Probleme des spanischen Föderalismus [1 ed.] 9783428493579, 9783428093571

Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist das föderative System Spaniens. Der Autor befaßt sich im ersten allgemeinen Teil

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German Pages 150 Year 1998

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Probleme des spanischen Föderalismus [1 ed.]
 9783428493579, 9783428093571

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BERND PFEIFER

Probleme des spanischen Föderalismus

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera und Dettef Merten

Band 51

Probleme des spanischen Föderalismus Von Dr. Bemd Pfeifer

Duncker & Humblot . Berlin

Die vorliegende Dissertation ist unter der wissenschaftlichen Betreuung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. Detle! Merten am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer im Rahmen des Hochschul-Sonderprogramms II entstanden.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pfeifer, Bernd: Probleme des spanischen Föderalismus I von Bemd Pfeifer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 51) Zug!.: Speyer, Hochsch. für Verwaltungswiss., Diss., 1997 ISBN 3-428-09357-7

Alle Rechte vorbehalten 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: W. März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany

©

ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-09357-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

e

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Die Idee, das föderative System Spaniens zu untersuchen, stammt aus der Zeit meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, dem ich für die Betreuung der Arbeit und seine kritische Begleitung herzlich danke. Die Veröffentlichung berücksichtigt Literatur und Rechtsprechung bis zum Frühjahr 1994, teilweise darüber hinaus. Besonderen Dank schulde ich dem Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung für vielfältige Unterstützung. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Ricardo Garcia Macho für seine Hilfe bei meinem Studienaufenthalt in Salamanca sowie bei Herrn Privatdozent Dr. Kar/-Peter Sommermann für die Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herren Professoren Dr. Siegfried Magiera und Dr. Dr. Detlef Merten danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Mein besonderer Dank gilt Frau Maria Listing für die Erstellung der druckfertigen Fassung der Arbeit. Schließlich danke ich ganz herzlich meinen Eltern, die mich stets in jeder Hinsicht unterstützt haben. Schwerin, im Mai 1998

Bernd Pfeifer

Inhaltsverzeichnis A. Grundfragen des Föderalismus

13

I. Der Begriff des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

11. Einheit und Vielfalt: Die Grundlagen des Föderalismus .....

18

1. Die Einheit

19

2. Die Vielfalt

20

a) Vielfalt und Identität

.....

b) Die Entwicklung des föderativen Systems der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 21

aa) Die erste Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

(I) Übergewicht der zentri petalen Kräfte . . . . . . .

22

(2) Unitarisierung

23

bb) Die zweite Phase

29

(I) Erstarken der zentrifugalen Kräfte . . . . . . . . .

29

(2) Ansätze einer Reföderalisierung . . . . . . . . . . .

30

111. Charakteristika föderativer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . ..

39

I. Die Kompetenzverteilung zwischen Gliedern und übergeordneter Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

2. Die funktions gerechte Finanzausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

3. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung der übergeordneten Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

4. Schutz der genannten Elemente durch erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .

41

5. Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte .

41

IV. Grundmodelle föderativer Staatsorganisation . . . . .

42

I. Das Verbundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42

8

Inhaltsverzeichnis b) Eignung des Verbundmodells für homogene oder für heterogene Staaten? ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Das Trennmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Eignung des Trennmodells für homogene oder für heterogene Staaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

B. Einheit und Vielfalt in Spanien I. Geschichtliche Entwicklung .... . . . . . . . . . . . . . ...

50 51

I. Die Reconquista . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

2. Der Aufstieg des Zentralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

3. Die Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert ... . . . . . . . . . . . . .

53

11. Die verschiedenen historischen Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I. Katalonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Baskenland

59

............ ...... .

60

3. Die übrigen Regionen . . . . . . . . . . . . . . . .

60

III. Elemente der Homogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften verfassungsrechtlicher Rahmen und seine Ausflillung I. Art. 2 CE - das Prinzip der Einheit und das Recht auf Autonomie

63 64

11. Das dispositive Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

III. Die Verfahren zur Errichtung Autonomer Gemeinschaften ...

66

I. Der langsame Weg

67

a) Der erste Verfahrensabschnitt . . . . . . . . .

67

b) Der zweite Verfahrensabschnitt . . . . . . .

69

2. Der schnelle Weg . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

a) Der erste Verfahrensabschnitt . . . . . . . . . . ..

70

b) Der zweite Verfahrensabschnitt . . . . . . . . . . . .

71

Inhaltsverzeichnis

9

IV. Die Ausflillung des verfassungsrechtlichen Rahmens V. Natur, Rang und Funktion der Autonomiestatute . . . . . . . . . . . .

D. Die Kompetenzverteilung zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften I. Die Verschiedenheit der Kompetenzniveaus der Autonomen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Die Angleichung der Kompetenzniveaus . . . . . . . . . III. Das System der Zuordnung der Kompetenzen

72 77

79

79 81

83

1. Das Enumerationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

2. Verbund- oder Trennsystem?

.....................

85

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . .

87

1. Überblick

.................................

87

2. Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . .

89

a) Die Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

b) Das Problem der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche . . . . . . .

90

c) Die Praxis der Grundlagengesetzgebung

.................

91

d) Bisherige Lösungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

e) Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag . . . . . .

94

V. Die Verteilung der Exekutivkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

E. Die Finanzverfassung I. Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten H. Der normative Rahmen des spanischen Finanzwesens . . . . . . . . . . . .. III. Grundzüge des allgemeinen Finanzsystems

98 98 100 102

I. Die Beteiligung an den Einnahmen des Zentralstaates ...

103

2. Die abgetretenen Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104

3. Die Überweisungen aus dem Interterritorialen Ausgleichsfonds

105

4. Weitere Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften . . .

107

10

Inhaltsverzeichnis

IV. Überblick über die beiden besonderen Finanzsysteme V. Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag . . . . . . . . . .

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates I. Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten 11. Der spanische Senat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 109

113 113 114

1. Einordnung in das Gesamtsystem

114

2. Zusammensetzung

114

3. Möglichkeiten der Mitwirkung an der zentralstaatlichen Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115

III. Sonstige Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

1. Die Sektorenkonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

2. Die Abkommen

118

IV. Bewertung und Reformüberlegungen

....... .

120

G. Schutz der rOderativen Elemente durch erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung sowie der Autonomiestatute

124

H. Mechanismen zur Lösung rOderativer Konflikte

127

I. Schlußbemerkung

130

Literaturverzeichnis

134

Stichwortverzeichnis

146

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. Abs. a.F. AöR AP Art. Aufl. BayVBl. Bd. BGBl. BJC B.O.E. BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfGE CE ders. DÖV Drucks. DVBl. EEA EEAG EG EGV ETA EU EuGRZ EuR f. FAZ ff. Fn. GG hg.

am angegebenen Ort Absatz alte Fassung Archiv des öffentlichen Rechts Alianza Popular Artikel Auflage Bayerische Verwaltungsblätter Band Bundesgesetzblatt Boletin de Jurisprudencia Constitucional Boletin Oficial dei Estado Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Constituci6n Espaiiola derselbe Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Einheitliche Europäische Akte Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Euzkadi Ta Azkatasu (Baskenland und Freiheit) Europäische Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende (Seiten) Fußnote Grundgesetz flir die Bundesrepublik Deutschland herausgegeben

12 Hg. h.M. JöR JöR N.F. JuS lit. LOFCA LOTC n.F. NJW Nr. num. NVwZ ÖJZ ÖZöR PCE PS OE PSUC PVS REDA REDC Rn. S. s.a. STC u.a. UCD UdSSR USA VerwArch VR VVDStRL ZfRV ZG ZPari ZRP

Abkürzungsverzeichnis Herausgeber herrschende Meinung Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge) Juristische Schulung litera Ley Organica de Financiacion de las Communidades Autonomas Ley Organica dei Tribunal Constitucional neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer numero Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Östereichische Juristen-Zeitung Österreich ische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Partido Comunista de Espafia Partido Socialista Obrero Espafiol Partit Socialista Unificat de Catalunya Politische Vierteljahresschrift Revista Espafiola de Derecho Administrativo Revista Espafiola de Derecho Constitucional Randnummer Seite siehe auch Sentencia dei Tribunal Constitucional und andere Union de Centro Democrätico Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Uni ted States of America Verwaltungsarchiv Verwaltungsrundschau Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Grundfragen des Föderalismus Der Titel dieser Arbeit enthält die These, daß es sich bei dem heutigen spanischen Staat um ein föderatives System handelt. Diese Qualifizierung der Staatsform ist durchaus nicht unumstritten, wie ein Blick auf einige der in dieser Frage vertretenen Ansichten beweist. Nach Püttner l hat Spanien nicht den Weg zum Föderalismus beschritten, und Schütz2 bezeichnet "das spanische System nicht ohne weiteres als Föderalismus". Als eine "Form des Präföderalismus" sieht Cruz Villal6n3 den spanischen Staat, den Trujillo Femandez4 als "föderativ-regional" qualifiziert. Sanchez Agesta 5 spricht vom "Autonomiestaat" ("Estado auton6mico"), Muiioz Machado6 vom "halbföderalen, halbregionalen oder halbzentralisierten Staat" ("Estado semifederal, semiregional 0 semicentralizado") und Clavero Arevalo 7 vom "Staat der Autonomien" ("Estado de las Autonomias"). Für GonzaIez Encinar8 ist Spanien bereits ein "föderal organisierter Staat". Diese Vielfalt der Auffassungen erklärt sich zum einen aus dem Umstand, daß die spanische Verfassung von 1978 (im folgenden abgekürzt: CE9) in Anlehnung an das Bonner Grundgesetz lO zwar die Staatsstrukturprinzipien Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie das Staatsziel Sozialstaatlichkeit ll Bericht: Neues zu Regionen und Kommunen in Spanien, DVBI. 1986, S. 668 f. (669). Spanien auf dem Weg zum Autonomiestaat, Der Staat 22 (1983), S. 187 ff. (197). ) Die Neugliederung des Spanischen Staates durch die "Autonomen GemeinschafteIl", JöR N .F. 34 (1985), S. 195 ff. (240). 4 Der neue spanische Föderalismus, in: Randelzhofer (Hg.), Deutsch-Spanisches Verfassungsrechts-Kolloquium, S. 115 ff. (120). 5 Sistema politico de la Constituci6n Espanola de 1978, S. 397. 6 Las potestades legislativas de las Comunidades Aut6nomas, S. 23. 7 Espafta, desde el centralismo a las autonomias, S. 13. M Ein asymmetrischer Bundesstaat, in: Nohlen/Gonzales Encinar (Hg.), Der Staat der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 217 ff. (228). 9 Constituci6n Espanola. 10 Vgl. hierzu Cruz Villalon, Bericht Spanien, in: Battis u.a. (Hg.), Das Grundgesetz im internationalen Wirkungszusammenhang der Verfassungen, S. 93 ff. (94). 11 Zum Unterschied zwischen Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen vgl. Merlen, Grundgesetz und Verfassungen der neuen deutschen Länder, in: Blü:~el u.a., Verfassunssprobleme im vereinten Deutschland, S. 47 ff. (53 f.), sowie dens., Uber Staatsziele, DOV 1993, S. 368 ff. (369 f.). 1

2

14

A. Grundfragen des Föderalismus

enthält (Art. 1 Abs. 1 CE), jedoch keine Aussage über die territoriale Gliederung liefert 12 • Zum anderen wird der Begriff "Föderalismus" in verschiedenen Bedeutungen verwendet 13 , so daß man - je nach Standpunkt - zwangsläufig zu unterschiedlichen Bewertungen gelangt. WeIche Folgen dies haben kann, illustriert das Beispiel der Verhandlungen über den Vertrag von Maastricht, in denen die britische Regierung - angetrieben von ihrem spezifischen Föderalismusverständnis '4 - die Entfernung des Wortes "föderal" aus dem Vertragsentwurf durchsetzte '5 . Es ist daher erforderlich, zunächst den Föderalismusbegriff zu bestimmen, der im folgenden verwendet werden soll.

I. Der Begriff des Föderalismus Der Begriff "Föderalismus" ist eine neulateinische Weiterbildung des Wortes "foederatio", das sich von dem Wort "foedus" (= Bündnis, Bund, Vertrag)16 ableitet 17 , weIches bereits auf die Verbindung von Vielfalt und Einheit hindeutet. C.J. Friedrich hat denn auch treffend formuliert, daß der Föderalismus darauf ziele, "eine gewisse Einheit mit einer gewissen Vielfältigkeit zu verbinden" 18. Es ist zu unterscheiden zwischen einem engen und einem weiten Föderalismusbegriff'9. Föderalismus im weiten Sinne meint ein "Gestaltungsprinzip 12 Vgl. L6pez Rad6, EI Estado espanol, es un Estado federal?, in: Schambeck (Hg.), Pro fide et iustitia. Festschrift für Agostino Kardinal Casaroli, S. 863. 13 Vgl. K. Weber, Elemente eines umfassenden Föderalismusbegriffes, in: Adamovich I Pemthaler (Hg.), Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit. Festschrift für Hans R. Klecatsky, Teilbd. 2, S. 1013 ff.; Ermacara (Allgemeine Staatslehre, Teilbd. 2, S. 622 Rn. 5) weist in diesem Zusammenhang auf die unterschiedliche sprachliche Bedeutung im Englischen und Französischen einerseits (Gleichsetzung von Föderalismus und Bundesstaat) sowie im Deutschen andererseits (Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen) hin. 14 Dazu Frankenberger, Was für Briten "federal" heißt, in: FAZ vom 24.6.1991, S. 14, sowie Jachtenfochs (Die EG nach Maastricht, Europa-Archiv 1992, S. 279 ff. [280]), der darauf hinweist, daß "für die Briten Föderalismus synonym mit Zentralismus und der Willkürherrschaft einer demokratisch unverantwortlichen Eurokratie war". 15 Siehe FAZ vom 9.12.1991, S. 10. 16 Vgl. Zedler (Hg.), Großes vollständiges Universal-Lexikon, 9. Bd. (1735), Sp. 1406 i.Y.m. I. Bd. (1732), Sp. 1255; Menge, Langenscheidts Großwörterbuch Lateinisch, Teil I: Lateinisch-Deutsch, 20. Aufl. 1978, S. 307. 17 Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 22. Aufl., 1989, S. 225; Duden, Bd. VII: Etymologie, 1963, S. 178. IK Zitiert nach Schultze, Föderalismus als Alternative? Überlegungen zur territorialen Organisation politischer Herrschaft, in: Nohlen/Gonzales Encinar (Hg.), Der Staat der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 199 ff. (20 I). 19 Zur Entwicklung des Begriffs des Föderalismus siehe z.B. Friedrich, Ursprung und Entwicklung des Begriffs des Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika, in:

I. Der Begriff des Föderalismus

15

jeglicher Gemeinschaftsordnung"20, d.h. ein nicht nur politisches, sondern auch wirtschaftliches und gesellschaftliches Ordnungsprinzip21. Föderalismus in diesem Sinne läßt sich ganz allgemein als "Verbindung mehrerer Größen zu einer größeren, übergreifenden Organisation bei grundsätzlicher Erhaltung der Teile"22 definieren. Demgegenüber ist unter Föderalismus im engen Sinne ein Ordnungsprinzip von politischen, nicht aber von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen zu verstehen 23 . Die heutige Bedeutung dieses engen Föderalismusbegriffs24 ist entscheidend durch die Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika von 1787 geprägt worden 25 . Der Verfassungskonvent von Philadelphia, der im Mai 1787 zusammentrat, sah sich in erster Linie mit dem Problem konfrontiert, daß die bestehende Konföderation durch eine unzureichende Regierungsgewalt des Bundes gekennzeichnet war. Nach zähem Ringen zwischen Nationalisten und Föderalisten verabschiedete der Konvent am 17. September 1787 einen Verfassungsentwurf, der den Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat vorsah. Der Entwurf bedurfte der Annahme durch mindestens 9 Einzelstaaten26 , was eine heftige Diskussion in den einzelnen Staaten auslöste. In dieser Phase traten Alexander Hamilton und James Madison, die dem Konvent von Philadelphia angehört hatten, sowie John Jay in insgesamt 85 Zeitungsartikeln fiir die neue Verfassung ein. Diese Aufsätze, die zusammengefaßt unter dem Titel "The Federalist"27 erschienen, liefern das theoretische Fundament des Föderalismus, wie er in der Verfassung zum Ausdruck kommt. "The Federalist" ist nach wie vor "der klassische Kommentar zur amerikanischen Verfassung"28, McWhinney (Hg.), Föderalismus und Bundesverfassungsrecht, S. 66 ff.; ders., Nationaler und internationaler Föderalismus in Theorie und Praxis, PVS 1964, S. 154 ff.; Deuerlein, Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen des föderativen Prinzips, S. 11 ff. 20 Ermacora, Staatslehre, S. 623. 21 So bereits im 19. Jahrhundert Proudhon, Du principe federaliste et de la necessite de reconstituer la parti de la Revolution, 1863, sowie Frantz, Der Föderalismus als das leitende Princip fur die sociale, staatliche und internationale Organisation, 1879. 22 Siehe Herzog, Artikel "Föderalismus", in: Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, Sp. 914.

Vgl. Oberreuter, Artikel "Föderalismus", in: Staatslexikon, Bd. II, Sp. 632 f. Im folgenden ist mit "Föderalismus" der Föderalismus im engen Sinne gemeint. 25 Vgl. Maier, Der Föderalismus - Ursprünge und Wandlungen, AöR 115 (1990), S.213. 26 Vgl. Art. VII der Verfassung der Vereinigten Staaten. 27 Siehe die Edition der Modern Library (1937); vgl. die deutsche Ausgabe: Ermacora (Hg.), Der Föderalist (\ 958); s.a. die Übersetzung von Zehnpjennig (Hg.), Die "Federalist Papers" (1993). 2X SO Maier, AöR 115 (1990), S. 213. 2J

24

16

A. Grundfragen des Föderalismus

er wird gar "als Bibel des amerikanischen Föderalismus angesehen"29. Die darüber hinausgehende Bedeutung des "Federalist" ist darin zu sehen, daß in ihm die neugeschaffenen staatlichen Formen klar und unmißverständlich als Föderalismus bezeichnet wurden. Es wurde also nicht nur tatsächlich eine föderative Staatsordnung geschaffen, man war sich vielmehr dabei auch bewußt, ein föderatives System zu errichten30 . Bei der Entwicklung einer Definition des Begriffes "Föderalismus" erscheint es daher naheliegend, von dem Versuch einer Begriffsbestimmung auszugehen, den Hamilton in einem Aufsatz für das "Independent Journal" unternommen hat: "Eine föderative Republik dürfte am einfachsten als ein ,Verband von Gemeinwesen' oder als eine Vereinigung zweier oder mehrerer Staaten zu einem Staat zu definieren sein,,31. Ähnlich formuliert Oberreuter 2, wonach Föderalismus ein Ordnungsprinzip von politischen Systemen ist, "in denen sich mehr oder weniger selbständige Glieder zu einem übergeordneten Ganzen zusammenschließen". Diese Begriffsbestimmung bringt das Wesen des Föderalismus, nämlich das Nebeneinander zweier verschiedener Ebenen, zweier "Entscheidungszentren"33 zum Ausdruck. earl Schmitt34 hat diese Verbindung von politischer Einheit mit dem Weiterbestehen mehrerer politischer Einzeleinheiten treffend als "Dualismus der politischen Existenz" bezeichnet. Die Definition Oberreuters muß allerdings dahin erweitert werden, daß ein föderatives System nicht nur durch den Zusammenschluß mehrerer Glieder zu einer Einheit, sondern auch durch die Föderalisierung eines Einheitsstaates entstehen kann, indem eine zweite Ebene, bestehend aus mehreren eigenständigen Einheiten, eingerichtet wird35 .

29

So Friedrich, in: McWhinney, Föderalismus, S. 73.

30

Vgl. Deuerlein, Föderalismus, S. 47.

31 Vgl. Ermacora, Der Föderalist, S. 71. Hamilton verwendet zwar den Ausdruck "confederate republic" (vgl. The Federalist, S. 52), der eigentlich mit "konföderalistische Republik" zu übersetzen wäre. Dennoch ist die Übersetzung mit "föderative Republik" sozusagen als berichtigende Auslegung zutreffend. Hamilton knüpfte nämlich in seinem Aufsatz an die Gedanken Montesquieus zur "föderativen Republik" ("republique federative", vgl. Oe l'esprit des lois, Buch IX, Kapitel 1-3) an und übersetzte den Ausdruck "republique federative" (Oe l'esprit des lois, Buch IX, Kapitel I) ungenau mit "confederate republic" (The Federalist, S. 50); vgl. ebenso Friedrich, PVS 1964, S. 156, 157 Fn. 8. n Vgl. in: Staats lexikon, Bd. II, Sp. 633. 3J Vgl. Scheuner, Struktur und Aufgabe des Bundesstaates in der Gegenwart, DÖV 1962, S. 641 ff. (642); Mayntz, Föderalismus und die Gesellschaft der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 233 ff. (235). 34 Verfassungslehre, S. 371.

35

Vgl. Friedrich, PVS 1964, S. 166.

I. Der Begriff des Föderalismus

17

Die notwendige Offenheit bezüglich des Entstehungsprozesses weist die Begriffsbestimmung Friedrichs 36 auf, der von Föderalismus spricht, "wenn mehrere politische Gemeinschaften als autonome Einheiten unter einer gemeinsamen Ordnung vereint leben und sich wechselseitig beeinflussen". Allerdings erscheint der Hinweis auf die wechselseitige Beeinflussung überflüssig, da diese wie selbstverständlich aus der Verbindung mehrerer Glieder zu einer Einheit folgt. Moderner fonnuliert Schultze37 : "In föderal verfaßten politischen Systemen geht es um die Vennittlung gegensätzlicher Zielvorstellungen, die man schematisch entlang eines bipolaren Kontinuums darstellen kann, das definiert ist durch eine auf Integration und die Gleichheit der Lebensbedingungen gerichtete zentripetale Zielvorstellung und durch eine auf Autonomie bzw. Eigenständigkeit und die Vielfalt der Lebensbedingungen gerichtete zentrifugale Zielvorstellung." Im weiteren Verlauf der Arbeit soll von einer weniger modem klingenden, dafiir verständlicheren Definition ausgegangen werden, die aus den oben besprochenen Begriffsbestimmungen entwickelt wurde. Danach ist Föderalismus ein Ordnungsprinzip politischer Systeme, in denen mehrere eigenständige Gemeinwesen eine Einheit bilden. Beispiele dafiir sind der Staatenbund sowie der Bundesstaat. Die aus mehreren Gliedern bestehende Einheit kann ihrerseits Glied eines weiteren Gemeinwesens sein38 • So ist die in Länder gegliederte Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Europäischen Union, die eine föderale Grundstruktur aufweise 9 • Ein solcher drei stufiger Föderalismus bringt erhebliche Schwierigkeiten bezüglich der institutionellen Ausgestaltung der einzelnen Ebenen mit sich. Dies illustriert bereits der Streit über die Frage, inwieweit den Ländern, Autonomen Gemeinschaften und Regionen Mitwirkungsbefugnisse auf EUEbene eingeräumt werden sollen40 •

36 37 38

Vgl. Friedrich, PVS 1964, S. 169. Vgl. in: Noh1en/Gonza1es Encinar, S. 201. Siehe Jerusalem, Die Staatsidee des Föderalismus, S. 6, 22.

Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 650. Vgl. z.B. Merten, Schlußwort, in: ders. (Hg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, S. 301 ff. (302 f.); Knemeyer, Subsidiarität - Föderalismus, Dezentralisation, DVBI. 1990, S. 449 ff.; Schäfer, Die institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft: Überlegungen zu neuen Strukturen der EG-Institutionen, DÖV 1991, S. 261 ff. (267 f.); Petersen, Zur Rolle der Regionen im künftigen Europa, OÖV 1991, S. 278 ff.; Langer, Unitarismus und Föderalismus im künftigen Europa, OÖV 1991, S. 823 ff.; Entschließung des Bundesrates zur Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Politische Union und zur Wirtschafts- und Währungsunion vom 24.8.1990 (BR-Drucks. 550/90). 39

40

2 Pfeifer

18

A. Grundfragen des Föderalismus

Hinsichtlich des Begriffes des Föderalismus ist darauf hinzuweisen, daß er sich aus zwei Komponenten zusammensetzt41 . Die statische Komponente beschreibt die bestehende föderalistische Ordnung. Demgegenüber begreift die dynamische Komponente Föderalismus als "Prozeßbegrift", als "einen Begriff für eine dynamische Bewegung, zwischen Einheit und Vielfalt, für ständig neu und wechselnd sich verstellende Integration und Desintegration"42. Das konkrete föderalistische System, das sozusagen nur eine Momentaufnahme 43 darstellt, bewegt sich mithin zwischen den beiden Polen der Einheit und der Vielfalt. Der für diese Bewegung erforderliche Treibstoff ist die gesellschaftliche Entwicklung, die durch die Konkurrenz von Einheit und Vielfalt gekennzeichnet ist. Gewinnt in der Gesellschaft der Gedanke der Einheit die Oberhand, werden die föderativen Elemente des betreffenden Systems unter Druck geraten und mit der Zeit zurückgedrängt werden. Falls der Vielfaltgedanke völlig verlorengeht, wird aus dem ursprünglich föderalen schließlich ein unitarisches System werden. Umgekehrt führt ein Übergewicht der Vielfalt zu einer Stärkung der föderativen Elemente. Erdrückt dieses Übergewicht jedoch den Einheitsgedanken, so regt sich Partikularismus. Diese noch zu untermauernden Thesen über die Bedeutung der gesellschaftlichen Entwicklung für das jeweilige föderative System stehen in untrennbarem Zusammenhang mit den Grundlagen des Föderalismus.

11. Einheit und Vielfalt: Die Grundlagen des Föderalismus In der Beschreibung der dynamischen Komponente des Föderalismusbegriffs ist die besondere Bedeutung von Einheit und Vielfalt für den Föderalismus bereits angeklungen. Im folgenden ist darzulegen, daß Föderalismus eine gewisse Einheit im Sinne von Einheitlichkeit bzw. Homogenität ebenso wie eine gewisse Vielfalt unabdingbar voraussetzt, daß Einheit und Vielfalt das Fundament bilden, auf dem jedes föderativ ausgestaltete Verfassunggebäude ruht.

41

Weber, in: Festschrift für K\ecatsky, S. 1018.

Nipperdey, Der Föderalismus in der deutschen Geschichte, in: Boogman / van der Plaat, Federalism. History and Current Significance of a Form of Govemment, S. 125; zur dynamischen Komponente s.a. Friedrich, PVS 1964, S. 154, 166 f.; Ermacora, Allgemeine Staatslehre, Teilbd. H, S. 625; Scheuner, DÖV 1962, S. 641 ff.; Ossenbühl, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland, in: ders. (Hg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 117 ff. (131). 42

43

Auf diese Momentaufnahme bezieht sich die statische Komponente des Begriffes.

II. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

19

1. Die Einheit

In einem föderativen System bilden mehrere Glieder ein weiteres Gemeinwesen. Die Glieder sind zwar (mehr oder weniger) eigenständig, haben jedoch nur ein eingeschränktes Selbstbestimmungsrecht, da das weitere Gemeinwesen entsprechend der Kompetenzverteilung befugt ist, bestimmte die Glieder betreffende Angelegenheiten zu regeln. Das einzelne Glied wird diese Beschränkung seines Selbstbestimmungsrechtes akzeptieren, wenn es seine Interessen durch die Entscheidung des weiteren Gemeinwesens grundsätzlich gewahrt sieht. Eine grundsätzliche Wahrung der Interessen eines jeden einzelnen Gliedes ist jedoch nur dann möglich, wenn die Glieder eine gewisse Gleichartigkeit aufweisen, so daß sich auch die jeweiligen Interessen nicht zu sehr voneinander unterscheiden. Verfolgen die Glieder wegen ihrer Verschiedenartigkeit konträre Ziele, so kann die Entscheidung des weiteren Gemeinwesens nicht alle Glieder zufriedenstellen. Wird aber den Interessen einzelner Glieder wiederholt nicht Rechnung getragen, schwindet die Akzeptanz dieser Glieder bezüglich der Beschränkung ihres Selbstbestimmungsrechtes, wodurch der Bestand des betreffenden föderativen Systems in Frage gestellt wird44 • Eine gewisse Einheitlichkeit der Glieder ist daneben auch deshalb erforderlich, um der Gefahr existentieller Konflikte vorzubeugen45 • Elemente dieser Homogenität der Glieder46 sind vor allem völkische, kulturelle, sprachliche und religiöse Gemeinsamkeiten. Daneben spielen eine gemeinsame Geschichte sowie die Einheitlichkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie geographische Gegebenheiten eine Rolle. Auch die Gleichartigkeit des politischen Prinzips (Demokratie, Monarchie oder Aristokratie) ist hier von Bedeutung; sie wird vielfach verfassungsrechtlich47 garantiert, wobei eine dahingehende Übereinstimmung der Glieder vorausgesetzt wird48 • Der Befund, daß föderative Systeme eine gewisse Homogenität der Glieder voraussetzen49 , wird durch eine Reihe aktueller Beispiele bestätigt. Der Zerfall der UdSSR sowie der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien war kaum vermeidbar - zu sehr unterschieden sich die Glieder dieser Staaten in ethnischer, kultureller, sprachlicher, religiöser sowie wirtschaftli44

Dazu Schrnitt, Verfassungslehre, S. 370 f., 378.

45

Vgl. Schrnitt, Verfassungslehre, S. 371-375, 378 f.

46 Zu diesen Elementen vgl. Merlen, in: Blümel, Verfassungsprobleme im vereinten Deutschland, S. 49, sowie Schrnitt, Verfassungslehre, S. 376. 47 Z.B. Art. IV Sect. 4 der Verfassung der Vereinigten Staaten (Garantie der republikanischen Staatsform); Art. 28 I GG.

4' Vgl. Schrnitt, Verfassungslehre, S. 376. 49 In diesem Sinne dezidiert Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, in: ders., Werke und Briefe, hg. von Mayer / Eschenburg / Zbinden, Bd. I, S. 189 f.

2*

20

A. Grundfragen des Föderalismus

cher Hinsicht. Nach dem Abstreifen der kommunistischen Zwangsjacke, die die Glieder zusammenhielt50 , setzten die Zentrifugalkräfte - angesichts schwacher Zentripetalkräfte in Gestalt einer gewissen Homogenität der Glieder - die beiden Vielvölkerstaaten einer Zerreißprobe aus. Nur wenn der Vielgestaltigkeit durch die rechtzeitige Schaffung echter foderativer Strukturen Rechnung getragen worden wäre, hätte eine gewisse Chance bestanden, die staatliche Einheit zu bewahren. Da die notwendigen Föderalisierungsschritte nicht zügig genug eingeleitet wurden, war das Auseinanderfal1en der bei den genannten Staaten die logische Konsequenz der Heterogenität der Glieder. 2. Die Vielfalt

Setzt das Funktionieren eines foderativen Systems auf der einen Seite eine gewisse Homogenität voraus, so muß auf der anderen Seite eine gewisse Vielfalt der Glieder' hinzukommen. Die Vielfalt ist das Lebenselixier der Glieder, ohne das sie ihre Eigenständigkeit auf Dauer nicht bewahren können. In jedem fOderativen System ringen nämlich die zentrifugalen Kräfte der Vielfalt mit den zentripetalen der Homogenität52 • Gewinnen die zentrifugalen Kräfte das Übergewicht, führt dies tendenziel1 zu einer Stärkung der Glieder, die bis zum Zerfall des foderativen Systems führen kann. Umgekehrt bewirkt die Zunahme der zentripetalen Kräfte tendenziel1 eine Schwächung der Glieder. Verringert sich nämlich die Vielfalt der Glieder, unterscheiden sich auch deren Interessen immer weniger. Das weitere Gemeinwesen, das durch die zunehmend gleichartigen Glieder gebildet wird, ist daher immer mehr in der Lage, die weitgehend gleichgerichteten Interessen der Glieder zu wahren. Sehen diese aber ihre Interessen gewahrt, so werden sie die Fremdbestimmung durch das weitere Gemeinwesen nicht als solche empfinden. Dies hat zur Folge, daß sich die Glieder gegen die Okkupation weiterer Kompetenzen durch das umfassendere Gemeinwesen nicht im erforderlichen Maße zur Wehr setzen werden. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zur Homogenität wird sich also in der konkreten Ausgestaltung des betreffenden föderativen Systems im Laufe der Zeit niederschlagen. Entsprechend dem allgemeinen Prinzip, "daß alle Macht zu ihrem Höhepunkt strebt, bis sie schließlich Wi50 Vgl. z.B. Coulmas, Das Problem des Selbstbestimmungsrechts, Europa-Archiv 1993, S. 85 ff. (87), sowie Seeler, Neue Wege einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Europa-Archiv 1993, S. 12 ff. (13). 51 Vgl. dazu Z.B. Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: ders. / P. Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S.517 ff. (686 f.); Ermacora, Staatslehre, S. 625 f.; die besondere Bedeutung der kulturellen Vielfalt betont Häberle, Aktuelle Probleme des deutschen Föderalismus, Die Verwaltung 1991, S. 169 ff. (I87 f.).

52 Maier (AöR 115 [1990], S. 229) spricht von der "komplexen Verspannung zentripetaler und zentrifugaler Wirkkräfte".

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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derstand findet"53, kann im Extremfall aus dem ursprünglich föderativen Staat ein dezentralisierter Einheitsstaat werden. Die Elemente der Vielfalt der Glieder ergeben sich aus denselben Bereichen, aus denen auch die Homogenität folgte 54 : Ist beispielsweise die gemeinsame Kultur ein Element der Homogenität, so ist die Verschiedenheit der Kulturen ein Element der Vielfalt. a) Vielfalt und Identität

Die jeweils vorhandenen Vielfaltelemente bilden den Nährboden, auf dem in einem länger dauernden Prozeß die Identität der einzelnen Glieder wachsen kann 55 . Dieses Wachsen der Identität setzt voraus, daß ein Glied Vielfaltselemente aufweist, durch die es sich von den anderen Gliedern unterscheidet, während es in seinem Innern durch eine gewisse Homogenität gekennzeichnet ist56 . Hat sich auf diese Weise ein "Bewußtsein der eigenen Besonderheit,,57 bei den einzelnen Gliedern entwickelt, werden diese den zentripetalen Kräften besser widerstehen können, als dies ohne eine solche Identität der Fall wäre. Die Bedeutung der Vielfalt der Glieder und der aus ihr erwachsenen Identität für ein föderatives System läßt sich am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland illustrieren. b) Die Entwicklung des föderativen Systems der Bundesrepublik Deutschland

Diese Entwicklung läßt sich in zwei Phasen unterteilen: Die erste ist durch ein Übergewicht der zentripetalen Kräfte gekennzeichnet. Erst gegen Mitte der siebziger Jahre - dem Beginn der zweiten Phase - sind die zentrifugalen Kräfte soweit erstarkt, daß sie einen ernstzunehmenden Widersacher der zentripetalen Kräfte darstellen. 53 Siehe Jerusalem, Zentralismus und Föderalismus, in: Verfassung und Verwaltung in Theorie und Wirklichkeit. Festschrift rur Wilhelm Laforet anläßlich seines 75. Geburtstages, S. 37 ff. (46). 54 S.o. S. 19. 5S Für Bohley (Neugliederung - Gefahr rur die Identität der Länder, FAZ vom 19.2.1991, S. 12) ist das Wachsen der Identität ein "von Rückschlägen und Einbrüchen nicht freier Prozeß. Ein solcher Prozeß muß mehrere Generationen überspannen, denn die 'Weitergabe' eines Identitätsbestandes erfolgt vornehmlich in der Jugendzeit der hineinwachsenden Generation". 56 Zur Identitätsbildung vgl. Mayntz, AöR 115 (1990), S. 236. 57 Siehe Rudolph, Heimat - Provinz - Staat. Baden-Württemberg und die neue Identität der Bundesländer, in: Klatt (Hg.), Baden-Württemberg und der Bund, S. 265 ff. (273).

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A. Grundfragen des Föderalismus

aa) Die erste Phase (I) Übergewicht der zentripetalen Kräfte Die Schwäche der zentrifugalen Kräfte in den ersten drei Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland hatte mehrere Gründe. So wiesen die im wesentlichen von den Besatzungsmächten geschaffenen Länder 8 - abgesehen von Bayern, Bremen und Hamburg - allenfalls einen kleinen Anfangsbestand an Identität auf 9 • Zudem litt die Länderidentität zunächst unter Wachstumsstörungen. Zwar waren auch in den neu entstandenen Ländern Elemente der Vielfalt vorhanden. Unterschiede in landsmannschaftlicher, kultureller, konfessioneller, geographischer und wirtschaftlicher Hinsicht waren unübersehbar60 - wenn auch durch die Flüchtlingsbewegungen seit 1945 und die gesteigerte Mobilität der Bevölkerung zum Teil etwas abgeschwächt. Daß aus dieser Vielfalt eine Landesidentität dennoch nicht recht wachsen wollte, lag am damaligen Zeitgeist, der die Wirkung eines wachstumshemmenden Hormons entfaltete. Dieser von Aufbau- und Fortschrittseuphorie61 getragene Zeitgeist äußerte sich gemäß einer treffenden Formulierung Hesses 62 in einer "Einstellung, der alle Unterschiedlichkeit und besondere Eigenart ein Ärgernis ist, der das Althergebrachte nur als Zopf erscheint und die ihm gegenüber moderner Gleichförmigkeit und Eintönigkeit unbedenklich den Vorzug gibt, wenn sie nur Übersichtlichkeit und reibungslosen Ablauf gewährleisten: das alles schafft schwerlich einen Boden, auf dem die Hinwendung zu regionaler Eigenart gedeihen könnte." Es verwundert daher nicht, daß gemäß Umfrageergebnissen aus der ersten Hälfte der fünfziger Jahre die Auflösung der Bundesländer63 bzw. der Landesregierungen64 von der Bevölkerungsmehrheit SR Dazu Eschenburg, Jahre der Besatzung: 1945 -1949 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I), S. 77 ff. 59 Vgl. hierzu Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 686 f.; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12; SchäfJer, Aktuelle Probleme des Föderalismus in Österreich, ÖJZ 1981, S. I ff. (S. 9). 00 Vgl. Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 687; Frowein, Die Entwicklung des Bundesstaates unter dem Grundgesetz, in: Mußgnug (Hg.), Rechtsentwicklung unter dem Bonner Grundgesetz, S. 17 ff. (29); ähnlich bereits Weber, Die Gegenwartslage des deutschen Föderalismus, S. 14. 0 1 V gl. Isensee, Der Föderalismus und der Verfassungsstaat der Gegenwart, AöR 115 (1990), S. 248 ff. (278). 02

Der unitarische Bundesstaat, S. 14.

Zitiert nach Mayntz (AöR 115 [1990], S. 235 Fn. 7), die auf unveröffentlichte Umfragedaten einer nicht mehr rekonstruierbaren amerikanischen Quelle verweist. 03

M Vgl. Noelle / Neumann (Hg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1947-1955, S. 280 f. Auf die Frage: "Was würden Sie dazu sagen, wenn alle Länderregierungen aufgelöst würden und es gäbe nur noch eine deutsche Bundesregierung in Bonn? Wie gefällt Ihnen dieser Vorschlag?" antworteten im Juni 1952 insgesamt 52% der Befragten, im November

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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befürwortet wurde. Eine zunächst schwach ausgebildete und sich nur mühsam entwickelnde Landesidentität sowie der nach Vereinheitlichung strebende Zeitgeist65 führten mithin zu einem Übergewicht der zentripetalen Kräfte. Dies konnte nicht ohne Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des föderativen Systems bleiben. (2) Unitarisierung Hesse 66 hat die sich vollziehenden Veränderungen bereits 1962 erkannt und als Unitarisierung des Bundesstaates qualifiziert. Diese Unitarisierung zeigte sich in erster Linie in einer zunehmenden Erweiterung der Bundeskompetenzen auf Kosten der Länder. Die Kompetenzverlagerung zum Bund erfolgte zum Teil durch ausdrückliche Verfassungsänderung - hier stimmten die Länder im Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit der eigenen Schwächung zu, was ihr mangelndes Selbstvertrauen demonstriert -, zum Teil durch bundesfreundliche Verfassungsinterpretation. Bezüglich der den Bund stärkenden Verfassungsänderungen ist auf die erhebliche Ausweitung der Kataloge der Bundesgesetzgebungskompetenzen (Art. 73 - 75 GG)61, die Vermehrung der Materien der Auftragsverwaltung (Art. 120a, 87b Abs. 2, 87c GG)68 sowie auf die Einführung der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a und b GG)69 hinzuweisen. Die Regelung der Gemeinschaftsaufgaben sieht vor, daß der Hochschulbau und die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur und des Küstenschutzes zwar Aufgaben der Länder bleiben, der Bund jedoch im Rahmen eines gemeinsamen Gremiums finanziell und planerisch an der Erfüllung dieser Aufgaben mitwirkt. Dieses Mittel der finanziellen Beteiligung ermöglicht es dem Bund, die Länder in die gewünschte Richtung zu lenken. Die Länder wollen nämlich auf die Bundesmittel nicht verzichten. Ein Land erhält jedoch keine Mittel, wenn es sich nicht mit dem Bund einigt, so daß ein erheblicher 1953 sogar 60% der Befragten mit "sehr gut" und "gut"; weniger als ein Fünftel der Befragten hielten die Auflösung der Länderregierungen rur "nicht gut" und "ganz schlecht". 65 Ebenso Starck, Stärkere Bundesländer rur Europa, FAZ vom 25.2.1992, S. 13, sowie der Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreforrn, BT-Drucks. 7/5924, S.126. M Der unitarische Bundesstaat, S. 14 ff. 67 Ossenbühl, in: ders., Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 134; vgl. die Zusammenstellung der Grundgesetzänderungen bei Laufer, Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, S. 280 f. 6M Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 18. 69 Siehe Frowein, in: Mußgnug, Rechtsentwicklung unter dem Bonner Grundgesetz, S. 23; grundlegend zu den Gemeinschaftsaufgaben vgl. Frowein / von Münch, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat, VVDStRL 31 (1973), S. 13 ff., 51 ff.

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A. Grundfragen des Föderalismus

Einigungsdruck auf dem Land lasteeo. Einen weiteren "goldenen Zügel", mit dem der Bund die Länder steuert, stellt Art. I 04a Abs. 4 GG dar, der die umstrittene Praxis der Fondswirtschaft des Bundes 71 ablöste. Art. 104a Abs. 4 GG gibt dem Bund neue Kompetenzen, die Wahrnehmung von Länderaufgaben zu finanzieren, wodurch die Unabhängigkeit der Länder auf unauffallige Weise untergraben wird 72 • Diese Finanzhilfen des Bundes sind ebenso wie die Gemeinschaftsaufgaben bedeutende Spielarten des sogenannten kooperativen Föderalismus73 . Neben den genannten ausdrücklichen Verfassungsänderungen trug auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Ausweitung der Kompetenzen des Bundes bei. Dies zeigt sich besonders bei den grundgesetzlichen Regelungen über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen. Art. 72 Abs. 2 GG a.F. bzw. Art. 75 GG a.F. i.Y.m. Art. 72 Abs. 2 GG a.F. bestimmen für die Bereiche der konkurrierenden sowie der Rahmengesetzgebung, daß der Bundesgesetzgeber nur zuständig ist, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung nach Maßgabe näher umschriebener Voraussetzungen besteht. Diese lediglich subsidiäre Zuständigkeit des Bundes74 sollte ein "gewisses Nebeneinander von Bundes- und Landesgesetzgebung"75 ermöglichen, indem einer umgehemrnt aus wuchernden Bundesgesetzgebung ein Riegel vorgeschoben wird. Diesen Riegel in Gestalt der Bedürfnisklausel hat das Bundesverfassungsgericht durch seine Rechtsprechung zu Art. 72 Abs. 2 GG a.F. bereits frühzeitig geöffnet, so daß der Bundesgesetzgeber ungehindert nahezu alle Materien der Art. 74 und 75 GG an sich reißen konnte 76 . Das 70

Vgl. Frowein, in: Mußgnug, Rechtsentwicklung unter dem Bonner Grundgesetz, S. 23.

71 Vgl. BVerfGE 39, 96 ff. (110) zur Fondswirtschaft des Bundes: "Im Bereich der gesetzesfreien Erfüllung öffentlicher Aufgaben hatte der Bund Finanzleistungen ftir Investitionen der Länder aufgrund eigener Förderungsprogramme und -richtlinien oder Verwaltungsabkommen mit den Ländern mit Bedingungen und Auflagen verbunden, durch die er Einfluß auf die Erftillung der von ihm mitfinanzierten Aufgaben nahm. Waren die Länder auch rechtlich nicht verpflichtet, sich derartigen Bindungen zu unterwerfen, zog doch deren Ablehnung den Verlust der Bundeszuschüsse nach sich."

n Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 262. Kooperativer Föderalismus ist der Oberbegriff fiir die verschiedenen "Spielarten der Zusammenarbeit zwischen den Trägem eines föderalen Systems" (s. Kewenig, Kooperativer Föderalismus und bundesstaatliehe Ordnung, AöR 93 [1968], S. 433). Der in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts in Amerika geprägte Begriff (v gl. hierzu Bothe, Die Kompetenzstruktur des modemen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, S. 2) wurde in der Bundesrepublik 1966 durch das sogenannte Troeger-Gutachten (Kommission ftir die Finanzreform, Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 76 f.) "erstmals in die amtliche Sprache eingeftihrt" (s. Scheuner, Wandlungen im Föderalismus der Bundesrepublik, DÖV 1966, S. 513 ff. [518]). 74 Vgl. hensee, AöR 115 (1990), S. 256. 75 Siehe Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 15. 70 Vgl. Krüger, Zur Bedeutung des Art. 72 Abs. 2 GG ftir die Gesetzgebungskompetenz 73

H. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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Bundesverfassungsgericht sieht nämlich in der Frage nach dem Vorliegen eines Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung eine "Frage pflichtgemäßen Ermessens des Bundesgesetzgebers", die "der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen sei,,77. Diese Zurückhaltung in der Überprüfung des Bedürfnisses ist um so verwunderlicher, als sich das Bundesverfassungsgericht in anderen Fragen weit weniger Zurückhaltung auferlegt. So hält es den Grundsatz der VerhältnismäßigkeieS ebenso für justitiabel wie die Frage, ob eine Regelung so wesentlich ist, daß sie durch Parlamentsgesetz getroffen werden muß 79 • Daß die Bedürfnisklausel einen Oktroi der Siegermächte darstelltSO, den das Bundesverfassungsgericht beseitigen wollte S' , kann die Rechtsprechung zu Art. 72 Abs. 2 GG a.F. nur teilweise erklären. Es ist zu vermuten, daß der nach Vereinheitlichung strebende Zeitgeist beim Bundesverfassungsgericht ·ebenso wie in weiten Teilen der deutschen Staatsrechtslehre s2 den Gedanken der Vielfalt als einem Grundpfeiler eines jeden föderativen Systems ins Abseits gedrängt hat S3 . Andernfalls hätte des Bundes, BayVBI. 1984, S. 545 ff. (549); Schatz, Gesetzgebung und Politikgestaltung aus der Mitte der Landesparlamente, ZG 1991, S. 26 ff. (28). 77 Siehe BVerfDE 2, 213 (224 f.); 4, 115 (127); 10, 234 (245); 13, 230 (233); 33, 224 (229). 7S Vgl. BVerfDE 30, 292 (316 ff.); 49, 24 (58 ff.); 67,157 (173 ff.); 81,156 (192 ff.). 79 Vgl. die Entscheidungen zur Wesentlichkeitstheorie in BVerfDE 33, 1 (10 f.); 47, 46 (78 ff.); 49, 89 (126 ff.); 57, 295 (320 f.); 58, 257 (268 ff.); 75, 1 (75); 77, 120 (230 f.). so In dritter Lesung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates war zunächst folgende Fassung angenommen worden: "Der Bund soll auf diesen Gebieten nur regeln, was einheitlich geregelt werden muß." Erst auf Intervention der Militärgouvemeure wurde in vierter Lesung des Hauptausschusses die Sollvorschrift durch die strenger gefaßte Bedürfnisklausel ersetzt, vgl. JöR N.F. 1 (1951), S. 465 f. 81 So Merlen, Diskussionsbeitrag, in: ders., Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, S. 181, sowie ders., Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: ders. (Hg.), Die Subsidiarität Europas, S. 77 ff. (95). S2 Die Staatsrechtslehre der sechziger und siebziger Jahre stellt zutreffend fest, daß sich die vorn Vielfaltgedanken ausgehenden zentrifugalen Kräfte einern Übergewicht der Zentripetalkräfte gegenübersehen. Daraus wurde geschlossen, daß die Vielfalt nicht länger tragfähige Grundlage und Rechtfertigung des föderativen Systems der Bundesrepublik Deutschland sein könne (vgl. z.B. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12, sowie Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, S. 292 ff.). Es wurden daher neue Legitimationstheorien entwickelt: Hesse (a.a.O., S. 27 ff.) sieht die Rechtfertigung des bestehenden Systems in der Gewaltenteilung sowie in der verstärkten Partizipation, während Lerche (Föderalismus als nationales Ordnungsprinzig, VVDStRL 21 [1964), S. 66 ff. [85 ff.)) die "Homogenität im Verfahren" betont; Ermacara (Staatslehre, S. 640 Rn. 110) spricht mit Blick auf den Ansatz von Lerche von "eigenartigen prozessualen Regeln"; zu weiteren Legitimationstheorien vgl. lsensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 683 ff. Diese Legitimationstheorien beschreiben zwar wesentliche Funktionen des konkreten Bundesstaates; sie treffen jedoch nicht das Wesen des Bundesstaates als eines föderativen Systems, so daß sie auch keine klare Abgrenzung vorn dezentralisierten Einheitsstaat ermöglichen (vgl. etwa lsensee, AöR 115 [1990), S. 260 f.; Scheuner, DÖV 1962, S. 646). '3 Ähnlich Scheuner, DÖV 1966, S. 513 ff. (517).

