternehmenskooperationen« (www. arts-push-business.de) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin abgeleitet und mit Unternehmensvertretern1 diskutiert. Zur Erhöhung der praktischen Nutzbarkeit wurden neben übergeordneten Empfehlungen zehn Checklisten zu den verschiedenen Phasen eines KUK-Projektes (Impuls, Partnerselektion, Konfiguration, Realisierung, Reflexion) formuliert. Diese Checklisten sind weder vollständig und passend für alle Spielarten von KUKs noch ein Garant für erfolgreiche KUK-Projekte, aber sie können dazu beitragen, die Erfolgswahrscheinlichkeit von KUK-Projekten und damit auch die Häufigkeit von KUK-Projekten in der Praxis zu steigern.
1 | Wir danken folgenden Personen für die Unterstützung: Stefan Bauchwitz (AOK Nordost), Daniela Budach (Wertikale), Axel Kaiser (dentabs), Antje Meyer (Orange Blue), Jan Pauen (kleiner und bold), Werner Schmidt (Rucksaldruck), Sönke Schneidewind (visit Berlin), Stefan Gabriel Werner (bau + art).
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1. P hase : I mpuls
KUKs sind für ein Unternehmen nur geeignet, wenn diese dabei helfen, ein konkretes unternehmerisches Problem zu lösen und das Unternehmen eine entsprechende Unternehmenskultur aufweist.
Klären Sie zunächst für Ihr Unternehmen im Vorfeld der KUK folgende Fragen:
A. Eignung von KUKs für die Problemstellung Mögliche Einsatzgebiete von KUKs Entwicklung von Ideen zur Anreicherung der Marke durch Kunstassoziationen wie Kultiviertheit, Nonkonformismus, Avantgarde, Einzigartigkeit, Luxus etc. Entwicklung von Special Editions (Design von Produkten). Entwicklung von Ideen für klassische Werbung. Entwicklung und Umsetzungen für die Live-Kommunikation (Messen, Events etc.). Entwicklung von Stories zur Erzeugung von Alleinstellungsmerkmalen und Markenverständnis für die Kommunikation innerhalb des Unternehmens und nach außen (z.B. durch Werbung). Erzeugung von Aufmerksamkeit in der Medien- und PR-Welt. Entwicklung von Ideen und Umsetzungen für die Produktentwicklung und das Design (z.B. Verpackung, Architektur etc.). Entwicklung der Mitarbeiter (Selbstbewusstsein, Ausdrucksmöglichkeiten, Kreativität, Erweiterung des Horizonts etc.). Steigerung der Arbeitszufriedenheit (»Sinn der Arbeit und des Lebens«) und -motivation. Neugestaltung von Arbeitsplätzen. Anregung von Veränderungsprozessen zur Lösung interner Probleme (Changemanagement). Verbesserung der internen Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Abteilungen neue Impulse für die Teamarbeit. Entwicklung von Zukunftsszenarien und Langfristprognosen (»Think-Tank/Zukunftswerkstatt«). Auswertung: Wenn Sie z.Zt. keine konkrete und relevante Problemstellung für ein KUK-Projekt formulieren können (nur Neins), eignet sich der KUK-Ansatz für Ihr Unternehmen aktuell nicht!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können
B. Selbsteinschätzung KUKs fußen definitionsgemäß auf der Zusammenarbeit mit Künstlern und nutzen die »anderen« Denk- und Arbeitsweisen der Kunst als bewusste »Störung« der eigenen Arbeitsroutinen. Allerdings sind diese nur erfolgversprechend, wenn Ihr Unternehmen bereit ist, sich darauf einzulassen. Die folgenden Fragen sollen dabei helfen, Ihre Passung für KUKs einzuschätzen. Selbsteinschätzung Das Top-Management und/oder die relevanten Führungskräfte unterstützen das KUK-Projekt zu großen Teilen. Die Mitarbeiter sind dem KUK-Projekt gegenüber aufgeschlossen und finden die Zusammenarbeit mit Kunst spannend und herausfordernd. Wir haben schon Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Künstlern und Kulturprojekten. Unsere Unternehmenskultur ist insgesamt offen und zukunftsorientiert. Wir halten auch Spannungen und Überraschungen aus. Wir sind bereit, uns künstlerischen Arbeitsweisen, Prozessen und Strukturen zu öffnen. Wir sind bereit, mit dem Projekt zu scheitern und verstehen Scheitern nicht als Niederlage, sondern als Inspiration und Neuanfang. Wir besitzen selbst, in unseren Netzwerken oder durch Intermediäre Expertise über Kunst bzw. den Kunstmarkt. Die Projektressourcen (Zeit, Budget, Personen) erlauben eine KUK. Wir wissen um persönliche Widerstände einzelner Mitarbeiter gegenüber KUK und können diesen entsprechend begegnen. Wir können einschätzen, welche Art von Kunst und Künstler zu unserem Unternehmen passt. Wir akzeptieren die künstlerische Freiheit. Auswertung: Je mehr der genannten Aspekte Sie bejahen können, umso höher sind die Chancen für ein erfolgreiches KUK-Projekt!
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2. P hase : Partnerselektion C. Direkte vs. indirekte Kooperation mit Künstlern
Häufig empfiehlt sich für die Künstlerauswahl und die gesamte Durchführung des KUK-Projektes die Einschaltung eines Intermediärs!
Die folgende Checkliste soll dabei helfen, sich für oder gegen die Einschaltung eines Intermediärs zu entscheiden. Selbstdurchführung oder Einschaltung eines Intermediär Unser Unternehmen verfügt nur begrenzt über die Fähigkeit, das künstlerische Angebot zu überblicken und zu beurteilen. Wir verfügen nicht über die Fähigkeit, die KUK-Kompetenz eines Künstlers zu beurteilen. Wir besitzen bisher keine oder kaum Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Künstlern. Uns fällt es schwer, eine geeignete Kunstform und/oder Künstler für eine KUK zu identifizieren. Das KUK-Projekt soll messbare Erfolge liefern. Es gibt intern massive Widerstände und/oder Unsicherheiten bzgl. einer KUK. Unsere Unternehmenskultur ist eher hierarchisch, ingenieursorientiert und/oder zahlenorientiert. Wir sind unsicher, wie man mit Künstlern umgeht und verhandelt. Auswertung: Je mehr Jas, desto geeigneter erscheint die Einschaltung eines Intermediärs!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können
Die Künstlergewinnung und -auswahl sollte nicht dem eigenen Geschmack folgen, sondern professionell und systematisch realisiert werden.
