Reformatorische Schriften (1515/16-1524) 9783666554414, 9783525554418, 9783647554419


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Reformatorische Schriften (1515/16-1524)
 9783666554414, 9783525554418, 9783647554419

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© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525554418 — ISBN E-Book: 9783647554419

Johannes Bugenhagen Werke Begründet von Wolf-Dieter Hauschild Herausgegeben von Anneliese Bieber-Wallmann

Abteilung I: Reformatorische Schriften Band 1 1515/16–1524

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525554418 — ISBN E-Book: 9783647554419

Johannes Bugenhagen Reformatorische Schriften Band 1 1515/16–1524 herausgegeben von Anneliese Bieber-Wallmann

Bearbeitet von Wolf-Dieter Hauschild und Anneliese Bieber-Wallmann

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525554418 — ISBN E-Book: 9783647554419

Mit 19 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55441-8 ISBN 978-3-647-55441-9 (E-Book) © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Christian Reichert Druck und Bindung: O Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort der Herausgeberin . . . . . . . . . . . . . . Editionsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl der Textgrundlage . . . . . . . . . . . . 2. Zu den Abkürzungs- und Literaturverzeichnissen 3. Aufgabe der Einleitungen . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Gestaltung der Apparate im edierten Text . 4.1. Der textkritische Apparat (Apparat I) . . . 4.2. Der Sachapparat (Apparat II) . . . . . . . 4.3. Zu den Querverweisen der Apparate . . . . 5. Parallelabdruck lateinisch/hochdeutscher und niederdeutsch/hochdeutscher Texte . . . . . . . . . 6. Zur Normalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Allgemeine Regeln zur Textgestaltung . . . 6.2. Texte in lateinischer Sprache . . . . . . . . 6.3. Texte in deutscher Sprache . . . . . . . . . 7. Emendationen und Konjekturen . . . . . . . . . 8. Zum Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung in Band 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grammatice regule. Einleitung . . . . . . . . . . . . Grammatikregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Murmellius-Edition. Einleitung . . . . . . . . . . . . Murmellius-Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belbucker Klosterpredigt. Einleitung . . . . . . . . . Belbucker Klosterpredigt . . . . . . . . . . . . . . . . Sendbrief an die Treptower Schüler. Einleitung . . . Sendbrief an die Treptower Schüler . . . . . . . . . . Passionsharmonie. Einleitung . . . . . . . . . . . . . Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift) . Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck) . . . Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch) . . . . . . . Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch) . . . . . .

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. . xvii . . xvii . . xvii . . xx . . xxi . . xxi . . xxi . xxiii . xxix . xxxiv . . 2 . . 14 . . 24 . . 35 . . 42 . . 51 . . 62 . . 71 . . 80 . . 134 . . 135 . . 348 . . 349

vi

Inhalt De peccato in spiritum sanctum. Einleitung . . . . . . . . . De peccato in spiritum sanctum . . . . . . . . . . . . . . . . Die sunt in den heyligen geist . . . . . . . . . . . . . . . . . Christlike lere/Sendprieff an frauw Anna. Einleitung . . . . Christlike lere/Sendprieff an frauw Anna (niederdeutsch) . . Christlike lere/Sendprieff an frauw Anna (hochdeutsch) . . Aus Bugenhagens Psalmenkommentar. Einleitung . . . . . . Auszüge aus dem lateinischen Kommentar zu Psalm 1 . . . Der erste Psalm Dauids (hochdeutsch) . . . . . . . . . . . . Auszüge aus dem lateinischen Kommentar zu Psalm 39 (40) Über den xxxix. Psalm (hochdeutsch) . . . . . . . . . . . . Ain schoe ne offenbarung des Endchrists. Einleitung . . . . . Aus der lateinischen Pauluskommentierung . . . . . . . . . Ain schoe ne offenbarung des Endchrists (hochdeutsch) . . . . Indices in Euangelia. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Indices in Euangelia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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606 620 621 654 662 663 678 696 697 722 723 732 738 739 766 784

Anhang Von der Euangelischen Messz. Einleitung . . . . . . . . . . Von der Euangelischen Messz . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeittafel (Leben und Werk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Personen (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . Glossar frühneuhochdeutscher und niederdeutscher Wörter Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen. Personen der Kirchen- und Geistesgeschichte . . . . Namen. Personen der Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namen. Orte und Landschaften . . . . . . . . . . . . . . . . Sachen. Hochdeutsche Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . Sachen. Lateinische Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachen. Frühneuhochdeutsche Begriffe . . . . . . . . . . . . Sachen. Niederdeutsche Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . und . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Titelblatt: Grammatice regule Joannis Murmellij, quibusdam a Joanne Bugenhagenio additis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Murmellius-Edition Bl. [C3b ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Belbucker Klosterpredigt Bl. [58r ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Sendbrief an die Treptower Schüler Bl. [49r ] . . . . . . . . . . . . . 62 Anfang der Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift) Bl. [156v ] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Anfang der Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck), 592 . . 135 Titelblatt Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch) . . . . . . . . . 348 Titelblatt Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch) . . . . . . . . 349 Titelblatt De peccato in spiritum sanctum . . . . . . . . . . . . . . 620 Titelblatt Die sunt in den heyligen geist . . . . . . . . . . . . . . . 621 Titelblatt Christlike lere/Sendprieff an frauw Anna (niederdeutsch) 662 Titelblatt Christlike lere/Sendprieff an frauw Anna (hochdeutsch) 663 Titelblatt Bugenhagens lateinischer Psalmenkommentar . . . . . . 678 Titelblatt Der erste Psalm Dauids (hochdeutsch) . . . . . . . . . . 680 Titelblatt Über den xxxix. Psalm (hochdeutsch) . . . . . . . . . . 687 Titelblatt Der (nicht autorisierte) Druck der kleinen Paulusbriefe (lateinisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 Titelblatt Ain schoe ne offenbarung des Endchrists (hochdeutsch) . . 739 Titelblatt Indices in Euangelia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 Titelblatt Von der Euangelischen Messz . . . . . . . . . . . . . . . 848

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Vorwort der Herausgeberin Dieses Vorwort ist ungewöhnlich lang. Der Grund dafür liegt in der komplizierten Vorgeschichte zur Edition der Werke des Reformators Johannes Bugenhagen. Es schmerzt mich sehr, daß Herr Professor Dr. Wolf-Dieter Hauschild das Erscheinen des ersten Bandes nicht mehr erlebt hat. Professor Hauschild starb am 17. März 2010 nach langer Krankheit. Zwei Monate zuvor, im Januar 2010, war mein Mann, der Literaturkritiker Jürgen P. Wallmann, der mich während zehn Jahren gemeinsamen Lebens stets bei meiner Arbeit unterstützt hatte, plötzlich verstorben. Im März 2011 mußten wir Frau Brigitte Schellin, Professor Hauschilds Lebensgefährtin, die anfangs an der Bugenhagenedition beteiligt war, zu Grabe tragen. Am Beginn des endlich fertiggestellten ersten Bandes der Werke Bugenhagens widme ich diesen drei Menschen ein ehrendes Gedenken. Professor Hauschild hatte schon einige Jahre vor dem 500. Geburtstag Johannes Bugenhagens am 24. Juni 1985 den Plan verfolgt, eine zweibändige Volksausgabe mit Schriften des Reformators herauszugeben. Dafür sammelte er Bugenhagendrucke des 16. Jahrhunderts anhand des bibliographischen Werks Bibliotheca Bugenhagiana von Georg Geisenhof aus dem Jahr 1908, das in einem Nachdruck von 1963 vorliegt, sowie Sekundärliteratur anhand der Bibliographien von Hans-Günter Leder, die 1958 in Johannes Bugenhagen. Beiträge zu seinem 400. Todestag, herausgegeben von Werner Rautenberg, erschienen und ergänzt wurden in den Herbergen der Christenheit 11 von 1977/78. Großzügig stellte das Lutherische Kirchenamt der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) finanzielle Mittel für das geplante Unternehmen zur Verfügung; Mitarbeiterstunden an den Seminaren, die Professor Hauschild an der Universität Osnabrück und ab 1984 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster leitete, wurden eingesetzt. So erhielt auch ich als Hilfskraft und später als Wissenschaftliche Mitarbeiterin die Gelegenheit, mich am Sammeln der Bugenhagenschriften, am Erstellen der Editionsrichtlinien und an der Erarbeitung der Texte zu beteiligen. Wir führten Gespräche mit Reformationshistorikern und Germanisten, insbesondere mit Professor Dr. Hans-Günter Leder in Greifswald und Dr. Hans Hermann Holfelder in Hamburg, den ausgewiesenen Bugenhagenforschern. Bald wurde der Wunsch geäußert, daß es nicht bei der zweibändigen Volksausgabe bleiben möge, sondern daß für den Wittenberger Stadtpfarrer und bischöflichen Freund Luthers, den Reformator Norddeutschlands und Dänemarks/Norwegens erstmals eine historisch-kritische Werkausgabe vorbereitet werden solle. Professor Hauschild entwickelte dann das Vorhaben, die Reformatorischen Schriften Johannes Bugenhagens in vier Bänden zu edieren. Reformatorische Schriften, das heißt also: nicht die Pomerania und nicht die Kirchenordnungen, die in Ausgaben des 20./21. Jahrhunderts vorliegen; nicht die Predigten, die von Georg Buchwald 1909 und 1910 herausgegeben wurden; und nicht den Briefwechsel, der 1888 von Otto Vogt ediert wurde und der 1966 mit zahlreichen Nachträgen und einem Vorwort von Eike Wolgast unter Mitarbeit von Hans Volz neu erschien. Auch die Bibelkommentare, die dem Doctor Pomeranus, wie Bugenhagen häufig

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Vorwort der Herausgeberin

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genannt wurde, zu seinen Lebzeiten ein großes Renommee einbrachten, gehören nicht zu den so verstandenen Reformatorischen Schriften. Hier sollen nur diejenigen Publikationen in lateinischer, niederdeutscher und frühneuhochdeutscher Sprache ediert werden, mit denen Johannes Bugenhagen eine größere Leserschaft für die Veränderung des kirchlichen Lebens nach biblischen Grundsätzen gewinnen wollte. Es handelt sich dabei größtenteils um sogenannte Flugschriften. Das vorliegende Material bewog uns dazu, an die Publikation besondere Anforderungen zu stellen: Parallelabdruck der Texte, die in zwei sprachlichen Versionen vorlagen (lateinisch/frühneuhochdeutsch; niederdeutsch/frühneuhochdeutsch); graphisch möglichst getreue Wiedergabe der in den Texten des 16. Jahrhunderts vorhandenen Marginalien sowie der ursprünglichen Sonderzeichen (zum Beispiel hochgestellter kleiner Vokale) sowie der Paginierung; Zeilenzählung am Rand der von uns edierten Texte; Verwaltung von Anmerkungen in zwei Fußnotenapparaten anhand der Zeilenzählung. Vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht wurden wir ermutigt, die Vorlagen für den Druck selbst zu erstellen. Begeistert von den Möglichkeiten, die durch die neue Computertechnik eröffnet wurden, nahm Herr Christian Reichert, bis 1988 Studentische Hilfskraft am Seminar für Kirchengeschichte I der Evangelisch-Theologischen Fakultät an der Westfälischen Wilhelms-Universität, diese Aufgabe an. Die Texte, die zunächst noch von der maschinengeschriebenen Fassung auf einen Personal Computer mit dem Programm Word Perfect 5.1 übertragen wurden, durchliefen in den folgenden Jahren vielfache Wandlungen – bedingt durch die rasante Entwicklung im Computerwesen. Die Wandlungen können hier nur skizziert werden: Durch Herrn Wolfgang Kaspar lernte Herr Reichert im Rechenzentrum der münsterschen Universität das Satzsystem TeX von Donald Knuth und das Makropaket LaTeX von Leslie Lamport kennen, das er später durch das Makropaket EDMAC von John Lavagnino und Dominik Wujastyk ergänzte und inzwischen in der Kombination LaTeX+LEDMAC von Peter Wilson verwendet. Bis zu dieser satztechnischen Lösung vergingen ungefähr fünfzehn Jahre, in denen Herr Reichert zeitweilig auch das am Universitätsrechenzentrum der Eberhard Karls Universität Tübingen entwickelte TUSTEP-Programm erprobte. Anderweitige Verpflichtungen der Hauptbeteiligten an der Edition trugen gleichermaßen dazu bei, daß sich der Abschluß von Band 1 der Werke Johannes Bugenhagens immer wieder verzögerte. Im Sommer 2008 übertrug mir Professor Hauschild die Gesamtverantwortung als Herausgeberin, da er sich gesundheitlich leider nicht mehr in der Lage sah, die Arbeit an den geplanten weiteren Bänden der Edition zu betreuen. (Die Reformatorischen Schriften sollen vier bis fünf Bände umfassen.) Vom vorliegenden Band bearbeitete Professor Hauschild die ersten vier Schriften Bugenhagens und beriet mich vielfach bei der Bearbeitung der übrigen Schriften. Herrn Professor Dr. Wolf-Dieter Hauschild bin ich für die Planung und langjährige Leitung des Projekts von Herzen dankbar: Für die Vorbereitung der Edition setzte er die Wissenschaftliche Mitarbeiterstelle, die ihm als Seminardirektor bis

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Vorwort der Herausgeberin

zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2006 zur Verfügung stand, vorrangig ein; Arbeitsstunden von Sekretärin und Hilfskräften sowie Sachmittel, die er durch Berufungs- und Bleibeverhandlungen erhielt, wurden in erheblichem Maß für die Bugenhagenedition verwendet. Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bugenhagenteam. Frau Monika Bisping erstellte bei den meisten Texten aus Manuskripten und Typoskripten die ursprüngliche Computerfassung; einzelne Texte wurden auch von den damaligen Studentischen Hilfskräften Birgit Göbel, Achim Heldt und Corinna Kind geschrieben und teilweise bearbeitet. Dr. Matthias Mikoteit, für einige Zeit ebenfalls Studentische Hilfskraft, erstellte eine Übersicht über die Titelblätter der Bugenhagenschriften aus dem 16. Jahrhundert. Einige Drucke, deren Drucker nicht bekannt waren, ordnete er bestimmten Werkstätten zu. Frau Göbel, Herr Heldt und Frau Kind beteiligten sich mit Herrn Dr. Ralf Kötter am Bibelstellennachweis beim umfangreichsten Text im ersten Band, der Passionsund Auferstehungsharmonie, und übernahmen zusammen mit Herrn Reichert bibliographische Aufgaben. Herr Kötter führte als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von 1989 bis 1993 grundlegende Korrekturen an den Texten durch und formalisierte die Anmerkungen so, wie sie jetzt vorliegen. Frau Dr. Petra Savvidis, Wissenschaftliche Hilfskraft bis 1988, erstellte den Text von Bugenhagens lateinischen Predigtdispositionen, Indices, mit den textkritischen Anmerkungen und bereitete einige kleinere Texte für die Edition vor. Um das Jahr 2000 meinten wir den Band 1 der Bugenhagenedition abschließen zu können. Damals lasen die Studentischen Hilfskräfte Rebecca Frank und Andreas Kurschat Korrektur und begannen mit den Arbeiten am Register. In den Jahren danach wurden die Texte jedoch noch verschiedentlich verändert, so daß sich im Jahr 2008 Frau Dr. Tabea Esch, damals Wissenschaftliche Hilfskraft, der Mühe des Korrekturlesens unterzog. Im selben Jahr kam zur Unterstützung der Computerarbeiten Herr Tom Mindemann in das Bugenhagenteam. Im Frühjahr 2012 schließlich bearbeitete Herr Friedemann Keller die faksimilierten Titelblätter, so daß sie als Abbildungen vor den einzelnen Schriften einen Eindruck vom Original der Handschrift beziehungsweise des Drucks vermitteln. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Ebenfalls gilt mein Dank den Präsidenten des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD, Herrn Dr. h.c. Friedrich-Otto Scharbau und Herrn Dr. Friedrich Hauschildt, die über all die Jahre Geduld und Verständnis bewiesen haben, indem sie uns die zugesagten Druckkostenzuschüsse erhielten, sowie den Verantwortlichen im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, die das Projekt mit Wohlwollen und Interesse begleiteten. Besonders danke ich Frau Renate Hartog für die Unterstützung im technischen Bereich; Herrn Dr. Arndt Ruprecht und Frau Reinhilde Ruprecht, Ph.D., Herrn Jörg Persch und Herrn Christoph Spill für die Aufnahme ins Verlagsprogramm und die Betreuung im Lektorat. Ohne die zahlreichen Bibliotheken, die uns Kopien der Bugenhagentexte in Papierform oder als Microfilme beziehungsweise -fiches zur Verfügung stellten (und neuerdings die digitalisierte Form der Titelblätter als Vorlage für Abbildungen),

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Vorwort der Herausgeberin

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wäre eine Edition nicht möglich gewesen. Die Herausgabe der Werke Johannes Bugenhagens begann schon in der Zeit der deutschen Teilung gleichsam als gesamtdeutsches Projekt. Von den Bibliotheken, denen wir besonders wichtige Vorlagen für die Edition verdanken, seien stellvertretend für viele andere je zwei aus beiden Teilen Deutschlands genannt: In der Universitätsbibliothek München und in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel wurde der Grundstock an Kopien/Microfilmen von Bugenhagenschriften, die wir zum Abdruck und zur Kollation benötigten, gelegt; aus der Schönbeck-Bibliothek der Marienkirche in Stendal stammen gestochen scharfe Photographien einer umfangreichen Handschrift Johannes Bugenhagens, die Vorlage für die lateinische Passions- und Auferstehungsharmonie im ersten Band waren; aus der Ratsschulbibliothek in Zwickau konnten wir 1986 und 1987 nicht nur Kopien von etlichen Bugenhagendrucken, sondern auch von Manuskripten aus dem Nachlaß des Zwickauer Stadtschreibers zur Zeit der Reformation, Stephan Roth, erwerben. Roths Nachschrift der Vorlesung Bugenhagens über die Predigtdispositionen wurde für die Edition der Indices im vorliegenden ersten Band zur Kollationierung herangezogen. Aus den Bibliotheken des europäischen Auslands kam zum Beispiel ein Druck aus der Königlichen Bibliothek in København (Kopenhagen), der für den ersten Text in Band 1, die Grammatice regule, kollationiert wurde. Die Universitätsbibliothek in Wrocław (Breslau) stellte uns wichtige Microfilme zur Verfügung, darunter auch eine studentische Mitschrift von Bugenhagens frühen Wittenberger Vorlesungen aus dem Nachlaß des Breslauer Pfarrers Johannes Heß; daraus wurde die Vorlesung über die Auferstehungsharmonie für unsere Ausgabe kollationiert. Auch die Bibliotheken in unserer unmittelbaren Umgebung erwiesen sich als wertvoll: In Münster war nicht nur die Collectio Erhard der Universitäts- und Landesbibliothek eine Fundgrube reformatorischer Drucke, sondern die reichen Bestände der Diözesanbibliothek ermöglichten mir auch den Nachweis zahlreicher Kirchenväterzitate Bugenhagens aus Bänden des 16. Jahrhunderts. In den Einleitungen der edierten Texte sind viele Bibliotheken erfaßt – all den Personen, die uns auf der Leitungsebene und im Publikumsverkehr geholfen haben, kann ich wegen ihrer großen Zahl hier nur ohne Nennung der Namen danken. Größten Dank aber sage ich Herrn Christian Reichert. Herr Reichert hat seit 1988 zunächst auf der Basis von Werkverträgen, danach lange Zeit unentgeltlich in seiner Freizeit durch die computertechnische Erarbeitung der Druckfassung das vorliegende Buch möglich gemacht. Dabei hat er auf vielfältige Veränderungen reagiert, denen im Lauf der Zeit die erstellten Textfassungen unterlagen, und eine Druckvorlage erstellt, die den besonderen Erfordernissen unserer Edition entspricht. Münster, im Juni 2013

Anneliese Bieber-Wallmann

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Edition der reformatorischen Schriften Johannes Bugenhagens Editionsrichtlinien Die Edition der Druckschriften Johannes Bugenhagens soll einerseits wissenschaftlichen Anforderungen genügen und ist andererseits für Leser und Leserinnen in Pfarramt und Schule, Theologie und Geschichtswissenschaft gedacht, sowie für Gemeindeglieder von Kirchen, die mit Bugenhagens reformatorischem Wirken verbunden sind. Da bisher keine Ausgabe der Werke Bugenhagens für einen breiteres Publikum vorliegt, soll ein Text geboten werden, der von Klammern und Exponenten weitgehend freigehalten wird, also relativ gut „lesbar“ ist. Darüber hinaus enthalten Einleitungen und Apparate Informationen für eine Leserschaft aus dem wissenschaftlichen Bereich.

1. Auswahl der Textgrundlage Die Auswahl orientiert sich an Georg Geisenhofs Bibliotheca Bugenhagiana. Bibliographie der Druckschriften des D. Joh. Bugenhagen, Leipzig 1908; Nachdruck Nieuwkoop 1963. Sie wird ergänzt durch Werke, die anhand von Angaben im Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, Stuttgart 1984 (VD 16, I,3), sowie durch eigene Recherchen in europäischen und amerikanischen Bibliotheken aufgefunden wurden. Ediert werden alle Druckschriften des Reformators mit Ausnahme der biblischen Kommentare und der (in neuerer Zeit bereits edierten) Kirchenordnungen. Alle Ausgaben einer Schrift, die zu Lebzeiten Bugenhagens erschienen und bei der Vorbereitung der Edition zugänglich waren, wurden kollationiert. Die Wiedergabe erfolgt auf der Grundlage der Editio princeps, soweit sich diese ermitteln läßt. Die bedeutungsrelevanten Varianten der anderen Ausgaben werden im Apparat aufgeführt. Wenn handschriftliche Überlieferungen des edierten Textes vorliegen, erscheinen sie unter einem entsprechenden Sigel ebenfalls im textkritischen Apparat. Nach handschriftlichem Material sind im ersten Band die Belbucker Klosterpredigt und der Sendbrief an die Treptower Schüler ediert. Bugenhagens Autograph der Passions- und Auferstehungsharmonie nach seiner lateinischen Vorlesung in Belbuck wird parallel gesetzt zu dem von ihm autorisierten Druck der lateinischen Harmonie aus der Wittenberger Zeit.

2. Zu den Abkürzungs- und Literaturverzeichnissen Im Verzeichnis der bibliographischen Abkürzungen erscheinen Kürzel wie „FS“ für Festschrift sowie Abkürzungen wie „Ps.-K.“ für „Psalmen-Kommentar“ =

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Editionsrichtlinien

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Bugenhagen, In librum Psalmorum interpretatio. Das Verzeichnis der allgemeinen Abkürzungen enthält Kürzel wie „Übs.“ für „Übersetzung“. Beide Verzeichnisse werden für das Verständnis von Einleitungen und Anmerkungsapparaten der edierten Texte vorausgesetzt. Ein allgemeines Literaturverzeichnis (S. xxxiv–xliii) enthält Quellen von übergeordneter Bedeutung, Quellenausgaben, Lexika und Enzyklopädien, Bibliographien und Nachschlagewerke zum Buchdruck, Wörterbücher sowie Werke zu Biographie und Theologie Johannes Bugenhagens.

3. Aufgabe der Einleitungen Die Einleitungen zu den einzelnen Texten sollen Informationen zum Verständnis der Texte bieten. Vor allem die Entstehungsgeschichte der Schriften wird soweit wie möglich auf dem Hintergrund der jeweiligen reformatorischen Vorgänge dargestellt. Ebenso wird die Überlieferungsgeschichte der Texte mit den notwendigen bibliographischen Angaben beschrieben. Die Titel werden dabei ohne Virgeln und Trennzeichen von Zeilenumbrüchen wiedergegeben, jedoch mit den entsprechenden Signaturen aus den Bibliotheken, von denen die Vorlagen zur Verfügung gestellt wurden. Eine Darstellung der sprachlichen und drucktechnischen Eigenschaften der einzelnen Ausgaben erfolgt nur soweit, wie es für die Ermittlung und Charakterisierung der Editio princeps notwendig ist. Jede kollationierte Ausgabe erhält jedoch ein Sigel. Sind zeitgenössische Übersetzungen vorhanden, werden sie in einem weiteren Abschnitt der Einleitung beschrieben und erhalten ebenfalls ein Sigel. Hinweise auf die Wirkungsgeschichte der Texte beschränken sich im allgemeinen auf die Lebenszeit Bugenhagens. In den Anmerkungen werden Kurztitel verwendet, die in einem Verzeichnis der Quellen und Sekundärliteratur am Ende jeder einzelnen Einleitung nachgeschlagen werden können, sofern sie nicht im Abkürzungs- und Literaturverzeichnis des Gesamtbandes enthalten sind. Lexikonartikel, die keine allgemeine Bedeutung für den jeweiligen Text haben, erscheinen nur in den betreffenden Anmerkungen. Das gilt besonders für kurze biographische Artikel.

4. Zur Gestaltung der Apparate im edierten Text Die herausgegebenen Schriften werden begleitet von einem textkritischen Apparat, der unmittelbar unter dem edierten Text steht (Apparat I genannt), und einem Sachapparat, der sich durch Zwei-Spaltendruck vom textkritischen Apparat abhebt (Apparat II). Die Anmerkungen sind dem edierten Text mit Hilfe von Zeilenzählung und Lemmata zuzuordnen. In der Regel erscheinen in den Anmerkungsapparaten nach den Ziffern für die erste und letzte Zeile des edierten Textes das erste und das letzte Wort, auf das sich die Anmerkung bezieht, getrennt durch drei Punkte. Soll jedoch eine Gruppe von nur drei Wörtern Lemmatext werden, wird sie vollständig wiedergegeben und die Punkte entfallen. Kommt ein Wort

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Editionsrichtlinien

in einer Zeile zweimal vor, enthält der Lemmatext um der Klarheit willen das Wort, auf das verwiesen werden soll, zusammen mit dem ihm folgenden Wort.

4.1 Der textkritische Apparat (Apparat I) Die unterschiedliche Überlieferungsgeschichte der einzelnen Texte macht es erforderlich, daß Apparat I nach Inhalt und Umfang verschieden gestaltet wird. In allen Schriften enthält der textkritische Apparat I außer den Varianten aus den zeitgenössischen Ausgaben der Schrift auch Hinweise auf die – seltenen – editorischen Eingriffe. Bsp.: korr. aus zutheun; Fragezeichen getilgt Hg. Die Varianten werden in folgender Form wiedergegeben: Grundsätzlich wird der Text im Lemma durch den Text, der dem Doppelpunkt folgt, ersetzt. Die Reihenfolge im einzelnen: Lemma Siglum Doppelpunkt Variante Punkt. Bsp.: Gott] F: der Herr. Gott . . . spricht] F: Gott der Herr spricht. vleis] F: vbermessigem vleis. ostern.] F: ostern. Denn der dornstag hernach war der Osterabent, an wilchem sie das lemlin assen. In den textkritischen Anmerkungen werden in der Regel keine Abkürzungen oder Erklärungen der Bearbeiter verwendet; nur bei Auslassungen steht „fehlt“. Bsp.: Gott] fehlt F. Verschiedene Varianten zu einem Lemma werden mit Punkt und Gedankenstrich getrennt. Ändert sich nur ein Wort oder eine Wortgruppe einer Variante, die in verschiedenen Ausgaben sonst gleich bleibt, erscheinen runde Klammern () mit dem speziellen Lemma und der Abweichung. Bsp.: ergrimmet] I1 –J2 ,L1 –R: Ergrimmet etc.; hie gedenckt (hie gedenckt] I2 –J1 : hie gedencket er. – L1 –R: Gedencke hie) der angst im garten etc. Wenn in den textkritischen Anmerkungen die Angaben von Bibelversen ergänzt werden, stehen sie in eckigen Klammern. Bsp.: Gegen Ostern reinigeten sich die vnreinen, wie 2. Para. 30 [2Chr 30,13-20]. Längere Erläuterungen inhaltlicher Art werden in spitzen Klammern eingefügt. Bsp.: factum est] B,C: factum est, quod et Augustinus vidit, De concordancia evangelistarum . Marginalien werden immer am Anfang des Bezugstextes eingefügt: a) bei speziellem Bezug auf ein Wort mit Lemma-Angabe, Bsp.: Gott] F: Gott [Marg.] Text der Marginalie,

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b) bei allgemeinem Bezug auf eine Textpassage nur mit der Zeilenangabe, ohne Lemma, Bsp.: F: [Marg.] Text der Marginalie. Erscheinen einzelne Passagen in den kollationierten Ausgaben an anderer Stelle, wird es vermerkt. Bsp.: Vnd es . . . Stad] fehlt F, erscheint bereits zu Mk 11,15–17. Treten dabei Varianten auf, wird dies gesondert ausgewiesen. Bsp.: Fur dem . . . vater.] fehlt F, erscheint bereits zu Joh 20,19: Fur dem . . . (es folgt der veränderte Text). Syntaktische Umstellungen werden nicht aufgenommen, wenn sich keine wesentliche Bedeutungsverschiebung ergibt. Formvarianten sind ebenfalls nicht berücksichtigt, wenn sich die Flexion nicht geändert hat. Im frühneuhochdeutschen Text werden Varianten von „nit“ und „nicht“ im textkritischen Apparat nicht berücksichtigt. Schließlich ist nicht vermerkt, wenn Marginalien und andere eingeschobene Textteile an leicht versetzter Stelle oder drucktechnisch in anderer Form auftauchen.

4.2 Der Sachapparat (Apparat II) In Apparat II werden Worterklärungen bei heute im allgemeinen unbekannten Wörtern und semantischen Verschiebungen im Vergleich zum heutigen Sprachgebrauch angegeben, vereinzelt auch Erklärungen zu schwierigen Satzkonstruktionen. Worterklärungen in Apparat II unterbleiben, wenn die entsprechende Variante in Apparat I schon die heute gebräuchliche Form enthält. Bsp.: (Text) aber (Anm. Apparat I) oder. Zitate aus der außerbiblischen Literatur werden im Sachapparat durch das erste und letzte Wort sowie die Zeilenangabe kenntlich gemacht. Bei kleinen Veränderungen im Zitat und bei Anspielungen steht das Kürzel Vgl. Bsp.: (Text) Hiero.: Omnia sic agit Iudas, ut tollatur suspicio proditoris. (Anm. Apparat II) Omnia . . . proditoris.] Hieron., In Math., IV (CChr.SL 77, 249,1094 f). Dagegen werden, um Platz zu sparen, die zahlreichen Bibelstellen im Text mit kleinen hochgestellten Zeichen markiert und in Apparat II mit dem letzten Wort und dem entsprechenden Zeichen angegeben. Um den Anfang des Zitats zu finden, ist bis zum vorherigen Zeichen gleicher Art zurückzugehen. Bsp.: (Text) V Diliges dominum deum tuum ex toto cordeV (Anm. Apparat II) cordeV ] Dtn 6,5 (V). Hochgestelltes V und v verweist dabei auf den Text der Vulgata, E und e auf die lateinische Übersetzung des Neuen Testaments durch Erasmus von Rotterdam, L und l auf die hochdeutsche Bibelübersetzung Luthers, B und b auf die

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niederdeutsche Bibel, die unter dem Namen Bugenhagens erschienen ist. Ist eine Textfassung in keiner der vorliegenden Übersetzungen nachzuweisen, erfolgt eine Kennzeichnung durch ◦ beziehungsweise • . Der Unterschied zwischen Groß- und Kleinbuchstaben in der Kennzeichnung ist nur relevant im Text der Passionsharmonie, bei dem Wörter und Wortgruppen aus den verschiedenen lateinischen Versionen des Neuen Testaments und Überleitungen beziehungsweise Einsprengsel Bugenhagens in einen fortlaufenden Text verarbeitet sind. Die Großbuchstaben V E L , , und B bezeichnen hier den Rahmen, die jeweiligen Kleinbuchstaben den eingefügten Text. Bei Psalmzitaten wird um der größeren Eindeutigkeit willen zwischen den lateinischen Übersetzungen nach der Septuaginta und aus dem Hebräischen unterschieden: V.G und V.H . Bei Umschreibungen von Bibelstellen und sonstigen Zitaten bezieht sich die Anmerkung nur auf den im Text selbst angegebenen Fundort. Bsp.: (Text) Tales sunt, pro quibus Iohannes iubet, ut non oretur, i. Iohan. ulti. (Anm. Apparat II) i. Iohan. ulti.] Vgl. 1Joh 5,16. Ebenfalls um der Platzersparnis willen werden bei Zitaten aus anderen Schriften in Apparat II keine Anführungszeichen gesetzt, wenn durch die verwendete Sprache (Lateinisch, Frühneuhochdeutsch, Niederdeutsch) und die Reihenfolge der Angaben mit Doppelpunkt klar ist, dass es sich um ein wörtliches Zitat handelt. Folgt dem Zitat in der selben Anmerkung noch Autorentext, wird er durch einen Gedankenstrich vom Zitat abgetrennt. Bsp.: (Text) ut annotavit August. De conc. evan. (Anm. Apparat II) 8–9. ut . . . evan.] Vgl. Augustin, De consensu ev., III,6,25 (CSEL 43, 299,5–7): galli autem cantum post tertiam negationem secundum intellegimus, sicut Marcus expressit. Anführungszeichen stehen nur dann, wenn einzelne Worte und Wortgruppen in den Autorentext der Anmerkung eingefügt sind oder um die Distanz zu markieren, etwa bei der Übersetzung eines Zitats aus dem Lateinischen. Bsp.: (Anm. Apparat II). Melanchthon, Declamatio (CR 12, 298): „Und obwohl er kein Pastor war, sondern nur der Schule vorstand, ermunterten ihn gleichwohl Freunde, in der Kirche zu predigen; damit er dies tun konnte, wurde er nach der üblichen Sitte dem Priesterkollegium hinzugefügt.“ Genannte Personen, Orte und Ereignisse werden in Apparat II kurz erklärt. In den Literaturverweisen wird bei wie bei den Anmerkungen zu den Einleitungen verfahren (s.o. unter 3).

4.3 Zu den Querverweisen der Apparate Die Edition enthält eine große Menge von Querverweisen. Querverweise innerhalb des Textes beziehen sich, wenn nichts anderes angegeben ist, auf den edierten Text mit der Angabe von Seite, erster und letzter Zeile. Bezieht sich ein Querverweis auf eine Anmerkung, so steht jeweils ein Kürzel „Anm. zu“ mit den entsprechenden Seiten- und Zeilenzahlen. Die weitaus größte Anzahl solcher Querverweise

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führt zu Anmerkungen in Apparat II, die wenigen Verweise auf Anmerkungen in Apparat I sind durch die Zeilenzählung eindeutig.

5. Parallelabdruck lateinisch/hochdeutscher und niederdeutsch/hochdeutscher Texte Da die reformatorischen Texte Bugenhagens meistens in zwei sprachlichen Fassungen gedruckt worden sind, wird zum lateinischen beziehungsweise niederdeutschen Text wenn möglich die zeitgenössische Übersetzung ins Hochdeutsche parallel dargeboten. Dieses Verfahren dokumentiert ein Stück Wirkungsgeschichte der Bugenhagen-Schriften und hat für heutige Leser und Leserinnen den Vorteil, ein erstes Verständnis der lateinischen und niederdeutschen Fassungen zu ermöglichen. Auf Fehler und sinnentstellende Ungenauigkeiten in der Übersetzung wird in Apparat II hingewiesen.

6. Zur Normalisierung Die Normalisierung betrifft den edierten Text Bugenhagens sowie Quellen des 16. Jahrhunderts, die in den beiden Apparaten erscheinen. Sie folgt zwei leitenden Gesichtspunkten: Die Vorlagen werden so getreu wie möglich wiedergegeben; der Zugang zum Text wird erleichtert, indem sich die äußere Textgestaltung vorsichtig den heutigen Gegebenheiten annähert. Zwischen beiden Gesichtspunkten besteht eine Spannung, zu deren Lösung der folgende Kompromiß gewählt wurde:

6.1 Allgemeine Regeln zur Textgestaltung Zwischen dem laufenden Text und Überschriften wird drucktechnisch differenziert, indem die Titel der Vorlage zwei Schriftgrade größer als der laufende Text gesetzt werden. Zwischenüberschriften und hervorgehobene Textteile am Anfang und Schluß von Absätzen und Texten werden in der Schrift des laufenden Textes einen Schriftgrad größer gesetzt, wenn nicht entsprechend der Vorlage andere graphische Mittel (z.B. Großbuchstaben) gewählt werden. Es wurde versucht, den Charakter der graphischen Gestaltung aus den Vorlagen zu wahren. Aus Gründen der Platzersparnis folgt der Zeilenumbruch (und damit das Vorkommen und Weglassen der Silbentrennungszeichen) jedoch nicht in allen Fällen der Vorlage. Das gilt besonders für die zahlreichen Zwischenüberschriften in den verschiedenen Fassungen der Passionsharmonie. Großbuchstaben und sonstige typographische Hervorhebungen am Beginn von Texten oder Absätzen werden nicht in den edierten Text übernommen, aber es erfolgt eine textkritische Anmerkung. In der Anmerkung wird nicht zwischen Initialen und Großbuchstaben unterschieden. Bsp.: (Text) CHRisti → Christi. (Anm. Apparat I) CHRisti. Im laufenden Text werden zwei Schriftarten verwendet, wenn in der Vorlage unterschiedliche Schriftgrößen bei Haupttext und Erläuterungen, besonders

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bei längeren Bibelzitaten (auch in harmonisierter Form) und Anmerkungen des Autors verwendet werden. In der Regel werden Marginalien der Vorlage so ediert, daß sie in einer kleineren Schriftgröße am Rand des Textblocks erscheinen. Bei drucktechnischen Problemen, die durch lange Marginalien entstehen, wird von dieser Regel abgewichen, indem die gesamte Marginalie (auch wenn sie in der Vorlage zum Teil am Rand, zum Teil innerhalb des Textblocks gestanden hat) im Anschluß an den Textblock eingefügt wird. Eine solche Veränderung des ursprünglichen Schriftbilds wird in Apparat I angemerkt (z.B.: Marg. in S.). Eine neue Seite der Vorlage wird im Text durch einen senkrechten Strich markiert und am inneren Rand des Textblocks mit der Blattbezeichnung der Vorlage aufgeführt. Römische Zahlen werden in diesem Fall durch arabische ersetzt (z.B. Aiij → A3). Von den Bearbeitern ergänzte Bezeichnungen stehen in eckigen Klammern (z.B. [A3b ]). Der Seitenumbruchstrich wird nach folgendem Muster eingefügt: – – – –

zwischen zwei Wörtern durch Freitaste abgetrennt, z.B. gott | schuf nach Satzzeichen ohne Freitaste, z.B. gott.| Aber bei einem getrennten Wort mit Trennungsstrich, z.B. tren-|nen am Absatzende nach dem Satzzeichen; die Blattbezeichnung steht neben der nächsten Zeile.

Abkürzungspunkte werden im edierten Text nicht nach den Kapitelangaben bei biblischen Büchern gesetzt, im Apparat nicht nach der Bezeichnung der biblischen Bücher, sowie nicht nach „f“ und „ff“. Trennzeichen werden in der Vorlage aus drucktechnischen Gründen manchmal weggelassen. Wenn es sich eindeutig um die Trennung eines Wortes handelt, wird das Fehlen des Trennzeichens nicht weiter angemerkt und das Wort zusammengeschrieben. Absätze können abweichend von der Vorlage eingesetzt werden, wenn es sinngemäß erscheint. In Apparat I erfolgt eine Anmerkung (Abs. Hg.). Unterscheiden sich die verschiedenen Ausgaben einer Schrift in der Textgliederung nach Absätzen, wird das in der Regel nicht weiter berücksichtigt. Nur in besonderen Fällen enthält die Einleitung einen entsprechenden Hinweis. Im Text werden Kürzungen aufgelöst, sofern die Auflösung keine Häufung von drei gleichen Konsonanten ergibt (z.B. Summa ¯ → Summa). Handelt es sich um gängige Abbreviaturen, die in der Vorlage angezeigt sind (z.B. anhand eines Nasalstrichs: war¯ ub → warumb oder eines Apostrophs: v’ → ver), erfolgt die Auflösung ohne Vermerk. Ebenso werden die Abkürzungen dz und wz in das und was aufgelöst. Treten Abkürzungen von Titeln auf, wird die Auflösung einmal in eckigen Klammern hinzugefügt (z.B. E.G. → E[euer] G[naden]). Danach wird die Abkürzung im Text ohne weitere Kennzeichnung beibehalten. Die Abkürzungen biblischer Bücher bleiben im edierten Text wie in der Vorlage, während im Apparat die Abkürzungen der RGG4 zugrundegelegt werden. Ebenso werden die Abkürzungen von Namen zitierter Autoren im laufenden Text

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aus der Vorlage übernommen, während in der Anmerkung entweder der volle Name steht oder eigene Abkürzungen verwendet werden. Beispiel: Er. → Erasmus; Cyr. → Cyr. Alex. Die im Apparat verwendeten Abkürzungen sind im Abkürzungsverzeichnis unter 1. Bibliographische Abkürzungen aufgelistet. Die Getrennt- und Zusammenschreibung wird in den lateinischsprachigen Texten nach den Konventionen neuzeitlicher Textwiedergabe vorgenommen (z.B. communicandum ne → communicandumne). In den deutschsprachigen Texten erfolgt eine Veränderung hin zur Rechtschreibung des 20./21. Jahrhunderts, wenn sie deutlich das Verständnis verbessert. Die ursprüngliche Schreibung wird jeweils im Apparat aufgeführt. Trennung und Interpunktion werden nach heutigen, d.h. grammatikalischen Gesichtspunkten vorgenommen. Satzzeichen werden nur dann übernommen, wenn sie eine analoge Funktion wahrnehmen wie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In vielen, jedoch nicht in allen Fällen gilt das für den Punkt am Ende eines Satzes und zur Bezeichnung von Abkürzungen und Ordinalzahlen. Punkte am Ende von Überschriften werden den heutigen Gegebenheiten entsprechend weggelassen, ebenso auch bei kurzen Marginalien (etwa bei der Angabe einer Bibelstelle am Rande des Textes). Längere Marginalien, die als ganzer Satz empfunden werden, behalten dagegen einen Punkt am Schluß. Runde Klammern und Fragezeichen bleiben im edierten Text wie in der Vorlage. Die seltenen Fälle, in denen sie bei der Bearbeitung eingefügt werden, sind in Apparat I angemerkt. Dagegen werden Virgeln in Komma, Semikolon, Gedankenstrich, gegebenenfalls auch Punkt, umgewandelt. Virgeln, die in der Vorlage lediglich zur Kennzeichnung einer Sprechpause dienen, fallen im edierten Text weg. Nur in Apparat I der Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch) werden Schrägstriche verwendet, um die Vers-Enden bei der Wiedergabe einer kollationierten gereimten Textfassung zu kennzeichnen. Zwei Schrägstriche bezeichnen die Strophen-Enden. Ausrufezeichen wurden in der Vorlage nicht verwendet. Ihr (seltenes) Vorkommen im edierten Text geht auf die Bearbeitung zurück. Auf die Einfügung von Anführungszeichen wird, wie schon oben unter 4.2 erwähnt, soweit wie möglich verzichtet. Nur wenn einzelne Ausdrücke oder Textabschnitte nicht eindeutig durch ihre Sprache, durch Doppelpunkte und die vorangestellte Nennung der Quelle als Zitate erkennbar sind, werden Anführungszeichen gesetzt. Dieses Verfahren wurde gewählt, um der ursprünglichen Zeichensetzung in den edierten Texten nicht allzuviel Fremdes hinzuzufügen. Es wurde dann übernommen in unsere Anmerkungsapparate und in den Text der Einleitungen. Zur Abgrenzung der Zitate am Schluß werden, wenn nötig, Gedankenstriche eingefügt. Die Groß- und Kleinschreibung wird in der Regel aus der Vorlage übernommen. Wenn allerdings das erste Wort eines neuen Satzes sowie eines Buchtitels kleingeschrieben ist, wird es abweichend von der Vorlage großgeschrieben. Der Anfangsbuchstabe wird in eckige Klammern gesetzt, um die syntaktische Gliederung durchsichtiger zu machen.

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Eigennamen, als Eigennamen gebrauchte Titel, Namen von biblischen Büchern und zitierte Buchtitel werden gegebenenfalls zur Großschreibung hin verändert, ohne daß diese Veränderung markiert wird (z.B. Christus, Pharao, Io[hannes], aber: gott, heiliger geist).

6.2 Texte in lateinischer Sprache In den lateinischen Texten wird die Wiedergabe von u/v, i/j, vv von der heute üblichen Aussprache her bestimmt: i und u bezeichnen vokalische Lautwerte, v einen Konsonanten, vv (in Eigennamen, z.B. Wittenberg) erscheint als w. j wird in i umgewandelt, auch im Innern eines Wortes (z.B. adiicere). Ein Trema (z.B. in Israël) wird nicht übernommen. Bei Evangelium/Euangelion wird folgendermaßen verfahren: Wenn Bugenhagen in einem Text das Substantiv Evangelium verwendet, werden auch die davon abgeleiteten Adjektive mit v geschrieben. Kommt in einem lateinischen Text jedoch die Form Euangelion vor, steht das u dort auch in den entsprechenden Adjektiven. ß wird in ss geändert (z.B. paßionis → passionis). Unverändert bleiben Diphtonge und e-Schreibungen sowie y (z.B. faemina, foemina, caelum, celum, hystoria). Kürzungen und e-caudata werden in die Form aufgelöst, die in einem gegebenen Text vorherrscht (z.B. p ¯cepta → praecepta oder precepta; Luc¸e → Lucae oder Luce). In einigen Fällen ergeben sich bei dieser Auflösung Differenzen zu zeitgenössischen Texten, aus denen zitiert wird, z.B. wenn Erasmus die Form moeret verwendet, bei Bugenhagen aber meret als maeret ediert wird. Nur Schreibungen, die Mißverständnisse hervorrufen können (z.B. queritur im Sinne von quaeritur) werden der klassischen Form entsprechend verändert. Der eingefügte Buchstabe steht in eckigen Klammern. Die Schreibungen von ci/ti werden aus der Vorlage übernommen (z.B. auch precium = Preis, Lohn). Ungewohnte Schreibungen einzelner Wörter, die aber auch im klassischen Latein vorkommen, werden übernommen (z.B.: caussa). Ebenso bleiben Schreibungen von n und m erhalten, die in der Vorlage ausgeführt sind (z.B. nonnunquam). Bei Kürzungen erscheint die klassische Form (z.B. qu¯aqu¯a → quamquam), wenn dies nicht den Kürzungen im selben Text zuwiderläuft. Die Auflösung von & → Et am Beginn eines Satzes erfolgt ohne die Verwendung von eckigen Klammern. Eigennamen werden großgeschrieben. Die Interpunktion der lateinischen Texte folgt dem Deutschen. Allerdings werden kurze Relativ- und Adverbialsätze, die für das Verständnis des Satzgefüges notwendig sind, nicht durch Kommata abgetrennt. Auch bei erweiterten Infinitiven steht kein Komma (z.B. Bonum est homini mulierem non tangere).

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6.3 Texte in deutscher Sprache In hoch- und niederdeutschen Texten werden Vokalismus und Konsonantismus im allgemeinen unverändert übernommen; auch die diakritischen Zeichen bleiben erhalten. Geringfügige graphische Besonderheiten eines Druckes werden an die vorherrschende Wiedergabe eines Buchstabens angeglichen (z.B. mˇ us → můs). Fehlende i-Punkte werden ergänzt; die Kombination von Lang- und Rund-s wird zu ß. Allerdings wird zwischen einzeln vorkommenden Lang- und Rund-s sowie den verschiedenen Schreibungen von r in der Vorlage nicht unterschieden, während der einheitlich für I und J verwendete Großbuchstabe „J“ nach dem heutigen Lautwert differenziert wiedergegeben wird (z.B.: Jhesus, aber: In). Der heutigen Orthographie entsprechend werden Infinitive mit „zu“ als zwei Wörter geschrieben, Verben, die mit „zu“ beginnen, jedoch zusammengeschrieben. Eine eventuell entstehende Differenz zur Vorlage wird in diesen Fällen nicht im Apparat aufgeführt (Bsp.: zu schreiben, unterschieden von: zuschreiben).

7. Emendationen und Konjekturen Unerhebliche Druckfehler (z.B. bei Vertauschung eines Buchstabens) werden ohne Angabe im Apparat verbessert. Wenn ein Druckfehler den Sinn verändert (und gegebenenfalls beim Nachdruck falsch verstanden worden ist), erscheint das fehlerhaft geschriebene Wort in Apparat I mit dem Vermerk „korr. aus“. Bei sinnentstellenden Fehlern in der Vorlage wird das betreffende Wort beziehungsweise der Satzteil im Text verbessert und in eckige Klammern gesetzt, während im Apparat die ursprüngliche Form aufgeführt ist. Ebenso wird verfahren bei den (seltenen) Ergänzungen im Text, die das Verständnis ermöglichen sollen. Unerhebliche Druckfehler der kollationierten Ausgaben werden nicht aufgeführt, wohl aber Abweichungen vom Text der Vorlage, die eine andere Auffassung des Satzsinns vermuten lassen (z.B. Formen, die eine Differenz im Tempusgebrauch bezeichnen können).

8. Zum Register Das Register enthält Namen und Begriffe in hochdeutscher, lateinischer, frühneuhochdeutscher und niederdeutscher Sprache. Auf die Registererfassung von Bibelstellen und von Personen des 20./21. Jahrhunderts wurde verzichtet. Bei den Namen wird unterschieden zwischen Personen der Kirchen- und Geistesgeschichte einerseits, Personen der Bibel andererseits. Titel von Schriften aus Antike, Mittelalter und Reformationszeit werden im Register unter den Personen der Kirchen- und Geistesgeschichte aufgeführt. Da Namen von Orten und Landschaften weitaus seltener als Personennamen in den Texten vorkommen, wird beim entsprechenden Register nicht zwischen ihrem Vorkommen in der Bibel und in der folgenden Geschichte unterschieden. Querverweise zwischen hochdeutschen Begriffen der Bearbeiter und lateinischen Begriffen aus den Texten sollen die Suche erleichtern. Die kurzen Teilregister mit jeweils einigen frühneuhochdeutschen

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und niederdeutschen Begriffen sind in keiner Weise vollständig. Sie enthalten einige charakteristische Ausdrücke; inhaltlich handelt es sich meist um Doppelungen aus dem Teilregister zu hochdeutschen Begriffen.

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Einleitung in Band 1 Der vorliegende Band enthält Schriften Johannes Bugenhagens aus der Anfangszeit seines literarischen Schaffens. In den Jahren von 1515/16 bis 1524 entwickelte er sich vom wenig gebildeten Autodidakten – an der Universität Greifswald hatte er 1502 bis 1504 lediglich die Artes liberales studiert – zum humanistischen Bibelausleger und reformatorischen Theologen. Diese Entwicklung wird hier dokumentiert anhand der Schriften, die Bugenhagen damals entweder selbst in den Druck gab oder für den Druck aufbewahrte, beziehungsweise von Schriften, die von Hörern seiner Vorlesungen und seiner Gottesdienste in Wittenberg einer größeren Öffentlichkeit als Druckschriften bekannt gemacht wurden. Nicht aufgenommen haben wir die im Vorwort genannten Schriften: Die Pomerania, die Bibelkommentare und die Predigten. Pomerania und Predigten wurden im 16. Jahrhundert nicht gedruckt, liegen aber in Ausgaben des 20. beziehungsweise 21. Jahrhunderts vor.1 Für die umfangreichen Kommentare zu den Psalmen, zum Deuteronomium und zu den kleinen Paulusbriefen wäre eine eigene Edition nötig.2 In unserem Band erscheinen drei kurze Stücke aus den Kommentaren in deutscher Übersetzung. Die Passions- und Auferstehungsharmonie, die aus einem nur handschriftlich vorliegenden Matthäuskommentar hervorgegangen ist und im Druck zuerst als Anhang zum Deuteronomiumkommentar veröffentlicht wurde, wird in ihren beiden lateinischen Fassungen ediert. Die ersten beiden Texte unseres Bandes basieren auf Schriften, die Bugenhagen selbst drucken ließ. Sie zeigen seine bewußte Ausrichtung auf die humanistische Reformbewegung der Renaissance, in der unter anderem die Pflege der alten Sprachen – Latein, Griechisch und Hebräisch – gefordert wurde. Bugenhagen stellte im Frühjahr 1515 mit den Grammatice regule3 eine Anleitung zur Verbesserung des lateinischen Sprachgebrauchs zusammen. Darin edierte er die Grammatice regule des seinerzeit bekannten Niederländers Johannes Murmellius, der in Münster in Westfalen und in Alkmaar von 1500 bis zu seinem Tod 1517 Lateinschulen leitete, und ergänzte sie durch eigene Beispielsätze zum korrekten Gebrauch der lateinischen Casus. Dieser Text kann noch nicht „reformatorisch“ genannt werden. Als Rektor einer Lateinschule und Priester in Treptow an der Rega bekundet Bugenhagen jedoch sein Interesse an der Vermittlung von Bibelkenntnissen dadurch, daß er seinen Text mit einer gereimten Form der Zehn Gebote beginnen läßt, die von dem zeitgenössischen italienischen Humanisten Aldus Manutius (Aldo Manucci) stammt. Am Schluß des Textes steht die Danksagung: „Jesu Christo regi regum immortali Gratia“. Wie sehr sich Bugenhagen dem sogenannten Bibelhumanismus zuwandte, wird noch deutlicher in der Murmellius-Edition4 . Hier handelt es sich um einen Briefwechsel zwischen Bugenhagen und Johannes Murmellius aus dem Jahr 1 Bugenhagen, Pomerania, hg.v. Heinemann; ders., Pomerania, hg.v. Buske. – Ders., Ungedruckte Predigten, hg.v. Buchwald. 2 Bugenhagen, Ps.-K. – Ders., Dtn.-K. – Ders., Ann. X. 3 S.u. 3–13 (Einleitung) und 14–22 (Text). 4 S.u. 25–34 (Einleitung) und 35–40 (Text).

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Einleitung in Band 1

1512, der 1513 von letzterem zunächst in seinen Epistulae morales in Alkmaar veröffentlicht worden war. Bugenhagen edierte dieses Werk 1515 neu und ließ darin seinem eigenen Brief eine Bemerkung folgen, mit der er eine kritische Äußerung über Albertus Magnus und Bonaventura nachträglich als bloße Stilkritik verstanden wissen wollte. Inhalt des Briefwechsels ist unter anderem Bugenhagens Bitte um eine Empfehlung zeitgenössischer Schriftsteller, die den Kirchenvätern Hieronymus, Ambrosius, Augustin und Lactantius gleichzuachten seien. Murmellius lobt in seiner Antwort vor allem Erasmus von Rotterdam als Stilisten, Gelehrten und Theologen. Die nächsten beiden Schriften sind als Manuskripte überliefert. Der Text der lateinisch abgefaßten Belbucker Klosterpredigt5 von Bugenhagens eigener Hand zeigt seine intensive Beschäftigung mit der Theologie des Erasmus. Am Patronatsfest im Prämonstratenserkloster Belbuck bei Treptow stellt er die Tagesheiligen des 29. Juni, Petrus und Paulus, nach dem Text der Oktav am 6. Juli, Sirach 44,10–12a, als „Männer der Barmherzigkeit“ vor, denen alle Christen, ob Priester oder Laien, nacheifern sollen. Bugenhagen hielt diese Predigt 1519 oder 1520 als Lektor einer Schule, die der Abt zur Verbesserung der Klerikerausbildung am Konvent eingerichtet hatte. Wie eine spätere Bemerkung zeigt, die der Verfasser dem Text gleichsam als Überschrift vorangestellt hat, wollten an diesem Festtag jedoch auch zahlreiche Laien einen Ablaß erwerben. Beichte und Ablaß sowie die traditionellen guten Werke spielen in dieser Predigt keine Rolle; als Anhänger der erasmischen Heiligungstheologie verweist Bugenhagen dagegen seine Hörer ganz auf das biblische Wort und den darin enthaltenen ethischen Anspruch. Mit dem lateinischen Sendbrief an die Treptower Schüler6 , der in einer Abschrift mit Zusätzen und Korrekturen von Bugenhagens eigener Hand erhalten ist, trat der Pommer wahrscheinlich zum ersten Mal als Vertreter einer reformatorischen Theologie an die Öffentlichkeit. Wohl im April oder Mai 1521 nahm er in einem Brief an seine Schülerschaft in Treptow und Belbuck Stellung zu der Frage, ob Luther als Häretiker zu betrachten sei. In vorsichtigen Worten verneinte er das, empfahl zwei erbauliche Traktate des Doctor Martinus zur Lektüre und legte sein eigenes Verständnis der Rechtfertigungslehre dar. Es ist nicht ausdrücklich in Bugenhagens Text vermerkt, doch nehmen wir an, daß der Brief in Wittenberg geschrieben wurde, wohin sich der Verfasser im Frühjahr 1521 zum Studium der Theologie begeben hatte. Aus den ersten vier Texten in unserem Band ergibt sich ein Bild vom Weg Bugenhagens über den Humanismus zur Reformation. Im fünften, umfangreichsten Text7 wird sowohl das Wirken des humanistischen Bibelauslegers als auch seine Annäherung an Luther dokumentiert: Die in Belbuck entstandene lateinische Handschrift der Passio Christi8 enthält Bugenhagens Fassung der biblischen Berichte zu Leiden, Sterben und Auferstehung Jesu Christi in einem fortlaufenden 5 S.u.

43–50 (Einleitung) und 51–61 (Text). 63–70 (Einleitung) und 71–79 (Text). 7 S.u. 80–133 (Einleitung). 8 S.u. 136–330 (Text). 6 S.u.

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Einleitung in Band 1

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Text mit vielen Anmerkungen aus Schriften der Kirchenväter und des Erasmus; in der Kommentierung des letzten Abendmahls zeigt ein Zitat aus De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium (ohne direkte Namensnennung Luthers als des Verfassers), daß Bugenhagen eine entscheidende Neuorientierung vorgenommen hat. Parallel zum Text nach der Handschrift, die zwischen 1519 und 1521 entstanden sein dürfte, geben wir die lateinische Historia passi et glorificati domini nostri Iesu Christi9 wieder, die Bugenhagen 1524 im Anhang seines gedruckten Kommentars zu den alttestamentlichen Büchern Deuteronomium, 1. und 2. Samuel in Basel veröffentlichte. Hier behielt er den harmonisierten Bibeltext aus der Handschrift bei, kürzte oder strich jedoch die meisten Kirchenväterund Erasmuszitate. War diese gedruckte lateinische Harmonie noch zu Studienzwecken für Prediger und Lehrer gedacht, so entwickelte sich in den folgenden Jahren ein Bedürfnis nach einer volkssprachlichen Fassung der Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herren Jhesu Christi10 . Dem kam Bugenhagen (nach einer von ihm autorisierten Übersetzung des Wittenberger Diakons Johann Mantel 1526) 1530 entgegen mit einer hochdeutschen Fassung, die in Wittenberg gedruckt wurde. 1531 gab er die niederdeutsche Historia des lidendes vnde der Vpstandige vnses Heren Jesu Christi11 in Magdeburg heraus. Wir lassen diese beiden Versionen im Paralleldruck den beiden lateinischen Texten der Passions- und Auferstehungsharmonie folgen. Kollationiert sind alle inhaltlich bedeutsamen Varianten aus der lateinischen Harmonie, die 1546 neu im Druck erschien, und aus den niederdeutschen Ausgaben bis 1546 sowie aus den hochdeutschen Ausgaben bis zu Bugenhagens Todesjahr 1558. Veränderungen, die Bugenhagens Theologie in den Jahrzehnten nach seinem Beginn in Wittenberg erfuhr, lassen sich an charakteristischen Aussagen etwa zum Abendmahl in den verschiedenen Ausgaben der Passions- und Auferstehungsharmonie ablesen. Im Prinzip stehen die Texte im vorliegenden Band in einer Reihenfolge, die durch ihr erstes Erscheinen im Druck, die Editio princeps, vorgegeben ist. Von diesem Prinzip sind wir mit der Wiedergabe der Passions- und Auferstehungsharmonie abgewichen, weil die lateinische Handschrift so weit in die Belbucker Zeit zurückreicht, daß sie vor den Flugschriften stehen sollte, die Bugenhagen eindeutig als Wittenberger Theologe verfaßt hat. Der nächste Text in unserem Band ist die lateinische Epistola de peccato in spiritum sanctum12 mit einem Anhang De lectione Psalmorum. Hier trägt der zugrundeliegende Brief das Abfassungsdatum 6. September 1521. Damals wurde er an den pommerschen Kirchenjuristen Johann Suave gerichtet, um ihn und die übrigen Männer in der Leitung von Bugenhagens Heimatkirche zu warnen: Eine Ablehnung des Evangeliums, wie es Luther neu entdeckt habe, komme der nicht vergebbaren Sünde gegen den Heiligen Geist gleich. Ob der Brief 1521 auch gedruckt wurde, ist unbekannt. Die drei Druckausgaben, die wir für unsere Edition heranziehen, enthalten 9 S.u.

137–347 350–604 11 S.u. 351–605 12 S.u. 606–618 10 S.u.

(Text). (Text). (Text). (Einleitung) und 622–652 (lateinischer Text).

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Einleitung in Band 1

zu Beginn des Anhangs über das Verständnis der Psalmen eine Bemerkung des Verfassers, die eine zeitliche Distanz zum ersten Schreiben erkennen lassen. Vermutlich fiel der Druck der Epistola de peccato mit Anhang in die Zeit vor der Veröffentlichung von Bugenhagens Psalmenkommentar im März 1524. Eine hochdeutsche Übersetzung13 , die uns ebenfalls in drei Ausgaben vorliegt – davon zwei mit einem Vorwort des österreichischen Lehrers Leonhard Freisleben vom 3. April 1524 – setzen wir parallel zu Bugenhagens lateinischem Text. Die Resonanz, die das Schreiben an den pommerschen Prälaten fand, indem mehrere Ausgaben und Übersetzungen gedruckt wurden, läßt sich wohl auch darauf zurückführen, daß Bugenhagen seit dem Herbst 1523 Stadtpfarrer in Wittenberg war. Um der von ihm als Wahrheit erkannten reformatorischen Lehre zum Durchbruch zu verhelfen, wandte er sich nicht nur an die Vertreter der Kirche in Pommern, sondern schickte auch einen Traktat mit einer Widmungsvorrede an die Tochter seines ehemaligen Landesherrn Bogislaw X., die nach Schlesien verheiratete und seit 1521 verwitwete Herzogin Anna in Lüben. Diese Christlike lere14 schrieb Bugenhagen niederdeutsch, also in der Muttersprache, die er mit der Herzogin gemeinsam hatte. Ziel des Traktats war es, die für ihre Frömmigkeit bekannte Herzogin Anna zur wahren Seligkeit zu führen – einem Leben im Vertrauen auf Gott den Vater und mit guten Werken nach Gottes Willen. Die Christlike lere enthält viele Anklänge an Luthers Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen; nach dem Druckvermerk auf dem Titelblatt erschien sie 1524 in Wittenberg. Zum niederdeutschen Original setzen wir die hochdeutsche Fassung Ain Christlicher sendprieff An frauw Anna15 , die wohl 1525 in Augsburg gedruckt wurde, parallel. Die folgenden drei Texte dokumentieren Bugenhagens Wirkung als Bibelausleger in Übersetzungen von Teilen seiner lateinischen Kommentare: Zwei Übersetzungen aus seinem Psalmenkommentar, In Librum Psalmorum interpretatio,16 den er selbst nach seiner Wittenberger Vorlesung 1524 drucken ließ, und ein Abschnitt aus seiner Kommentierung der kleinen Paulusbriefe nach einer nicht autorisierten Ausgabe seiner Wittenberger Vorlesung, Annotationes in decem epistolas Pauli, die 1524 in Nürnberg erschien. (Die von Bugenhagen autorisierte Fassung erschien als Annotationes in Epistolas Pauli 1525 in Basel.) Die Übersetzung mit dem Titel Der erste Psalm Dauids17 wurde von Stephan Roth angefertigt und herausgegeben. Roth wirkte von 1524 an als Hilfsprediger an der Stadtkirche Wittenberg, also in unmittelbarer Nähe Bugenhagens, und ließ die kleine Schrift mit einer Widmungsvorrede an den Zwickauer Ratsherrn Gotthart Büttner 1524 in Wittenberg drucken. Die Auslegung des 39. Psalms (in der Zählung der Vulgata, nach Luthers Übersetzung also des 40. Psalms) erschien dagegen mit einer Widmungsvorrede an Frau Rosa von Eschnau und einem Nachwort des Übersetzers Andreas Keller im Elsaß. Bei 13 S.u.

623–653 654–660 15 S.u. 665–677 16 S.u. 679–695 17 S.u. 696–720 14 S.u.

(hochdeutsche Übersetzung). (Einleitung) und 664–676 (niederdeutscher Text). (hochdeutsche Übersetzung). (Einleitung). (lateinische Textvorlage) und 697–721 (hochdeutsche Übersetzung).

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Einleitung in Band 1

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diesem Text mit dem Titel Ein schone schrift von der vffhebung vnd abthieung des gsatzs18 geht es im Original Bugenhagens darum, dem Mißverständnis zu wehren, man könne Gottes Gesetz erfüllen. Das Nachwort Kellers betont dagegen, die Gesetzespredigt sei weiterhin nötig. Wann der aus Rottenburg am Neckar vertriebene Andreas Keller die Übersetzung anfertigte, ist nicht sicher. Wahrscheinlich wollte er sich mit der Veröffentlichung der Schrift in seinem neuen Wirkungskreis vorstellen, als er Ende 1524 Prediger in Wasselnheim (heute: Wasselonne) wurde, und der Druck erfolgte dann 1525 in Straßburg. Während diese beiden Übersetzungen aus Bugenhagens Psalmenkommentar separat erschienen, wurde der Auszug aus Bugenhagens Kommentierung von 2. Thessalonicher 2,3–8 zusammen mit Philipp Melanchthons Iudicium de Luthero ad Campegium ohne nähere Angaben zu Drucker und Druckort in deutscher Übersetzung veröffentlicht19 . Der Name des Übersetzers fehlt auf dem Titelblatt dieser Schrift ebenso wie Drucker, Druckort und Jahr, doch handelt es sich wohl um einen Druck aus Augsburg 1524, mit dem vor jeder Annäherung an den Papst und seine Abgesandten wie etwa den Kardinal Lorenzo Campeggio, der Verbindung mit Melanchthon aufnehmen wollte, gewarnt werden soll. Bugenhagens Ausführungen zum Antichrist erhalten den Titel Ain schoe ne offenbarung des Endchrists20 . Die drei Übersetzungen von Stücken aus Bugenhagens Bibelkommentaren werden von uns parallel zur lateinischen Vorlage abgedruckt; die Varianten aus einem Nachdruck von Stephan Roths Text Der erste Psalm Dauids erscheinen im textkritischen Apparat. Bugenhagens Popularität als Bibelausleger, die sich in der Übersetzung einzelner Stücke und ihrer Herausgabe als Flugschriften zeigt, hatte die Kehrseite, daß er sich ebenso wie die anderen Wittenberger Theologen gegen Raubdrucke seiner Werke verwahren mußte. So erschien auch seine Vorlesung mit Predigtdispositionen zu den Evangelienperikopen der Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres siebenmal unter dem Titel Postillatio an verschiedenen Orten, bevor Bugenhagen sie mit einer Widmungsvorrede an Georg Spalatin vom 2. Oktober 1524 als Indices quidam Ioannis Bugenhagii Pomerani in Euangelia21 in Wittenberg selbst drucken ließ. Auch diese Indices wurden bis 1528 noch dreimal nachgedruckt. Wir bringen Bugenhagens autorisierten Text von 1524; der textkritische Apparat enthält die Varianten aus den übrigen uns bekannten Drucken von Postillatio und Indices, aber auch aus einer handschriftlichen Fassung Stephan Roths, die den Titel Loci quidam observati in Euangeliis, feriae per totius anni circulum trägt. Die Vorlesung, die Bugenhagen zu den Evangelientexten des Kirchenjahres hielt, und ihre Veröffentlichung in den Indices war als Hilfe für die reformatorischen Prediger gedacht, die wie in Wittenberg selbst die Perikopenordnung der mittelalterlichen Kirche beibehalten wollten. In der Regel gab Bugenhagen drei bis sechs Sätze zum Aufbau einer Predigt an, in 18 S.u.

722–730 732–736 20 S.u. 740–764 21 S.u. 767–783 19 S.u.

(lateinische Textvorlage) und 723–731 (hochdeutsche Übersetzung). (Einleitung). (lateinische Textvorlage) und 741–765 (hochdeutsche Übersetzung). (Einleitung) und 784–846 (Text).

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Einleitung in Band 1

denen lehrhafte Aussagen, Polemik und seelsorgerische Elemente in einem ausgeglichenen Verhältnis standen. Wie sehr der Pomeranus nicht nur als Bibelausleger, sondern auch als Stadtpfarrer von Wittenberg als Autorität angesehen wurde, zeigt schließlich ein Text, den wir im Anhang unseres Bandes edieren, obwohl sich Bugenhagen ausdrücklich von ihm distanzierte: Von der Euangelischen Messz, was die Messz sey, wie vnd durch wen vnnd warumb sy auffgesetzt sey22 . Dieser Text, der 1524 wohl zuerst in Nürnberg gedruckt wurde, erschien in mindestens acht Ausgaben bis 1525, sowie zwei weiteren Drucken, die einen Teil der Schrift, eine angebliche Trauordnung Bugenhagens, enthielten. Wir versuchen die komplizierte Geschichte dieses Sammeldrucks nachvollziehbar zu machen: Die lateinische Vorlage zum zweiten Teil der Schrift Rathschlag herren Johann Bugenhagen auß Pommern, wie man das Sacrament nyessen oder entpfahen soll setzen wir parallel zum hochdeutschen Text; Stücke, die aus der Meßordnung des ehemaligen Karmeliterpriors Caspar Kantz aus Nördlingen stammen, werden ebenso nachgewiesen wie Zitate aus einer katechismusartigen Schrift von Urbanus Rhegius und aus einer Trauordnung, die Bugenhagen wohl tatsächlich verwendet hat. Der erste Band von Johannes Bugenhagens Reformatorischen Schriften umfaßt dem Titel nach Werke aus knapp zehn Jahren von 1515/16 bis 1524. Die Texte der Passions- und Auferstehungsharmonie greifen zeitlich weiter aus in die folgenden Jahre des Pomeranus, und die übrigen hier edierten Schriften können eine Vorstellung von dem geographischen Wirkungskreis vermitteln, der sich nicht nur von Pommern nach Wittenberg verlagerte, sondern in den ersten Wittenberger Jahren direkt und indirekt einen weiten Raum umfaßte – im Südwesten bis ins Elsaß und in den Druckort Basel, im Südosten bis nach Österreich und nach Schlesien.

22 S.u.

849–861 (Einleitung) und 862–881 (Text).