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A. Grundfragen des Föderalismus

das Gericht den Bereich der Landesgesetzgebung nicht so leichtfertig der Okkupation durch den Bund preisgegeben und damit den Ländern die Möglichkeit genommen, ihre Vielfalt in einer die Besonderheiten des jeweiligen Landes berücksichtigenden Landesgesetzgebung zu entfalten84 . Ein weiteres wichtiges Element der Unitarisierung ist in der zunehmenden Kooperation der Länder untereinander zu sehen. Die Länder waren vor allem in den sechziger Jahren 85 darauf bedacht, sich in den Bereichen, in denen ihnen eigene Gestaltungsmöglichkeiten verblieben waren, auf ein einheitliches Vorgehen zu einigen. Das wichtigste Instrument der Länderkooperation bildeten die Ministerpräsidentenkonferenz sowie Fachministerkonferenzen86 • Als weitere Kooperationsformen sind vor allem Staatsverträge und Verwaltungsabkommen 87 sowie gemeinsame Einrichtungen der Länder88 zu nennen. Auch dieser freiwillige Verzicht der Länder auf Individualität ist Ausdruck des nach Vereinheitlichung drängenden Zeitgeistes sowie des weitgehenden Fehlens einer Landesidentität. Etwa parallel zur Unitarisierung und der mit ihr verbundenen Schwächung der Selbstbestimmung und Eigenständigkeit der Länder erfolgte eine Stärkung des Bundesrates89 • Diese Stärkung vollzog sich in erster Linie im Bereich der Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf ein Gesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates, wenn es nur eine einzige zustimmungsbedürftige Vorschrift enthält90 • In der Praxis hat dies dazu geführt, daß mehr als die Hälfte aller 84 Zur Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 GG a.F. vgl. z.B. Krüger, BayVBl. 1984, S. 546 f.; Scholz, Ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Starck (Hg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. II, S. 252 ff. (260 ff.); Kisker, Neuordnung des bundesstaatlichen Kompetenzgefiiges und Bund-Länder-Planung, Der Staat 14 (1975), S. 169 ff. (188); Merlen, Diskussionsbeitrag, in: ders., Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, S. 181, sowie ders., in: Die Subsidiarität Europas, S. 94-96.

R5

Vgl. Ossenbühl, in: ders., Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 140.

Hierzu siehe Rudolf, Kooperation im Bundesstaat, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 1091 ff. (1106 ff.), sowie Klatt, Interf6derale Beziehungen im kooperativen Bundesstaat - Kooperation und Koordination auf der politischen Leitungsebene, VerwArch 78 (1987), S. 186 ff. (188 ff.). 86

87

Vgl. Rudolf, a.a.O., S. 1114 ff.

RR

Vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 142.

Vgl. zu dieser Entwicklung bereits Ritter von Lex, Die Entwicklung des Verhältnisses von Bund und Ländern in der Bundesrepublik, in: Verfassung und Verwaltung in Theorie und Wirklichkeit. Festschrift fiir Wilhelm Laforet, S. 51 ff. (57). 89

90 Vgl. BVerfGE 8, 274 (294 ff.); 55, 274 (319); zur Kritik an dieser Rechtsprechung s. Schweilzer, Die Zustimmung des Bundesrates zu Gesetzen, Der Staat 15 (1976), S. 169 ff.

II. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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Bundesgesetze als Zustimmungsgesetze verkündet werden9J ; praktisch al1e bedeutenden Gesetzgebungsvorhaben sind ohne die Zustimmung des Bundesrates nicht zu verwirklichen92 . Dabei wurde Art. 84 Abs. 1 GG "das große Einfal1stor"93 rur Zustimmungsgesetze94 . Diese Entwicklung, die vom Grundgesetzgeber nicht gewol1t war95 , hat den Bundesrat in weiten Bereichen zu einem "dem Bundestag materiell gleichwertigen Organ"96 und damit der Sache nach zu einer zweiten Gesetzgebungskammer97 werden lassen. Teilweise wird in der beschriebenen Stärkung des Bundesrats ein angemessener Ausgleich rur die Reduzierung der Länderkompetenzen gesehen 98 • 91 Vgl. die Zahlenangaben bei Antoni, Zustimmungsvorbehalte des Bundesrates zu Rechtsetzungsakten des Bundes - Die Zustimmungs bedürftigkeit von Bundesgesetzen, AöR 113 (1988), S. 329 ff. (332 Fn. 8).

92 Ossenbühl, Föderalismus nach 40 Jahren Grundgesetz, DVBI. 1989, S. 1230 ff. (1235). 93

H. Schneider, Die Zustimmung des Bundesrates zu Gesetzen, DVBI. 1953, S. 257.

94

Hierzu vgl. Antoni, AöR 113 (1988), S. 349 ff.

Vgl. Ossenbühl (Die Zustimmung des Bundesrates beim Erlaß von Bundesrecht, AöR 99 [1974], S. 369 ff. [384 f.]), der darauf hinweist, daß in den Debatten des Parlamentarischen Rates zwischen der Frage der Struktur des "Länderorgans" (Bundesrats- oder Senatssystem) und der Ausgestaltung seiner Kompetenzen eine enge Verbindung bestand; schließlich kam eine Mehrheit für eine Bundesratslösung zustande, die eine nur beschränkte Mitwirkung bei der Bundesgesetzgebung vorsah (vgl. JöR N.F. I [1951], S. 383 ff., 566 ff., 615 ff.); der Bundesrat sollte in der Regel gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz - nach erfolglosem Vermittlungsverfahren - lediglich Einspruch einlegen können (Art. 77 Abs. 3 GG), der vom Bundestag mit qualifizierter Mehrheit zurückgewiesen werden kann (Art. 77 Abs. 4 GG). Nur in den enumerativ aufgezählten Fällen sollte ein Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Ebenso Neunreither, Der Bundesrat zwischen Politik und Verwaltung, S. 67. 95

96 Siehe K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 146; von formeller Gleichwertigkeit kann deshalb nicht gesprochen werden, weil gemäß Art. 77 Abs. I Satz I GG die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen werden (a.a.O., Fn. 146). 97 So z.B. Maunz / Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 317; Schenke, Föderalismus als Form der Gewaltenteilung, JuS 1989, S. 698 ff. (701); in diesem Sinne auch die Formulierung von Art. 5 des Einigungsvertrages, wonach sich die ,,gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands" mit der Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes befassen sollen. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf diese Entwicklung formuliert Ossenbühl (AöR 99 [1974], S. 419), der darauf hinweist, daß der Bundestag im Bereich der Gesetzgebung aus seiner ihm von Art. 77 Abs. I Satz I GG ("Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen.") zugedachten führenden Rolle als oberstes Verfassungsorgan verdrängt werde.

9R Vgl. Klein, Parteipolitik im Bundesrat?, DÖV 1971, S. 325 ff. (329); in diesem Sinne auch die Große Anfrage von 41 Abgeordneten des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung vom 27. Juni 1968 zur "Weiterentwicklung des föderativen Systems", nach der die Frage zu prüfen sei, "ob nicht eine Erweiterung der Bundeszuständigkeiten durch eine gleichberechtigte Beteiligung des Bundesrates an allen Gesetzgebungsmaßnahmen eine den Bedürfnissen unserer Zeit entsprechende Form der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung darstellen würde" (vgl. BT-Drucks. 5/3099, S. 3).

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A. Grundfragen des Föderalismus

Ein solches "Bild kommunizierender Röhren"99, das auf einer Verkennung der Bedeutung der regionalen Vielfalt für jedes föderalistische System beruht, beschreibt die Wirklichkeit in nicht zutreffender Weise. Der Verlust von Kompetenzen und damit von Selbstbestimmungsrechten verringert nämlich die Möglichkeiten der Länder, ihrer Vielfalt in landesspezifischer Gesetzgebung und Verwaltung Ausdruck zu verleihen. Die Ländermitbestimmung auf Bundesebene über den Bundesrat, die ein Element des sog. Beteiligungsförderalismus 100 bildet, eröffnet der Individualität der einzelnen Bundesländer jedoch keine neuen Entfaltungsmöglichkeiten. Soweit der Bundesrat an der Bundesgesetzgebung mitwirkt, geht es nämlich um bundeseinheitliche Regelungen, die - nomen est omen - nicht jeder Besonderheit in den verschiedenen Ländern Rechnung tragen können lol • Die Länder, d.h. genau genommen nur diejenigen, die auf der Seite der Bundesratsmehrheit stehen, können im Bundesrat lediglich ihre Interessen zur Geltung bringen; dabei ist aber zu berücksichtigen, daß auch die Interessen der die Mehrheit bildenden Länder nicht völlig gleichgerichtet sind, so daß das jeweilige Gesetz auch für diese Länder von unterschiedlicher Bedeutung sein kann und die Interessen des einen Landes mehr, die des anderen weniger berücksichtigt lO2 • Zudem werden im Bundesrat die spezifischen Länderinteressen zunehmend durch parteipolitische Rücksichten in den Hintergrund gedrängt l03 • Mitbestimmung ist somit kein vollwertiger Ersatz für Selbstbestimmung lO4 • Es bleibt festzuhalten, daß das Übergewicht der zentripetalen Kräfte in der ersten Entwicklungsphase zu einer Schwächung der föderativen Elemente In der Bundesrepublik Deutschland geführt hat.

99

Siehe Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 39.

Böckenforde, Sozialer Bundesstaat und parlamentarische Demokratie - Zum Verhältnis von Parlamentarismus und Föderalismus unter den Bedingungen des Sozialstaates, in: Jekewitz/Melzer/ Zeh (Hg.), Politik als gelebte Verfassung. Festschrift fur Friedrich Schäfer, S. 182 ff. (184 f.). 100

101 Ähnlich Benda, Föderalismus in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Probleme des Föderalismus. Symposium "Föderalismus in der SFR Jugoslawien und in der Bundesrepublik Deutschland - ein Vergleich", S. 71 ff. (73). 10) Vgl. Lerche, a.a.O., S. 41 f.; Nyman, Der westdeutsche Föderalismus, S. 192. 103 Vgl. Schodder, Föderative Gewaltenteilung in der Bundesrepublik Deutschland. ltine Untersuchung ihrer gegenwärtigen Wirkungen und Probleme, S. 136 ff. Zum Problem der Parteipolitik im Bundesrat s.u. S. 44 f. 104 Vgl. Isensee, AöR 115 (1990), S. 257; Ossenbühl, DVBI. 1989, S. 1235; ebenso Lerche, a.a.O., S. 39 ff.; Schodder, a.a.O., S. 125 ff., sowie Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924 vom 9.12.1976, S. 129 jeweils mit weiteren Argumenten.

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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bb) Die zweite Phase (I) Erstarken der zentrifugalen Kräfte Vertrat Hesse 105 1962 die Ansicht, daß die "Individualität der deutschen Länder ( ... ) bis auf wenige Reste dahin" sei und sich auch nicht wiederherstellen lasse, so zeigte sich etwa Mitte der siebziger Jahre die Unrichtigkeit dieser Einschätzung. Aus den nach wie vor existierenden Elementen der Vielfalt in den einzelnen Ländern hat sich nämlich im Laufe der Zeit eine beachtliche Landesidentität entwickelt ,06 • Dies zeigt sich beispielsweise in den Landtagswahlkämpfen, in denen die politischen Parteien verstärkt die Identitätsgeruhle der Bevölkerung durch entsprechende Parolen ("Wir - in - Bayern/Nordrhein-Westfalen etc.") rur sich zu nutzen suchen lO7 • Es ist bezeichnend, daß die Ministerpräsidenten meist Kinder desjenigen Landes sind, das sie regieren lO8 • Auch die zunehmende Beliebtheit von Veranstaltungen, die der Repräsentation der Landesstaatlichkeit dienen, verwundert vor diesem Hintergrund nicht ,09 • Ging der geringe Anfangsbestand an Identität in den meisten Bundesländern auf das Fehlen einer eigenen Geschichte zurück, so erklärt sich das allmähliche Wachsen des Landesbewußtseins auch aus dem Umstand, daß inzwischen alle Länder ihre eigene Geschichte haben. Dabei wurde das Wachstum dadurch gefördert, daß die Geschichte der meisten Länder eine Erfolgsgeschichte ist llO • Schließlich und vor allem ist auf den Wandel des Zeitgeistes hinzuweisen, der rur die Entwicklung der Landesidentität von besonderer Bedeutung war. Der Glaube an dauernden Fortschritt ist in Fortschrittsphobie umgeschlagen, das Vertrauen in die Vorzüge zentraler Planung und Entscheidung ist nicht zuletzt durch den EG-Zentralismus erschüttert worden, großen Einheiten wird wegen ihrer Anonymität und Stromlinienfömigkeit mit MißDer unitarische Bundesstaat, S. 12. Vgl. Vogel, Die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, in: Benda / Maihofer / Vogel (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 809 ff. (S.860); Herzog, Mängel des deutschen Föderalismus, BayVBI. 1991, S. 513 ff. (516); Kisker, Ideologische und theoretische Grundlagen der bundesstaatlichen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Rechtfertigung des Föderalismus, in: Probleme des Föderalismus. Symposium "Föderalismus in der SFR Jugoslawien und in der Bundesrepublik Deutschland - ein Vergleich", S. 23 ff. (35 f.); Rudolph, in: Klatt, S. 265 ff.; Isensee (in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 686 f.) spricht davon, daß sich in den Ländern, die nicht wie etwa Bayern über eine ursprüngliche Identität verfügen, ein Landesbewußtsein ansatzweise entwickelt hat. 107 Siehe Rudolph, in: Klan, S. 265, 270. lOK Siehe Rudolph, a.a.O., S. 271. 109 Vgl. dazu Kisker, in: Probleme des Föderalismus, S. 36. "0 Vgl. Isensee, AöR 115 (1990), S. 275. lOS

106

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A. Grundfragen des Föderalismus

trauen begegnet. In diesem gesellschaftlichen Klima ist die Besinnung auf kleinere und überschaubarere Ordnungen, die der Eigenart Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen, eine folgerichtige Entwicklung 111. Der Mentalitätswandel wird durch demoskopische Untersuchungen bestätigt. So wurde gemäß einer Allensbach-Umfrage vom September 1988 der Föderalismus von 71% der Befragten befürwortet ll2 . Die beschriebene Koalition aus gewachsener Landesidentität und gewandeltem Zeitgeist hat die zentrifugalen Kräfte so weit gestärkt, daß sie den zentripetalen Kräften wieder Paroli bieten können. Zusätzlichen Auftrieb haben die zentrifugalen Kräfte durch die Wiedervereinigung Deutschlands bekommen, da die regionale Vielfalt - man denke nur an die ökonomischen Unterschiede - eine ungleich größere Rolle als bisher spielen wird 113. (2) Ansätze einer Reföderalisierung Die Stärkung der zentrifugalen Kräfte hat im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland Spuren hinterlassen, "die ausgetrockneten föderalistischen Formen flillen sich langsam mit neuem Leben,,114. Es ist festzustellen, daß der Trend zur Unitarisierung in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre gestoppt wurde I 15. Dies wird belegt durch die Tatsache, daß im Bereich der Gesetzgebung seit der Grundgesetzänderung vom 23.8. 1976" 6 während eines Zeitraums von über eineinhalb Jahrzehnten keine weiteren Kompetenzverlagerungen hin zum Bund erfolgt sind, obwohl seitens des Bundes insbesondere hinsichtlich des Bildungssystems eine Zentralisierungsstrategie verfolgt wurde"? Allerdings kann darin noch keine Trendwende hin zu einer Reföderalisierung im Sinne einer Stärkung der Eigenständigkeit der Länder gesehen wer111

S. I.

Vgl. Isensee, a.a.O., S. 278; Maier, AöR 115 (1990), S. 225 f.; SchäjJer, ÖJZ 1981,

112 Zitiert nach Ossenbühl, in: ders., Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 158; weitere Umfrageergebnisse, die den Trend zum Föderalismus bestätigen, finden sich bei Reuter, Vom kooperativen Föderalismus zurück zum Föderalismus, in: EsterbauerlPemthaler (Hg.), Europäischer Regionalismus am Wendepunkt, S. II ff. (23 Fn. 5). 113 Vgl. Scholz, ZG 1991, S. 32 f. 114

Vgl. Isensee, AöR 115 (1990), S. 279.

11,

Vgl. Reuter, a.a.O., S. 14.

Vgl. BGBl. I S. 2383, Vierunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 74 Nr. 4 a). 116

117 Vgl. den Bericht der Bundesregierung über die strukturellen Probleme des föderativen Bildungssystems (BT-Drucks. 8/1551 vom 23.2.1978) sowie die Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Bericht (BR-Drucks. 120/78 vom 20.10.1978 [Beschluß]).

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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den. Reföderalisierungsschritte wurden zwar von verschiedenen Seiten vorgeschlagen. So trat bereits im Jahre 1976 die Enquete-Kommission Verfassungsreform unter anderem fur eine Aufwertung der Landesgesetzgebung ein, die insbesondere dadurch erreicht werden sollte, daß die Bedürfnisklausel des Art. 72 GG a.F. verschärft und durch eine Konkretisierung justitiabier gemacht wird \18. In den achtziger Jahren sind in verstärktem Maße auf der Ebene der Länder Reföderalisierungsinitiativen zu verzeichnen, die in erster Linie auf eine Stärkung der Landesparlamente durch entsprechende Grundgesetzänderungen abzielten ll9 . All diesen Reformvorschlägen ist jedoch gemeinsam, daß sie nicht umgesetzt wurden. Auch die seit dem Regierungswechsel von 1982 feststellbaren Entflechtungsbemühungen vor allem auf dem Gebiet der Mischfinanzierungen '20 sowie die Selbstbeschränkung des Bundesgesetzgebers in den Bereichen "Graduiertenfö~derung" und "Ausbildungsbeihilfen fur Schüler", die es den Ländern ermöglichte, eigene Regeln zu treffen 121, signalisieren noch keine echte Umkehr der Entwicklung, da der Bund seine Selbstbeschränkung jederzeit aufgeben kann und die Entflechtung die eingetretene "Überverflechtung"l22 lediglich ansatzweise beschneidet. Erst die Wiedervereinigung Deutschlands gab den zentrifugalen Kräften der Vielfalt derart Auftrieb, daß sich die Stärkung der Eigenständigkeit der Länder - von manchen weitsichtig vorhergesagt '23 - Bahn brechen mußte. Ausgangspunkt der Trendwende ist der Gemeinsame Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5.7.1990 über die "Eckpunkte der Länder fur die bundesstaatliche Ordnung im vereinten Deutschland" I24. In diesem Beschluß fordern die Bundesländer eine Stärkung ihrer Kompetenzen, und zwar unter anderem 118 Vgl. den Schlußbericht der Enquete-Konunission Verfassungsreform, BT-Drucks. 71 5924 vom 9.12.1976, S. 131. 119 Vgl. zum Beispiel die Entschließung der Konferenz der Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 14.1.1983 "Standortbestinunung und Perspektiven der Landesparlamente" (Landtag Rheinland-Pfalz, LT-Drucks. 10/22 vom 1.6.1983) sowie die Entschließung einer von den Fraktionsvorsitzendenkonferenzen von CDU 1CSU, SPD und F.D.P. berufenen interfraktionellen Arbeitsgruppe (sog. Martin-Konunission) "Kompetenzen der Landtage" (Landtag Rheinland-Pfalz, LT-Drucks. IO/1l50 vom 9.1.1985). 120 Klau, Reform und Perspektiven des Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/86 vom 12.7.1986, S. 3 ff. (\3 f.). 121 Vogel, Stärkung des Föderalismus durch Selbstbeschränkung in der Bundesgesetzgebung, in: Rüthers 1Stern (Hg.), Freiheit und Verantwortung im Verfassungsstaat. Festgabe zum IOjährigen Jubiläum der Gesellschaft rur Rechtspolitik, S. 493 ff. 122 Siehe Scharpfl Reissertl Schnabel, Politikverflechtung: Theorie und Empirie des kooperativen Föderalismus in der Bundesrepublik, S. 232. JlJ Vgl. zum Beispiel Schalz, ZG 1991, S. 32 f. 124 Das "Eckpunkte-Papier" ist abgedruckt in: Landtag Rheinland-Pfalz, LT-Drucks. ll1 4466 (Anlage).

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A. Grundfragen des Föderalismus

in den Bereichen der Gesetzgebung und der internationalen Beziehungen l25 . In den Verhandlungen der Bundesregierung und der Regierung der DDR über den "Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschland"126 einigte man sich darauf, nur die zwingenden Grundgesetzänderungen in den Einigungsvertrag aufzunehmen, gleichzeitig jedoch dem Gesetzgeber des vereinten Deutschland zu empfehlen, "sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen, insbesondere in bezug auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern entsprechend dem Gemeinsamen Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5. Juli 1990" (vgl. Art. 5, 1. Spiegelstrich Einigungsvertrag)127. Hierauf ist mit Beschluß des Bundesrates vom 1.3.1991 128 eine "Kommission Verfassungsreform" eingesetzt worden, die am 14.5.1992 den Bericht "Stärkung des Föderalismus in Deutschland und Europa sowie weitere Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes"129 beschlossen hat. Dieser Bericht floß in die Arbeit der von Bundestag 130 und Bundesrat 13 1 im November 1991 eingesetzten "Gemeinsamen Verfassungskommission" ein, die sich entsprechend dem Auftrag des Art. 5 Einigungsvertrag mit einigungsbedingten Fragen zur Änderung des Grundgesetzes befaßte und am 28.1 0.1993 einen Abschlußbericht l32 vorlegte. Darin sind unter anderem Empfehlungen für Verfassungsänderungen enthalten, die von der "Gemeinsamen Verfassungskommission" mit Zweidrittelmehrheit beschlossen worden sind. Das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit sollte den Weg dafür ebnen, daß die rechtlich nicht bindenden Empfehlungen von den für eine Verfassungsänderung zuständigen Gesetzgebungsorganen realisiert werden 133. Eine Stärkung der Länder innerhalb des föderativen Staatsaufbaus können vor allem diejenigen Empfehlungen bewirken, die sich mit den Gesetzgebungskompetenzen befassen. Die vorgeschlagene Umwandlung des Art. 72 Abs. 2 GG (Bedürfnisklausel) in eine Erforderlichkeitsklausel 134 dient dazu, 125 Vgl. hierzu KlaU, Deutsche Einheit und bundesstaatliche Ordnung, VerwArch 82 (1991), S. 430 ff. (450 ff.). 126 Unterzeichnet am 31.8.1990 (BGBI. II S. 889), im folgenden: Einigungsvertrag. 127 Vgl. hierzu Landtag Rheinland-Pfalz, LT-Drucks. 1114466, S. 2. 12" BR-Drucks. 103/91. 129 BR-Drucks. 360/92. 130 131 132 133

BT-Drucks. 12/1590, 12/1670. BR-Drucks. 741/91. BT-Drucks. 12/6000. Vgl. ebenda, S. 9.

134 Vgl. ebenda, S. 16: "Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht."

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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"die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zu konzentrieren, zu verschärfen und zu präzisieren mit dem Ziel, die als unzureichend empfundene lustitiabilität der Bedürfnisklausel durch das Bundesverfassungsgericht zu verbessern"iJ5. Dieses Ziel wird auch durch die empfohlene Einfügung eines Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG 136 verfolgt, nach dem die Beachtung des Art. 72 Abs. 2 GG im Wege der abstrakten Normenkontrolle überprüft werden kann. Das Antragsrecht soll neben Bundesrat und Landesregierungen erstmals auch den Länderparlamenten zustehen, da diese durch die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund in besonderem Maße in ihren Befugnissen betroffen werden 137. Die Verschärfung des Art. 72 Abs. 2 GG wird sich auch im Bereich der Rahmengesetzgebung des Bundes zu Gunsten der Länder auswirken, da auch die vorgeschlagene Neufassung eines Art. 75 Abs. 1 GG 138 auf Art. 72 Abs. 2 GG verweist. Zudem soll der extensiven Ausnutzung der Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund dadurch Einhalt geboten werden, daß Rahmenvorschriften grundsätzlich nur noch an die Gesetzgebung der Länder adressiert werden dürfen I39 • "In Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen" sollen nur ausnahmsweise zulässig sein 140. Hinsichtlich der Kompetenzkataloge der Art. 74 und 75 GG werden nur geringfügige Änderungen zu Gunsten der Länder vorgeschlagen. So soll das Recht der Erschließungsbeiträge, das bislang im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung angesiedelt war (vgl. Art. 74 Nr. 18 GG), künftig durch den Landesgesetzgeber geregelt werden '41 • Die Kompetenz für "den Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland" (vgl. Art. 74 Nr. 5 GG) soll in die Rahmengesetzgebungskompetenz überführt werden '42 . Zudem soll die Materie "Film" aus der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 75 Nr. 2 GG herausgenommen werden '43 . Diese den innerstaatlichen Bereich betreffenden Empfehlungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27.1 0.1994 144 - teilweise in leicht modifizierter Form - umgesetzt worden 145. Dies wird voraussichtlich zu 135 Ebenda, S. 33. 136Ebenda,S.17. 137 Ebenda, S. 36. 13" Ebenda, S. 16 f. 139 Vgl. die vorgeschlagene Neufassung des Art. 75 Abs. I GG. 140 Vgl. den neu einzufügenden Art. 75 Abs. 2 GG, ebenda, S. 17. 141 Ebenda, S. 16. 142 Ebenda, S. 16 f. 143 Ebenda, S. 17. 144 BGBI. I S. 3146. 145 Siehe hierzu Sannwald, Die Reform des Grundgesetzes, NJW 1994, S. 3313 ff. (3315 3 Pfeifer

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A. Grundfragen des Föderalismus

einer Stärkung der Eigenständigkeit der Länder führen. Vor allem die Verschärfung des Art. 72 Abs. 2 GG kann hierzu beitragen, wenn das Bundesverfassungsgericht seine bisherige Zurückhaltung aufgibt und die Beachtung der strengeren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund ernsthaft nachprüft. Das Wachsen der zentrifugalen Kräfte hat schließlich zu einer gewissen Stärkung der Position der Bundesländer im Prozeß der europäischen Integration geführt. Die zunehmende Übertragung nationaler Kompetenzen auf die Europäische Union, die gemäß Art. 24 Abs. 1 GG a.F. durch einfaches Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen konnte 146, sowie die vom Europäischen Gerichtshof gebilligte übermäßige Ausschöpfung dieser Kompetenzen durch Kommission und Rat brachten nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder erhebliche Kompetenzverluste mit sich '47 • Während der Bund immerhin die Möglichkeit hat, auf EU-Ebene beim Erlaß sekundären Gemeinschaftsrechts mitzubestimmen, sah das primäre Gemeinschaftsrecht bis zum Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union '48 keine Mitwirkungsbefugnisse der Länder vor l49 • Die Länder gaben sich lange Zeit der Illusion hin, Kompetenzverluste durch eine Beteiligung an der der Entscheidung im EG-Ministerrat vorgelagerten Willensbildung des Bundes in EU-Angelegenheiten auszugleichen '50 • Die Beteiligungsverfahren wurden zwar auf Druck der Länder mit der Zeit verfeinert und effizienter gestaltet l51 ; dennoch bedeuteten sie keine echte Kompensation, da Mitff.) sowie Rybak/ Hofmann, Verteilung der Gesetzgebungsrechte zwischen Bund und Ländern nach der Reform des Grundgesetzes, NVwZ 1995, S. 230 ff. 146 Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 24 Abs. I GG a.F. ist zu entnehmen, daß diese Regelung als die speziellere Norm dem Art. 59 Abs. 2 Satz I GG, der bei völkerrechtlichen Verträgen unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung des Bundesrates verlangt, vorgeht, vgl. von Simson / Schwarze, Europäische Integration und Grundgesetz: Maastricht und die Folgen rur das deutsche Verfassungsrecht, S. 33 f. m.w.N. 147 Vgl. hierzu aus der kaum noch zu überschauenden Literatur beispielsweise: Schröder, Bundesstaatliche Erosionen im Prozeß der europäischen Integration, JöR N.F. 35 (1986), S. 83 ff.; Streinz, Die Auswirkungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer, in: Heckmann / Meßerschmidt (Hg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, S. 15 ff.; Oschatz, EG-Rechtsetzung und deutscher Föderalismus, in: Merten (Hg.), Föderalismus und Europäische Gemeinschaften, S. 63 ff.; Ossenbühl, in: ders. (Hg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 146 ff.; Graf Vitzthum, Der Föderalismus in der europäischen und internationalen Einbindung der Staaten, AöR 115 (1990), S. 281 ff.; Zuleeg, Die Stellung der Länder und Regionen im europäischen Integrationsprozeß, DVBI. 1992, S. 1329 ff. 14N Vgl. BGBL II S. 1253; der Vertrag wurde am 7.2.1992 unterzeichnet; nach Abschluß der Ratifikation durch die Mitgliedstaaten trat er am 1.11.1993 in Kraft. 149 Dazu Zuleeg, DVBI. 1992, S. 1330 f.

150

Vgl. Ossenbühl, a.a.O., S. 293 f.

Vgl. hierzu etwa Borchmann, Bundesstaat und europäische Integration - Die Mitwirkung der Bundesländer an Entscheidungsprozessen der EG, AöR 112 (1987), S. 586 ff.; 151

11. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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wirkung an der Willensbildung der Bundesrepublik kein vollwertiger Ersatz für Selbstbestimmung ist und obendrein auch die Bundesrepublik im Ministerrat lediglich mitbestimmt und in Bereichen, in denen keine Einstimmigkeit erforderlich ist, überstimmt werden kann. Erfolgversprechendere Schritte zur Sicherung der Eigenständigkeit der Länder erfolgten erst nach der Wiedervereinigung, die eine Intensivierung der Länderaktivitäten mit sich brachte l52 . Der neue Europa-Artikel 23 GG 153 , in dem die Empfehlungen der gemeinsamen Verfassungskommission nahezu unverändert übernommen wurden l5 \ bestimmt in Absatz 1, daß für die gesetzliche Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union künftig die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist (Satz 2) und für die Begründung der Europäischen Union sowie rur Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die das Grundgesetz inhaltlich geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, Art. 79 Abs. 2 und 3 gilt (Satz 3Y55. Damit wird den Ländern über den Bundesrat die Möglichkeit gegeben, gegen künftige Hoheitsrechtsübertragungen ein Veto einzulegen. Bereits auf die Europäische Union übertragene Kompetenzen werden damit jedoch nicht zurückgeholt, ihre übertriebene Ausnutzung durch die Europäische Union nicht verhindert. Daß das bisher einfachrechtlich l56 geregelte Verfahren zur Beteiligung der Länder an der innerstaatlichen Willensbildung in EU-Angelegenheiten in Art. 23 Abs. 2, 4, 5 GG n.F. unter Erweiterung ausdrücklich in der Verfassung verankert wurde 157, ändert nichts an dem Befund, daß Beteiligung Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft; Oschatz / Risse, Bundesrat und Europäische Gemeinschaften - Neue Verfahrensregeln der Bundesrats-Geschäftsordnung für EG-Vorlagen, DÖV 1989, S. 509 ff. 152 Einen guten Überblick hierüber bietet die Dokumentensammlung von Bauer (Hg.), Europa der Regionen: aktuelle Dokumente zur Rolle und Zukunft der deutschen Länder im europäischen Integrationsprozeß. 153 Eingefügt durch Art. I Nr. I des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992 (BGBI. I S. 2086); zur Entstehung und zum Inhalt vgl. Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, S. 817 ff. (820 ff.). 154 Vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 15. 155 Vgl. dazu Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Art. 23, BayVBI. 1992, S. 705 ff. (707 f.). 156 Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEAG) vom 19.12.1986 (BGBI. 11 S. 1102) und die in Ausfuhrung hierzu geschlossene Bund-LänderVereinbarung vom 17.12.1987 (abgedr. in: Schmidt-Meinecke, Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, S. 98 ff.). Art. 2 EEAG tritt gemäß §§ 15 f. des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993 (BGBI. I S. 313) - hierbei handelt es sich um das Ausführungsgesetz zu Art. 23 Abs. 4 bis 6 GG n.F. (vgl. Art. 23 Abs. 7 GG n.F.) - mit dem Tage der Gründung der Europäischen Union außer Kraft. 157 Vgl. dazu Wilhelm, BayVBI. 1992, S. 708 f.; Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grund-

3'

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Selbstbestimmung nicht ersetzen kann. Die grundgesetzliche Normierung kann allenfalls verfassungsrechtliche Bedenken gegen die einfachrechtliche Regelung des Beteiligungsverfahrens l58 zerstreuen. Schließlich soll gemäß Art. 23 Abs. 6 GG n.F. die Wahrnehmung der mitgliedstaatlichen Rechte der Bundesrepublik Deutschland auf einen vom Bundesrat zu benennenden Vertreter der Länder übertragen werden, wenn im Schwerpunkt deren ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse betroffen sind. Künftig kann also unter den in Art. 23 Abs. 6 GG n.F. genannten Voraussetzungen ein Landesminister Deutschland bei der Behandlung von EU -Vorhaben im Ministerrat eigenverantwortlich - allerdings unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung - vertreten l59 , so daß die Länder nicht länger auf die Beteiligung an der innerstaatlichen Willensbildung beschränkt sind, sondern nunmehr über das Recht zur unmittelbaren Mitwirkung auf EUEbene verfügen, was einen gewissen Fortschritt bedeutet. Dieser den Ländern von der nationalen Rechtsordnung eingeräumten Befugnis korrepondiert der neue Art. 146 EGV, der durch den Vertrag über die Europäische Union eingefügt wurde und die unmittelbare Ländermitwirkung jetzt erlaubt l60 . Dieser neue Art. 146 EGV zeigt, daß die Länder die "LandesBlindheit"161 des primären Gemeinschaftsrechts sowie die Notwendigkeit, ins Primärrecht Regelungen zum Schutz ihrer Eigenständigkeit einzubauen, erkannt haben. Die daraus resultierenden Forderungen der Bundesländer fanden insoweit Gehör, als neben dem erwähnten Art. 146 die Art. 198 a-c sowie gesetzes, Der Staat 32 (1993), S. 191 ff. (207 ff.); zur Entstehungsgeschichte s. Schalz, Grundgesetz und europäische Einigung, NlW 1992, S. 2593 ff. (2595 ff.). 15R Vg!. dazu Rudalf, Die deutschen Bundesländer und die Europäischen Gemeinschaften nach der Einheitlichen Europäischen Akte, in: lekewitz u.a. (Hg.), Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung. Festschrift für Kar! loser Partsch zum 75. Geburtstag, S. 357 ff. (365 ff.); Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte - ein Schritt zur "Föderalisierung" der Europapolitik, EuGRZ 1987, S. 361 ff. (367), sowie - die Verfassungskonformität des Art. 2 EEAG bejahend - Merten, Föderalistische Mitgliedstaaten in einer Europäischen Union, in: Funk u.a. (Hg.), Staatsrecht und Staatswissenschaften in Zeiten des Wandels. Festschrift für Ludwig Adamovich zum 60. Geburtstag, S. 446 ff. (458 f.). 159 Vg!. hierzu Wilhelm, BayVB!. 1992, S. 710; Classen (Maastricht und die Verfassung: kritische Bemerkungen zum neuen "Europa-Artikel" 23 GG, ZRP 1993, S. 57 ff. [60]) lehnt die Entsendung von Länderministern nach Brüssel mit dem wenig überzeugenden Hinweis auf das Demokratieprinzip ab. 160 Bisher sah Art. 2 Abs. I des Vertrages zur Einsetzung eines Gemeinsamen Rates und einer Gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965 (BGB!. II S. 1454) vor, daß jede Regierung eines Mitgliedstaates "eines ihrer Mitglieder" in den Rat entsendet. 161 Siehe H.-P Ipsen, Als Bundesstaat in der Gemeinschaft, in: von Caemmerer / Schlochauer / Steindorff (Hg.), Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein zu seinem 65. Geburtstag, S. 248 ff. (256).

Il. Einheit und Vielheit: Die Grundlagen des Föderalismus

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vor allem Art. 3b durch den Vertrag über die Europäische Union in den EGVertrag eingefügt wurden. Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, ob der durch die Art. 198 a-c EGV geschaffene Ausschuß der Regionen die Interessen der Bundesländer (der Regionen bzw. der Autonomen Gemeinschaften) wirksam zur Geltung bringen kann, da er lediglich beratende Funktion hat '62 • Demgegenüber könnte die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips (im engeren Sinne) in Art. 3b Abs. 2 des EG-Vertrages einen bedeutsamen Beitrag zur Wahrung der Eigenständigkeit der Länder leisten, wenn durch sie die übermäßige Ausnutzung der EG-Kompetenzen durch Rat und Kommission künftig verhindert würde. Art. 3b Abs. 2 EGV umschreibt das Subsidiaritätsprinzip dahingehend, daß die EU in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit '63 fallen, nur dann tätig wird, "sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können". Ein Tätigwerden der EU setzt demnach erstens voraus, daß die Mitgliedstaaten die Vertragsziele nicht ausreichend erreichen können. Neben diesem sogenannten Notwendigkeitskriterium '6\ für dessen Einfügung in den Vertragstext vor allem die Bundesländer gekämpft haben '65 , muß zweitens das sog. Effizienzkriterium '66 erfüllt sein, nach dem die EU nur dann handeln darf, wenn die Gemeinschaftsziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Mit anderen Worten: Im Anwendungsbereich des Art. 3b Abs. 2 EGV kommen Gemeinschaftsmaßnahmen bereits dann nicht in Betracht, wenn nur eines der beiden genannten Kriterien nicht gegeben ist. Ob Art. 3b Abs. 2 EGV in der Praxis tatsächlich als Kompetenzverteilungsnorm '67 in der beschriebenen Weise wirksam werden wird '68 , ist je162 Vgl. hierzu Bleckmann, Der Vertrag über die Europäische Union, DVBI. 1992, S. 335 ff., der die Möglichkeiten des Ausschusses etwas zu optimistisch beurteilt, sowie Pernice, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, DVBI. 1993, S. 909 ff. (917 f.). 163 Zu dem umstrittenen Begriff der ausschließlichen Zuständigkeit vgl. ausführlich Stein, Subsidiarität als Rechtsprinzip?, in: Merten (Hg.), Die Subsidiarität Europas, 1993, S. 23 ff. (32 ff.). 164 Vgl. Hummer, Subsidiarität und Föderalismus als Strukturprinzipien der Europäischen Gemeinschaften?, ZtRV 1992, S. 81 ff. (89). 165 Siehe die Darstellung der Entstehungsgeschichte von Borchmann, Europäische Union: Mitwirkungsföderalismus, Substanzföderalismus und das Subsidiaritätsprinzip, VR 1992, S. 225 ff. 166 Vgl. Hummer, a.a.O., S. 89.

167

Vgl. Stein, in: Merten, Die Subsidiarität Europas, S. 31.

Zur Anwendung in der Praxis siehe Schmidhuber / Hitzier, Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EWG-Vertrag - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer föderalen Verfassung der Europäischen Gemeinschaft, NVwZ 1992, S. 720 ff. (723 f.). 16'

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A. Grundfragen des Föderalismus

doch keineswegs sicher. Die Bedenken werden vor allem von der unklaren Formulierung des Art. 3b Abs. 2 EGV sowie der bisherigen Rolle des Europäischen Gerichtshofs im Integrationsprozeß gespeist. In Art. 3b Abs. 2 EGV wird das Effizienzkriterium, durch welches das herkömmliche Subsidiaritätsprinzip modifiziert wird '69 , durch die Worte "und daher" mit dem Notwendigkeitskriterium verbunden. Aus diesem Wortlaut könnte bei oberflächlicher Betrachtung geschlossen werden, daß immer dann, wenn die Gemeinschaftsziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, diese Ziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, daß also bei Vorliegen des Notwendigkeitskriteriums automatisch auch das Effizienzkriterium vorliegt. Welche Blüten solche Oberflächlichkeit treiben kann, zeigt sich, wenn behauptet wird, daß "der Begriff 'ausreichend' eine Konkretisierung von ,besser'" darstelle und "eine eigenständige Bedeutung der Umschreibung ,ausreichend'" entfalle 17D • Diese Sichtweise ignoriert den Unterschied zwischen dem Notwendigkeitskriterium und dem Effizienzkriterium. Kann nämlich ein Ziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß die Zielerreichung durch die Mitgliedstaaten nicht ausreichend ist. Umgekehrt kann von der nicht ausreichenden Zielerreichung auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht in jedem Fall darauf geschlossen werden, daß das Ziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann '71 • Zudem steht einer Gleichsetzung der beiden in Art. 3b Abs. 2 EGV genannten Kriterien die Entstehungsgeschichte der Vorschrift entgegen, die in den Vertragsentwürfen nur das Effizienzkriterium enthielt. Weil diese Ausgestaltung nicht geeignet schien, nationale sowie regionale Gestaltungsspielräume zu schützen, wurde das Notwendigkeitskriterium aufgenommen. Daraus folgt gleichzeitig, daß auch Sinn und Zweck der Vorschrift gegen die genannte Gleichsetzung spricht. Das Bindewort "daher" ist deshalb umY2 oder wegzuinterpretieren, da es zwei Merkmale verbindet, die so sinnvollerweise nicht verbunden werden können. Eingedenk der mit Art. 72 Abs. 2 GG a.F. gemachten Erfahrungen liegt es auf der Hand, daß die von Art. 3b Abs. 2 EGV ausgehenden Wirkungen entscheidend davon abhängen werden, inwieweit der Europäische Gerichtshof bereit ist, Maßnahmen der Gemeinschaft auf ihre Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip hin zu überprüfen. Zwar wird das in Art. 3b Abs. 2 EGV 169 Vgl. hierzu Hummer, a.a.O., S. 81 f., der nachweist, daß das von der katholischen Soziallehre entwickelte Subsidiaritätsprinzip moderner Prägung auf dem Notwendigkeits-, nicht aber auf dem Effizienzkriterium beruht; ähnlich auch Wimmer / Mederer, Das Subsidiaritätsprinzip und seine Entdeckung durch die Europäische Gemeinschaft, ÖJZ 1991, S. 586 ff. (588). 170 So aber Stewing, Das Subsidiaritätsprinzip als Kompetenzverteilungsregel im Europäischen Recht, DVBI. 1992, S. 1516 ff. (1518). 171 Vgl. Merten, in: ders., Die Subsidiarität Europas, S. 81.

172

Merlen, a.a.O., S. 83 schlägt vor, das Wort "daher" in "darüber hinaus" umzudeuten.

IlI. Charakteristika föderativer Systeme

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geregelte Rechtsprinzip im Grundsatz überwiegend als justitiabel angesehen 173 • Angesichts der Unbestimmtheit der normierten Merkmale sowie des Selbstverständnisses des Europäischen Gerichtshofs, der sich als Motor der Integration sieht l74 , ist jedoch abzuwarten, ob Maßnahmen der Gemeinschaft einer effektiven gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips unterworfen werden 175.

111. Charakteristika föderativer Systeme Die oben entwickelte Definition des Föderalismus beschreibt dieses Ordnungsprinzip nur in sehr allgemeiner Weise. Zur Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes ist es daher erforderlich, Grundstrukturen föderativer Systeme herauszuarbeiten. Die wissenschaftlichen Bemühungen, die auf die Erarbeitung dieser Strukturen gerichtet sind, gehen meist vom Bundesstaat als dem wichtigsten Beispiel eines föderativen Systems aus. Hieran anknüpfend lassen sich die folgenden Charakteristika föderativer Systeme benennen l76 : 1. Die Kompetenzverteilung zwischen Gliedern und übergeordneter Einheit

Tocqueville 177 weist im Rahmen einer Darstellung der amerikanischen Bundesverfassung auf die Notwendigkeit hin, "die oberste Gewalt so aufzuteilen, daß die Staaten, welche die Union bildeten, sich weiterhin in allem selbst regierten, das nur ihre innere Wohlfahrt betraf, ohne daß die in der Union verkörperte Gesamtnation aufhörte, eine Körperschaft zu sein und für alle die Gesamtheit betreffenden Bedürfnisse aufzukommen". Die Kompetenzen müssen also dergestalt aufgeteilt werden, daß die Eigenständigkeit der 17l Vgl. Stein, a.a.O., S. 37; Wessels, Maastricht: Ergebnisse, Bewertungen und Langzeittrends, Integration 1992, S. 2 ff. (5); Schmidhuber I Hitzler, NVwZ 1992, S. 725; zweifelnd dagegen Everling, Überlegungen zur Struktur der europäischen Union und zum neuen Europa-Artikel des Grundgesetzes, DVBI. 1993, S. 936 ff. (940), sowie Hrbek, Der Ertrag der "Verfassungsdebatte" von Maastricht: Ein Erfolg für den Föderalismus und die deutschen Länder?, in: Baur I Müller-GraffI Zuleeg (Hg.), Europarecht, Energierecht, Wirtschaftsrecht. Festschrift für Bodo Börner zum 70. Geburtstag, S. 125 ff. (138). 174 Vgl. hierzu z.B. P. Kirchhof, Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, in: EuR 1991, Beiheft I, S. 11 ff. (\ 6 f.). 175 Siehe dazu ausführlich Stein, a.a.O., S. 36 ff. 176 Vgl. hierzu Bothe, Kompetenzstruktur, S. 10; Gonztilez Encinar, EI Estado unitariofederal, S. 88 f. ähnlich Scheuner, Die föderalistische Ordnung in den Vereinigten Staaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in: Süsterhenn (Hg.), Föderalistische Ordnung, S. 63 ff. (66 f.); K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 87, sowie Oberreuter, in: Staatslexikon, Bd. H, Sp. 635 f. 177 Über die Demokratie in Amerika, in: ders., Werke und Briefe, Bd. I, S. 128 f.

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A. Grundfragen des Föderalismus

Glieder ebenso sichergestellt wird wie der Bestand der von den Gliedern gebildeten Einheit. Dies ergibt sich unmittelbar auch aus der oben entwickelten Definition des Föderalismus 178. Sollen die eine Einheit bildenden Gemeinwesen ein eigenständiges Dasein führen können, muß ihnen die Möglichkeit zu selbständigem Handeln eröffnet werden, was in Zeiten zunehmender Verrechtlichung insbesondere einen Mindestbestand eigener Gesetzgebungskompetenzen voraussetzt, da vor allem sie es den Gliedern ermöglichen, ihren jeweiligen Besonderheiten Rechnung zu tragen 179. Auf der anderen Seite würde die von den Gliedern gebildete Einheit in ihrer Existenz bedroht, verfügte sie nicht ihrerseits über eine Mindestausstattung an Kompetenzen. 2. Die funktionsgerechte Finanzausstattung In engem Zusammenhang mit der Frage der Kompetenzverteilung steht die Frage der Finanzausstattung der Glieder sowie des von ihnen gebildeten Gemeinwesens. Die wirksame Wahrnehmung der zugewiesenen Kompetenzen setzt nämlich, soweit sie mit Kosten verbunden ist, eine hinreichende Versorgung des Kompetenzträgers mit Finanzmitteln voraus. Ohne ein gewisses Maß an finanzieller Selbständigkeit werden die Glieder keine eigenständige Politik betreiben können. Umgekehrt wird die übergeordnete Ebene die ihr übertragenen Aufgaben bei mangelhafter Finanzausstattung nicht befriedigend erledigen können. 3. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung der übergeordneten Einheit Die Entscheidungen des umfassenderen Gemeinwesens betreffen die Glieder vielfach unmittelbar. Aus dieser Betroffenheit. folgt die Notwendigkeit, die Glieder an der Willensbildung der übergeordneten Ebene so zu beteiligen, daß die hinreichende Berücksichtigung ihrer Interessen gewährleistet wird. Hauptinstrument der Interessenwahrung ist die Institutionalisierung der Mitwirkung in einer eigenen Kammer der Glieder, die die "Repräsentanz,,18o der Glieder auf der höheren Ebene darstellt.

