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German Pages 466 [468] Year 2011
Manuel Koch Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 75
De Gruyter
Manuel Koch
Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches
De Gruyter
ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-025847-9 e-ISBN 978-3-11-025851-6
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Koch, Manuel. Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches / Manuel Koch. p. cm. -- (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde, ISSN 1866-7678) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-025847-9 (hardcover : acid-free paper) -- ISBN 978-3-11-025851-6 (electronic) 1. Spain--History--Gothic period, 414-711. 2. Visigoths--Spain--History. 3. Romans--Spain--History. 4. Ethnicity--Spain--History--To 1500. 5. Spain--Ethnic relations. I. Title. DP96.K59 2011 946’.01--dc22 2011010471
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ÜGedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degryuter.com
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Vorwort Die vorliegende Studie wurde in dieser Form im Wintersemester 2010/ 2011 von der Fakultät für Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn als Dissertation angenommen. Die Entstehung einer Arbeit wie dieser bedarf eines breiten Spektrums an Voraussetzungen, das seinen profanen Ausgang von einer materiellen Basis nimmt und über das methodische Rüstzeug und die intellektuelle Inspiration sowie Kritik schließlich bis zur wissenschaftlichen Freiheit zur Entwicklung eigener Gedanken reicht. In diesem Sinne fühle ich mich meinem wissenschaftlichen Lehrer und Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jörg Jarnut, gegenüber zu großem Dank dafür verpflichtet, dass er persönlich und auf die ihm eigene Weise das Entstehen dieser Arbeit auf jeder der zuvor genannten Ebenen angeregt und gefördert hat. Zudem möchte ich ihm dafür danken, dass er während seiner langjährigen Tätigkeit am Historischen Institut der Universität Paderborn ein akademisches Umfeld geschaffen hat, ohne welches die Entwicklung einer solchen Studie kaum vorstellbar erscheint. In diesem Zusammenhang gilt mein zweiter Dank Dr. Stefanie Dick, Dr. Jens Schneider und Dr. Guido Berndt, nicht nur für ihre unverzichtbare Unterstützung, sondern auch für die von ihnen mitgeprägte kollegiale und freundschaftliche Atmosphäre am Lehrstuhl. Guido Berndt möchte ich darüber hinaus dafür danken, dass er die fraglos sehr mühevolle Arbeit des Korrekturlesens übernommen und hilfreiche Verbesserungsvorschläge gegeben hat. Sollte der Leser sich an mancher Stelle wünschen, der Lektor hätte hier weniger wohlwollend redigieren sollen: Alle möglicherweise nicht leserfreundlichen Schachtelsätze sind gegen seinen Ratschlag im Text verblieben! Danken möchte ich ebenfalls Herrn Prof. Dr. Lutz E. von Padberg für seine freundliche Bereitschaft, das Zweitgutachten zu verfassen, und für die daraus hervorgegangenen Hinweise. Für weitere Anregungen und Förderungen, die die Entwicklung dieser Arbeit unterstützt haben, möchte ich insbesondere Prof. Dr. Javier Arce, Dr. Alexandra Chavarría, Dr. Gerd Kampers, Prof. Dr. Michael Kulikowski, Prof. Dr. Gisela Ripoll, Dr. Philipp von Rummel und Dr. Roland Steinacher herzlich danken.
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Vorwort
Als besondere Ehre empfinde ich es, dass die Herausgeber der Reihe „Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde“, Herr Prof. Dr. Heinrich Beck, Herr Prof. Dr. Dieter Geuenich und Herr Prof. Dr. Heiko Steuer, meine Arbeit in diese Reihe aufgenommen haben, wofür ich ihnen sehr herzlich danke. Mein abschließender Dank gehört meiner Familie, ohne die die Entstehung dieser Arbeit zweifellos niemals möglich gewesen wäre. Britta danke ich für Ihren steten Zuspruch und Ihre liebevolle Bereitschaft, die verschiedenartigen, mit der langjährigen Arbeit an der Dissertation verbundenen Entbehrungen auf sich genommen zu haben, und meinen Eltern, Anneliese und Günter Koch, für ihre selbstlose Unterstützung, die mir das Studium erst ermöglicht hat. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Paderborn, im August 2011
Manuel Koch
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Dominanz eines primordialistischen Ethnizitätsverständnisses in der Forschungsgeschichte . . . . . . . . 1.2 Diskussion des Modells der Ethnogenese und der aktuelle Forschungsstand zu Fragen ethnischer Identität im Frühmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Thema und Konzeption der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 2. Die historischen Voraussetzungen bis zum Beginn des sechsten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die „westgotische“ Vorgeschichte bis zur Ansiedlung in der Gallia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das Tolosanische Reich – zwischen römischer Provinz und westgotischem regnum . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Goten und Römer im Tolosanischen Reich . . . . . . 2.3.1 Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Innere Haltung und praktisches Handeln . . . . 2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . .
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3. Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches und Voraussetzungen zur Bewertung der ethnischen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die politischen Entwicklungen von der Schlacht von Vouillé bis zur Herrschaftskonsolidierung unter Leovigild 3.2 Die Frage nach der westgotischen Einwanderung in die Hispania auf Grundlage der Sach- und Schriftquellen . . . 3.2.1 Westgotische Gräberfelder . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Consularia Caesaraugustana . . . . . . . . . . . . 3.3 Die politische Bedeutung(slosigkeit?) der Westgoten in der Hispania seit dem fünften Jahrhundert . . . . . . . .
. 51 . 56 . 59 . 72 . 93 . 108
. 113 . 119 . 130 . 133 . 150 . 162
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Inhaltsverzeichnis
3.4 Nomen und gens im spanischen Westgotenreich . . . . . . . . 3.5 Die Rolle des Arianismus als ethnisches Definitionsmerkmal bis zur Katholisierung des Reiches . . . . . . . . . 3.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . 4. Die erzählenden Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Chronik Johannes’ von Biclaro . . . . . . . . . 4.2 Die historiographischen Schriften Isidors von Sevilla 4.3 Die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium . . . . . . . 4.4 Die Vita Desiderii, die Vita Sancti Aemiliani und die Historia Wambae regis . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . .
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5. Die dokumentarischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Konzilsakten des Toledanischen Reiches . . . . . . . . 5.1.1 Die allgemeine Konversion der gens Gothorum als Anfang vom Ende einer ethnischen Distinktion? Die Akten des dritten Konzils von Toledo . . . . . . 5.1.2 Gothi, Romani, Syri, Graeci und Iudaei in der Narbonensis. Die Akten der Provinzialsynode in Narbonne (589) . 5.1.3 Die gens Gothorum in den Akten der Reichskonzilien des siebten Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . 5.2 Goten und Römer in den leges des Toledanischen Reiches . . 5.2.1 De divisione terrarum facta inter Gotum adque Romanum . . 5.2.2 Ut tam Goto Romana, quam Romano Gotam matrimonio liceat sociari . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 (Cives) Romani als Rechts- oder Statusgruppe . . . . . 5.2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . .
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6. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Art. AHR AKG AnTard
Artikel American Historical Review Archiv für Kulturgeschichte Antiquité Tardive, Revue internationale d’histoire et d’archéologie BA Breviarium Alaricianum BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon BT Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana CAH The Cambridge Ancient History Martínez/ Rodriguez CCH La colección canónica hispana 3–5, hg. v. Gonzalo Martínez Diez u. Felix Rodriguez (Monumenta Hispaniae Sacra, Serie Canónica), Madrid 1984–1992 CC SL Corpus Christianorum Series Latina CE Codex Euricianus CHE Cuadernos de Historia de España CICM Catálogo de las inscripciones cristianas de Mérida CSEL Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum DA Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters f. bestimmt genau eine folgende Seite ff. bestimmt genau zwei folgende Seiten FMSt Frühmittelalterliche Studien FS Festschrift FSGA Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe; Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HRG Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte HJb Historisches Jahrbuch HZ Historische Zeitschrift ICERV Inscripciones cristianas de la España romana y visigoda ILS Inscriptiones Latinae Selectae, DESSAU Tolet. Concilium Toletanum JLA Journal of Late Antiquity LexMA Lexikon des Mittelalters LI Liber Iudiciorum LThK Lexikon für Theologie und Kirche LRV Lex Romana Visigothorum MAHFR Mélanges d’Archéologie et d’Histoire MGH Monumenta Germaniae Historica AA Auctores antiquissimi
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X rer. Lang. rer. Mer. MHSSC MIÖG NA ND NMS PL PLRE RAC RE Rez. RGA RH SSCI TRE TRW UTB Vives, Concilios VSPE ZRG GA
Abkürzungsverzeichnis rerum Langobardorum rerum Merovingicarum Monumenta Hispaniae Sacra, Serie Canónica Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Neudruck Nottingham Medieval Studies Patrologiae cursus completus, series latina, hg. v. J.-P. Migne, Paris Jones/Martindale/Morris, The Prosopography of the Later Roman Empire Reallexikon für Antike und Christentum Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rezension Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Revue Historique Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo Theologische Realenzyklopädie The Transformation of the Roman World Universitäts-Taschenbücher Concilios visigoticos e hispano-romanos (España cristiana 1), hg. v. José Vives, Barcelona/ Madrid 1963 Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung
Einleitung
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1. Einleitung Bekanntermaßen bezieht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ihre Dynamik zu einem großen Teil dadurch, dass ihre Perspektiven und Fragestellungen in erheblichem Maße von der Gegenwartswelt der sie betreibenden Personen beeinflusst werden. Dieser einleitende Satz mag rechtfertigen, eine Dissertation über ethnische Identität im spanischen1 Westgotenreich des frühen Mittelalters mit einer Beobachtung aus dem heutigen Bolivien beginnen zu lassen. Im Januar des Jahres 2006 hatte Evo Morales dort mit 54 Prozent der Stimmen überraschend deutlich die Präsidentschaftswahl gewonnen.2 Die Hauptaussage seines Wahlkampfes hatte zuvor darin bestanden, dass er der lange Zeit fremdbestimmten und ausgebeuteten bolivianischen Urbevölkerung, den Aymara-Indios, zu neuen Rechten in ihrem Land verhelfen wolle. Seine eigene indigene Abstammung stellte Morales dabei prononciert dar, etwa indem er stets in Kleidung auftrat, die als traditionelles Merkmal der einheimischen Bevölkerung gilt. Bei einer Feier anlässlich seiner Amtseinführung – die in einer vermeintlich an die autochthone Kultur des Landes angelehnten Zeremonie in Tiahuanacu stattfand, einer bis vor die Inkazeit zurückreichenden Ruinenstätte – betonte der neue Staatspräsident, dass mit ihm nach 500 Jahren Unterdrückung nun wieder die „pueblos originarios“ an die Macht gekommen seien. Morales ist es gelungen, seine Person und sein Programm mit einer bestimmten ethnischen Identität zu verbinden, die mittels bestimmter Elemente und Rituale besonders hervorgehoben wurde. Nimmt man das Wahlergebnis als Grundlage, so scheint diese ethnische 1
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Im Sprachgebrauch dieser Arbeit wird mit Blick auf die Geographie nicht streng zwischen den geographischen Angaben (Iberische oder Pyrenäenhalbinsel), der antiken Provinzbezeichnung (Hispania) und dem modernen Nationalbegriff (Spanien) und den jeweiligen Ableitungen unterschieden. Dies ist vor allem sprachlich-stilistischen Erwägungen geschuldet und erscheint vertretbar, da offensichtlich sein sollte, dass beispielsweise das „spanische Westgotenreich“ keinen direkten Bezug zur heutigen Nation hat. Siehe zum Folgenden etwa den Bericht von Carlos Widmann mit dem Titel „Mutter Erde an der Macht. Ist der Präsident Evo Morales in erster Linie der Häuptling aller bolivianischen Urvölker?“, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 25, 25. Januar 2006, S. 13; Muruchi Poma, Germán: Evo Morales. Die Biografie, Leipzig 2007.
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Einleitung
Identifikation Glaubwürdigkeit erlangt zu haben und dies, obwohl Morales keines der beiden indigenen Idiome, Quechua und Aymará, spricht und sein agnatischer Familienzweig seit fünf Generationen einen spanischen Namen trägt. Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit diesem Machtwechsel ferner die aus bolivianischen Volkszählungen abzulesende Entwicklung, dass sich nach der Wahl mehr als 60 Prozent der Bolivianer selbst als Abkömmlinge eines „pueblo originario“ einordneten, während dieser Wert zuvor stets bei nur etwa 40 Prozent gelegen hatte. Obwohl sicher nicht davon auszugehen ist, dass sich für diese Differenz von ungefähr 20 Prozent auch nur einer jener Parameter wie Sprache, Kultur, Herkunft oder gemeinsame Vergangenheit geändert hat, nach denen klassischerweise versucht wird, Ethnizität zu bestimmen, kam ein nennenswerter Teil der Bevölkerung dennoch zu einer veränderten Einschätzung seiner ethnischen Affiliation. An diesem Beispiel, welches um viele andere erweitert werden könnte, lassen sich einige Beobachtungen machen: Zunächst wird erkennbar, dass ethnische Identität durch Zeichen darstellbar ist. Es lässt sich ferner feststellen, dass bestimmte Elemente, wie in diesem Fall die Kleidung oder eine vermeintlich gemeinsame, weit zurückreichende Vergangenheit, als Identitätsmerkmal geltend gemacht werden können, während dies für andere, wie etwa die Sprache oder den Namen, nicht zwingend erfolgen muss. Um Gewissheit darüber zu erlangen, welche Merkmale als Ausweis einer ethnischen Identität gelten und welche nicht, müsste der jeweils spezifische gesellschaftlich-politische Kontext daraufhin genau untersucht werden. Anhand der veränderten ethnischen Selbstzuschreibung eines signifikanten Anteils der Bevölkerung in Reaktion auf eine Veränderung der politischen Machtverhältnisse wird jedoch deutlich, wie relativ die Rückschlüsse wären, die von den Ergebnissen einer solchen Untersuchung auf die ethnische Identität von Personen oder Personengruppen dieser Gesellschaft abgeleitet werden könnten. Es hat also den Anschein, als sei ethnische Identität keine festgeschriebene und deutlich erkennbare Eigenschaft menschlicher Existenz, vielmehr sind sowohl ihre Zeichen als auch ihre Zuschreibung variabel und von der sozialen und politischen Umwelt abhängig. Was hier als Beobachtung eines Einzelfalls geschildert wird, ist seitens der Soziologie auf breiter Basis untersucht worden. So lässt sich aus Handbüchern dieses Faches erfahren, dass Ethnizität zwar anhand der oben angeführten Parameter zu definieren versucht wird, allerdings sind diese Definitionen mit dem entscheidenden Zusatz versehen, dass der Glaube an eine Gemeinsamkeit die Ethnizität konstruiere.3 Davon ausgehend be3
Hillmann, Karl-Heinz (Hg.), Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 41994 [1. Aufl. 1972], Art. Ethnizität, S. 199. Vgl. auch Heckmann, Friedrich: Ethnische Minderhei-
Einleitung
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zeichnet man das in der modernen Forschung mittlerweile dominierende Verständnis von ethnischer Identität als konstruktivistisch. Ethnische Gemeinschaften sind damit „Imagined Communities“4, die bis zu einem gewissen Grad wählbar sind und durch Loyalität zu einer Großgruppe bestimmt werden.5 Daraus ergibt sich, dass Ethnizität variabel ist und sich in Wechselwirkung mit den Bedingungen der Umwelt verändern kann.6 Obwohl Max Weber in seiner nur beiläufigen Auseinandersetzung mit diesem Thema durch die von ihm bereits im Jahre 1922 geäußerte Überzeugung, dass ethnische Gruppen „nur (geglaubte) Gemeinsamkeit“7 seien, eine solche Auffassung von Ethnizität bereits vorgedacht hatte, war insbesondere für die deutsche Wissenschaft noch lange Zeit ein anderes Verständnis vorherrschend, welches als essentialistisch oder primordialistisch bezeichnet wird.8 Nach diesem seien ethnische Gruppen gegebene und fortwährend existierende Personengemeinschaften, die sich endogam reproduzierten.9 Weiterhin seien den auf diese Weise genetisch-biologisch verbundenen Gemeinschaften dauerhaft spezifische und objektiv klassifi-
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ten, Volk und Nation. Soziologie interethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992, S. 56: „Ethnizität bezeichnet die für individuelles und kollektives Handeln bedeutsame Tatsache, daß eine relativ große Gruppe von Menschen durch den Glauben an eine gemeinsame Herkunft, durch Gemeinsamkeiten von Kultur, Geschichte und aktuellen Erfahrungen verbunden sind und ein bestimmtes Identitäts- und Solidaritätsbewußtsein haben.“ So der Titel des einflussreichen Buches von Anderson, Benedict R.: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983, welches in hohem Maße zur Etablierung des konstruktivistischen Ansatzes beitrug. Siehe dazu etwa Smith, Anthony D.: The Ethnic Origins of Nations, New York 1986, S. 7–13; Heckmann, Friedrich: Ethnos – eine imaginierte oder reale Gruppe? Über Ethnizität als soziologische Kategorie, in: Hettlage, Robert/ Deger, Petra/ Wagner, Susanne (Hg.), Kollektive Identität in Krisen. Ethnizität in Religion, Nation, Europa, Opladen 1997, S. 46–55, S. 48 ff.; Giordano, Christian: Ethnizität. Prozesse und Diskurse im interkulturellen Vergleich, in: ibid., S. 56–72, S. 57–60; Heinemann, Lars: Ethnizität und Geltung. Möglichkeiten und Grenzen konstruktivistischer Theorien bei der Erklärung ethnischer Vergemeinschaftung, in: Rademacher, Claudia/ Wiechens, Peter (Hg.), Geschlecht – Ethnizität – Klasse. Zur sozialen Konstruktion von Hierarchie und Differenz, Opladen 2001, S. 111–128, S. 111–115. Heckmann: Ethnos, S. 53: „Ist Ethnizität auch ein globales Phänomen, so ist doch ihre konkrete Bedeutung sehr variabel. Die Bedeutung von Ethnizität variiert situationsabhängig in der Interaktion, gesellschaftsstrukturell und im Zeitverlauf.“ Vgl. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Studienausgabe, Tübingen 51972 [1. Aufl. 1922], besonders S. 235–240, Zitat S. 237. Smith: Ethnic Origins, S. 7; Heckmann: Ethnos, S. 48; Giordano: Ethnizität, S. 39. Heckmann: Ethnos, S. 48.
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Einleitung
zierbare kulturelle Merkmale zu eigen.10 Ethnische Gruppen erscheinen aus dieser Perspektive als Subjekte mit charakteristischen Eigenschaften.11 Bevor wir uns nach dieser soziologischen Klassifizierung dem historischen Thema dieser Untersuchung nähern, ist darauf hinzuweisen, dass es im Weiteren erforderlich sein wird, den detaillierten Quellenuntersuchungen eine forschungs- und strukturgeschichtliche Darstellung vorauszuschicken. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich, weil die Annäherungen, Untersuchungen, Bewertungen und Ergebnisse der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Ethnizität in den hier behandelten Jahrhunderten in hohem Maße von traditionellen Deutungsmodellen und Forschungsprämissen beeinflusst wurden und insbesondere im Fall des spanischen Westgotenreiches noch immer werden.12
1.1 Die Dominanz eines primordialistischen Ethnizitätsverständnisses in der Forschungsgeschichte Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive lässt sich feststellen, dass ein primordialistisches Ethnizitätsverständnis die Forschung zur Schwellenzeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter13 wesentlich geprägt hat. Im 10
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Vgl. z. B. Smith, Anthony D.: National Identities. Modern and Medieval?, in: Forde, Simon/ Lesley Johnson/ Murray, Alan V. (Hg.), Concepts of National Identity in the Middle Ages (Leeds Texts and Monographs, N. S. 14), Leeds 1995, S. 21–46. Eine greifbare Gegenüberstellung der beiden Ansätze liefert Gleason, Philip: Identifying Identity. A Semantic History, in: Sollors, Werner (Hg.), Theories of Ethnicity. A Classical Reader, New York 1996, S. 460–487 [Wiederabdruck aus: The Journal of American History 69/4 (1983), S. 910–931], S. 468: „Briefly, the difference between the two approaches is that primordialists regard ethnicity as given, a basic element in one’s personal identity, that is simply there and cannot be changed, while optionalists hold that ethnicity is not an indelible stamp impressed on the psyche but a dimension of individual and group existence that can be consciously emphasized as the situation requires. This disagreement obviously involves a fundamental issue concerning ethnic identity […]. In respect to ethnicity, the primordialists plump for permanence, whereas the optionalists believe that ethnicity can, within certain limits, be assumed or put aside by conscious choice.“ Vgl. zu dieser Bewertung jüngst auch Stocking, Rachel L.: Review Article: Continuity, Culture and the State in Late Antique and Early Medieval Iberia, in: Early Medieval Europe 15 (2007), S. 335–348, S. 347: „In the study of late antique and early medieval Iberia, however, it may also be that historians’ dependence on paradigms and models to frame debates and define questions confines conceptions of culture more than in other fields“, mit Anm. 62 „For example, in scholars’ treatment of ethnic and religious identity.“ Die Zeitspanne etwa vom vierten bis zum achten Jahrhundert, in der wir uns mit unserer Thematik bewegen, wird gemeinhin als Epochenwechsel von der Antike zum
Die Dominanz eines primordialistischen Ethnizitätsverständnisses
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Lichte der älteren Forschung standen die in den zeitgenössischen Quellen zu findenden Ethnonyme der im Deutschen als Völkerwanderungszeit benannten Epoche für klar umgrenzte und abgeschlossene Einheiten. Diese als Völker aufgefassten gentes14 seien jeweils durch eine gemeinsame Abstammung, Geschichte, Kultur, Sprache und ein gemeinsames Rechtssystem geprägt gewesen und auch während der oft lange währenden Migrationsphasen weitestgehend unverändert geblieben. In diesem Sinne formuliert etwa auch beispielhaft Ramón de Abadal y de Vinyals im Jahre 1958 mit Blick auf die Westgoten, dass diese als Volk gemeinsam von der Donau aus über die Italia und Hispania bis schließlich wieder über die Pyrenäen zurück in die Aquitania gezogen seien.15 Dieses Beispiel mag verdeutlichen, dass sich die Vorstellung von gleichsam zeitlosen Völkern, die ethnisch definiert gewesen seien, nicht auf die
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Mittelalter verstanden. Eingedenk dieses Umstands und der arbiträren Züge jeglicher chronologischer Einteilungen, sind kaum allgemeinverbindliche Kriterien dafür zu finden, ob man diese Zeit als Spätantike oder als Frühmittelalter anspricht. Verstärkt wird diese Unsicherheit zudem dadurch, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Zeit, je nach nationaler Tradition, institutionell teilweise schwerpunktmäßig im Bereich der Frühmittelalterforschung und teilweise eher im Bereich der Forschung zur Spätantike angesiedelt ist. Es ist daher möglich, dass das Gleiche gemeint ist, wenn etwa ein spanischer Forscher von der „antigüedad tardía“ und ein deutscher vom „Frühmittelalter“ schreibt. Vor diesem Hintergrund erscheint es hier nicht sinnvoll, im Sprachgebrauch zwischen Spätantike und Frühmittelalter klar zu differenzieren. Darüber hinaus gibt es ferner die Tradition, diese Jahrhunderte losgelöst von den sie umschließenden Epochen zu bezeichnen, wobei im Deutschen dafür vor allem der ideologisch nicht unverdächtige Terminus der „Völkerwanderungszeit“ in Gebrauch ist. Dieser soll hier eine pragmatische und reflektierte Verwendung finden, indem er bewusst nicht mit der Vorstellung von ethnisch geschlossenen Gruppen, die auf der Suche nach Siedlungsland gemeinsam und zielgerichtet migrierten, in Verbindung gebracht wird. Die mit Ethnonymen identifizierten Gruppen werden sowohl in den Quellen als auch in der neueren Wissenschaftssprache mit dem lateinischen Begriff als gens bezeichnet. Neben der Quellennähe soll durch diesen Sprachgebrauch vor allem erreicht werden, anachronistische und missverständliche Konnotationen so weit als möglich zu vermeiden, die sich unweigerlich mit ideologisierten Begriffen wie „Volk“ oder „Stamm“ einstellen. Abadal y de Vinyals, Ramón de: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, Madrid 1960, S. 58: „Se trata de un pueblo que había marchado unido desde las regiones del Danubio hacia la punta sur de Italia y hacia el extremo meridional de Hispania, en demanda de las tierras africanas, para acabar asentándose en las llanuras aquitanas.“ Ein anschauliches Bild zur Verdeutlichung dieser Auffassung liefert Peter Heather, indem er die „Völker“ mit Billardkugeln vergleicht, die über eine Karte Europas rollen, vgl. Heather, Peter: The Creation of the Visigoths, in: Id. (Hg.), The Visigoths: From the Migration Period to the Seventh Century. An Ethnographic Perspective (Studies in Historical Archaeoethnology 4), San Marino 1999, S. 43–73, S. 43.
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Einleitung
deutschsprachige mediävistische Forschung eingrenzen lässt. Der Einfluss, der von der Letztgenannten in der institutionellen Gründungsphase dieser Disziplin im 19. Jahrhundert ausging und mit Einschränkungen bis in das 20. Jahrhundert fortwirkte, legt jedoch nahe, die auch über diese Zeit hinausreichende Dominanz primordialistischer Perspektiven auf die sogenannte Völkerwanderungszeit besonders auch vor dem Hintergrund der sie prägenden Geistes- und Kulturgeschichte zu verstehen.16 Begünstigt durch das Fehlen eines Einheit stiftenden Nationalstaates – anders als etwa zeitgleich im Frankreich oder England – wurde in jener Epoche das jenseits von den kleinräumigen politischen Grenzen existierende „deutsche Volk“ zum Kernelement einer intellektuellen Identität. Es fand damit eine sich seit dem Humanismus entwickelnde germanophile Identitätssuche ihren Höhepunkt, welche die in den antiken Quellen überlieferte „germanische Geschichte“ schließlich voller Stolz als deutsche Frühgeschichte für sich reklamierte.17 So betonte etwa der humanistische Dichter Heinrich Bebel bei einer vor Kaiser Maximilian I. gehaltenen Rede im Jahre 1501, dass die Deutschen in einer ungebrochenen und ungemischten Abstammungskontinuität die direkten Nachfahren der Germanen seien.18 Diese autochthone Abstammung galt ihm dabei als eine besondere Qualität der Entstehungsgeschichte des deutschen Volkes, im Gegensatz zum römischen.19 16
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Kulikowski, Michael: Rome’s Gothic Wars. From the Third Century to Alaric (Key Conflicts of Classical Antiquity), Cambridge 2007, S. 46: „The idea that history is a professional scholarly discipline, with a set of analytical methods appropriate to it, goes back to Germany in the early nineteenth century, and is particularly associated with Leopold von Ranke (1795–1886) […]. As this innovative Rankean model of scholarship was adopted throughout Europe, and as history became a professional discipline in universities across the continent, so too did Romantic ideas about the past – ideas that were closely connected to German nationalism – filter into the wider world of nineteenth-century scholarship.“ Zur Germanenrezeption im Humanismus siehe z. B. von See, Klaus: Deutsche Germanenideologie. Vom Humanismus bis zur Gegenwart, Darmstadt 1970, S. 14–18; Mertens, Dieter: Die Instrumentalisierung der „Germania“ des Tacitus durch die deutschen Humanisten, in: Beck, Heinrich/ Geuenich, Dieter/ Steuer, Heiko/ Hakelberg, Dietrich (Hg.), Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“. Sprache und Namen, Geschichte und Institutionen (RGA, Ergbd. 34), Berlin/ New York 2004, S. 37–101. [N ]on advenae neque passim collecta populi colluvies originem Germanis dedit, sed in eodem nati solo quod incolimus, zitiert nach von See: Deutsche Germanenideologie, S. 15. Vgl. auch Krebs, Christopher B.: Negotiatio Germaniae. Tacitus’ Germania und Enea Silvio Piccolomini, Giannantonio Campano, Conrad Celtis und Heinrich Bebel (Hypomnemata 158), Göttingen 2005, S. 226–248, S. 247. Krebs: Negotiatio Germaniae, S. 240: „Die von Bebel […] konstruierte imago Germaniae konstruiert die Momente der Tapferkeit insbesondere in Auseinandersetzung
Die Dominanz eines primordialistischen Ethnizitätsverständnisses
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Aus dieser Tradition heraus wurden aus den germanischsprachigen gentes der Spätantike und des Frühmittelalters schließlich „deutsche Stämme“.20 Dieser Glaube an die „unmittelbare Blutsverwandtschaft von Germanen und Deutschen“ blieb bis ins 20. Jahrhundert ein zentraler Bestandteil der Germanenideologie.21 Verbunden war mit diesem Konzept auch eine besondere, teilweise transzendentale Überhöhung des Volkes, welches als von einem eigenen „Geist“ beseelt erachtet wurde.22 Es wurde schließlich selber zum Handlungsträger der Geschichte und als „eigenlebige Wesenheit“, wie der österreichische Philologe und Volkskundler Otto Höfler formulierte, begriffen.23 Nach dieser Überzeugung bestimmten nicht die das Volk konstituierenden Personen dasselbe, sondern vielmehr wurde dem Volk eine das gesamte Sein des Menschen bestimmende Rolle zugeschrieben: „Unsere längst erloschenen Ahnen haben uns nicht nur ihr Fleisch und Blut, sondern darin auch ihre Gedanken, ihren Geist und ihren Charakter vererbt“, befand in diesem Sinne exemplarisch der deutsche Prähistoriker Gustaf Kossinna in der Vorrede zu seiner „deutschen Vorgeschichte“, die er als „hervorragende nationale Wissenschaft“ verstand.24 Oder, wie Walter Pohl dieses überkommene Verständnis treffend darstellt: „Es ist das Volk,
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mit dem römischen Imperium, der Autochthonie im Unterschied zum römischen Ursprung und der Sittlichkeit im Gegensatz zum römischen Machtstreben.“ Siehe etwa Kossinna, Gustaf: Altgermanische Kulturhöhe. Eine Einführung in die deutsche Vor- und Frühgeschichte, Leipzig 21930 [1. Aufl. München 1927]; Schmidt, Ludwig: Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung, 2 Bde., München 21940–1941 (ND 1969) [1. Aufl. 1934–1938]; Reinerth, Hans (Hg.), Vorgeschichte der deutschen Stämme. Germanische Tat und Kultur auf deutschem Boden, 3 Bde., Leipzig/Berlin 1940; Höfler, Otto: Das germanische Kontinuitätsproblem (Schriften des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands), Hamburg 1937. Siehe in der neuen Forschung und mit weiterer Literatur dazu Puschner, Uwe: Germanenideologie und völkische Weltanschauung, in: Beck et al. (Hg.), Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“, S. 103–129, Zitat S. 107. Vgl. dazu z. B. die eingeleitete Textsammlung von Thimme, Hans: Deutscher Volksgeist in der Zeit des Idealismus und der Romantik, Stuttgart 1925, darin siehe etwa aus Georg Wilhelm Friedrich Hegels „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“, S. 92: „Der germanische Geist ist der Geist der neuen Welt, deren Zweck die Realisierung der absoluten Wahrheit als der unendlichen Selbstbestimmung der Freiheit ist, der Freiheit, die ihre absolute Form selbst zum Inhalt hat.“ Höfler: Das germanische Kontinuitätsproblem, S. 2. Zu finden ist das Zitat in der Vorrede zur zweiten Auflage, siehe Kossinna, Gustaf: Die deutsche Vorgeschichte eine hervorragende nationale Wissenschaft (MannusBibliothek 9), Leipzig 31921 [1. Aufl. 1912], S. 4. Die Tatsache, dass Kossinna Universitätsprofessor war und das zitierte Werk in der Zeit von 1912 bis 1941 acht Mal neu aufgelegt wurde, mag als Indiz für die Zentralität dieser Lehrmeinung gelten. Siehe zu Kossinna auch Kap. 3.2.1.
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das letztlich lebt und Geschichte macht. Der Einzelne lebte quasi naturwüchsig als Teil dieses Organismus.“25 In Verbindung mit dem Glauben an eine Prädestination und Superiorität des germanischen Volkes entwickelte sich aus dieser Überzeugung jener chauvinistische Rassismus, der seinen unrühmlichen Gipfelpunkt in der mörderischen völkischen Ideologie des Nationalsozialismus fand.26 Sich zu vergegenwärtigen, dass die Wurzeln des hier in groben Zügen skizzierten Volks- und Ethnizitätsverständnisses über ein halbes Jahrtausend vor allem in die mittel- und nordeuropäische Geistesgeschichte zurückreichen, mag einerseits ein Bewusstsein dafür schaffen, dass völkischer Rassismus „nur“ ein Trieb aus ihnen ist, wie es andererseits den Blick dafür schärft, dass aus dieser tiefen Verwurzelung bis heute ein Fortwirken erwächst.27 So können beispielsweise die Länder des deutschen Sprachraums mittlerweile für sich in Anspruch nehmen, die „völkische“ Ideologie insbesondere der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts problematisiert und aus dem gesellschaftlich-politischen Konsens ausgeschlossen zu haben. Dessen unbenommen hatte in der Bundesrepublik bis zum Jahr 1999 grundsätzlich das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Jahr 1913 Gültigkeit, welches ausschließlich das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) als Kriterium zur Staatsangehörigkeit anerkannte.28 Das reformierte Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Jahr 2000 bietet zwar unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, die deutsche Staatsbürgerschaft unabhängig von der Ab25
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Pohl, Walter: Identität und Widerspruch. Gedanken zu einer Sinngeschichte des Frühmittelalters, in: Id. (Hg.), Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 322 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 8), Wien 2004, S. 23–35, S. 25. Puschner: Germanenideologie und völkische Weltanschauung. Siehe zur nationalen Instrumentalisierung früher Völker etwa Geary, Patrick: Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nation, Frankfurt a. M. 2002 [= The Myth of Nations. The Medieval Origins of Europe, Princeton 2002], besonders S. 9–52; Brather, Sebastian: Die Projektion des Nationalstaats in die Frühgeschichte. Ethnische Interpretationen in der Archäologie, in: Hardt, Matthias/ Lübke, Christian/ Schorkowitz, Dittmar (Hg.), Inventing the Pasts in North Central Europe. The National Perception of Early Medieval History and Archaeology, Frankfurt a. M. u. a. 2003, S. 18–42, oder jüngst Wood, Ian: Barbarians, Historians, and the Construction of National Identities, in: JLA 1/1 (2008), S. 61–81. Zur Dominanz des ius sanguinis in der deutschen Rechtstradition vgl. Scholz, Rupert/ Uhle, Arnd: Staatsangehörigkeit und Grundgesetz, in: Neue Juristische Wochenschrift 52/21 (1999), S. 1510–1517. Mit Bezug auf die bayerische Verfassungsurkunde aus dem Jahr 1818, die in § 1, Titel IV erstmalig das Abstammungsprinzip ausformuliert hatte, heißt es dort (S. 1512): „Das ius sanguinis findet so Eingang in die deutsche Rechtskultur. Es dominiert diese alsbald. Es prägt sie. […] Dies gilt bis heute.“
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stammung zu erlangen,29 es stellt jedoch weiterhin das ius sanguinis in den Vordergrund. Im internationalen Vergleich ist dies eine Besonderheit gegenüber dem ansonsten dominierenden Geburtsortprinzip (ius soli).30 Dieses Beispiel zeigt den fortdauernden Einfluss ausgeprägter Geistestraditionen, in diesem Fall auf dem Gebiet des Rechts. Es wird zudem deutlich, dass bestimmte Phänomene, wie etwa die Staatsangehörigkeit, auf Axiomen beruhen, die keinen Absolutheitsanspruch für sich reklamieren können. In unserem Beispiel also die grundlegende Übereinkunft von Rechtsgemeinschaften darüber, Staatsangehörigkeit entweder über die Abstammung oder den Geburtsort zu definieren. Diese häufig impliziten Grundannahmen von Gruppen über bestimmte Phänomene prägen naturgemäß auch ihr Denken über sie. Damit den nur scheinbar trivialen Eingangssatz über die jeweilige Gegenwartsbezogenheit der Geschichtswissenschaft aufgreifend, gilt es sich diese Erkenntnis auch für den Bereich der historischen Forschung zu vergegenwärtigen. So hat gerade das im ius sanguinis Ausdruck findende allgemein akzeptierte Verständnis dessen, was ein Volk sei, die wissenschaftliche Sicht insbesondere auf ethnische Phänomene in der Völkerwanderungszeit geprägt.
1.2 Diskussion des Modells der Ethnogenese und der aktuelle Forschungsstand zu Fragen ethnischer Identität im Frühmittelalter Mit Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zwar zu einem deutlichen Bruch mit den rassistischen Auswüchsen der Geschichtsinterpretation der vorangegangenen Zeit, gleichwohl lebte das Verständnis von den gentes der Völkerwanderungszeit als separate Abstammungsgemeinschaften fort und erfuhr zunächst keine Umdeutung.31 Aufbauend auf älteren geschichtswis29
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Gemeint ist das Staatsangehörigkeitsgesetz § 4 Absatz 3, nach welchem in Deutschland geborene Kinder, von denen ein Elternteil mindestens seit acht Jahren vor der Geburt des Kindes in Deutschland gelebt hat, das Recht haben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. Hier kommt das sogenannte ius soli zur Anwendung. Siehe dazu auch Giordano: Ethnizität, S. 66. Siehe dazu und speziell mit Blick auf die Westgoten etwa noch aus dem Jahr 1983, Jiménez Garnica, Ana María: Origines y desarrollo del reino visigodo de Tolosa (a. 418–507), Valladolid. So geht sie von genau diesem Verständnis aus, wenn sie die westgotische Bevölkerung des Tolosanischen Reiches anhand von biologischen Merkmalen einer „nordischen Rasse“, insbesondere anhand einer vermeintlich charakteristischen Schädelform auszumachen versucht (ibid., S. 187–191). Allerdings kommt sie schließlich zu dem Ergebnis, dass die Skelettfunde in der Gallia eher auf
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senschaftlichen Ansätzen, die in dem oben geschilderten geistigen Umfeld ihrer Entstehungszeit jedoch kaum Beachtung gefunden haben, wies Reinhard Wenskus mit seinem 1961 erschienenen Buch „Stammesbildung und Verfassung“ die Richtung für eine andere Sicht auf die Entstehung und das Fortleben der frühmittelalterlichen gentes.32 Er hat gezeigt, dass es sich bei diesen nicht um auf Abstammung beruhende Gemeinschaften handelt, sondern vielmehr um ethnisch heterogene Verbände. Den eingangs erörterten soziologischen Erkenntnissen Rechnung tragend, machte Wenskus
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eine ethnische Mischung hindeuteten, die sich seit der Zeit am Schwarzen Meer ergeben habe, S. 189: „Podría pensarse en principio que, puesto que los visigodos eran originarios de Escandinavia, entre ellos tendría que predominar la dolicocefalia. Sin embargo no es así, lo cual demuestra que el grupo de godos que irrumpió en la Galia y en Hispania en el s. V había perdido casi totalmente sus rasgos antropológicos más genuinos, predominando entre ellos la mesocefalia, claro exponente de una profunda mescla realizada, sin duda, a partir del establecimiento en las orillas del Mar Negro.“ Wenskus, Reinhard: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes, Köln/ Wien 1961 (ND 1977). Wenn dieses Buch hier als richtungsweisend bewertet wird, so ist zu einer solchen Einschätzung an anderer Stelle kritisch geäußert worden, dass es bereits vor der Arbeit von Wenskus Denkansätze gab, die den dann von ihm beschrittenen Weg wiesen, siehe z. B. Murray, Alexander Callander: Reinhard Wenskus on ‚Ethnogenesis‘, Ethnicity, and the Origin of the Franks, in: Gillet, Andrew (Hg.), On Barbarian Identity. Critical Approaches to Ethnicity in the Early Middle Ages (Studies in the Early Middle Ages 4), Turnhout 2002, S. 39–68, S. 39–59. So treffend diese Feststellung auch ist (vgl. dazu auch Pohl, Walter: Tradition, Ethnogenese, und literarische Gestaltung: eine Zischenbilanz, in: Brunner, Karl/ Merta, Brigitte [Hg.], Ethnogenese und Überlieferung. Angewandte Methoden der Frühmittelalterforschung [Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 31], München 1994, S. 9–26, S. 10 f.) – ebenso wie jene, die auf die Anknüpfungspunkte von Wenskus an mittlerweile überholte ältere Forschungsansätze hinweist (darauf wird im Folgenden eingegangen) –, so ist doch festzustellen, dass es eben der Ansatz Wenskus’ und nicht jener der besagten Vorläufer war, der forschungsgeschichtlich besonders wirkungsmächtig wurde. Als ein Indiz dafür, dass das Buch von Wenskus in seiner Zeit, in der das akademische Umfeld noch immer eindeutig von primordialistischen Deutungsmustern dominiert wurde, weit davon entfernt war, einen wissenschaftlichen Mainstream darzustellen, mag man die Rezeptionsgeschichte des Buches werten, das nach seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1961 zunächst weitgehend unbeachtet blieb. Der Einwand, dass es bereits vor Wenskus Arbeiten gab, die seine Thesen in hohem Maße vorbereiteten, und die darauf aufbauende Kritik an dessen Rezeption als „neuer Ansatz“ sind ferner von so grundsätzlicher Gültigkeit, dass sie eher als kritische Betrachtung des Wissenschaftssystems generell geeignet sind, denn als Kritik an einem spezifischen Denkansatz. In ganz ähnlicher Weise ist die Betonung entweder der neuen oder der rückständigen Elemente eines Ansatzes vor allem eine Frage der Perspektive. Wie noch weiter ausgeführt wird, rechtfertigt sich die große Bedeutung, die dem Modell von Wenskus hier beigemessen wird, vor allem vor dem Hintergrund des besonderen akademischen Umfelds, in welchem es eine große innovative Wirkung erzielt hat.
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für den Fall jener gentes deutlich, dass die ethnische Gemeinschaft dieser Gruppen vor allem eine „geglaubte“ war.33 Als Basis der Ethnizität und des Gemeinschaftsglaubens dieser Personen machte er jeweils eine kleine Gruppe aus, die er als Traditionskern bezeichnete.34 Aus diesen Elementen entwickelte Wenskus mit Blick auf jene gentes die Vorstellung, dass durch das integrative Wirken eines ethnisch identifizierten Traditionskerns aus einer ursprünglich heterogenen Großgruppe in einem lange währenden historischen Prozess eine neue gens entstand. Als Ethnogenese beschrieben ist das von Wenskus entwickelte Modell schließlich vor allem durch Herwig Wolfram und seine akribische und zudem ungleich eleganter formulierte „Historische Ethnographie der Goten“, welche erstmals im Jahr 1979 erschien, vermittelt worden.35 In der Folge hat das Ethnogenesemodell eine überaus breite Akzeptanz gefunden, nicht nur in der deutschsprachigen Mediävistik. Insbesondere in Bezug auf diese hat die Ethnogeneseforschung sich das Verdienst erworben, die primordialistisch geprägten Deutungsmuster der älteren Forschung aufgebrochen und den Weg für ein verändertes Verständnis des Wesens von Ethnizität geebnet zu haben.36 Auf diesem Wege konnte an die internationale 33 34 35
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Wenskus: Stammesbildung und Verfassung, S. 107–112. Vgl. z. B. Wenskus: Stammesbildung und Verfassung, S. 75. Wolfram, Herwig: Die Goten: Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie, München 42001 [1. Aufl. 1979]. Der Erfolg dieser Weiterentwicklung findet auch in der Anzahl der Auflagen und in den Übersetzungen in diverse Sprachen Ausdruck. Zur näheren Beschreibung des Modells siehe aktuell und mit weiterer Literatur z. B. Berndt, Guido M.: Konflikt und Anpassung. Studien zu Migration und Ethnogenese der Vandalen (Historische Studien 489), Husum 2007, S. 23–29. Siehe zur Rezeption z. B. Beumann, Helmut/ Schröder, Werner (Hg.), Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum (Nationes 5), Sigmaringen 1985; Pohl, Walter: Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa (527–822 n. Chr.) (Frühe Völker), München 1988; Wolfram, Herwig/ Pohl, Walter (Hg.), Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl., Denkschriften 204 = Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 13), 2 Bde., Wien 1990; Brunner/ Merta (Hg.), Ethnogenese und Überlieferung; Becher, Matthias: Rex, Dux und Gens. Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert (Historische Studien 444), Husum 1996; Berndt: Konflikt und Anpassung. Zu den internationalen Einflüssen siehe etwa García Moreno, Luis A.: Historia de España visigoda, Madrid 1989; Pampliega, Javier: Los germanos en España, Pamplona 1998; Gasparri, Stefano: Prima delle nazioni. Popoli, etnie e regni fra Antichità e Medioevo (Argomenti di Storia Medievale 205), Rom 2000, und einige Bände der Reihe „The Transformation of the Roman World“, insbesondere Pohl, Walter/ Reimitz, Helmut (Hg.), Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities (300–800) (TRW 2), Leiden/ Boston/ Köln 1998; Corradini, Richard/ Die-
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communis opinio angeschlossen werden, nach welcher die völkerwanderungszeitlichen gentes nicht durch Blutsbande zusammengeschweißte monolithische Gruppen, sondern heterogene Verbände waren, die durch die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse und einen Gemeinschaftsglauben zusammengehalten wurden.37 Gemeinsam mit anderen Impulsen haben die seit den 1980er Jahren erzielten Ergebnisse dieser Forschungen auch zu einer kritischen und grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den Ansätzen der „Germanischen Altertumskunde“ geführt.38 Durch diese ist die germanophile Kon-
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senberger, Max/ Reimitz, Helmut (Hg.), The Construction of Communities in the Early Middle Ages. Texts, Resources and Artefacts (TRW 12), Leiden/ Boston/ Köln 2003; und Goetz, Hans-Werner/ Jarnut, Jörg/ Pohl, Walter (Hg.), Regna and gentes. The Relationship Between Late Antique and Early Medieval Peoples and Kingdoms in the Transformation of the Roman World (TRW 13), Leiden/ Boston/ Köln 2003. Zur Einschätzung der internationalen Akzeptanz und des Einflusses des Ansatzes vgl. in neueren Veröffentlichungen etwa Wickham, Chris: Framing the Early Middle Ages. Europe and the Mediterranean 400–800, Oxford 2005, S. 82 f., S. 83: „[O]ne must recognize that the success of ethnogenesis as a model has contributed to weakening any argument that held that the incoming Germanic ruling classes would ever have felt so alien to the Roman system that they could not enthusiastically take on, manage, or copy all the aspects of it that had survived in a given area. This I am sure is true“; Smith, Julia: Europe after Rome. A New Cultural History (500–1000), Oxford 2005, S. 260–267. In Abgrenzung zu dem oben dargestellten Verständnis der älteren Forschung siehe etwa Jarnut, Jörg: Die langobardische Ethnogenese, in: Wolfram/ Pohl (Hg.), Typen der Ethnogenese, S. 97–102, S. 102: „Es war nicht die Natur, die in einem geheimnisvollen, uns von mythisch wabernden Nebeln verhüllten Schöpfungsakt Menschen in grauer Urzeit zu einem von einem einheitlichen Geist beseelten Ganzem, eben dem Volk, zusammenschweißte. Völker entstanden vielmehr aus heterogenen Großgruppen, die in einem von Menschen errichteten komplexen, herrschaftlich bestimmten Organisationsgefüge zusammengefaßt waren, das einerseits Stabilität und Kontinuität, andererseits diese Gruppe prägende Intensität entwickeln konnte und das sich zudem deutlich von benachbarten, ähnlich strukturierten Systemen unterschied“, und Pohl, Walter: The Barbarian Successor States, in: Webster, Leslie/ Brown, Michelle (Hg.), The Transformation of the Roman World (AD 400–900), London 1997, S. 33–47, S. 46. Siehe zu dem Begriff Beck, Heinrich: „Germanische Altertumskunde“ – Annäherung an eine schwierige Disziplin, in: Id. et al. (Hg.), Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“, S. 629–645; und zur kritischen Auseinandersetzung mit älteren Forschungspositionen etwa Jarnut, Jörg: Gedanken zur Entstehung des mittelalterlichen deutschen Reiches, in: GWU 32 (1981), S. 99–114; Beck, Heinrich (Hg.), Germanenprobleme in heutiger Sicht (RGA, Ergbd. 1), Berlin/ New York 21999 [1. Aufl. 1986]; Steuer, Heiko (Hg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995 (RGA, Ergbd. 29), Berlin/ New York 2001; Beck et al. (Hg.), Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“;
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tinuitätskonstruktion mittlerweile eindeutig als Mythos entlarvt und deutlich gemacht worden, dass die Interpretationen der älteren Forschung mehr Licht auf ihr geistiges Umfeld als auf die Geschichte der „Germanen“ und ihrer späteren Königreiche wirft. Die diffuse Semantik bei gleichzeitiger Suggestion einer fassbaren Einheit sowie seine ideologische Altlast haben dem Germanenbegriff gegenüber zu einer solchen Skepsis geführt, dass vereinzelt etwa dafür plädiert wird, diesen Terminus aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch ganz auszuschließen.39 Der intellektuelle Weg von einer über Jahrhunderte hinweg gewachsenen Idee von einem den Einzelnen wesentlich determinierenden sowie seinerseits beseelten und ewigen „germanisch-deutschen Volk“ bis zur Nega-
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Dick, Stefanie: Zu den Grundlagen des sogenannten germanischen Königtums, in: Hägermann, Dieter/ Haubrichs, Wolfgang/ Jarnut, Jörg (Hg.), Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter (RGA Ergbd. 41), Berlin/ New York 2004, S. 510–527; Ead.: Der Mythos vom „germanischen“ Königtum. Studien zur Herrschaftsorganisation bei den germanischsprachigen Barbaren bis zum Beginn der Völkerwanderungszeit (RGA, Ergbd. 60), Berlin/ New York 2008. Jarnut, Jörg: Germanisch. Plädoyer für die Abschaffung eines obsoleten Zentralbegriffes der Frühmittelalterforschung, in: Pohl (Hg.), Die Suche nach den Ursprüngen, S. 107–113, der die Problematik des Begriffes zu Beginn seines Plädoyers wie folgt zusammenfasst (S. 107): „Was sollen wir von einem historischen Begriff halten, der eine Großgruppe entweder voraussetzt oder aber konstituiert, die es wohl nie gegeben hat, die sich selbst jedenfalls nie als solche empfand und dementsprechend sich auch niemals so bezeichnete? Wie sollen wir mit einem Begriff umgehen, den vor mehr als zweitausend Jahren Caesar als Konstrukt wenn schon nicht erfunden, so dann doch zumindest populär und für seine politischen Ziele dienstbar gemacht hat? Einem Begriff, der dann seit dem Beginn der Neuzeit zwei Dutzend Generationen von vornehmlich deutschen, von ihrer eigenen Gegenwart frustrierten Intellektuellen, Professoren und anderen Schulmeistern eine Goldgrundvergangenheit anbot, auf die sich das Kämpferische, Heldische, Starke, Große, Gute, Edle, Schöne und Reine so wunderbar projizieren ließ, das man in der eigenen Welt so schmerzlich vermisste? Und: Wie stellen wir uns zu einem Begriff, der als gebieterisches rassistisches Attribut mit dem Konzept des Herrenmenschen verbunden die massenhafte, industriell organisierte Ermordung nichtgermanischer sogenannter ‚Untermenschen‘ geistig vorbereiten und begleiten konnte?“ Mit seiner Forderung zur Abschaffung des Begriffs repräsentiert Jarnut gegenwärtig keine Mehrheitsmeinung, aber zu einer kritischen Auseinandersetzung siehe etwa auch Pohl, Walter: Der Germanenbegriff vom 3. bis zum 8. Jahrhundert – Identifikation und Abgrenzung, in: Beck et al. (Hg.), Zur Geschichte der Gleichung „germanisch – deutsch“, S. 163–183; Pohl: Zum Nutzen des Germanenbegriffes zwischen Antike und Mittelalter: eine forschungsgeschichtliche Perspektive, in: Hägermann et al. (Hg.), Akkulturation, S. 18–34. Umfassend siehe auch den von einer ganzen Reihe von Autoren verfassten und daher aktuelle Vorstellungen ebenso wie ältere Konzepte einschließenden Artikel: Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde, in: RGA, Bd. 11 (1998), S. 181–438.
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tion von dessen Existenz ist freilich lang und es soll hier nicht der völlig falsche Eindruck erweckt werden, die deutschsprachige Forschung hätte ihn ganz alleine bestritten. Hervorgehoben werden können in diesem Feld etwa die Forschungen von Patrick Geary und die kritischen Beiträge Walter Goffarts. Jenen sind bei der Aufdeckung der fortwährenden Wirkungsmacht von Prämissen und Deutungsmustern der traditionellen „Germanischen Altertumskunde“ wichtige Impulse zu verdanken.40 In diesem breiten Kontext hat auch das Ethnogenesemodell insbesondere in den letzten Jahren Kritik erfahren.41 Diese bezieht sich beispielsweise auf die Bedeutung, welche den frühmittelalterlichen Herkunftserzählungen beigemessen wird. So hat Walter Goffart im Zuge des „linguistic turn“42 in der Geschichtswissenschaft der 1980er Jahre in einem einflussreichen Buch den quellenkritisch bedeutsamen Einwand vorgebracht, dass diese origines gentium der Völkerwanderungszeit nicht als vertrauenswürdige Quellen für eine Frühgeschichte der gentes benutzt werden könnten, sondern als fiktive literarische Texte bewertet werden müssten.43 Obschon diese Kritik durchaus in der Forschung aufgenommen worden ist, bleibt die
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Siehe dazu z. B. Geary, Patrick: Ethnic Identity as a Situational Construct in the Early Middle Ages, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 113 (1983), S. 15–26; Id.: Europäische Völker im frühen Mittelalter; sowie Goffart, Walter: The Narrators of Barbarian History (A. D. 550–800). Jordanes, Gregory of Tours, Bede, and Paul the Deacon, Princeton 1988; Id.: Two Notes on German Antiquity Today, in: Traditio 50 (1995), S. 9–30 und jüngst Id.: Barbarian Tides. The Migration Age and the Later Roman Empire (The Middle Ages Series), Philadelphia 2006. Goffarts Kritik grundsätzlich zustimmend, ist angesichts der neueren Forschungslage allerdings seine gegenwärtige Beurteilung irritierend, dass seit den 1970er Jahren in er betreffenden deutschsprachigen Forschung keine nennenswerte Entwicklung stattgefunden habe, vgl. z. B. ibid, S. ix, S. 227. Siehe dazu aus dem Umfeld der Goffart-Schule besonders die Beiträge von Murray: Reinhard Wenskus on ‚Ethnogenesis‘; Kulikowski, Michael: Nation versus Army. A Necessary Contrast?, S. 69–84; Bowlus, Charles R.: Ethnogenesis. The Tyranny of a Concept, S. 241–256, alle in: Gillet (Hg.), On Barbarian Identity. Siehe dazu etwa White, Hayden: Der historische Text als literarisches Kunstwerk, in: Id., Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses (Sprache und Geschichte 10), Stuttgart 21991, S. 101–122 [dt. Erstausgabe 1986]; Vann, Richard: The Reception of Hayden White, in: History and Theory 37/2 (1998), S. 143–161. Goffart: The Narrators of Barbarian History; und aktueller auch Id.: Does the Distant Past Impinge on the Invasion Age Germans?, in: Gillet (Hg.), On Barbarian Identity, S. 21–37, siehe auch Reynolds, Susan: Our Forefathers? Tribes, Peoples, and Nations in the Historiography of the Age of Migrations, in: Murray, Alexander C. (Hg.), After Rome’s Fall – Narrators and Sources of Early Medieval History. Essays Presented to Walter Goffart, Toronto/ Buffalo/ London 1998, S. 17–36.
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Bewertung dieses Quellengenres nach wie vor umstritten.44 Von der Überlieferung einer origo ausgehend, erscheinen nun alle Aussagen kritisch, die über die vermeintliche Vorgeschichte einer gens und die integrative Funktion gemacht werden, die diesem (mündlich tradierten?) Herkunftsmythos im Verlauf ihrer Geschichte zugekommen sei. Trotz dieser grundsätzlich angebrachten quellenkritischen Einwände sollte jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass es diese Texte gibt, dass ethnisch identifizierte Gruppen in ihnen eine zentrale Rolle spielen und dass sie eine legitimierende und Identität stiftende Funktion hatten. Diese Elemente allerdings beinhalten in erster Linie Informationen über die Entstehungszeit der Texte und nicht über die in ihnen geschilderte Vergangenheit.45 Nicht zuletzt stimuliert durch die Kritik, die an den von Wenskus erarbeiteten Ansatz herangetragen wurde, hat dieser auch von denjenigen, die ihn sich für ihre Forschungen zu Eigen gemacht haben, in wesentlichen Punkten eine Weiterentwicklung erfahren. Für Wenskus etwa machte noch „die besondere völkerwanderungszeitliche germanische Form des ethnischen Bewußtseins“ den Kern der von ihm untersuchten Stammesbildungen aus, welches „politisch stärker als das römische Reichsbewußtsein der Provinzialen“ gewesen sei.46 Dieses als „Gentilismus“ bezeichnete Konzept stellt eine der Verknüpfungen dar, welche das Ethnogenesemodell an die Ansätze der traditionellen „Germanischen Altertumskunde“ bin-
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Dies kann kaum anschaulicher deutlich gemacht werden als damit, auf das Abschlusskapitel einer erst jüngst zu diesem Thema veröffentlichten Monographie zu verweisen, welches die Überschrift trägt „L’absence de consensus“, Coumert, Magali: Origines des peuples. Les récits du Haut Moyen Âge occidental (550–850) (Collection des Études Augustiniennes, Série Moyen Âge et Temps Modernes 42), Paris 2007, S. 519–535. Siehe zur Diskussion auch Plassmann, Alheydis: Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen (Orbis medievalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 7), Berlin 2006, besonders S. 24–27. Siehe dazu Pohl, Walter: Der Gebrauch der Vergangenheit in der Ideologie der regna, in: Ideologie e pratiche del reimpiego nell’alto medioevo (SSCI 46/1), Spoleto 1999, S. 149–175; Plassmann: Origo gentis, S. 362–370; Coumert: Origines des peuples, besonders S. 548–552, S. 548 f.: „Ces réécritures des récits d’origine illustrent leur rôle de légitimation du présent: elles justifient les pratiques contemporaines par leur ancrage dans le passé. […]. Ainsi, les récits d’origine structurent l’identité ethnique d’un groupe, au même titre que l’ensemble des narrations concernant son passé.“ Auch Ead.: L’identité ethnique dans les récits d’origine. L’exemple des goths, in: Gazeau, Véronique/ Bauduin, Pierre/ Modéran, Yves (Hg.), Identité et ethnicité. Concepts, débats historiographiques, exemples (IIIe–XIIe siècle) (Tables rondes du CRAHM 3), Caen 2008, S. 49–73, S. 70–73. Wenskus: Stammesbildung und Verfassung, S. 2.
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det.47 Die Betonung einer spezifisch „germanischen“ Prägung der völkerwanderungszeitlichen gentes, als Gegenmodell zu ihrer römisch geprägten Umwelt, findet in der neueren Forschung jedoch keine Resonanz mehr. In ihr wird seit vielen Jahren und mit zunehmender Klarheit hervorgehoben, dass das Einwirken des Imperiums auf die barbarischen Völker48 und ihre Eingliederung in die römische Lebenswelt die zentralen Voraussetzungen für ihren Erfolg waren. Pointiert zugespitzt findet sich dieser grundlegende Perspektivwechsel im bekannten Ausspruch Patrick Gearys, nach welchem die „germanische Welt“ die größte und dauerhafteste Leistung der politischen und militärischen Schöpferkraft Roms gewesen sei.49 Dass Wenskus’ 47
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Für einer kritische Auseinandersetzung siehe Pohl, Walter: Art. Gentilismus, in: RGA, Bd. 11 (1998), S. 90–101. Der Ausdruck „barbarische Völker“, bedarf zweier terminologischer Erläuterungen: Wenn deutlich geworden sein sollte, dass der Begriff „Volk“ im Deutschen und speziell in Anwendung auf frühmittelalterliche gentes eine problematische Geschichte hat, so ist zu unterstreichen, dass er hier dezidiert in einem konstruktivistischen Sinne und bar jeglicher ideologischer Implikationen aufgefasst wird. Er wird im Folgenden als sprachliche Alternative zum gens-Begriff und damit zum einen aus stilistischen Erwägungen verwandt. Darüber hinaus erscheint es bei jenen belasteten Begriffen, die im Sinne einer Kommunikationsfähigkeit des Faches auch über seine Grenzen hinaus als zentral zu bewerten sind – hier wäre im Einzelfall zu erwägen, inwiefern dies der Fall ist –, notwendig, sie durch einen revidierten Gebrauch umzudeuten und weiter nutzbar zu machen. Mit Blick auf den Terminus „Barbaren“ bzw. als Attribut „barbarisch“ ist anzumerken, dass er hier befreit von der Konnotation einer zivilisatorischen Herabminderung benutzt wird. Er bezeichnet zusammenfassend und wertfrei jene gentes, wie Goten, Vandalen, Langobarden etc., welche aus der Perspektive der römischen Quellen und aus jener der Forschungsgeschichte nicht als römisch wahrgenommen wurden. Zu einer ausführlicheren Besprechung dieser terminologischen Aspekte siehe etwa Berndt: Konflikt und Anpassung, S. 19–22. Geary, Patrick: Before France and Germany. The Creation and Transformation of the Merovingian World, Oxford 1988, S. iv. Zur allgemeinen Betonung des römischen Wirkens und der Romanisierung vgl. auch Chrysos, Evangelos: The Empire, the gentes and the regna, in: Goetz et al. (Hg.), Regna and gentes, S. 13–19; Goetz, Hans-Werner: Regna and gentes. Conclusion, in: ibid., S. 597–628, S. 607: „Thus, many of the immigrants were no strangers, but already Romanized when migrating into the Empire, a process that was continued in the ‚barbarian‘ kingdoms. […] The new barbarian peoples that had now become ‚civilized‘ and orthodox might even have considered themselves as the representatives of an ancient Roman Romanitas, like the Visigoths in Spain“; Pohl, Walter: Ethnicity, Theory, and Tradition. A Response, in: Gillet (Hg.), On Barbarian Identity, S. 221–239, S. 225; Goffart: Barbarian Tides, S. 192. In engem Zusammenhang damit steht auch die in jeder Hinsicht epochale Diskussion über „Decline and Fall of the Roman World“ oder „Transformation of the Roman World“, zu welcher die Literatur, auch beschränkt auf Veröffentlichungen neueren Datums, schlichtweg überbordend ist. Als richtungsweisend in der deutsch-
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Modell vom „Werden der frühmittelalterlichen gentes“ die Rolle Roms nicht mit einbezog und sie höchstens in der des Gegenspielers sah, ist auch von der „Wiener Schule“ erkannt und sein Ansatz nicht zuletzt in diesem Punkt einer entsprechenden Kritik unterzogen worden.50 Über diese Einwände hinaus existieren weitere methodische Schwierigkeiten, welche das Konzept der Ethnogenese heute nicht unproblematisch erscheinen lassen. Obgleich die distinktive und integrative Funktion von Ethnizität in ihm eine zentrale Rolle spielt, gibt es in vielen Fällen keine Möglichkeit, konkrete Kriterien zu dessen Bestimmung anlegen zu können.
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sprachigen Forschung ist die Arbeit von Dopsch, Alfred: Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung aus der Zeit von Cäsar bis auf Karl den Großen, 2 Bde., Wien 1918/ 1920, zu nennen. Zur Forschungsgeschichte siehe z. B. Demandt, Alexander: Der Fall Roms. Die Auflösung des römischen Reiches im Urteil der Nachwelt, München 1984, S. 233–241; einen prägnanten Überblicksbeitrag dazu hat Jarnut, Jörg: Aspekte des Kontinuitätsproblems in der Völkerwanderungszeit, in: Staab, Franz (Hg.), Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein (Oberrheinische Studien 11), Sigmaringen 1994, S. 35–51 [jetzt auch in Id.: Herrschaft und Ethnogenese im Frühmittelalter. Gesammelte Aufsätze von Jörg Jarnut zum 60. Geburtstag, hg. v. Matthias Becher, Münster 2002, S. 1–17], beigesteuert. Als zentrale und gut zugängliche neuere Veröffentlichungen, welche eher der Kontinuitätsperspektive folgen, sind die Bände der Reihe der „The Transformation of the Roman World“ zu nennen. Eine Zusammenstellung von diskussionsprägenden Aufsätzen der letzten etwa zwanzig Jahre, begleitet von einer die gegenwärtigen Forschungspositionen darstellenden Einleitung, findet sich bei Noble, Thomas F. X. (Hg.), From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, London/ New York 2006, und eine aktuelle Diskussion der Periodisierung und des Verständnisses der Spätantike bieten die ersten Beiträge der von Ralph Mathisen herausgegebenen und jüngst erstmalig erschienen Zeitschrift Journal of Late Antiquity, 1/1 (2008). Den gegenwärtigen Forschungsstand aufgreifende Gesamtdarstellungen der Völkerwanderungszeit liefern etwa die Arbeiten von Pohl, Walter: Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart/ Berlin/ Köln 2002; Halsall, Guy: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568, Cambridge 2007. Starke Impulse in Richtung der sog. Untergangs- und Katastrophentheorie sind zuletzt aus dem angelsächsischen Raum gekommen, siehe dazu Ward-Perkins, Bryan: The Fall of Rome and the End of Civilization, Oxford 2005; Heather, Peter: The Fall of the Roman Empire, London 2005. Wolfram, Herwig: Gotisches Königtum und römisches Kaisertum von Theodosius dem Großen bis Justinian I., in: FMSt 13 (1979), S. 1–28 [jetzt aktualisiert in Id.: Gotische Studien. Volk und Herrschaft im frühen Mittelalter, München 2005, S. 139–173]; sowie Id.: Das römische Königtum der Germanen. Ein Überblick, in: Pohl, Walter/ Wieser, Veronika (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 386 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16), Wien 2009, S. 3–10.; Pohl: Tradition, Ethnogenese, und literarische Gestaltung, S. 14 f., vgl. auch Id.: Ethnicity, Theory, and Tradition, S. 224 f.