Die beiden folgenden Checklisten können bei der Künstlergewinnung und -auswahl unterstützen:
D. Auf bau von Künstlerkontakten Es gibt kein Patentrezept für die Suche und die erste Kontaktaufnahme mit Künstlern. Die folgende Liste führt einige Zugangsmöglichkeiten auf, bitte entscheiden Sie, welche Zugänge Ihnen am ehesten entsprechen: Ansätze, um Künstler zu treffen Internetsuche über entsprechende Portale (z.B. DevianART) oder kunstbezogene Crowdfunding-Plattformen (z.B. startnetxt.de). Freie Internetsuche über Google etc. Suche nach Künstlern in eigenen geschäftlichen und/oder privaten Netzwerken. Kontaktaufnahme zu Intermediären (z.B. Galerien, spezialisierte Agenturen). Besuch und/oder Kontaktaufnahme zu Künstlern mit Hilfe von realen Plattformen wie z.B. Kunstvereine, Kunstclubs, Vernissagen, Matchmaking, Konferenzen, Veranstaltungen und Messen (z.B. ArtBasel) im Kontext von Kunst und Kultur. Durchführung von offenen Kunstwettbewerben, KUK-Projekten oder Ausloben von Kunstpreisen (z.B. jovoto.com, designboom. com). Öffentliche Ausschreibung Ihres Problems und Einladung zu einem Pitch, einem gemeinsamen Workshop oder einem kleinen »Startprojekt«. Systematische Auswertung von Kunstbüchern, Ausstellungskatalogen und/oder kunstbezogenen Zeitschriften (z.B. art). Besuch von Kulturveranstaltungen und Museen mit Gegenwartskunst. Auswertung bereits durchgeführter und veröffentlichter KUK-Fallstudien (z.B. arts-push-business.de). Kontaktaufnahme über Kunsthochschulen.
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Carsten Baumgar th/Nicole Lohrisch/Sarah Bieleke Auswertung: Mindestens einen der Ansätze sollten Sie auswählen und bewusst umsetzen! Bei dieser Umsetzung werden Sie eine Vielzahl von zusätzlichen Kontaktmöglichkeiten kennenlernen, da die Kunst- und Kulturwelt sehr netzwerkorientiert organisiert ist.
E. Künstler auswählen Im nächsten Schritt sind allein oder in Zusammenarbeit mit einem Intermediär der oder die Künstler auszuwählen. Die folgende Checkliste kann dabei helfen, aus der Vorauswahl den geeigneten Künstler auszuwählen. Künstlerauswahl Die Kunstform des ausgewählten Künstlers scheint geeignet, um unser vorab formuliertes Problem zu lösen. Der Künstler zeigt Empathie und Interesse für unser Unternehmen und Problem. Der Künstler (und/oder Intermediär) kann ein überzeugendes kunstbasiertes Konzept zur Lösung unseres Problems skizzieren. Die Arbeiten/das Werk des Künstlers inspiriert uns und ist spannend. Die Person des Künstlers gefällt uns auf einer menschlich-persönlichen Ebene. Wir sind uns gegenseitig sympathisch! Der Künstler ist authentisch und inspirierend. Der Künstler hat schon in der Vergangenheit erfolgreich mit anderen Unternehmen zusammengearbeitet. Der Künstler hat schon für andere Unternehmen ähnliche Problemstellungen bearbeitet. Der Künstler passt budgettechnisch zu uns. Der Künstler ist für unsere internen und/oder externen Zielgruppen geeignet (z.B. Bekanntheitsgrad, Image, Verständlichkeit etc.). Der Künstler passt zu unserer Unternehmensphilosophie, unserem Markenkern und unseren Produkten. Auswertung: Je mehr Jas, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie den »passenden« Künstler gefunden haben!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können
3. P hase : K onfigur ation
Die Ziele, Eckpunkte und Rahmenbedingungen der KUK sollten schriftlich in einem Vertrag fixiert werden.
Da es sich auch bei der KUK um eine professionelle Geschäftsbeziehung handeln sollte, ist es wichtig, im Vorfeld die Rahmenbedingungen abzusprechen und auch vertraglich zu fixieren. Die folgende Checkliste umfasst wichtige Punkte:
F. Festlegung der Rahmenbedingungen Kooperationsvertrag Die KUK-Aufgabe und darin unverständliche Punkte werden genau besprochen und fixiert. Verpflichtungen gegenüber Dritten (z.B. Galerien) werden im Vorfeld geklärt. Der Zeitplan des KUK-Projektes ist geklärt und fixiert. Die mediale Verwertung wird im Vorfeld geklärt. Die Beteiligungen an PR-Aktionen wurden im Vorfeld abgeklärt. Das Budget sowie die mögliche Kostenübernahme für Materialien, Versicherungen, Personal und Zahlungsweise des angemessenen Honorars sind vereinbart und fixiert. Regelmäßige Treffen und Zwischenberichte sind vorab festgelegt worden, um zu informieren und Absprachen zu treffen und so Missverständnissen vorzubeugen. Vertragliche Absicherungen bei nicht erfüllten Zielvereinbarungen werden besprochen und fixiert. Bei vertraglichen Unklarheiten lassen wir uns z.B. durch einen Intermediär unterstützen. Nutzungsrechte (räumlich, zeitlich, inhaltlich) sind besprochen, geklärt und fixiert. Fälle, in denen Vertragsgegenstände nicht eingehalten werden können (z.B. Krankheit, Zerstörung des Kunstwerkes), sind geregelt. Auswertung: Alle Punkte sollten in einem schriftlichen Vertrag geklärt und fixiert werden!
Ja
Nein
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4. P hase : R e alisierung
Die erfolgreiche Realisierung einer KUK basiert auf einem respektvollen Umgang und Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern.
Die folgende Checkliste umfasst wichtige Aspekte für die eigentliche Durchführung. Es wird empfohlen, möglichst viele der aufgeführten Aspekte zu erfüllen.
G. Anforderungen für eine erfolgreiche Partnerschaft Während der gesamten Zusammenarbeit Wir reduzieren für den Künstler die administrativen Aufgaben und Abstimmungsprozesse. Wir sind während des Projektes offen für neue Anregungen, Ideen und Konzepte des Künstlers, welche die von uns definierten Ziele stützen können. Wir akzeptieren auch Projektänderungen und -anpassungen, wenn diese der entwickelten Zielvereinbarung dienlich sind. Wird zeigen gegenüber dem Künstler und dessen Arbeit Interesse und Respekt. Wir kommunizieren mit dem Künstler respektvoll und verstehen ihn nicht als reinen Dienstleister. Wir sind zeitlich flexibel für einen regelmäßigen Austausch mit dem Künstler. Wir pflegen mit dem Künstler eine »faire« Geschäftsbeziehung. Wir akzeptieren die künstlerische Freiheit, sofern die abgestimmten Ziele nicht beeinträchtigt werden. Auswertung: Je mehr Jas, desto reibungsloser wird die KUK gelingen!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können
H. Kommunikation der KUK
Zur Sicherstellung des Projekterfolgs ist die KUK intern bei den Entscheidungsträgern und ggf. bei den Mitarbeitern mit Hilfe einer intensiven Kommunikation zu legitimieren.
Zusätzliche externe Kommunikation in Form von PR-Maßnahmen unterstützen die nach innen gerichtete Kommunikation und machen die Erfolge öffentlichkeitswirksam nach außen sichtbar. Die folgende Checkliste umfasst wichtige Kommunikationsansätze: Kommunikation während und nach der KUK Die KUK wird intern in einer Kick-Off-Veranstaltung präsentiert. Den Mitarbeitern wird der Nutzen des KUK-Projektes für das Unternehmen und ggf. für jeden einzelnen beteiligten Mitarbeiter vorgestellt. Die Mitarbeiter werden regelmäßig während der gesamten Projektlaufzeit über das KUK-Projekt informiert. Die Mitarbeiter werden aktiv in das KUK-Projekt integriert und beteiligen sich daran. Zur internen Kommunikation wird eine Mehrzahl von geeigneten Instrumenten (z.B. Intranet, Newsletter, Unternehmenszeitung, Schaukästen, Meetings/Workshops) eingesetzt. Externe Erfolge (z.B. Awards) des KUK-Projektes werden intern intensiv kommuniziert. Die Erfolge des KUK-Projektes werden nach außen über PR stark kommuniziert. Das KUK-Projekt wird ansprechend und wertschätzend aufbereitet und dokumentiert. Auswertung: Je mehr Jas, desto intensiver wurde die KUK nach innen »vermarktet«.