"'Ygl. oben S. 17. 179 Ebenso der Schlußbericht der Enquete-Kommission Yerfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, S. 123. ,"0 Ygl. Ermacora, Staatslehre, S. 656.

III. Charakteristika föderativer Systeme

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4. Schutz der genannten Elemente durch erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung Die aufgeführten Grundstrukturen sollen die Eigenständigkeit der Glieder einerseits sowie den Bestand der übergeordneten Ebene andererseits und damit das Fortbestehen des betreffenden föderativen Systems insgesamt gewährleisten. Es bedeutet daher einen notwendigen Schutz des föderativen Systems, daß diese verfassungsrechtlich verankerten Strukturelemente nur unter erschwerten Voraussetzungen abgeändert werden können und auf diese Weise insbesondere von "zentralistischen Launen" 181 des umfassenderen Gemeinwesens verschont bleiben. Handelt es sich allerdings nicht nur um eine vorübergehende Laune, sondern um eine Grundströmung in der Gesellschaft, so wird auch die erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung eine Änderung der föderativen Grundstrukturen auf Dauer nicht verhindern können l82 • 5. Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte Streitigkeiten zwischen dem umfassenderen Gemeinwesen und den Gliedern sowie unter einzelnen Gliedern sind in föderativen Staaten nichts Ungewöhnliches, da die bei den Ebenen wie auch jedes der Glieder im Nonnalfall auf die Wahrung ihrer Position bedacht sind. Sofern die sich meist an Kompetenz- sowie Finanzfragen entzündenden Konflikte nicht im Wege infonneller Verständigung bewältigt werden können, ist ein fonneller Mechanismus erforderlich, durch den die Beendigung des Streits erreicht werden kann. Hier kommt in erster Linie die Streitentscheidung durch ein Verfassungsgericht in Betracht 183. Bei der Beantwortung der Frage, ob im konkreten Fall ein föderatives System vorliegt, ist von den genannten strukturellen Momenten auszugehen. Vor einer allzu schematischen Prüfung ist jedoch zu warnen, da die einzelnen Elemente von Fall zu Fall eine ganz unterschiedliche Ausprägung finden können. Es kommt vielmehr entscheidend auf das Gesamtbild an, das nur dann als föderativ zu qualifizieren ist, wenn die die Entfaltung der Vielfalt erst ennöglichende Eigenständigkeit der Glieder ebenso gewahrt ist wie der Bestand des von den Gliedern gebildeten Gemeinwesens. So kann der föderative Charakter eines Systems nicht allein mit dem Hinweis auf die nur schwach entwickelten Mitwirkungsmöglichkeiten der Glieder an der Willensbildung der übergeordneten Ebene verneint werden; solche unterentwickelte IKI IK2

Siehe Bothe, Kompetenzstruktur, S. 137. Siehe oben S. 18, 20 ff.

IKJ Vgl. zur gerichtlichen Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten bereits Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, in: ders., Werke und Briefe, Bd. I, S. 129.

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A. Grundfragen des Föderalismus

Partizipation ist nämlich hinsichtlich der Eigenständigkeit der Glieder von lediglich untergeordneter Bedeutung, da Selbständigkeit nicht primär auf Mitbestimmung beruht, sondern auf Selbstbestimmung, die in einer entsprechenden Kompetenz- und Finanzausstattung der Glieder wurzelt I84. Umgekehrt kann von umfassenden Partizipationsrechten der Glieder nicht ohne weiteres auf das Vorliegen eines föderativen Systems geschlossen werden, da die Eigenständigkeit der Glieder hiervon nicht entscheidend abhängt.

IV. Grundmodelle föderativer Staatsorganisation Behandelte Abschnitt A. 11. die Fundamente, auf denen föderative Systeme ruhen, so geht es in diesem Abschnitt darum, zwei Grundmodelle föderativer Staatsorganisation zu unterscheiden - das Verbundmodell und das Trennmodell - und zu prüfen, ob das eine Modell besser für eher homogene, das andere für eher heterogene Staaten geeignet ist. Vorn Verbundmodell spricht man bei Systemen, in denen Bund und Glieder stärker verflochten sind, während beim Trennmodell die bei den Systemebenen schärfer voneinander getrennt sind l85 • 1. Das Verbundmodell

a) Charakteristika

Die für dieses Modell charakteristische Verflechtung liegt vor allem in der Art der Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Gliedern begründet. Die Kompetenzverteilung erfolgt nicht primär nach Sachgebieten, sondern nach den klassischen Staats/unktionen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Dieses Kompetenzverteilungsprinzip findet sich beispielsweise im Bonner Grundgesetz, nach dem die Gesetzgebung überwiegend beim Bund angesiedelt ist, während den Ländern im Bereich der Verwaltung eine dominierende Rolle zugewiesen ist. Vorn Bund erlassene Gesetze werden im Regelfall (vgl. Art. 83 GG) von den Ländern ausgeführt. Da das Erreichen des von dem Gesetzgeber angestrebten Ziels ganz wesentlich von der Art und Weise des Vollzugs des Gesetzes abhängt, ist es notwendig, dem Bund die Möglichkeit zu geben, so auf den Landesvollzug der Bundesgesetze Einfluß zu nehmen, daß die Zielerreichung gewährleistet wird. Das Grundgesetz eröffnet denn auch dem Bund in den Art. 84 f. eine ganze Reihe von Einfluß184

Siehe oben S. 40.

Vgl. Scheuner, in: Föderalistische Ordnung, S. 64; ebenso Schultze, Artikel "Föderalismus", in: Manfred G. Schmidt (Hg.), Pipers Wörterbuch zur Politik, Bd. H, S. 93 ff. (I 0 I), sowie Oberreuter, in: Staatslexikon, Bd. H, Sp. 636. 105

IV. Grundmodelle föderativer Staatsorganisation

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möglichkeiten. Neben der Aufsicht ist vor allem das Recht des Bundes zu nennen, Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren durch Gesetz zu regeln. Solche Bundesgesetze bedürfen gemäß Art. 84 I, Art. 85 I GG - abgesehen von der Regelung des Verfahrens der Auftragsverwaltung l86 - der Zustimmung des Bundesrates, da der Bund durch sie intensiv in den den Ländern insoweit zugewiesenen Bereich des Gesetzesvollzugs eingreift. Die Länder gewinnen daher immer dann, wenn der Bund auf Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren Einfluß nehmen will, ihrerseits Mitwirkungsmöglichkeiten auf Bundesebene 187 . Damit ist ein weiteres für das Verbundmodell typisches Element der Verflechtung der Ebenen angesprochen, nämlich die stark ausgeprägte Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Bundes. Hauptinstrument dieser Mitwirkung ist in Deutschland der Bundesrat. Die bereits erwähnte Stärkung dieses Verfassungsorgans l88 ist zum einen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen, nach der ein Gesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wenn es nur eine einzige zustimmungsbedürftige Vorschrift enthält, zum anderen und vor allem auf das Verhalten des Bundes, der die Möglichkeit der bundesgesetzlichen Einflußnahme auf die Landesverwaltung gemäß Art. 84 Abs. I GG extensiv genutzt l89 und auf diesem Weg den Bundesrat zunehmend ins Spiel gebracht hat. Die starke Stellung des Bundesrates folgt weiterhin aus Art. 79 Abs. 2 GG, wonach verfassungsändernde Gesetze der Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates bedürfen, sowie aus den Vorschriften über die Finanzverfassung. So stützte sich bei 21,6% der Zustimmungsgesetze die Zustimmungsbedürftigkeit auf Art. 105 Abs. 3 GG I90 , der für bundesgesetzliche Regelungen über Steuern, die ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließen, die Zustimmung des Bundesrates fordert. Daneben ist vor allem auf die Mitwirkung des Bundesrates an der Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer hinzuweisen (Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG). Im Idealfall spielt der Bundesrat die Rolle eines Interessenvertreters der Länder auf Bundesebene l9 1, der mittels seiner exekutiven Struktur administraIR6 Nach h.M. bedarf die bundesgesetzliche Regelung des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Auftragsverwaltung nicht der Zustimmung des Bundesrates, vgl. etwa Lerche, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 85 Rn. 28; Bettermann, Das Verwaltungsverfahren, VVDStRL 17 (1959), S. 118 ff. (159 Fn. 123). IR7 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 23. IRR Siehe oben S. 26 f. IR9 Nach den Zahlenangaben von Antoni (AöR 113 [1988], S. 332) stützte sich bei 63,5% aller Zustimmungsgesetze die Zustimmungsbedürftigkeit auf Art. 84 Abs. 1 GG. 190 Vgl. Antoni, a.a.O., S. 332, Fn. 10. 191 Vgl. BVerfGE 13, 54 ff. (77), sowie Neunreither, Der Bundesrat zwischen Politik und Verwaltung, S. 129 ff.; Bothe, Kompetenzstruktur, S. 104.

44

A. Grundfragen des Föderalismus

tiven Sachverstand der Länderbürokratie in das Gesetzgebungsvefahren einbringt l92 und auf diese Weise "ein sachgerechtes Gegengewicht gegen unausgegorene und unklar formulierte Entwürfe der Bundesregierung"193 bildet. Diesem Idealbild kam der Bundesrat recht nahe, solange in ihm "das Klima einer gegen ideologische und demagogische Anwandlungen imprägnierten Sachgerechtigkeit"194 herrschte und die Parteipolitisierung ihn noch nicht erfaßt hatte. Da die Parteien auf ihrem Beutezug auch vor dem Bundesrat nicht halt machten, wurde dieses Organ zunehmend für parteitaktische Manöver instrumentalisiert l95 . Der sich hieraus ergebende Funktionswandel des Bundesrates äußert sich in Perioden mit übereinstimmenden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat darin, daß die Länderkammer die Politik der Bundesregierung durch ein entsprechendes Abstimmungsverhalten weitgehend kritiklos mitträgt. So scheiterte in der "harmonischen"196 Phase von 1983 bis Mai 1990 kein einziges Gesetz am Bundesrat. In Zeiten auseinanderfallender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat bringen die Parteien, die sich im Bundestag in der Opposition befinden, über den Bundesrat ihre parteipolitischen Vorstellungen zur Geltung, indem Regierungsvorhaben gestoppt oder mit der Regierung Kompromisse ausgehandelt werden. So wurde während der Amtszeit der sozialliberalen Bundesregierung der Vermittlungsausschuß des Bundesrates in 234 Fällen angerufen 197 und erwachte die Länderkammer mit der Beendigung der "harmonischen" Phase durch die Niedersachsen-Wahl im Mai 1990, die eine Bundesratsmehrheit der SPD-regierten Länder brachte, schlagartig zu neuem Leben. Das parteipolitisch geprägte Abstimmungsverhalten überspielt somit in zunehmendem Maße die ursprünglichen Funktionen des Bundesrates, nämlich die Wahrung der Länderinteressen sowie die Einbringung des Sachverstandes der Länderbürokratie. Überspitzt formuliert kann man feststellen, daß der Bundesrat sich in ein Akklamations- bzw. Blockadeorgan zu verwandeln droht. Die weitreichenden Folgen treten vor allem in Zeiten auseinanderfallender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat deutlich zutage. Das Verhinderungsund Hemmungspotential des Bundesrates führt zwangsläufig zu einer Allparteienregierung l98 , in der in praktisch allen wichtigen Fragen nur dann eine 192 Grundlegend zur Rolle der Länderbürokratie im Bundesrat Neunreither, a.a.O., S. 27 ff. sowie Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 24 f. 193 Siehe Bothe, a.a.O., S. lOS. 194 Siehe W Weber, Gegenwartslage, S. 15. 195 Zur Diskussion über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Parteipolitisierung des Bundesrates vgl. den Überblick bei Schodder, Föderative Gewaltenteilung, S. 144 ff. 196 Vgl. Schodder, a.a.O., S. 139. 197 Vgl. die Angabe bei Oschatz, Instrument der Parteipolitik oder Interessenvertretung der Länder?, in: Eichholz Brief 1990, S. 50 ff. (54). 19. So Böckenforde, in: Festschrift für Schäfer, S. 191.

IV. Grundmodelle föderativer Staatsorganisation

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Entscheidung getroffen werden kann, wenn die großen Parteien einen entsprechenden Konsens erzielt haben. Dies führt zu einer erheblichen Verlängerung des Entscheidungsprozesses sowie zu einer Verminderung der Qualität der Entscheidungen. Da man sich oft nur auf den kleinsten - und vielfach zu kleinen - gemeinsamen Nenner einigen kann, bestehen für die Umsetzung in sich geschlossener Gesamtkonzepte geringe Chancen. Unpopuläre Maßnahmen wie etwa Einsparungsprogramme können kaum noch durchgesetzt werden, so daß eine Haushaitskonsolidierung wenig Aussicht auf Erfolg hat, wofür etwa die Ergebnisse der Verhandlungen über das sog. föderale Konsolidierungsprogramm als Beispiel dienen können. Schließlich verwischt diese Art der Konsensdemokratie l99 die Verantwortlichkeiten, da Entscheidungen immer weniger von der dazu eigentlich legitimierten Bundestagsmehrheit, sondern in zunehmendem Maße vom Vermittlungsausschuß bzw. der Konferenz des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder getroffen werden. Die besagte Konferenz, die von der Geschäftsordnung der Bundesregierung in § 31 vorgesehen ist, dient nicht nur der Einwirkung der Länder auf die Willensbildung des Bundes, sondern - dies läßt sich dem Wortlaut von § 31 entnehmen - ganz allgemein der Kooperation und gegenseitigen Einflußnahme von Bund und Ländern 20o , womit ein weiteres Charakteristikum des Verbundmodells angesprochen ist. Ein Kooperationsinstrument in diesem Sinne ist beispielsweise auch in den Länderfachministerkonferenzen zu sehen, die sowohl der Abstimmung der Länder untereinander als auch der Koordination zwischen Bund und Ländern dienen 20I . Eine stärker institutionalisierte Form gemeinsamer Willensbildung von Bund und Ländern stellen die bereits erwähnten Gemeinschaftsaufgaben gemäß Art. 91 a und 91 b GG daro 2• b) Eignung des Verbundmodells für homogene oder für heterogene Staaten?

Bei einer Gesamtbetrachtung der geschilderten Merkmale ist festzustellen, daß das Verbundmodell durch eine tendenziell geringere Selbstbestimmung der Glieder gekennzeichnet ist. Die Kompetenzverteilung nach Staatsfunktionen bedingt Einflußnahmen des Bundes auf die Glieder, die deren Eigenständigkeit reduzieren. Inwieweit die Glieder Spielraum für autonome Entscheidungen haben, ergibt sich primär aus dem Umfang der ihnen übertragenen Gesetzgebungskompetenzen. Sind diese wie in Deutschland bis auf einen 199

Siehe Isensee, AöR 115 (1990), S. 27l.

200

Vgl. Kunze, Kooperativer Föderalismus in der Bundesrepublik, S. 35.

201 202

Vgl. Kunze, a.a.O., S. 123 f.; Bothe, Kompetenzstruktur, S. 110. Vgl. dazu Scheuner, Kooperation und Konflikt, OÖV 1972, S. 585 ff. (588 f.).

46

A. Grundfragen des Föderalismus

Rest dahingeschmolzen, bleibt den Gliedern wenig Raum zu eigenständigem Handeln, zumal wenn der Bund von seinen Einflußmöglichkeiten im Bereich des Gesetzesvollzugs durch die Glieder ausgiebigen Gebrauch macht. Die ausgeprägte Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Bundes bewirkt keine Stärkung der Eigenständigkeit der Glieder, da Mitbestimmung bestenfalls Interessenvertretung bedeutet, jedoch keine zusätzlichen Möglichkeiten zur Entfaltung der Individualität der einzelnen Glieder bietet und insoweit ein Minus gegenüber der Selbstbestimmung darstellt 203 • Dasselbe gilt für die verschiedenen Formen der Kooperation von Bund und Gliedern. Ist also für das Verbundmodell eine eher schwach ausgeprägte Selbstbestimmung der Glieder typisch, so ist dieses Modell besser für homogene als für heterogene Staaten geeignet, weil der Selbstbestimmung bei ersteren ein geringerer Stellenwert zukommt als bei letzteren. Aus den obigen Ausführungen zur Bedeutung von Einheit und Vielfalt für föderative Systeme204 ergibt sich, daß in homogenen Staaten die Selbstbestimmungsrechte der Glieder schwächer ausgeprägt sein können, ohne daß zu erwarten ist, daß bei den Gliedern ob der Fremdbestimmung durch den Bund Unzufriedenheit keimt. Sind die Interessen nämlich weitgehend gleichgerichtet, werden sie die Entscheidungen des übergeordneten Gemeinwesens, an denen sie zudem maßgeblich mitgewirkt haben, in der Regel akzeptieren, da sie ihre Interessen in hinreichendem Maße gewahrt sehen. Umgekehrt besteht in heterogenen Staaten die Gefahr, daß die Glieder oder jedenfalls einzelne von ihnen weitreichende Fremdbestimmung nicht auf Dauer akzeptieren werden, wenn sie ihre Interessen in den Entscheidungen des Bundes nicht genügend berücksichtigt finden. Es läßt sich somit festhalten, daß das Verbundmodell eher für homogene, dagegen weniger für heterogene Staaten geeignet ist205 • 2. Das Trennmodell a) Charakteristika

Die vor allem für den angelsächsischen Föderalismus charakteristische Trennung der Sphären von Bund und Gliedern ist primär darauf zurückzuführen, daß die Kompetenzen nach Sachgebieten verteilt sind, das heißt, Gesetzgebung und Verwaltung einer Materie liegen grundsätzlich in der Hand desselben Hoheitsträgers. Da der Bund nach diesem Kompetenzverteilungssystem die von ihm erlassenen Gesetze selbst vollziehen kann, bedarf er insoweit nicht der Einflußmöglichkeiten, die sich bei dem für das Verbundmodell

204

Siehe oben S. 27 f. Siehe S. 18 ff.

205

Im Ergebnis ähnlich Schultze, in: Nohlen/Gonzales Encinar, S. 209.

20)

IV. Grundmodelle föderativer Staatsorganisation

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typischen Vollzug der Bundesgesetze durch die Glieder als notwendig erwiesen hatten 206 . Es verwundert daher nicht, daß etwa in den Vereinigten Staaten verfassungsrechtliche Möglichkeiten der Einflußnahme des Bundes auf die Glieder nur schwach entwickelt sind 207 • Allerdings hat sich insbesondere seit den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts in den USA eine praktische Verflechtung der Zuständigkeiten entwickelt, die als "cooperative federalism" bezeichnet wird. Die bedeutendste Spielart dieses "cooperative federalism" bildet das der bundesrepublikanischen Fondsverwaltung bzw. den Bundesfinanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 GG verwandte System der "grants-inaid". Danach werden durch Bundesgesetz Bundesmittel für konkrete Zwecke - beispielsweise den Straßenbau oder das Erziehungswesen - bereitgestellt. Die Verteilung der Mittel auf die Einzelstaaten wird in dem Gesetz geregelt. Dabei werden die ärmeren Staaten gegenüber den reicheren bevorzugt, so daß den "grants-in-aid" auch die Funktion eines Finanzausgleichs zukommt 208 . Der einzelne Staat kommt allerdings grundsätzlich nur dann in den Genuß der Mittel, wenn er bereit ist, die bundesgesetzlich geregelten Bedingungen und Auflagen zu akzeptieren. Führt ein Einzelstaat ein mit Bundesmitteln gefördertes Programm durch, wacht der Bund darüber, daß die Mittel entsprechend dem Zweck ihrer Gewährung verwendet und die Bedingungen und Auflagen erfüllt werden209 und gewinnt auf diese Weise eine Art der Aufsicht über die Glieder 10. Die Trennung der Systemebenen findet nicht nur in der Kompetenzverteilung nach Politikfeldern Ausdruck, sondern auch in der eher schwach entwickelten Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Bundes. In den USA ist eine solche Mitwirkung zum einen bei Verfassungsänderungen vorgesehen. Von beiden Häusern des Kongresses mit Zweidrittelmehrheit vorgeschlagene Änderungen der Verfassung treten erst in Kraft, wenn sie von den Parlamenten in drei Vierteln der Einzelstaaten ratifiziert worden sind211 • Zum anderen ist auf die Rolle des Senats hinzuweisen, für den in jedem Staat zwei Senatoren direkt gewählt werden. Da sich die mit einem freien Mandat ausgestatteten Senatsmitglieder bei ihren Entscheidungen noch immer stark von den Interessen ihres Staates leiten lassen212 , hielt sich die Parteipolitisierung des Senats bislang in Grenzen 213 • Wegen der großen Bedeutung, 206 207 20_ 209 210

211 212

Siehe oben S. 42 f. Vgl. Scheuner, in: Föderalistische Ordnung, S. 66. Vgl. Kewenig, AöR 93 (1968), S. 463. Vgl. Kewenig, a.a.O., S. 458 ff. Vgl. Scheuner, in: Föderalistische Ordnung, S. 65, 77. Vgl. Art. V der Verfassung der Vereinigten Staaten. Siehe Bothe, Kompetenzstruktur, S. 86 f.

Hierzu Schüttemeyerl Sturm, Wozu Zweite Kammern? Zur Repräsentation und Funktionalität Zweiter Kammern in westlichen Demokratien. ZParl 1992, S. 517 ff. (532 ff.). 21)

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A. Grundfragen des Föderalismus

die dem Senat im Spiel der "checks and balances" zukommt, bietet er eine Plattform zur Geltendmachung einzel staatlicher Interessen. Spielt der Senat wie in Kanada214 - eine eher untergeordnete Rolle, und kommt er deshalb für eine wirksame Interessenvertretung der Glieder nicht in Betracht, findet man verstärkt andere Formen der Einwirkung der Glieder auf die Willensbildung des Bundes - in Kanada beispielsweise die Konferenz der Premierminister des Bundes und der Gliedstaaten215 • b) Eignung des Trennmodells für homogene oder für heterogene Staaten?

Der Blick auf die dargestellten Charakteristika zeigt, daß das Trennmodell den Gliedern tendenzell ein größeres Maß an Selbstbestimmung einräumt als das Verbundmodell. Zwar schließt die Kompetenzverteilung nach Sachbereichen Einflußnahmen des Bundes auf die Glieder nicht aus - dies zeigt das geschilderte System der "grants-in-aid". Jedenfalls ruhrt diese Art der Kompetenzverteilung nicht automatisch zur Verflechtung der Ebenen und damit zur Reduzierung der Eigenständigkeit der Glieder, worin der entscheidende Unterschied zur Kompetenzverteilung nach Staatsfunktionen liegt. Der Umfang der Selbstbestimmungsrechte der Glieder läßt sich auch in föderativen Systemen, die nach dem Trennmodell aufgebaut sind, in erster Linie an den ihnen übertragenen Gesetzgebungskompetenzen ablesen. Sind den Gliedern insoweit beachtliche Kompetenzen zugewiesen - so beispielsweise in den USA 216 und in Kanada217 - , verfugen sie über hinreichenden Spielraum rur eigenständiges - weil selbstbestimmtes - Handeln. Können aber die Glieder ihr Handeln in weiten Bereichen selbst bestimmen, so ist die Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes rur sie von geringerer Bedeutung, zumal diese zwar die Geltendmachung ihrer Interessen ermöglicht, in der Regel aber nicht zu mehr Eigenständigkeit ruhrt. Schwach entwickelte Mitwirkung der Glieder an der Bildung des Bundeswillens ist somit kein Indiz rur geringe Eigenständigkeit der Glieder. Da eine eher stark ausgeprägte Selbstbestimmung der Glieder für das Trennmodell charakteristisch ist, eignet es sich gut rur die föderative Organisation heterogener Staaten. Die Glieder sind auf Grund ihrer Eigenständigkeit in der Lage, ihre Individualität insbesondere durch eine ihren Eigenarten Rechnung tragende Gesetzgebung und Verwaltung zu entfalten. Auf diese Weise wird gewährleistet, daß die unterschiedlichen, zum Teil gegenläufigen 214 215 216 217

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bothe, Kompetenzstruktur, S. 98 f. Bothe, a.a.O., S. 109. hierzu ausfuhrlich Bothe, a.a.O., S. 143 ff. Bothe, a.a.O., S. 171 ff.

V. Zusammenfassung

49

Interessen der Glieder in weitaus größerem Maße gewahrt werden, als dies bei einer einheitlichen Regelung durch den Bund der Fall wäre. Bei der Organisation homogener Staaten nach dem Trennmodell ist zu erwarten, daß die Glieder mangels Vielfalt und unterschiedlicher Interessen die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu eigenständigem Handeln nicht ausschöpfen, daß sie im Wege der Konzertierung zunehmend einheitliche Regelungen treffen und auf lange Sicht einer Stärkung des Bundes und damit der Schwächung ihrer Eigenständigkeit nicht entschlossen entgegentreten werden.

v. Zusammenfassung Föderalismus wird im folgenden als Ordnungsprinzip von politischen Systemen verstanden, in denen mehrere eigenständige Gemeinwesen eine Einheit bilden. Grundlage eines jeden föderativen Systems ist auf der einen Seite eine gewisse Homogenität, auf der anderen Seite eine gewisse Heterogenität der die Einheit bildenden Glieder. Es verspricht daher wenig Erfolg, Gemeinwesen, die sich zu sehr voneinander unterscheiden, unter einer föderativen Ordnung zusammenzufassen. Denn es steht zu erwarten, daß die zentrifugalen Kräfte, die allenfalls eine gewisse Zeit gewaltsam im Zaum gehalten werden können, das System früher oder später sprengen werden. Umgekehrt wird ein föderatives System, dessen Glieder sich zu sehr ähneln, blutleer bleiben und sich im Laufe der Zeit auf einen dezentralisierten Einheitsstaat zubewegen, da die zentrifugalen Kräfte, die dies verhindern könnten, zu schwach sind. Im Bereich föderativer Staatsorganisation lassen sich zwei Modelle unterscheiden: das Verbundmodell, das durch die starke Verflechtung von Bund und Gliedern gekennzeichnet ist, sowie das Trennmodell, bei dem die beiden Ebenen schärfer voneinander getrennt sind. Da beim Verbundmodell die Selbstbestimmung der Glieder schwach ausgeprägt ist, kommt es für die Organisation eher homogener Staaten in Betracht; dagegen ist es weniger für eher heterogene Staaten geeignet, da es den Gliedern nicht genügend Spielraum für die Entfaltung ihrer Vielfalt läßt. Für die zuletzt genannten Staaten ist das Trennmodell prädestiniert, da es den Gliedern die im Hinblick auf ihre Unterschiedlichkeit notwendige Eigenständigkeit geWährleistet. Für föderative Systeme charakteristische Strukturen sind die Kompetenzverteilung zwischen den Ebenen, ihre Finanzausstattung, die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung der höheren Ebene, der Schutz dieser Strukturen sowie das Vorhandensein von Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte.

4 Pfeifer

B. Einheit und Vielfalt in Spanien Sucht man eine Antwort auf die Frage, ob ein föderatives System für Spanien die angemessene Form der Staatsorganisation darstellt, so ist zu prüfen, ob die Grundvoraussetzungen für den Bestand eines solchen Systems, nämlich eine gewisse Homogenität sowie eine gewisse Heterogenität gegeben sind. Gemäß Art. 143 Abs. 1 CE können "aneinandergrenzende Provinzen mit gemeinsamen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Eigenschaften, die Inselgebiete und die Provinzen, die historisch eine Regionaleinheit bilden, ... sich ... als Autonome Gemeinschaften konstituieren". Damit werden im Zusammenhang mit der Errichtung der Autonomen Gemeinschaften wesentliche Bereiche angesprochen, aus denen sich Elemente der Heterogenität bzw. der Homogenität ergeben. Die Betonung des historischen Elements wird verständlich, wenn man eine Landkarte mit den 15 historischen Regionen Spaniens I mit einer Karte vergleicht, auf der die 17 Autonomen Gemeinschaften eingezeichnet sind 2• Hierbei zeigt sich, daß die Grenzen der neu gebildeten Autonomen Gemeinschaften mit denen der historischen Regionen - von einigen Ausnahmen abgesehen) - übereinstimmen, woran sich die besondere Bedeutung dieser Regionen in Gegenwart und Vergangenheit ablesen läßt. I Siehe beispielsweise die Karte bei Val/es i Casadeval/, Katalanen, Basken, Galizier. Ursprünge und Bedeutung des Regionalismusproblems in der spanischen Politik, Der Bürger im Staat 1977, S. 75 ff. (76). Bei den historischen Regionen handelt es sich um Katalonien, Aragonien, Valencia, Murcia, Navarra, das Baskenland, Leim, Alt- und Neukastilien, Asturien, Galizien, Estremadura, Andalusien, die Balearen sowie die Kanarischen Inseln.

2 Siehe etwa die Karte bei Montoro Chiner, Landesbericht Spanien, in: Ossenbühl (Hg.), Föderalismus und Regionalismus in Europa, S. 167 ff. (168).

J So sind die Provinzen Santander und Logrono der historischen Region Altkastilien zuzurechnen, bildeten dann jedoch die Autonomen Gemeinschaften Kantabrien und Rioja. Der verbleibende Teil Altkastiliens verband sich mit der historischen Region Leim zur Autonomen Gemeinschaft Kastilien-Le6n. Auf dem Gebiet der historischen Region Neukastilien entstanden die Autonomen Gemeinschaften Madrid und Kastilien-La Mancha, wobei sich der zuletzt genannten die Provinz Albacete anschloß, die der historischen Region Murcia zuzuordnen ist. Zu den Gründen rur dieses Auseinanderfallen von historischer Region und autonomer Gemeinschaft, die meist geographischer und ökonomischer Natur sind, vgl. Hildenbrand / Nohlen, Regionalismus und politische Dezentralisierung in Spanien nach Franco, in: Bemecker / Oehrlein (Hg.), Spanien heute: Politik - Wirtschaft - Kultur, S. 41 ff. (55 f.)

I. Geschichtliche Entwicklung

51

I. Geschichtliche Entwicklung 1. Die Reconquista

Das heutige Spanien bildete sich ebenso wie seine historischen Regionen im Verlauf der sich über mehrere Jahrhunderte hinziehenden Reconquista heraus 4 • Die Mauren hatten im Jahre 711 in der Schlacht bei Jerez de la Frontera den letzten Westgotenkönig Roderich geschlagen und bis 714 fast die gesamte iberische Halbinsel unterworfen. Die Rückeroberung durch die Christen nahm ihren Ausgangspunkt im nordwestlich gelegenen Kantabrischen Gebirge. Dort konnten westgotische Adlige unter Pelayo im Jahre 718 oder 722 die Schlacht von Covadonga für sich entscheiden und das Königreich Asturien gründen. Unter allmählicher Ausdehnung des christlichen Herrschaftsbereiches entstanden weitere Einzelreiche wie Galizien, Lean und Kastilien. Im Osten der Halbinsel gründete Kar! der Große gegen Ende des 8. Jahrhunderts als Bastion gegen die Kalifen von Cardoba die (erst später so genannte) Spanische Mark, aus der gegen Ende des 9. Jahrhunderts die Grafschaft Katalonien hervorging, die im 12. Jahrhundert mit dem Königreich Aragonien durch Eheschließung zwischen dem Grafen von Barcelona und der Tochter Ramiros 11. von Aragonien zusammengeführt wurde. Im folgenden Jahrhundert gelang es der aragonesischen Krone, das Maurenreich von Valencia sowie die Balearen zurückzuerobern. Damit war das Königreich Aragonien zusammen mit Kastilien, das sich zu dem zweiten bedeutenden Machtzentrum entwickelt hatte, die treibende Kraft der Reconquista. Zwischen diesen beiden Reichen befanden sich die Basken und Navarreser, auf deren Gebiet im 10. Jahrhundert das Königreich Navarra entstand, das unter Sancho III. (1000-1035) Aragonien, Asturien, Teile Leans sowie Kastilien beherrschte. Nach dem Tod Sanchos zerfiel Navarra und spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Territorium dieses Reiches beschränkte sich auf ein kleines Gebiet zwischen Ebro und Pyrenäen, das bis ins heutige Frankreich reichte. Im Jahre 1200 mußte Navarra zudem die Eingliederung des Baskenlandes durch Kastilien hinnehmen. Der entscheidende Schritt zur politischen Einheit Spaniens ist in der Verbindung Isabellas von Kastilien mit Ferdinand von Aragonien im Jahre 1469 zu sehen. Ihre Anerkennung als Könige Kastiliens 1474/75 sowie als Könige Aragoniens 1479 vereinte die bisher rivalisierenden Königreiche. Das Herrscherpaar, das ab 1496 den vom Papst verliehenen Titel "Katholische Könige" fiihrte, konnte seinen Machtbereich durch die Eroberung Granadas, des letzten maurischen Königreichs auf spanischem Boden, nach Süden ausdehnen und die Reconquista damit zum Abschluß bringen. 4 Vgl. Tamames, Spanien: Geschichtsbild und Zukunftsvision einer jungen Demokratie, S. 51,54.

4*

52

B. Einheit und Vielfalt in Spanien

Die Reconquista ist unter anderem deshalb von so großer Bedeutung für die Entwicklung der iberischen Halbinsel gewesen, weil die Kultur- und Sprachräume des heutigen Spanien während dieser Epoche entstanden sind5 • In Galizien fand das Galego Verbreitung, das mit dem Portugiesischen verwandt ist6 • Das Katalanische (catala), eine eigenständige romanische Sprache, entwickelte sich in Spanien in Katalonien sowie mit einigen Abwandlungen in der Region Valencia sowie auf den Balearen. Die einzige Sprache, die der Romanisierung der iberischen Halbinsel widerstehen konnte, ist das Baskische (euskara), dessen Herkunft noch immer ungeklärt ise. Sein Verbreitungsgebiet beschränkte sich in Spanien mit der Zeit auf GuipUzcoa und auf Teile der beiden anderen Provinzen des Baskenlandes, Viscaya und Alava, sowie auf den Norden Navarras 8 • In den übrigen Regionen Spaniens setzte sich das Kastilische (castellano) durch, eine romanische Sprache, die für die Mehrheit der spanischen Bevölkerung die Muttersprache ist9 . Betrachtet man das Resultat der Vereinigung der Königreiche von Kastilien und Aragonien, fällt auf, daß die entstandene Einheit zunächst nur eine dynastische ist 1o • Die Institutionen sowie die Verwaltungen der ursprünglichen Reiche blieben nämlich getrennt. So tagte weiterhin das kastilische Parlament, in dem Galizien, Asturien, Le6n, Alt- und Neukastilien, Estremadura, Murcia und Andalusien vertreten waren. Auf der anderen Seite existierten die Cortes des Königreichs Aragonien weiter. Auch die Institutionen der einzelnen Regionen, die dem Königreich Aragonien angehörten, blieben bestehen, so Z.B. die aragonesischen Cortes und die "Generalidad" genannte autonome Regierung von Katalonien 11. Diese Bewahrung der regionalen Institutionen kam auch Navarra zugute, dessen größerer südlicher Teil 1512 der spanischen Krone angegliedert wurde. Navarra konnte als Königreich mit eigener Regierung und eigenem Parlament bestehen bleiben 12 • Da die Krone die Rechtssysteme sowie die Rechte und Freiheiten der einzelnen Regionen anerkannte und diese erhebliche Unterschiede aufwiesen, reichten die Befugnisse der Krone unterschiedlich weit. Diese stark ausgeprägten föderativen Struktu5

So Tamames, Spanien, S. 51.

Teilweise wird das Galego als Dialekt des Portugiesischen eingestuft, andere sehen im Galego eine eigenständige romanische Sprache, die zwischen der portugiesischen und der kastilischen Sprache steht, vgl. Scotti-Rosin, Artikel "Galicia", in: Bemecker u.a., SpanienLexikon: Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft, S. 216 ff. (219). 6

7

Vgl. Scotti-Rosin, Artikel "Lenguas/dialectos", in: Spanien-Lexikon, S. 274 ff. (275).

8

Vgl. Tamames, Spanien, S. 51.

Zu weiteren Regionalsprachen mit geringer Verbreitung vgl. Scotti-Rosin, a.a.O., S.274. 9

11

Vgl. Valles i Casadevall, Der Bürger im Staat 1977, S. 75. Vgl. Tamames, Spanien, S. 62.

12

Vgl. Tamames, a.a.O., S. 62.

10

1. Geschichtliche Entwicklung

53

ren ennöglichten es den Regionen, in ihren Entscheidungen den eigenen Besonderheiten Rechnung zu tragen und die eigenen Interessen hinreichend zu wahren, was zu einem relativ friedlichen Zusammenleben der Regionen unter dem Dach der gemeinsamen Krone fiihrte J3 • 2. Der Aufstieg des Zentralismus Bereits der Enkel der Katholischen Könige, Karl 1., der 1519 als Karl V. zum deutschen Kaiser gewählt wurde, begann damit, seine Position auf Kosten der regionalen Rechte und Freiheiten auszubauen. Der Widerstand gegen diese Politik fiihrte zum Aufstand der Comunidades de Castilla, der 1521 in der Schlacht von Villalar niedergeschlagen wurde, was die Aufhebung bedeutender politischer Rechte in Kastilien und Le6n zur Folge hatte. Auch Karls Sohn, Philipp 11., verfolgte ganz im Sinne des Absolutismus das Ziel der Stärkung der Krone. Diesem Zweck diente beispielsweise die Aufhebung eines Teils der alten Sonderrechte Aragoniens im Jahre 1592. Unter Philipp IV. erhoben sich 1640 Portugal, das 1580 von Philipp 11. dem eigenen Herrschaftsbereich eingegliedert worden war, sowie Katalonien wegen des hohen Steuerdruckes infolge verlustreicher Kriege sowie wegen der Mißachtung ihrer Privilegien und Institutionen. In dieser Auseinandersetzung erlangte Portugal die Unabhängigkeit, die Spanien 1668 anerkannte, während der Abfall Kataloniens verhindert werden konnte. Einen weiteren Zentralisierungsschub brachte der Spanische Erbfolgekrieg (1701- 1713 / 14) mit sich, in dem Karl von Habsburg und der Bourbone Philipp von Anjou um das Erbe Karls 11., des letzten spanischen Habsburgers, kämpften. Philipp behielt die Oberhand und organisierte den Staat nach französischem Vorbild streng zentralistisch, fiir die gewachsenen regionalen Rechte und Institutionen war kein Platz mehr l4 • Bereits 1707 beseitigte er durch die ersten Decretos de Nueva Planta die politische Institution des Königreichs von Valencia und des Königreichs der Balearen. Mit den zweiten Decretos de Nueva Planta hob er 1716 die Rechte und Einrichtungen Kataloniens auf. Die Cortes wurden in Aragonien 1707, in Kastilien 1713 zum letzten Mal einberufen. Lediglich Navarra und das Baskenland konnten trotz des Zentralisierungsdruckes ihre historischen Sonderrechte bewahren. 3. Die Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert Der Blick auf die geschichtliche Entwicklung der folgenden Jahrhunderte fiihrt klar vor Augen, was sich seit der Zeit Karls I. bereits mehrfach angedeutet hatte: Die fiir den Zentralismus charakteristische Ignorierung der histo13

Vgl. Tamames, a.a.O., S. 63.

14

Siehe Matthee, Katalanische Frage und spanische Autonomien, S. 29.

54

B. Einheit und Vielfalt in Spanien

rischen Regionen und ihrer Besonderheiten war im Zusammenspiel mit anderen Faktoren immer wieder Auslöser von Erhebungen und Bürgerkriegen. Daß den historischen Landschaften auch nach einem Jahrhundert unter straffem Zentralismus eine bedeutende Rolle zukam, zeigte sich im "Guerra de Independencia" genannten Krieg gegen Napoleon. Nachdem der Aufstand der Madrider Bevölkerung am 2. Mai 1808 das Signal zum Freiheitskampf gegeben hatte, bildeten sich in den historischen Regionen spontan Verteidigungs- und Widerstandsräte (Juntas de Defensa y Resistencia), die die Erhebung organisierten. Dennoch war die Verfassung von Clidiz (1812), die meist als die erste spanische Verfassung bezeichnet wird l5 , unitarisch geprägtl6, was darauf zurückzuführen ist, daß die dem Zentralismus verhafteten Liberalen 17 maßgeblich an ihrer Entstehung beteiligt waren l8 . Die andauernde Vernachlässigung der historischen Regionen war einer der wesentlichen Gründe für die drei Karlistenkriege (1833-1839, 1847-1849, 1872-1876), die Spanien im 19. Jahrhundert erschütterten. Der Karlismus entstand in den Auseinandersetzungen um den spanischen Thron nach dem Tode Ferdinands VII. im Jahre 1833. Don Carlos, der jüngere Bruder Ferdinands, erkannte dessen minderjährige Tochter Isabella 11. nicht als Thronfolgerin an und ließ sich zum Gegenkönig (Karl V.) ausrufen. Dabei berief er sich auf das salische Erbfolgerecht, das Philipp V. zur Verhinderung einer weiblichen Thronfolge in Spanien eingeführt hatte. Die geheim gebliebene Aufhebung dieses Erbfolgerechts durch Karl IV. war jedoch von Ferdinand im Wege der Pragmatischen Sanktion publik gemacht worden l9 . Don Carlos trat für eine absolute Monarchie im traditionellen Sinne, für die Privilegien der katholischen Kirche sowie für die historischen Sonderrechte (fueros) der Regionen ein, womit die drei Wesensmerkmale des Karlismus (König, Kirche, fueros) genannt sind. Vor allem das letzte Merkmal war der Grund für die Stärke des Karlismus im Baskenland, in Navarra, Aragonien, Katalonien und Valencia. An der Spitze der Gegenseite stand die liberalistisch und damit auch zentralistisch gesinnte Maria Christina, Ferdinands vierte Frau, die bis 1840 für ihre Tochter Isabella IL regierte. Der im Oktober 1833 ausgebrochene Bürgerkrieg (erster Karlistenkrieg) endete mit der Niederlage der Karlisten, was zur Folge hatte, daß die drei baskischen Provinzen und Navarra ihre politischen Freiheiten verloren20 • Der dritte 15 Die Verfassung von Bayonne (1808) war Spanien von Napoleon oktroyiert worden, vgl. Sole Tura / Aja, Constituciones y periodos constituyentes en Espaiia (1808 - 1936), S. 12, 19. 16 Siehe Val/es i Casadeval/, Der Bürger im Staat 1977, S. 76. 17 Vgl. Matthee, Katalanische Frage, S. 32. IS Vgl. Tamames, Spanien, S. 87. 19 20

Siehe Tamames, Spanien, S. 95. Vgl. Tamames, a.a.O., S. 68.

I. Geschichtliche Entwicklung

55

Karlistenkrieg (1872-1876) war mit ursächlich dafür, daß König Amadeus 1. am 11.2.1873 abdankte, worauf die Cortes Spanien zur Republik erklärten. Ein von den Cortes eingesetzter Ausschuß legte am 17.7.1873 den Entwurf einer republikanischen Verfassung vor, der die Umwandlung Spaniens in einen Bundesstaat vorsah. Damit hatte sich der föderalistisch gesinnte Flügel der Republikaner durchgesetzt, an dessen Spitze Pi i Margall stand, "der größte Theoretiker des spanischen Föderalismus..21 , der für eine stärker föderative Ausrichtung des Republikanismus gesorgt hatte. Nach dem Verfassungsentwurf sollte der zentralisierte Staat zu Gunsten der zu bildenden Einzelstaaten auf Befugnisse verzichten. Bei der Festlegung der Grenzen der Einzelstaaten orientierte man sich an denen der alten Königreiche 22 • Es kam jedoch nicht einmal zu einer grundsätzlichen Diskussion über den Entwurf in den Cortes. Den politischen Kräften der Republik gelang es wegen ihrer Uneinigkeit nicht, die drängenden Probleme wie etwa den Karlistenkrieg sowie die schwere Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Sozialistische Massenaufstände in zahlreichen Städten sowie Erhebungen der Kantonalisten, einer radikalen Gruppe der föderalistischen Republikaner, die eine Föderalisierung von unten nach oben durchzusetzen versuchten23 , erschütterten die Republik. In dieser verfahrenen Situation setzte General Pavia, ein erklärter Gegner des Föderalismus, am 3.1.1874 durch einen Staatsstreich der ersten Republik sowie den Föderalisierungsbemühungen ein Ende. Seit den Wirren der ersten Republik ist der Begriff des Föderalismus in Spanien negativ besetzt24 • Auch in den folgenden Jahrzehnten forderten verschiedene Regionen, allen voran Katalonien, die Wiederherstellung der fueros bzw. Gewährung von Autonomie. Lediglich einen Etappensieg im Hinblick auf das Endziel bedeutete das Dekret vom 18.12.1913 25 über die Mancomunidades provinciales, das den fakultativen Zusammen schluß mehrerer Provinzen zu einem für bestimmte 2\ Siehe Tarne Jimenez / Lopez Marquez Granada, Föderalismus und Länderautonomie im spanischen Staat, in: Esterbauer / Heraud / Pemthaler (Hg.), Föderalismus als Mittel permanenter Konfliktregelung, S. 201. 22 Art. I des Verfassungsentwurfs bestimmte, daß Spanien aus den Einzelstaaten Oberandalusien, Niederandalusien, Aragonien, Asturien, Balearen, Kanarische Inseln, Neukastilien, Altkastilien, Katalonien, Estremadura, Galizien, Murcia, Navarra, Valencia, dem Baskenland sowie Kuba und Puerto Rico besteht. Zu Einzelheiten des Verfassungsentwurfs vgl. Gmelin, Studien zur Spanischen Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, S. 208 ff. 23 Vgl. Tamames, Spanien, S. 133, sowie Carr, The Regional Problem in Spain, in: Boogmann/van der Plaat (Hg.), Federalism, History and Current Significance of a Form of Govemment, S. 267 ff. (270 f.). 24 Vgl. Ganzalez Encinar, in: Nohlen/Gonzalez Encinar, S. 228 f.; Garcia de Enterria, La Constituci6n y las Autonomias Territoriales, Revista Espaiiola de Derecho Constitucional (REDC) Nr. 25, 1989, S. 17 ff. (18), sowie Busch, Autonomie und Föderalismus, S. 9. 25 Abgedr. bei Sevilla Andres, Constituciones y otras leyes y proyectos politicos de Espaiia, Bd. I, S. 643 ff.