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Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass, wie eingangs dargelegt, die Zeichen ethnischer Identität nicht festgeschrieben und konstant waren, sondern flexibel und in diachroner Betrachtung variabel.51 Der notwendige Deutungskontext solcher Zeichen, mittels dessen die Sinnzuschreibungen mit einiger Gewissheit zu entschlüsseln wären, liegt jedoch häufig im Verborgenen. Bis zur Etablierung der barbarischen regna und der damit einsetzenden eigenen schriftlichen Überlieferung dieser gentes fehlen weiterhin jegliche Quellen, die Auskunft über eine subjektive Selbstzuordnung von Individuen oder Gruppen geben könnten – und auch die Schriftquellen aus den Königreichen überliefern nur selten individuelle Identifikationen. Wie in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird, ist die Evidenz einfacher ethnischer Identifikationen, etwa nach archäologischen Hinterlassenschaften oder Personennamen, durch methodische Entwicklungen in Nachbardisziplinen, wie der Archäologie und der Philologie, in Zweifel zu ziehen.52 Diese Skepsis erscheint umso berechtigter, weil die Aufgabe primordialistischer Interpretationsansätze den Blick dafür geschärft hat, dass Ethnizität auch im frühen Mittelalter eine flexible Größe war. So liefern die Quellen etwa Beispiele dafür, dass unterschiedliche Beobachter den gleichen Verband unterschiedlich bezeichneten, die gleiche gens verschiedenen Großgruppen zugeordnet oder ihr Name selber als ein solcher Sammelbegriff angesehen wurde und schließlich auch einzelnen Individuen verschiedene ethnische Identitäten zugeschrieben werden konnten.53 Vor allem von der letzten Feststellung ausgehend, ist ethnische Identität im Frühmittelalter
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Siehe dazu ausführlich Pohl, Walter: Telling the Difference. Signs of Ethnic Identity, in: Id./ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 17–69. Siehe hier für einen Überblick z. B. Goetz, Hans-Werner: Gentes in der Wahrnehmung frühmittelalterlicher Autoren und moderner Ethnogeneseforschung. Zur Problematik einer gentilen Zuordnung von Personennamen, in: Geuenich, Dieter/ Haubrichs, Wolfgang/ Jarnut, Jörg (Hg.), Person und Name. Methodische Probleme bei der Erstellung eines Personennamenbuches des Frühmittelalters (RGA, Ergbd. 32), Berlin/ New York 2002, S. 204–220; sowie Brather, Sebastian, Ethnische Identitäten als Konstrukte der frühgeschichtlichen Archäologie, in: Germania 78/1 (2000), S. 139–177. Für Beispiele siehe Amory, Patrick: People and Identity in Ostrogothic Italy (489–554), Cambridge 1997, S. 277–291; Pohl: Germanenbegriff, S. 172; Id.: Identität und Widerspruch, S. 30; Heather, Peter: Disappearing and Reappearing Tribes, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 95–111; Noble, Thomas F. X.: Introduction. Romans, Barbarians, and the Transformation of the Roman World, in: Id. (Hg.), From Roman Provinces to Medieval Kingdoms, S. 1–27, S. 9; Steinacher, Roland: The Heruls. Fragments of a History, in: Curta, Florin (Hg.), Neglected Barbarians (Studies in the Early Middle Ages 32), Turnhout 2011, S. 321–364.
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schon vor längerer Zeit als situationsabhängiges Konstrukt beschrieben worden.54 Auch der Begriff des „Traditionskerns“ ist zum Gegenstand der Auseinandersetzung geworden. Die eine, vor allem von Peter Heather repräsentierte Richtung der Kritik, richtet sich darauf, dass die Vorstellung von einer nur kleinen, adligen Kerngruppe als Träger der Identität zu kurz greife und man etwa im Fall der Goten stattdessen davon ausgehen müsse, dass die Identität dieser Großgruppe von einem signifikant großen Teil der Bevölkerung ausgegangen sei.55 Im Gegensatz dazu erfährt das Konzept des Traditionskerns als Kristallisationspunkt der Identität aus den Reihen der „Wiener Schule“ eine gegenläufige Revision, indem es als zu elitär und statisch gewertet wird und durch die Vorstellung von einem „sozialen Netzwerk“ als Identitätsgarant ersetzt wird.56 „Wie sich die das Imperium heimsuchenden gentes tatsächlich zusammensetzten, welches kollektive Bewusstsein – wenn es ein solches überhaupt gab – sie vereinte und ihre Aktionen steuerte, wie sie sich selbst bezeichneten und ob eine Elite als Träger einer bestimmten Tradition andere verdrängt hatte, bleibt im Dunkeln“, wird vor diesem Hintergrund von Guido Berndt in einer neueren, in den wissenschaftlichen Kontext der Ethnogeneseforschung entstandenen Publikation angemerkt.57 Wenn damit Elemente wie Abstammung, kollektives und subjektives Zugehörigkeitsbewusstsein und der Traditionskern vielfach als nicht bestimmbar dargestellt und die frühmittelalterlichen gentes an anderer Stelle jeglicher Kontinuitätselemente entkleidet werden, mit der einzigen verifizierbaren Ausnahme des Volksnamens,58 dann lassen sich an diese kritische Bestandsaufnahme zwei Überlegungen anschließen. Die erste betrifft die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion und lässt danach fragen, inwieweit die theoretischen Grundlagen der beiden derzeit einflussreichsten Forschergruppen auf diesem Gebiet, einerseits die „Wiener Schule“ und andererseits diejenige Walter Goffarts, tatsächlich so unvereinbar sind, wie dies stellenweise dargestellt wird und wie die anhal-
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Geary: Ethnic Identity as a Situational Construct in the Early Middle Ages. Für einen aktuellen Überblick der Forschungsdikussion über ethnische Identität siehe z. B. Halsall: Barbarian Migrations, S. 35–62. Heather, Peter: The Goths, Oxford 21998 [1. Aufl. 1991], S. 177: „Ostrogoths and Visigoths were Gothic, because their defining elite cast – much more than a few noble clans – was composed largely of Goths.“ Siehe Pohl: Telling the Difference, S. 67. Berndt: Konflikt und Anpassung, S. 29, siehe auch S. 142 ff. Pohl: Identität und Widerspruch, S. 31.
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tende scharfe Kritik am Ethnogenesemodell vermuten lässt.59 Vergleicht man zunächst die oben skizzierte „äußere“ mit der „inneren“ Kritik am Modell der Ethnogenese und stellt zudem die Konsequenzen einander gegenüber, die beide Richtungen aus dieser Kritik und angesichts der Erkenntnisse über ethnische Identität und deren Spiegelung in den Quellen ziehen, so scheint sich doch eher eine Auseinandersetzung in der Frage der Bewertung, denn ein grundsätzlicher Dissens zu ergeben.60 So herrscht in der jeweils prononciert dargestellten Prämisse der Flexibilität ethnischer Identitäten und in der quellenkritischen Feststellung, dass der Zugang zu den an sie angelegten Zuordnungskriterien sowie zu ihrem genauen Inhalt durch die Beschaffenheit der Texte limitiert ist, durchaus Konsens.61 Davon ausgehend wird in Beiträgen aus der „Goffart-Schule“ die pragmatische Forderung erhoben, sich weniger mit theoretischen Diskussionen um Ethnizität als vielmehr mit dem tatsächlichen Handeln barbarischer Gruppen zu beschäftigen.62 Trotz seiner methodischen Einschränkung auf den jeweiligen Einzelfall, greift jedoch auch dieser Ansatz auf eine Deutungsebene aus, wenn am Ende die Forderung steht, nach Sinn, Funktion und Inhalt von ethnischen Identifikationen zu fragen.63 Genau auf diese Fragen ver59
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Zur dargestellten Unvereinbarkeit vgl. z. B. Gillett, Andrew: Review Article: Rome’s Fall and Europe’s Rise. A View from Late Antiquity, in: The Medieval Review, veröffentlicht am 6. 3. 2011, auf: http://name.umdl.umich.edu/baj9928.0710.012: „Goffart’s views have formed one of few genuinely western foci for ‚Late Antique‘ discussions. They have, however, often been confused with ‚Ethnogenesis‘ views […], however incompatible these approaches are, on the slim basis that both seem to be saying new things about the old topic of ‚barbarians‘.“ (im Ausdruck mit vorgegebener Paginierung S. 17) Wie aus Gilletts Worten deutlich wird, werden die Perspektiven der beiden Schulen auch von anderen in Verbindung miteinander gebracht. Hierzu ähnlich auch Noble: Introduction. Romans, Barbarians, and the Transformation of the Roman World, S. 10–15. Vgl. dazu etwa Kulikowski: Nation versus Army, S. 83 f.: „On the other hand, our sources were not much interested in what ethnicity meant, or how it was manifested, or what precisely they were thinking about when they used ethnic language. […] Sometimes the same individual gets labelled differently at different times“, und die Ausführungen von Pohl: Identität und Widerspruch, S. 32, mit denen er als gravierendes Problem für unser Ethnizitätsverständnis darstellt, dass „der Personenkreis, auf den er sich jeweils bezieht, […] je nach Gelegenheit ganz unterschiedlich“ ist, und wie folgt fortfährt: „Die Zuordnung [gemeint ist die ethnische, d. Verf.] wird den Quellen meist nicht zum Problem; Umfang und soziale Grenzen des Kollektivs […] bleiben in der Regel offen.“ Kulikowski: Nation versus Army, S. 83. Kulikowski: Nation versus Army, S. 84: „What we can do, however, is ask in every single instance what that ethnic identification meant in context, why ethnic comment was felt necessary, and whether it implies anything about either the individual or the circumstances in which the source found him.“
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sucht auch die „Wiener Schule“ Antworten zu finden. In der komplexen Situation der hier in den Blick genommenen Jahrhunderte – in welchen durch die Desintegration des westlichen Imperiums etablierte und überregional anwendbare gesellschaftliche Integrationselemente nur noch eingeschränkt wirken konnten – versucht sie ethnische Identität als Orientierungskategorie und als „neue“ Form sozialer Identifikation zu verstehen. Berücksichtigend, dass sich Generalisierungen verbieten, begreift dieser Ansatz ethnische Diskurse in den Quellen als Versuch, der ethnischen Identifikation, quasi im wörtlichen Sinne, Bedeutung zuzuschreiben. Das wiederum wird notwendig, um der zuvor angesprochenen gesellschaftlich-politischen Funktion gerecht werden zu können.64 Mit dieser Deutung freilich wird ethnischen Identitäten eine größere Rolle zugewiesen, als sie die Vertreter der transatlantischen Schule in den Quellen dokumentiert sehen. Nach ihrer Auffassung spielen die ethnischen Identitäten in der Welt der Spätantike höchstens eine randständige Rolle.65 Resultiert aus dieser unterschiedlichen Bewertung im Ergebnis auch eine nicht unwesentliche Differenz, so weisen die Deutungsprämissen, der methodische Zugriff und die weiterführenden Fragestellungen der jüngeren Vertreter der beiden genannten Schulen indes eine ganze Reihe an Übereinstimmungen auf. Als Indiz für diese Einschätzung mag beispielsweise geltend gemacht werden, dass Patrick Amory den Ansatz seiner Cambridger Dissertation über „People and Identity in Ostrogothic Italy“ explizit als von den Ergebnissen der Ethnogeneseforschung stimuliert ausweist,66 in seinen Schlussfolgerungen jedoch auch Akzeptanz seitens der Vertreter der „GoffartSchule“ erhält.67 Die Kernthese seiner viel und auch kritisch beachteten Arbeit lautet dabei, dass die Differenzierung zwischen Goten und Römern in den Quellen des italischen Ostgotenreiches nicht als Ausdruck einer gegebenen ethnischen – im primordialistischen Sinne verstanden – Trennung 64
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Siehe dazu Pohl: Ethnicity, Theory, and Tradition, S. 237 ff., S. 237 f.: „[N]ew ethnic identities […] were ‚new social forms‘ of identification in a complex environment. […] But this was a gradual process, and we need not expect to find strong manifestation of ethnicity at every turn in our record. […] Ethnic identities in a world as complex as late Antiquity only existed through efforts to make them meaningfull.“; Id.: Identität und Widerspruch, S. 31 ff., S. 33: „Hier kann das Bemühen um eine Sinngeschichte neue Erkenntnisse bringen. Wenn wir die schriftlichen, aber auch dinglichen Quellen nicht nur als Spiegelbilder bestehender Identitäten deuten, sondern als Spuren einer Identitätsstiftung, einer Suche nach dem Sinn“. Goffart: Barbarian Tides, S. 195; Gillett, Andrew: Was Ethnicity Politicized in the Earliest Medieval Kingdoms?, in: Id. (Hg.), On Barbarian Identity, S. 85–121, S. 121. Amory: People and Identity, S. 34 f. Siehe dazu Kulikowski: Nation versus Army, S. 74 mit Anm. 15; Gillett: Review Article: Rome’s Fall and Europe’s Rise (im Ausdruck S. 14).
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der Bevölkerung gelten könne, sondern dass sie vielmehr als offizielle Propaganda zu verstehen sei. Diese habe das Ziel gehabt, die durch die ostgotische Immigration und Herrschaftsübernahme in Bewegung geratene Gesellschaft des Reiches nach ethnisch identifizierten sozialen Rollen zu ordnen. Dass ethnischen Rollenbeschreibungen eine, in ihrer tatsächlichen Wirksamkeit freilich zu überprüfende, Ordnungsfunktion habe auferlegt werden können, begründet Amory damit, dass die prinzipielle Flexibilität und Zugänglichkeit dieser Identitäten einzelne Personen in die Lage versetzt habe, sie sich anzueignen und damit sozial erfolgreich zu sein. Auf diese Weise schließlich habe ethnische Propaganda Einfluss auf das Verhalten von Individuen nehmen können. Als Ergebnis seien damit, vereinfacht formuliert, im Reich Theoderichs des Großen Soldaten Goten und Zivilisten Römer gewesen.68 Aus den zuvor entfalteten Perspektiven findet sich in Amorys Arbeit folglich zweierlei: Einerseits misst sie ethnischer Identität eben jene soziale Identifikations- und Ordnungsrolle zu, wie sie etwa auch von Walter Pohl angenommen wird, andererseits kappt die konsequente Anwendung des konstruktivistischen Prinzips statische Kontinuitätslinien ethnischer Identität, wie sie das Konzept des Traditionskerns oder die Vorstellung einer tradierten, gentilen Herkunftsgeschichte darstellen, und wird damit einem wesentlichen Kritikpunkt der „Goffart-Schule“ gerecht.69 68
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Amory: People and Identity, passim, vgl. kondensiert S. 43: „The government of Theoderic propagated a stylized ideology of professional identity that used the vocabulary and assumptions of classical ethnography. It was a means of conceptualizing and therefore ordering Italian society along ethnographic lines for the purpose of achieving a consensus of governance among the settlers and the indigenous population. This ideology was to affect both the social roles and the behavior of Theoderic’s subjects. It functionally distinguished soldiers (Goths) from civilians (Romans), and philosophically attempted to influence the behavior of individuals thus labeled ‚Goth‘ or ‚Roman‘“. Wie aus diesen und den vorangegangenen Ausführungen ersichtlich wird, können dem Begriff Ethnizität und seinen Derivaten sehr unterschiedliche Bedeutungen zugrunde liegen. Über das entweder primordialistisch oder konstruktivistische Verständnis einer „Volkszugehörigkeit“ hinaus, besteht ferner die Möglichkeit, Ethnonyme mit einer bestimmten gesellschaftlichen Rolle bzw. Funktion zu verbinden und zwar ausdrücklich nicht in der Weise, dass diese durch die „Volkszugehörigkeit“ bestimmt wird, sondern umgekehrt. Diese Vielschichtigkeit macht die terminologische Klarheit in Verbindung mit diesem Begriff im Rahmen dieser Arbeit insofern problematisch, als dass sie alle Bedeutungen in den Blick nehmen muss und den Terminus somit nicht auf eine gültige Semantik reduzieren kann (auch wenn die Ausgangsbasis für diese Untersuchung ein konstruktivistisches Ethnizitätsverständnis ist, so wird Ethnizität in Auseinandersetzung mit anderen Positionen auch in einem primordialistischen Sinne Verwendung finden müssen). Da die Mehrdeutigkeit und Flexibilität des Begriffes sowie der Ethnonyme selbst ein die Kernfrage dieser Un-
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Dass Amory diese These aus seiner Beschäftigung mit dem Ansatz der Ethnogeneseforschung gewonnen hat, mag die oben geäußerte Einschätzung bestätigen, ihre große Leistung aus heutiger Sicht vor allem darin zu erkennen, in einem bestimmten geistig-akademischen Umfeld die Tür zu einem veränderten Verständnis von Ethnizität aufgestoßen zu haben. Dies leitet zu der zweiten oben angesprochenen Überlegung hin, welche vor dem Hintergrund der sehr weitgehenden Fortentwicklung des Ethnogenesemodells danach fragt, inwieweit es hier und zukünftig sinnvoll erscheint, diesen Terminus weiterhin zu verwenden. Ein schwerwiegendes Argument dafür, ihn eher zu vermeiden, ergibt sich aus der folgenden Problematik: Wie bereits dargelegt, hat die Ethnogeneseforschung die Polyethnizität der gentes und die Flexibilität ethnischer Identität aufzeigen können. Diese Elemente versteht sie allerdings im Kontext einer lange währenden Entwicklung, eben einer Genese, die auf ein Ziel zulaufe und irgendwann abgeschlossen sei.70 Wie für die Westgoten im Folgenden detaillierter zu zeigen sein wird, neigt die Forschung dazu, diese, nach dem vermeintlichen Ende des ethnogenetischen Prozesses neu entstandene gens, im Verhältnis zu ihrer Umwelt fürderhin als abgeschlossene Gemeinschaft zu betrachten. Wie die Axiomatik moderner konstruktivistisch oder primordilialistisch geprägter Volksdefinitionen zeigt, gibt es jedoch keine Veranlassung dazu, davon auszugehen, dass Völker nach einer prozesshaften Entwicklung zu irgendeinem Zeitpunkt sozusagen naturhaft entstanden seien. Mit der gleichen Berechtigung könnte man die von der Ethnogeneseforschung aufgedeckten Handlungsmuster als zwar von der Umwelt abhängige, aber dennoch permanente Strategie verstehen und nicht als teleologische Genese. So gab etwa Matthias Becher bereits in seiner 1996 erschienenen Habilitationsschrift am Beispiel der Sachsen und deren Verhältnis zur gens der Franken zu bedenken, dass bei der Ethnogenese „nur zu leicht übersehen [wird], daß nicht das Zusammenwachsen eines neuen Volkes das allein entscheidende Kriterium darstellt.“71 Stattdessen arbeitet er heraus, dass die politischen Verhältnisse „Auslöser für eine Richtungsänderung der sächsischen Ethno-
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tersuchung betreffendes Element darstellt, wird die im gegebenen Fall zugrunde gelegte Bedeutungsebene entweder durch den Kontext vorgegeben oder nötigenfalls durch Erläuterungen deutlich gemacht. Siehe dazu etwa die folgende Darstellung in einem neueren Handbuch, Knefelkamp, Ulrich: Das Mittelalter. Geschichte im Überblick (UTB 2105), Paderborn u. a. 2002, S. 39: „Klar ist, daß die Franken ein Zusammenschluß mehrerer Stammesgruppen mit unterschiedlicher Identität, aber gemeinsamer Tradition waren. Sie identifizierten sich am Ende der Ethnogenese selbst mit den ‚Franken‘ […]“, und S. 34: „Zu diesem Zeitpunkt war die Ethnogenese der Langobarden weitgehend beendet.“ Becher: Rex, Dux und Gens, S. 302.
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genese“ waren und belegt damit zwar den engen Zusammenhang zwischen sozio-politischen Strukturen und ethnogenetischen Prozessen, ohne dass dieser jedoch mit einem fixen Ziel- oder Endpunkt verbunden wäre.72 Diese terminologische und inhaltliche Problematik der Ethnogenese wird auch in neueren Publikationen Walter Pohls angesprochen,73 in denen er deshalb für eine stärkere Inanspruchnahme des Begriffs der Identität seitens der Geschichtsforschung plädiert, da dieser dem permanenten Charakter fortlaufender Identifikationsprozesse besser gerecht werde.74
1.3 Thema und Konzeption der Arbeit Das Thema der ethnischen Identität im spanischen Westgotenreich erfährt insofern eine Eingrenzung, als dass sich das Augenmerk in erster Linie auf die westgotische Identität, insbesondere auf deren Bedeutung und ihre vermeintliche Differenzierung von einer römischen Identifikation der indigenen Bevölkerung richtet. Auf genauere Untersuchungen zu weiteren partikularen Identitäten, wie beispielsweise jener der Sueben, Basken oder Juden, wird damit verzichtet. In chronologischer Hinsicht steht vor allem die früheste dokumentierte Phase des regnum und damit die Zeit seiner Entstehung und Konsolidierung etwa bis zur Mitte des siebten Jahrhunderts im Zentrum des Interesses. In Übereinstimmung mit der oben dargelegten Perspektive auf die gesamte Epoche war und ist auch mit Blick auf das Westgotenreich in der Hispania eines der Leitmotive der Forschung die vermeintliche Dichotomie zwischen römischen und germanischen, beziehungsweise gotischen Elementen. Ausgehend von der Annahme, dass es im Übergang vom fünften zum sechsten Jahrhundert zu einer Masseneinwanderung von Westgoten aus der Gallia auf die Pyrenäenhalbinsel gekommen war, wurde das Bild eines sich daraufhin konstituierenden Königreiches entworfen, in welchem 72 73
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Vgl. ibid., S. 302–307, Zitat S. 304. Zur Terminologie siehe Pohl: Völkerwanderung, S. 17: „[E]in Prozeß, für den sich in der Forschung bald der Begriff ‚Ethnogenese‘ durchsetzte – vielleicht nicht ganz glücklich, da auch er eine quasi naturwüchsige Dynamik suggeriert.“ Vgl. Id.: Identität und Widerspruch, besonders S. 23 ff., und zur Argumentation für einen stärkeren Gebrauch des Identitätsbegriffs anstelle von Ethnogenese, S. 25. Zum Verständnis von Identität als das „prozeßhafte, fluide und kontextabhängige Produkt des Einwirkens sozialer Interaktion auf das Individuum“ vgl. Stachel, Peter: Identität. Genese, Inflation und Probleme eines für die zeitgenössischen Sozial- und Kulturwissenschaften zentralen Begriffs, in: AKG 87/2 (2005), S. 395–425, Zitat S. 404.
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die eingewanderten Westgoten die entscheidenden politischen und militärischen Ämter besetzten. Durch die Koexistenz der dominierenden westgotischen Elite und der Bevölkerungsmehrheit der Hispano-Romanen, wie die einheimische, ehemals römische Provinzialbevölkerung der Iberischen Halbinsel bezeichnet wird, sei es dann allmählich zu einer Vermischung gekommen.75 Da diese sich jedoch erst in der Endphase des Toledanischen Reiches vollzogen habe, gelte für den Großteil seiner Dauer, dass es eine ethnische und damit verbunden auch eine sozial-politische Differenzierung der Bevölkerung gegeben habe, insofern als in dem politischen Gebilde des westgotischen Königreiches zwei getrennt voneinander lebende ethnische Gruppen existierten.76 Einen ersten Versuch, diese Sichtweise dahingehend aufzubrechen, die gotische Identifikation dieses regnum auf die gesamte Bevölkerung zu beziehen, hat bereits im Jahr 1984 die französische Philologin Suzanne Teillet unternommen.77 Gegen ihr Buch „Des Goths à la nation gothique“ sind je75
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Diese Ansicht vertrat bereits die ältere Forschung. So hob z. B. Felix Dahn: Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, Bd. 1, Berlin 21899 [1. Aufl. 1883], S. 531, eine „Mischung von Römischem und Germanischem, mit frühem, sehr starkem Übergewicht des ersteren“ hervor. – Einen erhellenden Einblick in die Vorstellung von der Wesensverschiedenheit von Römern und Germanen sowie deren kultureller Verankerung im deutschen Sprachraum gewähren auch die Lektüre von Dahns im Jahre 1876 erstmals erschienenen belletristischem Buch „Ein Kampf um Rom“ und ein Blick auf die intensive Rezeption und Verbreitung dieses „Professorenromans“ im ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. – Unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Rassenideologie führte nach der Interpretation von Reinerth, Hans: Vorgeschichte der deutschen Stämme, Bd. 3: Ostgermanen und Nordgermanen, Leipzig/Berlin 1940, S. 1246, die Aufhebung „schützender Schranken“ zwischen Westgoten und Romanen zur „inneren Verwelschung“ der gotischen Führungsgruppe und zum „folgerichtigen“ Untergang des Westgotenreiches. Siehe exemplarisch Thompson, Edward A.: The Goths in Spain, Oxford 1969 (ND 2000), S. 114–152, vgl. auch die folgende Einschätzung von Collins, Roger: Visigothic Spain (409–711), Oxford 2004, S. 240: „One tradition of interpretation of the internal development of the Visigothic kingdom in Spain between 589 and 711 has been concerned almost exclusively with the dichotomy between Roman and German. This approach to the period that emphasizes contrasts and conflicts between two sections of the population has been challenged, but is not entirely superseded.“ Teillet, Suzanne: Des Goths à la nation gothique. Les origines de l’idée de nation en Occident du Ve au VIIe siècle (Collection d’Etudes Anciennes), Paris 1984, z. B. S. 639: „Par l’apport du peuple nouveau qui la constitue, la gens devient la communauté politique de la nation; bien que supérieurs en nombre, les Romani n’existent plus sous ce titre officiel: ils sont politiquement assimilés aux envahisseurs de leurs prouinciae.“
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doch eine Reihe von Einwänden erhoben worden.78 Neben der Kritik an der anachronistischen Verwendung des Begriffes „Nation“ ist ihr in methodischer Hinsicht vorgeworfen worden, ihre Thesen einzig auf die Analyse literarischer Texte gestützt und dabei versäumt zu haben, sie durch die Einbeziehung dokumentarischer Quellen auf eine breitere und für den Gegenstand verlässlichere Quellenbasis zu stellen. Ihre philologische Untersuchung entbehrt zudem jeglichen Abgleichs mit der historischen und archäologischen Forschung, was angesichts des sehr komplizierten und vielfach gebrochenen Verhältnisses ihrer Quellen zur „historischen Realität“ umso notwendiger gewesen wäre. So äußert Jocelyn Hillgarth die Ansicht, dass das historische Faktum einer Separation der beiden ethnischen Gruppen des Reiches Teillets Ansichten widerlege.79 Roger Collins hingegen ist gerade im Hinblick auf die ethnische Situation, insbesondere der Hispano-Romanen, unsicherer und erkennt in dem Gedanken einer Einbeziehung der provinzialrömischen Bevölkerung unter den Gotennamen Erklärungspotential für bis dato nur unbefriedigend gelöste historische Probleme.80 In monographischer Form ist seit dem problematischen Buchs Teillets kein weiterer Versuch unternommen worden, diesem Ansatz neu nachzugehen. Der jüngste, breiter angelegte Beitrag, der sich dezidiert mit diesem Thema beschäftigt, stammt ebenfalls von einer Philologin und spricht sich in vielem gegen die Überlegungen Teillets aus. So bestätigt Isabel Velázquez, in dem das Verhältnis zwischen ethnischer Identität und Staatsbildung übergreifend in den Blick nehmenden Sammelband „Regna and Gentes“, die seit dem 19. Jahrhundert etablierte und gegenwärtig dominierende Forschungsmeinung, dass Westgoten und Hispano-Romanen zwei sozial voneinander abgegrenzte Bevölkerungsteile innerhalb des westgotischen Reiches waren, dessen ethnische Grenzen sich erst allmählich aufzulösen begannen. Erst ab der Mitte des siebten Jahrhunderts seien diese beiden Gruppen zu einer, nicht mehr differenziert wahrgenommenen gens verschmolzen.81 78
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Sie dazu etwa folgende, sehr kritische Besprechungen: Wolfram, Herwig, in: Francia 13 (1985), S. 724 ff.; Liebeschuetz, Wolf, in: Classical Review 36 (1986), S. 335 f.; Burns, Thomas S., in: Speculum 62 (1987), S. 209 ff.; Collins, Roger, in: Nottingham Medieval Studies 32 (1988), S. 176–179; Hillgarth, Jocelyn N., in: The Journal of Ecclesiastical History 39 (1988), S. 578–581. Hillgarth: Rez. Teillet, S. 581. Collins: Rez. Teillet, S. 178. Velázquez, Isabel: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, in: Goetz et al. (Hg.), Regna and gentes, S. 161–217. Obwohl bei den nachstehenden Untersuchungen untereinander in einigen Punkten Differenzierungen gemacht werden können, so ist die oben genannte Sicht auf die ethnischen Verhältnisse innerhalb des Reiches grund-
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Mag diese Vorstellung auf der Basis lange Zeit geltender Prämissen und Deutungsannahmen für die ältere Forschung selbstevident gewesen sein, so wirft der bei Teillet vermisste Blick auf die historischen Bedingungen vor dem Hintergrund der Ergebnisse der neueren Forschungen erhebliche Fragen nach der Plausibilität und Beweiskraft besagter Vorannahmen auf. Die Ansätze einer Transformationsperspektive auf jene Zeit, wie sie in der transatlantischen Forschung vor allem durch die Arbeiten Peter Browns82 angestoßen und im europäischen Kontext maßgeblich durch das „Transformation of the Roman World“-Projekt befördert wurden, haben zuletzt mit etwas Verspätung auch für den Raum der Hispania Anwendung gefunden und die Bedeutung der Kontinuität spätantiker Strukturen herausge-
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sätzlich etwa in den folgenden „neueren“ Veröffentlichungen zu finden: Claude, Dietrich: Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, in: FMSt 6 (1972), S. 1–38; Id.: Remarks about Relations Between Visigoths and Hispano-Romans in the Seventh Century, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 117–130; González-Cobos Dávila, Aurora M.: Las clases sociales en la sociedad visigótica y el III Concilio de Toledo, in: Concilio III de Toledo. XIV centenario (589–1989), hg. v. Arzobispado de Toledo, Toledo 1991, S. 411–426; Heather: The Goths, z. B. S. 305; García Moreno, Luis A.: Gothic Survivals in the Visigothic Kingdoms of Toulouse and Toledo, in: Francia 21/1 (1994), S. 1–15; Id.: Etnia goda y iglesia hispana, in: Hispania Sacra 54 (2002), S. 415–442; Liebeschuetz, Wolf: Citizen Status and Law in the Roman Empire and the Visigothic Kingdom, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 130–152; Valverde Castro, Maria R.: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real en la monarquía visigoda. Un proceso de cambio (Acta Salmanticensia. Estudios Históricos y Geográficos 110), Salamanca 2000, S. 163–177; Caerols, José J.: El encuentro entre godos e hispanorromanos. Un análisis filológico, in: Urso, Gianpaolo (Hg.), Integrazione, mescolanza, rifiuto: incontri di popoli, lingue e culture in Europa dall’antichità all’umanesimo, Rom 2001, S. 199–238; Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 144–152; Orlandis, José: Historia del reino visigodo español. Los acontecimientos, las instituciones, la sociedad, los protagonistas, Madrid 2003, besonders S. 167–180; Drews, Wolfram: The Unknown Neighbour. The Jew in the Thought of Isidore of Seville (The Medieval Mediterranean – Peoples, Economies and Cultures 59), Leiden/ Boston 2006, S. 9 f., S. 257 ff.; Kampers, Gerd: Geschichte der Westgoten, Paderborn u. a. 2008, S. 272–280. Einige bestreiten sogar, dass es während der Existenz des Toledanischen Reiches überhaupt zu einer Vereinigung der beiden ethnischen Gruppen gekommen sei, vgl. etwa Lalinde Abadía, Jesús: Godos, hispanos y hostolenses en la órbita del rey de los francos, in: Symposium internacional sobre els orígens de Catalunya, Bd. 2 (Memorias de la Real Academia de Buenas Letras de Barcelona 24), Barcelona 1992, S. 35–74, S. 42–47; Besga Marroquín, Armando: Orígenes hispanogodos del Reino de Austurias (Fuentes y Estudios de Historia de Asturias 21), Oviedo 2000, S. 518–530; Martínez Pizarro, Joaquín: The Story of Wamba. Julian of Toledo’s Historia Wambae regis, Washington 2005, S. 10 f., S. 36 f. Siehe vor allem Brown, Peter: The World of Late Antiquity (A.D. 150–750), London 1971.
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stellt.83 Diese Arbeiten haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass eine westgotische Herrschaftsdurchsetzung ohne eine gewisse Kontinuität provinzialrömischer Strukturen und ohne die Kooperation und Akzeptanz seitens der hispano-romanischen Bevölkerung nicht vorstellbar ist.84 Vor diesem Hintergrund und eingedenk der von der Forschung herausgestellten Flexibilität ethnischer Identitäten in jener Zeit ergeben sich nunmehr eine Reihe von Fragen. Mit Blick auf die Vorbedingungen der Entstehung des Reiches und dessen Identifikation als „westgotisch“ ist beispielsweise zu prüfen, inwieweit das Migrationsverhalten der gens insbesondere während des späten vierten und frühen fünften Jahrhunderts als Argument für eine konzentrierte westgotische Immigration auf die Iberische Halbinsel herangezogen werden kann. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass diese gens in der Zwischenzeit in einem der ehemaligen Kerngebiete des Westreiches ein eigenes Königreich mit einer festen Hauptstadt in Toulouse und anderen, relativ stabilen politischen Strukturen etabliert hatte. Es scheint darüber hinaus angebracht darüber nachzudenken, warum wir davon ausgehen, dass die ethnische Zusammensetzung und Struktur der gens Gothorum bis zum Beginn des fünften Jahrhunderts einem stetigen Wandel unterlag und sie in ihrer ethnischen Identität flexibel auf die von ihrer Umwelt gestellten Anforderungen reagierte, dann aber – nach Abschluss ihrer Ethnogenese und nach der Etablierung des regnum – etwa weitere 200 Jahre von der jeweiligen indigenen Bevölkerungsmehrheit, also der gallischen beziehungsweise hispano-romanischen, separiert blieb. 83
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Gegen die bis vor kurzem dominierende Forschungsmeinung wird das Fortwirken spätantiker Strukturen in der Hispania seit längerem etwa von Javier Arce (z. B. Id.: Los gobernadores de la Diœcesis Hispaniarum [siglos IV–V D.C.] y la continuidad de las estructuras administrativas romanas en la Península Iberica, in: AnTard 7 [1999], S. 73–83) und Roger Collins betont (zuletzt Id.: Visigothic Spain). Wichtige Beiträge dazu sind zuletzt auch von Michael Kulikowski vorgelegt worden, siehe vor allem Id.: Late Roman Spain and its Cities, Baltimore 2004. Einen Überblick über die neueren Tendenzen bieten etwa Bowes, Kim/ Kulikowski, Michael (Hg.), Hispania in Late Antiquity. Current Perspectives (The Medieval and Early Modern Iberian World 24), Leiden 2005, und zu weiteren Einzelstudien siehe z. B. Castellanos, Santiago: Poder social, aristocracias y hombre santo en la Hispania visigoda. La Vita Aemiliani de Braulio de Zaragoza, Logroño 1998; Martín Viso, Iñaki: Fragmentos del Leviatán. La articulación política del espacio Zamorano en la alta edad media, Zamora 2002; Martin, Céline: La géographie du pouvoir dans l’Espagne visigothique (Histoire et Civilisations), Lille 2003; Chavarría Arnau, Alexandra: El final de las villae en Hispania (siglos IV–VII D.C.) (Bibliothèque de l’Antiquité Tardive 7), Turnhout 2007. Arce: Bárbaros y romanos, S. 149.
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Diese Frage stellt sich umso drängender, wenn wir akzeptieren, dass Ethnizität, insbesondere in Phasen struktureller Unsicherheit, ein Mittel zur Integration und zur Etablierung politisch relevanter Loyalitätsverhältnisse war: „Ethnicity was an opportunity to reinforce loyalties and facilitate integration. […] But given the heterogeneous character of all of the new kingdoms, any clear definition and demarcation of this ethnic identity would have excluded a majority not only of its population, but also of its army.“85 Wenn wir also in Betracht ziehen, dass die landbesitzende einheimische Bevölkerung auf lokaler und regionaler Ebene große Macht ausübte und teilweise über die Ressourcen verfügte, aus eigenen Mitteln große Privatarmeen auszuheben,86 und wenn wir ferner in Rechnung stellen, dass der westgotische König bei der Herrschaftsdurchsetzung zwingend auf ihre Loyalität angewiesen war, so lässt sich fragen, welches Interesse er daran gehabt haben könnte, zwischen seinem nächsten „höfischen“ Umfeld und jener Bevölkerung eine ethnische Differenz aufrecht zu erhalten. Mit gleicher Berechtigung lässt sich nach dem Interesse fragen, welches jene hispano-romanische Bevölkerung, die trotz vereinzelter Widerstände nachweislich mit den neuen Machthabern kooperierte, an der Aufrechterhaltung einer politisch relevanten römischen Identität in Unterscheidung zur westgotischen gehabt haben könnte. Diese Frage erhält noch mehr Gewicht, versucht man angesichts des dramatischen Desintegrationsprozesses des westlichen Imperiums seit dem fünften Jahrhundert eine solche römische Identität mit integrativem Inhalt zu füllen. Wenn bis hierher ausschließlich von der Magnatenschicht die Rede war, so wäre weiter zu fragen, sofern die Quellen hier einen Einblick gestatten, inwieweit ethnisch bestimmte Differenzen oder Loyalitäten für die Masse der Bevölkerung eine Rolle gespielt haben. Am Beispiel eines anderen regnum hat Patrick Amory in seiner Dissertation einen Versuch unternommen, von den traditionellen Deutungsmustern abweichende Antworten auf derlei Fragen aus diesem Themenfeld zu geben. An ein Hauptergebnis seiner Arbeit – dass die Bezeichnung Gothi im Ostgotenreich auf Soldaten verweise – ist dabei die kritische Frage herangetragen worden, was sich daraus für das Verständnis von den Goten des
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Pohl: Telling the Difference, S. 67, vgl. auch S. 63: „Identities had to be flexible and largely virtual to accommodate all whose loyalty Frankish or Visigothic kings wanted to encourage.“ Ein häufig angeführtes Beispiel dafür liefert Prokop: De bello Gothico I,12, hg. v. Otto Veh, Werke, Bd. 2, Stuttgart 1966, der darüber berichtet, dass Theudis durch die eheliche Verbindung mit einer einheimischen Familie in die Lage versetzt wurde, aus deren Ressourcen 2000 Soldaten als seine Leibgarde zu rekrutieren.
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westgotischen Reiches ergebe.87 Den neuen Erkenntnissen der modernen Forschung zu Ethnizität im Frühmittelalter gerecht werdend, hat man sich dieser Frage bisher nicht genähert. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass die oben dargestellte eingeschränkte Perspektive der bisherigen Ethnogeneseforschung – durch ihre verkürzte Ausrichtung auf die Ursprünge der gentes – zwar erkannt und kritisch hervorgehoben worden ist, daraus bisher jedoch keine weiterführenden Konsequenzen für die Untersuchung der Nachfolgereiche gezogen wurden. Oder, um mit Hans-Werner Goetz zu sprechen: „Bei allen Fortschritten in der Ethnogeneseforschung, so möchte ich folgern, und der Einsicht, dass die germanischen Völker keineswegs Abstammungsgemeinschaften waren, sondern sich in einem komplizierten Prozess der – anscheinend mühe- und problemlosen – Angliederung verschiedener Volksteile unter einheitlicher politischer Führung und unter Herausbildung einer ‚ethnischen Identität‘ entwickelt, sich ständig verändert oder neu formiert haben, ist diese Erkenntnis, soweit ich sehe, bislang nirgends auf die so genannte ‚Synthese‘ von Romanen und Germanen übertragen worden. Ich sehe hier ein Defizit, das von der künftigen Forschung noch einzulösen sein wird.“88 Dieses Defizit gilt freilich für alle barbarischen Nachfolgereiche und wird in Ansätzen auch bei anderen regna aufzuarbeiten versucht.89 87
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Jarnut, Jörg: Rez. Patrick Amory, People and Identity in Ostrogothic Italy (489–554), Cambridge 1997, in: HZ 270 (2000), S. 734 f., S. 735. Amory selbst stellt das von ihm untersuchte Ostgotenreich in Italien als singulären Fall dar, siehe Amory: People and Identity, S. 85. Goetz, Hans-Werner: Die germanisch-romanische (Kultur-) Synthese in der Wahrnehmung der merowingischen Geschichtsschreibung, in: Hägermann et al. (Hg.), Akkulturation, S. 547–570, S. 550. Auch Pohl, Walter: Regnum und gens, in: Id./ Wieser (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat, S. 435–450, hat jüngst die fortwährende Dynamik ethnischer Identitäten in den regna betont, deren Rolle er dabei als „Katalysator ethnischer Prozesse“ (S. 446) umschrieb. So sei es in den Königreichen zu „tiefgreifenden Identitätsverschiebungen“ gekommen, welche unter anderem zu einer „schrittweisen Übernahme der dominierenden ethnischen Identität“ seitens der indigenen Bevölkerung geführt habe (S. 443 f.). Erste Versuche in diese Richtung etwa im Falle des Frankenreiches deuten dabei in die Richtung, dass „fränkisch“ dort zu einer vornehmlich politischen Identität wurde, welche die gesamte Führungsschicht einschloss, ungeachtet ihrer Herkunft, vgl. Goetz, Hans-Werner: Gens, Kings and Kingdoms. The Franks, in: Id. et al. (Hg.), Regna and gentes, S. 307–344, S. 341. Siehe in diese Richtung gehend auch schon Wood, Ian: Defining the Franks. Frankish Origins in Early Medieval Historiography, in: Forde et al. (Hg.), Concepts of National Identity, S. 47–57, besonders S. 54, der bei manchen Autoren eine Definition der Franken eher nach Maßstäben des Rechts, der Region und der sozialen Stellung, als nach solchen der „Volkszugehörigkeit“ erkennt.
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Vor diesem Hintergrund lässt sich der Ansatz dieser Dissertation wie folgt zusammenfassen: Die gegenwärtige Meinung mit Blick auf die ethnische Situation innerhalb des spanischen Westgotenreiches geht in ihrer grundsätzlichen Überzeugung von einer gesellschaftlichen und politischen Trennung zwischen Westgoten und Hispano-Romanen auf die Forschung des 19. Jahrhunderts zurück. Die dafür lange Zeit wirkungsmächtigen Prämissen der ausgeprägten Differenz zwischen einer vermeintlich „germanischen“ und einer römischen Welt sowie des primordialistischen Charakters ethnischer Identität können mittlerweile jedoch als überholt gelten. Diesen Entwicklungen Rechnung tragend, soll mit dieser Arbeit der Versuch unternommen werden, die bisherige Sichtweise auf die ethnische Situation des westgotischen Reiches zugunsten einer Perspektive in Frage zu stellen, welche bereits für das ausgehende sechste Jahrhundert davon ausgeht, dass die Führungsschicht des regnum ungeachtet ihrer Abstammung als gotisch wahrgenommen wurde. Diese westgotische Identität wird dabei nicht als ein im klassischen Sinne ethnisches und exklusives, sondern als ein integratives gesellschaftlich-politisches Phänomen verstanden. Diese Untersuchung eines Einzelbeispiels liefert damit einen Beitrag zu den umfassenderen und bisher erst in Ansätzen erfolgten Forschungen zum reziproken und vielschichtigen Verhältnis zwischen ethnischer Identität und politisch-sozialen Strukturen in den frühmittelalterlichen regna.90 Die Arbeit ist dabei wie folgt strukturiert: Über eine Kontextualisierung des Themas hinaus ist es in den Kapiteln zwei und drei notwendig, methodische und historische Voraussetzungen und daraus abgeleitete Schlussfolgerungen der bisherigen Forschung hinsichtlich der ethnischen Deutung zu problematisieren und die Konsequenzen daraus für das westgotische Beispiel zu erarbeiten. Darauf aufbauend wird in den beiden folgenden Kapiteln vier und fünf die Untersuchung ethnischer Identität im regnum Gothorum anhand der schriftlichen Quellen, vor allem aus der Zeit des ausgehenden sechsten und der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts erfolgen. Neben weiteren kleineren Quellengruppen, wie etwa Inschriften oder Briefen, lässt sich die Quellenbasis dabei grundsätzlich in zwei, jeweils zu untergliedernde Corpora aufteilen: Zum einen ist dies das Corpus der erzählenden Quellen – unter denen historiographische Texte, wie vor allem Chroniken, und hagiographische, wie insbesondere Viten, zu finden sind – und zum anderen jenes der dokumentarischen Quellen, die sich ihrerseits in die zwei Gruppen der Synodalakten und der Gesetzestexte aufteilen lassen. Da der Zugriff auf diese Quellen nicht textübergreifend, sondern sukzes90
Siehe dazu Goetz et al. (Hg.), Regna and gentes, und dort zusammenfassend besonders Goetz: Regna and gentes. Conclusion.
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sive erfolgt, stehen die notwendigen quellenkritischen Ausführungen jeweils am Anfang der entsprechenden Abschnitte. Die Annäherung an die einzelnen Quellen findet im Sinne des Erkenntnisinteresses der Arbeit unter den folgenden Leitfragen statt, die in Abhängigkeit von den Charakteristika und dem jeweiligen Befund der einzelnen Texte beantwortet werden: Sind in den benannten Quellen für den Bereich des westgotischen Herrschaftsgebiets ethnische Unterscheidungen zu finden, insbesondere solche, die Goten von Hispano-Romanen differenzieren? Lassen sich anhand des Gebrauchs ethnischer Zuordnungen in den jeweiligen Quellen bestimmte Kontexte erkennen, in welchen diese vorgenommen wurden? Von den Ergebnissen der einzelnen Quellenuntersuchungen ausgehend, soll deren Synthese – zunächst auf eine bestimmte Quellengruppe beschränkt – wiederum unter besonderer Berücksichtigung der folgenden Erkenntnisinteressen erfolgen. Welche Konsequenzen ergeben sich in Abhängigkeit von den Antworten auf die vorangestellten Fragen für das Verständnis und die Funktion von Ethnizität im Toledanischen Reich? Welche neuen Perspektiven ergeben sich auf dieser Grundlage mit Blick auf den Entstehungsprozess des westgotischen Königreiches auf der Iberischen Halbinsel? Eine Zusammenfassung und eine übergreifende Interpretation der Ergebnisse schließen die Arbeit ab.
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2. Die historischen Voraussetzungen bis zum Beginn des sechsten Jahrhunderts Das folgende Kapitel zur gotischen Geschichte vor der im Zentrum unseres Interesses stehenden Zeit dient einer unerlässlichen Kontextualisierung des Themas. Besonders mit Blick auf den ersten Abschnitt ist es dabei vor allem der Tradition älterer Darstellungen geschuldet, die Ausführungen zu einem westgotischen Thema mit einem Rückblick bis ins erste nachchristliche Jahrhundert zu beginnen. Auch wenn es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, die damit verbundenen Forschungsprobleme ausführlich zu erörtern, so ist der folgende erste Abschnitt doch mit der Absicht verbunden, eine gentile gotische Kontinuität vom ersten bis ins achte Jahrhundert und den Prozess der Ethnogenese der Westgoten notwendig verkürzt zu problematisieren. Aufgrund fragwürdiger Kontinuitätsprojektionen der älteren Forschung hat es hier nicht nur arbeitsökonomische Hintergründe, über die Frühgeschichte nur einen kurzen Abriss zu liefern, sondern diese Entscheidung verweist gleichzeitig auf eine inhaltliche Akzentuierung. Diese besteht darin, die Entwicklung des spanischen Westgotenreiches weniger mit der gotischen Geschichte vor der Stationierung in Aquitanien in Verbindung zu bringen, sondern diese vor allem in Anknüpfung an das Tolosanische Reich zu verstehen.1 Die Geschichte dieses regnum bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels. Der Fragestellung dieser Arbeit entsprechend, steht dabei vor allem das Verhältnis zwischen Goten und Römern und nicht dessen politisch-militärische Entstehung im Zentrum des Interesses. Die westgotisch-römischen Beziehungen in demselben ausführlicher zu diskutieren, als es in einem Kapitel, welches als Hinführung zum eigentlichen Thema konzipiert ist, zunächst zu erwarten wäre, erscheint aufgrund der Überlieferungslücke notwendig, welche hinsichtlich des spanisches Westgotenreiches für weite Teile 1
Die Bezeichnung „Tolosanisches Reich“ leitet sich aus dessen Hauptstadt Tolosa, dem heutigen Toulouse, ab. In den Quellen findet diese Bezeichnung ironischerweise erst in der Nachricht zu dessen Untergang bei der Schlacht gegen die Franken im Jahr 507 Anwendung. Nach dem gleichen Muster wird auch das spätere spanische regnum als Toledanisches Reich bezeichnet, benannt nach dessen sich ab der Mitte des sechsten Jahrhunderts etablierenden Hauptstadt Toledo (Toletum).
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Die historischen Voraussetzungen
des sechsten Jahrhunderts festzustellen ist. Da eine Untersuchung des gotisch-römischen Verhältnisses für diesen Zeitraum folglich nicht möglich ist, stellt die Diskussion dieses Themas für das Tolosanische Reich im fünften Jahrhundert einen wichtigen Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen dar. Besonders im Blickpunkt werden dabei die Bereiche der Gesetzgebung, der Religion und schließlich der inneren Haltung der beiden Bevölkerungsgruppen zueinander stehen, da sie nach Meinung der Forschung eine ethnische Separation innerhalb des regnum einerseits bewirkt und andererseits kenntlich gemacht hätten.
2.1 Die „westgotische“ Vorgeschichte bis zur Ansiedlung in der Gallia Aus heutiger Sicht ließe sich behaupten, dass die Darstellung der gotischen Vorgeschichte sogleich mit einem Problem beginnt. In einem berühmten Satz seiner in der Mitte des sechsten Jahrhunderts verfassten Herkunftsgeschichte der Goten, der sogenannten Getica, lässt der Geschichtsschreiber Jordanes den Leser wissen, dass die Goten ursprünglich von der Insel Scandza gekommen seien.2 Vieldiskutiert ist an dieser Information nicht nur, inwieweit sie tatsächlich dem vergangenen Geschehen entspricht, sondern auch, auf wen sie eigentlich zurückgeht. Während Jordanes selbst in der Vorrede zu seiner Erzählung darlegt, mit dem Werk eine Zusammenfassung der Gotengeschichte Cassiodors zu liefern, ist die Wissenschaft geteilter Meinung darüber, inwieweit Jordanes’ Text tatsächlich von der uns nicht überlieferten Gotengeschichte des Cassiodor abhängig ist oder eine eigene literarische Produktion darstellt.3 Hat die Forschung auch viel Mühe 2
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Jordanes: Getica 25, hg. v. Theodor Mommsen (MGH AA 5,1), Berlin 1882 (ND 1961), S. 53–138, Ex hac igitur Scandza insula quasi officina gentium aut certe velut vagina nationum cum rege suo nomine Berig Gothi quondam memorantur egressi. Jordanes: Getica 1–3. Zur erstgenannten Meinung siehe z. B. Weißensteiner, Johannes: Cassiodor/Jordanes als Geschichtsschreiber, in: Scharer, Anton/ Scheibelreiter, Georg (Hg.), Historiographie im frühen Mittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 32), Wien/ München 1994, S. 308–325, während Goffart: Narrators of Barbarian History, S. 23–31, die Abhängigkeit Jordanes’ von Cassiodor ablehnt. Siehe zu der Diskussion aktuell Christensen, Arne Søby: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth, Kopenhagen 2002, besonders S. 115–123; Amici, Angela: Iordanes e la storia gotica (Quaderni della Rivista di Bizantinistica 6), Spoleto 2002, S. 3–48. Coumert: Origines des peuples, S. 47–54, kommt in ihrem Resümee zu folgender, vermittelnden Einschätzung, S. 537: „Celle-ci [gemeint ist die Gotengeschichte Cassiodors, d. Verf.] étant perdue, il ne demeure plus que l’Histoire des Goths écrite par
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darauf verwandt, die skandinavische Herkunft der Goten zu untersuchen,4 so ist sie nunmehr als literarischer Mythos anzusehen.5 Nach der Aufgabe einer vermeintlichen skandinavischen „Urheimat“, werden die Goten häufig mit den in der antiken Ethnographie etwa ab dem ersten Jahrhundert nach Christus im Mündungsraum der Weichsel belegten Gutones identifiziert.6 Von dieser Gleichsetzung ausgehend, durchlebte nach Meinung der älteren Forschung der gleiche Gotenstamm im Weiteren eine von der Ostsee ausgehende mehrhundertjährige Phase verschiedener Migrationen.7 Als erste Etappe gilt dabei der Zug vom Weichselknie bis ans Schwarze Meer. Durch fortwährende räuberische Übergriffe auf das Gebiet des Römischen Reiches machten sie in der Mitte des dritten Jahrhunderts dort erstmalig als Gothi auf sich aufmerksam.8 Nach der Darstellung Jordanes’ vollzog sich in jenem Raum auch die Teilung des Gotenstammes in Westgoten und Ost-
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Jordanès, un auteur byzantin […]. Il s’inspara de l’œuvre précédente de Cassiodore, mais en transforma suffisamment le sens pour être consideré comme un auteur à part entière.“ Siehe dazu z. B. Wagner, Norbert: Getica. Untersuchungen zum Leben des Jordanes und zur frühen Geschichte der Goten (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, Neue Folge 22), Berlin 1967, hier S. 213 ff.; Hachmann, Rolf: Die Goten und Skandinavien (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, Neue Folge 34), Berlin 1970; Heather, Peter: Goths and Romans (332–489), Oxford 1991, S. 66 f.; Wolfram: Goten, S. 47–50. Siehe ausführlich Christensen: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, S. 250–300; Goffart: Barbarian Tides, S. 56–72, sowie komprimiert auch Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 52–57. Zu den ethnographischen Belegen siehe Plinius Secundus: Naturalis historiae 4,99, hg. v. Karl Mayhoff (Bibliotheca Scriptorvm Graecorvm et Romanorvm Tevbneriana), Stuttgart 1906 (ND 1967); Tacitus: Annales 2,62, hg. v. Henry Furneaux, Bd. 1, Oxford 21869 (ND 71982); Ptolemaeus: Geographia 3,5,8, hg. v. Karl F. A. Nobbe, Hildesheim 1843–1845 (ND 21990). Zum gotischen Bezug des Namens vgl. Wolfram: Goten, S. 30 f., S. 47–52; Pohl, Walter: Art. Goten: III. Historisches, in: RGA, Bd. 12 (1998), S. 427–443, S. 429; Kampers: Westgoten, S. 19 ff. Für eine kritische Diskussion dieser Identifikation siehe Christensen: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, S. 21–53. Neben vielen anderen z. B. Dahn, Felix: Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, Bd. 1, Berlin 21899 [1. Aufl. 1883], S. 332–384; Schmidt, Ludwig: Die Ostgermanen (Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung 1), München 21941 (ND 1969), S. 195–462; Musset, Lucien: Les invasions. Les vagues germaniques, Paris 31994 [1. Aufl. 1965], S. 80–91. Siehe in dieser Interpretationstradition aber auch noch Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 7–30. Wolfram: Goten, S. 31; Christensen: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, S. 64.
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Die historischen Voraussetzungen
goten.9 Aus Sicht der ihm folgenden älteren Forschung überquerten die Westgoten dann, nach einer lange währenden Siedlungsphase, im Jahre 376 schließlich die römischen Reichsgrenzen und unter Mitwirkung weiterer gentes fügten sie dem Imperium im Jahre 378 bei Adrianopel eine verheerende militärische Niederlage zu. Eine etwa 40 Jahre andauernde Odyssee führte sie daraufhin von den Grenzgebieten des Schwarzen Meeres vor die Tore Konstantinopels und auf die Peloponnes, bevor sie über den Balkan schließlich bis ins Kerngebiet des Weströmischen Reiches auf die Apenninhalbinsel vordrangen. Dort führte sie ihr Weg bis an die Südspitze des heutigen Festlanditaliens und im Jahre 410 wieder zurück zur Stadt Rom, in welche sie als erste feindliche Macht seit knapp 800 Jahren plündernd eindrangen. Nachdem die Goten von dort aus über das heutige Südfrankreich bis auf die Iberische Halbinsel gezogen waren, wo sie unter römischem Befehl Militäroperationen gegen andere barbarische Völker unternommen hatten, wurden sie im Jahre 418 oder 41910 im Auftrage Kaisers Honorius durch den Patricius Constantius III. in die Gallia zurückbeordert und als Föderatenarmee des Westreiches in Aquitanien stationiert. Wirft man einen Blick auf das Itinerar der (west)gotischen Geschichte, wie es sich in den neueren Darstellungen zeigt, sind auf den ersten Blick kaum Brüche im Vergleich zur älteren Forschung festzustellen. Auch hier beginnen die Ausführungen häufig an der heute polnisch-baltischen Ost9
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Jordanes, Getica 27. Er schildert dabei den Übergang des Gotenvolkes über eine Brücke, die während des Übersetzens zerbrochen sei und das Volk auf diese Weise in zwei Gruppen gespalten habe. Auf die Problematik des Terminus Westgoten wird im Folgenden noch eingegangen. Bisher ist in der Forschung die Datierung von Hydatius: Continuatio chronicorum Hieronymianorum 64, hg. v. Theodor Mommsen, in: Chronica Minora (MGH AA 11), Bd. 2, Berlin 1894 (ND 1961), S. 1–36 (im Weiteren zitiert als Hydatius: Chronicon) auf das Jahr 418 übernommen worden. Schwarcz, Andreas: The Visigothic Settlement in Aquitania. Chronology and Archaeology, in: Mathisen, Ralph W./ Shanzer, Danuta (Hg.), Society and Culture in Late Antique Gaul. Revisting the Sources, Aldershot 2001, S. 15–25, S. 15–18 (nur leicht verändert auch Id.: Relations Between Ostrogoths and Visigoths in the Fifth and Sixth Centuries and the Question of Visigothic Settlement in Aquitaine and Spain, in: Pohl, Walter/ Diesenberger, Maximilian [Hg.], Integration und Herrschaft. Ethnische Identitäten und soziale Organisation im Frühmittelalter [Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 301; Forschungen zur Geschichte des Frühmittelalters 3], Wien 2002, S. 217–226, dort zur Datierung S. 217–220), argumentiert nun jedoch, dass die Datierung der betreffenden Stelle in der Edition von Mommsen fälschlicherweise auf das Jahr 418 vorgenommen worden sei und man deswegen Prosper von Tiro: Chronicon 1271 (a. 419) hg. v. Theodor Mommsen, in: Chronica Minora (MGH AA 9), Bd. 1, Berlin 1892 (ND 1961), S. 341–499, Glauben schenken könne, der die Ansiedlung auf das Jahr 419 datiert.
Die „westgotische“ Vorgeschichte bis zur Ansiedlung in der Gallia
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seeküste und erstrecken sich bis in die viele hundert Jahre später entstandenen Königreiche in der Gallia, auf der Iberischen Halbinsel und in Italien.11 Der wesentliche Unterschied zwischen der älteren und der neueren Forschung liegt dabei nicht in der Geographie, sondern in der Darstellung der Struktur und ethnischen Zusammensetzung der Gruppe. Danach war es nicht eine im primordialistischen Sinne einheitliche gens, die im ersten Jahrhundert nach Christus von der Ostseeküste abwanderte und, mittlerweile in zwei Gruppen gespalten, Königreiche auf dem Boden des ehemaligen weströmischen Kaiserreiches gründete, sondern es handelte sich um einen Verband, der im Laufe der Migration fundamentale Wandlungen erfuhr. Teile der Gruppe blieben an Siedlungsstätten zurück und wurden durch Aufnahme und Integration neuer Verbände kompensiert, die ihrerseits Einfluss auf die Struktur der Gesamtgruppe hatten.12 Diese polyethnische gens unterlag einem stetigen Wandel und ihre Bezeichnung konnte in der Perspektive der römischen Autoren durchaus variieren. Nichtsdestotrotz ist in ganz unterschiedlichen Kontexten mindestens von der Mitte des dritten bis zum beginnenden achten Jahrhundert eine Kontinuität festzustellen, die in der Identifikation einer Gruppe als Gothi besteht.13 Diese Zuschreibung findet dabei zunächst nur von außen statt und wird in den späteren regna schließlich zu einer Eigenbezeichnung. Obschon Jordanes’ Überlieferung von der Teilung der Goten im Raum des Schwarzen Meeres als literarische Figur zu werten ist, so verzeichnen auch andere Quellen die Herausbildung zweier Gruppen am Ende des drit-
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Siehe neben zahlreichen anderen Werken zur frühen Geschichte der Goten maßgeblich vor allem Wolfram: Goten, S. 30–177; Heather: Goths and Romans, S. 71–224; Id.: The Goths, S. 9–178; siehe neueren Datums zu einzelnen Etappen auch Amici: Iordanes e la storia gotica, S. 49–101, und jüngst mit weiterer Literatur und einer ausführliche Diskussion der Quellen- und Forschungsproblematik Coumert: Origines des peuples, S. 33–101 u. S. 125–142. Überblicksartig auch Claude, Dietrich: Geschichte der Westgoten, Stuttgart 1970, S. 7–27; Giese, Wolfgang: Die Goten, Stuttgart 2004, S. 11–40; Kampers: Westgoten, S. 19–84. Pohl: Art. Goten, S. 429. Dass diese als Goten identifizierte Gruppe nicht als monolithisch zu verstehen ist, sondern aus einer Mehrzahl an Völkern bestand, wird beispielsweise an der Formulierung des hispanischen Chronisten Orosius augenfällig, der zum Jahre 414 berichtet, dass König Athaulf „die Völker der Goten anführte“ (Gothorum populis Athaulfus rex praeerat), vgl. Orosius: Historia adversum paganos 7,41,2, hg. v. Karl Zangemeister (CSEL 5), Wien 1882 (ND Hildesheim 1967). Für die Zeit vom dritten bis zum Anfang des fünften Jahrhunderts liefert auf dem aktuellen Forschungsstand das als Einführung konzipierte Buch von Kulikowski: Rome’s Gothic Wars, einen guten Überblick.
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Die historischen Voraussetzungen
ten Jahrhunderts in diesem Raum.14 Die Bezeichnung derselben ist dabei nicht eindeutig, denn einerseits ist von Greutungi beziehungsweise Ostrogothi die Rede und andererseits von den Tervingi beziehungsweise Vesi.15 Während Vesier und Ostrogoten wahrscheinlich prunkvolle Selbstbezeichnungen waren, finden in den Namen Terwingen oder Greutungen die jeweiligen Siedlungsgebiete der gotischen Gruppen einen Widerhall. Demnach haben die westlich des Schwarzen Meeres lebenden Terwingen in Waldgebieten gelebt, während die östlichen Greutungen als Steppenbewohner gelten.16 Auch späteren Beobachtern des sechsten Jahrhunderts zeigten sich zwei gotische Gruppen, einerseits die westlichen Goten auf der Iberischen Halbinsel und die östlichen in Italien. Vermutlich war es der in ostgotischen Diensten stehende Cassiodor, der aus dieser politisch-geographischen Betrachtung seiner Gegenwart eine Kontinuitätslinie zu der etwa 300 Jahre zurückliegenden Auseinanderentwicklung am Schwarzen Meer konstruierte und in Entsprechung zu den Ostrogothi aus den Tervingi/Vesi die Vesegothi machte.17 Die Forschung ist dieser Projektion vielfach gefolgt und setzt die Terwingen teilweise bis heute den Westgoten gleich, deren gesonderte Geschichte demnach bis in den westlichen Schwarzmeerraum des dritten Jahrhunderts zurückreiche.18 Die neuere Forschung hat sich von dieser problematischen Rückprojektion der westgotischen Geschichte distanziert19 und auf die Frage, von welchem Zeitpunkt an man schließlich
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Panegyrici latini 11,17,1, hg. v. Roger A. Mynors (Scriptorum Classicorum Biblioteca Oxoniensis), Oxford 1964 (ND 1990). Als Beleg aus dem ausgehenden vierten Jahrhundert auch Ammianus Marcellinus: Rerum gestarum 31,3,1–5, hg. v. Wolfgang Seyfarth (Bibliotheca Scriptorvm Graecorvm et Romanorvm Tevbneriana), Stuttgart 1978. Wolfram: Goten, S. 34 ff.; Pohl: Art. Goten, S. 430 f. Ausführlich zur Diskussion der Belege siehe aktuell Christensen: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, S. 197–229, und für eine detailliert Beschreibung der Gruppen siehe auch Heather: The Goths, S. 52–57. Wolfram: Goten, S. 35. Hachmann: Die Goten und Skandinavien, S. 122 f.; Wolfram: Goten, S. 36. Sehr häufig sind diese Begrifflichkeiten in den Quellen allerdings nicht zu entdecken, da die der jeweiligen Quelle nahe stehende Gotengruppe in der Regel als Gothi und die von dieser zu unterscheidende gens als Visi- bzw. als Ostrogothi bezeichnet wurde. Diesem Muster schließt sich auch der weitere Sprachgebrauch dieser Arbeit an, sodass stets die Westgoten gemeint sind, wenn unspezifisch von Goten die Rede ist. Z. B. Schmidt: Die Ostgermanen, S. 225; Thompson, Edward A.: The Visigoths in the Time of Ulfila, Oxford 1966, S. 1; Musset: Les invasions, S. 82; Claude: Westgoten, S. 7 f., aber auch noch Giese: Goten, S. 16 ff. Christensen: Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, S. 219; Kulikowski: Rome’s Gothic Wars, S. 49–56.