Ja
Nein
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5. P hase : R efle xion
Um den Erfolg der KUK nachweisen zu können und um zu lernen, sollte der Erfolg der KUK quantitativ bestimmt werden und die KUK als Ganzes offen evaluiert werden.
Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle und Reflektion stellen eine gute Grundlage dar, den Nutzen der KUK für Ihr Unternehmen, insbesondere für die Projektbeteiligten, die Unternehmensleitung und die Mitarbeiter darstellbar zu machen. Hierdurch können Verbesserungen und Veränderungen vorgenommen und weitere KUKs angestoßen werden. Die beiden folgenden Checklisten decken wichtige Aspekte der Evaluation ab:
I. Erfolgskontrolle Erfolgskontrolle Zu Beginn der KUK werden klare Ziele, Kennzahlen sowie mögliche zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt. Das Gesamtbudget für das KUK-Projekt umfasst auch einen Posten für die Erfolgskontrolle. Nach Abschluss der KUK werden die Ergebnisse quantitativ gemessen (z.B. standardisierte Befragung), diese mit den Kennzahlen vor der KUK verglichen und mögliche Abweichungen diskutiert. Zeitlich versetzt (z.B. ein Jahr später) werden die nachhaltige Veränderung der Kennzahlen und damit die nachhaltige Wirkung der KUK überprüft. Alle Beteiligten der KUK werden während der KUK regelmäßig um Feedback (z.B. Fokusgruppeninterview) gebeten. Das KUK-Projekt wird umfassend dokumentiert (z.B. Fotoprotokoll, Originalstatements von Teilnehmern, Pressemeldungen). Im Anschluss an das Projekt werden mit allen Beteiligten (inkl. Künstler) offene Nachgespräche durchgeführt und ausgewertet. Durch die KUK neu gewonnene Kontakte werden weiterhin gepflegt. Auswertung: Je mehr Jas, desto umfangreicher wurde die KUK evaluiert!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Künstlern gelingen können
J. Ref lexion Entscheiden Sie, welche Ergebnisse einer möglichen KUK für Ihr Unternehmen besonders wertvoll sind, oder welche Ergebnisse Sie bereits erzielen konnten: Reflexion Die beteiligten Mitarbeiter sind mit der Durchführung und den Ergebnissen zum großen Teil zufrieden. Die gemessenen Wirkungen des KUK-Projektes sind auf Unternehmensseite nachhaltig. Im Vergleich zu alternativen Projekten überzeugt das KUK-Projekt in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Im Vergleich zu alternativen Projekten überzeugt das KUK-Projekt in Bezug auf kurz- und langfristige Performance. Die KUK verursacht bei den Beteiligten und/oder Zielgruppen überwiegend eine spürbare Begeisterung. Die Unternehmens- oder Produktmarke konnte gestärkt werden. Das Unternehmen wurde verstärkt und positiv in der Öffentlichkeit bzw. beim Kunden wahrgenommen. Auswertung: Je mehr Jas, desto sinnvoller erscheint für das Unternehmen die Durchführung von weiteren KUK-Projekten!
Ja
Nein
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Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können KUK-Checkliste für Künstler Carsten Baumgarth/Nicole Lohrisch/Sarah Bieleke
Ziel der KUK-Checkliste ist es, Künstlern für eine erfolgreiche Partnerschaft mit Unternehmen eine Starthilfe zu geben. Die Checkliste wurde aus den Ergebnissen des IFAF-Forschungsprojektes »Arts Push Business – Kunst- und Unternehmenskooperationen« (www.arts-push-business.de) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin für Künstler entworfen und mit Künstlern diskutiert. Dazu wurden neun Checklisten für die verschiedenen Phasen eines KUK-Projektes (Impuls, Partnerselektion, Konfiguration, Realisierung, Reflexion) formuliert. Diese Checklisten sind weder vollständig noch ein Garant für erfolgreiche KUK-Projekte, aber sie können dazu beitragen, die Erfolgswahrscheinlichkeit von KUK-Projekten und damit auch die Häufigkeit von und die Zufriedenheit mit KUK-Projekten zu steigern.
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1. P hase : I mpuls
KUKs sind für Künstler nur dann geeignet, wenn diese bereit sind, ihre künstlerische Autonomie partiell zugunsten der KUK aufzugeben und sich ihre künstlerische Ausdrucksform zur Lösung eines unternehmerischen Problems eignet.
A. Selbsteinschätzung KUKs fußen definitionsgemäß auf der Zusammenarbeit von Künstlern und Unternehmen. Allerdings sind diese nur erfolgversprechend, wenn Sie bereit sind, sich darauf einzulassen. Finden Sie heraus, ob Sie grundsätzlich mit Unternehmen zusammenarbeiten wollen. Die folgenden Fragen sollen dabei helfen: Selbsteinschätzung Ich bin motiviert, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Ich bin bereit, mich auf Arbeitsweisen, Prozesse und Strukturen von Unternehmen einzulassen. Ich kann zwischen eigener schöpferischer Arbeit und Kooperation mit Unternehmen unterscheiden und auch entsprechend pragmatisch vorgehen. Ich kann mich in die Unternehmen und ihre Wünsche hineinversetzen. Ich kann meine künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten in einer Kooperation gezielt einsetzen. Ich arbeite gern im Team und mit anderen Menschen zusammen. Ich kann Gruppen anleiten, steuern und gemeinsame Arbeitsschritte voranbringen. Ich kann meine künstlerischen Ideen gut formulieren und diese anderen kommunizieren. Ich möchte mit einem Intermediär (Agentur, Berater) zusammenarbeiten, der die KUK koordiniert, vor- und nachbereitet und zwischen dem Unternehmen und mir vermittelt. Ich arbeite in Bezug auf Vereinbarungen, Deadlines und Budgets professionell. Auswertung: Je mehr der o.g. Aspekte Sie bejahen können, umso höher sind die Chancen für den Start eines KUK-Projektes!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können
B. Einsatzgebiete von KUKS Klären Sie für sich, in welchem Unternehmensbereich Ihre Kunst einsetzbar wäre. Mögliche Einsatzgebiete von KUKs Entwicklung von Ideen zur Anreicherung von Marken durch Kunstassoziationen wie Kultiviertheit, Nonkonformismus, Avantgarde, Einzigartigkeit, Luxus etc. Entwicklung von Special Editions (Design von Produkten). Entwicklung von Ideen für klassische Werbung. Entwicklung und Umsetzungen für die Live-Kommunikation (Messen, Events etc.). Entwicklung von Stories zur Erzeugung von Alleinstellungsmerkmalen und Markenverständnis für die Kommunikation innerhalb des Unternehmens und nach außen (z.B. durch Werbung). Erzeugung von Aufmerksamkeit in der Medien- und PR-Welt. Entwicklung von Ideen und Umsetzungen für die Produktentwicklung und das Design (z.B. Verpackung, Architektur etc.). Entwicklung der Mitarbeiter (Selbstbewusstsein, Ausdrucksmöglichkeiten, Kreativität, Erweiterung des Horizonts etc.). Steigerung der Arbeitszufriedenheit (»Sinn der Arbeit und des Lebens«) und -motivation. Neugestaltung von Arbeitsplätzen. Nachhaltige Veränderung des Führungsverhaltens (z.B. Führungsstil, Konfliktfähigkeit). Anregung von Veränderungsprozessen zur Lösung interner Probleme (Changemanagement). Verbesserung der internen Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Abteilungen neue Impulse für Teamarbeit. Entwicklung von Zukunftsszenarien und Langfristprognosen (»Think-Tank/Zukunftswerkstatt«). Auswertung: Wenn Sie sich und ihre künstlerische Tätigkeit in keinem dieser Einsatzgebiete wiederfinden (nur Neins), eignet sich der KUK-Ansatz für Sie aktuell nicht!