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Abkürzungsverzeichnis 1. Bibliographische Abkürzungen Die vollständigen Angaben finden sich im Literaturverzeichnis. ADB AKG Ambr. Ann. Ann. X Ann. XI

ANRW Antwurt vber eyn frage ARG ASD ASKG BBAur BBKG BBKL BC Belb. BGPhMA BHTh Bibl. BKV BoA BSKG BSLK BWKG CChr.CM CChr.SL CIC.L COD CR CSEL

Allgemeine deutsche Biographie Arbeiten zur Kirchengeschichte Ambrosius Annotationes Bugenhagen: Annotationes in decem Epistolas Pauli Bugenhagen: [Annotationes] In Epistolas Pauli ad Galatas, Ephesios, Philippenses, Colossenses, Thessalonicenses primam et secundam. Timotheum primam et secundam. Titum. Philemonem. Hebraeos. Aufstieg und Niedergang der römischen Welt Bugenhagen: Antwurt vber eyn frage vom hochwirdigen Sacrament Archiv für Reformationsgeschichte Erasmus von Rotterdam: Opera omnia, Elsevier u.a. 2000/2003 Archiv für schlesische Kirchengeschichte Bibliotheca bibliographica Aureliana Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon Borchling, Conrad/Claussen, Bruno: Niederdeutsche Bibliographie Belbuck Beiträge zur Geschichte der Philosophie (und Theologie) des Mittelalters Beiträge zur historischen Theologie Bibliothek Bibliothek der Kirchenväter Bonner Ausgabe = Luthers Werke in Auswahl, hg.v. Otto Clemen Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche Blätter für württembergische Kirchengeschichte Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis Corpus Christianorum. Series Latina Corpus iuris canonici. Editio Lipsiensis Corpus oecumenicorum decreta Corpus reformatorum Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum

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xxx CThM.PT CThM.ST CVGEKS Cyr. Alex. DBE De pecc. DH Diss. masch. DSp DThC Dtn.-K. DWb (E) EKO Ep. Erg.bd. FB FC FKDG FS GCS GDK Geisenhof Greg. Magn. GthF HAB Hain HDThG Hieron. HKG[J] Holborn HS Hs. Jb. Jg. JLH Jöcher

Abkürzungsverzeichnis Calwer Theologische Monographien. Praktische Theologie und Missionswissenschaft Calwer Theologische Monographien. Systematische Theologie und Kirchengeschichte Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens Cyrill von Alexandrien Deutsche biographische Enzyklopädie Bugenhagen: Epistola de peccato in spiritum sanctum Denzinger, Heinrich/Hünermann, Peter (Hg.): Enchiridion symbolorum Dissertation (maschinenschriftlich) Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique Dictionnaire de théologie catholique Bugenhagen: Deuteronomiumkommentar Grimm, Deutsches Wörterbuch Novum Testamentum, lateinische Übersetzung des Erasmus 1519 Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts Epistola Ergänzungsband Fachbereich Fontes christiani Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Festschrift Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte Gottesdienst der Kirche Geisenhof, Georg: Bibliotheca Bugenhagiana Gregor I., der Große Greifswalder theologische Forschungen Herzog August Bibliothek Ludwig Hain: Repertorium bibliographicum Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte Hieronymus Handbuch der Kirchengeschichte, hg.v. Hubert Jedin Desiderius Erasmus Roterodamus. Ausgewählte Werke, hg.v. Hajo Holborn/Annemarie Holborn Historische Studien Handschrift Jahrbuch Jahrgang Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie Allgemeines Gelehrten-Lexicon, hg.v. Jöcher

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Abkürzungsverzeichnis Joh. Chrys. JSKG K. u. Univ. Bibl. KiG KlT LASLK LB LB Coburg/Stuttgart LDStA LJ LStRLO LThK LuJ Luther MGB MGP Mt.-K. MWF N.F. NDB o.Dr. o.J. o.O. o.T. Panzer Pass.har. Passio (Dr.) Passio (Hs.) PG PhB PL PRE Ps.-Anselm Ps.-K. Ps.-Augustin Ps.-Chrysostomus

xxxi Johannes Chrysostomus Jahrbuch für schlesische (Kirche und) Kirchengeschichte Königliche und Universitätsbibliothek Die Kirche in ihrer Geschichte Kleine Texte für (theologische und philologische) Vorlesungen und Übungen Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der lutherischen Kirche Erasmus von Rotterdam: Opera omnia, Lugduni Batavorum [Leiden] 1703–1706 Landesbibliothek Coburg/Stuttgart Luther: Lateinisch-deutsche Studienausgabe Liturgisches Jahrbuch Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie Lexikon für Theologie und Kirche Luther-Jahrbuch Zeitschrift der Luthergesellschaft Mennonitische Geschichtsblätter, hg. vom Mennonitischen Geschichtsverein, Hamburg u.a. Monumenta Germaniae paedagogica Bugenhagen: Matthäuskommentar (Handschrift) Missionswissenschaftliche Forschungen Neue Folge Neue deutsche Biographie ohne Drucker ohne Jahr ohne Ort ohne Titel Georg Wolfgang Panzer: Annalen der älteren deutschen Litteratur Bugenhagen: Passionsharmonie Bugenhagen: Passionsharmonie (lat. Druckfassung) Bugenhagen: Passionsharmonie (lat. Handschrift) Patrologiae cursus completus. Series Graeca Philosophische Bibliothek Patrologiae cursus completus. Series Latina Paulys Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft Pseudo-Anselm von Canterbury Bugenhagen: Psalmen-Kommentar = In librum Psalmorum interpretatio Pseudo-Augustin Pseudo-Chrysostomus

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xxxii Ps.-Hegesipp Ps.-Hieronymus Ps.-Phokylides PUB QFRG RE RechAug RGG RGST SB/StB SC Sign. Sünde StA StB StRen Su. SUB Suppl. Mel. SVRG ThQ ThStKr TRE Trept. UB ULB V, (V) (V.G) (V.H) VD 16 Vogt, Briefwechsel Vogt, Leben WA Welzig WWU ZDA ZHTh

Abkürzungsverzeichnis Pseudo-Hegesipp Pseudo-Hieronymus Ps.-Phokylides Pommersches Urkundenbuch Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche Recherches augustiniennes Religion in Geschichte und Gegenwart Reformationsgeschichtliche Studien und Texte Staatsbibliothek Sources chrétiennes Signatur Bugenhagen: Was vnd welches die sunt sey in den in den heyligen geist Studienausgabe Staatsbibliothek Studies in the Renaissance Sure Staats- und Universitätsbibliothek Supplementa Melanchthoniana Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Theologische Quartalschrift Theologische Studien und Kritiken Theologische Realenzyklopädie Bugenhagen: Sendbrief an die Schüler zu Treptow Universitätsbibliothek Universitäts- und Landesbibliothek Vulgata Vulgata (Übersetzung aus dem Griechischen/der Septuaginta) Vulgata (Übersetzung aus dem Hebräischen, von Hieronymus) Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts Vogt, Otto (Hg.): Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel Vogt, Karl August Traugott: Johannes Pomeranus. Leben und Ausgewählte Schriften Luther Martin: Werke [Weimarer Ausgabe] Erasmus von Rotterdam. Ausgewählte Schriften, hg.v. Werner Welzig Westfälische Wilhelms-Universität Zeitschrift für deutsches Altertum Zeitschrift für die historische Theologie

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Abkürzungsverzeichnis ZKG ZRGG

xxxiii Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte

2. Allgemeine Abkürzungen Abs. Abt. Anm. bes. betr. Bl. bzw. d.Ä./d.J. dgl. dt. Einl. fnhd./Fnhd. hebr. Hl. hg.v. hd./Hochdt. Hg. Jh. korr. [Kom.] lat. Marg. mnd. n.v. nd./Nd. ND o. par./parr. S./s. u. v. Vgl./vgl. übers. Übs. Verf. WSt Z. zit. Zit.

Absatz/Absätze Abteilung Anmerkung besonders betreffend Blatt beziehungsweise der Ältere/der Jüngere dergleichen deutsch Einleitung frühneuhochdeutsch/Frühneuhochdeutsch hebräisch (der, die) Heilige(r) herausgegeben von hochdeutsch/Hochdeutsch Herausgeber Jahrhundert korrigiert Kommentierung lateinisch Marginalie mittelniederdeutsch nicht vorhanden niederdeutsch/Niederdeutsch Neudruck oben und Parallelstelle(n) Siehe/siehe unten; und von Vergleiche/vergleiche übersetzt Übersetzung Verfasser Wortstellung Zeile zitiert Zitat

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Literatur Wenn hier und im vorangehenden Abkürzungsverzeichnis nicht anders vermerkt, folgen die bibliographischen Abkürzungen Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin/New York 2 1992. Die Abkürzungen für biblische Bücher entsprechen den Vorgaben in: Religion in Geschichte und Gegenwart, hg.v. Hans Dieter Betz u.a., Bd. 1–8, Tübingen 4 1998–2005 (RGG4 ).

1. Allgemeine Quellenausgaben Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 12 1998 (BSLK). Biblia sacra iuxta vulgatam versionem, rec. Robertus Weber, Bonifatius Fischer et al., I. Genesis – Psalmi. II. Proverbia-Apocalypsis, Stuttgart 3 1983 (Vulgata, Ed. Stuttgart 1983/V). Bibliothek der Kirchenväter, Kempten/München 2 1911–1931 (BKV2 ). Conciliorum oecumenicorum decreta, hg.v. Hubert Jedin, Freiburg 3 1973 (COD). Corpus Christianorum, Series latina, Turnhout 1953 ff (CChr.SL). – Continuatio mediaevalis, Turnhout 1971 ff (CChr.CM). Corpus reformatorum, hg.v. Karl Gottlieb Bretschneider/Heinrich Ernst Bindseil, Halle 1834 ff (CR). Corpus Schwenckfeldianorum, Leipzig 1907–61 (CS). Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866 ff (CSEL). Denzinger, Heinrich/Hünermann, Peter (Hg.), Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum/Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg u.a. 41 2007 (Denzinger41 /Hünermann). D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesammtausgabe, Weimar 1883 ff (WA). – Briefwechsel, Weimar 1930 ff (WA.Br). – Die deutsche Bibel, Weimar 1906 ff (WA.DB). – Tischreden, Weimar 1912 ff (WA.TR). Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften, hg.v. Werner Welzig, Bd. 1–7, Darmstadt 1967–1975; ND 1990–1995; Bd. 8, Darmstadt 1995 (Welzig). – Ausgewählte Werke, hg.v. Hajo Holborn/Annemarie Holborn, München 1933; ND 1964 (Holborn). – Opera omnia [. . . ] in decem tomos distincta, hg.v. Joannes Clericus, Lugduni Batavorum [Leiden] 1703–1706; ND Hildesheim 1961–1962 (LB). – Opera omnia recognita et adnotatione critica instrvcta notisqve illvstrata, hg.v. Jan H. Waszink, Elsevier; Amsterdam u.a. 1979 ff (ASD). Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, hg.v. Emil Sehling, Bd. 1–15, Leipzig/Tübingen 1902–1977 (EKO). Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts, hg.v. Hans-Joachim Köhler u.a., Zug (Schweiz) 1978–1985 (Flugschriften).

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Fontes Christiani. Zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter, hg.v. Norbert Brox u.a., Bd. 1–36, Freiburg im Breisgau 1988–1990; Bd. 41 ff Turnhout 1991 ff (FC). Friedberg, Emil (Hg.), Corpus Iuris Canonici, Pars Prior: Decretum Magistri Gratiani, Leipzig 2 1879; 2. ND Graz 1995 (Friedberg, CIC.L). Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, Berlin 1897 ff (GCS). Luther, Martin, Lateinisch-deutsche Studienausgabe, Bd. 1–3, hg.v. Wilfried Härle u.a., Leipzig 2006–2009 (LDStA). – Studienausgabe, hg.v. Hans-Ulrich Delius u.a., Bd. 1–6, Berlin/Leipzig 1979– 1999 (StA). – Werke in Auswahl, hg.v. Otto Clemen, Bd. 1, Bonn 1912; Berlin 6 1966. Bd. 2, Bonn 1912; Berlin 6 1967 (BoA). – s. unter D. Martin Luthers Werke (WA). Melanchthon, Philipp, Opera quae supersunt omnia, hg.v. Karl Gottlieb Bretschneider/Heinrich Ernst Bindseil, CR 1–18, Halle 1834–1860; ND New York/ Frankfurt 1963 (Opera). – Studienausgabe, hg.v. Robert Stupperich, Melanchthons Werke in Auswahl, Bd. 1–7, Gütersloh 1951–1975 (StA). – Supplementa Melanchthoniana, Bd. 1–5, Leipzig 1910–1928; ND Frankfurt 1968 (Suppl. Mel.). Migne, Jaques-Paul (Hg.), Patrologiae cursus completus. Series latina. – Series graeca, Paris 1841–1866 (PL. – PG). Novum Testamentum Domini nostri Jesu Christi Latine secundum editionem Sancti Hieronymi, hg.v. Johannes Wordsworth/Henry Julian White, Pars Prior – Quattuor Evangelia, Oxford 1889–1898 (NT Latine). Novum Testamentum Graece, hg.v. Eberhard Nestle/Kurt und Barbara Aland, Stuttgart 27 1993 (NT Graece). Novum Testamentum omne, multo quam antehac diligentius ab Erasmo Roterodamo recognitum, emendatum ac translatum [. . . ], Basel (Johann Froben) 1519. – Institut für neutestamentliche Textforschung Münster, Sign.: Bb griech. 1519 01–1 (NT 1519) bzw. (E). PG/PL s. Migne. Sources chrétiennes, Paris 1941 ff (SC). Vulgata s. Biblia sacra. WA s. D. Martin Luthers Werke.

2. Lexika und Enzyklopädien Allgemeine deutsche Biographie, Leipzig 1875–1912; ND Berlin 1968–1974 (ADB). Allgemeines Gelehrten-Lexicon, hg.v. Christian Gottlieb Jöcher, Bd. 1–4, Leipzig 1750–51; Erg.Bd. 1–7, Leipzig 1784–1897; ND Hildesheim 1960–61 (Jöcher). Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, hg.v. Friedrich Wilhelm Bautz/ Traugott Bautz, Hamm 1970 ff (BBKL).

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Deutsche Biographische Enzyklopädie, hg.v. Walther Killy/Rudolph Vierhaus, Bd. 1–10; Nachtragsbde. 11–13, München 1995–2003 (DBE). Dictionnaire de spiritualité ascétique et mystique. Doctrine et histoire, hg.v. Marcel Viller, Bd. 1–17, Paris 1937–1995 (DSp). Dictionnaire de théologie catholique, hg.v. Alfred Vacant u.a., Bd. 1–15, Paris 1903–1950 (DThC). Jöcher s. Allgemeines Gelehrten-Lexicon. Lexikon der christlichen Ikonographie, hg.v. Engelbert Kirschbaum, Bd. 1–8, Rom u.a. 1968–1976 (LCI). Lexikon für Theologie und Kirche, hg.v. Josef Höfer/Karl Rahner, Bd. 1–10; Erg.bd. 1–3, Freiburg 1957–1968 (LThK2 ); hg.v. Walter Kasper, Bd. 1–11, Freiburg u.a. 1993–2001 (LThK3 ). Der kleine Pauly. Lexikon der Antike, hg.v. Walther Sontheimer/Konrad Ziegler, Bd. 1–5, Stuttgart 1964–1975 (Der kleine Pauly). Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg.v. Hubert Cancik u.a., Bd. 1–13, Stuttgart/Weimar 1996–2003 (Der neue Pauly). Neue deutsche Biographie, Berlin 1953 ff (NDB). Paulys Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, hg.v. Georg Wissowa u.a., Bd. I 1–II 19, Stuttgart 1894–München 1972 (PRE). Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, hg.v. Johann Jakob Herzog/Albert Hauck, Gotha 3 1896–1913 (RE3 ). Die Religion in Geschichte und Gegenwart, hg.v. Kurt Galling/Hans Freiherr von Campenhausen, Bd. 1–6, Tübingen 3 1957–1962; ND 1986 (RGG3 ). Religion in Geschichte und Gegenwart, hg.v. Hans Dieter Betz u.a., Bd. 1–8, Tübingen 4 1998–2005 (RGG4 ). Stupperich, Robert, Reformatorenlexikon, Gütersloh 1984 (Reformatorenlexikon). Theologische Realenzyklopädie, hg.v. Gerhard Krause/Gerhard Müller, Bd. 1– 36, Berlin 1976–2004 (TRE).

3. Bibliographien und Nachschlagewerke zum Buchdruck Benzing, Josef, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Wiesbaden 2 1982 (Buchdrucker). Borchling, Conrad/Claussen, Bruno, Niederdeutsche Bibliographie: Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. Bd. 1, 1473–1600, Neumünster 1931–1936 (BC). Geisenhof, Georg, Bibliotheca Bugenhagiana. Bibliographie der Druckschriften des D. Joh. Bugenhagen, Leipzig 1908; ND Nieuwkoop 1963 (Geisenhof/Bibliotheca Bugenhagiana). Hain, Ludwig, Repertorium bibliographicum, in quo libri omnes ab arte typographica inventa usque ad annum MD., Bd. II, II, Stuttgart 1838; ND Mailand 1948 (Hain). Haller, Bertram, Der Buchdruck Münsters 1485 bis 1583. Eine Bibliographie, Regensburg 1986 (Buchdruck).

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Index Aurelianus. Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum, BadenBaden (Aureliae Aquensis) 1974 (Index Aurelianus). Panzer, Georg Wolfgang, Annalen der älteren deutschen Litteratur oder Anzeige und Beschreibung derjenigen Bücher, welche vom Jahre MDXXI bis MDXXVI in deutscher Sprache gedruckt worden sind, Bd. 2, Nürnberg 1805 (Panzer). Reske, Christoph, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing, Wiesbaden 2007 (Buchdrucker). The British Library Catalogue of Printed Books to 1975, Bd. 46, London u.a. 1980 (The British Library Catalogue). Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, Stuttgart 1984 (VD 16).

4. Wörterbücher Cappelli, Adriano, Lexicon Abbreviaturum. Dizinario di Abbreviature latine ed italiane, Mailand 1979. Forcellini, Egidio, Lexicon totius latinitatis, Bd. 1–6, 4 1864–1926; ND 1965 (Lexicon totius latinitatis). Georges, Karl E., Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 1–2, Leipzig 8 1913–19; ND 1998. Götze, Alfred, Frühneuhochdeutsches Glossar, Berlin 7 1967. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1–16, Leipzig 1854–1954; Quellenverzeichnis Leipzig 1971 (DWb). Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, hg.v. August Lübben/Christoph Walther, Leipzig 1888; ND Darmstadt 1980. Mittelniederdeutsches Wörterbuch, hg.v. Karl Christian Schiller/August Lübben, Bd. 1–6, Bremen 1875–1881; ND Münster 1969 (Schiller/Lübben) Sleumer, Albert, Kirchenlateinisches Wörterbuch, Limburg a. d. Lahn, 1926; 2. ND Hildesheim u.a. 1966. Wander, Karl Friedrich Wilhelm, Deutsches Sprichwörterlexikon, Bd. 1–5, Leipzig 1867–1880; ND Aalen 1963.

5. Quellenausgaben zu Johannes Bugenhagen 5.1 Quellen des 16. Jahrhunderts in Auswahl Bugenhagen, Johannes, Ain schoe ne offenbarung des Endchrists – durch Johan. Bugen. Pomeranum, o.O., o.Dr. [Augsburg (Simprecht Ruff) 1524]. – Geisenhof Nr. 28; VD 16: B 9362. – StB München, Sign.: 4o H. ref 561 (Ain offenbarung des Endchrists). – Annotationes Ioan. Bugenhagii Pomerani in x Epistolas Pauli, scilicet ad Ephesios, Philippenses, Colossenses, Thessalonicenses primam et secundam. Thimotheum primam et secundam, Titum, Philemonem, Hebraeos. Item Concordia Evangelistarum de Resurrectione ac Ascensione domini, Straßburg (Johann Heerwagen) 1524. – Geisenhof Nr. 56, [S2a /140a –T3b /149b ]; VD 16: B 4632; B 9236. – UB München, Sign: Bibl. 387 (Ann. X).

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Allgemeines Literaturverzeichnis

– Annotationes Ioann. Bugenhagii Pomerani in decem epistolas Pauli, scilicet ad Ephesios, Philippenses, Colossenses, Thessalonicenses primam et secundam. Timotheum primam et secundam, Titum, Philemonem, Hebraeos. Item Concordia Evangelistarum de Resurrectione ac Ascensione domini, Nürnberg (Johann Petrejus) 1524. – Geisenhof Nr. 54; VD 16: B 9234, [k 2b ]/[74b ] – l 5/85. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: Yv 1496.8o Helmst. (Annotationes in decem epistolas Pauli; Ann. X). – Antwurt hernn Johan Bugenhagen Pomern, Pfarrer zu Wittenberg, vber eyn frage vom hochwirdigen Sacrament. Auch eyn vnderricht von der beycht vnnd Christlichen absolution, Wittenberg [Erfurt: Joh. Coersfeld] 1525. – Geisenhof Nr. 139, VD 16: B 9258. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: K 239. 8o Helmst. (2) (Antwurt vber eyn frage). – Christlike Lere dorch Johannem Bugenhagen Pomeren. Sassesch gedrucket Tho wittemberch [Hans Lufft]. M.D.XXIIII. – Geisenhof Nr. 29; VD 16: B 9291. – Stadtbibliothek Lübeck, Sign.: 1965 A 1800 (Christlike Lere). – Contra novum errorem de sacramento corporis et sanguinis domini nostri Iesu Christi epistola Ioannis Bugenhagii Pomerani. – Geisenhof Nr 171; VD 16: B 9385. – UB Heidelberg, Sign.: Sal 80/21 (Contra novum errorem). – Der erste Psalm Dauids, durch Johannem Buggenhagen den Pomer lateynisch aussgelegt, vleyssig verteutzschet. Nach der dolmetzschung D.M. Luthers. Wittemberg [Nickel Schirlentz] Anno 1524. – Geisenhof Nr. 26; VD 16: B 9316. – StB Berlin, Sign.: Cu 915 R. – Ein schone schrift von der vffhebung vnd abthieung des gsatzs durch Johannem Pomeren über den xxxix. Psalm geschriben, Kürtzlich in das teütsch bracht. Durch Andres Keller. Allen Christen nützlich etc., o.O., o.Dr., o.J. [Straßburg (Matthias Schürer Erben) 1525]. – Geisenhof und VD 16 n.v.; Index Aurelianus I 5, 488. – SB Neuburg/Donau, Sign.: 4 Bibl. 87 Beiband 4. – Epistola de peccato in spiritum sanctum, Wittenberg [1523]. – Geisenhof Nr. 22; VD 16: B 9311. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: Helmst. 40 F 1388 (De pecc.). – Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten durch Joh. Bugenhagen Pomer auffs new vleissig zusamen bracht, Wittenberg (Georg Rhau) 1530. – Geisenhof Nr. 77; VD 16: B 4769. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: C 832. 8o Helmst. (1). – Historia des lidendes vnde der Vpstandinge vnses Heren Jesu Christi vth den veer Euangelisten dorch Johannem Bugenhagen Pomern vppet nye vlitigen tosamende gebracht, Magdeburg (Hans Walther) 1531. – Geisenhof Nr. 109; VD 16: B 4850. – Württembergische LB Stuttgart, Sign.: Bibl. Germ. infer., 1531. – In Ieremiam prophetam Commentarium Iohannis Bugenhagii Pomerani, Doctoris et Pastoris Witembergensis. Nunc primum editum, Wittenberg (Petrus Seitz) 1546. – Geisenhof Nr. 333; VD 16: B 9268. – UB München, Sign.: 4o Bibl. 406. – Indices quidam Ioannis Bugenhagii Pomerani in Euangelia (ut vocant) Dominicalia, Insuper usui temporum et Sanctorum totius anni servientia. Ab ipso autore iam primum emissi et locupletati, Wittenberg (Hans Lufft) 1524. –

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Allgemeines Literaturverzeichnis





















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Geisenhof Nr. 50; VD 16: B 9333. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: 919.135 Theol 8o (2). Io. Bugenhagii Pomerani Annotationes In Epistolas Pauli ad Galatas, Ephesios, Philippenses, Colossenses, Thessalonicenses primam et secundam. Timotheum primam et secundam. Titum. Philemonem. Hebraeos. Cum Indice. Ab ipso quidem autore nuper recognitae, Basel (Adam Petri) 1525. – Geisenhof Nr. 62; VD 16: B 9237. – UB München, Sign.: Bibl. 2516, Nr. 1 (Ann. in Ep. ad Gal./Ann. in Ep. ad Hebr./Ann. in Ep. ad Colos./Ann. XI). Ioannis Bugenhagii Pomerani Annotationes ab ipso iam emissae. In Deuteronomium. In Samuelem prophetam, id est duos libros Regum. Ab eodem praeterea conciliata ex Euangelistis historia passi Christi et glorificati cum annotationibus. Indice adiecto, Basel (Adam Petri) 1524. – Geisenhof Nr. 33, 362–663; VD 16: B 9250. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: Li 1097 (Dtn.-K.). Ioannis Bugenhagii Pomerani commentarius in quatuor capita prioris Epistolae ad Corinthios, de sapientia et iustitia dei quae Christus est [. . . ], Wittenberg 1530. – Geisenhof Nr. 266; VD 16: B 9293. – UB München, Sign.: 8o J. Can. 799 [2] (Ad Corinthios). Ioannis Pomerani Bugenhagii In librum Psalmorum interpretatio, Wittembergae publice lecta, Basel (Adam Petri) 1524. – Geisenhof Nr. 3; VD 16: B 3137. – UB München, Sign: 4o Bibl. 1831 (Ps.-K.). Kommentar zum Matthäusevangelium (Autograph), o.T., o.O., o.J. [Belbuck 1519/20]. – Marienkirche Stendal, Schönbeck-Bibliothek, Sign.: V a 13, [1r – 156r ] (Mt.-K.). Passio Christi. Passio domini Iesu Christi secundum quatuor evangelistas. Resurrectio et ascensio domini nostri Iesu Christi secundum quatuor evangelistas. [Ms o.O., o.J.]. – Marienkirche Stendal, Schönbeck-Bibliothek, Sign.: V a 13, [156v –215v ] (Passio). Summarien vnd ynnhalt aller Capitel der vier Euangelisten, ausgezogen durch Johan. Buggenha. Pomer, Wittenberg (Georg Rhau) 1527. – Geisenhof Nr. 231. – VD 16: B 4657. – UB München, Sign.: Theol 5225/14 (Summarien). Van dem Christen louen vnde rechten guden wercken, wedder den falschen louen vnde erdichtete gude wercke. [. . . ], Wittenberg (Hans Barth) 1526. – Geisenhof Nr. 205; VD 16: B 9425. – Staatsarchiv Hamburg, Sign.: 4o A 650/41 (Van dem Christen louen). Von der Euangelischen Messz, was die Messz sey, wie vnd durch wen vnnd warumb sy auffgesetzt sey. Auch wie man Messz soll hoe ren vnd das hochwirdig Sacrament empfahen vnd warumb man es empfecht. Anno 1524. [. . . ] Wittenberg [Nürnberg: Hans Hergot 1524]. – Geisenhof Nr. 36; VD 16: B 9460. – UB München, Sign.: 4o Theol 2741/3. was vnd welches die sunt sey in den heyligen geist, dauon Sanct Matheus am 12. cap. redt, die nit vergebenn wirt, Joannis Peue gnhagn, Pfarers zw Wittenberg. Auch wie man die Psalmen lesen soll vnd mues, ein vnnderrichtung. Verbum domini manet Ineternum. M.D.XXiiij, o.O., o.Dr. – Geisenhof Nr. 25. – StB Berlin, Sign.: 4o Cu 925 R.

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Allgemeines Literaturverzeichnis

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6. Werke zu Biographie und Theologie Johannes Bugenhagens in Auswahl Für eine ausführliche Bibliographie siehe Garbe, Irmfried, Bibliographie zur Johannes Bugenhagen-Forschung, in: Hans-Günter Leder, Johannes Bugenhagen Pomeranus – Nachgelassene Studien zur Biographie, hg.v. Irmfried Garbe/Volker Gummelt, GthF 15, Frankfurt am Main u.a. 2008, 203–284. Beintker, Horst, Fortsetzung und Festigung der Reformation. Neuordnung in evangelischen Kirchen unter Bugenhagens Anleitung mittels seiner Braunschweiger Kirchenordnung von 1528, ThZ 44, 1988, 1–31 (Fortsetzung). Bieber, Anneliese, Johannes Bugenhagen zwischen Reform und Reformation. Die Entwicklung seiner frühen Theologie anhand des Matthäuskommentars und der Passions- und Auferstehungsharmonie, FKDG 51, Göttingen 1993 (Reform). Bräuer, Siegfried, Der Beginn der Reformation in Braunschweig. Historiographische Tradition und Quellenbefund, Braunschweigisches Jahrbuch 75, 1994, 85–116 (Beginn). Brunk, Yvonne, Die Tauftheologie Johannes Bugenhagens. „. . . denn Christus ist in seinem Wort und Zusage.“ (Bugenhagen, Der 29. Psalm Bl. E 2r ). Untersuchungen zur Tauftheologie Johannes Bugenhagens anhand ausgewählter Druckschriften ab 1525, RNZ 1, Hannover 2003 (Tauftheologie). Frey, Winfried, Der Kommentar als Waffe. Zu Johannes Bugenhagens Passionsharmonie, in: Andrea Hohmeyer u.a. (Hg.): Spurensuche in Sprach- und Geschichtslandschaften, FS Ernst Erich Metzner, Münster u.a. 2003, 157–177 (Kommentar). Garbe, Irmfried/Kröger, Heinrich (Hg.), Johannes Bugenhagen (1485–1558). Der Bischof der Reformation. Beiträge der Bugenhagen-Tagungen 2008 in Barth und Greifswald, Leipzig 2010 (Bischof der Reformation). Gummelt, Volker, Bugenhagens Handschrift von Karlstadts Jeremiavorlesung aus dem Jahre 1522, ARG 86, 1995, 56–66 (Karlstadts Jeremiavorlesung). – Bugenhagens Tätigkeit an der Wittenberger Universität, ZKG 105, 1994/2, 191–201 (Bugenhagens Tätigkeit). – Lex et Evangelium. Untersuchungen zur Jesajavorlesung von Johannes Bugenhagen, AKG 62, Berlin/New York 1994 (Lex et Evangelium). Hauschild, Wolf-Dieter, Biblische Theologie und kirchliche Praxis. Die Kirchenordnungen 1528 bis 1543 in Johannes Bugenhagens Gesamtwerk, in: Karlheinz Stoll (Hg.), Kirchenreform als Gottesdienst, Hannover 1985, 44–91 (Biblische Theologie). – Johannes Bugenhagens Auseinandersetzung mit dem Katholizismus 1515 bis 1521, in: Ostdeutsche Geschichte und Kulturlandschaften, Teil III. Pommern, hg.v. Hans Rothe, Köln/Wien 1988, 85–110 (Auseinandersetzung).

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Allgemeines Literaturverzeichnis

– Johannes Bugenhagens Entwicklung zum Reformator und der Einfluß Luthers, in: Ders. u.a. (Hg.), Luthers Wirkung. FS für Martin Brecht, Stuttgart 1992, 63–82 (Bugenhagens Entwicklung). Holfelder, Hans Hermann, Evangelica veritas et iudicium dei. Zu Johann Bugenhagens Epistola de peccato in spiritum sanctum (1521), in: Hans-Günter Leder (Hg.), Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung, Berlin 1984, 87– 117 (Evangelica veritas). – Solus Christus. Die Ausbildung von Bugenhagens Rechtfertigungslehre in der Paulusauslegung (1524/25) und ihre Bedeutung für die theologische Argumentation im Sendbrief „Von dem christlichen Glauben“ (1526). Eine Untersuchung zur Genese von Bugenhagens Theologie, BHTh 63, Tübingen 1981 (Solus Christus). – Tentatio und consolatio. Studien zu Bugenhagens „Interpretatio in librum psalmorum“, AKG 45, Berlin/New York 1974 (Tentatio). Kähler, Ernst, Bugenhagen und Luther, in: Johann Bugenhagen. Beiträge zu seinem 400. Todestag, hg.v. Werner Rautenberg, Berlin 1958, 108–122 (Bugenhagen und Luther). Koch, Ernst, Johannes Bugenhagens Anteil am Abendmahlsstreit zwischen 1525 und 1532, ThLZ 11, 1986, 705–730 (Abendmahlsstreit). Kötter, Ralf, Johannes Bugenhagens Rechtfertigungslehre und der römische Katholizismus. Studien zum Sendbrief an die Hamburger (1525), FKDG 59, Göttingen 1994 (Rechtfertigungslehre). – Zur Entwicklung der Rechtfertigungslehre Johannes Bugenhagens 1521–1525, ZKG 105, 1994/1, 18–34 (Entwicklung). Kreiker, Sebastian, Armut, Schule, Obrigkeit. Armenversorgung und Schulwesen in den evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Religion in der Geschichte 5, Bielefeld 1997 (Armut). Kriener, Tobias, Johannes Bugenhagens Passionsharmonie als ein Stück judenfeindlicher christlicher Theologie, in: De Kennung, Zeitschrift für plattdeutsche Gemeindearbeit 13, 1990/2, 37–75 (Johannes Bugenhagens Passionsharmonie). – Von der – fast – verschütteten Treue Gottes. Zum reformatorischen solus als Ermöglichungsgrund einer nicht-judenfeindlichen Theologie: das Beispiel Johannes Bugenhagens, in: De Kennung, Zeitschrift für plattdeutsche Gemeindearbeit 16, 1993/1, 67–83 (Treue Gottes). Krumwiede, Hans-Walter, Kirchenverfassung und christliche Existenz bei Bugenhagen, JGNKG 84, 1986, 3–20 (Kirchenverfassung). Leder, Hans-Günter, Bugenhagenliteratur, in: Johann Bugenhagen, Beiträge zu seinem 400. Todestag, hg.v. Werner Rautenberg, Berlin 1958, 123–137 (Bugenhagenliteratur I). – Bugenhagenliteratur (1958–1974), HerChr 1977/78, 97–100 (Bugenhagenliteratur II). – Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung. Beiträge zur Bugenhagenforschung. Aus Anlaß des 500. Geburtstages des Doctor Pomeranus, Berlin 1984 (Gestalt und Wirkung).

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– Johannes Bugenhagen Pomeranus – Leben und Wirken (1485–1558), in: Ders. (Hg.), Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung, Berlin 1984, 8–37 (Leben und Wirken). – Johannes Bugenhagen Pomeranus – Nachgelassene Studien zur Biographie, hg.v. Irmfried Garbe/Volker Gummelt, GthF 15, Frankfurt am Main u.a. 2008 (Nachgelassene Studien). – Johannes Bugenhagen Pomeranus – Vom Reformer zum Reformator: Studien zur Biographie, GthF 4, hg.v. Volker Gummelt, Frankfurt/Main u.a. 2002 (Pomeranus). –/Buske, Norbert, Reform und Ordnung aus dem Wort. Johannes Bugenhagen und die Reformation im Herzogtum Pommern, Berlin 1985 (Reform und Ordnung). Lorentzen, Tim, Johannes Bugenhagen als Reformator der öffentlichen Fürsorge, SMHR 44, Tübingen 2008 (Fürsorge). Schild, Maurice, Bugenhagens De coniugio episcoporum et diaconorum, in: Kirche in der Schule Luthers, hg.v. Bengt Hägglund/Gerhard Müller, Erlangen 1995, 181–190 (De coniugio). Schulz, Wolfgang, Das Abendmahlssakrament in Aussagen Johannes Bugenhagens 1521 bis Sommer 1525. Studien zur Ausprägung seiner lutherischen Abendmahlsposition, Diss.theol. (maschinenschriftlich) Greifswald 1987 (Abendmahlssakrament). Schröder, Ingrid, Die Bugenhagenbibel. Untersuchungen zur Übersetzung und Textgeschichte des Pentateuchs, Köln u.a. 1991 (Bugenhagenbibel). Schwier, Helmut, Lehren, Zurüsten und Gedenken. Bugenhagens Abendmahlsvermahnung in ihren theologischen und liturgischen Dimensionen, JLH 36, 1996/97, 11–50 (Abendmahlsvermahnung). Spengler-Ruppenthal, Anneliese, Bugenhagen und das protestantische Kirchenrecht, in dies.: Gesammelte Aufsätze. Zu den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, JusEcc 74, Tübingen 2004, 122–154 bzw. ZSRG.K 57 = 88, 1971, 196–233 (Kirchenrecht). Stoll, Karlheinz (Hg.), Kirchenreform als Gottesdienst. Der Reformator Johannes Bugenhagen 1485–1558, Hannover 1985 (Kirchenreform). Vogt, Karl August Traugott, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften, LASLK 4, Elberfeld 1867 (Leben). Wolgast, Eike, Johannes Bugenhagens Beziehungen zur Politik nach Luthers Tod, in: Gedenkschrift für Reinhard Olesch, hg.v. Hans Rothe u.a., Köln/Wien 1990, 115–138 (Politik).

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Abbildung 1: Titelblatt: Grammatice regule Joannis Murmellij, quibusdam a Joanne Bugenhagenio additis

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Grammatice regule Bearbeitet von Wolf-Dieter Hauschild Einleitung In der literarischen Öffentlichkeit des frühen 16. Jahrhunderts ist Johannes Bugenhagen zunächst durch eine philologische Publikation hervorgetreten. Ansonsten gibt es für seine Jugend und frühe Wirksamkeit nur sehr wenige Quellen und Indizien. Er wurde am 24. Juni 1485 in dem zum Herzogtum Pommern gehörigen Handelsstädtchen Wollin an der Odermündung als Sohn des Ratsherrn Gerhard Bugenhagen geboren. Dem sozialen Status der Familie entsprechend besuchte er seit Januar 1502 die 1456 gegründete, schwach entwickelte und vom Humanismus unberührte Greifswalder Universität, wo er an der Artistenfakultät studierte.1 Als er diese im Spätsommer oder Herbst 1504 – wohl ohne Abschluß (Baccalaureus oder Magister) – verließ, dürfte der Studienertrag nicht allzu groß gewesen sein, beschränkt auf Grundkenntnisse der Artes liberales, vor allem auf eine gute Beherrschung der lateinischen Sprache. Das zeigte sich noch später daran, daß in seinen Schriften philosophische Kenntnisse fehlten. (Eine Begegnung mit der scholastischen Theologie entfiel ohnehin.) Als Neunzehnjähriger – vermutlich im Herbst 1504 – wurde er Lehrer an der Stadtschule im hinterpommerschen Treptow an der Rega, einer nicht unbedeutenden kleinen Handelsstadt mit ca. 1000–2000 Einwohnern.2 Jene Lateinschule war mit der Pfarrkirche St. Marien verbunden; als Patron der Kirche besaß der Abt des Klosters Belbuck3 das Präsentationsrecht für die Lehrerstellen, doch ansonsten unterstand die Schule dem Rat der Stadt. Ob Bugenhagen sogleich deren Leitung innehatte, ist fraglich;4 wahrscheinlich wurde er erst einige Zeit später Rektor.5 Das könnte im Zusammenhang mit seiner Aufnahme in das Priesterkollegium der Marienkirche gestanden haben, die sich wohl 1 Vgl.

Leder, Aurora, 39 f bzw. Pomeranus, 44–46; Leder, Sacerdos, 375 bzw. Pomeranus, 95 f. Beleg dafür ist die späte Aussage Melanchthons in dessen Gedächtnisrede auf Bugenhagen 1558. Vgl. Melanchthon, Declamatio (CR 12, 297): „Als er gerade das zwanzigste Jahr erreicht hatte, begann er, in dem Städtchen Treptow die Jugend zu lehren, wo – da die Übungen in der lateinischen Sprache besser waren als in anderen Schulen – der gute Ruf den Besuch seiner Schule vermehrte.“ – Letzteres faßt die spätere Entwicklung zusammen. 3 Zu Belbuck s.u. die Einleitung zur Klosterpredigt, 43–44. Zum Präsentationsrecht s. Paap, Belbuck, 36 f; Hoogeweg, Stifter, Bd. I, 67. 4 Als selbstverständliche communis opinio gibt die Sekundärliteratur seit jeher (z.B. seit Cramer, Kirchen-Chronicon 1628, 3, 29; Lange, Erbauliches Leben 1731, 9) an, Bugenhagen sei 1504 zum Rektor berufen worden; so noch 1995 Leder, Sacerdos, 376 f bzw. Pomeranus, 96. Die Schule hatte vermutlich zwei oder drei Lehrer; daß Bugenhagen sofort die Leitung übernahm, ist nicht auszuschließen, denn er hatte immerhin eine gewisse akademische Ausbildung. 5 Melanchthon spricht für 1504 allgemein von „lehren/docere“; vgl. Melanchthon, Declamatio, CR 12, 297. Das nächste Zeugnis ist Bugenhagens Brief an Murmellius vom 23. April 1512, in dem er sich als „Sacerdos Christi, Ludimagister Treptovii“ tituliert (s.u. den Text Murmellius-Edition, 35,1), also als „Schulmeister“, was allgemein den Lehrer, hier wohl eher speziell den Schulleiter meint. Letzteres bestätigt auch Bugenhagens Erwähnung seines Bruders Gerhard, „der schon etliche Zeit mein Unterlehrer/hypodidascalus gewesen“ ist (s.u. 36,1–2). 2 Einziger

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4

Grammatikregeln. Einleitung

aus der Übertragung einer der dortigen Vikarien ergab und für 1509 erstmals bezeugt ist.6 Die Wertschätzung, die er von Anfang an in Belbuck und bei dessen Äbten Joachim (1504–07) und Heinrich Beggerow (1508-16) genoß, bekundete sich auch darin, daß er für Rechtsgeschäfte des Klosters herangezogen wurde7 .

1. Vorgeschichte: Bugenhagens Beziehung zu Johannes Murmellius Während seines Greifswalder Studiums kam Bugenhagen wahrscheinlich nicht in Berührung mit der in Deutschland gerade aufblühenden Bewegung des sog. Humanismus.8 Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt nach 1504/09 hat er sich vermutlich in autodidaktischer Weise mit Schriften einiger Humanisten befaßt, wobei er auch unabhängig davon sich um eine philologisch-theologische Bibelexegese mit Hilfe von Kirchenväterschriften – insbesondere von Bibelkommentaren des Hieronymus und Augustinus – bemüht haben kann9 . Jedenfalls entsprach letzteres der humanistischen Programmatik, und Bugenhagen traktierte wohl von früh an die Schriftauslegung in seinem Schulunterricht. Ebenfalls nur aus späteren Zeugnissen kann die Annahme abgeleitet werden, daß er sich in seinem Lateinunterricht von den traditionellen – durch das mittelalterliche Lehrbuch des Alexander de Villa-Dei repräsentierten – Vermittlungsformen abwandte und einer zunächst von italienischen Humanisten propagierten neuen Methodik folgte, die an der klassisch-antiken Literatur orientiert war.10 Diese Entwicklung dürfte allerdings erst seit ca. 1510/12 deutlichere Konturen erhalten haben durch Kontakte zu einem der führenden Philologen und PädagoIn der Pommerschen Kirchenordnung sieht Bugenhagen als Normalausstattung in allen Stadtschulen einen „scholmester unde subrector“ sowie weitere „scholgesellen“ vor (EKO 4, 333 f). In Braunschweig hatten die beiden Lateinschulen außer dem Rektor nur zwei bzw. drei Lehrer (EKO 6/1/1, 365). 6 Die gängige Behauptung, Bugenhagen sei im Frühjahr 1509 zum Priester geweiht worden, basiert vor allem auf einer von Vogt, Leben, 9 Anm. 1 erwähnten Treptower Urkundennotiz vom März 1509. Danach wurde in einer Liste von 17 „Priestern und Vicarii“ Bugenhagen „an letzter Stelle, also wahrscheinlich als der jüngste, aufgeführt“. Dies kann man kombinieren mit Melanchthons Aussage von 1558, die keinen chronologischen Anhalt bietet. Melanchthon, Declamatio (CR 12, 298): „Und obwohl er kein Pastor war, sondern nur der Schule vorstand, ermunterten ihn gleichwohl Freunde, in der Kirche zu predigen; damit er dies tun konnte, wurde er nach der üblichen Sitte dem Priesterkollegium hinzugefügt.“ – Weder mit der Predigterlaubnis noch mit der Übertragung einer Vikarie war kirchenrechtlich zwingend die Priesterweihe verbunden. Quellenmäßig eindeutig sicher ist nur Bugenhagens Selbstbezeichnung als Priester seit 1512. (Vgl. auch seine Klosterpredigt; s.u. 51,1–2.) 7 Der Bischof von Kammin beanspruchte ihn 1505 als Notar für eine Beurkundung, ebenso 1518 der Belbucker Abt (s. Vogt, Leben, 7, Anm. 1). Im sog. Klostergerichtsbuch protokollierte er 1514 und 1516 juristische Verhandlungen (s. Paap, Belbuck, 6). 8 Dort wirkten in der Artistenfakultät vor 1514 keine Humanisten, und bei den 1498–1503 in Greifswald lehrenden Juristen Petrus und Vincentius Ravennatus kann Bugenhagen nicht studiert haben; s. dazu Leder, Aurora, 43 f.57–67 bzw. Pomeranus, 52 f.77–93. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, daß er außerhalb des Lehrbetriebs Kontakt zu ihnen hatte. 9 So Melanchthon in seiner Gedenkrede 1558; vgl. Melanchthon, Declamatio (CR 12, 297 f). Das paßt zu Bugenhagens Aussage von 1512; s.u. die Einleitung zur Murmellius-Edition, 26. 10 Vgl. Reichling, Reform, 18; Paulsen, Geschichte, 165–167.

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gen der Humanistenbewegung, Johannes Murmellius (1480–1517)11 . Dieser gelehrte Niederländer wirkte seit 1500 in Münster mit großem Erfolg als Lateinlehrer im Rahmen des dort betriebenen humanistischen Reformunterrichts, zunächst an der Domschule, seit 1508 als Rektor an der Schule des Ludgeri-Kollegiatstifts. Im Frühjahr 1513 ging er in das geldrische Alkmaar als Rektor der dortigen Lateinschule. Er zog viele Schüler von auswärts an, darunter sechs junge Leute aus Bugenhagens Umfeld, wodurch eine indirekte persönliche Verbindung zwischen beiden – wohl seit ca. 1510 – entstand.12 Ein Brief, den der Pomeranus der Münsteraner Koryphäe 1512 in diesem Zusammenhang schrieb, erschien ihm als so wichtig, daß er ihn im Herbst 1515 oder bald darauf zusammen mit Murmellius’ Antwortschreiben einer Edition von dessen Epistolae morales beigab, die er in Leipzig drucken ließ.13 Dieser Brief machte dem Münsteraner deutlich, daß Bugenhagen bereits etliche seiner Bücher studiert hatte und deswegen als Sympathisant und Mitstreiter gegen die alte Lateinpädagogik gelten konnte. Schon vorher – im Frühjahr 1515 – stellte Bugenhagen auf der Grundlage eines nicht publizierten Murmelliustextes ein kurzes Lehr- bzw. Schulbuch für den lateinischen Grammatikunterricht zusammen, die Grammatice regule, einen Sammeldruck, der auch seine eigenen Grammatikregeln enthielt. Parallel dazu bewog er den Leipziger Buchdrucker Valentin Schumann, Murmellius’ viel benutztes Schulbuch über die Verbenlehre von 1504 herauszugeben.14 Damit erschien Bugenhagen in der literarischen Öffentlichkeit als Verfechter der humanistischen Schulreform und – schon durch den Buchtitel – als Bundesgenosse des berühmten Pädagogen. Das betonte er auch in seiner Vorrede zu dem Buch. Über weitere Kontakte zwischen beiden ist nichts überliefert. In der zweiten, veränderten Auflage, welche nach Murmellius’ plötzlichem Tod (1517) erschien, ging Bugenhagen nicht mehr auf dessen Werk besonders ein; das persönliche Verhältnis dürfte demnach nicht übermäßig herzlich gewesen sein.

2. Charakterisierung und Inhalt Nach den bisher bekannten Quellen war dies schmale Lehrbuch Bugenhagens erste Veröffentlichung. Ihr gab er als Vorrede zwei Widmungsschreiben – an Johannes Boldewan, Abt von Belbuck, und Lukas Krummenhuß, einen Treptower Kleriker, sowie an Andreas Kieckbusch/Kiekebusch, Priester und Schulrektor in Kolberg – bei, die ihn als Verantwortlichen auswiesen und zugleich sein bi11 Nach wie vor grundlegend ist die Darstellung von Reichling, Murmellius, mit der umfangreichen Untersuchung zu dessen Schriften. Vgl. auch Römer, Lebensbilder, 396–410. – Johann Murmel/Murmellius wurde 1480 als Kind einfacher Leute in Roermond (Herzogtum Geldern) geboren, besuchte ab 1492 die berühmte Schule der Brüder des gemeinsamen Lebens in Deventer, die der einflußreiche Pionier des Humanismus Alexander Hegius (ca. 1440–98) – u.a. Lehrer des Erasmus von Rotterdam – seit 1483 leitete. Der Scholaster des Münsteraner Domkapitels Rudolf von Langen (1438–1519) holte Murmellius 1500 dorthin als Konrektor, um die Schulreform im Sinne des Humanismus zu fördern. Münster erhielt dadurch eine der bedeutendsten humanistischen Ausbildungsstätten im deutschen Raum. 12 Einzelheiten s. in der Einleitung zum Text Murmellius-Edition, 28–29, mit Anm. 19–23. 13 S.u. den Text Murmellius-Edition und die Einleitung dazu, 25–40. 14 Vgl. die Einleitung zum Text Murmellius-Edition, 25, mit Anm. 2–4.

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belhumanistisches Schulprogramm kundtaten. Er wehrte sich gegen den – wohl von pommerschen Klerikern und Bürgern vorgebrachten, mit persönlicher Verunglimpfung als nutzlosem poeta verbundenen – Vorwurf, daß er in seinem Unterricht die sittenlosen heidnischen Autoren behandelte: Er lege den Schülern nur moralisch einwandfreie Texte vor und behandele überdies hauptsächlich die poetischen Werke (carmina) der spätantiken christlichen Dichter wie zum Beispiel Prudentius; diesen Quellen entspreche die von Murmellius gelehrte Form der Grammatik, und deren Hauptstück bestehe darin, das Rüstzeug zum besseren Verständnis der Heiligen Schrift zu liefern, welche den zentralen Unterrichtsgegenstand bilde. Der von Bugenhagen verfaßte, auf das Titelblatt gesetzte vierzeilige Dialog zwischen Murmellius und ihm15 betonte, daß er das Büchlein als Werk des Murmellius der gelehrten Öffentlichkeit präsentieren wollte. Diesen Aspekt verstärkte das ebenfalls auf dem Titelblatt gedruckte Gedicht Andreas Knopkes, eines Bugenhagenmitarbeiters in Treptow. Trotzdem muß das Büchlein als eigenständige Leistung Bugenhagens gewürdigt werden. Es reihte sich ein in die Bemühungen deutscher Humanisten (an denen Murmellius ja führend beteiligt war), den Lateinunterricht durch neue, an der klassisch-antiken Literatur orientierte Lehrbücher zu verbessern.16 Es präsentierte im ersten Teil zunächst auf gut neun Seiten Murmellius’ Grammatikregeln, die so von diesem noch nicht publiziert und Bugenhagen vermutlich durch seine nach Münster gezogenen Schüler zur Kenntnis gebracht worden waren. Als davor gesetzte Einleitung zitierte es den Dekalog in Versform mitsamt kurzer Anwendung aus dem 1507 veröffentlichten Buch eines Protagonisten der Reform des Lateinunterrichts, des italienischen Humanisten Aldo Manucci/Manutius17 . Wahrscheinlich stammte diese Einleitung von Bugenhagen und wurde dem Text des Murmellius hinzugefügt; ihre decem precepta des alten Bundes wurden schon begrifflich bezogen auf die folgenden grammatischen precepta. Auch diese Einleitung brachte das Programm zum Ausdruck, das Bugenhagen in seiner Vorrede ansprach: daß die formale sprachliche Bildung anhand antiker (heidnischer) Autoren dem eigentlichen Unterrichtsziel, der Beschäftigung mit der Bibel, dienen sollte. Für den Elementarunterricht in der lateinischen Sprache edierte er nach jener Einleitung Murmellius’ Regeln18 : 25 precepta/Vorschriften über Adjektiv und Substantiv, Pronomen und Substantiv, Relativsatz mit kurzen Beispielen gemäß der klassischen Latinität. Mit diesem Text bot Bugenhagen eine willkommene Ergänzung zu Murmellius’ älterem, verbreiteten Schulbuch über die 15 S.u.

14,6–9. zur philologischen Reformbewegung u.a. Reichling, Murmellius, 36–40.46–51.79–83. Daß Bugenhagens Grammatik von einem breiteren Publikum gelesen wurde, zeigt sich an dem Verkaufserfolg mit drei bis sechs Auflagen zu jeweils ca. 1000 Exemplaren. 17 Zu Manutius s.u. den Text, 17,7–2. Dem Dekalog folgt eine Ermahnung zur Gebotserfüllung, die mit fünf Zitaten aus antiker Literatur und Bibel untermauert wird. 18 Vgl. Bugenhagens überleitende Bemerkung, Grammatice regule 1515, [A 2b ]: Latine locutionis precepta et varia et multa sunt. Verum in hoc libello non fuit nobis cure universa complecti, sed ea solummodo que primitive puerorum institutioni magis visa sunt idonea perbrevi tradere compendio. 16 Vgl.

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verschiedenen Konjugationen und Komposita der Verben19 . Die Titelkolumnen der Druckseiten formulieren ab Bl. [A 3b ] deutlich, daß der hier gebotene Text Joannis Murmellii Regule grammatice umfaßt (so faktisch schon ab dem letzten Absatz in [A 2b ]: Primum [. . . ]. Diese Seitenüberschriften reichen bis B, wo im Text Bugenhagens Name erscheint. Von [Bb ] bis [B 2b ] lauten die Überschriften Joannis Bugenhagenii Regule grammatice, die sich auf den Abdruck der Declinationes nominum ex Donato und die Declinatio verborum active vocis beziehen ([B 2b ]–[B 4b ]). Erst am Ende (C–C 2) begegnet in der Titelkolumne wieder der Name Murmellius, auf den wohl die Ausführungen Declinatio verborum passive vocis (ab [B 4b ]) zurückgehen. Er fügte als zweiten Teil eigene precepta hinzu, die offenbar von ihm selbst formuliert waren20 . Diese machten drei Druckseiten aus; sie bestanden aus knappen Grammatikregeln und etwas ausführlicheren Beispielen zu deren Anwendung bzw. Erläuterung, wobei Bugenhagen häufig auf Namen und Sachverhalte aus Bibel und Kirchenvätern zurückgriff. Dem Charakter als Schulbuch für den Elementarunterricht gemäß bot Bugenhagen im dritten Teil auf sieben Seiten einfache Listen bzw. Tabellen für die verschiedenen Deklinationen und Konjugationen nach dem Lehrbuch des spätantiken Römers Donatus, welches im Reformwerk der Humanisten eine wichtige Rolle spielte21 . Den Abschluß des Büchleins bildete im vierten Teil ein vierseitiges paränetisches Gedicht des „Andreas Modestinus“, welches Bugenhagens älterer Freund und Schüler Andreas Knopke für einen jungen Mann namens Gerhard anläßlich von dessen Eintritt in ein Kloster verfaßt hatte22 . Es war ein Aufruf zur Standhaf19 Erstmals wohl 1502 gedruckt, seit 1504 in zahlreichen Auflagen verbreitet: Joannes Murmellius, De latina constructione vigintiquinque precepta (nachgedruckt z.B. in Münster von Theodor Zwyvel 1527; vgl. Haller, Buchdruck, 85). Vgl. auch die Einleitung zum Text MurmelliusEdition, 25, mit Anm. 4. Noch erfolgreicher war Murmellius’ 1513 veröffentlichte Pappa puerorum, die außer Anstandsregeln ein Wörterbuch und ein Sprichwörterverzeichnis, jedoch keinen Grammatikteil enthielt; vgl. Reichling, Murmellius, 93 f.150–152. 20 S.u. 18,21–21,25. 21 Zum abgedruckten Text vgl. Keil (Hg.): Grammatici Latini, Bd. 4. Aelius Donatus (ca. 310– 380), Lehrer in Rom u.a. des Hieronymus, verfaßte eine umfangreiche „Ars grammatica“, die in der Spätantike und im frühen Mittelalter das am meisten benutzte Lehrbuch war und häufig kommentiert wurde. Deren erster Teil, die sog. Ars minor, enthielt die Elementargrammatik. Die Humanisten propagierten ihre Verwendung, Bugenhagen selber nannte sie in seinen späteren Kirchenordnungen als normativ für den Unterricht in der untersten Klasse (Braunschweiger Kirchenordnung; EKO 6/1/1, 73; vgl. EKO 4, 340 und 495 zu Lübeck und Hamburg). 22 Grammatice regule 1515, [C2b ]: Ad adolescentem quendam, unicam parentium suorum prolem, qui renunciato saeculo religionem ingressus, ut in ea perseveret, Andreae modestinus Heliacropolensis Paraenesis. – Als Modestinus bezeichnete sich Knopke; vgl. Stupperich, Reformatorenlexikon, Gütersloh 1984, 120 f. Er stammte aus Sonnenburg bei Küstrin (daher der Beiname Heliacropolensis; in anderen Dokumenten auch als Costerensis). Die biographischen Angaben zu seiner Frühzeit sind in der spärlichen Sekundärliteratur unklar und widersprüchlich (bis hin zu der meist verwendeten Namensform „Knopken“, die den Genitiv bezeichnet). Grundlegende Informationen bietet Hoerschelmann, Knopken, 15–176. Knopke hatte kirchliche Pfründen inne, durch die er sein Studium noch im fortgeschrittenen Alter finanzieren konnte. Sein Bruder Jakob, später Domherr in Riga, verwaltete eine Vikarie an der Treptower Marienkirche. Vielleicht kam er durch ihn in Kontakt mit Bugenhagen, der ihn 1512 in dem Brief an Murmellius als seinen ehemaligen Schüler bezeichnete – falls er mit

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tigkeit, zu einem christusgemäßen Leben in Gottesliebe und moralischer Vervollkommnung. Der um 1468 geborene Knopke hatte als gereifter Mann die Schule Bugenhagens besucht und anschließend in Frankfurt/Oder studiert; zwecks humanistischer Ausbildung war er kurz nach Gouda, dann 1512 nach Münster zu Murmellius gegangen, als dessen Schüler er auf dem Titelblatt unseres Textes vorgestellt wurde. Er dürfte wohl 1513 von dort nach Treptow gezogen und Lehrer an Bugenhagens Schule geworden sein, was er bis 1517 blieb23 . Ein aufschlußreiches Zeugnis für Bugenhagens Entwicklung ist eine von ihm selber im April 1517 veranstaltete Neuauflage des Grammatik-Schulbuchs, die 1518 in Leipzig gedruckt wurde24 . Hier fehlt Knopkes Gedicht, und statt dessen findet sich als vierter Teil ein sechsseitiger Text des Erasmus von Rotterdam unter der Überschrift Christiani hominis Institutum Erasmi, eine Art Katechismus25 . Man kann daraus schließen, daß Bugenhagen den von Knopke formulierten Lobpreis des asketischen Lebens jetzt – d.h. im Frühjahr 1517, als er das Buch erneut zum Druck gab – nicht mehr für sinnvoll hielt und daß er ihn durch eine für alle Christen gültige Anweisung ersetzte, gemäß Galater 5,6 in Glaube und Liebe zu wandeln. Man kann ferner folgern, daß Bugenhagen seine Beschäftigung mit Erasmus erst nach 1515 intensivierte und daß er zuvor keine Veranlassung hatte, diesen in seinem Büchlein als theologischen Gewährsmann für die bibelhumanistische Reform zu zitieren. Somit bezeugt der Druck deutlich, daß Bugenhagens Anlehnung an die erasmianische Position zwischen 1515 und 1517 erfolgte.

3. Zur Textgestalt Das kleine Buch von 14–16 Blättern im Quartformat gibt sich in allen Auflagen als ein Werk des Johannes Murmellius, welchem Bugenhagen seine eigenen Grammatikregeln hinzugefügt hat. Es ist aber de facto ein Werk Bugenhagens, weil die Komposition des Sammeldrucks mit den vier Teilen bzw. Texten, der Einleitung und der Vorrede von ihm geschaffen worden ist. Anscheinend ist der Murmelliustext nirgends für sich separat und vor 1517 nicht in einem anderen als dem Bugenhagenschen Textverbund überliefert worden.26 Von diesem sind sechs dem dort genannten Andreas identifiziert werden kann. Zum Studium in Frankfurt/Oder s. Friedländer Universitätsmatrikeln, Bd. 1. 23 Quellenmäßig gesichert ist, daß Knopke seit dem 28. März 1514 als Schreiber des Belbucker Gerichtsbuches zusammen mit Bugenhagen und Johannes Kureke fungiert hat; vgl. Paap, Belbuck, 6. 1517 ging er als Helfer seines Bruders nach Riga, von wo aus er 1519 nach Treptow zurückkehrte; s. Hoerschelmann, Knopken, 18. 1521 wurde er Bugenhagens Nachfolger; s.u. den Text des Sendbriefs, 71,20. 24 Bei Valentin Schumann (s.u. Druck B), und zwar auf der letzten Seite ([C3b ]) mit folgender Herausgebernotiz: Joannes Bugenhagenius. Quisquis vel hec vel similia pueros non docueris, corruptor es, non iuventutis institutor. At in his duo sunt vocabula greca: Synaxis videlicet et metanea [sc. metanoea]. Quorum primum communionem significat, quo nomine Dionysius Areopagita sacram Eucharistiam appellat, alterum vero penitentiam. Hec addidi, ne quid deesse queraris. Vale lector amice. Ex Teptonia [sc. Treptovia] Pomeranie oppido. Anno Christi Millesimo quingentesimo decimo septimo nonas Aprilias. 25 Vgl. Erasmus, Institutum (LB V), 1357–1359. 26 Reichling, Murmellius, 106.161 hat eine nirgendwo bezeugte Originalausgabe mit dem Titel „De latina constructione praecepta“ postuliert. Er verwies darauf, daß die Grammaticae regulae

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Drucke bekannt, von denen nur ein einziger – unsere Editionsvorlage A – als Editio princeps gelten kann: Er besitzt Bugenhagens Widmungsschreiben vom 1. Februar 1515, alle anderen Drucke lassen sie fort, wobei der Schumann-Druck von 1518 (in unserer Edition: B) stattdessen eine kürzere Herausgeberbemerkung Bugenhagens am Schluß bietet, datiert auf den 9. April 151727 . Auch die Anordnung der Texte variiert; sie stimmt in allen Drucken darin überein, daß als Einleitung das Dekalog-Gedicht des Aldus Manutius, als erster Teil Murmellius’ Precepta und als zweiter Teil Bugenhagens Ergänzungen (Addita) geboten werden. In der Erstauflage hat Bugenhagen dem einen Auszug aus Donatus und ein Gedicht Knopkes als dritten und vierten Teil zugefügt, in der Neubearbeitung 1517/18 hat er letzteres durch Erasmus’ „Katechismus“ (Institutum) ersetzt. Der Kopenhagener Druck von 1519, den der dortige Professor Christiern Torchelli in neuer Anordnung als Schulbuch herausgab (= Text C), brachte statt Donatus und Knopke bzw. Erasmus ausführliche Syntax-Auszüge aus den Rudimenta des flämischen Humanisten Johannes Despauterius28 . Zu den „reformatorischen“ Schriften gehören die Grammatice regule insofern nicht, als sie weder einen theologischen Inhalt haben noch auf die evangelische Reformation bezogen sind. Doch sie sind ein Zeugnis von Bugenhagens Bemühung um eine bibelhumanistische Schulreform neben seiner MurmelliusEdition29 . Im folgenden werden nur diejenigen Textteile abgedruckt, die von Bugenhagen selber stammen.30 Die Editio princeps enthält keinerlei Angaben über Drucker, Druckort und -jahr; für letzteres kann man 1515 vermuten, doch 1516 ist nicht auszuschließen.31 Bugenhagen verweist in seinem zweiten Widmungsschreiben an Andreas Kieckbusch/Kiekebusch auf dessen Wunsch, er solle Murmellius’ Duo opuscula edieren, und er betont, dies Werk sei „jetzt wieder aufgrund meiner Aufforderung“ veröffentlicht worden.32

seit 1519 in den Nachdrucken von Murmellius’ Pappa puerorum (s.o. Anm. 19) als deren fünfter Teil veröffentlicht worden sind (bis ca. 1560). Doch schon deren Neubearbeitung, die Pappa nova, die in Köln bei Quentel seit November 1517 gedruckt wurde, wies die von Murmellius vorgenommene Ergänzung auf; BC Nr. 597.621.632. 27 S.o. 8, Anm. 24. 28 Johannes Despauterius (gest. ca. 1520), Grammatices rudimenta (s. den veränderten Nachdruck, Münster 1590; BC Nr. 2421 A). 29 S.u. 35,1–40,8. 30 Eine Ausnahme bildet die Wiedergabe von Murmellius’ Septimum preceptum in der Einleitung, unten 13, die als Anmerkung zum Text, 18, zu umfangreich würde. 31 Auf dem Titelblatt des Exemplars der Landesbibliothek Hannover ist handschriftlich – offenkundig im 16. Jahrhundert – das Jahr 1516 hinzugefügt. Wenn man bedenkt, daß die zweite Auflage, in der Bugenhagen seine Herausgebernotiz auf den 9. April 1517 datierte, 1518 erschienen ist, könnte eine analoge Verzögerung beim Erstdruck möglich gewesen sein. 32 S.u. 16,12.

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4. Verzeichnis der Siglen, Titel und Fundorte A Grammatice regule Joannis Murmellij, quibusdam a Joanne Bugenhagenio additis, cum nominum et verborum declinatione33 [1515 oder 1516]. – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Sign. 1965. 14260. B Grammatice regule Joannis Murmellij quibusdam ab Joanne Bugenhagenio additis cum nominum et verborum declinatione. Erasmi quoque Roterodami Institutum Christiani hominis additum34 . Leipzig (Valentin Schumann) 1518. – HAB Wolfenbüttel, Sign.: Sammelbd. 226 (1). C De latina constructione vigintiquinque precepta ad puerorum institutionem, ex probatissimis grammaticis Auctore ut fertur Joanne Murmellio. Regule grammatices Joannis Bugenhagenij, aucte in quinta regula de verbis impersonalibus. Rudimenta Jo[annis] dispauterij [Despauterii]. Hec omnia a Christierno Torchilli Ludimagistro Haffnensi Ad studiose iuventutis utilitatem collecta, recognita atque castigata sunt35 . [Kopenhagen: Paul Reff. 1519.] – Geisenhof Nr. 1. – Königliche Bibliothek Kopenhagen, Danske afdeling, Sign.: L.N. 190.

5. Literatur A) Quellentexte Analecta Hymnica Medii Aevi, Bd. 2. Hymnarius Moissiacensis. Das Hymnar der Abtei Moissac im 10. Jahrhundert, hg.v. Guido Maria Dreves, Leipzig 1888; ND Frankfurt/Main 1961 (Analecta Hymnica). C. Suetonius Tranquillus, Die Kaiserviten. De Vita Caesarum; lat-dt. hg.v. Hans Martinet, Düsseldorf 3 2006 (Sueton, De vita Caesarum, hg.v. Martinet). Cicero, Marcus Tullius, Epistulae ad familiares, hg.v. David R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1988 (Cicero, Ep., hg.v. Shackleton Bailey). Das Doctrinale des Alexander de Villa-Dei, hg.v. Dietrich Reichling, MGP 12, Berlin 1893 (Doctrinale des Alexander de Villa-Dei). Erasmus von Rotterdam, Christiani hominis institutum, LB V, 1704, 1357–1359 (Institutum). Hieronymus, Divinae bibliothecae pars prima, PL 28, 1865, 177–1520 (Div. bibl.). – Epistulae (I–LXX), hg.v. Isidor Hilberg, CSEL 54, 1910 (Hieron., Ep.). Iuvenalis, D. Iunius, Saturarum libri IV, hg.v. Wendell V. Clausen, Oxford 1959 (Iuvenalis, Saturarum libri IV, hg.v. Clausen). 33 Zu den folgenden, auf dem Titelblatt gedruckten ausführlichen Angaben s.u. die Textedition, 14,5–23. 34 Das Titelblatt enthält danach die folgenden Angaben: Joannes Bugenhagenius. Talia qui pueris indigna fateberis, haud tu / Quid prosit noris, livor abesto procul. // Andreas Modesti[nus]. Si puer ingenio vis consuluisse tenello. / Hoc tibi nil poterit aptius esse libro. 35 Darauf folgt auf dem Titelblatt: Libellus ad lectorem. / Trado rudimentis aptam puerilibus artem. / Parvus hic ex magno rivulus amne fluit. / Nunc alabandiacos consumat flamma libellos. / Floreat auspiciis lingua latina meis.

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Keil, Heinrich (Hg.), Grammatici latini, Bd. 4, Leipzig 1864; ND Hildesheim 1963 (Grammatici latini). Lietzmann, Hans (Hg.), Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung, KlT 88, Bonn 1912; Text auch in: EKO 6,1, Tübingen 1955, 348–455 (Braunschweiger Kirchenordnung). Luthers Sprichwörtersammlung siehe unter B) Thiele, Sprichwörtersammlung. Manutius, Aldus d.Ä. Institutionum grammaticarum libri quatuor, Paris 1513. – ULB Münster, Sign.: X 2824d (Institut. Grammat.). Melanchthon, Philipp/Vincentius, Petrus, Oratio de vita reverendi viri Domini Ioannis Bugenhagij Pomerani [. . . ] Anno 1558 die quarti Augusti, Wittenbergae (Vitus Creutzer) o.J., CR 12, 1844, 295–307 (Declamatio). Sallustius, Caius Crispus, Bellum Iugurthinum, hg.v. Alfons Kurfess, Leipzig 3 1957 (Sallust, Bellum Iugurthinum, hg.v. Kurfess). Suetonius, Tranquillus Gaius, s. C. Suetonius Tranquillus. Varro, Marcus Terentius, Saturarum Menippearum fragmenta, hg.v. Raymond Astbury, München/Leipzig 2 2002 (Varro, Saturae Mennippeae, hg.v. Astbury). Vergilius, Publius Maro, Opera, hg.v. Roger A.B. Mynors, Oxford 3 1977 (Vergil, Opera, hg.v. Mynors).

B) Sekundärliteratur Cramer, Daniel, Das Grosse Pomrische Kirchen-Chronicon, Bd. 3, Alten-Stettin 1628 (Kirchen-Chronicon 1628). Friedländer, Ernst (Hg.), Ältere Universitätsmatrikeln I. Frankfurt a.O., Bd. 1, Leipzig 1887 (Universitätsmatrikeln). Haller, Bertram, Der Buchdruck Münsters 1485–1583, Münster 1986 (Buchdruck). Hauschild, Wolf-Dieter, Johannes Bugenhagens Auseinandersetzung mit dem Katholizismus 1515–1521, in: Ostdeutsche Geschichts- und Kulturlandschaften. Teil III: Pommern, hg.v. Hans Rothe, Köln/Wien 1988, 85–110 (Auseinandersetzung). Hoogeweg, Hermann, Die Stifter und Klöster der Provinz Pommern, Bd. I, Stettin 1924 (Stifter). Hoerschelmann, Ferdinand, Andreas Knopken, der Reformator Rigas, Leipzig 1896 (Knopken). Lange, Johann Christoph, Doct. Johann Bugenhagens oder Pomerani [. . . ] Erbauliches und Merckwürdiges Leben und Schrifften [. . . ], Budissin 1731 (Erbauliches Leben 1731). Leder, Hans-Günter, Bugenhagen und die „aurora doctrinarum“. Zum Studium Bugenhagens in Greifswald, in: Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung, hg.v. Hans-Günter Leder, Berlin 1984, 38–86; abgedruckt in: Ders., Johannes Bugenhagen Pomeranus – Vom Reformer zum Reformator. Studien zur Biographie, hg.v. Volker Gummelt, GthF 4, Frankfurt am Main u.a. 2002, 43–93 (Aurora/Pomeranus).

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– „Sacerdos Christi, Ludimagister Treptovii“. Johannes Bugenhagen in Treptow bis zu seinem Anschluß an den Schul- und Bibelhumanismus (1504–ca. 1515), in: Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte. FS Roderich Schmidt, Köln u.a. 1995, 375–404; abgedruckt in: Ders., Pomeranus, 95–121 (Sacerdos/Pomeranus). Lemcke, Hugo (Hg.), Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin, Bd. IV/11, Stettin 1914, 170–232 [zu Treptow a.d. Rega] (Bau- und Kunstdenkmäler). Paap, Walter, Das Kloster Belbuck um die Wende des 16. Jahrhunderts, Baltische Studien N.F. 16, Stettin 1912 (Belbuck). Paulsen, Friedrich, Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, Bd. 1, Berlin 3 1919 (Geschichte). Petersohn, Jürgen, Forschungen und Quellen zur pommerschen Kultgeschichte vornehmlich des 12. Jahrhunderts, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, hg.v. Roderich Schmidt, V. H.18, Köln/Wien 1972 (Forschungen). Reichling, Dietrich, Johannes Murmellius. Sein Leben und seine Werke, Freiburg 1880; ND Niewkoop 1963 (Murmellius). – Die Reform der Domschule zu Münster im Jahre 1500, Berlin 1900 (Reform). Römer, Aloys, Westfälische Lebensbilder Bd. 2, Münster 1931 (Lebensbilder). Thiele, Ernst (Hg.), Luthers Sprichwörtersammlung, Weimar 1900; ND 1996 (Sprichwörtersammlung). Vogt, Karl August Traugott, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften, LASLK 4, Elberfeld 1867 (Vogt, Leben).