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von den Westgoten sprechen könne, ist erwartungsgemäß keine einmütige Antwort in der Literatur zu finden. Sofern Aussagen zur „Ethnogenese“ der Westgoten gemacht werden, konzentrieren diese sich auf den Zeitraum zwischen dem Eintritt terwingisch-greutungischer Gruppen auf römisches Reichsgebiet im Jahre 376 und der Stationierung gotischer Truppen im Jahre 418/19.20 Es wird dabei vorgebracht, dass sich, nachdem die vorangegangenen Strukturen der Gotenreiche durch den Hunneneinfall zerstört worden waren, ab dem Jahr 376 allmählich ein neuer Verband mit veränderten Charakteristika entwickelte, dessen Formierung maßgeblich durch die gemeinsame Bedrohung durch das Römische Reich befördert wurde. Obwohl durch die Berichte etwa von Ammianus Marcellinus und Zosimos eine Vielzahl von Einzelgruppen erkennbar ist, agierte dieser polyethnische Verband grundsätzlich zusammen. Er war damit in der Lage, sich in fortwährenden militärischen Auseinandersetzungen mit dem Imperium zu behaupten und wurde in den Quellen als gens identifiziert.21 Als eine Veränderung dieses Verbandes wird herausgestellt, dass er bei Gefechten vor allem zu Pferde agierte.22 Als ein weiteres strukturelles Merkmal, welches sich in dieser Zeit besonders ausgeprägt habe, gilt die sich seit Alarich ausformende Königsherrschaft, die wesentlich durch das Einwirken des Impe20
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Siehe dazu ausführlich vor allem Wolfram: Goten, dessen drittes Kapitel (S. 125–177), den sprechenden Titel „Die vierzigjährige Wanderung und die Entstehung der Westgoten“ trägt, sowie Heather: Goths and Romans, S. 122–224, bei dem die Zeitspanne von 376 bis 418 gleichlautend als „Formation of the Visigoths“ bezeichnet wird (siehe aktualisiert auch Id.: The Creation of the Visigoths; Id.: Goths, S. 166–178); Liebeschuetz, John H. W. G.: Barbarians and Bishops. Army, Church, and State in the Age of Arcadius and Chrysostom, Oxford 1990, S. 48–85; Pampliega: Los germanos, S. 21–199; Pohl: Art. Goten, S. 431 f.; Kampers: Westgoten, S. 85–117; besonders konzise auch Id.: Art. Westgoten: I. Geschichte, in: LexMA 9 (1998), Sp. 27–31, Sp. 27: „In den folgenden vier Jahrzehnten der Wanderung im röm. Reich wurden aus den donaugot. Flüchtlingen und ihren Nachkommen […] im Prozeß einer erneuten Ethnogenese die Visi- bzw. Visigothen/Vesegothen, deren Name bereits im 6. Jh. von Cassiodor als die ‚westl. Goten‘ gedeutet wurde.“ In der Formulierung Kampers’ kommt zum Ausdruck, dass es korrekter wäre von den „Visigoten“ statt von „Westgoten“ zu sprechen. Als etablierter Forschungsbegriff wird hier jedoch daran festgehlten. Ammianus Marcellinus: Rerum gestarum 31,3,8; 31,8,4; 31,9,3–4; 31,4,12; Zosimos: Historia nova 5,35,5–6; 5,42,3, hg. v. Ludwig Mendelssohn, Leipzig 1887 (ND Hildesheim 1963). Die Zusammensetzung dieser Gruppe sowie die Ereignisse und Entwicklungen dieser Phase sind sehr detailliert untersucht worden in den oben angegebenen Abschnitten von Wolfram: Goten; Pampliega: Los germanos; Heather: Goths and Romans; Id.: The Creation of the Visigoths. Vgl. dazu vor allem Wolfram: Goten, S. 173 ff.
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riums gefördert wurde.23 Es war jedoch nicht nur das Interesse des Römischen Reiches an politisch und militärisch kontrollierbaren Strukturen, welches Einfluss auf die Organisationsform der gens nahm, sondern auch die Begehrlichkeiten des Verbandes selbst, wobei in den Quellen naturgemäß vor allem dessen Führungsschicht greifbar wird. „Als wichtigster, ja einziger Punkt des Forderungskatalogs ist Alarichs Wunsch überliefert, Heermeister zu werden“, kann bereits für das Jahr 391 festgestellt werden.24 Ein Ziel, welches er wenige Jahre später erreichen sollte.25 Am Beispiel Alarichs († 410), welches sich mühelos auch auf seine Nachfolger übertragen lässt, wird deutlich, dass die funktionale Integration in das bestehende römische Staatssystem ein Kernanliegen der gotischen Könige war. Dabei gilt es zu betonen, dass diese Integration sich nicht im Bereich drittklassiger Militärämter, sondern auf der höchsten römischen Offiziersebene abspielte. Wie verfehlt es bereits mit Blick auf diese Migrationsphase wäre, jene als gotisch wahrgenommene Gruppe als verheerend umherziehende und „unrömische“ Barbaren zu betrachten, wird nicht nur durch die höchstrangigen römischen Offiziersämter offenbar, die ihre Könige bekleideten. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch, dass die Letztgenannten in einigen Fällen auch der kaiserlichen Familie römisch und vor allem bedeutend genug erschienen, um eine Tochter des Hauses – in einem prononciert römischen Zeremoniell – mit einem solchen rex zu verheiraten.26 Die 23
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Zum Königtum als Element der Neustrukturierung vgl. Wolfram: Goten, S. 153 f.; Liebeschuetz: Barbarians and Bishops, S. 64. Hinsichtlich der Distanzierung der Forschung von einer dezidiert „germanischen“ Interpretation des Königtums bei den barbarischen gentes und der Betonung der Einflussnahme des Imperiums siehe jüngst ausführlich Dick: Der Mythos vom „germanischen“ Königtum; und komprimiert Ead.: Zu den Grundlagen des sogenannten germanischen Königtums. Siehe auch Wolfram: Gotisches Königtum und römisches Kaisertum; Id.: Das römische Königtum der Germanen. Wolfram: Goten, S. 151. Alarich ist sehr wahrscheinlich 397 zum ersten Mal zum magister militum berufen worden und mit Sicherheit ein zweites Mal im Jahre 405, vgl. Demandt, Alexander: Art. magister militum, in: RE Suppl., Bd. 12 (1970), Sp. 553–790, Sp. 730 ff. Im Jahr 414 heiratete der westgotische König Athaulf (410–415) Galla Placidia. Die Letztgenannte war die Tochter des ehemaligen Kaisers Theodosius und die Halbschwester des damaligen Kaisers Honorius, vgl. Olympiodorus: Fragmenta 24, hg. u. übers. v. Roger C. Blockley, in: Id., The Fragmentary Classicising Historians of the Later Roman Empire. Eunapius, Olympiodorus, Priscus and Malchus (Classical Medieval Texts, Papers and Monographs 10), Bd. 2: Text, Translation and Historiographical Notes, Liverpool 1983, S. 151–220. Siehe dazu auch Id.: Roman-Barbarian Marriages in the Late Empire, in: Florilegium 4 (1982), S. 63–79, S. 73: „The marriage of Ataulf and Placidia, accepted as valid by Romans and Visigoths, symbolized a union of Romans and Visigoths that is made explicit by the naming of their son Theodosius […].“
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Perspektive der neueren Forschung, welche die Verbindungen der Barbarenherrscher zum römischen Staatsapparat und die daraus resultierende Vielschichtigkeit dieser Figuren mit in den Blick nimmt, wird in Michael Kulikowskis einleitenden Ausführungen zu den Goten unter der Führung König Alarichs besonders deutlich: „At their head rode the general Alaric, in the full insignia of a magister militum. It was the highest command in the Roman army, won after years of politicking and military success. But Alaric was more than a Roman general. He was also a Gothic chieftain, some might have said a king. As far as contemporaries were concerned, the soldiers who followed him were Goths. Sometimes, to be sure, Alaric had put his followers at the service of the Roman emperor. When he did so, they became a unit in the Roman Army. But their loyalty was to Alaric, not to the emperor or the empire […]. In the early fifth century, the line between Roman regiment and barbarian horde was a fine one“.27 Es war den ständigen Machtverschiebungen innerhalb des Imperiums geschuldet, dass dieser schmale Grat sich häufig wandelte und die Goten nicht einzig als Feinde betrachtet und folglich vernichtet wurden – was zwar mit einiger militärischer Anstrengung verbunden, aber sicher möglich gewesen wäre –, sondern als militärischer Faktor.28 Das ist der Hintergrund für die wechselhaft und wendungsreich verlaufende Ereignisgeschichte jener Jahrzehnte.29 Auf die Frage, wodurch die gotische Identität dieser polyethnischen und vielerlei Wandlungen unterliegenden gens gewährleistet wurde, werden unterschiedliche Antworten gegeben. Peter Heather etwa geht davon aus, dass jene Identifikation, trotz der angesprochenen Veränderungen der Grup-
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Kulikowski: Rome’s Gothic Wars, S. 1; vgl. auch Giese: Die Goten, S. 39: „Somit gab es unter den Westgoten eine Tendenz, bei der man sich nicht so sehr als Fremdkörper, vielmehr als Bestandteil des römischen Reiches empfand, der mit anderen um die Führung kämpfte.“ Siehe allgemein schon Springer, Matthias: Haben die Germanen das weströmische Reich erobert?, in: Klio 64/1 (1982), S. 179–187. Elton, Hugh: Warfare in Roman Europe, AD 350–425 (Oxford Classical Monographs), Oxford 1996, S. 267. In der für ein breiteres Publikum verkürzten Version seines Gotenbuches fasst Wolfram mit Blick auf die Beschreibung der Geschichte der „Alarich-Goten“ zwischen 395 und 410 dazu wie folgt zusammen (Id.: Die Goten und ihre Geschichte [C. H. Beck Wissen 2179], München 2001, S. 55): „Das dabei zu entwerfende Bild müßte jedoch verwirrend wirken, besteht es doch aus einem ständigen Hin und Her, Vorwärts und Zurück. Man hört von Kriegszügen, Beinahe-Katastrophen, geschlossenen und gebrochenen Verträgen, Zuweisungen von Land an die Föderaten samt Verleihung von höchsten Militärämtern an ihren König sowie von der Annullierung aller dieser Zusagen, insgesamt wahrlich kein ‚Merkstoff‘ für denjenigen Leser, der den Überblick zu bewahren sucht.“
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penkonstellation, darauf beruhte, dass ein signifikant großer oder sogar der größte Teil der gens von Personen gotischer Abstammung gebildet wurde.30 Die von der „Wiener Schule“ beeinflussten Arbeiten hingegen sehen einen zahlenmäßig weit kleineren Traditionskern als Träger der ethnischen Identität, dessen Zentrum, zugespitzt formuliert, von der Herrscherfamilie der Balthen dargestellt wurde, und von dem aus sie auf den Rest der Gruppe ausstrahlte.31 Schließlich wird zu diesen Erwägungen von anderer Seite noch grundsätzlich zu bedenken gegeben, dass die Perspektive der Quellen und ihr nur spärlicher Informationsgehalt es nicht erlauben, valide Antworten auf Fragen nach der innergentilen Bedeutung von Ethnizität zu geben.32 Wie in der Einleitung thematisiert, gingen die älteren, primordialistisch geprägten Annäherungen an jene Zeit davon aus, dass Völker etwas Gegebenes und Überzeitliches waren. Die Ethnogeneseforschung hat gezeigt, wie wenig ein solch statisches Verständnis der gentes der Realität der spätantiken Gesellschaft entspricht. Für den Forschungsstand zu dem uns gestellten Thema ist jedoch bedeutend, dass auch die neueren Arbeiten aus diesem Umfeld für den weiteren Verlauf der westgotischen Geschichte nach der Migrationsphase nicht mehr die gleiche Flexibilität und Dynamik der ethnischen Identität bei ihrer Betrachtung anlegen.33 Anknüpfend an die Bemerkungen in der Einleitung ist dafür folgende implizite Erklärung anzunehmen: Demnach waren die Westgoten nach der instabilen Migrations-
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Heather: The Creation of the Visigoths, S. 67: „Many of those constituting the Visigoths were already Goths before they joined. I am, in fact, ready to argue that detailed consideration of the evidence suggests that actually most of them were […].“ Siehe dazu auch Kampers: Westgoten, S. 113. Wolfram: Goten, S. 154: „[A]m Ende der Wanderung [gab] es nur mehr eine Identität, und die repräsentierten die jüngeren Balthen.“ Kulikowski, Nation versus Army, S. 82: „All the recent discussion of ethnogenesis has been an attempt to get behind the interpretatio romana of our sources to the barbarian reality within. But as the foregoing survey of barbarian activity illustrates, we cannot do this. The sources are not a distorting mirror between us and the barbarian past. They are an opaque barrier“; siehe auch Id.: Rome’s Gothic wars, S. 57–60. Eine Ausnahme ist hier die Arbeit von Martin: La géographie du pouvoir – welche sich ethnischen Fragestellungen jedoch nur am Rande, unter einer dezidiert eschatologischen Perspektive und erst für die Zeit des Toledanischen Reiches widmet (S. 361–369) –, die aus der Perspektive einer Untersuchung der spanischen Verhältnisse zurecht wie folgt befindet (S. 365): „Il convient d’ailleurs de rappeler que les „Goths“ du Ve siècle étaient déjà le résultat d’une fusion de peuples, Greutunges, Hérules, Taifales et autres; rien ne s’opposait à ce que l’ethnogenèse gothique se poursuivît au-delà de la migration de ce peuple à travers l’Europe, ou, plus exactement, que le nom de Goths continuât à désigner un ensemble humain susceptible de s’élargir.“
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phase gleichsam am Ziel ihrer Genese angelangt und standen nunmehr als neues Volk im Licht der Geschichte. Die für die vorangegangene Zeit herausgestellte, fortwährende Neuformierung ist aus dieser Sicht nur Teil eines Prozesses, der in der „Volkwerdung“ einen Abschluss gefunden oder nach dieser zumindest eine lange währende Zäsur erfahren habe. An die Stelle der ständigen Veränderung während dieses ethnogenetischen Prozesses tritt in der Forschungsbetrachtung die vermeintliche innere Stabilität einer neue entstandenen gens.34 Zur Darstellung des historischen Kontextes zurückkehrend, stellen das foedus zwischen den Westgoten und der römischen Reichsregierung im Jahre 418/19 und das damit verbundene Ende der Migration wichtige Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der gens dar. Im Gegensatz zu vorangegangenen Vereinbarungen, die entweder eine Ansiedlung in einem entlegenen und strukturell schwachen Reichsgebiet oder Getreidelieferungen für Kriegsdienste im Auftrage des Imperiums vorsahen, fand nun eine Stationierung der westgotischen Föderaten in einer Zentralprovinz des Weströmischen Reiches statt.35 Das Kerngebiet der gotischen Ansiedlung lag in dem geographischen Raum, der durch den Verlauf der Loire, die Pyrenäen sowie die jeweiligen Küstenstreifen des Atlantiks und des Mittelmeers eingeschlossen wird.36 Die Motive des Imperiums, die Westgoten aus der Hispania zurück in die Gallia zu beordern, waren dabei vor allem militärischer Natur. Die Westgoten sollten dort als Föderaten die Aufgaben einer römischen Armee übernehmen. Über den Aspekt hinaus, dass die Westgoten innerhalb der Gallia gegen die fortwährenden Unruhen sogenannter Bagauden eingesetzt werden sollten,37 war die Regierung des Westreiches im ausgehenden vierten und zu Beginn des fünften Jahrhunderts mehrfach selber durch Usurpationen bedroht worden, die ihren Rückhalt vor allem in diesem Raum gefunden hatten. Somit kann es auch im Interesse des Imperiums gelegen haben, dort eine nicht in die lokalen Verhältnisse fest inte34
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Heather: The Creation of the Visigoths, S. 43: „Although they never called themselves such, ‚Visigoths‘ is the modern designation for that Gothic group which, under the leadership of Alaric, sacked Rome in 410, and then went on to be settled in Aquitaine 418 or 418/19. In the course of the fifth century, this same group went on to establish a kingdom independent of the Roman Empire, and to spread its domination across large parts of southern Gaul and Spain.“ Siehe auch Wolfram: Goten, S. 125. Kulikowski: Nation versus Army, hingegen stellt gerade an diesem Beispiel das Ethnogenesemodell aufgrund der Quellenlage als teleologischen Ansatz in Frage. Zu den zuvor gescheiterten Versuchen siehe Wolfram: Gotische Studien, S. 181–187. Vgl. Wolfram: Goten, S. 178 f.; Heather: The Goths, S. 181. Wolfram: Goten, S. 179 f.
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grierte Militäreinheit gegen etwaige weitere Usurpationsversuche zur Verfügung zu haben.38 Andererseits wurden die westgotischen Föderaten häufig gegen andere barbarische gentes auf der Iberischen Halbinsel eingesetzt.39 Gerade vor diesem Hintergrund handelt es sich in der Perspektive des Jahres 418/19 in erster Linie um die planmäßig vollzogene Einquartierung eines militärischen Verbandes, die sehr wahrscheinlich sogar mit der Bevölkerung der Provinz abgesprochen war.40 Erst die Entwicklungen der Folgejahre haben dann zu einer permanenten Präsenz und schließlich zur Formierung eines von den Westgoten dominierten politischen Verbandes geführt, der als regnum, patria Gothorum oder limes Gothicae sortis bezeichnet wurde.41 Die Leistungen, sich über einen langen Zeitraum in einem oftmals feindlich gesinnten Umfeld zu behaupten, wie auch der zuletzt genannte Aspekt, haben zu der Annahme geführt, dass dies nur von einem sehr großen Volk habe erreicht werden können.42 Dies führt uns zu der Frage nach der zahlenmäßigen Größe dieser gens am Anfang des fünften Jahrhunderts. Ludwig Schmidt etwa taxiert die Westgoten für das Jahr 418 auf wenigstens 80 000 bis 100 000 Personen.43 Diese Zahl geht auf die durch Victor von Vita überlieferte Anzahl
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Kulikowski, Michael: The Visigothic Settlement in Aquitania. The Imperial Perspective, in: Mathisen/ Shanzer (Hg.), Society and Culture, S. 26–38, S. 32. Heather: The Goths, S. 182. Zur Absprache mit der Provinzialbevölkerung siehe Lütkenhaus, Werner: Constantius III. Studien zu seiner Tätigkeit und Stellung im Westreich 411–421 (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte 44), Bonn 1998, S. 113–121; Wolfram: Gotische Studien, S. 187 f. und zur Bewertung als militärische Einquartierung siehe Id.: Goten, S. 226, sowie Burns, Thomas S.: The Settlement of 418, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 53–63, S. 61 ff.; Jiménez Garnica, Ana María: The Settlement of the Visigoths in the Fifth Century, in: Heather (Hg.), The Visigoths, S. 93–115, S. 97. Andere Meinungen betonen eher das Problem, dass die Goten auf der ständigen Suche nach Nahrung verheerend durch das Reichsgebiet zogen und stellen die militärische Funktion der Lösung dieses Problems gegenüber in den Hintergrund, vgl. Nixon, Charles E. V.: Relations Between Visigoths and Romans in Fifth-Century Gaul, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 64–74, S. 68: „[T]he Visigoths were no mere war-band, moving at will and living freely off the land. They were a people, eating whole tracts empty“. Für eine eher militärische Prägung der Alarich-Goten hingegen argumentiert Liebeschuetz, J. H. W. G.: Alaric’s Goths. Nation or Army?, in: ibid., S. 75–83. Vgl. Kulikowski: Visigothic Settlement, S. 28. Zu den Bezeichnungen siehe Schmidt: Ostgermanen, S. 503; Wolfram: Goten, S. 213 f. Etwa Nixon: Relations Between Visigoths and Romans, S. 65. Schmidt: Ostgermanen, S. 49 ff.
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von 80 000 Vandalen zurück, die unter Geiserich nach Afrika gelangt seien.44 Die daraus abgeleitete Größe der westgotischen gens geht von der Schlussfolgerung aus, dass die über die Vandalen siegreichen Westgoten König Valias (415–419) mindestens ebenso zahlreich oder eher noch mehr als jene gewesen sein müssten.45 Abgesehen davon, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss, ist das Fazit von Walter Goffart sehr vielsagend, zu welchem er im Anschluss an seinen Versuch gelangt, die Zahl der Vandalen genauer zu bestimmen: „How many Vandals and other barbarians Geiseric led to Africa continues to be anybody’s guess.“46 Ein spezielles Problem bei Zahlenangaben zu den barbarischen gentes während der Migrationsphase ist dabei die Unklarheit darüber, ob sie sich nur auf die Anzahl der Krieger beziehen oder deren Familien und weiteres Gefolge mit einschließen. Über dieses Spezifikum hinaus sieht sich der Historiker bei allen Nennungen größerer Personenzahlen, insbesondere in erzählenden Quellen, jedoch auch grundsätzlichen Problemen gegenübergestellt. Angesichts der vergleichsweise eingeschränkten Möglichkeiten, große Menschenmengen zahlenmäßig relativ präzise zu bestimmen, ist beispielsweise davon auszugehen, dass die vermeintlich exakten Angaben seitens der Verfasser keine genaue Anzahl bestimmen, sondern lediglich „sehr viele“ bedeuten sollten. Und schließlich können auch symbolische Zahlen im Sinne einer „poetic number“ als literarische Figur dienen.47 Dies mag auch der Grund dafür sein, dass sich Peter Heather trotz der Zahlennennungen der Quellen in seiner als „number crunching“ überschriebenen, differenzierten Untersuchung zur Zusammensetzung der einzelnen Gruppen während der vierzigjährigen Migrationsphase der Goten einer Einschätzung zur absoluten Größe der gens enthält.48 Die Information bei Olympiodorus, dass der westgotische König Valia im Jahr 416 für einen Friedensschluss und die Rückkehr Galla Placidias 600 000 modii Getreide erhalten haben soll, bietet einen anderen Zugang zu dieser Frage.49 Von dieser Angabe ausgehend, sind in einer
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Victor von Vita: Historia persecutionis Africanae provinciae 1,2, hg. v. Michael Petschening (CSEL 7), Wien 1881 (ND New York 1967). Hydatius: Chronicon 59, Vandali Silingi in Betica per Valliam regem omnes extincti. Goffart, Walter: Barbarians and Romans (AD 418–584). The Techniques of Accomodation, Princeton 1980, S. 231–234, Zitat S. 234. Siehe zur konkreten Frage der Größe der vandalischen Gruppe sowie zur methodischen Problematik allgemein auch Berndt: Konflikt und Anpassung, S. 120 ff. Goffart: Barbarians and Romans, S. 234. Heather: The Creation of the Visigoths, S. 52–55. Heather geht es dabei vor allem um das relative Größenverhältnis der einzelnen Gruppen zueinander. Olympiodorus: Fragmenta 30.
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Reihe neuerer Untersuchungen Zahlen von 10 000 bis 25 000 Krieger errechnet worden.50 Diese von den Versorgungszahlen für römische Militäreinheiten ausgehenden Berechnungen setzen jedoch voraus, dass es sich bei den 600 000 modii um eine Jahreszahlung gehandelt hat.51 Diese Frist entspricht zwar der üblichen Verfahrensweise, dass sie auch für diese Vereinbarung gilt, ist jedoch eine nicht verifizierbare Annahme, da die einzige Quelle sich dazu nicht äußert. Legen wir den für die Bevölkerung der Stadt Rom bestimmten Verbrauch von 22,5 bis 30 modii pro Person pro Jahr zugrunde,52 so wird deutlich, dass die genannte Getreidelieferung als Jahresration nur etwa für die als Krieger genannte Anzahl an Personen ausreichen würde.53 Es wird jedoch generell davon ausgegangen, dass sich die Gesamtzahl der Personen einer gens in dieser Zeit auf das Vier- oder Fünffache der jeweiligen Kriegeranzahl belaufe.54 Damit läge die Zahl der gesamten Gruppe zwischen 40 000 und 125 000 Personen. Wenn wir bei den 600 000 modii von einer Jahreszahlung ausgehen, wovon lebte dann der Rest der Gruppe, inklusive der Tiere, die in dieser Rechnung gar keine Berücksichtigung finden? Es wird damit deutlich, dass sich die beiden in diesem Zusammenhang auftretenden Annahmen – zum einen jene der 600 000 modii Getreide als Ernährungsgrundlage für ein Jahr und zum anderen jene der fünffach größeren Volks- im Vergleich zur Kriegerzahl – gegenseitig ausschließen. Da nicht zu klären ist, ob die gens folglich kleiner war (vielleicht tatsächlich nur Soldaten?) oder die 600 000 modii nur eine kurzfristige Versorgungsgrundlage einer weit größeren gens waren, können über die Zahl westgotischer Föderaten für diese Zeitstufe höchstens Schätzungen ange-
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Diese gehen vor allem auf die Berechnungen von Jones, Arnold H. M.: The Later Roman Empire 284–602. A Social Economic and Administrative Survey, Bd. 2, Oxford 21973 [1. Aufl. 1964], S. 1109 Anm. 65 (15 000), und Rouche, Michel: L’Aquitaine des Wisigoths aux Arabes, 418–781. Naissance d’une région, Paris 1979, S. 163 (20 000) zurück. Auf diese stützen sich etwa Wolfram: Goten, S. 434 Anm. 146 (20 000); Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 193 f. (10 263); Liebeschuetz: Barbarians and Bishops, S. 73 (20 000); Lütkenhaus: Constantius III., S. 90 (15–20 000); Nixon: Relations Between Visigoths and Romans, S. 65 (25 000). Jones: Later Roman Empire, Bd. 2, S. 1109 Anm. 65: „[I]f this was an annual allowance it would feed 15,000 men.“ Garnsey, Peter: Grain for Rome, in: Id./ Hopkins, Keith/ Whittacker, Charles R. (Hg.): Trade in the Ancient Economy, London 1983, S. 118–130, S. 118. Noch nicht berücksichtigt ist dabei, dass der durchschnittliche Nahrungsbedarf eines körperlich stark geforderten Soldaten deutlich höher gelegen haben dürfte, als jener der Stadtbevölkerung. Wolfram: Terminologisches, S. 788 Anm. 9.
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stellt werden.55 Da es für das westgotische Spanien etwa 100 Jahre später keinerlei weitere Berechnungsgrundlage gibt,56 ist hervorzuheben, dass angesichts dieser äußerst vagen Informationsbasis alle Aussagen, welche über die Anzahl westgotischer Einwanderer auf die Iberische Halbinsel gemacht werden, vollends zur Spekulation geraten. Wenden wir uns im Anschluss an diese Ausführungen wieder der Stationierung des Jahres 418/19 zu, so sind aus den spärlichen Informationen der zeitnahen Quellen die genauen Modalitäten auch hier kaum zu rekonstruieren.57 Erst der mindestens zwei Generationen jüngere Codex Euricianus liefert indirekt weitere Angaben zu einer Landverteilung im Zusammenhang mit dieser Ansiedlung.58 Auf dieser Grundlage entwickelte Ernst Theodor Gaupp bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts die lange Zeit gültige Lehrmeinung, dass die gallischen Provinzialen lediglich ein Drittel, die tertia Romanorum, ihres Landbesitzes behalten konnten, während zwei Drittel enteignet und den Westgoten als sors Gothica übereignet worden seien.59 Dieses Modell der hospitalitas wurde in den 1980er Jahren durch Walter Goffart und Jean Durliat dahingehend umgedeutet, dass die Bezahlung der westgotischen Föderaten nicht durch die direkte Enteignung und Umverteilung von Land erfolgt sei, sondern dadurch, dass der römische Staat die Provinzialen stattdessen dazu anwies, zwei Drittel des auf dem Land liegenden Steuerertrages direkt an den westgotischen König und dessen Krieger auszuzahlen.60 Auch wenn diese These zunächst mit einiger Zurückhaltung 55
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Siehe zur generellen Skepsis hinsichtlich der Ermittlung von Personenzahlen aufgrund des Mangels an gegebenen Größen, die für die Berechnung notwendig wären, auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 73. Zu den „westgotischen Gräberfeldern“, die stellenweise für solche Überlegungen herangezogen werden, siehe unten Kap. 3.2.1. Zur zeitgenössischen Überlieferung siehe Hydatius: Chronicon 63 u. 69, sowie Prosper von Tiro: Chronicon 1271 (a. 419), und Philostorgius: Kirchengeschichte 12,4, hg. v. Joseph Bidez, überarb. v. Friedhelm Winkelmann, in: Philostorgius Kirchengeschichte. Mit dem Leben des Lucian von Antiochien und den Fragmenten eines arianischen Historiographen (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte), Berlin 31981 [1. Aufl. Leipzig 1913], S. 1–150. Siehe dazu auch Kulikowski: Visigothic Settlement, S. 26 f. Codex Euricianus 277, hg. v. Karl Zeumer, in: Leges Visigothorum (MGH LL nat. Germ. 1) Hannover 1902 (ND 1972), S. 1–32. Gaupp, Ernst Theodor: Die germanische Ansiedlung und Landtheilung in den Provinzen des römischen Westreichs, Breslau 1844 (ND Aalen 1964), zu den Westgoten siehe besonders S. 394–399. Goffart: Barbarians and Romans, hier besonders S. 103–126, und Durliat, Jean: Le salaire de la paix sociale dans les royaumes barbares (Ve–VIe siècles), in: Wolfram, Herwig/ Schwarcz, Andreas (Hg.), Anerkennung und Integration. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen der Völkerwanderungszeit (400–600) (Österreichische
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aufgenommen wurde,61 so lässt sich mittlerweile konstatieren, dass sie das moderne Verständnis der Ansiedlungsmodalitäten in hohem Maße beeinflusst hat.62 Da generalisierende und eindeutige Aussagen angesichts des fragmentarischen und komplizierten Quellenbefundes schwer fallen, bemüht die Forschung sich gegenwärtig um Kompromisse zwischen den beiden Positionen. Diese ziehen beispielsweise die Möglichkeit in Betracht, dass auf eine anfängliche Auszahlung von Steuereinnahmen zu einem späteren Zeitpunkt schließlich der Besitz des Landes folgte,63 oder sie lassen prinzipiell beide Ansätze gelten und halten eine Untersuchung des jeweiligen Einzelbeispiels für notwendig.64 Dementsprechend geht die Forschung auch mit Blick auf die Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien nunmehr von differenzierten Verfahrensweisen aus, nach welchen eine Gruppe vornehmlich in den Städten untergekommen und bezahlt worden sei, während eine andere tatsächlich Siedlungsland erhalten habe.65 Diese unterschiedlichen Verfahrensweisen wären als Konsequenz einer sozialen Differenzierung innerhalb der gens beziehungsweise der zu versorgenden Armee zu erklären.66 Die Quellenbasis für die westgotische Ansiedlung in Aquitanien
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Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 193 = Veröffentlichungen der Kommission für Frühmittelalterforschung 11), Wien 1988, S. 21–72. Die ausführliche und sehr spezialisierte Diskussion über die Ansiedlungsmodalitäten kann hier nur verkürzt wiedergegeben werden. Ein Zwischenresümee liefert der aus einer Tagung im Jahre 1986 resultierende Band Wolfram/ Schwarcz (Hg.), Anerkennung und Integration. Für einen aktuellen Überblick siehe die entsprechenden Abschnitte in den jüngeren Veröffentlichungen Wolframs und Goffarts, in denen die maßgeblichen älteren Beiträge in einer aktualisierten Form vorliegen, Wolfram: Gotische Studien, S. 174–206; Goffart: Barbarian Tides, S. 119–186, zu den Westgoten besonders S. 135–143, sowie Halsall: Barbarian Migrations, S. 422–447. Siehe z. B. Cesa, Maria: Hospitalità o altre techniques of accommodation? A proposito di un libro recente, in: Archivo Storico Italiano 140 (1984), S. 539–552; Barnish, Sam J. B.: Taxation, Land and Barbarian Settlement in the Western Empire, in: Papers of he British School of Rome 54 (1986), S. 170–195; und mit Blick speziell auf die Westgoten Nixon: Relations Between Visigoths and Romans, S. 69–73. Als bestes Beispiel dafür kann die Rezeption des neuen Ansatzes durch Herwig Wolfram gelten: Dessen Kapitel zur Ansiedlung der Westgoten folgten zunächst noch ganz dem Gauppschen Modell und erfuhren ab der dritten Auflage, orientiert an den Ansichten Goffarts, schließlich eine grundlegende Revision. Siehe zu dieser Darstellung auch Wolfram: Gotische Studien, S. 178 f. Vgl. Pohl, Walter: Die Völkerwanderung. Eroberung und Integration, Stuttgart/ Berlin/ Köln 2002, S. 35 f.; Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 86. Z. B. Claude, Dietrich: Zur Ansiedlung barbarischer Föderaten in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, in: Wolfram/ Schwarcz (Hg.), Anerkennung und Integration, S. 13–16. Burns: Settlement, S. 60 f.; Jiménez Garnica: Settlement, S. 97. Wolfram: Gotische Studien, S. 190.
Die „westgotische“ Vorgeschichte bis zur Ansiedlung in der Gallia
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erscheint jedoch insgesamt derart, dass es nicht möglich scheint, die Thesen dazu auf einen festeren Grund als jenen der Plausibilitätserwägungen zu gründen.67 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es zu einer generellen Aufteilung des Landes zwischen Goten und Provinzialrömern mit zwei Dritteln zugunsten der Erstgenannten realiter so nicht gekommen ist. Dies erscheint schon deswegen nicht vorstellbar, da die Goten nicht etwa als Eroberer aus einer Position der Überlegenheit, sondern unter der Kontrolle und nach dem Willen des Imperiums angesiedelt wurden.68 Aber auch für einen Zeitpunkt der nachlassenden Macht des Römischen Reiches ist eine solche Verteilung nicht anzunehmen, da sie wohl kaum jene Akzeptanz gefunden hätte, welche das Ausbleiben signifikanter Widerstände gegen die gotische Präsenz nahelegt.69 Zur Langlebigkeit von Gaupps These hat sicher auch die nicht ideologiefreie Vorstellung der älteren Forschung beigetragen, welche die frühmittelalterlichen gentes vor allem als egalitäre und agrarisch geprägte Völker auf der Suche nach der eigenen Scholle verstand. Diese Sichtweise ist jedoch zugunsten einer Perspektive aufgegeben worden, welche in den Westgoten in erster Linie einen Militärverband sieht, der zwar in wechselnden Verhältnissen zur römischen Zentralmacht stand, dessen vorrangiges Interesse es gleichwohl war, am römischen Militär- und Staatsapparat teilzuhaben, um von ihm profitieren zu können.70 Entsprechend der militärischen und sozialen Hierarchie einer solchen gens, kann sich dieser angestrebte Profit sehr unterschiedlich ausgedrückt haben und von der Sicherung des eigenen Überlebens bis hin zum Anspruch auf jenen bewirtschafteten Großgrundbesitz gereicht haben, welcher die Basis des Lebensstils der römischen Eliten darstellte. Die Ausführungen zur Personenstärke der gens haben einerseits die Problematik einer solchen Berechnung gezeigt und lassen mit Blick auf die im Weiteren noch zu behandelnde westgotische Einwanderung in die Hispania
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Vgl. Kulikowski: Visigothic Settlement, S. 34 ff. Kulikowski: Visigothic Settlement, S. 36; Halsall: Barbarian Migrations, S. 436. Wolfram: Gotische Studien, S. 192. Liebeschuetz: Alaric’s Goths, S. 75: „Alaric and his men started as a band of Teruingian mercenaries, who were drawn deep into the Empire by the prospect of living on the Empire’s elaborate organization for paying soldiers their annona in kind. They realized that by exploiting this facility they would be able to live not only more plentiful but also more glorious lives. At the same time they were aware that the weakness of the Empire’s native military resources gave them something like a monopoly-bargaining position.“
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Die historischen Voraussetzungen
den spekulativen Charakter jeglicher Bezifferung dieses Vorgangs deutlich werden. Als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung ist ferner zu unterstreichen, dass die vielfach vorgenommene Rückprojektion der gotischen Geschichte bis ins erste Jahrhundert nach Christus problematisch erscheint. Eine nachvollziehbare Kontinuität stellt seit der Mitte des dritten Jahrhunderts das Ethnonym Gothus dar, unter welchem sich bis zum beginnenden fünften Jahrhundert in diachroner Betrachtung gleichwohl sehr heterogene Gruppen zusammenfanden. Die Dynamik einer fortwährenden Veränderung der gens ist für diese Phase sehr detailliert in der Forschung beschrieben worden. In dieser Arbeit wird im Folgenden jedoch die implizite Annahme hinterfragt, dass dieser Prozess mit dem vermeintlichen Abschluss der westgotischen Ethnogenese nach der Ansiedlung in der Gallia bis zur angenommenen Verschmelzung der Westgoten und HispanoRomanen im siebten Jahrhundert eine Zäsur erfuhr. Wenn damit jedoch hinsichtlich der ethnischen Prozesse eine näher zu bestimmende Kontinuität der Verhaltensweisen und Strategien angenommen wird, so ist gleichzeitig deutlich hervorzuheben, dass die von der Niederlassung der Goten in Aquitanien ausgehende Entwicklungen des fünften Jahrhunderts in struktureller Hinsicht als ein tiefgreifender Wandel und in gewisser Weise als ein Neuanfang zu bewerten sind.71 So führten die auf verschiedenen Ebenen sich vollziehenden Machtverlagerungen und Desintegrationsprozesse des Westreiches dazu, dass sich in der Gallia, und von dort bis auf die Iberische Halbinsel ausgreifend, ein eigenständiges westgotisches Königreich etablierte, welches gleichzeitig das erste der sogenannten barbarischen Königreiche auf ehemals römischem Boden war. Die für diesen politischen Verband namengebenden Goten sind nur sehr bedingt mit jenem Heerhaufen der „vierzigjährigen Wanderung“ oder gar mit den Gothi des Schwarzmeerraumes zu vergleichen.
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Siehe zu dieser Einschätzung etwa auch Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 285 f.; Kulikowski: Rome’s Gothic Wars, besonders S. 183 f.
Das Tolosanische Reich
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2.2 Das Tolosanische Reich – zwischen römischer Provinz und westgotischem regnum Nach ihrer Ansiedlung erfahren wir über die Geschicke der Westgoten bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts wenig.72 Wenn sie in dieser Zeit erwähnt werden, dann fast ausnahmslos im Zusammenhang mit Militäroperationen. Von Anfang an ist dabei „ein Schwanken zwischen bündnistreuem Stillhalten und Aggression“73 kennzeichnend für die gotische Politik. So führten die Westgoten einerseits als föderierte Armee unter der Autorität des Römischen Reiches Militärexpeditionen gegen Vandalen und Sueben auf der Iberischen Halbinsel aus und kämpften bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451 auf römischer Seite.74 Andererseits nutzten sie ungeachtet jedweden Bündnisverhältnisses Schwächen des römischen Staates sofort, um ihre eigene Position im gallischen Machtgefüge zu stärken. Bedeutende Städte wie Arles und Narbonne wurden in den 420er und 430er Jahren jeweils mehrfach belagert.75 Das Ziel war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich weniger die Eroberung der Städte, als vielmehr die westgotische Position in Verhandlungen mit dem Imperium durch das militärische Muskelspiel der Belagerungen aufzuwerten.76 Etwa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts konnte dieses politisch-militärische Kräftemessen von den Truppen des Westreiches unter der Führung des magister militum Aëtius noch 72
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Die Ereignisgeschichte des Tolosanischen Reiches wird hier nur hinsichtlich ausgewählter Aspekte behandelt. Einen raschen Gesamtüberblick bieten etwa Claude: Westgoten, S. 28–53; Giese: Goten, S. 41–62; Kampers: Westgoten, S. 121–135. Die einzigen Monographien bleiben Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, und die maschinenschriftliche Dissertation von Hagith Sivan, die als Druck eines verfichten Exemplares zugänglich ist, siehe Ead.: Romans and Barbarians in Fifth Century Aquitaine. The Visigothic Kingdom of Toulouse (AD 418–507), Ann Arbor 1988 [Ph.D. Diss. Columbia University 1983]. Vertieft behandelt wird das Tolosanische Reich auch bei Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 18–54; Wolfram: Goten, S. 178–248; Heather: Goths, S. 181–215; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 47–124. Siehe ferner die beiden Sammelbände Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul; Mathisen/ Shanzer (Hg.), Society and Culture. Giese: Goten, S. 43. Zu den Militäroperationen auf der Iberischen Halbinsel siehe Hydatius: Chronicon 55, 60, 63, 77, 92, 97, 134, 158 und zur Schlacht gegen die Hunnen Jordanes: Getica 186–190. Prosper von Tiro: Chronicon 1324 (a. 436); Hydatius: Chronicon 92, 107. Siehe dazu Wolfram: Goten, S. 180 f.; Heather, Peter: The Emergence of the Visigothic Kingdom, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 84–94, hier S. 84 f.; Id.: Goths, S. 185 f.; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 47 ff.
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Die historischen Voraussetzungen
weitgehend kontrolliert werden.77 Zur Destabilisierung der Situation für das Römische Reich trugen unter anderem die zwei im Zusammenhang mit innerrömischen Machtkämpfen begangenen Morde an Aëtius und Kaiser Valentinian III. bei. Zunächst hatte der Kaiser die Liquidierung Aëtius’ in Auftrag gegeben, da er in dem erfolgreichen Heermeister einen potentiellen Konkurrenten fürchtete und wenig später fiel der Kaiser im Jahr 455 einer Vergeltung seitens der Parteigänger seines Rivalen zum Opfer.78 Zu den strukturellen Faktoren, die zu einer politisch-militärischen Schwächung des Imperiums führten, trat von nun auch eine personelle Komponente, denn mit Aëtius und Valentinian verließen die letzten politischen Akteure von Format die politische Bühne des Westreiches, die längerfristig Einfluss und eine gewisse Integrationskraft ausüben konnten.79 Die Westgoten nutzen diese Konstellation dazu, um in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts noch selbstbewusster und aggressiver aufzutreten.80 So dokumentiert etwa die Außenwahrnehmung des Bischofs Hydatius von Aquae Flaviae81, dass die Westgoten von den 450er Jahren an zur entscheidenden politischen Größe in der Gallia und zusehends auch auf der Iberischen Halbinsel wurden. Nach dem Jahr 456 nimmt Hydatius in seiner zeitnah zu den Jahren 428 bis 469 verfassten Chronik mit nur zwei Ausnahmen stets Bezug auf die Goten, wenn er über Ereignisse in der Gallia berichtet, und auch ihren Aktivitäten in der Hispania schenkt der Chronist von da an große Aufmerksam-
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Vgl. dazu Stickler, Timo: Aëtius. Gestaltungsspielräume eines Heermeisters im ausgehenden Weströmischen Reich (Vestigia 54), München 2002, S. 203–211. Jones, Arnold H. M./ Martindale, John R./ Morris, John (Hg.), The Prosopography of the Late Roman Empire, 3 Bde., Cambridge et al. 1971–1992. (Bd. 1: 260–395, 1971; Bd. 2: A.D. 395–527, 1980; Bd. 3: A.D. 527–641, 1992, im Weiteren zitiert als PLRE 1–3). Siehe zu Aëtius PLRE 2, S. 20–29 u. zu Valentinian III., S. 1138 f. Vgl. Schneider, Helmuth: Das Ende des Imperium Romanum im Westen, in: Lorenz, Richard/ Baumgärtner, Ingrid (Hg.), Das Verdämmern der Macht. Vom Untergang großer Reiche, Frankfurt a. M. 2000, S. 26–43, S. 37 f., S. 41. Zu einer umfassenden Darstellung und Diskussion von strukturellen und personalen Elementen der Destabilisierung im Falle Aëtius’ siehe Stickler: Aëtius, S. 155–253. Jordanes, Getica 237, 244. Zu Einzelheiten der Expansion und Etablierung des regnum, auf deren Darstellung hier verzichtet wird, siehe z. B. Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 39–47; Sivan: Romans and Barbarians, S. 22–33; Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 81–130; Wolfram: Goten, S. 186–195; Heather: The Goths, S. 187–191; Mathisen, Ralph W./ Sivan, Hagith S.: Forging a New Identity. The Kingdom of Toulouse and the Frontiers of Visigothic Aquitania (418–507), in: Ferreiro, Alberto (Hg.), The Visigoths. Studies in Culture and Society, Leiden/ Boston/ Köln 1999, S. 1–62, S. 19–23. Das heute im nördlichen Portugal gelegenen Chaves, vgl. Hübner, Wolfgang: Art. Aqua/Aquae, in: RE 2/1 (1965), Sp. 300.
Das Tolosanische Reich
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keit.82 In der Herrschaftszeit Theoderichs II. (453–466) und noch forciert unter der seines Bruders Eurich (466–488), der Theoderich umgebracht hatte, um selbst herrschen zu können,83 nahmen die Westgoten endgültig keine Rücksicht mehr auf etwaige Vertragsverpflichtungen dem Imperium gegenüber, sondern betrieben eine aggressive Expansionspolitik.84 „Das Ergebnis: der bedeutendste Nachfolgestaat des Römerreichs, ein gallischspanisches Regnum, in dem auf einer dreiviertel Million Quadratkilometern an die zehn Millionen Menschen lebten. Das neue Königreich übertraf das alte Föderatenland um mehr als das Sechsfache seines Umfangs.“85 Aus der Ansiedlung einer föderierten gens in einem begrenzten Gebiet war schließlich ein selbständiges Großreich unter westgotischer Führung entstanden, dessen Einflussgebiet sich bis auf die Pyrenäenhalbinsel erstreckte.86 Es wäre jedoch völlig verfehlt, diese Entwicklung einzig unter einer Perspektive der Eroberung zu sehen, denn der langwierige Prozess der Dezentralisierung des Reiches und die dadurch begünstigte Kooperation der einheimischen Eliten mit den Westgoten waren entscheidende Faktoren, welche die Entstehung des Tolosanischen Reiches überhaupt erst möglich machten. War Rom in der klassischen Zeit des Imperiums in jeder Hinsicht dessen Gravitationszentrum, galt dies im fünften Jahrhundert nicht einmal mehr für das Westreich. Die von Rom ausgehende, übergreifende politische Struktur des Imperiums war in beträchtlichem Maße ins Wanken geraten und ein dadurch dezidiert als römisch erkennbarer Karriereweg war für die Magnaten aus den Provinzen häufig abgeschnitten. Ihr Blick schränkte sich nunmehr vornehmlich auf ihr regionales Umfeld ein.87 Neben dieser ökonomisch-sozialen und seiner kulturellen Anziehungskraft, hatte das Römi82
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Siehe dazu Burgess, Richard W.: From Gallia Romana to Gallia Gothica. The View from Spain, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 19–27, hier S. 26 f. Hydatius: Chronicon 237. Isidor von Sevilla: De origine Gothorum [= Historia Gothorum] 34, hg. v. Cristóbal Rodríguez Alonso, in: Las historias de los Godos, Vándalos y Suevos de Isidoro de Sevilla. Estudio, edición crítica y traducción (Fuentes y estudios de historia Leonesa 13), León 1975, S. 163–287; Jordanes: Getica 244; Chronica Gallica 651, hg. v. Theodor Mommsen, in: Chronica Minora (MGH AA 9), Bd. 1, Berlin 1892 (ND 1961), S. 615–666. Wolfram: Goten, S. 187. Der Charakter der Expansion des Tolosanischen Reiches auf die Hispania wird weiter unten näher erörtert, vgl. besonders Kap. 3.1 bis 3.3. Brown: The World of Late Antiquity, S. 115–135, S. 126: „In western Europe, the fifth century was a time of narrowing horizons, of the strengthening of local roots, and the consolidation of old loyalties. […] This can be seen most clearly in Gaul“; Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 168–173; Moorehead, John: The Roman Empire Divided (400–700), London 2001, S. 27–30; Schneider: Das Ende des Imperium Romanum.
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sche Reich seinen Provinzen ferner vor allem Schutz durch seine Soldaten geboten. Dazu war das Imperium jedoch immer weniger in der Lage gewesen, wie gerade die Stationierung der Westgoten als Föderatenarmee zeigt. Es sind mehrere Gründe dafür zu nennen, warum das Römische Reich immer mehr Legionen aus den Provinzen abzog.88 Zum einen wird vermutet, dass das Reich im fünften Jahrhundert nicht mehr in der Lage gewesen sei, hinreichend große Armeen aus eigenen Mitteln zu mobilisieren, die den militärischen Anforderungen hätten gerecht werden können. Als ein wichtiger Faktor, der in der Perspektive eines vermeintlichen Existenzkampfes des Reiches gegen anstürmende Barbaren nur allzu leicht übersehen wurde, ist auch anzuführen, dass sich dem römischen Militär die größte Aufgabe zu dieser Zeit nicht an den Grenzen, sondern in Form von Machtkämpfen im Inneren des Reiches stellte.89 So liest sich die Ereignisgeschichte der Spätphase des Westreiches als eine permanente Folge von Intrigen, Usurpationen und Rebellionen.90 Diese Umstände entsprachen dabei keineswegs dem Schutzinteresse der von Raubzügen bedrohten senatorischen Oberschicht in den jeweiligen Provinzen. Auch in militärischer Hinsicht minderte sich im Laufe der Zeit also der Nutzen, den die gallische Oberschicht aus der Existenz des Imperiums zog. Vergleichsweise effizient hingegen zeigte sich das Römische Reich wenn es darum ging, Steuern einzuziehen. Dieses Faktum dürfte ebenfalls nicht gerade eine integrative Wirkung auf die Provinzialbevölkerung ausgeübt haben.91 Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind die Beschwerden römischer Autoren wie Salvian von Marseille oder Orosius über das römische Steuerjoch, einhergehend mit dem Lob für die im Vergleich eher milde westgotische Herrschaft.92 Für die gallische Oberschicht mag es eingedenk der weiteren Umstände vielleicht sogar von Vorteil gewesen sein, ihre Steuerabgaben nicht an das zusehends unattrak-
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Collins, Roger: Early Medieval Europe (300–1000), London 21999, S. 81–86; Pohl: Völkerwanderung, S. 31 f. Schneider: Das Ende des Imperium Romanum, S. 30. Demandt, Alexander: Die Spätantike. Römische Geschichte von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (Handbuch der Altertumswissenschaften 3. Abt., 6. Teil), München 1989, S. 137–156; Blockley, Roger C.: The Dynasty of Theodosius, in: Cameron, Avril (Hg.), The Late Empire. A.D. 337–425 (The Cambridge Ancient History 13), Cambridge 1998, S. 111–137. Aus militärischer Perspektive siehe Elton: Warfare, S. 193–198, S. 227–233. Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 86 f.; Wolfram: Goten, S. 235; Schneider: Das Ende des Imperium Romanum, S. 31. Ausführlich Salvian von Marseille: De gubernatione dei 5,15–36, hg. v. Karl Halm, in: Salviani presbyteri Massiliensis libri qui supersunt (MGH AA 1/1), Berlin 1877 (ND 1961), S. 1–108; Orosius: Historia adversum paganos 7,41,7.
Das Tolosanische Reich
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tiver werdende Imperium, sondern direkt an die westgotischen Föderaten zu entrichteten. Hinsichtlich der Organisation des entstehenden Königreiches betont die Forschung mittlerweile einhellig die essentielle Bedeutung des Fortbestehens der wesentlichen Merkmale des römischen Verwaltungssystems.93 Die administrative Einteilung des Reichsgebietes in civitates wurde beibehalten und Toulouse als Sitz des Königshofes zur zentralen Bezugsebene für die comites, die den civitates vorstanden. Die für den Königshof wichtigste Verwaltungsaufgabe war die Sicherung der Einkünfte aus den Steuereinnahmen, worin auch dem römischen Modell Folge geleistet wurde. Allerdings wurden diese Steuern nicht mehr an das Imperium weitergeführt, sondern direkt vom König verwaltet. Auch im Bereich des Rechts wird mittlerweile betont, dass die westgotische Gesetzgebung des Tolosanischen Reiches keineswegs als ein angepasstes und kodifiziertes „germanisches“ Gewohnheitsrecht zu bewerten ist, sondern insgesamt vollauf von römischen Vorbildern ausging.94 An der Spitze dieses Staatsapparates spätantiker Prägung, in welchem Toulouse zur Residenz- und Hauptstadt wurde, stand freilich – und hierin liegt ein bedeutender Unterschied zum Römischen Reich – der westgotische König und dessen Hof.95 Die Thronfolge betreffend ist in Anlehnung an die Darstellung der Gotengeschichte des Jordanes die Tradition des Balthischen Königsgeschlechts der Westgoten betont worden.96 Tatsächlich stammten von 419 bis zur westgotischen Niederlage in Vouillé alle Könige von Theoderich I. (419–451) bis zu Alarich II. (484–507) aus diesem Geschlecht. Diese Tatsache kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die westgotische Thronbesetzung durch eine Mischung aus „dynastischer“ Nachfolge und Wahl bestimmt wurde. Die Herkunft eines Thronaspiranten aus der einflussreichen Herrscherfamilie verschaffte diesem zweifellos eine besonders privilegierte Ausgangsposition. 93
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Siehe dazu Wolfram, Goten, S. 213–220; Heather: Goths, S. 194–198; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 69–99. Siehe ausführlich Kap. 2.3.1. Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, fasst dazu wie folgt zusammen, S. 286: „Un único poder, el del rey visigodo, se impuso sobre un espacio concreto y bien delimitado y, por lo tanto, todos sus habitantes, tanto godos como exprovinciales romanos, quedaron sometidos a su autoridad. […] A lo largo del s. V, los reyes visigodos fueron añadiendo a su papel de jefes guerreros las actividades legislativas y judicial y se convirtieron en la cabeza de la maquinaria administrativa y financiera del reino.“ Claude, Dietrich: Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich (VuF, Sdrbd. 8), Sigmaringen 1971, S. 36–39; Wolfram: Goten, S. 206 ff.; García Moreno, Luis A.: History Through Family Names in the Visigothic Kingdoms of Toulouse and Toledo, in: Cassiodorus 4 (1998), S. 163–184, S. 165–172.
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Die historischen Voraussetzungen
Er musste sich jedoch auch als fähig dazu erweisen, diese Position bekleiden zu können, worunter auch die skrupellose Entschlossenheit zur eigenen Machtentfaltung zu verstehen ist.97 Nach der Niederlage im Jahr 507 spielten die Balthen jedenfalls keine weitere Rolle mehr für die westgotische Geschichte. Wie dieser kurze Abriss der politischen Geschichte zeigt, ist im Laufe des fünften Jahrhunderts aus einem mobilen westgotischen Heerhaufen die namengebende Führungsschicht eines unabhängigen Königreiches geworden. Diese Entwicklung des regnum ist dabei untrennbar mit dem politischen Auflösungsprozess des westlichen Imperiums verbunden, dessen Anziehungsund Integrationskraft immer mehr abnahm.98 Charakteristisch für diese Transformation einer römischen Provinz zu einem westgotischen Königreich ist dessen weitgehende strukturelle Kontinuität bei gleichzeitiger Diskontinuität seiner „staatlichen“ Identität.99 Es lässt sich mithin fragen, in welchem Maße sich dieser Vorgang für die politisch handlungsfähigen Personen der Gallia konkret auswirkte und wie sich diese Schicht zur Ablösung der römischen durch eine westgotische Oberhoheit verhielt.
2.3 Goten und Römer im Tolosanischen Reich Hinsichtlich der inneren Haltung der Gallo-Römer den barbarischen Föderaten gegenüber dürfte vor allem das römische Selbstbewusstsein einer zivilisatorischen Überlegenheit zu erwarten sein. Dass diese Erwartungshaltung nicht ungerechtfertigt ist, belegen die Aussagen einer Reihe von Autoren aus dem fünften Jahrhundert. Salvian von Marseille etwa greift in seiner Schrift De gubernatione dei auf gängige Klischees zurück, wenn er die Westgoten als wortbrüchig aber sittsam beschreibt, um nur ein Beispiel zu nennen.100 Seine
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Eine realistische Einschätzung dazu formuliert Collins: Early Medieval Spain, S. 36: „There was thus no guarantee that a new king would be chosen from the same family as his predecessor, though as long as the late monarch’s heir looked a credible choice he would be likely to be elected.“ Sivan: Romans and Barbarians, S. 216: „For with the end of the last imperial dynasty, the road was entirely open to the ambitions of barbarian kings and provincial aristocracies. The frequent change of emperors in Italy in the 460’s and 70’s shifted the center of power from imperial court to the royal courts of the barbarian monarchies.“ Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 168: „This mixture, of structural (landowning) continuity and discontinuity in identity, marks the early middle ages, as it emerged from the ruins of the Roman empire, in both East and West.“ Z. B. Salvian: De gubernatione dei 8,64, Gothorum gens perfida, sed pudica est; siehe auch ibid., 5,21.
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Schrift ist vor allem als christlich-religiös motivierte, moralische Kritik an der römischen Gesellschaft seiner Gegenwart aufzufassen, die jedoch gleichzeitig seine Auffassung eines kulturellen und intellektuellen Ungleichgewichts zwischen Barbaren und Römern dadurch transportiert, dass er die schlechten Sitten der Letztgenannten als umso größere Sünde bewertet, da die Römer im Gegensatz zu den Barbaren bewusst handelten.101 Eine Geringschätzung wird auch im Bericht Ennodius’ von Pavia über den Hof König Eurichs offenbar, in welchem er Äußerungen des Königs als „barbarisches Gestammel“ beschreibt.102 Die ergiebigste Zusammenstellung gängiger Barbarentopoi liefert jedoch der Bischof von Clermont und bekannteste gallische Autor seiner Zeit, Sidonius Apollinaris. Besonders unterhaltsam ist dabei seine Klage darüber, dass die schlimmste Qual, welche er während seiner Verbannung aus Clermont auf die Festung Livia habe erdulden müssen, das zänkische Getöse zweier verabscheuungswürdiger Gotinnen gewesen sei, das ihm des nächtens den Schlaf geraubt habe.103 Sein Spott über Kleidung, Körpergeruch, Physiognomie und das erbärmliche Latein der Barbaren ist in der Literatur folglich auch als „grundsätzliche Aversion“ beschrieben worden.104
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Salvian: De gubernatione dei 4,65–70. Zum Barbarenbild bei Salvian siehe Sivan: Romans and Barbarians, S. 90–94; Maas, Michael: Ethnicity, Orthodoxy and Community in Salvian of Marseilles, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 275–284; Lambert, David: The Barbarians in Salvian’s De Gubernatione Dei, in: Mitchell, Stephen/ Greatrex, Geoffrey (Hg.), Ethnicity and Culture in Late Antiquity, London 2000, S. 103–115. Ennodius: Vita Epifani 89, hg. v. Friedrich Vogel, in: Magni Felicis Ennodi Opera (MGH AA 7), Berlin 1885 (ND1961), S. 84–109, At Euricus, gentile nescio quod murmur infringens, mollitum se adhortationibus eius vultus sui serenitate significat. Sidonius Apollinaris: Epistulae 8,3,2 hg. v. Christian Luetjohann, in: Gai Sollii Apollinaris Sidonii epistvlae et carmina (MGH AA 8), Berlin 1887 (ND 1961), S. 1–172, nam fragor ilico, quem movebant vicinantes impluvio cubiculi mei duae quaepiam Getides anus, quibus nil umquam litigiosius bibacius vomacius erit. Siehe zum historischen Kontext der Ereignisse Kaufmann, Frank-Michael: Studien zu Sidonius Apollinaris (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 681), Frankfurt a. M. u. a. 1995, S. 59 ff. Vgl. Sidonius Apollinaris: Ep. 4,7,2; 5,5,3 f.; 5,7,4; 7,3,2; 7,14,10. Zitat von Näf, Beat: Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit (Paradosis 40), Freiburg/ Schweiz 1995, S. 138. Siehe dazu auch Fischer, Joseph: Die Völkerwanderung im Urteil der zeitgenössischen kirchlichen Schriftsteller Galliens unter Einbeziehung des heiligen Augustus, Heidelberg 1948, S. 132–145; Stroheker, Karl Friedrich: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948 (ND Darmstadt 1970), S. 76 f.; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 186 ff. Zu einem differenzierteren Urteil gelangt aktuell Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 106–170, und dort speziell zu den Westgoten S. 106–139.
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Insbesondere auf Grundlage solcher Äußerungen römischer Autoren, wie sie auch aus anderen Reichsgebieten überliefert sind, wird bei der Bewertung des Verhältnisses zwischen Römern und Barbaren in der Forschung verschiedentlich hervorgehoben, dass es von der „ausgeprägten Intoleranz und dem dumpfen Haß großer Teile der poströmischen Gesellschaft“ geprägt gewesen sei.105 Ein Interesse der Absonderung wird jedoch nicht nur auf Seiten der Römer gesehen, sondern auch die Goten hätten eine Politik der „Apartheid“ betrieben, um ihre Eigenständigkeit gegenüber der romanischen Bevölkerung zu wahren.106 Die Vorstellung einer den ethnischen Grenzlinien folgenden Feindschaft, wie sie dem lange gepflegten Bild eines römisch-germanischen Antagonismus’ entspricht, stellt sicher eine Extremposition im Meinungsspektrum der heutigen Forschung dar. Mehrheitsfähig wird diese dann, wenn man ihr die aggressive Schärfe nimmt und sie darauf beschränkt, zu betonen, dass Goten und Römer zwei klar getrennte und ethnisch definierte Bevölkerungsgruppen innerhalb des Tolosanischen Reiches waren.107 Abgerundet wird das Bild in neueren Beiträgen durch eine gewisse Aufweichung dieser Position. Ohne die ethnische Separation dabei in Frage zu stellen, wird die Akzentsetzung dahingehend verschoben, dass der allmähliche Akkulturationsprozess108 stärker betont wird, den speziell die Goten in Annährung an ihre römisch geprägte Umwelt vollzogen hätten.109 Wenn im Folgenden die zuletzt genannte Stoßrichtung aufgegriffen wird, so ist dabei gleich eingangs zu betonen, dass das Auftauchen und der Aufstieg der Westgoten für die einheimische
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So aktuell z. B. Maier, Gideon: Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica. Vergleichende Untersuchungen zu den Institutionen der ostgermanischen Völkerwanderungsreiche (Historia Einzelschriften 181), Stuttgart 2005, S. 62 ff., Zitat S. 62. Siehe auch Brown: The World of Late Antiquity, S. 124 f. Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 141: „The marriage-bar together with the Goths’ adherence to the arian sect had the effect of building a wall around the Gothic people, an artificial fortification like the Berlin wall, that presumably seemed indispensable to preserve the ethnic consciousness and cohesion of a group threatened with disappearance through assimilation.“ Siehe dazu z. B. Schmidt: Die Ostgermanen, S. 503 ff.; Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 52; Claude: Westgoten, S. 54 ff.; Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 200; Sivan: Romans and Barbarians, S. 131–141; Wolfram: Goten, S. 234 ff.; Giese: Goten, S. 54. Siehe zum Begriff der Akkulturation für die Geschichtswissenschaft Gotter, Ulrich: „Akkulturation“ als Methodenproblem der historischen Wissenschaften, in: Eßbach, Wolfgang (Hg.), wir / ihr / sie. Identität und Alterität in Theorie und Methode (Identitäten und Alteritäten 2), Würzburg 2000, S. 373–406, besonders S. 394–99. Heather: Goths, S. 191–194; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 112 f., S. 286.
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Bevölkerung sicher keinen Anlass zu überschwänglicher Freude boten. Für sie waren die schnell sichtbar werdenden und auch militärisch artikulierten Machtansprüche der Neuankömmlinge eine Bedrohung, je nach sozialer Ebene vor allem eine solche des Status oder gar eine des schieren Überlebens. Gerade deswegen ist jedoch die Beobachtung wichtig, dass sich dieser Prozess der Machtverschiebung vergleichsweise unblutig zutrug. Es erscheint folglich lohnend zu erwägen, inwieweit wir wirklich davon ausgehen sollten, dass eine ethnische Separation innerhalb des regnum fest zementiert war. Daher richten die folgenden Abschnitte den Blick auf einzelne Elemente, wie die Gesetzgebung, die Religion und die vermeintlich ablehnende Haltung der römischen Bevölkerung den neuen Machthabern gegenüber, welche Goten und Römer im Tolosanischen Reich voneinander geschieden haben sollen. 2.3.1 Gesetzgebung Ebenso wie in anderen historischen Disziplinen waren und sind teilweise auch heute die seitens der Rechtsgeschichte formulierten Fragestellungen an die Gesetzgebung in den barbarischen Nachfolgereichen des Imperiums orientiert an einer grundlegenden Unterscheidung zwischen Römern und Germanen. Eine wichtige Prämisse, von der aus sich die Bedeutung dieser Dichothomie auch für die Rechtsgeschichte erschließt, lag in der Überzeugung, dass jedem Volk ein spezifisches, seinem Wesen entsprechendes Recht zu eigen sei. Für die „germanischen“ Völker der Spätantike wurde dabei angenommen, dass ihre Rechtsvorstellungen sich aus der gemeinsamen Wurzel eines germanischen Urrechts heraus entwickelten. Dementsprechend besann sich die Forschung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuvorderst darauf, von den deckungsgleichen Elementen der in den jeweiligen regna von den barbarischen Königen erlassenen Gesetzeswerke auf deren vermeintlich gemeinsamen, germanischen Ursprung zu schließen. Ein weiteres Anliegen war dabei, deren spezifisch germanischen im Gegensatz zum römischen Charakter der imperialen Gesetzgebung herauszuarbeiten.110
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Siehe dazu z. B. Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte, 2 Bde., Leipzig 1887–1892 (ND 21906, Berlin 1961); Buchner, Rudolf: Die Rechtsquellen (Wattenbach-Levison, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter: Vorzeit und Karolinger), Weimar 1953.