Ja
Nein
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2. P hase : Partnerselektion
Es empfiehlt sich eine eigene Präsentation(smappe) für die Ansprache von Unternehmen zu entwickeln und möglicherweise einen Intermediär für die Planung und gesamte Durchführung des KUK-Projektes einzuschalten.
C. Kommunikation vorbereiten Um Aufmerksamkeit für sich als Künstler bei Unternehmen zu erzeugen bzw. beim ersten Kontakt mit einem Unternehmensverantwortlichen einen guten und professionellen Eindruck zu hinterlassen, ist es empfehlenswert, eine entsprechende Kommunikation vorzubereiten. Die folgende Checkliste listet einige zentrale Aspekte auf. Kommunikationsvorbereitung Ich kann auch einem »Kunstlaien« kurz, prägnant und verständlich meine Kunst erklären. Ich bin selbstbewusst genug, um auch in einer persönlichen Kommunikation mit Unternehmensvertretern zu bestehen. Auf meiner eigenen Internetseite und anderen Plattformen im Internet (z.B. Social Media) kommuniziere ich auch die Bereitschaft, dass ich gerne mit Unternehmen zusammenarbeite. Meine bisherigen KUK-Projekte werden auf meiner Internetseite und auf anderen Plattformen entsprechend präsentiert. Ich habe Präsentationsmaterialien entwickelt, die ich ausschließlich für Unternehmen zusammengestellt habe. Ich lade Unternehmen, die mich interessieren, aktiv zu einem Atelierbesuch ein und stelle meine Arbeit vor. Um die Kommunikation und Abläufe des Unternehmens besser zu verstehen, habe ich mich mit den Funktionsbereichen und Abläufen in Unternehmen vertraut gemacht. Auswertung: Je mehr Jas Sie in dieser Checkliste haben, umso besser sind Sie auf eine Kommunikation mit Unternehmen vorbereitet.
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können
D. Unternehmen treffen Es gibt kein Patentrezept für die Suche und die ersten Kontaktaufnahme mit Unternehmen. Die richtigen Ansprechpartner sind neben der Unternehmensführung insbesondere Leiterinnen und Leiter der Abteilungen Marketing, Kommunikation, Personal und Forschung & Entwicklung. Einige wenige Unternehmen verfügen auch über selbständige Kunst- und Kulturabteilungen. Die folgende Liste führt einige Zugangsmöglichkeiten auf: Ansätze, um Unternehmen zu treffen Suche auf Unternehmenswebsites. Freie Internetsuche über Google etc. Suche nach Unternehmen in eigenen Netzwerken. Kontaktaufnahme zu Intermediären (z.B. inszenio). Besuch und/oder Kontaktaufnahme zu Unternehmen mit Hilfe von realen Plattformen wie z.B. Marketingclubs, IHKs, Berufs- und Branchenverbänden, Messen etc. im Kontext von Unternehmen, Marketing/Marken und Personalmanagement. Suche nach und Teilnahme an offenen Kunstwettbewerben, KUKProjekten oder Auslobungen von Kunstpreisen (z.B. jovoto.com, designboom.com). Suche und Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen von Aufträgen und Projekten, einem Pitch, einem gemeinsamen Workshop oder einem kleinen »Startprojekt«. Systematische Auswertung von Firmenadressdatenbanken (z.B. Gelbe Seiten, IHK). Besuch von Veranstaltungen an der Schnittstelle von Wirtschaft und Kunst (z.B. Arts Club des VBK). Teilnahme an Unternehmensbesichtigungen (z.B. Tag der offenen Tür). Gezieltes Einladen von Unternehmensvertretern zu Vernissagen, Atelierbesuchen etc. Informell z.B. während Veranstaltungen. Auswertung bereits durchgeführter und veröffentlichter KUK-Fallstudien (z.B. arts-push-business.de). Auswertung: Mindestens einen der Ansätze sollten Sie auswählen und bewusst umsetzen! Bei dieser Umsetzung werden Sie eine Vielzahl von zusätzlichen Kontaktmöglichkeiten kennenlernen.
Ja
Nein
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E. Direkte vs. indirekte Kooperation mit Unternehmen Häufig empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Intermediären zur Realisierung von KUKs, da diese sowohl die Künstler- als auch die Unternehmensseite kennen und verstehen. Die folgende Checkliste soll dabei helfen, sich für oder gegen eine Zusammenarbeit mit einer dritten Partei zu entscheiden. Selbstdurchführung oder Einschaltung eines Intermediärs Ich verfüge nur begrenzt über Unternehmensexpertise und -zugang. Ich besitze bisher keine oder kaum Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Mir fällt es schwer, eine geeignete Branche und/oder Unternehmen für eine KUK zu identifizieren. Ich bin unsicher, wie man mit Unternehmen umgeht und verhandelt. Ich verstehe die Business-Sprache kaum und kann mich daher nur schwer auf der Business-Ebene verständigen. Ich benötige jemanden, der mir die Organisation und Administration abnimmt, damit ich mich voll dem künstlerischen Ideen der KUK widmen kann. Auswertung: Je mehr Jas, desto geeigneter erscheint die Einschaltung eines Intermediärs!
Ja
Nein
Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können
F. Unternehmen auswählen Im nächsten Schritt ist alleine oder in Zusammenarbeit mit einem Intermediär ein Unternehmen auszuwählen. Dabei ist zu beachten, dass Unternehmen und Künstler sich häufig über einen längeren Zeitraum annähern. Die folgende Checkliste kann dabei helfen, das richtige Unternehmen auszuwählen. Unternehmensauswahl Das Unternehmen zeigt Empathie und Interesse für meine Person und meine Kunst. Das Unternehmen ist offen und lässt sich auf meine Ideen und Umsetzungsvorschläge ein. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen finde ich inspirierend und spannend. Die Kommunikation mit den Unternehmensvertretern ist von gegenseitigem Respekt geprägt und basiert auf einer gleichberechtigten Partnerschaft. Das Unternehmen hat schon in der Vergangenheit erfolgreich mit Künstlern zusammengearbeitet. Das Unternehmen hat schon mit Künstlern betriebswirtschaftliche Problemstellungen bearbeitet. Das Unternehmen zahlt ein angemessenes Honorar. Das zur Verfügung stehende Budget ist ausreichend. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen verschafft mir mehr Aufmerksamkeit und Bekanntheit. Die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen wirkt sich positiv auf meine Reputation am Kunstmarkt aus. Auswertung: Je mehr Jas, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie das »passende« Unternehmen gefunden haben!