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Grammatikregeln. Einleitung

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6. Murmellius, Septimum preceptum de duobus nominibus substantivis36 Substantivis duobus ita in oratione collatis, ut alterum ab altero regatur; id quod regitur, debet esse vel genitivi casus vel ablativi, interdum autem – verbo substantivo interveniente – dativi.

Exempla de genitivo: Equus regis. Ingenium pueri. Uxor militis.|37 Caput hominis. Virtus philosophi. Filius medici. Presentia domini profectus est agri. Abiectio discipuli detrimentum est magistri. Tempus studii. Hora prandii. Statua Mercurii. Bigus: Magnorum pereant cum nomina Pamphile regum. Vera poetarum gloria morte caret.

Exempla de ablativo: Magna virtute vir. Egregia pulchritudine mulier. Vir animo. Puer etate. Mons Parnassus nomine. Cicero: Singulari vir ingenio Aristoteles et pene divino. Silius: Virgo erat eximia specie.

Preclara indole puer. Acuto ingenio philosophus. Mulier sexu. Philosophus vita. Episcopus dei gratia.

Exempla de dativo: Paulo tres sunt liberi. Petro est filius prodigus.

Diogeni non est pecunia. Regi est uxor formosissima. Qui ducunt huiusmodi dativum magis a verbo substantivo regi quam nomine, rectius sentiunt.

36 Abdruck

zum Vergleich mit 18,10; s. den Hinweis oben 9, Anm. 30.

37 [A4b ].

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Grammatice regule Joannis Murmellii quibusdam a Joanne Bugenhagen additis, cum nominum et verborum declinatione Joannis Bugenhagenii dialogus tetrastrophus

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Murmel. Cur mea das aliis? Bugen. non ut mea, sed tua doctis Dedico, quo inter nos habere queas. Murmel. Infima cur doctis? Bugen. ut tutent, infima nec sunt. Quis sine maiora frustra adit ipse puer. In preceptoris sui Joannis Murmellii Andree Modestini Phalecium Hendecasyllabum precepta grammatica Haec precepta puer legas frequenter Ediscens memori teneatque mente, Quae Murmellius undecunque doctus Collegit tibi consulens ab omni Purae grammatices solens ut albo Decerpit varios tibi ille fructus Perlustrans monumenta doctiorum Ut consuevit apis calore verno Aut aestate nova suaviores Delibare rosas meroque succo Poto dulcia reddit inde mella Opplens alveolos liquore flavo.|

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Venerabilibus viris Joanni Boldewan religioso patri Priori conventus Monasterii in Belbuck ordinis Premonstratensis et Luce Crummenhuss Archigrammateo reipu[blicae] Treptoensis dominis suis et fautoribus semper colendis Joannes Bugenhagenius in Christo Jesu S[alutem] D[icit]. Usu venit, venerabiles domini et in primis observandi, ut complures aut rerum ignari aut invidia liventes, cum audiunt nos unum aut alterum interpretari in scholis nostris poetam, mox et palam et a tergo clament nos docere (ut aiunt) magnalia, nihil prodesse pueris, esse poetas; quasi non minima queque ut ipsa 10. Andree Modestini ] Andreas Modestinus = Andreas Knopke; s. Einleitung, 7, Anm. 22. 24. Joanni Boldewan ] Zu Boldewan s. Einleitung zur Klosterpredigt, 44, bei Anm. 7. 25. Luce Crummenhuss ] Lukas Krummen-

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huß/Krummenhausen (geb. ca. 1475); seit 1492 Studium in Greifswald, Inhaber mehrerer Vikarien in Treptow seit 1503, lebte dort bei der Marienkirche, spätestens seit 1513 auch als Stadtschreiber/secretarius bezeugt. Vgl. zu ihm Paap, Belbuck, 40, Anm. 1.

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elementa eorum compositiones, dictiones, orationes, declinationes et nominum et verborum, orationum constructiones, orthographiam ceteraque id genus infinita, insuper et hymnorum, evangeliorum atque aliorum ad cultum dei pertinentium (que vel ipsi ignorant, quorum maxime interesset) interpretationes in medium afferamus; quasi hec pueris haud quaquam profutura sint, sine quibus nullus unquam puer unum aut ad summum duo verba latine protulerit; quasi (ut singula repetam) poeta sit, qui poetam multorum etiam subnixus interpretum subsidio interpretatus fuerit, aut quosdam poetarum libros vel limis (ut dicitur) oculis introspexerit. Egregio satis (ni contemptu dicerent) nos honorant vocabulo, sed non sunt adeo molles nobis auricule, ut prenomine tali gaudeamus; non sumus adeo inepti atque perfricte frontis, ut vel in faciem laudati id nobis tribuamus, quod adeo remotum a nobis est ut nihil remotius. Dicunt impudicos esse poetas. At ego [dico] quosdam esse impudicissimos, quos nec fas sit Christianum hominem legere ne dicam puerum interpretari, qui utinam cum suis interpretationibus iamdudum flammis aboluissent. Valeant, quibus impudicitia cordi est. Ab hisce scriptis ego libenter ut a scopulo quodam atque charybdi semper cavi, ne et mecum alii perditum irent. Interpretor autem cum ethnicos, qui sine scandalo adolescentibus possunt inculcari tum maxime christianos poetas et antiquissimos et recentiores, qui rem christianam lepidissimis suis carminibus non mediocriter ornaverunt, quos constat non tam Virgilio quam Christi evangelio quam divini Pauli epistulis quam utriusque et veteris et novi instrumenti scripturis operam navasse. Quid prohibet talibus immorari in labore precipue scholastico? A quibus si seponam Murmellium meum virum undecumque doctum, non tam ipsi quam mihi iniurius sum atque ingratitudinis notam inuro, quippe qui cum alias nitidis suis scriptis tum vel maxime hac hyeme refertissimis in Prudentii christianissimi Poete Romanorum commentariis non sine gratia atque iucunditate usus sum. Qui etiam hasce, quas cernitis, pro puerorum usu licet vulgatissimas non tamen vulgari modo aliquando (ut est recte instituende pubis studiosissimus) collegit latinitatis regulas, quas parum auxi, quod et Murmellius ipse libenter feret et in re apta atque admodum puerili facile fieri potuit. Addidissem eisdem nonnulla ex alio eiusdem docti viri opusculo de literis, nisi Aldus Romanus vir utriusque lingue peritus ac de castis literis optime meritus | 12. remotius. ] Abs. Hg. 17. irent. ] Abs. Hg. 23. scholastico? ] Abs. Hg. 31. potuit. ] Abs. Hg. 9–10. Egregio ... gaudeamus; ] Anspielung auf den Vorwurf der Treptower, Bugenhagen geriere sich wie ein poeta. 13–15. At ... aboluissent. ] Es ist unklar, wen Bugenhagen mit den „höchst unanständigen“ Autoren konkret meint, wahrscheinlich spätmittelalterliche Verfasser von Schwänken, Gedichten etc. 25–28. qui ... sum. ] Bugenhagen meint wohl eine Neuauflage der kommentierten Edition von Prudentius’ Apologie Adversus gentiles certamen (1507); vgl. dazu Reichling, Mur-

mellius, 64 f. 142. Der Spanier Aurelius Prudentius (348–ca. 405) verfaßte Gedichte und Hymnen, die im ganzen Mittelalter sehr viel gelesen und auch von den Humanisten geschätzt wurden. 30. quas parum auxi ] Zweiter Teil von Bugenhagens Edition (addita); s.u. 18,7–22,4. 33. Aldus Romanus ] Aldus Manutius Romanus / Aldo Pio Manucci (ca.1450–1515): italienischer Humanist (wegen seiner – damals sehr seltenen – Griechischkenntnisse hier

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Grammatikregeln

hasce mihi partes preripuisset, cuius iam dei optimi maximi auxilio institutiones grammaticas non absque fructu (si non sit auditor asinus ad lyram) interpretor. Quas quidem regulas (licet alienum munus) vobis dico atque nuncupo vestreque tutele committo maiora aliquando, si deus concesserit, daturus. Valete et, ut soletis, dilectori favete. Ex Treptovio Pomeranico. Anno domini millesimo quingentesimo decimoquinto, kalendis Februarii. Andree Kikebusch Christi Sacerdoti, doctissimo Philosopho et Colbergensis schole Archididascalo Joannes Bugenhagenius consacerdos Christi Salutem. Accepi ex bibliopola Joanne Heist te cupere Composita verborum verbaque deponentalia eruditi viri Joannis Murmellii iamdudum in scholis nostris habita, que nunc rursus meo monitu populo tradita sunt. Non potui in hoc tibi non gratulari. Nam prisca illa et detrita Composita verborum, deponentalia, synonyma, equivoca et cetera grammatistarum fex, quid aliud quam meram sapiunt barbariem ad scripturas etiam sacras (ut interim alias taceam) non modo non profuturam verum multo magis obfuturam. At cum video te ab auctoris nomine (ut par est) minime abhorrere, adsunt et ipsius latine constructionis aliquot regule ad puerorum usum. [Q]uibus cognitis facilis patebit aditus ad quequam alia vel maiore ad constructionum varietatem pertinentia ex bonis auctoribus melius quam ex infinitis regulis ingenia puerorum opprimentibus scrutanda. Has regulas, vir docte, ne invideas, te per Jesum oro, pueris tuis. Facessat error illorum, quibus regularum faciendarum non est finis, quibus et tanta addunt commentaria et figuras (ut cum eis loquar) ineptas, quibus, ut doctissimi videantur, coram cecis sese totos ostendant tam intricata atque labyrinthea inculcantes, ut multo facilius esset utrumque divinum testamentum ediscere quam hec alabandiaca et (ut credo) etiam a suis auctoribus vix intellecta semel revolvere. Sed reclament ut volunt ipsi, cum loquuntur, cum scribunt, cum inepte legunt, cum 6. Treptovio ] korr. aus Treptonio.

20. scrutanda. ] Abs. Hg.

von Bugenhagen hervorgehoben) und Buchdrucker in Venedig, publizierte neben Klassikerausgaben u.a. seine eigenen Institutiones grammaticae, die auch in Deutschland mehrfach gedruckt wurden. Bugenhagen zitiert daraus als Einleitung zu Murmellius’ Regeln die Dekalog-Anwendung. 2. asinus ad lyram ] „Esel beim Lautenschlagen“: Sprichwort nach Varro, Saturae Menippeae, 543b (hg.v. Astbury, 90). Luther gebrauchte ähnliche Wendungen; vgl. Thiele, Sprichwörtersammlung, 169. 3. Quas ... munus ] D.h. Bugenhagens Regeln als Ergänzung zu Murmellius; s.u. 18,21– 22,4. 6. Ex Treptovio Pomeranico. ] Zu Treptovium s.u. Anm. zu 21,25. 8. Andree Kikebusch ] Über Andreas Kieckbusch/Kiekebusch ist sonst nichts bekannt. Er

war Priester und Schulrektor in Kolberg und trat in der Reformation nicht hervor. 10. Joanne Heist ] Johannes Heist bzw. Heyst/Hist: war Buchhändler – nicht Drucker – in Lüneburg, seit ca. 1500 dort nachweisbar; vgl. ADB 19, 351. 1483–92 wirkte er zusammen mit seinem Bruder Konrad Heist als Buchdrucker in Speyer; s. Reske, Buchdrucker, 845 f. 10–12. Composita ... sunt. ] Daß es sich um Murmellius’ Duo opuscula handelt (s. Einleitung zur Murmellius-Edition, 25, Anm. 4), beweist die Übereinstimmung der hier genannten Begriffe mit jenem Text. 13–16. prisca ... obfuturam). ] Bugenhagen meint mit der altertümlichen, abgestandenen Grammatik die auf Alexander de Villa-Dei bezogene Methodik, s.u. Anm. zu 18,16–18.

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sacre litere eis incognite sunt, tunc inquam satis et luce clarius probant me verum dixisse. Et ut semel dicam: puerorum venena sunt. Vale. [N]ec indignum sit minorem maiori consuluisse ut Jetro Mosi. Nam sepe etiam est holitor valde valde oportune locutus. Iterum vale et me diligentem redama. Treptovio, Ex aedibus nostris, Christi domini Millesimoquingentesidecimoquinto Kalendis Februariis.|

Decem precepta legis antique ex libro Aldi Manutii de arte grammatica Unum nate deum venerare et semper adora. Non per eum aut sanctos frustra iuraveris unquam. Hinc caveas festis quicquam exercere diebus, Quod vetitum est. Magno pius affice honore parentes. Non hominem occidas. Nunquam furare. Malignus Esse cave testis. Necnon bonus effuge lectum Concutere alterius, tedas fedare iugales Non modo neu turpis sis lege iuberis adulter. Sed ne nupta quidem alterius tibi mente petatur. Cuncta aliena, bonus quo sis, cupiisse caveto. Hec quicunque decem summi precepta tonantis Christicola ut debet servarit, carcere liber Corporis ad celi felicia tecta volabit Letus et eternum cariturus morte quiescet. Phocilides: In primis venerare deum, mox deinde parentes. Hermolaus barbarus ex greco: Venter, pluma, venus laudem fugienda sequenti. Salomon proverbiorum primo. Et Ps. cx: V Initium sapientie timor domini.V Proverbiorum primo: V Sapientiam atque doctrinam stulti despiciuntV . 2. sunt. ] Abs. Hg. 5. Treptovio ] korr. aus Treptonio. 23–24. Phocilides ... parentes. ] fehlt B; in C hinter das Hermolaos-Apophthegma gestellt. 25. Hermolaus ... greco: ] In B hervorgehoben durch große, fette Typen. 3. Minorem ... Mosi. ] Vgl. Ex 18,14.17–24. 7–8. Decem ... grammatica ] Vgl. Manutius, Institut. grammat., a3. Aldo Manuccio veröffentlichte diese Grammatik 1507 in Venedig. Sie wurde mehrfach nachgedruckt, u.a. in Paris 1513. Bugenhagen bringt eine etwas veränderte Fassung der „Zehn Gebote“. 14–16. Necnon ... adulter. ] Auffällig ist, daß das achte Gebot (Ehebruch) so ausführlich thematisiert wird. 24. In ... parentes. ] Übersetzung nach dem religiösen Lehrgedicht des Ps.-Phokylides

(1./2. Jh. n. Chr.), wohl nach der von Aldus Manutius 1503 gedruckten Anthologia Graeca. 25. Hermolaus ] Der Makedone Hermolaos, Page Alexanders d. Gr., nach den Apophthegmen des Kallisthenes von Olynthos (ca. 370– 327 v. Chr.). 28. domini.V ] Vgl. Prov 1,7a; 9,10a; hier zitiert nach Ps 110,10 (V.G): initium statt principium. 30. despiciuntV ] Prov 1,7b (V).

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Grammatikregeln

Proverbiorum xvij: Quid prodest stulto habere divitias, cum sapientiam emere non possit? Latine locutionis precepta et varia et multa sunt. Verum in hoc libello non fuit nobis cure universa complecti, sed ea solummodo que primitive puerorum institutioni magis visa sunt idonea perbrevi tradere compendio.|

Johannes Bugenhagenius Pauca hec predictis non temere addita sunt. Advertant tamen quicumque discipuli non eo me impudentie processisse, ut velim Murmellii nostri regulas emendare. [Q]uod suspicabuntur, cum mox in ipso exordio paulo aliter quam ipse septimo precepto dixerit, legerint, ubi etiam non adducit exempla laudem vel vituperium significantia per genitivum aut hec in ceteris volens intellegi aut, quod potius crediderim, sciens vir doctus et in lectione probatissimorum auctorum apprime exercitatus multo venustius id per ablativum quam genitivum exprimi hunc tacuit, illius exempla posuit. Esset hoc ne tangendum quidem a me, nisi consultum vellem iis, qui talia pueris semper regulis non intellectis inculcant dicentes cum Alexandro: „Pars propriumque regunt genitivos atque reguntur“ et cetera. Et illud: „Toti da partem subiecto proprietatem“. Non hic reprehendo Alexandrum. Nam et alii non contemnendi grammatici hec eadem similibus pene verbis tradidere. Sed sciant docentes pro auditorum capacitate verba esse facienda neque onerandos gravibus, qui vix levia portant.

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B

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Preceptum primum de laude vel vituperio per genitivum vel ablativum Laudatur vel vituperatur aliquid per adiectivum et substantivum vel in genitivo vel in ablativo posita. Exempla de genitivo: Hieronymus: Evagrius acris et ferventis ingenii.| Juvenalis: Ingenui vultus puer ingenuique pudoris. Exempla de ablativo: 3–5. Latine ... compendio. ] Überleitung: Von Bugenhagen formuliert oder aus Murmellius’ Text übernommen. Es folgen die 25 praecepta des Murmellius beginnend mit: Primum itaque est de adiectivo et substantivo (in A: [A2b ]–B; in B: A2–[A6b ]). 3. Latine ] B: (fett und groß gedruckte Überschrift) Jo[annis] Mur[mellii] de la[tina] constructione praecepta. Latine. 2. Quid ... possit? ] Vgl. Prov 17,16 (V). 7. Predictis ] Das „vorher Gesagte“ sind Murmellius’ Regeln (A2b –A6b ), die mit Finis abgeschlossen werden. 10. ipse ... dixerit, ] Vgl. den MurmelliusText [A4]–[A4b ], hier abgedruckt 13. 16–18. dicentes ... proprietatem“. ] Von Alexander de Villa-Dei (de Villedieu/Normandie; 1160/70–1240/50) stammte das meistbenutzte Grammatiklehrbuch für den fortgeschrittenen Lateinunterricht, das Doctrinale puer-

orum von ca. 1200. Die Kritik der Humanisten richtete sich vor allem gegen die Unübersichtlichkeit der Methodik; die Darstellung in Versform war pädagogisch ungeeignet. Vgl. zu den beiden Zitaten: Doctrinale des Alexander de Villa-Dei, 74 (V. 1141) und 85 (V. 1313). 26. Evagrius ... ingenii. ] Hieron., Ep. ad Chromatium, 1 (PL 22, 339; CSEL 54, 26 f). 27. Ingenui ... pudoris. ] Iuvenalis, Saturarum libri IV, 11,V (hg.v. Clausen, 154).

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[Bb ]

Grammatikregeln

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Qu[a]ere in septimo precepto Murmellii. Poete vero frequenter loquuntur per synekdochen, sic: Joannes est albus faciem vel facie. Rubet os vel ore. Oratores: Rubet illi os, dolent mihi pedes. 5

10

Secundum preceptum de adiectivis substantivatis Adiectiva in neutro substantivata regunt genitivum. Itemque in genitivo posita reguntur. Exempla, ubi regunt genitivum: Multum malitie. Plurimum invidie. Reliquum vite. Residuum temporis. Hieronymus ad Eustochium: Sicubi concava vallium aspera montium, rupium. Exempla, ubi reguntur: Aliquid boni. Nihil mali. Quid novi? Scientia mali. Hiero. in Genesi: V De ligno scientie boni et mali ne comedasV .

Quedam adverbia similiter construuntur: 15

20

Eo arrogantie. Eo animorum. Eo usque temeritatis. Paululum temporis. Satis opere. Affatim librorum. Partim scholasticorum. Abunde voluptatis et deliciorum. Hec tria proxime superiora ex quadam annotatione Murmellii. Sal[l]ustius in Iugur.: Eo magnitudinis procederent, ubi pro mortalibus gloria eterni fierent.

Tertium preceptum de multiplicatis singularibus

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Multa singularia coniuncta coniunctione aliqua copulativa associant sibi pluralia sive verba sive alias partes orationis in simili casu. Distingue de concordia generis: Si singularia significant animalia precipue homines, pluralia sunt masculina. Si vero inanimata quocumque genere ponantur, pluralia sunt neutra. Possunt tamen et tunc cum singularibus convenire, si fuerint eiusdem generis. Exempla: Joannes et Petrus scribunt. Petrus et Paulus pro Christo passi sunt. Noe et uxor eius, filii eius et uxores filiorum eius ingressi in archam ab aquis diluvii salvati sunt. In Levitico: Bos, ovis et capra, cum generata fuerint, septem diebus erunt sub ubere matris sue. Nota hic etiam ad animalia addi neutra. In Ps. Hiero.: V Virga tua et baculus tuus ipsa me consolata suntV . Cicero in epistulis: Ut operam, studium, consilium, rem, fidem meam sibi ad om19. procederent ] B: praecederent.

32. ovis ] korr. aus avis (A–C).

1. In ... Murmellii. ] S.o. 13: 6. Murmellius, Septimum preceptum de duobus nominibus substantivis. 10. Sicubi ... rupium. ] Hieron., Ep. ad Eustochium, 7 (PL 22, 399A; CSEL 54, 152– 154). 13. comedasV . ] Übersetzung von Gen 2,17 (= V); vgl. Hieron., Div. bibl. (PL 28, 198C). 18. Ex ... Murmellii. ] Wohl in Anlehnung an Murmellius’ Duo opuscula.

19–20. Eo ... fierent. ] Sallust, Bellum Iugurthinum 1,5 (hg.v. Kurfess, 53,18 f). 30–31. Noe ... sunt. ] Vgl. Gen 7,7. 32–33. Bos ... sue. ] Vgl. Lev 22,27a. 34. suntV . ] Übersetzung von Ps 22,4b (= V.G); s. dagegen Hieron., Div. bibl. (PL 28, 1206A): consolabuntur (= V.H). 19.35–20.1. Ut ... putet. ] Cicero, Ep. VI, hg.v. Shackleton Bailey, Nr. 10a, 1, 12–13.

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Grammatikregeln

nes casus parata putet. Hic coniunctio subauditur. Suetonius in Tiberio: Subinde iactabat in civitate libera linguam mentesque liberas esse debere.| Hanc distinctionem de genere intellige etiam de coniunctis pluralibus ut: filie et filii subditi sint parentibus.

B2 5

Quartum de verbis compositis Composita verba sepe regunt casum prepositionis, cum qua componuntur. Exempla: Adeo scholas. Magister exit domo. Transeo pagum. Virgi.: Quamvis multa meis exiret victimas septis. In Hymno: Et mente polum nos transferre satage. Dixi sepe. Nam quandocumque composita cum prepositione ad, in, ante et ob construuntur cum dativo: Hiero. in Ps.: V Mane astabo tibi et videboV . Instant pessimis parata supplicia. Eloquentia Cicero antecellit omnibus. Virgi.: Occursare capro (cornu ferit ille) caveto. Pueri hebreorum obviaverunt domino.

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Quintum de verbis impersonalibus Verborum impersonalium quedam regunt genitivum cum accusativo ut: Tedet me pessime huius conversationis. Et pro genitivo aliquando infinitivum ut: Penitet me fecisse hominem. Quedam dativum ut: placet magistro, ut latine loquamur. Quedam accusativum ut: oportebat Christum pati. Quedam ablativum cum dativo ut: Precepta domini servantibus bene fiet a deo. Inter hec sunt: benefit, malefit, satisfit.

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Sextum de Gerundiis Gerundia pulchre concordant cum substantivis adiunctis ut adiectivum et substantivum; habent enim omnes casus preter vocativum. Ex Lanciloto. Exempla: Virgilius est legendus nec ideo evangelium negligendum. Animi instruendi gratia huc accessi. 10. Virgi. ] B: Virgo.

17. caveto ] korr. nach B (A, C: aveto).

2–3. Subinde ... debere. ] Vgl. Sueton, De vita Caesarum III, 28 (hg.v. Martinet, 366). 10. Quamvis ... septis. ] Vergil (seit dem 5. Jh. meist Virgilius genannt), Ecloga I 5 (0pera, hg.v. Mynors, 2). 11. Et ... satage. ] Anonymer Verfasser; s. Analecta Hymnica, Bd. 2, 54 (Nr. 58,4). 14. videboV ] Ps 5,5 (V.G); anders Hieron., Div. bibl. (PL 28, 1191B = V.H). 17. Occursare ... caveto. ] Vgl. Vergil, Ekloga IX 25 (Opera, hg.v. Mynors, 24).

32. huc ] fehlt B.

18. Pueri ... domino. ] Vgl. z.B. Ri 1,11; 10,6, Jer 2,13.17. 20–21. Tedet ... conversationis. ] Dieser Satz ist weder als Bibelzitat noch als Zitat aus antiker Literatur nachweisbar. 21–22. Penitet ... hominem. ] Vgl. Gen 6,7b. 24. oportebat Christum pati ] Vgl. Luk 24,26. 25. Precepta ... deo. ] Vgl. z.B. Dtn 5,33. 28–29. Gerundia ... Lanciloto. ] Wohl ein Zitat aus dem 1504 erstmals gedruckten Buch De arte grammatica des Curius Lancilotus (Pasius) aus Parma.

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Grammatikregeln

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Agro excolendo pater meus omnem impendit operam. Ad faciendam misericordiam cum patribus et cetera. Ad alligandos reges et cetera. Ab excitanda turba in scholis puer abstineat. Et ita in plurali. 5

[B2b ]

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Septimum de nominibus locorum Nomina propria civitatum et pagorum constructa cum verbo vel participio, quod significat esse vel aliquid fieri in loco, si sint prime vel secunde declinationis, singularia ponuntur in genitivo. Exempla:| Murmellius Alcmarie castis literis instruit scholasticos. Longe sunt a nobis, qui habitant Susati. Monasterii non absque laude docuit Murmellius. Si vero pluralia aut tertie declinationis fuerint, in ablativo ponentur. Exempla: Boet[h]ius studuit Athenis. Liber impressus est Parisiis. Heu modo Turce regnant Constantinopoli.

Alia de eiusdem regula 20

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Nomina civitatum et pagorum constructa cum dictione, que significat motum ad locum, in accusativo; Si vero de loco, in ablativo ponuntur. Exempla: Magi Christum adoraturi venerunt Hierosolimam. Reliquie divi Faustini nutu dei miro modo Caminum translate sunt. Alcmaria veniunt docti scholastici. Potest et addi prepositio ut: de Alcmaria, ad Alcmariam, maxime quando significatur per locum ut: veni per Stargardiam, per Treptovium, per Julinam.

17. eiusdem ] B: eadem.

25. Treptovium ] korr. aus A, B: Treptonium. – C: Treptoniam.

10. Murmellius ... scholasticos. ] Seit dem Frühjahr 1513 wirkte Murmellius in Alkmaar. 11. Susati ] Wenn hier gerade Soest genannt wird, kann das damit zusammenhängen, daß westfälische Scholaren – deren Schulbesuch in späteren Quellen erwähnt wird – auch von dort zu Bugenhagen gekommen sind. 12. Monasterii ... Murmellius. ] Zu Murmellius’ Münsteraner Tätigkeit s.o. die Einleitung, 5, bei Anm. 11. 21. Magi ... Hierosolimam. ] Vgl. Mt 2,1 f. 22. Reliquie ... sunt. ] Die im Kamminer Dom u.a. durch das Fest der Ankunft der Re-

liquien des Hl. Faustinus verehrten Reliquien waren im 12. Jh. von Magdeburg aus in das neue pommersche Bistum überführt worden; vgl. Petersohn, Forschungen, 25.47. 23. Alcmaria ... scholastici. ] Hinweis darauf, daß noch 1515 Pommern bei Murmellius studierten. 25. Stargardiam ... Julinam. ] Die Nennung dieser Namen bestätigt, daß Bugenhagen dieses Schulbuch vor allem für pommersche Schüler verfaßt hat; vgl. Anm. zu 21,11. Treptow heißt sonst meist Treptovia (seltener Treptovium), Julina ist der alte Name für Wollin.

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Grammatikregeln

Iam receptui cavendum est, ne quod maxime Murmellius noster regulis suis observare voluit, id est brevitatis viam, qua cum primis literarum tyrones iuvantur et recte instituuntur, nos inepta prolixitate et preceptorum congerie turbemus.

Jesu Christo regi regum immortali Gratia.

6. Gratia. ] Auf derselben Seite folgen unmittelbar auf Bugenhagens Regeln die Declinationes nominum ex Donato ([B2b ]–[C2]), daran anschließend das Gedicht des Andreas Knopke („Modestinus“) über die Grammatik ([C2b ]–[C4]).

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Abbildung 2: Murmellius-Edition Bl. [C3b ]

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Murmellius-Edition Bearbeitet von Wolf-Dieter Hauschild Einleitung Das erste literarische Dokument Bugenhagens stammt aus dem Jahre 1512, ein Brief an den Humanisten Johannes Murmellius1 . Sehr wahrscheinlich war dies der erste briefliche Kontakt zwischen beiden, wie die Tatsache zeigt, daß Bugenhagen sich im Präskript förmlich vorstellt (als „Priester Christi, Schulmeister in Treptow, einer kleinen Stadt Pommerns“) und um Murmellius’ Sympathie wirbt. Der Brief ist 1516 im Druck veröffentlicht worden, und zwar im Zusammenhang mit drei Murmellius-Schriften, die Bugenhagen als wichtig für die Förderung der humanistischen Schulreform ansah. In der Konsequenz seiner Publikation der Grammatice regule lag es, auch Murmellius’ älteres, viel benutztes Unterrichtsbuch über die Konjugationen der Verben, die Komposita und die Deponentien von 1504 herauszugeben, obwohl dieses mehrfach nachgedruckt worden war, zuletzt 1514 in Deventer2 . Bugenhagen empfahl das auf Anregung seines Freundes, des Kolberger Schulrektors Andreas Kieckbusch/Kiekebusch, dem Leipziger Verleger Valentin Schumann, um dieses Lehrbuch – welches, wie er schrieb, „schon lange in unseren Schulen behandelt worden ist“3 – wieder neu verfügbar zu machen und damit die seiner Meinung nach antiquierte, auf der mittelalterlichen Latinität basierende Unterrichtsmethodik zu ändern. Diese Ausgabe erschien 1516 in Leipzig.4 Da sie keinerlei Bemerkungen oder Zitate seitens Bugenhagens enthielt, kann sie nicht als dessen Werk gelten. Auf einen – auch auszugsweisen – Abdruck wird deshalb in dieser Edition verzichtet. Anders steht es mit seiner fast zeitgleichen Veröffentlichung von Murmellius’ 1513 verfaßten, erstmals in Deventer 1513 gedruckten Epistulae morales. Diese druckte Valentin Schumann in Leipzig 1515 oder 1516 nach.5 Der schmale Band enthielt von vornherein – im zweiten Teil nach Murmellius’ zehn Briefen6 – einen Brief Bugenhagens vom 23. April 1512 samt Murmellius’ Antwort. In diesem Schumann-Nachdruck begegnete als auffälliges Novum hinter jenem Bugenhagenbrief eine kurze – auf den 1. September 1515 datierte – Bemerkung zu 1 Zu

Murmellius s. die Einleitung zu den Grammatice regule, 5, Anm. 11. handelt sich um eine erweiterte Neuauflage von Murmellius’ ca. 1502 erstmals gedrucktem Opus de compositione verborum; s. dazu Reichling, Murmellius, 48 f.132. Zwischen 1504 und 1514 erschienen – laut Reichlings Verzeichnis ebd. 132 f – insgesamt mindestens 8 Drucke in Köln, Deventer und Leiden. Der in Köln 1516 erfolgte Nachdruck wurde zeitlich parallel oder kurz nach Bugenhagens Unternehmen veranstaltet. 3 Vgl. den Text der Grammatice regule; s.o. 16,11. 4 Opuscula duo Joannis Murmellii ad puerorum usum diligenter recognita extremaque manu absoluta: Unum de verborum compositis. Alterum de verbis communibus ac deponentalibus, 34 Blätter, Quartformat; vgl. BC Nr. 585. Der Titel entsprach exakt demjenigen der Drucke seit 1504. 5 S.u. 31 Siglum A. 6 S.u. 27 bei Anm. 15. 2 Es

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ersterem (Joannes Bugenhagenius Lectori). Daraus kann zweierlei gefolgert werden: Der Leipziger Druck erschien frühestens im Herbst 1515, vielleicht auch erst 1516; ein solcher Einschub Bugenhagens war nur sinnvoll, wenn dieser der Editor des Nachdrucks war.

1. Charakterisierung und Inhalt Die humanistische Bewegung war primär pädagogisch orientiert. Sie intendierte zunächst eine Reform von Schulunterricht und Universitätsstudium hinsichtlich des Gebrauchs der lateinischen Sprache durch Orientierung an den Klassikern, d.h. den antiken Autoren der römischen Republik und Kaiserzeit sowie den an diesen geschulten Kirchenvätern von Lactantius bis Augustinus. Damit war oft eine religiöse Neuorientierung verbunden, welche die ethischen Elemente des Christentums betonte und so dessen Übereinstimmung mit der heidnischklassischen Antike hervorhob bzw. implizit lehrte. Murmellius gehörte seit 1500 in den Niederlanden und in Deutschland zu den Protagonisten dieser Integration von Philologie und Religion/Ethik. Sein Freund Erasmus von Rotterdam wurde seit 1511/14 zum maßgeblichen Anreger einer demgemäß orientierten neuen Theologie und damit einer zweiten Form der humanistischen Bewegung, die zusammen mit der Bildungsreform eine Erneuerung des ursprünglichen Christentums in Kirche und Gesellschaft anstrebte. Diese sollte wissenschaftlich durch eine philologisch geschulte Orientierung an der Bibel und an deren Auslegung durch die Kirchenväter vorbereitet werden. Dabei spielte die Beschäftigung mit der griechischen Sprache und Literatur der klassischen und spätantiken Zeit (die von Murmellius zwar begrüßt, aber noch nicht eigens praktiziert wurde) eine wichtige Rolle. Bugenhagen, der sich wahrscheinlich schon früh mit Bibelexegese befaßte,7 nutzte den Kontakt mit Murmellius für eine Vertiefung seiner humanistischen Interessen. Das bezeugte seine Veröffentlichung der Korrespondenz mit dem Münsteraner Lehrer. Nach Humanistenart pries er in seinem Brief vom 23. April 1512 zunächst – unter Hinweis auf Platon und Hieronymus die Bedeutung von scientia und virtus betonend – Murmellius als Lehrer der deutschen Jugend. Dann berichtete er über seine bisherige Murmelliuslektüre und empfahl ihm einige seiner Schüler, die nach Münster zogen.8 Schließlich bat er um eine doppelte Auskunft: einerseits über die Interpretation zweier Lactantius-Stellen, andererseits über „zeitgenössische Theologen, die vergleichbar sind zumal mit Hieronymus, Ambrosius, Augustinus, Lactantius und den übrigen“. Er betonte dabei seine Ablehnung der scholastischen Sentenzenliteratur, wohl im Blick auf deren schlechte 7 Vgl. dazu Leder, Sacerdos 382–387 bzw. Pomeranus 101–106. Dieser betont, daß für Bugenhagen dabei das Streben nach wahrer Frömmigkeit (vera pietas) maßgeblich gewesen sei. Das trifft nur zu, wenn man Bugenhagens entsprechende Aussagen in Texten nach 1518 auf eine schon in der Frühzeit prägende Grundposition zurückführt. So tut es wohl auch Melanchthon in seiner Gedenkrede 1558: Bugenhagens Schriftauslegung sollte der vera pietas dienen. Vgl. Melanchthon, Declamatio (CR 12, 298). 8 S.u. 28–30, Abschnitt 2.

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sprachliche Form.9 Daß er dem Münsteraner Humanisten, der ja kein Theologe war, eine besondere Kompetenz in der Theologie zusprach, zeigte sich auch an seiner abschließenden Aufforderung, Murmellius sollte carmina über die unbefleckte Empfängnis Marias – ein immer noch dogmatisch strittiges Thema – schreiben, weil Bugenhagen die entsprechenden Ausführungen in einem scholastischen Sentenzenwerk als unzureichend kritisierte.10 Murmellius’ Antwortbrief ist nicht datiert, doch er dürfte ihn 1512 verfaßt haben.11 Er lobte Bugenhagens humanitatis studia und den Aufschwung der humanistischen Bildungsreform in Pommern. Er empfahl auf dessen Anfrage hin, aber über diese hinausgreifend, nicht nur humanistische Theologen, sondern auch Philosophen: zunächst die Koryphäen Giovanni Pico della Mirandola, den Florentiner Platoniker, und Jacob Faber Stapulensis, den französischen Bibelexegeten, sodann dessen Schüler Charles de Bouelles, der bis dahin philosophische und einige theologische Schriften publiziert hatte, sowie Johannes Reuchlin, den durch den Streit um die jüdischen Bücher seit 1510 bekanntesten Humanisten in Deutschland12 . Abschließend stellte er fest: „Aber im literarischen Stil, in der Beredsamkeit und in der Interpretation der Griechen steht Erasmus von Rotterdam – auch er ein nicht zu verachtender Theologe – keinem nach“. Er empfahl also solche Autoren, die eine bibelorientierte Theologie in kritischer Wendung gegen die Scholastik und das traditionelle kirchliche System vertraten. Welche Bedeutung diese Empfehlung für Bugenhagens weitere Entwicklung bekam, wird später zu erörtern sein.13 Dieser publizierte – humanistischer Gepflogenheit gemäß – die Korrespondenz, jedoch erst etliche Zeit später. Wenn er das nicht in Verbindung mit seiner Grammatikedition14 tat, sondern im Anschluß an Murmellius’ Epistulae morales, dann wohl deshalb, weil das inhaltlich besser paßte. Dieses im Juni/Juli 1513 in Alkmaar ausgearbeitete, am 20. September 1513 abgeschlossene und von Albert Paefret in Deventer gedruckte Buch15 enthielt zunächst zehn von Murmellius verfaßte Briefe in Versform (carmina) zu 9 Die

„zeitgenössischen Theologen“ wollte Bugenhagen kennenlernen, weil er die Sentenzenkommentare des Albertus Magnus, Bonaventuras und anderer, „auch wenn sie sehr gelehrt sind, gar nicht lesen und erst recht nicht verstehen“ könne (s.u. 37,12–13). Diese völlig übertriebene Aussage gibt nur dann einen Sinn, wenn er damit seine Abneigung gegen Sprache und Stil ausdrücken wollte. Darauf verwies er ja auch in der Bemerkung an den Leser: „Allein ihre Sprache, nicht ihre Lehre mißfiel mir“. 10 Murmellius war bereits seit 1502 durch verschiedene poetische Werke über die Jungfrau Maria hervorgetreten; vgl. Reichling, Murmellius, 63 f.140–142. 11 Überbringer seines Briefes an Bugenhagen war ein Johannes aus Stettin (s.u. 39,13), aber keiner der von Bugenhagen im Empfehlungsschreiben 1512 genannten Schüler (s.u. 36,12). Wenn diese so lange blieben wie der Hypodidascalus Georg (s.u. Anm. 21 sowie 36,18), nämlich etwa ein Jahr (was mit Murmellius’ Weggang aus Münster konvergierte), dann war jener Johannes der Überbringer, weil er – vermutlich im Sommer 1512 – nach Pommern zurückkehrte. Dazu paßt Murmellius’ Zeitangabe, Bugenhagen habe ihm jüngst geschrieben (vgl. 38,30), und sein Hinweis auf den 1512 erschienenen Pauluskommentar des Faber Stapulensis (vgl. 39,23–40,1). 12 Vgl. zu den Personenangaben auch Anm. zu 39,21–23; 39,23–40,1; 40,1. 13 S.u. 28–30, Abschnitt 2. 14 S.o. 3–22, Grammatice regule. 15 Vgl. dazu Reichling, Murmellius, 98 f.152. – Zum Drucker Albert Paefret (Paeffret, Pafroet, Pafradus) s. Thesaurus 1473–1800, hg.v. Gruys/de Wolf, 134.

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verschiedenen Themen der Lebensführung, adressiert an verschiedene Gelehrte, anfangend mit dem Münsteraner Humanisten Rudolf von Langen. Die gereimten Lebensweisheiten bezogen sich u.a. auf die Beschäftigung mit den Wissenschaften. Darauf folgten als zweiter Teil – nach einer Vorrede des Murmellius – 15 Briefe von Humanisten und anderen Gelehrten16 . Den Abschluß bildeten ein Gedicht und ein Epigramm des Murmellius. Auffällig war, daß auf den an dritter Stelle abgedruckten Bugenhagenbrief – abweichend von der Anlage der Briefsammlung – Murmellius’ Antwort an Bugenhagen folgte. Dessen Neuedition von 1515 oder 1516 übernahm diese Vorlage, jedoch mit einer Änderung: Sie fügte hinter Bugenhagens Brief dessen kurze Bemerkung „für den Leser“ hinzu, in welcher er sich gegen ein mögliches Mißverständnis seiner früheren Aussage über Albertus Magnus und Bonaventura verwahrte. Das läßt darauf schließen, daß er nicht als genereller Kritiker der Scholastik – wie viele andere Humanisten, gerade auch die von Erasmus beeinflußten – erscheinen wollte. Neben sachlichen Gründen können dabei auch kirchenpolitische Motive mitgespielt haben; noch opponierte Bugenhagen nicht gegen die traditionelle Form von Theologie und Kirche.

2. Bugenhagens und Murmellius’ Schüler und ihr Verhältnis zur humanistischen Reformbewegung Der Brief an Murmellius gehört zu den für Bugenhagens Biographie besonders wichtigen Quellen, weil er der erste für seine Beziehung zum Humanismus relevante Text ist und überdies einiges über seine Treptower Lehrtätigkeit aussagt.17 Er war ein Empfehlungsschreiben für seinen Vetter Johannes Bugenhagen, als dieser nach Münster zog, um dort bei Murmellius zu studieren.18 Aus ihm erfährt man, daß früher schon Bugenhagens Bruder Gerhard, der zuvor einige Zeit Schulgeselle bzw. Unterlehrer bei ihm in Treptow war, in Münster bei Murmellius studierte. Das wird wohl 1510 gewesen sein.19 Gerhard vermittelte ihm Kenntnisse, die er bei Murmellius erworben hatte (vermutlich in der lateinischen Grammatik), und brachte ihm einige von Murmellius verfaßte Bücher mit.20 Noch mehr Murmelliusschriften brachte ein weiterer Schulgeselle Bugenhagens namens Georg mit, der zwei Halbjahre in Münster gelernt hatte.21 Bugenhagen betonte gegenüber 16 Verfaßt u.a. von Rudolf von Langen, Hermann von dem Busche (Buschius), Ulrich von Hutten, Georg Spalatin. 17 Vgl. die kurze Interpretation bei Vogt, Leben, 8; bei Holfelder, Tentatio 115 f; Hauschild, Auseinandersetzung, 87 f. Eine genauere Analyse bietet Leder, Sacerdos, 389–393 bzw. Pomeranus 107–110. 18 S.u. 36,11–12. 19 Ende April 1512 formuliert Bugenhagen: „Ich schickte dir meinen Bruder namens Gerhard, als er schon einige Zeit mein Schulgeselle gewesen war“. Da Murmellius diesem am Ende seines Briefes Grüße ausrichtet, lebte er 1512 in Treptow. Vielleicht war auch er etwa ein Jahr in Münster, aber nach seinem Kollegen Georg (s. Anm. 11). Dann dürfte Gerhards Aufenthalt in Münster in das Jahr 1510 gefallen sein, was dem Tempus „misi“ entspricht. Vorher war er Hypodidascalus, d.h. spätestens seit 1509. 20 Vgl. unten 36,1–7 sowie die Anm. zu 36,3–4 und zu 36,5–6. 21 Das wird später gewesen sein als Gerhards Münster-Aufenthalt (kaum gleichzeitig, weil es in Treptow wohl nicht genug Lehrer gab), also mindestens ein Jahr vor April 1512, d.h. wohl 1511 oder 1510/11. Zur möglichen Identifikation dieses Georg s.u. Anm. zu 36,18–19.

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dem Münsteraner Humanisten, er würde dessen opuscula vel commentaria mit seinen Treptower Schülern behandeln; der erste Begriff meint wohl das verbreitete Grammatikbuch, welches er später nachdrucken ließ22 . Zeitgleich mit dem Vetter Johannes Bugenhagen kamen im April/Mai nach Münster zu Murmellius – von der Lateinschule in Gouda überwechselnd – gemäß Bugenhagens Rat dessen ehemalige Schüler Andreas, Joachim und David, denen ebenfalls das Empfehlungsschreiben galt23 . Er betonte, es würden noch weitere Pommern auf seine Empfehlung hin dorthin gehen, wenn sie nicht mangels finanzieller Möglichkeiten daran gehindert würden. Vielleicht spielte dabei auch eine Rolle, daß man seit 1512 in Münster Griechisch lernen konnte, allerdings nicht bei Murmellius selbst.24 Der relativ starke Zuzug von Pommern nach Münster macht deutlich, daß Bugenhagen gezielt – über seine Treptower Reformbemühungen hinaus – die humanistische Prägung einer Elite seines Vaterlandes zu fördern suchte. Außerdem ist bemerkenswert, daß alle in der Murmellius-Korrespondenz erwähnten Schüler sich später für die evangelische Bewegung einsetzten und damit Bugenhagens eigenem Weg vom Humanismus zur Reformation entsprachen. Spätestens seit 1510 also pflegte Bugenhagen zu Murmellius indirekte persönliche Kontakte über seine Schüler. Schon vorher hatte er dessen Bücher gelesen,25 was ihn offenbar dazu bewog, die Treptower Jünglinge nach Münster zu schicken. Dadurch wurde er in seinen philologischen Kenntnissen so weit gefördert, daß er – wie seine Vorrede zu den Grammatice regule vom 1. Februar 1515 zeigt26 – den Lateinunterricht in Treptow gemäß dem humanistischen Reformprogramm gestaltete. Das war spätestens seit 1512, d.h. seit jenem Briefwechsel, der Fall, dürfte jedoch schon einige Jahre davor sich allmählich angebahnt haben. In der Forschung ist die Auffassung vertreten worden, Bugenhagen habe erst durch Murmellius nach 1512 den Zugang zum Humanismus allgemein und zu Erasmus speziell gefunden.27 Daß seine theologische Entwicklung durch die Lektüre von dessen Schriften beträchtlich gefördert wurde, steht außer Zweifel; in seiner Belbucker Matthäusvorlesung 1518/19 und der Klosterpredigt 1519 oder 1520 ist der erasmianische Einfluß manifest. Ob er wirklich durch Murmellius den Anstoß dazu empfangen hat, ist fraglich. Immerhin bleibt als einziges aus22 Vgl.

oben bei Anm. 2–4. Zu Murmellius’ Kommentaren s.o. 15,25–28. möglichen Identifikation dieser Namen s.u. Anm. zu 36,12 und zu 36,12–13. 24 Es gab zu jener Zeit nur sehr wenige Kenner des Griechischen in Deutschland. Der Rektor der Domschule, Timann Kemner/Camenerus, holte im Rahmen seiner humanistischen Reform den Kölner Gelehrten Johannes Cäsarius nach Münster, um den Griechischunterricht aufzubauen. Stärker als Kemner engagierte sich Murmellius für Cäsarius, der kurzfristig im Sommer 1512 in Münster gräzistische Vorlesungen hielt, die auch Murmellius und Kemner besuchten. Seitdem unterrichtete Johannes Hagemann an der Domschule Griechisch. 25 Die zeitliche Reihenfolge drückt Bugenhagen deutlich aus: „Einige [sc. Werke des Murmellius] kamen zu uns durch Besorgung von Buchhändlern; ich erhielt viele vom Bruder, die meisten aber von Georg, meinem Schulgesellen, den du zwei Halbjahre lang unterrichtet hast“; s.u. 36,17–19. 26 S.o. 14,24–16,7. 27 Z.B. Holfelder, Tentatio 115 f; ders., TRE 7, 355; Leder, Leben und Wirken, 11. Anders dagegen die differenzierte Untersuchung von Leder, Sacerdos, 393–396 bzw. Pomeranus, 110– 114. 23 Zur

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sagekräftiges Zeugnis für diese frühe Zeit die Tatsache beachtlich, daß Bugenhagen noch nicht in seiner Grammatik-Ausgabe 1515 Erasmus zitierte, sondern erst in der Neuauflage von 1518. Murmellius war für ihn vor allem wichtig als Reformpädagoge des Lateinunterrichts, kaum als Theologe oder Philosoph; das zeigt sich auch daran, daß er ihn in seinen Schriften nach 1518 nirgends zitierte. Deswegen kann man zweifeln, ob seine später nachweisbare Lektüre der Werke von Faber Stapulensis und Reuchlin28 sich allein der Empfehlung des Murmellius verdankte; die darin ebenfalls angesprochenen Pico della Mirandola und Charles de Bouelles hat er vermutlich nicht gelesen, bzw. sie haben in seinen späteren Schriften keine Spuren hinterlassen. Man wird wohl die humanistische Prägung im wesentlichen seinen autodidaktischen Bemühungen in Treptow – und seit 1517 im Kloster Belbuck – zuschreiben müssen und dabei auch einen gewissen Einfluß veranschlagen können, den der in Gouda und Münster intensiver humanistisch ausgebildete Andreas Knopke (seit 1513/14 Lehrer an seiner Schule) auf ihn ausübte29 . Schon früh, vielleicht vor 1510, widmete er sich intensiv der Bibelauslegung und möglicherweise zog er dabei als Hilfsmittel die Kommentare einiger Kirchenväter heran.30 Sein Hinweis auf Hieronymus, Ambrosius und Augustinus gegenüber Murmellius 1512 deutet darauf hin, und seine Erwähnung von Lactantius’ Traktat über den Menschen als Geschöpf Gottes zeigt, daß er auch nichtexegetische Vätertexte kannte.31 Diesem exegetischen Ansatz entsprach seine reformpädagogische Bemühung um den Lateinunterricht, wie er in den beiden Widmungsschreiben der Grammatice regule zum Ausdruck brachte. Seine Hinwendung zum Humanismus war also mindestens noch bis 1515 primär philologisch orientiert, doch sie war getragen von seiner religiösen Motivation, nämlich dem Interesse am besseren Schriftverständnis.32

3. Zur Textgestalt Das Büchlein von 22 Blättern Umfang im Quartformat (unsere Editionsvorlage A) erschien unter Murmellius’ Namen. Bugenhagen begegnet darin lediglich als 28 Dazu sei verwiesen auf die entsprechenden Nachweise bei Holfelder, Tentatio; Bieber, Reform; Gummelt, Lex (passim). 29 Knopke hatte persönliche Kontakte zu Erasmus und war durch dessen Konzeption stärker und nachhaltiger – auch über die reformatorische Wende hinaus – beeinflußt als Bugenhagen. Vgl. dazu z.B. Erasmus’ Brief vom 31.12.1520 (Opus epistolarum 4, 431–433). Dazu paßte die intensive Orientierung an Melanchthon, hinter der diejenige an Luther zurücktrat. Vgl. dazu von Schnakenburg, Lieder, 221–246. 30 Vgl. auch Leder, Sacerdos, 395 bzw. Leder, Pomeranus, 113. Nach Melanchthons Gedenkrede 1558 begann Bugenhagen sein autodidaktisches Schriftstudium in der Treptower Schule unter Heranziehung der Enarrationes Hieronymi et Augustini. Vgl. Melanchthon, Declamatio (CR 12, 297 f). Dem Zusammenhang von Melanchthons Ausführung nach war das bald nach 1504 und vor 1509, ebenso die Beschäftigung mit Erasmus’ Studien; es ging dabei speziell um Bugenhagens Exegese des Matthäusevangeliums, des [1.] Timotheusbriefes und der Psalmen in scholis (ebd.). Diese Chronologie dürfte nicht stimmen, zumal Melanchthons Angabe in scholis wohl die Lektorentätigkeit in der Belbucker Klosterschule einschließt. 31 Vgl.u. 37,11; 37,1 sowie Anm. zu 37,2–4 und 37,5–6. 32 Zur weiteren Entwicklung s.u. 43–50 die Einleitung zur Belbucker Klosterpredigt.

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Verfasser einer kurzen Anrede an die Leserschaft und des ersten Briefes. Dem Zweck dieser Edition entsprechend wird der gesamte Text des Murmelliusbuches weggelassen.33 Bugenhagens Texte und Murmellius’ Antwort auf seinen Brief werden in der vom Druck – dem einzigen Quellenzeugnis – gebotenen Reihenfolge ediert. Eine handschriftliche Überlieferung dazu existiert nicht. Die älteren Editionen34 sind an einigen Stellen zu korrigieren.

4. Verzeichnis der Siglen, Titel und Fundorte A Joannis Murmellii Ruremundensis35 Epistolarum moralium liber Alcmarie36 perameno Hollandie oppido compositus. Famigeratorum aliquot Germaniae virorum epistole non illiterate cum nonnullis carminibus, Leipzig (Valentin Schumann) [1515 oder 1516]. – VD 16: M 2870. – ULB Sachsen Anhalt in Halle (Saale), Sign.: AB 153377 (4). B Joannis Murmellii Ruremundensis epistolarum moralium liber Alcmarie peramoeno Hollandiae oppido compositus. Famigeratorum aliquot Germaniae virorum non illiteratae cum nonnullis carminibus, Deventer (Albert Paefret) 1513. – ULB Münster, Sign.: Coll. Erh. 445. H Hardt, Hermann von der, Autographa Lutheri aliorumque celebrium virorum [. . . ] Bd. 2, Braunschweig 1691, 280–282. M Mohnike, Gottlieb C.F., Aeltester schriftlicher Ueberrest von D. Johann Bugenhagen, in: Kirchen- und literaturhistorische Studien und Mittheilungen (Stralsund) 1, 1824, 221–225. K/C Krafft, Karl/Crecelius, Wilhelm, Beiträge zur Geschichte des Humanismus am Niederrhein und in Westfalen, Heft 2, Elberfeld 1875, 29–59. V Vogt, Otto (Hg.), Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel. Vorwort und Nachträge: Eike Wolgast/Hans Volz, Stettin 1888–89; Gotha 1910; ND Hildesheim 1966, 1–7.

5. Literatur A) Quellentexte Albertus Magnus, De animalibus libri 26, hg.v. Hermann Stadler, Bd. 1, Münster 1916 (De animalibus, hg.v. Stadler). Album Academiae Vitebergensis ab A.Ch. M.D.II usque ad A. M.DLX [Bd. 1], hg.v. Carl Eduard Förstemann, Leipzig 1841; ND Aalen 1976 (Album Academiae Vitebergensis). 33 Zu

dessen Inhalt s.o. 27 f bei Anm. 15 und 16. die Siglen H bis V. 35 Murmellius war in Roermond (Herzogtum Geldern) geboren. 36 Im März 1513 siedelte Murmellius von Münster nach Alkmaar über, s. Reichling, Murmellius, 86. 34 S.u.

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Murmellius-Edition. Einleitung

Cicero, Marcus Tullius, De officiis, hg.v. Michael Winterbottom, Oxford 1994 (De officiis, hg.v. Winterbottom). Erasmus von Rotterdam, Opus epistolarum, hg.v. Percy Stafford Allen/Helen Mary Allen, Bd. 4, Oxford 1922 (Opus epistolarum). Faber Stapulensis, S. Pauli epistolae XIV ex Vulgata adiecta intelligentia ex Graeco; cum commentariis, Paris 1512; ND Stuttgart 1978 (S. Pauli epistolae). Geraldini, Antonio, The Eclogues, hg.v. Wilfred P. Mustard, Baltimore 1924; Neuedition von Sigrun Leistritz, Das „Carmen Bucolicum“ des Antonio Geraldini. Einleitung, Edition, Übersetzung, Trier 2004 (The Eclogues/Carmen Bucolicum). Herodoti Historiae, hg.v. Haiim B. Rosén, Bd. 1, Libri I–IV, Leipzig 1987 (Historiarum Libri). Hieronymus, Epistulae (I–LXX), hg.v. Isidor Hilberg, CSEL 54, 1910 (Hieron., Ep.). Lactance, De opificio dei. La création de Dieu, hg.v. Béatrice Bakhouche/Sabine Luciani, Turnhout 2009 (De opificio dei). Lactantius, De opificio dei, hg.v. Samuel Brandt, CSEL 27/1, 1893, 3–132 (De opificio dei). Melanchthon, Philipp/Vincentius, Petrus, Oratio de vita reverendi viri Domini Ioannis Bugenhagij Pomerani [. . . ] Anno 1558 die quarti Augusti, Wittenbergae (Vitus Creutzer) o.J., CR 12, 295–307 (Declamatio). Ovidius Naso, Publius, Metamorphosen, hg.v. Gerhard Fink, Düsseldorf 2004 (Ovid, Metamorphosen, hg.v. Fink). Platon, Opera, hg.v. John Burnet, Bd. 1, Oxford 1901; ND 1960; Bd. 2, Oxford 1902; ND 1962 (Opera, hg.v. Burnet). Plinius Secundus, Gaius, Naturalis historiae libri XXXVII, lat.-dt. hg.v. Roderich König, München 1978 (Plinius d.Ä., Naturalis historia, hg.v. König). Ps.-Aristoteles, Problemata physika/Problems I, Books I–XXI, hg.v. Walter S. Hett, London/Cambridge, Mass. 1936; ND 1953 (Problemata physika, hg.v. Hett). Terence, Eunuchus, hg.v. John Barsby, Cambridge 1999 (Terenz, Eunuchus, hg.v. Barsby).

B) Sekundärliteratur Bieber, Anneliese, Johannes Bugenhagen zwischen Reform und Reformation. Die Entwicklung seiner frühen Theologie anhand des Matthäuskommentars und der Passions- und Auferstehungsharmonie, FKDG 51, Göttingen 1983 (Reform). Früh, Martin, Antonio Geraldini ([gest.]1488). Leben, Dichtung und soziales Beziehungsnetz eines italienischen Humanisten am aragonesischen Königshof. Mit einer Edition seiner „Carmina ad Johannam Aragonum“, Münster 2005 (Leben).

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Murmellius-Edition. Einleitung

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Gummelt, Volker, Lex et Evangelium. Untersuchungen zur Jesajavorlesung von Johannes Bugenhagen, AKG 62, Berlin/New York 1994 (Lex). Hauschild, Wolf-Dieter, Johannes Bugenhagens Auseinandersetzung mit dem Katholizismus 1515–1521, in: Ostdeutsche Geschichts- und Kulturlandschaften. Teil III: Pommern, hg.v. Hans Rothe, Köln/Wien 1988, 85–110 (Auseinandersetzung). Heyden, Hellmuth, Pommersche Geistliche vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe 5, Forschungen zur pommerschen Geschichte), Köln 1965 (Pommersche Geistliche). – Kirchengeschichte Pommerns, I. Band. Von den Anfängen des Christentums bis zur Reformationszeit. II. Band. Von der Annahme der Reformation bis zur Gegenwart, Köln-Braunsfeld 2 1957 (Kirchengeschichte). Holfelder, Hans Hermann, Art. Bugenhagen, Johannes (1485–1558), TRE 7, 1981, 354–363 (Art. Bugenhagen, Johannes). – Tentatio und consolatio. Studien zu Bugenhagens „Interpretatio in librum psalmorum“, AKG 45, Berlin/New York 1974 (Tentatio). Lange, Johann Christoph, Erbauliches und Merckwue rdiges, Leben und Schrifften. Zu Einiger Erlae uterung der Reformations- und gelehrten Historie entworfen, Budissin 1731 (Erbauliches). Leder, Hans-Günter, Johannes Bugenhagen Pomeranus – Leben und Wirken (1485–1558), in: Ders. (Hg.): Johannes Bugenhagen. Gestalt und Wirkung, Berlin 1984, 8–37 (Leben und Wirken). – Johannes Bugenhagen Pomeranus – Vom Reformer zum Reformator. Studien zur Biographie, hg.v. Volker Gummelt, GthF 4, Frankfurt am Main u.a. 2002 (Pomeranus). – „Sacerdos Christi, Ludimagister Treptovii“. Johannes Bugenhagen in Treptow bis zu seinem Anschluß an den Schul- und Bibelhumanismus (1504–ca. 1515), in: Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte. FS Roderich Schmidt, Köln u.a. 1995, 375–404 bzw. Leder, Pomeranus, 95–121 (Sacerdos/Pomeranus). Mohnike, Gottlieb C.F., Aeltester schriftlicher Ueberrest von D. Johann Bugenhagen, in: Kirchen- und literaturhistorische Studien und Mittheilungen (Stralsund) 1, 1824, 221–225 (Ueberrest). Paap, Walter, Das Kloster Belbuck um die Wende des 16. Jahrhunderts, Baltische Studien N.F. 16, Stettin 1912 (Belbuck). Petersohn, Jürgen, Forschungen und Quellen zur pommerschen Kultgeschichte vornehmlich des 12. Jahrhunderts, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, hg.v. Roderich Schmidt, V., H.18 Köln/Wien 1972 (Forschungen). Reichling, Dietrich, Johannes Murmellius. Sein Leben und seine Werke, Freiburg 1880 (Murmellius). Thesaurus 1473–1800: Nederlandse boekdrukkers en boekverkopers: met plaatsen en jaren van werksaamkeit, hg.v. Jan A. Gruys/Clemens de Wolf, Niewkoop 1989 (Thesaurus 1473–1800, hg.v. Gruys/de Wolf).

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Murmellius-Edition. Einleitung

von Schnakenburg, Wolf-Günter, Die Lieder des Reformators in Riga Andreas Knopken, ARG 40, 1943, 221–246 (Lieder). Vogt, Karl August Traugott, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften, LASLK 4, Elberfeld 1867 (Leben).

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Joannes Bugenhagenius, sacerdos Christi, Ludimagister Treptovii, Pomeraniae oppido, Joanni Murmellio et poeticam et oratoriam artem Monasterii publice profitenti salu[tem] plurimam. Nescio, Murmelli, vir doctissime, quid tam mirae in se habeant scientia atque virtus speciositatis, ut homines, etiam illos quos nunquam vidimus, propter has maxime diligamus. Excitat enim animos forma honestatis audita (quae ut Platonem dixisse Cicero scribit) si oculis cerneretur corporalibus, mirabiles excitaret amores sapientiae. Scientia vero quantum trahat in doctorum dilectionem, est ex epistola divi Hieronymi, quam bibliis praeponunt, notissimum. Hinc ego ex quo primum | tua viderim scripta, elegantissima quidem atque tersissima – et in carmine et in soluta oratione – non potui non laudare virum, admirari ingenium atque, quanquam non satis, extollere. Gavisus sum sicut quidam philosophus ex antiquis me eo vivere tempore, quo et ipsa Germaniae adolescentia doctis gauderet atque latissimis praeceptoribus. Qui enim tua scripta legit, ni male instar nycticoracis ad tam clari solis lumen caecutiat, intelliget plane te casta et latiali lingua loquentem, et nihilominus lyra Apollinis instructum, dulcia et eadem pia (ut Christi famulum decet) resonantem carmina, quae duo quantum in te valerent. Non video, nisi esses etiam philosophus acutissimus, quem et te esse confitear necesse est. Nec de tantis a Deo perceptis beneficiis te ingratum exhibes. Quippe quod lucernam tanto fulgore radiantem non sub modio sed supra candelabrum ponis, ut luceat omnibus, non solum tuis discipulis, sed etiam alienis, dum et discipulos sana instruis doctrina ac vivendi praeceptis et nos, quamvis longe positos, tuis lucubrationibus non parum adiuvas. Haec est ordinatissima divinae pietatis dispositio, ut quod non habeo in me vel in aliis, quibus Deus dederit, me gaudeam invenire. Dices: quis hic quorsum haec adulatio? Non sum, o Murmelli, Gnato, omnia ex animi sententia locutum putabis, modo scias quid fecerim. 1. Joannes Bugenhagenius, sacerdos ] in A durch große Lettern in Fettdruck hervorgehoben (wie bei den anderen Briefautoren). 25. quis ] V: quid. 27. fecerim. ] Abs. Hg. 1–2. Joannes ... oppido ] Die förmliche Selbstvorstellung Bugenhagens ergibt sich einerseits daraus, daß dies der erste briefliche Kontakt zu der humanistischen Koryphäe ist. Wenn man jedoch bedenkt, daß zwischen beiden seit mindestens zwei Jahren eine indirekte Verbindung durch die Treptower Schüler bestanden hat (s.o. die Einleitung, 28–29 bei Anm. 17–24), dann ist die Erläuterung zu Treptow („einer Kleinstadt Pommerns“) auffällig; sie könnte nachträglich für die Druckausgabe hinzugefügt worden sein. Zum Begriff ludimagister/Schulmeister s.o. die Einleitung zu den Grammatice regule, 3, Anm. 5. 2. Joanni Murmellio ] Zu ihm ebd. 5 mit Anm. 11. 6–8. Excitat ... sapientiae. ] Cicero, De offi-

ciis I,5,15 (hg.v. Winterbottom, 7). Er zitiert Platon, Phaidros 250d (vgl. Opera, hg.v. Burnet, Bd. 2). 8–9. Scientia ... notissimum. ] Vgl. Hieron., Ep. ad Paulinum Presbyterum. (CSEL 54, 442–465). Dieser Lobpreis der biblischen Weisheit wurde noch im 15. Jahrhundert oft den Vulgatadrucken vorangestellt. 15–16. te ... loquentem ] Zu Murmellius’ Bemühungen um die Reform des Lateinunterrichts s.o. die Einleitung zu den Grammatice regule, 5 bei Anm. 11. 20–21. quod ... omnibus ] Vgl. Mt. 5, 15. 26. Gnato ] Athenischer Schmarotzer in Terenz ’ Eunuchus; s. Publius Terentius Afer, Eunuchus, 232–291 (hg.v. Barsby, 42–45).

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Misi tibi fratrem meum nomine Gherardum, cum iam fuisset aliquot tempora meus hypodidascalus. Quem revertentem multo scientiarum foenore abs te ditatum recepi. Vidi tunc aliqua a te congesta opera, multa vero aliorum et poetarum et oratorum interpretata, quibus non invidi ut assolent quidam scioli, sed quae placuerunt adeo ut et ego manu mea (quanquam multis implicitus) | Geraldini aeglogas cum tua interpretatione non scripserim modo, sed et meis discipulis dictans exposuerim. Detestatus posthac longas quas dicunt continuationes, quas facimus, et male quidem in explanandis auctoribus, in eam tandem veni sententiam nihil esse abs te vel scriptum vel interpretatum quod non summopere amplectar, nihil praeceptum persuasumve quod non sequar aut vel sequendum alios hortando praedicem. Haec de fratre. Habes et nunc Joannem unius mecum cognominis patruelem meum perdilectum. Cuius socii Andreas, Joachim et David mei fuerunt discipuli, quos ut relicto magistro quem Chrysopoli habuere te adirent doctioresque evaderent; quis monuerit ipsi dicant. Ego praeterea (quod admodum rari faciunt) quos adhuc habeo discipulos hortari soleo, cum vel opuscula vel commentaria tua eis lego vel interpretor, ut te tandem visant. Sed quaeris unde haec habeam? Aliqua ad nos bibliopolarum cura veniunt, accepi multa a fratre, plurima autem a Georgio hypodidascalo meo, quem duo semis annos docuisti. Hortatu meo moti complures Monasterium tui gratia peterent, si non inopia rerum esset impedimento. Sed haec hactenus. 20. hactenus. ] Abs. Hg. 1–2. fratrem ... hypodidascalus ] Zum Leben Gerhard Bugenhagens ist kaum etwas bekannt. Er unterrichtete wohl vor 1510 an der Treptower Stadtschule und zog 1510 zu Murmellius nach Münster; s.o. die Einleitung, 28 bei Anm. 19. 3–4. aliqua ... interpretata ] Vgl. z.B. Murmellius’ Kommentare bzw. Editionen zu Tibull, Properz, Ovid (ca. 1504), zu Ciceros Cato maior (1505), zu Prudentius (1507), zu Juvenal (1510); s. Reichling, Murmellius, 135– 142. 5–6. Geraldini ... interpretatione ] Antonius Geraldinus/Antonio Geraldino (1448/49– 1488/89), italienischer Humanist, verfaßte nach Vergil als Vorbild 1485 Eclogen, die Bucolica sacra; vgl. Früh, Leben, 52–55 sowie die Editionen von Mustard, The eclogues und von Leistritz, Carmen bucolicum. Bugenhagens Hinweis auf Murmellius’ Interpretatio könnte eine Verwechslung mit dessen Kommentar zu der entsprechenden Edition von Angelo Poliziano/Politianus (1510) sein; vgl. dazu Reichling, Murmellius, 90.146. 11–12. Joannem ... perdilectum ] Bugenhagens Vetter Johannes ist wohl mit dem späteren evangelischen Pastor von Wollin zu identifizieren (so Vogt, Briefwechsel, 7), der dort seit 1522 amtierte; vgl. Heyden, Pommersche Geistliche, 1965, 50, 153.

12. Andreas ] Allgemein mit Andreas Knopke identifiziert; zu diesem s.o. die Einleitung zu den Grammatice regule, 7 bei Anm. 22. 12–13. Joachim et David ] Ersterer wird von Mohnike, Ueberrest, 219 mit dem späteren evangelischen Kantor Joachim Möller identifiziert, der ein alter Freund und enger Mitarbeiter Knopkes war. Zur Identifizierung des David fehlen Anhaltspunkte. 13. Chrysopoli ] Der Name meint hier weder Ingolstadt (so Reichling, Murmellius, 84) noch ein angeblich existentes Güldenstede bzw. Güldenstedt in Westfalen (so Mohnike, Ueberrest, 215.221). Von den unter dem Namen Chrysopolis bekannten Orten (s. LThK2 2, 1195), kommt nur die holländische Stadt Gouda in Betracht. Dort besuchten die genannten Schüler wohl die von Fraterherren geleitete Lateinschule. (Zu dieser s. RE3 3, 483.) 18–19. Georgio ... docuisti ] Zu diesem Georg s.o. die Einleitung, 28 bei Anm. 21. Mohnike, Ueberrest, 222 hat ihn mit Georg von Ueckermünde identifiziert. Georg Kempe aus Ueckermünde gehörte zum Reformerkreis um Bugenhagen und Boldewan im Kloster Belbuck und wirkte 1522/23 als evangelischer Prediger in Stralsund. Vgl. Paap, Belbuck 46; Heyden, Kirchengeschichte Bd. 1, 211.

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Caeterum te rogo et obsecro vehementer duo Lactantii de opificio Dei dicta mihi clausa reserare velis. Unum capite decimo: Ut sicut in ipso mundo summa rerum vel de simplici duplex vel de duplici simplex et gubernat et continet totum et cetera. Quid sibi vult summa rerum vel de simplici duplex vel de duplici simplex? Alterum capite undecimo: Quod cum acciderit, auditum quoque obstrui necesse est, ut quia vocem emittere non potest nec amittere quidem possit. Non sane dispicio, quomodo ex illo linguae impedimento etiam auditus obstruatur. Quod vero sequitur: Ut quia vocem et cetera | timeo aliquid esse corruptum; tu cognosces melius. Quae cum scripseris, si vacabit, si non gravat labor, rogo etiam scribas, qui theologi huius tempestatis, quorum fortasse necdum nomina noverim. Comparandi sint maxime Hieronymo, Ambrosio, Augustino, Lactantio et id genus caeteris. Nam Albertum, Bonaventuram in sententias et similes, etsi doctissimi sint, nec legere possum nedum intelligere. Vidi nuper cuiusdam in sententias scripta, qui inter caetera pie de immaculata reginae caeli conceptione sed inepte disputans solvebat, quod scriptum est: Nemo est qui mundus vel qui non peccat aut simile, dicens: Dictum hoc non tangit divam virginem, nam ipsa non fuit qui, sed fuit quae. Quis hic non solvatur in risum? Sententia est profecto rideri digna. Et quia de immaculata conceptione mentionem fecimus, optimum factu erit, si hac de re carmina composueris ad effugandos atque confundendos quosdam rabulas, quos, cum deus odio prosequatur ut facta probant et mundus ipse totus fere pugnet hos contra insensatos non tamen desistunt, ut qui sordent sordescant adhuc. Et ut confirment opinionem, omnes theologos veteres hac labe nituntur inficere, de quorum dictis, qui ante determinationem ecclesiae scripserunt, quid sentiendum sit non ignoro. Faciunt praeterea quaedam pessimis peiora. Tu vero ut facias quod hortor, te cogat amor virginis, cuius te amatorem ex scriptis tuis non dubito. Digna namque est, propter quam nervos intendas. Quod si me tanto non dignaris munere aede saltem. Veniet procul dubio tandem ad me sicut et cetera. Vale et me mutuo ama. Treptovii Pomeraniae oppido nono kalendas Maii. Anno M.D.XII.| 29. Treptovii ] korr. aus Treptonii. 2–4. Ut ... cetera. ] Lactantius, De opificio dei 10,11 (CSEL 27/1, 34–35; hg.v. Bakhouche/Luciani, 152). 5–6. Quod ... possit. ] Ebd. 11,13 (CSEL 27/1, 41). 11–12. Comparandi ... caeteris. ] Vgl. Melanchthons Gedenkrede. Melanchthon, Declamatio (CR 12,297 f): [Bugenhagenius] libenter et assidue ligit scripta prophetica et apostolica et adhibuit enarrationes Hieronymi et Augustini. 12–13. Albertum ... intelligere ] Gemeint sind die Kommentare zum Sentenzenwerk des Petrus Lombardus von Albertus Magnus (ca. 1200–1280) und Johannes Fidanza/Bonaventura (1221–1274).