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Ebenfalls parallel zu anderen Disziplinen ist es auch im Bereich der Rechtsgeschichte seitdem zu grundlegenden Umdeutungen gekommen.111 Als die verbindlichen Ergebnisse der neueren Forschungen stellt Gerhard Dilcher, in seinem resümierenden Schlussbeitrag eines interdisziplinär ausgerichteten und unlängst erschienen Tagungsbandes zum Themenkomplex „Leges – Gentes – Regna“, dabei folgende Punkte heraus:112 In Abgrenzung zu romantischen Vorstellungen älterer Forschungen werde Recht nun nicht mehr als kaum veränderliche Wesenseigenschaft eines Volkes aufgefasst, sondern als etwas Dynamisches, das als komplexe Synthese aus verschiedenen Einflüssen entstehe. Damit richte sich der Blick auch nicht mehr zurück auf eine „urgermanische Kulturstufe“. Vielmehr habe sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die barbarischen Völker ihre Rechtsvorstellungen überhaupt erst im Kontakt mit der spätantik-römischen Kultur und im Zusammenhang mit ihren eigenen Reichsbildungen ausgeformt hätten. Demgemäß lautet auch Patrick Wormlands Ausgangspunkt für die Untersuchung der leges barbarorum: „Much in ‚Germanic‘ law can be adequately explained as sub-Roman provincial routine. But a great deal of the extant material can only be understood in terms of the customs imported by the West’s new masters.“113 Für manche Historiker hingegen erreichte dieses Diktum erst dann volle Gültigkeit, wenn man es um die ersten beiden Worte des ersten und den ganzen zweiten Satz kürzte.114 Demgemäß werden die leges barbarorum von 111
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Siehe dazu gesammelt etwa Dilcher, Gerhard/ Distler, Eva-Maria (Hg.), Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittelalterlichen Rechtskultur, Berlin 2006, sowie Wormland, Patrick: Lex Scripta and Verbum Regis. Legislation and Germanic Kingship, from Euric to Cnut, in: Sawyer, Peter H./ Wood, Ian (Hg.), Early Medieval Kingship, Leeds 1977, S. 105–138; Id.: The Leges Barbarorum. Law and Ethnicity in the Post-Roman West, in: Goetz et al. (Hg.), Regna and gentes, S. 21–53; Collins, Roger: Law and Ethnic Identity in the Western Kingdoms in the Fifth and Sixth Centuries, in: Smyth, Alfred P. (Hg.), Medieval Europeans. Studies in Ethnic Identity and National Perspectives in Medieval Europe, London 1998, S. 1–23, S. 1–7; Barnwell, P. S.: Emperors, Jurists and Kings. Law and Custom in the Late Roman and Early Medieval West, in: Past and Present 168 (2000), S. 6–29, S. 6 f. Dilcher, Gerhard: Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der mittelalterlichen Rechtskultur, in: Id./ Distler (Hg.), Leges – Gentes – Regna, S. 603–637, besonders S. 607 ff. Wormland: The Leges Barbarorum, S. 23; siehe auch Goetz, Hans-Werner: Gens – Regnum – Lex: das Beispiel der Franken, in: Dilcher/ Distler (Hg.), Leges – Gentes – Regna, S. 537–542, S. 541. Siehe in diese Richtung zielend auch die Bemerkung von Dilcher: Zur Entstehungsund Wirkungsgeschichte, im Anschluss an die Feststellung, dass die römischen Ein-
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Teilen der Forschung mittlerweile als gänzlich in römischer Tradition stehende Phänomene beschrieben.115 Die unbestrittene Tatsache, dass die von den Königen erlassenen Gesetze sich merklich von den spätklassischen Werken unterscheiden, wird dabei nicht als Konsequenz eines vermeintlich germanischen Einflusses gewertet, sondern auf die Vielschichtigkeit und Entwicklung der römischen Gesetzgebung zurückgeführt. Das leider unpräzise Stichwort liefert dabei der Begriff des Vulgarrechts. Ungenau ist dieser Terminus deswegen, da er in der Forschung zur Bezeichnung unterschiedlicher Phänomene angewandt wird. So ist damit einerseits, in Analogie zur sprachlichen Entwicklung, die Vulgarisierung des klassischen Rechts gemeint, welche an einer weniger differenzierten Sprache, dem Eindringen gewohnheitsrechtlicher Elemente und insgesamt einer zunehmenden Orientierung an den Rechtsbedürfnissen einer eher agrarisch geprägten Gesellschaft zu beobachten ist.116 Andererseits findet man den Begriff jedoch auch als Bezeichnung für das „Provinzialrecht“. Gemeint sind damit die zumindest im Westreich nicht kodifizierten und wahrscheinlich gewohnheitsrechtliche Elemente einschließenden Bestimmungen in den jeweiligen Provinzen des Imperiums, welche vor allem Rechtsfragen des alltäglichen Lebens vor Ort regelten.117 Besonders erwäh-
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flüsse bereits lange vor der Kodifikation der leges Einfluss auf die Rechtstradition genommen hatten (S. 609): „Dies bildet dann auch den Hintergrund für die heute von den Rechtshistorikern entwickelte Auffassung, daß die germanischen Völker ‚ihr‘ Recht erst in der Begegnung mit der spätantiken Kulturwelt […] ausgeformt haben. Ob und inwieweit es sich dabei dann doch um ‚ihr‘ Recht handeln kann, war ein zentrales Problem der Tagung. Die beteiligten Rechtshistoriker und Philologen haben es […] in graduell unterschiedlicher Weise wohl alle bejaht.“ Die Historiker taten dies seiner Einschätzung nach folglich nicht. Siehe dazu etwa Collins: Early Medieval Spain, S. 28 f.; Amory, Patrick: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology in Burgandian Laws, in: Early Medieval Europe 2 (1993), S. 1–28; S. 15–19; Barnwell: Emperors, Jurists and Kings; Halsall: Barbarian Migrations, S. 462–466. Schermaier, Martin: Art. Römisches Vulgarrecht, in: RGA, Bd. 25 (2003), S. 175–178. Grundlegend dazu Levy, Ernst: West Roman Vulgar Law. The Law of Property (Memoirs of the American Philosophical Society 29), Philadelphia 1951. Zum Aspekt der Kodifizierung vgl. Barnwell: Emperors, Jurists and Kings, S. 19. Man könnte in gewisser Weise also davon sprechen, dass der Begriff Vulgarrecht sowohl eine „Provinzialisierung“ des spätklassischen römischen Rechts bezeichnet als auch das dazu parallel existierende Recht in den Provinzen. Siehe zur Diskussion um den Begriff und seine Doppeldeutigkeit ausführlich Stühff, Gudrun: Vulgarrecht im Kaiserrecht unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzgebung Konstantins des Großen (Forschungen zum Römischen Recht 21), Weimar 1966, S. 1–36, besonders S. 18–36; sowie Barnwell: Emperors, Jurists and Kings, S. 14; Schermaier: Art. Römisches Vulgarrecht, S. 176.
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nenswert ist in diesem Zusammenhang ein solches, in das siebte Jahrhundert datierende Gesetz aus dem oströmischen Reich: das sogenannte Bauerngesetz.118 Seine Bedeutung für die Bewertung der von den barbarischen Königen erlassenen Gesetze liegt dabei in der Feststellung, dass es diesen in vielerlei Hinsicht sehr ähnelt und dabei gewiss nicht germanisch beeinflusst wurde.119 Sind diese wenigen, an der Oberfläche bleibenden Worte auch nicht dazu geeignet, einen adäquaten Eindruck von der spätantiken Rechtslandschaft zu vermitteln,120 so mögen sie dennoch die methodische Problematik dabei deutlich werden lassen, in den leges barbarorum vermeintliche Anteile eines germanischen Gewohnheitsrechtes ausfindig machen zu können. Denn: „Weil römisches Recht in den westlichen Provinzen […] nur in der beschriebenen vulgarisierten Form bekannt war, trafen die germanischen Völker und Stämme auf ein ‚Mischrecht‘, das ebenso römische wie auch in den Provinzen entwickelte gewohnheitsrechtliche Elemente enthielt. Besonders schwierig ist es daher, in den frühmittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen germanische und römisch-vulgarrechtliche Elemente zu unterscheiden. Erst wenn es gelingt, das Vulgarrecht als selbständige Erscheinung, als ‚Mischrecht‘ und nicht in erster Linie als Derivat des klassischen römischen Rechts zu erfassen, könnte sein Anteil an der Aufzeichnung des germanischen Rechts genauer bestimmt werden.“121 Es stellt sich darüber hinaus auch die Frage, ob der Ansatz, in den leges barbarorum ein wie auch immer geartetes Verhältnis von germanischem und römischem Recht näher bestimmen zu wollen, nicht zugunsten einer Perspektive aufgegeben werden sollte, welche die Gesetzgebung in den regna als Fortsetzung der aus dem spätantiken Römischen Reich geerbten Rechtstradition unter veränderten äußeren Bedingungen in den Blick nimmt. Diesem Gedanken folgend, wird in der aktuellen Forschung immer häufiger die These vertreten, dass die barbarischen Könige, die vielfach zunächst als Statthalter römischer Macht fungierten, nicht das Gewohnheitsrecht ihrer gentes in Synthese mit dem römischen Recht kodifizierten, sondern in der Tradition der Prätorianerpräfekten Gesetze erließen, die sie, im
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Text und Übersetzung wurden in zwei Aufsätzen vorgelegt von Ashburner, Walter: The Farmer’s Law, in: Journal of Hellenistic Studies 30 (1910), S. 85–108, sowie Id.: The Farmer’s Law II, in: ibid. 32 (1912), S. 87–95. Vgl. Collins: Early Medieval Spain, S. 28; Barnwell: Emperors, Jurists and Kings, S. 24 f.; Halsall: Barbarian Migrations, S. 464. Für einen kurzen Überblick siehe Jones: Later Roman Empire, Bd. 1, S. 470–479. Kunkel, Wolfgang/ Schermaier, Martin: Römische Rechtsgeschichte, Köln/ Weimar/ Wien 142005 [1. Aufl. 1947], S. 193/194.
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Unterschied zu jenen, schließlich auch kodifizieren ließen.122 Von Bedeutung ist dabei die Feststellung, dass sowohl im westgotischen als auch im burgundischen Reich parallel zum jeweiligen vom König erlassenen Gesetzescodex ebenfalls die kaiserliche Gesetzgebung weiterhin gültig war, wie die Überarbeitung und neue Kodifizierung der spätantiken römischen Gesetze belegt. Im Falle der Westgoten wurde diese Weiterführung und Interpretation römischen Rechts, vor allem des Codex Theodosianus (CTh), in dem im Jahre 506 promulgierten und entweder als Lex Romana Visigothorum oder als Breviarium Alaricianum (BA) bezeichneten Gesetzeswerk vorgenommen.123 Bezeichnenderweise wird dieses in den frühmittelalterlichen Quellen schlicht als Lex Romana, Liber Legum Romanorum, Liber Legum, Liber Iuris, Corpus Theodosianum oder Lex Theodosii bezeichnet und hat seine westgotischen Namensbestandteile erst später beigeordnet bekommen.124 Bereits zuvor war eine andere Gesetzessammlung erlassen worden, sehr wahrscheinlich von König Eurich, welche als Codex Euricianus (CE) bezeichnet wird.125 Dieser allerdings ist nur bruchstückhaft, wahrscheinlich zu nicht mehr als einem Sechstel seines ursprünglichen Umfangs, in einem Palimpsest des sechsten Jahrhunderts erhalten geblieben.126 Diese Zweigliedrigkeit des Rechtssystems wurde und wird häufig als Beweis für die rechtliche Apartheid von Westgoten und Gallo-Romanen begriffen. Und zwar derge122
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Vgl. dazu Collins: Early Medieval Spain, S. 29 f.; Id.: Law and Ethnic Identity, S. 5 f.; Id.: Visigothic Spain, S. 227; Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 18 f.; Barnwell, Paul S.: Emperors, Prefects, and Kings (395–565), London 1992, S. 74 f.; Id.: Emperors, Jurists and Kings, S. 11 ff., S. 28 f.; Halsall: Barbarian Migrations, S. 464. Siehe einführend zum BA etwa Siems, Harald: Art. Lex Romana Visigothorum, in: HRG, Bd. 2 (1978), Sp. 1940–1949; Liebs, Detlef: Art. Lex Romana Visigothorum, in: RGA, Bd. 18 (2001), S. 323–326; Sivan: Romans and Barbarians, S. 137–141; Claude: Westgoten, S. 44 f.; Wolfram: Goten, S. 200 f.; Collins: Law and Ethnic Identity, S. 6 f. Zur Bewertung dieser Gesetzessammlung in der Forschungsgeschichte siehe Nehlsen, Hermann: Alarich II. als Gesetzgeber. Zur Geschichte der Lex Romana Visigothorum, in: Studien zu den germanischen Volksrechten. Gedächtnisschrift für Wilhelm Ebel (Rechtshistorische Reihe 1), hg. v. Götz Ebel, Frankfurt a. M./ Bern 1982, S. 143–203. Nehlsen: Alarich II. als Gesetzgeber, S. 143. Es ist in der Forschung umstritten, ob die Gesetze um 475 oder erst unter Alarich II. kodifiziert wurden. Siehe zum CE insgesamt Nehlsen, Hermann: Art. Codex Euricianus, in: RGA, Bd. 5 (1984), S. 42–47, S. 43 ff.; Wolfram: Goten, S. 199 f. u. S. 445 Anm. 8; Harries, Jill D.: Not the Theodosian Code. Euric’s Law and Late Fifth-Century Gaul, in: Mathisen/ Shanzer (Hg.), Society and Culture, S. 39–51, S. 39–48. King, Paul D.: Law and Society in the Visigothic Kingdom, Cambridge 1972, S. 8.
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stalt, dass in Form einer personalen Gültigkeit der jeweiligen Gesetze mit dem CE ein eigenes Recht für die westgotische und mit dem BA eines für die gallo-römische Bevölkerung existiert habe.127 Zunächst ungeachtet der Frage nach der personalen oder territorialen Gültigkeit dieses Rechts, lässt sich seine römische Prägung wohl am besten dadurch belegen, dass auch in der älteren, deutsch-national geprägten Forschung bereits festgestellt wurde, dass „das gotische Recht zweifellos bereits stark romanisiert“ war.128 Aufgrund dieser Beobachtungen ging man davon aus, dass das „alte nationale Gewohnheitsrecht […] unter der Oberfläche weiter fort“ gelebt habe.129 Auch bedingt durch den römischen Charakter des Rechts ist die These, dass es nur personale Gültigkeit gehabt habe, weit davon entfernt, als verbindliche Lehrmeinung gelten zu können. So ist bereits in älteren spanischen Forschungen für eine territoriale und damit alle Bewohner des Reiches einbeziehende Gültigkeit beider Gesetzesbücher argumentiert worden.130 Dass Herwig Wolfram dem Historiker angesichts dieser anhaltenden und kontroversen rechtsgeschichtlichen Diskussion bloß die Rolle des Zuhörers zuschreibt, wird nach folgenden Ausführungen umso verständlicher.131 So ergibt sich bei der Diskussion um die territoriale oder personale Gültigkeit des Rechts in den westgotischen regna eine erstaunlich disparate Forschungslage. Die Spannbreite der Meinungen dazu reicht dabei von der Überzeugung, dass eine territoriale Gültigkeit bereits von Anfang an gegeben gewesen sei, bis hin zur Ansicht, dass die personale Anwendung 127
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In der rechtsgeschichtlichen Forschung sprechen sich für eine personale Gültigkeit etwa Nehlsen, Hermann: Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter. Germanisches und römisches Recht in den germanischen Rechtsaufzeichnungen, Bd. 1: Ostgoten, Westgoten, Franken, Langobarden (Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte 7), Göttingen/ Frankfurt/ Zürich 1972, S. 63; King: Law and Society, S. 13; Siems: Lex Romana Visigothorum, Sp. 1941, und Liebs: Lex Romana Visigothorum, S. 325, aus. Zeumer, Karl: Geschichte der westgotischen Gesetzgebung I., in: NA 23 (1898), S. 419–516, S. 470. Schmidt: Ostgermanen, S. 521; vgl. zur Betonung des „germanischen“ Elements auch Wohlhaupter, Eugen: Gesetze der Westgoten (Germanenrechte. Texte und Übersetzungen 11), Weimar 1936, S. V. Für eine territoriale Gültigkeit siehe die grundlegenden Artikel von García Gallo, Alfonso: Nacionalidad y territorialidad del derecho en la época visigoda, in: Anuario Historica de Derecho Epañol 13 (1936–1941), S. 168–264, besonders S. 184 ff.; d’Ors, Alvaro: La territorialidad del derecho de los visigodos, in: Id.: Estudios visigóticos, Bd. 1 (Cuadernos del Instituto Jurídico Español 5), Rom 1956, S. 91–150, besonders 94 ff. Wolfram: Goten, S. 200; vgl. auch Heather: Goths, S. 196. Siehe zur Diskussion der rechtsgeschichtlichen Kontroverse in historischer Perspektive auch Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 75–80.
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der Gesetze erst mit dem im Jahre 654 im Toledanischen Reich erlassenen Liber Iudiciorum zugunsten einer Gültigkeit für alle Bewohner des Reiches aufgehoben worden sei. Damit sind jedoch lediglich die etwa 200 Jahre auseinanderklaffenden Eckpfeiler der Diskussion benannt. Innerhalb dieser Spanne wird auch für jede weitere signifikante Station der westgotischen Gesetzgebung argumentiert, dass jeweils mit ihr die personale Gültigkeit aufgehoben worden sei.132 Der die rechtsgeschichtliche Kontroverse verfolgende Historiker erhält mithin wenig Klarheit, sondern stattdessen, wenn man so will, vielerlei begründete Deutungsangebote. Angesichts der disparaten rechtsgeschichtlichen Forschungslage erscheint es legitim, über dieses Spezialgebiet hinausreichende Überlegungen in die Urteilsfindung mit einzubeziehen. In Rückgriff auf die weiter oben dargestellten Vorbemerkungen und auch die sonstigen Strategien bei der Etablierung des Tolosanischen Reiches berücksichtigend, erscheint mithin als die plausibelste und in neueren Forschungen immer häufiger vertretene Ansicht diejenige, welche von einer territorialen Gültigkeit der Gesetze ausgeht. Die Existenz zweier Corpora ist dabei nicht auf eine rechtliche Differenzierung der ethnischen Gruppen zurückzuführen, sondern auf die Mehrgliedrigkeit des spätantiken Rechts. So wurden die Westgoten als föderierte Militäreinheit des Imperiums in einer Provinz angesiedelt, in der selbstverständlich das allgemein gültige römische Reichsrecht Anwendung fand. Nichts deutet darauf hin, dass diese grundlegende Gesetzgebung in Folge der politischen Veränderungen außer Kraft gesetzt wurde. Das BA zeigt vielmehr, dass sie weiter benutzt und daher Anfang des sechsten Jahrhunderts neu interpretiert und angepasst wurde. Allerdings war das Reichsrecht nicht derart umfassend, um alle rechtlichen Streitfälle regeln zu können. Dies konnte in der speziellen Situation der Gallia schon deswegen nicht der Fall sein, weil die aus der besonderen Situation der Ansiedlung einer gesamten gens resultierenden Rechtsfragen in ihm nicht behandelt wurden. Goten etwa finden im BA überhaupt keine Erwähnung. Der römischen Tradition folgend, mussten in den Provinzen ergänzende Edikte erlassen werden, um die in der alltäglichen Rechtspraxis auftretenden und möglicherweise regional spezifischen Streitfälle zu regeln. Diese Aufgabe übernahmen die auch in anderen Bereichen mit Staatsfunktionen betrauten Könige, zunächst wohl 132
Siehe dazu mit den entsprechenden Literaturhinweisen King, Paul D.: King Chindasvind and the First Territorial Law-code of the Visigothic Kingdom, in: James, Edward (Hg.), Visigothic Spain. New Approaches, Oxford 1980, S. 131–157, besonders S. 131–142. King selber versucht zu belegen, dass Chindasvinth (642–649) die territoriale Gültigkeit hergestellt habe, ibid., S. 142–157.
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noch unter dem Dach des Römischen Reiches, alsbald jedoch aus eigenem Recht.133 Die Tatsache, dass der westgotische König in seinem regnum aus eigenem Recht Gesetze erließ, als höchste rechtliche Instanz fungierte und schließlich auch von der einheimischen Bevölkerung als dominus noster anerkannt wurde,134 ist in jedem Fall deutlicher Ausweis dafür, dass das Tolosanische, das im Laufe des fünften Jahrhunderts im Westen politisch weitgehend bedeutungslos gewordene Römische Reich Schritt für Schritt substituierte und der westgotische König in seinem Einflussbereich für alle Bewohner auch auf Ebene des Rechts schließlich in kaiserlicher Funktion auftrat.135 Die Übernahme römischer Rechtstraditionen seitens der Westgoten muss dabei als Ausdruck einer weitgehenden Akkulturation erachtet werden. Verdeutlichen lässt sich die Bedeutung dieser Entwicklung wohl am ehesten durch die bekannten Worte Orosius’, nach welchen Athaulf seinen Plan, die Romania durch eine Gothia zu ersetzen, daher verwarf, „da die vielfältige Erfahrung jedoch bewiesen habe, daß die Goten wegen ihres zügellosen Barbarentums weder auf irgendeine Weise Gesetzen gehorchen könnten, noch man dem Staat Gesetze untersagen dürfe, ohne die ein Staat (nun einmal) kein Staat“ sei.136 Es zeigt sich hier, dass Orosius die Anwendung von Gesetzen als Bedingung von Staatlichkeit und Zivilisation erscheint, während ihm die Gesetzlosigkeit als barbarisch gilt.137 Ist bereits Vorsicht dabei 133
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Vgl. etwa Wormland: The Leges Barbarorum, S. 23–28, S. 28; Halsall: Barbarian Migrations, S. 466. Siehe dazu ferner auch Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 15–19; Collins: Law and Ethnic Identity, S. 3–7; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 141–148; Barnwell: Emperors, Jurists and Kings; Harries: Not the Theodosian Code; Bueno Salinas, Marta: El breviario de Alarico: ¿fuente del derecho romano tardío o fuente del derecho visigodo?, in: Atti dell’Accademia Romanistica Constantiniana 14 (2003), S. 629–637; Halsall: Barbarian Migrations, S. 462–466. Siehe dazu Wolfram: Goten, S. 213; Sivan: Romans and Barbarians, S. 41 f., S. 110; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 100. Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 34; Harries: Not the Theodosian Code, passim. Orosius: Historia adversum paganos 7,43,6, at ubi multa experientia probauisset neque Gothos ullo modo parere legibus posse propter effrenatam barbariem neque reipublicae interdici leges oportere, sine quibus respublica non est respublica […]. Übersetzung zitiert nach Goetz, HansWerner/ Patzold, Steffen/ Welwei, Karl-Wilhelm (Hg.): Die Germanen in der Völkerwanderung. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis zum Jahre 453 n. Chr. (FSGA 1b), Teil 2, Darmstadt 2007, S. 381. Vgl. Harries, Jill D.: Legal Culture and Identity in the Fifth-Century West, in: Mitchell/ Greatrex (Hg.), Ethnicity and Culture, S. 45–57, S. 46; Halsall: Barbarian Migrations, S. 55 f.
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geboten, von der Darstellung Orosius’, welche in den Kontext der oben angeführten herabmindernden Barbarentopoi zu stellen ist, auf das tatsächliche Verhältnis der Westgoten zum Recht noch am Anfang des fünften Jahrhunderts zu schließen, so zeigen die Rechtskodifikationen eindeutig die gotische Adaption der Rechtskultur. Dieser Schritt dürfte die Akzeptanz ihrer Herrschaft seitens der römischen Bevölkerung ihres Reiches wesentlich befördert haben.138 Diesem Rechtsstatus des Königs und der von ihm erlassenen gemeinverbindlichen Rechtsnorm, deren Gültigkeit er gewährleistete, können im Prozess der neuen Identitätsfindung eine integrative Funktion zugeschrieben werden.139 Kommen wir von diesen übergeordneten nun zu konkreten Aspekten im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Differenzierung der beiden Bevölkerungsgruppen. Eine wichtige Rolle spielt dabei das im BA 3,14 verfügte Heiratsverbot zwischen Barbaren und Römern, welches häufig als Beweis für eine bewusste Separation dieser Bevölkerungsgruppen angeführt wird.140 Da das BA sich aus älteren römischen Rechtsquellen speist, geht auch diese Bestimmung auf ein Gesetz aus dem CTh zurück, in dem es heißt: Nulli provincialium, cuiuscumque ordinis aut loci fuerit, cum barbara sit uxore coniugium, nec ulli gentilium provincialis femina copuletur. Quod si quae inter provinciales atque gentiles affinitates ex huismodi nuptiis extiterunt, quod in iis susceptum [suspectum] vel noxium detegitur, capitaliter expietur.141 138
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Matthews, John: Roman Law and Barbarian Identity in the Late Roman West, in: Mitchell/ Greatrex (Hg.), Ethnicity and Culture, S. 31–44, S. 31 ff.; Sirks, A. J. Boudewijn: Shifting Frontiers in the Law. Romans, Provincials, and Barbarians, in: ibid., S. 146–157, S. 156: „Because it involved a cultural value, also dear to the Romans, it might have made Visigothic rule more acceptable to their Roman subjects.“ Siehe zur möglichen integrativen Funktion der leges Pohl, Walter: Probleme einer Sinngeschichte ethnischer Gemeinschaften. Identität und Tradition, in: Dilcher/ Distler (Hg.), Leges – Gentes – Regna, S. 51–67, S. 58, S. 64–67; Dilcher: Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte, S. 615 f. Vgl. in der Interpretation einer von den Goten betriebenen ethnischen Trennung etwa Demougeot, Émilienne: Le conubium dans les lois barbares du VIe siècle, in: Recueil des Mémoires et travaux de la Société d’Histoire du Droit et des Institutions des anciens pays de Droit écrit 12 (1983), S. 69–82, und als religiöse Separation verstanden Jiménez Garnica, Ana María: El origen de la legislación civil visigoda sobre la prohibición de matrimonios entre romanos y godos. Un problema de fundamento religiosos, in: Anuario de Historia del derecho Español 55 (1985), S. 735–747. Siehe ferner z. B. Schmidt: Die Ostgermanen, S. 504; Heather: Goths, S. 212; Wolfram: Goten, S. 234; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 140. CTh 3,14,1, hg. v. Theodor Mommsen u. Paul M. Meyer, 2 Bde., Berlin 1904–1905 (ND Dublin/ Zürich 41970–1971).
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Mag bei der Bestimmung des CTh auf den ersten Blick der Eindruck eines kategorischen Heiratsverbotes zwischen Barbaren und Römern entstehen, so hat die Forschung bereits darauf hingewiesen, dass ein solches faktisch nicht bestand. Dies belegen schon die vielfach dokumentierten ehelichen Verbindungen zwischen barbarischen Offizieren und Römerinnen.142 Bei genauerem Hinsehen offenbart sich dementsprechend auch in der Formulierung des Gesetzes, dass es sich nicht um ein grundsätzliches, sondern um ein auf spezifische Fälle anwendbares Verbot handelt. Hervorzuheben ist trotz der einmaligen Nennung einer „barbarischen Ehefrau“, dass hier Heiratsverbindungen zwischen provinciales und gentiles und nicht allgemein zwischen Römern und Barbaren angesprochen werden.143 Als gentiles werden im CTh dabei bestimmte barbarische, aus einheimischen Stämmen bestehende Militäreinheiten bezeichnet, die in und zur Verteidigung von Grenzregionen in Afrika eingesetzt wurden.144 Ferner bezieht sich die im Gesetz enthaltene Strafandrohung nicht auf sämtliche solcher Ehen, sondern lediglich auf diejenigen, welche in irgendeiner Weise verdächtig erschienen und von denen mithin ein Sicherheitsrisiko ausging.145 Dies und den afrikanischen Bezug der Gesetzgebung heranziehend, wertet Hagith Sivan die besonderen Umstände der römischen Herrschaft in Nordafrika als Hintergrund für das Verbot. Bezug genommen wird damit auf eine von Mauretanien ausgehende Revolte, welche trotz ihres überschaubaren militärischen Rückhalts nur schwer unter Kontrolle zu bringen war. Angeführt wurde sie von einem Mann namens Firmus, dessen Familie über Generationen enge
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Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 139, der sich auf die Ergebnisse beruft von Demandt, Alexander: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies, in: Chrysos, Evangelos/ Schwarcz, Andreas (Hg.), Das Reich und die Barbaren (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 29), Wien/ Köln 1989, S. 75–86; siehe auch Blockley, Roger C.: Roman-Barbarian Marriages in the Late Empire, in: Florilegium 4 (1982), S. 63–79. Dies unterstreicht auch der Titel De nuptiis gentilium. CTh 7,1,2; 7,15,1; 11,30,62; 12,12,5. Siehe auch Jones: Later Roman Empire, Bd. 1, S. 651 f.; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 139; Sivan, Hagith S.: Why not Marry a Barbarian? Marital Frontiers in Late Antiquity (The Example of CTH 3.14.1), in: Mathisen, Ralph W./ Sivan, Hagith S. (Hg.), Shifting Frontiers in Late Antiquity, Aldershot 1996, S. 136–145, S. 189 f. Mathisen, Ralph W.: Peregrini, Barbari, and Cives Romani. Concepts of Citizenship and the Legal Identity of Barbarians in the Later Roman Empire, in: AHR 111/4 (2006), S. 1011–1040, S. 1030. CTh 3,14,1, quod si quae inter provinciales atque gentiles affinitates ex huismodi nuptiis extiterint, quod in iis susceptum [suspectum] vel noxium detegitur, capitaliter expietur. Vgl. Sivan: Why not Marry a Barbarian?, S. 139; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 139.
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Verbindungen zum Römischen Reich gehalten hatte.146 Mitverantwortlich für die Zählebigkeit dieser Erhebung war offenbar eine nennenswerte Kollaboration von Provinzialen mit den aufständischen gentiles.147 Sivan leitet daraus überzeugend ab, dass der Kaiser in dieser, durch die „Fraternisierung“ besonders bedrohlichen Situation bestimmte der eigentlich üblichen Heiratsverbindungen habe unterbinden wollen.148 Richten wir, davon ausgehend, den Blick nun auf den Wortlaut des BA 3,14, so heißt es dort: Nullus Romanorum barbaram cuiuslibet gentis uxorem habere praesumat, neque barbarorum coniugiis mulieres Romanae in matrimonio coniugantur.149
Wird die Bezeichnung Romani hier zwar zur Benennung der oder eines Teils der einheimischen Bevölkerung des Reiches benutzt, so können die barbari gleichwohl nicht als Goten identifiziert werden. Gegen eine solche Interpretation spricht zum einen die Beobachtung, dass diese sich selbst gerade 146
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Siehe zu diesem Kontext Demandt, Alexander: Die afrikanischen Unruhen unter Valentinian I., in: Diesner, Hans Joachim/ Barth, Hannelore/ Zimmermann, Hans Dieter (Hg.), Afrika und Rom in der Antike, Halle/ Saale 1968, S. 277–299, S. 282–286; PLRE 1, Firmus 3, S. 340. Auf die Involvierung von Provinzialen weisen u. a. die brutalen Strafmaßnahmen Theodosisus’ hin, die er nach der Niederschlagung des Aufstandes gegen solche ergriff. Sivan: Why not Marry a Barbarian?, S. 141–145. Auch Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 140, bezieht dieses Verbot auf mögliche Verschwörungen zwischen Römern und „barbarischen“ Verwandten, allerdings ohne diese konkret zu verorten. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch der unterschiedliche rechtliche Status und die damit verbundenen Pflichten von Provinzialen und gentiles, da die römische Ehegesetzgebung gerade mit Blick auf den unsicheren Status der aus solchen Beziehungen hervorgehenden Nachkommen darauf bedacht war, Heiraten zwischen unterschiedlichen Statusgruppen zu unterbinden. So ging etwa das conubium, also die Fähigkeit, eine gültige Ehe einzugehen, vor allem durch Rechtsungleichheit der Partner verloren, vgl. z. B. Kaser, Max: Römisches Privatrecht. Ein Studienbuch, München 131983 [1. Aufl. 1960], S. 260 f. Siehe auch Evans Grubbs, Judith: Law and Family in Late Antiquity. The Emperor Constantine’s Marriage Legislation, Oxford 1995, S. 261–316. Daher argumentiert Ralph Mathisen jüngst dafür, die Stoßrichtung dieser Regelung im Bestreben nach der Aufrechterhaltung der bestehenden sozialen und rechtlichen Ordnung zu suchen, Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani, S. 1028–1032; Id.: Provinciales, Gentiles, and Marriages between Romans and Barbarians in the Late Roman Empire, in: Journal of Roman Studies 99 (2009), S. 140–155. Dieser Ansatz ist sicherlich bedenkenswert, der deutliche Bezug auf das Gefahrenpotential der ungewünschten ehelichen Verbindung spricht jedoch für das Verständnis Sivans und auch Liebeschuetz’. Lex Romana Visigothorum [= BA] 3,14, hg. v Gustav Hänel, Leipzig 1849 (ND Aalen 1962).
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nicht als Barbaren darstellten, sondern römischen Vorbildern nacheiferten, etwa indem sie in ihrer Herrschaftsrepräsentation deutlich an die Traditionslinien des Imperiums anknüpften.150 Noch schwerer wiegt in dieser Hinsicht jedoch die Tatsache, dass in den mittel- oder unmittelbar vom gotischen Hof beeinflussten Texten kein weiterer Beleg zu finden ist, bei welchem der Begriff barbarus mit Goten in Verbindung zu bringen wäre.151 Eine solche Verwendung wäre im BA auch umso erstaunlicher, da die barbari, ganz in der römischen Tradition, in welcher das Gesetzescorpus steht, dort vor allem als Fremde oder Feinde aufgefasst werden. Statt also anzunehmen, dass das zugrundeliegende römische Gesetz im Tolosanischen Reich als Heiratsverbot zwischen Provinzialrömern und Goten aufgefasst wurde, geht Sivan davon aus, dass mit den Barbaren, obwohl cuiuslibet gentis, hier vor allem die das Gotenreich bedrängenden Franken gemeint waren. In Rückgriff auf die angesprochene Entstehungssituation vom CTh 4,14,1 folgert sie überzeugend, dass es in der angespannten Situation des Jahres 506 darum gegangen sei, insbesondere in den schwer zu kontrollierenden Gebieten nördlich der Loire eine für die Westgoten risikoreiche Verbindung zwischen der romanischen Bevölkerung und den das regnum bedrohenden Franken zu verhindern.152 Übereinstimmend mit der faktisch üblichen Heiratspraxis zwischen Römern und Goten im Tolosanischen Reich, wandte sich das BA 3,14 also nicht gegen derlei Ehen und kann damit auch nicht als Ausdruck einer Politik der Separation zwischen gallorömischer und westgotischer Bevölkerung gelten.153 Folgt man der These 150
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Wie gesehen, steht das von Sidonius freilich idealisiert dargestellte Hofzeremoniell Theoderichs II. ganz in kaiserlicher Tradition. Darüber hinaus weisen jedoch auch weitere Formen der Herrschaftsdarstellung, wie signifikante Epitheta oder Datierungsmuster, deutlich in diese Richtung. Siehe Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 100–103. Zur Differenzierung zwischen Goten und Barbaren siehe auch Mathisen, Ralph: Roman Aristocrats in Barbarian Gaul. Strategies in an Age of Transition, Austin 1993, S. 136. Sivan, Hagith S.: The Appropriation of Roman Law in Barbarian Hands. „RomanBarbarian“ Marriage in Visigothic Gaul and Spain, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 189–203, S. 193: „In the surviving documents which were issued under Gothic authority […] the Goths never refer to themselves as barbarians“; diese Aussage zu den dispositiven Quellen gilt ebenso für die erzählenden Quellen. Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 192–199, S. 199: „To be precise, the thrust of the interpretation of BA 3, 14 was aimed at a society in which marriages between ‚the enemy‘, either Franks or any other barbarians besides the Goths, and locals, namely the Roman inhabitants of Aquitania, were perceived as a threat to the welfare of the Gothic monarchy.“ Zum Fortleben des conubium-Verbotes bis in das spanische Westgotenreich siehe ibid., S. 198–203, sowie hier Kap. 5.2.2. Demandt: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies, S. 79 f., bewertet das BA 3,14 zwar als Ausdruck einer Politik der Apartheid, stellt jedoch fest, dass
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Sivans, steht die historische Praxis damit in keinem Widerspruch zum Gesetzestext. Unabhängig davon zeigt die Formulierung des BA 3,14 jedoch, dass es die Wahrnehmung einer Gruppe gab, die als Romani identifiziert wurde. Es bleibt indes unklar, ob damit allgemein die einheimische Bevölkerung oder eine sozial oder auch geographisch begrenzte Gruppe bezeichnet wurde. Als Beweis dafür, dass Goten und Römer innerhalb des Tolosanischen Reiches zwei getrennte Völker waren, werden ferner die Kapitel 276, 277 und 312 des CE angeführt, da in ihnen expressis verbis zwischen Gothi und Romani unterschieden wird.154 Die dem vermeintlichen Beweis einer Separation der beiden Bevölkerungsgruppen zugrunde liegende Quellenbasis, bestehend aus drei von insgesamt 43 überlieferten Kapiteln des nur fragmentarisch erhaltenen CE, muss sicher als problematisch gewertet werden. Wie dem auch sei, so zeigen die genannten Belege jedoch, dass Goten und Römer differenziert voneinander wahrgenommen wurden. Dabei ist jedoch wichtig hervorzuheben, dass alle genannten Anordnungen sich auf Rechtsstreitigkeiten beziehen, die aus zurückliegenden Besitzaneignungen resultierten, welche im Falle der Kapitel 276 und 277 ausdrücklich und daher für 312 anzunehmenderweise in direktem Zusammenhang standen mit der gotischen Ansiedlung.155 Der Ursprung dieser Differenzierung lag somit nicht unmittelbar in der Gegenwartsgesellschaft der 470er Jahre. Diese Feststellung ist unter anderem deswegen von Bedeutung, weil sie dem Ergebnis einer Untersuchung des burgundischen Liber Constitutionum entspricht, für den Patrick Amory gezeigt hat, dass mit Römern und Burgundern dort ursprünglich die an der Ansiedlung beteiligten Gruppen bezeichnet wurden.156
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diese in der Heiratspraxis keine Entsprechung fand; siehe auch Wolfram: Goten, S. 234, sowie allgemein auch Blockley: Roman-Barbarian Marriages, S. 73. Zu nennen wäre ferner das Kapitel 304, welches jedoch nur so bruchstückhaft überliefert ist, dass sich keine weiteren Aussagen über dessen Inhalt treffen lassen. Zur angeführten Interpretation siehe etwa Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 76/77: „Resulta sintomático que cuando en el Codex Euricianus se hace referencia expresa a los provinciales, éstos sean designados como romanos en contraposición a los godos, evidenciándose así que conformaban, dentro del reino visigodo de Tolosa y en este momento histórico concreto, un grupo poblacional diferenciado, un pueblo aparte, aunque también sometido a la autoridad central del monarca.“ CE 276, Si quodcumque ante adventum Gothorum de alicuius fundi iure remotum est […] id in eius fundi, […], iure consistat (Es ist hier zu bemerken, dass dieser Abschnitt des Kapitels nicht im angesprochenen Palimpsest überliefert ist, sondern aus dem identischen Kapitel 10,3,5 des Liber Iudiciorum rekonstruiert werden kann); 277 Sortes Gothicas et tertias [Roma]norum, quae intra L annis non fuer[int] revocate, nullo modo repetantur. Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 8 ff.
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In den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen verwässerte diese zunächst ethnische Unterscheidung dort jedoch zusehends und erfuhr eine an sozialen Rollen orientierte Umdeutung.157 Die wenigen Belege aus der nur fragmentarischen Überlieferung des CE lassen eine verlässliche diachrone Betrachtung leider nicht zu. Die ausdrückliche Retrospektive in der Formulierung der Kapitel sowie die Absenz weiterer ethnischer Differenzierungen auch aus dem BA, legen jedoch nahe, dass die Unterscheidung zwischen Römern und Goten keine große Relevanz mehr gehabt zu haben scheint. 2.3.2 Religion Als ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den barbarischen gentes – und damit auch den Goten – und der romanischen Bevölkerung gilt der Forschung fast ausnahmslos ihr jeweiliges religiöses Bekenntnis. „Die ethnische bzw. kulturelle Kluft zwischen Romanen und Germanen war zwar groß, letztlich jedoch viel leichter zu überwinden als der religiöse Abgrund zwischen Arianern und Katholiken. […] Der religiöse Gegensatz […] bildete einen stets virulenten Sprengstoff, der leicht zur Explosion gebracht werden konnte“.158 Wie diesem Zitat aus dem Jahre 2005 zu entnehmen ist, handelt es sich bei dieser religiösen Unterscheidung nicht um eine solche zwischen einem vermeintlich „germanischen“ Paganismus und dem römischen Christentum, sondern als Arianer werden, in theologischer Hinsicht nicht ganz präzise, Anhänger einer frühen Form des Christentums bezeich-
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Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 24–28. Maier: Amtsträger und Herrscher, S. 78. Besonders ausgeprägt findet sich die vermeintliche Verquickung von Germanentum und Arianismus im Gegensatz zum römischen Katholizismus etwa bei Giesecke, Heinz-Eberhard: Die Ostgermanen und der Arianismus, Leipzig/ Berlin 1939; Schmidt, Kurt D.: Die Bekehrung der Germanen zum Christentum, Bd. 1: Die Bekehrung der Ostgermanen zum Christentum (Der ostgermanische Arianismus), Göttingen 1939, S. 429 f. Unter anderen ideologischen Vorzeichen heben die Unterscheidung auch hervor z. B. Schmidt: Ostgermanen, S. 504; Musset: Les invasions, S. 255 f.; Wallace-Hadrill, John M.: The Barbarian West (A.D. 400–1000), New York 1984 [1. Aufl. London 1952], der mit Blick speziell auf die Goten feststellt (S. 25): „The fact was that the Goths, as a separate people, might very soon have ceased to exist had they not also been Arians“. Heather: Goths and Romans, S. 328; Wolfram: Goten, S. 28 f.; Sivan: Romans and Barbarians, S. 173; Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 37 ff. Diese Bewertung setzt sich bis zur allgemein Konversion der Westgoten auf dem III. Konzil von Toledo im Jahre 589 fort. Siehe dazu unten Kap. 5.1.1.
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net.159 Nach Meinung vieler Forscher trat besonders in den Phasen der Migration und in den späteren regna der arianische Glaube bei den barbarischen Völkern in ein direktes Verhältnis zu ihrer Ethnizität und zwar derart, dass er zu einem Merkmal ihrer ethnischen Identität geworden sei.160 Diese Bewertung, die dem Arianismus auf Ebene der Ethnizität eine distinktive Funktion zuschreibt, geht von der Voraussetzung aus, dass die römische Provinzialbevölkerung grundsätzlich katholisch gewesen sei und sich die arianischen Barbaren daher von ihnen abgehoben hätten.161 Diese Annahme wiederum gründet vor allem auf zweierlei: Zum einen auf der Tatsache, dass Kaiser Theodosius (379–395), der noch einmal beide römische Reichsteile für kurze Zeit unter seiner Herrschaft vereinen konnte, den Katholizismus auf dem ersten Konzil von Konstantinopel im Jahre 380 zur offiziellen Staatsreligion erhob, wohingegen der Arianismus fortan als Häresie geächtet und verfolgt wurde und offiziell ausschließlich unter kö159
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Der aus dem Namen des aus Alexandria stammenden Priesters Arius abgeleitete Begriff Arianismus ist in den Quellen häufig als Sammelbezeichnung für all jene christlichen Gruppen zu finden, die das als katholisch verstandene Credo des im Jahre 325 abgehaltenen ersten Konzils von Nizäa nicht teilten und schon von daher ungenau. Exakt wären Arianer als Homöusianer bzw. Homöer zu bezeichnen. Den theologisch bedeutsamsten Grund für die konfessionelle Scheidung stellte die Uneinigkeit hinsichtlich des Verständnisses der hypostatischen Union von Gott/Vater und Jesus/Sohn dar. Während Vater und Sohn gemäß dem nizänischen Bekenntnis wesensgleich (homoisios) seien, sind sie nach Überzeugung der Homöusianar lediglich wesensähnlich (homoiusos). Siehe dazu Schäferdiek, Knut: Die Kirchen in den Reichen der Westgoten und Suewen bis zur Errichtung der westgotischen katholischen Staatskirche (Arbeiten zur Kirchengeschichte 39), Berlin 1967, S. 5 ff.; Ritter, Adolf M.: Art. Arianismus, in: TRE, Bd. 3 (1978), S. 692–719; Somonetti, Manlio: Art. Arius, Arianismus, Arianer, in: LexMA, Bd. 1 (1980), Sp. 949–951; Williams, Rowan D.: Art. Arius, Arianismus, in: LThK, Bd. 1 (1993), Sp. 981–989. Da diese theologische Differenzierung für unsere Themenstellung keine Relevanz besitzt und angesichts der Tatsache, dass es in der historischen Forschung durchaus üblich ist, die Begriffe „Arianer“ und „Katholik“ zur Unterscheidung der beiden christlichen Konfessionen zu benutzen, wird dieser Sprachgebrauch auch hier beibehalten. Schmidt: Die Bekehrung der Ostgermanen, S. 297 ff.; Sivan: Romans and Barbarians, S. 145 f.; Thompson: The Visigoths in the Time of Ulfila, S. 128; Liebeschuetz: Barbarians and Bishops, S. 49; Drews: The Unknown Neighbour, S. 263, S. 266; Kampers: Westgoten, S. 179. Siehe dazu und zu weiterer Lit. auch Amory: People and Identity, S. 236 mit Anm. 1; Mathisen, Ralph W.: Barbarian Bishops and the Churches „in barbaricis gentibus“ during Late Antiquity, in: Speculum 72/3 (1997), S. 664–697, S. 693 mit Anm. 193. Siehe etwa Heather: Goths, S. 315, oder für die Vandalen Spielvogel, Jörg: Arianische Vandalen, katholische Römer: die reichspolitische und kulturelle Dimension des christlichen Glaubenskonflikts im spätantiken Nordafrika, in: Klio 87/1 (2005), S. 201–222.
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niglichem Protektorat in den barbarischen Nachfolgereichen fortexistierte.162 Zweitens weist die Überlieferungssituation in diese Richtung, denn während uns nur eine verschwindend geringe Anzahl von originär arianischen Zeugnissen überliefert ist, die ihrerseits entweder aus dem Vandalen- oder dem Ostgotenreich stammen, gibt es eine relative Vielzahl von katholischen Konzilsakten und Belegen für römische Autoren, die gegen den als barbarisch bezeichneten Arianismus polemisieren. Diese Erklärung erscheint auf den ersten Blick plausibel, aber wie im Folgenden zu zeigen versucht wird, läuft sie Gefahr, zu sehr der eindimensionalen Darstellung der Quellen zu folgen, welche die weniger eindeutige und komplexere Wirklichkeit wahrscheinlich nicht angemessen widerspiegelt.163 Dass der Arianismus in der älteren Forschung zeitweise geradezu als germanisches Spezifikum erscheint, ist unschwer als Ausdruck des Zeitgeistes auszumachen und würde heute, trotz des Ausbleibens einer breit geführten kritischen Auseinandersetzung mit dieser ideologischen Interpretation, sicher von niemandem mehr so dargestellt.164 Auch in Arbeiten neueren Datums wird jedoch die Meinung vertreten, dass etwa bei den Vandalen eine „arianisch-ethnische“ beziehungsweise „arianisch-barbarische Identität“ einer lediglich äußerlich zur Schau gestellten Romanisierung während der gesamten Existenzdauer des Reiches im Wege gestanden habe.165 Wenn der Arianismus hier also nachgerade als unrömisch erscheint, 162
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Concilium Constantinopolitanum I, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 3, S. 173–179. Siehe z. B. Frend, William H. C.: The Early Church, Philadelphia 1985 [1. Aufl. 1965], S. 175 ff.; Chadwick, Henry: Die Kirche in der antiken Welt, Berlin/ New York 1972, S. 171 ff. [= The Early Church (Pelican History of the Church 1), London 1967]; Ritter: Arianismus, S. 713–716. Cum grano salis gilt der so skizzierte Forschungsstand auch für die Bewertung der Situation im späteren Toledanischen Reich bis zur allgemeinen Konversion der Goten und ist teilweise prägend für die Diskussion der ethnischen Identität. Als Voraussetzung für die Diskussion dieses Themas für das spanische Westgotenreich wird diesem Aspekt auf den folgenden Seiten entsprechend viel Raum gewidmet. Vgl. zur älteren Forschung etwa den als „Die Weltanschauung des germanischen Arianismus“ überschriebenen Abschnitt bei Giesecke: Die Ostgermanen und der Arianismus, S. 57–61, und in heutiger Auseinandersetzung mit dem Thema z. B. Brennecke, Hanns Christof: Der sog. germanische Arianismus als „arteigenes“ Christentum. Die völkische Deutung der Christianisierung der Germanen im Nationalsozialismus, in: Kaufmann, Thomas/ Oelke, Harry (Hg.), Evangelische Kirchenhistoriker im „Dritten Reich“ (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 21), Gütersloh 2002, S. 310–329. Gleichwohl ist noch bei Demandt: Spätantike, S. 469, unglücklicherweise von einem „germanischen Arianismus“ die Rede. Spielvogel: Arianische Vandalen, katholische Römer, S. 221.
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so ist, wie in der Forschung bereits verschiedentlich geschehen, Folgendes zu unterstreichen: In der Frühzeit der kirchlichen Institutionalisierung, im vierten Jahrhundert, hatte das arianische Bekenntnis im Römischen Reich eine beachtenswerte Verbreitung und es war keineswegs zu jeder Zeit absehbar, dass der sogenannte „Arianische Streit“ zugunsten der katholischen Seite ausgehen würde. Nicht zuletzt durch so einflussreiche Fürsprecher wie etwa die Kaiser Constantinus II. (337–361), Valentinian I. (364–375) und Valens (364–378) hatte der Arianismus zeitweise auch das notwendige politische Gewicht, um sich in den Auseinandersetzungen im Zuge der Institutionalisierung der christlichen Kirche erfolgversprechend positionieren zu können.166 Vor diesem Hintergrund ist auch die Christianisierung der Goten zu sehen. In der Mitte der 370er Jahre, und damit zum Zeitpunkt des Übertritts jener gotischen Gruppe unter Fritigern zum Arianismus, die schließlich entscheidend für die religiöse Prägung der späteren Westgoten wurde, war der Katholizismus unter der Regentschaft Valens’ im Ostreich sogar eher zweitrangig.167 Es ist also zu betonen, dass der Arianismus seiner Herkunft nach nicht im Geringsten als ein barbarisches Phänomen zu bewerten ist, sondern die Goten vielmehr das kaiserliche Bekenntnis der Zeit übernahmen und ihr Übertritt zum Arianismus damit zuvorderst als eine Assimilierung an die römische Welt zu werten ist.168 Während diese religiöse Anpassung zunächst also als Assimilation gilt, verhält sich die Interpretation mancher Forscher wenig später diametral zu dieser Sichtweise auf die gotische Christianisierung. Der Grund für diesen Bewertungsumschwung ist die Tatsache, dass die Goten auch dann an ihrem arianischen Glauben festhielten, als das Römische Reich sich von ihm distanzierte. „The official conversion of the Goths was in all likelihood a concession to facilitate this entry into the Empire. In the circumstances it 166
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Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Doppelsynode von Seleuki und Ariminum (Rimini) im Jahr 359, auf welcher auf Betreiben von Constantius II. ein arianisch geprägtes Bekenntnis als für das gesamte Imperium verbindlich anerkannt wurde. Siehe zur Geschichte des sog. „Arianischen Streits“ ausführlich Hanson, Richard P. C.: The Search for the Christian Doctrine of God. The Arian Controversy 318–381, Edingburgh 1988; sowie für einen Überblick z. B. Chadwick: Die Kirche in der antiken Welt, S. 151–173; Frend: The Early Church, S. 146–177; Ritter: Arianismus; Wiles, Maurice: Orthodoxy and Heresy, in: Hazlett, Ian (Hg.), Early Christianity. Origins and Evolution to AD 600, London 1991, S. 198–207; King, Noel: Church-State Relations, in: ibid., S. 244–255. Schäferdieck, Knut: Zeit und Umstände des westgotischen Übergangs zum Christentum, in: Historia 28 (1979), S. 90–97; Wolfram: Goten, S. 79, S. 84–94. Thompson: The Visigoths in the Time of Ulfila, S. 115 ff.; Heather: Goths and Romans, S. 188 f.; Liebeschuetz: Barbarians and Bishops, S. 49 f.; Wolfram, Goten, S. 90 f. Allgemein auch Goffart: Barbarian Tides, S. 269 Anm. 23.
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was natural that they should adopt the Arian form of Christianity which was the religion of the emperor Valens who received them. But the fact that they stuck to Arianism when the Romans around them abandonend it suggests that Christianity fulfilled a further social need. Conversion to Christianity had been an act of assimilation to the civilization of the world they were entering. On the other hand adherence to a form of Christianity which came to be rejected, and even persecuted, by Roman government ensured that the Goths would remain separate from the Roman provincials“, führt dazu etwa Wolf Liebeschuetz aus.169 Diese Interpretation scheint jedoch in mehrfacher Hinsicht fraglich. Woher, lässt sich beispielsweise fragen, sollte diese Angst vor einem Identitätsverlust kommen, welche zum Zeitpunkt der Konversion offenbar noch nicht geherrscht hatte? Peter Heather betont zu Recht, dass der Identität speziell in Zeiten des Konflikts eine große Bedeutung zukomme, und er unterstreicht, dass ein Bewusstsein des „Gotisch-Seins“ sich besonders durch den römischen Druck im vierten Jahrhundert konturierte.170 In dieser Hinsicht ist nach der Konversion jedoch kein ereignisgeschichtlicher Wendepunkt zu erkennen, der zu dem geschilderten Umschwung geführt haben sollte. Vielmehr ist das gotisch-römische Verhältnis von dem gewohnten Wechselspiel aus militärischer Konfrontation und Einigung geprägt. Selbst wenn wir für die Phase der vierzigjährigen Migration eine besondere Bedrohungssituation annehmen würden, so wäre doch zu fragen, ob der Arianismus, als in dieser Phase unzweifelhaft noch weit verbreitete römische Religion, geeignet dazu gewesen wäre, als Distinktionsmerkmal zu fungieren? Anders gewendet ließe sich spekulieren, ob die Wiederaufnahme vorchristlich-paganer Glaubenstraditionen einem solchen Zwecke nicht viel eher entsprochen hätte, als das Festhalten an einer Form des 169
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Liebeschuetz: Barbarians and Bishops, S. 49; siehe auch Heather: Goths and Romans, S. 328: „Although the Goths probably first ‚accepted‘ Arianism because it was the religion of the emperor Valens, they later clung to it with such tenacity that it surely became a means of differentiating themselves from inhabitants of the Empire“; Id.: Goths, S. 313 f.; Carr, Karen: From Alaric to the Arab Conquest. Visigothic Efforts to Achieve Romanitas, in: Hall, Linda Jones (Hg.), Confrontation in Late Antiquity. Imperial Presentation and Regional Adaptation, Cambridge 2003, S. 103–116, S. 104; García Moreno, Luis A.: Etnia goda y iglesia hispana, in: Hispania Sacra 54 (2002), S. 415–442, S. 430. Siehe dazu schon Schmidt: Die Bekehrung der Ostgermanen, S. 298: „Wenn die arianische Kirche des Westgotenreiches doch kein Wachstum will, wenn sie es sogar abwehrt, so ist dafür nur ein Grund erkennbar: massenweiser Übertritt der Romanen zum Arianismus hätte an dem damals für entscheidend erachteten Punkte die Divergenz zwischen Romanen und Goten beseitigt. Diese Scheidung aber sollte aufrecht erhalten werden.“ Heather: Goths, S. 303 f.
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Christentums, die beinahe römische Staatsreligion hätte werden können. Wenn wir jedoch annehmen, dass der Arianimus als Distinktionselement fungierte und eingedenk seiner römischen Prägung in der Entstehungsphase, so bleibt zu fragen, ab wann er im Westreich von solch marginaler Verbreitung war, dass er nicht mehr als römisch, sondern als Eigenart der barbarischen gentes hätte angesehen werden können? Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass sich alle Überlegungen zur Rolle der arianischen Kirche einem grundsätzlichen methodischen Problem ausgesetzt sehen, welches auf die Bedingungen der historischen Überlieferung zurückgeht. Es mag dabei zunächst trivial erscheinen, auf das Proseminarwissen hinzuweisen, dass nicht nur einzelne Texte, aufgrund ihrer vielgestaltigen Bedingtheit und Intentionalität, ein durch mehrfache Brechungen verzerrtes Bild der Vergangenheit widerspiegeln, sondern auch die Quellenüberlieferung im Ganzen dies tut. Das heißt, dass auch die Gesamtheit der Überlieferung einen verzerrten Eindruck vermittelt, da die auf uns gekommenen Texte nur einen minimalen Auszug des Schriftgutes einer bestimmten Zeit darstellen. Über diesen lässt sich ferner mit keinerlei Gewissheit sagen, dass er, obschon nur einen verschwindend geringen Prozentsatz der schriftlichen Information widerspiegelnd, zumindest ein im Verhältnis repräsentatives Bild zeichnet. Trotz des grundsätzlichen Wissens darum hat diese Tatsache dennoch unweigerlich Konsequenzen für unsere Wahrnehmung der Vergangenheit. Während einerseits der Zufall, durch eine unfreiwillige Vernichtung von Archiv- und Bibliotheksbeständen durch äußere Einwirkungen, im Laufe der Jahrhunderte gänzlich unsystematisch die Überlieferung geformt hat, so ist darüber hinaus auch der Einfluss struktureller Bedingungen und Überlieferungsintentionen zu berücksichtigen, der auf die Gestalt unseres heutigen Quellenmaterials eingewirkt hat.171 Konkret bedeutet dies in unserem Kontext, dass wir nach Informationen über ein religiöses Phänomen beziehungsweise eine Kirche suchen, die nicht nur keine eigenen institutionellen Traditionen von Dauer etablieren konnte, welche eine Überlieferung hätten begünstigen können, sondern die sich sogar der Feindschaft und dem ausgeprägten Widerstand eben jener Institution ausgesetzt sah, welche über Jahrhunderte, quasi monopolisiert, die schriftliche Tradition Europas bestimmte und verwaltete, namentlich der katholischen Kirche. Das bedeutet, dass es bald schon keine arianischen Skriptorien oder Bibliotheken mehr gab, welche Schrifttum hervorbrachten, reproduzierten oder bewahrten und ein solches Interesse dürfte bei den entsprechenden katholischen Einrichtungen höchstens in besonders 171
Siehe dazu grundlegend etwa Esch, Arnold: Überlieferungschance und Überlieferungszufall als methodisches Problem des Historikers, in: HZ 240 (1985), S. 529–570.
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gelagerten Ausnahmefällen vorhanden gewesen sein. Stattdessen ist eher davon auszugehen, dass sie das arianische Schrifttum entweder nicht beachtet oder gar vernichtet haben. Für das Bild, welches wir aus den Quellen auf den ersten Blick über den Arianismus gewinnen, ist also stets zu berücksichtigen, dass es jenes einer katholisch dominierten Traditionsbildung ist. Wie haben wir vor diesem Hintergrund aber die Überlieferungssituation zu bewerten und welche Schlüsse können wir aus ihr ziehen? Fehlen uns die entsprechenden schriftlichen Belege und Informationen über ein etwaiges Fortleben des Arianismus’ und über dessen Verbreitung auch unter der romanischen Bevölkerung in den späteren regna also daher, weil er in der Tat nur von den eingewanderten Barbaren aufrecht erhalten wurde? Oder müssen wir mit einer damnatio memoriae rechnen, der nur jene Hinweise auf eine arianisch geprägte Religiosität nicht zum Opfer gefallen sind, welche ihn als häretischen und minderwertigen Irrglauben von vermeintlichen Barbaren darstellen und die uns folglich eine andere Perspektive verstellt hat? Angesichts des Umstandes, dass diese Frage nicht eindeutig zu klären ist, hängt es wohl von Plausibilitätserwägungen ab, welche Bedeutung Historiker angesichts der gerade geschilderten Situation den vereinzelten Hinweisen beimessen. Derlei Anhaltspunkte werden von jenen, die mit der gängigen Meinung davon ausgehen, dass der Arianismus innerhalb des Reiches, nach der Entscheidung Theodosius’ zugunsten des nizänischen Bekenntnisses, „ungeliebt und unbeweint“ rasch verschwand,172 als eine Randerscheinung bewertet. Verbunden ist damit bisweilen der beiläufige Hinweis, dass man bis in das fünfte Jahrhundert hinein mit einem römischen Arianismus rechnen müsse, der dann „im arianischen Nationalkirchentum der germanischen Eroberer“ aufgegangen sei.173 Zu einer anderen Einschätzung gelangte in seiner wenig beachteten Arbeit „Les Ariens d’Occident (335–450)“ im Jahre 1967 Michel Meslin, der im Arianismus des Westreiches zwar eine Minderheitenreligion erkennt, diese aber bis in das 5. Jahrhundert hinein als festen Bestandteil der römischen Kultur wertet.174 Mit Blick auf das ostgotische Italien kommt auch Patrick Amory zu einer ähnlichen Einschät172
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Chadwick: Die Kirche in der antiken Welt, S. 170–173, Zitat S. 173; Frend: The Early Church, S. 175 ff. Zitat Ritter: Arianismus, S. 716; Heather: Goths, S. 313: „Instead they [die Goten, d. Verf.] held to Ulfila’s teachings, which became, over time, increasingly a distinctive cultural feature of Goths (although Roman ‚Arians‘ continued to exist well into the fifth century).“ Meslin, Michel: Les Ariens d’Occident (335–450) (Patristica Sorbonensia 8), Paris 1967; siehe auch Duval, Yves-Marie: Sur l’Arianisme des Ariens d’Occident, in: Mélanges de sciences religieuse 26 (1969), S. 145–153.
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zung.175 Die für diesen Bereich festzustellende Identifizierung des Arianismus als ecclesia legis Gothorum oder ecclesia Gothica176 wertet er dabei, der Grundthese seines Buches entsprechend, als eine propagandistische Zuschreibung. Diese konnte seitens ihrer Gegner als Schmähbegriff verwandt werden, vor allem sei diese Identifizierung aber als ein Versuch der arianischen Kirche selbst zu verstehen, ihre religiöse Identität gegen jene der universalistischen Anspruch erhebenden katholischen Kirche abzugrenzen. Im Gegensatz zu der weiter oben erörterten Auffassung, diente die religiöse Affiliation damit nicht dazu, eine ethnische Zugehörigkeit zu betonen und von anderen abzuheben, sondern vielmehr sei der prestigeträchtige und politisch wirksame Gothus-Begriff andersherum dazu in Dienst genommen worden, die religiöse Zugehörigkeit zu identifizieren und aufzuwerten. Es sei damit also nicht von einer „Kirche der Goten“, sondern von einer „Kirche gotischen Glaubens“ die Rede, bei der die Herkunft und ethnische Identität im klassischen Sinne keine Rolle spielte.177 Sogar im Falle des nordafrikanischen Vandalenreiches haben neuere Untersuchungen ergeben, dass die auf den ersten Blick scheinbar deutlich hervortretende ethnische und religiöse Trennung der Gesellschaft, mit arianischen Vandalen auf der einen und katholischen Romanen auf der anderen Seite,178 tatsächlich weit weniger klar erkennbar war. Das vandalische Beispiel ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil die konfessionellen Spannungen und auch gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Arianern und Katholiken im regnum der Vandalen durch die offensive Religionspolitik zumindest einiger vandalischer Könige geschürt wurden und gut überliefert sind.179 Ausgehend davon sowie von der vor allem in der älteren
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Siehe zu einer umfassenden Analyse der komplexen religiösen Situation auf der Apenninhalbinsel Amory: People and Identity, S. 195–276, und zur arianischen Kirche besonders S. 237–263. Siehe dazu auch Wolfram: Goten, S. 27, S. 325; Amory: People and Identity, S. 237. Amory: People and Identity, S. 275: „[T]his church is not a ‚church of Goths‘, but a ‚church of Gothic belief‘. […] The name Goth appealed to the Arian church in Italy as a means of preserving its identity. This statement is an exact reversal of the traditional interpretation of the ‚church of Goths‘.“ Vgl. dazu z. B. Costanza, Salvatore: „Uuandali – Arriani“ e „Romani – Catholici“ nella Historia Persecutionis Africanae Provinciae di Vittore di Vita, in: Oikoumene. Studi paleocristiani pubblicati in onore del concilio ecumenico vaticano II, Catania 1964, S. 223–241; Spielvogel: Arianische Vandalen, katholische Römer. Siehe dazu z. B. Spielvogel: Arianische Vandalen, katholische Römer; Berndt: Konflikt und Anpassung, S. 215–224; Steinacher, Roland: Gruppen und Identitäten. Gedanken zur Bezeichnung „vandalisch“, in: Berndt, Guido M./ Steinacher, Roland (Hg.), Das Reich der Vandalen und seine (Vor-)Geschichten (Österreichische Aka-
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Forschung häufig anzutreffenden Überzeugung, dass eine grundsätzliche Ähnlichkeit der „(ost)germanischen“ Völker bestehe, ist sogar zu überlegen, inwieweit die vergleichsweise gut dokumentierte und konfliktive Situation im vandalischen Reich als Blaupause prägend für die allgemeine Bewertung des Verhältnisses von Katholiken und Arianern auch in den anderen barbarischen regna gewesen sein mag. Die wichtigste und die Bewertung der religiösen Verhältnisse im Vandalenreich prägende Quelle ist die zwischen 484 und 489 von Victor von Vita verfasste Historia persecutionis Africanae provinciae.180 In seiner Historia schildert der nordafrikanische Bischof auf drastische Weise die insbesondere von König Hunerich forcierte arianische Missionspolitik, vor allem aus der Perspektive der verfolgten Katholiken. Wie Tankred Howe in seiner dieser Quelle gewidmeten Dissertation jüngst zeigen konnte, ist die bei Victor deutlich zu konstatierende Gleichsetzung von Vandalen mit Arianern sowie von Römern mit Katholiken in dieser Ausprägung ein Spezifikum dieses Textes.181 Gleichwohl liefert der Text Victors selber eine Reihe von Beispielen für Vandalen katholischen Glaubens und damit gleichzeitig einen Beleg dafür, dass die Realität komplexer war, als die Grundausrichtung seiner Darstellung suggerieren möchte.182 In seiner überzeugenden Deutung der Quelle, unter Einbeziehung des religiös-intellektuellen sowie des religionspolitischen Umfeldes der Entstehungszeit des Textes, kann Howe zeigen, dass Victor die ernsthafte Bedrohung der katholischen Gemeinde im vandalischen Herrschaftsgebiet weniger in ihrer gewaltsamen Unterdrückung sah, als vielmehr im Erfolg der arianischen Missionsbemühungen. Die Apostasie katholischer
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demie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl., Denkschriften 366 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 13), Wien 2008, S. 243–260, S. 249–253. Siehe zur etablierten Interpretation der Quelle in religiöser Hinsicht etwa Costanza: „Uuandali – Arriani“ e „Romani – Catholici“ nella Historia Persecutionis Africanae Provinciae di Vittore di Vita. Howe, Tankred: Vandalen, Barbaren und Arianer bei Victor von Vita (Studien zur Alten Geschichte 7), Frankfurt a. M. 2007, S. 120–155, S. 155: „[D]amit bleibt festzuhalten, daß die vandalische Ethnizität in der Auseinandersetzung zwischen vandalenzeitlichem Arianismus und provinzialrömischem Katholizismus nur bei Victor eine nennenswerte Rolle spielt, […].“ Howe: Vandalen, Barbaren und Arianer bei Victor von Vita, S. 156–182, S. 358: „Victors Gebrauch der Ethnika Wandali und Romani ist also weniger von dem Anliegen getragen, die tatsächlichen ethnischen Verhältnisse darzulegen, als vielmehr von der Absicht ihrer suggestiven Verzerrung zugunsten einer Gleichsetzung von Vandalentum und arianischem Irrglauben einerseits und Römertum und katholischer Rechtgläubigkeit andererseits.“ Skeptisch hinsichtlich einer ethnischen Eindeutigkeit der religiösen Gruppierungen äußert sich auch Steinacher: Gruppen und Identitäten, S. 251.