Ja
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3. P hase : K onfigur ation
Die Ziele, Eckpunkte und Rahmenbedingungen der KUK sollten schriftlich in einem Vertrag fixiert werden.
Da es sich auch bei der KUK um eine professionelle Geschäftsbeziehung handeln sollte, ist es wichtig, im Vorfeld die Rahmenbedingungen abzusprechen und auch vertraglich zu fixieren. Die folgende Checkliste umfasst wichtige Punkte:
G. Festlegung der Rahmenbedingungen Kooperationsvertrag Die KUK-Aufgabe und darin unverständliche Punkte werden genau besprochen und fixiert. Verpflichtungen gegenüber Dritten (z.B. Galerien) werden im Vorfeld geklärt. Der Zeitplan des KUK-Projektes ist geklärt und fixiert. Die mediale Verwertung wird im Vorfeld geklärt. Die Beteiligungen an PR-Aktionen werden im Vorfeld abgeklärt. Das Budget sowie Klärung der möglichen Kostenübernahme für Materialien, Versicherungen, Personal und Zahlungsweise des angemessenen Honorars sind vereinbart und fixiert. Regelmäßige Treffen und Zwischenberichte sind vorab festgelegt worden, um Missverständnissen vorzubeugen. Vertragliche Absicherungen bei nicht erfüllten Zielvereinbarungen werden besprochen und fixiert. Bei vertraglichen Unklarheiten lassen wir uns z.B. durch einen Intermediär unterstützen. Nutzungsrechte (räumlich, zeitlich, inhaltlich) sind besprochen, geklärt und fixiert. Fälle, in denen Vertragsgegenstände nicht eingehalten werden können (z.B. Krankheit, Zerstörung des Kunstwerkes), sind geregelt. Auswertung: Alle Punkte sollten in einem schriftlichen Vertrag geklärt und fixiert werden!
Ja
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Wie Kooperationen mit Unternehmen gelingen können
4. P hase : R e alisierung
Die erfolgreiche Realisierung einer KUK basiert auf einem respektvollen Umgang und Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern.
Die folgende Checkliste umfasst wichtige Aspekte für die eigentliche Durchführung. Es wird empfohlen, möglichst viele der aufgeführten Aspekte zu erfüllen.
H. Anforderungen für eine erfolgreiche Partnerschaft Während der gesamten Zusammenarbeit Ich bin während des Projektes offen für neue Anregungen, Ideen und Konzepte und kann flexibel auf Veränderungen reagieren, wenn es denn zum künstlerischen Gesamtkonzept passt. Ich bin bereit, diskutierte Projektänderungen und -anpassungen zu akzeptieren. Ich zeige gegenüber dem Unternehmen Interesse und Respekt. Ich akzeptiere die Kultur und Gepflogenheiten im Unternehmen. Ich rede mit dem Unternehmen auf »Augenhöhe«. Ich zeige mich motiviert und beteilige mich aktiv an gemeinsamen Aktionen, wie der Präsentation von Ergebnissen. Ich lasse mich auf notwendige administrative Aufgaben und Abstimmungsprozesse ein. Das Unternehmen pflegt eine »faire« Geschäftsbeziehung. Das Unternehmen akzeptiert die künstlerische Freiheit. Informationen über das Unternehmen, die ich während der KUK erfahre, behandele ich vertraulich. Ich arbeite pünktlich und zuverlässig. Auswertung: Je mehr Jas, desto reibungsloser wird die KUK gelingen!
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Um den Nutzen des KUK-Projektes für den Künstler bestimmen zu können und um aus der KUK zu lernen, sollte das Projekt bewusst evaluiert werden.
I. Ref lexion Reflexion Insgesamt bin ich als Künstler mit der Durchführung der KUK und der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen zufrieden. Das Unternehmen hat von meiner künstlerischen Denk- und Sichtweise profitiert und daraus viele weiterführende Erkenntnisse gezogen. Die gemeinsam entwickelten und im Verlauf der KUK entstandenen künstlerischen Produkte/Artefakte haben Qualität. Im Vergleich zu meinen klassischen Verdienstmöglichkeiten am Kunstmarkt hat sich die Mitwirkung an der KUK finanziell für mich gelohnt. Das Verhältnis zwischen administrativen Aufwand empfinde ich im Verhältnis zu der kreativen Arbeit als angemessen. Die KUK hat meine eigenen künstlerischen Positionen und ästhetischen Ausdrucksformen erweitert und weiterentwickelt. Die KUK stärkt meine Position auf dem Kunstmarkt, erhöht meine Reputation und meinen Marktwert innerhalb des Kunstbetriebes. Mein Engagement für die KUK wird im Kunstbetrieb überwiegend positiv aufgenommen und mir positiv gespiegelt. Auswertung: Je mehr Jas, desto sinnvoller erscheint die Durchführung von weiteren KUK-Projekten!