56

B. Einheit und Vielfalt in Spanien

Verwaltungsaufgaben zuständigen Zweckverband (Mancomunidad) vorsah26 . Diese Möglichkeit nutzten alsbald die vier Provinzen Kataloniens, indem sie sich zur Mancomunidad Catalana zusammenschlossen, deren Satzung durch Verordnung vom 26.3.1914 27 von der Regierung genehmigt worden war. Den sich in der Folgezeit verstärkenden Bemühungen der Katalanen, auf dem Weg zu regionaler Autonomie weiter fortzuschreiten, war jedoch kein Erfolg beschieden28 . Vielmehr kam es im September 1923 infolge von sozialen Unruhen und Terroranschlägen zur Errichtung einer Militärdiktatur durch General Primo de Rivera, der die katalanische Mancomunidad am 15.4.1925 auflöste. Der Rücktritt Primo de Riveras am 28.1.1930 29 leitete den Übergang zur Republik ein. Nachdem die Gemeindewahlen vom 12.4.1931 zu einer "Volksabstimmung"30 gegen König Alfons XIII. geraten waren, wurde am 14.4.1931 die Republik ausgerufen, und der König ging außer Landes. Am 9.12.1931 verabschiedeten die verfassunggebenden Cortes einstimmig die Verfassung der spanischen Republik31 , deren erster Titel die territoriale Gliederung regelte. Gemäß Art. 8 Abs. 1 setzte sich der spanische Staat aus Gemeinden, Provinzen und Regionen zusammen. Die Bildung der autonomen Regionen war - in Anlehnung an das Dekret über die Mancomunidades provinciales32 - gemäß Art. 11 Abs. 1 fakultativ. Es wurden also nicht "von oben" Regionen installiert. Vielmehr gab die Verfassung den Provinzen das Recht, autonome Regionen zu errichten, wobei es in der Hand der Provinzen lag, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Eine solche politisch-administrative Einheit konnte von einer oder mehreren aneinander angrenzenden Provinzen mit gemeinsamen geschichtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Merkmalen gebildet werden (Art. 11 Abs. 1). Mit dieser Regelung wollte man offensichtlich der Bedeutung der historischen Regionen Rechnung tragen. Jede Region hatte in einem Statut, das nach einem in Art. 12 geregelten Verfahren zustande gekommen sein mußte, ihre politisch-administrative Ordnung zu regeln. Insbesondere mußte festgesetzt werden, welche der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen, die von den Regionen gemäß Art. 14-16 übernommen werden konnten, die betreffende Region tatsächlich in Anspruch nehmen wollte. 26 Vgl. hierzu Gmelin, Die Entwicklung des Verfassungsrechts in Spanien von 1913-1932, JöR 21 (1933/34), S. 335 ff. (341 f.), sowie Boucsein, Spanischer Regionalismus und der katalanische Nationalismus, JöR N.F. 27 (1978), S. 41 ff. (55 ff.).

27 Abgedr. bei Santamaria Pastor / Orduiia Rebollo / Martin-Artajo, Documentos para la historia del regionalismo en Espaiia, S. 18l. 28 Vgl. Gmelin, JöR 21 (1933/34), S. 342 ff. 29 Zu den Gründen vgl. Gmelin, a.a.O., S. 361 ff. 30 Siehe Tamames, Spanien, S. 198.

31

32

In deutscher Übersetzung abgedr. bei Gmelin, a.a.O., S. 448 ff. Vgl. Gmelin, a.a.O., S. 342.

I. Geschichtliche Entwicklung

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Das Autonomiestatut von Katalonien 33 wurde als erstes am 9.9.1932 durch die Cortes genehmigt und am 15.9.1932 ausgefertigt. Ihm lag das sogenannte Statut von Nuria zugrunde, das bereits am 2.8.1931, also gut vier Monate vor Verabschiedung der Verfassung in einem Referendum von den Katalanen angenommen worden war. Da dieses Statut in einigen Bereichen mit den Regelungen der Verfassung über die nationale Organisation nicht vereinbar war, mußten zu Lasten Kataloniens Änderungen des Statuts vorgenommen werden, bevor die Cortes zustimmen konnten 34 • Auch das Statut für das Baskenland vom 4.10.193635 war noch in einem Referendum angenommen und von den Cortes am 1.10.1936 gebilligt worden. Ihm war jedoch nur eine kurze Lebensdauer beschieden, da die Truppen Francos bereits im Juli 1937 das Ba.skenland unter ihre Kontrolle bringen konnten. Der im Juni 1936 durch Plebiszit gebilligte Entwurf eines Statuts für Galizien36 wurde dagegen wegen des am 18.7.1936 ausgebrochenen Bürgerkriegs nicht mehr von den Cortes genehmigt. Ermutigt durch das katalanische Vorbild strebten auch die übrigen historischen Regionen nach Autonomie 37 • Sie konnten jedoch lediglich Entwürfe (Proyectos) bzw. Vorentwürfe (Anteproyectos) für ein Autonomiestatut erarbeiten, zu Referenden über diese Entwürfe kam es nicht mehr. Der Sieg Francos im spanischen Bürgerkrieg38 bedeutete nicht nur das Ende der Republik, sondern auch das Ende des Versuchs, den Regionen Spielraum für eigenständiges Handeln zu gewähren. Noch während des Bürgerkrieges hatte Francos Regierung das katalanische sowie das baskische Statut aufgehoben. In der Folgezeit organisierte Franco, der wie große Teile der Armee in der Autonomiebewegung den Anfang vom Ende der spanischen Nation sah39 , den Staat streng zentralistisch40 • Die nicht-kastilischen Sprachen wurden verboten bzw. unterdrückt41 • Die kulturelle Verschiedenheit versuchte man durch das Verbot kultureller Institutionen und Ausdrucksformen einzuJ3

In deutscher Übersetzung abgedr. bei Gmelin, a.a.O., S. 460 ff.

Zu den Einzelheiten der Anpassung des Statuts von Nuria vgl. Gmelin, a.a.O., S. 435 ff. )4

)5

Abgedr. bei Santamaria /Orduna / Martin-Artajo, Documentos, S. 920 ff.

)6

Abgedr. bei Santamaria / Orduna / Martin-Artajo, Documentos, S. 477 ff.

)7

Vgl. Boucsein, JöR N.F. 27 (1978), S. 66.

3K

Kriegsende war am 1.4.1939.

39

Vgl. Tamames, Spanien, S. 207.

Einen Überblick über die Verfassungsordnung und die Organe des franquistischen Staates gibt Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 50 ff. 40

4\ Zur Unterdrückung der katalanischen Sprache siehe Matthee, Katalanische Frage, S. 112.

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B. Einheit und Vielfalt in Spanien

ebnen, wobei vor allem das Baskenland und Katalonien von den Repressionsmaßnahmen betroffen waren. Gerade und vor allem in diesen bei den Regionen ließ jedoch das Festhalten der Bevölkerung an der eigenen Sprache und Kultur die Politik Franeos scheitern. Die Repression provozierte schließlich Widerstand42 • So protestierten in Katalonien und im Baskenland bei Volksabstimmungen überdurchschnittlich viele Stimmberechtigte durch Stimmenthaltung gegen das Regime43 • Im Jahre 1959 formierte sich die Untergrundorganisation ETA (Euzkadi Ta Azkatasu = Baskenland und Freiheit), die für einen souveränen baskischen Staat, in dem die französischen und die spanischen Baskenprovinzen vereint sind, eintritt44 • Seit etwa Mitte der sechziger Jahre verfolgte die ETA ihre Ziele zunehmend mit gewaltsamen Mitteln. Hierbei konnte sie sich auf die Unterstützung von weiten Kreisen der baskischen Bevölkerung sowie von Regimegegnern im übrigen Spanien stützen. Den Höhepunkt ihrer Popularität erreichte die ETA mit der Ermordung von Admiral Carrero Blanco, dem amtierenden Ministerpräsidenten, am 20.12.1973. Carrero Blanco war der engste Vertraute Franeos und sollte nach dessen Tod das Regime im Sinne Franeos fortführen 45 • Nachdem diese Pläne durch das ETA-Attentat durchkreuzt worden waren, war absehbar, daß der Frankismus den Tod Franeos nicht lange überdauern würde. Als Franeo am 20.11.1975 starb und Juan Carlos zwei Tage darauf zum König von Spanien proklamiert wurde46 , war die Ansicht, daß die staatliche Ordnung Spaniens umfassender Reform bedürfe, weit verbreitet - selbst in den Reihen der maßgeblichen politischen Kräfte des frankistischen Regimes gewann die Einsicht in die Notwendigkeit eines Wandels an Raum. Dabei gehörte die künftige Rolle der Regionen, insbesondere der baskischen und der katalanischen, zu den heikelsten und drängendsten Problemen der anstehenden Reform47 •

42 Vgl. hierzu Thiery, Der spanische Autonomiestaat: die Veränderung der Zentrum-Peripherie-Beziehungen im postfrankistischen Spanien, S. 37 f., 44 f. 43 Vgl. Bernecker, Das spanische Labyrinth, in: Lottes (Hg.), Region, Nation, Europa: historische Determinanten der Neugliederung eines Kontinents, S. 127 ff. (132). 44 Zur ETA siehe Wa/dmann, Militanter Nationalismus im Baskenland. 45 Vgl. Tamames, Spanien, S. 247 f. 46 Am 22.7.1969 hatte die Cortes ein Gesetz gebilligt, in dem Franco Prinz Juan Carlos, den Enkel des letzten spanischen Königs, Alfons XIII., zu seinem königlichen Nachfolger ernannt hatte. Damit hatte er den Vater von Juan Carlos, Don Juan (Conde de Barcelona), übergangen, der in Opposition zu Franco stand. Juan Carlos erlangte daher erst 1977 dynastische Legitimität, als Don Juan zu Gunsten seines Sohnes auf alle Thronansprüche verzichtete. 47 So Leguina Villa, Las Comunidades Aut6nomas, in: Predieri / Garcia de Enterria (Hg.), La Constituci6n espaiiola de 1978, S. 769 ff. (771).

11. Die verschiedenen historischen Regionen

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11. Die verschiedenen historischen Regionen Der Überblick über die geschichtliche Entwicklung illustriert zum einen den großen bis in die Gegenwart reichenden Stel1enwert der Regionen. Zum anderen macht er deutlich, daß den verschiedenen historischen Landschaften eine unterschiedliche Bedeutung zukommt48 . Letzteres wird verständlich, wenn man den Blick auf die in den einzelnen Regionen vorhandenen Elemente der Vielfalt richtet. 1. Katalonien

Eine führende Rol1e unter den Regionen Spaniens spielt insbesondere seit dem 19. Jahrhundert Katalonien. Der "Model1charakter der katalanischen Bewegung"49 basiert auf stark ausgeprägten Vielfaltelementen, die den Nährboden bildeten, auf dem vor al1em im 19. Jahrhundert das Bewußtsein der eigenen Besonderheit, die katalanische Identität wachsen konnte, die zu einer Verstärkung der zentrifugalen Kräfte führte. Elemente der Vielfalt bildeten neben der eigenen Geschichte vor allem die eigene Sprache und Kultur. War unter Philipp V. von Anjou das Katalanische als Amtssprache durch das Kastilische ersetzt worden, so erlebte die katalanische Sprache während der Romantik mit ihrer Besinnung auf die eigene Tradition eine neue Blüte50 • Auch der Repressionspolitik Francos gelang es nicht, das Katalanische durch das Kastilische zu verdrängen. Seit der Wiederzulassung des Katalanischen im öffentlichen Leben 51 erfreut es sich zunehmender Beliebtheit52 • Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Sonderstel1ung Kataloniens ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen. Die im 19. Jahrhundert dort einsetzende Industrialisierung entwickelte eine größere Dynamik als in den meisten anderen Regionen, so daß zu Beginn des 20. Jahrhunderts ca. 40% der gesamten Industrie Spaniens im Bal1ungsraum von Barcelona angesiedelt wa~3. Die wirtschaftliche Stärke Kataloniens besteht bis in die Gegenwart fort, wenn auch einige andere Regionen Boden gutmachen konnten 54 . 4. Ebenso Boucsein, JöR N.F. 27 (1978), S. 67.

Siehe Boucsein, a.a.O., S. 46. Vgl. hierzu Matthee, Katalanische Frage, S. 34. 51 Vgl. Art. 3 Abs. 2 CE iV.m. Art. 3 des Autonomiestatus für Katalonien vom 18.12.1979 (Organgesetz 4/1979). 52 Laut einer Untersuchung aus dem Jahre 1991 über den Gebrauch des Katalanischen in Katalonien verstehen 92,5% (1986 90%), sprechen 67% (1986 64%) und schreiben 36,4% (198631,5%) der Bevölkerung katalanisch, siehe EI Pais vom 28.8.1992, S. 18. 53 Siehe Frohn, Regionalismus und "Autonome Gemeinschaften". Das "föderative Modell" der Spanischen Verfassung vom 27.12.1978, ÖZöR 34 (1983), S. 47 ff. (50). 49

50

60

B. Einheit und Vielfalt in Spanien

Die wirtschaftliche, kulturelle sowie sprachliche Entwicklung wurde durch die besondere geographische Lage Kataloniens beeinflußt. An der nordöstlichen Peripherie der iberischen Halbinsel gelegen, bestanden insbesondere im Bereich des Handels enge Beziehungen zum Mittelmeerraum sowie zu Frankreich55 • Die genannten Eigenarten erklären, weshalb die Katalanen ein zentralistisches System, das ihre spezifischen Interessen ungenügend berücksichtigte, nicht akzeptierten und nach mehr Selbstbestimmung strebten. 2. Das Baskenland Diejenige Region, die neben Katalonien die stärksten Zentrifugalkräfte entwickelte, ist das Baskenland. Ebenso wie in Katalonien werden die Kräfte durch eine eigene Geschichte und Kultur sowie durch eine eigene Sprache gespeist. Allerdings ist die Verbreitung des Baskischen im Laufe der Jahrhunderte zurückgegangen56 , was unter anderem auf die starke Zuwanderung aus anderen Regionen während des im Baskenland besonders früh einsetzenden Industrialisierungsprozesses zurückzuführen ist. Die baskische Industrie in erster Linie Schwerindustrie - gehörte zusammen mit der katalanischen bis zum Bürgerkrieg zu den bedeutendsten in Spanien57 • Zusätzlich zu diesen Vielfaltelementen spielte auch das Bewußtsein, eine besondere ethnische Gruppe zu bilden, eine gewisse Rolle 58 • Die geschilderten Besonderheiten erklären den baskischen Widerstand gegen zentralistische Fremdbestimmung. 3. Die übrigen Regionen Auch in den übrigen Regionen gab und gibt es zentrifugale Kräfte. Trotz mehrerer zentralistisch geprägter Jahrhunderte konnten diese historischen 54 Dazu siehe Nahten I Hildenbrand, Regionalismus und politische Dezentralisierung in Spanien, in: Nohlen/Gonzales Encinar (Hg.), Der Staat der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 9 ff. (11 ff.). 55 Das Katalanische bildet die Brückensprache zwischen den iberoromanischen Sprachen einerseits und den galloromanischen andererseits, vgl. Scotti-Rosin, Artikel "Lenguas/dialectos", in: Spanien-Lexikon, S. 275. 56 Im Jahre 1986 verstanden ca. 43% der Bevölkerung des Baskenlandes baskisch, während ca. 25% baskisch sprechen konnten, vgl. EI Pais vom 28.8.1992, S. 18; zur Verbreitung der baskischen Sprache siehe auch Koppe/berg, Galegisch, Euskara und Katalanisch, in: Bernecker I Oehrlein (Hg.), Spanien heute: Politik - Wirtschaft - Kultur, S. 387 ff. (399

ff.).

Vgl. Valles i Casadevall, Der Bürger im Staat 1977, S. 78. Vgl. hierzu Liebert, Neue Autonomiebewegung und Dezentralisierung in Spanien: der Fall Andalusien, S. 25. 57

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III. Elemente der Homogenität

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Landschaften ihren jeweils besonderen Charakter bewahren. Allerdings sind ihre Eigenarten und - als Folge hiervon - ihre Identität59 weniger stark ausgeprägt als im Baskenland und in Katalonien. Galizien verfügt über eine eigene Geschichte und Kultur sowie über eine eigene Sprache, die immer noch fest in der Bevölkerung verwurzelt ist60 . Hinzu kommt die seit langem bestehende Unterentwicklung der Region61 , die viele Galizier zur Auswanderung veranlaßte. Das Vielfaltelement der Sprache spielt ebenfalls in Valencia 62 , auf den Balearen63 sowie in geringerem Maße in Asturien 64 und in einigen Gegenden von Navarra65 eine Rolle. In Andalusien gehen die zentrifugalen Kräfte vor allem von der wirtschaftlichen Unterentwicklung aus. In der Erlangung von Selbstbestimmungsrechten sah man eine Möglichkeit, der Vernachlässigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die Zentralregierung begegnen zu können66 • Eine ähnliche Situation besteht auf den Kanaren, wo die ökonomischen Probleme allerdings durch die besondere geographische Lage der weit vom kontinentalen Spanien entfernten Inseln mitverursacht sind67 •

III. Elemente der Homogenität Neben den stark ausgeprägten Vielfaltelementen existieren in Spanien auch Elemente der Homogenität. Hier ist zunächst die Religion zu nennen: In allen Regionen ist die Bevölkerung fast durchweg der römisch-katholischen Reli59 Vgl. Garcia Macho, EI Principio Auton6mico en relaci6n con el Federal, in: Instituto de Estudios Fiscales (Hg.), Organizacion territorial dei Estado (Comunidades Autonomas), Bd. H, S. 1165 ff. (1169). 60 Laut einer im EI Pais (vom 28.8.1992, S. 18) veröffentlichten Untersuchung verstehen in Galizien 99% der Bevölkerung sowohl das Galizische als auch das Kastilische, während 94,2% auch Galizisch sprechen können. Zur galizischen Sprache s.a. Koppelberg, in: Spanien heute, S. 391 ff. 61

V gl. hierzu Nohlen I Hildenbrand, in: Nohlen / Gonzales Encinar, S. 10 ff.

Dort sprechen 49% der Bevölkerung katalanisch (vgl. die Zahlenangaben aus dem Jahre 1986, in: EI Pais vom 28.8.1992, S. 18). 62

6) Dort sprechen 71 % der Bevölkerung katalanisch (vgl. die Angaben aus dem Jahre 1986, in: EI Pais vom 28.8.1992, S. 18).

64 Etwa 400.000 Bewohner Asturiens verstehen bzw. sprechen das bable, die asturische Variante des Asturisch-Leonesischen (astur-Ieones), das zwischen dem Kastilischen und dem Galizisch-Kastilischen einzuordnen ist, vgl. Scotti-Rosin, Artikel "Lenguas / dialectos", in: Spanien-Lexikon, S. 274 f.

65

Vgl. dazu Koppelberg, in: Spanien heute, S. 404 f.

Ebenso NohlenlHildenbrand, in: Nohlen/GonzaJes Encinar, S. 12, sowie Frohn, ÖZöR 34 (1983), S. 50 f. 66

67

Vgl. HildenbrandlNohlen, in: Spanien heute, S. 45.

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B. Einheit und Vielfalt in Spanien

gi on zugehörig. Daneben trägt die kastilische Sprache zur Homogenität bei. Anders als in mehrsprachigen Staaten wie etwa Belgien oder der Schweiz sind die Regionen mit eigener Regionalsprache durchweg zweisprachig, weshalb neben dem Katalanischen, Baskischen beziehungsweise Galizischen auch das Kastilische gebräuchlich68 ist. Die Sprache ist mithin nicht nur ein Element der Vielfalt, sondern gleichzeitig ein Element der Einheit. Auf eine ähnliche Ambivalenz stößt man bei der geographischen Situation Spaniens, die auf der einen Seite - wie gesehen - ein Vielfaltelement bildet, auf der anderen Seite aber auch ein Homogenitätselement darstellt, da die iberische Halbinsel - durch die Pyrenäen vom übrigen Kontinent getrennt geradezu dafür prädestiniert erscheint, daß auf ihr ein staatliches Gebilde existiert. Die Abspaltung Portugals war nicht unvenneidbar; sie ist vor allem durch übertriebenen Zentralismus verursacht worden. Eher schwach ausgeprägt sind die zentrifugalen Kräfte insbesondere in Kastilien-Le6n, Kastilien-La Mancha und in Estremadura, da hier die Elemente der Homogenität überwiegen.

IV. Fazit Die Voraussetzungen für Funktionsfähigkeit und Bestand eines föderativen Systems, nämlich eine gewisse Einheit sowie eine gewisse Vielfalt, sind in Spanien gegeben. Dabei ist auffallend, daß die zentrifugalen Kräfte der Vielfalt in den einzelnen Regionen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Da in Spanien die Elemente der Vielfalt überwiegen, ist das die Selbstbestimmung der Glieder betonende Trennmodell besser als das Verbundmodell für die föderative Organisation des spanischen Staates geeignet69 •

68 69

Vgl. NohlenlHildenbrand, in: Nohlen/Gonzales Encinar, S. 215. Zur Eignung des Trennmodells für heterogene Staaten siehe oben S. 48 f.

c. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften verfassungsrechtlicher Rahmen und seine Ausfüllung Laut Jordi Sole Tura l , einem der Verfassungsväter, war "der Konsens über die Verfassung ( ... ) bei vielen Gelegenheiten in Gefahr, aber bei keiner so wie bei dem Problem der Autonomien". Während sich die wesentlichen politischen Kräfte darüber einig waren, daß die zentralistische Staatsorganisation der Franco-Ära ersetzt werden mÜsse, gab es hinsichtlich des neuen Modells verschiedene, teilweise einander ausschließende Vorstellungen 3• So traten die linksgerichteten Parteien (Partido Socialista Obrero Espafiol [PSOE], Partido Comunista de Espafia [PCE], Partit Socialista Unificat de Catalunya [PSUC]) für eine umfassende Föderalisierung ein. Demgegenüber wollte die rechtsgerichtete Alianza Popular (AP) lediglich eine administrative Dezentralisierung zulassen. Die Position der Zentrumspartei (Union de Centro Democnitico [UCD]) unter Ministerpräsident Adolfo Smirez Gonzlilez, die aus einer Koalition von Parteien der Mitte entstanden und aus den ersten Parlamentswahlen nach dem Ende der Diktatur am 15.6.1977 als stärkste Partei hervorgegangen war\ war unklar, während die katalanischen Nationalisten für Katalonien sowie das Baskenland und Galizien - die sog. historischen Nationalitäten - eine weitgehende politische Autonomie forderten, den übrigen Regionen jedoch lediglich eine administrative Dezentralisation zugestehen wollten5 • Es verwundert daher nicht, daß die im Prozeß der Verfassunggebung schließlich gefundene Lösung eine Reihe von Fragen offenließ und ihre Klärung dem weiteren politischen Prozeß überantwortete 6• Erst diese OfI Das politische Modell des Staates Autonomer Gebietskörperschaften, in: L6pez Pina (Hg.), Spanisches Verfassungsrecht, S. 249. 2 Er gehörte der siebenköpfigen Arbeitsgruppe (Ponencia Constitucional) an, die von der Verfassungskommission mit der Ausarbeitung des ersten Verfassungsentwurfs beauftragt worden war; zum Prozeß der Verfassunggebung vgl. etwa den Überblick bei Hildenbrand I Nohten, in: Spanien heute, S. 50 Fn. 12. ) Vgl. Leguina Villa, in: La Constituci6n espaiiola, S. 771-773. 4 Die UCD konnte 34,6%, der PSOE mit Felipe Gonzales als Generalsekretär konnte als zweitstärkste Kraft 29,4% der Stimmen auf sich vereinigen, vgl. die Angaben bei Bernekker u.a., Spanien-Lexikon, S. 474. 5 Vgl. HildenbrandlNohlen, in: Spanien heute, S. 51, sowie Busch, Autonomie und Föderalismus, S. 30 ff. 6 Vgl. Tornos MaslAjalFont i LlovetlPerulles MorenolAlberti Rovira, Informe sobre las Autonomias, S. 27.

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C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

fenheit des Modells der territorialen Organisation ennöglichte es, den erforderlichen Konsens zu erzielen7•

I. Art. 2 CE - das Prinzip der Einheit und das Recht auf Autonomie Die Grundlagen des Modells der territorialen Organisation fanden ihre Regelung im Vortitel der Spanischen Verfassung, der die politischen Grundprinzipien enthält und gemäß Art. 168 CE nur unter - gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren bei Verfassungsänderungen gemäß Art. 167 CE - zusätzlich erschwerten Voraussetzungen geändert werden kann s. Art. 2 CE bestimmt: "Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier; sie anerkennt und gewährleistet das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, aus denen sie sich zusammensetzt, und auf die Solidarität zwischen ihnen."

Hierdurch werden zwei Pfeiler errichtet, auf denen das gesamte Modell ruht, nämlich das Prinzip der Einheit und das Recht auf Autonomie. Hinsichtlich des Autonomierechts läßt sich Art. 2 CE lediglich entnehmen, wer Träger dieses Rechts ist. Insoweit ist hervorzuheben, daß neben den Regionen auch die Nationalitäten genannt werden. Der Begriff der Nationalitäten, der im Prozeß der Verfassunggebung Gegenstand wiederholter Auseinandersetzungen war9 , findet sich nur in Art. 2 CE und wird von der Verfassung nicht näher bestimmt, was auch nicht notwendig war, da der Unterscheidung zwischen Regionen und Nationalitäten keine rechtliche Bedeutung zukommt. Der Sinn des Begriffs "Nationalitäten" ist vielmehr darin zu sehen, daß die Existenz unterschiedlicher Volksgruppen innerhalb des spanischen Staates verfassungsrechtlich anerkannt wird. Gleichzeitig stellt Art. 2 CE ausdrücklich klar, daß die Nationalitäten (und Regionen) Teile der spanischen Nation sind, die eine "unauflösliche Einheit" bildet lO • Was unter Autonomie zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus Art. 2 CE, sondern aus den Art. 143 ff. CE. Danach können in Ausübung des Autonomierechts Autonome Gemeinschaften I I entstehen, die über die Fähig7 In diesem Sinne Perez Tremps, in: L6pez Guerra I Espin I Garcia MorilJo I Perez Tremps I Satrustegui, Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 307. R Siehe unten S. 125. 9 Vgl. hierzu Sole Tura, in: Spanisches Verfassungsrecht, S. 249 (251 ff.), sowie Busch, Autonomie und Föderalismus, S. 61 ff. 10 Vgl. Cruz VillaIon, JöR N.F. 34 (1985), S. 195 (198 f.). II Hierbei handelt es sich um einen Oberbegriff, der sowohl die Regionen als auch die Nationalitäten umfaßt, vgl. Cruz VillaIon, JöR N.F. 34 (1985), S. 199.

II. Das dispositive Prinzip

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keit zur Selbstregierung verfügen (Art. 143 Abs. I CE), mithin ihre jeweils eigenen Interessen durch eigene Politiken verfolgen können 12 . Die Autonomen Gemeinschaften bilden damit, soweit sie sich durch entsprechende Autonomiestatute konstituieren, neben der Ebene des Zentral staates eine zweite Ebene, die staatliche Gewalt ausübt J3 • Allerdings ist die Reichweite der Selbstregierung, die auch legislative Befugnisse umfassen kann, nicht unbegrenzt. Vielmehr kann die Autonomie nicht weiter reichen, als es der in Titel VIII Kapitel III der Verfassung enthaltene Rahmen zuläßt. Die dort errichteten Grenzen der Selbstregierung sind Ausfluß des Prinzips der Einheit: Die Autonomen Gemeinschaften sind Teile des Ganzen, ihre Autonomie darf die Einheit nicht untergraben, sondern kann sich nur im Rahmen des Prinzips der Einheit entfalten 14 . Gemäß Art. 137 Satz 2 CE genießen nicht nur die sich konstituierenden Autonomen Gemeinschaften, sondern auch die Gemeinden und Provinzen 15 Autonomie. Hier ist darauf hinzuweisen, daß die Verfassung zwei Arten von Autonomie unterscheidet, nämlich diejenige der Gemeinden und Provinzen mit rein administrativem Charakter 16 und diejenige der Autonomen Gemeinschaften, die Legislativbefugnisse einschließt und daher "politischer Natur"17 ist.

11. Das dispositive Prinzip Die Verfassung statuiert zwar in Art. 2 CE ausdrücklich das Recht der Nationalitäten und Regionen auf Autonomie, nimmt jedoch nicht selbst eine territoriale Neugliederung vor. Sie schafft also keine mit einem bestimmten Grad an Autonomie ausgestatteten Autonomen Gemeinschaften, sondern überläßt es den zur Ausübung des Rechts auf Autonomie Befugten, ob und wie sie dieses Recht ausüben (sog. dispositives Prinzip). Die Verfassung beschränkt sich darauf, in den Art. 143 ff. sowie in verschiedenen Übergangsbestimmungen einen Rahmen für die Rechtsausübung vorzugeben. 12 Vgl. Alberti Rovira, in: Aja/Tomos Mas/Font i L1ovet/Perulles Moreno/ Alberti Rovira, EI sistema juridico de las Comunidades Aut6nomas, S. 81. Il Alberti Rovira, in: Aja u.a., EI sistema juridico, S. 80. 14 Ähnlich STC (Sentencia dei Tribunal Constitucional = Urteil des spanischen Verfassungsgerichts ) vom 2.2.1981, BJC 1 (1981), S. 7 ff. (14 f.). I; Die Gliederung des spanischen Territoriums geht auf das Jahr 1833 zurück. Nach dem Vorbild der französischen Departements wurden zur Zentralisierung der Verwaltung durch Dekret 49 Provinzen errichtet. Seit der später vorgenomnmenen Teilung der Kanaren in zwei Provinzen (Las Palmas und Teneriffa) gibt es 50 Provinzen. Vgl. Pielow, Autonomia Local in Spanien und Kommunale Selbstverwaltung in Deutschland, S. 18. 16 Vgl. beispielsweise Fernandez Segado, EI sistema constitucional espaiiol, S. 870. 17 Siehe STC vom 14.7.1981, BJC 5 (1981), S. 324 ff. (330).

5 Pfeifer

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C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

Das dispositive Prinzip, das bereits in der republikanischen Verfassung von 1931 (Art. 11) unter Anknüpfung an das Dekret über die Mancomunidades provinciales 18 verankert war 19 , ist durch seine Offenheit und Fiexibilität20 gekennzeichnet, die sich insbesondere darin widerspiegeln, daß die Festlegung der räumlichen Grenzen der Autonomen Gemeinschaften, die Fixierung des Grades ihrer Selbstregierung sowie die Ausgestaltung ihrer Einrichtungen dem Autonomieprozeß überlassen werden. Da der hierbei einzuhaltende Rahmen der Art. 143 ff. CE beachtlichen Gestaltungsspielraum läßt - so können etwa die Statute, durch die sich die Autonomen Gemeinschaften konstituieren, unterschiedliche Kompetenzniveaus aufweisen -, wird die Möglichkeit eröffnet, den Besonderheiten der Regionen und Nationalitäten Rechnung zu tragen 21 •

111. Die Verfahren zur Errichtung Autonomer Gemeinschaften Die Ausübung des Rechts auf Autonomie kann nur in den Bahnen erfolgen, die durch die Art. 143 ff. CE sowie mehrere Übergangsbestimmungen vorgezeichnet sind. Danach lassen sich - neben einigen Sonderwegen - ein langsamer und ein schneller Weg zur Autonomie unterscheiden. Wird der schnelle Weg (via nipida) beschritten, ist es möglich, daß eine Autonome Gemeinschaft durch entsprechende Ausgestaltung des Autonomiestatuts vom Zeitpunkt ihres Entstehens an über das höchste nach der Verfassung zulässige Kompetenzniveau verfügt. Demgegenüber muß bei Beschreiten des langsamen Weges (via lenta) zunächst auf einem niedrigeren Niveau Station gemacht werden, bevor nach einer Wartezeit von fünf Jahren das maximale Niveau erreicht werden kann. Insoweit besteht ein Unterschied zur Verfassung von 1931, die gemäß Art. 11 f. nur einen einzigen Weg zur Errichtung einer Autonomen Gemeinschaft vorsah. Bei beiden Wegen lassen sich zwei aufeinander folgende Verfahrensabschnitte unterscheiden. In einem ersten Schritt artikuliert ein bestimmtes Territorium in der von der Verfassung vorgegebenen Form seinen Willen, eine Autonome Gemeinschaft zu bilden. Der sich anschließende zweite Schritt hat die Ausarbeitung und Verabschiedung eines Autonomiestatuts zum Gegenstand; erst mit dem Inkrafttreten des Statuts entsteht die betreffende Autonome Gemeinschaft. IM

Siehe oben S. 55 f.

Aja (in: ders. u.a., EI sistema juridico, S. 72) sieht im dispositiven Prinzip die Hauptähnlichkeit zwischen den Verfassungen von 1931 und 1978. 19

20 Hierzu beispielsweise Lojendio e Irure, EI modelo auton6mico de la Constituci6n de 1978, in: Primeras lomadas de Estudio dei Estatuto de Autonomia dei Pais Vasco, Bd. I, S. 17 ff. (29). 21

Siehe STC 6/1984 vom 6.2.1984, BlC 35 (1984), S. 341 ff. (353).

III. Die Verfahren zur Errichtung Autonomer Gemeinschaften

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1. Der langsame Weg Dieser Weg zur Autonomie wird auch als der gewöhnliche bezeichnet22 , da auf ihm leichter zu überwindende Hindernisse bestehen als auf dem schnellen Weg. a) Der erste Verfahrensabschnitt

Dieser Abschnitt dient in erster Linie dazu, das Gebiet abzugrenzen, auf dem eine Autonome Gemeinschaft entstehen soll. Gemäß Art. 143 Abs. I CE können in Ausübung des Autonomierechts zum einen aneinandergrenzende Provinzen mit gemeinsamen historischen, kulturellen und wirtschaftlichen Eigenschaften, zum anderen die Inselgebiete 23 und schließlich Provinzen, die historisch eine Regionaleinheit bilden 24, Autonome Gemeinschaften errichten. Die Gebietsabgrenzung steht also unter der Herrschaft des dispositiven Prinzips, d.h. sie ist dem Autonomieprozeß überlassen, wobei die genannten Vorgaben zu beachten sind. Es fällt auf, daß die Ausübung des Rechts auf Autonomie nicht den Trägem dieses Rechts, das heißt den Regionen und Nationalitäten, sondern den Provinzen sowie den Inselgebieten zugewiesen wird. Gemäß Art. 143 Abs. 2 Satz I CE obliegt es den Repräsentativorganen dieser Gebiete, ihren auf die Bildung einer Autonomen Gemeinschaft gerichteten Willen zu artikulieren. Daneben ist erforderlich, daß dieser Wille auch von zwei Dritteln der Gemeindevertretungen, deren Bevölkerung mindestens die Mehrheit der Wahlberechtigten jeder Provinz oder Insel umfaßt, zum Ausdruck gebracht wird (Art. 143 Abs. 2 Satz I CE). Beide Erfordernisse müssen innerhalb von sechs Monaten seit dem Beginn des Verfahrens erfüllt werden (Art. 143 Abs. 2 Satz 2 CE), anderenfalls ist eine erneute Initiative erst nach fünf Jahren möglich (Art. 143 Abs. 3 CE). Die Willensäußerungen der Repräsentativorgane der Provinzen bzw. der Inseln können gemäß der ersten Übergangsbestimmung zur Verfassung in Vgl. etwa Leguina Villa, in: La Constituci6n espaiiola, S. 794, 798. Fernandez Segado (EI si sterna constitucional espaiiol, S. 881) weist darauf hin, daß nur jeder Archipel als Ganzes, nicht dagegen jede Insel für sich eine Autonome Gemeinschaft bilden kann. 24 Hiermit wird die Errichtung von Autonomen Gemeinschaften sanktioniert, die aus nur einer Provinz bestehen. Das Erfordernis, daß die betreffende Provinz historisch eine Regionaleinheit bildet, kann gemäß Art. 144 lit. a CE von den Cortes Generales (zu diesem Begriff s.u. S. 68 Fn. 30) aus Gründen des nationalen Interesse durch ein Organgesetz (zu diesem Begriff s.u. S. 69 Fn. 31) ersetzt werden (hierzu etwa Fernandez Segado, EI sistema constitucional espaitol, S. 882 f.). Von dieser Vorschrift wurde nur im Fall der Provinz Madrid Gebrauch gemacht, die sich als Autonome Gemeinschaft konstituieren wollte, die Voraussetzung des Art. 143 I CE jedoch nicht erfüllte. Durch Organgesetz (6/1982 vom 7.7.1982, B.O.E. mim. 173 vom 21.7.1982) gestatteten die Cortes Generales die Errichtung der Autonomen Gemeinschaft Madrid. 22 23

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C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

den Gebieten mit provisorischem Autonomiestatus durch einen entsprechenden Beschluß der obersten Kollegialorgane25 dieser sogenannten Präautonomien (Preautonomias) ersetzt werden. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß parallel zur Phase der Verfassunggebung mittels königlicher Gesetzesdekrete in insgesamt 13 Regionen vorläufige Autonomieregime errichtet worden waren26 , wobei auch hier Katalonien die Vorreiterrolle übernommen hatte27 • Zwar hatten die Präautonomien, denen ausschließlich Exekutivbefugnisse zustanden und deren Organe auf einen Präsidenten sowie einen Exekutivausschuß beschränkt waren, nur provisorischen CharakterS; dennoch wurde durch sie die künftige Landkarte der Autonomen Gemeinschaften weitgehend vorgezeichnee 9 • Da die genannte Übergangsbestimmung für diejenigen Präautonomien, in denen nach Art. 143 Abs. 2 Satz 1 CE die Beschlüsse mehrerer Repräsentativorgane erforderlich gewesen wären, eine Vereinfachung des Verfahrens bedeutete, haben die meisten Exekutivausschüsse von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Willen zur Autonomie zu artikulieren. Weiterhin ist auf Art. 144 lit. c CE hinzuweisen, der die Cortes Generales 30 ermächtigt, aus Gründen des nationalen Interesses durch ein Organgesetz 25

Der Beschluß muß mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder gefaßt werden.

Katalonien: Königliches Gesetzesdekret (Real Decreto -Iey) 41 I 1977 vom 29.9.1977; Baskenland: Königliches Gesetzesdekret I I 1978 vom 4.1.1978; Galizien: Königliches Gesetzesdekret 7 11978 vom 16.3.1978; Aragonien: Königliches Gesetzesdekret 8/1978 vom 17.3.1978; Kanaren: Königliches Gesetzesdekret 9 11978 vom 17.3.1978; Valencia: Königliches Gesetzesdekret 10/1978 vom 17.3.1978; Andalusien: Königliches Gesetzesdekret 1111978 vom 27.4.1978; Balearen: Königliches Gesetzesdekret 18 11978 vom 13.6.1978; Estremadura: Königliches Gesetzesdekret 19 11978 vom 13.6.1978; Kastilien-Leim: Königliches Gesetzesdekret 20/1978 vom 13.6.1978; Asturien, Königliches Gesetzesdekret 29 11978 vom 27.9.1978; Murcia: Königliches Gesetzesdekret 30 11978 vom 27.9.1978; Kastilien-La Mancha: Königliches Gesetzesdekret 32 11978 vom 31.1 0.1978 (vgl. die Veröffentlichung dieser Gesetzesdekrete vom Servicio Central de Publicaciones de la Presidencia dei Gobiemo, Colecci6n Informe Nr. 20, Madrid 1978). Lediglich in Le6n, Logroiio, Madrid, Navarra und Santander existierten keine vorläufigen Autonomieregime. 26

Hierzu vgl. Cruz VillaIon, JöR N.F. 34 (1985), S. 209 f. Dies ergibt sich auch aus der VII. Übergangsbestimmung zur Verfassung. 29 Vgl. Leguina Villa, in: La Constituci6n espaiiola, S. 784, sowie Aja u.a., EI sistema juridico, S. 78. 30 Die Cortes Generales üben gemäß Art. 66 Abs. 2 CE die gesetzgebende Gewalt des Staates aus. Sie bestehen aus zwei Kammern: dem Kongreß der Abgeordneten (Congreso de los Diputatos) und dem Senat (Senado), Art. 66 Abs. I Satz 2 CE. Die Abgeordneten des Kongresses werden in allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt (Art. 68 Abs. I CE). Der Senat, die zweite Kammer der Cortes Generales, die in Art. 69 Abs. I CE als "Kammer der territorialen Repräsentation" bezeichnet wird, besteht überwiegend aus Senatoren, die in den Provinzen gewählt werden, sowie aus einer kleineren Gruppe von Senatoren, die durch die Parlamente der Autonomen Gemeinschaften bestimmt werden (Art. 69 CE). Im Gesetzgebungsverfahren spielt der Senat nur eine untergeordnete Rolle, da der Kongreß ein Veto der zweiten Kammer mit absoluter Mehrheit zu27

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III. Die Verfahren zur Errichtung Autonomer Gemeinschaften

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(ley organica)31 die Initiative der Gebietskörperschaften im Sinne des Art. 143 Abs. 2 CE zu übernehmen. Wird also in einer Provinz der Wille zur Autonomie nicht gemäß Art. 143 Abs. 2 CE zum Ausdruck gebracht, so können die Cortes Generales diese Willensartikulation durch ein Organgesetz ersetzen. In dieser Einschränkung des dispositiven Prinzips spiegelt sich das Bestreben des Verfassunggebers wider, den Boden dafiir zu bereiten, daß auf dem gesamten Staatsgebiet Autonome Gemeinschaften entstehen und keine "Autonomielücken"32 bleiben. Art. 144 lit. c CE wird daher auch als "Norm zur Schließung des Systems"3J bezeichnet. Anwendung fand die Norm im Fall der Provinz Segovia34 . b) Der zweite Verfahrensabschnitt

Mit der Ausarbeitung des Autonomiestatuts kann erst begonnen werden, wenn das Gebiet der künftigen Autonomen Gemeinschaft festgelegt worden ist. Die besondere Bedeutung des Verfahrensabschnitts der Statutgebung klingt bereits in Art. 147 Abs. I CE an, der die Statute als die "grundlegende institutionelle Norm der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft" und "wesentlichen Bestandteil" der Rechtsordnung des Staates bezeichnet. Sie tritt deutlich hervor, wenn man sich vor Augen hält, daß das jeweilige Autonomiestatut darüber entscheidet, welche Kompetenzen die betreffende Autonome Gemeinschaft übernimmt und wie ihre Institutionen ausgestaltet sind. Das in Art. 146 CE geregelte Verfahren der Statutgebung sieht in einem ersten Schritt die Ausarbeitung eines Statutentwurfs durch eine sich allein fiir rückweisen kann (Art. 90 Abs. 2 CE). Zur Zusammensetzung des Senats und zu seiner Rolle im Gesetzgebungsverfahren siehe unten S. 114 ff. li Bei den Organgesetzen handelt es sich um eine besondere Art von Gesetzen, die vom Gesetzgeber nur in den von der Verfassung vorgesehenen Fällen erlassen werden dürfen (Art. 81 Abs. I CE). Die Materien der Organgesetzgebung sind dadurch gekennzeichnet, daß sie Probleme zum Gegenstand haben, die der Verfassunggeber nicht selbst löste, um die Verabschiedung der Verfassung nicht zu verzögern; vielmehr wurde die Beantwortung der offenen Fragen dem Gesetzgeber überlassen; vgl. Cruz Villa/on, Zehn Jahre spanische Verfassung, JöR N.F. 37 (1988), S. 87 ff. (99 f.), sowie A. Weber, Die Spanische Verfassung von 1978, JöR N.F. 29 (1980), S.209 ff. (232). Wegen der besonderen Bedeutung dieser Entscheidungen bedarf die Verabschiedung ebenso wie die Änderung oder Aufhebung eines Organgesetzes gemäß Art. 81 Abs. 2 CE bei der Schlußabstimmung über den gesamten Entwurf der absoluten Mehrheit des Kongresses, d.h. der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder, während bei einfachen Gesetzen (Ieyes ordinarias) die relative Mehrheit des Kongresses genügt. Demgegenüber findet im Senat das Verfahren Anwendung, das auch für die übrigen Gesetze gilt. l2 Siehe Cruz Villa/on, JöR N.F. 34 (1985), S. 208. JJ Siehe STC 100/1984 vom 8.11.1984, BJC 43 (1984), S. 1319 ff. (1324). l4 Hierzu sowie zur weiten Auslegung des Art. 144 lit. c CE in diesem Fall Fernandez Segado, EI sistema constitucional espafiol, S. 881 f., 886 f.

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C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

diesen Zweck konstituierende Ad-hoc-Versammlung vor, die aus den Mitgliedern der Repräsentativorgane der betroffenen Provinzen sowie aus den in ihnen gewählten Mitgliedern der Cortes Generales besteht. Der Entwurf wird den Cortes Generales zugeleitet, die ihn in einem zweiten Verfahrensschritt als Gesetz - und zwar als Organgesetz (vgl. Art. 81 Abs. I CE) - behandeln und verabschieden 35 • Auffallend ist die starke Position der Cortes Generales in diesem Verfahren, die Leguina Villa36 von einem "vom Parlament des Staates für die betreffende Autonome Gemeinschaft erlassenen Statut" sprechen läßt. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung gewährt die Verfassung einen weiten Gestaltungsspielraum. Lediglich den Mindestanforderungen des Art. 147 Abs. 2 CE muß Genüge getan werden. Insbesondere gibt die Verfassung den sich auf dem langsamen Weg konstituierenden Autonomen Gemeinschaften kein bestimmtes Organisationsmodell VO~7. Allerdings können den Autonomen Gemeinschaften durch das Statut zunächst nur die in Art. 148 Abs. I CE aufgeführten Kompetenzen übertragen werden. Erst nach fünf Jahren kann im Wege einer Statutänderung das höchste nach der Verfassung mögliche Kompetenzniveau erreicht werden (Art. 148 Abs. 2 CE).

2. Der schnelle Weg Auf diesem Weg kann eine Autonome Gemeinschaft durch entsprechende Ausgestaltung des Statuts vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an das verfassungsrechtlich zulässige Höchstmaß an Kompetenzen übernehmen, was jedoch grundsätzlich die Überwindung hoher verfahrensrechtlicher Hürden voraussetzt. a) Der erste Verfahrensabschnitt

Gerade dieser der Gebietsabgrenzung dienende Abschnitt ist besonders hindernisreich ausgestaltet. Art. 151 Abs. I CE verschärft die Anforderungen an die Artikulierung des Autonomiewillens gegenüber Art. 143 Abs. 2 Satz I CE - bei Übereinstimmung im übrigen - in zweifacher Hinsicht: Zum einen muß die Autonomieinitiative von drei Vierteln der Gemeindevertretungen einer jeden Provinz unterstützt werden. Zum anderen muß die Initiative in einem Referendum von der absoluten Mehrheit der Wahlberechtigten einer jeden betroffenen Provinz gebilligt werden. 35 Zu den Einzelheiten des Verfahrens siehe Fernimdez Segado, EI sistema constitucional espanol, S. 893 f. 3' In: La Constitucion espanola, S. 798. 37 Vgl. Leguina Villa, in: La Constitucion espanola, S. 802.

III. Die Verfahren zur Errichtung Autonomer Gemeinschaften

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Ein stark vereinfachtes Verfahren hält die zweite Übergangsbestimmung zur Verfassung für diejenigen Gebiete bereit, in denen in der Vergangenheit Entwürfe von Autonomiestatuten in einem Referendum gebilligt wurden und die zum Zeitpunkt der Verkündung der Verfassung über ein vorläufiges Autonomieregime verfügen. Diese Vorschrift richtet sich ausschließlich an die sogenannten "historischen Nationalitäten" (nacionalidades hist6ricas )38 Katalonien, Galizien und das Baskenland, die allein auch die erste der beiden Voraussetzungen erfüllen39 • Da sie bereits in der Vergangenheit ihren Autonomiewillen zum Ausdruck gebracht haben, können sie gemäß Satz I der zweiten Übergangsbestimmung unmittelbar in die Phase der Statutgebung eintreten, wenn die obersten präautonomen Kollegialorgane dies mit absoluter Mehrheit beschließen; sämtliche Hürden des Art. 151 Abs. I CE bleiben ihnen somit erspart40 . Mit dieser Privilegierung trug der Verfassunggeber den Forderungen Kataloniens und des Baskenlandes nach einem zügigen Übergang zu einer weitreichenden Selbstregierung Rechnung. b) Der zweite Verfahrensabschnitt

Im Hinblick auf das Verfahren der Statutgebung wird nicht zwischen den im ersten Verfahrensabschnitt privilegierten und den sonstigen Territorien unterschieden. Gemäß Art. 151 Abs. 2 Nr. 1 CE konstituiert sich zum Zweck der Ausarbeitung des Entwurfs eines Autonomiestatuts eine Ad-hoc-Versammlung, die aus den Cortes-Mitgliedern der betroffenen Provinzen besteht. Ist der Entwurf mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder der Versammlung angenommen worden, wird er an den Verfassungsausschuß des Kongresses weitergeleitet, der ihn unter Mitwirkung einer Delegation der vorschlagenden Versammlung prüft mit dem Ziel, die endgültige Fassung im gegenseitigen Einvernehmen festzulegen (Art. 151 Abs. 2 Nr. 2 CE). Ist dieses Einvernehmen hergestellt worden41 , wird der Text der Bevölkerung der betroffenen Provinzen in einem Referendum vorgelegt (Art. 151 Abs. 2 Nr. 3 CE). Ist der Entwurf in jeder Provinz mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen angenommen worden, wird er den Cortes Generales zur Ratifikation 3R Vgl. etwa Leguina Villa, a.a.O., S. 795; Perez Tremps (in: L6pez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 323) verwendet die Bezeichnung "historische Gemeinschaften" (Comunidades Hist6ricas). 39 Lediglich in den drei genannten Regionen wurden während der Zweiten Republik Entwürfe von Autonomiestatuten durch Plebiszit angenommen, siehe oben S. 57. 40 Unrichtig insofern Busch (Autonomie und Föderalismus, S. 98), der zusätzlich die Zweidrittelmehrheit der Gemeinden einer jeden beteiligten Provinz fiir erforderlich hält. 41 Art. 151 Abs. 2 Nr. 5 CE regelt, wie zu verfahren ist, wenn kein Einvernehmen erzielt werden konnte.