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Kleriker wird dabei sowohl von weiteren nordafrikanischen Quellen belegt als auch durch ein im Jahre 487 in Rom versammeltes Konzil, das sich ausdrücklich mit dem Problem der Neutaufen katholischer Geistlicher in Afrika befasste.183 Vor dem Hintergrund dieser nennenswerten Zahl von Apostaten steht das Lob der Standhaftigkeit im katholischen Glauben, welches sich im Übrigen auch auf vandalische Katholiken erstreckt, im Zentrum der Historia. Die Absicht Victors dürfte dabei in der Ermunterung und der Aufforderung der katholischen Gemeinde zur Glaubenstreue gelegen haben.184 Damit verbindet sich nach Howe auch die speziell bei Victor festzustellende, suggestive Identifizierung des Arianismus mit den als barbarisch geschilderten Vandalen: „In seiner parakletischen Absicht war Victor deshalb bemüht, die vandalische Herrschaft in einen grundsätzlichen Gegensatz zum Römertum zu stellen und den durch sie beförderten Arianismus als gleichermaßen barbarisch und unrömisch abzuwerten und damit beide für etwaige Sympathieneigungen seitens der provinzialrömischen Bevölkerung zu diskreditieren.“185 Das bedeutet, dass Victor eine religiöse, kulturelle und politische Wesensfremdheit konstruierte, gerade weil diese nicht in der von ihm gewünschten Ausprägung existierte. Mit anderen Worten, Victor wollte der katholischen und mehrheitlich romanischen Bevölkerung des regnum verdeutlichen, dass der Arianismus und die ihn entschieden fördernden Machthaber barbarisch und damit zutiefst wesensfremd waren, da jene einheimische Bevölkerung zu einem nicht näher quantifizierbaren, aber seitens katholischer Kleriker als beachtlich empfundenen Anteil gerade zu einer anderen Einschätzung gelangten. Nicht vergessen werden sollte dabei freilich, dass dies unter Druck geschah. Die römischen Wurzeln des Arianismus und vielleicht auch eine gewisse arianische Tradition in Afrika, unabhängig von den Vandalen, machen sowohl diese Einschätzung als auch Victors Intention verständlich. Was lässt sich im Anschluss an diese allgemeinen Vorbemerkungen und den Ausblick auf die aktuelle Forschungssituation in anderen regna nun über den Befund in Gallien sagen? Da die Verbindung der Westgoten zum Arianismus unstrittig ist, sind bei dieser Fragestellung jene Belege weniger von Interesse, die in direktem Zusammenhang mit den Goten genannt werden.186 Um 183 184 185 186
Howe: Vandalen, Barbaren und Arianer bei Victor von Vita, S. 342 f. Ibid., S. 334–356. Ibid., S. 366. Siehe zu den Belegen z. B. für arianische Geistliche am Hof oder im Gefolge gotischer Soldaten etwa Sivan: Romans and Barbarians, S. 148 f.; Mathisen: Barbarian Bishops, S. 681–684.
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seine Funktion als Distinktionsmerkmal kritisch zu beleuchten, ist eher danach zu fragen, ob Anzeichen dafür zu entdecken sind, dass der Arianismus nicht nur ein auf die angesiedelten Barbaren beschränktes Phänomen gewesen sein könnte. Hinsichtlich der Quellensituation lässt sich dabei zunächst feststellen, dass es im Gegensatz zum vergleichsweise reichen Bestand an katholischen Synodalakten keinerlei vergleichbare arianische Überlieferung gibt.187 Über eine arianische Synode erfahren wir überhaupt erst aus dem westgotischen Spanien am Ausgang des sechsten Jahrhunderts und zwar aus dem Bericht des katholischen Bischofs Johannes von Biclaro, der die von König Leovigild im Jahre 580 einberufene Synode arianischer Bischöfe deswegen zum Thema macht, weil es die Zielrichtung dieser Versammlung war, Katholiken die Konversion zum Arianismus zu erleichtern.188 In den katholischen Akten sind jedoch eine Reihe von Hinweisen auszumachen, die auf Personen arianischen Glaubens schließen lassen. Im Sprachgebrauch der Konzilsakten ist dabei nicht ausdrücklich von Arianern die Rede, sondern von Häretikern, dass damit jedoch Arianer bezeichnet sind, macht sowohl die Parallelüberlieferung erzählender Quellen als auch die Schilderung der haereticorum astutia deutlich, welche noch im Jahr 529 als Irrglaube über das Wesensverhältnis von Jesus und Gott Vater beschrieben wird.189 So wird die Existenz von Arianern etwa dadurch deutlich, dass die aus dem späten fünften Jahrhundert datierenden Statuta ecclesiae antiqua die Katholiken dazu aufforderten, das gemeinsame Gebet und generell den Umgang mit Häretikern zu meiden.190 Ferner untersagte das Konzil von 187
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Die Akten der katholischen Kirchenversammlungen sind in zwei modernen und kritischen Editionen verfügbar, die hier im Folgenden beide benutzt werden. Siehe dazu die als „La colección canonica hispana“ betitelten Bände 3 bis 5 aus der Reihe der Monumenta Hispaniae Sacra, Serie Canónica, hg. v. Gonzalo Martínez Diez u. Felix Rodriguez, Madrid (Bd. 3: Concilios griegos y africanos, Madrid 1982; Bd. 4: Concilios galos, concilios hispanos, 1984; Bd. 5: Concilios hispanos, 1992) (im Weiteren zitiert als Martínez/ Rodriguez CCH 3–5), sowie die beiden Bände im Corpvs Christianorum, Series Latina: Concilia Galliae. A. 314–A. 506, hg. v. Charles Munier (CCSL 148), Turnhout 1963; Concilia Galliae. A. 511–A. 695, hg. v. Caroli de Clercq (CCSL 148A), Turnhout 1963 (im Weiteren zitiert als CCSL 148 und 148A). Johannes von Biclaro: Chronicon 57, hg. v. Carmen Cardelle de Hartmann, in: Victor Tvnnvnensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesaraugustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon (CCSL 173 A), Turnhout 2001, S. 58–83. Siehe dazu unten Kap. 4.1. Concilium Vasense a. 529 (Martínez/ Rodriguez CCH 4), S. 109–112, c. 5: propter haereticorum astutiam, qui Dei Filium non semper cum Patre fuisse […]. Vgl. auch Mathisen: Barbarian Bishops, S. 694. Statuta ecclesiae antiqua (CCSL 148), S. 162–188, 80. (LXX) Clericus haereticorum et schismaticorum tam conuiuia quam sodalitates aequaliter uitet; 82. (LXXII) Cum haereticis neque orandum neque psallendum.
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Agde im Jahre 506 Eheverbindungen zwischen Häretikern und Rechtgläubigen. Die neu artikulierten Verbote von derlei Handlungen legen nahe, dass sie in der Praxis vorkamen. Dies wird auch durch den Zusatz zum zuletzt genannten Eheverbot unterstrichen, welcher zwischenkonfessionelle Ehen dann für akzeptabel erklärt, wenn die aus ihnen hervorgehenden Kinder Katholiken würden.191 Über ein Ehepaar gemischter Konfession erhalten wir auch Nachricht durch Gregor von Tours.192 In diesem Zusammenhang berichtet Gregor ferner, mit einer genauen Beschreibung der Sitzordnung, dass bei einem von besagtem Paar veranstalteten Convivium sowohl ein katholischer als auch ein arianischer Kleriker zugegen waren und überliefert dabei ein Zitat des Hausherren, in welchem jener seiner doppelten Freude darüber Ausdruck verleiht, dass Priester beider Religionen in seinem Hause anwesend sind.193 Im Anschluss an diese Episode erzählt der Bischof von Tours weiterhin über einen Streit, den, so wörtlich, Arrianorum presbiter cum diacono nostrae religionis habebat und der schließlich durch eine sogenannte „Wasserprobe“ zugunsten der katholischen Seite entschieden wurde.194 191
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Concilium Agathense a. 506 (CCSL 148), S. 189–228, 20. (67), Quoniam non oportet cum omnibus hereticis miscere connubia, et uel filios uel filias dare, sed potius accipere, si tamen se profitentur Christianos futuros esse et catholicos. Gregor von Tours: Gloria Martyrum 79, hg. v. Bruno Krusch, in: Gregorii episcopi Turonensis miracula et opera minora (MGH SS rer. Mer. 1,2), Hannover 1885 (ND 1969), S. 34–111, Mulier quaedam erat catholica, habens virum hereticum. Ibid., ‚Duplicata est laetitia hodie, eo quod sint sacerdotes utriusque religionis in domo nostra‘. Discumbentibus autem ad convivium, vir ille cum presbitero dextrae partis cornu occupat, catholicum ad sinistrum statuens, positamque ad laevam eius sellulam, in qua coniux eius resederet. Freilich ist dies in der Darstellung des katholischen Bischofs nur die halbe Wahrheit jener Geschichte, die er unzweideutig mit den Worten einleitet semper enim catholicorum inimica est heresis. So wird zum moralischen Kern der Episode, dass der arianische Ehemann die konziliante Haltung nur vorgespielt habe und er im Folgenden daran gegangen sei, den katholischen Priester herauszufordern und zu verhöhnen. Auffällig ist an dieser Schilderung Gregors auch eine Variante bei der Bezeichnung des katholischen Geistlichen. Während Gregor diesen als presbiter nostrae religionis valde catholicus vorstellt, ist er für den arianischen Ehemann ein presbiter Romanorum. Diese Apposition ist jedoch nicht als eine ethnische Identifikation in Bezug auf GalloRömer, sondern als religiöser Terminus zu verstehen, der sich von der Stadt Rom als Zentralort der katholischen Kirche ableitet. In den Quellen wird diese Identifikation von Personen arianischen Glaubens geäußert, da sie die Homousianer nicht als katholisch bezeichnen wollten, vgl. auch Gregor von Tours: Gloria Martyrum 24, 78. Siehe dazu Schäferdiek: Die Kirchen, S. 19, und unten Kap. 4.1. Gregor von Tours: Gloria Martyrum 80. Die hier angeführte Überlieferung Gregors aus dem ausgehenden sechsten Jahrhundert ist mit Blick auf unsere Problemstellung insofern mit Vorsicht zu behandeln, als dass Zeit und Ort des Geschehens in diesem Text nicht immer genau zu bestimmen sind und Gregors Arrangement durchaus Sprünge aufweist.
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Durch den Bischof von Tours erfahren wir auch über folgenden Zwischenfall, der sich in der Siedlung Reontio (dem heutigen Rions nahe Bordeaux) zugetragen haben soll. Dort habe eine Gruppe von Westgoten Station gemacht und vorübergehend eine katholische Kirche konfisziert. Gregor berichtet weiter, dass am Osterfest arianische Geistliche die katholischen Priester davon abhielten, Kinder zu taufen. Dies hätten sie dann in besagter Kirche selber getan, um das Volk auf diese Weise leichter in ihre Häresie zu verstricken.195 Dass die Kinder nach Gregors Darstellung alsbald die Strafe Gottes ereilt habe, wertet Ralph Mathisen als Hinweis darauf, dass ihre Eltern die Kinder der Taufe möglicherweise zugeführt haben könnten.196 Für eine Affinität der beteiligten Personen der arianischen Taufe gegenüber, die zu erwähnen von Gregor nicht zu erwarten wäre, spricht ebenfalls, dass es aus dem Westgotenreich ansonsten keinerlei Hinweise darauf gibt, dass es Bemühungen um eine arianische Mission oder gar Zwangstaufen gab.197 Wäre dies der Fall gewesen, hätte es darauf sicher Reaktionen von katholischer Seite gegeben. Wie jedoch auch in der Forschung häufig betont wird, zeichnet sich das Verhältnis der arianischen Kirche, unter Führung des westgotischen Königs, durch eine besondere Toleranz dem Katholizismus gegenüber aus. Diese Geschichte ist also entweder als exzeptionell zu werten oder die von Gregor tendenziös geschilderten Ereignisse sind ein Hinweis darauf, dass die religiösen Grenzlinien für die Bevölkerung durchaus variabel waren. So belegen auch weitere Konzilsdekrete, teilweise noch aus späteren fränkischen und burgundischen Kontexten, dass es bis in die Mitte des sechsten Jahrhunderts hinein zu wechselseitigen Konversionen gekommen sein muss. Weiterhin zeigen sie das Bemühen der katholischen Kirche darum, Anhänger des anderen Glaubens in die eigene Kirchenstruktur einzugliedern. So eröffnete das Konzil zu Orange im Jahr 441 auch niederen Geistlichen die Möglichkeit dazu, einen Häretiker noch auf dem Sterbebett in die Kirche aufzunehmen und auf dem Konzil von Orléans des Jahres 511 wurde bestimmt, dass arianische Kleriker durch schlichtes Handauflegen in die Katholische Kirche übernommen werden und dort jeden Dienst verse-
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Gregor von Tours: Gloria Confessorum 47, hg. v. Bruno Krusch, in: Gregorii episcopi Turonensis miracula et opera minora (MGH SS rer. Mer. 1,2), Hannover 1885 (ND 1969), S. 294–370, Cumque adveniret vigilia paschae, hic cum hereticorum sacerdotibus parvulos in eclesia nostra tinguebant, ut, negato scilicet sacerdoti aditu baptizandi, facilius ad hanc sectam populus implicaretur. Mathisen: Barbarian Bishops, S. 693. Vgl. etwa schon Schmidt: Die Bekehrung der Ostgermanen, S. 297 ff.; Sivan: Romans and Barbarians, S. 144; Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 209.
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hen könnten, den der Bischof ihnen zuwies.198 Schließlich legen die Konzilien von Épao im Jahre 517 und Orléans im Jahre 541 keineswegs unüberwindliche Bußmaßnahmen für Konvertiten fest, die nach dem Abfall vom Katholizismus zur Häresie schließlich wieder in den Schoß der Kirche zurückfinden wollten.199 Ferner lassen sich auch zwei Inschriften aus der Mitte des fünften Jahrhunderts nicht reibungslos in das etablierte Forschungsbild einfügen, welche katholische Kirchenstiftungen von zwei Personen belegen, die die germanischen Namen Glismoda und Othia trugen.200 Dies verstieße entweder gegen die von der Forschung angenommene Bewertung germanischer Namen, wenn wir es hier mit Römerinnen zu tun hätten, oder, wenn es sich um Gotinnen handelte, gegen die Annahme deren religiöser Ausrichtung. Aus einem im Jahr 470 von Sidonius verfassten Brief erfahren wir über die Investitur des Metropolitanbischofs der Aquitania mit Sitz in Bourges. Bemerkenswert an seiner Schilderung ist die nur beiläufige Erwähnung einer Gruppe von Arianern, die an diesem Vorgang beteiligt war.201 So führt Sidonius, zum Beweis der Tugendhaftigkeit des von ihm favorisierten Anwärters, namens Simplicius, dem Empfänger seines Briefes gegenüber aus, dass dessen Konkurrenten (aemuli) – sogar diejenigen, welche dem arianischen Glauben anhingen – aus Respekt geschwiegen hätten, als bei der Beratung über die Prätendenten Nämlicher verhandelt wurde.202 Die Anwe198
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Siehe zum Erstgenannten Concilium Aravsicanvm a. 441, 1 (CCSL 148), S. 76–93, Haereticos in mortis discrimine positos, si catholici esse desiderant, si desit episcopus, a presbyteris cum chrismate et benedictione consignari placuit; und zur Eingliederung der arianischen Kleriker in den katholischen Kirchendienst siehe Concilium Avrelianense a. 511, 10 (CCSL 148A), S. 3–19, De hereticis clerecis, qui ad fidem catholicam plena fide ac uoluntate uenerint […] id censuimus obseruari, ut si clereci fideliter conuertuntur et fidem catholicam integrae confitentur uel ita dignam uitam morum et actuum probitate custodiunt, officium, quo eos episcopus dignos esse censuerit, cum impositae manus benedictione suscipiant. Concilium Epaonense 29 (CCSL 148A), S. 20–37, Lapsis, id est qui in catholica baptizati praeuaricatione damnabili post in heresem transierunt, grandem redeundi difficultatem sancxit antiquetas; Concilium Avrelianense a. 541, 8 (CCSL 148A), S. 131–146, De his, qui post baptismi sacramentum ad heresis lapsum carne suadente discendunt et agnoscentes reatum ad unitatem fidei catholicae uenire disiderant, in episcoporum potestatem consistat, cum eos uiderint dignam paenitentiam agire, quando uel qualiter communione pristine reformentur. Zu Glismoda siehe PLRE 2, S. 513; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 10 f., der den Fall Glismodas als „eine für die Gesamtsituation nicht bezeichnende Ausnahme“ einstuft, und zu beiden Sivan: Romans and Barbarians, S. 154. Sivan: Romans and Barbarians, S. 143, vermutet, dass aus deren Mitte vielleicht sogar selbst ein Kandidat zur Wahl gestanden haben mag. Sidonius Apollinaris: Ep. 7,8,3, de quo tamen Simplicio scitote narrari plurima bona, atque ea quidem a plurimis bonis. quae testimonia mihi prima fronte conloquii non satis grata, quia satis gratiosa, iudicabantur. at postquam aemulos eius nihil vidi amplius quam silere, atque eos ma-
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senheit besagter Arianer und ihr Mitspracherecht waren Sidonius keines weiteren Kommentars wert. Es lässt sich an dieser Stelle auch keine barbarische Verbindung zu den besagten Arianern ausmachen, etwa indem darüber berichtet würde, dass es sich um gotische Funktionsträger handelte. Die Annahme, dass eine gotische Identität der Arianer für Sidonius ganz selbstverständlich gewesen sei und daher keiner weiteren Äußerung bedurft habe, lässt sich auf Grundlage eines Vergleiches mit seinen sonstigen Schriften nicht bestätigen. So spricht etwa die für dieses Thema wichtige Epistel 7,6 an seinen Amtskollegen Basilius von Aix nicht dafür, dass arianischer Glaube und gotische Identität für Sidonius deckungsgleich waren. Zwar klagt er in dem Brief den überzeugten Arianismus des Westgotenkönigs aufgrund der angeblich damit einhergehenden Repressalien für die orthodoxen Gläubigen leidenschaftlich an, allerdings deutet die sprachliche Gestaltung dabei nicht auf eine Gleichsetzung von ethnischer Identität und konfessioneller Zugehörigkeit. Sidonius führt zwar aus, dass für Eurich die Erwähnung des Wortes „katholisch“ so abstoßend sei, dass man zweifeln könne, ob er eher der Führer seines Volkes oder der seiner Sekte sei (ut ambigas ampliusne suae gentis an suae sectae teneat principatum).203 Volk und Religion stellen für ihn aber offensichtlich keine Einheit dar, denn gens und secta werden an dieser Stelle ebenso getrennt voneinander genannt wie kurz zuvor, als Sidonius auf eine Disputation zwischen Basilius, dem Empfänger des Briefes, und einem arianischen Goten namens Modaharius verweist. Dass es sich bei jenem Modaharius – über den Sidonius in Anlehnung an das religiöse Streitgespräch berichtet, dass er „Speere seiner arianischen Häresie“ nach Basilius warf – um einen Goten handelte, ist durch einen gesonderten Einschub zu erfahren: Modaharium, civem Gothum, haereseos Arinae iacula vibrantem.204 Trotz des germanischen Namens und des religiösen Bekenntnisses besagten Modaharius’ hält Sidonius es also für nötig, dessen ethnische Identität gesondert anzuführen. In Bezug auf die Barbaren spielt die Religion für ihn generell eher keine Rolle: „Arianismus resp. Paganismus der Germanen werden von Sidonius nur marginal erwähnt, lediglich in der von persönlicher Erbitterung diktierten Ep. 7,6 rückt das arianische Glaubens-
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xume, qui fidem fovent Arianorum, neque quippiam nominato, licet necdum nostrae professionis, inlicitum opponi, animum adverti exactissimum virum posse censeri, de quo civis malus loqui, bonus tacere non posset. Sidonius Apollinaris: Ep. 7,6,6, tantum, ut ferunt, ori, tantum pectori suo catholici mentio nominis acet, ut ambigas ampliusne suae gentis an suae sectae teneat principatum. ad hoc armis potens acer animis alacer annis hunc solum patitur errorem, quod putat sibi tractatuum consiliorumque successum tribui pro religione legitima, quem potius assequitur pro fecilitate terrene. Durch den zweiten Satz wird Eurichs religiöse Überzeugung besonders betont. Sidonius Apollinaris: Ep. 7,6,2.
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bekenntnis des Westgotenkönigs Eurich in den Vordergrund.“205 Wie weiter oben gesehen, machte Sidonius andere Barbarentopoi durchaus häufiger zum Gegenstand seiner Briefe. Mag das Aussparen des religiösen Bekenntnisses dadurch zu begründen sein, dass es ihm gar nicht spezifisch barbarisch beziehungsweise gotisch erschien? Diese Beobachtung und die daraus resultierende Frage ist dabei nicht nur mit Blick auf Sidonius zu stellen, denn wie eine umfassende Untersuchung der Briefliteratur des vierten und fünften Jahrhunderts zwischen Römern und Barbaren jüngst gezeigt hat, spielt der Arianismus der Empfänger in ihr keine Rolle, sondern es werden eher die christlichen Gemeinsamkeiten zum Thema gemacht.206 Das oben schon erwähnte Konzil von Orléans des Jahres 511 kann in unserem Kontext als Beleg dafür gelten, dass (kirchen)politische Veränderungen die Wahrnehmung religiöser Identitäten verändern konnten, wie Amory dies am ostgotischen Beispiel gezeigt hat. So handelt der zehnte Canon dieser Synode unter anderem von der Umweihung arianischer Kirchen, die im Gegensatz zu den gerade geschilderten Beobachtungen als basilicis, quas peruersitate sua Gothi hactenus habuerunt bezeichnet werden.207 Dieser Beleg steht jedoch deutlich im Kontext der fränkischen Eroberung und der katholisch ausgerichteten Neuorientierung der Kirchenpolitik unter Chlodwig, der die aquitanischen Bischöfe selbst zu dieser ersten fränkischen Reichssynode einberufen und Einfluss auf die Themen genommen hatte, die dort verhandelt wurden.208 Diese Gleichsetzung ist also als Versuch von fränkischer Seite zu werten, den Arianismus als Glauben der west205
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Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 272; vgl. auch Harries, Jill D.: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas, in: Mathisen/ Sivan (Hg.), Shifting Frontiers, S. 31–44, S. 43. Everschor, Britta: Die Beziehungen zwischen Römern und Barbaren auf Grundlage der Briefliteratur des 4. und 5. Jahrhunderts (Habelts Dissertationsdrucke, Reihe Alte Geschichte 50), Bonn 2007, S. 365/366: „Vor diesem Hintergrund ist ebenfalls nicht verwunderlich, dass katholische Autoren in ihren Schreiben nicht auf den Arianismus ihrer Adressaten eingegangen sind, auch wenn die katholische Kirche Arianer für Häretiker hielt. Stattdessen haben sie in den Fällen, in denen ihre Ansprechpartner arianischen Glaubens waren, die christliche Grundhaltung, die sowohl Arianern als auch Katholiken trotz Unterschieden in der Glaubenslehre gemeinsam war, in den Vordergrund gestellt.“ Siehe auch Sivan: Romans and Barbarians, S. 175/176; Mathisen, Ralph: The Letters of Ruricius of Limoges and the Passage from Roman to Frankish Gaul, in: Id./ Shanzer (Hg.), Society and Culture, S. 101–115. Concilium Avrelianense a. 511, 10. Wood, Ian: The Merovingian Kingdoms 450–751, London/ New York 1994, S. 48; Limmer, Josef: Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien von 314 bis 696 nach Christi Geburt (Wissenschaft und Religion 10), Teil 1: Chronologische Darstellung, Frankfurt a. M. u. a. 2004, S. 166–170.
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gotischen Feinde zu brandmarken und zurückzudrängen. In diese Richtung weist auch die Darstellung Gregors von Tours, der überliefert, dass die gallische Bevölkerung die Herrschaft der rechtgläubigen Franken herbeigesehnt habe.209 Insbesondere die ältere Forschung war gewillt, dem Bischof von Tours darin Glauben zu schenken, dass das katholische Bekenntnis des fränkischen Königs eine derart große Anziehungskraft auf die gallo-römische Bevölkerung ausübte, dass sie den Franken bereitwillig Hilfestellung dabei leistete, das westgotische Reich zu unterwerfen.210 Tatsächlich gibt es jedoch gute Gründe dafür, Gregors Darstellung in Zweifel zu ziehen. Zunächst einmal ist der genaue Zeitpunkt von Chlodwigs Taufe innerhalb der Zeitspanne von etwa 498 und 507 nicht eindeutig zu klären.211 Es ist damit nicht auszuschließen, dass sie zu spät stattfand, um eine solche Wirkung überhaupt entfaltet haben zu können. Sollte Chlodwig hingegen bereits seit dem ausgehenden fünften Jahrhundert katholisch gewesen sein, so gibt es keine Hinweise darauf, dass dies irgendeine nennenswerte Wirkung auf die Bevölkerung des Tolosanischen Reiches gehabt hat – mit Ausnahme des später entstandenen Berichts Gregors, der angesichts seiner grundsätzlich kritischen Haltung sowohl Goten als auch Arianern gegenüber kaum als vertrauenswürdiger Gewährsmann erachtet werden kann.212 Gleichsam kondensiert zeigen die Ereignisse der Jahre 506 und 507 vielmehr, dass die einheimische Bevölkerung sich tendenziell eher loyal zum westgotischen König verhielt. So versammelten sich etwa auf der im Jahr 506 unter König Alarich II. einberufenen Landessynode in Agde Dreiviertel aller katholischen Bischöfe der Gallia und über die folgenreiche Schlacht bei Vouillé im Jahre 507 gegen die Franken wird berichtet, dass auch Einheimische auf Seiten der Westgoten gegen die Franken gekämpft hätten.213
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Vgl. z. B. Gregors von Tours: Historia Francorum [= Decem Libri Historiarum] 2,35, hg. v. Bruno Krusch u. Wilhelm Levison (MGH SS rer. Mer. 1,1), Hannover 1951 (ND 1965). Z. B. Schmidt: Die Ostgermanen, S. 499. Zum Zeitpunkt der Taufe siehe Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 42001 [1. Aufl. 1988], S. 22 ff., sowie Wood: The Merovingian Kingdoms, S. 44–48, mit weiteren Ausführungen zur Religionspolitik Clodwigs. Vgl. zur kritischen Bewertung von Gregors Ausführungen sowie zur vermeintlichen Anziehungskraft des nizänischen Credos auch ausführlich Schäferdiek: Die Kirchen, S. 33–42; sowie Sivan: Romans and Barbarians, S. 180 f.; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 395 Anm. 12. „Catholicism is unlikely to have been the key to Clovis’s success“, befindet mit Blick auf diese Situation auch Wood: The Merovingian Kingdoms, S. 45. Siehe zum Konzil Schäferdiek: Die Kirchen, S. 56 f., zur Beteiligung bei der Schlacht, Gregor von Tours: Historia Francorum 2,37.
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Mögen die hier angeführten Hinweise auf die Existenz eines nicht gotisch identifizierten Arianismus’ auch nicht ausgesprochen zahlreich sein, so kommt ihnen angesichts der geschilderten Überlieferungsbedingungen doch ein besonderes Gewicht zu. Wie die Belege zeigen, war die religiöse Situation im Gallien des fünften Jahrhunderts keineswegs so homogen, wie die Lektüre der katholisch gefärbten Quellen auf den ersten Blick glauben lassen könnte.214 Zwar hat wohl erst das arianische Bekenntnis der barbarischen gentes dazu geführt, dass dem Arianismus ein neues, auch politisches Gewicht zukam, welches verhinderte, dass er im Laufe des fünften Jahrhunderts gänzlich unterging. Es ist jedoch trotz seines Verbotes und der folgenden Entwicklung davon auszugehen, dass die Traditionslinien des Arianismus’ im Gebiet des ehemaligen Römischen Reiches fortwirkten und ein nicht genau quantifizierbarer Teil der romanischen Bevölkerung Arianer waren oder dem Arianismus nahe standen.215 Da dieser jedoch im Vergleich zur katholischen Bevölkerung eine nicht privilegierte Minderheit darstellte und angesichts des Assimilationsbestrebens, welches der gotischen Christianisierung zugrunde lag, ließe sich dennoch fragen, warum die Westgoten, gegen den Trend der religiösen Entwicklung, an ihrem arianischen Bekenntnis festhielten. Darauf lässt sich eingedenk der wechselvollen Religionsgeschichte des vierten Jahrhunderts zum einen entgegnen, dass das Jahr 380 mit dem Verbot des Arianismus nur ex post als Ende eines auch offiziell legitimen römischen Arianismus’ erkenntlich ist und diese Entwicklung in den ersten Jah214 215
Vgl. auch Mathisen: Barbarian Bishops, S. 693. Mit Blick auf das Verbot gilt zu berücksichtigen, dass aus der Bestimmung einer dokumentarischen Quelle nicht ohne Weiteres gefolgert werden kann, dass diese in der Praxis auch befolgt wurde. Im religiösen Kontext ist dabei zu erwähnen, dass die christliche Kirche als Staatsreligion auch darum bemüht war, eine konkurrierende, vorchristlich-pagane Religiösität durch Verbote auszuschalten (vgl. z. B. CTh 16. 10. 10–13). Insbesondere außerhalb der urbanen Räume hatten solche Verbote jedoch nur sehr bedingt Wirkung, was auch daran zu erkennen ist, dass sie immer wieder erneuert werden mussten, und folglich blieben pagane Kulte noch über einen langen Zeitraum hinweg lebendig. Siehe mit Blick auf Gallien z. B. den Bericht Gregors von Tours: Historia Francorum 8,15, sowie die wiederkehrenden Verbote heidnischer Kulte durch gallische Konzilien bis ins ausgehende sechste Jahrhundert, Concilivm Arelatense secvndvm 23 (CCSL 148), S. 111–130; Synodvs Avtissiodorensis 1, 3, 4 (CCSL 148A), S. 264–272. Vgl. auch Hillgarth, Jocelyn N.: Christianity and Paganism (350–750). The Conversion of Western Europe, Philadelphia 1986, S. 2: „It is apparent […] that for the majority of the rural population, down to the eight century (and often much later), some form of ancestral paganism was at least as attractive as Christianity“, sowie die Quellenhinweise bei MacMullen, Ramsay/ Lane, Eugene N. (Hg.), Paganism and Christianity (100–425 C.E.). A Sourcebook, Minneapolis 1992, S. 279–289.
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ren nach Theodosius’ Entscheidung zugunsten des Katholizismus nicht eindeutig vorauszusehen war. Darüber hinaus legt gerade der Befund für das westgotische Gallien nahe, dass die konfessionellen Unterschiede im Alltag und in der Politik keine so große Rolle gespielt haben, wie manche Quellen suggerieren. Einer solchen Einschätzung scheint der Ruf König Eurichs als Katholikenverfolger zu widersprechen.216 Dieser zweifelhafte Ruhm geht zu großen Teilen auf den bereits angesprochenen Brief Sidonius’ an Basilius zurück, in welchem der Erstgenannte den Westgotenkönig als überzeugten Arianer und Katholikenhasser darstellt. Wie gesehen, spielt der westgotische Arianismus im sonstigen Œuvre des Bischofs keine Rolle und jene Quelle ist vor dem Hintergrund der politischen Situation seiner Entstehungszeit, also der westgotischen Belagerung Clermonts und der persönlichen Lage des Autors in derselben zu beurteilen.217 Explizit auf Grundlage dieses Briefes entwarf auch Gregor von Tours etwa einhundert Jahre später das Bild von Eurich als einem fanatischen Katholikenverfolger.218 Mittlerweile betont die Forschung mehrheitlich, dass es sich bei den Darstellungen Sidonius’ und Gregors um tendenziöse Übertreibungen handelt und vertritt eine moderatere Position.219 Ereignisgeschichtlich weist auf eine antikatholische Politik Eurichs die Tatsache hin, dass unter seiner Regentschaft eine Reihe von katholischen Bistümern nach dem natürlichen Tod des amtierenden Bischofs zunächst nicht neu besetzt wurden und die Bischöfe Crocus und Simplicius unter seiner Regentschaft ins Exil gehen mussten. Diese mit Ausnahme der Exilierungen passiv ausgerichteten Maßnahmen sind als „langsame Stillegung der kirchlichen Institutionen“220 beschrieben worden und können nicht als systematische Verfolgung gelten. Die Erklärung für diese vorübergehend vorsichtig repressive Haltung des westgotischen Königs der katholischen Kirche gegenüber liegt mit einiger Wahrscheinlichkeit in der zunehmenden politischen Bedeutung, welche dem Bischofsamt als lokale Spitzenposition in der kirchlichen Ersatzkar216
217
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220
Vgl. zur Bewertung Eurichs als Katholikenverfolger z. B. Rouche: L’Aquitaine, S. 40 f.; Limmer: Konzilien und Synoden, S. 165 f. Sidonius Apollinaris: Ep. 7,6. Siehe zum Kontext ausführlich Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 170–214, und zu dem Brief besonders S. 201–209; auch Sivan: Romans and Barbarians, S. 166–175, besonders S. 171 ff. Gregor von Tours: Historia Francorum 2,25. Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem überzeichneten Bild Eurichs siehe schon Stroheker, Karl Friedrich: Eurich. König der Westgoten, Stuttgart 1937, S. 37–61. Vgl. zur Kirchenpolitik Eurichs auch Schäferdiek: Die Kirchen, S. 18–31; Wolfram: Goten, S. 201–205; Sivan: Romans and Barbarians, S. 166–179. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 28.
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riere zum cursus honorum im Laufe des fünften Jahrhunderts zukam.221 Diese Entwicklung mag Eurich zu dem vorsichtigen Versuch gebracht haben, den Einfluss der katholischen Kirche zugunsten der arianischen zurückzudrängen, um auf diese Weise eine größere Kontrolle über die Besetzung der wichtigen Posten zu erhalten.222 In diese Richtung weist auch der direkte Anlass des schon mehrfach zitierten Briefes von Sidonius an seinen Amtsbruder Basilius. Da der Letztgenannte bei den Friedensverhandlungen mit Eurich eine zentrale Rolle einnahm, richtet Sidonius die dringende Bitte an ihn, dafür zu sorgen, dass der westgotische König die Ordination der Bischöfe erlauben möge, „damit die Völker Galliens, die im gotischen Gebiet leben, wenn nicht mit dem foedus, so doch aus dem Glauben heraus“ gehalten werden könnten.223 Die Maßnahmen Eurichs sind also vor dem Hintergrund einer zunehmenden Vermischung der religiösen mit der politischen Sphäre zu bewerten und blieben unabhängig von ihrer Zielrichtung in jedem Fall eine Episode, die nicht als beispielhaft für die westgotische Kirchenpolitik gelten kann. „Die gotische Regierung zeigte der katholischen Kirche gegenüber im allgemeinen große Milde und Nachsicht“, stellte bereits Ludwig Schmidt heraus und äußerte damit die gleiche Ansicht wie auch die neuere Forschung.224 In Anknüpfung an den zuletzt genannten Punkt der Verquickung von religiöser und politischer Ebene gewinnt dieses Urteil besonders angesichts der Tatsache an Gewicht, dass diese Entwicklung in anderen regna zu teilweise blutigen Konflikten geführt hat. Wie gesehen, stellt sich die Situation vor allem im Vandalenreich – in dem von königlicher Seite etwa mit großem Nachdruck die Forderung durchzusetzen versucht wurde, dass Funktionsträger der besser zu kontrollierenden arianischen Kirche beitreten sollten – 221
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Dieser Aspekt wird weiter unten noch behandelt, siehe für einen Überblick etwa Sivan: Romans and Barbarians, S. 186–190. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 27 ff., formuliert dazu, dass „die katholische Kirche nationalgotischen Souveränitätsbestrebungen […] sehr leicht als die Form eines reichsrömischen Reservates innerhalb der gotischen Machtsphäre erscheinen mußte“ (S. 12/13); Sivan: Romans and Barbarians, S. 172 f. Siehe zur Diskussion mit Hinweisen auf weitere Lit. Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 208 Anm. 635. Als Aufforderung an die Verhandlungsdelegation, der Basilius wahrscheinlich vorstand, gerichtet, Sidonius Apollinaris: Ep. 7,6,10, agite, quatenus haec sit amicitiae concordia principalis, ut episcopali ordinatione permissa populos Galliarum, quos limes Gothicae sortis incluserit, teneamus ex fide, etsi non tenemus ex foedere. Schmidt: Die Ostgermanen, S. 524–528, Zitat S. 526. Siehe in neueren Untersuchungen auch Musset: Les invasions, S. 252; Wolfram: Goten, S. 201–206; Sivan: Romans and Barbarians, S. 166–186, besonders S. 146, S. 150, S. 160 f.; Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 38f; Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 208 f.
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anders dar, als wir sie im Westgotenreich vorfinden.225 Vor allem Knut Schäferdiek hat betont, dass für die Westgoten nicht nur ein Ausbleiben nennenswerter Konflikte konstatiert werden kann, sondern sie spätestens unter Alarich II. offiziell den Weg zur „Schaffung einer katholischen Landeskirche innerhalb des westgotischen Reiches“ beschritten haben.226 Über die Bestimmungen des BA hinaus, wird die organisierte Koexistenz von Katholiken und Arianern unter dem Dach des regnum Gothorum besonders augenfällig durch das schon erwähnte Konzil zu Agde. Schon allein infolge des konfessionellen Gegensatzes tritt der westgotische König, im Unterschied etwa zu den späteren spanischen Reichskonzilien, auf der Synode selbst nicht handelnd in Erscheinung, seine der Versammlung der katholischen Bischöfe übergeordnete Stellung und die Akzeptanz, welche jene ihm entgegenbrachten, geht aus den Niederschriften jedoch eindeutig hervor. So gibt die bezeichnenderweise auf das anno uicesimo secundo Alarici regis datierte Versammlung der Bischöfe gleich mehrfach zu Protokoll, dass diese wie auch geplante zukünftige Konzilien unter der Erlaubnis ihres „ruhmreichsten, großartigsten und frommsten Herrn und Königs“ zusammentreten.227 Neben der häufig angeführten Toleranz ist bis zu einem gewissen Grad sicher auch die Indifferenz konfessionellen Fragen gegenüber ein Grund für das weitgehend friedliche Zusammenleben der beiden Glaubensrichtungen. So führt zum Beispiel Sidonius über Theoderich II. aus, dass dieser zwar jeden Morgen im Gefolge seiner Priester mit großem Ernst bete, dass im persönlichen Gespräch jedoch deutlich werde, dass er diese Andacht eher aus Gewohnheit denn aus Überzeugung halte.228 Bemerkenswert an diesem Kommentar ist, dass er nicht in einer Schmähschrift, sondern in einem panegyrischen Portrait des Königs zu finden ist. Im Gegensatz zu 225
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Siehe z. B. Spielvogel: Arianische Vandalen, katholische Römer; Steinacher: Gruppen und Identitäten, S. 249–253. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 42–67, Zitat S. 47. Schäferdiek selbst sah die konfessionelle Trennung noch gleichbedeutend mit einer ethnischen zwischen Romanen und Goten, vgl. z. B. ibid., S. 44–47. Die Datierung nach den Regierungsjahren Alarichs II. ist nur in der Edition von Martínez/ Rodriguez CCH 4, S. 113–152, S. 119, enthalten. Dort wiederum findet sich nicht das in der Edition der CCSL 148 abgedruckte und im Text zitierte Eröffnungsprotokoll, S. 192, ex permissu domni nostri gloriosissimi magnificentissimi piisimique regis in Agatensi ciuitate sancta synodus conuenisset, ibique flexis in terram genibus, pro regno eius, pro longaeuitate, pro populo Dominum deprecaremur, ut qui nobis congregationis permiserat potestam, regnum eius Dominus felicitate extenderet […]. Sidonius Apollinaris: Ep. 1,2,4, antelucanos sacerdotum suorum coetus minimo comitatu expetit, grandi sedulitate veneratur. quamquam, si sermo secretus, possis animo advertere, quod servet istam pro consuetudine potius quam pro ratione reverentiam.
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den ansonsten häufig nur holzschnittartigen Äußerungen hinsichtlich des religiösen Empfindens einzelner Personen, die entweder ausgesprochen negativ oder in gleichem Maße positiv überhöht ausfallen und entsprechend kaum Rückschlüsse auf die persönlicher Religiosität zulassen, kommt Sidonius’ Kommentar durchaus Glaubwürdigkeit zu. Wie weiter unten noch thematisiert wird, lässt sich eine gewisse religiöse Indifferenz auch durch die Ereignisgeschichte glaubhaft machen. Etwa anhand von Koalitionslinien in Konfliktfällen und mittels der Heiratspraxis führender Familien kann gezeigt werden, dass Religiosität häufig keinen Einfluss auf politische Entscheidungen ausgeübt hat. Gleichwohl konnte sie zu einem rhetorischen Instrument zur Rechtfertigung derselben werden.229 Jenseits der Reflexionsebene der klerikalen Autoren erlangten religiöse Fragen freilich dann große Aufmerksamkeit, wenn sie, wie etwa im Falle der zunehmenden politischen Aufwertung des Bischofsamtes, unmittelbar mit Machtpositionen verbunden waren. Bringen wir die bisherigen Überlegungen zum Arianismus der Westgoten zu einem Zwischenergebnis, so ist dabei besonders herauszustellen, dass die Forschung in ihrer Einschätzung der religiösen Verhältnisse mehrheitlich der von der Überlieferungssituation und der Beschaffenheit der Quellen vorgegebenen Perspektive gefolgt ist. Wie zu zeigen versucht wurde, sprechen eine Reihe ernstzunehmender Hinweise dafür, dass die religiöse Situation nicht so klar gegliedert war, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Gestützt durch die Forschungsergebnisse neuerer Untersuchungen auch in anderen regna, relativiert der Befund in hohem Maße die Annahme, dass die barbarischen Neuankömmlinge in den westlichen Provinzen des Imperiums durch ihr religiöses Bekenntnis isoliert waren. Damit ist auch in Zweifel zu ziehen, dass das arianische Credo zu einem besonderen Merkmal westgotischer Identität oder gar bewusst als Distinktionselement instrumentalisiert wurde. 2.3.3 Innere Haltung und praktisches Handeln Die Beobachtungen zum gotisch-römischen Verhältnis abschließend, richten wir die Aufmerksamkeit auf die innere Haltung der Personen, sofern dies aufgrund der Quellenlage möglich ist. Wie zu Beginn dieses Abschnitts bereits deutlich wurde, haben die negativen Äußerungen römischer Autoren über die Barbaren – welche im Bereich der Gallia mit den Goten gleich-
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Vgl. die weiter oben dargestellte Situation vor bzw. nach der fränkischen Eroberung.
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gesetzt werden – dazu geführt, dass das Verhältnis der beiden Gruppen häufig als problematisch beschrieben wird. Ist in manchen Veröffentlichungen gar davon die Rede, dass 98 Prozent der römischen Bevölkerung die Goten hassten und die Letztgenannten auf diese Weise eine isolierte Führungsschicht innerhalb des Reiches geblieben seien,230 so betonen auch moderatere Darstellungen, dass das Verhältnis der beiden Bevölkerungsgruppen von einem „Gefühl der Fremdheit“ bestimmt gewesen sei.231 Für eine angemessene Bewertung der Invektiven in den römischen Quellen, die diese Sichtweise in hohem Maße prägen, ist jedoch von grundlegender Bedeutung, sie nicht als pars pro toto für die Haltung „der Römer“ oder „der römischen Gesellschaft“ zu verstehen. Die Notwendigkeit zu einer Differenzierung leitet sich dabei aus der Komplexität und Dynamik der spätantiken Gesellschaft ab, für deren Verständnis die Forschung seit einer Reihe von Jahren neue Akzente gesetzt hat. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Senatorenstand, der bis in das vierte Jahrhundert hinein im Römischen Reich politisch und gesellschaftlich unangefochten eine Führungsrolle innehatte. In den Händen dieser Adelsschicht vereinigten sich ein Großteil des römischen Landbesitzes, der politischen Macht und jener kulturellen Tugenden und Werte, die sie gleichsam zum exponierten Kristallisationspunkt der romanitas machte. „Ideally the senatorial order comprised ‚the better part of the human race‘, or, as a Gallic orator more emphatically put it, ‚the flower of the whole world‘. The traditional criteria of excellence were noble birth, distinction in the public service, moral character, intellectual culture, and sufficient wealth“, wie Arnold Jones die wichtigsten Definitionselemente dieser elitären Gruppe zusammenfasst.232 Die sich besonders seit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts vollziehenden gesellschaftlich-politischen Umwälzungen, die schlagwortartig als Militarisierung der römischen Welt beschriebenen werden können, führten jedoch zu
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Brown: The World of Late Antiquity, S. 124/25: „To be tacitly disliked by 98 per cent of one’s fellow men is no mean stimulus to preserving one’s identity as a ruling class. […] the Visigoths in Toulouse from 418 and later in Spain, up to their conversion to Catholicism in 589, ruled effectively as heretical kingdoms precisely because they were hated.“ Wolfram: Goten, S. 234. Siehe auch Heather: Goths, S. 317. Jones: Later Roman Empire, Bd. 1, S. 521–562, Zitat S. 521; Stroheker: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, S. 5–42; Demandt: Die Spätantike, S. 276–288; Näf: Senatorisches Standesbewusstsein, S. 8–11; Schlinkert, Dirk: ordo senatorius und nobilitas. Die Konstitution des Senatsadels in der Spätantike (Hermes Einzelschriften 72), Stuttgart 1996, besonders S. 234 ff.; Salzman, Michele R.: The Making of a Christian Aristocracy. Social and Religious Change in the Western Roman Empire, Cambridge Mass. 2002, S. 19–68.
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einer „Ellbogengesellschaft“233 in der eine neue Elite ganz anderen Schlages hervortrat, die bald ebenfalls führende Positionen in der Armee und der Verwaltung des Imperiums besetzte.234 Im Gegensatz zu den geschilderten Kriterien senatorischen Standes basierte ihr Aufstieg vielfach einzig auf militärischem Erfolg. Die traditionsreiche Elite von „Karrieristen, die aus fixierten Schichten und nach anerkannten Normen“ aufgestiegen war, sah sich dem Druck eines neuen und aufstrebenden Militäradels ausgesetzt, der aus „rohe[n] Haudegen“ bestand, „die ausschließlich die kriegerische Leistung und die Treue zu einem Kaiser emporgebracht hatte“.235 Der limitierte Kreis der traditionellen römischen Aristokratie büßte im Laufe der Zeit also Privilegien und Exklusivität zugunsten eines Personenkreises ein, der in vielerlei Hinsicht einen völlig anderen Hintergrund hatte. Die Führungsschicht des Römischen Reiches wurde damit insgesamt größer und verlor an Homogenität.236 Diese Konkurrenz um sozialen Status brachte ein Phänomen hervor, das sich jeweils moduliert in ähnlicher Weise in vielen unterschiedlichen Gesellschaften zu verschiedenen Zeiten beobachten lässt: Einerseits ist dies das Bestreben einer etablierten Führungsschicht, die sich in ihrer privilegierten Stellung bedroht sieht, sich von den „Neureichen“ abzugrenzen und andererseits lassen die „Emporkömmlinge“ häufig das Handlungsmuster erkennen, ihren neu gewonnenen sozialen Status durch eben jene Symbole zum Ausdruck zu bringen, welche durch die traditionelle Elite vorgegeben wurden. Sie ahmen mithin die Lebensweise der Letztgenannten nach. Hohe Staatsämter, Reichtum und ein darauf basierender luxuriöser Lebensstil konnten bei dieser Entwicklung seitens der zivilen Traditionselite bald schon nicht mehr als Distinktionselemente herausgestellt 233
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Brown, Peter: Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike, Berlin 1986, S. 77 [= The Making of Late Antiquity, Cambridge Mass. 1978]. Siehe zu dieser Entwicklung aktuell Salzman: The Making of a Christian Aristocracy, besonders S. 28–49; sowie Chastagnol, André: L’évolution de l’ordre sénatorial aux IIIe et IVe siècles de notre ère, in: RH 496 (1970), S. 305–314; Bleicken, Josef: Verfassungs- und Sozialgeschichte des römischen Kaiserreiches, Bd. 1, Paderborn 21981 [1. Aufl. 1978], S. 303–312; Gilliard, Frank D.: The Senators of Sixth-Century Gaul, in: Speculum 54 (1979), S. 685–697; Demandt, Alexander: Der spätrömische Militäradel, in: Chiron 10 (1980), S. 609–636; Wickham, Chris: The Other Transition. From the Ancient World to Feudalism, in: Past and Present 103 (1984), S. 3–36; Schlinkert: ordo senatorius, S. 6–41; Heather, Peter: Senators and Senates, in: CAH 13 (1998), S. 184–210. Bleicken: Verfassungs- und Sozialgeschichte, S. 304; Matthews, John: Western Aristocracies and Imperial Court. 364–425, Oxford 1975, S. 120; Brown: Die letzten Heiden, S. 77 f. Salzman: The Making of a Christian Aristocracy, S. 39.
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werden, da die Aufsteiger darüber ebenfalls verfügten. Auch die rechtlich zugesprochene Sonderstellung der Senatoren gehörte bald der Vergangenheit an. Eine naheliegende Abgrenzungsstrategie scheint in dieser Situation zunächst darin gelegen zu haben, den Kontakt zur Aufsteigerschicht auf das pragmatisch notwendige Maß zu reduzieren. Da die Mitglieder des Militäradels häufig wichtige Funktionen innehatten, welche für den Machterhalt der alten Senatorenschicht von Bedeutung waren, war es ihr jedoch nicht möglich, die Vertreter des Erstgenannten gänzlich zu ignorieren. Genealogische Untersuchungen haben jedoch beispielsweise gezeigt, dass die alten Senatorenfamilien keine Heiratsverbindungen mit dem Militäradel eingingen.237 Über die handfesten Interessengegensätze hinaus, erklärt Alexander Demandt dieses Faktum damit, dass „das soziale Milieu der ersteren, ihre rustikale, barbarische Herkunft, in den Kreisen einer verfeinerten Lebensart ein Distanzgefühl erzeugt haben, so daß die Träger der altrömischen Tradition jene wenig gebildeten Haudegen und Landsknechte nicht als ihresgleichen anerkannten und Ehebündnisse vermieden“.238 In diesem Zitat klingt ein Bereich jenseits handfester Machtpositionen an, welcher die beiden rivalisierenden sozialen Gruppen voneinander unterschied und der den traditionellen Senatorenfamilien eine Möglichkeit dazu bot, sich weiterhin als gesellschaftliche Elite von der Militäraristokratie abzuheben. In jener Phase des sozialen Konkurrenzkampfes und der staatlichen Desintegration wurden die klassische Bildung und insbesondere die Schriftkultur seitens des senatorischen Adels in den Rang eines zentralen Entscheidungskriteriums über wahre Nobilität gehoben.239 In diesem Me237
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Demandt: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies, S. 82. Wie weiter unten thematisiert wird, hebt sich dieser Befund stark von den mannigfachen Verflechtungen zwischen barbarischen und den unterschiedlichen Kaiserfamilien ab. Demandt: Der spätrömische Militäradel, S. 622 f. Vgl. in der Bewertung der Differenz auch Salzman: The Making of a Christian Aristocracy, S. 42: „Yet their training, experiences, and provenance did distinguish the military from other senatorial aristocrats.“ Näf: Senatorisches Standesbewusstsein, S. 191: „Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zum senatorischen Adel lässt sich je länger je weniger eindeutig von einem positiven Verhältnis zur Romanitas, zur römischen Kultur und Vergangenheit und zur Bildung schlechthin […] unterscheiden, das heisst, zuweilen ist nicht mehr eindeutig auseinander zu halten, ob die Rede von senatorischem Adel nicht in einem weiteren Sinne als Hinweis auf solche Eigenschaften zu verstehen ist.“ Siehe dazu auch Sivan: Romans and Barbarians, S. 124–131, S. 127: „In an age when political circumstances caused the breakdown of traditional social barriers, one distinction between classes remained education and language, and mutual literary interests were as strong a form of kinship as actual blood ties“; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of
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tier zu den etablierten Schichten aufzuschließen, die sich über Generationen einen elaborierten Bildungscode und kulturellen Hintergrund angeeignet hatten, war der neuen Funktionselite nicht oder nur sehr bedingt möglich. Von den alten Senatorenfamilien wurde also nur derjenige als ebenbürtig angesehen, der diesem kulturellen Ideal der romanitas gerecht wurde.240 Für unsere Themenstellung erhält diese innerrömische Rivalität vor allem aufgrund der Rhetorik Relevanz, welche dabei naturgemäß von der textproduzierenden Bildungselite ins Feld geführt wurde. Die Sprache als Mittel der Auseinandersetzung nutzend, wurde der neue Militäradel seitens des alten Senatorenstandes häufig als „barbarisch“ gekennzeichnet, um diesen angesichts seines als defizitär empfundenen Bildungsniveaus zu diffamieren.241 Daraus ergibt sich, dass ein Barbar in diesem Kontext nicht durch seine Abstammung oder politische Affiliation, sondern vor allem durch seinen Bildungsgrad bestimmt wurde. Offenkundig wird in dieser Zuweisung die Sichtweise einer elitären Gesellschaftsschicht abgebildet, die, von konkreten Motiven beeinflusst, für sich die Definitionshoheit darüber in Anspruch nahm, wer in einem elitären Verständnis als wahrer Römer und wer als Barbar galt. Durch das angesprochene Definitionskriterium sowie durch die im Folgenden detaillierter zu beschreibende Subjektivität und Kontextgebundenheit von Identitäten, verbietet sich in unserem konkreten Fall ferner eine Gleichsetzung von Barbaren und Goten. Zwar werden die Goten von dem genannten Kreis sicher mehrheitlich als Barbaren erachtet worden sein, allerdings traf dies unter bestimmten Voraussetzungen auch auf weniger kultivierte Römer zu. Die ethnische Identität jedenfalls war hier nicht das entscheidende Kriterium. Mag die Zahl der senatorischen Oberschicht auch limitiert gewesen sein, so fallen ihre Wertungen und ihr Sprachgebrauch dennoch besonders ins Gewicht. Zu erklären ist dies dadurch, dass die auf uns gekommenen Quel-
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Romanitas, S. 34 f. Auch die Kleidung spielt in diesem Prozess eine wichtige Rolle, wie aus archäologischer Sicht jüngst von von Rummel, Philipp: Habitus barbarus. Kleidung und Repräsentation spätantiker Eliten im 4. und 5. Jahrhundert (RGA, Ergbd. 55), Berlin/ New York 2007, untersucht wurde (ibid. besonders S. 376–381, S. 405 f.). Siehe dazu unten Kap. 3.2.1. Dies ist einmal mehr am besten für Sidonius zu belegen und erforscht, siehe Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 273; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas; Näf: Senatorisches Standesbewusstsein, S. 137 ff. Salzman: The Making of a Christian Aristocracy, S. 39: „And in times of crisis or out of feelings of envy, other aristocrats denigrated military figures by calling them ,barbarians‘ and ,uneducated‘“; vgl. auch Elton: Warfare, S. 142 ff.; von Rummel: Habitus barbarus, S. 379 f.; Halsall: Barbarian Migrations, S. 55 f.
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len in überproportional hohem Maße auf diese Schicht zurückgehen. Dies wiederum liegt in den besonderen Fähigkeiten ihrer Vertreter und den Funktionen, die jene besonders im Laufe des fünften Jahrhunderts vermehrt im kirchlichen Dienst ergriffen, begründet. Dieses Alleinstellungsmerkmal entspricht jedoch nicht der gesellschaftlichen Realität des spätantiken Römischen Reiches, in dem die Macht zu einem großen Teil von einer militärischen Funktionselite ausgeübt wurde, von der uns keine schriftlichen Zeugnisse überliefert sind.242 Wie eingangs bereits geäußert, erscheint es daher methodisch mehr als fraglich, aus dem Duktus der erzählenden Quellen eine innere Haltung „der römischen Bevölkerung“ gegenüber „den Barbaren“ abzuleiten. Eine solche Vorgehensweise läuft Gefahr, das interessengesteuerte Urteil einer elitären gesellschaftlichen Gruppe, die ein von ihr gewähltes Hauptkriterium zur Definition von Barbaren anlegt und deren Meinung aufgrund der Bedingungen von Textproduktion und Textüberlieferung die Quellen in unverhältnismäßiger Weise dominiert, fälschlicherweise in den Rang eines repräsentativen Gesamtbildes zu erheben. „Essentially, even if Germanic kings did not always completely imitate the Virgil-reading, otium-loving, senatorial aristocracy (a highly atypical stratum of Roman society, but the source of most of our literature), they greatly resembled most emperors, who since the third century had tended to have had military careers, to have little cultural capital (senators were snobbish about them too), and to have originated from the same frontier regions […] as many Germanic leaders were from.“243 Über die gerade erörterte methodische Problematik hinaus, weist diese Aussage Chris Wickhams noch auf eine zweite Problemebene hin. Diese besteht darin, dass die Verwendung des Barbarenbegriffs von der Forschung mit Blick auf das spätantike Römische Reich lange Zeit eindimensional als Dichothomie von „germanischen“ gentes einer- und der römischen Bevölkerung andererseits verstanden wurde. Tatsächlich müssen wir jedoch davon ausgehen, dass diese Identitätslinie höchstens eine in einer ganzen Reihe weiterer war, welche sich zu einem komplexen Netz miteinander versponnen. Auf dem gegen242
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Vgl. Brown, Peter: Macht und Rhetorik in der Spätantike. Der Weg zu einem „christlichen Imperium“, München 1995 [= Power and Persuasion in Late Antiquity. Towards a Christian Empire, Madison 1992], S. 23: „Diejenigen Persönlichkeiten, die den Anspruch erhoben, durch ihre Rhetorik das politische Geschehen zu beeinflussen, sind für uns in den erhaltenen Quellen greifbar (wobei freilich erkennbar wird, daß ihre Bemühungen häufig erfolglos waren). Diejenigen, die die Macht innehatten, bleiben dagegen für uns größtenteils stumm.“ Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 80/81. Zur Begrenztheit des angesprochenen Bildungskreises siehe auch Sivan: Romans and Barbarians, S. 111–124; Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 263.
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wärtigen Forschungsstand lässt sich sagen, dass es in diesem Geflecht verschiedener Identitäten keine klaren Trennungslinien gab oder wir zumindest aufgrund der spärlichen Informationsbreite in der Regel nicht in der Lage dazu sind, diese klar definieren zu können. Damit kann hier an die Ausführungen zur gotischen Vorgeschichte angeknüpft werden, bei denen herausgestellt wurde, dass viele Barbaren im Heer Karriere gemacht und sich mit dieser römischen Militärelite verbunden hatten.244 In genealogischer Hinsicht etwa hat eine detaillierte Untersuchung der Heiratspraxis und der verwandtschaftlichen Beziehungen der spätrömischen Militärelite gezeigt, dass diese aus einem untrennbaren Geflecht von Barbaren und Römern bestand.245 Auch auf anderen Ebenen, wie der Religion, sozialem Verhalten oder der Kleidung, waren Barbaren und Römer häufig nicht voneinander zu unterscheiden.246 Bezeichnend ist in dieser Hinsicht beispielsweise die Charakterisierung des in kaiserlichen Diensten stehenden Heermeister Fravitta, der den Beinamen Flavius trug, durch den oströmischen Historiographen Zosimos. In jenem Fravitta, den wir gleichzeitig als einen jener gotischen Anführer kennen, die mit Kaiser Theodosius 382 ein foedus eingingen,247 sieht Zosimos „zwar einen gebürtigen Barbaren, im übrigen jedoch einen Griechen nicht nur nach Sitte, sondern auch in seiner Gesinnung und religiösen Einstellung“.248 „Seine Sprache, sein Äußeres und seine Denkweise verrieten den Barbaren“, lässt uns andererseits Prokop in seinen Anekdota über niemand Geringeren als Kaiser Justinian wissen.249 Dieses Urteil wurzelt in der balkanischen Herkunft und der Militärkarriere Justinians, die ihn schließlich bis auf den byzantinischen Thron führte. Die Person des oströmischen Kaisers, der als institu244
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Springer: Haben die Germanen das weströmische Reich erobert?, S. 184: „Man wird behaupten dürfen, daß die Germanen in allen Teilen des weströmischen Reiches durch ein Zusammengehen mit der römischen Oberschicht oder der Staatsgewalt ihre Machtstellung erlangt haben, die sie durchaus innerhalb und nicht außerhalb des Reiches ausüben wollten.“ Salzman: The Making of a Christian Aristocracy, S. 41 f. Siehe dazu Demandt: Der spätrömische Militäradel; Id.: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies. Vgl. auch Blockley: Roman-Barbarian Marriages. Im Falle der Westgoten ist dabei besonders hervorzuheben, dass sie archäologisch bereits im Tolosanischen Reich nicht mehr nachweisbar sind und daher davon auszugehen ist, dass ihre materiellen Hinterlassenschaften mit denen der römischen Bevölkerung identisch sind. Siehe dazu unten Kap. 3.2.1. PLRE 1, Flavius Fravitta, S. 372 f. Zosimos: Historia nova 5,20,1; zitiert nach Zosimos. Neue Geschichte, übers. u. eingeleitet von Otto Veh, bearb. v. Stefan Rebenich (Bibliothek der griechischen Literatur 31), Stuttgart 1991, S. 227. Prokop: Anekdota 14,2–3, siehe auch 6,1–3, übers. u. hg. v. Otto Veh, bearb. v. Mischa Meier u. Hartmut Leppin (Sammlung Tusculum), Düsseldorf/ Zürich 2005.
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tionelle Figur von zentraler Bedeutung für die römische Identität war, von einem Barbaren zu unterscheiden, ist also kein leichtes Unterfangen. „In this context, Justinian and Theoderic begin to look very similar. They were both military men from military families in the Balkans, and they both journeyed from the margins of the Empire to one of its two historical and ideological centres. Both received a classical education early enough in life to make a deep impression.“250 Die zitierten Quellenbeispiele und dieser von Amory gezogene Vergleich zwischen Kaiser Justinian und dem ostgotischen König Theoderich dem Großen (474–526) verdeutlichen, dass es eine Frage der Perspektive ist, wie man die Vertreter jener gemischten Schicht von Emporkömmlingen identifiziert. Wie nahm also etwa Fravitta sich selbst und wie nahm ihn seine Umwelt war? War er ein Terwinge, ein Gote, ein Römer oder alles zugleich? Variierte diese Wahrnehmung in Abhängigkeit davon, ob er in der Funktion des magister militum und in eine römische Uniform gewandet Befehle in Lateinisch erteilte oder mit anderen germanischsprachigen Soldaten Gotisch sprach? In diesem Zusammenhang ist auch das Resümee einer jüngst von Britta Everschor durchgeführten Untersuchung zu den römisch-barbarischen Beziehungen anhand der Briefliteratur des vierten und fünften Jahrhunderts interessant. Zwar sind die Briefe der barbarischen Absender nicht erhalten, anhand der überlieferten Reaktion auf ihre Schreiben seitens der römischen Korrespondenzpartner kommt Everschor jedoch zu dem Ergebnis, dass die Barbaren sich selbst keineswegs als solche erachteten: „Ihr Bestreben ging vielmehr dahin, als ‚echte‘ Römer zu gelten. Dies bedeutete nicht nur, dass sie die lateinische Sprache erlernten, sondern sie übernahmen auch den Lebensstil und die Sitten der Römer“.251 Als „echte Römer“ haben diese Barbaren der senatorischen Aristokratie aller Wahrscheinlichkeit nach eher nicht gegolten, allerdings trifft dies wohl auch auf andere Personen zu, die nach unseren Maßstäben sehr wohl als Römer zu bezeichnen sind. Denn, wie Everschor bemerkt, war der briefliche Kontakt zu den Barbaren nicht in dem elaborierten literarischen Stil gehalten, den die Mitglieder der alten Senatorenfamilien untereinander pflegten, sondern zeigte sich eher pragmatisch und motiviert durch das Interesse an guten Verbindungen zu den einflussreichen Empfängern, deren barbarische Wurzeln spielten jedoch keine Rolle und auch ansonsten ist in der Art der Korrespondenz kein Unterschied festzustellen zwischen Barbaren und römischen Funktions-
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Amory: People and Identity, Zitat S. 290, siehe dazu insgesamt S. 277–291. Everschor: Die Beziehungen zwischen Römern und Barbaren, S. 368/369.
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trägern, die nicht der Bildungselite angehörten.252 Wie kann angesichts dieser Tatsache jedoch zwischen Barbaren und Römern unterschieden werden? Wie Everschor selber angibt, dient ihr in der Regel einzig ein germanischer Name als Kriterium für diese Entscheidung.253 „We know they are barbarians but often only because we are told so or guess because of their names, not because of their behaviour“, stellte in diese Richtung weisend auch Hugh Elton bereits fest.254 Wenn dabei berücksichtigt wird, dass Barbaren in ihrem Verhalten häufig von Römern nicht zu differenzieren sind, geht er im Weiteren noch davon aus, dass über die im Zitat angesprochenen Namen auch die andersartige physiognomische Erscheinung der Barbaren den Zeitgenossen als Identifikationsmerkmal zur Verfügung gestanden hätten. Diese Methode legt die Prämisse zugrunde, dass die biologische Abstammung, die äußere Erscheinung, die Identität und der Name einer Person eine aufeinander bezogene Einheit bilden. Dieses primordialistische Identitätsverständnis ist von der Forschung mittlerweile jedoch überholt worden und auch die Namengebung hängt von einer Reihe von Faktoren ab und unterliegt Moden, sodass ein germanischer Name ebenso wenig eindeutig auf eine barbarische Abstammung verweist, wie ein lateinischer Name einen Römer zweifelsfrei kenntlich macht.255 Das Zitat aufgreifend müsste die Aussage also dahingehend umformuliert werden, dass wir nicht wissen, ob jemand ein Barbar war, sondern nur wissen, ob dies über jemanden behauptet wurde. Die Abstammung scheint bei dieser Zuweisung jedenfalls eine eher marginale Rolle gespielt zu haben. Damit schließt sich der Kreis zu der vorangestellten Erkenntnis über die definitions- und kontextabhängig von Identität und zu der Annahme, dass die eindimensionale Vorstellung, von sich in ihrer Abgrenzung wechselseitig stärkenden Identitäten barbarischer respektive gotischer Einwanderer und autochthoner römischer Bevölkerung, an der komplexen sozialen Realität vorbeigeht.256 Diese These wird auch durch einen Vergleich der offensiven literarischen Texte römischer Autoren mit der Ereignisgeschichte bestätigt. Während aus den Quellen abgeleitet wurde, dass zwischen der einheimischen 252
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Ibid., S. 358f, S. 364–367, „Allerdings bleiben die barbarischen Wurzeln der Adressaten nicht nur unerwähnt, sondern sie sind sogar ohne jede Bedeutung für den Briefaustausch. Alle Autoren haben ihre barbarischen Ansprechpartner nicht anders behandelt als römische Kontaktpersonen“ (S. 364). Ibid., S. 364. Elton: Warfare, S. 142. Amory: People and Identity, S. 86–108, zur methodischen Problematik siehe besonders S. 86–89; Goetz: Zur Problematik einer gentilen Zuordnung von Personennamen. Siehe dazu auch unten Kap. 3.4. Siehe dazu auch Halsall: Barbarian Migrations, besonders S. 53–57.