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Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Carsten Baumgarth ist Professor für Marketing, insbesondere Markenführung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht. Davor lehrte und forschte er als Associate-Professor an der Marmara Universität Istanbul (Türkei). Er hat bislang rund 300 Publikationen mit den Schwerpunkten Markenpolitik, B-to-BMarketing, Kulturmarketing und Empirische Forschung publiziert. U. a. sind seine Forschungen in den Zeitschriften Journal of Business Research, Industrial Marketing Management, European Journal of Marketing, Journal of Marketing Communications, Journal of Business Market Management, Journal of Product and Brand Management, International Journal of Arts Management, Marketing ZFP, Marketing Review St. Gallen und Medienwirtschaft erschienen. Darüber hinaus ist er Verfasser des Standardlehrbuches Markenpolitik, welches 2014 in vierter Auflage im Verlag SpringerGabler erschienen ist. Seine Forschungen sind mehrfach national und international mit Best Paper Awards ausgezeichnet worden. 2014 kuratierte er die Pop-up Ausstellung »Farbrausch trifft RAL 4010«, die sich mit den Berührungspunkten und Kollaborationen von Kunst und Marke beschäftigt und in 2015 in der DACH-Region an verschiedenen Orten gezeigt werden wird. Kontakt: [email protected] Web: www.cbaumgarth.net Sarah Bieleke hat nach mehrjähriger Tätigkeit in der Galerie Manfred Giesler Berlin, im Jahr 2002 ihr Studium »Kulturarbeit« an der Fachhochschule Potsdam mit dem Diplom abgeschlossen. Anschließend arbeitete Frau Bieleke im Bereich Kommunikation in verschiedenen Kultureinrichtungen, wie der Berlinale, dem Lindenpark in Potsdam, dem Quasimodo in Berlin und NGOs wie Amnesty International. Außerdem entwickelte sie für den Konferenzveranstalter Econique über mehrere Jahre lang Fachkonferenzen für die Wirtschaft, den Gesundheitssektor und die öffentliche Verwaltung und organisierte freiberuflich die Öffentlichkeitsarbeit der Dezentralen Kulturarbeit im Rathaus Tempelhof-Schöneberg. Im Jahr 2010 absolvierte Sarah Bieleke eine einjährige Weiterbildung zum Thema Kulturtourismus und promoviert seit 2012 am Institut für Kulturpolitik der Universität
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Hildesheim zum Thema Kulturtourismus und Gedenkstätten. Sarah Bieleke ist Stipendiatin im Promotionsförderprogramm der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Gesa Birnkraut studierte Betriebswirtschaftslehre, Kulturmanagement und promovierte zum Thema »Ehrenamt in kulturellen Institutionen im Vergleich USA und Deutschland«. Sie hat eine Professur für strategisches Management im Non Profit Bereich an der Hochschule Osnabrück und ist die geschäftsführende Gesellschafterin der Kulturmanagementberatung BIRNKRAUT|PARTNER und die Vorstandsvorsitzende des Institut für Kulturkonzepte Hamburg e.V. Kontakt: [email protected] Dr. Claudia Borowy verfügt über langjährige Erfahrung als Theater-Regisseurin und Kreativdirektorin in Werbeagenturen. Seit 2006 ist sie als Organisationsberaterin und Trainerin in den Bereichen Kommunikation und Führung tätig. Mit ihrem Unternehmen inszenio betreut sie von den Standorten Stuttgart und Berlin aus zahlreiche namhafte Kunden im gesamten Bundesgebiet. Kontakt: [email protected] Web: www.inszenio.de Hendrik Brunsen Jg. 1985, ist Sozialwissenschaftler. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie wissenschaftlichen Mitarbeiten an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sowie in der Politikberatung, ist er seit 2015 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Sozialwissenschaften (Fachgebiet Wirtschaftssoziologie) der Universität Osnabrück tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen der Wandel von Arbeit und Organisation, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Kooperationen zwischen Künstlern und Unternehmen. Kontakt: [email protected] Lara Conrads ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Sozietät dtb rechtsanwälte in Berlin. Sie hat in Mannheim, Köln und Potsdam studiert und absolviert das Referendariat in Berlin. Die langjährige Mitarbeit in der Galerie Ihrer Eltern, der Galerie Conrads in Düsseldorf, brachte sie schon früh der zeitgenössischen Kunst näher. Die Teilnahme der Galerie an internationalen Kunstmessen ermöglichte es ihr, vertiefte Einblicke in den Kunstmarkt zu erlangen. Ihre Interessensschwerpunkte sind Kunstrecht, Arbeitsrecht und Zivilprozessrecht. Kontakt: [email protected] Dr. Pascal Decker ist Gründungspartner der Sozietät dtb rechtsanwälte in Berlin. Sein Studium absolvierte er in Berlin, Edinburgh und Boston, das Referendariat
Autorinnen und Autoren
in Berlin und Lyon. Promoviert wurde er an der Bucerius Law School in Hamburg. Mit der Gründung der Kanzlei.dtb rechtsanwälte 2004 folgte er der Vision, eine wirtschaftsberatende Anwaltssozietät mit Schwerpunkt im Spannungsfeld von Kultur und Wirtschaft zu errichten. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität der Künste Berlin und schreibt regelmäßig Beiträge u.a. für den Kunstmarkt des Handelsblatts. Als Vorstand der Stiftung Brandenburger Tor und der Stiftung Rolf Horn sowie als Vorsitzender des Stiftungsrates der Radialstiftung und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft TOKUGAWA kennt er die Fallstricke und Kniffe der Praxis bestens. Seine Beratungsschwerpunkte sind Stiftungsrecht, Nachlassgestaltung und Markenrecht. Kontakt: [email protected] Web: www.dtb.eu Bettina Dornberg ist langjährige, freiberufliche Publizistin, Journalistin und Ghostwriterin. Sie berät Unternehmen und NGOs in strategischer, identitätsbasierter Kommunikation und ist als Dozentin und Trainerin in PR/Journalismus unterwegs. Als Kommunikationschefin arbeitete sie für das Zürcher Kulturzentrum Rote Fabrik sowie für die Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland. Für Fachmedien der Verlagsgruppe Handelsblatt engagierte sich die studierte Kommunikationswissenschaftlerin als Autorin und war Mitglied einer Chefredaktion. Bettina Dornberg ist Karl-Theodor-Vogel-Preisträgerin der Deutschen Fachpresse und Mitherausgeberin des Buches »Curriculum des Unwägbaren. Ästhetische Bildung im Kontext von Schule und Kultur«. Kontakt: [email protected], Web: www.bettinadornberg.de und www.identitätsstifter.com Prof. Thomas Egelkamp lebt als freischaffender Künstler und Kunstvermittler in Bonn. Er leitet die Werkstatt für Kunst e. V. arte fact Bonn und lehrt an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Schwerpunkt Kunstvermittlung und Kunst im öffentlichen Raum. Seit 2001 begleitet er Wirtschaftsunternehmen und soziale Institutionen im Bereich Personalentwicklung und Führungsexzellenz. Er berät außerdem Stiftungen und Institutionen in ihrer künstlerischen Projektarbeit und inhaltlichen Ausrichtung. Entscheidend war er an der Konzeption und Ausrichtung der künstlerischen Module innerhalb der BA und MA Studiengänge des Fachbereich Wirtschaft an der Alanus Hochschule beteiligt. Seit 2009 leitet er den Studienschwerpunkt »Kunst und Gesellschaft« des Masterstudienganges Bildende Kunst. Kontakt: [email protected] Melanie Engelhardt ist 1989 in Halle an der Saale geboren, hat an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sowie an der Anglia Ruskin University Cambridge International Business mit der Vertiefung im Bereich Marketing studiert. Von 2013 bis 2015 studierte sie im Master-Studiengang International Marketing