15. Nemo ... mundus ] Vgl. Ps 52,2–4 (V). 18–20. quia ... composueris ] Die Diskussion über das Thema, ob Maria wie alle Menschen sündig geboren worden sei (so die dominikanisch-thomistische Position) oder ohne Sünde gezeugt worden sei (so die Franziskaner/Scotisten) war noch im 16. Jahrhundert heftig im Gange, obwohl Papst Sixtus IV. 1483 eher für letztere Position entschieden hatte. Vgl. Anm. zu 37,26. 22. qui ... adhuc ] Vgl. Apk 22,11. 26. amor ... dubito ] Zu Murmellius’ MarienHymnen vgl. Reichling, Murmellius, 63 f.140 f. Abdruck der Florea divae Virginis Dei matris serta (1507) in: Murmellius, Gedichte, 60–65.

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Joannes Bugenhagenius Lectori

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Quicumque hanc legetis epistolam, quam vehementer te possum et hortor et obsecro, ne male suspiceris me de Alberto magno doctrina vix alicui secundo aut de Bonaventura sentire, quos aperte doctissimos in epistola dixerim. At quo tempore scripsi, eorum solummodo mihi oratio, non doctrina displicuit. Vale lector amice. Ex Treptovia Pomeraniae, Calendis septembribus Anno Christi M.D.XV.

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Joannes Murmellius Joanni Bugenhagenio suo salutem plurimam dicit. Litterae sane tuae quam literate magno mihi gaudio Joannes humanissime fuerunt. Non tam quod nomen meum istic non contemni quam quod humanitatis studia in istis quoque Germaniae partibus florere et tuum in me animum benevolentia propensum esse cognoverim. Hocautem fronti meae ruborem non immittere non potuit nimias te congessisse laudes, quas equidem in me non agnosco nec recipio, sed eo unde profectae sunt remitto. Neque tamen eas studio assentandi abs te viro gravi effusas suspicor, verum te reor dulci quodam studiorum communium amore ductum talia scripsisse et fama (ut ingenue verum fatear) non nihil deceptum, quae veris addere falsa: Gaudet et e minima sua per mendacia crescit. Solent enim plerumque discipuli (nec hoc pietatis eorum officium improbaverim) magistros, quibus operam dederint, laudibus extollere eorumque nomina reddere celebriora. Unde factum novimus, ut auditores quidam nomen meum longe amplius aequo apud te praedicarint; verum his nunc omissis velim posthac ad me scripturus fronti meae parcas istiusmodique laudationibus immodicis su-|persedeas et (id quod iam quoque fecisti) per epistolam mecum de literis agas. Quid enim dulcius, gratius, aut magis fructuosum, quam studiosos bonarum artium homines literario commertio eruditos cedere sermones et absentes ac vel longiusculo terrarum fluminumque aut maris intervallo separatos quasi praesentes de rebus honestissimis confabulari? Unum est quod in hac re non parvo me dolore afficit: non tam mihi bene respondendi facultatem suppetere quam animum nec trivialibus occupato laboribus philosophandi tempus datum, ut paulo accuratius ea quae nuper mihi dubia proposuisti exclidarem. Digna profecto sunt, quae examussim discutiantur verbis pluribus tractatuque longiori. Quorum primum Platonis quidem doctrinam mihi redolere videtur in Timaeo scribentis bonitate dei tam voluntarie quam naturaliter exuberanti et imagine inde producta mundum constare universum. Hinc, ni fallor, summa rerum id est universitas accipienda: vel de simplici duplex, hoc est ex unitate divinae bonitatis iam in eam eiusque imaginem seu simulacrum divisa vel de duplici simplex id est ex eiusmo17. crescit. ] Abs. Hg. 3–4. me ... dixerim ] Dazu s.o. 37,12–13. 17. Gaudet ... crescit. ] Zitat aus Ovid, Metamorphosen IX, 139 (hg.v. Fink, 434). 30. ea ... exclidarem. ] Die Zeitangabe „jüngst“ bzw. „vor nicht langer Zeit“ läßt keinen präzi-

sen Schluß auf das Abfassungsdatum des Briefes zu; s.o. 27 bei Anm. 11. 32–34. Platonis ... universum ] Vgl. Platon, Timaios 28c–30b (vgl. Opera, hg.v. Burnet, Bd. 4).

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di sectione in divinae bonitatis seu voluntatis unitatem revoluta; et gubernat et continet totum. Porro in altero recte tu quidem sentis aliquid depravatum. Nam pro „amittere“ legendum est „admittere“. Sed quo modo ex linguae impedimento auditus obstruatur, nos tecum dubitamus. Aristoteles in problematis sectione undecima docet, cur auditus maxime ab ortu naturae offendi possit, aitque auditum et vocem ab eodem initio proficisci. Albertus item libro de animalibus XII dicit viam quandam esse inter aurem et palatum non manifestam, propter quod etiam ab acutis sonis dentes concuti ait. Sed mutos obsurdescere non ausim affirmare. Illud vero ausim ab ortu naturae surdos voces articulatas pronuntiare non posse, quod tamen ex Herodoti historia minus verum fortasse fueris suspicatus. Sed alias plura, cum plus ocii nactus fuero. Joannis Stetinensis,| cui has literas tibi reddendas dedi, indolem, studium humanitatis et scribendi venam mirum in modum probo; qui si eo quo coepit itinere perrexit, non dubito in Pomerania quoque musarum choros cum Apolline saltaturos. Quod vero certior a me fieri cupis, qui huius aetatis philosophorum et theologorum quibus anteferendi sint, tametsi id arbitrii nimis quam impudenter mihi arrogem, vix illius memor adagii, Ne ultra crepidas sutor, sententiam meam sic accipe. Duo hac aetate clarissimi philosophi theologique et qui proxime ad veteres accedunt meo iudicio sunt Joannes Franciscus Picus comes Mirandulanus, qui variae doctrinae multa scripsit opera, inter quae tres hymnos heroicos cum eruditionis reconditissimae commentariis, et Jacobus Faber Stapulensis, qui in Aristotelis plerosque libros, carmina Davidis et Pauli Tharsensis epistolas commenta2. totum. ] Abs. Hg.

12. fuero. ] Abs. Hg.

3. in altero ] S.o. 37,5–6. Die im folgenden von Murmellius vorgeschlagene Lesart „admittere“ – ein schönes Beispiel für die humanistische Textkritik – entspricht dem Laktanztext; vgl. Lactantius, De opificio dei (CSEL 27/1, 41). 5–7. Aristoteles ... proficisci. ] Vgl. Ps.Aristoteles, Problemata physika XI,1 (hg.v. Hett, 252/253). 7–9. Albertus ... ait. ] Vgl. Albertus Magnus, De animalibus XII, 3,2 (hg.v. Stadler, § 178; 869,30 f). 11. ex ... suspicatus ] Vgl. Herodot, Historiarum Libri I, 34,2 und I, 85,1–4 (hg.v. Rosén, 23.56 f.) (Hinweis auf Krösus’ stummen Sohn). 13. Joannis Stetinensis ] Dieser Johannes aus Stettin, Überbringer des Briefes an Bugenhagen, könnte identisch sein mit dem 1515 an der Wittenberger Universität eingeschriebenen Johannes Olit de Stetin (s. Album Academiae Vitebergensis Bd. 1, 56). Bis 1522 ist dort kein weiterer Johannes de Stetin nachweisbar.

16. saltaturos. ] Abs. Hg. 19. Ne ... sutor, ] Das römische Sprichwort Ne sutor super crepidam (iudicet), entsprechend unserem „Schuster, bleib bei deinem Leisten“, ist seit Plinius d.Ä., Naturalis historiae 35,84 (hg.v. König, 66) bezeugt. 21–23. Joannes ... commentariis ] Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494), im Sinne des Humanismus an einer Neubelebung des Platonismus orientierter Philosoph in Florenz; vgl. Pico della Mirandola, Opera omnia. 39.23–40.1. Jacobus ... scripsit ] Jacob Faber Stapulensis/Jacques Lefèvre d‘Etaples (ca. 1455–1536), humanistischer Philosoph und Theologe in Frankreich, der vor allem als Editor und Kommentator europäische Berühmtheit erlangte. Nach zahlreichen Editionen von Aristoteles’ Schriften und nach der Psalmenauslegung (Quincuplex Psalterium 1509) veröffentlichte er 1512 seine Pauluskommentare; vgl. Faber Stapulensis, S. Pauli epistolae.

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rios scripsit. His addo Charolum Bouillum et Capnionem Phorcensem. Scribendi autem charactere et eloquentia graecorumque interpretatione librorum Erasmus Roterodamus – et hic non contemnendus theologus, cedit nemini. Ceterum optime maxime virginis laudes (ad quod me opus pie adhortaris) sane quam libens canerem, si pectore vitiis expiato illa me suo dignaretur patrocinio essemque minus in ludo triviali occupatus. Vale, vir doctissime, Georgiumque hypodidascalum tuum et Gerardum fratrem meo nomine salutato.

6. occupatus. ] Abs. Hg. 1. Charolum ... Phorcensem ] Charles de Bouelles/Carolus Bovillus (ca. 1472–1553), Schüler Fabers, französischer Philosoph und Theologe, seit 1503 durch seine Aristoteleskommentare bekannt, veröffentlichte 1511 einen Kommentar zum Johannesevangelium. – Mit Capnio Phorcensis ist der aus Pforzheim gebürtige Johannes Reuchlin (1455–1522) gemeint, der große humanistische Philologe und Vermittler der griechischen und hebräischen Sprache.

1–3. Scribendi ... nemini. ] Desiderius Erasmus von Rotterdam (ca. 1466/69–1536) war als Philologe eine europäische Koryphäe des Humanismus; seit seinen reformtheologischen Schriften 1503/1511 trat er zunehmend auch als Theologe hervor. 7–8. Georgiumque ... fratrem ] Vgl. Bugenhagens Brief; s.o. 36,18–19 und 36,1.

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Abbildung 3: Belbucker Klosterpredigt Bl. [58r ]

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Belbucker Klosterpredigt am Tage der Apostel Petrus und Paulus Bearbeitet von Wolf-Dieter Hauschild Einleitung Seit etwa 1510/12 beschäftigte Bugenhagen sich mit humanistischer Literatur. In welch hohem Ansehen seine Gelehrsamkeit stand, zeigte sich im Frühsommer 1517, als ihm Pommerns Herzog Bogislaw X. – auf Empfehlung seines gebildeten Rates Valentin von Stojentin – den Auftrag erteilte, in den Archiven und Bibliotheken des Landes nach Quellen über die sächsische Geschichte zu forschen. Damit entsprach Herzog Bogislaw einer Bitte des sächsischen Kurfürsten Friedrich (des „Weisen“). Bugenhagen reiste bis Ende September 1517 durch die pommerschen Lande und sammelte vielfältige Informationen, weit über den ursprünglichen Auftrag hinaus. Er wollte im humanistischen Sinne eine Geschichtsdarstellung seiner Heimat liefern. Diese fertigte er in etwa acht Monaten, also in relativ kurzer Zeit – zurückgezogen in der Ruhe des Klosters Belbuck lebend – bis zum 27. Mai 1518 an: Die Pomerania, eine Chronik des Territoriums, orientiert an der klassisch-römischen Historiographie, geprägt vom Patriotismus des Verfassers.1 Da das Werk nur wenig von der theologischen Position Bugenhagens erkennen läßt und da es bereits hinreichend ediert worden ist, braucht es in dieser Ausgabe der „Reformatorischen Schriften“ nicht berücksichtigt zu werden. Allerdings bekundet es seine humanistischen Reformintentionen und seine Verbundenheit mit dem Kloster Belbuck, wo er die im folgenden edierte Predigt gehalten hat.

1. Zur historischen Situation Das Kloster Belbuck, etwa einen Kilometer nordwestlich von Treptow gelegen, gehörte zu den kirchlichen und kulturellen Zentren des Pommernlandes.2 Nach einem ersten vergeblichen Ansatz zwischen 1170 und 1180 wurde es im Jahre 1208 mit Prämonstratensern aus Mariengarten (Friesland) im Zusammenhang der Christianisierung und Kolonisation Pommerns als „Castrum Sancti Petri“ gegründet. Es behielt jedoch neben diesem offiziellen Namen den alten slawischen Namen Belbuc bei (d.h. Kultstätte des Bielbog, des „weißen Gottes“ bzw. 1 Ob

der Werktitel von Bugenhagen stammt, ist nicht eindeutig zu belegen. Der Text wurde damals nicht gedruckt, sondern in Bugenhagens Handschrift überliefert (als Vorlage für den Pommernherzog und dessen Söhne). Erst 1728 wurde er in Greifswald gedruckt, hg.v. Jacob Heinrich Balthasar. Maßgeblich bis heute wurde die kritische Edition: Johannes Bugenhagens Pomerania, hg.v. Otto Heinemann, Stettin 1900 (Nachdruck hg.v. Roderich Schmidt, Köln/Wien 1986). Ein Faksimiledruck der Handschrift von 1517/18 und eine deutsche Übersetzung sind neuerdings publiziert: Johannes Bugenhagen, Pomerania, hg.v. Norbert Buske, übers.v. Lore Poelchau u.a., Schwerin 2008. 2 Zum folgenden s. Hoogeweg, Stifter; Paap, Belbuck.

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„Lichtgottes“). Das aus missionspolitischen Gründen gewählte Petruspatrozinium wurde später auf beide Apostelfürsten ausgedehnt: „Convent der Borch Petri und Pauli tho Belbug“. Dem Kloster gehörte umfangreicher Landbesitz, der um 1500 immerhin 32 Dörfer umfaßte.3 Über Kirche, Gebäude, Kunstwerke und Ausstattung liegen kaum Nachrichten vor, da die Klosteranlage nach der Auflösung des Konvents in der Reformation und nach einem Brand von 1560 im 17. Jahrhundert zerfiel und schließlich völlig verschwand. Das Kloster besaß den Patronat über die Pfarrkirche St. Marien in Treptow. Die Prämonstratenser übten dort die Seelsorge aus, und unter den Priestern der Stadt sowie der Kirchdörfer waren zahlreiche Konventsmitglieder. Den Rektor der seit 1328 an St. Marien bestehenden Lateinschule setzte der Abt ein.4 Bugenhagen erhielt dies Amt wohl 1504 und bekam zudem seit 1505 die Funktion eines publicus notarius.5 1509 empfing er die Priesterweihe und wurde als Vikar in das Priesterkollegium von Treptow aufgenommen, welches damals mindestens 17, später 24 Mitglieder umfaßte.6 Johannes Boldewan, vor 1515 Pfarrer in Treptow, danach Prior in Belbuck, seit 1517 Abt,7 richtete im Kloster für die Verbesserung der Klerikerausbildung eine Schule ein und übertrug Bugenhagen im Frühjahr oder Frühsommer 1517 das Amt des Lektors, ohne daß dieser dem Prämonstratenserorden beitrat. Einzige Quelle dafür sind Bugenhagens Aussage von 1518 („Intellexit . . . instaurare“) sowie seine Bemerkung „in Belbuccense monasterium, ubi nunc Lectorem ago“8 . In dieser Funktion hielt er am Tage der Apostel Petrus und Paulus (29. Juni) die im folgenden abgedruckte Predigt. Wegen des Patroziniums besaß dieser Tag hervorgehobene Bedeutung für das Kloster, die noch durch einen speziellen Aspekt verstärkt wurde. Belbuck, ein befestigtes Feldkloster mit stattlichem Heeresaufgebot, hatte im 14./15. Jahrhundert mancherlei Fehden mit benachbarten Städten und Adeligen zu bestehen. Im Jahre 1432 bezwang seine Streitmacht den Ritter Heinrich von Manteuffel und eroberte am 29. Juni dessen Burg Kölpin. Die Siegesnachricht traf während der Peter-Pauls-Prozession im Kloster ein, und zum ewigen Andenken an diese Wohltat Gottes ordnete der Abt an, daß jedes Jahr an diesem Tage ein Tedeum gesungen und zwölf Arme reichlich bewirtet werden sollten.9 Nach Belbuck strömten am 29. Juni zahlreiche Gläubige, um im Zusammenhang mit Beichte und Gottesdienst die für den Festtag geltenden Ablässe zu erwerben, wie Bugenhagen in seiner nachträglichen „Überschrift“ zur Predigt vermerkt.10

3 Vgl.

das Verzeichnis bei Hoogeweg, Stifter, 72–89. PUB Bd. VII, 229 f, Nr. 4420. 5 Zur Notariatsurkunde vgl. Vogt, Leben, 7, Anm. 2. 6 Vgl. ebd. 9, Anm.1. 7 Nach dem Widmungsbrief in der Vorrede von Bugenhagens Grammatice Regule war er 1515 Prior; s.o. 14,24–16,7. 8 Bugenhagen, Pomerania III,1 sowie Praefatio (hg.v. Heinemann, 97; [3]. – hg.v. Buske, 191; 21). 9 Vgl. Bugenhagen, Pomerania I,9 (hg.v. Heinemann, 28 f; – hg.v. Buske, 65). 10 S.u. 51,1–2. 4 Vgl.

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2. Charakterisierung und Inhalt Die Predigt ist nicht von evangelisch-reformatorischer Lehre geprägt, sondern will ein Beitrag zu einer beim Klerus ansetzenden Kirchenreform sein. Sie orientiert sich dabei an Erasmus’ Philosophia Christi, an einer Heiligungstheologie, welche die moralische Vollkommenheit gemäß Jesu Lehren als zentrale Aufgabe der Christenheit herausstellt. Sie ist – in Anknüpfung an den konkreten Anlaß, das Fest – eine programmatische Aussage: Petrus und Paulus werden als Vorbilder der wahren Frömmigkeit, der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit dargestellt. Bewußt will Bugenhagen sich damit von der üblichen Praxis der bloß erzählenden, historisierenden Heiligenpredigt abkehren. Er will nicht die Heiligen als religiöse Heroen im übermenschlichen Glanz schildern, sondern sich auf die Ermahnung zur Nachahmung ihres Lebens konzentrieren. Die Heiligen (Apostel) sind ihm nicht als Fürbitter vor Gott wichtig; dieser entscheidende Aspekt der traditionellen Heiligenverehrung fehlt hier völlig. Die Heiligen stehen grundsätzlich auf derselben Ebene wie alle Christenmenschen. Damit fällt Bugenhagens Predigt aus dem durch die Liturgie und das Brevier für den 29. Juni vorgezeichneten Rahmen heraus, der gerade die singuläre Stellung der beiden Apostelfürsten, insbesondere diejenige des Petrus als des Fundamentes der Kirche, betonten. Nur in der Brevier-Lesung Apg 3,1–10 wird der für ihn wichtige Aspekt der Barmherzigkeit angesprochen.11 Bugenhagen hält sich mit dem Predigttext nicht an die Leseordnung des 29. Juni, sondern wählt den Text der Peter-Paul-Oktav (6. Juli) Sirach 44,10–12a: „Dies sind die Männer der Barmherzigkeit . . . “ Er will von diesem Thema her die Heilige Schrift möglichst breit erschließen und grenzt sich gegen die zu seiner Zeit verbreitete Methode ab, die Predigt auf ein beliebiges Thema zu konzentrieren. Programmatisch will er alleine Schriftauslegung im Sinne einer Anwendung auf die christliche Existenz bieten, weil nicht die Menschenlehre, sondern Christus zu Wort kommen soll.12 Diese Bibelorientierung entspricht der Position des Erasmus, den Bugenhagen in der Predigt als philologischen Gewährsmann für die auf das Hebräische zurückgreifende Erläuterung des Begriffs misericordia zitiert.13 Im Rahmen der traditionellen Lehre und Frömmigkeit vertritt die Klosterpredigt eine durchaus kritische Konzeption, die verständlich macht, warum Bugenhagen etwas später den Zugang zur Reformation fand. Abgesehen von den Einzelzügen gilt das vor allem für sein Hauptthema, das Bild des rechten Priesters als eines Mannes der Barmherzigkeit. Die Apostel sind hierin die Vorbilder. Wenn Bugenhagen dabei drei Sachverhalte betont, dann dürfte deren Hervorhebung schon im Blick auf die priesterliche Tätigkeit akzentuiert sein: die Heilung von Kranken, die Verkündigung der Heilslehre Christi (als Ausdruck ihrer Menschenliebe) und die Lossprechung von Sünden (die nachdrücklich unterstrichen wird). Aus dem Predigttext leitet Bugenhagen ab, daß sich dies nicht auf die 11 Vgl.

Breviarium Caminense, 124v . die Schlußbemerkung seiner Predigt; 61,20–21. 13 Zu Bugenhagens Aussage „misericordia significat beneficium“ vgl. Erasmus, Ratio: misericordia pro beneficentia (Holborn 267, 14; Welzig 3, 378). 12 Vgl.

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Apostel beschränke, sondern die Christen der Gegenwart einschließe: Nach Sirach 44,11 bleibt das Gedächtnis der „Männer der Barmherzigkeit“ lebendig, weil ihre bona bei ihren Nachkommen fortdauern. Die „Söhne“ und „Enkel“ der Apostel sind aber alle aus dem Heiligen Geist Gezeugten – „wir Christen und zumal wir Priester Christi“. Es ist aufschlußreich zu sehen, wie Bugenhagen die Apostel-Nachkommenschaft nicht klerikal verengt deutet im Sinne der apostolischen Sukzession, sondern sie für Laien und Priester zusammen in prinzipiell gleicher Weise gelten läßt, wenngleich er sie vor allem im Blick auf das priesterliche Leben expliziert. Man kann allerdings nicht sagen, daß hier schon der Gedanke des allgemeinen Priestertums anklingt. Doch die Zusammenschau von genereller Christenexistenz und speziellem Priesterdienst unter dem Aspekt der Apostel-Nachkommenschaft bildet in der Entwicklung von Bugenhagens Denken eine Vorstufe dazu. Eine besondere, mit dem Amt und der Weihe verbundene Heiligkeit der Priester läßt Bugenhagen nicht gelten. Er wendet hier dieselben Kriterien wie für alle Christenmenschen an. Damit nimmt er ein vieldiskutiertes Thema auf. Heiligkeit wird ethisch definiert, sie besteht in Werken der Barmherzigkeit, die um Christi Willen sowie aus Gottes- und Nächstenliebe getan werden (also nicht primär im Blick auf das eigene Seelenheil): finanzielle Unterstützung der Bedürftigen, Tröstung der Traurigen, Belehrung der Unwissenden, Überführung der Sünder. Bugenhagen beruft sich für diese Interpretation auf Jesu Worte Mt 22,37–40; 25,35 – auf Legitimationstexte, die er in seinen späteren reformatorischen Schriften immer wieder zitiert.14 Von diesem Ansatz her kritisiert er einerseits das zeitgenössische Priesterbild, andererseits das herkömmliche Verständnis der Christenexistenz, indem er die kultische Perspektive durch die ethische ersetzt. Der wesentliche Inhalt der Predigt muß dem Evangelium Christi gemäß sein, daß die Priester die Gottes- und Nächstenliebe einschärfen. Doch bei der konkreten Umsetzung hapert es, weil die Priester die Gläubigen, welche gute Werke durch finanziellen Einsatz erbringen wollen, nicht auf den sozialkaritativen Bereich verweisen, sondern sie zu Meßstiftungen oder Wallfahrten überreden. Bugenhagen kritisiert eine solche Praxis, die zum Zentrum der vorreformatorischen Frömmigkeit gehört, mit deutlichen Worten. Damit nimmt er Erasmus’ Kritik der veräußerlichten Kirche und des entarteten Priestertums auf. Viele Priester sind bloße Meßpfaffen, ungebildet, ohne geistliches Format, nur an Essen, Trinken, Hurerei und Spiel interessiert. Bugenhagen bezieht sich hier ausdrücklich auf die populären Klagen über die sittlichen Mißstände im Klerus. Er sieht die Degeneration in jener kultischen Konzentration, die die sozialkaritative Dimension ausblendet, begründet und plädiert für eine Änderung im priesterlichen Verhalten. Die Geistlichen sollen die Apostel nachahmen und Männer der Barmherzigkeit sein, wodurch Verkündigung und Seelsorge anstelle der Messe ins Zentrum ihrer Tätigkeit rücken. Wie weit Bugenhagen noch von der reformatorischen Position entfernt ist, erweist sich daran, daß er die Meßopferlehre und -praxis nicht in Frage stellt. Er setzt sie als gültig voraus, 14 Vgl. z.B. den Sendbrief: Van dem Christen louen, 1526, Übs. bei Vogt, Leben, 171 f u.ö.; Lübecker Kirchenordnung, hg.v. Hauschild, 10.12.13 f u.ö.

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ordnet sie aber dem skizzierten Reformbild ein, indem er den Priester auffordert, das Altarsakrament in der Opferhaltung Jesu Christi darzubringen. Kleriker und Gläubige sollen sich also insgesamt darin den Aposteln gemäß verhalten, daß sie Jesu Hinweis befolgen, wonach Gott nicht Opfer, sondern Barmherzigkeit wolle. Wenn Bugenhagen seine Predigt so betont mit dem kultkritischen Wort Mt 9,13 beendet, dann wird daraus nochmals seine Reformintention deutlich. Er vertritt hier durchaus eine Position, die er später als Werkgerechtigkeit kritisiert, auch wenn er an die Stelle der kultischen die karitativen Werke setzt. Allerdings ermöglicht ihm die kritische Distanz zu der herkömmlichen Form der Heilsvermittlung, verbunden mit der Betonung des existentiellen Engagements der gläubigen Individuen, später einen Übergang zur reformatorischen Position, der nicht den völligen Bruch mit seiner früheren Lehre impliziert, weil er die Werke – nun deutlicher und biblisch korrekter – als unabdingbare Konsequenz des Glaubens ansieht. Für diese Auffassung läßt sich in der Klosterpredigt ein Ansatz erkennen. Dort sieht Bugenhagen die vom Christen geforderte Heiligkeit nicht erst im entsprechenden Tun, sondern schon in dem Bemühen darum gegeben. Denn Christus rechnet in seiner Güte das Bemühen als Heiligkeit an und wird die faktische Heiligkeit von sich aus bewirken. In dieser Reputationslehre steht das Bemühen (studium) an der Stelle, an der später in Bugenhagens reformatorischer Konzeption der Glaube an Christus (fides) steht. Daß dieser Text Anknüpfungspunkte für die spätere Auffassungsänderung Bugenhagens bietet, zeigt sich am deutlichsten in der durchgängigen Orientierung an der Bibel sowie in der Auslegung, die sich ständig schriftimmanent an einen bestimmten theologischen Grundsatz hält, den das Stichwort misericordia anzeigt. Es zeigt sich auch in der Distanz zum römisch-katholischen Prinzip der institutionellen Heilsvermittlung durch die Kirche, wie sie nicht nur in der Abkehr von der traditionellen Meßfrömmigkeit und Heiligenverehrung sichtbar wird, sondern sich auch in einem weiteren bemerkenswerten Umstand äußert: Diese Predigt wurde ja am Hauptfest des Klosters Belbuck gehalten, als viele Gläubige dorthin kamen, um den damit verbundenen Ablaß zu erlangen. Darüber verliert Bugenhagen kein einziges Wort. Er verweist die nach institutionell vermitteltem Ablaß Suchenden auf ihr eigenes Bemühen um eine moralische Heiligung als den Weg zu Christus. Das entspricht der erasmianischen Reformkonzeption, die sich gegen das System einer dogmatischen Kirchlichkeit an der Bibel ausrichtet. Der Abstand zu der durch Luther angestoßenen Reformation ist nicht zu übersehen. Was 1518/19 in den geistigen Zentren Deutschlands zur Ablaßproblematik diskutiert wurde, scheint Treptow/Belbuck noch nicht berührt zu haben. Doch Bugenhagen hat sich aufgrund seiner am Bibelstudium gewonnenen Erkenntnis einen eigenen Weg gebahnt, der zur Distanzierung vom alten kirchlichen System führt.

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3. Zur Textgestalt Der nicht datierte und nicht mit einer Überschrift versehene Text der Oratio ist nur handschriftlich überliefert in der von Bugenhagen selber stammenden, durch Marginalien gegliederten Reinschrift von zehn beidseitig beschriebenen Blättern. Diese wurde im Zusammenhang mit anderen Aufzeichnungen der Frühzeit von ihm aufbewahrt und später in einem Konvolut verschiedener Papiere tradiert. So geriet sie in den Sammelband Ms. theol. lat. oct. 41 der Königlichen Bibliothek Berlin, der heutigen Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.15 Da auf dem letzten Blatt im direkten Anschluß an die Predigt Bugenhagens eigenhändige Mitschrift/Abschrift der Einleitung von Melanchthons Theologica Institutio in Epistolam Pauli Ad Romanos beginnt, die nicht zur selben Zeit angefertigt worden ist, kann man die Aufbewahrung in Wittenberg auf die Zeit nach dem Frühjahr 1521 ansetzen. Warum nahm Bugenhagen diesen Text aus Treptow mit und bewahrte ihn zusammen mit dem Sendbrief an die Treptower16 sowie Vorlesungsmitschriften, Buchexzerpten u.a. aus der Studienzeit auf? Für Bugenhagen scheint dieser Text irgendeine Bedeutung gehabt zu haben, doch nirgends bezieht er sich später auf ihn; erst im Jahre 1835 ist er von Carl Eduard Förstemann entdeckt und publiziert worden. Für die Datierung steht als terminus ante quem Bugenhagens Abreise nach Wittenberg fest. Einen Hinweis auf den terminus post quem gibt der Text durch die Erwähnung der Ratio verae Theologiae des Erasmus17 , die zwar nicht wörtlich zitiert, aber benutzt wird bzw. bekannt ist. Demgemäß kann es sich nur um die Ausgabe der Ratio seu Methodus handeln, die im März 1519 in Basel als Einleitung zur zweiten Ausgabe des Neuen Testaments und bereits davor (1518) als separater Druck in Löwen erschien. Darauf hat schon Förstemann hingewiesen und deshalb die Jahre 1519 oder 1520 als Abfassungszeit angenommen. Gleichwohl haben spätere Bugenhagenforscher die Predigt auf die Zeit 1517–19 datiert. Die erste Auflage bzw. Vorform der Ratio – die Methodus, eine Einleitung zu Erasmus’ Edition des Neuen Testaments von 1516 – scheidet als Bezugspunkt von Bugenhagens Aussage aus, weil sie dafür keinerlei inhaltlichen Anhalt bietet. Deswegen ist eine Datierung der Predigt vor dem 29. Juni 1519 unmöglich. Es kommen mithin nur die Jahre 1519 und 1520 als Datum in Betracht. Die Predigt weist etliche Bezüge zum Belbucker Festtag auf, und Bugenhagen hat später (wahrscheinlich vor 1530 in einer handschriftlichen „Überschrift“) zu ihr bemerkt, er habe sie dort gehalten „noch als Jüngling und Papist, als in Belbuck das Volk zum Ablaß herzulief“18 . Es fällt jedoch auf, daß er auf die Ablaßpraxis überhaupt nicht eingeht und sich stattdessen auf das Thema konzentriert, wie sich ein rechter Priester verhalten müsse. Vielleicht hatte er zur Ablaßdiskussion schon einen gewissen Abstand gewonnen. Die Tatsache, daß er den handschriftlichen Text in derart sauberer Form nach Wittenberg mitnahm, 15 Ms.

theol. lat. oct. 41, 58r –67r . s.u. 71,1–79,32. 17 S.u. Anm. zu 54,19–21. 18 S.u. 51,1–2. 16 Text

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kann wohl damit erklärt werden, daß er ihn als Muster und Nachweis seiner exegetischen Fähigkeiten vorzeigen und sich damit als Erasmusadept präsentieren wollte. Das könnte die Annahme stützen, daß die Predigt eher 1520 als 1519 entstanden ist.

4. Verzeichnis der Siglen, Titel und Fundorte A [J. Bugenhagius Pomeranus, Oratio]. – SB Berlin. Preußischer Kulturbesitz, Sign.: Ms. theol. lat. oct. 41, 58r –67r . F Förstemann, Carl Eduard, Eine Predigt von Johannes Bugenhagen, im Kloster Belbuck gehalten, ZHTh 5, 1835, 1, 229–247. V Vogt, Carolus Augustus D., Joannis Bugenhagii Pomerani libelli duo [. . . ] I. Oratio d. Beatorum Petri et Pauli habita in monasterio Belbucensi, Greifswald 1856, 13–26 [Jubiläumsschrift der Greifswalder Theologischen Fakultät, hg.v. Johannes G. L. Kosegarten].

5. Literatur A) Quellentexte Bugenhagen, Johannes, Pomerania, hg.v. Otto Heinemann, Stettin 1900; ND hg.v. Roderich Schmidt, Köln/Wien 1986 (Pomerania, hg.v. Heinemann). – Pomerania. Faksimiledruck und Übersetzung der Handschrift von 1517/18, hg.v. Norbert Buske, übers.v. Lore Poelchau u.a., Schwerin 2008 (Pomerania, hg.v. Buske). – Van dem Christen louen vnde rechten guden wercken, wedder den falschen louen vnde erdichtete gude wercke. [. . . ], Wittenberg (Hans Barth) 1526. – Geisenhof Nr. 205; VD 16: B 9425 – Staatsarchiv Hamburg, Sign.: 4o A 650/41 (Van dem Christen louen). – Lübecker Kirchenordnung 1531, hg.v. Wolf-Dieter Hauschild, Lübeck 1981 (Lübecker Kirchenordnung). Breviarium Caminense, Hs. 2. Hälfte 15. Jh., SB Preuß. Kulturbesitz Berlin, Sign.: Ms theol. lat. qu. 208 (Breviarium Caminense). Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Werke, hg.v. Hajo Holborn und Annemarie Holborn, München 1933; ND 1964 (Holborn). – Ausgewählte Schriften, hg.v. Werner Welzig, Bd. 3, Darmstadt 1967 (Welzig 3). – Enchiridion militis christiani, LB V, 1704, 2–66; Holborn, 1933, 1–136 (Enchiridion). – Ratio seu Methodus compendio perveniendi ad veram Theologiam, LB V, 1705, 75–138; Holborn, 1933, 175–305 (Ratio). Hieronymus, Epistulae (CXXI–CLIV), hg.v. Isidor Hilberg, CSEL 56, 1918; 2 1996 (Hieron., Ep.).

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Jacob a Voragine, Legenda aurea vulgo historia lombardica dicta, hg.v. Johann Georg Theodor Graesse, Dresden/Leipzig 1846 (Legenda aurea, hg.v. Graesse). Luther, Martin, Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum. 1517, WA 1, 233–238; StA 1, 1979; 3 1987, 176–185 (Disputatio pro declaratione). Pommersches Urkundenbuch, hg.v. der Landesgeschichtlichen Forschungsstelle (Historische Kommssion) für die Provinz Pommern, VII. Bd. bearb.v. Hans Frederichs, Stettin 1934 (PUB). Ps.-Chrysostomus, In Matthaeum Homiliae Opus imperfectum, PG 56, 1859, 611–946 (Ps.-Chrys., Opus imperfectum, In Matth. Homil.). Vogt, Karl August Traugott, Johannes Bugenhagen Pomeranus. Leben und ausgewählte Schriften, LASLK 4, Elberfeld 1867, 17–27 (leicht gekürzte Übersetzung des Textes; Vogt, Leben).

B) Sekundärliteratur Hauschild, Wolf-Dieter, Johannes Bugenhagens Auseinandersetzung mit dem Katholizismus 1515–1521, in: Ostdeutsche Geschichts- und Kulturlandschaften, Teil III. Pommern, hg.v. Hans Rothe, Köln/Wien 1988, 85–110 (Auseinandersetzung). Holfelder, Hans Hermann, Tentatio et consolatio. Studien zu Bugenhagens „Interpretatio in librum Psalmorum“, AKG 45, Berlin/New York 1974 (Tentatio). Hoogeweg, Hermann, Die Stifter und Klöster der Provinz Pommern, Bd. 1, Stettin 1924 (Stifter). Jungmann, Josef Andreas, Missarum sollemnia, Wien 4 1958 (Sollemnia). Leder, Hans-Günter, Johannes Bugenhagens „Pomerania“. Humanistische Einflüsse auf die frühe Landesgeschichtsschreibung in Pommern, in: Pommern in der frühen Neuzeit. Literatur und Kultur in Stadt und Region, hg.v. Wilhelm Kühlmann/Herbert Langer, Tübingen 1994, 77–99, abgedruckt in: Ders., Pomeranus, 123–146 (Humanistische Einflüsse). – Johannes Bugenhagen Pomeranus – Vom Reformer zum Reformator: Studien zur Biographie, GthF 4, hg.v. Volker Gummelt, Frankfurt am Main u.a. 2002, 123–146 (Pomeranus). Paap, Walter, Das Kloster Belbuck um die Wende des 16. Jahrhunderts, Baltische Studien N.F. 16, Stettin 1912 (Belbuck).

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Hanc orationem ego J. Bugenhagius Pomeranus habui coram clericis adhuc iuvenis et papista, in Belbuc, accurrente populo ad indulgentias etc. Videre hic licet, quam libenter tunc voluerim esse Christianus, sed tempus adhuc erat errorum.

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Ut hodie verba faciam, quae tantae conveniant solemnitati beatorum Petri et Pauli apostolorum, et institutum meum postulat et vestra expectatio, alioqui libenter taciturus, ne viderer mihi sacrum arrogare magisterium. [C]um ergo ita res postulet, nihil moror quin meam prodam inscitiam, dum prosim vera locutus. Neque tamen existimet quispiam me iam encomium, hoc est laudem divorum, ut praedicatorum vulgus solet, cantaturum. Hi enim satis egregie de sanctis se dixisse putant, si ita eos laudibus vexerint ut vix deo praecessionis dignitatem relinquant, cum interim nihil dicant unde auditores reddantur vel pilo meliores, quod in primis fuerat curandum. Si illis licet minores sanctos ita immoderate et nullo auditorum usu subvehere: quis non videt, mihi item licitum fuisse verissimis laudibus et ex ipso quidem evangelico fonte exhaustis, cum de apostolis non quibuscumque sed primariis sermo esset habendus, quorum alter princeps apostolorum, alter doctor gentium appellatus est? Tamen abstinebo a gloria beatorum nobis inexperta, ut expeditius ad imitationem eorum provocare queam, quae sola facit coelestis nos regni consortes. Itaque faciat dominus noster Iesus Christus, ut dum non magna, saltem utilia loquar, non saecularis eloquentiae pompa, quod non possem etiamsi maxime affectarem, sed simplici veritatis sermone, immo si licet apostolica facundia quod optarim in primis: aut si id sperare non licet et indoctum et indignum, utatur saltem dominus noster | me ut instrumento suo quo audientium corda praeparet ad intromittendum spiritum veritatis. Ipse namque est aeterna dei sapientia de qua scriptum est: V Sapientia aperuit os mutorum et linguas infantium fecit disertasV . Et in evangelio ipse ait: V Ego dabo vobis os et sapientiam cui non poterunt resistere adversariiV . V Non enim vos estis qui loquimini, sed spiritus patris vestri qui loquitur in vobisV . Si tantum robur loquendi promittit discipulis adversus fidei hostes disputaturis, nos scilicet hodie fratres nostros sanctis monitis ad pietatem provocaturos deseret nihilque suo spiritu qui 1–2. Hanc ... etc. ] Späterer eigenhändiger Zusatz Bugenhagens. 3–4. Videre ... errorum. ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes Z. 6–23. 4. errorum ] F, V (falsch): erroris. 22. optarim ] F, V (falsch): optarem. 29. discipulis ] F: Istis . – V: Christus. (Die hier verwandte Abkürzung stimmt mit derjenigen 60r ,Z.1 überein.) 5–6. Ut ... apostolorum ] Vgl. Einl., 44. 9–10. Neque ... cantaturum. ] Vgl. die Polemik in Bugenhagen, Pomerania I,15 (hg.v. Heinemann, 44; hg.v. Buske, 94–97), wo er gegen das Erzählen von Heiligenlegenden das bibelbezogene Predigen betont. 16–17. quorum ... est ] Zu diesen geläufigen Würdeprädikaten vgl. das Brevier zum 29.

Juni: (Antiphon betr. Petrus) Tu es pastor ovium, princeps apostolorum; (Gebet) Sancte Paule Apostole, praedicator veritatis et doctor gentium, intercede pro nobis ad Deum, qui te elegit. 26. disertasV ] SapSal 10,21 (V). 27. adversariiV ] Lk 21,15 (V). 28. vobisV ] Mt 10,20 (V).

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Belbucker Klosterpredigt

nihil non potest iuvabit? minime id credimus. Verum ut haec in Christum fiducia nobis rata sit, matrem eius sanctissimam primum pro more salutemus.+ + ◦ Hi sunt viri misericordiae quorum iustitiae oblivionem non acceperunt, cum semine eorum permanent bona, hereditas sancta nepotes eorum.◦ Eccl. XLIIII. Antequam dixero, quid velim his verbis, sinite precor ut rationem reddam quare ita coeperim.

Thema

Non abhorreo multum ab illorum concionatorum sive praedicatorum consuetudine, qui dicturi locum sacrae scripturae suo themati, id est toti materiae sermonis, aptum proponunt; non abhorreo inquam sed laudo, modo non fiat vulgato more qui iam passim et auditur in concionibus et legitur in sermonum libris, quos mea lectione dignari non soleo, sacrarum potius studio literarum delectatus. Thema namque, quod vocant, quidam assumunt quam brevissimum et ad id anxie nimis et quandoque violenter toto sermone torquent quicquid possunt undecumque collectum, ne usquam vide-|antur a suo themate divaricari. Interim vellicant singulas pene sui thematis, ut appellant praefatiunculam suam, dictiones, id quod plus habet laboris quam utilitatis, cum tamen libri sermonum talibus sint refertissimi. [P]raestat interea caput aliquod vel si mavultis capitulum ex evangelio vel apostolicis scriptis populo interpretari, nisi malimus melius Christo praedicare. Considerate sermones Chrysostomi, Augustini, Leonis et aliorum: quid quaeso simile habent cum his neotericorum sermonibus? stultus tamen sim, si hos dixerim illis meliores. Quantum tamen non abiiciam immo probem hoc thematis praemittendi institutum, modo non ita fiat ut dixi, ita accipite: fit enim ut non solum basim ponamus futuri sermonis, sed etiam occasionem arripiamus plura ex sacris literis disputandi, et auditores audita nostra disputatione sive sermone, quoties recordantur thematis, toties fere sermonis sint memores. Saepe namque paucula verba sacrae scripturae, dum sunt pregnanti sententia, plurima meditandi praebent occasionem, quemadmodum experimur in quibusdam psalmorum locis, dum attente legimus, et in precibus nostris, dum capitulum quod dicitur legimus. Quapropter dicturus de largitate non inepte meo iudicio praemittet ex psalmo: V Dispersit deditV etc., de castitate ex evangelio: Beati qui se castraverunt propter regnum caelorum et ita vel aliter de aliis, modo ita arrepta occasione deinceps ardenter disputet quae ad eam rem pertinent. Hinc et ego nunc | de beatissimis Petro et Paulo verba facturus, quae nos ad imitationem sanctorum extimulent, si hoc mihi Christi gratia concedat, immo vestris desyderiis donet, exordior verbis 3–6. ◦ Hi ... coeperim ] Text am linken Rand nachgetragen. 17. Marg.: Thema ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes Z. 17–18. 20. habent ] F,V: (falsch) horum. 23. arripiamus ] F: accipiamus. 24. nostra ] V: mea. 26. plurima ] F, V: plurimam. 28. dicitur ] danach dicim gestrichen. 28. legimus. ] Abs. Hg. 2. matrem ... salutemus ] Seit dem späten Mittelalter war es üblich, daß der Prediger vor der Predigt ein Ave Maria sprach; vgl. Jungmann, Sollemnia I, 568. 4–5. Eccl. XLIIII ] Sir 44,10–12a. Bugenhagen hält sich mit dem Predigttext nicht an die liturgische Ordnung des Peter-Paul-Tages, für

den Sir 44 weder im Missale noch im Brevier vorgesehen ist. Er knüpft an die Lesung Apg 3,1–10 an (s.u. Anm. zu 54,8–9) und wählt für sich als Text aus der Lesung der Peter-PaulOktav (6. Juli) Sir 44, 10–15 den Anfang. 30. deditV ] Ps 111,9 (V). 30–31. Beati ... caelorum ] Vgl. Mt 19,12.

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ex Eccles. c. xliiij depromptis. ◦ Hi, inquit, sunt viri misericordiae◦ etc., quae verba cum generatim de viris a deo probatis dicta sint, ut illic videre licet, quis inficias ire poterit in apostolos nostros prae caeteris competere? Id quod et nostra ecclesia affirmat, quae talia legit de divis Petro et Paulo die abhinc octavo. Talia si recte meditemur, viam monstrant, qua sequamur sanctos ad gloriam, de talibus aliquid vestris auribus inculcabo. Nam si de excellentia apostolorum mihi iam futurus fuisset sermo, quis nescit eos amicos a Christo appellatos? V Iam, inquit, non dicam vos servosV etc., de quibus ipse in psalmo: V Mihi autem nimisV etc., V In omnem terramV etc.; V Pro patribus tuis (ait pater ad filium) nati suntV etc. Et rursum: V Principes populorumV etc. Aut quis ignorat de Paulo dictum: V Vas electionis est mihi iste ut portetV etc.? Nemo est qui non admonetur vel hodie Petro dictum: ◦ Tu es Petrus◦ etc., V Et tibi daboV etc. Aut quis Christianorum dubitat de eo, quod apostolis dictum est: Vos qui reliquistis etc. Quamquam id quod sacerdotum maxime interest scire, non soli Petro sed et caeteris apostolis datae sunt claves regni caelorum, ut legis Io. xx: ◦ Accipite spiritum◦ etc. Quin et idem evangelista Matthaeus, qui scribit c. xvj dominum dixisse Petro: V Et tibi daboV , scribit | c. xviij dixisse discipulis: V Amen dico vobis, quaecumque alligaveritis super terram, erunt ligata et in caelo, et quaecumque solveritis super terram, erunt soluta et in caeloV . Videtis, quam ingens sylva mihi fuisset de praecellentia apostolorum, ut non inopia verborum ad haec infima descenderim, quae dicturus sum: quae tamen ita infima sunt, ut sine iis ad summa non perveniatur. Ego, ut palam loquar, fratres mei, infirmitatis meae conscius libenter lego, si quid infirmitatis deprehendo in sanctis fuisse viris non quo, ut quidam solent, vitia mea excusem aliorum erratis, sed ut maiorem consolationem habeam ex spe veniae. Audio Petrum principem apostolorum, non possum Petrum imitari, non ergo id multum mea refert. Audio Petrum ter Christum negasse attamen resipiscentem meruisse veniam. Hoc mihi negatori amplexandum, hoc mordicus tenendum. Siquidem illud dignationis Christi est, hoc vero infinitae misericordiae, cum sciam ex Esaia, ne hodie quidem manum domini abbreviatam ut salvare non 4. octavo. ] Abs. Hg. 6. Marg.: Excellentia ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 6– 10. 13. reliquistis ] davor Secuti gestrichen. – fehlt F,V. 15. legis ] F: legimus. – V: legitur. 19. Videtis, quam ] V: Videte, quae. 20. infima ] F: infirma. 21. perveniatur. ] Abs. Hg. 22. Marg.: Infirmitas ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes Z. 22–25. 26. attamen ] V: et tamen. 1. misericordiae◦ ] Sir 44,10. 3–4. Id ... octavo. ] Für die Peter-PaulOktav sieht das Missale die Lesung Sir 44,10– 15 vor; s.o. Anm. zu 52,4–5. 8. servosV ] Joh 15,15 (V). 8. nimisV ] Ps 138,17 (V). 9. terramV ] Ps 18,5 (V). 9. suntV ] Ps 44,17 (V). 10. populorumV ] Ps 46,10 (V). 11. portetV ] Apg 9,15 (V). 12. Petrus◦ ] Mt 16,18. 12. daboV ] Mt 16,19 (V). – Mt 16,18 f ist der zentrale Text in den Lesungen der Stundengebete und des Hochamts des Festtages „hodie“.

13. Vos qui reliquistis ] Vgl. Mt 19,27 f. 15. spiritum◦ ] Joh 20,22. 17. daboV ] Mt 16,19 (V). 19. caeloV ] Mt 18,18. 22. fratres mei ] Adressaten der Predigt sind die Mönche von Belbuck, evtl. auch die Kleriker von Treptow. 25. principem apostolorum ] S.o. Anm. zu 51,16–17. Graduale und Offertorium des Tages: V Constitues eos principesV , Ps 44,17b (V). 26–27. Audio ... veniam. ] Vgl. Mt 26,69–75; Joh 18,27; 21,15–19. 53.29–54.1. ne ... possit ] Vgl. Jes 59,1.

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Excellentia

Infirmitas

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Viri misericordiae Apostoli

Belbucker Klosterpredigt

possit. Haud dissimiliter audio Paulum vas electionis, ut portet nomen Christi coram etc., cui quaeso sperare licet similia? Rursus audio, quod ipse scribit de se: V Qui prius fui blasphemus etc. – amenV , quis haec audiens non inardescit animo cupiens deponere veterem hominem cum omnibus actibus suis et induere novum hominem, qui secundum deum creatus est, in iustitia et sanctitate veritatis, certus de dei misericordia, quam primum in Paulo nobis exhibuit? Ergo ita meditemur historias sanctorum ut, quod ad nos quam maxime | pertinet, in primis amplectamur. Hilari arridentique fronte audire solemus ex actis apostolicis, quod claudus sanatus a Petro mox ex[i]liit et ingressus in templum ambulaverit et deum magnificaverit cunctis qui aderant repletis stupore et extasi prae miraculi huius magnitudine. Sed cur quoque verba Petri non meditamur, quae praemisit huic facto: Aurum, inquit, et argentum non est mihi. Sed sunt quidam avariores, quam ut ista stomacho eorum sapiant; quorum quidam etiam talia videre non verentur, quorum exemplum legis Lucae xvj, ubi cum dixisset dominus: ◦ Non potestis deo servire et mammonae◦ . ◦ Audiebant, inquit, omnia haec pharisaei, qui erant avari, et deridebant eum◦ . Verum ne diutius oratio mea huc illucve dilabatur, iamiam quod institueram aggrediar pronuncians de beatis apostolis nostris: ◦ Hi sunt viri misericordiae◦ etc. Misericordia Hebraeorum more significat beneficium in alios collatum, quod indicavit in ratione verae the[ologiae] Erasmus ille cuius memoria apud posteros non delebitur. De quo si quis dubitat, dictum salvatoris attendat: ◦ Beati, inquit, misericordes quoniam ipsi misericordiam consequuntur◦ . Et Lucae x: Ille fuit vulnerato proximus qui fecit misericordiam in eum. Audis itaque misericordiam nihil aliud quam beneficium significare. At qui sunt viri misericordiae, nisi qui misericordiam exhibent et beneficia expendunt in indigentes? Quomodo ergo Petrus et Paulus viri sunt misericordiae?| Nonne quaeso magna erat misericordia et beneficium ingens, quo homines afficiebant, postquam a Christo acceperant potestatem, sanantes infirmos, caecos, claudos ita ut quemadmodum acta apostolica referunt: V in plateas eiicerent infirmos et ponerent in lectulis ac grabatis ut veniente PetroV etc. Nonne tanta charitate erga homines flagrabant, cum viam eis aperirent salutis, salutiferam Christi doctrinam, quae 3. prius ] F: primus. 6. exhibuit? ] Abs. Hg. 9. ex[i]liit ] V: exiliit. – F: exiverit; vgl. Apg 3,8: exiliens. 14. legis ] V: legimus. 16. eum◦ . ] Abs. Hg. 19. Marg.: Viri ... Apostoli ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 17–20. 25. indigentes? ] Abs. Hg. 30. PetroV ] V: Petro saltem umbra illius obumbraret quemquam illorumV . 1–2. audio ... coram ] Vgl. Apg 9,15. 3. amenV ] 1Tim 1,13 (–17) (V). 4–5. cupiens ... veritatis ] Vgl. Kol 3,9 f; Eph 4,24. 8–9. audire ... apostolicis ] Zum folgenden s. Apg 3,1–10, die Lesung des Breviers für die Mette am 29. Juni. 12. Aurum ... mihi ] Vgl. Apg 3,6. 15. mammonae◦ ] Lk 16,13. 16. eum◦ ] Lk 16,14. 18. misericordiae◦ ] Sir 44,10a. 19–21. Misericordia ... delebitur. ] Erasmus

(mit einer dem Predigttext nahen, an Sir 44,9 orientierten Bemerkung hervorgehoben), Ratio (LB V, 121; Holborn, 267,6 f; 13 f): Hebraicum est pronomen ex supervacuo addere: [. . . ] honor pro subsidio, misericordia pro beneficentia. 22. consequuntur◦ ] Mt 5,7. 22–23. Ille ... eum ] Vgl. Lk 10,37; 10,29. 27–28. a Christo ... claudos ] Vgl. Lk 9,1 f; Mt 10,8. 30. PetroV ] Apg 5,15 (V).

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sola a diabolica fraude liberat, praedicantes, ut quo alii salvarentur ipsi non dubitarint subire probra, flagra, vulnera, mortem; quemadmodum dicunt in psalmo ita interpretante Paulo Ro. viij: V Propter te mortificamur tota die; aestimati sumus sicut oves occisionisV . Quod quaeso beneficium aut quam misericordiam non praestituri erant, qui vitam quoque suam pro ovibus Christi exponebant? Et praeterea ipsam misericordiam absolvendi a peccatis, o quanta liberalitate impendebant omnibus poenitentibus, id est, ut latine dicam, omnibus ex animo resipiscentibus, hoc est, ut aperte dicam, omnibus qui vitam perversam relinquentes vitae novitatem cum Christo resurgente amplexari studebant. A quibus nihil penitus exigebant poenarum, immo abiecto onere peccatorum suave iugum Christi et onus leve cervicibus eorum imponere satagebant. Vis audire quam poenitentiam, ut ita loquar, iniungebant? Dicat ipse Paulus Ro. vj: V Humanum dico propter infirmitatem carnis vestraeV , id est leve quiddam et quod sufferre potestis, immo dulce futurum ferentibus. Sicut exhibuistis etc.| Dicat et ipse Petrus ep. 1: V Deponentes, inquit, omnem malitiam et omnem dolum et simulationes et invidias et omnes detractiones sicut modo geniti infantes rationabiles et sine dolo lac concupiscite, ut in eo crescatis in salutem, si tamen gustatis quod dulcis est dominusV . Sed quare nihil exigebant praeter novitatem vitae? Quoniam inquam audierant a Christo: Vade, amplius noli peccare, ne quid tibi deterius contingat. Sunt igitur beatissimi apostoli viri misericordiae qui tanta in proximos pietate effluebant. Quod autem sequitur: ◦ Quorum iusticiae oblivionem non acceperunt◦ , vel ut nostra habet translatio: V Quorum pietates non defueruntV , quid sibi velit, quid opus est interpretatione? [Q]uis enim dubitat eos sanctos usque in finem huius mortalis vitae pietatis operibus claram navasse operam? Aut secundum priorem translationem, quis dicere audet eorum iusticias, id est iusta opera, oblivionem accepisse; maxime cum et hodiernus dies toti Christianitati celebris eorum sanctitatem testetur, ita ut immortalis sit memoria eorum, nam et apud deum nota est et apud homines. Hi ergo sunt viri misericordiae quorum iusticiae oblivionem non acceperunt. Iamiam autem videamus caetera. V Cum semine, inquit, eorum permanent bona, hereditas sancta nepotes eorum.V Huc, fratres mei, iam tandem arrigite aures. Iam nostra res agitur. Neque iam de apostolis futurus est sermo, sed de nobis. Quod enim est semen | apostolorum nisi filii apostolorum? [N]am semen id Hebraeorum idiomate significat. Aut qui nepotes apostolorum, nisi posteri eorum et ex eis non secundum carnem, sed secundum spiritus sancti doctrinam prognati? Qui vero alii vel filii vel nepotes eorum nisi nos Christiani et inprimis nos Christi sacerdotes, quibus commissa est consecratio dominici corporis et sanguinis et 1. salvarentur ] V: sanarentur. 4. occisionisV ] Abs. Hg. 20. contingat. ] Abs. Hg. 32. Marg.: Semen apostolorum ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 31–34. 4. occisionisV ] Röm 8,36; Ps 43,23 (V). 9–10. omnibus ... studebant ] Vgl. Röm 6,4. 14. vestraeV ] Röm 6,19 (V). 15. Sicut exhibuistis ] Vgl. Röm 6,19. 18. dominusV ] 1Petr 2,1–3 (V).

20. 22. 23. 32.

Vade ... contingat ] Vgl. Joh 8,11; 5,14. acceperunt◦ ] Sir 44,10b. defueruntV ] Sir 44,10b (V). eorum.V ] Sir 44,11–12a (V).

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Semen apostolorum

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Bona

Hereditas sancta

Belbucker Klosterpredigt

praeterea absolutio a peccatis, si qui veniunt ad nos vere poenitentes, id est ex animo resipiscentes? De quo semine et filiis in psalmo dicitur: V Filii servorum tuorum habitabunt et semen eorum in saeculum dirigeturV . Servi dei sunt prophetae, apostoli, aliique sancti viri, qui deo placuerunt. Filii autem eorum sunt, qui doctrinam eorum vitae conversatione exprimere satagunt; isti, inquit, habitabunt – ubi, quaeso? non dixit neque in terra neque in caelo, sed absolute habitabunt, et pulchre id per spiritum sanctum dixit propheta. Habitabunt, inquit, id est habitationem habebunt; caeteri vero, qui non sunt filii sanctorum, non habitabunt sed exules erunt, quemadmodum salvator dixerat: Amen, dico vobis, quod venient ab oriente et occidente et recumbent cum Abraam, Isaac et Iacob in regno caelorum, filii autem regni eiicientur etc. Et additur: V Et semen eorum in saeculum dirigeturV , id est in directione et rectitudine sive iusticia perseverabit. Ista nempe est maxima gratia dicente Christo: V Qui autem perseveraveritV etc. Quod Hieronymus ex hebraeo expressius transtulit.| Nam ubi nos ex lxx interpretibus graece transferentibus legimus: V Et semen eorum in saeculum dirigeturV , ipse Hieronymus ex hebraeo ita legit: V Et semen eorum ante faciem tuam perseverabitV . Cum isto ergo semine permanent bona. [Q]uae inquam bona? non haec, quae mundus bona ducit, ut sunt fortunae, dignitates, honores, voluptates, sed vera bona, quae sunt remissio peccatorum, studium novae conversationis, communio corporis et sanguinis domini nostri Iesu Christi, et pabulum vitae aeternae in sacris literis nobis traditum. Siquidem: V [N]on in solo paneV etc. Denique ipse ait: Ecce ego vobiscum sum usque ad consummationem saeculi. Quomodo igitur cum semine sanctorum id est nobiscum non permanent bona, cum quibus ipse omnis bonitatis fons dominus noster Iesus Christus continuo habitat usque in finem saeculi? Praeterea parum fuit ei habitare nobiscum, nisi etiam unum nobiscum efficeretur. Sic enim ait: V Qui manducat meam carnemV etc. Quis potest tantae dignationis pondus percogitare? Sed ne protinus hinc nobis placeamus, cum audimus tanta bona cum semine sanctorum permanere, quibus et post hanc mortalem vitam debetur beata immortalitas, illud potius expendamus, num vere simus semen sanctorum et non solo nomine. Quomodo, inquis, hoc intelligam? Audi quod sequitur. V Hereditas, inquit, sancta nepotes eorum.V Nepo-|tes posteri sunt et iidem, qui ante semen dicti sunt. Hi sunt hereditas sancta, quandoquidem suis posteris, quos in Christo, ut ait Paulus, per evangelium genuerant, non aurum aut argentum reliquaque ter2. resipiscentes? ] Abs. Hg. 17. perseverabitV . ] Abs. Hg. 18. Marg.: Bona ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 18–19. 18. non ] davor nisi gestrichen. 28. percogitare? ] Abs. Hg. 30. debetur ] V: dabitur. 31. vere ] davor si gestrichen. 32. solo ] V, F: solum. 33. Marg.: Hereditas sancta ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 29–32. 4. dirigeturV ] Ps 101,29 (V). 10–12. Amen ... eiicientur ] Vgl. Mt 8,11 f. 12. dirigeturV ] Ps 101,29 (V). 14. perseveraveritV ] Mt 10,22 (V); 24,13 (V). 16. dirigeturV ] Ps 101,29b (V.G).

17. perseverabitV ] Ps 101,29b (V.H). 22. paneV ] Mt 4,4 (V). 22–23. Ecce ... saeculi ] Vgl. Mt 28,20. 27. carnemV ] Joh 6,55 (V). 33. eorum.V ] Sir 44,12a (V). 34–35. quos ... genuerant ] Vgl. 1Kor 4,15.

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rena bona reliquerunt, quae omnia ut stercora, ut Pauli verbis utar, reputaverant ut Christum lucrifacerent, non ista, inquam, reliquerunt suis sed sanctitatem et innocentiam. Quicumque ergo sancte vivunt in Christo, illi sunt filii et hereditas apostolorum, immo ut dicitur Io. j, filii sunt dei, non illi qui solo nomine sunt Christiani aut sacerdotes, quos nominis dignitas gravabit potius quam iuvabit. In carnali propagatione non raro fit, ut probus pater filium indignis viventem moribus suum neget filium. Id namque vulgo dicitur: „Saepe solet filius similis esse patri“. Et ubi de sola spirituali propagatione mentio fit, audebimus dicere filios spirituales, qui nihil habent cum spiritu commercii, sed sola carnalia sapiunt? Vide ut non ego, sed Christus haec Io. viij dicit, ubi negat Iudaeos, quibus loquebatur, filios Abraae, quamvis ex carne Abraae genitos, quod patrem Abraam operibus non referrent. Immo dicit eos ex patre esse diabolo, quem imitari studebant, id quod nobis in primis horrorem incutiat, ne praesumamus nos esse filios sanctorum et hereditatis eorum participes futuros, si non et ipsi sancti simus. At inquis: sanctus esse non possum. Recte tu, inquam. Nam neque sanctitatem tibi arrogare debes. Sed stude | esse sanctus, et id studii Christus pro sua benignitate reputabit tibi ad sanctitatem. Unde Hieronymus: Bonam, inquit, habet Christianismi partem, qui toto pectore cupit fieri Christianus. Et nato salvatore audis angelos ex caelo canentes: Pax in terra hominibus bonae voluntatis, Sive, ut ex graecis legitur: E In terra pax, hominibus bona voluntasE . Id quod in nostri consolationem libenter dico, studeamus esse pii, faciet quandoque procul dubio Christus, ut vere pii simus. Verum aiunt quidam perversae voluntatis homines, cum in aurem confitentur sacerdoti peccata: Ita peccavi, poenitet me, hoc est bonam voluntatem habeo ab illicitis abstinendi. Tace, precor, homini mentiri potes, deo non potes. Sacerdos tibi apponit manum dicens: Absolvo te. Iam nihil mutans de pristina vita, ea fiducia vadis ad sacramenta dominica ipsis angelis veneranda. Stulte, quis peccata dimmittit, Deus an homo sacerdos? Sacerdos solum minister est, cui ut deo confiteris, et ipse te vice dei absolvit a peccatis. Si es impoenitens, nihil facit sacerdos, quia nihil facit Christus; dicit namque sacerdos Autoritate domini nostri Iesu Christi: „absolvo te“, et autoritas data a Christo sacerdotibus est, ut absolvant poenitentem id est a mala vita resipiscentem, quem vero perdurantem in malo proposito invenerint, huic peccata retineant. Sic enim dedit autoritatem. V Quorum, inquit, remiseritisV etc. Breviter dico: Sacerdos impoenitentem absolvens | facit aut sciens aut ignorans. Si ignorat, excusatus est, quia bona fide fecit 3. innocentiam. ] Abs. Hg. 16. Recte tu, inquam. ] F: recte tu inquis. 17. debes. ] Abs. Hg. 18. Marg.: Voluntas ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 18–20. 23. quandoque ] V: quoque. 1–2. quae ... lucrifacerent ] Vgl. Phil 3,8. 5. filii ... Dei ] Vgl. Joh 1,12. 11–13. Christus ... referrent ] Vgl. Joh 8,39 f. 19–20. Bonam ... Christianus ] Vgl. Erasmus, Enchiridion (LB V, 16C; Holborn, 46,37–47,1). Bei Erasmus steht ein Hieronymuszitat etwas weiter oben im Text; vgl. ebd. (Holborn, 46,30–33) mit Hieron., Ep. ad Ru-

sticum monachum (CSEL 56, 118,3–5). Bugenhagen nimmt offenbar an, dass auch die von Erasmus zitierte Sentenz zu diesem Zitat gehört. 21. Pax ... voluntatis ] Vgl. Lk 2,14 (V). 22. voluntas.E ] Lk 2,14 (E). 35. remiseritisV ] Joh 20,23 (V).

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Voluntas

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Viri misericordiae nos

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et homo falli potest, nec tamen ille impoenitens per hoc absolutus est deo non approbante, quod factum est, qui corda intuetur. Aut scit impoenitentem, ut iam mutuum muli scabunt, et fornicarius fornicarium absolvere conatur, dico vobis verbis Christi: Si caecus caeco ducatum etc. Solus deus remittit peccata, dicente etiam psalmo: V Dixi confiteborV etc. Vis ergo vere absolvi, depone pristina peccata, esto homo bonae voluntatis, semel depone malam vitam, et incipe in novitate vitae ambulare. Alioqui nunquam erit animo tuo pax coram deo, id est in tua conscientia. Non enim est pax impiis, dicit dominus secundum Esaiam. Iam dicit mihi aliquis: Durus es, condemnas alios. [Q]uid, si vera dicam? Si durus sim, experire: venito ad me, confitere delicta; si invenio te hominem bonae voluntatis, quantacumque etiam peccata habeas, quantumcunque etiam impie contra deum egeris, recipiam te, nihil aliud dicam: Vade, amplius noli peccare, ne tibi quid deterius contingat. Et ita experieris me tibi mitissimum, quem durum aestimabas. Et si es adhuc homo malae voluntatis, noli me gravare quasi debeam te absolvere, quem absolvere non possum. Sed quare tam faciliter absolvam poenitentem? quia et ego ita cupio absolvi a meis peccatis, itaque faciam secundum Christi regulam et Tobiae doctrinam: Quod tibi vis etc. Nam et ego homo miser sum infirmitate nimia circumdatus, qui cogitare debeo, dum aliorum vitia taxo, quod Paulus dicit: Si quis, inquit, inter vos peccaverit, huiusmodi hominem in spiritu lenitatis corripite, consyderans etc.| Ergo, ut revertar, simus sancti aut saltem quoad licet studeamus esse sancti id est immunes a peccatis, et id studii Christus pro sua benignitate reputabit nobis ad sanctitatem, qui ait: Sancti estote, quoniam ego sanctus sum dominus deus vester. Et rursum: Sacerdotes incensum et panes offerunt deo suo et ideo sancti erunt et non polluent nomen eius. Hoc de sacerdotibus carnalis testamenti dictum est, quanto magis praestandum est, ut simus sancti non polluentes nomen domini, qui incensum orationum et panes corporis Christi deo offerimus. Et ita de nobis vere potest dici: V Cum semine ◦ sanctorum◦ permanent bona, hereditas sancta nepotes eorumV . Tunc vere quod dixi semen eorum et nepotes erimus, si moribus eorum sanctitatem exprimere conabimur. At dicis: [Q]uam sanctitatem? aut in quo est illa sanctitas eorum? Audisti iam nihil sanctitatis nisi hoc: ◦ Hi sunt viri misericordiae, quorum iusticiae oblivionem non acceperunt◦ . Ideoque et nos vestigia patris sequentes simus viri misericordiae, ut si habemus sublevemus pecunia nostra egenum, solemur moestum, doceamus ignarum, arguamus peccantem, atque haec omnia propter Christum, quandoquidem nihil nobis praeceptum est nisi charitas dei et proximi, in qua dicente salvatore pendet lex et prophetae, et in extremo iudicio nihil a nobis aliud requi8. Esaiam. ] Abs. Hg. 23. quoniam ] V: quum. 23. sum ] F, V: sim. 30. conabimur. ] Abs. Hg. 33. Marg.: Viri ... nos ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 31–36. 4. Si ... ducatum ] Vgl. Mt 15,14. 5. confiteborV ] Ps 31,5 (V). 8. Non ... dominus ] Vgl. Jes 48,22; 57,21. 12. Vade ... peccare ] Vgl. Joh 8,11. 17. Quod ... vis ] Vgl. Mt 7,12; Lk 6,31; Tob 4,16. 19–20. Si ... considerans ] Vgl. Gal 6,1.

22–23. Sancti ... vester ] Vgl. Lev 19,2. 23–25. Sacerdotes ... eius ] Vgl. Lev 21,6 28. eorumV ] Sir 44,11–12a (V). 33. acceperunt◦ ] Sir 44,10. 36–37. charitas ... prophetae ] Vgl. Mt 22,37– 40.

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retur. Esurivi, inquit, et dedistis etc. Sed o caelum, o terra, quid dicam? Rogo vos Christi sacerdotes, dum vera dico, dum periculum ostendo, audite me patienter, si non potestis audire libenter.| Cogit nos sacerdotes evangelium Christi, ut semper praedicemus dicentes nihil aliud esse praeceptum Christianis quam charitatem dei et proximi. Haec nihil aliud est, quam ut benefacias sive, ut iam loquimur, misericordiam exhibeas indigenti proximo propter deum et ut abstineas ab illicitis itidem propter deum. Haec saepe praedicamus populo. At est aliquis e plebe qui sive sanus sive infirmus cupit de abundantia sua opus exercere pietatis, vult pro Christo de facultatibus suis dare. Mox nos pii scilicet sacerdotes obliti, quod praedicavimus, non suademus illi homini: da pauperibus, da debilibus, caecis et paralyticis, da orphanis, da vicino aut civi tuo, qui erubescit mendicare et alieno premitur aere, da illis egenis virginibus, ne ob inopiam prostitutae cogantur infamem ducere vitam. Sed quid dicimus? Hoc nempe: O bone vir, O bona mulier, bene facis, quia tua vis pro Christo dare. Vis ergo bene consultum tuae saluti, da ad unam perpetuam memoriam, da ad perpetuam missam, ad illam stationem. Et ita obliti misericordiae in proximum, quam tamen ut par est semper praedicamus, nos omnes quaerimus, ut verbis Pauli utar, quae nostra sunt non quae Iesu Christi. Ego ne obulum quidem ad tuam perpetuam missam aut ad tuam memoriam darem. Sacerdos es, sacrifica deo sacrificium laudis, sacrificium Christi; quod si sacrificare non vis nisi pecunia redemptus, pecunia tua tecum erit in perditionem. At dicis: [U]nde vivam? Crede mihi, immo crede Christo: [S]i primum | quaesieris regnum dei et iustitiam eius, haec omnia adiicientur tibi; quod si Christo non credis, impius es, nec opus habeo, ut tecum contendam. Si bonos sacerdotes ageremus, profecto non deessent pii homines, qui affatim nobis omnia ministrarent. Iam sine delectu multi fiunt sacerdotes sine utilitate ecclesiae, immo unde scandala multa oriuntur; preter missam enim nihil noverunt, reliquum tempus comessatione, ebrietate, scortatione, globo, alea, serotina ad tres aut quatuor horas compotatione et inutilibus fabulis deducunt, qui ne horam quidem absque tedio rebus divinis impendere possunt. Credimus quorundam laicorum vitam longe esse meliorem. Ignoscite, boni sacerdotes, de omnibus non loquor, alioqui et me cogitate sacerdotem, quamquam quod mea conscientia dictat omnibus modis indignum. Quis absque culpa? Iam fornicatio clericorum passim reprehenditur, et bene. Hinc enim factum est, ut et boni sacerdotes propter malorum mores sint fabula vulgi et puerorum cantilena. Verum si caste vivis, ne protinus te aliquid esse puta. Magna est namque victoria, si vincas libidinem; sed crede, si vis: multo maior est victoria, si vincas inanem gloriam, si vincas iram, si vincas studium pecuniae; haec tanto pestilentius solent tenere animam quanto 24. contendam. ] Abs. Hg.