72

C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

durch beide Kammern zugeleitet und nach der Billigung vom König als Organgesetz verkündet (Art. 151 Abs. 2 Nr. 4 CE). Gegenüber dem Verfahren der Statutgebung des langsamen Weges fällt hier die vielfältige Beteiligung der künftigen Autonomen Gemeinschaften am Zustandekommen des Statuts auf - insbesondere kann kein Statut gegen den Willen der Bevölkerung in Kraft treten -, so daß die Qualifizierung als "vereinbartes Statut" (Estatuto pactadot 2 zutreffend erscheint. Im Hinblick auf den Inhalt der Statute bestehen im Vergleich zum langsamen Weg zwei gravierende Unterschiede: Zum einen können die betreffenden Autonomen Gemeinschaften kraft ihrer Autonomiestatute alle diejenigen Kompetenzen übernehmen, die nicht durch Art. 149 Abs. 1 CE oder eine andere Verfassungsnorm dem Zentral staat zugewiesen sind (Art. 149 Abs. 3 Satz 1 CE). Sie können also sofort das höchste nach der Verfassung mögliche Kompetenzniveau erreichen - der bei Beschreiten des langsamen Weges erforderliche Zwischenschritt gemäß Art. 148 CE bleibt ihnen erspart. Zum anderen gibt die Verfassung für diesen Typ von Autonomen Gemeinschaften ein konkretes Modell der institutionellen Organisation vor. Gemäß Art. 152 Abs. I CE müssen deren Statute eine aus allgemeinen Wahlen hervorgehende Gesetzgebende Versammlung (Asamblea Legislativa), einen Regierungsrat (Consejo de Gobierno), einen von der Versammlung gewählten Präsidenten, dem unter anderem die Leitung des Regierungsrates obliegt, sowie einen Höheren Gerichtshof (Tribunal Superior de Justicia) vorsehen, so daß deren Organisationsstruktur derjenigen des Zentralstaates stark ähnelt43 .

IV. Die Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Rahmens Durch das Inkrafttreten von insgesamt 17 Autonomiestatuten zwischen 1979 und 1983 sind auf dem gesamten Gebiet des spanischen Staates - abgesehen von Ceuta und Melilla44 - Autonome Gemeinschaften entstanden. Trotz des dispositiven Prinzips sind also keine "Autonomielücken"45 geblieben. 42 Siehe Leguina Villa, in: La Constituci6n espaiiola, S. 799; ähnlich Cruz Villaion, JöR N.F. 34 (1985), S. 207. 43 Cruz Villaion (JöR N.F. 34 [1985], S. 214) spricht mit Blick auf Art. 152 Abs. I CE treffend von der verfassungsrechtlichen Verankerung des Homogenitätsprinzips. 44 Bei diesen bei den spanischen Enklaven in Nordafrika handelt es sich um Relikte des spanischen Kolonialreiches, deren Unabhängigkeits- bzw. Abtretungsverfahren an Marokko seit 1975 eingefroren ist, vgl. de la Vega, Artikel "Ceuta/Melilla", in: Spanien-Lexikon, S. 85. Die beiden Städte können sich gemäß der fiinften Übergangsbestimmung zur Verfassung in einern besonderen Verfahren, an dem die Stadträte sowie die Cortes Generales beteiligt sind, als Autonome Gemeinschaften konstituieren. 45 Siehe Cruz Villaion, JöR N.F. 34 (1985), S. 208.

IV. Die Ausftillung des verfassungsrechtlichen Rahmens

73

Vielmehr wirkte die Idee der regionalen Selbstregierung, an deren Verbreitung das System der Präautonomien maßgeblichen Anteil hatte 46 , so anziehend, daß sämtliche Regionen zur Autonomie gelangten. Die erste Phase des Autonomieprozesses umfaßt die Errichtung der Autonomen Gemeinschaften des Baskenlandes und Kataloniens. Sie ist geprägt durch die Einsicht der maßgeblichen politischen Kräfte in die Notwendigkeit, auf dem Weg des Konsenses, der sich bei der Verfassunggebung gerade bewährt hatte, fortzuschreiten - eine Einsicht, die durch die besondere Dringlichkeit der Frage der Selbstregierung in den genannten Gebieten vermittelt wurde. Auf dem sogenannten schnellen Weg, der von außerparlamentarischen Verhandlungen der maßgeblichen Politiker flankiert wurde 47 , gelang es, bereits am 18.12.1979 Autonomiestatute für das Baskenland48 und Katalonien49 zu verkünden. Beide Statute sehen für die beiden betroffenen Autonomen Gemeinschaften das höchste nach der Verfassung mögliche Kompetenzniveau vor. Das baskische Statut weist einige Besonderheiten auf, die von der ersten Zusatzbestimmung zur Verfassung herrühren. Nach dieser sogenannten Foralklausel schützt und achtet die Verfassung "die historischen Rechte der Foralgebiete" (derechos hist6ricos de los territorios forales)5o, deren Aktualisierung im Rahmen der Verfassung und der Autonomiestatute verwirklicht wird. Aktualisiert wurde insbesondere das besondere - "Concierto Econ6mico" genannte - Finanzierungssystem51 , das sich grundlegend von dem gewöhnlichen System der Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften52 unterscheidet, welches - außer in Navarra - in allen anderen Autonomen Gemeinschaften Anwendung findet. Die folgende Phase ist dadurch gekennzeichnet, daß an die Stelle des Konsenses die Auseinandersetzung über den weiteren Fortgang des Autonomieprozesses trat. Die UCD unter Ministerpräsident Smirez forderte mehr Kontrolle hinsichtlich der Gestaltung der übrigen Autonomen Gemeinschaften53 und revidierte ihre bisherige Haltung dahingehend, daß lediglich die "historiEbenso Aja, in: ders. u.a., EI sistema juridico, S. 79. Vgl. hierzu Cruz Villalon, a.a.O., S. 213 f. 4X Organgesetz 3/ 1979 vom 18.12.1979 über das Autonomiestatut fiir das Baskenland, B.O.E. mim. 306 vom 22.12.1979. . 49 Organgesetz 4/ 1979 vom 18.12.1979 über das Autonomiestatut von Katalonien, B.O.E. mim. 306 vom 22.12.1979. 50 Die Foralgebiete sind Alava, Guipuzcoa und Vizcaya, die heute die Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes bilden, sowie Navarra. 5] Siehe dazu unten S. 109. 5, Siehe dazu unten S. 102 ff. 53 Vgl. hierzu Tomos Mas u.a., Inforrne sobre las Autonomias, S. 27. 46 47

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C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

schen Nationalitäten" den schnellen Weg beschreiten sollten. Im Hinblick auf die anderen Territorien wollte sie diesen Weg nicht mehr unterstützen. Dieser Kurswechsel der damals größten Partei brachte Andalusien, Valencia, Aragonien sowie die Kanaren, die bereits die ersten Schritte auf dem schnellen Weg unternommen hatten, praktisch um die Chance, die hohe Hürde des Referendums gemäß Art. 151 Abs. 1 CE zu überspringen. Lediglich in Andalusien kam es daher am 28.2.1980 zum "Initiativ-Referendum"54, das trotz des Aufrufs der UCD zur Stimmenthaltung nur knapp scheiterte; in einer einzigen Provinz (Almeria) wurde die erforderliche absolute Mehrheit55 verfehlt. Trotz der Lähmung des Autonomieprozesses durch den Streit über seine weitere Gestaltung traten in dieser Phase die Autonomiestatute für Galizien und Andalusien in Kraft, wobei in bei den Fällen der schnelle Weg beschritten wurde. In Galizien, einer "historischen Gemeinschaft", hatte der Versuch der UCD, die Position des Zentralstaates im Bereich der Gesetzgebung zu Lasten der Autonomen Gemeinschaft zu stärken, die Verabschiedung des Statuts verzögert 56 • Erst nach dem Scheitern dieses Vorhabens fand am 21.12.1980 das Referendum über den Entwurf des Statuts statt, das zu dessen Annahme führte; am 6.4.1981 wurde das Statut für Galizien 57 verkündet. Neben den "historischen Gemeinschaften" konnte lediglich Andalusien auf dem Weg des Art. 151 CE zur Autonomie gelangen. Hierzu war allerdings ein verfassungsrechtlich fragwürdiger Kunstgriff erforderlich. Mit Blick auf die Provinz Almeria änderte man das Organgesetz 2/ 1980 vom 18.1.198058 , welches die Modalitäten der Referenden regelt, dahingehend, daß die Cortes Generales unter bestimmten Voraussetzungen das in einer Provinz nicht erfüllte Erfordernis der absoluten Mehrheit im "Initiativ-Referendum" (vgl. Art. 151 Abs. 1 CE) durch Organgesetz ersetzen können 59 . Von dieser Verfassungsdurchbrechung machten die Cortes Generales durch das Organgesetz 13/1980 vom 16.12.198060 Gebrauch, wodurch der erste Abschnitt des schnellen Weges abgeschlossen wurde. Der Entwurf eines Statuts wurde im Referendum vom 20.10.1981 angenommen. Am 30.12.1981 wurde das Statut für Andalusien verkündet61 • Siehe Cruz VillaIon, JöR N.F. 34 (1985), S. 219. Die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen hatte der Autonomieinitiative zwar zugestimmt. Wegen der geringen Wahlbeteiligung von unter 50% reichte es jedoch nicht zur erforderlichen absoluten Mehrheit der Wahlberechtigten, vgl. Busch, Autonomie und Föderalismus, S. 94. 56 Vgl. hierzu Cruz VillaIon, JöR N.F. 34 (1985), S. 218 f. 57 Organgesetz 1/1981 vom 6.4.1981 über das Autonomiestatut für Galizien, B.O.E. mim. 101 vom 28.4.1981. SB B.O.E. mim. 20 vom 23.1.1980. 59 Vgl. Organgesetz 12/1980 vom 16.12.1980, B.O.E. mim. 308 vom 24.12.1980; zu den Einzelheiten siehe Busch, Autonomie und Föderalismus, S. 95 f. 60 B.O.E. mim. 308 vom 24.12.1980. 54 55

IV. Die Ausfullung des verfassungsrechtlichen Rahmens

75

Der Autonomieprozeß kam erst wieder in Gang, nachdem sich die bei den größten Parteien, die UCD und der PSOE, über die weitere Vorgehensweise geeinigt hatten. Am 31.7.1981 unterzeichneten die U CD-Regierung und der PSOE die sogenannten "Autonomie-Vereinbarungen"62, die sich im wesentlichen auf die Vorschläge stützten, die eine von Eduardo Garcia de Enterria geleitete Expertenkommission in ihrem Bericht über territoriale Autonomien 63 unterbreitet hatte. Das Übereinkommen sah unter anderem vor, daß die übrigen nach Autonomie strebenden Territorien den langsamen Weg (Art. 143, 146 CE) beschreiten und sowohl über Verwaltungs- als auch über Gesetzgebungskompetenzen verfügen sollten. Lediglich Navarra sollte auf einem anderen Weg, nämlich auf dem der Ersten Zusatzbestimmung zur Verfassung zur Selbstregierung gelangen können. Den Forderungen der Kanaren und Valencias nach möglichst weitreichender Autonomie kam man insoweit entgegen, als sie zwar auch den langsamen Weg gehen sollten, ihnen jedoch die Möglichkeit eröffnet wurde, von Anfang an über den Rahmen des Art. 148 Abs. 1 CE hinaus Kompetenzen zu übernehmen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen entstanden in weniger als zwei Jahren 13 weitere Autonome Gemeinschaften. Asturien64 , Kantabrien 65 , Rioja66 , Murcia67 , Aragonien68 , Kastilien-La Mancha69 , Estremadura70 , die Balearen 7!, Madrid 72 sowie Kastilien-Leon 73 erhielten auf dem Weg der Art. 143, 61 Organgesetz 6/1981 vom 30.12.1981 über das Autonomiestatut für Andalusien, B.O.E. mim. 9 vom 11.1.1982. 62 "Acuerdos Autonomicos firmados por el Gobierno de la Nacion y el Partido Socialista Obrero Espanol", veröffentlicht vom Servicio Central de Publicaciones de la Presidencia dei Gobierno, Coleccion Informe Nr. 36, Madrid 1981. 6) "Informe de la Cornision de Expertos sobre Autonomias", ebenfalls veröffentlicht vom Servicio Central de Publicaciones, Coleccion Informe Nr. 32, Madrid 1981. 64 Organgesetz 7/1981 vom 30.12.1981 über das Autonomiestatut für Asturien, B.O.E. mim. 9 vom 11.1.1982. 65 Organgesetz 8/1981 vom 30.12.1981 über das Autonomiestatut für Kantabrien, B.O.E. mim. 9 vom 11.1.1982. 66 Organgesetz 3/1982 vom 9.6.1982 über das Autonomiestatut von Rioja, B.O.E. mim. 146 vom 19.6.1982. 67 Organgesetz 4/1982 vom 9.6.1982 über das Autonomiestatut fur die Region Murcia, B.O.E. mim. 146 vom 19.6.1982. 6R Organgesetz 8/1982 vom 10.8.1982 über das Autonomiestatut von Aragonien, B.O.E. mim. 195 vom 16.8.1982. 69 Organgesetz 9/1982 vom 10.8.1982 über das Autonomiestatut von Kastilien-La Mancha, B.O.E. mim. 195 vom 16.8.1982. 70 Organgesetz 1/1983 vom 25.2.1985 über das Autonomiestatut von Estremadura, B.O.E. mim. 49 vom 6.2.1983. 71 Organgesetz 2/1983 vom 25.2.1983 über das Autonomiestatut für die Balearen, B.O.E. mim. 51 vom 1.3.1983.

76

C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

146 CE Autonomiestatute, die den Kompetenzrahmen des Art. 148 Abs. 1 CE weitgehend ausschöpften. Auch die Kanaren74 und Valencia 75 gelangten über die Art. 143, 146 CE zur Selbstregierung. Dennoch verfugten sie, ohne das Verstreichen der Fünfjahresfrist des Art. 148 Abs. 2 CE abwarten zu müssen, über ähnliche Kompetenzen wie die vier Autonomen Gemeinschaften des schnellen Weges. Dies wurde durch zwei Organgesetze nach Art. 150 Abs. 2 Ce 6 ermöglicht, durch die die über Art. 148 Abs. 1 CE hinausreichenden Kompetenzen auf die beiden Autonomen Gemeinschaften übertragen wurden. In einem besonderen Verfahren erreichte Navarra das Ziel der Autonomie. Gestützt auf die Foralklausel der Ersten Zusatzbestimmung zur Verfassung verabschiedeten die Cortes Generales ein zwischen Navarra und dem Zentralstaat ausgehandeltes Organgesetz, durch welches das Foralregime Navarras wiedereingesetzt wurde 77 • Dieses Organgesetz hat trotz der Besonderheiten hinsichtlich seines Zustandekommens und seiner Bezeichnung die Funktion eines Autonomiestatuts, so daß auch die "Foralgemeinschaft Navarra" eine Autonome Gemeinschaft darstelles. Navarra verfügt über ein ähnlich hohes Kompetenzniveau wie die Autonomen Gemeinschaften des schnellen Weges sowie über ein besonderes Finanzierungssystem 79 , das demjenigen des Baskenlandes ähnelt. Nach Abschluß der Konstituierungsphase kann man feststellen, daß die 17 Autonomiestatute im Hinblick auf die institutionelle Organisation trotz des dispositiven Prinzips große Ähnlichkeiten aufweisenso. Alle Statute genügen den Mindesterfordernissen des Art. 152 Abs. I CE und sehen damit insbesondere ein Parlament vor, obwohl diese Vorschrift nur für die Autonomen Gemeinschaften des schnelles Weges verbindlich ist. 72 Organgesetz 3/1983 vom 25.2.1983 über das Autonomiestatut der Gemeinschaft von Madrid, B.O.E. mim. 51 vom 1.3.1983. 73 Organgesetz 4/1983 vom 25.2.1983 über das Autonomiestatut von Kastilien-Le6n, B.O.E. mim. 52 vom 2.3.1983. 74 Organgesetz 10/1982 vom 10.8.1982 über das Autonomiestatut für die Kanaren, B.O.E. mim. 195 vom 16.8.1982. 75 Organgesetz 5/1982 vom 1. 7.1 982 über das Autonomiestatut der Valencianischen Gemeinschaft, B.O.E. num. 164 vom 10.7.1982. 76 Organgesetz 11/1982 vom 10.8.1982 über ergänzende Übertragungen an die Kanaren sowie Organgesetz 12/1982 vom 10.8.1982 über die Übertragung staatlicher Kompetenzen an die Valencianische Gemeinschaft, B.O.E. num. 195 vom 16.8.1 982. 77 Organgesetz 13/1982 vom 10.8.1982 über die Wiedereinsetzung und Verbesserung des Foralregimes von Navarra, B.O.E. num. 195 vom 16.8.1982. 7R Vgl. STC 16/1984 vom 6.2.1984, BJC 35 (1984), S. 341 ff. (353). 79 Dazu siehe unten S. 109 . • 0 Vgl. Cruz Villa/on, JöR N.F. 34 (1985), S. 235 f.

V. Natur, Rang und Funktion der Autonomiestatute

77

Hinsichtlich des Umfangs der übernommenen Kompetenzen lassen sich cum grano salis zwei Gruppen unterscheiden. Zur ersten Gruppe sind die vier Autonomen Gemeinschaften des schnellen Weges sowie Valencia, die Kanaren und Navarra zu rechnen. Ihnen ist gemeinsam, daß sie das nach der Verfassung mögliche Maximum an Kompetenzen oder doch annähernd dieses Maximum übernommen haben. Der zweiten Gruppe gehören die restlichen zehn Autonomen Gemeinschaften an, die den engeren Kompetenzrahmen des Art. 148 Abs. I CE ganz bzw. im wesentlichen ausgeschöpft haben 8!. Seit dem Jahre 1992 ist ein Prozeß im Gange, durch den das niedrigere Kompetenzniveau der Autonomen Gemeinschaften der zweiten Gruppe dem Niveau der Mitglieder der ersten Gruppe angeglichen werden so1l82.

v. Natur, Rang und Funktion der Autonomiestatute Bei der Einordnung der Autonomiestatute in das System der Rechtsquellen ist an Art. 81 Abs. I CE anzuknüpfen. Danach werden die Statute von den Cortes Generales durch Organgesetze gebilligt, woraus zum Teil geschlossen wird 83 , daß es sich bei ihnen um gewöhnliche Organgesetze handelt. Zweifel an dieser Auffassung werden bereits durch den Blick auf das Zustandekommen der Statute geweckt. Sie präsentieren sich nämlich nicht als gewöhnliches Produkt der Legislativgewalt der Cortes Generales. Vielmehr sind sie durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß am Prozeß ihrer Entstehung in maßgeblicher Weise Instanzen beteiligt sind, die außerhalb der Cortes Generales stehen. Noch schwerer wiegt der Umstand, daß die Cortes Generales die Autonomiestatute nicht einseitig durch Organgesetze ändern können. Aus Art. 147 Abs. 3 CE in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen der Statute ist nämlich zu entnehmen, daß eine Statutänderung der Zustimmung des Parlaments der betreffenden Autonomen Gemeinschaft mit qualifizierter Mehrheit84 bedarf. Das Autonomiestatut läßt sich mithin nicht als gewöhnliches Organgesetz qualifizieren, es stellt vielmehr eine "Rechtsnorm sui generis..S5 dar, die vor allem wegen ihrer erschwerten Abänderbarkeit einen höheren Rang als die übrigen Gesetze sowohl des Zentralstaates als auch der Autonomen Gemeinschaften einnimmt86 . Ranghöher ist lediglich die VerfasXI 82

Vgl. Tornos Mas u.a., Infonne sobre las Autonomias, S. 39. Dazu siehe unten S. 82 f.

83 Vgl. Munoz Machado, Derecho Publico de las Comunidades Aut6nomas, Bd. I, S. 281 ff. 84 Teilweise wird absolute Mehrheit, teilweise Drei-Fünftel-Mehrheit, teilweise gar ZweiDrittel-Mehrheit verlangt, siehe zu den Einzelheiten der Statutänderung unten S. 125 f.

., Siehe Perez Tremps, in: L6pez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 317. 86 Vgl. hierzu Tornos Mas, in: Aja u.a., EI sistema juridico, S. 101 ff., sowie Garcia de Enterria, La primacia nonnativa deI Titulo VIII de la Constituci6n. Introducci6n al estudio

78

C. Der Staat der Autonomen Gemeinschaften

sung, die den Rahmen tUr die Statute bildet (Art. 147 Abs. I, 1. Halbs. CE)87. Aus dieser Einordnung in die Normenhierarchie folgt, daß die Statute abgesehen vom gewöhnlichen Reformverfahren - nur durch verfassungsänderndes Gesetz modifiziert werden können. Dieser besondere Rang der Autonomiestatute erscheint im Hinblick auf die ihnen zukommende Funktion gerechtfertigt. Die territoriale Ordnung Spaniens wird nämlich nur zum Teil durch die Verfassung geregelt. Das "endgültige Profil"88 erhält die territoriale Ordnung erst durch die Autonomiestatute, denn erst aus ihnen geht hervor, welche Autonomen Gemeinschaften existieren, welche Kompetenzen sie übernehmen und welche in den Händen des Zentralstaates verbleiben. Die Kompetenzverteilung erschließt sich also erst durch eine Zusammenschau der einschlägigen Normen der Verfassung einerseits und des jeweiligen Statuts andererseits. Dieser Normenkomplex wird als "Block der Verfassungsmäßigkeit" (bloque de la constitucionalidad)89 bezeichnet.

dei Art. 149 de la Constitucion, in: Civitas. Revista Espanola de Derecho Administrativo (REDA) Nr. 33, 1982, S. 277 ff. (280). &7 Vgl. etwa Lojendio e Irure, in: Primeras Jomadas de Estudio dei Estatuto de Autonomia dei Pais Vasco, 1983, Bd. I, S. 37, sowie Perez Tremps, in: Lopez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. H, S. 318. HH Siehe Cruz Villa/on, La constitucion territorial dei Estado, in: Autonomies. Revista Catalana de Derecho Publico Nr. 13,1991, S. 61 ff. (62). H9 Vgl. Cruz Villa/on, JöR N.F. 34 (1985), S. 229.

D. Die Kompetenzverteilung zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften Nach Tocqueville 1 ist die Kompetenzverteilung zwischen der übergeordneten Einheit und ihren Gliedern "eine verwickelte und schwer zu lösende Frage". Der Blick auf das spanische System der Zuordnung der Staatsaufgaben bestätigt diese Einschätzung.

I. Die Verschiedenheit der Kompetenzniveaus der Autonomen Gemeinschaften Hier ist auf eine besondere - wenn auch vorübergehende - Schwierigkeit einzugehen, die sich aus dem Umstand ergibt, daß die Autonomen Gemeinschaften zunächst nicht über die gleichen Kompetenzen verfügten. Hinsichtlich der Autonomen Gemeinschaften mit niedrigerem Kompetenzniveau standen dem Zentralstaat mehr Kompetenzen zu als im Hinblick auf die Autonomen Gemeinschaften mit höherem Kompetenzniveau2 • Insofern liegt eine Abweichung vom Regeltyp einer föderativen Ordnung vor, bei dem die den Zentralstaat bildenden Glieder grundsätzlich die gleichen Befugnisse haben 3 . Dennoch läßt sich nicht sagen, daß die beschriebene Ungleichstellung der Autonomen Gemeinschaften "in einer föderativen Ordnung undenkbar"4 sei. Wesensmerkmal des Ordnungsprinzips "Föderalismus" ist es, daß die eine Einheit bildenden Glieder über eine gewisse Eigenständigkeit verfügen, was 1

Über die Demokratie in Amerika, in: ders., Werke und Briefe, Bd. 1, S. 129.

So verfiigen die Autonomen Gemeinschaften mit höherem Kompetenzniveau beispielsweise über die Gesetzgebungs- und Ausfiihrungskompetenz in den Bereichen Spielkasinos, Spiele und Wetten mit Ausnahme des Fußballtotos, Stiftungen, die ihre Tätigkeit hauptsächlich in der betreffenden Autonomen GemeiJ;lschaft ausüben, sowie Öffentliche Vorfiihrungen (vgl. z.B. Art. 9 Nr. 24, 31, 32 des Autonomiestatuts fiir Katalonien, Art. 10 Nr. 13, 35, 38 des Autonomiestatuts fiir das Baskenland), während die übrigen Autonomen Gemeinschaften insoweit keine Zuständigkeit besaßen, so daß gemäß § 149 Abs. 3 Satz 2 CE der Zentralstaat zuständig war. Zudem stand dieser zweiten Gruppe von Autonomen Gemeinschaften im Gegensatz zur ersten Gruppe keine Kompetenz zur Entwicklungsgesetzgebung (dazu siehe unten S. 89 f.) auf den bedeutsamen Gebieten der Erziehung, der Umwelt und der Gesundheit zu. 3 Vgl. Jerusalem, Die Staatsidee des Föderalismus, S. 37. 4 So aber ohne nähere Begründung Blanke, Föderalismus und Integrationsgewalt, S. 368. 2

80

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

insbesondere ein Mindestmaß eigener Gesetzgebungskompetenz voraussetzt. Es ist also erforderlich, daß jedes der Glieder über Eigenständigkeit verfügt, es ist jedoch nicht geboten, daß alle Glieder über das gleiche Maß an Eigenständigkeit verfügen 5• Die Liste der Zuständigkeiten, die von den Autonomen Gemeinschaften "zweiten Grades..6 gemäß Art. 148 Abs. I CE sofort übernommen werden konnten und in den Autonomiestatuten auch tatsächlich im wesentlichen übernommen wurden, umfaßt unter anderem Legislativ- und Exekutivkompetenzen auf folgenden Gebieten: Organisation der eigenen Institutionen (Art. 148 Abs. 1 Nr. 1 CE) Raumordnung, Städte- und Wohnungsbau (Art. 148 Abs. I Nr. 3 CE) Landwirtschaft und Primärsektor im übrigen (Art. 148 Abs. 1 Nr. 7, 8, 11 CE) öffentliche Bauten von regionalem Interesse (Art. 148 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 10 CE) Förderung der regionalen Wirtschaft und des regionalen Tourismus, Handwerk, lokale Messen und Ausstellungen (Art. 148 Abs. 1 Nr. 12, 13, 14, 18 CE) Kultur (Art. 148 Abs. I Nr. 15, 16, 17 CE) Sozialfürsorge sowie Gesundheit und Hygiene (vgl. Art. 148 Abs. I Nr. 20, 21 CE). Diese Übersicht zeigt, daß die Autonomen Gemeinschaften zweiten Grades erheblich weniger Staatsaufgaben wahrnehmen konnten als der Zentral staat. Dennoch eröffneten die übernommenen Zuständigkeiten ein Mindestmaß an Gestaltungsfreiheit, so daß diese Autonomen Gemeinschaften jedenfalls in einigen Bereichen die Möglichkeit erhielten, ihren jeweiligen Besonderheiten Rechnung tragende Regelungen zu treffen. Die Entstehung eines Systems mit unterschiedlichen Kompetenzniveaus der Autonomen Gemeinschaften stützt die These, daß die gesellschaftliche Entwicklung von wesentlicher Bedeutung für die Ausgestaltung des jeweiligen föderativen Systems ise. In den historischen Regionen mit stark ausgeprägten Vielfaltelementen und gut entwickelter eigener Identität - hier sind an erster Stelle Katalonien und das Baskenland zu nennen 8 - wurde der Auf5 Auch unter der deutschen Reichsverfassung von 1871 gab es zwischen den Gliedern des Bundesstaates Ungleichheiten im Hinblick auf die jeweils zustehenden Befugnisse, vgl. hierzu Ermacora, Staatslehre, S. 632; zu den sogenannten Reservatrechten Bayerns, Württembergs und Badens ebenda, Fn. 55. 6 Vgl. Lluch Baixauli, Spaniens Comunidades Aut6nomas, in: Esterbauer/Pernthaler (Hg.), Europäischer Regionalismus am Wendepunkt, S. 103 ff. (109). 7 Siehe oben S. 18. H

Siehe oben S. 59 f.

II. Die Angleichung des Kompetenzniveaus

81

bau föderativer Strukturen besonders vehement und ungeduldig gefordert. Der so ausgeübte Druck fuhrte bald zum Erfolg in Gestalt einer recht weitgehenden Eigenständigkeit. Auf der anderen Seite stehen diejenigen historischen Regionen, in denen weniger Elemente der Vielfalt anzutreffen sind. Dies gilt beispielsweise fur Kastilien-Le6n und Kastilien-La Mancha, die auch wegen der unklaren räumlichen Abgrenzung allenfalls andeutungsweise eine eigene Identität entwickelt hatten9 • Da diese Regionen weniger entschlossen nach Eigenständigkeit strebten, verwundert es nicht, daß sie sich zunächst mit einem geringeren Kompetenzniveau zufriedengeben mußten.

11. Die Angleichung der Kompetenzniveaus Die Verschiedenheit der Kompetenzniveaus spiegelte zwar die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Das entstandene System litt jedoch unter gravierenden Funktionsschwächen. Im Bereich der Gesetzgebung sah sich der Zentral staat mit dem Phänomen konfrontiert, daß ihm bei bestimmten Regelungsmaterien hinsichtlich der Gruppe der Autonomen Gemeinschaften mit niedrigerem Kompetenzniveau die Regelungsbefugnis zustand, während dies im Hinblick auf die Autonomen Gemeinschaften mit höherem Kompetenzniveau zu verneinen war, da diese die betreffende Kompetenz in ihren Autonomiestatuten übernommen hatten. Das Ausmaß des Problems wird vollends offenbar, wenn man bedenkt, daß es nicht nur unter den beiden Gruppen, sondern auch innerhalb von ihnen Unterschiede bezüglich der jeweils übernommenen Kompetenzen gab JO • Der Zentralstaat war daher gezwungen, die Wirksamkeit seiner Normen im Hinblick auf die verschiedenen Autonomen Gemeinschaften abzustufen. Dabei blieb es nicht aus, daß der Zentralstaat gesetzliche Regelungen auch fur solche Autonomen Gemeinschaften traf, die bezüglich der betreffenden Materie die Gesetzgebungskompetenz innehatten. Die logische Folge war eine Vielzahl von Kompetenzkonflikten, die vor dem Verfassungsgericht ausgetragen wurden!!. Auch im Bereich der Exekutive verfugten die Autonomen Gemeinschaften über unterschiedliche Kompetenzen. Dies fuhrte dazu, daß der Zentralstaat 9

Vgl. Sole Tura, in: Spanisches Verfassungsrecht, S. 262.

Vgl. AjalTornos Mas, La Ley Organica 9192 que amplia las competencias de las Comunidades dei 143 CE y las tareas pendientes en la distribucion de competencias, in: dies. 1Alberti Rovira 1Font i Llovet (Hg.), Informe Comunidades Autonomas 1992, S. 405 ff. (410 f., 419, 425). 11 Siehe hierzu Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 40. 10

6 Pfeifer

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D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

auf vielen Gebieten seinen gesamten Verwaltungsapparat aufrechterhalten mußte, der nur in einigen Autonomen Gemeinschaften Verwaltungsaufgaben wahrnahm, während andere Autonomen Gemeinschaften diese Aufgaben selbst erfüllten 12. Eine treffende Beschreibung der Situation nimmt Joaquin Tornos Mas 13 vor, der den föderativen Staat mit einer "von mehreren Pferden gezogenen Kutsche" vergleicht; bezogen auf Spanien, werde die Kutsche teils von Rennpferden, teils von Ackergäulen gezogen. Die Angleichung der Kompetenzen zwischen Autonomen Gemeinschaften ersten und zweiten Grades wurde möglich, nachdem sich die Regierung und die größte Oppositionspartei (Partido Popular) in den Autonomievereinbarungen ("Acuerdos Autonomieos") vom 28.2.1992 über Inhalte und Verfahren der Refonn geeinigt hatten l4 • Als Verfahren wählte man eine Kombination der bei den möglichen Wege zur Kompetenzerweiterung. Zunächst sollte eine Übertragung der bislang zentralstaatlichen Kompetenzen durch ein Organgesetz im Sinne des Art. 150 Abs. 2 CE erfolgen und danach eine entsprechende Refonn der einzelnen Autonomiestatute l5 • Durch das Organgesetz 9/ 1992 vom 23.12.1992 über die Übertragung von Kompetenzen auf Autonome Gemeinschaften, die auf dem Weg des Art. 143 CE zur Autonomie gelangt sind l6 , wurde das Reformziel einer Hannonisierung der Kompetenzniveaus im wesentlichen erreicht. Die zehn Autonomen Gemeinschaften zweiten Grades erhalten fast alle Kompetenzen, die nicht durch Art. 149 Abs. I CE (und einige andere Verfassungsnonnen) dem Zentralstaat vorbehalten sind 17 , und erreichen damit eine Eigenständigkeit, die derjenigen der Autonomen Gemeinschaften ersten Grades nahezu entspricht. Daran wird deutlich, was sich bereits Art. 148 Abs. 2 CE entnehmen läßt: Art. 148 Abs. 1 CE hat lediglich Übergangscharakter l8 ; für die Frage, welche Kompetenzen die Autonomen Gemeinschaften übernehmen können, ist Art. 149 Abs. I CE entscheidend l9 • 12 Hierzu und zu weiteren Nachteilen der Verschiedenheit der Kompetenzniveaus vgl. ebenda, S. 40 f. 13 Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften, in: Böhret (Hg.), Aspekte der öffentlichen Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in Spanien, S. 29 ff. (33). 14 Vgl. hierzu Aja / Tornos Mas, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 407 f. 15 Zu den Gründen, die zu diesem Verfahren führten, vgl. ebenda, S. 416. 16 B.O.E. num 308 vom 24.12.1992. 17 Vgl. die Übersicht der übertragenen Kompetenzen bei Aja /Tornos Mas, in: Aja u.a., Infonne 1992, S. 410 f. " So Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 38. 19 Vgl. Perez Royo, Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Autonomen

III. Das System der Zuordnung der Kompetenzen

83

Es bleibt festzustellen, daß das Organgesetz 9/ 1992 nicht alle durch die Verschiedenheit der Kompetenzniveaus bedingten Probleme beseitigt20 . Dies liegt vor allem daran, daß die Befugnisse der Autonomen Gemeinschaften nicht völlig einander angeglichen worden sind. Zum einen gibt es hinsichtlich einiger Materien noch immer ein Kompetenzgefalle zwischen Autonomen Gemeinschaften ersten und zweiten Grades. So ist beispielsweise in den Bereichen des staatlichen Gesundheitsdienstes und der Kommunalverwaltung eine Kompetenzübertragung auf die Autonomen Gemeinschaften zweiten Grades unterblieben, während den Autonomen Gemeinschaften ersten Grades insoweit Befugnisse zustehen. Zum anderen bestehen auch einige der innerhalb der beiden Gruppen vorhandenen Kompetenzabweichungen fort. Zwar werden durch Art. 5 des Organgesetzes 9/ 1992, der nur einzelnen Autonomen Gemeinschaften zweiten Grades Befugnisse überträgt, einige Unterschiede innerhalb dieser Gruppe eingeebnet, andere - etwa im Bereich der Forschung - bleiben jedoch bestehen21 . Zudem ändert das Organgesetz nichts an den Ungleichheiten, die innerhalb der Gruppe der Autonomen Gemeinschaften ersten Grades anzutreffen sind22 , da das Gesetz keine Kompetenzen auf diese Autonomen Gemeinschaften überträgt.

111. Das System der Zuordnung der Kompetenzen Bei den meisten förderativen Staaten ergibt sich die Kompetenzverteilung aus der jeweiligen Verfassung 23 . Insofern diente die Verfassung der Vereinigten Staaten vielfach als Vorbild. Deren System der Kompetenzverteilung beschreibt Madison wie folgt: "Die Befugnisse, die der Zentralregierung von der Verfassung übertragen werden, sind zahlenmäßig wenig und klar umgrenzt. Diejenigen, die den Regierungen der Einzelstaaten verbleiben sollen, sind zahlreich und nicht umgrenzt"24. Das hier angesprochene Enumerationsprinzip liegt auch dem spanischen System der Kompetenzzuordnung zugrunde - allerdings in modifizierter Form. Gemeinschaften, in: Nohlen/Gonzäles Encinar (Hg.), Der Staat der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 103 ff. (107). 20 Zu den Schwierigkeiten bei der Übertragung des Personals und der Sachmittel vom Zentralstaat auf die Autonomen Gemeinschaften vgl. Aja/Tornos Mas, in: Aja u.a., 1nforme 1992, S. 420 f. 21 Vgl. hierzu ebenda, S. 419. 22 Beispielsweise verfügt Galizien - anders als die übrigen Autonomen Gemeinschaften ersten Grades - über keine Kompetenzen auf dem Gebiet der öffentlichen Vorführungen. 23 Vgl. K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 90. 24 Vgl. Zehnpjennig, Die "Federalist Papers", S. 293. 6*

84

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

1. Das Enumerationsprinzip

Nach diesem Prinzip werden bestimmte, abschließend aufgezählte Kompetenzen der Zentralgewalt oder den Gliedern zugeteilt. Alle Aufgaben, die nicht der einen Ebene reserviert sind, stehen der anderen zu. In den Verfassungen der Vereinigten Staaten von Amerika25 und der Bundesrepublik Deutschland26 werden die Kompetenzen des Bundes enumeriert. Der Rest der Aufgaben wird den Gliedern jeweils durch eine sogenannte Residualklausel vorbehalten 27 . Das spanische System ist durch eine doppelte Enumeration28 sowie eine korrespondierende "doppelte Residualklausel"29 gekennzeichnet. Die erste Enumeration erfolgt durch die Spanische Verfassung. Insbesondere in Art. 149 Abs. I CE, aber auch in einigen anderen Artikeln (z.B. Art. 133 Abs. 1 CE) werden dem Zentral staat Kompetenzen zugewiesen. Die auf diese erste Enumeration bezogene erste Residualklausel (Art. 149 Abs. 3 Satz I CE) weist nicht alle übrigen Aufgaben automatisch den Autonomen Gemeinschaften zu, sondern bestimmt, daß nur die nicht dem Zentralstaat zugewiesenen Aufgaben auf Grund der Statute von den Autonomen Gemeinschaften übernommen werden können. Diese Besonderheit ist durch das dispositive Prinzip bedingt, das es den zur Ausübung des Rechts auf Autonomie Befugten selbst überließ, ob und wie sie dieses Recht ausüben 30 • Die zweite Enumeration wird durch die Autonomiestatute der Autonomen Gemeinschaften vorgenommen. In ihnen werden die von den Autonomen Gemeinschaften übernommenen Kompetenzen aufgezählt, so daß sich erst aus der Zusammenschau von Verfassung und Statuten die Kompetenzverteilung ergibt. Die zweite Residualklausel (Art. 149 Abs. 3 Satz 2 l. Halbsatz CE) knüpft an die zweite Enumeration an und weist die Zuständigkeit für alle Aufgabenbereiche, die nicht von den Autonomiestatuten übernommen werden, dem Zentralstaat zu. In der Verfassungswirklichkeit zeigt sich, daß die erste Residualklausel in Verbindung mit der ersten Enumeration für die Kompetenzverteilung von entscheidender Bedeutung ist. Die Autonomen Gemeinschaften ersten Grades 25

Vgl. Art. I sect. 8.

26

Art. 73-75, 87 ff., 105 und 108 GG.

27

Siehe die beiden Residualklauseln im 10. Amendment (von 1791) sowie in Art. 30

GG.

2R Die Enumeration des Art. 148 Abs. 1 CE bleibt bei dieser Charakterisierung außer Betracht, da sich die Bedeutung dieser Norm im wesentlichen auf eine Übergangsphase beschränkt, siehe oben S. 82. 29 Vgl. Cruz Villa/on, in: Autonomies Nr. 13, 1991, S. 65. )0 Siehe oben S. 65 f.

BI. Das System der Zuordnung der Kompetenzen

85

haben nämlich diejenigen Aufgaben, die dem Zentralstaat in der ersten Enumeration nicht vorbehalten werden, im wesentlichen übernommen, und die übrigen Gemeinschaften haben inzwischen ein ähnlich hohes Kompetenzniveau erreicht. Die zweite Residualklausel findet daher nur bei einigen wenigen Aufgabenbereichen Anwendung. Daneben kann sie noch im Hinblick auf neu entstandene Materien Bedeutung erlangen. Sieht man von diesen beiden begrenzten Anwendungsfeldern der zweiten Residualklausel ab, kann man vereinfachend sagen, daß dem Zentralstaat die in der Verfassung, insbesondere in Art. 149 Abs. 1 CE aufgezählten Kompetenzen zustehen, während die Autonomen Gemeinschaften fur die übrigen - durch Statut übernommenen Aufgabenbereiche zuständig sind. 2. Verbund- oder Trennsystem? Das Trennsystem ist durch eine Kompetenzverteilung nach Sachgebieten gekennzeichnet, die zu einer Trennung der Systemebenen fuhrt 3 '. Der Zentralstaat ist auf bestimmten Sachgebieten fur Erlaß und Vollzug von Rechtssätzen zuständig, während die Glieder bezüglich bestimmter anderer Materien über die Legislativ- und Exekutivkompetenz verfugen. Jede Ebene verfugt also über ausschließliche Zuständigkeiten im Sinne vollständiger Kompetenzen, bei denen hinsichtlich des betreffenden Sachgebiets die Staatsfunktionen ungeteilt nur einer der bei den Ebenen zustehen. Beim Verbundsystem werden die Kompetenzen nach Staatsfunktionen verteilt, das heißt der Zentral staat ist auf bestimmten Sachgebieten - ganz oder teilweise - zur Gesetzgebung berufen, während den Gliedern die Ausfuhrung der Gesetze zugewiesen ist32 , so daß man hier von geteilten Zuständigkeiten sprechen kann. Will man das spanische Kompetenzverteilungssystem einordnen, so ist von der in der spanischen Verfassung enthaltenen ersten Enumeration, und zwar insbesondere von Art. 149 Abs. 1 CE auszugehen. Danach besitzt der Zentralstaat die ausschließliche Zuständigkeit ("competencia exclusiva") in einer Vielzahl von Materien. Der Terminus der ausschließlichen Zuständigkeit wird hier jedoch nicht im Sinne vollständiger Kompetenzen gebraucht, wie die nähere Betrachtung der Norm zeige 3. Nur bei einem Teil der Materien stehen dem Zentral staat Legislativ- und Exekutivkompetenzen zu (vgl. z.B. Art. 149 Abs. I Nr. 2-5, \0 CE). In anderen Bereichen verfugt er nur über die Befugnis zur Gesetzgebung (vgl. z.B. Art. 149 Abs. 1 Nr. 7, 9, 12 CE). Hin-

32

Siehe dazu oben S. 46. Siehe dazu oben S. 42.

JJ

Vgl. Tomos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 43.

31

86

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

sichtlich einer dritten Gruppe von Sachgebieten ist dem Zentral staat die Grundlagengesetzgebung34 zugewiesen (vgl. Art. 149 Abs. 1 Nr. 11, 13, 16-18, 23, 25, 27 CE), während die Autonomen Gemeinschaften zur Entwicklungs gesetzgebung sowie zum Gesetzesvollzug berufen sind. Eine gewisse Systematisierung der verschiedenen Kompetenzen ist dem Autonomiestatut von Katalonien zu verdanken. Dieses Statut, das Vorbildcharakter fur die übrigen Autonomen Gemeinschaften hatte, gliedert die Befugnisse der Autonomen Gemeinschaft in drei Gruppen: Art. 9 des Statuts enthält die Bereiche, die in die ausschließliche Zuständigkeit Kataloniens fallen, Art. 10 des Statuts zählt die Materien auf, in denen der Autonomen Gemeinschaft die Entwicklungsgesetzgebung sowie der Gesetzesvollzug zustehen, während Art. 11 des Statuts Katalonien die Exekutivkompetenzen fur bestimmte Sachgebiete zuweist35 • Auch in Art. 9 des Statuts sowie in den entsprechenden Normen der anderen Statute wird der Begriff der ausschließlichen Zuständigkeit nicht durchgehend im Sinne einer vollständigen Kompetenz verwendet. In ihrem Bestreben, möglichst viele der nicht dem Zentralstaat vorbehaltenen Befugnisse an sich zu ziehen, übernehmen die Autonomen Gemeinschaften in einer ganzen Reihe von Materien die sogenannte ausschließliche Kompetenz, unbeschadet ("sin peIjuicio de") der dem Zentralstaat in diesem Bereich zustehenden Kompetenzen36 . Daraus folgt, daß die Autonomen Gemeinschaften auf diesen Politikfeldern nicht über die ausschließliche Zuständigkeit im strengen Sinne verfugen; es handelt sich vielmehr um Fälle geteilter Zuständigkeie 7• Die Anzahl der Materien mit echter ausschließlicher Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften verringert sich weiter, wenn man den Querschnittscharakter verschiedener dem Zentral staat vorbehaltener Kompetenzen berücksichtigt. Hier ist vor allem die Zuständigkeit des Zentralstaates fur Grundlagen und Koordinierung der allgemeinen Wirtschaftsplanung (Art. 149 Abs. 1 Nr. 13 CE) zu nennen. Sie erlaubt es dem Zentralstaat, auch in Bereichen, in denen die Autonomen Gemeinschaften die ausschließliche Kompetenz übernommen haben, grundlegende Regelungen zu treffen, soweit der betreffenden Materie wirtschaftliche Bedeutung zukommt, was häufig der Fall ise s. Somit sind auch diejenigen Materien, auf die der Zentral staat mittels seiner Quer34

Siehe dazu unten S. 89 f.

Vgl. Cruz VillaIon, in: Autonomies Nr. 13, 1991, S. 67. Ein ähnliches System findet sich in den Art. 14-16 der Verfassung der spanischen Republik vorn 9.12.1931. 36 Vgl. z.B. Art. 9 Nr. 5, 7, 8, 9, 15, 16, 19,22 des Statuts von Katalonien. 37 Vgl. L6pez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. H, S. 350. 3M Siehe z.B. Art. 9 Nr. 9 (Städtebau und Wohnungswesen), Nr. 12 (Fremdenverkehr) des Statuts von Katalonien. 35

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

87

schnittskompetenzen39 zugreifen kann, der Gruppe der geteilten Kompetenzen zuzuordnen, obwohl die Statute von ausschließlichen Kompetenzen sprechen. Es zeigt sich, daß der Zentralstaat einerseits und die Autonomen Gemeinschaften andererseits nur in wenigen Bereichen über echte ausschließliche Zuständigkeiten verfügen. Die Kompetenzverteilung nach Politikfeldern ist mithin die Ausnahme. Hinsichtlich der überwiegenden Mehrzahl von Materien werden die Kompetenzen nach Funktionen verteilt, das heißt die sogenannten geteilten Zuständigkeiten40 sind die Regel41 • Dabei findet die für das Verbundsystem kennzeichnende enge Verbindung zwischen den Systemebenen in denjenigen Bereichen besonderen Ausdruck, in denen nicht nur die verschiedenen Funktionen verschiedenen Ebenen zugeteilt werden, sondern in denen ein und dieselbe Funktion zwischen den Ebenen aufgeteilt wird, wie es im Fall der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung geschieht42 •

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen 1.