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Bevölkerung und den neuen Herrschern eine Kluft der Ablehnung und des Hasses geherrscht habe, war die historische Situation geprägt von der Passivität der Provinzialen den sozialen und politischen Veränderungen gegenüber.257 Im Falle des Tolosanischen Reiches ist das Verhalten der gallorömischen Aristokratie den Westgoten gegenüber auch mit einer passiven Duldsamkeit nur unzureichend beschrieben.258 Besonders das Beispiel des sich über die Kulturlosigkeit der Barbaren eloquent erhebenden Sidonius’ veranschaulicht einen pragmatischen Umgang mit den gotischen Machthabern. Eine breit angelegte Untersuchung seiner Briefe und Carmina offenbart, dass sich die Darstellung der Barbaren im Allgemeinen und auch der Westgoten im Besonderen sehr stark an den jeweiligen politischen Verhältnissen orientiert.259 In diese Richtung weist auch sein bereits zitiertes Portrait Theoderichs II., welches Sidonius auch deswegen möglich wurde, weil der westgotische König ihm durch häufigen Umgang bestens vertraut war.260 Besonders eindrücklich ist in diesem Sinne jedoch Sidonius Verhalten im Kontext der Eroberung Clermonts im Jahr 475 durch Eurich. Wird der westgotische König von dem Bischof Clermonts bekanntermaßen kurz vor der Eroberung der Stadt noch heftig diffamiert, so diente Sidonius sich dem Hof unter den veränderten politischen Machtverhältnissen wieder an 257
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Diese Beobachtung war, wie oben gesehen, auch der Impuls für die Neuansätze bei der Erklärung der Ansiedlungsmodalitäten der Goten. Sivan: Romans and Barbarians, S. 96–100. Siehe in der älteren Forschung dazu schon Fischer: Die Völkerwanderung, der die teilweise lobrednerischen Äußerungen Sidonius’ über die Goten als „schlecht verhüllten Egoismus“ bezeichnet, der den wahren antigermanischen Affekt des Bischofs nur überdecke (S. 137). Siehe dazu aktuell Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 106–139; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas; Everschor: Die Beziehungen zwischen Römern und Barbaren, S. 218 ff. Sidonius Apollinaris: Ep. 1,2. Das Wesen des Königs wird dabei mit keinem der üblichen Barbarenklischees in Verbindung gebracht, sondern zeichnet sich in der Darstellung Sidonius’ durch ausgemacht römische Eigenschaften, wie civilitas, gravitas, disciplina und severitas aus. Vgl. Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 116; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas, S. 37: „[T]he federate Germanic ally has been reconstructed as Roman in all but name.“ Es bleibt jedoch nicht nur bei römischen Anklängen in der Präsentation von Theoderichs Persönlichkeit. Vielmehr vermittelt das Gesamtportrait mit dem detailreich und dabei idealtypisch gezeichneten Tagesablauf den Eindruck der Herrschaftsroutine eines römischen Kaisers. Siehe Barnwell: Emperors, Prefects, and Kings, S. 73; Arce, Javier: Leovigildus rex y el ceremonial de la corte visigótica, in: Id./ Delogu, Paolo (Hg.), Visigoti e Longobardi. Atti del Seminario (Roma 28–29 aprile 1997), Florenz 2001, S. 79–92, S. 82, „En resumen: lo que ocurre en la vida cotidiana del rey godo Teoderico es que ella discurre en casi todos sus aspectos como si fuera una jornada de un emperador romano. Teoderico es y actúa como un emperador romano.“
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und widmete Eurich sogar einen kurzen Panegyrikus.261 Diese lobrednerischen Verse sind Teil eines längeren Briefes an seinen Freund Lampridius, der den von Sidonius angestrebten Weg der Annährung an den westgotischen Hof bereits beschritten hatte und den Sidonius offenbar als Fürsprecher für seine Sache gewinnen möchte. Auch Lampridius war bei Eurich zunächst in Missgunst geraten, welche sich unter anderem darin äußerte, dass dessen Güter vom westgotischen König konfisziert worden waren. Seine anfängliche Abneigung gegenüber der westgotischen Einflussnahme war für den gebildeten Rhetor gallo-römischer Abstammung jedoch nicht unüberwindbar, wie daran erkenntlich wird, dass er alsbald zu Eurichs „Hofdichter“ wurde.262 Sein Arrangement mit dem neuen Herrn brachte ihn schließlich auch erneut in den Besitz der ihm zwischenzeitlich entzogenen Güter. Ebenso wenig wie Sidonius hatte es zunächst auch Lampridius angestrebt, sich mit dem westgotischen Hof zu assoziieren. Sein Beispiel macht jedoch deutlich, warum er ebenso wie Sidonius schließlich doch jene den historischen Realitäten geschuldete Kooperation eingegangen ist: Der elitäre und kulturell elaborierte Lebensstil jener senatorischen Elite war unweigerlich mit hohen ökonomischen und sozialen Ansprüchen verbunden. Im Einflussgebiet des regnum konnten die römischen Eliten die notwendigen Ressourcen jedoch nicht in Opposition zum westgotischen König aufrecht erhalten. Genau diese Bedingtheit ist es, die Sidonius in seiner Epistel mehrfach, teilweise wohlklingend literarisch und an anderer Stelle eher lakonisch zum Thema macht und aus der er auch sein Interesse ableitet, nunmehr ebenfalls die Gunst des Königs zu erringen.263 So wirft Sidonius Lampridius vor, dass dieser unrecht handle, wenn er ihre jeweiligen Schriften in der gegebenen Situation auf einer Stufe miteinander vergleiche, da ihre
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Sidonius Apollinaris: Ep. 8,9,5. Vgl. dazu Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 130–136; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas, S. 43: „His panegyric to the king was an adequate signal of his willingness to cooperate with his new Gothic overlords of Clermont“. Zitat Wolfram: Goten, S. 212. Siehe zu Lampridius ferner PLRE 2, Lampridius 2, S. 656 f.; Kaufmann: Studien zu Sidonius Apollinaris, S. 316 f. Sidonius’ Schreiben vorausgegangen war ein Brief Lampridius’, in welchem dieser darüber klagte, von Sidonius lange keine Nachricht bekommen zu haben und in dem er seinem Wunsch Ausdruck verlieh, bald neue Verse von Sidonius zu erhalten. Darauf nimmt Sidonius Bezug, wenn er etwa wie folgt entgegnet, Ep. 8,9,1, sed hoc tu munificentia regia satis abutens iam securus post munera facis, und fortfährt, dass die Poesie sich nicht mit den Bedrängnissen des Lebens vertrage: nosti enim probe laetitiam poetarum, quorum sic ingenia maeroribus ut pisciculi retibus amiciunter; et si quid asperum aut triste, non statim sese poetica teneritudo a vinculo incursi angoris elaqueat. necdum enim quicquam de hereditate socruali vel in usum tertiae sub pretio medietatis obtinui (8,9,2).
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Lebensumstände nicht vergleichbar seien:264 ago laboriosum, agis ipse felicem; ago adhuc exulem, agis ipse iam civem: et ob hoc inaequalia cano, quia similia posco et paria non impetro.265 Dieser Brief des Sidonius gewährt beispielhaft einen genaueren Einblick in die Zwangssituation, in der sich beachtliche Teile der gallo-römischen Elite im westgotischen Einflussgebiet befunden haben müssen. Entsprechend hat auch die Forschung mittlerweile deutlich herausgearbeitet, dass es einer spätantiken Senatorenklasse im politisch instabilen Gallien gerade deswegen möglich wurde, zumindest auf regionaler Ebene weiterhin Einfluss auszuüben, weil sie ungeachtet ihrer kulturellen Ressentiments, die sie schließlich auch der römischen Funktionselite entgegenbrachte, bereit dazu war, mit der neuen westgotischen Führungsschicht zu kooperieren.266 Es ist andersherum jedoch auch deutlich geworden, dass die westgotische Machtentfaltung über einen größeren Raum nur durch das Mitwirken lokal einflussreicher einheimischer Familien vorstellbar ist.267 Wie seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts vereinzelt belegt ist, akzeptierten diese den gotischen König dabei in Anklang an römische Traditionen als dominus noster. Während die Forschung dieses Phänomen häufig auf das prägnante Diktum gebracht hat, dass das Tolosanische Reich aus römischen Verwaltungsbeamten und gotischen Militäreliten bestanden habe,268 ist besonders seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts eine römische Beteiligung auch im Bereich des Militärs zu beobachten.269 264
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Ibid., 8,9,3, illud sane praeter iustitiam feceris, si in praesentiarum vicissim scripta quasi compares. Zitat ibid., passim. Besonderes Gewicht ist dabei vor allem Karl Friedrich Strohekers Buch über den senatorischen Adel im Spätantiken Gallien beizumessen, Id.: Der senatorische Adel, besonders S. 84–96; siehe ferner Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 45 f.; Matthews: Western Aristocracies, S. 344 ff.; Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 201f; Wolfram: Goten, S. 235 f.; Rouche: L’Aquitaine, S. 42 f.; Sivan: Romans and Barbarians, S. 111–124; Barnwell: Emperors, Prefects, and Kings, S. 78 f.; Mathisen: Roman Aristocrats, S. 133–136; Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 29–33; Heather: The Emergence of the Visigothic Kingdom, S. 89–94; Nixon: Relations Between Visigoths and Romans, S. 74. Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 175: „At the local level, counts (comites) were also royal appointees, although most of them were from already-established local families“; Harries: Sidonius Apollinaris and the Frontiers of Romanitas, S. 33: „[T]he leading men of a city would have made their own assessment of the local situation and, for their own ends, would have chosen to cooperate with a local federate king, who could provide protection and authority in uncertain times.“ Heather: The Emergence of the Visigothic Kingdom, S. 86. Siehe dazu mit den entsprechenden Beispielen Schwarcz, Andreas: Senatorische Heerführer im Westgotenreich im 5. Jahrhundert, in: Vallet, Françoise/ Kazanski,
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Über die schon genannten Beispiele hinaus, wird das Zusammenwirken der gallischen Aristokratie mit den Westgoten auch im Falle des Eparchius Avitus besonders augenfällig. Im ausgehenden vierten Jahrhundert geboren, stammte er aus einer in Clermont beheimateten Senatorenfamilie und brachte es als Präfekt und Heermeister zu höchsten Ämtern in der römischen Militärhierarchie.270 Dies hielt ihn nicht davon ab, sich bereits in den 420er und 430er Jahren regelmäßig am Hof Theoderichs I. aufzuhalten, wo er offensichtlich nicht ohne Einfluss war, wie aus den entsprechenden Hinweisen des Sidonius’ und der Tatsache abzulesen ist, dass Avitus auch mit der Erziehung des Thronfolgers, Theoderich II., betraut war.271 In den Machtwirren nach dem Tod Kaiser Valentinians III. wurde Avitus 455 in westgotischer Begleitung zunächst in Arles von Einheiten des römischen Militärs als Kaiser akklamiert und anschließend auch in Italien anerkannt, bevor er selbst schon 456 seinem römischen Rivalen Ricimer zum Opfer fiel. Von besonderem Interesse an dieser Episode ist der Umstand, dass es Teile der gallischen Senatsaristokratie gemeinsam mit dem westgotischen König Theoderich II., dem ehemaligen Schüler des Avitus’, waren, welche dem Letztgenannten auf den Thron verhalfen.272 Vor allem Hydatius hebt die Rolle der Westgoten hervor, wenn in seiner Chronik zum Tod von Avitus zu lesen ist: Avitus tertio anno posteaquam a Gallis et a Gothis factus fuerat imperator, caret imperio Gothorum promisso destitutus auxilio, caret et vita.273 Die westgotische Unterstützung ist freilich nicht allein durch die persönliche Verbundenheit des Königs zu erklären, sondern es scheint vielmehr so, als habe der gallische Thronprätendent sich die gotische Rückendeckung mit der Zusicherung erkauft, diesen fortan vor allem auf der Iberischen Halbinsel freiere Hand zu lassen und ihr Vorgehen durch sein Wohlwollen zu le-
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Michel (Hg.), La noblesse romaine et les chefs barbares du IIIe au VIIe siècle, Paris 1995, S. 49–54; siehe auch Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 45 f.; Wolfram: Goten, S. 221 f., S. 235 f.; Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 32 f. Siehe zu Avitus die prosopographischen Informationen bei Stroheker: Der senatorische Adel, S. 152 ff. (58. Eparchius Avitus), sowie PLRE 2, Eparchius Avitus 5, S. 196 ff. Sidonius Apollinaris: Carmina 7, vv. 214–226, vv. 301–311, vv. 339–356, vv. 470–486, vv. 495–506, hg. v. Christian Luetjohann, in: Gai Sollii Apollinaris Sidonii epistvlae et carmina (MGH AA 8), Berlin 1887 (ND 1961), S. 173–264. Siehe auch Heather: Goths, S. 193; Kampers, Gerd: Art. Theoderich, in: RGA, Bd. 30 (2006), S. 414 f., S. 414. Wolfram: Goten, S. 184; Rouche: L’Aquitaine, S. 29 f. Sidonius berichtet vor allem darüber, dass Theoderichs II. Avitus dazu gedrängt habe, nach dem Purpur zu greifen. Vgl. Sidonius Apollinaris: Carmina 7, vv. 440–457, vv. 508–571. Hydatius: Chronicon 183.
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gitimieren.274 Avitus hier besonders in den Blickpunkt zu stellen, erweist sich nicht nur aufgrund seiner persönlichen, sondern auch wegen der Geschichte seiner Familie als lohnend. Lange vor Eparchius Avitus hatten die Aviti von Clermont Ämter innerhalb des Römischen Reiches inne.275 Gestützt auf den fortwährenden Landbesitz in der Auvergne, blieben die Mitglieder dieses senatorischen Adelsgeschlechts aller politischen Umwälzungen unbenommen auch unter zunächst westgotischer und später fränkischer Herrschaft auf regionaler Ebene bis ins achte Jahrhundert hinein einflussreich.276 Dieses Einzelbeispiel steht dabei stellvertretend für ein bestimmendes Kontinuitätselement in der Transformation der römischen Welt in barbarische regna. Hier wie anderswo zeigt sich, dass es häufig die gleichen Familien waren, die ihren Einfluss über einen langen Zeitraum behaupten konnten.277 Die politischen Entwicklungen des fünften Jahrhunderts hatten jedoch dazu geführt, dass der überregionale Karriereweg in Diensten des römischen Imperiums abgeschnitten war.278 Mithin waren die Mitglieder jener römischer Familien dazu gezwungen, ihren Besitz und ihre Macht in anderen Funktionen zu behaupten: „The choice was between service in one of the barbarian courts, the church, or complete retirement.“279 In der Forschung dominiert bei der Einschätzung des Verhaltens der römischen Oberschicht die Überzeugung, dass sie sich, vor diese Wahl gestellt, bewusst für die kirchliche Option entschied, wobei der senatorische Adel vor allem die Bischofsämter für sich in Anspruch genommen habe, und römische Identität sich in der Folge zusehends mit Kirche und katholischer Religiosität verband. In diesem Prozess habe sich ferner eine Bischofsherrschaft entwickelt, in welcher der episcopus nicht nur die religiöse, sondern auch die politische Führung der einzelnen civitates übernahm.280 Einige 274
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Siehe Hydatius der in seiner Chronik für das Jahr 456 berichtet (173): Mox Hispanias rex Gothorum Theodoricus cum ingenti exercitu suo et cum voluntate et ordinatione Aviti imperatoris ingreditur; sowie Isidor: Historia Gothorum 31. Vgl. auch Collins: Early Medieval Spain, S. 22. Auch Mathisen/ Sivan: Forging a New Identity, S. 19 ff. bezeichnen Avitus’ Regentschaft als Wendepunkt der westgotisch-römischen Beziehungen. Vgl. z. B. Sidonius Apollinaris: Carmina 7, vv. 153–162. Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 167 f. Demandt: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies, S. 80: „From the time of Diocletian on we have continuity in the ruling families into the Middle Ages and further on.“ In diese Richtung äußern sich bereits zeitgenössische Autoren, vgl. Sidonius: Ep. 3,8,1, Romana respublica in haec miseriarum extrema defluxit, ut studiosos sui numquam remuneretur […]. Sivan: Romans and Barbarians, S. 189. Siehe speziell mit Blick auf den Aspekt der Identität z. B. Sivan: Romans and Barbarians, S. 186–190, S. 186: „Until the AD 470’s romanitas for a member of the highly
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neuere Untersuchungen stellen bei dieser Entwicklung jedoch zwei Elemente in Frage. Eines ist dabei das der Motivation, hinsichtlich welcher nahegelegt wird, die Entstehung der Bischofsherrschaft „nicht in utilitaristischer Manier als Kalkül einer politischen Elite“ zu deuten, sondern als eine Entwicklung, die sich aus einer Vielzahl von ganz unterschiedlich motivierten Einzelentscheidungen ergeben habe.281 Das andere ist jenes der sozialen Herkunft der Bischöfe: „Die Existenz von Bischöfen aus senatorischem Adel ist nicht zu leugnen, ebensowenig der Einfluß einzelner senatorischer Familien auf bestimmte Bischofssitze. Fraglich bleibt aber, wie regelhaft und wie flächendeckend diese Phänomene gewesen sind.“282 So ist die senatorische Abstammung bei der Mehrzahl der Bischöfe nicht nachzuweisen und andere Beispiele belegen, dass auch Mitglieder anderer sozialer Schichten zu Bischofwürden gekommen sind. Die Verbindung dieser neueren Ansätze zu unserer Themenstellung ist dabei in der Erkenntnis zu sehen, dass es eine Vereinfachung ist, davon auszugehen, dass die römische Führungs-
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cultivated classes had a strong flavour of secular culture. From that date on, though, being a ‚Roman‘ increasingly meant the inclusion of religious element“, sowie Mathisen: Roman Aristocrats, S. 89 ff. Aus der umfangreichen Literatur zur Entstehung und zum Wesen der Bischofsherrschaft insgesamt, siehe besonders mit Blick auf Gallien Heinzelmann, Martin: Bischofsherrschaft in Gallien. Zur Kontinuität römischer Führungsschichten vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Soziale, prosopographische und bildungsgeschichtliche Aspekte (Beihefte der Francia 5), München 1976; Baumgart, Susanne: Die Bischofsherrschaft im Gallien des 5. Jahrhunderts. Eine Untersuchung zu den Gründen und Anfängen weltlicher Herrschaft der Kirche (Münchener Arbeiten zur alten Geschichte 8), München 1995; Gauthier, Nancy: Le réseau de pouvoirs de l’évêque dans la Gaule du haut Moyen-Âge, in: Ead./ Broglio, Gian Pietro/ Christie, Neil (Hg.): Towns and their Territories between Late Antiquity and the Early Middle Ages (TRW 9), Leiden/ Boston/ Köln 2000, S. 173–207. Als Einzelbeispiel kann etwa der oben erwähnte Simplicius gelten. Er entstammte einer in Bourges ansässigen Familie des senatorischen Adels, die in der Vergangenheit Präfekten in der römischen Zivil- oder Militärverwaltung, aber auch Bischöfe gestellt hatte. Simplicius entschied sich als vir spectabilis und wahrscheinlich auch comes zunächst für eine weltliche Karriere und übernahm verschiedentlich Gesandtschaften an die Höfe des Kaisers und barbarischer Könige. Wie oben ausgeführt, bewarb er sich, ohne zuvor ein kirchliches Amt inngehabt zu haben, im Jahre 470 schließlich erfolgreich um die Bischofswürde in seiner Stadt. Vgl. Stroheker: Der senatorische Adel, S. 152 ff. (363. Simplicius); PLRE 2, Simplicius 9, S. 1015 f. Jussen, Bernhard: Über ‚Bischofsherrschaften‘ und die Prozeduren politisch-sozialer Umordnung in Gallien zwischen ‚Antike‘ und ‚Mittelalter‘, in: HZ 260 (1995), S. 673–718, Zitat S. 716. Patzold, Steffen: Zur Sozialstruktur des Episkopats und zur Ausbildung bischöflicher Herrschaft in Gallien zwischen Spätantike und Frühmittelalter, in: Becher, Matthias/ Dick, Stefanie (Hg.), Völker, Reiche und Namen im frühen Mittelalter (MittelalterStudien 22), München 2010, S. 121–140, S. 137.
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schicht sich mit Untergang des Römischen Reiches quasi gänzlich aus den Staatsämtern zurückzog und in der ecclesia eine römische Alternative erkannte. Diese Entscheidung hat es, aus welchen konkreten Gründen auch immer, zweifellos in vielen Fällen gegeben, ebenso wie die beschriebene Verschränkung von katholischem Glauben und „Römisch-Sein“, wie sie bis heute in der Bezeichnung „römisch-katholisch“ fortlebt. Wie gesehen, entschieden sich Mitglieder der einheimischen Führungsschicht gleichzeitig jedoch auch nicht selten für Funktionen außerhalb der Kirche. Nach dem formellen Ende des Imperiums wurden diese Ämter im gotischen Einflussbereich zu einem strukturellen Teil des regnum Gothorum.283
2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Resümieren wir abschließend noch einmal die wichtigsten Aspekte dieses Kapitels, um damit die Situation am Vorabend der Verlagerung des westgotischen Herrschaftsschwerpunktes auf die Iberische Halbinsel zusammenhängend zu skizzieren. Hinsichtlich der (west)gotischen Vorgeschichte wurde herausgestellt, dass diese erst seit der Mitte des dritten Jahrhunderts eine gewisse Kontinuität aufweist. Von diesem Zeitpunkt an wurde eine Gruppe von Menschen von Außenstehenden als gotisch identifiziert. Als Gothi wurde dabei keine monolithische Abstammungsgemeinschaft, sondern ein „polyethnisches Völkergemisch“ bezeichnet, das unter bestimmten historischen Rahmenbedingungen zusammenfand. Ausgehend von einer Migrationsphase im Übergang vom vierten zum fünften Jahrhundert, bildete unter königlicher Führung dabei ein gotischer Verband besondere Stabilität aus, dessen Angehörige in den Quellen schließlich als Vesegothi und heute als Westgoten identifiziert werden. In der Funktion einer im Auftrage des Römischen Reiches agierenden Föderatenarmee wurden die Westgoten 418/19 in der Gallia planvoll angesiedelt. Begünstigt durch den Desintegrationsprozess des westlichen Imperiums verschoben sich in diesem Raum im Laufe der folgenden Dekaden die Machtverhältnisse jedoch zugunsten der Föderaten, mit dem Ergebnis, dass die Herrschaft des Römischen Reiches in der südlichen Gallia und
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Wie etwa weiter oben bei Sidonius Apollinaris: Ep. 8,9,1, gesehen, bezeichnet Sidonius sich selbst als Exilanten und Lampridius als cives. Durch den Kontext ist dort unmissverständlich, dass die Bezugsgröße dieser Differenzierung das regnum Gothorum ist.
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in Teilen der Hispania im Laufe des fünften Jahrhunderts von innen durch ein westgotisches Königreich substituiert wurde. Hierbei die Perspektive einer Transformation statt der eines Bruches oder einer Eroberung einzunehmen erscheint schon daher angemessen, weil die gotischen wie andere barbarische Anführer zunächst den deutlichen Willen dazu erkennen ließen, sich in die Strukturen des Imperiums einzufügen, freilich aus dem Interesse heraus, selber davon zu profitieren. Diese Entwicklung wurde ferner zwar von militärischen Auseinandersetzungen begleitet, welche sich mit Ausnahme der gentilen Identifikation der Goten jedoch kaum von den vorangegangenen innerrömischen Machtkämpfen abhoben. Auch weist die Organisation und Administration des Tolosanischen Reiches in struktureller wie personeller Hinsicht deutliche Parallelen zu jener der römischen Provinz auf. Anknüpfend an diese Kontinuitätsperspektive ist zu unterstreichen, dass die unter königlicher Führung stehenden eingewanderten Westgoten als elementarer und integrativer Bestandteil der Führungsschicht des neuen politischen Verbandes ein Element der Diskontinuität von entscheidender Bedeutung darstellten. Abzuheben ist diese Aussage jedoch ebenso deutlich von der lange Zeit etablierten Vorstellung einer römisch-gotischen Dichothomie oder gar eines Antagonismus’. Wie die neuere Forschung betont hat, ignoriert eine solche Sichtweise die zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschrittene Anpassung der Westgoten an die römische Lebenswelt, welche sich beispielsweise darin zeigt, dass nur noch vereinzelt für die Anfangsphase indirekte Hinweise auf die gotische Sprache und insgesamt keinerlei Belege für eine eigene materielle Kultur der Westgoten zu finden sind. Dessen unbenommen und trotz der Erkenntnisse über die Flexibilität ethnischer Zuweisungen in der Völkerwanderungszeit geht die Forschung bemerkenswerterweise weiterhin davon aus, dass Goten und Römer zwei klar zu differenzierende Völker innerhalb eines Staates blieben. Diese Position steht für die Zeit der Ansiedlung zunächst nicht in Frage und wird greifbar in den sich auf diese beziehenden Formulierungen der westgotischen Gesetzestexte. Die Letztgenannten legen jedoch auch nahe, dass die Relevanz einer solchen Unterscheidung sich vornehmlich aus der Anfangsphase der westgotischen Präsenz in der Gallia ableitete und im Verlauf des fünften Jahrhunderts zusehends schwand. Diese oben nur im direkten Kontext der Gesetzestexte entwickelte Ansicht wird durch den anschließend dargestellten Gesamtzusammenhang gestützt. Mit Blick auf die Rechtssituation im Tolosanischen Reich war des Weiteren festzustellen, dass sie als eine an die neuen Verhältnisse angepasste Fortentwicklung zuvor bestehender Tradition beschrieben werden kann. Trotz der anhalten-
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den rechtshistorischen Kontroverse über die personale Gültigkeit der jeweiligen Gesetzesbücher ist eine solche gerade vor diesem Hintergrund als äußerst unwahrscheinlich zu erachten. Ingesamt lässt sich zur Übernahme der für die römische Staatlichkeit zentralen Rechtskultur seitens der Westgoten resümieren, dass sie nicht nur eine legitimitätsstiftende Wirkung entfaltet haben wird, sondern sie ferner die ausgeprägte Anpassung der Westgoten an ihre römische Umwelt manifestiert und auch ihre damit einhergehende Handlungsfähigkeit in derselben zeigt. Als zentrales Hindernis einer Synthese der beiden Bevölkerungsgruppen wird von der Forschung neben der Rechtssprechung auch die Religion genannt. Wie sich gezeigt hat, stehen jedoch zwei dieser Argumentation zugrunde liegenden Prämissen, nämlich die, dass der Arianismus in Gallien seit dem Zeitpunkt der Ansiedlung ein rein westgotisches Phänomen dargestellt habe und jene, gemäß welcher er darüber hinaus bewusst als ethnisches Identitätsmerkmal eingesetzt worden sei, in Frage. Es lassen sich vielmehr ernstzunehmende Belege dafür anbringen, dass auch Teile der römischen Bevölkerung entweder noch immer Arianer waren oder zu solchen wurden. Insgesamt legt der Befund in Bezug auf die Religion ferner nahe, dass sie, mit Ausnahmen, für die Fragen des alltäglichen Umgangs und politischer Entscheidungen häufig eher nicht von entscheidender Bedeutung war. Ebenso wie für die Religion ist auch in Bezug auf die angenommene „Wesensfremdheit“ zwischen Römern und Goten herausgearbeitet worden, dass eine solche Zweiteilung der Identifikationsebenen eine Simplifizierung darstellt, welche der Dynamik und Mehrdeutigkeit der spätantiken Gesellschaft nicht gerecht wird. So ist es bar der mittlerweile obsoleten Annahme fester Identitätsmerkmale – wie sie bei einem primordialistischen Ethnizitätsverständnis vorausgesetzt werden –, eingedenk des hohen Anpassungsgrades der barbarischen gentes an die römische Gesellschaft und der Vermischung mit ihr sowie angesichts der Binnendifferenzierung derselben in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht möglich, auf Grundlage unserer fragmentarischen Quelleninformationen eine valide Aussage zur Identität einer Person beziehungsweise Personengruppe machen zu können. Das bedeutet gleichzeitig nicht, dass Identität, namentlich ethnische, keine Rolle gespielt hätte oder beliebig war, sondern, dass sie innerhalb eines gewissen Rahmens im Auge des Betrachters und seiner Definitionskriterien lag. Wie gesehen, wurde für eine elitäre Gruppe in einer spezifischen Situation die klassische Bildung zu einem solchen Merkmal. Nach dieser Auslegung wäre aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung des Imperiums überhaupt als römisch zu bezeichnen. Angesichts dieser Variabilität wird in der Forschung vor allem die Loyalität zum römischen Staat und zum Kaiser als
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
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allgemeinverbindliches Identitätskriterium herangezogen.284 Nimmt man jedoch diese politische Definition zum Maßstab, so wird das allmähliche Verdämmern des Römischen Reiches im Westen und dessen Ablösung in einem bestimmten Gebiet durch ein westgotisches Königtum für die in den betreffenden Regionen lebende römische Bevölkerung, insbesondere für jenen Teil, der außerhalb kirchlicher Strukturen weiter gesellschaftliches und politisches Gewicht behalten wollte, zu einer Frage der Identität. Nachdem das westliche Kaisertum als „letzter Begründungszusammenhang“ eines römischen Westens bedeutungslos geworden und schließlich gänzlich verschwunden war, kam es durch die Einbindung bestehender Strukturen in eine neue, gentil identifizierte politische Suprastruktur zu einem „Richtungswechsel der Integrationsbewegung“.285 Davon ausgehend wird im Weiteren für das spanische Westgotenreich zu fragen sein, ob die einheimische Bevölkerung der Hispania noch gesondert als römisch und differenziert von den Goten wahrgenommen wurde oder ob sich innerhalb des regnum Gothorum schon bald eine politisch verstandene gotische Identität für „alle“ Einwohner des Königreiches ergab. Wie in diesem Kapitel zu zeigen versucht wurde, ist eine unüberwindliche Hürde für einen solchen Identitätswechsel, wie er der älteren Forschung in den Bereichen der Genealogie, Kultur, Religiosität und des Rechts für selbstverständlich galt, bereits am Ausgang des fünften Jahrhunderts nicht mehr zu erkennen.286 284
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So stellt Elton, Hugh: Defining Romans, Barbarians, and the Roman Frontier, in: Mathisen/ Sivan (Hg.), Shifting Frontiers, S. 126–135, mit Blick auf eine Definition römischer Identität heraus (S. 135): „Here, it seems, the best definition is a political one, based on loyalty to the Roman Empire.“ Siehe mit Blick auf das Ostreich des sechsten Jahrhunderts auch Greatrex, Geoffrey: Roman Identity in the Sixth Century, in: Mitchell/ Greatrex (Hg.), Ethnicity and Culture, S. 267–289. Siehe Jarnut: Aspekte des Kontinuitätsproblems, beide Zitate S. 50. Vgl. auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 167: „Here lay the real continuities of the Roman world: at the city level, despite any number of changes of regime, the continuous patterns of landowning structured local politics. What did change was, however, identity.“ In die Richtung einer weitgehenden Assimilation bereits im Tolosanischen Reich weist auch die Arbeit von Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 69–113, die sich besonders mit den Repräsentationformen des westgotischen Königtums auseinandersetzt. Hier arbeitet sie die weitgehende Übernahme römischer Darstellungsformen seitens des westgotischen Hofes heraus. Den Prozess „de transformación de una realeza originariamente de tipo étnico en monarquía territorial“ (S. 113), wie sie ihn beschreibt, hält sie gleichwohl noch nicht für abgeschlossen, da weiterhin bewusst auch germanische Repräsentationselemente wie lange Haare, Fellkleidung oder etwa die Jagd eingesetzt worden seien, um die gotische Identiät in Abgrenzung zur römischen aufrecht zu erhalten. Keines dieser Elemente kann jedoch als spezifisch germanisch gelten. Siehe dazu wie zur Diskussion archäologischer Funde im Kontext der westgotischen regna insgesamt unten Kap. 3.2.1.
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3. Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches und Voraussetzungen zur Bewertung der ethnischen Situation Nach den notwendigen Bemerkungen zu neueren Forschungsentwicklungen, methodischen Interpretationsvoraussetzungen und zum Verlauf der westgotischen Geschichte außerhalb der Hispania, wird von nun an das westgotische Spanien im Zentrum unseres Interesses stehen. Im Anschluss an einen kurzen ereignisgeschichtlichen Überblick wird dabei insbesondere die bisherige Vorstellung von der westgotischen Einwanderung auf die Iberische Halbinsel kritisch diskutiert. Dieses Thema bezieht seine Relevanz für diese Arbeit daher, weil die dominierende Ansicht, dass es während einer bestimmten Zeitspanne zu einer ausgeprägten westgotischen Migration in die Hispania gekommen sei, eine Prämisse für die bisherigen wissenschaftlichen Überlegungen zur gotischen Identität des Toledanischen Reiches ist.1 Über die Analyse der betreffenden schriftlichen Überlieferung hinaus, stellt sich in diesem Zusammenhang auch die gegenwärtig vieldiskutierte Frage nach der ethnischen Aussagekraft archäologischer Quellen und damit im konkreten Fall nach der Bewertung charakteristischer Grabbeigaben in einer Reihe von zentralspanischen Nekropolen, die von archäologischer Seite bisher fast ausnahmslos als westgotisch angesprochen werden. Ähnlich kontrovers wie über den archäologischen Befund, wird in der Forschung auch über die Rolle diskutiert, welche den Westgoten in der hispanischen Geschichte des fünften und weiter Teile des sechsten Jahrhunderts zugeschrieben werden könne. Da dieser Aspekt für die Bewertung der westgotischen Identität auf der Iberischen Halbinsel von großer Bedeutung ist, wird das Problem der Ausdehnung und Organisation der westgotischen Herrschaft in der Hispania sowohl in den folgenden, einleitenden Ausführungen vorgestellt als auch weiter unten in einem eigenen Abschnitt aufge1
Abgeleitet von der sich im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts fest etablierenden urbs regia Toledo bezeichnet man das regnum Gothorum auf der Iberischen Halbinsel etwa von diesem Zeitraum an als Toledanisches Reich. Es handelt sich dabei im Gegensatz zum regnum Tolosanum allerdings nicht um einen Quellen-, sondern um einen Begriff der Wissenschaftssprache.
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griffen. In Anknüpfung an die im vorangegangenen Kapitel formulierten Überlegungen zu den ethnischen Implikationen der konfessionellen Zweiteilung der Bevölkerung in Arianer und Katholiken wird dieser Gesichtspunkt auch für die Situation des westgotischen Spaniens erörtert, bevor die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen Abschnitte abschließend zusammengeführt werden. Bevor wir uns jedoch den avisierten Einzelaspekten widmen, erscheint es sinnvoll, dem einige grundsätzliche Bemerkungen voranzustellen, die für die Erforschung und Bewertung der Geschichte der Westgoten in Spanien und dem Toledanischen Reich von Bedeutung sind. Eine ganze Anzahl neuerer Überblicksdarstellungen machen es dabei nicht allzu schwer, sich in einem ersten Zugriff diesem Thema zu nähern.2 Wie kaum anders zu erwarten, findet man in all diesen Titeln die gleiche Abfolge der Ereignisse, die gleichen Protagonisten und Orte, über die wir aus den Quellen vielfach durch ihre Verbindung zu kriegerischen Handlungen erfahren. Speziell mit Blick auf die Zeit bis zum siebten Jahrhundert gehen die Bewertungen und Schlussfolgerungen, die sich in der Geschichtswissenschaft um dieses er-
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Ohne Anspruch auf Vollständigkeit siehe aus der Literatur seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem summarischen Überblick etwa Altamira, Rafael: Spain under the Visigoths, in: Gwatkin, Henry M./ Whitney, James P. (Hg.), The Cambridge Medieval History, Bd. 2: The Rise of the Saracens and the Foundation of the Western Empire, Cambridge 1967, S. 159–193; Thompson, Edward A.: The Goths in Spain, Oxford 1969 (ND 2000); Claude: Westgoten; Díaz y Díaz, Manuel C.: Introducción general, in: San Isidoro de Sevilla: Etimologías. Edición bilingüe, hg. v. José Oroz Reta/ Manuel-A. Marcos Casquero, Bd. 1, Madrid 1982 (ND 2000), S. 1–257, S. 1–94; Orlandis, José: Época visigoda (409–711) (Historia de España 4), Madrid 1987; Sayas Abengochea, Juan José/ García Moreno, Luis A.: Romanismo y germanismo. El despertar de los pueblos hispánicos (siglos IV–X) (Historia de España 2), Barcelona 1984, S. 283–402; Id.: Historia de España visigoda, Madrid 1989; Ripoll López, Gisela/ Velázquez, Isabel: La Hispania visigoda. Del rey Ataúlfo a Don Rodrigo (Historia de España 6), Madrid 1995; Heather: Goths, S. 276–298; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 115–281; Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 101–118; Id.: Art. Westgoten, in: RGA, Bd. 33 (2006), S. 536–540; Collins: Visigothic Spain; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 197–214, S. 256–309; Giese: Goten, S. 140–179; Barbero de Aguilera, Abilio/ Loring García, Maria Isabel: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms in Spain, in: Fouracre, Paul (Hg.), The New Cambridge Medieval History, Bd. 1: c.500–c.700, Cambridge 2005, S. 162–192, sowie ibid., The Catholic Visigothic Kingdom, S. 346–370; Herbers, Klaus: Geschichte Spaniens im Mittelalter. Vom Westgotenreich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2006, S. 36–71; Bronisch, Alexander P.: Toledanisches Reich, in: RGA, Bd. 31 (2006), S. 37–45; Kampers: Westgoten, S. 157–323.
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eignisgeschichtliche Gerüst notwendigerweise ranken, jedoch mitunter sehr weit auseinander. So ist im einleitenden Satz dieses Absatzes beispielsweise bewusst sehr weit gefasst von „Westgoten in Spanien“ die Rede, denn unstrittig ist, dass Goten erstmalig noch unter König Athaulf im Jahre 415 ihren Fuß auf den Boden der Hispania setzten und von dem Zeitpunkt an über mehrere hundert Jahre Spuren westgotischer Geschichte auf der Pyrenäenhalbinsel zu finden sind. Problematischer wäre es, von einem „spanischen Westgotenreich“ zu sprechen, da diese Formulierung gleichzeitig eine Aussage zur Bedeutsamkeit der Westgoten für die Geschichte der Hispania konnotierte. Gerade für die Zeit des fünften bis zum letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts ist genau diese jedoch äußerst umstritten. Entsprechend variieren die Antworten auf die Frage, ab wann den Westgoten eine zentrale Rolle auf der Iberischen Halbinsel zukam, um nicht weniger als insgesamt mehr als einhundert Jahre. Werden in den Augen mancher Forscher bereits die Expeditionen Theoderichs II. und spätestens Eurichs als Ausweitung des westgotischen Königreiches auf die Iberischen Halbinsel begriffen,3 könne nach anderen von einem solchen in der Hispania erst mit der Regentschaft König Leovigilds (568/69–586) die Rede sein.4 Innerhalb dieser Spannbreite ist die verheerende militärische Niederlage gegen die Franken im Jahre 507 hervorzuheben, die den meisten Forschern als Movens und Wendepunkt für die Verlagerung des westgotischen Königreiches auf die Iberische Halbinsel gilt.5 Der große Bewertungsspielraum, der sich hierin beispielhaft zeigt, ist vor allem auf die Quellensituation für jene beiden Jahrhunderte zurückzuführen. Mag es auch beinahe ein Topos mediävistischer Forschung sein, die Lückenhaftigkeit der Überlieferungssituation zu betonen und anzumerken, wie begrenzt in der Folge die Aussagen zu einem bestimmten Thema nur sein könnten, so sieht der Verfasser sich in Anbetracht der Quellenlage bis zum ausgehenden sechsten Jahrhundert genötigt, in das vermeintlich topische Lamento der Frühmittelalterforschung mit einzustimmen. Denn nach Hydatius, dessen Chronik für das Jahr 469 den letzten Eintrag aufweist, dauert es schließlich bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts, bis uns mit Johannes von Biclaro erneut ein Geschichtsschreiber zeitnah über die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel berichtet. Bis auf eine handvoll Akten kleinerer Kirchenversammlungen und einzelner Fundstücke gibt es keine Quellen aus dieser Zeit und aus diesem Raum. Das Wenige, was wir über die 3 4 5
Collins: Visigothic Spain, S. 32f.; García Moreno: Historia de España visigoda, S. 73f. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 256 f., S. 284 ff. Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo; Thompson: Goths in Spain; Claude: Westgoten; Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte; Giese: Goten.
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westgotische Geschichte in Spanien zwischen den 470er und 590er Jahren erfahren, ist entweder aus einer Retrospektive oder einer Außenperspektive verfasst.6 Wir haben es also mit einer ausgesprochen dürftigen Überlieferung zu tun, deren Aussagen zudem quellenkritisch nicht einfach zu bewerten sind.7 Diese Quellenarmut und die möglicherweise tendenziöse Darstellung der wenigen auf uns gekommenen Texte verstärken ihrerseits die folgende, der gesamten Geschichtswissenschaft unweigerlich inhärente Problematik: Da es die Aufgabe des Historikers ist, das historische Geschehen nicht nur aufzulisten, sondern kausale Verbindungen zwischen den einzelnen Ereignissen herzustellen, ihren Verlauf zu interpretieren und in größeren Zusammenhängen zu verorten, steht er bei der Untersuchung solcher historischer Phasen vor der Aufgabe, die aufgrund der lückenhaften Überlieferung besonders weit auseinanderklaffenden Erklärungs- und Interpretationslücken überbrücken zu müssen. Da dieser Prozess zwangsläufig nicht auf Grundlage der zeitgenössischen Texte erfolgen kann, ist die Gefahr auch in unserem Fall besonders groß, dass bereits die Fragen und folgerichtig auch die Antworten vielmehr der jeweiligen Gegenwart der Forscher als dem untersuchten Zeitraum der Vergangenheit entsprechen. Dementsprechend hat jüngst Michael Kulikowski besonders betont, dass die Untersuchung der hispanischen Geschichte des fünften und sechsten Jahrhunderts vielfach von einer anachronistischen Fragestellung ausgehe, wenn sie in diesen Jahrhunderten gezielt nach den Anfängen des westgotischen Königreiches auf der Iberischen Halbinsel suche.8 Dieser Hinweis ist berechtigt, denn das sich über die gesamte Halbinsel erstreckende christliche Königreich der Westgoten dient in Spanien bereits seit der Zeit der „Reconquista“ als legiti6
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Die in den letzten Jahren des sechsten Jahrhunderts verfasste Chronik Johannes’ von Biclaro setzt mit der Nachricht über den Tod Kaiser Justinians im Jahre 565 ein und über vorangegangene Ereignisse erhalten wir Nachricht durch die Consularia Caesaraugustana und die Historia Gothorum Isidors von Sevilla, die ebenfalls aus dem endenden sechsten oder dem ersten Drittel des siebten Jahrhunderts stammen. Außerhalb der Pyrenäenhalbinsel entstandene Texte, die Nachrichten über die Geschicke der Westgoten dort enthalten, sind vor allem die Getica Jordanes’, die „Gotenkriege“ Prokops und die „Frankengeschichte“ Gregors von Tours. Ausführlichere quellenkritische Bemerkungen sind den detaillierten Textanalysen in den weiteren Kapiteln jeweils vorangestellt. Kulikowski, Michael: Wie Spanien gotisch wurde. Der Historiker und der archäologische Befund, in: Brather, Sebastian (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Archäologie des 4. bis 7. Jahrhunderts im Westen (RGA Ergbd. 57), Berlin/ New York 2008, S. 27–43, S. 27 f.; Id.: Cities and Government in Late Antique Hispania. Recent Advances and Future Research, in: Bowes/ Kulikowski (Hg.), Hispania in Late Antiquity, S. 31–76, S. 48 ff.
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matorischer Referenzpunkt und ist damit unzählige Male zur historischen Projektionsfläche späterer Interessen geworden.9 Beförderte die stets fragmentierte Herrschaftssituation sowie die muslimische Präsenz auf der Halbinsel über Jahrhunderte einen Bezug auf die territoriale Ausdehnung und die religiöse Orientierung dieses regnum Gothorum, so richtet sich das Interesse seit der Neuzeit zusehends auch danach, in diesem die Geburt der spanischen Nation zu erblicken.10 So wurde die vermeintliche Wiederherstellung einer verloren geglaubten katholischen und zentralistisch organisierten spanischen Nation, die sich über die gesamte Halbinsel erstreckte und wie man sie im Toledanischen Westgotenreich vorzufinden glaubte, zu einem der Leitmotive der spanischen Historiographie, insbesondere während der Zeit des „Franquismo“, welches teilweise auch eine germanophile Komponente erhielt.11 Um den Quellen des fünften und sechsten Jahrhun-
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Siehe zu diesem eigenen Forschungsfeld etwa Maravall, José Antonio: El concepto de España en la edad media, Madrid 31981 [1. Aufl. 1954]; Messmer, Hans: Hispania-Idee und Gotenmythos. Zu den Voraussetzungen des traditionellen vaterländischen Geschichtsbildes im spanischen Mittelalter (Geist und Werk der Zeiten 5), Zürich 1960; Linehan, Peter: History and the Historians of Medieval Spain, Oxford 1993; einige Beiträge des Sammelbandes Fontaine, Jacques/ Pellistrandi, Christine (Hg.), L’Europe héritière de l’Espagne wisigothique (Collection de la Casa de Velázquez 35), Madrid 1992, sowie jüngst Hillgarth, Jocelyn N.: The Visigoths in History and Legend (Studies and Texts 166), Toronto 2009. Siehe z. B. Menéndez Pidal, Ramón: Universalismo y nacionalismo. Romanos y germanos, in: Id. (Hg.), España visigoda (414–711 J. C.) (Historia de España 3), Madrid 51985 [1. Aufl. 1940], S. VII–LV; Maravall: El concepto de España en la edad media, z. B. S. 55; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 463–501; García Moreno, Luis A.: La idea de España en la época goda, in: Fundamentos medievales de los particularismos hispánicos (IX Congreso de Estudios Medievales 2003), Ávila 2005, S. 41–60, besonders S. 52–56. Zu neueren Auseinandersetzungen mit dem Thema Martin: La géographie du pouvoir, S. 361–369; Ead.: Naissance d’une identité de la future Europe: le royaume wisigothique d’Hispanie, in: Villain-Gandossi, Christiane (Hg.), L’Europe à la recherche de son identité, Paris 2002, S. 81–92; Bronisch, Alexander P.: El concepto de España en la historiografía visigoda y asturiana, in: Norba 19 (2006), S. 9–42. Der „Glaube“ an die westgotische Abstammung der spanischen Nation wird besonders offensichtlich und greifbar dadurch, dass die Statuen auf der dem heutigen Königspalast gegenüber gelegenen „Plaza de Oriente“ im Zentrum Madrids, welche die „spanischen“ Könige darstellen sollen, mit Athaulf ihren Ausgang nehmen und noch weitere westgotische Könige mit einschließen. Siehe zur Forschungsgeschichte Hillgarth, Jocelyn N.: Spanish Historiography and Iberian Reality, in: History and Theory 24 (1985), S. 23–43; García Moreno, Luis A.: La historia de la España visigoda. Líneas de investigación, in: Hispania 50/ 2 (1990), S. 619–636; Linehan: History and the Historians, besonders S. 1–21; Drews: The Unknown Neighbour, S. 317–320; und besonders zur Geschichtsschreibung der
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derts nicht „die Perspektive späterer Ereignisse über[zustülpen], die kein Zeitgenosse vorhersehen konnte“, hält Kulikowski es für notwendig, sich dieser Zeit aus der Vergangenheit der spätantiken Hispania zu nähern.12 Damit greift er eine international seit Jahren zusehends dominierende Richtung der Forschung auf, welche besonders das Fortwirken antiker Strukturen betont und die mittlerweile auch die Interpretation der spätantiken Geschichte der Pyrenäenhalbinsel in zunehmendem Maße bestimmt. Beispielhaft formuliert dazu etwa Céline Martin als Ergebnis ihrer breit angelegten Untersuchung: „Le royaume de Tolède paraît donc bien un enfant de Rome. L’origine septentrionale, »barbare«, des Visigoths, n’exerça aucune influence notable sur le développement institutionnel d’une entité inscrite dès sa naissance dans la culture méditerranéenne de l’Antiquité tardive. Une présence dans l’Empire depuis la fin du quatrième siècle avait fait des Goths, lorsque’ils s’établirent en Hispanie, des quasi-Romains, tant par la langue que par les références culturelles; le système politique qu’ils y instituèrent constituait un prolongement des institutions de la romanité tardive“.13 Wie in vielen anderen Fällen, ist dieser Ansatz auch im spanischen Kontext als Antwort auf die in der althistorischen Forschung tief verwurzelte Untergangstheorie einerseits, welche die antike Tradition in der Hispania mit dem vermeintlich chaotischen fünften Jahrhundert untergehen
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Franco-Ära Herzberger, David K.: Narrating the Past. Fiction and Historiography in Postwar Spain, Durham/ London 1995, S. 15–38. Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 28. Kulikowski selbst hat diesen Ansatz in seiner Monographie „Late Roman Spain and ist Cities“ Rechnung getragen. Zu den Kernthesen des Buches siehe verkürzt auch Id.: The Late Roman City in Spain, in: Krause, Jens-Uwe/ Witschel, Christian (Hg.), Die Stadt in der Spätantike – Niedergang oder Wandel? (Historia Einzelschriften 190), Stuttgart 2006, S. 129–149. Martin: La geographie du pouvoir, S. 371. In der spanischen Forschung hat vor allem Javier Arce bereits vor vielen Jahren auf die Kontinuität römischer Strukturelemente hingewiesen. Siehe aus einer Vielzahl von Veröffentlichungen dazu etwa die in drei Büchern erarbeitete Geschichte der Hispania vom dritten bis zum beginnenden achten Jahrhundert, Arce, Javier: El último siglo de la España romana (284–409 A.D.), Madrid 31994 [1. Aufl. 1980]; Id.: Bárbaros y romanos en Hispania (400–507 A. D.), Madrid 22007 [1. Aufl. 2005]; Id.: Esperando a los árabes. Los visigodos en Hispania (507–711), Madrid 2011. Zu weiter zurückreichenden Wurzeln dieses Ansatzes in der spanischen Forschung siehe z. B. den Überblick von García Moreno: Líneas de investigación. Zur aktuellen, internationalen Forschung in diesem Bereich siehe etwa auch Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo; Martín Viso: Fragmentos del Leviatán; Martin: La géographie du pouvoir; Bowes/ Kulikowski (Hg.), Hispania in Late Antiquity; Wickham: Framing the Early Middle Ages; Chavarría Arnau: El final de las villae.
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sieht,14 und der dargestellten Perspektive eines neuen, in das Mittelalter weisenden, spanischen Zeitalters andererseits zu bewerten. Von dem bis hierher skizzierten Forschungsstand ausgehend, werden im Folgenden die Voraussetzungen für einen differenzierenden Erklärungsversuch diskutiert, der einerseits die von der neueren Forschung überzeugend herausgearbeiteten Kontinuitätslinien, vor allem in Bereich der Sozialund Wirtschaftsgeschichte, aber auch auf Ebene der lokal agierenden Familien betont, der aber gleichzeitig dem Phänomen Rechnung trägt, dass trotz aller Fortdauer spätestens in den Quellen des sechsten Jahrhunderts ein signifikanter Wandel der Identität des politischen Verbandes und der handelnden Personen festzustellen ist.
3.1 Die politischen Entwicklungen von der Schlacht von Vouillé bis zur Herrschaftskonsolidierung unter Leovigild His diebus pugna Gotthorum cum Francorum Boglada facta. Alaricus rex in proelio a Francis interfectus est: regnum Tolosanum destructum est.15 Mit diesen nüchternen Worten fassen die Consularia Caesaraugustana die Schlacht von Vouillé im Jahre 507 zusammen. Der in diesem Ereignis kulminierende fränkischwestgotische Konflikte hatte sich vor allem seit dem ausgehenden fünften Jahrhundert entwickelt, da die expansive fränkische Politik unter König Chlodwig (482–511) dazu geführt hatte, dass sich die Interessengebiete der beiden gentes zu überschneiden begannen.16 Eine Reihe von Ereignissen legt dabei über die Rivalität der beider Völker Zeugnis ab: Die durch eine Kriegsdrohung an Alarich II. bekräftigte Forderung Chlodwigs etwa, den Römer Syagrius – den Chlodwig besiegt und dessen Herrschaftsgebiet im 14
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Vgl. z. B. Tovar, Antonio/ Blázquez, José M.: Historia de la Hispania Romana. La Península Ibérica desde 218 a. C. hasta el siglo V, Madrid 21980 [1. Aufl. 1975], S. 157: „Todas estas luchas continuadas interrumpieron la adminstración, destruyeron la vida económica, cortaron el comercio y la industria y empeoraron considerablemente la mala situación económica de los estratos más bajos de la población.“ Consularia Caesaraugustana 88a, hg. v. Carmen Cardelle de Hartmann, in: Victor Tvnnvnensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesaraugustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon (CCSL 173 A), Turnhout 2001, S. 1–61. Siehe dazu und zum Kontext auch Prokop: De bello Gothico 1,12, hg. v. Otto Veh, in: Prokop, Gotenkriege (Werke 2), München 1966; Gregor von Tours: Historia Francorum 2,37; Isidor: Historia Gothorum 36. Zu den fränkisch-westgotischen Auseinandersetzungen siehe etwa Claude: Westgoten, S. 33–37; Orlandis: Época visigoda, S. 62–67; Heather: Goths, S. 200 f.; Wolfram: Goten, S. 195 ff.; Giese: Goten, S. 103–106; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 171–174.
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nördlichen Gallien er sich im Jahre 486 einverleibt hatte – an ihn auszuliefern, nachdem dieser nach seiner Niederlage in der westgotischen Hauptstadt Toulouse Zuflucht gefunden hatte. Alarich II. gab dieser Forderung nach und Syagrius damit seinem Schicksal preis.17 Ferner berichtet Prokop von der Furcht der Westgoten vor den immer mächtiger werdenden Franken, denen lediglich noch das Schutzversprechen des ostgotischen Königs, Theoderichs des Großen (493–526), Einhalt geboten habe.18 Vielleicht waren es die Verhandlungen Alarichs und Chlodwigs im Jahre 502, welche die kriegerischen Auseinandersetzungen, wie etwa die bis weit in westgotisches Gebiet vordringenden fränkischen Kriegszüge der Jahre 496 und 498,19 noch einmal vorübergehend einzudämmen vermochten.20 Die massiven Interessengegensätze waren jedoch nicht zu übersehen und führten die Heere beider Völker schließlich zu jener Schlacht bei dem nahe Poitiers gelegenen Ort Vouillé gegeneinander ins Feld.21 Wie das kurze Zitat der Consularia bereits angedeutet hat, nahm der Waffengang für die Goten einen katastrophalen Ausgang, denn sie gingen dabei nicht nur ihres Königs und Königsschatzes verlustig, sondern büßten darüber hinaus auch die Kontrolle über die Kerngebiete ihres Reiches mitsamt der Hauptstadt ein. Durch das Eingreifen ostgotischer Truppen konnte die fränkische Expansion zwar im darauf folgenden Jahr teilweise zurückgedrängt und ein Küstenstreifen von der Rhône über Narbonne bis zu den Pyrenäen zurückerobert werden,22 insgesamt war die Niederlage jedoch verheerend und ist entsprechend häufig als einschneidend für die westgotische Geschichte bewertet worden.23 Bedeuteten die dramatischen Verluste 17
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Syagrius wurde nach seiner Auslieferung auf Chlodwigs Geheiß hin getötet, vgl. Gregor von Tours: Historia Francorum 2,27. Prokop: De bello Gothico 1,12. Siehe dazu Auctarium Havniense a. 496, a. 498, hg. v. Theodor Mommsen, in: Chronica Minora (MGH AA 9), Bd. 1, Berlin 1892 (ND 1961), S. 317–333. Zum Treffen zwischen Alarich II. und Chlodwig siehe Gregor von Tours: Historia Francorum, 2,35. Für diesen militärischen Konflikt gegen die Franken, die noch von den Burgundern unterstützt wurden, hatte Theoderich der Große den Westgoten seine Hilfe zugesichert. Offenbar auf Drängen des westgotischen Adels stellte Alarich II. sich der Schlacht mit den Franken, ohne auf die versprochene ostgotische Verstärkung zu warten, die zu dem Zeitpunkt noch andernorts gebunden war. Dieses Gebiet wird als Septimania oder Narbonensis bezeichnet. In den westgotischen Quellen des siebten Jahrhunderts wird häufig auch der allgemeine Begriff Gallia auf diesen begrenzten westgotischen Raum jenseits der Pyrenäen angewandt. Repräsentativ befindet z. B. Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 101, dass Vouillé einem Dammbruch gleichgekommen sei, „der das westgotische Reich hinwegzuschwemmen drohte“. Von Collins: Visigothic Spain, S. 38 ff., ist in diesem Zu-
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auch das Ende des Tolosanischen Reiches in seiner bisherigen Form, wie die Consularia und Isidor von Sevilla bereits feststellten, so macht der Verfasser der Erstgenannten gleichzeitig, sozusagen schweigend deutlich, dass damit nicht auch das westgotische Königtum endete, indem er ohne weiteren Kommentar im nächsten Eintrag wie folgt berichtet: Post Alaricum Gisalecus rex ex concubina eius filius Gotthorum rex efficitur.24 Schien Theoderich der Große sich zunächst mit dem eigenen Gebietsgewinn im Zuge seiner Intervention zu begnügen und besagten Gesalech (507–510) als Verbündeten und König der Westgoten zu akzeptieren, sorgte er jedoch bald dafür, dass dessen Halbbruder Amalarich (510–531/ 34), welcher der Verbindung Alarichs II. mit Theoderichs Tochter Thiudigotho entstammte und damit ein Enkel des Ostgotenkönigs war, auf den Thron gelangte. Auch wenn Jordanes, Prokop und eingeschränkt auch Isidor von Sevilla die Geschehnisse so schildern, als habe Theoderich lediglich die Vormundschaft für den noch unmündigen Amalarich übernommen, kann kein Zweifel daran bestehen, dass er die Gebiete des Westgotenreiches, die nicht von den Franken erobert worden waren, praktisch seiner Herrschaft unterwarf. So wurde der nicht an die Franken gefallene Teil des westgotischen Königsschatzes nach dem Sieg über Gesalech nach Ravenna geschafft, ostgotische Truppen unter der Führung seines armiger Theudis zum Schutz seiner Herrschaft im Gebiet der Westgoten zurückgelassen und die Letztgenannten waren nunmehr dem ostgotischen Hof gegenüber abgabepflichtig. Viel deutlicher kann sich frühmittelalterliche Herrschaft über einen bestimmten Raum kaum manifestieren. Die faktische Vereinigung beider Reiche unter der ostgotischen Krone blieb jedoch ein etwa sechzehnjähriges Zwischenspiel, das auf das Engste mit der Person Theoderichs des Großen verknüpft war und nach seinem Tod im Jahre 526 ohne weitere Wellenschläge endete. Das Gebiet der Westgoten bis zur Rhône-Mündung wurde im Weiteren eigenständig von Amalarich regiert und alle oben genannten Maßnahmen rückgängig gemacht.25
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sammenhang die berechtigte Anmerkung vorgebracht worden, dass dieser Ausgang nicht zwangsläufig erkennbare strukturelle Gründe gehabt haben muss, sondern der frühmittelalterliche Schlachtverlauf auch von Details in hohem Maße beeinflusst werden konnte. Consularia Caesaraugustana 89a. Siehe dazu auch Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 115 f. Siehe zu den Ereignissen in den Quellen Consularia Caesaraugustana 91a, 92a, 94a, 94b; Jordanes: Getica 302–303; Isidor: Historia Gothorum 37–40; Prokop: De bello Gothico 1,12–13; Cassiodor: Variae epistolae 5,43–44, hg. v. Theodor Mommsen, in: Cassiodori Senatoris Variae (MGH AA 12), Hannover 1894 (ND 1972), S. 1–385.
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Wohl auch um der Gefahr fränkischer Überfälle vorzubeugen, gerade in der stets risikobehafteten Anfangsphase der Regentschaft, heiratete Amalarich Chlothilde, eine Tochter Chlodwigs.26 Wie Gregor von Tours berichtet, sei es jedoch gerade diese Verbindung gewesen, welche einen fränkischen Kriegszug unter König Childebert (511–558), dem Bruder Chlothildes, provoziert habe, der Amalarich im Jahre 531 das Leben kostete.27 So hätten, berichtet der Bischof von Tours, Childebert die furchtbaren Misshandlungen, die Chlothilde aufgrund ihres katholischen Glaubens durch Amalarich habe erdulden müssen, dazu veranlasst, mit einem Heer nach Spanien und seiner Schwester zu Hilfe zu kommen.28 Dieser Zwischenfall blieb in den folgenden Jahren jedoch nicht der einzige, bei welchem die Franken verheerend in westgotisches Gebiet eindrangen29 und erst im Jahre 541 erreichten die Westgoten einen Sieg über die Franken, die bis weit in die Tarraconensis vorgedrungen waren.30 Errungen wurde dieser Erfolg durch einen dux mit Namen Theudegisel – der später selber einmal in kurzer und folgenloser Regentschaft über die Westgoten herrschte (548/49)31 – während der Regierungszeit König
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In der spanischen Forschung hat Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 54–66, in diesem Kontext und mit Bezug auf den Entstehungsprozess des Toledanischen Reiches den Begriff des „intermedio ostrogodo“ geprägt; vgl. auch García Iglesias, L.: El intermedio ostrogodo en Hispania, in: Hispania Antiqua 5 (1975), S. 89–120; Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 284–298; Orlandis: Época visigoda, S. 68–74; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 115–121; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 174–177. Siehe über die spanische Forschung hinaus dazu etwa Claude: Westgoten S. 55 f.; Collins: Early Medieval Spain, S. 33 f.; Id.: Visigothic Spain, S. 41 ff.; Wolfram: Goten, S. 310; Giese: Goten, S. 107 f.; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 258–261. Gregor von Tours: Historia Francorum 3,1; Prokop: De bello Gothico 1,13. Aus den Berichten der Quellen werden die Umstände seines Todes nicht genau ersichtlich. Einigkeit besteht darüber, dass Childebert Amalarich zunächst in Narbonne besiegt hatte. Unklar ist jedoch, ob der König bereits dort ermodert wurde (Gregor von Tours: Historia Francorum 3,10) oder es ihm noch gelang, nach Barcelona zu flüchten, wo er dann entweder von Mitgliedern seines eigenen Heeres (Isidor: Historia Gothorum 40) oder von den Franken getötet wurde (Consularia Caesaraugustana 115a). Gregor von Tours: Historia Francorum 3,10; vgl. auch Prokop: De bello Gothico 1,13. Zur Mehrdeutigkeit von Childeberts Motivation siehe Thompson: Goths in Spain, S. 12. Gregor von Tours: Historia Francorum 3,21. Consularia Caesaraugustana 130a; Isidor: Historia Gothorum 41; Gregor von Tours: Historia Francorum 3,29. Das fränkische Expeditionsheer hatte bereits Pamplona geplündert, bevor es an der Belagerung der Stadt Saragossa scheiterte und schließlich über die Pyrenäenpässe zurückgedrängt werden konnte. Isidor: Historia Gothorum 44.
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Theudis’ (531–548). Wie schon erwähnt, war dieser während der Herrschaft Theoderichs des Großen der Befehlshaber der ostgotischen Truppen gewesen und hatte nach dem Tode des Ostgotenkönigs und dem seines Enkels Amalarich fünf Jahre später schließlich selber den Thron bestiegen. Die Herrschaftsübernahme des ebenfalls ostgotischen Theudis’ erscheint nicht allzu verwunderlich, berichtet doch Prokop darüber, dass jenem schon unter der Herrschaft Theoderichs eine königsähnliche Position im westgotischen Machtbereich zugekommen sei. Theudis hatte dabei freilich nicht den Fehler begangen, die Oberhoheit seines Königs in Frage zu stellen und zahlte die geforderten Abgaben. Solange Theoderichs Interessen am Westgotenreich in dieser Weise erfüllt wurden, ließ er Theudis dort offenbar freie Hand.32 Zum Verhängnis wurde ihm schließlich eine militärische Niederlage gegen byzantinische Truppen, die sich beachtenswerterweise im nordafrikanischen Ceuta zutrug.33 Dieses Scheitern hatte den König für seine Rivalen angreifbar gemacht und so fiel er wenig später einem heimtückischen Mordanschlag in palatio zum Opfer.34 Nachdem auch der bereits angesprochene Theudegisel 549 sein Leben in Sevilla durch Mord verlor, folgte ihm Agila (549–554) im Königsamt.35 Nun völlig auf die wenigen Worte Isidors von Sevilla angewiesen, lässt sich zumindest wiedergeben, dass Agila bald nach seinem Herrschaftsantritt den Versuch unternahm, die Stadt Córdoba unter seine Kontrolle zu bringen. Dieses Unterfangen endete jedoch in einem Fiasko für ihn, denn bei seinem gescheiterten Versuch verlor er nicht nur den Königsschatz und einen Großteil seines Heeres, sondern auch seinen Thronfolger.36 Eingedenk dieser Verluste erscheint es beinahe unausweichlich, dass, während Agila sich im Anschluss an die fehlgeschlagene Belagerung Córdobas nach Mérida zurückzog, in Sevilla ein Konkurrent namens Athanagild (554–567) ebenfalls die Königsmacht für sich in Anspruch nahm. Agila war aber noch handlungsfähig genug, selbst in die Offensive zu gehen und ein Heer nach Sevilla zu entsenden. Obwohl auch diesem kein Erfolg beschieden war, deutet alles darauf hin, dass sich daraufhin eine militärische Pattsituation zwischen König und Usurpator ergab. Dies war insofern folgenreich, als dass Athanagild sich in dieser Lage, um militärische Unterstützung bittend, 32 33 34
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Prokop: De bello Gothico 1,12. Isidor: Historia Gothorum 42. Siehe dazu auch weiter unten S. 180 f. Isidor: Historia Gothorum 42. Siehe zur Herrschaft Theudis’ Thompson: Goths in Spain, S. 13–16; Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 292–296; Orlandis: Época visigoda, S. 72 ff.; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 271 ff. Consularia Caesaraugustana 134a. Isidor: Historia Gothorum 45.