37. inanem ] F: tamen.

1. Esurivi ... dedistis ] Vgl. Mt 25,35. 15–16. da ad unam ... stationem ] Stiftung einer Fürbitte (memoria) bzw. einer privaten Seelenmesse (missa) am Todestag für ewige Zeiten sowie Stiftung einer oder Beteiligung an einer Wallfahrt (statio).

17–18. nos ... Christi ] Vgl. Phil 2,21. 22–23. [S]i ... tibi ] Vgl. Mt 6,33. 26–30. Iam ... possunt. ] Zur Kritik an den sittlichen Mißständen im Klerus vgl. auch Pomerania I,7 (hg.v. Heinemann, 22; hg.v. Buske, 50–53).

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occultius. Porro si vis exempla: Beatus Laurentius thesauros ecclesiae dedit pauperibus non ad perpetuam missam. Beatus Nicolaus suo auro succurrit inopiae virginum, redemit captivos, defendit occidendos famemque suorum depulit civium. Quid de beato Martino dicam aut quid de caeteris? Dic mihi vel unum quem nosti ex sanctis, quos imitari | oportet, qui neglecta misericordia in proximum ita missas instituit et memorias ut nunc. Quomodo ergo sumus filii sanctorum? Fateor fateor, sacerdoti debetur victus et amictus, sed cui sacerdoti? Audi Paulum, ne me in ius vocandum existimes. Presbyteri, inquit, qui bene praesunt etc. [D]e verbo et doctrina sacerdotis dicit, non de missa, quod si ocio ociosior es, quis tibi aliquid debet? ut interim non dicam si scandalum es populo Christiano. Quisque sacerdos, si pie vivit, offerat quoties vult altaris sacrificium, non alia plane intentione quam Christus obtulit in cruce. Aliter autem vivens aut abstineat a vitiis aut longe faciat se ab altari, ne iudicium sibi manducet et bibat. Est enim sanctorum communio, non impurorum. Sancti igitur estote, quia, ut Tobias dicit, filii sumus sanctorum, semen et nepotes iustorum, et haereditas sancta, quam Christus possideat in aeternum; quod tunc praestabimus, si simus viri misericordiae, aliorum inopiae subvenientes, quemadmodum dixi, et quam misericordiam pene praeterieram; si quis peccatis gravibus ad nos sacerdotes venit vere poenitens, simus viri misericordiae, non dimittamus eum absque consolatione sed cum hilaritate vultus eum offeramus deo, quemadmodum laetus pater filium recepit prodigum. [Q]uod si erramus, ait Chrysostomus, modicam iniungentes poenitentiam, tutius est de misericordia quam de severitate coram deo reddere rationem. Itaque si ubique studuerimus viri esse misericordiae, non opus habemus alia perpetua memoria. Nam haec memoria coram deo non delebitur; sic enim additur: ◦ Quorum iustitiae oblivionem non acceperunt◦ . In extremo namque iudicio non dicturus est: fecisti unam perpetuam missam, fecisti | unam perpetuam memoriam, sed: ◦ Esurivi◦ etc. Potestne Christianus quispiam contra haec dicere? Audite rursus Paulum: V Exerce, inquit, teipsum ad pietatem. Nam corporalis exercitatio ad modicum utilis est, pietas autem ad omnia utilis est promissionem habens vitae quae nunc est et futuraeV . Vides, ut Paulus omnia alia opera contemnit prae pietate id est misericordia, quam exhibemus in proximos. 6. nunc. ] Abs. Hg. Abs. Hg.

11. Quisque ] F: Quisquis.

1–2. Beatus ... missam. ] Luther weist in der 59. seiner 95 Thesen darauf hin, daß Laurentius schließlich alle Armen, Lahmen und Blinden als Schatz der Kirche vor Kaiser Decius brachte; Bugenhagen bezieht sich auf die Verteilung von materiellen Gütern an Arme, die der Archidiakon Laurentius vor seiner Verhaftung durch Decius durchführte. Vgl. Luther, Disputatio pro declaratione, WA 1, 236,16 f; StA 1, 182,6 f. – vgl. Legenda aurea, Cap. CXVII (112), hg.v. Graesse, 490 f. 2–4. Beatus ... civium. ] Vgl. Legenda aurea, Cap. III, hg.v. Graesse, 22–29.

23. rationem. ] Abs. Hg.

32. proximos. ]

4. Quid ... caeteris? ] Vgl. Legenda aurea, Cap. CLVVI (161), hg.v. Graesse, 741–750. 9. Presbyteri ... praesunt ] Vgl. 1Tim 5,17. 14. ne ... bibat ] Vgl. 1Kor 11,29. 15. filii ... sanctorum ] Vgl. Tob 8,5. 15–16. semen ... sancta ] Vgl. Sir 44,11 f. 21–23. [Q]uod ... rationem. ] Vgl. Ps.-Chrys., Opus imperfectum, In Matth. Hom. xliij (PG 56, 878). 26. acceperunt◦ ] Sir 44,10b, s.o. 55,22–23. 28. ◦ Esurivi◦ ] Mt 25,35.42. 31. futuraeV ] 1Tim 4,7–8 (V).

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Igitur vos Christi sacerdotes, quos omnes in Christo et diligo ut fratres et veneror ut dominos meos, vos inquam obsecro per dominum nostrum Iesum Christum, ne multa quae dixi accipiatis, quasi obiurgare venerim, sed cogitate me voluisse quod rectum est admonere, non ex me sed ex sacris literis, non praesumptione magisterii sed charitatis dictamine. Christum testor, charitas me talia dicere coegit. Obsecro praeterea, ut et erga me sitis viri misericordiae orantes dominum communem Iesum Christum, ut quod rectum monui ipse opere praestare queam; meam agnosco imbecillitatem iccirco misericordiam desidero. Multa quidem dixi, ob quae possem in ius trahi, non quasi vera non sunt, sed quia maledicta nostra tempora aliter sentiunt. Iccirco unum adiungam velut orationis meae coronidem, quod non interpretabor, sed cordibus vestris ruminandum tradam, et vel ex hoc uno poteritis deprehendere veritatem omnium, quae locutus sum. Advertite quale sit. Salvator Matth. ix Pharisaeis indignatis, quod peccatoribus et publicanis sese familiarem praeberet, cum ipsi ex operibus legis sese iustos putarent, ex Osee c. vj quasi cum probro dicit: Euntes discite, quid est:| Misericordiam volo et non sacrificium. Arrectis auribus ista percipite. Erunt fortasse quidam contra me contentiosi aut certe obloquentes. Homo sum, si quis me contemnat vera locutum, quid id ad me? [N]on meam doctrinam locutus sum, Christus dixit; cum ipso contendant, ipse sese defendet, non meo indiget patrocinio. Talibus dicit Christus, non ego: Euntes discite, quid est: misericordiam volo et non sacrificium. In Christo Iesu valete. Dixi.

2. Marg.: Deprecatio ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 1–3. 10. sentiunt. ] Abs. Hg. 11. Marg.: Coronis ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 11–13. 12. ruminandum ] F: runcinandum. 14. indignatis ] F,V: indignantibus 16–17. Euntes ... sacrificium ] Vgl. Mt 9,13, Hos 6,6.

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Deprecatio

Coronis

Abbildung 4: Sendbrief an die Treptower Schüler Bl. [49r ]

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Sendbrief an die Treptower Schüler 1521 Bearbeitet von Wolf-Dieter Hauschild Einleitung Im Laufe des Jahres 1520 hat sich Bugenhagens theologische Position derjenigen Luthers angenähert. Er hat einige Lutherschriften studiert, wobei ihn besonders dessen Kritik der römisch-katholischen Sakramentenlehre in De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium beeinflußte.1 Im März 1521 zog er nach Wittenberg, um sich durch ein Studium der reformatorischen Theologie gleichsam fortzubilden.2 Denn bislang war er als Theologe ja ein Autodidakt, der sich durch die intensive Lektüre der Bibel, der Kirchenväter und der Schriften des Erasmus sowie durch die Ausarbeitung seiner Belbucker Vorlesungen zu den Psalmen, zum 1. Timotheusbrief und zum Matthäusevangelium gebildet hatte.3 Das Kloster Belbuck war unter seinem Einfluß zur Keimzelle der Kirchenreform in Pommern geworden; der Weiterentwicklung dieser Ansätze diente der Wechsel nach Wittenberg, wobei Bugenhagen vermutlich nicht allein, sondern in Begleitung einiger pommerscher Freunde dorthin ging. Dies läßt sich aus seinem späteren Hinweis im Psalmenkommentar von 1524 erschließen.4 Die Kontakte zur Heimat durch Briefe (von denen nichts erhalten ist) und durch persönliche Begegnungen dürften relativ eng gewesen sein. Sie sind der Hintergrund für die Entstehung des im folgenden edierten Textes.

1. Zur historischen Situation und Datierung Der eingebürgerte Begriff „Sendschreiben“, den Bugenhagen nicht verwendet, ist gerechtfertigt, weil der Verfasser seinem Brief durch die Inscriptio und den feierlichen Schluß einen Charakter gibt, der an apostolische Briefe erinnert. Der Text ist jedoch eher ein Lehrschreiben bzw. ein Gutachten über eine in Treptow – und wohl darüber hinaus in Pommern – diskutierte Frage, wie der Einleitungssatz zeigt: „Ich vernehme (audio)5 , daß unter euch die Streitfrage (questio) verhandelt 1 Einzelheiten

zum Ganzen s. Leder, Reformatorische Wende, 147–181. 29. April wurde er in die Universitätsmatrikel eingetragen: „Johannes Bugenhagen Pomeranus“ (ohne die übliche Angabe von Herkunftsort und Diözese); s. Album Academiae Vitebergensis, Bd. 1, 104. Nach Melanchthons später Auskunft 1558 kam er kurz vor Luthers Abreise nach Worms (wohl am 2. April) in Wittenberg an; s. Melanchthon, Declamatio (CR 12,299). 3 Dazu s. Leder, Biblisches Lektorat, 11–57, dort 12–14. 4 Danach beschäftigte er sich – wohl relativ bald nach der Ankunft in Wittenberg – zusammen mit einigen „von meinen Pommern“ in seinem Quartier (habitaculum) in Melanchthons Haus mit dem Psalter. Da Bugenhagen keine Zeitangabe macht und im Satz davor nichts über sein Kommen nach Wittenberg sagt, muß offen bleiben, ob jene Pommern bereits vor ihm da waren oder mit ihm kamen. Jedenfalls dürfte das Possesivpronomen „meis“ auch auf eine vorherige persönliche Verbindung mit Bugenhagen hindeuten. S. dazu Bugenhagen, Ps.-K., 2. 5 Also aufgrund mündlicher Informationen von Pommern in Wittenberg. 2 Am

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Sendbrief an die Treptower Schüler. Einleitung

wird, wie über Doktor Martinus . . . geurteilt werden muß“6 . Er ist nicht direkt aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen, sondern ergreift insofern von sich aus die Initiative (non rogatus/unaufgefordert7 ) in dieser für ihn sachlich wie persönlich wichtigen Frage. Doch er reagiert zugleich auf eine an ihn gerichtete Anfrage aus Treptow, welche Schriften Luthers er zur Lektüre empfehlen könne.8 Diese Frage behandelt er eher beiläufig. Jenes Hauptproblem besteht zunächst in der generellen Klassifizierung Luthers als Häretiker: In Treptow bzw. Pommern halten diesen die einen für „gut/bonum“, die anderen für einen „Verführer/seductorem“. Letzerer Begriff dürfte auf Papst Leos X. Bannandrohungsbulle – mit Verurteilung von 41 Aussagen Luthers – vom 15. Juni 1520 verweisen, die in Deutschland durch päpstliche Kommissare während der folgenden Monate bekannt gegeben wurde.9 Vermutlich gerieten dadurch auch in Pommern die Reformtheologen und Lutheranhänger in eine prekäre Situation als der Ketzerei Verdächtige (zumal einer der Ihrigen, Bugenhagen, eben erst nach Wittenberg gezogen war, wo im übrigen der für die Reformation aufgeschlossene Herzogssohn Barnim 1518–20 studiert und – als Fürst formell – im Sommersemester 1519 das Rektorat geführt hatte). Der Bezug von Bugenhagens Schreiben auf den Lutherprozeß wird dadurch wahrscheinlich gemacht, daß hier die Verwendung juristischer Begriffe auffällt (questio/Untersuchung bzw. Streitfrage; causa/Verfahren bzw. Prozeß; sentire/urteilen; calumniae/Anklagen; praeiudicare/vorläufig richten; cognitor/Schiedsrichter).10 Daraus ergibt sich die mutmaßliche Datierung des undatierten und ansonsten ohne direkte chronologische Anhaltspunkte verfaßten Lehrschreibens: der Bezug auf die Schlußphase des Lutherprozesses nach dem 15. Juni 1520. Da der Text eindeutig in Wittenberg verfaßt und von dort nach Treptow geschickt worden ist, ist der terminus a quo Ende März/Anfang April 1521. Der terminus ad quem läßt sich ebenfalls nicht exakt bestimmen, jedenfalls nicht mit der Verabschiedung des sog. Wormser Edikts, der Reichsacht gegen Luther.11 Die Abfassungszeit dürfte im April–Mai 1521 liegen, ohne genauer eingegrenzt werden zu können. Wie die Situation in Pommern aussah, läßt sich mangels Quellen kaum bestimmen.12 Da der für die Kirchenpolitik entscheidende Koadjutor des senilen 6 S.u.

71,3–4. 71,5. 8 Er erwähnt die Anfrage erst nach seiner längeren Ausführung über Christologie und Rechtfertigungslehre, welche die Übereinstimmung von Luthers Lehre mit der Heiligen Schrift beweisen soll (Igitur de Martino non male sentio . . . ), an die anschließend er bemerkt: „Damit ich dennoch irgendwie eurer Erwartung Genüge leiste: Zwei kleine Werke Martins sind es, die ich euch empfehle . . . “ S.u. 75,7 sowie 75,13–14. 9 Abdruck des vollständigen Textes in: Mirbt/Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums, 504–513; dort 505 und 508 der Begriff „seductivus“ parallel zu „haereticus“. Die Bannbulle vom 3. Januar 1521 verwendete diesen Begriff nicht (ebd. 513–515). 10 Vgl. dazu Hauschild, Bugenhagens Entwicklung, 67 mit Anm. 27. 11 Gegen Leder, Auf dem Wege, 64. Dieser setzt die Proklamation des Edikts am 25. Mai als terminus ad quem, datiert den Sendbrief jedoch zutreffend in die „Zeit der noch laufenden Verhandlungen in Worms“ (ebd.). Vgl. Hauschild, Bugenhagens Entwicklung, 66 ff. 12 Vgl. dazu Heyden, Kirchengeschichte, Bd. 1, 202 und unten die Einleitung zur Epistola de Peccato, 607 bei Anm. 7. 7 S.u.

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Sendbrief an die Treptower Schüler. Einleitung

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Kamminer Bischofs, Erasmus von Manteuffel, im Sommer 1521 die Lutheranhänger verfolgte,13 dürften diese schon vorher unter Druck geraten sein. Die in Treptow geführte Diskussion bezeichnet Bugenhagen im Einleitungssatz als „questio“ (als „Streitfrage, wie über Doktor Martinus . . . geurteilt werden muß“ bzw. „welches Urteil . . . gefällt werden muß“), wobei die beiden gegensätzlichen Parteien derer, die Luther für einen Häretiker („Verführer“ mit dem Begriff der päpstlichen Bulle), und derer, die ihn für „gut“ halten, jene Diskussion führen.14 Letztere haben Bugenhagen gebeten,15 ihnen zum Kauf und zur Lektüre geeignete Lutherschriften zu nennen. Er empfiehlt nicht die programmatischen Texte, welche sich gegen das römische Lehr- und Kirchensystem abgrenzen, sondern zwei populär-erbauliche Traktate, die allerdings nicht genau identifiziert werden können.16 Damit entspricht er der Situation des Lutherprozesses insofern, als er auf die gemeinchristlich bedeutsamen Publikationen des vermeintlichen Ketzers verweist. Als Adressaten nennt der Brief die „Scholastici Treptoviae“. Dieser Begriff meint allgemein Schüler, Studenten und Gelehrte/Lehrende und läßt sich hier speziell mit Bugenhagens sonstigen Aussagen über die Adressaten verbinden, deren „Lehrer/magister“ Andreas Knopke er als Auskunftsinstanz für sie als „junge Leute/adolescentibus et parvulis“ nennt.17 Es ist zu beachten, daß Bugenhagen sie in der Intitulatio „seine Brüder“ nennt, und beachtet man den theologisch anspruchsvollen Inhalt seines Lehrbriefs, dann ist es sehr unwahrscheinlich, daß dieser an die noch sehr jungen Schüler der Ratsschule gerichtet worden ist.18 Vielmehr muß man annehmen, daß er sich an Bugenhagens gesamte Schülerschaft, also vorwiegend an die ehemaligen Ratsschüler in Treptow und an die Belbucker Klosterschüler, wendet, und zwar in lateinischer Sprache, was bei den Adressaten einige Bildung voraussetzt. Ihnen schreibt er weniger etwas zum Lutherproblem (bzw. -prozeß/causa), was hier eine eher marginale Rolle spielt; er gibt auch keine Apologie für seinen Fortgang nach Wittenberg. Vielmehr will er seine eigenen theologischen Grundsätze einprägen, gleichsam sein evangelisches Programm formulieren.

2. Inhalt und Charakterisierung Dem einleitenden Hinweis auf die Luther-Diskussion in Pommern läßt Bugenhagen eine kurze Vorbemerkung über das Schriftprinzip und die Bibel als einzige 13 Ob

in Pommern eine förmliche Disputation geplant worden ist (so Hauschild, Bugenhagens Entwicklung, 67), ist angesichts der dortigen Situation zweifelhaft; vgl. Leder, Auf dem Wege, 66 mit Anm. 24. 14 S.u. 71,3–4. 15 Vgl. oben bei Anm. 8. 16 S.u. Anm. zu 75,14–15; ferner Leder, Auf dem Wege, 71–74 mit Anm. 41. 17 Zu Knopke s.u. 71,20 sowie die Einleitung zu den Regule grammatice, Anm. 22. Hinweis auf die Jugend der Adressaten s.u. 75,24. 18 Vg. dazu Leder, Auf dem Wege, 66 f, wo auch die ältere Literatur berücksichtigt wird.

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Norm der Theologie folgen. Im weiteren Text sind zwei Zäsuren erkennbar, welche den Sendbrief in zwei Teile gliedern.19 Der I. Teil präsentiert die Rechtfertigungslehre als Darstellung des Glaubens an Jesus Christus als „verax et salvator“. Dieses Leitmotiv, welches die Christologie als Basis der Rechtfertigungslehre betont, scheint originell von Bugenhagen fixiert zu sein, allerdings in Anlehnung an traditionelle Vorgaben.20 Er entfaltet es in zwei deutlich markierten Unterteilen, deren erster21 die Wahrheit von Jesu Verheißung der Sündenvergebung und vom Glauben an sein Wort (Rechtfertigung nicht durch Werke, sondern durch den Glauben) anhand der Bibel aufweist, deren zweiter22 die alleinige Heilsmittlerschaft Christi – unter Ausschluß des Gesetzes als Heilsweg – betont. Der Einfluß von Luthers Rechtfertigungslehre macht sich in Bugenhagens Ausführungen generell bemerkbar, auch einzelne Entlehnungen aus Lutherschriften fallen auf, doch insgesamt zeigt die Darstellung eine eigenständige Position Bugenhagens, keine Luther-Reproduktion.23 Der II. Teil behandelt die Bedeutung der guten Werke, ein Thema, welches für Bugenhagen schon vor 1520/21 – und zwar im Rahmen der erasmianischen Heiligungstheologie – wichtig gewesen ist (wie z.B. die Belbucker Klosterpredigt zeigt), welches jetzt zwar wie vorher mit bibeltheologischer Argumentation unterlegt wird, aber nunmehr erstmals von der evangelischen Rechtfertigungslehre her sein Gepräge erhält. Die Abgrenzung gegen vorreformatorisch-katholische Positionen durchzieht den gesamten II. Teil, einsetzend bei dem populären Vorwurf vieler Altgläubiger, die Wittenberger Reformatoren lehrten, daß man nicht Gutes tun müßte.24 Nach dieser Einleitung bringt ein erster Unterteil die polemische Bekräftigung, daß die Befreiung von Sündenschuld nicht durch fromme Werke in traditionellem Sinne geleistet werden könne.25 Sie komme nur aufgrund der Barmherzigkeit Christi zustande angesichts von Erkenntnis der Sündhaftigkeit und wahrer Reue. 19 Vgl. 71,22: Ex sacris igitur literis in primis discendum censeo; 75,24: Verum nunc memor, quibus scribo. 20 Der rechtfertigende Glaube besteht darin, daß man an Christus als verax et salvator glaubt (s.u. 71,25). Bugenhagen reflektiert anschließend den Einwand, dies sei eine Neuerung (ebd. 71,25); er wiederholt die Formel sogleich noch zweimal und da er sie den Adressaten als Gedächtnisstütze einprägen will, zitiert er sie auch griechisch (ebd. 71,26; 71,29; 71,31). Sie ist kein direktes Bibelzitat und findet sich auch nicht bei den Kirchenvätern. Sie entspricht einerseits johanneischen Christusprädikaten (1 Joh 4,14 und 52; vgl. Joh 4,42), andererseits der Aussage von Ps 39,11 (V) (veritatem tuam et salutare tuum dixi). Vermutlich hat Bugenhagen die Formel als Merkspruch, als Zusammenfassung des evangelischen „Programms“ ad hoc hier eingebracht. Bemerkenswert ist, daß er sie in seinem Psalmenkommentar zu Ps 39,11 nicht erwähnt. 21 Vgl. 71,32: Credis veracem. 22 Vgl. 73,31: Restat iam alterum ut et Christum credas salvatorem. 23 Einzelnachweise bei Hauschild, Bugenhagens Entwicklung, 70 f.73; vgl. auch Leder, Auf dem Wege, 68–70. 24 Vgl. 75,35: nos docere nihil boni esse faciendum. – Bugenhagens Redeweise „wir“ zeigt, daß er sich in die theologische Kampfgemeinschaft um Luther gleichsam selbstverständlich einordnet. Demgemäß spricht er von „unserer Predigt“ (ebd. 75,35–76,1) und davon, „daß wir angeklagt werden, als verhinderten wir das Gute“ (ebd. 76,5–6). 25 Vgl. 76,3–77,24.

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Und deswegen gilt, wie ein zweiter Unterteil ausführt, daß diese Neuwerdung im Glauben an Christus bezeugt wird durch die richtigen guten Werke.26 Diese im Zusammenhang der Rechtfertigungslehre herausgestellte Bedeutung der Werke ist für Bugenhagen seitdem ein zentrales Anliegen, breit entfaltet in dem großen Sendbrief an die Hamburger Van dem Christen louen unde rechten guden wercken.27 Fundamental ist hier wie im Ganzen die christologische Fundierung. Damit hängt die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zusammen, die der Sendbrief in eigentümlicher Weise behandelt. Bewegte Bugenhagen bis 1520 – vom Ansatz seiner praktisch orientierten Heiligungstheologie her – die Frage, durch welche Lebensgestaltung die Christenmenschen Gottes Geboten entsprechen können, so äußert er im Sendbrief seine neue Einsicht, daß es nicht primär auf das Handeln, sondern auf den Glauben an Christi Heilswerk bzw. an dessen Verkündigung im Evangelium ankommt, welcher die Sündenvergebung vermittelt. Voraussetzung des Glaubens ist die wahre Reue/vera contritio, und „das Gesetz der Gebote“ hat dabei die Funktion, den Menschen seine Unfähigkeit zur Erfüllung von Gottes Willen erkennen zu lassen und die Gnade und das Heil in Jesus Christus zu suchen. Diese Rechtfertigung befähigt den „neuen Menschen“ zu einer fortdauernden, praktisch tätigen Reue, die sich als kontinuierliches Wachstum im Tun guter Werke erweist, wobei Bugenhagen als Beispiel dafür – unter Berufung auf das Neue Testament – Almosen, Beten und Fasten nennt.

3. Zur Textgestalt Bugenhagen hat den Originaltext des Sendbriefs nach Treptow geschickt und für sich eine nicht von ihm selbst, sondern von anderer Hand angefertigte saubere Abschrift behalten (mit sieben Blättern Umfang). Vermutlich hat er an eine Veröffentlichung gedacht, wozu der Charakter des Sendbriefs durchaus paßt; wohl deshalb hat er die Abschrift herstellen lassen, an der er einige eigenhändige Zusätze und Korrekturen angebracht hat.28 Warum sie nicht im Druck erschienen ist, bleibt offen. Sie ist – wie die Belbucker Klosterpredigt – überliefert als Teil eines Konvoluts verschiedener Bugenhagen-Manuskripte (wohl von ihm selber angelegt, heute in Ms. theol. lat. oct. 41, 49r –[55v ] der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz vorhanden). Auffällig ist, daß Bugenhagen den leeren Raum auf der Rückseite des letzten Blattes (55v ) dazu benutzt hat, Notizen zu Begriffen und Namen aus der biblischen und antiken Literatur aufzuschreiben, die mit dem Sendbrief nichts zu tun haben und auf seine Studien in Wittenberg hindeuten. Das ist ein Indiz dafür, daß er zu einem relativ frühen Zeitpunkt von dem Plan einer Veröffentlichung Abstand genommen hat. Erstmals im Druck publiziert und mit einigen Anmerkungen versehen wurde der Sendbrief 1837 von Carl Eduard Förstemann nach dem Berliner Manuskript. Dessen Entzifferung war an etlichen Stellen genauer als die Edition 26 Vgl.

77,25–79,32. dazu die eingehende Untersuchung von Kötter, Rechtfertigungslehre. 28 S.u. Anm. zu 79,14; Anm. zu 79,17 sowie Anm. zu 79,24–25. 27 Vgl.

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von Karl August Traugott Vogt 1856. Unsere Ausgabe bringt aufgrund erneuter Durchsicht des Manuskripts etliche Verbesserungen gegenüber Förstemann, die dessen Lese- bzw. Übertragungsfehler (zumal bei den Abkürzungen) korrigieren. Während dieser durchweg die Schreibweise der humanistischen Latinität des 19. Jahrhunderts angeglichen hat, orientiert sich der folgende Text am Original. Durch vermehrte Absätze soll die Lesbarkeit verbessert werden, während in dieser Hinsicht Förstemann und Vogt dem Manuskript folgen. Georg Geisenhof hat – wohl für eine geplante Drucklegung – Vogts Text anhand der Handschrift verbessert und zahlreiche Anmerkungen hinzugefügt (Nachlaß Georg Geisenhof, Bugenhagiana II, Nr. 3a, Ms. germ. quart. 1693 Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz).

4. Verzeichnis der Siglen, Titel und Fundorte A Joannes Bugenhagenius Scholasticis Treptoviae consistentibus, fratribus suis in Christo Jhesu salutem. – SB Berlin. Preußischer Kulturbesitz, Sign.: Ms. theol. lat. oct. 41, 49r –[55v ]. B Förstemann, Carl Eduard, Johannes Bugenhagens Sendbrief an die Schüler zu Treptow, ZHTh 7, NF 1, 1837, H.3, 139–155. C Vogt, Carolus Augustus D., Joannis Bugenhagii Pomerani libelli duo [. . . ] Epistola ad Scholasticos Treptovienses, Greifswald 1856, 26–38 [Jubiläumsschrift der Greifswalder Theologischen Fakultät, hg.v. G.[ottfried] L.[udwig] Kosegarten].

5. Literatur A) Quellentexte Album Academiae Vitebergensis ab A.Ch. M.D.II usque ad A. M.DLX [Bd. 1], hg.v. Carl Eduard Förstemann, Leipzig 1841; ND Aalen 1976 (Album Academiae Vitebergensis). Bugenhagen, Johannes, In librum Psalmorum interpretatio. Wittembergae publice lecta, Basel (Adam Petri) 1524. – Geisenhof Nr. 3; VD 16: B 3137. – UB München, Sign.: 4° Bibl. 1831 (Ps.-K.). –, Kommentar zum Matthäusevangelium (Autograph), o.T., o.O., o.J. [Belbuck 1519/20]. – Marienkirche Stendal, Schönbeck-Bibliothek, Sign.: V a 13 (Mt.K.). Luther, Martin, Auslegung deutsch des Vaterunsers für die einfältigen Laien. 1519, WA 2, 1884, 80–130; MüA 1, 3 1988, 296–348 (Auslegung deutsch). –, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium. 1520, WA 6, 1888, 497–573; StA 2, 1982; ND 1992, 172–259 (De captivitate). –, Decem praecepta Wittenbergae praedicata populo. 1518, WA 1, 1883, 398–521 (Decem praecepta). –, Eine kurze Erklärung der zehn Gebote. 1518, WA 1, 1883, 250–256 (Eine kurze Erklärung).

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–, Eine kurze Form, das Paternoster zu verstehen und zu beten. 1519, WA 6, 1888, 11–19 (Eine kurze Form). –, Eine kurze und gute Auslegung des Vaterunsers vor sich und hinter sich. 1519, WA 6, 1888, 21 f (Eine kurze und gute Auslegung). –, Resolutiones disputationum de indulgentiarum virtute. 1518, WA 1, 1883, 525–628; BoA 1 6 1966, 16–147 (Resolutiones). –, Sermo de duplici iustitia, WA 2, 1884, 145–152; StA 1, 1979, 221–229 (Sermo de duplici iustitia). –, Ein Sermon von Ablaß und Gnade. 1518, WA 1, 1883, 243–246; BoA 1, 1912; ND 1966, 11–14 (Sermon von Ablaß und Gnade). –, Ein Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi. 1519, WA 2, 1884, 136–142; BoA 1 6 1966, 154–160 (Sermon von der Betrachtung). – Ein Sermon von dem neuen Testament, das ist von der heiligen Messe. 1520, WA 6, 1888, (349–352) 353–378; StA 1, 1979, (288) 289–311 (Von dem neuen Testament). Melanchthon, Philipp/Vincentius, Petrus, Oratio de vita reverendi Domini Ioannis Bugenhagij Pomerani [. . . ] Anno 1558 die quarti Augusti, Wittenbergae (Vitus Creutzer) o.J., CR 12, 1844, 295–307 (Declamatio). Mirbt, Carl/Aland, Kurt (Hg.), Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Tridentinum, Tübingen 6 1967 (Mirbt/Aland, Quellen zur Geschichte des Papsttums I). Petrus Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae, Tom. I, Pars II, Liber I et II, Grottoferrata (Romae) 1971 (Sententiae). Rogge, Joachim, Abschiedsbrief Bugenhagens an seine Schüler in Treptow an der Rega, in: Ders.: Johannes Bugenhagen (Quellen. Ausgewählte Texte aus der Geschichte der christlichen Kirche 30/II), Berlin 1962, 15–47 [unvollständige Übersetzung des Sendbriefs].

B) Sekundärliteratur Bieber, Anneliese, Johannes Bugenhagen zwischen Reform und Reformation. Die Entwicklung seiner frühen Theologie anhand des Matthäuskommentars und der Passions- und Auferstehungsharmonie, FKDG 51, Göttingen 1993 (Reform). Delius, Hans-Ulrich, Einl. zu Luther, Martin, Ein Sermon von dem Neuen Testament, das ist von der heiligen Messe, StA 1, 1979, 288 (Delius, Einl. zu Luther, Von dem Neuen Testament). Hauschild, Wolf-Dieter, Johannes Bugenhagens Entwicklung zum Reformator und der Einfluß Luthers, in: Ders. u.a. (Hg.), Luthers Wirkung. FS für Martin Brecht, Stuttgart 1992, 63–82 (Bugenhagens Entwicklung). Heyden, Hellmuth, Kirchengeschichte Pommerns, I. Band. Von den Anfängen des Christentums bis zur Reformationszeit. II. Band. Von der Annahme der Reformation bis zur Gegenwart, Köln-Braunsfeld 2 1957 (Kirchengeschichte). Holfelder, Hans Hermann, Tentatio et consolatio. Studien zu Bugenhagens „Interpretatio in librum Psalmorum“, AKG 45, Berlin/New York 1974 (Tentatio).

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–, Bugenhagens Theologie – Anfänge, Entwicklungen und Ausbildungen bis zum Römerbriefkolleg 1525, Luther 57, 1986, 65–80 (Bugenhagens Theologie). Kötter, Ralf, Johannes Bugenhagens Rechtfertigungslehre und der römische Katholizismus. Studien zum Sendbrief an die Hamburger (1525), FKDG 59, Göttingen 1994 (Rechtfertigungslehre). Leder, Hans-Günter, Auf dem Wege zum reformatorischen Selbstverständnis – Bugenhagen in Wittenberg (März–August 1521), in: Ders., Johannes Bugenhagen Pomeranus – Nachgelassene Studien zur Biographie, hg.v. Irmfried Garbe/Volker Gummelt, GthF 15, Frankfurt/Main u.a. 2008, 59–85 (Auf dem Wege). – Das biblische Lektorat und die „reformatorische Wende“ – Bugenhagen in Treptow (1518 bis 1521), in: Ders., Johannes Bugenhagen Pomeranus – Nachgelassene Studien zur Biographie, hg.v. Irmfried Garbe/Volker Gummelt, GthF 15, Frankfurt/Main u.a. 2008, 11–57 (Biblisches Lektorat) –, Bugenhagens „reformatorische Wende“. Seine Begegnung mit Luthers Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“. In: Territorialkirchengeschichte. Entwicklung – Aufgaben – Beispiele. Greifswald 1984, 59–91; abgedruckt in: Ders., Johannes Bugenhagen Pomeranus – Vom Refomer zum Reformator: Studien zur Biographie, hg.v. Volker Gummelt, Frankfurt/Main u.a. 2002, 147–181 (Reformatorische Wende/Pomeranus). Mohnike, D., Bemerkung zu einer Stelle in Bugenhagens Sendschreiben an die Schüler in Treptow, ZHTh 8, NF 2, 1838, H.1, 186 f (Bemerkung).

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Ioannes Bugenhagenius Scholasticis Treptoviae consistentibus, fratribus suis in Christo Ihesu salutem. Quaestionem inter vos agi audio, quid de Doctore Martino, cuius iam fama celebris est, sentiendum sit, maxime cum alii bonum, alii seductorem velint. Iccirco venio ad vos non rogatus, ne desim veritatem quaerentibus. Itaque sic accipite. Sacras literas dedit nobis omniscius ille dei spiritus, quibus qui non credit ex deo non est, in quibus et latet et aperte legitur omnis veritas, quae homini sit ad salutem necessaria, quemadmodum salvator dixit: Spiritus ille veritatis docebit vos omnem veritatem. Has nemo discit nisi eodem spiritu magistro, qui dat non singulis omnia, sed dividit singulis prout vult. Ut interim nemo sibi arroget illarum intelligentiam. Secundum has literas iudicandum est, quod docetur ab hominibus, si cum eis convenit, sacrum est et ex deo, Si dissonat, error est et ex maligno, tametsi fieri possit, ut qui ita docet non omnino malo sit animo; quis enim aliquando non desipit aut fallitur? [V]erum hoc periculum quam maxime cavendum docenti et recta ratio et deus ipse monet, et praecipue in rebus nostrae salutis. Porro si neque convenire neque dissonare sacris literis doctrina hominis videbitur, id indifferens tibi sit, ubi cavendum, ne pro rato habeas, de quo tutius est dubitare, ne accedas iis, qui suas urinas pro articulis fidei volunt observari, quos maxime suo colore depingerem, ni scandalum id esset. [O]ffensionem rudis adhuc ingenii vererer, nisi quoque magister vester Andreas, quae ad eam rem pertinent, multo | commodius vestris mentibus sensim instillare posset. Ex sacris igitur literis in primis discendum censeo, quae ad fovendam Christi fidem, quae est nostrae summa salutis, opitulentur. Haec fides est (si paucis dicere licet), ut Christum dei filium pro nobis incarnatum et passum, ut nos e diaboli laqueis solveret, credas veracem et salvatorem. Quid audio, ais? Novumne hoc? Quis nescit Christum veracem et salvatorem? Tam rudis aliquisne Christicola, ut isthaec negaret? Hoc est, fratres mei, quod doleo. Nemo est, qui non se recte credere dicat, et tamen ita agunt multi, ut nusquam eorum fides appareat. Duo itaque dixi – nempe Christum veracem et salvatorem – non quod ista non aliis verbis dici possint et forte aptioribus, sed quod ego memoriae vestrae consulens brevius dicere nequeam, ut semper cogitetis: Χριστὸς ἀληθινὸς καὶ σωτήρ. Credis veracem; time omnia, quae in evangelio comminatus est, amplectere, quaecunque promittit. Alioqui deum, quantum in te est, mendacem facis levia ducens, quae comminatur, quasi non possit ulcisci, et negligens, quae promittit, quasi non tanta sint quanti ipse existimanda voluit. Adde, quod amplexus promissionum Christi omnem comminationis trepidationem excludit: [Q]uid enim timeat, qui certum habet Christum, qui mentiri non potest, sibi tanta promisisse? Diabolumne? [S]ed hunc Christianus iam in Christo vicit. At peccatum, 3. Quaestionem ] A: Questionem. 31. σωτήρ. ] Abs. Hg.

5. quaerentibus ] A: querentibus.

8–9. Spiritus ... veritatem ] Vgl. Joh 16,13. 9–10. spiritu ... vult ] Vgl. 1Kor 12,11.

21. posset. ] Abs. Hg.

20. magister ... Andreas ] Andreas Knopke; zu ihm s.o. 7, Anm. 22.

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inquis, me damnat. Verum est; sed ipse ait: Petite et accipietis. Si hoc verbum credis verum, pete remissionem omnium peccatorum tuorum plena fide et accipies. De quo si dubitas, non es vere Christianus. Vis enim Christum facere mendacem, qui et rursus ait: Amen, dico vobis, si duo ex vobis consenserint super terram, de omni re quamcunque petierint | fiet eis a patre meo. Audis, de omni re inquit, quamcunque petierint. Non inquit de omni re, pro qua ieiunaverint, Romam cucurrerint, centum Miserere dixerint, cucullum portaverint, ab ovis et carne abstinuerint, Altaria et sacella dedicaverint, et similia opera, in quibus fidunt homines, fecerint, Sed de omni re quamcunque petierint. Tene hanc fidem. Diabolus dicit: Peccator es et damnatus. Conscientia tua dicit: [P]eccatis magnis es obnoxius, damnationem meruisti. Responde ita esse, neque diabolum neque conscientiam in hoc mentiri. Sed dicit diabolus: Veniam obtinere non potes. Conscientia: [N]isi hoc aut illud feceris, peccatum non delebitur. Mentitur ille, mentitur et haec; et fit, quod scribitur: V Mentita est iniquitas sibiV , immo uterque Christum vult facere mendacem, qui promisit veniam et iustificationem non ex operibus, sed ex fide, quemadmodum hec Paulus suis scriptis apertissime docet, qui, posteaquam neglectus est, ceperunt quaedam populo inculcari, quae longe absunt a Christi decretis, ita ut iam perverse credatur illis operibus, quae satisfactionem nominant, homines iustificari, Cum sola Christi fides iustificet, in qua fide postula a deo nihil hesitans. Sic enim ait in Marco: Dico vobis, omnia, quaecunque orantes petitis, credite quod accipietis et evenient vobis. Haec audis a Christo et diffidere audes? Nihil addendum duxit nisi hoc unum: V Et cum stabitis, inquit, ad orandum, dimittite si quid habetis adversus aliquem, ut et pater vester, qui in coelis est, dimittat vobis peccata vestra. Quod si vos non dimiseritis, nec pater vester qui in coelis dimittet vobis peccata vestraV . Atque ita plane nos orare docuit: Dimitte, inquit, debita etc. Has literas nobis dedit Christus; non admitte falsarium, qui interpretetur hoc solum de peccatis venialibus, id est, ut ipsi volunt, levibus et quotidianis, cum coram deo nullum | peccatum leve sit, a nulloque possimus esse liberi nisi ipse liberet. Tene mordicus pactum salvatoris; ipse docet, ut ores: V Dimitte nobis debita nostraV , omnia scilicet, cum ipse nihil exceperit; addi tantum voluit: ◦ Sicut et nos◦ etc. Verum ne ex oratione tibi quid arroges, pete primum, ut deus concedat gratiam hanc, ut recto corde det tibi petere remissionem peccatorum, id est pete, ut recte petere possis. Nam secundum Paulum: [Q]uid oremus, nescimus etc. Iam, ut semel dicam: Ubicunque audis verbum et sententiam dei in psalmis, in prophetis, in Evangelio, in apostolis, tene usque adeo firmum, ut non aliter sentias, etiamsi angelus de coelo aliud evangelizet, quemadmodum audet dicere Paulus, ut non seducaris, quemadmodum vulgus a fide lapsum – proh dolor! 29. esse ] C: reddi.

34. etc. ] Abs. Hg.

1. Petite et accipietis ] Vgl. Mt 21,22; Mk 11,24; Mt 7,7; Lk 11,9. 4–5. Amen ... meo ] Vgl. Mt 18,19. 14. sibiV ] Ps 26,12 (V.G). 20–21. Dico ... vobis ] Vgl. Mk 11,24. 25. vestraV ] Mk 11,25 f (V).

26. 30. 31. 34. 37.

Dimitte ... debita ] Vgl. Mt 6,12. nostraV ] Mt 6,12 (V). nos◦ ] Mt 6,12. Quid ... nescimus ] Vgl. Röm 8,26. etiamsi ... evangelizet ] Vgl. Gal 1,8.

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– nostris temporibus varie per angelos Satanae seducitur. Immo cogita id sedulo, quod dominus dixit: V Coelum et terra transibunt, verba autem mea non praeteribuntV . Prius coelum caderet et terra periret, quam aliquid ex veritate dei mutaretur. Veritas enim domini manet in aeternum. Exempla si quaeras, sunt hec: V Beatus vir qui non abiitV etc. V Novit dominus viam iustorumV etc. Septies in die cadet iustus et resurget etc. V Cum exarserit in brevi ira eius, beati omnes, qui confidunt in eo.V V Et non delinquent omnes, qui sperant in eo.V V Perdes omnes, qui loquuntur mendaciumV , id est perverse interpretantes scripturam id est dei veritatem. V Dispersit, dedit pauperibus, iustitiaV etc. V Qui habitare facit sterilem in domoV etc. V Beati omnes, qui timent dominum, qui ambulant in viis eius. Labores manuum tuarumV etc. V In quo corrigit adolescentior viam suam? [I]n custodiendo sermones tuos.V Deterruisti superbos; maledicti, qui declinant a mandatis tuis. ◦ Qui crediderit et baptisatus◦ etc. Hic calix effundetur pro vobis et pro multis in remissionem peccatorum. Ego sum qui deleo iniquitates tuas. V Sprevisti omnes Discedentes a iustitiis tuis, quia iniusta est cogitatio eorum.V V Semel locutus est deus, duo hec audiviV etc. Non permanebunt iniusti ante oculos tuos.V Et reliqua, nam infinita sunt,| que si recte attenderis, deterrebunt a malis, immo, quod melius dicere videor, facient te saepe agnoscere malum tuum, si quae comminationis sententiae sunt, quam agnoscentiam plane a te requirit deus, ni velis Phariseo illi evangelico esse socius; et praeterea, si quae promissionis sententiae sunt, magnam ingeram consolationem et fidem in deum sive fiduciam, quam ne diabolus quidem aut tua conturbata conscientia tibi auferre poterunt, licet ad tempus deo permittente, quo te agnoscas et proberis, ad desperationem etiam usque turbare possint. Id quum accidit, cogita aliquod verbum dei, quodcunque sit, quod remissionem peccatorum promittit, et crede firmiter nunquam fieri posse, ut peccata sint tanta, quae promissionem possint evacuare dei, id est deum facere mendacem. Scriptum enim est, ◦ ut iustificeris in sermonibus tuis et vincas, cum iudicaris◦ . Hinc videre licet, quid Paulus velit dicens: Quaecunque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta sunt, ut per patientiam et consolationem scripturarum spem habeamus. Restat iam alterum ut et Christum credas salvatorem. Et quamvis hoc in veraci intelligatur, quomodo enim verax est, si salvator non est, qui dixit: V Per me si quis introiverit, salvabiturV ? [T]amen propter imbecillitatem intellectus nostri 4. aeternum. ] Abs. Hg. praeteribuntV

21. ingeram ] B: ingerent.

3. ] Mt 24,35 (V). 4. Veritas ... aeternum. ] Vgl. Jes 40,8. 5. abiitV ] Ps 1,1 (V). 6. iustorumV ] Ps 1,6 (V). 6. Septies ... resurget ] Vgl. Prv 24,16. 7. eo.V ] Ps 2,13 (V.G). 8. eo.V ] Ps 33,23 (V.G). 8. mendaciumV ] Ps 5,7 (V.G). 10. iustitiaV ] Ps 111,9 (V). 10. domoV ] Ps 112,9 (V.G). 11. tuarumV ] Ps 127,1 f (V.G). 12. tuos.V ] Ps 118,9 (V.G). 13. Deterruisti ... tuis. ] Vgl. Ps 118,21.

30. habeamus. ] Abs. Hg.

14. baptisatus◦ ] Mk 16,16. 14–15. Hic ... peccatorum. ] Vgl. Mt 26,28; Mk 14,24; Lk 22,20; 1Kor 11,25. 15. Ego ... tuas. ] Vgl. Jes 43,25. 16. eorum.V ] Ps 118,118 (V.G). 17. audiviV ] Ps 61,12 (V.G). 17. tuos.V ] Ps 5,6 (V.G). 20–21. ni ... socius ] Vgl. Lk 18,10–14. 28. iudicaris◦ ] Röm 3,4; Ps 50,6 (V.G). 29–30. Quaecunque ... habeamus ] Vgl. Röm 15,4. 33. salvabiturV ] Joh 10,9 (V).

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Sendbrief an die Treptower Schüler

oportet quaedam apertius exprimere, ut mens praesentius moveatur ad id, quod manifeste dicitur. Si credis igitur eum salvatorem, necesse est, ut non aliunde salutem quaeras, sed in solo Christo fiduciam totam habeas repositam. Non ergo vere credunt Christum salvatorem, qui confidunt in potentia sua, pulcritudine, fortitudine, divitiis, item in scientia, prudentia, sapientia, iustitia sua et virtute, item in ieiunio suo, vigiliis, laboribus, peregrinationibus, orationibus praescriptis, contritione, confessione, satisfactione, quod ad eam rem fictum est vocabulum, nisi accipiatur pro satisfactione, qua satisfit ecclesiae per publicam poenitentiam, ut olim fiebat. [N]am deo quis satisfacere potest? – quod tamen stulti putant. Isti, inquam, non credunt Christum salvatorem, qui per alia, quae Christus non sunt, vel temporaliter vel aeternaliter salvari se putant. De omnibus tibi desperandum est et in solo Ihesu sperandum,| ex cuius solius gratia salvaris absque meritis tuis. Addo insuper, quod minime putas, sed tamen credere oportet et captivare omnem intellectum in obsequium Christi. Addo, inquam, neque in tuo bono proposito neque recta intentione fidendum. Non enim est in homine via ipsius: neque est currentis aut volentis sed miserentis dei. Hoc vult Paulus, cum nostro proposito semper praecipit addi: Si deus voluerit. Verum ne quis mihi hic struat calumniam, caeco oculo luci insidiatus interrogo, an quis salvari possit praeceptorum domini neglector. Ais: non, scriptum est enim: Si vis ad vitam ingredi, serva mandata dei; si quis vero non servat mandata dei, condemnabitur. Ergo, inquam, omnes nos condemnamur; nemo enim perficere potest mandata dei, ut a deo praecepta sunt; et ne forte Pharisaico supercilio me condemnes, hoc ipsum mox ostendo ex verbis salvatoris: Diliges, inquit, dominum deum tuum ex toto corde tuo, ex tota mente tua, ex tota anima tua et ex omnibus viribus tuis. Hoc est primum et magnum mandatum. Secundum autem simile est huic: Diliges proximum tuum sicut te ipsum. In his duobus mandatis pendent lex et prophetae. Vide iam, si intime diligas deum, ut nullius rei in terris desiderio tangaris; sola quae dei sunt id est coelestia mediteris optans quam primum dissolvi et esse cum Christo; quod cum non invenis apud te, quid gloriaris te deum diligere, quem ex omnibus viribus tuis diligere mandaris? Sed nec proximum diligis ut te ipsum, cum tua tibi placeant, quae vero sunt proximi, apud te elevas et contemnis, ut interim non dicam, quod nihil eum adiuvas in necessitate, immo quod odis, quandoque licet, occultius. Neque evades dicendo: Perfectis ista dicuntur. Verum est, perfecti dicuntur Christiani quibus dicitur: Estote perfecti etc., non quod revera sint, sed quod omnes eo niti debeant. Non mutis aut lapidibus ista praecepta sunt, sed Christianis hominibus. Quid tergiversaris? [A]udis in his mandatis omnia pendere; ergo vel hec tibi mandata sunt aut nihil mandatum est. Dicis itaque: Nemo ergo salvatur. Hoc scilicet est, quod te volui. Lex praeceptorum data est, ut agnoscas, quid deo 17. voluerit. ] Abs. Hg. 22. potest ] korr. nach B (A: praecipiat). 33. occultius. ] Abs. Hg. 13–14. captivare ... Christi ] Vgl. 1Kor 10,5. 15–16. neque ... dei ] Vgl. Röm 9,16. 17. Si ... voluerit. ] Vgl. 1Kor 4,19. 20. Si ... dei ] Vgl. Mt 19,17.

27. pendent ] B: pendet.

23–27. Diliges, inquit ... prophetae ] Vgl. Mt 22,37–40; Mk 12,30 f; Lk 10,27; Dtn 6,5. 35. Estote perfecti ] Vgl. Mt 5,48.

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debeas et, dum conatus te | deserit, cogaris clamare cum Paulo: Infelix ego homo, quis me liberabit de corpore hoc mortis? Iesus Christus, ut idem ait, solus liberat. Itaque lex, quae praecipitur, cogit ad quaerendam gratiam, quae sola salvat per Iesum Christum. Christus ergo solus salvator, in quo solo per fidem dives es, sine quo, ex quibuscunque rebus praesumpseris, pauper es et conscientia tua nunquam quiete fruetur. Igitur de Martino non male sentio, quippe qui fere omnia ex sacris agit literis, in quarum ego solummodo verba iuravi. Nolo tamen praeiudicare aliis doctioribus, tum quod non possum totius cause esse cognitor, tum quod nolo, cum non sit necesse me ultro obiicere calumniis quorundam, qui ut imperitiores sunt et indoctiores, ita magis impie in Christi deblaterant doctrinam, quos utilius contemnimus quam ut nullo usu, immo cum quorundam scandalo cum eis contendamus. Ut tamen satisfaciam utcunque expectationi vestrae: Duo sunt Martini opuscula, que vobis commendo, ut quamprimum licuerit vobis coematis: Interpretatio in orationem dominicam, quae vulgo dicitur Martini pater noster, qua nihil melius unquam legi, et decem praeceptorum tractatus, qui ita gratiam Christi praedicat, ut multum lucis sibi comparasse ad intelligendam scripturam apostolicam videatur, quisque recte legerit. Et sententias illic Martini tales estimo, quibus divus Paulus non gravatim subscriberet. Haec duo opuscula sunt adeo Christiana, ut nemo contemnat, nisi idem haud dubius sit veritatis inimicus. Neque puto ob hec sicut ob alia eiusdem scripta aliquid unquam subortum contentionis. Sunt praeterea quidam sermones eiusdem, breves quidem sed mire utiles. Dabit is, quod credo, posteritati scripta non poenitenda. Verum nunc memor, quibus scribo, nempe adolescentibus et parvulis, quibus scandalum forte fierent, que scripsi, nisi me ipsum interpretarer, hec addenda duxi, et quidem eo libentius, quo iam | videam quorundam adolescentiam magis amplecti Christi doctrinam quam multorum annosam fatuitatem, quae nullis se sinit sanari carminibus, quod tamen non ita accipiendum velim, quasi de quibusdam sit desperandum, ne gratiae dei terminos praescribamus. Addo autem haec: Cum audiant quidam in nulla re, quantumcunque speciosa hominibus appareat, esse confidendum non in ieiunio, voto, peregrinatione, confessione etc., ne sibi aliunde videantur quaerere salutem quam in fide Christi (ut de aliquibus Paulus scribit: Iustitiam, inquit, suam statuentes iustitiae dei non sunt subiecti, cum vir iustus ita precetur: In tua iustitia libera me, domine), Tunc intelligunt atque iactitant nos docere nihil boni esse faciendum. Id quod non solum in nostra 11. deblaterant ] korr. nach B (A: deblacterant). 1–2. Infelix ... mortis ] Vgl. Röm 7,24. Quellen zur Geschichte des Papsttums I, 505– 14–15. Interpretatio ... noster ] Vgl. Luther, 507. Auslegung deutsch; vgl. auch ders., Eine kurze 22. quidam ... eiusdem ] Bugenhagen denkt Form; ders., Eine kurze und gute Auslegung. wohl an Schriften der Jahre 1518 und 1519; 16. decem ... tractatus ] Vgl. Luther, Decem vgl. z.B. Luther, Sermon von Ablaß und praecepta; ders., Eine kurze Erklärung. Gnade. 18. sententias ... Martini ] Gemeint sind 33. Iustitiam ... subiecti ] Vgl. Röm 10,3. wahrscheinlich die in der Bannandrohungs34. In ... domine ] Vgl. Ps 30,2 (V.G). Bulle verurteilten Sätze Luthers, vgl. Mirbt/Aland,

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Sendbrief an die Treptower Schüler

praedicatione, verum etiam multis in Paulo accidit. Haud gravatim enim quidam suis vitiis favent. Numquid audiunt vel ex Paulo vel ex nobis superbiendum esse, scortandum, invidendum, pecuniam et idola colenda? Quid audiunt aliud quam neminem iustificari nisi per fidem Christi? Quid ergo nos accusamur, quasi qui bona prohibeamus, cum ipsum omnis boni fontem ostendamus, e quo si non potarint iusticiarii illi, actum sit de eorum salute, utcunque se suis et conscientiis et operibus vexaverint? Crede, si vis. Nisi quis de se ipso suaque penitus desperet iustitia, et in sola confidat dei misericordia, nunquam vere incipiet deum amare. Quid, quaeso, hoc aliud est nisi perditum esse, cum sola dilectio praecepta sit? Tu vero sic accipe: Peccatis te sentis obnoxium, non quaeris veniam, quin et diligis mala et interea ieiunas feriam sextam, vigilias beatae virginis, apostolorum, vadis in templum et oras etc., et interim confidis te bene facere, quasi coelum merearis, cum iam in ea confidentia peccata potius sint et dei irrisio. Quid enim ieiunas, oras, eleemosynam facis, ut deus tibi peccata dimittat, cum dimittendi peccata non sit propositum? At vero veniam quaeris, peccatum tuum odis, licet concupiscentia videatur adhuc alio trahere,| quae penitus non sanatur in hac vita nisi speciali gratia quae omnibus piis non datur. Iam, quaeso, quomodo vis a peccato liberari? Ieiunare, inquis, volo, quotidie septem psalmos legere, ire ad templum, abire Romam; habeo quoque auream orationem, que proderit; tot dies ieiunabo in pane et aqua, portabo occultum cilicium Arras tota via. Ingratus es Christo, quin et impius. Nonne haec ante Christi mortem fieri potuissent? – frustra ergo pro te mortuus est Christus; aut si id non sentis, cur auxilia ei addenda ducis, quasi non par sit tuis absolvendis peccatis, qui mundi tollit peccata? Quid faciam igitur, inquis, ut iustificer? Nihil, inquam, quandoquidem ex operibus non iustificabitur omnis homo. Sed primum considera te maximis illigatum vinculis, agnosce miseriam tuam. Non requirit medicinam, qui se ignorat aegrotum. Deinde suspira ex corde ad deum, ut subveniat, atque hoc age ex fide integra aut ora, ut fides integra sit. Ecce, dixi uno verbo: Suspira ad deum ex corde. Ipse est, qui iustificat impium. Crede firmiter, accepisti remissionem peccatorum, modo etiam et tu aliis dimittas. Sic enim habes in evangelio: V Serve nequam, omne debitum dimisi tibiV , quare? V [Q]uoniam, inquit, rogasti meV , non aliud potuisti. V Nonne ergoV etc. Summam nostrae disputationis, ne quid detrectes, habes in illa parabola quam dominus dixit ad quosdam qui in se confidebant tanquam iusti et aspernabantur ceteros: ◦ Duo, inquit, homines◦ etc. Vide iustitiarium: V Non 2. favent. ] Abs. Hg.

24. peccata? ] Abs. Hg.

18. speciali gratia ] Petrus Lombardus unterscheidet die Heilsgnade als gratia specialis von der Naturgnade als gratia generalis; vgl. Petrus Lombardus, Sententiae II d. 25,7 (465,14–16). 19. septem ... legere ] die Stundengebete der Kirche vollständig einhalten. 20. auream orationem ] Wahrscheinlich ist ein Mariengebet gemeint, z.B.: Ave rosa sine spina.

21. cilicium Arras ] ein Büßergewand, das in Arras, einem flämischen Zentrum der Tuchproduktion, hergestellt war. 31. et ... dimittas ] Vgl. Mt 6,12. 32. tibiV ] Mt 18,32 (V). 32. meV ] Mt 18,32 (V). 33. ergoV ] Mt 18,33 (V). 35. homines◦ ] Lk 18,10.

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sum sicut caeteri hominesV etc. Putasne quod adhuc non ita quidam sentiant, licet ore non dicant? Sentire coram deo est dicere. Sed vide iustificatum: ◦ Deus, inquit, propitius esto mihi peccatori◦ . De quo iurat ipse iudex dicens: V Amen, dico vobis, descenditV etc. Ecce deo iudice hic publicanus iam non est, qui fuerat, sed iustus est, novus est,| qui nihil habuit nisi miseriam, sed nihil quaesivit nisi misericordiam, in illa pauperrimus, in hac ditissimus, cum interim perire vides Pharisaeum suis iustitiis. Ita et tu, publicane, cognosce te peccatorem et suspira ad salvatorem, qui, si non dubitas, mox te absolvit, quemadmodum psalmus dicit: V Dixi, confitebor adversum me iniustitiam meam domino, et tu remisisti impietatem peccati meiV . Hec scilicet mutatio dexterae excelsi, non tuae. Isto modo non alio fit deposito vetere novus homo. At si non meditaris vitae novitatem, frustra quaesiveris (ut non alia dicam) contritionem, confessionem et satisfactionem, cum vera contritio sit, quam vides in publicano, quae ab omni peccato liberare deum pro sua infinita misericordia cogit. Ista contritio non transit ut altera, quae fingitur, sed semper manet. Semper enim agnoscit peccatum, agnoscit et liberatorem verum et incipit et augetur vera in deum dilectio et contemptus sui ipsius et amor in proximum. Non enim contemnet quemcunque peccatorem et despectum, qui suam agnoscit miseriam, qui se ipsum despicit. Hinc non fraudem facit proximo, sed potius subvenit. Quid enim desideret aliena, qui non amet sua, qui sui despector est? Verum ad hanc perfectionem per teipsum ascendere non potes, sed per gratiam Christi, quam semper quaeras oportet, proveheris, quousque divinae placuerit pietati. In domo enim patris coelestis mansiones multae sunt, ubi deus tantum coronat quantum hic dederit, neque tamen illic quid deest, ubi gaudium omnium est singulorum. Ais: Quid igitur sentiendum de operibus? Opera, dixi, non iustificant, id est absolvunt a peccatis, ut deo deinde acceptus sis, sed id efficit sola in Christum fides; qui id negat, non sentit ea, quae dei sunt, erratque nesciens scripturas. Cum autem ita corde redisti ad deum, deposuisti veterem hominem et induisti novum, tum quemadmodum ante testabaris veterem hominem vitiis, ita nunc testare novum hominem | virtutibus. Sic tibi pro corporis et mentis immunditia, pro superba mente, avara, iracunda castitas mentis et corporis humilitas et vera charitas. Initio novae vitae incipe veterem mortificare Adam. Nemo repente fit summus. Iccirco cura, ut quotidie vitiis aliquid decedat et virtutibus accrescat. Si cadis rursum, cave, ne in Christo desperes meliora. Ora, ut mox resurgas. Ausim dicere hoc non esse cadere. Nam forte deus id permittit, ne glorieris, ne extollaris aliorum despector. Et ut semel dicam: Per novam vitam Ostende te vivere cum Christo, si resurrexisti cum Christo, ne sis velut angelus depictus. Ita docet te Paulus Ro. vi: V Humanum dicoV etc. Et apertius, que sit vera poenitentia, ad quam nos hortatur evangelium Ephe. iiii. et v. c[apite]: V Hoc igitur dico et testificor in dominoV (cum sequentibus). Verum hic rursum sciamus dictum Christi: 11. homo. ] Abs. Hg. 1. hominesV ] Lk 18,11 (V). 3. peccatori◦ ] Lk 18,13. 4. descenditV ] Lk 18,14 (V). 10. meiV ] Ps 31,5 (V.G).

22–23. In ... sunt ] Vgl. Joh 14,2. 38. dicoV ] Röm 6,19. 40. dominoV ] Eph 4,17.

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Cum omnia feceritis etc. Omnes enim iustitiae nostrae tanquam pannus menstruatae. At si iustitiae ita sunt, quid de iniustitiis dicemus? Est enim tota vita nostra peccatum, etiam postquam pii esse per Christum coeperimus; non tamen sumus absque iustitia, sapientia, sanctitate. Nam quod in nobis non invenire licet, Christus factus est nobis a deo iustitia et sapientia et sanctificatio et redemptio, ut qui gloriatur in domino glorietur. Hanc gloriam da deo, ut te abiiciens nihil tibi penitus adscribas, sed dicas: V Non nobis, domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam super misericordia tua et veritate tuaV . Sed videamus iam quaedam opera. De contritione vera et de satisfactione quid sentiam, audisti; et dictum est: Vade, amplius noli peccare, sat tibi praecipitur: Noli, inquit, id est voluntatem non habe. De confessione vero dico, quod ea, quae fit in aurem sacerdotis, non est praecepta in Evangelio et apostolicis literis. Utilis tamen est et multis conscientiis | necessaria, nisi quandoque invenirentur sacerdotes, qui potius aggravant quam alleviant conscientias. Tu noli confessionem discere ab aliis, ut fit; quomodo enim alius scit, quid ipse designaveris? Scripsi quandoque in eam rem, sed praestiti pro tempore, quod potui. Sic autem dicito sacerdoti: Ego fateor me in deum et in proximum graviter deliquisse; feci hoc, feci illud, perverso consensu id moliebar, ita oblocutus sum, ad istud occasionem praebui aliis etc. Iccirco precor, ut ores pro me. Atque interim dic tantum ea peccata quae manifeste cognoscis secundum tuam conscientiam esse mortalia, facile enim illa poterunt occurrere memoriae tuae. Et ita non facies carnificinam mentis tue neque molestus eris confessori, ut vocant, sive sacerdoti. Ad pacandam enim conscientiam instituta est confessio, non ad perturbandam. Reliquos omnes defectus tuos, immo etiam ipsa, quae confessus es, confitere, id est agnosce coram deo dicens: V Dimitte nobis debitaV etc. Quod si omnia confiteri volueris sacerdoti et nihil relinquere misericordiae dei, iam confidis in tua confessione et confessio tua peccatum est, quam potiorem reputas misericordia dei, quae misericordia sola liberat et per quam semper, si plenam fidem habes, liberari potes etiam absque confessione, quod qui negat, perinde est ac si Christum mentiri dicat. Et fiet, ut nunquam pacata sit conscientia tua, postquam etiam ter confessus fueris. Deinde quae coacta sunt, cito transibunt, et hypocrita fieri poteris, novus homo nequaquam. Confisus itaque de dei pietate nihil trepides sanctissimum suscipere Christi testamentum, quin et semper edis in spiritu per fidem carnem Christi et 8. tuaV . ] Abs. Hg. 1. Cum ... feceritis ] Vgl. Lk 17,10. 1–2. Omnes ... menstruatae. ] Vgl. Jes 64,6. 5–6. Christus ... glorietur ] Vgl. 1Kor 1,30 f. 8. tuaV ] Ps 113,9 f (V.G). 10. Vade ... peccare ] Vgl. Joh 8,11. 11–12. De ... literis. ] Vgl. Luther, Resolutiones (WA 1, 531, 34; BoA 1, 24,4 f): de sacramentali poenitentia nullum habetur praeceptum Christi. 15–16. Scripsi ... potui. ] Auf welche Schrift Bugenhagen hier verweist, ist nicht sicher auszumachen. Es könnte die Auslegung von Mt 3,1–6 gemeint sein, in der es Bugenhagen um eine Vertiefung des erasmischen Bußverständ-

nisses geht. Vgl. Bugenhagen, Mt.-K, [19v ]– [21v ]. Dazu Bieber, Reform, 120–125. 22–23. Ad ... perturbandam. ] Vgl. Luther, Resolutiones (WA 1, 542, 7; BoA 1, 37,9 f): Igitur remissio dei gratiam operatur, sed remissio sacerdotis pacem. 25. debitaV ] Mt 6,12. 33. Christi testamentum ] Luthers Schrift, in der er das Altarsakrament ganz vom Testamentsgedanken her erklärte, erschien im Frühjahr oder Sommer 1520; vgl. Delius, Einl. zu Luther, Von dem Neuen Testament (StA 1, 288).

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sanguinem et unum cum Christo es – nisi dubites membra et caput unum esse corpus; de qua unione legis Io[ann]is sexto,| ut de hoc plenius a magistro tuo potes doceri. Praeterea peregrinationes et cursus ad loca, ut vocant sancta, inutiles cognosces, si attendas, quid dicat dominus Io. iiii: ◦ Mulier crede mihi◦ etc. Immo noxias credo, si homines credant se inde fieri ceteris meliores, ut timemus. In scripturis autem hec tria invenimus commendata: Ieiunium, orationem, eleemosynam. Eleemosyna est misericordia in proximum, que sola ex operibus praecepta est nobis et vocatur ieiunium spirituale Esaie lviii. Ubi dominus Ieiunium dicit a se electum, quo homo abstinet, ne malum faciat aut cogitet in conspectu dei et ne iniuriam proximo irroget, quin potius subveniat necessitati et ab iniuria defendat. Ieiunium autem corporale, quod hodie publice agitur, legem sapit et coactionem, non libertatem Christianam, et videtur quid habere superstitionis. Primum quod specialibus diebus id assignant; deinde edunt semel, sed ultra necessitatem, parant quoque pro butyro oleum, pro carne suis laridum turpe canis marini; ut interim taceam alia exotica denique nihil quaerunt per ieiunium, ut doment carnis petulantiam, que potius incenditur, postquam tam multa semel ingesta ceperint digeri. Potius ieiunio, quod nunc precipiunt, inducendi sunt homines, ut quandoque etiam discant recte ieiunare. Ieiunium corporale, quod evangelicis literis commendatur, est edere quemcunque cibum, quocunque die, moderate, cum gratiarum actione, ne graventur corda nostra crapula et ebrietate et repentina superveniat super nos dies illa domini. V Edentes, inquit, et bibentes, que apud illos suntV . Quodsi abstines a carne edenda aut ab aliis, quia id iudicas corpori tuo utile mentisque vivacitati conferre, vel si ob id abstines ab integro prandio, commode facis, tantum ne obsis sanitati, in nullo autem cibo sumpto peccatum est. Cave tamen, ne tua fide bona aliis scandalo sis.| Haec ita habere qui nescit, Paulum non legit. Porro oratio Christiana non est multus labiorum strepitus, sed pium in deum desiderium, quod vides in publicano praedicto. Unde psalmus: V Desiderium pauperumV etc. De tribus praedictis docet Christus Matth. vi. Cetera quaecunque sint, vide ne te decipiant specie bona velut daemonium meridianum. Satis enim in baptismo vovisti, ut non aliis te obstringas, quasi baptismus iam perierit. In Christo Iesu valete et orate eum pro me, ut gratia eius dignus efficiar. Amen.

5. timemus. ] Abs. Hg. 14. necessitatem ] A: Zusatz von Bugenhagens Hand. 15. canis ] korr. nach Mohnike, Bemerkung, 186 f (A, B: carnis). 17. Potius ] A: Zusatz von Bugenhagens Hand. 24–25. commode ... est ] A: Zusatz von Bugenhagens Hand. 24. facis ] B: facies. 32. Amen. ] Zusatz, wahrscheinlich von Bugenhagens Hand. 2. Io[ann]is sexto ] Vgl. Joh 6,22–60 (V). 4. mihi◦ ] Joh 4,21. 8. Esaie lviii ] Vgl. Jes 58,3–12.

22. sunt.V ] Lk 10,7 (V). 28. pauperumV ] Ps 9,38 (V). 29. Matth. vi ] Vgl. Mt 6,1–18.

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Passio, resurrectio et ascensio domini nostri Ihesu Christi secundum quatuor evangelistas Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten Bearbeitet von Anneliese Bieber-Wallmann Einleitung Als Johannes Bugenhagen begann, biblische Vorlesungen im Prämonstratenserkloster Belbuck bei Treptow an der Rega zu halten, war er nicht in der scholastischen Theologie ausgebildet, hatte aber eine Vorstellung von Werken der Kirchenväter Hieronymus, Ambrosius, Augustin, Lactantius und anderen. Wie sein 1515 veröffentlichter Briefwechsel mit dem Pädagogen Johannes Murmellius in Münster zeigt, orientierte er sich an der humanistischen Bewegung und wurde von Murmellius auch auf Erasmus von Rotterdam hingewiesen.1 Bei der Auslegung der biblischen Bücher waren es die Kommentare der Kirchenväter und die erasmischen Schriften zum Neuen Testament, die Bugenhagen in erster Linie heranzog. Später beschrieb er, daß zu seinen Aufgaben im Kloster Belbuck auch eine Vorlesung über das Matthäusevangelium gehörte. Wann genau er mit dieser Vorlesung begann, ist nicht leicht zu bestimmen. Traditionell hat man dafür das Jahr 1518 angenommen, da aber in der Reinschrift des Matthäuskommentars, die nach der Vorlesung entstand, aus der Ratio seu compendium verae theologiae des Erasmus von 1519 zitiert wird, muß man wohl eher von diesem Jahr ausgehen.2 Im Rahmen dieser Vorlesung beschäftigte er sich mit den Unterschieden zwischen den vier neutestamentlichen Evangelien. Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Evangelien, die ihm seine Hörer vortrugen, versuchte Bugenhagen zu begegnen, indem er die Berichte über das Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesu Christi als fortlaufende Erzählung gestaltete. Dazu nahm er alle Einzelzüge aus den verschiedenen Evangelien auf sowie einzelne Abschnitte aus der Apostelgeschichte zu Himmelfahrt und Pfingsten sowie dem ersten Korintherbrief zur Einsetzung des Abendmahls und den Erscheinungen des Auferstandenen. Diese 1 S.o.

die Murmellius-Edition 37,11–12; 40,1–3. ergibt sich, wenn man entsprechend der Vorrede Bugenhagens zur Ausgabe seiner Passionsharmonie von 1544 die 26 Jahre zurückgeht, die er dort angibt; s.u. 128,1; 128,15–20 sowie Bieber, Reform, 23 bei Anm. 51. Leder, Biblisches Lektorat, 21–27 widmet einen Exkurs der Datierungsfrage. Dabei kritisiert er die traditionellen Annahmen, Bugenhagen habe bereits 1517 mit Vorlesungen im Konvent begonnen und 1518 über das Matthäusevangelium gelesen; s. ebd. 23. Den Bezug auf die Reinschrift des Belbucker Kommentars in Bieber, Reform, 23 lehnt Leder ab. Die theologische Entwicklung, die sich innerhalb des Mt.-K.s und der Passio (Hs.) ablesen läßt und die mit dem Schlagwort „Von Erasmus zu Luther“ zusammengefaßt werden kann, dürfte aber doch eine längere Zeitspanne umfaßt haben. Der Beginn der Vorlesung könnte also in das Jahr 1519 fallen, ihr Ende in den Winter 1520/21. 2 1518

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Arbeit erschien ihm bei Passion und Auferstehung Jesu besonders wichtig, weil sonst die zentralen Glaubensaussagen in Gefahr gerieten.3 Zahlreiche harmonistische Werke fand Bugenhagen bereits vor, sie genügten seinen Ansprüchen jedoch nicht. Die Bücher mit der Harmonisierung der Passionsgeschichte enthielten nach seinem späteren Bericht zu viele Widersprüche, die Harmonisierung der Auferstehungsberichte war von seinen Vorgängern vernachlässigt worden.4 Deswegen versuchte Bugenhagen die Geschichte nicht nach einer schon vorhandenen Harmonie, sondern direkt nach den neutestamentlichen Texten zusammenzustellen.5 Daß Johannes Bugenhagens Harmonie als angemessene Bearbeitung der biblischen Berichte aufgenommen wurde, zeigt ihre Wirkungsgeschichte: Zwar wurde die handschriftliche Fassung, die wohl der Vorlesung im Kloster Belbuck entsprach, nie von ihm veröffentlicht, doch gab der „Pomeranus“ 1524 von Wittenberg aus den harmonisierten Bibeltext mit einer neuen, ganz sparsamen Kommentierung in den Druck.6 In den Jahren danach erschien die Passions- und Auferstehungsharmonie in einer hochdeutschen und einer niederdeutschen Fassung und wurde von allen Werken Bugenhagens am häufigsten gedruckt und in verschiedenen Ausgaben am weitesten verbreitet. Der harmonisierte Bibeltext blieb wie im lateinischen Text von 1524, die Kommentierung jedoch veränderte Bugenhagen bis 1551 immer wieder.7 In seinen letzten Lebensjahren hatte er noch vor, eine Harmonie der gesamten Evangelien zu erstellen, konnte sie wegen nachlassender Kräfte jedoch nicht mehr ausführen.8

1. Bugenhagen und die Tradition: Harmonien und Bibelkommentare der Väter Die Verschiedenheit der Evangelien wurde seit altchristlicher Zeit als Problem empfunden. Von weitreichender Wirkung war deswegen das Diatessaron, in dem der Apologet Tatian um 170 versuchte, die synoptischen Perikopen in den Rahmen des Johannesevangeliums einzufügen. Wenn sich die Berichte der Evangelien in Einzelzügen unterschieden, wurden diese mit Hilfe der Additionsmethode nebeneinandergestellt. Die Originalgestalt des Werks, das wahrscheinlich in syrischer Sprache abgefaßt wurde, ist uns nicht mehr bekannt, jedoch gibt es eine Vielzahl von Bearbeitungen in den östlichen und den westlichen Kirchen des Altertums und des Mittelalters.9 Unter den Theologen des Westens befaßte sich hauptsächlich Augustin mit Fragen der Übereinstimmung zwischen den einzelnen Evangelientexten. Sein Werk De consensu evangelistarum10 stellte allerdings keinen fortlaufenden Ersatz für die Evangelientexte her, sondern benannte 3 S.u.