Überblick

Die Gesetzgebungskompetenzen des Zentral staates ergeben sich im wesentlichen unmittelbar aus der Verfassung, und zwar vor allem aus Art. 149 Abs. 1 CE, diejenigen der Autonomen Gemeinschaften sind in den Autonomiestatuten normiert. Entsprechend der oben vorgenommenen Unterscheidung zwischen ausschließlicher und geteilter Zuständigkeit lassen sich auch die Gesetzgebungskompetenzen kategorisieren. Ausschließliche Legislativbefugnisse stehen sowohl dem Zentralstaat als auch den Autonomen Gemeinschaften zu. Art. 149 Abs. I CE reserviert dem Zentralstaat als Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit im strengen Sinne klassische zentralstaatliche Kompetenzen, wie etwa die Staatsangehörigkeit, Ein- und Auswanderung (Nr. 2), internationale Beziehungen (Nr. 3), Verteidigung und Streitkräfte (Nr. 4), Urheberrecht (Nr. 9), Währungssystem (Nr. 11), Gewichte und Maße (Nr. 12). Auch überzeugte Föderalisten werden die Notwendigkeit der Rechtseinheitlichkeit auf diesen 39 Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Zuständigkeit des Zentralstaates für Grundlagen und allgemeine Koordinierung des Gesundheitswesens (Art. 149 Abs. I Nr. 16 CE). 40 Die Terminologie ist uneinheitlich. Anstelle des hier verwendeten Begriffs der geteilten Kompetenzen ("competencias compartidas") wird häufig der Terminus der konkurrierenden Kompetenzen ("competencias concurrentes") benutzt, vgl. z.B. Tornos Mas, Informe sobre las Autonomias, S. 45. 41 Siehe ebenda, S. 43, sowie Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 333 f. 42 Siehe unten S. 89 ff.

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D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

Gebieten nicht bestreiten. Demgegenüber verfügen die Autonomen Gemeinschaften wegen der vielfältigen Einwirkungsmöglichkeiten des Zentralstaates mittels seiner Querschnittskompetenzen nur über wenige ausschließliche Legislativkompetenzen, wie etwa die Organisation der eigenen Institutionen43 . Die geteilten Gesetzgebungskompetenzen spielen im spanischen Kompetenzverteilungssystem eine gleichermaßen bedeutende wie konfliktträchtige Rolle. Primär ist hier die Technik der Kompetenzverteilung zu nennen, nach der der Zentralstaat fur die Grundlagengesetzgebung zuständig ist, während den Autonomen Gemeinschaften die Entwicklungsgesetzgebung bezüglich der betreffenden Materie zusteht. Diese Technik gilt für die bedeutendsten Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, wie zum Beispiel die in Art. 149 Abs. I CE genannten Bereiche des Kredit-, Banken- und Versicherungswesens (Nr. 11), der allgemeinen Wirtschaftsplanung (Nr. 13), des Gesundheitswesens (Nr. 16), der sozialen Sicherheit (Nr. 17), der öffentlichen Verwaltung (Nr. 18), des Umweltschutzes (Nr. 23) und des Rundfunk- und Pressewesens (Nr. 27). Ein Grund für die häufige Aufteilung der Gesetzgebungsfunktion auf beide staatliche Ebenen ist in den Schwierigkeiten zu sehen, die im Rahmen des Prozesses der Verfassunggebung hinsichtlich der Kompetenzverteilung zu überwinden waren. Viele Materien wurden auf der einen Seite von den zentralistisch gesinnten Kräften für den Zentralstaat reklamiert, während auf der anderen Seite die Verfechter eines föderativen Modells hinsichtlich derselben Sachgebiete Gesetzgebungsbefugnisse für die Autonomen Gemeinschaften forderten. Diese gegensätzlichen Positionen konnten vielfach nur durch einen Kompromiß in Gestalt geteilter Gesetzgebungskompetenzen überwunden werden. Eine andere Technik der Aufteilung der Gesetzgebungsfunktion zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften findet sich beispielsweise in Art. 152 Abs. I Unterabs. 2 Satz 2 CE. Danach können den Autonomen Gemeinschaften durch die Autonomiestatute Befugnisse hinsichtlich der Regelung der Gerichtsbezirke ihres Gebietes übertragen werden, was in allen Statuten geschehen ist44 • Bei der Ausübung dieser Regelungsbefugnis müssen die Autonomen Gemeinschaften in Übereinstimmung mit dem Organgesetz über die rechtsprechende Gewalt45 handeln, d.h. die Vorgaben und Grenzen dieses Gesetzes sind zu beachten. Im Unterschied zur Technik der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung ist der Zentral staat beim Erlaß des Organgesetzes nicht auf die Regelung der Grundlagen beschränkt. 43

Vgl. z.B. Art. 9 Nr. I des Autonomiestatuts von Katalonien.

44

Siehe z.B. Art. 43 des Autonomiestatuts fur Kantabrien.

4S Das Organgesetz 6/ 1985 über die rechtsprechende Gewalt wurde am 1.7.1985 erlassen, vgl. B.O.E. mim. 157 vom 2.7.1985.

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

89

Weitere Beispiele rur diese Kompetenzverteilungstechnik finden sich etwa in Art. 149 Abs. 1 Nr. 29 CE, der - eine entsprechende Regelung in den Autonomiestatuten vorausgesetzt - die Schaffung eigener Polizeikräfte durch die Autonomen Gemeinschaften im Rahmen der Bestimmungen eines Organgesetzes46 vorsieht, sowie in Art. 157 Abs. 3 CE, wonach die Ausübung der Finanzkompetenzen der Autonomen Gemeinschaften durch Organgesetz geregelt werden kann. Dies bedeutet, daß sich die Gesetzgebungstätigkeit der Autonomen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Finanzen nach den Vorgaben des Organgesetzes 8/1980 vom 22.9.1980 über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften47 richten muß48 • In der Praxis bereitet vor allem die Technik der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten. Sie war und ist Gegenstand zahlreicher verfassungsgenchtlicher Streitigkeiten49 • 2. Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung a) Die Wesensmerkmale

Der große Bereich der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung ist dadurch gekennzeichnet, daß zwei verschiedene Gesetzgeber zur Regelung je eines Teils der betreffenden Materien berufen sind. Auf der einen Seite verleiht Art. 149 Abs. 1 CE dem Zentralstaat die Zuständigkeit zur Grundlagengesetzgebung SO rur eine Vielzahl von Sachgebieten. Dabei werden unterschiedliche Tennini verwendet, wie grundlegende Gesetzgebung ("legislaci6n basica") in Nr. 17, 18 und 23, Grundlagen ("bases") in Nr. 8, 11, 13, 16, 18 und 25 oder grundlegende Normen ("normas basicas") in Nr. 27 und 30, die unter dem Begriff der Grundlagen zusammengefaßt werdensl . Auf der anderen Seite übertragen die Autonomiestatute den Autonomen Gemeinschaften in den Bereichen, in denen dem Zentralstaat .die Grundlagen46 Vgl. das Organgesetz 2/1986 vom 13.3.1986 über die Sicherheitskräfte, B.O.E. mim. 63 vom 14.3.1986. 47 B.O.E. mim 236 vom 1.1 0.1980. 4R

Zur Finanzverfassung siehe unten S. 98 ff..

Siehe Z.B. Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 337, 342. Die Grundlagengesetzgebung ist von den Basisgesetzen ("Ieyes de bases") im Sinne der Art. 82 und 83 CE zu unterscheiden, durch die die Cortes Generales unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Delegation Gesetzgebungsbefugnisse auf die Regierung übertragen können; vgl. Garcia de Enterria, Estudios sobre Autonomias Territoriales, S.305. 5! Vgl. Pielow, Autonomia local in Spanien und kommunale Selbstverwaltung in Deutschland, S. 61. 49

50

90

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

gesetzgebung zusteht, nahezu vollständig die Zuständigkeit zur Entwicklungsgesetzgebung ("desarrollo legislativo"). . Die Normen der Grundlagengesetzgebung sind unmittelbar anwendbar und bedürfen nicht der Entwicklungsgesetzgebung, um Rechtswirksamkeit zu entfaiten 52 . Die Autonomen Gemeinschaften sind befugt, ihre Kompetenz zur Entwicklungsgesetzgebung auszuüben, ohne die Grundlagengesetzgebung des Zentralstaates abwarten zu müssen 53 . Allerdings ist die Entwicklungsgesetzgebung gegebenenfalls an eine neue Grundlagenregelung anzupassen 54 . Die Normierung einer Materie, rur die die Technik der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung gilt, läßt sich mit der Schaffung eines Mosaiks vergleichen. Dabei wird ein Teil der Mosaiksteinchen vom Zentral staat, der andere Teil von den Autonomen Gemeinschaften eingefügt. Von entscheidender Bedeutung rur die Ausgestaltung des Mosaiks ist nun die Frage, wer welche Steine einsetzen darf. b) Das Problem der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche

Die Versuche, den Bereich der Grundlagengesetzgebung von demjenigen der Entwicklungsgesetzgebung abzugrenzen, sind Legion55 . Nach der zur Zeit überwiegend vertretenen Auffassung, die insbesondere durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts (Tribunal Constitucional) geprägt wurde, dient die Grundlagengesetzgebung dazu, rur bestimmte Sachgebiete einen "gemeinsamen normativen Nenner" ("comun denominador normativo") im gesamten Staatsgebiet festzusetzen 56 . Hierbei steht es dem Zentralstaat nicht zu, gleichsam beliebig Regelungen zu treffen und dies damit zu rechtfertigen, daß es sich um eine Grundlagenregelung handele. Vielmehr hat sich die Grundlagengesetzgebung auf diejenigen Bereiche zu beschränken, in denen im Hinblick auf das Allgemeininteresse, das über den Interessen der einzelnen Autonomen Gemeinschaften steht, eine einheitliche Normierung erforderlich ist. Es soll also ein "Rahmen einer globalen Politik"57 geschaffen werden, innerhalb des52

Vgl. Garcia de Enterria, Estudios sobre Autonomias Territoriales, S. 306.

53

Vgl. Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 49.

54 Siehe dazu Barbera Gomis, Die Kompetenzverteilung nach Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung, in: Blümel (Hg.), Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 15 ff. (22 f.).

55 Siehe beispielsweise Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 45 ff.; dens., in: Aja u.a., EI sistema juridico, S. 142 ff.; Garcia de Enterria, Estudios sobre Autonomias Territoriales, S. 305 ff.; Sanchez-Bella Carswell, La distribucion de competencias entre el Estado y las Comunidades Autonomas, in: Instituto de Estudios Fiscales (Hg.), Organizacion territorial dei Estado (Comunidades Autonomas), Bd. IV, S. 2873 ff. (2888 ff.). 56

Vgl. z.B. STC 111982 vom 28.1.1982, BlC 10 (1982), S. 117 ff. (125).

57

V gl. STC 64/1982 vom 4.11.1982, BlC 20 (1982), S. 993 ff. (999).

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

91

sen die Autonomen Gemeinschaften unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten eigene Nonnen ausarbeiten können. Die Grundlagengesetzgebung darf daher auf keinen Fall so umfassend und detailliert sein, daß das Gestaltungsrecht der Autonomen Gemeinschaften zur leeren Hülse wird58 • Allerdings sollen auch ins Detail gehende Grundlagenregelungen möglich sein, wenn es das Allgemeininteresse erfordert59 . c) Die Praxis der Grundlagengesetzgebung

Ein unübersehbares Indiz für vorhandene Schwächen der eben beschriebenen sogenannten materiellen Konzeption ("concepci6n material")60 ist die große Anzahl von Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Zentralstaat und den Autonomen Gemeinschaften. Allein in der Zeit von 1981 bis 1989 hat das Verfassungsgericht 247 Urteile in Kompetenzfragen gefallt61 , wovon sich ein erheblicher Teil mit der Abgrenzung der Grundlagen- von der Entwicklungsgesetzgebung befaßt62 . Es läßt sich kaum bestreiten, daß der Zentral staat von seiner Kompetenz zur Grundlagengesetzgebung extensiven Gebrauch macht und damit die Befugnisse der Autonomen Gemeinschaften zur Mitgestaltung der betreffenden Bereiche im Wege der Entwicklungsgesetzgebung unmittelbar beschneidet. Viver Pi-Sunyer63 stellt fest, daß es keinen Bereich der sozialen Wirklichkeit gebe, in den der Zentral staat nicht regelnd eingreifen könne. Dabei lege er zuerst die Probleme fest, die seiner Meinung nach einer zentral staatlichen Lösung bedürfen; erst danach suche er einen das Tätigwerden rechtfertigenden Kompetenztitel 64 • Die Hauptursache für diese Entwicklung liegt in der materiellen Konzeption der Kompetenzabgrenzung und ihrer Handhabung durch das Verfassungsgericht begründet. Das entscheidende Kriterium dieser Konzeption - die mit Blick auf das Allgemeininteresse bestehende Notwendigkeit einheitlicher Behandlung einer Materie - ist sicherlich nicht ohne Schwierigkeiten emer SM 59

Vgl. STC 32/1983 vom 28.4.1983, BIC 25 (1983), S. 499 ff. (514). Ebenda, S. 513 f.

Vgl. Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 319. Vgl. die Angabe bei Viver Pi-Sunyer, Confiictos de competencias entre el Estado y 1a Generalidad de Cataluila, in: Autonomies. Revista Catalana de Derecho Pliblico Nr. 12, 1990, S. 43; hervorzuheben ist, daß die meisten Konflikte zwischen dem Zentralstaat einerseits und den Autonomen Gemeinschaften Kataloniens bzw. des Baskenlandes andererseits ausgetragen wurden. 62 Siehe Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. H, S. 342. 63 Autonomies Nr. 12, 1990, Nr. 12, S. 44. 64 Vgl. Viver Pi-Sunyer, Die inhaltliche Bestimmung der Kompetenzmaterien, in: Blümel (Hg.), Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien. S. 41 ff. (45). 60

61

92

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Dies liegt unter anderem daran, daß bei der Frage, ob eine einheitliche Regelung erforderlich ist, politische Einschätzungen eine wesentliche Rolle spielen65 • Dennoch fallt auf, daß das Verfassungsgericht bei der Überprüfung, ob das oben genannte Kriterium im konkreten Fall gegeben ist, große Zurückhaltung walten läßt und die vielfach übertriebene Betonung des Erfordernisses einer einheitlichen Regelung durch den Zentralstaat weitgehend gebilligt hat66 • Als Haupteinfallstor in den Kompetenzbereich der Autonomen Gemeinschaften benutzte der Zentralstaat die sogenannten Querschnittsmaterien, insbesondere die zentralstaatliche Zuständigkeit für Grundlagen und Koordinierung der allgemeinen Wirtschaftsplanung (Art. 149 Abs. 1 Nr. 13 CE). Dieser Kompetenztitel hat in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts eine weite Auslegung erfahren und wird als Befugnis zur allgemeinen Ordnung ("ordenaci6n general") der Wirtschaft verstanden67 • Damit wurde dem Zentralstaat die Möglichkeit eröffnet, in allen Bereichen mit wirtschaftlicher Bedeutung Grundlagenregelungen zu treffen, soweit dies für die Einheit des wirtschaftlichen Systems erforderlich ist. Da nur wenige Sachgebiete ohne wirtschaftliche Relevanz sind, hat der Zentralstaat unter Berufung auf das Erfordernis der Garantie der wirtschaftlichen Einheit auch solche Fragen geregelt, die eigentlich in die ausschließliche Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften fallen 68 • Zudem wurde der Kompetenz-Joker des Allgemeininteresses an einer einheitlichen Regelung vielfach vom Zentralstaat gespielt, um in Grundlagengesetzen sehr detaillierte Regelungen zu treffen. Auf diese Weise wurde der Spielraum der Autonomen Gemeinschaften, im Wege der Entwicklungsgesetzgebung Sachgebiete entsprechend den eigenen Besonderheiten und Bedürfnissen zu gestalten, erheblich reduziert69 • Ein Grund für die Häufigkeit der Detailregelungen ist in der lange Zeit bestehenden Verschiedenheit der Kompetenzniveaus der Autonomen Gemeinschaften zu sehen. Die Grundlagengesetze galten nämlich auch für diejenigen Autonomen Gemeinschaften, die für die Entwicklungsgesetzgebung in der betreffenden Materie nicht zuständig waren, so daß der Zentral staat häufig mit Blick auf diese Gemeinschaften über das Grundlegende hinausgehende Regelungen traf. Da die Siehe Viver Pi-Sunyer, in: Autonomies Nr. 12, 1990, NT. 12, S. 47. Vgl. die Beispiele aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bei Viver Pi-Sunyer, in: Blümel, Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 47. 67 Vgl. STC 152/88 vorn 20.7.1988, BJC 88/89 (1988), S. 1234 ff. (1249 ff.); STC 75/ 89 vorn 24.4.1989, BJC 97 (1989), S. 788 ff. (793 ff.). 6K Vgl. Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 344, sowie Viver Pi-Sunyer, in: Autonomies NT. 12, 1990, S. 47. 69 Siehe hierzu Barbeni Gomis, in: BlümeI, Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 25. 65

66

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

93

Kompetenzniveaus inzwischen im wesentlichen angeglichen wurden 70, könnte der Übergang zu einer zurückhaltenderen Grundlagengesetzgebung des Zentralstaates erleichtert werden. d) Bisherige Lösungsversuche

Ein erwähnenswerter Versuch, den Abgrenzungsschwierigkeiten zu begegnen, wurde vom Verfassungsgericht unternommen, indem es unter Aufrechterhaltung der sogenannten materiellen Konzeption formelle Anforderungen entwickelt hat, denen die Grundlagenregelungen genügen müssen 7l • Zum einen muß das Grundlegende grundsätzlich durch die Cortes geregelt werden, das heißt die Normierung der Grundlagen muß durch Gesetz erfolgen. Die Regelung grundlegender Aspekte einer Materie durch Verordnung ("per Decreto") der Regierung des Zentralstaates soll nur noch dann zulässig sein, wenn dies erforderlich ist, um die Erreichung des Ziels, das mit dem Vorbehalt der Grundlagengesetzgebung verfolgt wird, sicherzustellen. Zum anderen wird verlangt, daß die Grundlagenregelungen im Gesetz bzw. in der Verordnung ausdrücklich als solche bezeichnet werden oder daß man diesen Charakter klar aus der Norm ableiten kann 72 • Die genannten formellen Erfordernisse bedeuten insofern einen Fortschritt, als sie es den Autonomen Gemeinschaften erleichtern, den durch die Grundlagengesetzgebung vorgegebenen normativen Rahmen, den sie bei der Ausübung ihrer Befugnisse zur Entwicklungsgesetzgebung beachten müssen, zu bestimmen. Dies stellt zwar einen Gewinn an Rechtssicherheit dar. Die extensive Handhabung der Kompetenz zur Grundlagengesetzgebung durch den Zentralstaat wird jedoch nicht wirksam eingeschränkt, da unter Berufung auf das Allgemeininteresse an einer einheitlichen Regelung bei gleichzeitiger Beachtung der Formerfordernisse nach wie vor detaillierte Grundlagenregelungen in fast allen Bereichen getroffen werden können. Ein weiterer Lösungsversuch ist in den bilateralen Abkommen 73 zwischen dem Zentral staat und einzelnen Autonomen Gemeinschaften zu sehen. Durch sie werden einzelne, meist konfliktträchtige Regelungen der in der Verfassung und den jeweiligen Autonomiestatuten festgelegten Kompetenzverteilung interpretiert. In Einzelfällen ist es gelungen, durch solche freiwilligen Vereinbarungen die Kompetenzbereiche der verschiedenen staatlichen Ebenen 70

Siehe oben S. 82 f.

7l Vgl. STC 69/88 vom 19.4.1988, BlC 85 (1988), S. 783 ff. (790) sowie STC 80/88 vom 28.4.1988, BlC 85 (1988), S. 791 ff. (798). 72 Vgl. Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 320, sowie Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitutional, Bd. II, S. 345. 73 Zu den Abkommen im einzelnen siehe unten S. 118 f.

94

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

klarer voneinander abzugrenzen und auf diese Weise Kompetenzkonflikte beizulegen oder zu entschärfen 74 . Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob das durch die Art der Kompetenzverteilung geschaffene Konfliktpotential auf diesem Wege wirksam und dauerhaft verringert werden kann. Zum einen können wegen des Grundsatzes der Freiwilligkeit weder der Zentral staat noch die Autonomen Gemeinschaften zum Abschluß eines solchen Abkommens gezwungen werden. Zum anderen handelt es sich bei diesen Abkommen lediglich um "Vereinbarungen politischen Charakters"75, durch die weder die Parteien noch das Verfassungs gericht gebunden werden, das seinen Entscheidungen in Kompetenzstreitigkeiten ausschließlich die Verfassung und die Autonomiestatute als Maßstab zugrundelegt. Eine Vereinbarung kommt also nur bei Kompromißbereitschaft der Beteiligten zustande, und ein geschlossenes Abkommen entfaltet nur solange Wirkung, wie die Parteien guten Willens sind. e) Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag

Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen orientiert sich in Spanien überwiegend am Verbundsystem, was aus der großen Bedeutung der geteilten Gesetzgebungskompetenzen in Gestalt der Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung folgt. Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die bei geteilten Gesetzgebungskompetenzen unweigerlich auftreten, hat der Zentralstaat durch eine extensive Handhabung seiner Zuständigkeiten zu Lasten der Autonomen Gemeinschaften ausgenutzt und damit deren Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt. Diese Entwicklung wurde durch die großzügige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur Frage des Erfordernisses einer einheitlichen Regelung ennöglicht, wobei die Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. 76 ins Auge springen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Vorliegen eines Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung, welches Voraussetzung für ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers in den Materien der Art. 74 und 75 GG ist, praktisch nicht geprüft. Zudem hat es im Bereich der Rahmengesetzgebung den Grundsatz, daß der Bundesgesetzgeber auf Regelungen beschränkt ist, die der Ausfüllung durch die Länder fahig und bedürftig sind 77 , der Aushöhlung durch den Bund preisgegeben: Wenn ein besonders starkes und legitimes Interesse an einer einheitlichen Regelung bestehe, seien auch sogenannte Vollregelungen des Bundesgesetzgebers mit unmittelbarer Wir74 Vgl. hierzu Alberti Rovira, Die Abkommen zwischen dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften, in: Blümel (Hg.), Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 77 ff. (88 f.). 75 Ebenda, S. 92. 76 Siehe oben S. 24 ff. 77 Vgl. BVerfGE 4,115 (129 f.).

IV. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

95

kung für den Bürger zulässig 78 . Rahmengesetze wie das Beamtenrechtsrahmengesetz oder das Hochschulrahmengesetz belegen, daß der Bund lediglich einen Kompetenztitel nachweisen mußte, "um so viel regeln zu können, wie er nur will"79. Die Regelungsbefugnis des Bundes wurde durch den Begriff des Rahmengesetzes praktisch kaum noch eingeschränkt. Diesem "bösen Beispiel des deutschen Rahmengesetzes"80 ist offenbar nicht nur der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den Richtlinien, sondern auch das spanische Verfassungs gericht in seiner Judikatur zur Grundlagengesetzgebung gefolgt. Ein Versuch, dieser Entwicklung in Deutschland entgegenzuwirken, ist in der Änderung der Art. 72 Abs. 2 und 75 GG zu sehen8' . Der erfolgversprechendste Weg zur Stärkung der Gestaltungsrechte der Autonomen Gemeinschaften bei gleichzeitiger Beschränkung der Regelungsbefugnisse des Zentralstaates ist in einer stärkeren Betonung des Trennungsprinzips zu sehen. Die Gesetzgebungskompetenz bezüglich einer bestimmten Materie sollte grundsätzlich nur einer der bei den staatlichen Ebenen zukommen. Das bedeutet, daß die große Zahl geteilter Gesetzgebungskompetenzen drastisch zu verringern ist: Im Wege einer Änderung der Verfassung sowie der Autonomiestatute müßte ein Teil der betreffenden Materien in die ausschließliche Zuständigkeit des Zentralstaates übergehen, ein anderer Teil müßte künftig ausschließlich der Regelungsbefugnis der Autonomen Gemeinschaften vorbehalten werden. Hierbei sind dem Zentral staat nur diejenigen Materien zuzuordnen, die einer einheitlichen Regelung bedürfen. Andere Sachgebiete wie etwa Presse, Rundfunk und Fernsehen (vgl. Art. 149 Abs. I Nr. 27 CE), bei denen es nicht auf Rechtseinheit ankommt, sind in die ausschließliche Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften zu überführen. Lediglich in Bereichen, in denen zwar keine strikte Einheitlichkeit, aber doch eine gewisse Homogenität der Regelung notwendig ist, sollte zur Technik der zentralstaatlichen Rahmenregelung gegriffen werden. Es müßte allerdings nach Möglichkeiten gesucht werden, wie eine Beschränkung auf die Normierung des Rahmens sichergestellt werden kann. Hier ist beispielsweise an exakt umrissene Kompetenzzuweisungen zu denken, die sich auf abgrenzbare und überschaubare Sachgebiete beziehen, so daß der Zentralstaat nicht mehr in Bereichen Rahmenregelungen treffen kann, die eigentlich in die ausschließliche Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften fallen. Bezogen auf das spanische Kompetenzverteilungssystem, müßten die sogenannten Querschnittsmaterien wie die Grundlagen der allgemeinen Wirtschaftsplanung (Art. 149 Abs. I Nr. 13 CE), das Gesundheitswesen (Art. 149 7" 79

Vgl. BVerfGE 66, 270 (285); 67, 382 (387). So Herzog, BayVBI. 1991, S. 515.

"0

Ebenda, S. 516.

"1

Siehe oben S. 32 ff.

96

D. Die Kompetenzverteilung Zentralstaat-Autonome Gemeinschaften

Abs. 1 Nr. 16 CE) sowie auch die Grundlagen über den Umweltschutz (Art. 149 Abs. 1 Nr. 23 CE) in konkretere Einzelbereiche zerstückelt werden, die dann entsprechend dem oben entwickelten Maßstab der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Zentral staates oder der Autonomen Gemeinschaften zuzuordnen wären. Nur ausnahmsweise und nur in bezug auf klar abgrenzbare Materien sollte der Zentral staat zum Erlaß von Rahmenregelungen befugt sein.

V. Die Verteilung der Exekutivkompetenzen Die zentralstaatlichen Exekutivbefugnisse lassen sich im wesentlichen der Verfassung entnehmen. Soweit Art. 149 Abs. I CE bestimmte Materien vollständig, das heißt ausschließlich der Zuständigkeit des Zentralstaates zuweist (v gl. Nr. 2-5, 10, 11, 14, 20, 21, 32), verfugt dieser neben der Legislativauch über die Exekutivkompetenz, während originäre Gesetzgebungs- wie Ausfuhrungsbefugnisse der Autonomen Gemeinschaften auf diesen Gebieten ausgeschlossen sind82 • Die entgegengesetzte Situation liegt vor, wenn die Autonomiestatute fur bestimmte Sachgebiete die ausschließliche Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften begründen83 ; diese verfugen dann grundsätzlich über die Legislativ- wie die Exekutivgewalt. Die dritte Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, daß die beiden genannten Staatsfunktionen nicht einer einzigen Ebene zugeteilt werden. Der Kompetenzvorbehalt zu Gunsten des Zentralstaates beschränkt sich in einigen Bereichen auf die Gesetzgebung84 , so daß die Gesetzesausfuhrung von den Autonomen Gemeinschaften übernommen werden konnte 85 , was durch entsprechende Regelungen in den Autonomiestatuten geschehen ist86 • Als Teil der zentralstaatlichen Legislativfunktion werden auch diejenigen Verordnungen angesehen, die die Gesetze entwickeln bzw. ergänzen. Zur Exekutivfunktion werden dagegen Verordnungen gerechnet, die die Organisation der Verwaltungseinrichtungen oder deren Tätigkeit betreffen87 • R2 Vgl. hierzu Rodriguez-Arana Muiioz, Administracion unica, Constitucion y experiencias comparadas, in: Autonomies. Revista Catalana de Derecho Publico Nr. 14, 1992, S. 215 ff. (232). H3 Siehe beispielsweise Art. 9 des Autonomiestatuts von Katalonien. l!4 Vgl. Art. 149 Abs. I Nr. 7,9, 12 CE. RS Siehe dazu Cruz Villa/on / Tornos Mas, Las competencias de Ejecucion de las Comunidades Autonomas, in: Revista Andaluza de Administracion Publica Nr. 12, 1992, S. 13 ff. (16). 86 Siehe z.B. Art. 12 des Autonomiestatuts für das Baskenland. 87 Vgl. hierzu L6pez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitutional, Bd. II, S. 348.

V. Die Verteilung der Exekutivkompetenzen

97

Besonders komplex ist die Situation in zahlreichen Fällen, in denen die Verfassung dem Zentralstaat die Grundlagengesetzgebung bezüglich einer Materie vorbehält und die Autonomen Gemeinschaften die Befugnis zur Entwicklungsgesetzgebung und zur Gesetzesausfiihrung durch die Autonomiestatute zugewiesen bekommen haben. Entgegen dem ersten Anschein liegt die Exekutivgewalt im Hinblick auf diese Materien nicht ausschließlich in den Händen der Autonomen Gemeinschaften. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bezieht sich der zentralstaatliche Vorbehalt der Grundlagen nicht nur auf die Errichtung eines gemeinsamen normativen Nenners. Vielmehr müsse der Zentralstaat in Bereichen, die einer einheitlichen Regelung bedürfen, auch gesetzesausfiihrende Maßnahmen treffen können, soweit deren Zentralisierung erforderlich sei 88 • Ein Beispiel hierfiir ist die Zuständigkeit fiir die Grundlagen der Ordnung des Versicherungswesens (Art. 149 Abs. 1 Nr. ll CE), die die Exekutivkompetenz des Zentralstaates fiir die Zulassung von Versicherungsgesellschaften mit nationalem Wirkungskreis einschließt89 . Aus dieser Rechtsprechung folgt, daß bei zahlreichen Materien, in denen dem Zentralstaat die Grundlagen vorbehalten sind, nicht nur die Legislativfunktion, sondern auch die Exekutivfunktion auf verschiedene Ebenen aufgeteilt ist: Auf diesen Sachgebieten kann der Zentral staat grundlegende Verwaltungshandlungen vornehmen, während die Autonomen Gemeinschaften fiir die nicht grundlegenden Ausfiihrungsmaßnahmen zuständig sind. Damit können im Bereich dieser Materien nebeneinander Exekutivapparate des Zentralstaates und der Autonomen Gemeinschaften mit jeweils eigenen Exekutivkompetenzen bestehen. Die Aufteilung der Exekutivgewalt bringt zum einen die Gefahr von Kompetenzkonflikten mit sich90 • Zum anderen hat sie die ohnehin diffizile Übertragung ursprünglich zentralstaatlicher Verwaltungsstrukturen 91 auf die Autonomen Gemeinschaften erschwert, indem sich Verwaltungseinrichtungen des Zentralstaates nunmehr auf die Zuständigkeit für grundlegende Exekutivmaßnahmen berufen konnten. Die Lösung dieser Probleme ist am ehesten durch eine am Trennungsprinzip orientierte Reform der Verfassung sowie der Autonomiestatute zu erreichen. Hinsichtlich einer bestimmten Materie sollte die Befugnis zur Gesetzesausführung grundsätzlich entweder ausschließlich dem Zentralstaat oder ausschließlich den Autonomen Gemeinschaften zustehen. Dabei ist die zentralstaatliche Ausfiihrungskompetenz auf diejenigen Bereiche zu beschränken, bei denen ein einheitlicher Gesetzesvollzug unabdingbar ist. 88 89 90

Vgl. STC 1182 vom 28.1.1982, BJC 10 (1982), S. 117 ff. (127 f.). Siehe L6pez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 343. Ebenda, S. 349.

91 Vgl. dazu Pielow, Autonomia local in Spanien und kommunale Selbstverwaltung in Deutschland, S. 67 ff.

7 Pfeifer

E. Die Finanzverfassung I. Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten Hamilton sieht im Geld "das Vitalitätsprinzip des politischen Körpers", "das Prinzip, das ihm Leben und Beweglichkeit erhält und ihn dazu in die Lage versetzt, seine wesentlichsten Funktionen zu erfüllen"'. Die Finanzierung der Aufgaben des Staates gehört ohne Zweifel zu den wichtigsten und schwierigsten Fragen des Staatshandeins. Die Schwierigkeiten werden deutlich, wenn man bedenkt, daß sich die mit der jeweiligen Aufgabe verbundenen finanziellen Lasten sowie deren zukünftige Entwicklung oftmals nicht exakt abschätzen lassen. Zudem bestehen Planungsunsicherheiten auf der Einnahmenseite, die durch die Konjunkturabhängigkeit des Aufkommens wichtiger Steuern bedingt sind.

Im Vergleich zu Einheitsstaaten sind die zu lösenden finanziellen Probleme bei föderativen Staaten vervielfacht, da sowohl dem Zentral staat als auch den einzelnen Gliedern die wirksame Aufgabenerfüllung durch eine ausreichende Finanzausstattung ermöglicht werden muß 2• Hinsichtlich der Ertragshoheit, das heißt der Art und Weise der Verteilung der staatlichen Einnahmen auf die verschiedenen staatlichen Ebenen, gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Nach dem freien Trennsystem können die Einnahmequellen sowohl vom Zentral staat als auch von den Gliedern ausgeschöpft werden 3, so daß Doppelbesteuerungen möglich sind4 . Das wird beim sogenannten gebundenen Trennsystem vermieden, da hier die verschiedenen Einnahmequellen entweder der einen oder der anderen staatlichen Ebene zur Ausschöpfung zugewiesen werden 5• Beim Verbundsystem werden die Abgaben vom Zentral staat oder von den Gliedern oder von beiden Ebenen gemeinsam erhoben. Hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen sind verschiedene Varianten denkbar, die auch nebeneinander existieren können. Zum Vgl. Zehnpjennig, Die "Federalist Papers", S. 196. Siehe Ermacora, Staatslehre, S. 659. ) Vgl. K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 174. 4 Dieses System kann dahingehend modifiziert werden, daß zur Einschränkung der Konkurrenz der staatlichen Ebenen Höchststeuersätze festgesetzt werden. vgl. Bothe, Kompetenzstruktur, S. 234 f. 5 Vgl. K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 174. I

2

I. Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten

99

einen ist es möglich, daß die Einnahmen nach einem bestimmten Schlüssel auf die verschiedenen Ebenen verteilt werden. Zum anderen kann vorgesehen werden, daß eine der Ebenen auf eine Abgabe einen Zuschlag erhebt, der ihr zufließt. Schließlich ist denkbar, daß die Glieder den Haushalt des Zentralstaates durch Zuweisungen finanzieren (sogenannte Matrikularbeiträge) oder aber die Zuweisungen von oben nach unten erfolgen; dabei ist zwischen zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen Zuweisungen zu unterscheiden6 • Von einem Mischsystem spricht man bei einer Finanzverfassung, die sowohl Elemente des Trenn- als auch solche des Verbundsystems enthält. Das Trennsystem ist gekennzeichnet durch die Betonung der finanziellen Selbständigkeit sowohl der Glieder als auch der durch sie gebildeten Einheit und kann daher dazu beitragen, das "föderalistische Gleichgewicht"7 zu erhalten. Eine Schwäche des Trennsystems wird darin gesehen, daß es zu ungleichen Steuerbelastungen und damit zu Wettbewerbsverzerrungen fuhren kann, die die wirtschaftliche Entwicklung behindern. Zudem wirken sich die Schwankungen des Aufkommens einzelner Steuern beim Trennsystem stärker aus als beim Verbundsystem, das zudem eher eine gleichmäßige Steuerbelastung bewirken kann. Der Nachteil des Verbundsystems liegt in der tendenziell geringeren Eigenständigkeit der Ebenen. Dies gilt vor allem fur den Fall, daß die eine Ebene von den (möglicherweise zum Teil zweckgebundenen) Zuweisungen der anderen Ebene abhängig ist. Die Beurteilung eines realen Systems der Einnahmeverteilung - insbesondere im Hinblick auf den Grad der den Ebenen gewährten Selbständigkeit ist nur dann möglich, wenn die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen bezüglich der Regelung der Abgaben sowie der Aufteilung der Einnahmen berücksichtigt wird. Beispielsweise wird bei einem Trennsystem die Möglichkeit der Glieder, eigenständig zu handeln, erheblich eingeschränkt, wenn der zentralstaatliche Gesetzgeber darüber entscheidet, welche Einnahmequellen von den Gliedern ausgeschöpft werden können. Werden im Rahmen eines Verbundsystems die Einnahmen mittels eines Schlüssels verteilt, ist es fur die Finanzausstattung der beteiligten Ebenen von entscheidender Bedeutung, ob die Festlegung des Verteilungsschlüssels vom Zentralstaat, von den Gliedern oder von bei den gemeinsam vorgenommen wird. Entsprechendes gilt fur die Finanzierung der Aufgabenerfullung der einen Ebene durch Zuweisungen der anderen Ebene.

6

7

7"

Siehe Bothe, Kompetenzstruktur, S. 235. Ebenda, S. 237.

100

E. Die Finanzverfassung

11. Der normative Rahmen des spanischen Finanzwesens Die Spanische Verfassung enthält übelWiegend allgemeine, wenig detaillierte Regelungen über das Finanzwesen, das heißt, es wird lediglich ein Rahmen geschaffen, der in erheblichem Maß ausfüllungsbedürftig ist. Der Grund für diese Offenheit liegt in der Entstehungsgeschichte der Verfassung. Die Verfassunggeber standen unter großem Zeitdruck und mußten sich daher bei der Lösung einiger schwieriger Probleme auf die Festlegung von Grundsätzen beschränken und die nähere Ausgestaltung dem weiteren politischen Prozeß überlassen 8 . Eindeutig geregelt wurde die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Steuern. Art. 133 Abs. 1 CE weist diese Befugnis dem Zentral staat zu. Die Autonomen Gemeinschaften können gemäß Art. 133 Abs. 2 nur in Übereinstimmung mit der Verfassung und den zentralstaatlichen Gesetzen Steuern erheben 9 • Verfassungsrechtliche Beschränkungen ergeben sich unter anderem aus Art. 157 Abs. 2 CE, der es den Autonomen Gemeinschaften verbietet, Besteuerungsmaßnahmen zu ergreifen, "die sich auf Vermögen außerhalb ihres Gebietes beziehen oder die den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr behindern". Zudem dürfen die Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit von Personen sowie der freie Güterverkehr in ganz Spanien nicht behindert werden (vgl. Art. 139 Abs. 2 CE). Weitere Bindungen ergeben sich aus Art. 156 Abs. 1 CE, der einerseits die finanzielle Autonomie ("autonomia financiera") der Autonomen Gemeinschaften fur die Entwicklung und Ausübung ihrer Zuständigkeiten anerkennt, andererseits aber die Autonomie dahingehend einschränkt, daß sie "gemäß den Prinzipien der Koordinierung mit dem Staatshaushalt und der Solidarität aller Spanier" velWirklicht werden muß. Die finanzielle Autonomie setzt voraus, daß die Autonomen Gemeinschaften selbst über die Mittel bestimmen können, die für eine wirksame Kompetenzwahrnehmung erforderlich sind JO • Mögliche Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften werden in Art. 157 Abs. I CE aufgezählt, wie zum Beispiel durch den Staat abgetretene Steuern, Zuschläge auf staatliche Steuern, Beteiligungen an den Einnahmen des Staates, eigene Steuern sowie ÜbelWeisungen aus einem interterritorialen Ausgleichsfonds. Nähere Ausgestaltungen dieser Einnahmequellen oder konkrete Vorgaben für die Verteilung der Einnahmen zwischen den staatlichen Ebenen findet man in der VerN Hildenbrand, Die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften, in: Nohlen / Gonzales Encinar (Hg.), Der Staat der Autonomen Gemeinschaften in Spanien. S. 125 ff. (142). 9 Die Befugnisse der in Art. 133 Abs. 2 CE angesprochenen lokalen Gebietskörperschaften werden hier nicht behandelt. 10 Vgl. L6pez Guerra. in: ders. u.a., Derecho Constitucional. Bd. II. S. 373.

H. Der nonnative Rahmen des spanischen Finanzwesens

101

fassung nicht. Es fehlt also eine dem Art. 106 GG vergleichbare Regelung der Ertragshoheit in der Spanischen Verfassung. Dies erklärt sich aus dem Umstand, daß zur Zeit der Verfassunggebung nicht absehbar war, welches Kompetenzniveau die Autonomen Gemeinschaften erreichen und welche Mitte! sie dementsprechend zur Aufgabenerfüllung benötigen würden. Der Verfassunggeber hat daher zu einer Methode gegriffen, die er in der Regel dann angewandt hat, wenn er ein Problem nicht selbst lösen konnte: Er hat den Zentral staat ermächtigt, durch Organgesetz ll Regelungen über die Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften zu treffen (vgl. Art. 157 Abs. 3 CE). Die der Vervollständigung der Verfassung l2 dienenden Organgesetze bedürfen gemäß Art. 81 Abs. 2 CE zur Verabschiedung bei der Schlußabstimmung über den gesamten Entwurf im Kongreß einer qualifizierten Mehrheit in Gestalt der absoluten Mehrheit. Demgegenüber hat der Senat als Kammer der territorialen Repräsentation (vgl. Art. 69 Abs. 1 CE) bei Organgesetzen - ebenso wie bei einfachen Gesetzen - lediglich die Möglichkeit eines Suspensivvetos, das der Kongreß mit absoluter Mehrheit zurückweisen kann (vgl. Art. 90 Abs. 2 CE)I3. Damit liegt die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften im wesentlichen in den Händen des Zentralstaates. Dieser hat in einem sehr frühen Stadium des Autonomieprozesses von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht und das Organgesetz 8/1980 vom 22.9. 1980 über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften 14 (Ley Organica de Financiaci6n de las Comunidades Aut6nomas, abgekürzt LOFCA) erlassen. Dieses Organgesetz, das die Leitlinien der Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften regelt und daher auch als deren "eigentliche Finanzverfassung"15 bezeichnet wird, stellt ein "konstitutives Element des Blockes der Verfassungsmäßigkeit"16 dar. Zu diesem Block der Verfassungsmäßigkeit gehören auch die Autonomiestatute, die sich allerdings weitgehend darauf beschränken, die in der Verfassung aufgestellten Grundsätze und die dort genannten Einnahmequellen zu wiederholen sowie auf die Regelungen des Organgesetzes über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften zu verweisen. Zudem werden einige Regelungen hinsichtlich des Haushaltsrechts der Autonomen Gemeinschaften getroffen 17. 11 Zum Instrument des Organgesetzes siehe Cruz Villa/on, Zehn Jahre Spanische Verfassung, JöR N.F. 37 (1988), S. 99 ff. 12 Ebenda, S. 102.

13 14

15 16

Zur Bedeutung des Senats siehe unten S. 114 ff. B.O.E. mim. 236 vom 1.1 0.1980. Vgl. Hildenbrand, in: Nohlen/Gonzäles Encinar, S. 142. Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 374.

102

E. Die Finanzverfassung

Die bisherigen Ausführungen hatten das sogenannte allgemeine Finanzsystem der Autonomen Gemeinschaften zum Gegenstand, das im Baskenland und in Navarra keine Anwendung findet. In diesen bei den Autonomen Gemeinschaften gilt ein besonderes Finanzsystem, das sich von dem allgemeinen System grundlegend unterscheidet. Normativer Ausgangspunkt ist insofern die erste Zusatzbestimmung der Spanischen Verfassung, nach der die historischen Rechte der Foralgebiete ("derechos hist6ricos de los territorios forales") von der Verfassung geschützt und geachtet werden. Diese institutionelle Garantie der historischen Foralsysteme, die auch das Finanzsystem umfaßt l8 , bezieht sich auf die Gebiete der Provinzen Alava, Giupuzcoa und Vizcaya, aus denen sich die Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes zusammensetzt, sowie auf das Gebiet der heutigen Autonomen Gemeinschaft von Navarra l9 • Unter Anknüpfung an die historischen Vorläufer haben beide Autonome Gemeinschaften in ihren Statuten20 eigene Finanzsysteme geschaffen 21 .

111. Grundzüge des allgemeinen Finanzsystems Das allgemeine Finanzystem wird durch das Organgesetz über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften geprägt. Im ersten Kapitel dieses Gesetzes werden bereits in der Verfassung verankerte Grundsätze wiederholt (vgl. Art. 1 und 2 LOFCA). Zudem wird in Art. 3 LOFCA der Rat für Steuer- und Finanzpolitik der Autonomen Gemeinschaften22 gegründet, der die finanzielle Tätigkeit der Autonomen Gemeinschaften mit deIjenigen des Zentralstaates koordinieren soll und dem in der Praxis rur das Zustandekommen von Kompromissen zwischen den staatlichen Ebenen in Finanzfragen eine "Schlüsselrolle"23 zukommt. Das zweite Kapitel des Organgesetzes befaßt sich mit den Finanzmitteln der Autonomen Gemeinschaften. Nach einer Aufzählung der möglichen Einnahmequellen (v gl. Art. 4 LOFCA) werden in den Art. 5-16 LOFCA Leitlinien rur die Ausgestaltung der einzelnen Arten von Einkünften festgesetzt. Zur Beantwortung der Frage, ob Elemente des Trenn- oder des Verbund17

Siehe beispielsweise Art. 33 ff. des Autonomiestatuts von Kastilien-Le6n.

1" Dies wird auch in der ersten und zweiten Zusatzbestimmung des Organgesetzes über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften zum Ausdruck gebracht. 19 Vgl. Cruz Villa/on, Die Neugliederung des Spanischen Staates durch die "Autonomen Gemeinschaften", JöR N.F. 34 (1985), S. 204.

20

V gl. Art. 41 des Statuts fiir das Baskenland sowie Art. 45 des Statuts fiir Navarra.

21

Zu den Grundzügen dieses besonderen Finanzsystems siehe unten S. 109.

22 Der Rat ist aus Vertretern des Zentralstaates und der Autonomen Gemeinschaften zusammengesetzt, vgl. Art. 3 Abs. I des Organgesetzes.

23

Hildenbrand, in: Nohlen/Gonzales Encinar, S. 165.

III. Grundzüge des allgemeinen Finanzsystems

103

systems überwiegen, und zur Beurteilung des Grades der finanziellen Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften ist es erforderlich, die einzelnen Einnahmequellen im Hinblick auf die genannten Leitlinien und ihre konkrete Ausgestaltung näher zu untersuchen.

1. Die Beteiligung an den Einnahmen des Zentral staates Wichtigste Einnahmequelle der Autonomen Gemeinschaften ist deren Beteiligung an den Einnahmen des Staates gemäß Art. 157 Abs. 1 lit. a, 3. Alt. CE und Art. 4 Abs. 1 lit. e LOFCA 24 • Zu den schwierigsten Problemen des allgemeinen Finanzystems gehört es, die Prozentsätze der Beteiligung jeder einzelnen Autonomen Gemeinschaft an den zentralstaatlichen Einnahmen 25 festzusetzen. Das Organgesetz über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften enthält selbst keine Festlegung, sondern bestimmt, daß die Prozentsätze zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften auszuhandeln sind (vgl. Art. 13 Abs. 1 LOFCA). Dieser Aushandlungsprozeß richtete sich während einer bis 1986 dauernden Übergangsphase gemäß § 13 Abs. 2 LOFCA nach der ersten Übergangsbestimmung dieses Gesetzes. Gemäß Abs. 2 und 3 dieser Übergangsbestimmung oblag die Festsetzung des Prozentsatzes gemischten Kommissionen, die bei jeder Autonomen Gemeinschaft zu bilden und paritätisch mit Vertretern des Zentralstaates und der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft zu besetzen waren. Diese Kommissionen mußten sich gemäß Abs. 1 der ersten Übergangsbestimmung an den sogenannten effektiven Kosten ("coste efectivo") der Dienstleistungen orientieren, die der betreffenden Autonomen Gemeinschaft übertragen worden waren. Im Ergebnis fiihrte das Konzept der effektiven Kosten dazu, daß die Autonomen Gemeinschaften lediglich diejenigen Mittel erhielten, die zuvor der Zentral staat fiir die betreffenden Dienstleistungen ausgegeben hatte. Da in den so festgesetzten Prozentsätzen keine Mittel fiir Neuinvestitionen vorgesehen waren, wurden diese zu einem großen Teil durch das Instrument der Verschuldung finanziert 26 • 24 Siehe die Angaben bei Ruiz Huerta, Situaci6n actual y perspectivas de la financiaci6n de las Comunidades Aut6nomas de regimen comun: algunos reflexiones sobre los problemas principales, in: Ajal Alberti Rovira/Font i Llovet/Tomos Mas (Hg.), Informe Comunidades Aut6nomas 1992, S. 279 ff. (282). Danach beliefen sich die Einnahmen der Autonomen Gemeinschaften aus Beteiligungen an den Einnahmen des Staates im Jahre 1991 auf durchschnittlich 22,47% ihrer Gesamteinnahmen, wobei erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Autonomen Gemeinschaften festzustellen sind. 25 Zu diesen Einnahmen gehören vor allem die drei wichtigsten Steuerquellen, nämlich die Einkommensteuer ("Impuesto sobre la Renta de las Personas Fisicas"), die Mehrwertsteuer ("Impuesto sobre el Valor Anadido") sowie die Körperschaftssteuer ("Impuesto sobre la Renta de las Sociedades"). 26 Vgl. Hildenbrand, in: Nohlen I Gonzales Encinar, S. 154 f.