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an den byzantinischen Kaiser Justinian wandte.37 Hatte diese Maßnahme auch zunächst den von Athanagild gewünschten Erfolg, dass Agila getötet und er statt seiner König wurde, erscheint Athanagild in den Quellen bald als eine Art „Zauberlehrling“. So hatten sich die byzantinischen Truppen mittels der inneren Machtkonflikte und im Zuge der renovatio imperii Justinians nun auf der Iberischen Halbinsel festgesetzt und der Kaiser scheint durch sie größeren Einfluss genommen zu haben, als Athanagild dies bei seinem anfänglichen Hilferuf geplant haben mag, so dass er fortan erfolglos große Mühen daran setzte, die Oströmer zurückzudrängen.38 Ganz aus der 37
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Isidor: Historia Gothorum 46, 47; Jordanes: Getica 303. Grundlage der Intervention soll ein auch schriftlich fixiertes Abkommen zwischen Athanagild und Justinian gewesen sein, welches aber schon bald verloren gegangen sei. Über diesen Vertrag erfahren wir durch einen Zusatz zu einem Brief Papst Gregors des Großen aus dem Jahre 595, in welchem er auf ein vorangegangenes Schreiben König Rekkareds antwortete, in welchem wiederum der Letztgenannte den Papst angeblich nach einer Abschrift des Vertrages gefragt habe. Siehe Gregor der Große: Registrum Epistularum 9,229 (In Anagnostico), hg. v. Dag Norberg (SSCL 140A), Bd. 2: Libri 8–14, Appendix, Turnhout 1982, S. 810 f., sowie Claude, Dietrich: Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Westgotenreich und Ostrom (475–615), in: MIÖG 104/1 (1996), S. 13–25, S. 16–20; Vallejo Girves, Margarita: The Treaties Between Justinian and Athanagild and the Legality of the Byzantine Possessions on the Iberian Peninsula, in: Byzantion 66 (1996), S. 208–218. In Bezug auf den oben genannten Vertrag sind die Formulierungen der Quellen hinsichtlich der Frage, ob der Konflikt sich um das Ausmaß der byzantinischen Besitzungen oder um ihre grundsätzliche Präsenz in einem begrenzten Gebiet der Hispania gedreht hat, nicht eindeutig. Isidor: Historia Gothorum 47, beschreibt Athanagilds Ziel hinsichtlich der byzantinischen Militärkontingente mit den Worten submouere a finibus regni. Mag die Formulierung für sich stehend nicht bedeuten, dass diese Grenzen die der Hispania sind, so lässt der Duktus des Textes insgesamt dies doch sehr wahrscheinlich werden, siehe dazu Kap. 4.2. Gregor von Tours: Historia Francorum 4,8, berichtet über eine Anzahl von Städten, welche die Byzantiner unrechtmäßig in Besitz genommen hätten (civitatisque quas male pervaserant), was eher eine Grenzübertretung nahe zu legen scheint. Angesichts dieser Quellenlage ist auch die Ausdehnung des oströmischen Herrschaftsbereich in der Forschung umstritten. Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein fest abgegrenztes Gebiet handelte, welches sich in ost-westlicher Richtung etwas südlich von Valencia bis nach Cádiz ausdehnte und sich von der Küste ausgehend in nördlicher Richtung bis Córdoba erstreckte (vgl. z. B. Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 330 ff.). Von archäologischer Seite ist jedoch argumentiert worden, dass sich eine byzantinische Herrschaft nur in einer handvoll küstennaher Städte zweifelsfrei nachweisen lasse, die politisch und ökonomisch mit ihrem westgotischen Umfeld verbunden waren, siehe Ripoll, Gisela: Acerca de la supuesta frontera entre el Regnum Visigothorum y la Hispania Bizantina, in: Pyrenae 27 (1996), S. 251–267 [= On the Supposed Frontier between the Regnum Visigothorum and Byzantine Hispania, in: Pohl, Walter/ Wood, Ian/ Reimitz, Helmut (Hg.), The Transformation of
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Hispania verdrängt werden konnten sie erst mehr als siebzig Jahre später, durch die Eroberungen König Suinthilas (621–631).39 Trotz dieser vergeblichen Bemühungen war Athanagild jedoch zumindest die Gnade beschieden, als erster westgotischer König seit Eurich eines natürlichen Todes und nicht mittel- oder unmittelbar durch die Hand eines Rivalen zu sterben. Begünstigt worden ist sein friedliches Dahinscheiden freilich dadurch, dass das westgotische Königtum mit der Regentschaft Athanagilds seinen machtpolitischen Tiefpunkt erreicht zu haben scheint.40 So trat nicht nur kein Usurpator auf den Plan, der Athanagild nach dem Leben trachtete, auch nach dessen natürlichem Tod dauerte es mehrere Monate, bis sich mit Liuva (568–572) überhaupt ein neuer König fand. Rückblickend auf die Zeit seit 507 sind die Zeichen dafür untrüglich, dass das regnum Gothorum seine im fünften Jahrhundert gewonnene Stabilität verloren hatte.41 Besonders augenfällig machen diese Entwicklungen die Aneinanderreihung militärischer Misserfolge, die unstete räumliche Organisation, wie sie sich in den ständig wechselnden sedes regiae wie etwa Narbonne, Barcelona, Mérida oder Sevilla ausdrückte,42 sowie die wenigen Regentschaften, die längerer Dauer waren. Verändert zeigt sich die Situation dabei besonders im Verhältnis von Königtum und Adel.43 Zweifellos findet diese „sechzigjährige Krise“44 ihren Ausgangspunkt in der folgenschweren Niederlage von Vouillé, denn diese hatte dazu geführt,
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Frontiers. From Late Antiquity to the Carolingans (TRW 10), Leiden/ Boston/ Köln 2001, S. 95–115], sowie Vallejo Girves: The Treaties; Bernal Casasola, Darío: Bizancio en España desde la perspectiva aerqueológica. Balance de una década de investigaciónes, in: Pérez Martín, Inmaculada/ Bádenas de la Peña, Pedro (Hg.), Bizancio y la Península Ibérica. De la antigüedad tardía a la edad moderna (Nueva Roma 24), Madrid 2004, S. 61–99; Martin: La géographie du pouvoir, S. 285–289. Isidor: Historia Gothorum 62. „[A]ls Athanagild 568 starb, schien der endgültige Zusammenbruch des Westgotenreichs nur noch eine Frage der Zeit“, formuliert dazu etwa gewohnt pointiert Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 104. Siehe auch z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 18: „Athanagild left the kingdom in ruins.“ Das Ausmaß und die Qualität westgotischer Herrschaft über die Hispania wird weiter unten noch ausführlicher diskutiert. Zum Zusammenhang von Herrschaftskrisen und dem Wechsel der Herrschaftssitze siehe allgemein Ewig, Eugen: Résidence et capitale pendant le Haut Moyen Age, in: Revue Historique 230 (1963), S. 25–72, besonders S. 31, sowie hier Ripoll, Gisela: Sedes regiae en la Hispania de la antigüedad tardía, in: Ead./ Gurt, José (Hg.), Sedes regiae (ann. 400–800), Barcelona 2000, S. 371–401, S. 373 f. Siehe Heather: Goths, S. 276–279; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 128–141; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 281–286. Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 101; vgl. auch Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 128; Giese: Goten, S. 140.
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dass den westgotischen Königen der Zugang zu der entscheidenden „Machtressource“, nämlich gerüsteten Soldaten nebst Pferden, extrem erschwert wurde.45 Über den Aspekt hinaus, dass zunächst viele Krieger bei der Schlacht gegen die Franken gefallen sein werden, spielten dabei vor allem der Verlust der Kernlandschaften sowie des Prestiges durch diese wie folgende Niederlagen eine erhebliche Rolle. Nach der Auflösung eines Stehenden Heeres, wie es von einem, in seinen komplexen Zusammenhängen noch funktionierenden römischen Staat finanziert werden konnte, war der König zur Aushebung von Truppen nun entweder auf seine eigene Finanzbeziehungsweise Versorgungskraft oder auf die Unterstützung des Adels angewiesen.46 Mit Blick auf den ersten Punkt war dem Königtum mit dem Untergang des Tolosanischen Reiches der Großteil seines umfangreichen „Privatbesitzes“, seiner domus regiae verloren gegangen.47 Dass diese bis zum Jahre 507 erhebliche Ausmaße erreicht hatte, war zweifellos auch dadurch begünstigt worden, dass alle westgotischen Könige von Theoderich I. bis Alarich II. dem gleichen Geschlecht entstammten.48 Das Ende dieser dynastischen Linie ist dabei als ein weiterer Aspekt der Destabilisierung anzusehen, nicht zuletzt weil die stets offene Nachfolgefrage jene permanenten inneren Machtkämpfe um das Königsamt befeuerte, die zu der bemerkenswerten Mortalitätsrate der Könige führte, welche in dieser an „politischen Morden“ wahrlich nicht armen Zeit im Frankenreich als morbus gothicus ausgemacht wurde.49 Setzt man diese einzelnen Elemente in Beziehung zueinander, so wird schnell jener Teufelkreis deutlich, der die Geschichte des spanischen Westgotenreiches in nicht unerheblichem Maße bestimmte. So war erst ein starker und das heißt vor allem ein siegreicher König in der 45 46 47
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Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 135. Vgl. Collins: Early Medieval Spain, S. 36 f. Zu den königlichen Besitzungen im Tolosanischen Reich siehe Wolfram: Goten, S. 224 f. Betont wird dies besonders von Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 36–39; Wolfram: Goten, S. 206 ff. Der Begriff stammt von Fredegar: Chronica 4,82, in: Fredegarii et aliorum chronica. Vitae Sanctorum, hg. v. Bruno Krusch (MGH SS rer. Mer. 2), Hannover 1888 (ND 1984), S. 1–193, S. 163, der angesichts der Herrschaftsübernahme durch Chindasvinth (642–649) darüber berichtet, dass dieser die „üble Sitte“ der Goten kenne, ihre Könige abzusetzen, sobald es kein schweres Joch auf sich fühle. Siehe aber auch schon Gregor von Tours: Historia Francorum 3,30, Sumpserant enim Gothi hanc detestabilem consuetudinem, ut, si quis eis de regibus non placuisset, gladio eum adpeterent, et qui libuisset animo, hunc sibi statuerent regem. Siehe zu dem Aspekt aktuell etwa den Beitrag von Kampers, Gerd: Zwischen Königswahl und Dynastiebildung. Grundzüge und Probleme der Verfassungsgeschichte des spanischen Wesgotenreiches, in: Becher/ Dick (Hg.), Völker, Reiche und Namen, S. 141–160.
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Lage dazu, die Loyalität rivalisierender oder sich seinem Herrschaftsanspruch entziehender Kräfte zu gewinnen. Diese Voraussetzung aber, also die militärische Stärke des Königs, hing wesentlich von eben jener Loyalität ab und dies umso mehr, je kleiner der eigene Besitz respektive das eigene Militärpotential waren.50 Diesen circulus vitiosus auf eindrucksvolle Art zu durchbrechen vermochte König Leovigild (568/69–586). Seine Herrschaft nahm ihren Anfang darin, dass sein Bruder Liuva ihn 568 zum Mitregenten machte und ihm die Herrschaft über die Hispania übertrug, während Liuva selbst weiter die Narbonensis regierte, bis er bereits 572 starb.51 Was folgte, war eine fast zwanzigjährige Regentschaft Leovigilds, in der er, wie Johannes von Biclaro berichtet, „alle Widersacher vernichtet und alle äußeren Feinde Spaniens überwunden“ sowie seinem Volk Ruhe gebracht habe.52 Ebenso wie der unter der Regentschaft von Leovigilds Sohn Rekkared (586–601) schreibende Johannes, misst auch die Forschung dieser Epoche für die Konsolidierung und die weitere Entwicklung des Reiches auf der Iberischen Halbinsel gerechtfertigterweise große Bedeutung bei.53 In dem oben skizzierten Machtgefüge mag es eine wichtige Bedingung für Leovigilds Erfolg gewesen sein, dass er durch die Heirat mit Gosvintha, der Witwe Athanagilds, zwei der beiden mächtigsten Adelsfamilien hinter sich bringen konnte. Entscheidend war jedoch sein exzeptionelles Geschick als Heerführer und dies gerade vor dem Hintergrund der langen Kette an Misserfolgen, zu welcher sich die Militärexpeditionen westgotischer Heere vor seinem Herrschaftsantritt über einen langen Zeitraum aneinandergereiht hatten.54 Um die Be50
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Castellanos, Santiago/ Martín Viso, Iñaki M.: Local Articulation of Central Power in the North of the Iberian Peninsula (500–1000), in: Early Medieval Europe 13/1 (2005), S. 1–42, S. 16 f. Johannes von Biclaro: Chronicon 6, 10. Isidor: Historia Gothorum 48. Johannes von Biclaro: Chronicon 50, Leouegildus rex, extinctis undique tirannis et peruasoribus Ispaniae superatis, sortitus requiem propriam cum plebe resedit. Vgl. etwa schon Dahn: Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, S. 373–384; Stroheker, Karl Friedrich: Leowigild, in: Id.: Germanentum und Spätantike, Stuttgart/ Zürich 1965, S. 134–191, besonders S. 137 f., S. 189 ff. [= überarb. Version v.: Leowigild. Aus einer Wendezeit westgotischer Geschichte, in: Die Welt als Geschichte 5 (1939), S. 446–485], und heute etwa Thompson: Goths in Spain, S. 57–91; Claude: Westgoten, S. 66–74; Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 308–330; Orlandis: Época visigoda, S. 91–108; Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 104–110; Collins: Visigothic Spain, S. 50–63; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 284 ff.; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 183–192; Bronisch: Toledanisches Reich, S. 38 ff. Collins: Visigothic Spain, S. 39 f.
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deutung und Wirkung dieser Tatsache angemessen einzuschätzen, gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass die entscheidende Voraussetzung für die Legitimität des Königs im Nachweis der Fähigkeit bestand, erfolgreich zu sein, was im historischen Zusammenhang besehen vor allem bedeutete, militärisch siegreich zu sein. In diesem Sinne fasst etwa Gideon Maier mit Blick auf die Quellen des fünften und sechsten Jahrhunderts zusammen: „Sie zeichnen die Könige […] als erfolgsverpflichtete Führer, die letztlich allein durch die Erfüllung der in sie gesetzten Erwartungen, wie die Sicherung der Existenz oder den Gewinn besserer Lebensgrundlagen, ihren Herrschaftsanspruch aufrechterhalten konnten.“55 Leovigild gelang es nicht nur, seinen Einfluss vereinzelt auf unabhängige civitates wie beispielsweise Córdoba auszuweiten, woran Agila noch grandios gescheitert war, sondern sein militärisches Itinerar umfasste einen Großteil der Pyrenäenhalbinsel. Zwischen den Jahren 572 und 585 kämpfte er erfolgreich gegen die Basken und Kantabrer im Norden, wenig später unterwarf er das suebische Königreich im Nordwesten der Halbinsel und gliederte es seinem Reich ein und auch gegen die byzantinischen Truppen hatte er einige Erfolge zu verzeichnen.56 Noch wichtiger als die Zahl der einzelnen Erfolge, ist hervorzuheben, dass Leovigild keine nennenswerte militärische Niederlage hinnehmen musste, die seine Position unterminiert hätte. So war es dem König möglich, seine Autorität und auch seinen Besitz gegen die Ansprüche des westgotischen Adels auszubauen, worauf vor allem Isidor von Sevilla mit aller wünschenswerten Deutlichkeit zu sprechen kommt, indem er schildert, dass der König all jene, die er für mächtig hielt, entweder getötet oder sie ihres Besitzes beraubt habe.57 Über den Aspekt der Bestrafung hinaus, waren diese Konfiskationen auch ein politisches Mittel dazu, den fiscus und damit die ökonomische Potenz des Königs zu stärken.58 Diese Entwicklung führte in vielerlei Hinsicht zu einer Konsolidierung des regnum, das sich am Ende seiner Regentschaft über beinahe die gesamte Iberische Halbinsel und die Narbonensis erstreckte. Eine ganze Reihe von Indizien lassen die neu gewonnene Stabilität des westgotischen Reiches und des Königtums in der Hispania erkennbar werden. So entwickelte sich etwa Toledo während der Regentschaft Leovigilds
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Maier: Amtsträger und Herrscher, S. 65 ff., Zitat S. 67. Siehe dazu in den Quellen vor allem Johannes von Biclaro: Chronicon 10, 12, 17, 20, 24, 27, 32, 35, 39, 46, 50, 54, 68, 72; Isidor: Historia Gothorum 49–51. Isidor: Historia Gothorum 51, Extitit autem et quibusdam suorum perniciosus, nam ui cupiditatis et liuoris quosque potentes ut uidit, aut capite damnauit aut opibus ablatis proscripsit. Castellanos, Santiago: The Political Nature of Taxation in Visigothic Spain, in: Early Medieval Europe 12/3 (2003), S. 201–228.
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zur stabilen Hauptstadt und zum repräsentativen Zentrum des Reiches, während die Zeit zuvor, seit dem Verlust der ehemaligen Hauptstadt Toulouse im Jahre 507, durch häufig wechselnde Herrschaftssitze geprägt gewesen war.59 Auch die Tatsache, dass Leovigild in der Lage dazu war, mit Victoriacum und Reccopolis 60 zwei Städte zu gründen, zeugt ebenso von Stabilität wie die erfolgreiche familiäre Nachfolgeregelung, die er dadurch vorbereitete, dass er während seiner Regentschaft seine beiden Söhne Hermenegild und Rekkared als consortes regni an der Herrschaft beteiligte.61 Als Ausweis der Stärke darf es auch gelten, dass Leovigilds Position dadurch keinen nachhaltigen Schaden nahm, dass sein erstgeborener Sohn Hermenegild sich mit Teilen des Adels gegen ihn stellte. Diese sehr ernst zu nehmende Revolte vermochte Leovigild niederzuschlagen und setzte cum tranquillitate statt Hermenegild seinen zweiten Sohn Rekkared erfolgreich als seinen Nachfolger ein.62 Diese Machtstellung des Königs wird schließlich auch durch das uns überlieferte Hofzeremoniell deutlich, dass den König in prononciert kaiserliche Bezüge stellt.63 59
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Ripoll: Sedes regiae; siehe speziell zur Rolle Toledos als Hauptstadt ausführlich Martin: La géographie du pouvoir, S. 205–261, sowie zusammengefasst Kampers, Gerd: Art. Toledo, in: RGA, Bd. 31 (2006), S. 45–48. Reccopolis benannte er nach seinem zweiten Sohn und stattete die Stadt mit repräsentativen Gebäuden und ihre Bewohner mit besonderen Privilegien aus, Johannes von Biclaro: Chronicon 50, 60. Johannes von Biclaro: Chronicon 27. Vgl. Johannes von Biclaro: Chronicon, zur Nachfolge 79 und zum Aufstand Hermenegilds ibid. 65, 68. Zu den ingesamt häufig als westgotische imitatio imperii angesprochenen Elemente der Artikulation und Repräsentation von Macht siehe Stroheker: Leowigild, S. 142–146; Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 61–67; Arce, Javier: Leovigildus rex y el ceremonial de la corte visigótica, in: Id./Delogu (Hg.), Visigoti e Longobardi, S. 79–92; Bronisch, Alexander P.: Die westgotische Reichsideologie und ihre Weiterentwicklung im Reich von Asturien, in: Erkens, Franz-Reiner (Hg.), Das frühmittelalterliche Königtum. Ideelle und religiöse Grundlagen (RGA, Ergbd. 49), Berlin/ New York 2005, S. 161–189, S. 161–164; Kampers: Westgoten, S. 174 f. Da eine solche Form der Herrschaftsdarstellung in dieser Deutlichkeit erst zur Zeit Leovigilds in den Quellen festgestellt werden kann, ist daraus teilweise abgeleitet worden, dass erst die unter ihm duchgeführte Konsolidierung zu einem veränderten Selbstverständnis der westgotischen Herrschaft geführt habe. Demnach hätten sich die Westgoten von dem Zeitpunkt an als Erben des Imperiums in dem von ihnen kontrollierten Gebiet verstanden, siehe Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 181–195; Díaz, Pablo C./ Valverde Castro, Maria R.: The Theoretical Strength and Practical Weakness of the Visigothic Monarchy of Toledo, in: Theuws, Frans/ Nelson, Janet (Hg.), Rituals of Power. From Late Antiquity to the Early Middle Ages (TRW 8), Leiden/ Boston/ Köln 2000, S. 59–93, S. 59–80; Carr: From Alaric to the Arab Conquest, S. 110 f. Die dem ausgehenden sechsten Jahrhun-
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Mit der von Rekkared vorangetriebenen und auf dem III. Konzil von Toledo im Jahre 589 vollzogenen offiziellen Konversion aller Goten zum Katholizismus sind nach allgemeiner Auffassung alle prägenden Elemente des Toledanischen Reiches, wie es bis zur muslimischen Eroberung zu Anfang des achten Jahrhunderts bestand, ausgebildet.
3.2 Die Frage nach der westgotischen Einwanderung in die Hispania auf Grundlage der Sach- und Schriftquellen „Bereits 494 und dann wieder 497 beobachtete man in Spanien die ersten Anzeichen einer regelrechten westgotischen Einwanderung. Bisher diente dieses große Land als eine Art Mischung von Kronkolonie und Truppenübungsplatz. Nun kamen die Goten auf Dauer“.64 So lautet der Ausblick Herwig Wolframs auf das spanische Kapitel der westgotischen Geschichte, das in sein „Gotenbuch“ keinen Eingang mehr gefunden hat. Mit der Annahme einer westgotischen Einwanderung signifikanter Größe in die Hispania, die er im Weiteren zu einem erheblichen Teil durch die oben dargestellten fränkisch-westgotischen Auseinandersetzungen und dem daraus resultierende Machtverlust der Westgoten nördlich der Pyrenäen motiviert sieht, repräsentiert Wolfram den bis heute gültigen Forschungsstand.65 Als
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dert vorangehende eklatante Überlieferungslücke lässt es jedoch methodisch problematisch erscheinen, einen solchen Wechsel belegen zu können. Ferner legen eine Reihe von Hinweisen nahe, dass sich bereits vor Leovigild zumindest einige westgotische Könige auch in einer solchen Rolle sahen. Im Gegensatz zu ihm waren sie jedoch faktisch nicht in der Lage dazu, einem solchen Anspruch auch gerecht zu werden. Siehe ausführlicher dazu Koch, Manuel: La imperialización del reino visigodo bajo Leovigildo. ¿Es la imitatio imperii de Leovigildo la manifestación de un momento de cambio en la pretensión de poder y la ideología visigodas?, in: Pyrenae 39/2 (2008), S. 101–117. Wolfram: Goten, S. 196. Als Belege für die lange Fortdauer und weite Verbreitung dieser These siehe z. B. Schmidt: Ostgermanen, S. 502; Reinhart, Wilhelm: Sobre el asentamiento de los visigodos en la Península, in: Archivo Español de Arqueología 17 (1945), S. 124–139, S. 127 ff.; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 68; Abadal: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 45 f.; Claude: Westgoten, S. 59 f.; Thompson: Romans and Barbarians, S. 191 ff.; Orlandis: Época visigoda, S. 60 ff.; García de Cortázar, José A.: La época medieval (Historia de España 2), Madrid 1988, S. 25 f.; Blázquez, José María/ del Castillo, Arcadio: Prehistoria y edad antigua (Manual de historoa de España 1), Madrid 1991, S. 502; Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 156; Castellanos, Santiago: Aproximación a la historia política del Alto Valle del Ebro durante los siglos V–VI D.C., in: Brocar 18 (1994), S. 119–138, S. 126; Ripoll/ Velázquez: La Hispania visigoda, S. 26; Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 145 f.;
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signifikante Größe wird hier eine Anzahl von 80 000 bis 200 000 Personen bezeichnet, auf welche die Gruppe der Einwanderer seitens der Forschung geschätzt wurde.66 Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen zur westgotischen Ansiedlung in Aquitanien deutlich geworden ist, sind jegliche Zahlenangaben hinsichtlich der Größe der westgotischen gens bereits für jenen Zeitpunkt ausgesprochen problematisch und alle darüber hinausgreifenden Aussagen müssen mithin als Spekulation erachtet werden.67 Im Lichte jener Forschungstradition besehen, deren Sicht auf die Ereignisse der Völkerwanderungszeit geprägt ist vom Bild eines nach außen geschlossenen, monolithischen Volkes – sowie eingedenk der historischen Entwicklung nördlich der Pyrenäen und der Tatsache, dass das westgotische Reich eben nicht mit Vouillé endete, sondern eine spanische Fortsetzung fand –, erscheint es nicht weniger als folgerichtig, von einer neuerlichen Migration dieser gens auszugehen. In Anlehnung an die Ausführungen zum Tolosanischen Reich lässt sich jedoch fragen, inwieweit es am Ausgang des fünften Jahrhunderts überhaupt noch eine vom Rest der Bevölkerung klar trennbare und mobile westgotische gens gab, deren Lebensumstände es zudem wahrscheinlich werden ließen, dass ihre Reaktion auf die fränkische Expansion in einer massenhaften Flucht bestand? Auf Grundlage der oben entwickelten Erkenntnisse der Ethnizitätsforschung und des inneren Aufbaus des westgotischen Reiches erscheint dies zumindest nicht selbstevident. Geraten die aus vermeintlich vergleichbaren Situationen gewonnenen Erklärungsprämissen in Zweifel,68 erscheint es umso notwendiger, den
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Collins: Early Medieval Spain, S. 34 f.; Jiménez Garnica: Settlement, S. 108 f.; Heather: Goths, S. 200; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder real, S. 128 f.; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 229; Moorehead: The Roman Empire Divided, S. 62; Schwarcz: Relations Between Ostrogoths and Visigoths, S. 224 f.; Arce: Bárbaros y romanos, S. 146–149; Chavarría Arnau: El final de las villae, S. 71 f. Siehe dazu Sánchez Albornoz, Claudio: Tradición y derecho visigodo en León y Castilla, in: Cuadernos de historia de España 29/30 (1959), S. 244–265, S. 249 Anm. 12; Reinhart: Sobre el asentamiento de los visigodos, S. 127 f.; Jiménez Garnica: Origines y desarrollo, S. 194 f. Einen Überblick zu den Annäherungen an diese Zahlen liefert Ripoll, Gisela: The Arrival of the Visigoths in Hispania. Population Problems and the Process of Acculturation, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 153–187, S. 160 ff. Vgl. Kap. 2.1. Als Beispiel dafür wurde etwa jüngst in Bezug auf die westgotischen Militärexpeditionen auf die Iberische Halbinsel danach gefragt, warum in der Forschung ohne Weiteres davon ausgegangen werde, dass die ostgotischen Soldaten in Italien von ihren Familien begleitet wurden und dies auch für die vandalischen gelte, gleiches im Falle der Westgoten in Spanien jedoch nicht akzeptiert werde (Ripoll, Gisela: Las necrópolis visigodas. Reflexiones en torno al problema de la identificación del asen-
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Blick auf die Quellen zu richten, was hier im Folgenden geschehen soll. Über die Untersuchung der Consularia Caesaraugustana hinaus, die als einzige Schriftquelle vermeintlich Zeugnis über eine westgotische Immigration gibt, richtet sich ein besonders Interesse dabei auf den archäologischen Befund. Dieser besteht vor allem aus den Beigabenfunden einer Reihe von Nekropolen, die auf dem als Meseta bezeichneten zentralspanischen Hochplateau gefunden wurden.69
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tamiento visigodo en occidente según los materiales arqueológicos, in: Hispania Gothorum. San Ildefonso y el reino visigodo de Toledo [Catálogo de la exposición del 23 de enero al 30 de junio 2007], Toledo 2007, S. 59–74, S. 61: „Si se acepta sin ningún problema que los soldados ostrogodos en Italia iban acompañados con sus familias, y los vándalos lo mismo, por qué no se puede también aceptar la misma situación en Hispania.“). Eine Antwort hierauf ist wohl darin zu suchen, dass die jeweiligen historischen Kontexte in den drei genannten Fällen nicht gleichzusetzen sind. Wollte man eine solche Gleichsetzung als Argument einbringen, wären dazu die einzelnen Parameter der jeweiligen historischen Kontexte im Detail zu prüfen und mit den komplexen Motivationszusammenhängen im Falle einer Migration in Beziehung zu setzen (für einen Einblick in theoretische Fragen der Migrationsforschung mit weiterer Literatur siehe etwa Berndt: Konflikt und Anpassung, S. 52–56; Halsall: Barbarian Migrations, S. 417–422). Aber auch aus einer oberflächlicheren Betrachtung heraus kann als wichtige Beobachtung festgehalten werden, dass weder Vandalen noch Ostgoten in den hier angesprochenen Zeitstufen der Migration in annähernd stabilen Strukturen lebten und nicht über Land beziehungsweise dessen Erträge verfügen konnten. Dies wiederum ist gleichbedeutend mit einer unsicheren oder nicht hinreichend luxuriösen Versorgungslage. Wie einmal mehr zu unterstreichen ist, stellt sich die Situation für die Westgoten seit dem beginnenden fünften Jahrhundert in diesem entscheidenden Aspekt völlig anders dar. Darüber hinaus ließe sich ferner fragen, was uns überhaupt vermuten lassen könnte, dass es einen Zusammenhang zwischen den Reaktionen der Vandalen und Ostgoten, in geographisch und chronologisch differenten Kontexten, und denen der Westgoten geben sollte? Dass alle drei gentes germanischen beziehungsweise barbarischen Ursprungs waren und von daher ähnliche und gleich bleibende Verhaltensmuster zeigten, kann hier sicher nicht geltend gemacht werden. Früher wurden ebenfalls „gotische“ Ortsnamen als Beleg für eine westgotische Besiedlungen herangezogen (siehe dazu etwa Gamillschegg, Ernst: Romania Germanica. Sprach- und Siedlungsgeschichte der Germanen auf dem Boden des alten Römerreiches, Bd. 1: Zu den ältesten Berührungen zwischen Römern und Germanen, die Franken, die Westgoten [Grundriß der germanischen Philologie 11/1], Leipzig 1934, S. 359 f.), diese philologische Beweisführung ist jedoch seit Längerem widerlegt: Piel Joseph M./ Kremer, Dieter: Hispano-gotisches Namenbuch. Der Niederschlag des Westgotischen in den alten und heutigen Personen- und Ortsnamen der Iberischen Halbinsel, Heidelberg 1976, S. 23 f.; Kampers, Gerd: Personengeschichtliche Studien zum Westgotenreich in Spanien (Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, Zweite Reihe 17), Münster 1979, S. 176 f.
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3.2.1 Westgotische Gräberfelder? Klammert man neuere Entwicklungen in der frühmittelalterlichen archäologischen Forschung aus, so kann als eine ihrer prägenden methodischen Prämissen gelten, dass spezifische materielle Hinterlassenschaften, die in ihrer Kombination als archäologische Kultur bezeichnet werden, sehr exakt mit bestimmten Völkern in Übereinstimmung zu bringen sind. Als Begründer dieses paradigmatischen Lehrsatzes gilt der deutsche Philologe und Prähistoriker Gustaf Kossinna (1858–1931), der im Jahre 1902 in Deutschland zum ersten Professor des sich zu diesem Zeitpunkt konstituierenden universitären Faches der Ur- und Frühgeschichte wurde und in dieser Phase nachhaltigen Einfluss auf dessen methodische Entwicklung nahm.70 In aller Klarheit formuliert Kossinna selbst dazu in einer Publikation des Jahres 1911 den folgenden, häufig zitierten Leitsatz: „Scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen.“71 Die Verbreitung dieser Lehre ist vor dem Hintergrund der nationalromantischen Strömungen des 19. und deren nationalistischen und teilweise rassistischen Weiterentwicklungen im beginnenden 20. Jahrhundert leicht nachzuvollziehen: Als historische Subjekte wurden „Volkstum“ und ethnische Identität zu jener Zeit mehrheitlich als bestimmend für das gesamte Sein des Menschen erachtet und damit auch als prägend für dessen (materielle) Kultur.72 In der Identifikation von archäologischen Kulturkreisen mit schriftlich überlieferten Gentilverbänden fand die Archäologie dabei nicht nur ein Werkzeug, sondern sah darin gleichzeitig auch eine Hauptaufgabe ihrer Arbeit. Diese Identifikationsbemühungen haben die archäologische Forschung besonders für solche historische Kontexte verschiedentlich zu einem politischen Instrument gemacht, die nur sehr wenig durch schriftliche Quellen überliefert sind. 70
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Siehe dazu Brather, Sebastian: Art. Kossinna, Gustaf, in: RGA, Bd. 17 (2001), S. 263–267, und zur Bewertung Kossinnas als „Begründer eines paradigmatischen Modells“ dort S. 266; ebenso und nicht aus deutscher Sicht auch Curta, Florin: Some Remarks About Ethnicity in Medieval Archaeology, in: Early Medieval Europe 15 (2007), S. 159–185, S. 160. Eine ausführliche Beschäftigung mit der Person liefert Grünert, Heinz: Gustaf Kossinna (1858–1931): vom Germanisten zum Prähistoriker. Ein Wissenschaftler im Kaiserreich und der Weimarer Republik (Vorgeschichtliche Forschungen 22), Rahden/Westf. 2002. Kossinna, Gustaf: Die Herkunft der Germanen. Zur Methode der Siedlungsarchäologie, Würzburg 1911, S. 3. Siehe allgemein dazu oben Kap. 1.1. Vgl. auch Curta: Some Remarks About Ethnicity, S. 163: „The culture-historical archaeologists […] typically regard archaeological cultures as actors on the historical stage. […] Archaeological cultures were thus easily equated to ethnic groups“.
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Ausgehend von der Annahme einer bruchlosen Vergangenheit der zeitgenössischen nationalstaatlichen Völker bis in die Vor- und Frühgeschichte, wurden aus der ethnischen Zuordnung materieller Überreste und der damit konstruierten Kontinuität moderner Völker nicht nur besonderes Prestige, sondern auch vermeintlich historisch begründete Ansprüche legitimiert.73 Mit der unter dem sprechenden Titel „Altgermanische Kulturhöhe. Eine Einführung in die deutsche Vor- und Frühgeschichte“ veröffentlichten Publikation, welche auf einen im Jahre 1917 gehaltenen „Kriegsvortrag“ zurückgeht, liefert auch in diesem Zusammenhang Kossinna ein sehr anschauliches Beispiel.74 Die Einflussnahme des jeweiligen Zeitgeistes und etwaiger politisch-ideologischer Ziele auf das Erkenntnisinteresse und die Arbeitsweise der Archäologie – womit diese freilich nicht allein steht – hat aufgrund ihrer Geschichte speziell in der deutschen Forschung einige Beachtung gefunden.75 Wohl auch ausgelöst durch diese Reflexion über die Genese und den Kontext ihrer Methodik, wie sicher ebenso stimuliert durch die Diskussion der Geschichtswissenschaft darüber, was sich hinter dem Begriff der Ethnizität im Frühmittelalter verbirgt, ist die archäologische Forschung mittlerweile in eine grundlegende Diskussion über die ethnische Interpretation ihrer Quellen getreten. Im Kern behandelt dieser Diskurs die Frage, ob die ethnische Identität von Gruppen oder Individuen Niederschlag in deren 73
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Dabei handelt es sich keineswegs um ein vergangenes Phänomen. Als ein bis in die Gegenwart sehr bewegtes Beispiel für eine solche Inanspruchnahme kann etwa die „Archäologie der Slawen“ gelten, siehe dazu Curta, Florin: From Kossinna to Bromley. Ethnogenesis in Slavic Archaeology, in: Gillet (Hg.), On Barbarian Identity, S. 201–218; siehe zur aktuellen politischen Inanspruchnahme des Frühmittelalters auch Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 9–23; Wood: Barbarians, Historians, and the Construction of National Identities. Kossinna, Gustaf: Altgermanische Kulturhöhe. Eine Einführung in die deutsche Vor- und Frühgeschichte, Berlin 1927. Hinsichtlich der Tendenz und des zeitlichen Kontextes bedarf dieses sprechende Beispiel sicher keiner weiteren Einordnung. Siehe dazu z. B. Jankuhn, Herbert: Das Germanenproblem in der älteren archäologischen Forschung. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Tode Kossinas, in: Beck (Hg.), Germanenprobleme in heutiger Sicht, S. 298–309; Kossack, Georg: Prähistorische Archäologie in Deutschland im Wandel der geistigen und politischen Situation (Bayerische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl./ Sitzungsberichte Jahrgang 1999, Heft 4), München 1999; Steuer/ Hakelberg (Hg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft; Halle, Uta: „Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!“ Prähistorische Archäologie im Dritten Reich (Sonderveröffentlichungen des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins für das Land Lippe 68), Bielefeld 2002, besonders S. 93–138; Brather, Sebastian: Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen (RGA Ergbd. 42), Berlin 2004, besonders S. 11–27.
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materieller Kultur gefunden hat und sie sich damit auch in archäologisch greifbaren Hinterlassenschaften entdecken lässt.76 Ein Forschungszweig geht dabei in der Tradition des Faches davon aus, dass dies der Fall ist und arbeitet vor allem an den Methoden, mit denen sich ethnische Identitäten in archäologischen Funden und Befunden zuverlässig erkennen lassen.77 Derweil wird von einer ebenfalls bedeutenden Gruppe vorgebracht, dass Ethnizität entweder keinen Ausdruck im archäologischen Material findet oder, sollten diesem in seiner Entstehungszeit doch eine ethnische Symbolik zugekommen sein, die Methoden der archäologischen Forschung es nicht zulassen, dieser auf die Spur zu kommen.78 Begründet wird dieser 76
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Die Meinungen, die das Fach zu dieser Fragestellung äußert, sind gespalten und führt man sich ihre Grundsätzlichkeit und die damit verbundenen Konsequenzen vor Augen, verwundert es nicht, dass mit großer Heftigkeit um sie gerungen wird. Siehe dazu etwa Bierbrauer, Volker: Zur ethnischen Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie, in: Pohl (Hg.), Die Suche nach den Ursprüngen, S. 45–84; Brogiolo, Gian Pietro/ Chavarría Arnau, Alexandra: Aristocrazie e campagne nell’occidente da Constantino a Carlo Magno (Metodi e Temi dell’Archeologia Medievali 1), Florenz 2005, S. 89–108; Curta: Some Remarks About Ethnicity; Kazanski, Michel/ Mastykova, Anna/ Périn, Patrick: Westgoten in Nordgallien aus Sicht der Archäologie. Zum Stand der Forschung, in: Brather (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter, S. 149–192. Eine methodische Problematik dieser Fragestellung hat Chris Wickham am Beispiel der Langobarden bereits im Jahre 1981 in einem ebenso treffenden wie unterhaltsamen Vergleich artikuliert: „[A] man or a woman with a Lombard-style brooch is no more necessary a Lombard than a family in Bradford with a Toyota is japanese; artefacts are no secure guide to ethnicity“, siehe Wickham, Chris: Early Medieval Italy. Central Power and Local Society (400–1000), London 1981, S. 68. Im deutschen Sprachraum ist dabei zuletzt ein besonderer Impuls vom Teilbereich C4 „Ethnische Einheiten im frühgeschichtlichen Europa. Archäologische Forschung und ihre politische Instrumentalisierung“ des Freiburger Sonderforschungsbereichs 541 ausgegangen, aus welchem heraus auch die in diesem Kontext zentrale und im Jahre 2004 erschienene Habilitationsschrift von Sebastian Brather (Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie) entstand. Siehe jüngst dazu auch Id. (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Vgl. darüber hinaus international auch etwa La Rocca, Christina: Le sepolture altomedievali del territorio di Verona, in: Modonesi, Denise/ La Rocca, Christina (Hg.), Materiali di età longobarda nel veronese, Verona 1989, S. 149–180; Halsall, Guy: The Origins of the ‚Reihengräberzivilisation‘. Forty Years on, in: Drinkwater/ Elton (Hg.), Fifth-Century Gaul, S. 197–207; Fehr, Hubert: Volkstum as Paradigm. Germanic People and Gallo-Romans in Early Medieval Archaeology Since the 1930s, in: Gillett (Hg.), On Barbarian Identity, S. 177–200; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 266–271. Für eine weitere Literaturbasis der Standpunkte sowie für eine aktuelle Darstellungen der Problematik siehe Curta: Some Remarks About Ethnicity, und von Rummel, Philipp: Gotisch, barbarisch oder römisch? Methodologische Überlegungen zur ethnischen Interpretation von Kleidung, in: Pohl, Walter/ Mehofer, Mathias (Hg.),
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Einwand unter anderem mit der die historische Forschung schon länger beschäftigenden soziologischen Erkenntnis, dass ethnische Identitäten nicht als gegebene Realitäten gelten können, die eine gesellschaftliche, politische und kulturelle Situation bestimmen – ihr gleichsam ihren Stempel aufdrücken –, sondern dass sie selber Konstrukte sind. Zwar wird diese Identität mittels gewisser Merkmale definiert und kommunikativ vermittelt, allerdings sind diese Merkmale nicht gegeben, sondern werden in einer bestimmten Situation gewählt und unterliegen ferner einem Wandel.79 Das bedeutet, Dinge haben nicht an sich eine ethnische Aussage, sondern ihnen wird in bestimmten Kontexten eine solche zugeschrieben. Daraus wiederum ergibt sich, dass archäologische Quellen per se nicht ethnisch zugeordnet werden können, sondern dies nur durch ein genaues Wissen über den jeweiligen Kommunikationszusammenhang möglich wäre. Dieser wiederum entzieht sich den Erkenntnismöglichkeiten der rein archäologischen Forschung.80 Als ein verdeutlichendes Beispiel kann hier Kleidung angeführt werden, die im Sinne einer spezifischen „Tracht“ traditionell häufig als Ausdruck ethnischer Identität gilt.81 Neuere Forschungen zu diesem Thema haben aufgezeigt, dass sogar klassische äußerliche Barbarenmerkmale wie Fellkleidungen (pelles) nicht ohne Weiteres als Beleg für eine barbarische Identität gelten können. Begründet liegt dies darin, dass solche ursprünglich als barbarisch klassifizierten Merkmale in der Spätantike über das Militär längst Eingang in die römische Gesellschaft gefunden hatten, sodass „Fell- beziehungsweise Lederkleidung und längere Haare um 416 schon mit dem Aussehen der militia assoziiert wurden.“82 Damit ist jedoch ein soziales Phänomen beschrieben, kein ethnisches. In dieser Weise sind etwa auch römische Gesetze aus dem ausgehenden vierten und dem beginnenden fünften Jahrhundert neu bewertet worden, die das Tragen bestimmter Kleidungsstücke
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Archaeology of Identity – Archäologie der Identität (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 406 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 17), Wien 2010, S. 51–77. Siehe dazu oben Kap. 1 und mit Blick speziell auf die Archäologie etwa Brather: Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie, S. 97–117. Brather: Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie, S. 369; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 267. Siehe zu dieser Problematik erläuternd auch Curta: Some Remarks About Ethnicity, S. 163–169; von Rummel: Gotisch, barbarisch oder römisch? Fehr, Hubert: Hans Zeiss, Joachim Werner und die archäologischen Forschungen zur Merowingerzeit, in: Steuer/ Hakelberg (Hg.), Eine hervorragend nationale Wissenschaft, S. 311–415, S. 371–380; von Rummel: Habitus barbarus, besonders S. 34–48. von Rummel: Habitus barbarus, S. 165.
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wie beispielsweise bracae und pelles verbieten. Statt sie als Hinweis auf die Präsenz von ethnisch definierten Barbaren und die intendierte Zurückdrängung einer Barbarisierung der römischen Gesellschaft zu werten, lässt eine andere Lesart die Regelung der Kleiderordnung als einen Versuch erscheinen, die sich in der Kleidung spiegelnde Sozialordnung aufrecht zu erhalten.83 Konkret hieße dies, dass im Zusammenhang mit der zunehmenden Militarisierung der römischen Führungsschicht das Tragen militärischer Kleidungselemente kontrolliert werden sollte. Durch den weiter oben, im Zusammenhang mit den Barbareninvektiven in den literarischen Quellen bereits erörterten, sozialen Machtkampf innerhalb einer mittlerweile heterogenen römischen Führungsschicht wird die Komplexität der Situation noch um eine Ebene erweitert. So wurden jene Erkennungsmerkmale, der sich in der Spätphase des Imperiums neue herausbildenden militärischen Führungsschicht seitens der traditionellen senatorischen Elite weiterhin als „unrömisch“ und als habitus barbarus diffamiert, obwohl diese Klassifizierung an der sozialen und politischen Realität des spätantiken römischen Staates vorbeiging. An dieser ebenso wenig orientiert wurde in jenen Quellen das klassische Ideal der gens togata weiterhin als literarischer Topos aufrechterhalten. Kleidungselemente treten uns hier also als ein rhetorisches Mittel im Machtkampf unterschiedlicher sozialer Schichten entgegen.84 Da die bedrängte Elite des alten senatorischen Adels sich besonders in Bildung und Schriftproduktion von den Emporkömmlingen unterschied, gehen die uns überlieferten Quellen in völlig überproportionalem Maße auf diese Schicht zurück. So kann also durch eine „naive“ Betrachtung der schriftlichen Überlieferung ein verzerrtes Bild entstehen. Dieses Beispiel mag veranschaulichen, wie komplex die kommunikativen Zusammenhänge sind, die materiellen Hinterlassenschaften erst eine bestimmte Aussage zuweisen, welche ihrerseits zudem nicht eindeutig sein muss, sondern in einer diachronen Betrachtung oder aus der Perspektive unterschiedlicher sozialer Hierarchiestufen heraus verschieden sein kann.85 83
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Vgl. Amory: People and Identity, S. 343: „The sumptuary laws of the early fifth century represent a hopeless protest against a development that was already clearly well underway: the spread of military dress to the rest of society“, sowie Arce, Javier: Dress Control in Late Antiquity. Codex Theodosianus 14.10.1–4, in: Köb, Ansgar/ Riedel, Peter (Hg.), Kleidung und Repräsentation in Antike und Mittelalter (MittelalterStudien 7), München 2005, S. 33–44; von Rummel: Habitus barbarus, S. 156–166. Dies ist eines der Hauptergebnisse der Dissertation von von Rummel: Habitus barbarus, vgl. dort besonders S. 405 f. In vielen Fällen lassen sich diese Zusammenhänge nicht erschließen, sodass die Wissenschaft in der Folge von Prämissen ausgehend arbeitet, die häufig auf Plausibilitä-
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Unter dem Begriff der „Tracht“ subsumierte Funde sind auch für den archäologischen Befund in der Hispania in westgotischer Zeit von zentraler Bedeutung. Dabei handelt es sich um die im archäologischen Kontext der gesamten Hispania im fünften und sechsten Jahrhundert ungewöhnlichen Beigabenfunde in einer Reihe von Gräberfeldern.86 Konkret sind damit Fibeln und Gürtelschnallen in Frauengräbern angesprochen, die sich im Gegensatz zum Rest der Kleidung aufgrund ihrer metallischen Beschaffenheit erhalten haben. Über den Aspekt hinaus, dass sich diese Beigabensitte in einer Reihe von Gräbern dieser Nekropolen auf einen Zeitraum von etwas weniger als 100 Jahren beschränkt – nach der bisher gültigen Chronologie etwa von 480/90 bis 570 –, ist ebenfalls bemerkenswert, dass sie nur in einem geographisch begrenzten Raum zwischen Ober- und Mittellauf der Flüsse Tajo und Duero in Zentralkastilien auftritt.87 Von diesem Befund
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ten der jeweiligen Gegenwartsgesellschaft des Forschers beruhen. All dies kann wie am Beispiel der Kleidung etwa in die folgende Fehlinterpretation führen: „Daß Archäologen seit den Anfängen des Faches auf Schriftquellen zurückgreifen, die mit dem mächtigen Mittel des Barbarenvorwurfs Konkurrenten im eigenen gesellschaftlichen Umfeld diskreditieren sollten, um mit diesen Quellen die Existenz ethnischer Trachten im archäologischen Fundmaterial zu belegen und dieses letztendlich ethnisch zu interpretieren, ist mit Hilfe der Katalysatorfunktion der nationalromantischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts ein äußerst langfristiger Erfolg spätantiker Propaganda. Dies gilt auch für die in archäologischen Studien regelhaft implizit angenommene Priorität der Ethnizität in spätantiker Symbolik“, von Rummel: Gotisch, barbarisch oder römisch?, S. 74. Zur Funktion von Kleidung als Zeichen der Identität und der Vieldeutigkeit dieses Prozesses siehe auch Id.: Ambrosius, Julianus Valens und die „gotische Kleidung“. Eine Schlüsselstelle historisch-archäologischer Interpretation, in: Brather (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter, S. 45–64. Die zahlenmäßig bedeutendsten Nekropolen sind Duratón (666 Gräber), Madrona (347 Gräber) und El Carpio de Tajo (272 Gräber), nach Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 157 f. In der älteren Forschung wurde über die Beigabensitte hinaus auch die Anordnung der Gräber in Form sogenannter „Reihengräber“, wie sie auch im Norden der Gallia gefunden wurden, als Ausweis einer germanischen Kultur gewertet, was mittlerweile jedoch als widerlegt gelten kann, siehe dazu Halsall: The Origins of the ‚Reihengräberzivilisation‘. Siehe dazu etwa Ripoll, Gisela: Materiales funerarios de la España visigoda: problemas de cronología y tipología, in: Périn, Patrick (Hg.), Gallo-Romains, Wisigoths et Francs in Aquitanie, Septimanie et Espagne, Rouen 1991, S. 111–132; Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 157–166. Eine neuere Zusammenstellung der Funde mit wichtigen Hinweisen zur problematischen Überlieferungs- und Dokumentationssituation liefert Ebel-Zepezauer, Wolfgang: Studien zur Archäologie der Westgoten vom 5.–7. Jh. n. Chr. (Iberia Archaeologica 2), Mainz 2000, besonders S. 178 f.
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und von vorangegangenen Arbeiten ausgehend,88 entwickelte vor allem der deutsche Archäologe Hans Zeiss im Jahre 1934 die Vorstellung von einer spezifischen „Tracht“, als einem „allen Volksgenossen gemeinsamen Gewand“, welche die westgotische Bevölkerung klar von der autochthonen trennte.89 Während der ideologische Zentralbegriff des „Volksgenossen“ die auch andernorts nachzuweisenden besonderen rassistischen Implikationen der Zeissschen Interpretation vor dem Zweiten Weltkrieg andeutet, setzten sich die Methodik und das Ergebnis der Bewertung der „Fibeln und Schnallen als Bestandteile eines nationalen gotischen Frauenkostüms“90 auch danach fort.91 Von der methodischen Prämisse ausgehend, dass die Tracht „die Identifikation der Gruppenzugehörigkeit des Trägers ermöglich[t]“ und die wesentliche Identität in dieser Zeit die ethnische war,92 besteht für weite Teile der Forschung bis heute „keinerlei Zweifel an der ethnischen Bewertung der so Bestatteten als westgotisch“.93 Ganz ähnlich stellt sich der Rückblick auch im Falle der spanischen Archäologie dar, die grundsätzlich davon ausgeht, dass die Charakteristika der zentralspanischen Gräberfelder als Ausweis westgotischer Identität herangezogen werden können.94 88
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Götze, Alfred: Gotische Schnallen, Berlin 1907; Åberg, Nils: Die Franken und Westgoten in der Völkerwanderungszeit (Arbeiten Utgifna med Understöd af Vilhelm Ekmans Universitetsfond, Uppsala 28), Uppsala 1922. Zeiss, Hans: Die Grabfunde aus dem spanischen Westgotenreich, Berlin/ Leipzig 1934, S. 138. Siehe auch Reinhart: Sobre el asentamiento de los visigodos, S. 129–135. Werner, Joachim: Die Archäologischen Zeugnisse der Goten in Südrussland, Ungarn, Italien und Spanien, in: I Goti in occidente. Problemi (SSCI 3), Spoleto 1956, S. 127–130, S. 129 Siehe forschungsgeschichtlich speziell zu den beiden genannten Wissenschaftlern Fehr: Hans Zeiss, Joachim Werner und die archäologischen Forschungen, S. 371–380. König, Gerd G.: Archäologische Zeugnisse westgotischer Präsenz im 5. Jahrhundert, in: Madrider Mitteilungen 21 (1980), S. 220–247, S. 226 Anm. 34. Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 159. Siehe in der neuen Literatur auch Ebel-Zepezauer: Studien zur Archäologie der Westgoten, S. 126–136. Kazanski, Michel: Les Goths (Ier-VIIe après J.-C.), Paris 1991, S. 95–103, S. 98: „C’est donc le mobilier funéraire, généralment limité à des pièces du costume, qui permet d’attribuer ces tombes aux Wisigoths.“ Einen Überblick über die Forschungsgeschichte der westgotischen Interpretation bieten z. B. Sasse, Barbara: Die Westgoten in Südfrankreich und Spanien. Zum Problem der archäologischen Identifikation einer wandernden „gens“, in: Archäologische Informationen 20/1 (1997), S. 29–48, S. 31–34; von Rummel: Habitus barbarus, S. 34–48. Siehe z. B. Martínez Santa-Olalla, J.: Notas para un ensayo de sistematización de la arqueología visigoda en España, in: Archivo Español de Arte y Arqueología 10 (1934), S. 139–176; de Palol, Pedro: Demografía y arqueología hispánicas. Siglos IV–VIII. Ensayo de cartografía, in: Boletín del Seminario de Estudios de Arte y Arqueolo-
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In dem so skizzierten wissenschaftlichen Umfeld hatte beiläufig bereits früher geäußerte Skepsis an einer ethnischen Deutung der kastilischen Funde keinen Nährboden für eine weitere Beachtung gefunden.95 Die oben skizziert Methodenkritik sowie eine Reihe von im Folgenden zu erläuternden offenen Fragen mit Blick auf den archäologischen Befund für das westgotenzeitliche Spanien haben die Kritik an der etablierten Interpretation jedoch verstärkt. So sind gegenwärtig vermehrt Stimmen zu vernehmen, die einer ethnischen Interpretation der Grabbeigaben eine Absage erteilen,96 und auch führende Vertreter der eher traditionell geprägten spanischen archäologischen Forschung äußern mittlerweile Zweifel an einer ethnischen Zuordnung und plädieren dafür, sich diesem Problem neu zu stellen.97
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gía 32 (1966), S. 5–67; Ripoll, Gisela: Características generales del poblamiento y la arqueología funeraria visigoda, in: Espacio, Tiempo y Forma, Ser.1, Prehistoria y Arqueología 2 (1989), S. 398–418, und in einer neuen Publikation etwa Chavarría: El final de las villae, S. 71–77. Eine besonders fragwürdige Blüte der spanischen Interpretationstradition ist die Argumentation der Historikerin Ana Maria Jiménez Garnica, die noch im Jahr 1983 anhand von Schädelformen eine skandinavische Abstammung der dort Bestatteten für sehr wahrscheinlich hält, Ead.: Origines y desarrollo, S. 190: „Mientras que los cráneos hallados en las provincias de Soria y Logroño […] presentan una gran capacidad cefálica […] en el Carpio del Tajo (Toledo), la capacidad craneal está por debajo de los índices que tiene hoy esa provincia, y los ejemplares tendían hacia la dolicocefalia. ¿Se trataba en este caso de un grupo de godos cuyos rasgos étnicos se relacionaban con la raza escandinava? Es muy posible.“ Hübener, Wolfgang: Zur Chronologie der westgotenzeitlichen Grabfunde in Spanien, in: Madrider Mitteilungen 11 (1970), S. 187–211, S. 211; Fuentes Dominguez, Ángel: La necrópolis tardorromana de Albalate de las Nogueras (Cuenca) y el problema de las denominadas „Necrópolis del Duero“, Cuenca 1989, S. 273. Vgl. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 266–271; Collins: Visigothic Spain, S. 174–186; Arce, Javier: The Visigoths in Spain. Old and New Historical Problems, in: Pohl/ Wieser (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat, S. 31–40, S. 36 f. In der internationalen Wahrnehmung haben die Forschungen von Gisela Ripoll besondere Beachtung gefunden, die ausgehend von einer Auswertung des Materials des Gräberfeldes „El Carpio de Tajo“ eine Reihe von Veröffentlichungen zu diesem Thema vorgelegt hat. Zur Untersuchung von „El Carpio de Tajo“ siehe zusammenfassend Ripoll, Gisela: La necrópolis visigoda de El Carpio de Tajo. Una nueva lectura a partir de la topocronología y los adornos personales, in: Butlletí de la Reial Acadèmia Catalana de Belles Artes de Sant Jordi 7/8 (1993/1994), S. 187–250. In der Tradition der deutschen und spanischen Archäologie ging auch Ripoll anhand der Grabbeigaben stets von einer westgotischen Zuschreibung jener Funde aus, wobei sie in den Nekropolen keine rein westgotischen Gräberfelder sah, sondern eine Mischung romanischer und „nicht-romanischer“ Elemente. Auf dieser Grundlage formulierte sie die Annahme einer gemischten Bevölkerung in den zugehörigen Siedlungen, die im Übergang vom sechsten zum siebten Jahrhundert verschmolz und archäologisch ab jenem Zeitpunkt nicht mehr differenziert wahrnehmbar ist,
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Wie bereits angedeutet, weist der archäologische Befund in der Hispania auch über das Problem der ethnischen Deutung hinaus eine Reihe von offenen Fragen auf.98 Auf methodischer Ebene wird bemängelt, dass der überwiegende Teil des Fundmaterials nicht den Ansprüchen und Fragestellungen der modernen archäologischen Forschung angemessen ergraben und publiziert wurde.99 Für die bekannten Gräberfelder ist dieser Mangel sicherlich kaum zu beheben, da die vielfach zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgeführten Ausgrabungen kaum Wert auf den für heutige Fragestellungen so wichtigen Fundkontext der genannten Schmuckelemente gelegt haben.100 Damit im Zusammenhang steht auch die unsichere Datierung. So konnte diese bisher nicht absolutchronologisch, etwa durch Keramik- oder Münzfunde101 oder Informationen der Siedlungsarchäologie, sondern le-
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vgl. Ead.: Symbolic Life and Signs of Identity in Visigothic Times, in: Heather (Hg.), The Visigoths, S. 403–431, S. 409: „The clear signs of identity of the Visigoths in the sixth century, represented by objects of personal adornment, were to change their symbolic contents in the seventh century and no longer act as a distinguishing element–insofar as origins and social group were concerned – between two groups within the population.“ Mittlerweile äußert jedoch auch sie sich skeptisch zur Möglichkeit der ethnischen Interpretation, siehe Ead.: Romani e Visigoti in Hispania. Problemi di interpretazione del materiale archeologico, in: Delogu, Paolo (Hg.), Le invasioni barbariche. Nel meridione dell’impero: Visigoti, Vandali, Ostrogoti, San Mannelli 2001, S. 99–117, wo sie zu folgendem Fazit gelangt (S. 112): „[…] non esiste la possibilità metodologica di riconoscere distinzioni etniche, bisognerà cercare altre possibili vie per dare un significato alla concentrazione geografica di queste necropoli nelle zone della Meseta.“ Eine kritische Bestandsaufnahme der Problematik der ethnischen Interpretation der kastilischen Funde aus unterschiedlichen Perspektiven legen aktuell folgende Beiträge vor: Eger, Christoph: Westgotische Gräberfelder auf der Iberischen Halbinsel als historische Quelle. Probleme der ethnischen Deutung, in: Cum grano salis. Beiträge zur europäischen Vor- und Frühgeschichte. Festschrift für Volker Bierbrauer zum 65. Geburtstag, hg. v. Bernd Päffgen u. a., Friedberg 2005, S. 165–181; Ripoll: Las necrópolis visigodas (für eine leicht veränderte englische Version dieses Beitrages siehe auch Ead.: The Archaeological Characterisation of the Visigothic Kingdom of Toledo. The Question of the Visigothic Cemeteries, in: Becher/ Dick [Hg.], Völker, Reiche und Namen, S. 161–179); sowie Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde. Vgl. Eger: Westgotische Gräberfelder, S. 179; Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 36–40; Jepure, Antonel: Interpretationsprobleme der Westgotenarchäologie. Zurück zu den Altgrabungen anhand bisher unausgewerteter Dokumentationen, in: Brather (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter, S. 193–209, S. 193–200. Hoffnung machen hier jedoch die Funde bisher verloren geglaubter Grabungsdokumentationen, siehe Jepure: Interpretationsprobleme der Westgotenarchäologie, S. 200–209. Nur zwei Gräber machen hier eine Ausnahme, die Münzen aus den Jahren 491/92 und 526 aufweisen, vgl. Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 168.
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diglich relativchronologisch erstellt werden, also vornehmlich anhand des Vergleichs stilistischer Merkmale, die dann in eine chronologische Ordnung gebracht wurden.102 Diese Chronologie muss jedoch eine absolute Einordnung erfahren, die vielfach von Vorannahmen ausgeht oder im Abgleich mit den schriftlichen Quellen erfolgt.103 So zeigt sich auch hinsichtlich der etablierten Chronologie in der Forschung Skepsis.104 Auffällig ist zudem der konzentrierte Fundraum und damit die geographische Lage des vermeintlichen „Siedlungskerns“, der abgelegen der städtischen Zentren und, zu allen Seiten von Gebirgen abgeschirmt, in einer nur schwer zugänglichen Region liegt.105 Als mögliche Motive für diesen Siedlungsraum sind zum Beispiel die besonders günstigen klimatischen Bedingungen für die Landwirtschaft,106 die strategische Position dieses Gebietes zur Gallaecia, Lusitania und der Baetica sowie die Abwesenheit wehrhafter
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Vgl. Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 159–166; Ripoll, Gisela: Problemas cronológicos de los adornos personales hispánicos (finales del siglo V – inicios del siglo VIII), in: Arce/ Delogu (Hg.), Visigoti e Longobardi, S. 57–77. Zur methodischen Problematik siehe ausführlich Halsall, Guy: Early Medieval Cemeteries. An Introduction to Burial Archaeology in the Post-Roman West, Glasgow 1995, S. 38–55, oder konkret auch Ripoll, Gisela: Visigothic Jewelry of the Sixth and Seventh Centuries, in: Reynolds Brown, Kathrine/ Kidd, Dafydd/ Little, Charles T. (Hg.), From Attila to Charlemagne. Arts of the Early Medieval Period in The Metropolitan Museum of Art, New York 2000, S. 188–203, S. 188: „One of the principal problems presented by the Late Antique archaeological material of Hispania is that the majority of objects classified as personal jewelry is devoid of any archaeological context. […] An artifact with no archaeological context cannot be used to provide historical evidence; instead it becomes an object with only relative artistic or stylistic value.“ Zur Problematik des Vergleichs mit den schriftlichen Quellen bei den Westgoten siehe Kap. 3.2.2. Sasse: Die Westgoten in Südfrankreich und Spanien, S. 38 ff.; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 269; Id.: Wie Spanien gotisch wurde, S. 38 f.; Collins: Visigothic Spain, S. 176 ff.; Arce: The Visigoths in Spain, S. 36 f. Das weitgehende Fehlen städtischer Zentren und die Absenz sozialer Oberschichten wurde zuletzt betont von Ripoll, Gisela: Sedes regiae en la Hispania de la antigüedad tardía, in: Ead./ Gurt (Hg.), Sedes regiae, S. 371–401, S. 393 f. Im Süden der Meseta liegt die bis zu 2000 Meter emporragende Sierra de Guadarrama, im Westen die Sierra de la Demanda und in Richtung der nördlichen Atlantikküste stellen sich die im heutigen Kantabrien gelegenen Picos de Europa in den Weg. Zur peripheren Lage vgl. auch Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 42. Siehe z. B. Jiménez Garnica, Ana María: Los primeros establecimientos permanentes de visigodos en Hispania, in: Hispania 152 (1982), S. 485–503; Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 168 ff. Dafür wurde auch geltend gemacht, dass es sich bei den in diesen Nekropolen bestatteten Personen um Mitglieder einer unterprivilegierten Landbevölkerung handelte, vgl. dazu Ripoll: Características generales del poblamiento, S. 399–403.