128,12–14. 124,5–19. 5 S.u. 326,4–6. 6 S.u. 88 bei Anm. 50. 7 S.u. 99 bei Anm. 151. 8 S.u. 99 bei Anm. 156. 9 Vgl. Tatian, Diatessaron sowie die Zusammenstellung bei Wünsch, Art. Evangelienharmonie, TRE 10, 1982, 628 f. 10 Vgl. Augustin, De consensu ev. 4 S.u.

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die Grundsätze, nach denen die unterschiedlichen Perikopen zusammengehörten. Ausgangspunkt war wiederum das Johannesevangelium, dem sich die synoptischen Evangelien im Zweifelsfall unterzuordnen hatten. Augustins Zeitgenossen Ambrosius und Hieronymus erörterten ebenfalls Fragen der Harmonisierung von Evangelientexten, allerdings nicht in dieser grundlegenden Form.11 Im Mittelalter wurden die Ansätze aus der Alten Kirche weitergeführt in Werken, die sich ausdrücklich auf Tatian oder Augustin beriefen. Anders als in der Spätantike, als die kirchlichen Schriftsteller vor allem apologetische Zielsetzungen gegenüber den Gegnern des Christentums verfolgten, war der Zweck der nun ausgeführten Harmonien erbaulicher Art: Man wollte den christlichen Lesern ein möglichst anschauliches und vollständiges Bild vom Leben, Sterben und der Auferstehung des Herrn vor Augen stellen und erweiterte die biblischen Texte deswegen mit Legenden. Weit verbreitet waren das Werk In unum ex quatuor des Zacharias Chrysopolitanus, die Historia Scholastica des Petrus Comestor und die Vita Jesu Christi Ludolfs von Sachsen.12 Eine neue Form der Evangelienharmonie bot das Monotessaron des französischen Theologen Jean Charlier Gerson. Hier wurden die Grundsätze Augustins mit größter Genauigkeit so durchgeführt, daß jedes Wort aus den Evangelien seinen Platz im harmonistischen Text fand und seine Herkunft mit Siglen bezeichnet wurde. Man kann das Monotessaron deswegen als die erste wissenschaftliche Evangelienharmonie bezeichnen.13 Von der Harmonisierung der gesamten Evangelien sind Versuche zu unterscheiden, die verschiedenen Berichte von Passion und Auferstehung Jesu Christi in eine fortlaufende Erzählung zu bringen. Lateinische Drucke mit dem Titel Passio domini nostri wurden zwischen 1490 und 1520 in größerer Anzahl verbreitet. Sie boten den harmonisierten Bibeltext in unterschiedlicher Form dar: Im gelehrten Typus der Passionsharmonie wurde der Evangelientext durch Kir11 Bei Ambrosius geschah das in seinem Kommentar zum Lukasevangelium, bei Hieronymus im Matthäuskomentar sowie im Brief an Hedybia. Vgl. Ambr., Exp. ev. sec. Luc.; Hieron., In Math.; Ep. ad Hedybiam. 12 Vgl. Zacharias Chrysopolitanus, In unum ex quatuor, Petrus Comestor, Historia scholastica, sowie Ludolf von Sachsen, Vita Jesu Christi. Die Identität von Zacharias Chrysopolitanus ist umstritten. Laut Leinsle, Art. Zacharias Chrysopolitanus, BBKL 14, 1998, 296–299 lebte er nach 1145 in Laon. Schmid, Zacharias Chrysopolitanus, ThQ 68, 1886, 537–544 vertritt die Ansicht, daß Zacharias der Domschule von Besançon entstammte und in den Prämonstratenserorden eintrat. Zwischen 1130 und 1157 sei er öffentlich aufgetreten. Sein Werk fußt auf dem abendländischen Diatessaron, das dem Ammonius von Alexandrien zugeschrieben wurde. – Petrus Comestor (1100–1179), der seit 1164 in Paris lehrte, bot den Stoff des Alten und Neuen Testamentes unter Einfügung von Informationen, die er den Werken der Kirchenväter entnahm. Vgl. Luscombe, Art. Petrus Comestor (gest. 1178/79), TRE 26, 1996, 291–293. – Der Kartäuser Ludolf von Sachsen (um 1300–1377 o. 1378) schrieb sein Buch über das Mysterium Jesu Christi 1348–68 in Mainz. Zum Zweck der Andacht verwendete er auch zahlreiche Legenden. Vgl. Geyer, Art. Ludolf von Sachsen (gest. 1378), TRE 21, 1991, 479–481. 13 So Wünsch, Evangelienharmonien, 19. – Zu Leben und Werk J. Gersons vgl. Burger, Art. Gerson, Johannes (1363–1429), TRE 12, 1984, 532–538. Ähnlichkeiten und Unterschiede der hd. und nd. Passionsharmonien Bugenhagens von 1526, 1530 und 1586 (erstere bei uns mit den Siglen F, H bezeichnet, zu letzterer s.u. 100) mit der Harmonie Gersons sowie Johannes’ Geilers von Kaysersberg untersucht Hörner, Evangelienharmonie, 222–231.

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chenväterzitate ergänzt, im erbaulichen Typus dagegen sorgten Abbildungen und Merksprüche dafür, daß die Passion des Herrn durch Mitleiden und Nachfolge auf das Glaubensleben der einzelnen Leser bezogen wurde. Die Passionsfrömmigkeit stand im späten Mittelalter so sehr im Vordergrund, daß nicht alle Harmonien mit der Abfolge der Ostererscheinungen schlossen, sondern in einigen die Grablegung Jesu am Ende stand.14 Der erbauliche Zweck dominierte gänzlich bei Passionsharmonien in der Volkssprache, die im gleichen Zeitraum teils separat gedruckt wurden und teils in liturgischen und katechetischen Lesebüchern, sog. Plenarien, enthalten waren. Da diese Harmonien ausdrücklich zu Reue, Buße und Dankbarkeit anregen sollten, schreckten die Verfasser und Herausgeber nicht davor zurück, Leiden und Schmerzen Christi kräftig auszumalen. Wenn die Auferstehungsberichte dargeboten wurden, sollten sie ebenfalls den Glauben stärken – die Betonung lag bei den hoch- und niederdeutschen Harmonien jedoch eindeutig auf der Darstellung der Passion.15 Die Passionsharmonien aus den Plenarien wurden neben der traditionellen Verlesung der Passionen aus den einzelnen Evangelien in der Karwoche16 am Karfreitag, manchmal auch am Palmsonntag im Gottesdienst vorgelesen. Wenn Bugenhagen im Nachwort der Passions- und Auferstehungsharmonie den Anspruch auf Selbständigkeit seiner Harmonisierung erhob,17 so läßt sich aus Zitaten, Anspielungen und Entsprechungen der handschriftlichen Fassung ersehen, daß er die harmonistischen Werke der Kirchenväter und die Evangelienharmonien des Mittelalters kannte. Ausdrücklich nannte er die Arbeiten von Augustin, Hieronymus und Ambrosius.18 An wichtigen Stellen finden sich Anklänge an Ludolf von Sachsens Vita Jesu Christi19 . Analogien bestehen auch zu Aussagen in den harmonistischen Werken von Zacharias Chrysopolitanus und Petrus Comestor.20 Mit den Passionsharmonien, die zu seiner Zeit entstanden waren, setzte er sich auseinander, ohne die Verfasser mit Namen zu nennen.21 Als Hauptkritikpunkte an den zeitgenössischen Passionsharmonien nannte er später eine ungeschickte Harmonisierung, die eher Zweifel an der Zuverlässigkeit der Evangelien wecke, als sie zu zerstreuen, und die Vernachlässigung der Auferstehungsberichte in den Harmonien.22 Außer den harmonistischen Werken von Vorgängern und Zeitgenossen benutzte Bugenhagen die Evangelienauslegungen der Väter und die Schriften des Erasmus zum Neuen Testament. So zitierte er in der handschriftlichen Fassung 14 Beispiele

für die unterschiedlichen lat. Passionsharmonien bei Bieber, Reform, 66–70. bei Bieber, Reform, 70–75. 16 Nach Alzog, Plenarien, 3 und Pietsch, Perikopenbücher, IX wurde am Palmsonntag die Passion nach Matthäus, am Dienstag der Karwoche die Passion nach Markus, am Mittwoch nach Lukas und am Karfreitag nach Johannes verlesen. 17 S.u. 326,4–6; 327,5–7; 578,2–6; 579,2–5. 18 Vgl. Anm. zu 326,4–5. 19 S.u. Anm. zu 166,5–6; Anm. zu 166,7–9. 20 Zu Zacharias Chrysopolitanus, In unum ex quatuor s.u. Anm. zu 328,4–5, zu Petrus Comestor, Historia scholastica, s.u. Anm. zu 270,28–270,30. 21 Vgl. 190,31–192,19. 22 Vgl. Vorrede zur hochdeutschen Passions- und Auferstehungsharmonie von 1544, 124,9–13; 124,20–23. 15 Beispiele

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seiner Harmonie aus den Matthäuskommentaren von Origenes, Hilarius von Poitiers und Hieronymus23 sowie aus den Matthäushomilien des Johannes Chrysostomus24 . Für die Erklärung von Ortsnamen machte sich Bugenhagen bei Eusebs Onomastikon in der Übersetzung von Hieronymus kundig.25 Augustins Evangelienauslegung wurde nicht nur mit den harmonistischen Grundsätzen von De consensu evangelistarum herangezogen, sondern auch mit den Predigten zum Johannesevangelium26 . Besonders wertvoll für das Verständnis von Passion und Auferstehung Jesu Christi war Bugenhagen der Johanneskommentar Cyrills von Alexandrien.27 Daneben verwies er auf die Johannesauslegungen von Origenes und Johannes Chrysostomus28 sowie den Lukaskommentar von Ambrosius29 . Predigten von Leo dem Großen sowie anderen Verfassern aus der Alten Kirche und dem Mittelalter entnahm Bugenhagen in erster Linie der Sammlung des Paulus Diaconus, die als Homiliarius doctorum zu Beginn des 16. Jahrhunderts gedruckt wurde.30 Von Beda Venerabilis verwendete er den Lukaskommentar, von Hrabanus Maurus den Matthäuskommentar31 , und schließlich lag ihm die Postilla super totam Bibliam des Nikolaus von Lyra vor32 . Aus den gedruckten Ausgaben der Passions- und Auferstehungsharmonie, die von 1524 bis weit über Bugenhagens Tod hinaus ihre Wirkung entfalteten, ist der sorgfältige Umgang mit den Harmonien und Bibelkommentaren der Väter nicht mehr zu ersehen. Hier finden sich nur noch vereinzelte Spuren seiner Beschäftigung mit der Tradition. Wir können Bugenhagens Kenntnis der altkirchlichen und mittelalterlichen Schriftsteller aber genau nachweisen in der lateinischen Handschrift, die während seines Lektorats im Kloster Belbuck entstand.

23 Vgl.

z.B. 160,5–12; 282,11–11; 158,6–9. z.B. 160,13–15. Im vorangehenden Mt.-K. wurden noch häufiger als die echten Werke von Johannes Chrysostomus die ebenfalls unter diesem Namen überlieferten In Matthaeum Homiliae Opus imperfectum herangezogen. Vgl. dazu Bieber, Reform, bei Anm. 103. 25 S.u. 230,7–8. 26 S.u. 174,16–18. 27 S.u. 174,12–15. Zu den wichtigsten Motiven, die aus Cyrills Kommentar entnommen werden, vgl. Bieber, Reform, 52–54. 28 S.u. 184,21–23; 222,20–22. 29 S.u. 198,30–200,11. 30 Zu Leo dem Großen z.B. 184,18–19; zu Gregor dem Großen 220,26; auf Homilien von Maximus von Turin und Haimo von Auxerre wird 194,22 verwiesen. Zu Maximus s. Sotinel, Art. Maximus von Turin (gest. ca. 420), TRE 22, 1992, 304–307, vgl. Maximi Episcopi Taurinensis Sermones, Einl. v. Mutzenbecher, Maximus und sein Werk, CChr.SL 23, 1962, XV–XXXVI; zu Haimo v. Auxerre, der in der Tradition häufig mit dem gleichnamigen Bischof von Halberstadt identifiziert wurde, s. Berndt, Art. Haimo von Auxerre, OSB, LThK3 4, 1995, 1150, vgl. Kottje, Art. Haimo (Hemimo, Hemmo, Bf. v. Halberstadt.), LThK3 4, 1995, 1151. – Eine Ausgabe des Homiliarius doctorum de tempore. Homiliarius doctorum de sanctis erschien 1513 in Basel. Bei Migne unter dem Titel: Paulus Diaconus, Homiliarius. 31 S.u. 240,13–14; 262,17–20. 32 S.u. 270,18. 24 Vgl.

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2. Johannes Bugenhagens Passions- und Auferstehungsharmonie: Charakterisierung und Inhalt Da Bugenhagens Passions- und Auferstehungsharmonie in vielen verschiedenen Fassungen vorliegt, ist es sinnvoll, die einzelnen Bearbeitungen in chronologischer Abfolge zu beschreiben.

2.1 Die lateinische Handschrift aus der Belbucker Zeit (1519–1520/21) Die ursprüngliche Fassung der lateinischen Passions- und Auferstehungsharmonie gehörte zusammen mit einem (lateinischen) Matthäuskommentar, der wohl die Reinschrift von Bugenhagens Vorlesung über Mt 1–25 darstellte. Statt der Auslegung von Mt 26–28 enthielt diese Handschrift die Harmonie der Berichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu Christi.33 Für Matthäuskommentar und Harmonie wurden in gleicher Weise die Auslegungen der Kirchenväter und der genannten Autoren des Mittelalters herangezogen. Unter der Überschrift Exhortatio ad Christi philosophiam machte Bugenhagen am Beginn des Kommentars mit ausführlichen Zitaten aus der Paraclesis und der Ratio seu Methodus des Erasmus deutlich, daß er einem bibelhumanistischen Programm folgen wollte.34 In Matthäuskommentar und Harmonie bezog er sich immer wieder auf die Annotationes des Erasmus zu den Evangelien und zum ersten Korintherbrief sowie auf die Ratio seu methodus compendio perveniendi ad veram Theologiam35 . Teilweise übernahm Bugenhagen die Auseinandersetzung mit Auslegungen der Tradition von Erasmus.36 Bei der Harmonisierung der Passions- und Auferstehungstexte nach den Evangelien verwendete Bugenhagen vorwiegend die lateinische Übersetzung des Erasmus von 1519. Nur an wenigen Stellen zitierte er die Vulgataversion.37 Während die Prinzipien von Harmonisierung und Kommentierung in Passionsund Auferstehungsharmonie gleich waren, gab es im Umfang der Teile zwischen der Passions- und der Auferstehungsharmonie einen deutlichen Unterschied. In der Passionsharmonie wechselten Bibeltext und Kommentar aus Erasmus- und Kirchenväterschriften ab, in der Auferstehungsharmonie nahm dagegen der Bibeltext fast die gesamte Seite ein, nur wenige und kurze Kirchenväterzitate befanden sich am Rand. Ausführlich gestaltete der Verfasser nur die Begründung seiner einzelnen Harmonisierungen am Ende der Schrift. 33 Zwischentitel: Passio Christi. Passio domini Iesu Christi secundum quatuor evangelistas. Resurrectio et ascensio domini nostri Iesu Christi secundum quatuor evangelistas Passio Christi. – Alberts, Bugenhagenfunde, beschrieb diese Handschrift als Teil der Schönbeckischen Fundation in Stendal. Seit 1990 befindet sie sich unter der Sign. V a 13 im Besitz der dortigen Marienkirche. Sie trägt den Vermerk: Manuscriptum est Doctoris Johannis Bugenhagij Pomerani, Fidelis Beati Lutheri Socij, Ex Bibliotheca Seideliana. Näheres zur Provenienz bei Bieber, Reform, 16, Anm. 6. 34 Vgl. Mt.-K. [1r ]–[1v ]; [19r ]. Dazu Bieber, Reform, 28–35. 35 S.u. 230,21–25. 36 So lehnte Erasmus, Ann. in Lc., die Deutung von Lk 22,36 durch Nikolaus von Lyra ab, um ihr diejenige des Ambrosius entgegenzustellen, s.u. 224,18–21; 224,21–226,15. 37 Zum genauen Verhältnis von Vulgata und Erasmus-Übersetzung vgl. Bieber, Reform, 102 f.

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Im Vergleich zum vorangehenden Matthäuskommentar und zur Passionsharmonie erweckt die Textaufteilung der Auferstehungsharmonie den Anschein von Flüchtigkeit und Eile. Die Eile könnte durch Bugenhagens Aufbruch nach Wittenberg verursacht sein, wo er sich am 29. April 1521 immatrikulieren ließ. Er wollte die reformatorische Theologie studieren, die er in Treptow in Gestalt von mindestens zwei Lutherschriften kennengelernt hatte, De captivitate Babylonica und De libertate christiana. Der Beleg für die entscheidende literarische Begegnung mit Luther findet sich in der handschriftlichen Passionsharmonie. Ohne Namensnennung wird dem Mann recht gegeben, der den würdigen Empfang des Altarsakramentes nur den Menschen mit traurigen und betrübten Gewissen zuschreibt und den Glauben als Frieden des Gewissens sieht. Hier handelt es sich um ein wörtliches Zitat aus Luthers Schrift De captivitate Babylonica38 , von der die Biographen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts berichteten, daß Bugenhagen über sie zu Luther gekommen sei39 . Im Vergleich dazu sind die Belege dafür, daß Bugenhagen den Freiheitstraktat Luthers vor seinem Weggang von Treptow kannte, nicht ganz so deutlich. In der Literatur wird gewöhnlich auf eine Inschrift von Bugenhagens Hand hingewiesen, die sich in einem Exemplar der Freiheitsschrift in der Universitätsbibliothek Greifswald befindet. Sie könnte eine Widmung Luthers an Bugenhagen bei der Übersendung des Traktats nach Pommern wiedergeben.40 Auch in der Kommentierung der handschriftlichen Passionsharmonie gibt es Stellen, die sich als Anklänge an Luthers De libertate christiana verstehen lassen, jedoch kein wörtliches Zitat.41 Die Harmonie wurde in dieser Form nie gedruckt. Daß Bugenhagen sie nach Wittenberg mitnahm, geht aus einem Zusatz hervor, den er am 28. März 1522 zur Reihenfolge der Geschehnisse am Gründonnerstagabend anbrachte.42 Er bemerkte hier, daß nach dem Text des Lukasevangeliums das Mahlgeschehen nicht unterbrochen werden dürfe und im Gegensatz zu seiner Belbucker Harmonisierung die Fußwaschung nach der Einsetzung des Abendmahls stehen müsse. Eine Konsequenz dieser Umstellung war, daß Judas am Abendmahl teilnahm.43 Wenn Bugenhagen in den ersten beiden Jahren, die er in Wittenberg verbrachte, an der Passionsharmonie weiterarbeitete, so drang davon möglicherweise nichts nach außen. Noch im Jahr 1521 begann er zwar mit biblischen Vorlesungen, die er zunächst im privaten Kreis, dann öffentlich hielt.44 Unter den neutestamentlichen Vorlesungen ist jedoch kein öffentlicher Vortrag der Passionsharmonie direkt belegt.45 38 S.u.

214,12–20. Leder, Pomeranus, 147–181 bzw. Reformatorische Wende, 59–91. 40 Vgl. Kähler, Bugenhagen und Luther, 112 f. 41 Vgl. Bieber, Reform, 264–268, bes. bei Anm. 215; 221; 224 f. 42 S.u. 164,17–24. 43 Zur Erläuterung vgl. Bieber, Reform, 88–90; 91–93. 44 Zu Bugenhagens Vorlesungstätigkeit 1521–1524 s. Gummelt, Lex et Evangelium, 11–24. 45 Gummelt, Lex et Evangelium, 17 gibt hier eine Vermutung Geisenhofs, Bibliotheca Bugenhagiana, 104 wieder: „Nach seiner Übersiedelung nach Wittenberg im März 1521 muss Bugenhagen auch dort über die ,Passion und Auferstehungsgeschichte‘ gelesen haben. Denn nur so erklärt es sich, dass im März oder April des Jahres 1524 die ,Auferstehungs- und Himmelfahrtsgeschichte‘ ohne Vorwissen Bugenhagens von dem Nürnberger Drucker Joh. Petrejus 39 Vgl.

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2.2 Die (lateinische) Vorlesung über die Auferstehungsharmonie in Wittenberg und der Raubdruck (1522–1524) Im Mai bzw. Juni 1524 erschienen nicht autorisierte Drucke von Bugenhagens Annotationes in decem Epistolas Pauli in Nürnberg und Straßburg. Sie basierten offenbar auf einer studentischen Mitschrift und enthielten im Anhang nur die harmonisierten Texte über Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi.46 Wann Bugenhagen die Auferstehungsharmonie im Hörsaal vortrug, ist ziemlich genau zu datieren: Die gleiche Zusammenstellung von kleinen Paulusbriefen und Auferstehungsharmonie begegnet uns in der Handschrift eines Studenten, der seine Aufzeichnungen dem Breslauer Pfarrer Johannes Heß überließ.47 In dem Breslauer Sammelband findet sich am Ende der Auferstehungsharmonie der Vermerk: Ex doctissimo Joanne Bugenhagio Pomerano, ante Michaelis festum 152248 .

2.3 Der Druck der lateinischen Passions- und Auferstehungsharmonie (1524) Ob Bugenhagen in der folgenden Zeit auch eine Vorlesung über die umfangreichere Passionsharmonie hielt, bleibt ungewiß.49 Jedenfalls veröffentlichte er sein harmonistisches Werk im September 1524 in einem Band mit seinem Kommentar zum Deuteronomium und zu den beiden Samuelbüchern bei Adam Petri in Bagedruckt werden konnte. Einer aus der Zuhörerschaft Bugenhagens wird seine Niederschrift an den Drucker verkauft haben.“ 46 Titel: Annotationes Ioan. Bugenhagij Pomerani in x Epistolas Pauli, scilicet ad Ephesios, Philippenses, Colossenses, Thessalonicenses primam et secundam. Timotheum primam et secundam, Titum, Philemonem, Hebraeos. Item Concordia Evangelistarum de Resurrectione ac Ascensione domini (Geisenhof Nr. 56); (Ann. X). – Sie wurden zuerst zweimal bei Johann Petrejus in Nürnberg gedruckt, der sie ohne Hemmungen als „praedula“ anpries, dann unverändert bei Johann Herwagen d.Ä. in Straßburg sowie noch einmal ohne Nennung des Druckers in Straßburg und einmal ohne Drucker und Druckort, s. Geisenhof Nr. 54–58. 47 Zu Heß s. Seils, Art. Heß, Johann (1490–1547), TRE 15, 1986, 260–263. Der Band befindet sich heute in der UB Wrocław, Sign. Ms B 1926, und trägt den Vermerk: An[no] xxiiii. Su[m] Ioannis Hessi Pas[t]orhi [Lutarenis?] ad S. Maddalenam. Am Schluß steht: Ex Bibliotheca Bernhardiana Vratisl. Scrinium Mühlenacroniarum in Octavo 23. – Offenbar hat Heß die Handschrift durchgearbeitet und (in dunkelroter Tinte) Zwischenbemerkungen, Marginalien und Unterstreichungen eingetragen. 48 [256v ]. Die Auferstehungsharmonie umfaßt die Bll. [249r ]–[256v ]. Die übrigen Vorlesungen sind von 1522 (Eph, Kol, 1Thess, 2Thess, 1Tim) sowie von 1523 (Hebr, Tit, Phil, 2Tim). 49 Eine Sammlung von Vorlesungen, die vom späteren Zwickauer Stadtschreiber, Stephan Roth, handschriftlich festgehalten wurde, legt folgendes nahe: Nach den kleinen Paulusbriefen und dem Hebräerbrief widmete sich Bugenhagen mit kurzen Consideranda circa passionem Christi dem Thema der Passion, um dann zur getrennten Auslegung des Matthäus- und des Lukasevangeliums unter Einschluß von Mt 26–28 und Lk 22–24 überzugehen (so die Reihenfolge im Bd. Ms 40, 5r –204r ). Gummelt, Lex et Evangelium, 19 f setzt die Vorlesungen über Mt und Lk auf die erste Hälfte des Jahres 1523 an. Er erwähnt die Consideranda circa passionem Christi (Ms. 40, 162v ) nicht. Wenn man Roths Handschrift der erwähnten Werke als Belege für Bugenhagens Vorlesungstätigkeit heranzieht, ist freilich zu bedenken, daß es sich um eine Reinschrift handelt. Roth kam erst im Wintersemester 1523/24 nach Wittenberg und hörte zumindest die Paulusbriefe, deren Datierung durch die Breslauer Handschrift gesichert ist (vgl. o. Anm. 48), nicht selbst. – Zu Stephan Roth s.u. 682 bei Anm. 26.

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Passionsharmonie. Einleitung

sel.50 In der Widmungsvorrede für den Wittenberger Juristen Benedikt Pauli51 stellte er die Harmonie ausdrücklich in den Zusammenhang der Rechtfertigungslehre: hic vides Christum, dei iustitiam, quae per fidem nostra est, quam iustitiam lex exigere potuit, praestare non potuit52 . Der harmonisierte Bibeltext wurde in der Druckfassung vollständig wiedergegeben, jedoch waren die zahlreichen Erläuterungen aus Schriften der Kirchenväter und des Erasmus, die in der Handschrift breiten Raum eingenommen hatten, verschwunden. Die Kommentierung war jetzt ganz sparsam und enthielt nur noch wenige allgemeine Hinweise auf Augustin und Hieronymus. Der Bibeltext sollte für sich sprechen. Die Anordnung der einzelnen Berichte war bis auf die Reihenfolge von Abendmahl und Fußwaschung unverändert. Hier (und in allen folgenden Fassungen) setzte Bugenhagen um, was er nach der handschriftlichen Notiz von 1522 als richtig erkannt hatte.53 Während diese Harmonie wie die übrigen exegetischen Werke, die der Wittenberger Dozent bis 1527 mit großem Erfolg veröffentlichte, in lateinischer Sprache abgefaßt und für theologisch gebildete Leser bestimmt war, begann im Jahr 1526 die Geschichte der deutschen Fassung von Bugenhagens Passions- und Auferstehungsharmonie.

2.4 Johann Mantels hochdeutsche Übersetzung der Passions- und Auferstehungsharmonie (1526) Unter dem Titel Die Historia des leydens vnd der Aufferstehung vnsers Herren Jhesu Christi54 erschien bei Johannes Weiß in Wittenberg55 die vom Autor ausdrücklich autorisierte Übersetzung des Diakons Johann Mantel.56 Für die Harmonisierung der Bibeltexte wurde Luthers Übersetzung des Neu50 Annotationes ab ipso iam emissae. In Deuteronomium. In Samuelem prophetam, id est duos libros Regum. Ab eodem praeterea conciliata ex Evangelistis historia passi Christi et glorificati cum annotationibus. Indice adiecto (Geisenhof Nr. 33); (Dtn.-K.). – Bugenhagens Vorwort stammte vom 11. Mai 1524, der Drucker Adam Petri stellte das Werk im September fertig, s. Geisenhof Nr. 33. 51 Nach Jöcher, Bd. 3, 1751, ND 1961, 1309, wurde Pauli 1490 in Wittenberg geboren, studierte dort und wurde Professor Iuris und Hofgerichtsassessor. Als Todesjahr gibt Jöcher 1552 an, stellt dieses Datum jedoch in Fortsetzung und Ergänzungen, Bd. 5, 1688, in Frage: Nach Melanchthons Epigrammatum sei Pauli 1548 gestorben. 52 Dtn.-K., [a]b . 53 S.o. bei Anm. 42 f sowie 164,14–174,15; 164,17–24; 186,10–194,16; 165,21–179,28. 54 Vollständiger Titel: Die Historia des leydens vnd der Aufferstehung vnsers Herren Jhesu Christi aus den vier Evangelisten (Geisenhof Nr. 76). 55 Meist Hans Weiss genannt, arbeitete der Buchdrucker von 1525 bis 1539 in Wittenberg; s. Reske, Buchdrucker, 998. Eine Bugenhagenschrift hatte er schon 1525 im Sammeldruck Etlich Christliche bedencken von der Mess (Geisenhof Nr. 151) hergestellt. 56 S.u. 350,6–11. Zu Johann Mantel (Lebensdaten: zwischen 1470 und 1480 bis 1542 oder 1543) vgl. ADB 20, 1884, ND 1970, 250 sowie Endermann, Johannes Mantel. Demnach stammte er aus Cottbus und war bis 1523 Prior des Cölestinerklosters auf dem Königstein bei Pirna. Von dort kam er nach Wittenberg, wurde Diakon und Lector der Stadtkirche in Wittenberg. 1535 erlitt er einen Schlaganfall, in den folgenden Jahren war er häufig krank. Er starb 1542 oder 1543. (Wie Jöcher, Ergänzungsbd. 4, 1813, ND 1961, 607–609, vermischt auch Wriedt, Anfänge, 23, die Angaben über den Wittenberger Diakon und den Nürnberger gleichen Namens.)

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Passionsharmonie. Einleitung

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en Testaments verwendet.57 Mantels Übersetzung des Bugenhagentextes war im großen und ganzen sinngemäß, manchmal wortreicher als das Original58 . Die Erweiterungen sollten der besseren Verständlichkeit dienen, etwa wenn Zitate ausgeschrieben wurden und den Lesern die Aktualität deutlicher vor Augen geführt wurde.59 Nur an wenigen Stellen wurde der Sinn des lateinischen Textes durch die Übersetzung verfälscht.60 Die hochdeutsche Harmonie eignete sich als Hausbuch für interessierte Laien, ebenso jedoch zur Verlesung in den Gottesdiensten der Passions- und Osterzeit. Für die Zeit ab 1528 läßt sich nachweisen, daß sie in den Predigten behandelt wurde, die an Karfreitag und Ostern in Wittenberg gehalten wurden.61 Entsprechend schrieb Bugenhagen in seinen Kirchenordnungen vor, daß die Passionsharmonie am Karfreitag und die Auferstehungsharmonie am Ostersonntag ganz gelesen werden sollte.62

2.5 Stephan Roths Abdruck der hochdeutschen Harmonie in der Winterpostille (1528) Wie sehr die Harmonie in diesen Jahren mit dem gottesdienstlichen Geschehen verbunden wurde, läßt sich auch daran ablesen, daß Stephan Roth sie 1528 in seine Winterpostille aufnahm.63 In seinem Vorwort gab er an, daß die Harmonie an Stelle eines schlecht überlieferten Sermons Martin Luthers stehe.64 Allerdings beschränkte er den Abdruck auf den harmonisierten Bibeltext und einige kurze Erläuterungen, die zum Teil der Bibelübersetzung Luthers von 1522 entnommen waren.65 Es fehlten die Vorreden und die Zusammenfassungen der Ereignisse bis 57 Welche Ausgabe genau zugrundegelegt wurde, läßt sich anhand der Varianten nicht zweifelsfrei feststellen. Es muß aber eine Ausgabe vor dem NT 261 gewesen sein, wie aus Mk 14,42 hervorgeht: „herbey kommen“ wie NT 221 –25, nicht „nahe“ wie NT 261 . Vgl. Anm. zu 454,26. 58 Z.B.: illorum caecitas/yhre blyndheyt, yn wilcher sie Christum verfolgeten vnd vermeynten yhn auszutilgen. Vgl. 139,9/358,2–3. 59 Z.B.: unde Ioannes ait: Hac iam tertia vice etc./wie Johannes auch sagt: Das ist nu das drittemal, das Jhesus offinbart ist seynen Jue ngern, nach dem er von den todten aufferstanden ist. Vgl. 329,12–13/580,9–10. – Venerandi enim patres, quemadmodum adhuc videmus/Hie sihe vnd mercke, waser art sind die hohen Priester, die wirdigen veter, vnd an diesen lerne auch erkennen die vnsern bey vnsern gezeyten. Vgl. 143,14–15/370,22–23. 60 Z.B.: Et circumspectis omnibus rebus cum iam vespera esset, exiit in Bethaniam cum duodecim./Vnd er lies sie da vnd gieng zur stadt hynaus gen Bethaniam vnd bleyb da vbir nacht. Vgl. 145,23–24/Anm. zu 378,18–20. – qui antequam in Galilaeam irent, Hierosolymis omnes crediderant/so sie doch alle sampt auch glewbten, ehe sie ynn Galileam giengen gen Jerusalem. Vgl. 329,25–26/Anm. zu 580,29. 61 Luther legte die Texte der Passionsharmonie von 1528 bis 1540 seinen Predigten in der Karwoche zugrunde; vgl. WA 27, 103 f; WA.DB 7, 533 f; Mülhaupt, Evangelienauslegung 5, 29*. Auch an mehreren Ostersonntagen ging er vom harmonisierten Text Bugenhagens aus. In der Osterwoche bevorzugte er nach Mülhaupt, ebd. 30* dagegen die alten Perikopen. 62 Vgl. z.B. Braunschweiger Kirchenordnung 45,14–16; 46,5–9 bzw. EKO 6,1.1, 378 f; 379. 63 Zu Roth s.u. 682 bei Anm. 26. – Mit der Herausgabe der Winterpostille war man in Wittenberg unzufrieden, da Roth Stücke von Luthers Predigten willkürlich zusammengefügt hatte. Vgl. WA 21, XV–XVIII. 64 S.u. 120,2–18. Nach WA 21, 165, Anm. 1) ist mit dem kritisierten Sermon WA 10 III, 72–80 gemeint. 65 Von den 25 Glossen in Roths Fassung der Passionsharmonie stammen 9 aus Luthers NT 221 , 1 aus dem NT 272 , 15 gehören zum Text der Harmonie in Mantels Übersetzung.

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Passionsharmonie. Einleitung

zum Dienstag der Karwoche sowie die wörtliche Wiedergabe der Abschiedsreden aus Joh 14–17.

2.6 Bugenhagens Fassung der hochdeutschen Passions- und Auferstehungsharmonie (1530) Bugenhagens gründliche Überarbeitung der hochdeutschen Passions- und Auferstehungsharmonie erschien als Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herrn Jhesu Christi66 im Jahre 1530 bei Georg Rhau in Wittenberg67 . In der Erweiterung seiner Vorrede gab er an, daß er die Übersetzung verbessert, die Harmonisierung des Palmsonntags sowie des Montags und Dienstags der Karwoche hinzugefügt habe und auch sonst Zusätze und Veränderungen angebracht habe.68 Zu den neu hinzugefügten Bibeltexten wurden die neuen Ausgaben von Luthers Neuem Testament verwendet.69 An manchen Stellen stellte Bugenhagen eine genauere Übersetzung her70 und veränderte Erläuterungen, um Mißverständnisse vor allem in Hinsicht auf Wort Gottes und Abendmahl auszuschließen71 . Am Schluß ließ er Jes 52,13–53,12 mit drei Erläuterungen aus der 1528 erschienenen deutschen Jesajaausgabe Luthers abdrucken.72 Diese Fassung der hochdeutschen Passions- und Auferstehungsharmonie wurde in den weiteren Ausgaben nur wenig verändert. Sie bildete auch die Grundlage für die niederdeutsche Harmonie, die ein Jahr später erschien.

2.7 Die ersten niederdeutschen Fassungen (1531 und 1533) Als bei Hans Walther in Magdeburg73 1531 die Historia des lidendes vnde der Vpstandinge vnses Heren Jesu Christi74 gedruckt wurde, erhielt sie 66 Vollständiger Titel: Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten durch Joh. Bugenhagen Pomer auffs new vleissig zusamen bracht (Geisenhof Nr. 77). 67 Zu Georg Rhau (Rhaw) s. Reske, Buchdrucker, 997 f. Er wirkte als Drucker von 1525 bis zu seinem Tod 1548 in Wittenberg, seine Erben führten die Werkstatt weiter bis 1566. Von den 17 hochdeutschen Drucken der Passions- und Auferstehungsharmonie, die zu Lebzeiten Bugenhagens entstanden, wurden nur drei außerhalb dieser Werkstatt gedruckt: die Übersetzung Mantels von 1526 bei Johannes Weiß (s.o. 88 bei Anm. 55), die gereimte Fassung von Joachim Greff 1538 bei Nickel Schirlentz (s.u. 95 bei Anm. 111) und eine nicht autorisierte Ausgabe im Jahre 1553 bei Jakob Bärwald in Leipzig (s.u. 99 bei Anm. 152–154). 68 S.u. 350,12–16. 69 Z.B. in Joh 11,4: „zur ehre Gottes“ (NT 261 . 1. sexta,E ] Mk 15,33 (E). 2. nonam,◦ ] Mt 27,45; vgl. Mk 15,33; Lk 23,44. 2. sol.◦ ] Lk 23,45. 3. azabthani?◦ ] Mt 27,46; vgl. Mk 15,34. 4. me?E ] Mk 15,34; vgl. Mt 27,46. 5. dicebant:E ] Mt 27,47 (E). 5. iste.◦ ] Mk 15,35; Vgl. Mt 27,47 (E). 7. plenum,E ] Joh 19,28 f (E). 8. hysopo◦ ] Joh 19,29. 8. eiusV ] Vgl. Joh 19,29 (V). 9. biberet,E ] Mt 27,48 (E). 9. an• ] Mk 15,36. 9. Helias◦ ] Vgl. Mt 27,49; Mk 15,36 (V). 10. eum.◦ ] Mk 15,36. 10. est.◦ ] Joh 19,30. 11. dicens:◦ ] Vgl. Mt 27,50; Mk 15,37; Lk 23,46. 12. meum.V ] Lk 23,46 (V).

18. aperta ] A:

◦ sunt

aperta◦ B: et Ps. 21: Narrabo etc. Textus. C: ex Psalmo 22. 4. vestrum ] B,C: vestrum. [B: vestrum. Annotaciones.] Ut natura filius patrem, ut autem vere homo deum suum appellat. Haec Cyrillus. Ego autem intelligo hic quoque Christum appellare patrem suum, quod secundum humanitatem quoque adoptatus sit. Nam protinus nos sibi comparat, cum inquit [C: addit]: ad [C: et] patrem [C: vestrum]. Hinc fratres appellavit supra. 6. renunciavit ] B: nunciavit. 6. discipulis ] B: discipulis suis. 9– 12. Dum ... θεοδίδακτοι. ] fehlt E. 9–18. Dum ... Ioan 1. ] B,C: Ex dispensatione dominus non in debita sui corporis gloria, sed in prima figura cernebatur, ne aliud corpus, quam de virgine assumpsit, resurrexisse putares, ne aliud, quam quod crucifixum et mortuum fuit, alioqui in gloria resurrectionis [C: resurrectionis suae] cerni non potuisset, quod facile intelliges ex Matthei 17, ubi clarificato corpore gloriam resurrectionis ostendit [B: ostendit. Non mox neque resurrexit neque ascendit, ut et mors eius et resurrectio satis probaretur. Caput septimum. – C: praeostendit. Et illi cum audissent etc. Non mox ... probarentur.] 13. Externa ... sunt. ] fehlt E. 4. vestrum.E ] Joh 20,11–17 (E). 6. sabbati.E ] Vgl. Mk 16,9 (E). 7. flentibus,E ] Mk 16,10 (E). 7. sibi.E ] Joh 20,18 (E). 8. crediderunt.E ] Mk 16,11 (E). 11–12. ut ... spiritus ] Vgl. Röm 8,16. 12. θεοδίδακτοι ] Vgl. 1Thess 4,9; Joh 6,45; Jes 54,13.

13. 14. 15. 18. 18. 18. 20. 20.

Lucae 8 ] Vgl. Lk 8,43–48. tangere◦ ] Vgl. Joh 20,17. ◦ Ascendo◦ ] Joh 20,17. Psal. 21 ] Vgl. Ps 21,23 (V). Heb. 2 ] Vgl. Hebr 2,11. Ioan. 1 ] Vgl. Joh 1,12. expaverunt.E ] Mk 16,5 (E). domini.◦ ] Mt 28,2.

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Heb. ii ex ps.

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

ille dicit eis:E ◦ Nolite timere vos, scio enim, quod Iesum • Nazarenum• qui crucifixus E fuitE quaeritis.◦ ◦ Non est hic, surrexit enim, sicut dixit. Venite et videte locum, ubi posuerant dominum. Et abeuntes cito dicite discipulis eius◦ ◦ et Petro◦ , E quod surrexit a mortuis et ecce praecedit vos in Galilaeam;E E illic eum videbitis, sicut dixit vobis:E E Ecce dixi vobis.E E Et abeuntes e celeritere fugerunt a monumentoE E cum timore et gaudio magno ◦ et◦ currebant, ut renunciarent discipulis eius.E E Habebat ◦ autem◦ illas tremor et stupor neque cuiquam quicquam dicebant, timebant enim.E E Cum autem issent ad renunciandum discipulis eius, ecce Iesus occurrit | illis dicens: Avete. Illae autem accesserunt et tenuerunt pedes eius et adoraverunt eum. Tunc ait illis Iesus: Nolite timere. Ite, renunciate fratribus meis, ut eant in Galilaeam, et ibi me videbunt.E Discipuli territi ante Christi mortem quomodo furarentur corpus custodientibus militibus sigillato sepulchro? Aut quomodo non excitati sunt milites tanto lapide amoto? Aut quomodo non cum linteis ablatum est corpus? Aut quomodo e glutinosa myrha corporis vestimenta potuerunt auferri? ¶ E Quae cum abissent, ecce quidam e custodibus venerunt in civitatem ac renunciaverunt principibus sacerdotum omnia quae acciderant; et congregati cum senioribus consilio habito pecuniam copiosam dederunt militibus dicentes: Dicite: Discipuli eius nocte V veneruntV et furati V suntV eum ◦ nobis◦ dormientibus. Et si hoc auditum fuerit sub praeside, nos persuadebimus ei et securos vos faciemus. At illi accepta pecunia fecerunt sicut erant edocti, et divulgatus est hic sermo apud Iudaeos usque in hodiernum diem.E ¶ ◦ Visus quoque est Cephae dominus.◦ j. Corin. xv.

10. Marg.: Heb. ii ex ps. ] Marg. am linken Rand des Blattes. 11. videbunt.E ] Abs. Hg. 12– 15. Discipuli ... auferri? ] Marg. am oberen Rand des Blattes. 1. 1. 2. 2. 3. 3. 4. 5. 5. 5.

eis:E ] Mk 16,6 (E). • Nazarenum• ] Mk 16,6. E fuitE ] Mk 16,6 (E). quaeritis.◦ ] Mt 28,5. eius◦ ] Vgl. Mt 28,6 f. Petro◦ ] Mk 16,7. Galilaeam;E ] Mt 28,7 (E); vgl. Mk 16,7. vobis:E ] Mk 16,7 (E). vobis.E ] Mt 28,7 (E). e celeritere ] Mt 28,8 (E).

5. monumentoE ] Mk 16,8 (E). 6. eius.E ] Mt 28,8 (E). 7. enim.E ] Mk 16,8 (E). 10. Marg.: Heb. ii ex ps. ] Vgl. Hebr 2,12; Ps 21,23 (V). 11. videbunt.E ] Mt 28,9 f (E). 19. V veneruntV ] Mt 28,13 (V). 19. V suntV ] Mt 28,13 (V). 22. diem.E ] Mt 28,11–15. 22. dominus.◦ ] Vgl. 1Kor 15,5.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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ille dicit eis:E ◦ Nolite timere vos, scio enim, quod Iesum • Nazarenum• qui crucifixus E fuitE quaeritis.◦ ◦ Non est hic, surrexit enim, sicut dixit. Venite et videte locum, ubi posuerant dominum. Et abeuntes cito dicite discipulis eius◦ ◦ et Petro◦ , E quod surrexit a mortuis et ecce praecedit vos in Galilaeam;E E illic eum videbitis, sicut dixit vobis:E E Ecce dixi vobis.E ? E Et abeuntes e celeritere fugerunt a monumentoE E cum timore et gaudio magno ◦ et◦ currebant, ut renunciarent discipulis eius.E E Habebat ◦ autem◦ illas tremor et stupor neque cuiquam quicquam dicebant, timebant enim.E E Cum autem issent ad renunciandum discipulis eius, ecce Iesus occurrit illis dicens: Avete. Illae autem accesserunt et tenuerunt pedes eius et adoraverunt eum. Tunc ait illis Iesus: Nolite timere.?? Ite, renunciate fratribus meis, ut eant in Galilaeam, et ibi me videbunt.E ?In hac historia primum agitur de sepulchro vacuo. Inde Iesus soli Mariae apparet ad sepulchrum. Redeunt ergo et aliae cupientes videre quod illa viderat, et dux earum est eadem Maria. Et ipsae ergo (ut illa ante) primum experiuntur, num aliquid sit in sepulchro, deinde vident Iesum, ne quid dubitarent. Et credentes tangunt etc. – cum antea Maria fuisset prohibita, dum adhuc non credebat etc. ??Angelus Evangelium dixerat: ◦ Nolite timere,◦ sed Christus primum a timore liberat. E Quae cum abissent,† ecce quidam e custodibus venerunt in civitatem ac renun|ciaverunt principibus sacerdotum omnia quae acciderant. Et congregati cum senioribus consilio habito pecuniam copiosam dederunt militibus dicentes: Dicite: Discipuli eius nocte V veneruntV et furati V suntV eum ◦ vobis◦ dormientibus. Et si hoc auditum fuerit V aV praeside, nos persuadebimus ei et securos vos faciemus. At illi accepta pecunia fecerunt sicut erant edocti, et divulgatus est hic sermo apud Iudaeos usque in hodiernum diem.E

1. Iesum Nazarenum ] B,C: Nazarenum. 2. fuit ] B: fuerit. 3. Petro ] B,C: Petro (Petrum seorsum nominat angelus, alioqui quia negaverat Χριστόν, putasset se numero discipulorum non contineri.) 7. neque ] B: nec. 8. eius ] fehlt C. 10. Ite ] B: Ite et. 12–19. In hac ... liberat. ] B,C: Hae feminae, quia credunt et adorant, a tactu non prohibentur. B: prohibentur (non ob tactum salvantur aliquae, inde qui carnem crucifixerunt prae omnibus, salvantur). Textus caput viij. 23. vobis ] A,B: ◦ nobis◦ . 24. a ] A–C: E subE . 25. hic ] fehlt B. 25. apud Iudaeos ] fehlt B,C. 1. 1. 2. 2. 3. 3. 4. 5. 5. 5.

eis:E ] Mk 16,6 (E). • Nazarenum• ] Mk 16,6. E fuitE ] Mk 16,6 (E). quaeritis.◦ ] Mt 28,5. eius◦ ] Vgl. Mt 28,6 f. Petro◦ ] Mk 16,7. Galilaeam;E ] Mt 28,7 (E); vgl. Mk 16,7. vobis:E ] Mk 16,7 (E). vobis.E ] Mt 28,7 (E). e celeritere ] Mt 28,8 (E).

5. monumentoE ] Mk 16,8 (E). 6. eius.E ] Mt 28,8 (E). 7. enim.E ] Mk 16,8 (E). 11. videbunt.E ] Mt 28,9 f (E). 16. cum ... credebat ] Vgl. Joh 20,17. 18. timere,◦ ] Mt 28,5. 23. V veneruntV ] Mt 28,13 (V). 23. V suntV ] Mt 28,13 (V). 24. V aV ] Mt 28,14 (V). 26. diem.E ] Mt 28,11–15.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

Augustinus, Ps. lv: Tales erant caeci Iudaei, ut crederent dicto omnino incredibili. Crediderunt testibus dormientibus – aut falsum erat, quod dormierant, et mendacibus credere non debuerunt, aut verum erat, quod dormierant, et quod factum est nescierunt. Inviti ergo fatentur nobiscum Christum in sepulchro non esse. Haec ex Chrys. Unde canitur: Dicant nunc Iudaei etc. Manet Iudaeis mendacium, nobis veritas. ¶ E Et ecce duo ex illis ibant eodem die in castellum, quod aberat spacio stadiorum sexaginta ab V HierusalemV nomine EmausE et reliqua in Luca.

1–4. Augustinus ... nescierunt. ] Marg. am linken Rand des Blattes. 2. erat ] korr. aus erant. 5–6. Inviti ... veritas. ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes. 8. Luca. ] Abs. Hg. 1–4. Tales ... nescierunt. ] Vgl. Augustin, Enarr. in Ps. LV, 9 (CChr.SL 39, 685,68–72). 5. Inviti ... Chrys. ] Vgl. Joh. Chrys., In Matth. Homil. 90 al. 91 (PG 58, 789.2).

8. V HierusalemV ] Lk 24,13 (V). 8. EmausE ] Lk 24,13 (E). 8. reliqua in Luca. ] Vgl. Lk 24,14–32.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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† Custodientibus militibus et sigillato sepulchro qui furarentur discipuli corpus, quorum nemo prae timore audebat fateri Christum – aut quomodo tantum lapidem amoliri potuerunt militibus non excitatis? [Q]uare et linteamina non abstulerunt cum corpore, maxime cum incommodum fuerit glutinosam auferre myrrham? Praeterea vide illius populi caecitatem. Manifesto credunt mendacio. Aut falsum est, quod dicunt se dormisse, et mendacibus credere non debuerunt – aut verum est, et qui dormientes videre potuerunt, quod testificantur? Manet ergo Iudaeis mendacium, nobis veritas. Hoc unum agunt, inviti fatentur nobiscum Christum in sepulchro non esse. ◦ Visus quoque est dominus Cephe.◦ 1. Corin. 15.| E Et ecce duo ex illis ibant eodem die in castellum, quod aberat spacio stadiorum sexaginta ab V HierusalemV nomine Emaus, et ipsi confabulantur inter se de his omnibus quae acciderant. Et factum est, dum confabularentur ac disputarent, et ipse Iesus appropinquans ibat una cum illis. Caeterum oculi eorum tenebantur, ne eum agnoscerent, e in alia enim forma apparuit eis.e ? Et ait ad illos: Qui sunt hi sermones quos confertis inter vos ambulantes, et estis tristes? Ac respondens unus, cui nomen Cleophas, dixit ei: Tu solus peregrinus es Hierosolymis ◦ qui ignores◦ , quae facta sunt illic his diebus? Quibus ille dixit: Quae? Et dixerunt ei: [D]e Iesu Nazareno, qui fuit vir propheta potens opere et sermone coram deo et toto populo, et quomodo eum tradiderunt summi sacerdotes et principes nostri in condemnationem mortis et crucifixerunt eum. Nos autem sperabamus eum | esse illum qui redempturus esset Israel. Atqui super haec omnia tertius dies est hodie, quod haec facta sunt. Sed et mulieres quaedam ex nobis attonitos reddidere nos, quae diluculo pervenerunt ad monumentum et non invento corpore eius venerunt dicentes se etiam visionem angelorum vidisse, qui dicerent eum vivere. Et abierunt quidam eorum qui erant nobiscum ad monumentum, et ita rep[p]ererunt, sicut mulieres dixerant, ipsum vero non viderunt.E ?? ?Matth. 18: ◦ Ubi duo◦ etc. Talis vero apparet eis, qualis apud eos erat; peregrinus sive advena videtur, qui Mariae hortulanus visus erat. 1–9. Custodientibus ... esse. ] B,C: Discipuli territi ante Christi mortem quomodo furarentur corpus custodientibus militibus sigillato sepulchro – aut quomodo excitati non sunt milites tanto lapide amoto [C: a loco devoluto] aut quomodo non cum lintheis ablatum est corpus aut quomodo [C: quomodo e[nim]] glutinosa myrrha corporis vestimenta potuerunt auferri. Inviti ergo fatentur [C: confitentur] nobiscum Χριστόν in sepulchro non esse. Unde canitur: Dicunt [C: Dicant] nunc Iudaei. B: Iudaei. Aut sepultum reddant aut adorant nobiscum resuscitatum. – C: Iudaei etc. Manet Iudaeis mendacium, nobis veritas. Augustinus, In Psalmum 55: Tales erant caeci Iudaei, ut crederent dicto omnino incredibili. Crediderunt testibus dormientibus, aut falsum erat, quod dormierant, et mendacibus credere non debuerunt, aut verum erat, quod dormierant, et quod factum est nescierunt. 9. esse. ] E: esse. In pentecoste videbunt, quo pervenerit Christus. Tunc ridebuntur et confundentur ipsorum impudentia, mendacia. 10. dominus Cephe ] A–C: Cephae dominus. 10. 1 Corin. 15 ] B,C: 1 ad Corin. 15, ipsa die resurrectionis, Luce ultimo. De vespera diei resurrectionis. B: resurrectionis. Caput nonum. 309.12–311.14. et ipsi confabulantur ... scripturas? ] A–C: et reliqua in Luca. 309.28–311.4. Matth. 18: ... resurrexisse. ] fehlt B,C. 5. vide ... caecitatem ] Vgl. 137,17–139,24. 10. Cephe.◦ ] Vgl. 1Kor 15,5. 12. V HierusalemV ] Lk 24,13 (V). 15. eis.e ] Vgl. Mk 16,12 (E).

27. viderunt.E ] Lk 24,13–24 (E). 28. duo◦ ] Vgl. Mt 18,20. 29. qui ... erat. ] Vgl. Joh 20,15.

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Vide, quem adhuc faciunt Iesum.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

E

Et surgentes eadem hora regressi sunt Hierosolymam, et invenerunt congregatos undecim et eos qui cum illis erant dicentes: Surrexit dominus vere et apparuit Simoni. Et ipsi narrabant quae gesta erant in via et quomodo fuisset agnitus sibi ex fractione panis,E E nec his illi crediderunt.E E Erat autem vesperaE E die illo qui erat unus sabbatorum, et fores ◦ erant◦ clausae, ubi erant discipuli congregati, propter metum Iudaeorum.E

6. Iudaeorum.E ] Abs. Hg. 4. panis,E ] Lk 24,33–35 (E). 4. crediderunt.E ] Mk 16,13 (E).

4. vesperaE ] Vgl. Joh 20,19 (E). 6. Iudaeorum.E ] Joh 20,19 (E).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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??Verbum habebant Christi resurrecturi tertia die, sed hic videre licet, quam arduum sit haerere in solo dei verbo, ubi omnia apparent diversa et nihil minus videtur, quam verbum esse verum. Quin et haerent adhuc, ubi secundum verbum Christi quod praedixerat audiunt eum resurrexisse. E Et ipse dixit ad eos: O stulti et tardi corde ad credendum in omnibus quae locuti sunt prophetae.? Nonne haec oportuit pati Christum et intrare in gloriam suam? Et exorsus a Moise et omnibus prophetis interpretabatur illis in omnibus scripturis quae de ipso erant. Et appropinquaverunt castello, quo ibant.| Et ipse prae se ferebat se longius ire.?? Et coegerunt illum dicentes: Mane nobiscum, quoniam vergit ad vesperam et inclinatus est dies. Et intravit, ut maneret cum illis. Et factum est, dum accumberet cum eis, accepit panem et benedixit ac fregit et porrigebat illis. Et aperti sunt oculi eorum,??? et agnoverunt eum, et ipse evanuit a conspectu eorum. Et dixerunt inter se: Nonne cor nostrum ardebat in nobis, dum loqueretur nobis in via et aperiret nobis scripturas?E ? Stulticia est non credere Moisi et prophetis, Lucae 16. Illi testificantur de iustitia dei per Christum, Ro. 3. Vide libellum D. Martini, quod Christus sit Iudaeus natus. ?? Ut ante aliam formam, ita nunc longius iter fingit, ut cogatur ab eis. Non potuerunt dimittere ad cuius verba cor eorum accensum erat et ardebat. ??? Aperti sunt et oculi Adae et Evae, sed illic ut videretur lex et peccatum, hic ut videatur Christus et Evangelium, quae est iustitia aeterna. E Et surgentes eadem hora regressi sunt Hierosolymam, et invenerunt congregatos undecim† et eos qui cum illis erant dicentes: Surrexit dominus vere et apparuit Simoni. Et ipsi narrabant quae gesta erant in via et quomodo fuisset agnitus ◦ ipsis◦ ex fractione panis,E E nec his illi crediderunt.E E Erat autem vesperaE E die illo qui | erat unus sabbatorum, et fores ◦ erant◦ clausae, ubi erant discipuli congregati, propter metum Iudaeorum.E 15–21. Stulticia ... aeterna. ] fehlt B,C. 22. eadem hora ] B,C: eadem hora illi duo. 24. Simoni ] B,C: Simoni [C: Simoni, id est Petro]. Cum Ioannes dicat Thomam abfuisse, Augustinus, de concordia evangelistarum, putat ita solvi quaestionem, quod abierat [C: abierit Thomas], antequam Iesus [C: visus] veniret. Ego sic solvo, quod 11 positum sit pro Apostolis. Nam sub eo [C: eo nomine] tunc continebantur 12 [C: continebatur 12, qui antea dicebantur duodecim]. Et ipse Paulus sub nomine duodecim appellat Apostolos 1. ad Corin. 15. Deinde, inquit, visus est illis duodecim, ut constanter secundum Erasmum graeca habent, quod apud latinos data opera versum est in 11 ab iis [C: his] qui hunc morem appellationis non attenderunt. Ioannes quoque dicit: Thomas, unus ex duodecim [C: duodecim, id est unus ex Apostolis etc.] 24. in via ] C: in via qui. 24. ipsis ] A–C: E sibiE . 25. qui ] C: quae.

1. Verbum ... die ] Vgl. Mt 16,21; 20,19; Mk 9,3; 10,34; Lk 9,22; 18,33; 24,7.46. 14. scripturas?E ] Lk 24,25–32 (E). 15. Lucae 16 ] Vgl. Lk 16,29–31. 16. Ro. 3 ] Vgl. Röm 3,21. 16–17. Vide ... natus. ] Vgl. Luther, Daß Jesus Christus ein geborner Jude sei (WA 11, 307–336).

18–19. Non ... ardebat. ] Vgl. Lk 24,32. 20. Aperti ... Evae ] Vgl. Gen 3,7. 25. panis,E ] Lk 24,33–35 (E). 25. crediderunt.E ] Mk 16,13 (E). 25. vesperaE ] Vgl. Joh 20,19 (E). 27. Iudaeorum.E ] Joh 20,19 (E).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

Dum autem haec loquuntur,◦ ◦ venit Iesus◦ E ipseE E discumbentibus illisE V et stetit in medioV ◦ eorum et dicit eis:◦ ◦ Pax vobis.◦ E Et exprobravit illis incredulitatem suam et cordis duritiem, quod iis qui se vidissent resurrexisse non credidissent.E E Expavefacti vero et conterriti existimabant se spiritum videre. Et dixit eis: Quid turbati estis et cogitationes ascendunt in cordibus vestris? Videte manus meas et pedes meos, quia ego ipse sum. Contrectate me et videte, quia spiritus carnem et ossa non habet, sicut me videtis habere. Et cum haec dixisset, ostendit eis manus ac pedesE et E latus suum. Gavisi sunt ergo discipuli viso domino. Dixit ergo | eis iterum: Pax vobis. Sicut misit me pater, ita et ego mitto vos. Haec cum dixisset, flavit in eos et dicit eis: Accipite spiritum sanctum. Quorumcunque remiseritis peccata, remittuntur eis, quorumcunque retinueritis, retenta sunt.E E Adhuc autem illis non credentibus prae gaudio mirantibus dixit eis: Habetis hic aliquid edulii? At illi obtulerunt ei partem piscis assi et aliquid de favo apiario. Et accepit et in conspectu illorum comedit. Et dixit ad eos: Haec sunt verba quae locutus sum ad vos, cum adhuc essem vobiscum, ◦

Frustra de potestate quidam superbunt absque spiritu.

11. Marg.: Frustra ... spiritu. ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 312,9–314,4. 1. 1. 1. 1. 2.

loquuntur,◦ ] Lk 24,36. Iesus◦ ] Joh 20,19. E ipseE ] Lk 24,36 (E). illisE ] Mk 16,14 (E). medioV ] Joh 20,19 (V).

2. eis:◦ ] Lk 24,36. 2. vobis.◦ ] Lk 24,36; Joh 20,19. 3. credidissent.E ] Mk 16,14 (E). 8. pedesE ] Lk 24,37–40 (E). 11. sunt.E ] Joh 20,20–23 (E).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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†◦ Undecim◦ – et tamen Ioannes dicit abfuisse Thomam.Augustinus putat ita solvi quaestionem, quod abierit Thomas, antequam veniret Iesus. Nam Ioannes dicit: ◦ Thomas non erat cum eis, quando venit Iesus,◦ quasi non neget illic fuisse Thomam, quando venerunt duo discipuli. Ego autem puto: Undecim positum pro apostolis, etiam si illic omnes non fuerint. Nunc enim undecim dicebantur suspenso Iuda, qui prius duodecim dicebantur. Et Paulus antiqua appellatione sub nomine duodecim appellat apostolos 1. Cor. 15: ◦ Deinde, inquit, visus est illis duodecim,◦ cum tamen duodecim tunc non fuerint. Ubi tamen apud latinos, qui hunc appellationis morem non attenderunt, hactenus corrupte lectum est undecim. Ioannes quoque dicit: ◦ Thomas unus ex duodecim◦ etc. ◦ Dum autem haec loquuntur,◦ ◦ venit Iesus◦ E ipseE E discumbentibus illisE V et stetit in medioV ◦ eorum et dicit eis:◦ ◦ Pax vobis.◦ E Et exprobravit illis incredulitatem suam et cordis duritiem, quod iis qui se vidissent resurrexisse non credidissent.E E Expavefacti vero et conterriti existimabant se spiritum videre. Et dixit eis: Quid turbati estis et cogitationes ascendunt in cordibus ve-|stris? Videte manus meas et pedes meos, quia ego ipse sum. Contrectate me et videte, quia spiritus carnem et ossa non habet, sicut me videtis habere. Et cum haec dixisset, ostendit eis manus ac pedesE et E latus suum. Gavisi sunt ergo discipuli viso domino. Dixit ergo eis iterum: ?a Pax vobis. ??b Sicut misit me pater, ita et ego mitto vos. Haec cum dixisset, flavit in eos et dicit eis: Accipite spiritum sanctum. Quorumcunque remiseritis peccata, remittuntur eis, quorumcunque retinueritis, retenta sunt.E E Adhuc autem illis non credentibus ◦ et◦ prae gaudio mirantibus dixit eis: Habetis hic aliquid edulii? At illi obtulerunt ei partem piscis assi et aliquid de favo apiario. Et accepit et in conspectu illorum comedit. Et dixit ad eos: Haec sunt verba quae locutus sum ad vos, cum adhuc 10. undecim ... etc. ] fehlt B,C. 12. eorum ] B,C: illorum. 13. iis ... resurrexisse ] B: his qui vidissent se. – C: his qui se viderant. 13. credidissent. ] B,C: credidissent. Pax vobis [B: vobis etc.]. Decet largitorem pacis haec salutatio, cuius filii sunt pacifici, Mat. 5. Ipse est pax omnium, pacem reliquerat, pacem reportat. 15. in cordibus ] B: in cogitationibus, cordibus. 16. sum ] B: sum qui ante eram. 17. haec ] B: hoc. 17–18. ac pedes ] fehlt B. 18. domino. ] B: domino. Hoc praedixerat Χριστός Ioannis decimo sexto: Videbitis me et gaudebit cor vestrum etc. 19. vos. ] B,C: vos. [B: vos. Annotaciones etc.] Sicut etc. Nemo sibi assumat [B: assumat honorem] etc., Ad Hebreos 5. Sicut, inquit, etc., quo apostolatus ministerium et magnitudinem potestatis eorum aperit; sicut, advocando [C: id est ad vocandos] peccatores in poenitentiam, ad curandos mente et corpore aegrotos, ut non vestram, sed mittentis faciatis voluntatem. B: voluntatem. Et sicut misit me pater, ita et ego vos mitto. 20. eis ] B: ad eos. 21. sunt ] B: sunt etc.: Frustra autem quidam de potestate gloriaverunt. – C: sunt. ACCIPITE SPIRITUM S. Frustra de potestate quidam superbiunt absque spiritu. 22. et ... mirantibus ] A–C: prae gaudio et mirantibus. 22. et ] fehlt A–C. 23. obtulerunt ] C: attulerunt. 23. ei ] B: illi. 1. ◦ Undecim◦ ] Lk 24,33. 1–2. Augustinus ... Iesus. ] Vgl. Anm. zu 314,10–11. 3. Iesus,◦ ] Vgl. Joh 20,24. 8. duodecim,◦ ] Vgl. 1Kor 15,5. 8–10. Ubi ... undecim. ] Vgl. 1Kor 15,5 (V). 10. duodecim◦ ] Joh 20,24. 11. loquuntur,◦ ] Lk 24,36. 11. Iesus◦ ] Joh 20,19.

11. 11. 12. 12. 12. 13. 18. 21.

E ipseE

] Lk 24,36 (E). illisE ] Mk 16,14 (E). medioV ] Joh 20,19 (V). eis:◦ ] Lk 24,36. vobis.◦ ] Lk 24,36; Joh 20,19. credidissent.E ] Mk 16,14 (E). pedesE ] Lk 24,37–40 (E). sunt.E ] Joh 20,20–23 (E).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

quod necesse foret impleri omnia quae scripta sunt in lege Moisi et prophetis et psalmis de me. Tunc aperuit illorum mentem, ut intelligerent scripturas. Et dixit eis: Sic scriptum est et sic oportebat Christum pati et resurgere a mortuis tertio die et praedicari sub nomine eius poenitentiam ac remissionem peccatorum in omnes gentes initio facto ab Hierosolymis. Vos autem estis testes horum.E ¶ E Thomas autem, unus ex duodecim, qui dicitur Didimus, non erat cum eis, quando venit IesusE etc. Io. xx, usque in finem capitis.

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Thomas utique accipit spiritum sanctum secundum intentionem dantis. Lege simile omnino Numerorum xj.| Cum Ioannes dicat Thomam abfuisse, Augustinus, de conc. evan., putat ita solvi quaestionem, quod abierit Thomas, antequam Iesus veniret. Potest et sic solvi, quod undecim positum sit pro apostolis. Nam sub eo nomine tunc continebantur qui antea dicebantur xij. Et ipse Paulus sub nomine duodecim appellat apostolos j. Cor. xv: ◦ Deinde, inquit, visus est illis xij,◦ ut constanter secundum Erasmum Graeci habent, quod apud Latinos data opera versum est in undecim ab iis qui hunc morem appellationis non attenderunt. Ioannes quoque dicit: ◦ Thomas, unus ex xij.◦ Io. xvj: Videbitis me ◦ et gaudebit◦ etc.| Decet largitorem pacis haec salutatio, cuius filii sunt pacifici, Matth. v. Ipse est pax omnium. Pacem relinquerat, pacem reportat. ◦ Sicut◦ etc. ◦ Nemo sibi assumat◦ etc., Heb. v. ◦ Sicut, inquit◦ etc., quo apostolatus dignitatem ex magnitudine potestatis eorum aperit. Sicut, id est ad vocandos peccatores in poenitentiam ad curandos mente et corpore aegrotos, ut non suam sed mittentis faciant voluntatem. Cyr. 8–9. Thomas ... Numerorum xj. ] Marg. quer am linken Rand des Blattes Z. 6–11. 10–17. Cum ... xij.◦ ] Marg. am linken und unteren Rand des Blattes. 18. Io. xvj: ... etc. ] Marg. am unteren Rand des Blattes. 19–20. Decet ... reportat. ] Marg. am oberen Rand des Blattes. 21– 24. ◦ Sicut◦ ... Cyr. ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes. 5. horum.E ] Lk 24,41–48 (E). 7. IesusE ] Joh 20,24 (E). 7. usque ... capitis. ] Joh 20,25–31. 9. Numerorum xj ] Vgl. Num 11,26. 10. Cum ... abfuisse ] Vgl. Joh 20,24. 10–11. Augustinus ... veniret ] Vgl. Augustin, De consensu ev., III, 25,74 (CSEL 43, 376,14–19): quod autem dicit Iohannes non cum illis fuisse tunc apostolum Thomam, cum secundum Lucam duo illi, quorum erat unus Cleopas, regressi Hierusalem inuenerint congregatos undecim et eos qui cum ipsis erant, procul dubio intellegendum est, quod inde Thomas exierit, antequam eis dominus haec loquentibus appareret. 14. xij◦ ] Vgl. 1Kor 15,5. 14–15. ut ... habent ] Vgl. Erasmus, Ann. in I Cor 15, [5] (LB VI,734EF,3; ASD VI-8, 284,328 f). 17. xij.◦ ] Vgl. Joh 20,24.

18. gaudebit◦ ] Vgl. Joh 16,22. 19. Matth. v ] Vgl. Mt 5,9. 19–20. Ipse ... omnium. ] Vgl. Eph 2,14. 20. Pacem ... reportat. ] Vgl. Joh 14,27. 21. ◦ Sicut◦ ] Joh 20,21. 21–24. Nemo ... Cyr. ] Vgl. Cyr. Alex., In Io., XII,55, [213b ]: Verax igitur est Paulus dicens non sibi aliquem honorem accipere, nisi vocatus a deo sit. ad Hebre 5[,4]. Ad gloriosum enim apostolatum dominus noster Ihesus Christus discipulos suos vocavit, qui commotum orbem firmarunt, sustentacula eius facti. [. . . ] ut hinc intelligant vocandos esse peccatores ad penitentiam, curandos corpore simul atque spiritu male habentes, et in dispensatione rerum non suam, sed eius, qui misit voluntatem faciendam. (ed. Pusey, III, 130,10–17; 131,10–13). 21. assumat◦ ] Vgl. Hebr 5,4. 21. inquit◦ ] Vgl. Hebr 5,5.