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Management an der HWR Berlin. Von Oktober 2013 bis September 2014 arbeitete sie als studentische Mitarbeiterin für das Projekt »Arts push Business – KunstUnternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der Professur für Marketing, insbesondere Markenführung, von Prof. Dr. Carsten Baumgarth. Kontakt: [email protected] Dr. Wolf Dieter Enkelmann ist Direktor des Instituts für Wirtschaftsgestaltung, Berlin/München, das sich der wirtschaftsphilosophischen Forschung widmet. Er ist assoziierter Research Fellow am Lehrstuhl für Volkswirtschaft und Philosophie an der Universität Witten/Herdecke u.a. Mitglied des European Philosophy-Economics Network sowie derzeit Professor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe. Zahlreiche Publikationen sowie Vorträge auf wissenschaftlichen Kongressen, öffentlichen Veranstaltungen und in der Wirtschaft belegen sein Engagement für neue Ansätze in Theorie und Praxis des Wirtschaftens. Außerdem ist er in Kunstprojekten sowie als Unternehmensberater tätig. Kontakt: [email protected] Web: www.ifw01.de Prof. Sandra Freygarten studierte Malerei an der Alanus Hochschule in Bonn und ist ausgebildete Psychodramaleiterin und Lehrcoach. Sie konzipierte als Professorin für Kunsttransfer im Bachelor und Master des Fachbereichs Betriebswirtschaft an der Alanus Hochschule kunstorientierte Module. Im Rahmen des vom BMBF und der EU geförderten Forschungsprojektes »Dienstleistung als Kunst« entwickelte sie künstlerische Lernkonzepte und ließ die Erkenntnisse zum künstlerischen Prozess in das Buch »Kunst als Handeln – Handeln als Kunst. Was Unternehmen und die berufliche Bildung von Künstlern und Kunst lernen können« einfließen. Seit 2014 ist sie Professorin für Kunst in Veränderungsprozessen im Department Kunst, Gesellschaft und Gesundheit an der Medical School Hamburg. Sie ist als Kunstcoach für zahlreiche Unternehmen und Führungskräfte tätig. Kontakt: [email protected] Marina Kaluza studierte an der Leuphana Universität Lüneburg Kulturwissenschaften. Danach arbeitete sie im Kultur- und Tourismus-Marketing und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Marketing, insbesondere Markenführung, im Forschungsprojekt »Markenorientierung für Kultureinrichtungen« an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Ihr Forschungsfokus liegt im Bereich interne und externe Markenführung von Museen und Theatern. Zu diesen Themen hat sie als Co-Autorin bereits einige Beiträge veröffentlicht und Vorträge in Berlin und London gehalten. Seit August 2014 ist Frau
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Kaluza am Deutschen Historischen Museum Berlin für Besucherforschung und Audience Development verantwortlich. Kontakt: [email protected] Nicole Lohrisch hat an den Universitäten Leipzig und Lund/Schweden und an der Technischen Universität Dresden Kultur & Management studiert und mit einem Master of Cultural Administration abgeschlossen. An der Professur für Marketing, insbesondere Markenführung, begleitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin verschiedene Forschungsprojekte zu den Themen »Markenorientierung für Kultureirichtungen (MOKULTUR)« und »Arts Push Business –Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Daneben verfolgt Frau Lohrisch ein Dissertationsprojekt an der Stiftungsuniversität Hildesheim, welches die Potenziale der Anwendung von CRM-Systemen für das Audience Development öffentlicher Theater untersucht. Das Forschungsproblem hat sie zuvor in ihrer sechsjährigen Tätigkeit als Referentin des Kaufmännischen Direktors an einem Hamburger Staatstheater entwickelt und aufgegriffen. Aktuell ist sie verantwortlich für die Bereiche Planung, Strategie und Steuerung im Stab der Hochschulleitung der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Kontakt: [email protected] Lisa O’Connor-The berät seit über elf Jahren Unternehmen zum Thema Kunst. 2004 gründete sie die freiraum Agentur in Heidelberg als Schnittstelle zwischen Unternehmern und Künstlern. Sie kennt die Anforderungen und Bedürfnisse der Wirtschaft aus eigener Berufserfahrung als Key Account- und Produktmanagerin und verfügt über zahlreiche Kontakte zu Künstlern, Designern und in der Kreativbranche. Als akademische PR-Beraterin und zertifizierte Trainerin für kreative Lernprozesse und Trainingsdesign leitet sie Workshops zu den Themen Kommunikation und Unternehmenskultur und berät namhafte Unternehmen verschiedener Größen in puncto PR und Kommunikation. Ihre langjährige Berufserfahrung in der freien Wirtschaft sowie ihr großes Netzwerk ermöglichen Lisa O’Connor-The eine differenzierte Herangehensweise an die Themen Künstlerauswahl und Kooperationsmöglichkeiten. Kontakt: [email protected] Web: www.freiraumagentur.de Linda Poimann hat 2014 an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin den Bachelor of Arts im Studiengang »Public Management« erworben und absolviert ein Masterstudium »Arbeits- und Personalmanagement« an der HTW Berlin. Sie war Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Arts Push Business – Kunst-UnternehmensKooperationen (KUK) als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der HTW Berlin. Kontakt: [email protected]
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Jörg Reckhenrich studierte Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie Münster und schloss sein Studium mit dem Akademiebrief ab. 1988 zog er nach Berlin und beteiligte sich an zahlreichen Ausstellungen, im In- und Ausland. Seine Arbeit mit Unternehmen begann er 1999 und schloss 2006 eine systemische Beraterausbildung ab. Seit 2006 arbeitet er für internationale Business Schools und ist Mitglied der Fakultät des Lorange Institutes Zürich. Mit seinem Hintergrund als Künstler und Dozent entwickelte er den Ansatz »Creative Leadership«, welcher die kreativen Prinzipien der Kunst in die Welt der Organisationen übersetzt. Zu diesem Ansatz hat er zahlreich publiziert, unter anderem das Buch »The Fine Art of Success«, das 2011 bei Wiley erschien. Kontakt: [email protected] Web: www.reckhenrich.com Thomas Sakschewski ist nach Studium der Psychologie und langjähriger Tätigkeit als Galerist und freier Ausstellungsmacher, nun als Projektmanager und Berater selbstständig tätig. Er ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Fachartikel zu aktuellen Themen des Veranstaltungsmanagements und lehrt als Gastdozent an der Beuth Hochschule für Technik und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Kontakt: [email protected] Web: www.thomas-sakschewski.de Prof. Dr. Berit Sandberg promovierte und habilitierte sich nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen. Sie war in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Nonprofit-Sektor tätig und von 2001 bis 2003 Regierungsdirektorin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Hannover. Seit April 2003 ist sie Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Public und Nonprofit-Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Stiftungsmanagement, Personalmanagement in Nonprofit-Organisationen sowie Kunst und Wirtschaft. Kontakt: [email protected] Alexander Schirm studierte Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Wismar und schloss 2012 ein Masterstudium in »Nonprofit- Management und Public Governance« an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ab. Nach seiner gut anderthalbjährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der HTW und HWR Berlin arbeitet er seit Anfang 2015 als Junior Key Account Manager bei Save the Children Deutschland. Kontakt: [email protected]
Autorinnen und Autoren