104

E. Die Finanzverfassung

Mit dem Ende der Übergangsphase im Jahre 1986 hat sich die Festsetzung des Prozentsatzes der Beteiligung von dem Konzept der effektiven Kosten gelöst. Der Aushandlungsprozeß orientiert sich nunmehr an den in Art. 13 Abs. 1 LOFCA aufgezählten sozioökonomischen Variablen, wobei der Bevölkerungszahl das größte Gewicht beigemessen wird. Die auf diese Weise festgelegten Prozeßsätze basieren auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Autonomen Gemeinschaften und haben zu einer Verbesserung ihrer Finanzausstattung beigetragen27 • Die vorliegende Art der Einnahmeverteilung ist zwar dem Verbundsystem zuzuordnen. Dennoch garantiert sie den Autonomen Gemeinschaften bedeutende finanzielle Eigenständigkeit, da die Mittel dieser Einnahmequelle nicht zweckgebunden sind 28 • Zudem kann die Höhe der Beteiligung nicht einseitig vom Zentralstaat, sondern nur von den bei den staatlichen Ebenen gemeinsam festgelegt werden.

2. Die abgetretenen Steuern Eine weitere wichtige Einnahmequelle der Autonomen Gemeinschaften stellen die abgetretenen Steuern im Sinne von Art. 157 Abs. I lit. a, 1. Alt. CE und Art. 4 Abs. 1 lit. c LOFCA dar 9• Dabei handelt es sich gemäß Art. 10 Abs. 1 LOFCA um Steuern, deren Einrichtung und Ausgestaltung sowie deren Abschaffung in die Gesetzgebungskompetenz des Zentral staates fällt, deren Erträge jedoch (ganz oder teilweise) den Autonomen Gemeinschaften zustehen. die gemäß Art. 19 Abs. 2 LOFCA auch für die Verwaltung dieser Steuern zuständig sind. Art. 11 LOFCA bestimmt, welche Steuern der zentralstaatliche Gesetzgeber abtreten (Abs. 1) bzw. nicht abtreten darf (Abs. 2). Im Jahre 1983 hat der Zentralstaat durch Gesetz 30 eine Reihe von Steuern, darunter die Vermögenssteuer der natürlichen Personen sowie die Erbschafts- und Schenkungssteuer I an die Autonomen Gemeinschaften zediert.

27 Siehe Lopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 375, sowie eingehend zu den Details des neuen Systems der Bestimmung der Prozentsätze Hildenbrand, in: Nohlen / Gonzales Encinar, S. 159 ff. 2K Vgl. Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 283. 29 Die Gesamteinnahmen der Autonomen Gemeinschaften bestanden im Jahre 1991 im Durchschnitt (bei erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Autonomen Gemeinschaften) zu 12,64% aus abgetretenen Steuern, vgl. die Angaben bei Ruiz Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. 30 Gesetz 30/ 1983 vom 28.12.1983 über die Abtretung von Steuern des Staates an die Autonomen Gemeinschaften, B.O.E. num. 311 vom 29.12.1983. 31 Vgl. Art. 1 Abs. I des Gesetzes 30/1983.

BI. Grundzüge des allgemeinen Finanzsystems

105

Da die abgetretenen Steuern von den Autonomen Gemeinschaften ausgeschöpft werden, ist diese Einnahmeart als Ausprägung des (gebundenen) Trennsystems zu qualifizieren. Diese Einordnung legt den Schluß nahe, daß die Einnahmen aus abgetretenen Steuern, über die die Autonomen Gemeinschaften ohne Zweckbindung frei verfügen können, ein großes Maß an finanzieller Eigenständigkeit vermitteln. Der Blick auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwingt jedoch insofern zu einer gewissen Korrektur. Da der zentralstaatliche Gesetzgeber ohne wirksame Einftußmöglichkeiten der Autonomen Gemeinschaften darüber entscheidet, welche Steuern abgetreten werden und wie diese Steuern im einzelnen ausgestaltet sind, liegt die Bestimmung des Umfangs des finanziellen Handlungsspielraums der Autonomen Gemeinschaften insoweit in den Händen des Zentralstaates32 .

3. Die Überweisungen aus dem Interterritorialen Ausgleichsfonds Diese in Art. 157 Abs. 1 lit. c, 1. Alt. CE und Art. 4 Abs. 2 lit. b LOFCA vorgesehene Einnahmeart hat entsprechend ihrem Zweck in den weniger entwickelten Autonomen Gemeinschaften erhebliche Bedeutung erlangt33 • Der Interterritoriale Ausgleichsfonds ("Fondo de Compensaci6n Interterritorial") dient nämlich gemäß Art. 158 Abs. 2 CE "der Korrektur interterritorialer wirtschaftlicher Ungleichgewichte und der effektiven Verwirklichung des Solidaritätsprinzips", welches in Art. 2 und Art. 138 CE verankert ist. Die in Art. 138 Abs. 1 CE geforderte "Herstellung eines angemessenen und gerechten wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Teilen des Staatsgebiets" im Sinne einer Angleichung der Lebensbedingungen meint nicht völlige Nivellierung der Unterschiede, sondern die Schaffung von Chancengleichheit, da ein gewisser Wettbewerb unter den Gliedern den föderativen Systemen immanent ist34 . Leitlinien für die nähere Ausgestaltung des Ausgleichsfonds, dessen Mittel für Investitionen der Autonomen Gemeinschaften bestimmt sind (vgl. Art. 158 Abs. 2 CE), werden in Art. 16 LOFCA geregelt. Danach wird der Fonds, dessen Mittel für vergleichsweise weniger entwickelte Gebiete bestimmt sind (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LOFCA), aus dem Haushalt des Zentralstaates gespeist (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz I LOFCA), so daß man von einem vertikalen Finanzausgleich sprechen kann. Gemäß Art. 16 Abs. I Satz 3 LOFCA müssen die Fondsmittel jährlich mindestens 30% der im Haushalt 32 Ebenso Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 287, sowie Lopez Pina, Die Finanzverfassung, in: ders. (Hg.), Spanisches Verfassungsrecht, S. 223 ff. (237). 33 In Kastilien-La Mancha, Kastilien-Leon und Estremadura entfielen im Jahre 1991 auf diese Einnahmeart 10,88%, 11,32% bzw. 17,87% der Gesamteinnahmen, vgl. die Angaben bei Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. J4 In diesem Sinne Lopez Pina, in: ders., Spanisches Verfassungsrecht, S. 225, 240.

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E. Die Finanzverfassung

des Zentralstaates für öffentliche Investitionen bereitgestellten Mittel betragen. Hinsichtlich der Art und Weise der Verteilung der Mittel auf die Empfanger werden lediglich einige Kriterien vorgegeben, die durch Gesetz zu gewichten sind (vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 4, 5 LOFCA). Dieses Gesetz, das den Ausgleichsfonds näher ausgestaltet und insbesondere die tatsächliche Verteilung der Mittel regelt, wird durch die Cortes Generales erlassen (vgl. Art. 158 Abs. 2 CE, Art. 16 Abs. 1 Satz 2 LOFCA). Zwar sieht Art. 74 Abs. 2 CE hier größere Einflußmöglichkeiten des Senats vor, als dies beim Erlaß einfacher Gesetze der Fall ist. Dennoch hat der Kongreß auch hier das letzte Wort, da er, nachdem ein gemischter Ausschuß versucht hat, eine Einigung zwischen den Kammern herbeizuführen, und dieser Versuch gescheitert ist, mit absoluter Mehrheit entscheiden kann. Das Gesetz 7/ 1984 vom 31.3 .1984 über den Interterritorialen Ausgleichsfonds J5 , das der näheren Ausgestaltung des Fonds diente, litt an einem schweren Geburtsfehler, da es - entgegen Sinn und Zweck des Ausgleichsfonds sowie entgegen der ausdrücklichen Regelung in Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LOFCA - nicht nur die weniger entwickelten, sondern alle Autonomen Gemeinschaften zu Empfangern von Überweisungen machte. Der Grund hierfür ist in dem sogenannten Konzept der effektiven Kosten zu sehen, das der Festlegung des Prozentsatzes der Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften an den Einnahmen des Zentralstaates zunächst zugrundelag und zur Folge hatte, daß den Autonomen Gemeinschaften keine ausreichenden Mittel für Neuinvestitionen zur Verfügung standenJ6 • Diesen Mangel versuchte man zu beseitigen, indem man dem Ausgleichsfonds neben seiner originären Funktion eine weitere systemfremde Funktion verlieh, nämlich die Finanzierung eines Teils der Neuinvestitionen der Autonomen Gemeinschaften J7 • Eine weitere Schwachstelle des Gesetzes lag in der Art und Weise der Gewichtung der in Art. 16 Abs. 1 Satz 4 LOFCA vorgegebenen Variablen, die zu einer Benachteiligung der weniger entwickelten Autonomen Gemeinschaften führte J8 • Die beiden genannten Mängel konnten durch das Gesetz 29/ 1990 über den Interterritorialen Ausgieichsfonds J9 beseitigt werden. Der Fonds dient seither nicht mehr der Finanzierung von Neuinvestitionen der Autonomen 35

36

B.O.E. mim. 80 vom 3.4.1984. Siehe oben S. 103.

37 Vgl. Zabalza, La formulaci6n definitiva deI Fondo de Compensaci6n Interterritorial, in: Ajal Alberti Rovira/Font i L1ovetlTornos Mas (Hg.), Informe Pi i Sunyer sobre Comunidades Aut6nomas 1990, S. 288 ff., sowie Hildenbrand, in: Nohlen I Gonzales Encinar, S. 154 ff., 167 f. 3X ZU den Einzelheiten siehe Hildenbrand, in: Nohlen I Gonzales Encinar, S. 168. 39 Vom 26.12.1990, B.O.E. mim 310 vom 27.12.1990.

III. Grundzüge des allgemeinen Finanzsystems

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Gemeinschaften40 , sondern beschränkt sich auf seinen eigentlichen Zweck, den Ausgleich wirtschaftlicher Ungleichgewichte. Die Fondsmittel kommen daher nur noch den weniger entwickelten Autonomen Gemeinschaften zugute. Zudem wurde die Gewichtung der für die Mittelverteilung maßgeblichen Variablen neu geregelt, wodurch sich die Überweisungen an die besonders unterentwickelten Autonomen Gemeinschaften stark erhöhten41 • Die dem Verbundsystem zuzuordnende Einnahmeart der Überweisungen aus dem Ausgleichsfonds ist durch eine strenge Zweckgebundenheit der Mittel gekennzeichnet. Gemäß Art. 16 Abs. 3 LOFCA bestimmen Zentralstaat und Autonome Gemeinschaften in gegenseitigem Einvernehmen ("de comun acuerdo") unter Beachtung der Kompetenzverteilung die konkreten Investitionsvorhaben, die mit Fondsmitteln verwirklicht werden sollen. Die Herstellung des Einvernehmens erfolgt gemäß Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes 29/ 1990 über den Interterritorialen Ausgleichsfonds im Ausschuß für öffentliche Investitionen. Ein gewisser Entscheidungsspielraum der Autonomen Gemeinschaften ist insofern gegeben, als sie eigene Projektvorschläge in den Ausschuß einbringen können42 . Stärker fallen jedoch die mit der Fondsfinanzierung von Investitionen verbundenen Gefahren für die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften ins Gewicht. Da der Zentral staat in Bereichen, die in die Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften fallen, über die konkrete Verwendung der Fondsmittel mitbestimmt, kann er im Rahmen dieser Finanzierungsart auf Materien Einfluß nehmen, die nach der Kompetenzordnung der Verfassung und der Statute eigentlich den Autonomen Gemeinschaften zur selbständigen Ausgestaltung vorbehalten werden. 4. Weitere Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften Eine Einnahmequelle, die im Hinblick auf finanzielle Eigenständigkeit besonders vielversprechend erscheint, ist in den eigenen Steuern der Autonomen Gemeinschaften gemäß Art. 157 Abs. 1 lit. b CE und Art. 4 Abs. I lit. b LOFCA43 zu sehen. Bei diesen Steuern stehen den Autonomen Gemeinschaften nämlich sowohl die Gesetzgebungskompetenzen als auch die Erträge zu. Dieses Besteuerungsrecht wird allerdings dahingehend eingeschränkt, daß nur in den Bereichen, die nicht bereits durch den Zentral staat besteuert wer40 Zu den sogenannten vorübergehenden Ausgleichszahlungen, die in den Jahren 1990 und 1991 der Finanzierung der Neuinvestitionen der Autonomen Gemeinschaften dienen, siehe Hildenbrand, in: Noh1en/Gonzäles Encinar, S. 169 f. 41 Ebenda, S. 169.

Siehe Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 288. Die beiden Vorschriften gestatten den Autonomen Gemeinschaften auch die Erhebung eigener Gebühren und Sonderabgaben, wobei die Vorgaben der Art. 7 bzw. 8 LOFCA zu beachten sind. 42 43

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E. Die Finanzverfassung

den, eigene Steuern erhoben werden können (vgl. Art. 6 Abs. 2 LOFCA)44. Damit ist diese Einnahmeart dem gebundenen Trennsystem zuzuordnen. In der Praxis spielen die Einnahmen der Autonomen Gemeinschaften aus eigenen Steuern nur eine unbedeutende Rolle 45 , da der Zentralstaat alle wichtigen Steuertatbestände in Anspruch genommen hat, so daß den Autonomen Gemeinschaften keine ergiebigen besteuerbaren Bereiche verbleiben 46 • Gemäß Art. 157 Abs. 1 lit. a, 2. Alt. CE, Art. 4 Abs. 1 lit. d LOFCA können die Autonomen Gemeinschaften Zuschläge auf staatliche Steuem47 erheben. Diese dem Verbundsystem zuzurechnende Einnahmeart wäre grundsätzlich geeignet, den Autonomen Gemeinschaften einen weiten finanziellen Gestaltungsspie\raum zu eröffnen, da sie selbst über Erhebung und Höhe des Zuschlags entscheiden und die Einnahmen nicht zweckgebunden sind. Die Einnahmen aus Zuschlägen sind jedoch so gering48 , daß die in diesem Finanzierungsmittel liegenden Möglichkeiten der Stärkung der finanziellen Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften ungenutzt bleiben. Der Grund für die auffallende Zurückhaltung der Autonomen Gemeinschaften bei der Erhebung von Zuschlägen wird in den Schwierigkeiten bei ihrer politischen Durchsetzung gesehen49 • Schließlich ist auf eine Einnahmequelle einzugehen, die als goldener Zügel in den Händen des Zentralstaates zu qualifizieren ist50 • Es handelt sich dabei um zentralstaatliche Überweisungen zur Mitfinanzierung von InvestitionsvorWeitere Beschränkungen regelt Art. 9 LOFCA. Im Jahre 1991 betrugen die Einnahmen aus eigenen Steuern im Durchschnitt weniger als I% der Gesamteinnahmen der Autonomen Gemeinschaften. Eine Ausnahme stellen die Kanaren dar, wo die Einnahmen aus eigenen Steuern 9,12% der Gesamteinnahmen ausmachen, vgl. die Angaben bei Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. 46 Vgl. L6pez Pina, in: ders., Spanisches Verfassungsrecht, S. 226 f. sowie Montoro Chiner, Spanien als Staat der Autonomen Gemeinschaften, DÖV 1987, S. 85 ff. (93). 47 Art. 12 Abs. I LOFCA regelt, auf weIche Steuern des Zentral staates Zuschläge erhoben werden können. 4H Im Jahre 1991 beliefen sich die Einnahmen aus Zuschlägen auf durchschnittlich 0,09% der Gesamteinnahmen, vgl. Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. 49 Siehe Hildenbrand, in: Nohlen/Gonzäles Encinar, S. 135. so Eine weitere Einnahmequelle der Autonomen Gemeinschaften bilden unter anderem die Kredite (vgl. Art. 157 Abs. I lit. e CE, Art. 4 Abs. I lit. f, Art. 14 LOFCA), die sich im Jahre 1991 auf durchschnittlich 13,76% der Gesamteinnahmen beliefen, vgl. die Angaben bei Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. Zudem sind die Einnalunen aus EU-Zuweisungen sowie aus zweckgebundenen Subventionen zu erwähnen, die weder in der Verfassung noch im Organgesetz über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften geregelt werden. Die zweckgebundenen Subventionen dienen der Finanzierung von Aufgaben (z.B. im Bereich der sozialen Sicherheit und im Erziehungswesen), die auf einzelne Autonome Gemeinschaften übertragen worden sind, vgl. hierzu Hildenhrand, in: Nohlen / Gonzäles Encinar, S. 132 f. 44

4S

V. Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag

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haben, die in den Kompetenzbereich der Autonomen Gemeinschaften fallen. Diese Mischfinanzierung ist nicht gesetzlich geregelt; sie beruht auf Abkommen zwischen den beiden staatlichen Ebenen 51 • Zwar ist der Anteil der Überweisungen an den Gesamteinnahmen der Autonomen Gemeinschaften relativ unbedeutend 52 • Dennoch kann der Zentral staat mittels der zweckgebundenen Überweisungen punktuell Einfluß auf Bereiche gewinnen, für die die Autonomen Gemeinschaften zuständig sind, und so die vorgegebene Kompetenzordnung unteriaufen 53 •

IV. Überblick über die bei den besonderen Finanzsysteme In den beiden traditionellen Systemen des "Concierto Econ6mico" des Baskenlandes54 und des "Convenio Econ6mico" von Navarra 55 tragen die Autonomen Gemeinschaften durch einen jährlichen Beitrag ("cupo") zur Finanzierung des Haushalts des Zentral staates bei. Die Erhebung der meisten Steuern erfolgt durch die Historischen Territorien ("Territorios Hist6ricos"), das heißt durch die baskischen Provinzen sowie die Autonome Gemeinschaft Navarra. Damit garantiert diese Ausprägung des Verbundsystems den Gliedern ein hohes Maß an finanzieller Eigenständigkeit56 .

V. Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag Das allgemeine Finanzystem ist als Mischsystem zu qualifizieren, da es sowohl Elemente des Trenn- als auch des Verbundsystems enthält, wobei letztere dominieren 57 • Der Grund für die geringe Bedeutung der dem Trennsystem zuzurechnenden eigenen Steuern der Autonomen Gemeinschaften liegt darin, daß die Verfassung diese Einnahmequelle nicht selbst ausgestaltet, sondern dies dem zenSiehe L6pez Pina, in: ders., Spanisches Verfassungsrecht, S. 236. Im Jahre 1991 belief er sich auf durchschnittlich 2,23% der Gesamteinnahmen, wobei erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Autonomen Gemeinschaften festzustellen sind; so betrug der Anteil der Überweisungen an den Gesamteinnahmen in Asturien 13,89% und in Madrid 14,30%, vgl. die Angaben bei Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 282. 53 Ebenso L6pez-Pina, in: ders., Spanisches Verfassungsrecht, S. 236. 54 Zur gegenwärtigen Ausgestaltung vgl. Gesetz 12/1981 vom 13.5.1981, B.O.E. mim. 127 vom 28.5.1981. 55 Zur gegenwärtigen Ausgestaltung vgl. Gesetz 28/ 1990 vom 26.12.1990, B.O.E. mim. 310 vom 27.12.1990. 56 Zu Einzelheiten der beiden besonderen Finanzsysteme vgl. Hildenbrand, in: Nohlen / Gonzales Encinar, S. 139 f. 57 Vgl. L6pez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitutional, Bd. 11, S. 375. 51

52

110

E. Die Finanzverfassung

tralstaatlichen Gesetzgeber überläßt (vgl. Art. 157 Abs. 3 CE). Art. 6 Abs. 2 LOFCA schafft ein gebundenes Trennsystem, nach dem die Autonomen Gemeinschaften nur in den Bereichen, die nicht vom Zentralstaat besteuert werden, eigene Steuern erheben dürfen. Da die ursprüngliche Befugnis für die Erhebung von Steuern bei dem zentralstaatlichen Gesetzgeber liegt (vgl. Art. 133 Abs. I CE), kann dieser mangels wirksamer Einflußmöglichkeiten der Autonomen Gemeinschaften einseitig entscheiden, welche Bereiche er besteuert. Durch weitgehende Ausschöpfung der Steuerquellen hat der Zentralstaat die Einnahmequelle der eigenen Steuern, die den Autonomen Gemeinschaften ein großes Maß an finanzieller Unabhängigkeit hätte gewährleisten können, praktisch versiegen lassen. Auch bei den abgetretenen Steuern enthält sich die Verfassung der näheren Ausgestaltung. Diese Aufgabe wird wiederum dem Zentralstaat übertragen, der einseitig entscheidet, welche Steuern an die Autonomen Gemeinschaften abgetreten werden, und damit die tatsächliche Bedeutung dieser Einnahmeart bestimmt, die bei entsprechender Gewichtung beachtliche Eigenständigkeit mit sich bringt. Die dem Verbundsystem zuzurechnende Beteiligung an den Einnahmen des Zentralstaates gewährleistet den Autonomen Gemeinschaften erhebliche Finanzautonomie, da die Höhe der Beteiligung zwischen den bei den staatlichen Ebenen ausgehandelt wird (vgl. Art. 13 Abs. 1 LOFCA) und die Mittel nicht zweckgebunden sind. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß eine Änderung des Art. 13 Abs. 1 LOFCA zu Lasten der Autonomen Gemeinschaften politische Durchsetzbarkeit vorausgesetzt - von diesen nicht verhindert werden könnte. Eine große Gefahr für die unabhängige politische Machtentfaltung der Autonomen Gemeinschaften liegt in den Einnahmearten, über die die Autonomen Gemeinschaften nicht frei verfügen können58 • Dies gilt zum einen für die Überweisungen aus dem Interterritorialen Ausgleichsfonds. Während Art. 158 Abs. 2 CE lediglich bestimmt, daß die Fondsmittel für Investitionen zu verwenden sind, hat der Zentralstaat auch hier die Zurückhaltung der Verfassunggeber ausgenutzt und geregelt, daß die konkreten Investitionsvorhaben, die mit den Fondsmitteln verwirklicht werden sollen, zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften auszuhandeln sind59 • Durch diese strenge Zweckbindung kann der Zentral staat Entscheidungen beeinflussen, die in den Kompetenzbereich der Autonomen Gemeinschaften fallen, und so die Kompetenzordnung überspielen. Ähnliches gilt für die auf Abkommen beru5K Castells, Hacia la revision dei sistema de financiacion autonomica, in: Aja/ Alberti Rovira/Font i Llovet/Tornos Mas (Hg.), Informe Pi i Sunyer sobre Comunidades Autonomas 1990, S. 307 ff. (309 f.). 59 Siehe oben S. 107.

V. Rechtspolitische Bewertung und eigener Reformvorschlag

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henden Überweisungen des Zentral staates zur Mitfinanzierung von Investitionsvorhaben, die in den Kompetenzbereich der Autonomen Gemeinschaften fallen. Auch hier versucht der Zentralstaat, mittels Finanzhilfen in fremde Zuständigkeitsbereiche einzudringen. Dies wird dann besonders leicht gelingen, wenn die potentiellen Empfänger wegen unzureichender Finanzausstattung auf diese zusätzlichen Mittel nicht verzichten können. Angesichts des erheblichen Anteils der Kredite an den Gesamteinnahmen zahlreicher Autonomer Gemeinschaften60 hat der goldene Zügel der Überweisungen beachtliche Anziehungskraft. Das allgemeine Finanzsystem weist im Hinblick auf die finanzielle Selbständigkeit der Autonomen Gemeinschaften erhebliche Defizite auf. Diese lassen sich im wesentlichen darauf ~rückführen, daß der Verfassunggeber nur einen ganz groben Rahmen vorgegeben und die nähere Ausgestaltung dem Zentralstaat überlassen hat, der diese Befugnis vielfach zu seinen Gunsten genutzt hat. Will man das allgemeine Finanzsystem dahingehend reformieren, daß die Finanzautonomie der Autonomen Gemeinschaften dauerhaft gestärkt wird, müssen die Änderungen in der Verfassung verankert werden, da nur auf diese Weise der Bestand einer Reform ausreichend sichergestellt werden kann. Einer näheren Ausgestaltung der Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften durch die Verfassung stehen - anders als zur Zeit der Verfassunggebung - keine praktischen Hindernisse mehr entgegen, da das Kompetenzniveau der Autonomen Gemeinschaften inzwischen feststeht und somit der Mittelbedarf quantifizierbar ist. Um das Reformziel - die Stärkung der finanziellen Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften - zu erreichen, ist vor allem erforderlich, daß in der Verfassung eigene Steuern der Autonomen Gemeinschaften aufgezählt werden. Da die Autonomen Gemeinschaften bei dieser Einnahmeart auch über die Gesetzgebungskompetenz zur Ausgestaltung der Steuern verfügen, könnten sie unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 139 Abs. 2, Art. 156 Abs. I, Art. 157 Abs. 2 CE) eine eigene Steuerpolitik betreiben, sofern ihnen nicht nur unbedeutende Steuern zugewiesen werden. Höhere Einnahmen aus eigenen Steuern, verbunden mit der Möglichkeit, die Einnahmenhöhe zu beeinflussen, verringerten zudem die Anziehungskraft der goldenen Zügel des Zentralstaates. Schließlich würde der Standortwettbewerb zwischen den einzelnen Autonomen Gemeinschaften durch eine eigenständige Steuerpolitik gefördert werden. Weiterhin müssen die abgetretenen Steuern in der Verfassung festgeschrieben werden, damit auch insofern die Planungssicherheit der Autonomen GeM In Aragonien, Kantabrien, Rioja und auf den Balearen bestanden die Gesamteinnahmen im Jahre 1991 zu ca. I /3 aus Krediten, vgl. die Angaben bei Ruiz-Huerta, in: Aja u.a., Infonne 1992, S. 282.

112

E. Die Finanzverfassung

meinschaften erhöht wird. Zudem ist den Autonomen Gemeinschaften bei der Ausgestaltung dieser Steuern durch den Zentralstaat eine wirksame Einflußmöglichkeit zu eröffnen, da sonst der Umfang dieser Einnahmequelle einseitig durch den Zentralstaat bestimmt werden kann. Zur dauerhaften Sicherung der Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften an den Einnahmen des Zentralstaates sollte in der Verfassung festgeschrieben werden, daß die beiden staatlichen Ebenen bei der Festsetzung der Höhe der Beteiligung zusammenwirken müssen. Schließlich sollte die strenge Zweckbindung bei der Verwendung der Mittel des Interterritorialen Ausgleichsfonds beseitigt werden, indem in der Verfassung klargestellt wird, daß die Autonomen Gemeinschaften frei von zentralstaatlichem Einfluß entscheiden, für welche Investitionsvorhaben die Mittel eingesetzt werden.

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willens bildung des Zentralstaates I. Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten Es gehört zum Wesen föderativer Systeme, daß die Glieder an der Willensbildung der übergeordneten Einheit mitwirken. Nur so können sie ihre Interessen gegenüber denjenigen des Zentral staates wirksam zur Geltung bringen. Nicht nur eine formale, sondern eine effektive Beteiligung der Glieder ist bei allen Entscheidungen geboten, die für deren Eigenständigkeit von grundlegender Bedeutung sind. Dies gilt beispielsweise für Regelungen über die Verteilung der staatlichen Einnahmen zwischen den bei den Ebenen. In föderativen Staaten können die Glieder in der Regel über eine eigene Kammer auf die zentralstaatliche Willensbildung Einfluß nehmen. Diese sogenannte Zweite Kammer bildet zusammen mit der parlamentarischen Vertretung des Gesamtvolkes, der demokratisch gewählten Ersten Kammer, das Zweikammersystem'. Ob eine Zweite Kammer ihre Aufgabe der Verteidigung der Interessen der Glieder erfüllen kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen spielt die Bedeutung der bei den Kammern im Gesamtsystem eine Rolle; ist die Regierung des Zentral staates gegenüber der Gesamtheit der beiden Kammern dominant, wird es der Zweiten Kammer schwerfallen, föderativen Interessen ausreichend Gehör zu verschaffen 2. Zum anderen kommt es auf das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Kammern an. Schließlich ist die Art und Weise der Zusammensetzung der Zweiten Kammer in diesem Zusammenhang von maßgeblicher Bedeutung. Vollzieht sich etwa die Auswahl ihrer Glieder dergestalt, daß in beiden Kammern regelmäßig ähnliche Mehrheitsverhältnisse gegeben sind und die Mitglieder starken parteipolitischen Bindungen unterliegen, so wird die Zweite Kammer ein "Schattendasein"3 führen 4 • I

Vgl. K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 127.

Siehe Bothe, Kompetenzstruktur, S. 85. Ermacora, Staatslehre, S. 657. 4 Ein Beispiel hierflir ist der kanadische Senat. Die jeweilige Regierung hat maßgeblichen Einfluß auf seine Zusammensetzung und kann sich die Senatsmehrheit beschaffen, indem sie den Senat mit "verdienten oder auch ausgedienten Parteimännem" beschickt, vgl. Bothe, Kompetenzstruktur, S. 99. 2 3

8 Pfeifer

114

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates

Neben der Einrichtung einer Zweiten Kammer gibt es weitere Möglichkeiten, wie die Glieder das Zustandekommen des Willens des Zentralstaates beeinflussen können. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, daß diese sonstigen Mitwirkungsmöglichkeiten in föderativen Staaten, in denen die Zweite Kammer eine unbedeutende Rolle spielt, in der Regel stärker ausgeprägt sind als in föderativen Systemen mit einer einflußreichen Zweiten Kammer. Ein besonders wichtiges Einwirkungsinstrument in diesem Sinne stellen gemeinsame Beratungen dar, an denen auf bei den Seiten Vertreter der Exekutive teilzunehmen pflegen. Allerdings eröffnen diese Konsultationen, die grundsätzlich nicht verbindlich sind, auch dem Zentralstaat die Gelegenheit, seinerseits auf die Glieder einzuwirken6 •

11. Der spanische Senat 1. Einordnung in das Gesamtsystem Der Senat bildet zusammen mit dem Kongreß der Abgeordneten die Cortes Generales, die das spanische Volk vertreten (vgl. Art. 66 Abs. I CE). Der Kongreß, dessen Abgeordnete vom Gesamtvolk in allgemeiner, freier, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt werden (v gl. Art. 68 Abs. I CE), ist die Erste Kammer und parlamentarische Vertretung des gesamten spanischen Volkes, während der Senat als "Kammer der territorialen Repräsentation" (vgl. Art. 69 Abs. I CE) bezeichnet wird. Die Verfassung weist den Cortes Generales solch grundlegende Funktionen wie die Gesetzgebung, die Bewilligung des Staatshaushalts und die Kontrolle der Regierungstätigkeit zu (vgl. Art. 66 Abs. 2 CE). Die Bedeutung der Cortes Generales wird dadurch unterstrichen, daß die Regierung weitgehend vom Vertrauen des Parlaments abhängig ist (vgl. Art. 99, 112-114 CE). 2. Zusammensetzung Art. 69 Abs. 2-5 CE normiert die Zusammensetzung der Zweiten Kammer. Diese Regelung "macht den Senat zu einem seltsam hybriden Gebilde, das ihn zu dem mißlungensten unter den spanischen Verfassungsorganen werden ließ"7. Der Senat besteht nämlich aus zwei Arten von Senatoren, die sich stark voneinander unterscheiden 8 • Etwa vier Fünftel der Senatoren werl 6

Vgl. ebenda, S. 95 ff., 109 f. Ebenda, S. 107 ff.

7 So Cruz Villa/im, Die Neugliederung des Spanischen Staates durch die "Autonomen Gemeinschaften", JöR N.F. 34 (1985), S. 232. • Vgl. Tornos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 151.

11. Der spanische Senat

115

den direkt von der Bevölkerung der Provinzen gewählt, wobei jeder Provinz unabhängig von der Bevölkerungszahl9 vier Senatoren zustehen (vgl. Art. 69 Abs. 2 CE)lo. Lediglich etwa ein Fünftel der Senatoren werden von den Parlamenten der Autonomen Gemeinschaften benannt; dabei entsendet jede Autonome Gemeinschaft einen Senator sowie einen weiteren fiir jede Million Einwohner in ihrem Territorium (vgl. Art. 69 Abs. 5 CE) 11. Diese kleinere Senatorengruppe stellt die eigentliche Vertretung der Autonomen Gemeinschaften dar l2 . Durch die Art ihrer Bestellung wird das Eintreten fiir die Belange der Autonomen Gemeinschaften gefördert und der Überhandnahme parteipolitischer Erwägungen entgegengewirkt. Zudem ist bei dieser Gruppe von Senatoren ein Abweichen von den im Kongreß bestehenden partei politischen Kräfteverhältnissen eher möglich als bei der Mehrheitsgruppe, deren Zusammensetzung die Entwicklung der Stärke der politischen Parteien in ähnlicher Weise widerspiegelt wie der Kongreß l3 . Da die Senatoren der Mehrheitsgruppe von der Bevölkerung der Provinzen l4 gewählt werden, wird durch den Wahlakt keine besondere Bindung der Senatoren an die Autonomen Gemeinschaften begründet, die der partei politischen Bindung entgegenwirken könnte.

3. Möglichkeiten der Mitwirkung an der zentralstaatlichen Willensbildung Gemäß Art. 87 Abs. I CE steht dem Senat - neben dem Kongreß und der Regierung - ein eigenes Gesetzesinitiativrecht zu. Auch eine Volksinitiative zum Einbringen von Gesetzesvorschlägen ist in Art. 87 Abs. 3 CE vorgesehen. In der Praxis gehen allerdings die meisten Gesetze auf Gesetzesinitiativen der Regierung zurück l5 . 9 Hinsichtlich der Zusammensetzung dieses Teils der Senatoren gilt also das arithmetische Prinzip, vgl. K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 133. 10 Für die Inselprovinzen sowie für Ceuta und Melilla bestehen Sonderregelungen in Art. 69 Abs. 3 und 4 CE. 11 Im Hinblick auf die Zusammensetzung dieses Teils der Senatoren besteht eine Kombination des arithmetischen mit dem geometrischen Prinzip, welches die Bevölkerungszahl berücksichtigt, vgl. dazu K. Weber, Kriterien des Bundesstaates, S. 133. 12 Vgl. Cruz Villa/on, Die Neugliederung des Spanischen Staates durch die "Autonomen Gemeinschaften", JöR N.F. 34 (1985), S. 232; ähnlich Garcia Morillo, in: L6pez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 7. 13 Vgl. Tomos Mas u.a., Informe sobre las Autonomias, S. 151. 14 Die Provinzen sind gemäß Art. 141 Abs. I Satz I CE kommunale Körperschaften, die sich aus mehreren Gemeinden zusammensetzen. Sie verfugen einerseits über die Befugnis, die Angelegenheiten der überörtlichen Gemeinschaften zu ordnen. Andererseits dienen sie der Erfüllung staatlicher Aufgaben; siehe im einzelnen Schmidt, Strukturen kommmunaier Autonomie in Spanien, S. 17, 134 ff. IS Vgl. Espin, in: L6pez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 101.

S'

116

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates

Obwohl Art. 66 Abs. 2 CE die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt den Cortes Generales, das heißt Kongreß und Senat überträgt, zeigt der Blick auf die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens, daß die bei den Kammern nicht gleichrangig nebeneinanderstehen. Hat der Kongreß den Entwurf eines einfachen Gesetzes oder eines Organgesetzes angenommen, wird der Text dem Senat zur Beratung zugeleitet (vgl. Art. 90 Abs. 1 CE). Dieser kann mit absoluter Mehrheit sein Veto einlegen oder mit einfacher Mehrheit Änderungsanträge einbringen. Der Kongreß kann das Veto mit absoluter Mehrheit überwinden und die Änderungsanträge mit einfacher Mehrheit annehmen oder ablehnen (vgl. Art. 90 Abs. 2 CE). Damit spielt der Senat im Gesetzgebungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle l6 • Auch im Hinblick auf die Kontrolle der Tätigkeit der zentralstaatlichen Regierung sind föderative Elemente kaum ausgeprägt. Die schwache Position des Senats läßt sich vor allem daran ablesen, daß nur der Kongreß den Ministerpräsidenten einsetzt und die Regierung nur vom Vertrauen der Ersten Kammer abhängig ist (vgl. Art. 99, 112-114 CE)I7. Schließlich sind die Möglichkeiten des Senats, auf den Abschluß internationaler Verträge einzuwirken, begrenzt. Gemäß Art. 94 Abs. I CE darf der Zentral staat die Zustimmung zur Bindung an bestimmte Arten von Verträgen nur erteilen, wenn er zuvor von den Cortes Generales dazu ermächtigt worden ist. Einer derartigen parlamentarischen Ermächtigung bedürfen insbesondere Verträge politischen oder militärischen Charakters. Gemäß Art. 74 Abs. 2 Satz 1 CE muß die Ermächtigung von den Cortes Generales mit der Mehrheit jeder der Kammern beschlossen werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den bei den Kammern versucht ein aus der gleichen Anzahl von Abgeordneten und Senatoren bestehender Ausschuß, eine Einigung herbeizuführen (vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 3 CE). Mißlingt dieser Einigungsversuch, entscheidet der Kongreß mit absoluter Mehrheit (vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 4, 5 CE). Eine besondere Regelung gilt für den Abschluß von Verträgen, durch die einer internationalen Organisation oder Institution aus der Verfassung abgeleitete Kompetenzen übertragen werden sollen. Das wichtigste Beispiel hierfür ist der Vertrag über den Beitritt Spaniens zu den Europäischen Gemeinschaften. Gemäß Art. 93 Satz 1 CE bedarf der Abschluß von Verträgen dieser Art der Ermächtigung durch ein Organgesetz. Wie gesehen, kann der Senat das Zustandekommen der Organgesetze nicht verhindern. Das gilt auch dann, wenn durch den Vertrag Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften übertragen werden. 16 17

Ebenda, S. 106. Vgl. Ga/·da Morillo, in: L6pez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. II, S. 69 f.

III. Sonstige Einwirkungsmöglichkeiten

117

III. Sonstige Einwirkungsmöglichkeiten Die Autonomen Gemeinschaften haben vielfaltige Versuche unternommen, außerhalb des Senats die zentralstaatliche Willensbildung zu beeinflussen. Als wichtigste Einwirkungsinstrumente haben sich die Sektorenkonferenzen sowie die Abkommen zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften herausgebildet. 1. Die Sektorenkonferenzen

Hierbei handelt es sich um eine institutionalisierte Form der Begegnung der Regierungen der Autonomen Gemeinschaften und des Zentralstaates, die vor allem der Beratung gemeinsamer Probleme dient. Entscheidungen der Sektorenkonferenzen können die Entscheidungsbefugnisse der beteiligten Ebenen nicht aufheben l8 • Durch Gesetz 30/ 1992 über das rechtliche System der öffentlichen Verwaltungen und das allgemeine Verwaltungsverfahren 19 werden für eine bestimmte Art von Sektorenkonferenzen einige Regelungen getroffen. Diese beziehen sich gemäß Art. 5 Abs. 1 dieses Gesetzes auf Konferenzen, die dem Meinungsaustausch sowie der gemeinsamen Erörterung von Problemen und Lösungsmöglichkeiten durch die für die betreffende Materie zuständigen Fachminister der Autonomen Gemeinschaften und des Zentralstaates dienen. Neben diesen Sektorenkonferenzen mit beratendem Charakter gibt es andere Arten von Sektorenkonferenzen, denen das Gesetz 30/ 1992 nicht entgegensteht. Hierbei handelt es sich zum einen um Konferenzen in Bereichen, für die dem Zentralstaat die Koordinationskompetenz zusteht, so daß dieser einseitig Handlungsanweisungen gegenüber den Autonomen Gemeinschaften treffen kann. Zum anderen existieren Sektorenkonferenzen, deren Ziel es ist, die Autonomen Gemeinschaften bei Entscheidungen zu beteiligen, die zwar in die zentralstaatliche Zuständigkeit fallen, aber in den Bereich der Autonomen Gemeinschaften hineinwirken. Für diese bei den Arten von Sektorenkonferenzen gelten entsprechend ihrer jeweiligen Funktion Besonderheiten20 . Bei den Sektorenkonferenzen mit beratendem Charakter ist die Teilnahme freiwilIK Vgl. Alberti Rovira, Las relaciones interadministrativas en la nueva Ley de Regimen Juridico de las Administraciones PUblicas, in: Aja / Alberti Rovira / Font i Llovet / Tomos Mas (Hg.), Informe Comunidades Aut6nomas 1992, S. 310 ff. (317). 19 Vom 26.11.1992, B.O.E. Ollm. 285 vom 27.11.1992; zu diesem Gesetz siehe beispielsweise Garcia de Enterria, Un punto de vista sobre la nueva Ley de Regimen Juridico de las Administraciones Publicas y dei Procedimiento Administrativo Comun 1992, in: Revista de Administraci6n Publica, Nr. 130, 1993, S. 205 ff., sowie L6pez Ram6n, Reflexiones sobre el ambito de aplicaci6n de la Ley de Regimen Juridico de las Administraciones PUblicas, in: Revista de Administraci6n Publica Nr. 130, 1993, S. 97 ff. 20 Siehe hierzu Alberti Rovira, in: Aja u.a., Informe 1992, S. 317 ff.

118

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates

lig. Soweit auf diesen Konferenzen Vereinbarungen getroffen werden, binden sie nur diejenigen Beteiligten, die ihnen zugestimmt haben, wobei es sich grundsätzlich nicht um eine rechtliche Bindung handelt21 • Besondere Erwägung verdient die Sektorenkonferenz für Angelegenheiten, die die Europäischen Gemeinschaften betreffen22 • In dieser Konferenz, die das erste Mal am 16.3.1989 tagte, führt der Minister für öffentliche Verwaltungen den Vorsitz. Die Autonomen Gemeinschaften entsenden Minister oder hohe Beamte ihrer Wahl. Die Konferenz hat die Funktion, die Autonomen Gemeinschaften an der Willensbildung des Zentralstaates zu beteiligen, soweit es um dessen Mitwirkung an Entscheidungen der EU-Institutionen geht, die Materien betreffen, welche in den Kompetenzbereich der Autonomen Gemeinschaften fallen 23 • Auf diese Weise soll ein gewisser Ausgleich für die mit der Integration notwendigerweise verbundenen Kompetenzverluste geschaffen werden. Die Konferenz hat zu einer Verbesserung des Infonnationsflusses geführt. Zudem eröffnet sie den Autonomen Gemeinschaften die Möglichkeit, zu bestimmten, den eigenen Zuständigkeitsbereich betreffenden Fragen Stellung zu nehmen und so die zentralstaatliche Willensbildung zu beeinflussen. Allerdings wird der Zentralstaat durch diese Meinungsäußerungen nicht gebunden 24 • 2. Die Abkommen Bei diesem Mitwirkungsinstrument handelt es sich um Verträge, die zwischen dem Zentral staat auf der einen Seite und einzelnen oder mehreren oder allen Autonomen Gemeinschaften auf der anderen Seite geschlossen werden. In der Praxis existieren viele verschiedene Arten von - meist bilateralen Abkommen25 • Teilweise haben sie die Interpretation von Kompetenznonnen zum Gegenstand; auf diese Weise versucht man, Streitigkeiten zu venneiden oder zu beenden. Andere Verträge enthalten gemeinsame Handlungspläne, an 21

Ebenda, S. 319.

Vgl. hierzu Garcia de Enterria, La participaci6n de las Comunidades Aut6nomas en la formaci6n de las decisiones comunitarias, in: Revista Espaiiola de Derecho Constitucional Nr. 33, 1991, S. 3 ff., sowie L6pez Castillo, Creaci6n y aplicaci6n deI Derecho comunitario europeo y Comunidades Aut6nomas, in: Revista Espaiiola de Derecho Constitucional (REDC) Nr. 35, 1992, S. 111 ff. 23 Siehe L6pez Castillo, a.a.O., S. 124. 22

24 Zu Vereinbarungen dieser Sektorenkonferenz, durch die besondere Beteiligungsverfahren geregelt werden, vgl. ebenda, S. 125, sowie Garcia de Enterria, in: Revista Espafiola de Derecho Constitucional Nr. 33, 1991, S. 25 f. 25 Siehe den Überblick bei Alberti Rovira, in: Blümel, Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 84 ff.

III. Sonstige Einwirkungsmöglichkeiten

119

denen die Vertragsparteien ihre Handlungen auszurichten haben. Bei einer anderen Art von Abkommen verpflichtet sich die eine Seite, der anderen bestimmte Einrichtungen zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen. Eine Form der Mischfinanzierung wird durch Abkommen zur Durchführung von Bauvorhaben begründet. Dabei verpflichtet sich in der Regel der Zentral staat zur Mitfinanzierung von Vorhaben, die in die Zuständigkeit der betreffenden Autonomen Gemeinschaften fallen, und versucht auf diesem Wege, Einfluß auf die Planung zu gewinnen. Das Gesetz 30/ 1992 über das rechtliche System der öffentlichen Verwaltungen und das allgemeine Verwaltungsverfahren enthält einige Regelungen für solche Abkommen, die den inhaltlichen Mindestanforderungen des Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes 30/ 1992 entsprechen. Vereinbarungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht notwendigerweise nichtig; die Bestimmungen des Gesetzes 30/ 1992 finden aber auf sie jedenfalls keine unmittelbare Anwendung 26 • Zwischen der Regierung des Zentral staates und den Regierungsvertretern der Autonomen Gemeinschaften geschlossene Abkommen 27 im Sinne des Gesetzes 30/ 1992 sind im Staatsanzeiger ("Boletin Oficial dei Estado") sowie in den Amtsblättern der betreffenden Autonomen Gemeinschaften zu veröffentlichen 28 • Weiterhin normiert das Gesetz gerichtliche (Art. 8 Abs. 3) sowie außergerichtliche (Art. 6 Abs. 3) Möglichkeiten der Behandlung von Streitigkeiten 29 • Aus dem Gesetz 30/ 1992 ergibt sich nicht, welche vertraglichen Verpflichtungen justitiabel sind. Insofern läßt sich ganz allgemein sagen, daß die Annahme eines durchsetzbaren Anspruchs nur bei denjenigen Abkommen in Betracht kommt, die nicht nur politische Absichtserklärungen, sondern bestimmte Rechte beziehungsweise Pflichten enthalten30 • Als Grenze der Gestaltungsfreiheit ist der Grundsatz der Nichtverfügbarkeit der Kompetenzen zu beachten, das heißt, daß die in der Verfassung und den Statuten verankerte Kompetenzverteilung nicht durch Abkommen geändert werden kann31 • Vgl. dazu Alberti Rovira, in: Aja u.a., Infonne 1992, S. 321. Aus Art. 5 Abs. 3 Satz 2 LV.m. Art. 8 Abs. I und 2 des Gesetzes 30/1992 folgt, daß auch die Sektorenkonferenzen Abkommen im Sinne des Gesetzes 30/ 1992 schließen können, indem sie den gesetzlichen Anforderungen Rechnung tragen. 2M Siehe Art. 8 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes 30/ 1992. 29 Vgl. hierzu Alberti Rovira, in: Aja u.a., Infonne 1992, S. 322 ff. 30 Vgl. Alberti Rovira, in: Blümel, Spezielle Aspekte der Autonomen Gemeinschaften in Spanien, S. 93. 31 Ebenda, S. 88, 90 f. 26

27

120

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentral staates

Im Zusammenhang mit dem Instrument der Abkommen ist auf die in Art. 7 des Gesetzes 30/ 1992 vorgesehene Möglichkeit hinzuweisen, zur Durchführung der Abkommen gemeinsame Organisationen (sogenannte consorcios) zu schaffen, die rechtsfähig sind und Exekutivfunktionen wahrnehmen. Da jede der Vertragsparteien eigene Vertreter in diese Einrichtungen entsendet, kann man von gemischten Verwaltungen sprechen32 •

IV. Bewertung und Reformüberlegungen Die große Bedeutung der sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten ist eine Folge der Schwäche des Senats, der auf Grund seiner gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Ausgestaltung nicht in der Lage ist, die Interessen der Autonomen Gemeinschaften gegenüber dem Zentral staat wirksam zu vertreten. Dies liegt zum einen daran, daß die Zweite Kammer überwiegend, das heißt im Hinblick auf die Mehrzahl der Senatoren keine echte Vertretung der Autonomen Gemeinschaften darstellt. Zum anderen - und dieser Gesichtspunkt wiegt besonders schwer - sind die Mitwirkungsmöglichkeiten des Senats sehr begrenzt. Zwar kommt den Cortes Generales im Gesamtsystem eine entscheidende Rolle zu. Das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Kammern der Cortes Generales ist jedoch keineswegs ausgewogen. Der Senat hat unter anderem bezüglich der zentralstaatlichen Gesetzgebung nur untergeordnete Bedeutung. Dieser Umstand erweist sich für die Autonomen Gemeinschaften als besonders nachteilig, da gerade von der Legislative Entscheidungen getroffen werden, die für die Eigenständigkeit der Glieder relevant sind. Die von der Schwäche des Senats ausgehenden Gefahren werden deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß der Zentralstaat durch internationale Verträge Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften insbesondere auf die Europäische Union übertragen kann, ohne daß der Senat die Möglichkeit hat, dies zu verhindern. Auch die sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten tragen dem Bedürfnis der Autonomen Gemeinschaften nach einer effizienten Geltendmachung ihrer Positionen gegenüber dem Zentral staat nicht ausreichend Rechnung. Die Sektorenkonferenzen können sicherlich zu einer Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Ebenen beitragen. Ebenso bilden sie eine Plattform, auf der strittige Fragen erörtert und Kompromisse gefunden werden können. Auch die Abkommen stellen ein Instrument dar, durch das bei entsprechender Kompromißbereitschaft der Beteiligten Probleme gelöst beziehungsweise Streitigkeiten beigelegt werden können. Da aber Vereinbarungen von keiner Seite erzwungen werden können, treten die Grenzen dieser Einwirkungsmöglichkeit bei fehlender Einigungsbereitschaft nur einer Partei deutlich zutage. J1

Siehe Alberti Rovira, in: Aja u.a., Infonne 1992, S. 324 f.