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[213v ]

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essem vobiscum, quod necesse foret impleri omnia quae scripta sunt in lege Moisi et prophetis et psalmis de me. Tunc aperuit illorum mentem, ut intelligerent scripturas. Et dixit eis: Sic scriptum est et sic oportebat Christum pati et resurgere a mortuis tertio die et | praedicari sub nomine eius poenitentiam ac remissionem peccatorum in omnes gentes initio facto ab Hierosolymis. Vos autem estis testes horum.E ?a Christus pax nostra pacem abiens reliquerat, pacem reportat, sed ut pax, id est Evangelium suscipiatur, prius terrentur conscientiae et exprobratur incredulitas. ??b ◦ Sicut◦ etc. Haec magna est missorum gloria, sed nimis amara carni, non sibi somniet caro nostra aliud etc. ◦ Accipite◦ etc. – frustra ergo de potestate hodie superbiunt sine spiritu. Non habent Evangelium in pectore et tamen se absolvere putant. [P]raedica mihi Evangelium, cui credens absolvor; non credens maneo in peccatis meis, alioqui nihil moror tuam confictam absolutionis formam. Hoc infra sic dicitur: E Praedicari sub nomine eiusE etc. Hactenus historia diei resurrectionis. E

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Thomas autem, unus ex duodecim, qui dicitur Didimus, non erat cum eis, quando venit Iesus; Dixerunt ergo ei alii discipuli: Vidimus dominum. Ille aut[em] dixit eis: Nisi videro in manibus eius vestigium clavorum et mittam digitum meum in vestigium cla-|vorum et mittam manum meam in latus eius, non credam. Et post dies octo iterum erant discipuli eius intus et Thomas cum eis. Venit Iesus ianuis clausis et stetit in medio et dixit: Pax vobis. Deinde dicit Thomae: Infer digitum tuum huc et vide manus meas et admove manum tuam et immitte in latus meum et noli esse incredulus, sed credens. Respondit Thomas et dixit ei: Dominus meus et deus meus. Dicit ei Iesus: Quia vidisti me, Thoma, credidisti. Beati qui non viderunt et crediderunt.E ? ? Sicut Petrum negare, ita Thomam incredulum oportebat fieri, omnia propter nos. Verum nostra beatitudo expressa est. ◦ Beati qui non viderunt◦ etc.

1. impleri ] B: adimpleri. 3. resurgere ] C: surgere. 4. tertio ] B: tertia. 4. peccatorum ] B: omnium peccatorum. 5. testes horum ] B: testes. Caput nonum. Io[annes]. In octava pascae. – C: testes horum. In octavo paschae. 6–15. Christus ... resurrectionis. ] fehlt B,C. 11. habent ... pectore ] E: docunt Evangelium. 20–27. Venit Iesus ... viderunt etc. ] B,C: Iesus etc. Io. xx usque in finem capitis. Thomas utique accepit [C: accipit] spiritum sanctum secundum intentionem dantis Christi. Lege simile omnino Numerorum undecim. Historia post [C: post hebdomam seu] octavam pascae. 5. Marg.: De ... exhibit ] Vgl. Jes 2,3. 5. horum.E ] Lk 24,41–48 (E). 6–8. Christus ... incredulitas. ] Vgl. hierzu das Lutherzitat in 214,12–20. 9. ◦ Sicut◦ ] Joh 20,21. 10. ◦ Accipite◦ ] Joh 20,22. 12–13. [P]raedica ... formam. ] Vgl. die Polemik gegen die potestas des absolvierenden

Priesters bei Luther, De captivitate (WA 6, 543,35–37; 547,17–20; StA 2, 228,22–25; 232,13–16). Zur Hochschätzung des Predigtamtes vgl. ders., Daß eine christl. Versammlung (WA 11, 415,30–416,2; StA 3, 83,20–23). 14. eiusE ] Lk 24,47 (E). 25. crediderunt.E ] Joh 20,24–29 (E). 27. viderunt◦ ] Joh 20,29.

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Secundum prophetiam Esa. 2: De Sion exibit etc.

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Lucae vij: minus◦ etc., lege Cyr. ◦ Cui

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

¶ E Postea ◦ in Galilaea◦ manifestavit se iterum Iesus ad mare Tiberiadis. Manifestavit autem sicE etc. Io. xxj. E Hac iam tertia vice manifestatus est Iesus discipulis suis, cum resurrexisset a mortuis.E E Cum ergo prandissent, dicit Simoni Petro Iesus: Simon Ioannis, diligis me plus his?E etc. Ibidem usque in finem.

4. Marg.: Lucae vij: ... Cyr. ] Marg. quer am rechten Rand des Blattes. 2. 2. 3. 4. 4.

sicE ] Joh 21,1 (E). Io. xxj ] Vgl. Joh 21,2–13. mortuis.E ] Joh 21,14 (E). his?E ] Joh 21,15 (E). etc. ... finem. ] Vgl. Joh 21,15–24.

4. Marg.: lege Cyr. ] Vgl. Cyr. Alex., In Io., XII,69, 219: Cui enim plus remittitur, plus amare debet, ut ipse alibi dicit. Lucas 7. (ed. Pusey, III, 165,13–15). 4. Marg.: minus◦ ] Lk 7,47.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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Postea ◦ in Galilaea◦ manifestavit se iterum Iesus ad mare Tiberiadis. Manifestavit autem sic: Erant simul Simon Petrus et Thomas, qui dicitur Didimus, et Nathanael, qui erat a Cana Galilaea, et filii Zebedaei aliique ex discipulis eius duo. Dicit eis Simon Petrus: Vado piscatum. Dicunt ei: Venimus et nos tecum. Exie[r]unt et ascenderunt in navim statim.? Et illa nocte nihil ceperunt.a Mane autem iam facto stetit Iesus in littore, non tamen | cognoverunt discipuli, quod Iesus esset. Dicit eis Iesus: Pueri, num quid obsonii habetis? Responderunt ei: Non. At ille dicit eis: Mittite in dexteram navigii partem rete, et invenietis. Miserunt ergo, et iam non valebant illud trahere prae multitudine piscium. Dicit ergo discipulus ille quem diligebat Iesus Petro: Dominus est. Simon ergo Petrus cum audisset, quod dominus esset, tunica succinxit se (erat enim nudus) et misit se in mare. Alii autem discipuli V navigioV venerunt, non enim longe aberant a terra, sed circiter cubitis ducentis trahentes rete piscium. Ut ergo descenderunt in terram, viderunt prunas positas et piscem superpositum et panem. Dicit eis Iesus: Afferte de piscibus quos prendidistis nunc. Ascendit Simon Petrus et traxit rete in terram plenum magnis piscibus centum quinquaginta tribus. Et cum tot essent, non est scissum rete. Dicit eis Iesus: Venite, prandete. Et nemo discipulorum audebat interrogare eum: Tu quis es? – cum scirent, quod dominus esset. Venit itaque Iesus et V accepitV panem et dat eis, et piscem similiter. Hac iam tertia vi-|ce manifestatus est Iesus discipulis suis,b cum resurrexisset a mortuis.E ? Laborare oportet Christianos opere manuum, Ephe. 4, 2. Tes. 3, nisi laborent in verbo dei etc. a Rete praedicationis Evangelii expanditur, et laboratur tota nocte frustra, donec illucescente mane Christus ipse adest. Ministri quidem verbi sunt apostoli, sed Christus suo spiritu docet etc. Ex ista captura edit Christus, Ioh. 4: ◦ Ego alium cibum◦ etc. b ◦ Discipulis◦ , id est apostolis cum aliis congregatis. Nam certum est Ioannem non respexisse in mulierum visiones, alioqui et ipse quatuor apparitiones scribit, nec respexisse, si quibus seorsum apparuerit dominus, ut Petro, Iacobo. E Cum ergo prandissent, dicit Simoni Petro Iesus: Simon Ioannis, diligis me plus his? Dicit ei: Etiam domine, tu scis, quod amem te. Dicit ei: Pasce agnos meos. Dicit ei rursus iterum: Simon Ioannis, diligis me? Ait illi: Etiam domine, tu scis, quod amem te. Dicit ei: Pasce oves meas. Dicit ei tertio: Simon Ioannis, amas me? Indoluit Petrus, quod dixisset sibi tertio: [A]mas me, Dixitque ei: Domine, tu omnia nosti, tu scis, quod amem te?. Dicit ei Iesus: Pasce oves meas. Amen amen, dico tibi, cum esses iunior, cingebas te et | ambulabas, quo volebas, cum autem senueris, extendes manus tuas, et alius te cinget et ducet, quo non vis. Hoc autem dixit significans qua 2–18. Erant simul ... similiter. ] A–C: etc. Io. xxj. 4. Exieunt ] E: ◦ Exierunt◦ . 18. accepit ] E: E accipitE . 19. resurrexisset ] C: surrexisset. 20–28. Laborare ... Iacobo. ] fehlt B,C. 21. dei etc. ] E: dei et in negotio reipublicae etc. 25. cibum etc. ] E: cibum etc. Praedicatio legis, ut necessaria est, tamen non capit homines, sed praedicatio Evangelii etc. 317.30–319.8. Dicit ei: Etiam ... eius. ] A–C: etc. [B,C: etc. Ibidem] usque in finem. C: finem capitis. B: finem. Caput duodecimum. 11. V navigioV ] Joh 21,8 (V). 18. V accepitV ] Joh 21,13 (V). 19. mortuis.E ] Joh 21,1–14 (E). 20. Ephe. 4 ] Vgl. Eph 4,28.

20. 2. Tes. 3 ] Vgl. 2Thess 3,10–13. 25. cibum◦ ] Vgl. Joh 4,32. 26. ◦ Discipulis◦ , ] Joh 21,14. 28. si ... Iacobo ] Vgl. 1Kor 15,5.7.

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Non ex vestro capite.

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

¶ ◦ Undecim autem discipuli abierunt ◦ in Galilaeam, in montem◦ , ubi constituerat illis Iesus.◦ Et V visus est plus quam quingentis fratribus simul, ex quibus multi manent usque adhuc, quidam autem dormierunt.V E Et cum vidissent illum, adoraverunt eum, quidam autem dubitaverunt. Et accedens Iesus locutus est eis dicens: Data est mihi omnis potestas in coelo et in terra.E E Ite ◦ ergo◦ in mundum universum et ◦ praedicantes◦ evangeliumE ◦ docete omnes gentes. • Baptizate• eos in nomine patris et filii et spiritus sancti docentes eos servare omnia quaecunque praecepi vobis. Et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem saeculi.◦

5

Ut non dicatis difficile esse iniunctum officium. E

j. Cor. xv.

Qui ◦ igitur◦ crediderit | et baptizatus fuerit, salvus erit, qui vero non crediderit, condemnabitur. Porro signa eos qui crediderint haec subsequentur: Per nomen meum daemonia eiicient, linguis loquentur novis, serpentes tollent, et si quid laethale biberint, non nocebit eis. Super aegrotos manus imponent et bene habebunt.E ◦ Deinde visus est Iacobo◦ .

Cyr.: Interrogant angeli: V Quis est isteV etc., Esa. lxiij, et: ◦ Quid plagae istae◦ etc., Zach. xiij. Ps: V Quis est isteV etc., V Ascendit deus in iubiloV . Captivam duxit captivitatem etc.

8. saeculi. ] Abs. Hg. 9. Ut ... officium. ] Marg. am rechten Rand des Blattes. Abs. Hg. 15–17. Cyr.: ... etc. ] Marg. am oberen Rand des Blattes. 2. Iesus.◦ ] Mt 28,16. 3. dormierunt.V ] 1Kor 15,6 (V). 5. terra.E ] Mt 28,17 f (E). 6. evangeliumE ] Vgl. Mk 16,15 (E). 8. saeculi.◦ ] Mt 28,19 f. 13. aegrotos ] Mk 16,18 (V). 13. habebunt.E ] Mk 16,16–18 (E). 14. Iacobo◦ ] 1Kor 15,7. 15–16. Interrogant ... xiij. ] Vgl. Cyr. Alex., In Io., XII,58, [116b sic!]–217: Esaias testatur dicens: Quis est iste, qui venit de Edom tinctis vestibus de Bosra? Esaias 63. Angeli enim mirantes domini ascensum in celos idque magna

14. Iacobo◦ . ]

cum potestate, ita scribuntur dixisse. – 217: Figuras deinde clavorum monstrante Christo angeli rursus rogant: Quid enim plage iste in medio manuum tuarum? et dicet: his plagatus sum in domo eorum, qui diligebant me. Zachari 13. (ed. Pusey, III, 147,18–23; 148,3– 7). 15. isteV ] Jes 63,1. 16. Zach. xiij ] Sach 13,6. 16. isteV ] Ps 23,8.10 (V). 16. iubiloV . ] Ps 46,6 (V). 16–17. Captivam ... captivitatem ] Vgl. Ps 67,19 (V).

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[214v ]

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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morte glorificaturus esset deum. Et cum hoc dixisset, dicit ei: Sequere me. Conversus Petrus videt illum discipulum quem diligebat Iesus sequentem, qui et recubuit in coena super pectus eius, et dixit: Domine, quis est ille qui tradit? Hunc ergo cum vidisset Petrus, dicit Iesu: Domine, hic autem quid? Dicit ei Iesus: Si eum velim manere, donec veniam, quid ad te? [T]u me sequere.?? Exiit ergo sermo inter fratres, quod discipulus ille non moreretur. Et non dixerat ei Iesus: [N]on moritur, sed: [S]i eum velim manere, donec veniam, quid ad te? Hic est discipulus ille qui testimonium perhibet de his et scripsit haec, et | scimus, quod verum est testimonium eius.E ?Nisi ames Christum, non pasces oves, si pasces, crux sequetur. ??Omnes vere Christiani glorificant deum, sed alius sic, alius aliter. Neque Francisci neque aliam regulam aut selecticia opera tibi sume. Eat Petrus sua cruce. Ioannes inveniet suam, tu quoque tuam, quando alius te ducet, quo non vis; vide tunc, ne asperneris voluntatem dei. Non dei, sed suam sequuntur voluntatem qui selecticia opera sequuntur, quae praeterea sunt impia, quia eis fiditur etc. ◦ Undecim autem discipuli abierunt in ◦ montem Galilaeae◦ , ubi constituerat illis Iesus.◦ Et V visus est plus quam quingentis fratribus simul, ex quibus multi manent usque adhuc, quidam autem dormierunt.V E Et cum vidissent illum, adoraverunt eum, quidam autem dubitaverunt. Et accedens Iesus locutus est eis dicens: Data est mihi omnis potestas in coelo et in terra.E E Ite ◦ ergo◦ in mundum universum et ◦ praedicantes◦ Evangelium omni creaturaeE ◦ docete omnes gentes?. • Baptizate• eos in nomine patris et filii et spiritus sancti docentes eos servare omnia quaecunque praecepi vobis. Et ecce †ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem seculi.◦ E Qui ◦ igitur◦ crediderit et baptizatus fuerit, salvus erit, qui vero non crediderit, condemnabitur. Porro signa eos qui crediderint haec subsequentur: Per nomen meum daemonia eiicient, linguis loquentur novis, serpentes tollent, et si quid laethale bibe-|rint, non nocebit eis. Super V aegrosV manus imponent et bene habebunt.E ?Evangelium non humana figmenta et traditiones. Evangelium autem est, quod ego accepta potestate regno et iustitia sum hominum etc. 3. tradit? ] Fragezeichen Hg. 9–14. Nisi ... fiditur etc. ] fehlt B,C. 15. in ... Galilaeae ] A–C: Galilaeam, in montem◦ . 19. et ] fehlt B. 20. omni creaturae ] fehlt A– C. 20. gentes ] B: gentes praedicantes evangelium, non aliud. 21. servare ] B: observare. 22. vobis ] B,C: vobis, id est non debetis praedicare ex capite vestro, sed quod audistis ex me [B: me etc.]. 26. aegros ] A–C: aegrotos. 319.27–321.3. Evangelium ... praedicabitis etc. ] fehlt B,C. ◦ in

5. Marg.: Vide ... Martini ] S. Luther, Kirchenpostille 1522 zum Ev. am S. JohannesTage. Joh. 21, 19–24 (WA 10 I, 305–324; 731 f, bes. 306,6–14). 8. eius.E ] Joh 21,15–24 (E). 10–11. Neque ... sume. ] Vgl. die Auseinandersetzung mit der Franziskanerregel bei Luther, De votis iudicium (WA 8, 579,26–580,19; BoA 2, 195,33–196,36) und seine Polemik in Themata de Votis (WA 8, 328,17 f). Zu Luther, Themata de Votis ist Bugenhagens Reaktion überliefert; vgl. Leder, Aurora doctrinarum, 51, bei Anm. 91. 16. Iesus.◦ ] Mt 28,16. 17. dormierunt.V ] 1Kor 15,6 (V).

18. Marg.: I. Co. 15 ... conciliationis. ] Vgl. 329,15–16. 19. Marg.: Psal. 8 ] Vgl. Ps 8,7–9. 19. terra.E ] Mt 28,17 f (E). 20. creaturaeE ] Vgl. Mk 16,15 (E). 23. seculi.◦ ] Mt 28,19 f. 26. V aegrosV ] Mk 16,18 (V). 26. habebunt.E ] Mk 16,16–18 (E). 27–28. Evangelium ... hominum ] Vgl. die Definition des Evangeliums bei Luther, Kirchenpostille 1522 (WA 10 I, 9,19 f): eyn rede von Christo, das er gottis ßon und mensch sey fur unß worden, gestorben unnd aufferstanden, eyn herr ubir alle ding gesetzt. – Vgl. ferner Luther, Vorrede zum NT 1522 (WA.DB 6,

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Vide Postil. D. Martini

I. Co. 15. Vide infra, ubi rationem reddo huius conciliationis. Psal. 8

320 Act. j

Lucae ult. Actis j

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

¶ Itaque antequam E sursum assumptus est, ◦ apostolis◦ seipsum exhibuerat viventem, posteaquam supplicio fuisset affectus, idque compluribus argumentis, dum per dies xl conspicitur ab illis ac loquitur eis de regno deiE ◦ aperiens illis mentem, ut intelligerent scripturas.◦ E Et congregans illos in idem loci praecepit eis, ne discederent Hierosolymis, sed ut expectarent promissum patris,E dicens: E Ecce ego mitto promissum patris mei super vos,E E de quo audistis ex me.E E Vos autem sedete in civitate Hierusalem, quoadusque induamini virtute ex alto;E E quoniam Ioannes baptizavit quidem aqua, vos autem baptizabimini spiritu sancto post dies hosce non multos. Illi igitur ubi convenissent, percontabantur illum dicentes: Domine, num in tempore hoc restituis regnum Israeli? Dixit autem ad illos: Non est vestrum nosse tempora et articulos temporum, quos pater in sua ipsius constituit potestate, sed accipietis virtutem, posteaquam spiritus sanctus advenerit super vos, et eritis mihi testes non solum Hierosolymis, verum etiam in universa Iudaea Samariaque, denique usque ad extrema terrae.E Cogitemus Col. iij: V Si conresurrexistisV etc. Non mox neque surrexit neque ascendit, ut et mors eius et resurrectio satis probarentur.

14. terrae.E ] Abs. Hg. 15. Cogitemus ... etc. ] Marg. am unteren Rand des Blattes. 17. Non ... probarentur. ] Marg. am unteren Rand des Blattes. 3. 4. 5. 6.

deiE ] Vgl. Apg 1,2 f (E). scripturas.◦ ] Vgl. Lk 24,45. patris,E ] Apg 1,4 (E). vos,E ] Lk 24,49 (E).

6. me.E ] Apg 1,4 (E). 7. alto;E ] Lk 24,49 (E). 14. terrae.E ] Apg 1,5–8 (E). 15. conresurrexistisV ] Kol 3,1 (V).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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†◦ Vobiscum sum:◦ Ergo non indigebitis Christi aliquo vicario. Non vicarios mitto, qui pro me imperent et regnent, sed praedicatores et verbi mei ministros. Et per me adero, ubi verbum meum praedicabitis etc. ◦ Deinde visus est Iacobo◦ , 1. Corin. 15. Itaque antequam E sursum assumptus est, ◦ apostolis◦ seipsum exhibuerat viventem, posteaquam supplicio fuisset affectus, idque compluribus argumentis, dum per dies quadraginta conspicitur ab illis ac loquitur eis de regno deiE ◦ aperiens illis mentem, ut intelligerent scripturas.◦ E Et congregans illos in idem loci praecepit eis, ne discederent Hierosolymis, sed ut expectarent promissum patris,E dicens: E Ecce ego mitto promissum patris mei super vos,E E de quo audistis ex me.E E Vos autem sedete in civitate Hierusalem, quo ad usque induamini virtute ex alto.E E Quoniam Ioannes ◦ quidem baptizavit◦ aqua, vos autem baptizabimini spiritu sancto ◦ non post multos hosce dies.◦ Illi igitur ubi convenissent, percontabantur illum dicentes: †Domine, num in tempore hoc ◦ restitues◦ re-|gnum Israeli? Dixit autem ad illos: Non est vestrum nosse tempora et articulos temporum, ◦ quae◦ pater in sua ipsius constituit potestate, sed accipietis virtutem, posteaquam spiritus sanctus advenerit super vos, et eritis mihi testes non solum Hierosolymis, verum etiam in universa Iudaea Samariaque, denique usque ad extrema terrae.E †Carnalia interrogant. Regnum autem dei spirituali Israeli incoepit quidem restitui per Christum praedicantibus discipulis Evangelium, sed perficietur, ubi testimonium Christi pervenerit usque ad extrema terrae, tunc enim veniet consummatio mundi, Matth. 24. Id quod nunc reviviscente Evangelio speramus futurum. 4. 1 Cor 15. ] B,C: 1 Cor. 15. [B: 1 Cor. 15. Caput decimum ter[tium].] Summa historiae res[urrectionis] [C: resurrectionis cum historia] et ascensionis. 5. Itaque ] B: [Marg.] Act. 1. 8. loci ] B: loci, id est in unum locum. 10. mitto ] B,C: mitto (Lucae ultimo). 11. ex alto ] B: ex alto (id est spiritu fortitudinis) de celis [Marg.] Act. 1. 12. quidem baptizavit ] A–C: E baptizavit quidemE . 12–13. non ... dies ] A, C: E post dies hosce non multosE B: post hosce dies non multos. 13. dicentes ] B: diligenter dicentes. 14. restitues ] A–C: E restituisE . 14. Israeli? ] B,C: Israeli? De regno carnali intelligunt [C: intelligitur], quod tunc erat extinctum. Et respondit [C: respondet] sic dominus, ut intelligas regnum istud [C: illud] Israeli restituendum plene et perfecte, hoc est populo credenti in resurrectione novissima. 15. quae ] A–C: E quosE . 15. sua ] B: sui. 17. testes ] B: testes (imprimis de mea resurrectione). 18. terrae. ] B: terrae. Caput decimum [quartum]. 19–23. Carnalia ... futurum. ] fehlt B,C. 22. Matth 24 ] fehlt E. 4,15–20): Also hatt auch Christus fur seynem sterben befolhen vnd bescheyden, solchs Euangelion nach seynem todt, aus zuruffen ynn alle wellt, vnd damit allen, die do glewben, zu eygen geben alles seyn gutt, das ist, seyn leben da mit er den todt verschlungen, seyn gerechtigkeyt da mit er die sund vertilget, vnd seyn seligkeyt damit er die ewige verdamnis vberwunden hat. 1. sum:◦ ] Mt 28,20. 1. Ergo ... vicario. ] Vgl. hierzu Luther, Von dem Papstthum (WA 6, 298,27–36). 4. Iacobo◦ ] 1Kor 15,7.

7. deiE ] Vgl. Apg 1,2 f (E). 8. scripturas.◦ ] Vgl. Lk 24,45. 9. patris,E ] Apg 1,4 (E). 10. vos,E ] Lk 24,49 (E). 10. me.E ] Apg 1,4 (E). 11. alto.E ] Lk 24,49 (E). 18. terrae.E ] Apg 1,5–8 (E). 19–20. Regnum ... Evangelium ] Vgl. hierzu Bugenhagens Ausführungen zum regnum coelorum im Mt.-K. nach Bieber, Reform, 135–140. 22. Matth. 24 ] Vgl. Mt 24,14.

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Act. 1 Id est in Hierusalem Lu. ult. Act. 1

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

Lucae ult. E Eduxit Actis j Marci ult. Actis j Actis j et Lu. ul.

Actis j

Lu. ult.

autem eos foras in Bethaniam et sublatis in altum manibus suis benedixit eis. Et factum est, dum benediceret illis,E iam satis eis post resurrectionem locutus ◦ recessit ab eis◦ et E videntibus iisdem in altum sublatus estE et ◦ ferebatur in coelum◦ , E et nubes subduxit illum ab oculis eorum,E E et consedit a dextris dei.E E Cumque essent defixis in coelum oculis eunte illo, ecce viri duo astiterunt illis amicti vestibus albis, qui et dixerunt: Viri Galilaei, quid statis intuentes in coelum? Hic Iesus qui assumptus est a vobis in coelum sic veniet, quemadmodum vidistis eum euntem in coelum.E E Tunc e ipsi adorato eoe reversi sunt ◦ cum gaudio magno◦ Hierosolymam a monte qui vocatur oliveti, qui abest ab Hierosolymis iter sabbati. Et cum introissent, ascenderunt in coenaculum, ubi mansitabant et Petrus et Iacobus et Ioannes et Andreas, | Philippus et Thomas, Bartholomeus et Matthaeus, Iacobus Alphaei et Simon zelotes et Iudas, Iacobi filius. Hi omnes perseverabant unanimiter in deprecatione et obsecratione cum mulieribus et Maria, matre Iesu, cumque fratribus illius.E E Et erant semper in templo laudantes et benedicentes deum. Amen.E ¶ E Et in diebus his exurgens Petrus in medio discipulorum dixit (eratque turba nominum fere simul centum viginti): Viri, fratresE etc. de electione Mathiae, Actis j.

8. cum ... magno ] Nachtrag quer am rechten Rand des Blattes. 2. 3. 3. 4. 4. 4. 8.

illis,E ] Lk 24,50 f (E). eis◦ ] Lk 24,51. estE ] Apg 1,9 (E). coelum◦ ] Lk 24,51. eorum,E ] Apg 1,9 (E). dei.E ] Mk 16,19 (E). coelum.E ] Apg 1,10 f (E).

16. Actis j. ] Abs. Hg.

8. eoe ] Lk 24,52 (E). 8. magno◦ ] Lk 24,52. 13. illius.E ] Apg 1,12–14 (E). 14. Amen.E ] Lk 24,53 (E). 16. fratresE ] Apg 1,15 f (E). 16. Actis j. ] Vgl. Apg 1,15–26.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

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Eduxit autem eos foras in Bethaniam et sublatis in altum manibus benedixit eis. Et factum est, dum benediceret illis,E iam satis eis post resurrectionem suam locutus ◦ recessit ab eis◦ et E videntibus iisdem in altum sublatus estE et ◦ ferebatur in coelum◦ , E et nubes subduxit illum ab oculis eorum,E E et consedit a dextris dei.E E Cumque essent defixis in coelum oculis eunte ◦ adhuc◦ illo, ecce viri duo astiterunt illis amicti vestibus albis, qui et dixerunt: Viri Galilaei,| quid statis intuentes in coelum? Hic Iesus qui assumptus est a vobis in coelum sic veniet, quemadmodum vidistis eum euntem in coelum.E E Tunc e ipsi adorato eoe reversi sunt ◦ cum gaudio magno◦ Hierosolymam a monte qui vocatur oliveti, qui abest ab Hierosolymis iter sabbati.? Et cum introissent, ascenderunt in coenaculum, ubi mansitabant et Petrus et Iacobus et Ioannes et Andreas, Philippus et Thomas, Bartholomeus et Matthaeus, Iacobus Alphaei et Simon zelotes et Iudas, Iacobi filius. Hi omnes perseverabant unanimiter in deprecatione et obsecratione cum mulieribus et Maria, matre Iesu, cumque fratribus illius.E E Et erant semper?? in templo laudantes et benedicentes deum. Amen.E ? Id est, quantum licebat et permittebatur sabbato ambulare, hoc est, parum distabat etc. ?? ◦ Semper◦ . Lucas non sophistico, sed vulgari more dicit pro quotidie et frequenter. E Et in diebus his exurgens Petrus in medio discipulorum dixit (eratque turba nominum fere simul centum viginti): Viri, fra-|tres, oportuit impleri scripturam hanc, quam praedixit spiritus sanctus per os David de Iuda, qui fuit dux ? iis qui comprehenderunt Iesum, V quiV cooptatus erat in numerum nostrum et sortitus erat partem ministerii huius. Et is quidem paravit agrum ex mercede iniquitatis suspensusque crepuit medius, et effusa sunt omnia viscera eius. Et innotuit omnibus habitantibus Hierosolymae, ita ut appellaretur ager ille lingua illis vernacula Akeldama, hoc est ager sanguinis. Scriptum est enim in libro psalmorum: Fiat commoratio eius deserta, et non sit qui inhabitet in ea, et episcopatum eius accipiat alter??. Oportet igitur, ut ex iis viris qui nobiscum versati sunt toto tempore, quo dominus Iesus perpetuam 1. foras ... Bethaniam ] B: foras, Lucae ultimo, usque in Betaniam. [Marg.] scilicet in monte oliveti, in cuius latere erat Betania. 1. manibus ] A–C: manibus suis. 1. benedixit eis ] B,C: benedixit eis, id est bene precatus est eis. 2. dum benediceret ] B: cum benefaceret. 2. resurrectionem suam ] A–C: resurrectionem. 4. nubes ] B: [Marg.] Acto. 1. 4. dei ] B: [Marg.] Marci ultimo. 5. eunte ◦ adhuc◦ illo ] A, C: eunte illo. – B: abeunte illo. 10. oliveti ] B: [Marg.] Redibit ad iudicium, acto. 1. 10. sabbati ] B: sabbat et quantum licet Iudaeis sabbato ire, id est non procul est Bethania a Hierosolymis. – C: sabbati (Iter sabbati est, quantum licet Iudaeis in sabbato ire). 13. Hi ] C: Qui. 14. fratribus illius ] B,C: fratribus illius, id est cognatis. 15. templo ] B: templo, hoc est quottidie. 15. Amen. ] B: Amen. Caput decimum [quintum]. 16–19. Id ... frequenter ] fehlt B,C. 20. dixit ] B: et dixit. 20–21. nominum ] B: hominum. 323.21–325.19. oportuit ... temperantur. ] A–C: etc. de electione Mathiae. A,C: Mathiae, Actis j. – B: Mathiae, Actorum j. Caput 16. 2. 3. 3. 3. 4. 4. 8.

illis,E ] Lk 24,50 f (E). eis◦ ] Lk 24,51. estE ] Apg 1,9 (E). coelum◦ ] Lk 24,51. eorum,E ] Apg 1,9 (E). dei.E ] Mk 16,19 (E). coelum.E ] Apg 1,10 f (E).

9. eoe ] Lk 24,52 (E). 9. magno◦ ] Lk 24,52. 14. illius.E ] Apg 1,12–14 (E). 15. Amen.E ] Lk 24,53 (E). 18. ◦ Semper◦ ] Lk 24,53. 23. V quiV ] Apg 1,17 (V).

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Lucae ul. Act. 1 Mar. ult. Act. 1

Act. 1 Lu. ult.

Lu. ult.

Act. 1

324 Actis ij

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

¶ E Et cum compleretur dies pentecostes, erant omnes unanimiter in ipso eodem loco. Et factus est repente de coelo sonitus, tanquam impetu venientis flatus vehementis etc., lege totum librum Actorum apostolorum et apostolorum scripta, et cognosces, quae operati sunt discipuli induti virtute ex alto, quae omnia his paucis Marcus comprehendit.

5. comprehendit. ] Abs. Hg. 4–5. quae ... comprehendit ] Vgl. Mk 16,20.

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vitae consuetudi-|nem egit nobiscum exorsus a baptismo Ioannis ad eum usque diem quo receptus est a nobis, unus quispiam constituatur qui sit una vobiscum testis resurrectionis eius.† Et statuerunt duos: Ioseph, qui vocatur Barsabas, qui cognominatus est iustus, et Mathiam. Et facta precatione dixerunt: Tu domine, qui corda nosti omnium, ostende utrum elegeris ex his duobus, ut accipiat sortem ministerii huius et apostolatus, unde praevaricatus excidit Iudas, ut abiret in locum suum. Et dederunt sortes eorum, et cecidit sors super Mathiam, et cooptatus est ad numerum undecim Apostolorum.E ? ◦ Dux◦ – significat Petrus non de solo Iuda esse psalmum, sed de omnibus Christi adversariis, quorum dux Iudas cooptatus in numerum apostolorum, hic est Antichristi apostolatus. ?? Sicut alius subrogatus est in locum Iudae, ita abiectis impiis Iudaeis subrogandus erat alius populus, de qua re loquuntur duo psalmi, ex quibus Petrus spiritu dei movebatur, et factum approbat deus manifesta sorte. † Non is eligitur qui iustus appellatur. Alia enim sunt dei iudicia quam apud homines nomina. Neque opus est quaerere hinc, an sorte uti liceat. Sors ista precibus committitur deo et signum per sortem petitur a deo in re quae non erat per verbum dei expressa, ut scirent voluntatem dei. Hoc est, quod in Proverb. dicitur: V Sortes mittuntur in sinum, sed a domino temperantur.V E Et cum compleretur dies pentecostes, erant omnes unanimiter in eodem loco. Et factus est repente de coelo sonitus, tanquam impetu venientis flatus vehementis, et replevit totam domum, ubi erant sedentes.| Et visae sunt illis dissectae linguae velut igneae, seditque super singulos eorum, ac repleti sunt omnes spiritu sancto caeperuntque loqui aliis linguis, prout spiritus ◦ ille◦ dabat eloqui illisE etc. Lege totum librum Actorum apostolicorum et apostolorum scripta, et cognosces quae operati sint discipuli ◦ induti virtute ex alto◦ , quae omnia his paucis Marcus comprehendit.

14. spiritu dei ] fehlt E. 20. cum compleretur ] B: cum complerentur; C: dum implerentur. 20. eodem ] A–C: ipso eodem. 21. de coelo ] fehlt B. 21. impetu ] C: impetum. 22–24. et replevit ... illis etc. ] A–C: etc. – E: etc. Act. ij. 26. discipuli ] B: sicut apostoli. 8. Apostolorum.E ] Apg 1,15–26 (E). 9. ◦ Dux◦ ] Apg 1,16. 9. significat ... psalmum ] Vgl. Ps 40,10 (V). 9–11. non ... apostolatus ] Zur Verbindung von Judas mit dem Antichristen vgl. Luther, Warum des Papstes und seiner Jünger Bücher (WA 7, 179,7–13 bzw. 23–28).

13. (V). 19. 24. 26.

duo psalmi ]

Vgl. Ps 68,26 (V); 108,8

temperantur.V ] Spr 16,33. illisE ] Apg 2,1–4 (E). alto◦ ] Vgl. Lk 24,49.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

E

Illi vero, inquit egressi praedicaverunt ubique domino cooperante et sermonem confirmante per signa subsequentia.E

Christus vivit rex. Paucis huius meae concordiae te reddo certiorem, in qua non Augustinum, non Hieronymum, non Ambrosium secutus sum, licet quaedam annotarint, sed ipsa evangelia, et non parum videor adiuvisse eos qui suspicantur evangelistas contraria scripsisse, ita ut etiam olim secundum Hieronymum quidam non receperint Marci caput ultimum, quasi caeteris evangeliis adversum, quod tamen non est. Sic ergo habe. Tempus primae visitationis sepulchri, quando venerunt mulieres, omnes evangelistae concorditer scribunt. Deinde varie scribuntur illarum visiones, sed duabus historiis tantum comprehenduntur; alteram scribunt Lucas et Ioannes, alteram Matthaeus et Marcus; sed quod illam faciam priorem, Marcus cogit dicens: ◦ Primum apparuit Mariae Magdalenae.◦ Ecce habes in concordia paucis quod maxime videbatur diversum. Ita nihil offenderis neque in variis angelorum visionibus neque in aliis gestis, quae alioqui apparebant diversa, dum tamen angelum aspectu horrendum, qui sedebat super lapidem, solis militibus apparuisse in Matthaeo intelligas. Sed cur iterum Maria Magdalena vadit, quae iam viderat

2. subsequentia.E ] Vgl. Mk 16,20 (E). 4. Paucis ... certiorem ] Zum folgenden s. Bieber, Reform, 111–116. 4–5. in ... sum ] Gemeint sind Augustins De consensu ev., Hieronymus’ Ep. ad Hedybiam, Ambrosius’ Exp. ev. sec. Luc. – vgl. z.B. Anm. zu 158,11; Anm. zu 158,11–12; Anm. zu 328,4–5. 6–7. non ... scripsisse ] Wer diese Zweifel ausspricht, bleibt unklar. In der Passio (Dr.) 1544 macht der Verf. zwar einige Angaben zur Art des Zweifels, s.o. 126,2–5, ansonsten ist man auf Vermutungen angewiesen. Vgl. Bieber, Reform, 62 f, bes. Anm. 140.

7–8. ut ... adversum ] Vgl. Hieronymus, Ep. ad Hedybiam, 3 (CSEL 55, 481,13–16). 9–10. Tempus ... scribunt. ] Vgl. Mt 28,1; Joh 20,1; Lk 24,1; Mk 16,2. Dazu Bieber, Reform, 111 f bei Anm. 395 f. 11. Lucas ] Vgl. Lk 24,1–12. 11–12. Ioannes ] Vgl. Joh 20,1–10. 12. Matthaeus ] Vgl. Mt 28,1–10. 12. Marcus ] Vgl. Mk 16,1–8. 13. Magdalenae.◦ ] Mk 16,9. 15–17. tamen ... intelligas ] Vgl. Mt 28,2–4.

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Illi vero egressi praedicaverunt ubique domino cooperante et sermonem confirmante per sub sequentia signa.E

Christus vivit rex. Lectori 5

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Paucis huius meae, quod ad historiam glorificati Christi attinet, concordantiae te reddo certiorem. In qua non Augustinum aut alium quemquam secutus sum, licet quaedam annotarint, sed ipsos sacros historiae sacrae scriptores, et non parum videor eorum sustentasse fragilitatem qui suspicantur Evangelistas sibi diversa scripsisse, ita ut etiam olim (quemadmodum ait Hieronymus) quidam non receperint Marci caput ultimum, quasi caeteris Evangelistis diversum, quod tamen non est. Sic ergo habe.| Tempus primae visitationis sepulchri, quando venerunt mulieres, omnes Evangelistae concorditer scribunt. Deinde variae scribuntur illarum visiones, sed duabus historiis tantum comprehendentur. Alteram scribunt Lucas et Ioannes, alteram Matthaeus et Marcus. Sed quod illam facio priorem, hanc posteriorem, Marcus cogit dicens: ◦ Primum apparuit Mariae Magdalenae.◦ Ecce paucis concordavi quod falso videbatur diversum. Ita nihil offenderis neque in variis angelorum visionibus neque in aliis gestis, quae alioqui apparebant non convenire, dum tamen angelum aspectu horrendum, qui sedebat super lapidem, solis militibus apparuisse in Matthaeo intelligas et postea angelum, qui secundum Matthaeum loquitur mulieribus, apparuisse quemadmodum Marcus describit. 1. vero ] A, B: vero, inquit. 2. sub sequentia signa ] A–C: E signa subsequentiaE . B: subsequentia (miracula absque [summa verbi] est ex dyabolo, quod hodie multi iactant et hactenus iactaverunt.) Annotaciones. B,C: Signa de coelo apparent, ubi confirmatur in monte Syon Evangelium, sicut olim signa de coelo monstratra sunt, ubi confirmabatur lex in monte Syna. Sed hic datur spiritus, qui per legem non dabatur. Hic resipiscunt et convertuntur ad Deum homines in latione legis, conterriti [C: territi] fugierunt [C: fugiebant] a deo. (De ista lege spiritus praedixit Esaias et Malachias [C: Micheas]: De Syon exibit lex et verbum domini de Hierusalem [C: etc.].) 3–4. Christus ... Lectori ] B: Racio Concordanciae meae. – fehlt C. 3–5. Christus ... Paucis ] D: CHRISTUS VIVIT REX. LECTORI. PAUCIS. 5. quod ... attinet ] fehlt B,C. 5. concordantiae ] concordiae. 6. aut ... quemquam ] B,C: non Hieronymum, non Ambrosium. 7. annotarint ] C: annotarim. 7. ipsos ... scriptores ] B,C: ipsa Evangelia. 8. videor ] C: video. 8. eorum ... fragilitatem ] B,C: adiuvisse eos. 8–9. sibi diversa ] B,C: contraria. 9. (quemadmodum ... Hieronymus) ] B,C: secundum Hieronymum. 10. receperint ] B,C: receperunt. 10. diversum ] B,C: adversum. 11. habe ] B,C: habemus. 12. Tempus ] B: Hoc tempus. 16. facio ] B: faciam. – C: faciunt. 16. hanc posteriorem ] fehlt B,C. 18. paucis concordavi ] B,C: habes in concordia paucis. 18. falso ] B,C: maxime. 20. non convenire ] B,C: diversa. 21–23. et postea ... describit ] fehlt B,C. 2. signa.E ] Vgl. Mk 16,20 (E). 6. In ... sum ] S. Anm. zu 326,4–5. 9–10. ut ... diversum ] S. Anm. zu 326,7–8. 15. Lucas ] Vgl. Lk 24,1–12. 15. Ioannes ] Joh 20,1–10. 15. Matthaeus ] Vgl. Mt 28,1–10.

15. Marcus ] Vgl. Mk 16,1–8. 17. Magdalenae.◦ ] Mk 16,9. 20–21. dum ... intelligas ] Vgl. Mt 28,2–4. 22–23. quemadmodum ... describit ] Vgl. Mk 16,5–7.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

dominum resurrexisse? Dico: Cum aliis vadit et saepe videre cupit quem viderat aut saltem sepulchrum videre cupiit, quod obiter quasi dixit Matthaeus.| Unde non tam ipsa, quam sociae adhuc dubitantes de eo quod forte revelarat eis Magdalena audiunt: ◦ Non est hic. Venite◦ etc. Itaque non erit necesse plures suspicari Marias Magdalenas in evangelistis. Est autem haec Maria Magdalena Galilaea. Maria vero soror Lazari numquam in evangelicis literis invenitur aperte Magdalene vocitata, quae etiam non Galilaea, sed Iudaea est. Apostolis vero congregatis sed tamen absente Thoma apparuit in vespera. Secundo praesente Thoma in octavo die a resurrectione. Tertio paucioribus post hebdomadam paschae in Galilaea ad mare Tiberiadis. Unde Ioannes: E Hac iam tertia viceE etc., qui ordo ab Ioanne descriptus manifeste cogit, ut post haec omnia intelligam factum quod Matthaeus de monte Galilaeae scribit, ubi credo adfuisse plus quam quingentos fratres, de quibus Paulus scribit. Quis enim discipulorum illic non cupiit adesse, ubi suum Christum audierat appariturum rumore iam inter eos pervagante ex relatione angelorum, mulierum, Christi, discipulorum – et ex recordatione verborum quae Christus praedixerat? [M]axime cum etiam certum montem illis constituerit, ut Matthaeus scribit, credo etiam certum diem. Suspicor autem montem Thabor fuisse, in quo antea specimen resurrectionis suae dederat. Non voluit tam multis apparere, antequam ad multos fama patratae resurrectionis pervenisset. Et Matthaeus quoque subindicat alios adfuisse quam apostolos dicens: ◦ Quidam autem dubitaverunt.◦ [Q]uis, quaeso, tunc apostolorum dubitavit, qui antequam in Galilaeam irent, Hierosolymis omnes crediderant? Quapropter non recte intelli-

2. quod ... Matthaeus ] Vgl. Mt 28,1. 4. Venite◦ ] Vgl. Mt 28,6. 4–7. non erit ... est. ] Anspielung auf die von Faber Stapulensis (Lefèvre d’Étaples) ausgelöste Kontroverse. Lefèvre hatte 1518 behauptet: Sororis Marthae cognoscitur nomen et ex euangelio et ex auctoribus, est enim Maria, et a domino cognomentum Magdalena, Et liberatae daemoniis nomen similiter Maria et a loco cognomentum Magdalene (Faber Stapulensis, De Maria Magdalena, cc– [ccb ]). Ihm widersprach vor allem John Fisher von Rochester, die Auffassung Lefèvres wurde 1521 von der Sorbonne verurteilt. Vgl. Hufstader, Magdalen, 39 f sowie Augustijn, Humanismus, 95 f. 4–5. non ... evangelistis ] Vgl. Ambr., Exp. ev. sec. Luc. X,153 (CChr.SL 14, 389,1454– 1458) und Zacharias Chrysopolitanus, In unum ex quatuor (PL 186, 598C). 6–7. Maria ... est. ] Vgl. Lk 10,38–42; Joh 11,1–45; 12,1–8, gegen Greg. Magn., Hom. 25 und 33 (PL 76, 1891; 1239.) sowie Faber Stapulensis, De Maria Magdalena, cc–[ccb ]: Sororis Marthae cognoscitur nomen et ex euan-

gelio et ex auctoribus, est enim Maria, et a domino cognomentum Magdalena. Et liberatae daemoniis nomen similiter Maria et a loco cognomentum Magdalena. – Faber Stapulensis hatte durch seine Schrift einen Disput über die Identität der Maria Magdalena erregt und wurde 1521 von der Sorbonne dafür verurteilt. 7–8. Apostolis ... vespera. ] Vgl. Joh 20,19– 23. 8–9. Secundo ... resurrectione. ] Vgl. Joh 20,24–29. 9–10. Tertio ... Tiberiadis. ] Vgl. Joh 21,1– 22. 10. viceE ] Joh 21,14 (E). 11–12. quod ... scribit ] Vgl. Mt 28,16–20. 12–13. de ... scribit ] Vgl. 1Kor 15,6. 16–17. ut ... scribit ] Vgl. Mt 28,16. 17–18. Suspicor ... dederat. ] Vgl. Mk 9,2–8; Mt 17,1–8; Lk 9,28–36; Ludolf von Sachsen, Vita Iesu Christi, II, 80 (Bd. 4, 733). 21. dubitaverunt.◦ ] Mt 28,17. 21–22. [Q]uis ... crediderant? ] Vgl. Ludolf von Sachsen, Vita Jesu Christi, II, 80 (Bd. 4, 734).

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Sed cur iterum Maria Magdalene vadit, quae iam viderat dominum resuscitatum? Respondeo: Cum aliis vadit et dux est earum et saepe videre cupit quem viderat aut saltem sepulchrum videre cupit, quod obiter quasi dixit Matthaeus. Unde non tam ipsa, quam sociae adhuc dubitantes de eo quod forte revelarat eis Magdalene audiunt: ◦ Non est hic. Venite et videte◦ etc. Itaque non erit necesse plures suspicari Marias Magdalenas in Evangelistis. Est autem haec Maria Magdalene Galilaea. Maria vero soror Lazari numquam in Evangelicis literis invenitur aperte Magdalene vocitata, quae etiam non Galilaea, sed Iudaea est. Apostolis vero congregatis sed tamen absente Tho-|ma apparuit in vespera eiusdem diei. Secundo praesente Thoma octavo a resurrectione die. Tertio paucioribus post hebdomadam paschae (ut nunc vocamus) ad mare Tiberiadis, unde Ioannes ait: E Hac iam tertia viceE etc. Qui ordo ab Ioanne descriptus manifeste cogit, ut post haec omnia intelligam factum esse quod Matthaeus de monte Galilaeae scribit, ubi credo adfuisse plus quam quingentos fratres, de quibus Paulus scribit. Quis enim discipulorum illic non cupiit adesse, ubi suum Christum audierat appariturum rumore inter eos pervagante ex relatione angelorum, mulierum, Christi, discipulorum – et ex recordatione verborum quae Christus praedixerat? [M]axime cum etiam certum montem illis constituerit, ut Matthaeus scribit, credo etiam certum diem. Suspicor autem montem Thabor fuisse, in quo antea (ut aiunt) specimen suae resurrectionis in transfiguratione illa dederat. Non voluit tam multis apparere, antequam ad multos fama patratae resurrectionis pervenisset. Et Matthaeus quoque subindicat alios adfuisse quam apostolos dicens: ◦ Quidam autem dubitaverunt.◦ Quis, quaeso, tunc apostolorum dubitavit, qui antequam in Galilaeam irent, Hierosolymis omnes crediderant?

1–2. resuscitatum ] B,C: resurrexisse. 2. Respondeo ] B,C: Dico. 2. et ... earum ] fehlt B,C. 3. aut ... Matthaeus ] fehlt E. 3. dixit ] B,C: dicit. 5. Magdalene ] B: Maria Magdalena. 5. et videte ] fehlt B,C. 11. eiusdem diei ] fehlt A–C. 11. octavo ] A–C: in octavo. 12. (ut ... vocamus) ] A–C: in Galilaea. 13. ait ] fehlt B,C. 13. etc. ] fehlt B. 14. intelligam ] B: intelligant. 15. esse ] fehlt A–C. 15. scribit ] B: scripsit. 17. cupiit ] B: cupit. 17. rumore ] B,C: rumore iam. 17. eos ] B: alios. – C: illos. 20. constituerit ] B: constituerat. 21. (ut aiunt) ] fehlt B,C. 21–22. in ... illa ] fehlt B,C. 3. quod ... Matthaeus ] Vgl. Mt 28,1. 5. videte◦ ] Vgl. Mt 28,6. 6–9. non erit ... est. ] S. Anm. zu 328,4–7. 6. non ... Evangelistis ] Vgl. 328. 10–11. Apostolis ... diei. ] Vgl. Joh 20,19– 23. 11. Secundo ... die. ] Vgl. Joh 20,24–29. 11–12. Tertio ... Tiberiadis ] Vgl. Joh 21,1– 22.

13. viceE ] Joh 21,14 (E). 15. quod ... scribit ] Vgl. Mt 28,16–20. 15–16. plus ... scribit ] Vgl. 1Kor 15,6. 20. ut ... scribit ] Vgl. Mt 28,16. 20–22. Suspicor ... dederat ] S. Anm. zu 328,17–18. 21–22. in transfiguratione ] Vgl. Mt 17,1–8; Mk 9,2–8; Lk 9,28.36. 24. dubitaverunt.◦ ] Mt 28,17.

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Augustinus talia vidit in conc. euan.

Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

gunt de die ascensionis quod Marcus scribit: V Novissime ◦ sive deinde◦ Recumbentibus illis undecimV etc., quod sequitur: V Postquam locutus est eis, assumptus est in coelumV etc. Nam in vespera diei resurrectionis factum est. Et non attendunt Marcum ab eo loco scribere non continuam historiam, sed breviter comprehendere quid ante ascensionem gesserit dominus aut dixerit. Nam illa verba: V Euntes in mundumV etc. apparet ex Matthaeo dicta in monte Galileae, nisi saepius dicta intelligas. Quod vero sequitur: V Postquam locutusV etc., non intellige mox post praedicta verba, sed post omnia verba quae loquebatur per dies xl secundum Lucam in Actis, Nisi etiam intelligas discipulos mox a monte oliveti egressos ad praedicandum ubique, quia sequitur: V Illi autemV etc. – quod vetant Acta apostolorum. Epitomen ergo scripsit illic Marcus gestorum a Christi resurrectione. Quin et ipse Lucas ita contexuit evangelium, ut putes post diem resurrectionis nocte sequenti Christum ascendisse. Et nisi idem unico verbo in Actis dixisset: ◦ per dies xl◦ , adhuc nesciretur quo die Christus ascendisset. Itaque nusquam magis apparet ut hic, quam multa desint ex omnibus Christi gestis, quorum evangelistae omnes vix epitomen scripserunt, ut etiam Ioannes in fine sui libri fatetur. ◦

Adveniat regnum tuum.◦

2. undecimV ] Vgl. Mk 16,14 (V). 3. coelumV ] Mk 16,19 (V). 3. Marg.: Augustinus ... euan. ] Bugenhagen ordnet Mk 16, 14–19 anders ein als Augustin, der Mk 16, 14 ff und Mk 16, 19 als die beiden letzten von zehn Erscheinungen des Auferstandenen begreift; vgl. Augustin, De consensu ev., III, 25,83 (CSEL 43, 388,21–389, 9). Augustins Begründung für diese Anordnung findet sich ebd. III, 25,75–77 (CSEL 43, 376,20–381,18), bes. 77: cum ergo dicit: et dominus quidem, postquam locutus est eis, adsumtus est in caelum, satis uidetur ostendere novissimum cum illis in terra hunc eum habuisse sermonem. (CSEL 43, 381,1–4). – Er nennt die Gegenargumente zu dieser Auffassung, bleibt aber bei seiner Meinung: ideo post hanc locu-

tionem, quam Marcus commemorat, adiunctis etiam consequenter illis uerbis uel discipulorum uel ipsius, quae commemorantur in actibus apostolorum, credendum est adsumtum dominum in caelum, quadragensimo scilicet die post diem resurrectionis eius. (CSEL 43, 381,13–18). 5–6. Nam ... Galileae ] Vgl. Mt 28,16–20. 6. mundumV ] Mk 16,15 (V). 7. locutusV ] Mk 16,19 (V). 8–9. post ... Actis ] Vgl. Apg 1,3. 10. autemV ] Mk 16,20 (V). 11. quod ... apostolorum ] Vgl. Apg 1,12–14. 14. xl◦ ] Apg 1,3. 16–17. ut ... fatetur ] Vgl. Joh 21,25. 18. tuum.◦ ] Lk 11,2.

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Quapropter non recte intelligunt de die ascensionis quod Marcus scribit: Novissime ◦ sive deinde◦ [r]ecumbentibus illis undecimV etc., quod sequatur: V Postquam locutus est eis, assumptus est in coelumV etc. Nam in vespera diei resurrectionis factum est. Et non attendunt Marcum ab eo loco scribere non continuam historiam, sed breviter comprehendere quid ante ascensionem gesserit dominus aut | dixerit. Nam illa verba: V Euntes in mundumV etc. apparet ex Matthaeo dicta in monte Galilaeae, nisi saepius dicta intelligas. Quod vero sequitur: V Postquam locutus est eis, assumptus est in coelumV etc., non intellige assumptum mox post praedicta verba, sed post omnia verba quae loquebatur a resurrectione per dies quadraginta secundum Lucam in Actis, nisi etiam intelligas discipulos statim a monte Oliveti egressos ad praedicandum ubique, quia sequitur: ◦ Illi autem egressi◦ etc. – id quod vetant Acta apostolorum. Epitomen ergo scripsit illic Marcus gestorum a Christi resurrectione. Quin et ipse Lucas ita contexuit Evangelicam historiam, ut putes [p]ost diem resurrectionis nocte sequenti Christum ascendisse. Et nisi idem unico verbo in Actis dixisset: ◦ per dies quadraginta,◦ adhuc nesciretur quo die Christus ascendisset, id est assumptus esset ab oculis discipulorum, alioqui eius resurrectio est quoque eius ascensio sive glorificatio, quando ei dictum est: ◦ Sede a dextris meis◦ , de quo et ipse dicit: ◦ Data est mihi omnis potestas in coelo et in terra.◦ Itaque nusquam magis apparet atque hic, quam multa desint ex omnibus Christi gestis, quorum omnes Evangelistae vix epitomen scripserunt, ut etiam Ioannes in fine sui libri fatetur.

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Adveniat, • pater• , regnum tuum, per Iesum Christum, filium tuum, dominum nostrum, Amen. ◦



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Basileae, apud Adamum Petri, Mense Septembri Anno M.D.XXIIII. 2. sequatur ] B,C: sequitur. 3. etc. ] fehlt B. 4. factum est ] B,C: factum est, quod et Augustinus vidit, De concordancia [C:concordia] evangelistarum. 4. Marcum ] fehlt B. 6. dominus ] fehlt B. 6. mundum ] B,C: mundum universum. 8. Postquam ... coelum ] A–C: Postquam locutus etc. B: locutus est. 9. assumptum ] fehlt A–C. 10. etiam ] B: omnia. 11. statim ] A–C: mox. 12. egressi ] fehlt A–B. – C: profecti. 12. id quod ] A, C: quod. – B: quod autem. 14. Evangelicam historiam ] A–C: evangelium. 15. Actis ] B: actis apostolorum. 16–19. id est ... terra. ] fehlt A–C. 22. ◦ Adveniat ... tu- ] D: Wörter in Großbuchstaben. 22– 26. ◦ Adveniat ... M.D.XXIIII. ] A: Adveniat regnum tuum. – B: Ex doctissimo Ioanne Bugenhagio Pomerano ante Michaelis festum 1522. – C: Finis. – E: Aliorum regnorum finis est. ◦ Regni autem Christi non est finis.◦ 25. Basileae ... Pe- ] D: Wörter in Großbuchstaben. 2. undecimV ] Mk 16,14 (V). 3. coelumV ] Mk 16,19 (V). 6–7. Nam ... Galilaeae ] Vgl. Mt 28,16–20. 6. mundumV ] Mk 16,15 (V). 8. coelumV ] Mk 16,19 (V). 10. per ... Actis ] Vgl. Apg 1,3. 12. egressi◦ ] Vgl. Mk 16,20.

12. id ... apostolorum ] Vgl. Apg 1,12–14. 16. quadraginta,◦ ] Apg 1,3. 18. meis◦ ] Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,42; Apg 2,34; Hebr 1,13. 19. terra.◦ ] Mt 28,18. 21. ut ... fatetur ] Vgl. Joh 21,25. 22–23. tuum◦ ] Lk 11,2.

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

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Excidium Hierosolymitanum

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88/[L8] 10

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[88b ]/ [L8b ]

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89/M

Paulus de Iudaeis blasphemis et Evangelii persecutoribus dicit: E Vt dominum Iesum occiderunt et proprios Prophetas, ita et nos persecuti sunt et Deo non placent et omnibus hominibus adversantur. Obsistunt nobis, ne praedicemus gentibus, quo salvi fiant, ut expleant peccata sua semper. Pervenit autem in illos ira in finem.E Quod et Daniel de hebdomadis sic dixit: Occidetur Christus et nihil ibi retinebit. Nam populus Principis veniet et vastabit civitatem et Sanctuarium, quae finientur quasi diluvio, et usque ad finem belli definita erit desolatio. Ipse autem Christus confirmabit foedus multis hebdomade una et in medio | hebdomadis cessabit oblatio et Sacrificium. Et apud Alas stabunt abominationes desolationis. Et definitum est, quod usque in finem stillabit super desolationem. Similiter et alii Prophetae et Christus ipse praedixerunt Iudaeis horrendum interitum et Hierosolymis miserabile excidium, propterae quod Prophetas sive praedicatores et Evangelium Christi contempserunt et persecuti sunt. Ut autem appropinquavit tempus irae Dei, quo erant per Romanos vastandi, haec portenta illic praecesserunt. Sidus forma gladii in coelo apparuit toto anno urbi Ierusalem imminens. Azymorum die qui erat octavus mensis Aprilis nona hora noctis circa maximam aram templi tantum lumen effulsit, ut dies putaretur illuxisse.| Aenea porta interioris templi, cuius ostia viginti simul viri remoliebantur, ferreis seris aeneoque occlusa pessulo sexta hora noctis sua sponte patuit. Ad undecimum Calendarum Iunii visi sunt per aerem currus diversis coeli regionibus vagari et armatae acies tranare nubila. Nocte quae diem pentecostes praecessit sacerdotes intimum templum subeuntes sacrorum causa strepitum quendam primo senserunt. Inde et vox est ex proximo reddita dicentis: Migremus hinc! Etsi non desunt qui sub hoc tempus id accidisse tradant quo Christus passus est. Iesus quidam, Anani plebaei rusticique hominis filius, cum ad solenne sacrum venisset quo statuebantur Ategiae phanatico spiritu repente impulsus exclamare caepit: Vox ab oriente, vox ab occidente, vox a quatuor ventis! Vox in Hierosolymam et templum, vox in sponsas et novas nuptas, vox | in omnem populum! Haec interdiu noctuque vociferans urbem circumibat saepiusque correptus verberibus 1. Excidium Hierosolymitanum ] E: EXCIDIUM HIEROSOLYMITANUM. 2–15. haec ] fehlt ExH. 2. Paulus ] E: PAulus. 15–16. portenta ... praecesserunt ] ExH: quae illic praecesserunt excidium. 17. forma ] ExH: figura. 19. illuxisse. ] ExH: Eodem die, cum bos ad aram traheretur, medio templo peperit. 31. sponsas ] ExH: 6. finem.E ] Vgl. 1Thess 2,15 f (E). 6–11. Occidetur ... desolationem. ] Vgl. Dan 9,26 f nach Luther, Bibel 45 (WA.DB 11 II, 169–171). 11–14. Similiter ... sunt. ] Vgl. Mt 23,37–39; Lk 13,34 f; 21,20–24. 17–19. Sidus ... illuxisse. ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. VI, 5,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 50,289 f), lat. VII, 12 (ed. Köln 1524, 314).

Paulus ... Portenta illuxisse. sponsos.

20–26. Aenea ... hinc! ] Vgl. ebd. griech. VI, 5,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 50,293– 52,299), lat. VII, 12 (ed. Köln 1524, 314). 333.28–335.9. Iesus ... concidit. ] Vgl. ebd. griech. VI, 5,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 52,300–54,309); lat. VII, 12 (ed. Köln 1524, 314–[314b ]).

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[89b ]/ [Mb ]

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ab iis qui vocem, ut civitati ominosam aversabantur, nihilosecius id faciebat. Perductus inde ad [R]omanum Praesidem et ad ossa usque flagello laceratus nec supplex quicquam locutus est nec lachrymam supplicio dedit, sed tantum illud in ore erat: Vae, vae, Hierosolymis! Albinus Iudex ut insanum contempsit. Ille autem septem continuos annos haud adiit quenquam, sed velut orationem meditans assidue illud dicebat: Vae, vae Hierosolymis! Nec in assidua quaerela est unquam raucus factus. Postremo urbe a Romanis circumsessa, cum muros circumiret vae civitati clamitans, vae templo, vae universo populo, factum est ut et illud insolens adiiceret: [V]ae mihi etiam! atque in ea voce hostili tormento ictus concidit. Haec praecesserunt portenta. Nunc ipsum excidium Hierosolymorum describemus.| Post scelus in Christum admissum ita furiis agitati sunt Iudaei, ut tandem seipsos ferre non potuerint. Pontifices in minores sacerdotes facti sunt iniurii. Ordines mutuo se oderunt. Hinc ortae sunt civium factiones et ex his, ut fit, tyranni, caedes, latrocinia intus et extra Ierusalem atque per haec omnia sacra et prophana faedata. Accessit et externa iniuria. Nam Cestius Florus a Nerone in Iudaeam missus, cum superbe et avare imperium exerceret, exturbatus est a Iudaeis amissis auxiliaribus Romanis quinque milibus et amplius. Et ita acti furiis, qui iampridem seipsos ferre von potuerunt, ne Romanum quidem imperium sustinuerunt. Nero autem subita Iudaeorum defectione commotus Flavium Vespasianum cum filio eius Tito in Syriam mittit. Toto oriente tunc constans opinio erat, ut Tranquillus scribit, esse | in fatis, ut eo tempore ex Iudaea proficiscerentur qui inter mortales rerum potituri essent. Id quod de Christi Regno secundum homines despecto, quod tunc per Evangelium propagabatur per totum mundum, verum erat, sed alii interpretabantur de duobus Vespasianis, Iudaei autem ad se trahentes re ab initio feliciter acta et supra modum elati tribus constitutis ducibus Ascalonem invadunt. Ibi duobus praeliis 1. iis ] ExH: his. 12. Post ] E: POst. 17. Cestius Florus ] ExH: [Marg.] Egesippus distinguit Cestium a Floro. Vide vel c. xvj lib. ij. [Vgl. Ps.-Hegesipp, Historiae libri V, II,16,1 (CSEL 66, 178,21 f): temtasse Cestium excitata in Florum odia sedare sed nequiuisse]. 25. homines ] ExH: mundum. 13–16. Pontifices ... faedata. ] Vgl. Ps.-Hegesipp, Historiae libri V, II,13,8 (CSEL 66, 171,8–15). 17–18. Nam ... exerceret ] Gessius Florus war seit 64 Statthalter von Judäa, Cestius Gallus verwaltete dagegen seit 63 Syrien und kam 66 nach Jerusalem, wo es ihm nicht gelang, zwischen Gessius Florus und den Juden zu vermitteln. Vgl. Pauly-Wissowa 3, 1899, 2006 sowie Flavius Josephus, De bello Jud., griech. II, 14,2 f (ed. Michel/Bauernfeind I, 236,277–238,283); lat. II, 13 (ed. Köln 1524, [259b ]). 18–19. exturbatus ... amplius ] Vgl. ebd. griech. II, 19,7–9 (ed. Michel/Bauernfeind I,

288,540–292,555); lat. II, 24 (ed. Köln 1524, 267–[267b ]). 20–22. Nero ... mittit. ] Vgl. ebd. griech. III, 1,3 (ed. Michel/Bauernfeind I, 314,8); lat. III, 1 (ed. Köln 1524, [270b ]). 23–24. Toto ... essent. ] Vgl. Sueton [Tranquillus], De vita Caesarum, VIII,4,5 (hg.v. Martinet, 832). 26–27. sed ... trahentes ] Vgl. ebd.: Id de imperatore Romano, quantum postea eventu paruit, praedictum Iudaei ad se trahentes [ ... ]. 335.27–337.2. re ... amisere. ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. III, 2,1 (ed. Michel/Bauernfeind I, 314,9–318,25); lat. III, 1 (ed. Köln 1524, [270b ]–271).

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a Romano praesidio superati duo de viginti milia hominum cum ipsis ducibus amisere. Hinc Vespasianus decreto Caesaris Neronis Galilaeam valde populosam terram ingressus omnia misere vastat ferro et igni, fere quinquaginta milib[us] Iudaeorum occisis praeter reliquam multitudinem imbellem interfectam. Saevitum est in omnem aetatem et sexum. Sex milia iuvenum ad Isthmum in Achaia fodiendum misit. Triginta milia auxiliariorum sub corona venierunt. Quinque milia per | abruptas crepidines in profundam vallem desperatione adducti se praecipitarunt. Inter haec Iosephus, vir multa eruditione et prudentia, clarus sacerdos, dux belli, ex specu altiore, quo cum paucis in media trepidatione apud Ioppata urbem maritimam profugerat, rapitur ad Vespasianum. Cui cum vaticinatus esset imperium, benigne et clementer habitus est et scripsit postea quae novimus. Dum haec in Galilaea aguntur, latronum ingens numerus confluit Hierosolymam, homines Iudaici sanguinis. Hi primum occulta latrocinia adorti, inde in caedes in rapinas versi, miseram civitatem multis cladibus immerserunt impulsu cuiusdam Iohannis. Is anhelebat ad Tyrannidem occupandam. Sevitum est in pontifices templumque caede pollutum. Duodecim milia nobilum caesa. Iosephus scribit, quod dicerentur rem ad Romanos trahere. Quorum bona latronibus stultaeque multitudini concessere.| Affligebatur itaque triplici malo civitas: Romano bello, domestica seditione et tyrannide in urbe constituta. Cum Vespasianus, Gadarensium motu hibernis excitus, Gadaras caepit et per Placidum ducem fugientes cives occidit tredecim 3. Caesaris Neronis ] fehlt ExH. 4–5. fere ... occisis ] ExH: multis milibus Iudaeorum occisis, id est fere quinquaginta milibus. 11. maritimam ] ExH: Galilaea munitam. 14. homines Iudaici sanguinis ] fehlt ExH. 3–4. Hinc ... igni ] Vgl. ebd. griech. III, 4,1 (ed. Michel/Bauernfeind I, 324,59–63); lat. III, 3 (ed. Köln 1524, [271b ]–272); griech. III, 6,1–7,1 (ed. Michel/Bauernfeind I, 332,110– 336,134); lat. III, 4–6 (ed. Köln 1524, 273– [273b ]). 4–5. fere ... occisis ] Josephus nennt bei der Eroberung Japhas 15000, bei der Jotapatas 40000 Gefallene. Vgl. ebd. griech. III, 7,31;36 (ed. Michel/Bauernfeind I, 362,305; 366,337); lat. III, 11;13 (ed. Köln 1524, 277;[277b ]). 5–6. Saevitum ... sexum. ] Vgl. auch ebd. griech. III, 7,1 (ed. Michel/Bauernfeind I, 336,133); lat. III, 6 (ed. Köln 1524, [273b ]). 6–7. Sex ... venierunt. ] Vgl. ebd. griech. III, 10,10 (ed. Michel/Bauernfeind I, 398,540); lat. III, 19 (ed. Köln 1524, [281b ]). 7–9. Quinque ... praecipitarunt. ] Vgl. ebd. griech. IV, 1,10 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 12,80); lat. [IV], 3 (ed. Köln 1524, 283). 11–12. rapitur ... est ] Vgl. ebd. griech. III, 8,8 f (ed. Michel/Bauernfeind I, 374,392– 378,408); lat. III, 14 (ed. Köln 1524, [288b ]– 289).

13–16. latronum ... Iohannis. ] Vgl. ebd. griech. IV, 3,3–5 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 22,135;138–24,145); lat. [IV], 5 (ed. Köln 1524, [284b ]). 16–17. Sevitum ... pollutum. ] Vgl. ebd. griech. V, 1,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 108,16–18); lat. VI, 1 (ed. Köln 1524, [295b ]– 296). 17. Duodecim ... caesa. ] Vgl. ebd. griech. IV, 5,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 54,333); lat. V, 1 (ed. Köln 1524, [288b ]). 17–18. Iosephus ... trahere. ] Vgl. ebd. griech. IV, 3,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 24,146); lat. [IV], 5 (ed. Köln 1524, [284b ]). 21–22. Cum ... caepit ] Vgl. ebd. griech. IV, 7,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 66,413); lat. V, 3 (ed. Köln 1524, 290). 337.22–339.1. et ... caepit ] Hier nennt Josephus die Zahl von 15000 erschlagenen Juden; vgl. ebd. griech. IV, 7,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 70,435 f); die Zahl 13000 findet sich lat. V, 3 (ed. Köln 1524, 290) sowie bei Ps.-Hegesipp, Historiae libri V, IV, 15,2 (CSEL 66, 264,13 f).

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milia, duo milia caepit, caetera multitudo praeceps in Iordanem desiliit, quorum multa cadavera verticoso flumine in Asphaltitem lacum delata sunt. Tunc trans Iordanem ad Macherontem usque omnes Iudaeorum gentes Romanis armis cessere. 5

[91b ]/ [M3b ]

15

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[92]/M4

Ad prima autem veris signa audita morte Neronis venit Vespasianus ex Caesaria et subactis Idumaeorum et Iudaeorum urbibus praeter castella quaedam, quae latronum praesidiis tenebantur, posuit ubique Romana praesidia, ut Hierosolyma, quae sola restabant expugnanda, commodius appugnaret. Tum Vespasianus a suis est Imperator salutatus. Post abit in Aegyptum, inde Italiam petiturus et Titum Iudaico bello praeficit.| Titus, cum temere propius Hierosolymam exploraturus accessisset, aegre evasit ex manibus Iudaeorum. Inde ad Scopos castra fecit septem ab urbe stadia partitusque copias, urbem haud uno loco circumsedit. Interea misera Iudaeorum multitudo ex omnibus locis ad dies azymorum Hierosolymam confluit sacrorum causa, quo iam ante confugerant latrones et colluvies hominum ex Galiaea pulsa. Tres ibi tunc erant inimicae factiones quae miserum civitatis corpus lacerabant: Quarum una templum obtinebat, cuius Eleazarus Simonis filius princeps erat. Zelotae cum eo erant latronum manus civibus infestissima. Inferiorem urbis partem Iohannes tenebat caput omnium malorum, de quo paulo ante dictum. Simon superiora insederat loca cum viginti Idumaeorum milibus, qui ad urbem Zelotarum latrocinio liberandam accersiti, quia ultro non reciperentur, vi urbem irruperunt.| Titus igitur occasionem adeptus, cum intelligeret urbem premi multitudine, festinavit urbem vallo cingere, ut fames citius sentiretur. Quod opus ne perficere5. Ad ] E: AD.

21. reciperentur ] ExH: acciperentur.