Tanja Schirmacher hat 2014 an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin und der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin den Bachelor of Arts im Studiengang »Public Management« erworben und absolviert ein Masterstudium »Erwachsenenbildung/Lebenslanges Lernen« an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie war Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der HTW Berlin. Kontakt: [email protected] Prof. Giovanni Schiuma, Ph.D is widely regarded as the world’s leading authority on why and how the Arts can create Value for Business. Giovanni is Chairman of the Arts for Business Institute and Professor in Innovation Management at Università degli Studi della Basilicata (Italy). He founded and developed the Innovation Insights Hub at University of the Arts London (UK). He holds a number of visiting professorships, including at Graduate School of Management at St Petersburg University, Tampere University of Technology, Liverpool Business School and Cranfield School of Management. He received his Ph.D. in business management from the University of Rome Tor Vergata, Italy, and has authored or co-authored more than 180 publications, including books, articles, research reports and white papers on a range of research topics particularly embracing Knowledge Asset and Intellectual Capital Management, Performance Measurement and Management, Knowledge-based dynamics, Artful Management for Organisational development. Contact: [email protected] Martin Schönfeld ist Kunsthistoriker (Magister Artium), Studium der Kunstgeschichte und Soziologie in Heidelberg, Bonn und Berlin. Seit 2000 im Büro für Kunst im öffentlichen Raum (Kulturwerk des bbk berlin GmbH) tätig. Veröffentlichungen zur Kunst im öffentlichen Raum und zur Gedenkkultur in Berlin. Kontakt: [email protected] Prof. Gernot Schulz ist ein international renommierter Dirigent zahlreicher Orchester in Europa, Südamerika und Asien und gehörte jahrzehntelang als Musiker wie Dirigent den Berliner Philharmonikern an. Er war Assistent Leonard Bernsteins und Sir Georg Soltis, Hochschulprofessor in Hamburg und Dozent der Herbert-von-Karajan-Stiftung. Seine langjährige Erfahrung als Dirigent, Musiker, Musikpädagoge sowie als Blair Singer Trainer prädestinieren Gernot Schulz dafür, Unternehmen zu vermitteln, was sie von einem Orchester und seiner Führung durch den Dirigenten lernen und auf die eigene Führungspraxis transferieren können. Zusammen mit dem Medien- und Managementexperten Prof. Manfred Harnischfeger gründete er »Dirigieren & Führen«. Kontakt: [email protected] Web: www.dirigierenundfuehren.com
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Linda Schwär ist 1990 in Breisach am Rhein geboren, hat an der Hochschule Regensburg und der La Rochelle Business School Europäische Betriebswirtschaftslehre mit Studienschwerpunkt International Marketing Management studiert. Seit 2013 studiert sie im Master-Studiengang Political Economy of European Integration an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und war für das Projekt »Arts Push Business – Kunst-Unternehmens-Kooperationen (KUK) als Motor für Wirtschaft und Kunst« an der Professur für Marketing, insbesondere Markenführung von Prof. Dr. Carsten Baumgarth als Studentische Mitarbeiterin tätig. Kontakt: [email protected] Marija Skobe-Pilley was born in Zagreb, Croatia in 1985. She completed BA and MMus degree courses in Organ Performance and Music Education at the University of Zagreb Music Academy (2009) and was awarded the Erasmus exchange scholarship to study Italian music at the Conservatorio di Musica in Bologna in 2010. Further she completed MPhil research at the University of Cambridge in 2012, focusing on creativity, arts and culture in education. More specifically, her research explored children’s meaning-making of their own musical performance. Her current research activities focus on arts-based learning in business organisation, which is the subject of her PhD research at the University of Cambridge. She is also a core member of Age of Artists – a non-for-profit consultancy, education provider and research institution in the intersection between business and the arts. Contact: [email protected] Mirjam Strunk Regisseurin, Systemische Beraterin und Dozentin, studierte Angewandte Kulturwissenschaft und Ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und Performing Arts an der Kunsthochschule Utrecht, NL. Seit 1998 schreibt und inszeniert sie Theaterstücke, Installationen und Hörstücke (u.a. Ruhr 2010, Urbane Künste Ruhr, Schauspielhaus Bochum, Schauspiel Essen, WDR). Für Unternehmen und Organisationen konzipiert, gestaltet und berät sie Persönlichkeits-, Team- und Kulturentwicklungsprozesse mit den Mitteln der Darstellenden Kunst. Seit 2001 lehrt sie an diversen Hochschulen und Akademien im Bereich Führung/Leitbild, Konflikt/Team, Improvisation/Organisation sowie Kunst/System. Kontakt: [email protected] Peter Winkels studierte in Münster und Berlin Geschichte, Theologie und Nordamerikastudien. Seit 1995 ist er als Kulturmanager tätig, zunächst mit den Schwerpunkten außereuropäischer Kunst und Kunstvermittlung. Von 1999 bis 2011 war er Eigner und Geschäftsführer der Agentur Next Interkulturelle Projekte. Seit 2011 arbeitet er als Produzent, Kurator und Coach zwischen den Feldern Kunst, Bildung und Wirtschaft. Kontakt: [email protected]
Autorinnen und Autoren
Dr. Bernhard Zünkeler studierte Rechtswissenschaft und Kunstgeschichte, promovierte zum Dr. jur und arbeitete mehr als zehn Jahre als Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht. Vor knapp sieben Jahren gründete er das Forschungsinstitut artlab21, welches sich dem Entwicklungspotenzial von Diversität widmet. Bernhard Zünkeler lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles. Kontakt: [email protected] Web: www.artlab21.org/
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Patrick S. Föhl, Patrick Glogner Kulturmanagement als Wissenschaft Überblick – Methoden – Arbeitsweisen. Einführung für Studium und Praxis Oktober 2016, ca. 150 Seiten, kart., ca. 14,99 €, ISBN 978-3-8376-1164-9
Martin Tröndle Die reflexive Kulturorganisation Theorie und Praxis des integrierten Kulturmanagements (unter Mitarbeit von Julian Stahl) April 2016, ca. 220 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2918-7
Oliver Scheytt, Simone Raskob, Gabriele Willems (Hg.) Die Kulturimmobilie Planen – Bauen – Betreiben. Beispiele und Erfolgskonzepte März 2016, ca. 400 Seiten, kart., ca. 49,99 €, ISBN 978-3-8376-2981-1
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Carl Christian Müller, Michael Truckenbrodt Handbuch Urheberrecht im Museum Praxiswissen für Museen, Ausstellungen, Sammlungen und Archive Januar 2016, ca. 200 Seiten, kart., ca. 25,99 €, ISBN 978-3-8376-1291-2
Andrea Hausmann (Hg.) Handbuch Kunstmarkt Akteure, Management und Vermittlung 2014, 480 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2297-3
Ina Roß Wie überlebe ich als Künstler? Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen 2013, 192 Seiten, kart., zahlr. Abb., 19,80 €, ISBN 978-3-8376-2304-8
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Thomas Renz Nicht-Besucherforschung Die Förderung kultureller Teilhabe durch Audience Development Dezember 2015, 324 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3356-6
Simon A. Frank Kulturmanagement und Social Media Neue interdisziplinäre Perspektiven auf eine User-generated Culture im Kulturbetrieb Dezember 2015, 286 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3375-7
Nora Wegner Publikumsmagnet Sonderausstellung – Stiefkind Dauerausstellung? Erfolgsfaktoren einer zielgruppenorientierten Museumsarbeit September 2015, 300 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3229-3
Julia Hilgers-Sekowsky Kooperationen zwischen Museen Hemmnisse in der Zusammenarbeit und ihre Überwindung August 2015, 332 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3073-2
Siglinde Lang Partizipatives Kulturmanagement Interdisziplinäre Verhandlungen zwischen Kunst, Kultur und Öffentlichkeit Juli 2015, 242 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3083-1
Reinhold Knopp, Karin Nell (Hg.) Keywork4 Ein Konzept zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation in der Kultur-, Sozial- und Bildungsarbeit 2014, 350 Seiten, kart., zahlr. farb. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2679-7
Susan Kamel, Christine Gerbich (Hg.) Experimentierfeld Museum Internationale Perspektiven auf Museum, Islam und Inklusion 2014, 482 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2380-2
Klaus Georg Koch Innovation in Kulturorganisationen Die Entfaltung unternehmerischen Handelns und die Kunst des Überlebens 2014, 398 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2621-6
Christiane Schrübbers (Hg.) Moderieren im Museum Theorie und Praxis der dialogischen Besucherführung 2013, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-2161-7
Lorraine Bluche, Christine Gerbich, Susan Kamel, Susanne Lanwerd, Frauke Miera (Hg.) NeuZugänge Museen, Sammlungen und Migration. Eine Laborausstellung 2013, 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2381-9
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