IV. Bewertung und Refonnüberlegungen

121

Zudem ist zu bedenken, daß die Verhandlungspartner nicht über gleich gute Verhandlungspositionen verfügen; der Zentral staat ist gegenüber den Autonomen Gemeinschaften in der Position des Stärkeren, was sich aus der Art und Weise der Kompetenzverteilung sowie der Ausgestaltung der Finanzverfassung ergibt. Ein solches Ungleichgewicht ist dem Zustandekommen interessengerechter Kompromisse nicht förderlich. Weiterhin eröffnen Sektorenkonferenzen und Abkommen nicht nur den Autonomen Gemeinschaften die Möglichkeit, auf den Zentralstaat Einfluß zu nehmen. Der Prozeß der Einflußnahme vollzieht sich gerade wegen der starken Position des Zentralstaates auch in umgekehrter Richtung. Paradebeispiel hierfür sind die Abkommen zur Durchführung von Bauvorhaben, die in die Zuständigkeit der betreffenden Autonomen Gemeinschaften fallen. Durch die bloße Verpflichtung des Zentralstaates, die Vorhaben mitzufinanzieren, wird der Grundsatz der Nichtverfügbarkeit der Kompetenzen nicht verletzt. Allerdings werden die auf die zentralstaatlichen Mittel angewiesenen Autonomen Gemeinschaften auch ohne entsprechende ausdrückliche Verpflichtung bereit sein, die Interessen des Geldgebers bei der Planung zu berücksichtigen. So kann der Zentralstaat auf subtile Weise Einfluß auf fremde Kompetenzbereiche gewinnen. Ein weiterer allgemeiner Kritikpunkt ist die mangelnde Transparenz hinsichtlich des Zustandekommens der Vereinbarungen und Abkommen. Schließlich sind die beschriebenen Möglichkeiten der Autonomen Gemeinschaften, die Willensbildung des Zentralstaates im Hinblick auf dessen Mitwirkung am Zustandekommen von EU-Entscheidungen zu beeinflussen, mangels Bindungswirkung als nicht ausreichend zu qualifizieren. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten nicht geeignet sind, die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften wirksam zu sichern. Sie bringen vielmehr - jedenfalls zum Teil - die Gefahr mit sich, daß der Zentral staat sie benutzt, um in Kompetenzbereiche der Autonomen Gemeinschaften einzudringen. Zudem können diese Instrumente der Zusammenarbeit die Probleme der Kompetenzabgrenzung, die sich aus der engen Verzahnung der Zuständigkeiten der bei den staatlichen Ebenen ergeben, nur in Einzelfallen, jedoch nicht insgesamt lösen. Dies könnte nur durch eine sich am Trennsystem orientierende Reform der Verteilung der Kompetenzen erreicht werden33 • Eine wirksame Vertretung der Interessen der Autonomen Gemeinschaften gegenüber dem Zentral staat könnte am ehesten durch einen entsprechend umgestalteten Senat sichergestellt werden. Zum einen müßte der Senat im Wege einer Verfassungsänderung in eine echte Vertretung der Autonomen Gemeinschaften umgewandelt werden. Nicht nur ein Teil der Senatoren, sondern alle J3

Siehe oben S. 95, 97.

122

F. Die Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates

sollten auf eine Art und Weise bestellt werden, die ihre Bindung an die jeweilige Autonome Gemeinschaft fördert und damit parteipolitische Bindungen zurückdrängen hilft. Zum anderen ist es erforderlich, daß die verfassungsrechtliche Position des Senats aufgewertet wird. Vor allem ist ein absolutes Vetorecht der Zweiten Kammer bei denjenigen Legislativakten vorzusehen, die für die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften VOn grundlegender Bedeutung sind, so beispielsweise bei Entscheidungen, die die Verteilung der Einnahmen auf die staatlichen Ebenen betreffen beziehungsweise die Ermächtigung zum Abschluß von internationalen Verträgen, durch die Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften übertragen werden sollen, zum Gegenstand haben. Die Verankerung eines absoluten Vetorechts bei allen Gesetzesvorhaben scheint dagegen nicht ratsam. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß auch in einem umgestalteten Senat die Parteipolitisierung in ähnlichem Maße zunimmt, wie dies beim Bundesrat geschehen ise 4 mit der Folge, daß seine primäre Funktion, die Interessen der Autonomen Gemeinschaften gegenüber dem Zentralstaat zu wahren, in den Hintergrund tritt35 • Bei unterschiedlichen Mehrheiten in Kongreß und Senat bestünde die Gefahr, daß die Entscheidungsfähigkeit des Zentralstaates in Frage gestellt wird, da die sich auf die Kongreßmehrheit stützende Regierung häufig gezwungen wäre, mit der den Senat beherrschenden Opposition Kompromisse auszuhandeln 36 • Schließlich müßte in der Verfassung das Recht des Senats festgeschrieben werden, an der Willensbildung des Zentral staates im Hinblick auf dessen Mitwirkung am Zustandekommen von EU-Entscheidungen beteiligt zu werden. Soweit Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften in maßgeblicher Weise betroffen sind, ist die Entscheidung des Senats grundsätzlich mit Bindungswirkung gegenüber der zentralstaatlichen Regierung auszustatten. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß auch eine so wirksame Mitwirkungsmöglichkeit wie ein absolutes Vetorecht des Senats kein Ersatz für echte Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften sein kann. Eigenständigkeit in diesem Sinne setzt voraus, daß die Glieder in bestimmten Bereichen selbständig entscheiden und auf diese Weise ihren jeweiligen Besonderheiten angepaßte Regelungen treffen können. Auch wenn die Autonomen Gemeinschaften mittels eines reformierten Senats maßgeblich an der Willensbildung 34

Siehe oben S. 44.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der föderative Gedanke in den peripheren Autonomen Gemeinschaften stark verankert ist, was sich unter anderem in der Existenz zahlreicher Regionalparteien widerspiegelt. Dieser Umstand könnte dafür sprechen, daß die spezifischen Interessen dieser Autonomen Gemeinschaften nicht ohne weiteres von parteipolitischen Erwägungen überspielt werden. 36 Zu den Nachteilen dieser Art von Konsensdemokratie siehe oben S. 44 f. 3S

IV. Bewertung und Refonnüberlegungen

123

des Zentralstaates mitwirken könnten, würden die zentralstaatlichen Entscheidungen den oftmals unterschiedlichen Interessen der Glieder in der Regel nicht in gleicher Weise Rechnung tragen, wie wenn jede Autonome Gemeinschaft selbständig entscheiden würde 37 . Mitwirkung schafft also in der Regel keine Eigenständigkeit der Glieder. Sie dient vielmehr - unter anderem - der Sicherung vorhandener Eigenständigkeit gegenüber Angriffen des Zentralstaates auf diejenigen Bereiche, die den Gliedern durch die verfassungsrechtliche Ordnung zur selbständigen Gestaltung anvertraut sind.

)7

Siehe oben S. 28.

G. Schutz der föderativen Elemente durch erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung sowie der Autonomiestatute Föderative Systeme sind dadurch gekennzeichnet, daß die föderativen Strukturelemente in der jeweiligen Verfassung verankert sind. Da eine Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates in aller Regel nur unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden kann, ist eine Umgestaltung der föderativen Elemente weder für den Zentralstaat noch für die Glieder ohne weiteres möglich. Dieser Umstand, der gerade auch dem Schutz der Glieder dient, stellt den wesentlichen Unterschied zu lediglich dezentralisierten Staaten dar, bei denen die übergeordnete Einheit über die Ausgestaltung der nachgeordneten Einheit entscheiden kann 1• Wird die Verfassungsänderung allerdings zu sehr erschwert, besteht die Gefahr, daß "bereits erkannte Fehler verewigt" (Madison)2 werden. In Spanien liegt insofern eine Besonderheit vor, als die föderativen Wesenselemente nicht allein in der Verfassung enthalten sind. Wie gesehen, ergibt sich die Verteilung der Kompetenzen erst aus der Zusammenschau von Verfassung und Autonomiestatuten, die den sogenannten "Block der Verfassungsmäßigkeit" bilden3• Neben dem Verfahren der Verfassungsänderung ist daher auch das Verfahren zur Änderung der Autonomiestatute näher zu betrachten. Die Verfassungsänderung ist in den Art. 166-169 CE geregelt4 . Danach sind zwei verschiedene Änderungsverfahren zu unterscheiden: das allgemeine gemäß Art. 167 CE und das Ausnahmeverfahren nach Art. 168 CE. Gemäß Art. 167 Abs. 1 CE erfordert eine Verfassungsänderung eine DreifünftelMehrheit in beiden Kammern. Kommen diese Mehrheiten auch nach einem Vennittlungsversuch eines paritätisch besetzten Ausschusses (vgl. Art. 167 Abs. I Satz 2 CE) nicht zustande, so kann die Änderung gemäß Art. 167 I Vgl. Weber, Elemente eines umfassenden Föderalismusbegriffes, S. 1023; ähnlich im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Föderalismus und Regionalismus Garcia de Enterria, in: REDe Nr. 25, 1989, S. 26. 2 Siehe Zehnpjennig, Die "Federalist Papers", S. 280. l Siehe oben S. 78, 84. 4 Vgl. hierzu ausfuhrlich de Vega, Das Verfahren der Verfassungsänderung in der spanischen Rechtsordnung, in: L6pez Pina (Hg.), Spanisches Verfassungsrecht, S. 91 ff.

G. Verfassungsrechtlicher Schutz der föderativen Elemente

125

Abs. 2 CE noch erreicht werden, wenn der Senat den Text mit absoluter Mehrheit annimmt und der Kongreß die Änderung mit Zweidrittelmehrheit billigt. Die von den Cortes Generales nach Art. 167 Abs. 1 oder Abs. 2 CE beschlossene Änderung wird zu ihrer Ratifizierung einem Volksentscheid unterworfen, wenn dies innerhalb von 15 Tagen nach der Verabschiedung von einem Zehntel der Mitglieder einer der Kammern gefordert wird (sogenannter fakultativer Volksentscheid, vgl. Art. 167 Abs. 3 CE). Die durch Art. 167 CE errichteten Hürden sind so hoch, daß einerseits eine zu leichte Verfassungsänderung verhindert wird, daß aber andererseits notwendige Änderungen nicht übermäßig erschwert werdens. Das Ausnahmeverfahren findet gemäß Art. 168 Abs. 1 CE nur bei einer Gesamtrevision der Verfassung Anwendung oder bei einer Teilrevision, die sich auf den Vortitel - dort ist unter anderem das Recht auf Autonomie geregelt (vgl. Art. 2 CE) -, auf Titel I, Kapitel 11, Abschnitt I ("Grundrechte und öffentliche Freiheiten") oder auf Titel 11 ("Die Krone") bezieht. Dieses überaus mühsame Verfahren verlangt zunächst die prinzipielle Billigung der Revision durch eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern; hierauf folgen die Auflösung der Cortes Generales und Neuwahlen; zu ihrer Verabschiedung bedarf die Revision einer Zweidrittelmehrheit in den beiden neu gewählten Kammern (vgl. Art. 168 Abs. 1 und 2 CE). Schließlich wird die Verfassungsänderung zur Ratifizierung einem obligatorischen Volksentscheid unterworfen (vgl. Art. 168 Abs. 3 CE). Dieses besondere Verfahren wird im Hinblick auf seine übermäßig strengen Anforderungen auch als "Verfahren zur Vermeidung von Verfassungsänderungen"6 bezeichnet. Eine Änderung der Autonomiestatute richtet sich gemäß Art. 147 Abs. 3 CE nach dem Verfahren, das in den jeweiligen Statuten vorgesehen ist. Alle Statute bestimmen, daß ihre Reform durch das Parlament der betreffenden Autonomen Gemeinschaft gebilligt werden muß, wobei teilweise eine absolute Mehrheie, teilweise eine Dreifünftel-Mehrheit8 und teilweise eine Zweidrittelmehrheit9 verlangt wird. Eine so beschlossene Statutänderung muß zusätzlich in jedem Fall durch ein Organgesetz der Cortes Generales bestätigt werden (vgl. Art. 147 Abs. 3 CE). Für diejenigen Statute, die auf dem sogenannten schnellen Weg des Art. 151 CE zustandegekommen sind, bestimmt Art. 152 Abs. 2 CE, daß Änderungen zusätzlich der Billigung durch Volksentscheid in der betreffenden Autonomen Gemeinschaft bedürfen 10. Die 5

Vgl. ebenda, S. 91 ff.

6

Ebenda, S. 102.

7

Vgl. z.B. Art. 68 Abs. 2 des Autonomiestatuts rur die Balearen.

8

Vgl. z.B. Art. 56 Abs. 2 des Autonomiestatuts rur Asturien.

9

Vgl. z.B. Art. 57 Abs. 1 lit. b des Autonomiestatuts rur Kantabrien.

Vgl. z.B. Art. 46 Abs. 1 lit. d des Autonomiestatuts für das Baskenland sowie Art. 56 Abs. 1 lit. b des Autonomiestatuts von Katalonien. 10

126

G. Verfassungsrechtlicher Schutz der föderativen Elemente

Autonomiestatute können also nicht einseitig von den Autonomen Gemeinschaften oder vom Zentralstaat geändert werden, wenn man von der Möglichkeit, die Statute im Wege einer Verfassungsänderung zu modifizieren 11 , absieht. Der Blick auf die Verfahren zur Änderung der Verfassung beziehungsweise der Autonomiestatute macht deutlich, daß die föderativen Elemente, soweit sie in Verfassung und Statuten verankert sind, hinreichend vor unüberlegten Änderungen geschützt werden. Dieser Schutz würde durch eine Umgestaltung des Senats zu einer echten Vertretung der Autonomen Gemeinschaften 12 noch verbessert werden. Unbefriedigend ist die Situation jedoch im Hinblick auf die Finanzverfassung, die nur in Ansätzen in der Verfassung geregelt wird 13 , so daß insofern erschwerte Abänderbarkeit praktisch nicht gegeben ist. Es erscheint daher geboten, die wesentlichen Elemente des Finanzsystems in die Verfassung aufzunehmen, um sie an dem damit verbundenen Schutz teilhaben zu lassen. Schließlich ist auch im vorliegenden Zusammenhang auf die von Art. 93 CE ausgehenden Gefahren für die spanische Kompetenzordnung hinzuweisen. Während die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung nur durch eine entsprechende Änderung der Verfassung beziehungsweise der Autonomiestatute modifiziert werden kann, eröffnet Art. 93 Satz 1 CE den Cortes Generales die Möglichkeit, durch Organgesetz Kompetenzen beispielsweise auf die EU zu übertragen. Obwohl eine solche Kompetenzübertragung wie eine Verfassungs- beziehungsweise Statutänderung wirkt, ist es nicht erforderlich, den beschriebenen Anforderungen für eine Änderung der Verfassung oder der Statute zu genügen l4 • Damit kann die nationale Zuständigkeitsordnung gemäß Art. 93 Satz I CE relativ leicht - und zudem gegen den Willen des Senats verändert werden. Wegen ihrer weitreichenden Wirkungen sollten Kompetenzübertragungen nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich sein. Eine entsprechende Verfassungsänderung müßte insbesondere dem zu einer Kammer der Autonomen Gemeinschaften umgestalteten Senat ein absolutes Vetorecht einräumen, sofern Zuständigkeiten der Autonomen Gemeinschaften von der beabsichtigten KompeteDZÜbertragung betroffen sind.

Siehe oben S. 77 f. Siehe oben S. 121 f. 13 Siehe dazu oben S. 100 f., II 1. 14 Zur Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 24 Abs. I GG a.F., der Art. 93 S. I CE als Vorbild diente (so Cruz Villalon, in: Battis u.a., Das Grundgesetz im internationalen Wirkungszusamrnenhang der Verfassungen, S. 95), vgl. Merten, Grundfragen des Einigungsvertrages unter Berücksichtigung beamtenrechtlicher Probleme, S. 55. 11

12

H. Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte Auseinandersetzungen zwischen dem Zentralstaat und den Gliedern sowie unter den Gliedern über Fragen der Kompetenzverteilung, aber auch über andere Gegenstände erscheinen als "unvermeidbares Element'" föderativer Staaten. Für den Fall, daß die Streitbeteiligten sich nicht einigen können, bedarf es formeller Mechanismen, durch die der Streit entschieden werden kann. Hier ist vor allem an die Konfliktlösung durch ein Verfassungs gericht zu denken 2 • Dieses Gericht hat unter anderem die Aufgabe, die in der Verfassung verankerte föderative Ordnung zu gewährleisten. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist es notwendig, daß die Antragsrechte des Zentralstaates einerseits und der Glieder andererseits annähernd ausgewogen sind3 • Die spanische Verfassung sieht in Art. 161 mehrere verfassungsgerichtliche Verfahren zur Lösung föderativer Konflikte vor. Die Einzelheiten sind in dem Organgesetz 2/1979 vom 3.10.1979 über das Verfassungsgericht4 (Ley Organica dei Tribunal Constitutional, abgekürzt LOTC) geregelt, das auf Grund von Art. 165 CE erlassen wurde. Die abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 161 Abs. 1 lit. a CE hat Gesetze und Rechtsnormen mit Gesetzesrang zum Gegenstand5 , die auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. Prüfungsmaßstab ist der Block der Verfassungsmäßigkeit (vgl. Art. 28 Abs. I LOTC). Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit hat gemäß Art. 164 Abs. 1 Satz 3 CE allgemeine Bindungswirkung. Zur Einleitung dieses Verfahrens der direkten Anfechtung, in dem gerade auch ein Verstoß eines Gesetzes oder einer Norm mit GesetzesLopez Guerra, in: ders. u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 395. Daneben ist auf das Institut des Bundes- bzw. Staatszwangs hinzuweisen. Art. ISS CE, dessen Zustandekommen durch Art. 37 GG beeinflußt worden ist (vgI. Cruz Villa/on, in: Battis u.a., Das Grundgesetz im internationalen Wirkungszusammenhang. S. 104 f.), ermächtigt die Regierung des Zentralstaates, mit Billigung der absoluten Mehrheit des Senats die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Autonome Gemeinschaft zur zwangsweisen Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten bzw. ein Verhalten einer Autonomen Gemeinschaft zu unterbinden, das einen schweren Verstoß gegen die allgemeinen Interessen Spaniens darstellt. ) Siehe Ermacora, Staatslehre, S. 654. 4 B.O.E. mim. 239 vom 5.10.1979. 5 VgI. im einzelnen Art. 32 LOTe. I

2

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H. Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte

rang gegen die Kompetenzordnung geltend gemacht werden kann, sind auf seiten des Zentralstaates unter anderem der Ministerpräsident, 50 Kongreßabgeordnete beziehungsweise 50 Senatoren befugt (vgl. Art. 162 Abs. 1 lit. a CE, Art. 32 Abs. 1 LOTC). Auf seiten der Autonomen Gemeinschaften können deren Exekutiv- und Legislativorgane Normenkontrollklage einlegen (v gl. Art. 162 Abs. 1 lit. a CE, Art. 32 Abs. 2 LOTC). Diese Befugnis wird allerdings durch Art. 32 Abs. 2 LOTC eingeschränkt, der verlangt, daß die angefochtenen zentralstaatlichen Gesetze beziehungsweise Normen mit Gesetzesrang den Autonomiebereich der Autonomen Gemeinschaft betreffen können. Das Vorliegen dieser zusätzlichen Voraussetzung wird jedoch bereits dann bejaht, wenn die angegriffene zentralstaatliche Norm Interessen der betreffenden Autonomen Gemeinschaft berühren kann, ohne daß ein konkreter Bezug zu einer Kompetenz vorliegen muß 6• Durch diese weite Auslegung des Art. 32 Abs. 2 LOTC wird die Ausgewogenheit der Klagebefugnisse des Zentralstaates und der Autonomen Gemeinschaften im wesentlichen gewahrt. Gegenstand der Kompetenzkonflikte im Sinne von Art. 161 Abs. 1 lit. c CE sind Kontroversen zwischen Zentral staat und Autonomen Gemeinschaften beziehungsweise zwischen verschiedenen Autonomen Gemeinschaften über die Interpretation der Kompetenzverteilung, die durch den Block der Verfassungsmäßigkeit geregelt wird. Das Organgesetz 2/ 1979 über das Verfassungsgericht unterscheidet zwei Arten von Kompetenzkonflikten. Die erste ist dadurch gekennzeichnet, daß beide Seiten die Kompetenzinhaberschaft verneinen. Diese negativen Konflikte (vgl. Art. 68-72 LOTC) spielen in der Praxis eine untergeordnete Rolle 7• Demgegenüber sind die positiven Kompetenzkonflikte (vgl. Art. 62-67 LOTC) von erheblicher praktischer Bedeutung. Bei ihnen wird darüber gestritten, ob Bestimmungen, Beschlüsse und Akte, die von den Organen des Zentralstaates oder den Autonomen Gemeinschaften ausgehen, mit der Kompetenzordnung in Einklang stehen (vgl. Art. 61 Abs. I LOTC). Eine Einschränkung ihres Anwendungsbereiches erfahren die positiven Kompetenzkonflikte durch Art. 67 LOTe. Diese Vorschrift bestimmt, daß die abstrakte Normenkontrolle die maßgebliche Verfahrensart ist, wenn die umstrittene Kompetenz durch ein Gesetz oder eine Norm mit Gesetzesrang in Anspruch genommen worden ist. Das verfassungsgerichtliche Urteil in einem positiven Kompetenzkonflikt enthält die Entscheidung, wem die umstrittene Kompetenz zusteht, sowie gegebenenfalls die Nichtigerklärung der Handlung, die den Konflikt ausgelöst hat (vgl. Art. 66 LOTC). Die Antragsbefugnis ist gemäß Art. 162 Abs. 2 CE durch ein Organgesetz zu regeln. Dementsprechend legt Art. 60 Satz 1 LOTC fest, daß positive Kompetenzkonflikte nur durch die Regierung des Zentral staates sowie 6 Vgl. hierzu Perez-Tremps, in: Lopez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S.270. 7 Vgl. Perez-Tremps, in: Lopez Guerra u.a., Derecho Constitucional, Bd. 11, S. 287.

H. Mechanismen zur Lösung föderativer Konflikte

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durch die Exekutivorgane der Autonomen Gemeinschaften anhängig gemacht werden können. Hinsichtlich des zu beschreitenden Verfahrensweges folgt aus den Art. 62 f. LOTC eine gewisse Schlechterstellung der Autonomen Gemeinschaften gegenüber dem Zentralstaat. Die zentralstaatliche Regierung kann nämlich einerseits unmittelbar vor dem Verfassungsgericht Kompetenzklage erheben (vgl. § 62 LOTC); sie kann aber andererseits zunächst die Aufhebung oder Änderung der umstrittenen Handlung von dem Exekutivorgan der betreffenden Autonomen Gemeinschaft verlangen und erst dann Kompetenzklage erheben, wenn dem Verlangen nicht rechtzeitig entsprochen wurde (vgl. Art. 62 i.Vm. Art. 63 LOTC). Demgegenüber wird den Autonomen Gemeinschaften keine Wahlmöglichkeit eingeräumt; sie müssen in jedem Fall erfolglos Abhilfe verlangt haben, bevor sie Kompetenzklage erheben können (vgl. Art. 63 LOTC). Trotz dieses verfahrensrechtlichen Unterschiedes sind die Klagemöglichkeiten von Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften als gleichwertig zu qualifizieren, da die Zulässigkeit der Klageerhebung durch das obligatorische Abhilfeverlangen lediglich eine zeitliche Verschiebung erfährt.

Im vorliegenden Zusammenhang ist schließlich das in Art. 161 Abs. 2 CE, Art. 76 f. LOTC geregelte Verfahren zu erwähnen. Danach kann die zentralstaatliche Regierung die Bestimmungen ohne Gesetzesrang sowie die Beschlüsse der Autonomen Gemeinschaften vor dem Verfassungsgericht anfechten, wenn sie einen dieser Akte für verfassungswidrig hält. Macht die Regierung jedoch eine Kompetenzüberschreitung geltend, ist die Kompetenzklage zu erheben 8 , wodurch der Anwendungsbereich des Anfechtungsverfahrens stark eingeschränkt wird. Dagegen können die Autonomen Gemeinschaften untergesetzliche Akte des Zentral staates nicht nach Art. 161 Abs. 2 CE vor dem Verfassungsgericht anfechten. Ihnen steht allerdings der Weg vor die Verwaltungsgerichte offen. Trotz der Ungleichbehandlung von Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften beim Anfechtungsverfahren nach Art. 161 Abs.2 CE führt eine Gesamtbewertung der drei Verfahrensarten zu dem Schluß, daß die Ausgewogenheit der Antragsbefugnisse im wesentlichen gegeben ist. Diejenigen Streitigkeiten, die für die föderative Ordnung von besonderer Bedeutung sind, werden nämlich in den Verfahren der abstrakten Normenkontrolle sowie des positiven Kompetenzkonfliktes ausgetragen. Insofern verfügen aber Autonome Gemeinschaften und Zentralstaat über vergleichbare Antragsrechte.

x Vgl. a.a.O., S. 290. 9 Pfeifer

J. Schluß bemerkung Versteht man Föderalismus als Ordnungsprinzip von politischen Systemen, in denen mehrere eigenständige Gemeinwesen eine Einheit bilden, so ist der spanische Staat als föderatives System zu qualifizieren. Diese Bewertung ergibt sich aus der Untersuchung der spanischen Verfassungsordnung im Hinblick auf die Grundstrukturen föderativer Systeme. Bei einer Zusammenschau dieser Strukturen wird deutlich, daß die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften ebenso gewährleistet wird wie der Bestand des von ihnen gebildeten Zentral staates. Bezüglich der Kompetenzverteilung ist festzustellen, daß spätestens seit der Kompetenzangleichung durch das Organgesetz 9/ 1992 alle Autonomen Gemeinschaften über so viele Zuständigkeiten verfügen, daß ihnen selbständiges Handeln ermöglicht wird. Der Bestand des Zentralstaates wird hierdurch nicht gefährdet. Vielmehr weist ihm die Kompetenzordnung eine starke Stellung zu, die er durch eine extensive Nutzung der zahlreichen Kompetenzen zur Grundlagengesetzgebung noch erheblich ausbauen konnte. Hinsichtlich der Finanzverfassung ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Während die sogenannten besonderen Finanzsysteme Navarra und dem Baskenland ein hohes Maß an finanzieller Eigenständigkeit garantieren, eröffnet das für die übrigen Autonomen Gemeinschaften geltende allgemeine Finanzsystem weniger finanzielle Handlungsspielräume, da die Mittel der wichtigen Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften nur zum Teil nicht zweckgebunden sind. Die Möglichkeiten der Autonomen Gemeinschaften, an der Willensbildung des Zentral staates mitzuwirken, sind beschränkt. Der Senat ist in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nicht in der Lage, die Interessen der Autonomen Gemeinschaften wirksam gegenüber dem Zentral staat zu vertreten. Dieser Mangel wird auch durch die sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten wie Sektorenkonferenzen und Abkommen nicht kompensiert. Die wenig ausgeprägte Partizipation der Autonomen Gemeinschaften rechtfertigt jedoch nicht den Schluß, daß der spanische Staat keinen föderativen Charakter habe. Die für föderative Systeme typische Eigenständigkeit der Glieder basiert nämlich vor allem auf einer entsprechenden Kompetenz- und Finanzausstattung, während Mitwirkung in der Regel keine Selbständigkeit schafft, sondern zu ihrer Sicherung beitragen kann.

1. Schlußbemerkung

131

Für das Vorliegen eines föderativen Staates spricht auch, daß die Kompetenzverteilungsregeln, die fur die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften von besonderer Bedeutung sind, in' der Verfassung und den Autonomiestatuten verankert sind und deshalb nur unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden können. Allerdings ist insofern mit Blick auf die Finanzverfassung ein Defizit einzuräumen. Diese genießt praktisch keinen Schutz durch erschwerte Abänderbarkeit, da sie nur ansatzweise in der Verfassung geregelt wird. Der föderative Gesamteindruck wird schließlich dadurch abgerundet, daß beim Auftreten föderativer Konflikte sowohl der Zentral staat als auch die Autonomen Gemeinschaften vor dem Verfassungsgericht streiten können. Der Föderalismus erscheint als das fur Spanien angemessene Ordnungsprinzip, da in diesem Land sowohl Elemente der Einheit als auch der Vielfalt existieren und damit die Grundvoraussetzungen fur das Funktionieren und den Bestand eines föderativen Systems vorliegen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die zentrifugalen Kräfte der Vielfalt in den verschiedenen Regionen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Dieser Umstand spiegelt sich in einer gewissen Asymmetrie des spanischen Föderalismus wider, der vor allem in der Verschiedenheit der Kompetenzniveaus der Autonomen Gemeinschaften Ausdruck fand. Diejenigen Regionen, in denen weniger Vielfaltelemente anzutreffen sind, verfugten zunächst über erheblich geringere Kompetenzen als die Regionen, die stärker durch ihre Besonderheiten geprägt werden. Auch nach der weitgehenden Angleichung der Kompetenzniveaus ist noch immer ein kleines Kompetenzgefälle zwischen Autonomen Gemeinschaften ersten und zweiten Grades vorhanden. Die Finanzverfassung ist ebenfalls asymmetrisch gestaltet, wobei es kein Zufall ist, daß die besonderen Finanzsysteme in Navarra und im Baskenland anzutreffen sind. Zwar kann diese Asymmetrie, die sich auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zurückfuhren läßt, in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten fuhren. Sie zwingt jedoch nicht dazu, das Vorliegen eines föderativen Systems zu verneinen, wenn alle Glieder über ein ausreichendes Maß an Eigenständigkeit verfugen, wie dies in Spanien der Fall ist. Die Probleme des spanischen Föderalismus liegen unter anderem darin begründet, daß die Verfassungsgeber bei einigen besonders schwierigen Fragen wie etwa der Kompetenzverteilung und der Finanzverfassung einen Ausgleich zwischen den konträren Positionen föderalistischer und zentralistischer Strömungen herbeifuhren mußten. Die gefundenen Lösungen eröffnen dem Zentral staat verschiedene Möglichkeiten, seine Position zu Lasten der Autonomen Gemeinschaften zu stärken. Hinsichtlich der Kompetenzverteilung orientiert sich die Kompromißformel überwiegend am Verbundsystem, das heißt, die Kompetenzen werden nach Staatsfunktionen den verschiedenen staatlichen Ebenen zugeordnet, bezie9*

132

I. Schlußbemerkung

hungsweise ein und dieselbe Funktion wird zwischen Zentral staat und Autonomen Gemeinschaften aufgeteilt. Die Teilung der Gesetzgebungsfunktion auf besonders wichtigen Sachgebieten war wohl auch deshalb konsensfähig, weil die Unterscheidung zwischen Grundlagen- und Entwicklungsgesetzgebung beiden Ebenen hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten verhieß. In der Praxis hat jedoch der Zentral staat die voraussehbaren Abgrenzungsschwierigkeiten ausgenutzt und von seiner Kompetenz zur Grundlagengesetzgebung extensiv Gebrauch gemacht, wodurch die Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften zur Entwicklungsgesetzgebung ausgehöhlt wird. Eine besondere Gefahr für die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften geht von den sogenannten Querschnittsmaterien aus, für die dem Zentralstaat die Kompetenz zur Grundlagengesetzgebung zusteht. Wegen der Weite dieser Kompetenztitel ist es dem Zentralstaat gelungen, auch in solche Bereiche regelnd einzudringen, die eigentlich in die ausschließliche Zuständigkeit der Autonomen Gemeinschaften fallen. Eine nachhaltige Stärkung der Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften ließe sich erreichen, indem die übermäßige Betonung des Verbundsystems aufgegeben und das Kompetenzverteilungssystem stärker am Trennungsprinzip ausgerichtet wird, wobei vor allem die geteilten Gesetzgebungs- und Exekutivkompetenzen reduziert und die Querschnittsmaterien zerstückelt werden müßten. Die Finanzverfassung wurde nur ansatzweise in der Verfassung verankert und genießt daher praktisch keinen Schutz durch erschwerte Abänderbarkeit. Hierdurch wird die finanzielle Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften - abgesehen von Navarra und dem Baskenland - besonders bedroht, weil die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften im wesentlichen beim Zentral staat liegt und der Senat nicht in der Lage ist, die Interessen der Autonomen Gemeinschaften im Gesetzgebungsverfahren wirksam zur Geltung zu bringen. Zur Stärkung der Position der Autonomen Gemeinschaften ist es erforderlich, Einnahmequellen, die deren finanzielle Selbständigkeit garantieren, wie etwa eigene Steuern, in der Verfassung festzuschreiben. Soweit bestimmte Regelungen dem einfachen Gesetzgeber überlassen bleiben müssen, damit hinreichend flexibel auf Veränderungen reagiert werden kann, ist eine effektive Beteiligung der Autonomen Gemeinschaften am Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen. Dieses Ziel ließe sich durch eine Reform des Senats erreichen, der in eine echte Vertretung der Autonomen Gemeinschaften umgewandelt und mit einem absoluten Vetorecht ausgestattet werden müßte. Ein solches Vetorecht ist dem Senat nicht nur bei Legislativakten, die die Verteilung der Einnahmen betreffen, einzuräumen. Auch bei allen sonstigen Entscheidungen, die für die Eigenständigkeit der Autonomen Gemeinschaften von grundlegender Bedeutung sind, muß eine wirksame Vertretung ihrer Interessen durch ein Vetorecht des Senats gewährleistet werden. Dies gilt vor allem für die Ermächtigung zum

I. Schlußbemerkung

133

Abschluß von internationalen Verträgen, durch die Kompetenzen der Autonomen Gemeinschaften übertragen werden sollen. Die föderativen Strukturen des spanischen Verfassungssystems sind zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Der Grund hierfür ist allerdings nicht darin zu sehen, daß der Gedanke der Einheit in der spanischen Gesellschaft die Oberhand gewonnen hat. Vielmehr ist die Ausgestaltung der Verfassung dafür verantwortlich, daß der Zentralstaat seine Stellung auf Kosten der Autonomen Gemeinschaften ausbauen konnte. Da die Vielfaltelemente in Spanien nach wie vor stark ausgeprägt sind, ist davon auszugehen, daß die Autonomen Gemeinschaften - allen voran das Baskenland und Katalonien - eine weitere Erosion ihrer Eigenständigkeit nicht ohne weiteres hinnehmen werden.

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10 Pfeifer

Stichwortverzeichnis Abgetretene Steuern ~ Finanzverfassung Abkommen zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften 93f., 118 ff. - Arten 118f. - Grundsatz der Freiwilligkeit 94, 120 - Grundsatz der Nichtverfügbarkeit der Kompetenzen 119, 121 - Justiziabilität 119 allgemeines Finanzsystem ~ Finanzverfassung Andalusien 61, 74 Aragonien 74f. Asturien 61, 75 Ausschuß der Regionen (Art. 198 a-c EGV) 36f. Autonome Gemeinschaften ~ Gemeinschaften, Autonome Autonomiestatut 66, 77f., 84ff., 101 - erschwerte Abänderbarkeit 125f. - Funktion 78 - für das Baskenland 73 - "Rechtsnorm sui generis" 77 - "vereinbartes Statut" 72 - Verfahren der Statutgebung 69ff. - von Kategorien 73, 86 "Autonomie-Vereinbarungen" 75, 82 Balearen 61, 75 Baskenland 54ff. 60, 63, 71, 73, 80f., 102, 109, 130f., 133 Bedürfnisklausel (Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) 24ff., 31ff., 94f. - Justiziabilität 24ff. - Oktroi der Siegermächte 25 - Umwandlung in Erforderlichkeitsklausei (Art. 72 Abs. 2 GG n.F.) 32ff. Block der Verfassungsmäßigkeit 78, 101, 124, 127f. Bundesrat 26ff. - als Interessenvertreter der Länder 43f. - Beteiligungsf6deralismus 28

- Mitbestimmung kein Ersatz für Selbstbestimmung 28, 34f., 46 - Parteipolitisierung 28, 44f. - Stärkung durch Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung 26f., 43 "Concierto Economico" 73, 109 "Convenio Economico" 109 Cortes Generales 68 Fn. 30, 69ff., 114, 120, I 25ff. Dispositives Prinzip tives

~

Prinzip, disposi-

Einheitsstaat, dezentralisierter 21, 49 Entwicklungsgesetzgebung ~ Gesetzgebungskompetenzen Erbfolgekrieg, spanischer 53 Ertragshoheit ~ Finanzverfassung Estremadura 75 ETA 58 Exekutivkompetenzen 96f. - Nebeneinander der Exekutivapparate von Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften 97 Finanzverfassung 40, 98ff., 126, 130ff. - abgetretene Steuern 104f., 11 Off. - allgemeines Finanzsystem 102ff., 130 - Bedeutung in föderativen Systemen 40,98 - Beteiligung an den Einnahmen des Zentral staates 103f., 110, 112 - eigene Steuern 107ff. - Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften 100ff. - Ertragshoheit 98f., 101 - freies Trennsystem 98f. - gebundenes Trennsystem 98f., 105, 107f. - Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Einnahmequellen der Autonomen Gemeinschaften 101, 132

Stichwortverzeichnis - goldener Zügel 23f., 108, 111 - Interterritorialer Ausgleichsfonds 105ff., 110,112 - Konzept der effektiven Kosten 103f., 106 - Kredite 108 Fn. 50, 111 - Matrikularbeiträge 99 - Mischsystem 99, 109 - nicht zweckgebundene Zuweisungen 99, 104 - Organgesetz über die Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften 101 ff. - Standortwettbewerb 111 - Verbundsystem 98f., 104, 107ff. - zentral staatliche Überweisungen zur Mitfinanzierung von Investitionsvorhaben 108f. - Zuschläge auf staatliche Steuern 108 - zweckgebundene Zuweisungen 99, 107, 109 Föderalismus - angelsächsischer 46ff. - asymmetrischer 131 - Bedeutung der gesellschaftlichen Entwicklung 18ff., 41, 80f., 131 - Bedeutung von Einheit und Vielfalt 14, 18ff., 80f., 131, 133 - Begriff 14ff. - dreistufiger 17 - dynamische Komponente 18 - Eigenständigkeit der Glieder 20, 26, 34ff., 45f., 48f. - (eingeschränkte) Selbstbestimmung der Glieder 19, 28, 45f., 48f. - Grundlagen 18ff. - Homogenität der Glieder 19f. - im engen Sinne 15 - im weiten Sinne 14f. - in der Bundesrepublik Deutschland 21ff. - kooperativer 23f. - statische Komponente 18 - "The Federalist" 15f. - Vielfalt der Glieder 20f., 80f. föderative Staatsorganisation ~ Grundmodelle föderativer Staatsorganisation Foralklausel 73, 76, 102 Frankismus 57f. fueros 54f. 10*

147

Galizien 61, 63, 74 "gemeinsamer normativer Nenner" ~ Gesetzgebungskompetenzen Gemeinschaften, Autonome - Angleichung der Kompetenzniveaus 77, 81ff., 93, 130 - eigene Steuern ~ Finanzverfassung - Eigenständigkeit 120ff., 130ff. - Einnahmequellen ~ Finanzverfassung - Entwicklungsgesetzgebung ~ Gesetzgebungskompetenzen - Errichtung 50, 66ff. - ersten Grades 82f., 131 - finanzielle Autonomie 100, 104f., 108 ff., 132 - institutionelle Organisation 72, 76 - Kompetenzverluste durch die europäische Integration 118, 120, 126, 133 - Selbstbestimmungsrecht 94f., 107 - und geschichtliche Entwicklung Spaniens 51ff. - und historische Regionen Spaniens 50ff. - verfassungsrechtlicher Rahmen 64ff. - Verschiedenheit der Kompetenzniveaus 77, 79ff., 92 - zweiten Grades 80, 82f., 131 Gerichtshof, Europäischer 34, 38f., 95 Gesetzesdekrete, königliche 68 Gesetzgebungskompetenzen 85ff. - Abgrenzungsschwierigkeiten 90ff. - ausschließliche 87f., 92 - Entwicklungsgesetzgebung 86ff., 132 - extensive Ausnutzung durch den Zentralstaat 91 ff., 132 - für die Erhebung von Steuern 100, 107 - "gemeinsamer normativer Nenner" 90 - geteilte 88 - Grundlagengesetzgebung 86ff., 130, 132 - materielle Konzeption der Kompetenzabgrenzung 90ff. - und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts 90ff. - Versuche zur Lösung von Abgrenzungsproblemen 93f. - Verteilung zwischen Zentral staat und Autonomen Gemeinschaften 87ff.

148

Stich wortverzeichnis

goldener Zügel ~ Finanzverfassung grants-in-aid 47 Grundlagengesetzgebung ~ Gesetzgebungskompetenzen Grundmodelle föderativer Staatsorganisation 42ff. - Eignung fiir homogene bzw. heterogene Staaten 45f., 48f., 62 - Trennmodell 46ff., 85, 95f., 132 - VerbundmodeIl42ff., 85, 87, 94, 131f. Grundsatz der Nichtverfiigbarkeit der Kompetenzen ~ Abkommen Grundstrukturen föderativer Systeme 39f., 130f.

Konflikte, föderative; Mechanismen zur Lösung 41, I 27ff. - abstrakte Normenkontrolle 127f. - Kompetenzklage 128f. - verfassungsgerichtliche Verfahren 127 ff. Kongreß der Abgeordneten 68 Fn. 30, 101, 106, 114ff., I 24f. Konsensdemokratie 45 Konzept der effektiven Kosten ~ Finanzverfassung Kooperation der Bundesländer 26 Kooperation zwischen Bund und Bundesländern 45

Identität 21 ff., 80f. - der deutschen Bundesländer 22f., 29f. - katalanische 59, 80 - und Zeitgeist 29f. Interterritorialer Ausgleichsfonds ~ Finanzverfassung

Madrid 75 Mancomunidades provinciales 55f. Matrikularbeiträge ~ Finanzverfassung Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentralstaates 40, 48, 113 ff., 130 - Abkommen 118ff., 130 - gemeinsame Beratungen 114 - Sektorenkonferenzen 117f., 12Of., 130 - spanischer Senat ~ Senat, spanischer - stark ausgeprägt beim Verbundmodell 43 - Zweite Kammer 113f. Murcia 75

Kanaren 61, 74 ff. Kantabrien 75 Karlismus 54 Kastilien-La Mancha 75, 81 Kastilien-Leon 75, 81 Katalonien 54ff., 59f., 63, 68, 71, 73, 80f. Kompetenzen, Übertragung auf die EU 34f., 116, 120, 126, 133 Kompetenzkonflikte 81, 91, 97 - bilaterale Abkommen als Lösungsversuch 93f. - Konfliktlösung durch das Verfassungsgericht I 27ff. Kompetenzverlagerungen in der Bundesrepublik Deutschland 23ff. - durch ausdrückliche Verfassungsänderung 23f. - durch Verfassungsinterpretation 24ff. Kompetenzverteilung - in föderativen Systemen 39f. - nach dem Enumerationsprinzip 83ff. - nach Sachgebieten 46f., 85 - nach Staatsfunktionen 42f., 85, 131 f. - zwischen Zentralstaat und Autonomen Gemeinschaften 79ff. Kompetenzverteilungssystem, spanisches 84ff.

Nationalitäten, historische 62, 71, 73f. Navarra 61, 73, 75ff., 102, 109, 130f., 133 Normenkontrolle, abstrakte ~ Konflikte Organgesetz 69 Fn. 31, 72, 77, 88f., 101, 116, 126 Partikularismus 18 Präautonomien 68, 73 Prinzip der Einheit 64 Prinzip, dispositives 65ff., 84 - Einschränkung durch Art. 144 Iit. c) CE 68f. Querschnittskompetenzen des Zentralstaates 86ff., 132 - fiir das Gesundheitswesen 95 - fiir die Grundlagen über den Umweltschutz 96

Stichwortverzeichnis - ftir Grundlagen und Koordinierung der allgemeinen Wirtschaftsplanung 86, 92 Rahmengesetzgebung, deutsche 94f. Recht auf Autonomie 64ff. Reconquista 51 f. Reföderalisierung in Deutschland 30ff. - Änderung der Art. 74, 75 GG 33 - Änderung des Art. 72 Abs. 2 GG 32ff. - Art. 23 GG n.F. 35f. - Gemeinsame Verfassungskommission 32f. Regionen, historische 50ff., 80f. Residualklausel 84 - doppelte 84f. Rioja 75 Schutz föderativer Grundstrukturen 41, I 24ff., 13lf. - durch erschwerte Abänderbarkeit der Verfassung I 24f. - durch erschwerte Abänderbarkeit der Autonomiestatute 125f. Sektorenkonferenzen 117f., 120f., 130 Senat, amerikanischer 47f. Senat, kanadischer 113 Fn. 4 Senat, spanischer 68 Fn. 30, 10 I, 106, 114ff., 126, 130, 132f. - Frage der Einftihrung eines absoluten Vetorechts 122, 126, 132f. - Gesetzesinitiativrecht 115 - Kammer der territorialen Repräsentation 101, 114 - Mitwirkung bei Verfassungsänderungen 124f. - Möglichkeiten der Einwirkung auf den Abschluß internationaler Verträge 116, 133 - parteipolitische Bindungen der Senatoren 115, 122

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- Rolle im Gesetzgebungsverfahren 116 - Suspensivveto 101, 116 - untergeordnete Bedeutung 116, 120 - Zusammensetzung 114f., 121f. Solidaritätsprinzip 105 Sprachräume Spaniens 52, 59ff. Statut von Nuria 57 Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b EGV) 37ff. Suspensivveto ~ Senat, spanischer "The Federalist" ~ Föderalismus Trennmodell ~ Grundmodelle föderativer Staatsorganisation Union, Europäische 17, 34ff., 120, 126 Unitarisierung 23ff. Valencia 61, 74ff. Verbundmodell ~ Grundmodelle föderativer Staatsorganisation Verfassung - von Cadiz 54 - der spanischen Republik vom 9.12. 1931 56 Verfassungsänderung, Verfahren 124 f. Verfassungsdurchbrechung 74 via lenta 66ff. via rapida 66, 70ff. Zentralismus in Spanien 53f., 57f., 62 Zuschläge auf staatliche Steuern ~ Finanzverfassung Zuständigkeiten - ausschließliche 85ff. - geteilte 85f. Zweite Kammer ~ Mitwirkung der Glieder an der Willensbildung des Zentral staates