1–2. caetera ... sunt ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. IV, 7,6 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 70,437); lat. V, 3 (ed. Köln 1524, 290). 2–4. Tunc ... cessere. ] Vgl. ebd. griech. IV, 7,6 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 71,439); lat. V, 3 (ed. Köln 1524, 290). 5. Ad ... Neronis ] Vgl. ebd. griech. IV, 9,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 78,491); lat. V, 6 (ed. Köln 1524, [291b ]). 5–8. Vespasianus ... appugnaret. ] Vgl. ebd. griech. IV, 9,9 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 86,550–88,555); lat. V, 8 (ed. Köln 1524, 293). 8–9. Tum ... salutatus. ] Vgl. ebd. griech. IV, 10,4 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 94,601); lat. V, 10 (ed. Köln, 294). 9–10. Post ... praeficit. ] Vgl. ebd. griech. IV, 11,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 102,656– 658); lat. V, 14 (ed. Köln 1524, 295). 11–12. Titus ... Iudaeorum. ] Vgl. ebd. griech. V, 2,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 114,54–116,66); lat. VI, 2 (ed. Köln 1524, [296b ]).

23. Titus ] E: TItus.

12–13. Inde ... circumsedit. ] Vgl. ebd. griech. V, 2,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 116,68); lat. VI,3 (ed. Köln 1524, 297). 20–21. Simon ... accersiti ] Vgl. ebd. griech. IV, 9,11 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 90,575); lat. V, 9 (ed. Köln 1524, [293b ]). Die Zahl der Idumäer gibt Josephus griech. IV, 4,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 38,235); lat. III, 6 (ed. Köln 1524, [286b ]) mit 20000 an, griech. V, 6,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 144,248– 250); lat. VI, 7 (ed. Köln 1524, [300b ]) jedoch mit 5000; vgl. auch Michel/Bauernfeind II,1, 260, Anm. 104. 23–24. festinavit ... cingere ] Vgl. ebd. griech. V, 6,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 146,262); lat. VI, 7 (ed. Köln 1524, 301). 339.24–341.1. Quod ... obstiterunt. ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. V, 6,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 148,273– 150,274); lat. VI, 7 (ed. Köln 1524, 301).

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tur, vario Marte saepe Iudaei obstiterunt. Interim intus teterrima caedes circa templum edita est. Cingebatur Hierosolyma triplici muro a parte qua adiri poterat. Huc omnis Romanorum incubuit conatus, huc agger et aries admotus, postquam longa et dura certamina duplex est murus expugnatus. Quo temporis intervallo vis hominum incredibilis fame et rerum omnium inopia (ut Iosephus scribit) est extincta. Certasse inter se armis domestici dicuntur, si quid esculenti temere ad manus venisset. Filii ex ore parentum cibum rapiebant, nec frater fratrem aut sororem soror miserabatur. Quisquis in ea desperatione rerum malebat sibi quam alii | consultum. Talento veniit modius tritici. Multi bubulum fimum mandere conati sunt. Alii cloacas rimabantur cibosque sibi inde obscoenos quaerebant. Coria scutis detracta et calciorum aluta fuit multis cibus foenique laceramenta quibusdam victui fuere. Periit interim inedia tanta vis mortalium, ut Mannius Eleazari Filius, qui medio tempore obsidionis ad Titum transfugit, centum quindecim milia cadaverum in urbe elata dixerit. Egesippus, una duntaxat porta tot funerum milia elata, autor est, et defuncta alioqui tali aut simili clade ad sexcenta hominum milia Romanis Hierosolymae assidentibus. Tenebant ad huc Iudaei Antoniam, locum in speciem arcis munitissimum. Tenebant et templum, quod et ponte iungebatur urbi, in quibus expugnandis multo plus laborum quam alibi exhaustum. Titus autem, quanquam fames brevi erat hostem domitura, longioris | tamen morae impatiens suos longiori concione ad expugnationem arcis adhortabatur. Res non sine periculo tentata est. Post biduum tenuere arcem. Iudaeos ad tubae signum repente ex citatos semisomnes victor miles obtruncat. Plaerique e muris praecipitati partim suo pondere afflicti sunt, partim beneficio noctis in urbem abiere. Secutum deinde alterum certamen cum iis qui templum obtinebant. 1. Marte ] korr. aus Martae. fehlt ExH.

13. Mannius ] korr. aus Aninus.

1. vario Marte ] vario Marte: mit unterschiedlichen Anstrengungen. 4. postquam ... expugnatus ] Vgl. ebd. griech. V, 7,2;8 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 154,302; 162,346); lat. VI, 8; 10 (ed. Köln 1524, 302; 303). 7–8. Filii ... miserabatur. ] Vgl. ebd. griech. V, 10,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 176,430– 178,438); lat. VI, 11 (ed. Köln 1524, [304b ]– 305). 9–11. Talento ... quaerebant. ] Vgl. ebd. griech. V, 13,7 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 202,571); lat. VI, 16 (ed. Köln 1524, [307b ]). 11–12. Coria ... fuere. ] Vgl. ebd. griech. VI, 3,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 34,197 f); lat. VII, 7 (ed. Köln 1524, 312). 13–15. ut ... dixerit ] Vgl. ebd. griech. V, 13,7 (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 202,567);

16. et ] fehlt ExH.

19. et ]

zum Namen Mannius ebd. Anm. 367; zu lat. Annius vgl. ebd. VI, 16 (ed. Köln 1524, [307b ]. – Vgl. auch Ps.-Hegesipp, Historiae libri V, V, 25,1 (CSEL 66, 360,1): Manneus. 15–17. Egesippus ... assidentibus. ] Vgl. Ps.Hegesipp, Historiae libri V, V, 25,1 (CSEL 66, 360,1–10). 21–22. Titus ... adhortabatur. ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. VI, 1,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 6,33–10,53); lat. VII, 1 (ed. Köln 1524, [308b ]–309). 23–24. Post ... obtruncat. ] Vgl. ebd. griech. VI, 1,7 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 12,68 f); lat. VII, 2 (ed. Köln 1524, 309). 26. Secutum ... obtinebant. ] Vgl. ebd. griech. VI, 2,4 f (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 22,130; 136–26,148); lat. VII, 5 (ed. Köln 1524, [310b ]–311).

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Habuit in animo Titus templum ab omni iniuria tueri, religione credo, sed multo aliter evenit. Nam post aliquot certamina, cum hostes neque hortationibus neque minis ad declinationem compelli potuissent, quia locorum munitionibus freti nulla vi nisi fame (quod longum erat) aut flamma expugnari posse putabantur, igni a gregario milite temere in Sacrum coniecto, confestim est incendium conflatum. Tunc templum, omnium quae ad id tempus fuere augustissimum, miserabiliter defla-|gravit. Qui superiora obtinebant, pars una in urbem refugerunt, sed multo plures flamma aut ferro extincti sunt. Sacerdotes sibi vitam petierunt, nec impetrarunt. Negavit Titus templo et sacris extinctis operae precium esse sacerdotes vivere, ut ait Egesippus. Incidit templi excidium in 10 Augusti mensis diem, quo olim a Babylonio rege fuerat concrematum, velut fatalis fuerit lux illa templo. Intercurrerantque a prima ipsius constructione, cuius Salomon rex autor fuit, usque ad secundum Vespasiani Principis annum, quo est penitus excisum, mille centum unus anni. Ab eius instauratione, quae in secundum primi Cyri incidit, anni quingenti sexaginta novem. Iudaei in arctum compulsi, etsi nulla spes reliqua erat praesentibus malis defungendi nisi cum morte, durabant tamen, Caeterum nihil erat quod magis animum infringeret quam fames. Iosephus autor est per eos dies quibus templum deflagravit tragicum facinus,| facinus, et quod vix apud posteros inveniat fidem, a muliere genere et divitiis nobili perpetratum. Haec transcenso Iordane cum suis popularibus ingruentium periculorum metu Hierosolymam perfugerat. Intolerabili igitur fame adacta infantem filium occidit ac dimidio consumpto quod reliquum fuit tyrannorum satellitibus, qui omnia procacius scrutabantur, ut obsonia domesticatim raperent, sponte obtulit. Illi rei atrocitate parumper defixi primo facinus detestabantur, inde mulieris fortunam miserati rem omnem tyrannis deferunt. Fregit res tam atrox illorum animos, ut qui nunquam ad id tempus de deditione cogitarant, tum demum cum Tito de ea re in colloquium venerint. Sed cum sera nimis pax tentaretur ac prope modum capti pro liberis dimitti vellent, 14. unus ] ExH: triginta. 14. anni ] ExH: anni et menses septem. 15. Cyri ] ExH: Cyri annum. 15. quingenti sexaginta ] ExH: sexingenti [!] triginta. 17. Iudaei ] E: IUdaei. 1. Habuit ... tueri ] Vgl. ebd. griech. VI, 2,4 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 22,128); lat. VII, 4 (ed. Köln 1524, [310b ]). 5–6. igni ... conflatum ] Vgl. ebd. griech. VI, 4,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 44,252); lat. VII, 10 (ed. Köln 1524, 313). 7–9. Qui ... impetrarunt. ] Vgl. ebd. griech. VI, 5,1;6,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 48,273–277; 56,321 f); lat. VII, 11;13 (ed. Köln 1524, [313b ]; [314b ]). 9–10. Negavit ... Egesippus. ] Vgl. Ps.-Hegesipp, Historiae libri V, V, 45 (CSEL 66, 396,1– 4). 11–12. Incidit ... templo. ] Vgl. Flavius Josephus, De bello Jud., griech. VI, 4,5 (ed. Mi-

chel/Bauernfeind II,2, 42,250); lat. VII, 9 (ed. Köln 1524, 313). 12–16. Intercurrerantque ... novem. ] Bei Josephus finden sich hier andere Zahlen: 1130/639 Jahre. Vgl. ebd. griech. VI, 4,8 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 46,269 f); lat. VII, 10 (ed. Köln 1524, [313b ]). 20–27. Iosephus ... deferunt. ] Vgl. ebd. griech. VI, 3,4 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 34,201–36,213); lat. VII, 8 (ed. Köln 1524, 312–[312b ]). 343.29–345.1. tum ... est. ] Vgl. ebd. griech. VI, 6,2 f (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 56,323– 60,353); lat. VII, 13 (ed. Köln 1524, [314b ]– 315).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck) [94b ]/ [M6b ]

5

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re infecta paucos adhuc dies urbs defensa est. Interea innumeri mortales fame | stimulante in castra ex urbe transiverunt, horum numerus ingens nullo fere precio venditus. Sed cum haec fierent, transfugarum unus observatus est aurum legens ex corporis incrementis, [p]ervasit rumor castra Iudaeos plenis auro visceribus transfugere ad Romanos. Nam priusquam urbe egrederentur, nudi a satellitibus Iudaeorum statuebantur, ne quid auri alteriusve rei secum asportarent quae ipsis aut hostibus usui esse posset. Ea fama temere vulgata in causa fuit, ut auri cupiditate ad duo milia Iudaeorum una nocte exenterati sint, multo plures ad huc eo modo perituri, nisi Titi intercessisset edictum, ne quis vinctos interficeret. Vrbs postremo vi capta est fuissetque caedes per omnem sexum et aetatem pervagata, nisi edictum fuisset, ut inermibus parceretur. Direpta primo urbs mox incensa est ac magna ex parte diruta. Tantum aedificiorum relictum | ut satis esset ad praesidium tuendum. Relictae sunt et quedam turres, ut monumentum essent in multam aetatem urbici apparatus. Excisa est Hierosolyma octavo die Septembris, quinto ferme mense quam obsideri caeperat. Ex captiva multitudine Titus decem et septem milia robustiore aetate Alexandriam misit omnes operibus destinatos. Minores natu sub corona vendidit. Duo milia per urbes et provincias distribuit, ut bestiis spectaculorum diebus obiicerentur. Fuit omnis captivorum multitudo numero septem et nonaginta milium, cum ab initio decies centum milia obsidione fatigari caepta sint. Quorum pars multo maxima fuit peregrinorum, non civium, omnes tamen hebraici sanguinis. 6–7. Iudaeorum ] fehlt ExH. 11. Vrbs ] E: VRbs. 14. praesidium ] korr. nach ExH (E: praesiduum). 1–3. Interea ... venditus. ] Vgl. ebd. griech. VI, 8,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 66,382– 384); lat. VII, 15 (ed. Köln 1524, 316). 4–10. transfugarum ... interficeret. ] Vgl. ebd. griech. V, 13,4 f (ed. Michel/Bauernfeind II,1, 198,550–552; 557); lat. VI, 15 (ed. Köln 1524, 307; [307b ]). 11–12. Vrbs ... pervagata ] Vgl. ebd. griech. VI, 8,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 70,403– 406); lat. VII, 16 (ed. Köln 1524, [316b ]). 12. nisi ... parceretur ] Vgl. ebd. griech. VI, 9,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 72,414); lat. VII, 16 (ed. Köln 1524, [316b ]); s. auch die Stelle zur clementia des Titus ebd. VI, 6,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 56,324 sowie 193, Anm. 157); lat. VII, 13 (ed. Köln 1524, [314b ]). 12–13. Direpta ... diruta. ] Vgl. ebd. griech. VI, 8,5 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 70, 407 f); lat. VII, 16 (ed. Köln 1524, [316b ]). 13–15. Tantum ... apparatus. ] Vgl. ebd. griech. VI, 9,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 70,409); lat. VII, 16 (ed. Köln 1524, [316b ]).

15–16. Excisa ... caeperat. ] Vgl. ebd. griech. VI, 10,1 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 74,435); lat. VII, 18 (ed. Köln 1524, 317). 17–20. Ex ... obiicerentur. ] Die Anzahl von 17000 jugendlichen Gefangenen beruht auf einem Mißverständnis der lat. Übs. Josephus schreibt von den über siebzehnjährigen Gefangenen, die zur Zwangsarbeit nach Ägypten verkauft wurden. Auch die Anzahl von 2000 Gefangenen, die über die Provinzen verteilt wurden, findet sich in den Vorlagen nicht. Vgl. ebd. griech. VI, 9,2 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 72,418 f); lat. VII, 16 (ed. Köln 1524, [316b ]: Ex residua multitudine septem [et] decem milia maiores annis, vinctos mittit ad Aegyptum, operibus deputandos.) sowie Ps.Hegesipp, Historiae libri V, V, 49 (CSEL 66, 404,26–405,3). 21–23. Fuit ... sanguinis. ] Vgl. ebd. griech. VI, 9,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 72,420); lat. VII, 17 (ed. Köln 1524, [316b ]).

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Passionsharmonie/Passio (Lateinische Handschrift)

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Passionsharmonie/Passio (Lateinischer Druck)

[95b ]/ [M7b ] 5

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Titus Hierosolymis captis incensisque ac maiore ex parte eversis praesidio ad circumiectam regionem relicto ad Euphratem usque processit. Erat tum is Romani Imperii finis.| Fuit autem Hierosolymitani excidii annus mundanae originis trigesimus quartus super quater millesimum. Ab Roma vero condita octingentesimus vigesimus septimus. Ab eo quo Christus passus est quadragesimus. Et Hierosolyma orientalium urbium nobilissima hunc habuit exitum. Cecidit Hierosolyma, eo minus miserabilis quo ob suam impietatem magis merita est id excidium. Nulla unquam terra Prophetarum partu foecundior, nulla tamen Prophetis ipsis magis infesta [n]ec gens ulla sanctioribus crevit initiis, nulla maioribus polluta sceleribus iustius corruit. Suis Iudaeis, verbi dei contemptoribus et Evangelii Christi persecutoribus non pepercit deus. Non parcet nunc illis qui verbum dei blasphemant et persequuntur Evangelium Christi. Convertamur ergo ad veritatem Dei, ad dominum nostrum Iesum Christum, ut non pereamus cum infidelibus et blasphemis Iudaeis, sed | habeamus vitam aeternam in solo Iesu Christo filio dei domino nostro. Amen. Christus dicit: ◦ Eo quod non cognovisti tempus visitationis tuae.◦ Aliorum regnorum finis est. Regni autem Christi non est finis.

4–5. trigesimus ... quater ] ExH: secundus et septuagesimus supra decentesimum ac quinquies. 5–6. vigesimus septimus ] ExH: centesimusquintus [!]. 11–18. Suis ... finis. ] fehlt ExH. 1–3. Titus ... finis. ] Nach Josephus wird nur eine Legion nach Melitene am Euphrat versetzt; vgl. ebd. griech. VII, 1,3 (ed. Michel/Bauernfeind II,2, 80,18); lat. VII, 19 (ed. Köln 1524, [317b ]). 4–7. Fuit ... exitum. ] Die Zahlen bei Josephus orientieren sich an der Gründung Jerusalems. Vgl. ebd. griech. VI, 10,1 (ed. Mi-

chel/Bauernfeind II,2, 74,435–76,442 sowie 216, Anm. 256); lat. VII, 18 (ed. Köln 1524, 317). 17. tuae.◦ ] Vgl. Lk 19,44. 18. Regni ... finis. ] Vgl. Nicaeno-Constantinopolitanum (Denzinger37 /Hünermann, 84) sowie Lk 1,33.

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Abbildung 7: Titelblatt Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

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Abbildung 8: Titelblatt Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

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Historia des leidens vnd Aufferstehung vnsers Herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten durch Joh. Bugenhagen Pomer auffs new vleissig zusamen bracht 1530 | Vorrhede Ich, Johann. Bugenhagen Pomer, bekenne oe ffentlich, das vnser kirchen Presbyter oder Priester Johann Mantellus diese Concordantie des leidens vnd aufferstehung vnsers herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten, die wir lateinisch nach vnserm verstande zusamen hatten gebracht, hat deudsch ynn vorigen zeiten mit vnserm willen – vnd zuweilen auch mit vnser hue lffe – lassen ausgehn, das niemand zweiuele, ob auch mein name recht hie angedrue ckt sey. Weil aber ich befinde, das solch deudsch ynn etlichen orten felschlich getrue ckt, habe ich mich selbs itzt zum andermale hier vber gemacht vnd gebessert, was vnrecht war. Auch hinzu gethan die Concordantie der historien am Palm Sontage vnd darnach am Montage vnd Dinstage geschehen, auch sonst an etlichen orten gemehret vnd verandert. Dem etwas fehlet, der halte dis deudsch gegen vnserm lateinischen; hat er denn nicht gnug, so mache ers selber besser – Wiewol ich 1. Historia ... Aufferstehung ] F: Die Historia des leydens vnd der Aufferstehung. – I1 –J2 ,k,M– R: Das leiden vnd Aufferstehung. L1–3 : Passional Buch. Vom Leiden vnd Aufferstehung. 1. Christi. ] L1–3 : Christi. Auch anderer Artickel vnsers Christlichen Glaubens, etliche schoe ne Bue chlin vnd Predigte der wirdigen vnd hochgelarten herrn D. Vrbani Rhegij, Johannis Kimei, D. Johannis Bugenhagen Pomerani Vnd D. Martini Lutheri. Wie auff der andern seiten dieses blats verzeichent. – [Sondertitel auf G2]: Das Leiden vnd Aufferstehung vnsers HERRN Jhesu Christi aus den vier Euangelisten. Durch Johann. Bugenhagen Pomern vleissig zusamen gebracht. Auch die Verstoe rung Jerusalem vnd der Jüden kurtz gefasset. 1–2. Historia ... Euangelisten ] g: Die Historia des leidens unsers Herren Jhesu Christi nach den vier Euangelisten. 2. durch ... Pomern ] k,M–R: Durch D. Johan. Bugenhagen Pomern. 3. auffs new ] fehlt F,J1–2 ,k,M–R. 3. bracht ] J1–2 ,M: gebracht. Auch die Verstoe rung Jerusalem vnd der Jue den kurtz gefasset. – k: vnd nachmals durch Joachimum Greff von Zwickau jnn Deudsch Reim verfasset, seliglich vnd troe stlich zu lesen. – N–R: gebracht. Auffs new mit vleis emendirt. Auch die verstoe rung Jerusalem vnd der Jue den kurtz gefasset. 4. 1530 ] F: Wittemberg 1526. – I1 : Wittemberg XXXiiij. – I2 –J2 : Wittemberg. – fehlt k. – L1 : Wittemberg 1539. – L2 : Wittemberg 1540. – L3 : Wittemberg 1543. – M: Wittemberg M.D.xlij. – N: Wittemberg 1544. – O: Wittemberg 1549. – P: Wittemberg 1551. – fehlt Q. – R: Wittemberg 1558. 350.5–352.19. Vorrhede ... sey. ] N–R: Die hochdeutsche Vorrede an Joachim von Anhalt von 1544, s.o. 124,1–132,16. 350.5–352.19. Vorrhede ... Greff ] k: Die Vorrede von Joachim Greff, s.o. 121,2–123,39. 350.5– 352.19. Vorrhede ... sey. ] Statt der folgenden beiden Abschnitte (Vorrhede/Johann Bugenhagen Pomer dem Leser) hat N–R eine neue Vorrhede, s. 124,1–132,16. Roths Bearbeitung g setzt erst mit der eigentlichen Harmonie (Das Leiden vnsers Herrn Jhesu Christi nach den vier Euangelisten) ein, s. 406,2, und schickt ein eigenes Vorwort voraus, s. 120,2–18. Auch Greffs Bearbeitung k enthält eine eigene Vorrhede, s. 121,2–123,39. 5. Vorrhede. ] fehlt F. 6. Ich ] H: ICH. 6–7. Presbyter oder Priester ] F: Diacon odder Cappellan. 7. aufferstehung ] F: verklerung. 9. ynn vorigen zeiten ] F: wie man hie lesen mag. 12–16. Weil ... verandert. ] fehlt F. 350.17–352.2. Wiewohl ... mag. ] fehlt F. – Vorrhede ... mag] fehlt I1 –J2 . – ICH ... mag] fehlt L1–3 ,M. 7. Johann Mantellus ] Zu Johann Mantel s.o. 88, Anm. 56. 350.17–352.2. Wiewol ... mag. ] Diese Ver-

änderung wurde erst 1546 abgeschlossen, s.o. 133,18.

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A2

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Historia des lidendes vnde der Vpstandinge vnses Heren Jesu Christi vth den veer Euangelisten dorch Johannem Bugenhagen Pomern vppet nye vlitigen tosamende gebracht Wittemberch M.D.XXXI | Voe rrede

A2

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Ick, Johann. Bugenhagen Pomer, bekenne apenbar, dat vnser kercken Presbiter edder Prester Johann Mantellus desse Concordantien des lydendes vnde der vpstandinge vnses Heren Jhesu Christi vth den veer Euangelisten, de wy tho latine na vnsem vorstande thosamende gebracht hadden, hefft vp due desch in vorgangen tiden mit vnsem willen vnde vnderwilen ock mit vnser hue lpe laten vthghan – dat nemandt daranne twiuele, yfft ock myn name recht hyr angedrue cket sy. De wile ick oe uerst beuinde, dat solck due desch in etliken oe rden valsch gedrue cket ys, hebbe ick my sue luest thom andern mal hyr auer gemaket vnde gebetert, wat vnrecht was. Ock dartho gedan de Concordantien der historien am Palm Sondage vnde darna des Mandages vnde Dinßdages geschee n, ock sue s an etliken oe rden gemeret vnde vorwandelt. Dem wat feilt, de holde dyth due desche jegen vnse Latinsche, hefft he denn noch nicht genoch, so make he ydt sue luest beter –

4. Johannem ... Pomern ] U,V: D. Johan. Bugenhagen Pamern. – w: D. Johannem Bugenhagen Pomern. 6. Wittemberch M.D.XXXI ] U,V: Ock de Vorstoe ringe Jerusalem vnde der Joe den vp dat koe rteste begrepen. M.D.xlvj [Jahresangabe fehlt U]. – w: Tho Rostock by Ludowich Dyetz gedruckt. M.D.xlvj. 8. Ick ] S: ICK 9. Johann Mantellus ] s.o. 88, Anm. 56.

Zu Johann Mantel

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Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

ynn der lateinischen concordantie auch gedencke, etwas zu verandern nach der meinung, wie man hie lesen mag.|

Johann Bugenhagen Pomer dem Leser Mit vleis haben wir die geschicht des leidens vnd verklerung vnsers Herrn Jhesu Christi aus den vier Euangelisten zuhauffe gebracht vnd schier etwas alzu vleissig, doch nicht on vrsach. Denn etliche meinen, der Historien sey ein abbruch geschehen, so sie von den worten etwas ausgelassen sehen, welcher schwacheit wir hiemit gerne dienen, bitten aber die andern, das sie solchs vns zum besten wenden. Es ist keine ferlickeit, so etwas ynn worten vberflue ssig ist. Denn es ist viel leichter, die vberflue ssige wort (die einer also fur vberflue ssig moe chte achten) hinwegk zu nemen denn hinzu legen, das von der historien were ausgelassen. Wir sind vns des gar wol bewust, das wir hie nichts aus mancherley historien (wie es zu zeitten scheinet) haben zu hauff vereiniget vnd seiner ordnung gegeben, zu deme vns der anhang der historien nicht oe ffentlich gezwungen hat. Das wir viel anders bisher von etlichen gesehen haben – auch so boe slich, das yhre vereinigung odder concordantie, wie sie es nennen, oe ffentlich von der selben Euangelisten historien zwispeldig laute. So yemand diese besser zu hauff bringen wolt, lassen wir nach. Wir haben der zuhauff versue nten historien vberal vrsach angezeiget, auff das du nicht argwenest, gleich ob etwas freuelich von vns angefangen sey.|

[A2b ]

5

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15

Vrsachen des tods Christi

A3

Das Christus gestorben ist, sind zwo vrsachen – Eine bey Gott, dem Vater, die ander bey den Jue den. Bey Gott, dem Vater, ist die barmhertzigkeit vnd warheit. Diese ist verheischen, yhene lauter vmb sonst dargeben. Bey den Jue den ist yhre erschreckliche blindheit, welche sich ergert an Christo vnd anleufft am stein des anstossens vnd am fels des ergernis.

25

3–19. Johann ... sey. ] g: Die Vorrede von Stephan Roth, s.o. 120,2–18. 4. Mit ] H: MIT. 4. vleis ] F: vbermessigen fleys. 5–6. vnd schier ... vrsach ] fehlt F. 8. bitten aber ] F: bittend. 8. vns ] fehlt F. 10. moe chte achten ] F: erkennet. 16. selben ] fehlt I1 –J2 ,L1–3 . 17. laute ] I1 –J2 ,L1 –M: ist. 18. zuhauff versue nten ] korr. aus zuhauffuersue nten. 19. gleich ob ] fehlt F. 19. angefangen sey ] F: angefangen. – I1 –J2 ,L1 –M: furgenomen sey. 21. Das ] H: DAs. 20–22. Vrsachen ... Jue den. ] k: Das Leiden vnd Aufferstehung vn- /sers Herrn Jhesu Christi, vnd /erstlich, was seines Leidens /vrsach gewest sey /Das Jhesus Christus, Gottes Sohn, /Aus seines lieben Vatern thron /Daher jnn diese welt ist komn /Vnd erstlich an sich hat genomen /Vnser fleisch, hat wollen werden /Ein mensch alhie auff dieser erdn, /Hat sich vns allen gleich gemacht, /Das hat er fur kein raub geacht, /Gott gleich sein jnn Goe ttlicher gstalt, /Sondern eussert sichs selbs gar bald, /Eins knechts gstalt wold nemen an sich, /Ward erfunden gantz sichtiglich /Wie ander menschen mit geberden, /Ernidrigt sich selbs hie auff erdn /Vnd war gehorsam bis zum todt, /Ja, zum tode durchs Creutzes not, /Welcher tod erlidden ist /Von vnserm Herrn Jhesu Christ /Vnser aller halben alhie – /Warumb? Vnd wer wolt wissen wie? /Zwen vrsach des gewesen sein, /Bey Gott dem Vater war die ein, /Die ander bey den Jue den war, /Wie die Schrifft solchs meldet klar. 25. ergernis. ] N–R: ergernis. Aber diese vrsache were nichts gewest, so die erste nicht were gewest. 9. ferlickeit ] Gefahr. 14. anhang ] Zusammenhang. 23. lauter vmb sonst ] ganz ohne Grund.

23–25. Bey ... ergernis. ] Vgl. Jes 6,10; Joh 12,39 f – Jes 8,14; 1Petr 2,8.

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Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

353

Wo wol ick in der latinschen Concordantien ock dencke, wat tho vorwandelende na der meninge, alse me hyr lesen mach.| [A2b ]

Johann Bugenhagen Pomer dem leser

20

Mit vlite hebbe wy de geschicht des lydendes vnde der vorklarunge vnses Heren Jhesu Christi vth den vee r Euangelisten to hope gebracht, vnde schyr altho vlitigen, doch nicht ane orsake. Wente etlicke menen, der Historien sy ein affbroe ke geschee n, wenn se van den woe rden wat vthgelaten seen, welckerer schwackheit wy hyr gerne mede denen – bidden oe uerst de andern, dat se vns solckes thom besten keren. Ydt ys nee ne varlicheit, so ynn den woe rden wat auerfloe dich ys. Wente ydt ys vee l lichter, de auerfloe digen woe rde (de ein so vor auerfloe dige woe rde moe chte reken) wech tho nemendt, denn dartho don, [dat] van der Historien were vthgelaten. Wy syn vns des oe uerst gantz wol bewust, dat wy hyr nichtes vth mannigerleye Historien (alse ydt vnderwilen schynet) hebben to hope voreniget vnde syner ordeninge gegeuen, dar vns de anhanck edder ordeninge der Historien nicht apenbar tho gedwungen hefft – Welcker wy sue s lange vee l anders van etliken geseen hebben, ock so boe ßliken, dat ere voreninge edder concordantie, alse se se heten, apenbar wedder der sue luigen Euangelisten historien ys. So yemant were, de se beter tho hope bringen wolde, dat late wy wol geschee n. Wy hebben der vorenigeden historien orsake allenthaluen angetekent, vp dat du nicht denckest, wy hebben hyrynne wreuelich edder ane orsake wat angeuangen.|

A3

Orsake des dodes Christi

5

10

15

25

Dat Christus gestoruen is, des synt twe orsake: De eine by Gade, dem Vader, de ander by den Joe den. By Gade, dem Vader, is de barmherticheit vnde warheit. Desse ys thogesecht, yenne lutter vmme sue s gegeuen. By den Joe den ys ere screcklike blindtheit, de sick ergert an Christo vnde anlopt am stene des anstoe tendes vnde am velse der ergernisse.

3. Johann ... Pomer ] U,V: D. Johan. Bugenhagen Pamer. 3–20. Johann ... angeuangen. ] t: Die Vorrede von Stephan Roth in der niederdeutschen Fassung der Winterpostille, s.o. 120,2– 8. 4. Mit ] S: MIt 11. [dat] ] korr. nach U,V. 22. Dat ] S: DAt 23. vnde warheit ] fehlt U. 1–2. Wo ... mach. ] Die Veränderung wurde erst 1546 abgeschlossen; s. 133,18.

24–26. By ... ergernisse. ] Vgl. Jes 6,10; Joh 12,39 f – Jes 8,14; 1Petr 2,8.

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Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

Von der blindheit der Jue den

Joan. 7

Die Jue den, nach der weissagung des Propheten Esaie verblendet, haben bis zum tode verfolget yhren Messiam, vnsern Herrn Jhesum Christum, den Son Gottes, der mensch war worden, welchen sie so lange aus der Propheten verkue ndigung zukue nfftig hatten gewartet. Vnd das geschach darue mb, das sie an | yhm nichts sahen denn eine gestalt, welche der vernunfft vnd dem fleische war verechtlich vnd toe rlich, vnd das sie von yhm nichts hoe rten denn das yhenige, das da verdampt alle fleischliche weisheit, menschliche gerechtickeit, gewalt vnd alles, das menschliche kreffte vermue gen zur seligkeit. Sie beweget nicht zur gue ttickeit vnd barmhertzickeit seine wunderbarliche lere, von welcher auch zeugten die diener der gottlosen vnd sagten: L Es hat nie kein mensch also geredt wie dieser mensch.L Desgleichen auch nicht die werck odder wunderzeichen, fur welchen sich auch die welt entsatzte. Denn er macht gesund die blinden, lahmen, tauben, aussetzigen, gichtbrue chtigen vnd die vom Teuffel besessen waren; die todten weckt er auch auff. 1. Von ... Jue den ] fehlt F. 352.22–354.5. Bey Gott ... gewartet. ] k: Gott des Vaters barmhertzigkeit /Vnd seine ewige warheit, /Dis war bey Gott die erst vrsach, /Vnd die erschreckliche blindheit auch /Der Jue den, welch die ander war. /Von der ersten schreibt die Schrifft zwar [wahrlich], /Wie Gott erzue rnet nach dem fall /Adams, welcher vber vns all /Gangen ist vnd auff vns kommen /Gottes zorn, der vberhand gnomn /Vber das gantz menschlich geschlecht, /Da war niemadt, der vns draus brecht, /Der vns daruon erledign kundt, /Welchs alles verdient Adams sund, /Daraus folgte der ewig todt, /Dieselbig grosse schwere nodt /Der schweren pein vnd marter gros, /Jammerte Gott vber die mas, /Gedacht dem menschen zhelffen widder, /Sandt seinen Son von himel nidder, /Welcher stillet des Vaters zorn, /Halff dem menschen, der da war verlorn. /Gar heimlich fue rt er sein gewalt, /Gieng jnn des menschen armen gstalt, /Damit er den Teuffel thet fangen, /Solchs thet er mit hertzlichm verlangn, /Gantz willig vnd gehorsamlich, /Bis das er auch lies toe dten sich /Wol fur das gantz menschlich geschlecht, /Damit, was verlorn, widder brecht /Als der recht ware Messias. /Solchs alles barmhertzigkeit was /Aus lauter gnad vnd gunst furwar, /Vnd dis ja niemand leugnen that. /Aber menschlich witze [Verstand] vnd sinn /Kund solchs nicht fassn noch folgn hierin, /Vernunfft der Jue den war zu gros, /Dardurch kam blindheit ane mas, /Darmit sie wue rden geschlagen, /Das sie mit nicht kundten sagen, /Nach heutigs tags nicht bekennen, /Das der, den man Christ thut nennen, /Den sie ans Creutz schlagen thetten, /Fur jrn Messiam soldn anbetten. /Ire blindheit war ja so gros, /Sie lieffn an den stein des anstos /Vnd an fels des ergernis, /An Christo, dem Sohne Gottis. /Die warheit muste ja bleiben /Nach Esaie des Propheten schreiben, /Nach seiner weissagung hel vnd klar /Er sold geopffert werden dar /Fur der gantzen werlet [Welt] sunde, /Welch sunst niemand tilgen kue nde. 6–7. vnd toe rlich ] fehlt N–R. 8. gewalt ] fehlt N–R. 9. zur seligkeit ] fehlt F. – Vnd das geschach ... seligkeit.] k: Solcher blindheit der Jue den schar /Moe cht sich einer verwundern zwar [wahrlich], /Wies doch mag zugegangen sein, /Des wirstu vnderrichtet fein. /Sie sagen [sahen] an jm nur gstalt, /Die der vernunfft entgegen walt, /Sonst sahen sie an jm nichts mehr, /Vnd das war jn verechtlich sehr, /Ja, auch toe rlich [töricht], dieweil es war /Dem fleisch entgegen gantz vnd gar, /Menschliche gebrechligkeit, /Der gleichen fleischliche weisheit, /Die wird nur verdampt durch jn, /Dasselb wold jn gar nicht jnn sinn. 10. zur ... barmhertzickeit ] I1 –J2 ,L1 –R: zum glauben. 11. Marg.: Joan. 7 ] fehlt L1–3 . 14. lahmen ] fehlt R. 1. Von ... Jue den ] Zu diesem Motiv vgl. Anm. zu 138,7–8. 2. nach ... verblendet ] Vgl. Jes 6,10. 6–7. eine ... toe rlich ] Vgl. Jes 52,14.

7. toe rlich ] töricht. 7–9. das yhenige ... seligkeit ] 1,18–31, bes. 30. 12. mensch.L ] Joh 7,46.

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Vgl. 1Kor

[A3b ]

10

15

Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

355

Van der blindtheit der Joe den

5

[A3b ] 10

15

De Joe den – na der wissegginge des Propheten Esaie vorblendet – hebben eren Messiam, vnsen Heren Jhesum Christum, den soe ne Gades, de minsche geworden was, wente thom dode voruolget, welckeren se so lange vth der Propheten vorkue ndinge tokue mpstich vorwachtet hadden. Vnde dat schach darue mme, dat se an em nichtes anders segen denn eine gestalt, de der vornufft vnde dem flesche vorachtlick vnde doe rlick was vnde dat se van em nichtes anders hoe rden denn dat yenne, dat alle fleschlike wyßheit, minschlike gerechtich-|eit, gewalt vnde allent, wat minschlike kreffte thor salicheit vormoe gen, vordoe met. Se worden nicht bewagen thor gue dicheit vnde barmherticheit dorch syne e wunderbarliken lere, van welckerer ock de deners der godtlosen tue chenisse geuen vnde seden: B Dar hefft nue werle nee n minsche so geredet alse desse minsche.B Des geliken ock nicht dorch de wercke edder wunderteken, vor welckeren sick ock de werlt entsettede. Wente he makede gesunt de blinden, lamen, douen, vthsettischen, gichtseken vnde de vam Due uel beseten weren, dartho weckede he ock doden vp.

2. hebben ] U,V: hebben wente thom dode voruolget. 8. gewalt ] fehlt V. 9. vordoe met ] fehlt V. 1. Van ... Joe den ] Zu diesem Motiv vgl. Anm. zu 138,7–8. 2. na ... vorblendet ] Vgl. Jes 6,10. 6–7. eine ... was ] Vgl. Jes 52,14.

7–9. dat yenne ... vordoe met ] 1,18–31, bes. 30. 12. minsche.B ] Joh 7,46.

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Vgl. 1Kor

Johan. vij

356

Luce 11

Luce 4

Johan. 8 vnd 10

Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

Alle diese werck bewegten sie gar nichts, ia durfften wol solche werck zuschreiben dem teuffel Belzebub – weren sie auch noch so klar vnd goe ttlich gewesen, wiewol sie solchs thatten widder Gott vnd yhr gewissen. Vnd das geschach von yhnen derhalben, das nicht glaubwirdig geachtet wurde seine lere vnd sein Euangelion, vmb welcher willen die mirakel geschahen. Zuweilen lesterten sie auch die selben werck,| das sie am Sabbath geschahen, gleich als geschoe hen sie widder Gottes gepot, vnd gaben dem andern gemeinen volcke zu verstehen damit, das man sie derhalben ynn keinem wege fur Gottes werck halten solte. Vber das wurd er auch zuweilen von yhn gescholten vnd vermaledeiet, so er doch alzeit das beste furwante vnd vmb sie verdienet hatte alles gutes. Sie versuchten auch vielmals, ob sie yhn fahen moe chten ynn seiner rede, wiewol er doch die weisheit ist des vaters. Auch furten sie yhn etwan auff ein hue gel des berges, das sie yhn hinab moe chten stue rtzen, so er doch die gantze welt ynn seiner hand hat. Mehr denn ein mal haben sie yhn woe llen steinigen, das er sich Gott gleich einen son Gottes machet, welchs doch die werck heller denn die Sonne zeugten, aber yhre blindheit hindert sie, das sie solchs nicht erkanten. Entlich, gleich wie Saul that, stelleten die gotlosen schrifftgelerten vnd gleißner dahin alle yhr vleissig streben, das nicht dieser Dauid Christus – von Gott fur seinen mitgenossen gesalbet – regiret, sondern das er, welcher das leben ist, mochte sterben.

5. welcher ] I1 –J2 ,L1 –R: welches. 10. vermaledeiet ] N–R: verfluchet. 354.10–356.11. Sie beweget ... gutes. ] k: Zum glauben beweget sie nicht /Sein wunderwarlich lehr vnd geschicht, /Seine werck vnd wunderthatten /Bey jn gar kein ansehen hatten. /Sie schriebn offt solchs vnd anders mehr /Dem Teuffel Beelzebub zu viel ehr /Denn Gott, jrem einigen Herrn, /Dardurch thet sich jr vnglaub mehrn, /Auch jr blindheit von tag zu tag, /Sie lestertn zu weil, wie ich sag, /Die werck, die do gschachn am Sabbath, /Als gschen sie widder Gottes gebot. 12– 15. Sie ... hat. ] k: Auch vielmals sie jn versuchten, /Ob sie jn irgent fahen [fangen] moe chtn /Inn seiner red. Auch haben sie jn /Gfue rtt etwan [einmal] auff ein hue gel hin, /Auff eins berges hue gel, auff das /(Wie jr sinn vnd gemue tte was) /Das sie jn moe chten stue rtzn hienab, /Aber Gott jn solchs nicht zugab. 13. Marg.: Luce 4 ] L3 : Luce 14. – N–R: Luce 8. 16–21. Mehr ... sterben. ] k: Mehr denn einmal haben sie jn /Zu steinigen gehabt im sinn, /Darumb das er sich machet gleich, /Gleich wie Gott im himmelreich. /Das er sich macht zu Gottes Son, /Wold jn dergleichen nicht einghan, /Welches doch sein werck all /Zeugten hell vnd klar allzumal, /Ja, heller denn die Sonne nie. /Aber jr blindheit hindert sie, /Das sie solchs nicht erkennen kunden, /Besondern mit fleis begunden, /Zu streben gleich eben dahin, /Das war jr hertz, jr mut vnd sinn, /Das nicht dieser Dauid Christus, /Von Gott fur seinen mitgenosn /Gesalbt, solt regieren vnd erben, /Sondern er solt vnd muste sterbn. 1–2. ia ... Belzebub ] Vgl. Mt 12,24; Mk 3,22; Lk 11,15. 6–7. Zuweilen ... gepot ] Vgl. Mt 12,1–8.9– 14; Mk 2,23–28; 3,1–6; Lk 6,1–5.6–11; 13,10– 17; 14,1–6; Joh 5,1–18. 12. ob ... rede ] Vgl. Mt 22,15 parr.

12. fahen ] fangen. 13. etwan ] einmal. 13–14. auff ... stue rtzen ] Vgl. Lk 4,29. 16. Mehr ... steinigen ] Vgl. Joh 8,59; 10,31. 18–21. gleich ... regiret ] Vgl. 1Sam 18,5–16.

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5

A4

10

15

20

Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

5

10

A4

15

20

357

Alle desse wercke bewoe gen se gar nichtes, ia, se doe rsten noch wol solcke wercke dem due uel Belzebub thoscriuen, wenn se ock noch so klar vnde goe dtlick gewest weren, wo wol se solckes deden wedder Godt vnde ere egen conscientien. Vnde dat schach van en darumme, vp dat syne lere vnde syn Euangelion nicht loe ffwerdich geholden vnde geachtet worde, vmme welckeres willen de mirakel schegen. Vnderwilen lasterden se ock de sue luen wercke, darumme dat se am Sabbath schegen, gerade alse schegen se wedder Gades both, vnde geuen dem gemenen volcke darmede tho vorstande, dat me se derhaluen nee nerleye wyss vor Gades wercke holden scholde. Ock wart he vnderwilen van en gescholden vnde vormaledyet, so he en doch alle tidt dat alder beste dede vnde sick gantz wol vmme se vordenede.| Se vorsoe chten ock vaken, dat se en vangen moe chten in syner rede, wo wol he doch de wyßheit des Vaders ys. Ock voe rden se en ein mal vp eine hoe ge des berges, dat se en moe chten henaff stoe rten, so he doch de gantze werlt in syner handt hefft. Mee r denn ein mal hebben se en willen stenen, dat he sick Gade gelick tho einem soe ne Gades makede, welcker doch de wercke klarer denn de Sue nne betue geden – wenn se men ere blintheit nicht vorhindert hedde, dat se solckes hedden koe nnen erkennen. Entliken, gelick alse Saul dede, richteden de godtlosen vnde scrifftgelerden vnde Phariseyen alle eren vlyth dar hen, dat desse Dauid Christus – van Gade vor synen medegenaten gesaluet – nicht regerde, sue nder dat he, de doch dat lee uent ys, vmmequeme vnde steruen moe chte.

9. Ock ... vnderwilen ] U,V: Auer dar wart he ock vnderwilen. 10–11. dede ... vordenede ] U,V: voe rwendede vnde vmme se vordenet hadde alle dat gude. 1–2. ia ... Belzebub ] Vgl. Mt 12,24; Mk 3,22; 12. dat ... rede ] Vgl. Mt 22,15 parr. Lk 11,15. 13–14. vp ... stoe rten ] Vgl. Lk 4,29. 6–7. Vnderwilen ... Gades both ] Vgl. Mt 12,1– 15. Meer ... stenen ] Vgl. Joh 8,59; 10,31. 8.9–14; Mk 2,23–28; 3,1–6; Lk 6,1–5.6–11; 19–21. gelick ... regerde ] Vgl. 1Sam 18,5– 13,10–17; 14,1–6; Joh 5,1–18. 16.

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Luce xj

Luce iiij

Joh. viij vnde x

358 Roma. 11

Mat. 23

Mat. 21 Mar. 11 Joan. 2

Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

Gott der allmechtige aber, nach seinem wunderlichem radte, verkerthe yhre anschlege vnd machte, das yhre blindheit, ynn wel-|cher sie Christum verfolgeten vnd vermeinten, yhn auszutilgen, hat vnser seligkeit gewirckt. Yhr fall vnd yhre blindheit sol vns eine witze sein vnd warnung, das wir nicht dermassen wie sie ynn vnserm hertzen verblendet werden, so wir verachten das Gottselige Euangelion, welchs auch vns itzt, Gott lob, reichlich von Gott gesandt ist. Christus aber, auff das er nichts seines ampts nach liesse, die weil er komen war zu seligen die sue nder, so er nu geprediget hatte das Euangelion, fieng an, oe ffentlich zu straffen das gottlose wesen, vnd gab an den tag die tue cke vnd die liste, mit welchen der Jue den geistlichen – welche da sind die Bisschoe ffe, Pfaffen, Phariseern, Schrifftgelerten vnd Tempelknechte – zu yhrem geitz vnd yhrer tyranney trachten vnd betrugen das volck. Vnd vber das, die weil sie verstockt waren, hat er sie offtmals erschrecklich bedrawet vnd verurteilt zum ewigen weh. Auch mehr denn ein mal aus grossem eiffer hat er sie mit geisseln aus dem tempel getrieben derhalben, das sie den selben verunehreten mit yhrer kremerey. Er verkue ndiget yhn auch die straff, welche vber sie vnd yhre landt kommen solt von wegen des gotlosen wesens, das ist des vn-|glaubens yhrer oe bersten – nicht das er damit sie wolt zuschanden bringen, sondern das sie doch durch das entdecken yhrer bue berey moe chten vmbkeren vnd puss thun; Odder auff das doch hieraus die andern wue rden gewitzigt vnd vermanet, das sie nicht auch etwan durch der oe bersten yrthumb betrogen moe chten vntergehen vnd verterben. Denn das ist die einige vrsach, warue mb das Euangelion entdecket vnd offenbar macht die tue cke vnd list der gotlosen hirten vnd schrifftgelerten. Wie es aber ergangen sey vnd was widderfaren sey diesem geschlechte der Jue den nach der verklerung Christi, ist schrecklich zu erzelen. Die historia Josephi beschreibet solchs. Die bey vnsern gezeiten das Euangelion der herlickeit des gros1–6. Roma. ... ist. ] k: Vnd da nu solchs beschlossen war /Von der Schrifftgelerten schar, /Von den gleissnern auch darnach, /Das er must leiden hon vnd schmach, /Da sie meinten, sie hettens gwis, /Alda jr anschleg zu nicht lies, /Gott lies sie werden zu nicht all /Vnd verkeret sie allzumall. /Ir blindheit, jnn welcher sie Christum /Vermeinten gantz zu bringen vmb /Vnd zu vertilgn, dieselb blindheit /Hat vns bracht vnser seligkeit. 7–12. Mat. ... volck. ] k: Christus, traun [ja doch], hat seins Vaters ampt /Vmb jrent willen nicht versaumpt, /Wolts nicht nachlassen, nein, er zwar [wahrlich] /Sonderlich dweil er drumb komn war /Zu seligen die sunder all, /Drumb so er nu zum offtermal /Gepredigt das Euangelion, /Da fieng er auch zu straffen [schelten] an /Das Gottlos wesen offentlich /Vnd gabs an tag gantz sichtiglich, /Wie es jr geistlich leut trieben /(Die Euangelistn habns beschrieben), /Strafft jre tuck vnd list on schew, /Iren geitz vnd auch Tyranney. 7. Christus ... liesse ] F: Das Christus aber allenthalben sie versue chte. 10–11. Pfaffen ... Schrifftgelerten ] F: Schrifftgelerten, gleyßner. 11. zu yhrem ... trachten ] F: yhren geytz vnd yhre tyranney sterckten. 22. betrogen ] F: betrogen, gleychermas wie die Juden. 22–23. Denn das ist ] F: Das ist auch. 26. verklerung ] F: verklerung vnd hymmelfart. 27. Euangelion der herlickeit ] F: herliche Euangelion. 1–3. Gott ... gewirckt. ] Vgl. Röm 11,8–12. 4. eine witze ] eine Lehre. 7–12. Christus ... volck. ] Vgl. Mt 23,1–33. 9. straffen ] schelten. 14. bedrawet ] bedroht.

14–16. Auch ... kremerey. ] Vgl. Mt 21,12; Mk 11,15–17; Lk 19,45 f; Joh 2,14–17. 17–18. Er ... solt ] Vgl. Lk 19,41–44. 21. etwan ] vielleicht. 26. verklerung ] Erhöhung. 26–27. Die ... solchs. ] Vgl. Verstoe rung der Stadt Jerusalem, 588,1–604,13.

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[A4b ]

5

10

15

A5 20

25

Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

5

[A4b ] 10

15

20

25

A5

359

Ouerst Godt de almechtige, na synem wue nderliken rade, kerde ere anslege vmme vnde makede, dat ere blintheit, in welckerer se Christum voruolgeden vnde meneden en tho vordelgende, vnse salicheit gewercket hefft. Er vall vnde ere blintheit schal vns eine warninge syn, dat wy nicht gelick alse se in vnsem herten vorblendet werden, so wy vorachten dat heilsame Euangelion, welcker vns nu ock, Godt hebbe loff, ryckliken van Gade gesent ys. Christus oe uerst, vp dat he nichtes synes amptes nalete, de wile dat he gekamen was, de | sue nders salich tho makende, do he nu geprediget hadde dat Euangelion, hoe ff he an, apenbar tho straffende dat Godtlose wesent, vnde broe chte an den dach de bedregerye vnde boe uerye, mit welckerer der Joe den geistliken – welck dar synt de Bischoe ppe, Papen, Phariseyen, Scrifftgelerden vnde Tempel knechte – vmmegingen, ere giricheit vnde tyrannye darmede tho sterckende vnde bedroe gen also dat volck. Vnde dar enbauen, de wile dat se vorstocket weren, hefft he se vaken screckliken bedrouwet vnde vorordelt thom ewigen wee. Ock mee r denn eyn mal vth grotem yuer hefft he se mit geiseln vth dem tempel gedreuen, darumme dat se den sue luen vorvneereden mit erer kremerye. He vorkue ndiget en ock de straffe, de auer se vnde er landt kamen scholde van wegen des godtlosen wesendes, dat ys des vnlouen erer oe uersten – nicht dat he se darmede wolde tho schanden maken, sue nder dat se dorch dat entdeckent erer boe uerye sick moe chten bekeren vnde bote don. Edder vp dat doch de andern daruth vormanet worden, dat se nicht ock, wor dorch der oe uersten erdoe m bedragen, moe chten vnderghan vnde vorderuen. Wente dat ys de enige orsake, worumme dat Euangelion de boe uerye vnde bedregerye der godtlosen herden vnde scrifftgelerden entdecket vnde apenbart. Wo ydt oe uerst thogeghan sy vnde wat dessem geslechte der Joe den wedderuaren sy na der vorklaringe Christi, dat ys screcklick tho vortellende.| De Historia Josephi bescrifft solckes. De tho vnsen tiden dat Euangelion der herlicheit des

1–3. Godt ... hefft ] Vgl. Röm 11,8–12. 7–13. Christus ... volck. ] Vgl. Mt 23,1–33. 15–17. Ock ... kremerye. ] Vgl. Mt 21,12; Mk 11,15–17; Lk 19,45 f; Joh 2,14–17.

18. He ... scholde ] Vgl. Lk 19,41–44. 27–28. De ... solckes. ] Vgl. unten 589,1– 605,14.

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Roma. xj

Matth. xxiij

Mat. xxj Mar. xj Johan. ij

360

Matt. 21 Mat. 22

Mat. 16 vnd 20

Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

sen Gottes verfolgen, sollen dermassen auch Gottes gerichte warten sein vnd nicht verhoffen, das Gott sie linder werde richten denn ihene. Auff das wir weiter von der sachen, so itzt angefangen, reden vnd darynn fort faren: Lieber, sage mir doch, was vnwissenheit odder was fur ein schein der gerechtickeit woe llen die Jue den furwenden, welche auch offtmals mit eigener rede sich selbst haben gestrafft, so sie von Christo gefraget wurden? Vber das hoe ren sie auch offt, das Chri-|stus erkenne die heimlickeit yhres hertzen, welchs nicht ein tunckel anzeigen ist seiner Gotheit. Er verkue ndiget yhn auch zuuor oe ffentlich, das er von yhn solt getoe dtet werden, gleich wie von yhren vetern die Propheten sind getoe det. Solchs wolt er auch offenbaren seinen Jue ngern, da er nicht ein mal zu yhn sagte: L Sihe, wir ziehen hinauff gen Jerusalem, vnd des menschen Son wird den hohen priestern vnd schrifftgelerten vberantwort werdenL etc. Vnd darue mb offenbart er yhnen solch sein leiden zukue nfftig vber yhn, das sie zur zeit des leidens nicht wehnen solten, yhm widderfue re etwas vnuersehens ynn seiner bittern marter, welchs er zuuor nicht hatte gewust. Solchs alles aber hat die Jue den gar nichts bewegt. Denn wie mags sein, das ein widersacher solt gutwillig annemen eine ernste straffe, welcher auch verachtet eine freuntliche vermanung? Derhalben, da nu das Euangelion Christi, durch Gottes oe ffentliche mirakel bestetiget, anfieng zu leuchten vnd kue ndig werden ynn der welt (wie auch zu vnsern gezeitten), fiengen an, finster zu werden die hertzen der gotlosen – vnd dasselb nach gewonheit der bloe den augen gegen der hellen sonne. Denn yhe | heller das liecht des Euangelij ynn der welt leuchtet, yhe mehr sie verblendet wurden.

1. grossen ] F: seligen. 1. warten ] F: wartende. 1. sein ] fehlt N. 358.13–360.6. Vnd vber ... wurden. ] k: Ja, vber das, weil jr hertz ward /Vberaus verstocket so hart, /Hat er sie offtmals bedrewet [bedroht], /Welchs doch jr keiner nie schewet, /Vnd zun ewigen noch verurteilt auch, /Sie fragten aber nichts darnach. /Vnd mehr denn einmal, ja viel mehr /Hat er sie aus grossem eiuer /Mit geisseln aus dem tempel gtriebn, /Doch sein allzeit geblieben /Verstockt, verkart jnn jrem sinn, /Das halff auch nichts, ob er gleich jn /Verkue ndigt jre straff so gros /Von wegn jrs wesens, welchs Gottlos. 7–10. Mat. 22 ... getoe det? ] k: Zum allerletzten het sie doch /Sonderlich sollen brengen noch /Zu erkentnis vnd bus mit schmertzen, /Weil sie horten, das er jrs hertzn, /Jres hertzen heimligkeit kund /Erkennen stets zu aller stund, /Welchs seiner Gottheit ein anzeign zwar [in der Tat] /Vorwar nicht das tunckelste war. /Darzu verkue ndiget er jn, /Wie sie jn wue rden toe dten hin, /Gleich wie jr veter hetten gethan, /Die die Propheten getoe dt han, /So wue rden sie jm auch mitfarn, /Es must so gschen, wue rdens jm nicht sparn. 12. Marg.: Mat. 16 vnd 20 ] fehlt L3 . 14. yhnen ] M,O–R: yhnen auch. 23. gegen ... sonne ] fehlt F. 25. wurden ] N–R: werden. 2. linder ] milder. 4. Lieber ] mit Verlaub. 5–6. welche ... wurden ] Vgl. Mt 21,24–27. 7–8. das ... hertzen ] Vgl. Mt 9,4; Mk 2,8; Lk 5,22; Mt 22,18; Mk 12,15; Lk 20,23. 8–10. Er ... getoe det. ] Vgl. Mt 16,21; Mk 8,31; Lk 9,22; Mt 17,22 f; Mk 9,31; Lk 9,44;

Mt 20,18 f; Mk 10,33 f; Lk 18,31–33; Mt 23,31; Lk 11,47. 13. werdenL ] Mt 20,18; vgl. Mt 16,21. 15. vnuersehens ] unerwartet. 23. der bloe den augen ] der schwachen Augen.

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5

[A5b ]

10

15

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[A6] 25

Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

5

10

15

[A5b ]

361

groten Gades voruolgen, schollen der mathe ock Gades gerichte vorwachten vnde nicht dencken noch hapen, dat se Godt gnediger richten vnde straffen werdt denn yenne. Vnde vp dat wy wider van der sake reden: Leuer, segge my doch, wat vor eine vnwetenheit edder wat vor einen schyn der gerechticheit willen de Joe den voe rwenden, de sick doch vaken mit erer egen rede sue luest hebben gestraffet, wenn Mat. xxj se van Christo gefraget worden? Dartho hoe rden se ock vaken, dat Christus erkende de hemelicheit eres herten, Mat. xxij welcker ein klar bewiss was syner Godtheit. He vorkue ndigede em ock thouoe rn apenbar, dat he van en scholde gedoe det werden, gelick alse van eren Vedern de Propheten gedoe det weren. Welcker he ock synen Jue ngern nicht wolde vorborgen syn laten, alse he nicht ein mal tho en sede: B See th, wy thee n henup na Jeru- Mat. xvj salem, vnde des minschen Soe ne wert den hogen Prestern vnde schrifftgelerden vnde xx auerantwerdeth werdenB etc. Vnde dat darumme, vp dat se tho der tidt des lydendes nicht menen scholden, gerade alse wedderuoe re em wat vnuorseendes in syner bittern marter, dat he thouoe rn nicht geweten hedde. Solckes alle oe uerst hefft de Joe den gar nichtes bewagen. Wente wo ysset moe gelick, dat ein weddersaker eine ernstlike straffe scholde vor gudt annemen, de ock vorachtet eine frue ntlike vormaninge?| Derhaluen, do nu dat Euangelion Christi – dorch Gades apenbare mirakel bestediget – anhoe ff, in der werlt tho lue chtende vnde kundt tho werden (gelick alse ock tho vnsen tiden), hoe uen de herten der godtlosen an, due ster tho werden, vnde dat sue lue na gewanheit der boe sen ogen yegen der hellen sue nne. Wente yo dat licht des Euangelij klarer in der werlt lue chtede, yo se mee r vorblendet worden.

4. sake reden ] U,V: sake, alse ytzundes angefangen ys, reden vnde darynne wider fort faren. 14. Vnde ... darumme ] U,V: Vnde darumme apenbarde he en soe lck syn lident auer en thokue mstich. 6–7. de ... worden ] Vgl. Mt 21,24–27. 8. dat ... herten ] Vgl. Mt 9,4; Mk 2,8; Lk 5,22; Mt 22,18; Mk 12,15; Lk 20,23. 9–11. He ... weren. ] Vgl. Mt 16,21; Mk 8,31;

Lk 9,22; Mt 17,22 f; Mk 9,31; Lk 9,44; Mt 20,18 f; Mk 10,33 f; Lk 18,31–33; Mt 23,31; Lk 11,47. 14. werdenB ] Mt 20,18; vgl. Mt 16,21.

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362 Joan. 11

Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

Nach allen diesen dingen erwecket Christus auch Lazarum, welcher vier tage ym grabe hatte gelegen, welchs ein wunderzeichen war, des gleichen zuuor nicht war gehoe rt etc. So yrgent ein ansehen solten haben die wunderwerck bey den gotlosen vnd verstockten, so solt warlich dieses sie haben erleuchtet. Aber dem blinden geschichts nach seiner gewonheit: Er sihet auch am tage nichts. Wie die Jue den aus diesem herlichen wunderzeichen sind bewegt vnd viel mehr verblendet worden widder Christum, also das sie auch sich versamleten derhalben vnd radtschlagten widder yhn, wie sie yhn moe chten vom leben zum tode bringen, Vnd wie er yhrem grymme gewichen sey vnd ist gangen gen Ephrem, das lies aus dem Eilfften Capitel Johannis, hie nach geschrieben.

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Das Eylffte Capitel Johannis vom Lazaro| L

Es lag aber einer kranck mit namen Lazarus von Bethania ynn dem flecken Maria vnd yhrer schwestern Martha. Maria aber war, die den Herrn gesalbet hatte mit salben vnd seine fue sse getrue cket mit yhrem har – der selbigen bruder Lazarus lag kranck. Da sandten seine schwestern zu yhm vnd liessen yhm sagen: Herr, sihe, den du lieb hast, der ligt kranck. Da Jhesus das hoe ret, sprach er: Die kranckheit ist nicht zum tode, sondern zur ehre Gottes, das der son Gottes dadurch geehret werde. Jhesus aber hatte Martham lieb vnd yhre schwester vnd Lazaron. Als er nu hoe ret, das er kranck war, bleib er zween tage an dem ort, da er war. Darnach spricht er zu seinen iue ngern: Lasset vns widder ynn Judea zihen. Seine e iunger sprachen zu yhm: Mei-| ster, Jenes mal wolten die Jue den dich steinigen, vnd du 1. Marg.: Joan. 11 ] fehlt I1 –J2 ,L1 –R. 5. am tage ] N–R: am hellen tage. 360.17–362.5. Solchs ... nichts. ] k: Nach war so boe s jr mut vnd sinn, /Die blindheit war zu gros bey jn. /Christus must sterben, das war ja /Drumb, da sein stund kam vnd war na /Fur seinem leidn hie auff erden, /Ehe er sold gefangen werden, /Thet er zum aller aller lestn /Vorwar, vorwar zu jrem bestn /Ein wunderzeichen also gros, /Fur hat er nichts gethan der mas: /Den todten Lazarum auffweckt, /Welcher vor vier tagn ward gelegt /Ins grab, vnd auch schon stinckend war, /Den macht er widder lebendig dar. /Vnd, traun [sollte man meinen], sold was geholffen han, /So hets furwar dis zeichn gethan, /Dasselbig zeichn fur andern all /Het sie bekert zum selben mal, /Aber jr blindheit sold bleiben, /Woln nu sehn, wies thun beschreiben /Die Euangelisten all zugleich, /Christi leiden vnd auch sein Reich, /Wie sich dasselb nach seinem tod /Nach dem er vberwunden die not /Seines leidens gantz vnd gar, /Nach dem er aufferstanden war, /Wie sich alda sein reich angfangn /Vnd wie alles sey zugangen, /Dis alles bis hieher soll sein /Christi leidens vrsach allein. /Nu hebt sich schier sein leiden an, /Wie sie jn getoe dtet han, /Was er erlieden fur seim tod, /Was fur angst, jamer, schmach vnd not. 6. viel mehr ] fehlt F. 9– 10. lies ... geschrieben. ] F: wirstu finden ym Euangelio Johannis. Es hat dis mirakel die Juden deste mehr verblendet. 11. Lazaro ] Die Wiedergabe von Joh 11 (hier: 362,11–368,8) fehlt in F. – I1 –J2 ,L1 –R: Lazaro. Mit kurtzer auslegung. 12. Es ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] Die Jue den wollen Jhesum zu Jerusalem steinigen, darumb rheiset er von dannen jenseid des Jordans, da Johannes pflegte zu teuffen, Johan. x [40]. 12. Es ] H: ES. 12. Bethania ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] Bethania bey Jerusalem, infra Jo. 12 [1], Math. 21 [17]. 13. hatte ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] anticipatio, lege Io. 12 [3]. 16. Die ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] So sagt auch Christus von (von] fehlt M) dem blindgebornen, Jo. 9 [3]. 17. dadurch ] fehlt L1–3 . 18. Martham ] R: Mariam. 19. bleib ] J1 –2 ,L–R: [Marg.] Das scheinet nicht freundlich, aber also richtet Gott aus alle seine gnaden wercke. Exempel Exodi 14. Item Exempel inn den heiligen weibern, die lange vnfruchbar sind gewesen. 19. er ] Q: er auch. 1–3. Nach ... etc. ] Vgl. Joh 11,1–45. 7–8. also ... bringen ] Vgl. Joh 11,46–53.

9. Vnd ... Ephrem ] Vgl. Joh 11,54.

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[A6b ]

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[A7]

Passionsharmonie/Leiden (niederdeutsch)

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363

Na alle dessen dingen erweckede Christus ock Lazarum van den doden, de rede veer dage ym graue gelegen hadde, welcker solck ein wunderteken was, des geliken thouoe rn nicht gehoe rt was etc. So de wunderwercke yenich ansee nt by den godtlosen vnde vorstockeden hebben scholden, so scholde se warliken dyth wunderteken vorlue chtet hebben. Ouerst dem blinden gheit ydt na syner gewanheit: He sue th ock midden am dage nichtes. Wo oe uerst de Joe den vth dessem herliken wunderteken synt bewagen vnde vee l e mer vorblendet worden wedder Christum, also dat se sick ock derhaluen vorsammelden vnde wedder en radtslageden, wo se en moe chten vam lee uende thom dode bringen, Vnde wo he erer grimmicheit geweken sy vnde geghan ys na Ephrem, dat liss vth dem Elfften Capitel Johannis, hyr na geschreuen.

Dat Elffte Capittel Johannis vam Lazaro | [A6] B Dar 15

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[A6b ]

lach oe uerst eyn kranck mit namen Lazarus van Bethania in dem bleke Marie vnde erer sue ster Marthe. Maria oe uerst was de, de den Heren gesaluet hadde mit salue vnde syne voe te gedroe get mit erem hare – der sue luen broder Lazarus lach kranck. Do senden syne sue stere tho em vnde leten em seggen: Here, sue , den du ◦ leff heffst◦ , de licht kranck. Do Jhesus dat hoe rde, sprack he: De kranckheit is nicht thom dode, sue nder thor eere Gades, dat de soe ne Gades dardorch geeret werde. Jhesus oe uerst hadde Martham leff vnde ere sue ster vnde Lazaron. Alse he nu hoe rde, dat he kranck was, bleff he twe dage an dem orde, dar he was.| Darna sprickt he tho synen Jue ngern: Latet vns wedder in Judean theen. Syne e jungern spreken tho em: Meister, Am latesten wolden dy de Joe den stenen – vnde du

351.7–363.11. Voe rrede ... geschreuen. ] fehlt w. 12. Dat ] U,V: [Marg.] De Joe den wolden Jhesum tho Jerusalem stenigen. Darumme toch he van dar vp yensydt des Jordans, dar Johannes plach tho doe pen, Johan. x [40]. 12. Lazaro ] U,V: Lazaro mit korter vthlegginge. 13. Dar ] S: DAr. 13. Bethania ] U,V: [Marg.] Bethania by Jerusalem. Infra Io. xij [1], Mat. xxj [17]. 14. hadde ] U,V: [Marg.] Anticipatio, lege Ioh. xij [3]. 17. De ] U,V: [Marg.] So sede ock Christus van dem, dede blind geboren was, Jo. ix[,3]. 20. bleff ] U,V: [Kom.] Dat schindt nicht frue ndtlick, oe uerst also richtet Godt vth alle syne gnaden wercke; Exempel Exodi xiiij. Item Exempel yn den hilligen frouwen, dede lange vnfruchtbar synt gewesen. 1–3. Na ... was ] Vgl. Joh 11,1–45. 8–10. also ... bringen ] Vgl. Joh 11,46–53.

10. Vnde ... Ephrem ] Vgl. Joh 11,54.

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Johan. xj

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Passionsharmonie/Leiden (hochdeutsch)

wilt widder dahin zihen? Jhesus antwortet: Sind nicht des tages zwelff stunde? Wer des tages wandelt, der stoe sset sich nicht, denn er sihet das liecht dieser welt. Wer aber des nachts wandelt, der stoe sset sich, denn es ist kein liecht ynn yhm. Solchs saget er, vnd darnach spricht er zu yhn: Lazaros, vnser freund, schlefft, aber ich gehe hin, das ich yn auffwecke. Da sprachen seine iue ngere: Herr, schlefft er, so wirds besser mit ym. Jhesus aber saget von seinem todte. Sie meineten aber, er redete vom leiblichen schlaff. Da sagets yn Jhesus frey heraus: Lazaros ist gestorben, vnd ich bin fro vmb ewren willen, das ich nicht da gewesen bin, auff das yr gleubet. Aber lasset vns zu ym ziehen. Da sprach Thomas, der genennet ist Zwilling, zu den iue ngern: Lasset vns mit ziehen, das wir mit ym sterben.| Da kam Jhesus vnd fand yn, das er schoe n vier tage ym grabe gelegen war. Bethania aber war nahe bey Jerusalem, bey funffzehen feld weges, vnd viel Jue den waren zu Martha vnd Maria komen, sie zu troe sten vber yren bruder. Als Martha nu hoe ret, das Jhesus koe mpt, gehet sie ym entgegen. Maria aber bleib daheime sitzen. Da sprach Martha zu Jhesu: Herr, werestu hie gewesen, mein bruder were nicht gestorben. Aber ich weis auch noch das: [W]as du bittest von Gott, das wird dir Gott geben. Jhesus spricht zu yr: Dein bruder sol aufferstehen. Martha spricht zu ym: Ich weis wol, das er aufferstehen wird ynn der aufferstehung am iue ngsten tage. Jhesus sprach zu yr: Ich bin die aufferstehung vnd das leben, wer an mich gleubet, der wird leben, ob er gleich stue rbe. Vnd wer da lebet vnd | gleubet an mich, der wird nimer mehr sterben. Gleubestu das? Sie spricht zu ym: Herr, ia ich gleube, das du bist Christus, der son Gottes, der ynn die welt komen ist. Vnd da sie das gesagt hatte, gieng sie hin vnd rieff yrer schwester Maria heimlich vnd sprach: Der meister ist da vnd ruffet dir. Die selbige, als sie das hoe ret, stund sie eilend auff vnd kam zu ym, denn Jhesus war noch nicht ynn den flecken komen, sondern war noch an dem ort, da ym Martha war entgegen komen. Die Jue den, die bey yr ym hause waren vnd troe sten sie, da sie sahen Mariam, da sie eilend auff stund vnd hinaus gieng, folgeten sie yr nach vnd sprachen: Sie gehet hin zum grabe, das sie da selbs weine. Als nu Maria kam, da Jhesus war, vnd sahe yn, fiel sie zu seinen fue ssen vnd | sprach zu ym: Herr, werestu hie gewesen, mein bruder wer nicht gestorben. Als Jhesus sie sahe weinen vnd die Jue den auch weinen, die mit yr kamen, ergrimmet er ym geist l vnd entsetzt sich bey ym selbsl vnd sprach: Wo habt yr yn hingelegt? Sie sprachen 1. Jhesus antwortet ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] Gott hat all vnser zeit inn seiner hand, Psal. 31 [16]. Demnach redet Christus mit einer gleichnis vom geistlichen tag vnd nacht. Im tag wandelen ist thun, was dir inn deinem beruff von Got befohlen ist, wie Christus that. Vnser tag vnd liecht ist Christus, Johan. 9 [5]. 7. fro ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] d supra. Die ehre Gottes, das sie dadurch gleuben. 9. Lasset ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] e Die andern fue rchten sich zu seer. Thomas aber wil zu vermessen sein, aber im leiden leufft er dauon wie die andern vnd ist auch vngleublich nach des HERRN aufferstehung. 14. Maria ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] a Sie wustes nicht, wie nach folget. 15. Jhesu: ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] b Sihe, wie der glaube, in der anfechtung geschwechet, widder herfur kue mpt. 17. ym: ] I1 –J2 ,M–P,R: [Marg.] c Euangelion. 32. ergrimmet ] I1 –J2 ,L1 –R: [Marg.] Ergrimmet etc., widder den todt, da die gantze welt mit befallen ist; er weis, das er den mus im creutze bezalen. – bezalen] I1 –J2 ,L1 –P,R: bezalen; hie gedenckt (hie gedenckt] I2 –J1 : hie gedencket er. – L1 –P,R: Gedencke hie) der angst im garten etc. 33. selbsl ] NT 301