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urbaner Zentren vorgebracht worden.107 Als ein weiterer begünstigender Aspekt gilt die Existenz großer Latifundien, die sich in diesen Gebieten im Laufe der Spätantike akkumulierten und zum Zeitpunkt der Einwanderung weitgehend brach lagen, sogenannte agri deserti.108 Mögen in dieser Region also günstige Bedingungen für die Bewirtschaftung von Latifundien gegeben gewesen sein,109 so bleibt doch zu fragen, inwieweit die dortigen Grabfunde mit der traditionellen These einer westgotischen Einwanderung signifikanter Größe aus der Gallia im ausgehenden fünften Jahrhundert in Verbindung zu bringen sind. Von jeher ist dabei aufgefallen, dass dieser augenscheinliche Siedlungsraum der Masse der ländlichen Bevölkerung nicht in Übereinstimmung zu bringen ist mit den geographischen Angaben in den schriftlichen Quellen. Wie gesehen, belegen diese eine Präsenz des westgotischen Hofes und dessen Funktionsträger vor allem im Bereich der östlichen Mittelmeerküste und dem Süden der Halbinsel. So sieht man sich also mit der Schlussfolgerung konfrontiert, dass die Masse der Bevölkerung sogleich einen festen Siedlungsraum im Zentrum der Halbinsel bezog, während die Führungsschicht der gens bis zur Etablierung der festen Strukturen des Toledanischen Reiches, im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts, in ständiger Bewegung blieb, und zwar außerhalb jenes Siedlungsraumes.110 Wenn die kastilischen Gräberfelder jüngst als das „wissenschaftliche Streitross“ im Zusammenhang mit Fragen zur westgotischen Ansiedlung in der Hispania bezeichnet wurden,111 liegt dies darin begründet, dass über eine zahlenmäßig bedeutende westgotische Bevölkerung ansonsten weder aus Untersuchungen in anderen archäologischen Feldern – etwa in der Siedlungsarchäologie112 –, noch aus den schriftlichen Quellen etwas zu er107 108
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Ripoll: Sedes regiae, S. 393 f. Chavarría Arnau, Alexandra: Dopo la fine delle ville: le campagne ispaniche in epoca visigota (VI–VIII secolo), in: Brogiolo, Gian Pietro/ Chavarría Arnau, Alexandra/ Valenti, Marco (Hg.), Dopo la fine delle ville: le campagne dal VI al IX secolo. 11° seminario sul tardo antico e l’alto medioevo (Gavi, 8–10 maggio 2004) (Documenti di Archeologia 40), Mantova 2005, S. 263–285. Dafür spricht auch die vergleichsweise hohe Zahl großer und prachtvoll dekorierter villae in diesem Raum in der Spätantike, vgl. Chavarría Arnau: El final de las villae en Hispania, S. 157. Ripoll: Las necrópolis visigodas, S. 61. Ripoll: Las necrópolis visigodas, S. 61: „[L]os grandes cementerios que se ciñen geográficamente a la Meseta castillana […] siguen siendo el caballo de batalla de la investigación del asentamiento visigodo en Hispania.“ Chavarría Arnau: El final de las villae en Hispania, S. 73: „Uno de los aspectos más llamativos del estudio del asentamiento visigodo en Hispania (tanto en las ciudades como en el campo) es, exceptuando los contextos funerarios, el de la invisibilidad de
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fahren ist. Nimmt man nun das am besten dokumentierte Gräberfeld (El Carpio de Tajo) als Beispiel, so entfallen auf eine maximale Zeitspanne der Nutzung von etwa 150 Jahren insgesamt 285 Gräber. Von diesen 285 Gräbern enthalten 195 überhaupt keine Grabbeigaben sodass die charakteristischen Kleidungselemente auf 90 Gräber entfallen.113 Teilt man die Nutzungsdauer durch den Divisor 25, als allgemein angenommene Zeitdauer für eine Generation, so ergibt sich, dass die 285 Gräber auf insgesamt sechs Generationen entfallen. Das wiederum bedeutet, dass statistisch weniger als 50 Personen pro Generation in diesen Nekropolen bestattet wurden, von denen jeweils nur 15 unmittelbar als gotisch zu identifizieren wären.114 Ginge man also davon aus, dass die Beigabenfunde einer handvoll Nekropolen einen Rückschluss auf westgotische Einwanderer zuließen, so wären damit bestenfalls einige hundert Personen nachweisbar, die aber wohl kaum als Basis für die 80 000 bis 200 000 Westgoten dienen können, die im Zuge der Einwanderung auf die Iberische Halbinsel gekommen sein sollen. Der Immigrationsthese folgend bleibt ferner rätselhaft, dass man durch die genannten Funde zwar die in Spanien „landnehmenden Goten“ der Einwanderergeneration finde,115 diese aber dort, von wo sie mutmaßlich
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este grupo en el registro arqueológico.“ Ein Hinweis auf eine westgotische Präsenz ließe sich nur dadurch anführen, indem man Siedlungsveränderungen wie etwa das vermehrte Auftreten von einfacher konstruierten Siedlungen aus Holzbauten, wie sie zuletzt vermehrt in der Gegend um Madrid bei Ausgrabungen zutage gefördert wurden (vgl. z. B. Vigil Escalera, Alfonso: Cabañas de época visigoda: evidencias arqueológicas del sur de Madrid. Tipología, elementos de datación y discusión, in: Archive Español de Arqueología 73 [2000], S. 223–252), oder die mehrheitliche Aufgabe repräsentativer ländlicher villae (vgl. Chavarría Arnau: El final de las villae en Hispania, S. 157 ff.) als Konsequenz der barbarischen Einwanderung betrachtete. Über einen solchen Zusammenhang lässt sich jedoch nur spekulieren und angesichts der Tatsache, dass die ländlichen Siedlungen und mit ihnen die villae sich im Raum des gesamten Westreiches, wenn auch in regional unterschiedlich ausgeprägtem Maße, veränderten, ist es wahrscheinlicher, diese Veränderungen der Siedlungsmuster in Zusammenhang zu bringen mit einem umfassenden sozialen Wandel innerhalb der römischen Welt und nicht als Konsequenz einer punktuellen Migration. Das bedeutet, dass eine veränderten Art der Siedlung nicht zwangsläufig auf einen Bevölkerungswandel hinweist, sondern auch die gleichen Menschen in Reaktion auf sich wandelnde Bedingungen dazu übergegangen sein können, auf andere Art und Weise zu siedeln. Siehe dazu ausführlich Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 465–518. Ripoll: The Arrival of the Visigoths, S. 166 f.; Ead.: Symbolic Life and Signs of Identity, S. 409. Diese Angaben variieren auch für die anderen Gräberfelder nicht signifikant. Siehe dazu auch Heather: Goths, S. 207, sowie Collins: Visigothic Spain, S. 181, die beide nicht mit einbeziehen, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Gräber beigabenführend ist. Bierbrauer: Archäologie und Geschichte, S. 155.
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ausgewandert sein müssten – nämlich im westgotischen Reichsgebiet nördlich der Pyrenäen –, keine Spuren hinterließen und dies, obwohl aus archäologischer Sicht alle strukturellen Voraussetzungen dafür gegeben waren.116 Auch in der neuesten umfassenden Untersuchung des betreffenden archäologischen Materials wird einerseits festgestellt, dass die Grabbeigaben aus den zentralspanischen Nekropolen von einer Einwanderung westgotischer Bevölkerungsteile aus Südfrankreich herrühren müssten, während im Resümee der Arbeit festgestellt wird, dass es weiterhin unerklärlich bleibe, warum sich keine solchen Funde aus dem Tolosanischen Reich entdecken lassen.117 Neben der Resignation vor dem archäologischen „Miraculum“118 sind auch eine Reihe von Thesen formuliert worden, wie die zentralspanischen Funde einzuordnen seien. Keiner der Lösungsvorschläge hat sich jedoch als überzeugend genug erwiesen, um gegenwärtig als Mehrheitsmeinung gelten zu können.119 Als eine dieser alternativen Lesarten kann die sogenannte „Ostgotenthese“ angeführt werden. Nach ihr stehen die Funde aus den spanischen Nekropolen im Zusammenhang mit ostgotischen Gruppen, die in das Westgotenreich aufgenommen wurden.120 Besonders herausgehoben wird dabei eine Armee unter der Führung des Königssohns Vidimer, welche von Kaiser Glycerius geschlagen und im Jahre 473 aus Italien in die Gallia abgeschoben wurde.121 Mit der Hispania in Verbindung 116
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Kazanski: Les Goths, S. 89–95, S. 92: „Lorsqu’on se penche sur les traces archéologiques laissées par les Wisigoths en Gaule au Ve s., le constat est très décevant car pour ce puissant royaume qui dure près d’un siècle, elles sont quasiment inexistantes.“ Bierbrauer: Archäologie und Geschichte, S. 153 ff.; Sasse: Die Westgoten in Südfrankreich und Spanien, S. 77. Ebel-Zepezauer: Studien zur Archäologie der Westgoten, zum ersten Punkt siehe S. 164 und zum zweiten S. 179. Bierbrauer: Archäologie und Geschichte, S. 155. Einen Überblick dazu bieten z. B. Jiménez Garnica, Ana María: Consideraciones sobre la trama social en la Hispania temprano visigoda, in: Pyrenae 26 (1995), S. 189–198, S. 190–193, Ripoll: Romani e visigoti in Hispania, S. 100–103; Eger: Westgotische Gräberfelder, S. 165–170, und von Rummel: Habitus barbarus, S. 48–55. Zu den Verbindungen zwischen West- und Ostgoten in dieser Zeit siehe Wolfram: Goten, S. 308–311; Schwarcz: Relations Between Ostrogoths and Visigoths, S. 221–226. Siehe zum historischen Kontext Wolfram: Goten, S. 192 f. Der mögliche archäologische Einfluss dieser Gruppe ist erstmals eher beiläufig erwähnt worden von König: Archäologische Zeugnisse westgotischer Präsenz, S. 247. Aus archäologischer Perspektive wurde er dann von Périn, Patrick: L’armée de Vidimer et la question des depôts funéraires chez les Wisigoths en Gaule et en Espagne (Ve–VIe siècles), in: Vallet, Françoise/ Kazanski, Michel (Hg.), L’armée romaine et les barbares du IIIe au VIe siècle, Paris 1993, S. 411–423 (so auch Pérez Rodríguez-Aragón, Fernando: Las
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gebracht werden diese „Vidimer-Goten“ auch von Jordanes.122 Es ließe sich also vermuten, dass Alarich II. sich das Militärpotential der ihm vom Kaiser aufgebürdeten und arg gebeutelten Großgruppe um Vidimer zunutze machte, jenen Teil jedoch, für den er keine direkte Verwendung hatte, auf das entlegene zentralspanische Hochplateau sandte. Dieser Ansatz bietet eine Erklärung für die örtliche und zeitliche Limitierung des Befundes und für seine materielle Andersartigkeit. Allerdings verliert sich die Spur der „Vidimer-Goten“ nach den vagen Hinweisen Jordanes’ in den Quellen, so dass die geschilderten Überlegungen spekulativ bleiben müssen. Von archäologischer Seite wird ferner kritisch vorgebracht, dass die spanischen Funde mit gleichzeitigen aus dem Donauraum, von wo Vidimer und seine Truppen nur kurz vor ihrer Aufnahme ins westgotische Königreich ausgegangen waren, nicht in ausreichendem Maße übereinstimmten.123 Während die „Ostgotenthese“ versucht, die Grabbeigaben auf eine bestimmte aus den Quellen bekannte Gruppe zurückzuführen, bringt ein anderer Lösungsansatz diese mit einem unbestimmten Verband in Verbindung. So sind dahingehend Überlegungen angestellt worden, ob die intensiven „Truppenbewegungen“ im Jahre 451, im Zusammenhang mit der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern, dazu geführt haben könnten, dass eine nicht näher bekannte Gruppe nach dem Waffengang in die Hispania gelangte.124 Aus historischer Perspektive zumindest, welche die polyethnische Struktur völkerwanderungszeitlicher gentes aufgezeigt hat, erscheint die Annahme von „Untergruppen“ einer gens, über welche wir aus den Quellen namentlich nichts erfahren und die womöglich zumindest teilweise und für einen gewissen Zeitraum eine eigene materielle Kultur aufwiesen,
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‚necropolis visigodas‘ y el asentamiento militar de los ostrogodos de Vidimero, in: Morilla Cerdán, Angel [Hg.], Arqueología militar romana en Hispania [Anejos de Gladius 5], Madrid 2002, S. 637–650) wieder aufgegriffen und aus historischer Sicht wird er nun vertreten von Schwarcz: The Visigothic Settlement, S. 22 f.; Id.: Relations Between Ostrogoths and Visigoths, S. 224 f. Siehe dazu Jordanes: Getica 284, dort heißt es nach dem Bereicht darüber, dass die Ostgoten unter Vidimer ins Westgotenreich gesandt wurden und sich mit den dortigen Goten vereinigt hätten, et sic Gallias Spaniasque tenentes suo iure defendunt; und in der Romana 347 ist zu lesen, quorum Vidimer ab Italis proeliis victus, ad partes Galliae Spaniaeque omissa Italia tendit. Vgl. Eger: Westgotische Gräberfelder, S. 178 f. Auf eine Ähnlichkeit mit Funden auf der Krim, in Dalmatien und aus dem Ostgotenreich in Italien ist von archäologischer Seite gleichwohl bereits früher hingewiesen worden. Siehe Zeiss: Grabfunde, S. 99; Werner: Die archäologischen Zeugnisse der Goten in Südrussland, Ungarn, Italien und Spanien; Bierbrauer: Archäologie und Geschichte, S. 159; Ripoll: Romani e visigoti in Hispania, S. 106. Vgl. dazu z. B. Sasse: Die Westgoten in Südfrankreich und Spanien, S. 77.
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durchaus möglich. Von den neueren Erkenntnissen hinsichtlich der frühmittelalterlichen „Strategies of Distinction“125 geht die Überlegung aus, das im Vergleich mit dem Befund im Tolosanischen Reich sozusagen verspätete Auftreten westgotischer Funde in Spanien darauf zurückzuführen, dass sie aufgrund der Umstände offenbar erst dort die Notwendigkeit dazu sahen, ihre ethnische Identität und Eigenheit auch äußerlich zu betonen.126 Der eingangs dargestellten Methodenkritik seitens der archäologischen Forschung kommt sicher am ehesten entgegen, den in seinem Kontext auffälligen archäologisch Befund nicht mit einer wie auch immer zu identifizierenden Migration zu erklären, sondern ihn als ein soziales beziehungsweise als ein Phänomen der Mode zu verstehen.127 „Eine ornamentale oder stilistische Einbindung in einen einheimischen Kontext hat genauso viel Sinn wie jede allgemein ethnische Interpretation“, befindet von der erstgenannten Deutung ausgehend dazu Michael Kulikowski und gibt damit gleichzeitig die Mehrdeutigkeit des Befundes zu erkennen.128 Im interdisziplinären Austausch bleibt dem Historiker auf dem gegenwärtigen Stand der Diskussion zu konstatieren, dass die Nachbardisziplin im Moment keine trag- und mehrheitsfähige Erklärung für den zentralspanischen Befund aufzuweisen hat und durch die lange Zeit einseitige und teleologische Interpretation der Funde als westgotisch „in einer Sackgasse festgefahren“ ist.129 Eine Hoffnung der Archäologen richtet sich nun da125 126
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Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction. Liebeschuetz, Wolf: Citizen Status and Law in the Roman Empire and the Visigothic Kingdom, in: Pohl/ Reimitz (Hg.), Strategies of Distinction, S. 130–152, S. 149: „It looks almost as if the Goths some time after their first settlement in Spain began to feel the need to make themselves more distinct. If so, they no longer felt the need to emphasise their separateness in the seventh century.“; Chavarría: El final de las villae en Hispania, S. 73. Diese Argumentation entspricht dem Deutungsmuster, welches ebenfalls an die Bewertung des Arianismus angelegt wurde. Dominguez Monedero, Adolfo J.: Las necrópolis visigodas y el carácter del asentamiento visigótico en la Península Iberica, in: Actas del Primer Congreso de Arqueologia Medieval Española, Saragossa 1985, S. 165–186, S. 183; Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 41 f. Dahingehend äußert sich auch Ripoll: Romani e visigoti in Hispania, S. 106; Ead.: Las necrópolis visigodas, S. 68 f., die diese Entwicklung jedoch nicht als rein indigenes, sondern als Phänomen einer gemischten Bevölkerung aus Westgoten und Hispano-Romanen versteht. Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 42. Jepure: Interpretationsprobleme der Westgotenarchäologie, Zitat S. 207; Ripoll: Las necrópolis visigodas, S. 66. Das Zusammenspiel von Geschichtswissenschaft und Archäologie hat vor dem Hintergrund der neuen Tendenzen der archäologischen Forschung jüngst Pohl, Walter: Spuren, Texte, Identitäten. Methodische Überlegungen zur interdisziplinären Erforschung frühmittelalterlicher Identitätsbildung, in: Brather (Hg.), Zwischen Spätantike und Frühmittelalter, S. 13–26, differenziert dar-
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rauf, dass weiterführende Grabungen und neue, dem Wissenschaftsstand entsprechende Publikationen des vorhandenen Materials, die möglicherweise auf verloren geglaubte Grabungsberichte zurückgreifen können, Licht in das Dunkel werden bringen können.130 Im Bewusstsein darüber, dass alle bisher vorgebrachten Thesen begründeten Widerspruch erfahren haben und bei aller angebrachten Dekonstruktion älterer Interpretationsmuster, so erscheinen sich die meisten Erklärungsprobleme des spanischen Befundes mit der Annahme einer Migration einer limitierten und namentlich nicht bekannten Gruppe erklären zu lassen, die freilich nicht als westgotische Einwanderung missverstanden werden darf. Auch wenn damit vornehmlich ein Zugriff ex negativo erfolgt, so ist dennoch wichtig hervorzuheben, dass eine ethnische Identifikation der hispanischen Gräberfelder als archäologischer Nachweis „der Westgoten“ auf der Iberischen Halbinsel als äußerst unwahrscheinlich erachtet werden kann. Es erscheint vielmehr bezeichnend für die ethnische Fixierung der Fragestellung, im traditionellen Sinne der Erforschung der Völkerwanderungszeit, dass gerade das Fehlen von Parallelfunden im Tolosanischen Reich als „Miraculum“ verstanden wird und nicht etwa die in ihrem Kontext völlig exzeptionellen vermeintlich westgotischen Funde in Spanien. Schließt man die Letztgenannten aus der Betrachtung aus, so liefert der archäologische Befund schließlich vom beginnenden fünften Jahrhundert keine weiteren Hinweise auf eine spezifische westgotische Sachkultur.131 In dieser Gesamtschau erscheint es als lectio difficilior, die genannten Fundelemente als westgotisch zu klassifizieren. Eine solche Interpretation scheint sich erst dann aufzudrängen, wenn eine Reihe von Prämissen in die Betrachtung mit einbezogen werden, die für die Bewertung des Befundes weiterhin große Bedeutung haben. „Eine einheitliche, die gesamte gens kennzeichnende Sachkultur, Sitten und Gebräuche wird man mit Verweis auf die vielen beteiligten Gruppen wohl vergeblich suchen. Hingegen ist an einer überwiegend barbarischen Zusammensetzung des Verbandes nicht zu zweifeln. Nach Heather machten die
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gestellt und mit dem Plädoyer verbunden, dass die Archäologie, trotz aller angebrachten Bedenken, die Kategorie der Ethnizität nicht gänzlich aus ihren Überlegungen ausschließen möge, da sie ein Teil der frühmittelalterlichen Realität war und damit auch im archäologischen Material Spuren hinterlassen habe, denen man freilich anders auf die Spur kommen müsse, als dies bisher geschehen ist. Eger: Westgotische Gräberfelder, S. 179; Jepure: Interpretationsprobleme der Westgotenarchäologie. Périn: L’armée de Vidimer, S. 412 f.; Sasse: Die Westgoten in Südfrankreich und Spanien, S. 36–41; zur Siedlungsarchäologie siehe oben Anm. 113.
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unterschiedlichen gotischen Gruppen sogar den Großteil der Westgoten aus. Vor diesem Hintergrund erscheint die archäologische Erwartungshaltung, eine von der provinzialrömischen Kultur abweichende materielle Hinterlassenschaft vorzufinden […] berechtigt. Zudem formierte sich in der Folgezeit ein sozio-politischer Verband, dessen Selbstbehauptung in der römischen Umwelt gerade in der Abgrenzung von der einheimisch-provinzialrömischen Bevölkerung liegt.“132 Diese aktuelle Zusammenfassung von Christoph Eger enthält in ihrer Argumentation explizit zwei Interpretationsprämissen: Erstens wird vorausgesetzt, dass es eine barbarische Sachkultur gebe, welche sich von jener der einheimischen Bevölkerung abgehoben habe. Zweitens wird behauptet, dass das westgotische Königreich sich erst in Abgrenzung von der hispanoromanischen Bevölkerung habe behaupten können.133 Beide genannten Prämissen sind in Bezug auf die Situation des westgotischen Reiches schon ab dem ausgehenden fünften Jahrhundert in Zweifel zu ziehen. So steht der ersten Annahme entgegen, dass die Annäherung zwischen Barbaren und Römern eine Differenzierung nach objektiven Merkmalen nicht möglich macht und diese Termini häufig eher auf soziale Phänomene verweisen.134 Hinsichtlich der ethnischen Identität ist zu berücksichtigen, dass sie sowohl separierend als auch integrierend funktionieren konnte. Exklusiv war sie durch die Abgrenzung einer ethnisch identifizierten Gruppe nach außen, gegenüber einem gemeinsamen Gegner, der häufig das Römische Reich war.135 Nach innen fungierte sie dabei gleichzeitig als Integrations- und Bindemittel für die vielen Einzelgruppen einer gens.136 Während in dem Zitat angenommen wird, dass die Westgoten sich gegen ihre römische Umwelt behaupten und sich von dieser abheben mussten, legt der historische Kontext eines machtlos gewordenen Imperiums im Westen und eines sich etablierenden westgotischen Reiches, welches zwingend auf die Kooperation der einheimischen Magnaten angewiesen war,137 vielmehr nahe, dass ethnische 132 133
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Eger: Westgotische Gräberfelder, S. 171. Wie im Zitat angegeben, kann Eger sich dabei auf die Thesen des Historikers Peter Heather stützen, was jedoch insofern problematisch ist, als dass der Letztgenannte seinerseits zwar nicht ausschließlich den archäologischen Befund als Beleg für seine Argumentation heranzieht, dieser in ihr jedoch als tragende Säule fungiert, vgl. Heather: Goths, S. 202–208, S. 310 f. Siehe dazu ausführlich Kap 2.3. Heather: Goths, S. 303 ff. Pohl: Telling the Difference, S. 67: „[E]thnicity was an opportunity to reinforce loyalties and facilitate integration.“ Siehe dazu die in Abschnitt 2.3.3 dargestellte Situation für das Tolosanische Reich sowie unten Abschnitt 3.3.
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Identität innerhalb dieses regnum integrativ in Praxis gesetzt wurde.138 Konkret hieße dies, dass die Provinzialen und die Westgoten in einem Prozess, der nicht erst im siebten Jahrhundert abgeschlossen war, gemeinsam zu einer politisch konstruierten gotischen Identität fanden. Akzeptiert man eine solche politisch-soziale Definition von Ethnizität und zieht ferner die schon für das fünfte Jahrhundert festzustellende Akkulturation der Goten an die römische Lebenswelt in Betracht, gibt es keinen Grund mehr für die „archäologische Erwartungshaltung, eine von der provinzialrömischen Kultur abweichende materielle Hinterlassenschaft vorzufinden“. Da der archäologische Befund, mit Ausnahme der im Vergleich quantitativ marginalen kastilischen Gräberfelder, keinerlei Anhaltspunkte dafür liefert, von einer ethnischen Differenzierung der Bevölkerungsgruppen auszugehen, spricht auch er für eine frühe Synthese von Goten und Hispano-Romanen.139 Als Ergebnis dieses Seitenblicks auf das Gebiet der Archäologie lässt sich somit festhalten, dass die archäologischen Quellen nicht als Beweis für eine spezifisch westgotische Identität dienen können, die von jener der autochthonen Bevölkerung zu differenzieren wäre. Daraus ergibt sich ferner, dass von archäologischer Seite auch keine Aussagen zu einer westgotischen Einwanderung in die Hispania gemacht werden können. 3.2.2 Die Consularia Caesaraugustana* Die im vorangegangenen Abschnitt herausgestellte Erkenntnis, dass die archäologischen Hinterlassenschaften mittlerweile nicht mehr als Beleg für eine westgotische Immigration auf die Iberische Halbinsel herangezogen werden können, ist auch deswegen besonders beachtenswert, weil Historiker die für eine Einwanderungsthese wackelige Basis „ihrer“ Quellen gerne durch die Belege der Nachbardisziplin untermauerten.140 Zu betonen ist 138
Pohl: Telling the Difference, S. 63. Vgl. in diese Richtung weisend Koch, Manuel: Gotthi intra Hispanias sedes acceperunt. Consideraciones sobre la supuesta inmigración visigoda en la Península Ibérica, in: Pyrenae 37/2 (2006), S. 83–104, S. 97 f.; Kulikowski: Wie Spanien gotisch wurde, S. 42 f. 140 Vgl. Claude: Westgoten, S. 59 f.; Orlandis: Época visigoda, S. 61 f.; Heather: Goths, S. 202–208, S. 310 f. Die umgekehrte Vergewisserung findet sich z. B. bei Bierbrauer: Archäologie und Geschichte der Goten, S. 155 f. * Die hier dargebrachten Untersuchungen sind als Teilergebnis dieser Dissertation bereits veröffentlicht worden. Siehe Koch: Gotthi intra Hispanias sedes acceperunt, sowie Id.: Überlegungen zur westgotischen Einwanderung auf die Iberische Halbinsel, in: Paderborner Historische Mitteilungen 19/1 (2006), S. 4–24. 139
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dabei, dass die Schriftquellen über eine etwaige westgotische Migration im ausgehenden fünften und beginnenden sechsten Jahrhundert fast ausnahmslos schweigen. Vermeintlich abweichend davon sind lediglich die Ausführungen der Consularia Caesaraugustana. An der Überlieferungsgeschichte dieser Quelle ist bemerkenswert, dass sie lediglich in Form von Marginalien in zwei Codices des 16. Jahrhunderts überliefert ist, die beide die Chroniken des Victor von Tunnuna und des Johannes von Biclaro beinhalten. Gemäß einer 1874 von Hugo Hertzberg formulierten These, gingen diese Randbemerkungen, die der Schreiber – die beiden genannten Chroniken inhaltlich ergänzend – eingefügt hat, auf eine verloren gegangene Chronik des Bischofs Maximus von Saragossa aus dem ersten Drittel des siebten Jahrhunderts zurück.141 Ausgehend von den Überlegungen Hertzbergs edierte Theodor Mommsen die Marginalien im zweiten Band seiner Chronica Minora unter dem Titel Chronica Caesaraugustana als eigenständigen Text.142 Mittlerweile ist die Urheberschaft Maximus’ von Saragossa widerlegt worden und die Consularia liegen in einer neuen Edition nun in ihrer ursprünglichen Überlieferungsform als Ergänzungen zur Chronik Victors von Tunnuna vor.143 Hinsichtlich des Ausgangstextes der Consularia existieren nunmehr unterschiedliche Thesen: Während Roger Collins aufgrund der Ergänzung einiger von Victor nicht genannter Konsuln und des jeweiligen Eingangssatzes jeder der Ergänzungen, his consulibus, eine in der Tarraconensis verfasste Konsulatsliste als Vorlage für den Kompilator vermutet, erweitert Andrew Gillett diese Annahme um eine weitere Quelle, die er als Königsliste bezeichnet.144 Auffällig sind für ihn neben den inhaltlichen Schwerpunkten der Consularia die Informationen, wel141
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Hertzbergs These gründet darauf, dass die in den Marginalien berichteten Geschehnisse einen starken inhaltlichen Bezug zur Tarraconensis und zu Saragossa haben und Isidor von Sevilla in seinem Werk De viris illustribus 33 (hg. v. Carmen Codoñer Merino, in: El „De viris illustribus“ de Isidoro de Sevilla. Estudio y edición crítica [Theses et Stvdia Philologica Salmanticensia 12], Salamanca 1964, S. 131–153) darüber berichtet, dass besagter Maximus eine historiola über temporibus Gothorum Hispaniis verfasst habe. Siehe dazu Hertzberg, Hugo: Die Historien und die Chroniken des Isidorus von Sevilla. Eine Quellenuntersuchung. Erster Theil: Die Historien, Göttingen 1874. Chronica Caesaraugusta, hg. v. Theodor Mommsen, in: Chronica Minora (MGH AA 11), Bd. 2, Berlin 1894 (ND 1961), S. 221–223. Consularia Caesaraugustana, hg. v. Carmen Cardelle de Hartmann (CCSL 173A). Zu den quellenkritischen Anmerkungen und der neuen Einordnung des Textes siehe dort S. 118*–124*. Vgl. Collins, Roger: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, in: Scharer/ Scheibelreiter (Hg.), Historiographie im frühen Mittelalter, S. 345–358, S. 355 ff.; Gillett, Andrew: The Accession of Euric, in: Francia 26/1 (1999), S. 1–40, S. 6.
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che sie zu den Thronbesteigungen und Regierungsjahren der westgotischen Könige beinhalten. Bestätigt sieht er seine Annahme einer nach westgotischen Königen datierenden Quelle als Ausgangstext auch durch einige charakteristische Datierungsfehler, die sich bei der Adaption an den Konsulatsstil Victors ergeben hätten. Um eine weitere These sehen wir uns durch Carmen Cardelle de Hartmann bereichert, die aufgrund inhaltlicher Eigenarten der Consularia vermutet, dass auch Johannes von Biclaro – dessen Chronik der zweite in den entsprechenden Codices überlieferte Text ist – jene Ergänzungen am Text Victors vorgenommen haben könnte.145 Trotz einiger Unterschiede in der Einschätzung der Provenienz dieser Quelle kann auf der Basis des aktuellen Forschungsstandes zusammengefasst werden, dass wir es bei den Consularia sehr wahrscheinlich nicht mit einem Text aus dem siebten, sondern aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts zu tun haben. Der besondere Bezug zur Tarraconensis stand von jeher außer Zweifel und auch wenn es schwer fallen mag, einen Beweis dafür zu erbringen, so lassen die von Andrew Gillett vorgebrachten Argumente es ferner möglich erscheinen, dass wesentliche Teile dieser Quelle auf eine westgotische Königsliste im Stile spätantiker Konsulatslisten zurückgehen. Als eingangs erwähnter Hinweis auf eine westgotische Migration werden die in dieser Quelle zu den Jahren 494 und 497 festgehaltenen Ereignisse angeführt, zu denen es dort 494 heißt His consulibus Goti in Hispanias ingressi sunt und zum Jahr 497 His consulibus Gotthi intra Hispanias sedes acceperunt […].146 „In this consulship the Goths entered Spain“ und „in this consulship the Goths acquired settlements in Spain“, lautet die Übersetzung dieser Quellenpassagen von Roger Collins, der im Anschluss daran die Mehrheitsmeinung in der Forschung zur Interpretation dieser Einträge zutreffend mit den folgenden Worten zusammenfasst: „While these brief statements raise more questions than they answer, it has generally been accepted that they record a process of the relocation of Visigothic settlement out of southern Gaul and into Spain, taking place in the mid-490s.“147 Um zu überprüfen, ob hier tatsächlich Zeugnis über eine westgotische Ansiedlung abgelegt wird, werfen wir zunächst einen Blick auf den Bericht des Jahres 494, der vor allem zwei Fragen aufwirft: Wer sind die genannten Goti und was tun sie? Da der Satz allein stehend keine Hinweise darauf gibt, 145 146
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Cardelle de Hartmann: Introducción, S. 7*–160*, S. 123*f. Consularia Caesaraugustana, 71a, S. 22; 75a, S. 23. Die unterschiedliche Schreibweise (Goti/Gotthi) ist aus der Edition übernommen. Collins: Visigothic Spain, S. 33. Zur Verbreitung dieser Auffassung vgl. alle im vorangegangenen Abschnitt zur Einwanderungsthese angeführten Titel.
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was für eine Personengruppe sich hinter diesem Sammelbegriff verbirgt, hilft uns ein Blick auf alle weiteren Kontexte, in denen der Autor der Quelle über Goti schreibt. In den 18 Einträgen, die die Consularia für die Jahre zwischen 450 und 506 verzeichnen, treten Goti insgesamt sieben Mal sprachlich als handelnde Subjekte in Erscheinung. Die beiden genannten Textstellen zunächst ausklammernd, stehen alle fünf verbleibenden Belege eindeutig im Zusammenhang mit gotischen Militäroperationen.148 Hält man sich ferner vor Augen, dass die äußerst knappen Berichte der Consularia fast ausschließlich über politisch-militärische Zusammenhänge berichten, erscheint es eindeutig, dass mit den Goti an dieser Stelle gotische Soldaten bezeichnet werden.149 Dem hier transitiv verwandten Verb ingredior kann in Erweiterung seiner allgemeinen Bedeutung ebenfalls eine kriegerische Semantik zukommen.150 Dies ist auch in den Consularia der Fall, wie die Kontexte der beiden weiteren Quellenpassagen erkennen lassen, bei denen dieses Prädikat auftaucht. So finden wir zum Jahr 506 die Nachricht, dass Dertosa a Gotthis ingressa est. Dass hier von einer militärischen Operation die Rede ist, wird offenbar, da darauf folgend geschrieben steht, dass der offensichtlich dort herrschende „Tyrann“ Petrus getötet und sein Kopf nach Saragossa verbracht worden sei.151 Berichtet wird hier von dem militärischen Vorgehen gotischer Truppen gegen einen lokalen Machthaber, dessen Einfluss ganz offensichtlich im Widerspruch zu den westgotischen Interessen auf der Iberischen Halbinsel stand. Auch in den Schilderungen zum Jahr 541 geht es um eine kriegerische Expedition, wenn der Autor schreibt, dass reges Francorum […] per Pampelonam Hispanias ingressi Caesaraugustam uenerunt.152 Die Rede ist hier eindeutig von einem fränkischen Raubzug der schließlich in die Belagerung Saragossas mündete und über den Gregor von
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Consularia Caesaraugustana 4a, Gotthi contra Hunos dimicant; 21a, Gotti contra Suevos dimicant; 37a, Arelatum et Massila a Gotthis occupata sunt; 87a, Dertosa a Gotthis ingressa est. Petrus tyrannus interfectus est; siehe darüber hinausgehend auch 88a, pugna Gotthorum cum Francorum Boglada facta. Vgl. dazu auch Dominguez Monedero, Adolfo: La „Chronica Caesaraugustana“ y la presunta penetración popular visigoda en Hispania, in: Los visigodos. Historia y civilización (Actas de la semana internacional de estudios visigóticos) (Antigüedad y cristianismo. Monografías historicas sobre la antigüedad tardía 3), Murcia 1986, S. 61–68, S. 63 f. Vgl. Georges, Heinrich (Hg.), Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 2: I–Z, Hannover 81918 (ND Darmstadt 2003), S. 267. Consularia Caesaraugustana 87a, Petrus tyrannus interfectus est et caput eius Caesaraugustam deportatum est, S. 27. Siehe dazu auch Kulikowski: Late Roman Spain and its Cities, S. 208. Consularia Caesaraugustana 130a.
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Tours unter Verwendung des gleichen Prädikats berichtet.153 Und auch Hydatius, dem Isidor von Sevilla später in seiner Formulierung folgt, benutzt ingredior, um das Vorrücken westgotischer Truppen unter ihrem König Theoderich gegen die Sueben im Jahre 456 zu beschreiben.154 Zu unserer Quellenstelle und den beiden Ausgangsfragen zurückkehrend lässt sich antworten, dass im Jahre 494 westgotische Soldaten nach Spanien einrückten, um dort militärische Operationen durchzuführen. So wenig präzise diese Angabe der Quelle auch sein mag, als Beleg für eine Migration kann Goti in Hispanias ingressi sunt nicht geltend gemacht werden. Nachdem die Bedeutung von Goti genauer bestimmt werden konnte, erhebt sich beim Bericht zum Jahr 497 zur zentralen Frage, welcher Vorgang exakt dort mit der Formulierung sedes acceperunt beschrieben wird. Leider bietet uns der Text der Consularia selber keine weiteren Beispiele, durch deren Untersuchung wir eine semantische Spezifizierung besonders des vieldeutigen lateinischen Begriffes sedes ableiten könnten. In den Chroniken Victors von Tunnuna und Johannes’ von Biclaro, die unserem Quellentext durch den Überlieferungszusammenhang besonders nahe stehen, wird der Begriff bei Johannes gar nicht und bei Victor drei Mal verwandt. Dort wird ihm jeweils die auch andernorts häufig zu belegende Bedeutung „Bischofssitz“ beigemessen.155 Im Sinne der Immigrationsthese ist sedes als „Wohnstätte“ oder, wie oben gesehen, englisch als „settlement“ verstanden worden. Eine Bestätigung dessen sah erstmals Ramón d’Abadal darin, dass Hydatius in seiner im fünften Jahrhundert in Spanien verfassten Chronik mit Blick auf die Stationierung der Goten in Aquitanien die gleiche Formulierung benutzte.156 Zu den genauen Modalitäten dieser Einquartierung enthalten die Quellen jedoch keine ausführlichen Informationen.157 Die Forschung geht dabei mittlerweile von einer uneinheitlichen Verfahrens153
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Gregor von Tours: Historia Francorum 3,29, Post haec Childeberthus rex in Hispaniam abiit. Qua ingressus […] Caesaraugustanam civitatem cum exercitu vallant atque obsedent. Hydatius: Chronicon 173, Mox Hispanias rex Gothorum Theodoricus cum ingenti exercitu suo […] ingreditur; Isidor von Sevilla: Chronica 1,382, hg. v. José Carlos Martín (CCSL 112), Turnhout 2003. Victor von Tunnuna: Chronicon 4, 130, 145, hg. v. Carmen Cardelle de Hartmann, in: Victor Tvnnvnensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesaraugustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon (CCSL 173 A), Turnhout 2001, S. 1–55. Siehe dazu auch Martin: La géographie du pouvoir, S. 206. Abadal: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 46 und ebenso jüngst auch Arce: Bárbaros y romanos, S. 148 Anm. 422. Die Überlieferung der Handschrift B lautet bei Hydatius: Chronicon 69, Gothi intermisso certamine quod agebant per Constantium ad Gallias revocati sedes in Aquitanica a Tolosa usque ad Oceanum acceperunt. Neben Hydatius berichten ferner Prosper von Tiro: Chronicon a. 419, und Philostorgius: Kirchengeschichte 12,4, darüber. Siehe auch Kap. 2.1.
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weise aus, nach der eine Gruppe vornehmlich in den Städten untergekommen und bezahlt worden sei, während eine andere Gruppe Siedlungsland erhielt.158 Worauf genau bezieht sich aber Hydatius dann mit dem Begriff sedes? Sind damit die civitates gemeint, von denen Prosper von Tiro berichtet oder eher Siedlungsland? In der Lesart der ältesten Überlieferung der Quelle heißt es ferner nicht Gothi sedes acceperunt, sondern Tolosam sibi sedem elegunt, womit keinesfalls Siedlungsland, sondern vielmehr ein (militärischer) Stützpunkt gemeint sein dürfte.159 Schlussendlich ist die Semantik dieser „Parallelstelle“ nicht eindeutig zu klären, was sie nicht dazu empfiehlt, zur näheren Bestimmung unserer Quellenstelle zu dienen.160 Ferner lässt der historische Kontext der beiden Quellenpassagen fraglich werden, ob sie jeweils in der gleichen Aussageabsicht verfasst wurden. So gibt Hydatius die machtpolitische Konstellation um die Ereignisse der Jahre 418/419 realistisch wieder, wenn er den Westgoten in seiner Schilderung eindeutig eine passive Rolle zukommen lässt, denn diese wurden von Constantius aus der Hispania zurückbeordert und folglich wurden ihnen die sedes, was auch immer diese nun exakt bezeichnen, zugewiesen.161 Sowohl die politischen Rahmenbedingungen als auch der generelle Duktus der Consularia lassen hingegen keinen Zweifel daran aufkommen, dass es im Jahre 497 die Westgoten waren, welche das Geschehen aktiv bestimmten. Auch wenn die sprachliche Konstruktion der beiden Quellenstellen die gleiche ist, muss ihnen folglich dennoch ein anderes Verständnis zugrunde liegen. Unter diesen Voraussetzungen und berücksichtigend, dass ferner völlig unklar ist, ob der Autor beziehungsweise der Kompilator der Consularia Hydatius’ Chronik überhaupt gekannt hat, kann die Überlieferung bei Hydatius die Einwanderungsthese zum Jahr 497 nicht belegen. Zu unserer Fragestellung hinsichtlich der Consularia zurückkehrend, erscheint zunächst die Feststellung sehr hilfreich, dass der Begriff sedes sowohl im klassischen als auch später im mittelalterlichen Latein vor allem als Bezeichnung für einen wie auch immer gearteten „Sitz“ verwandt 158 159
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Burns: Settlement, S. 60 f.; Jiménez Garnica: Settlement, S. 97. Gothi sedentes in Aquitania Tholosa sibi sedem elegunt: a mare Terrenum et fluvio Rodano per Ligerem fluvium usque Ocianum possident. Zu dieser Handschrift vgl. Burgess, R. W. (Hg.), The Chronicle of Hydatius and the Consularia Constantinopolitana. Two Contemporary Accounts of the Final Years of the Roman Empire, Oxford 1993, S. 19 f. und den Text ebd. 61 [69], S. 86 oder in der Edition der MGH von Mommsen, 69. Weitere Belege dafür, dass sedes teilweise auch als „Militärquartiere“ verstanden wurden, bei Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Sp. 2571. Anders etwa Goffart: Barbarian Tides, S. 319 Anm. 79: „Sedes in this context cannot mean anything other then the entire district assigned to the Visigoths“. Siehe dazu oben Kap. 2.1.
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wurde.162 Beim etwa zeitgleich zum vermuteten Entstehungszeitraum der Consularia schreibenden Gregor von Tours findet sich die Bezeichnung sedes regni, um den Herrschaftssitz eines Königs zu bezeichnen.163 Für unseren Kontext von besonderem Interesse ist jedoch, dass Gregor diesen Terminus nicht nur in Bezug auf den Herrschaftssitz eines Königs verwendet. So berichtet er über den schließlich im Jahr 388 hingerichteten römischen Usurpator Maximus, dass dieser, nachdem er sich gewaltsam (per tyrannidem) zum Kaiser hatte machen lassen, seinen „Sitz“ in der Stadt Trier einrichtete (in urbe Treverica sedem instituens).164 An der Art der Schilderung wird eindeutig, dass es sich aus Gregors Sicht hier um eine Unrechtsherrschaft handelte, deren „Herrschaftszentrum“ in Trier errichtet wurde. Auch wenn sedes zur Bezeichnung eines weltlichen Machtzentrums in den hispanischen Quellen eher ungewöhnlich ist, schließt dies eine solche Verwendung keineswegs aus. Dies verdeutlichen etwa die Worte Isidors von Sevilla, mit denen er Konstantinopel als Romani imperii sedes bezeichnet.165 Nach diesen Ausflügen zur Verwendung des Begriffes bei anderen Autoren wenden wir uns nun dem direkten Kontext der fraglichen Sätze zu, der für deren Bewertung entscheidend ist. Zum Jahr 496 heißt es dort, dass ein gewisser Burdunelus eine Unrechtsherrschaft in Spanien an sich gezogen habe.166 Der Bericht zum Jahr 497, der damit beginnt, dass Gotthi intra Hispanias sedes acceperunt setzt direkt fort et Burdunelus a suis traditus et Tolosam directus in tauro aeno impositus igne crematus est.167 Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass diese Quellenpassage inhaltlichen wie folgt zu verstehen ist: Auf die den westgotischen Interessen widerstrebenden Machtansprüche des Burdunelus’ reagierten die Goten, indem sie Soldaten nach Spanien entsandten, welche die Stützpunkte des Aufstandes unter ihre Kontrolle 162
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Siehe dazu etwa die Belege bei Georges: Lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Sp. 2570 f., und Niermeyer, Jan Frederik (Hg.), Mediae Latinitatis Lexicon Minus, überarb. v. Johannes W. J. Burgers, Bd. 2: M–Z, Darmstadt 22002, S. 1242 ff. Diese Semantik kommt noch im heutigen Spanisch dem Begriff „sede“ zu, der sich aus dem lateinischen sedes abgeleitet hat. Vgl. z. B. Diccionario de la lengua española, hg. v. Reial Academia Española, Madrid 212001, S. 1384. Gregor von Tours: Historia Francorum 7,27, et usque Parisius velociter accedam et ibi sedem regni statuam. Gregor von Tours: Historia Francorum 1,43, Maximus vero cum per tyrannidem oppraessis Brittanis sumsisset victuriam, a militibus imperator creatus est. In urbe Treverica sedem instituens, Gratianum imperatorem circumventum dolis interfecit. Isidor: Etymologiarum sive originum libri XX 15,1,42, hg. v. Wallace Martin Lindsay (Scriptorvm Classicorvm Bibliotheca Oxoniensis), Bd. 1, Oxford 1911 (ND 41985) (im Weiteren zitiert als Isidor: Etym.). Consularia Caesaraugustana 74a, His consulibus Burdunelus in Hispania tyranidem assumit. Consularia Caesaraugustana 75a.
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brachten,168 woraufhin Burdunelus von den Seinen verraten und auf grausame Art und Weise in Toulouse hingerichtet wurde. Dass es sich um einen größeren Aufstand handelte, der sehr wahrscheinlich nicht auf einen Ort beschränkt war, was die Verwendung von sedes im Plural bedingt, wird durch das militärische Vorgehen und vor allem durch die Symbolik der Strafmaßnahme deutlich. Eine solche Interpretation wird inhaltlich dadurch bestätigt, dass wir, wie oben bereits gesehen, zum Jahr 506 einen sehr ähnlichen Bericht vorfinden, wie das Interesse dieser Quelle überhaupt den militärisch-politischen Ereignissen gilt. Warum, so lässt sich fragen, sollte an dieser einzigen Stelle plötzlich von der Ansiedlung einer (agrarisch geprägten) Bevölkerung die Rede sein, während die Consularia ansonsten lediglich über westgotische Soldaten berichten und die vermeintliche „Wanderung des Volkes“169 auch in keiner anderen Quelle einen Niederschlag gefunden hat? „The reference to sedes would seem to imply that some process of Gothic settlement was carried out at this time, though the mention of it here is regrettably vague and imprecise.“ So kommentierte Roger Collins die hier analysierte Quellenpassage zuletzt bereits erkennbar zurückhaltend und brachte diese Ansiedlung mit einer „class of free Gothic peasant proprietors“ in Verbindung.170 Die Ergebnisse der bisher hier durchgeführten Untersuchung zeigen jedoch, dass in den Consularia an dieser Stelle weder von bäuerlichen Landeigentümern noch von deren Ansiedlung, sondern von westgotischen Militäroperationen die Rede ist.171 168
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Nah am Text, aber für das Deutsche ungeeignet müsste man sedes acceperunt in diesem Zusammenhang mit „sie bemächtigten sich der Sitze des Aufstandes“ übersetzen. Die Meinung José Caerols, dass sedes accipere nicht anders als einen Ort bzw. Siedlungsraum erhalten/ bekommen verstanden werden könne, basiert auf dem ausschließlich passivischen Verständnis des Prädikats, vgl. Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 229. Über die passivische Bedeutung des Verbs accipere hinaus, kann es jedoch ebenso aktivisch verstanden werden und „ergreifen“, „sich einer Sache bemächtigen“ bedeuten, vgl. Niermeyer: Mediae Latinitatis Lexicon, Bd. 1: A–L, S. 13. Dieses Verständnis des Prädikats findet eine Entsprechung in der aktiven und dominierenden Rolle, die den Westgoten in den Consularia insgesamt zugeschrieben wird. Claude: Westgoten, S. 59. Collins, Roger: An Historical Commentary on the Consularia Caesaraugustana, in: Cardelle de Hartmann, Carmen (Hg.), Victor Tvnnvnensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesaraugustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon (CCSL 173 A), Turnhout 2001, S. 95–109, 75a, S. 100 f. Eine ähnliche Sichtweise auf die hier diskutierten Passagen der Consularia entwarfen bereits Dominguez Monedero: „Chronica Caesaraugustana“, S. 65; Id.: Las necrópolis visigodas, S. 174 ff., und García Moreno: Historia de España visigoda, S. 80; Id.: Mérida y el reino visigodo de Tolosa (418–507), in: Homenaje a Saénz de Buruaga, Madrid 1982, S. 227–240, S. 238, jedoch ohne dafür einen Beweis anzutreten. Aus-
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Da die Westgoten jedoch beinahe während der gesamten Dauer des fünften Jahrhunderts auf der Iberischen Halbinsel militärisch aktiv waren, ist gerechtfertigtermaßen danach gefragt worden, warum die Consularia dazu fast durchweg schweigen, hier jedoch vergleichsweise ausführlich darüber berichten.172 Eine konkrete Antwort darauf zu finden dürfte nicht möglich sein, aber diese Feststellung nimmt aufgrund des Überlieferungszusammenhanges nicht wunder, und noch viel weniger kann sie als Hinweis dafür herangezogen werden, dass hier nicht von militärischen Unternehmungen berichtet wird. Zunächst einmal fehlen die exakten Kenntnisse über den oder die Ausgangstexte der Consularia, aus denen die uns als Randbemerkungen zu einer anderen Chronik überkommene Quelle lediglich eine Art Exzerpt zu sein scheint. Ferner finden wir im 118 Jahre umfassenden „Berichtszeitraum“ der Consularia (450–568) nur zu insgesamt 32 Jahren überhaupt Ergänzungen. In diesem Zusammenhang ist inhaltlich ferner von Bedeutung, dass die Thronbesteigungen und die Regierungsjahre der westgotischen Könige ein zentrales Thema der Annotationen sind. Von Thorismund 451 bis Athanagild 551 sind in den Consularia alle entsprechenden Daten verzeichnet, mit Ausnahme des Herrschaftsantritts Theoderichs II. im Jahr 453 und Theudis’ im Jahr 531. Warum fehlen ausgerechnet diese Angaben? Wir wissen es nicht, aber es erscheint doch äußerst unwahrscheinlich, hier eine gewisse inhaltliche Auswahl des Autors oder des Kompilators zu vermuten. Viel näher liegt, dass diese Informationen ein Opfer der lückenhaften Überlieferung geworden sind. Gleiches lässt sich ebenfalls zum Themenbereich der westgotischen Militärexpeditionen auf der Iberischen Halbinsel im fünften Jahrhundert annehmen. Zu behaupten, dass solche in unserer Quelle keine Erwähnung finden, wäre falsch, denn zum Jahr 458 erfahren wir über einen Feldzug, den die Westgoten im Nordwesten der Halbinsel gegen die Sueben führten.173 Warum wird hierüber und über die Niederschlagung der Aufstände am Ende des fünften Jahrhunderts berichtet, aber nicht über die weiteren militärischen Aktionen, über die wir beispielsweise durch Hydatius und die Chronica Gallica unterrichtet sind?174 Auch das wissen wir nicht, aber dennoch ist eine Beweisführung, die darauf basiert, dass die Consularia, mit nur einer Ausnahme, über militärische Ope-
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führlicher begründet und den historischen Kontext mit einbeziehend hat sich zuletzt Kulikowski: Late Roman Spain, S. 206–209, für eine solche Interpretation ausgesprochen. Siehe aktuell anders dazu Ripoll: Las necrópolis visigodas, S. 60 f. Z. B. Abadal: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 45 f.; Collins: Commentary on the Consularia Caesaraugustana, 71a, S. 100. Consularia Caesaraugustana 21a; vgl. auch Hydatius: Chronicon 186. Z. B. Hydatius: Chronicon 246, 250; Chronica Gallica 651, 652.
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rationen schweigen und folglich auch 494 und 497 nicht davon, sondern von einer Immigration die Rede sei, nicht haltbar. Gleiches gilt auch für die ansonsten für diese Quelle eher untypisch vage geographische Einordnung der Berichte zu den Jahren 494 und 497. Mit Blick auf jene Widerstände ist argumentiert worden, dass die Aufstände eine Reaktion einheimischer Führungsschichten auf die angenommene Masseneinwanderung gewesen seien.175 Wie gesehen, gibt es für genau diese allerdings keinen Beleg und neuere Forschungen haben ferner gezeigt, dass es keine fixen ethnischen Grenzlinien gab, die diese Konflikte sozusagen selbstevident erklären könnten. Einmal mehr reichen die spärlichen Informationen der Consularia nicht aus, um auf ihnen eine tragfähige Argumentation zu errichten. Die politische Geschichte der Transformationszeit des römischen Imperiums und auch seiner Nachfolgereiche ist geprägt von einer schier unendlichen Folge von häufig lokal verankerten Konflikten. Eine monokausale Erklärung, wie etwa ein früher angenommener „germanisch-romanischer“ Antagonismus, wird diesem Phänomen keineswegs gerecht, sondern es sind eine Vielzahl von Interessenlagen vorstellbar, die solche Unruhen hervorrufen konnten oder diese bekämpften. Diese Feststellung wird ebenfalls am Beispiel der spätantiken Hispania wie auch des späteren Toledanischen Reiches bestätigt.176 Vielleicht waren Burdunelus und Petrus – über die wir keine weiteren Kenntnisse als die äußerst oberflächlichen der Consularia haben177 – Vertreter der einheimischen Oberschicht,178 die sich gegen den westgotischen Einfluss, nicht zwingend gegen die Einwanderung auf die Iberische Halbinsel zur Wehr setzten, um ihren eigenen Machtbereich zu erhalten oder zu erweitern.179 Vielleicht hatten beide zuvor mit den Westgoten kooperiert, waren nun jedoch zu der Überzeugung gekommen, dass der westgotische König ihnen nicht die Stellung gewährte, derer sie sich für würdig befanden180 – der gleichen Auffassung mächtiger Würdenträger wa-
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Abadal: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 49 f.; Orlandis: Época visigoda, S. 60; Thompson: Romans and Barbarians, S. 193; Heather: Goths, S. 202. Vgl. Kulikowski: Late Roman Spain and its Cities, S. 209; Arce: Bárbaros y romanos, S. 172. Vgl. PLRE 2, Burdunelus, S. 243, und Petrus 25, S. 869; ebenfalls Collins: Commentary on the Consularia Caesaraugustana, 74a, S. 100 u. 87a, S. 102. Da es außerhalb des Klerus bei den Westgoten zu keiner nennenswerten romanischen Namenmode gekommen zu sein scheint, machen die lateinischen Namen zumindest wahrscheinlich, dass es sich hierbei um Vertreter der hispano-romanischen Provinzialbevölkerung gehandelt hat. So z. B. Arce: Bárbaros y romanos, S. 170 ff. Siehe dazu Dominguez Monedero: „Chronica Caesaraugustana“, S. 65; Jiménez Garnica: Los primeros establecimientos, S. 499 f.
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ren ebenso zahllose Widerstandsbewegungen innerhalb des römischen Systems geschuldet. Leider haben wir keinerlei Kenntnisse über die Ursachen und Absichten dieser Aufstände und sie mit einer westgotischen Einwanderung in Verbindung zu bringen bleibt reine Spekulation. Wie die Analyse und Interpretation der Consularia gezeigt hat, kann sie nicht, wie bisher fast durchweg geschehen, als singulärer Beleg für eine westgotische Einwanderung herangezogen werden. Stattdessen schildern die dabei zitierten Berichte zu den Jahren 494 und 497 die militärische Durchsetzung westgotischer Herrschaftsinteressen in der Tarraconensis. Dass diese Quelle über andernorts belegte militärische Unternehmungen schweigt, bedingt nicht, dass folglich hier von etwas anderem, namentlich einer Einwanderung, die Rede sein muss. Es gilt sich dabei zu vergegenwärtigen, dass wir es mit einem Text zu tun haben, für den es methodisch unzulässig ist, eine vermeintliche Auswahl der überlieferten Informationen als deren Bewertungsmaßstab heranzuziehen. Bei aller nötigen Kritik am traditionellen Verständnis des Migrationsverhaltens in der Völkerwanderungszeit kann nicht negiert werden, dass es in dieser Zeit zu „Wanderungen“ gekommen ist. Gleichwohl ist aus dieser Feststellung nicht zu folgern, dass Migration gleichsam zur Natur einer gens gehörte und ihre dominante Reaktion auf folgenreiche Ereignisse darstellte.181 Dies gilt umso mehr, wenn sich die historischen Rahmenbedingungen des Handelns in einem solchen Maße geändert haben, wie dies für die Westgoten im Laufe des fünften Jahrhunderts der Fall war, in welchem sie von einem umherziehenden Heerhaufen zur Führungsschicht eines stabilen regnum geworden waren. Es soll jedoch mit diesem Resümee zur westgotischen Einwanderung nicht das argumentum e silentio geführt werden, nach welchem es folglich überhaupt keine Einwanderung auf die Iberische Halbinsel gegeben habe. Es ist aber festzustellen – so unbefriedigend dies auch sein mag –, dass wir aus den Quellen nichts Konkretes über sie erfahren. Über eine mögliche Immigration können folglich nur Vermutungen angestellt werden, für die der hier erarbeitete Befund jedoch den Rahmen setzt, dass sie sich in weit geringerem Maße und anders vollzogen hat, als dies bisher, abgeleitet aus anderen Zusammenhängen, zumeist vorausgesetzt wurde. Halten wir uns an die Quellen, so lassen sich zahlreiche westgotische Militärexpeditionen auf die Iberische Halbinsel nachweisen. Bisher ist dabei in unserem Zusammenhang häufig argumentiert worden, dass „militä181
Noble: Introduction. Romans, Barbarians, and the Transformation of the Roman World, S. 18.
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rische Unternehmungen nach 456 […] und politische Oberhoheit einerseits sowie gotische Siedlung andererseits […] strikt zu trennen“ seien.182 Wenn im Anschluss daran als ein Argument für diese Unterscheidung angeführt wird, dass es zu Militäraktionen viel früher als zu einer Immigration und Ansiedlung gekommen sei und dies auf Basis der Annahme geschieht, dass sich durch die Überlieferung der Consularia zeigen lasse, dass eine Einwanderung erst am Ende des fünften Jahrhunderts stattgefunden habe,183 so ist diese Argumentation auf Basis der hier vertretenen Interpretation der Consularia nicht tragfähig. Abweichend von einer solchen Differenzierung und von dem Konzept einer Masseneinwanderung zu einem gegebenen Zeitpunkt werden auch Vermutungen über eine sukzessiven Einwanderung westgotischer Gruppen angestellt, die möglicherweise in Begleitung der Truppen auf die Pyrenäenhalbinsel gelangten und von den Quellen nicht explizit erwähnt wurden. Dieser Gedanke ist zweifellos zu beachten, als alleinige Erklärung ist er allerdings nicht zufriedenstellend, denn ebenso wenig wie dieser Annahme widersprochen werden kann, lässt sie sich belegen. Schon deswegen stünde ein alleinig auf ihr beruhendes Erklärungsgerüst für westgotische Präsenz und Identität in der Hispania auf reichlich sandigem Boden. Führte man die starke westgotische Position ab dem ausgehenden sechsten Jahrhundert zu einem wesentlichen Teil auf eine solches Phänomen zurück, verstärkte sich damit ferner noch das ohnehin frappierende Zahlenverhältnis von geschätzten einigen Tausend Westgoten im Vergleich zu wahrscheinlich acht bis zehn Millionen Hispano-Romanen. Nichtsdestotrotz ist eine quellennah nicht präzise zu beschreibende Form der Migration in jedem Fall an den Anfang der Überlegungen zu stellen. Es scheint jedoch angebracht, diese im Wesentlichen auf die westgotische Militärpräsenz zu reduzieren, durch welche in bestimmten Regionen seit dem fünften Jahrhundert als westgotisch identifizierte Handlungsträger in der Hispania agierten und sich wahrscheinlich teilweise auch dort niederließen.184 Da diese begrenzte Menge an „Einwanderern“ jedoch in keiner Weise jene signifikant große Zahl an gotischen Immigranten aus der Gallia repräsentiert, die als bestimmende Voraussetzung für die gotische Identität auf der Iberischen Halbinsel vorausgesetzt werden, stellt sich mithin die Aufgabe, dieses Phänomen anders erklären zu können.
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Bierbrauer: Archäologie und Geschichte, S. 156; vgl. auch Thompson: Romans and Barbarians, S. 190–193; Arce: Bárbaros y romanos, S. 144. Wolfram: Goten, S. 193 mit Anm. 76; Arce: Bárbaros y romanos, S. 145. Siehe dazu ausführlich Kap. 3.3.
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3.3 Die politische Bedeutung(slosigkeit?) der Westgoten in der Hispania seit dem fünften Jahrhundert Wenn hier der Versuch unternommen wird, sich dem Phänomen der westgotischen Identität auf der Iberischen Halbinsel von einem politisch-sozialen Verständnis her zu nähern, tritt damit auch die umstrittene Bewertung der westgotischen Präsenz und ihrer politischen Bedeutung bis in die Phase der Regentschaften Leovigilds und Rekkareds in den Blick. Wie in den einleitenden Worten zu diesem Kapitel bereits herausgestellt wurde, sind die Antworten auf die Fragen, ab wann die Westgoten über welche Teile der Hispania welche Art von Einfluss ausübten, umstritten und nicht frei von ideologischen Projektionen. „In 484, the Spanish peninsula apart from the Suevian kingdom in the northwest (and we may add, the wild mountains of the Basques) was entirely under the dominion of the Goths“, befindet dazu in Übereinstimmung mit einem Teil der Forschung etwa Edward Thompson.185 Nach dieser Auffassung wurde also im Zuge der Emanzipation der westgotischen Herrschaft vom schwindenden Einfluss des Imperiums nicht nur die Gallia zum Gebiet westgotischer Herrschaft, sondern auch der Großteil der Hispania. Demnach fand das westgotische Reich in Spanien mit den Eroberungen Theoderichs II. und Eurichs im fünften Jahrhundert seinen Anfang und erfuhr in der Zeit nach der Niederlage von Vouillé eine Phase großer Instabilität, bevor es mit der Herrschaft Leovigilds die alte Stärke wiedergewann. Das für Teile der spanischen Forschung kennzeichnende Bestreben, in dieser frühen Datierung des westgotischen Reiches auf der Iberischen Halbinsel gleichzeitig einen möglichst weit zurückreichenden Beginn der spanischen Geschichte zu entdecken, spiegelt sich beispielsweise in der Bewertung José Orlandis’, nach welcher Eurich der erste westgotische König sei, der mit Recht als König von Spanien bezeichnet werden könne.186 185
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Thompson: Romans and Barbarians, S. 192. Siehe dazu schon Bury, John B.: History of the Later Roman Empire from Arcadius to Irene (395 A. D. to 800 A. D.), Bd. 1, London 1889 (ND Amsterdam 1969), S. 329, sowie z. B. auch Lot, Ferdinand: Les invasions germaniques. La pénétration mutuelle du monde barbare et du monde romain, Paris 1935, S. 178/179; Collins: Visigothic Spain, S. 32; Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 268 f.; Id.: Historia de España visigoda, S. 73 f.; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 55–68; zurückhaltender, aber in diese Richtung weisend aktuell auch Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 167–171. Orlandis: Época visigoda, S. 60: „Eurico, el primer monarca visigodo a quien puede llamarse con propiedad rey de España“.
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Gegenüber der Darstellung, dass die Hispania seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts, den gallischen Reichsteilen vergleichbar, zusehends von westgotischen Königen kontrolliert und verwaltet wurde, wird von anderer Seite zu bedenken gegeben, dass die Quellen zwar unzweifelhaft ein westgotisches Interesse an der Iberischen Halbinsel erkennen ließen, sie jedoch gleichzeitig zeigten, dass der Einfluss dort faktisch äußerst begrenzt und nur auf wenige Orte beschränkt gewesen sei.187 Aus dieser Perspektive wird die Hispania bis in das sechste Jahrhundert hinein nicht als westgotisch, sondern noch ganz als römisch geprägt verstanden, obwohl der organisatorische Überbau des Imperium Romanum freilich zerfallen war. An dessen Stelle war eine fragmentierte und kleinräumige Herrschaftstopographie getreten, die vor allem durch die civitates gegliedert wurde: „For this reason, it is very difficult to impose any shape on the history of the Spanish provinces as a whole during the first seven decades of the sixth century. They were a continuation of the confused pattern of local developments that we have seen in the later fifth century. Only with the accession of the Gothic king Leovigild does Spanish history develop a certain unity once again.“188 Der Grund für diese Spannbreite der Bewertung ist unschwer in der als dürftig noch schmeichelhaft umschriebenen Quellenlage auszumachen, die 187
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Siehe dazu Arce, Javier: The Enigmatic Fifth Century in Hispania. Some Historical Problems, in: Goetz et al. (Hg.), Regna and gentes, S. 135–157, besonders S. 156 f.; Id.: Bárbaros y romanos, S. 134–149, sowie Kulikowski: Late Roman Spain, S. 197: „[I]t is fundamentally misleading to treat the later fifth century as the beginnings of a Visigothic Spain. Not only was the Gothic presence in Spain limited in numbers and impact, but the historical dynamic of the period remained very much a product of Roman political traditions and of the institutional shape that centuries of imperial rule had imposed on the peninsula.“ Vgl. auch ibid., S. 256 f., sowie Id.: Wie Spanien gotisch wurde, S. 27 f. Wolfram: Goten, befindet zwar einerseits, dass mit Ausnahme der Gebiete der Basken und der Sueben „ganz Spanien unter gotischer Herrschaft“ gestanden habe (S. 190), allerdings sieht er die Hispania dennoch differenziert vom „eigentlichen“ Westgotenreich, da sie lediglich „eine Art Mischung von Kronkolonie und Truppenübungsplatz“ gewesen sei (S. 196; vgl. auch S. 187: „Südlich der Pyrenäen ging es noch lange Zeit bloß um Beute und den einen oder anderen Stützpunkt.“). Kulikowski: Late Roman Spain, S. 256; vgl. auch Moorehead: The Roman Empire Divided, S. 63: „Whatever its aspirations, political authority was decentralised in the Visigothic state.“; Arce: Bárbaros y romanos, besonders S. 281–284, S. 282: „Es impropio y erróneo hablar de germanismo en Hispania en el siglo V. Hay que seguir hablando de unas provincias romanas y de una base estructural romana: el latín siguió siendo utilizado, los topónimos no cambiaron esencialmente, la ciudad continúa siendo el centro esencial de la comunidad y, probablemente, también de la economía. La ciudad seguirá siendo, además, el centro de representación, el símbolo del poder“.
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für den Historiker unweigerlich ein doppeltes Risiko birgt. So läuft er einerseits Gefahr, die wenigen überlieferten Belege interpretatorisch zu überfrachten, indem er in sie hineinliest, was er aufgrund manch anderer Indizien für wahrscheinlich hält, oder indem er andererseits auf die gleiche Weise die ausgeprägten Überlieferungslücken füllt. Vielfach erfahren wir über die Westgoten in der Hispania im Zusammenhang mit Militäroperationen, die bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts Romani nominis causa oder ex auctoritate Romana ausgeführt wurden.189 Anders gewendet ist damit gesagt, dass die Goten jene Aufgaben übernahmen, die eigentlich dem regulären römischen Heer dieser Region oblegen hätten. Ein solches existierte in der Hispania jedoch seit dem fünften Jahrhundert nicht mehr.190 Auch wenn noch über den von Theoderich II. selbst angeführten Feldzug gegen die Sueben, die sich bis in die Tarraconensis vorgewagt hatten, im Jahre 456/7 geschrieben steht, dass er cum voluntate et ordinatione Aviti imperatoris unternommen wurde,191 so wird aus der Chronik des Hydatius’ hier wie im Weiteren gleichwohl deutlich, dass bereits Theoderich selbständig handelte und der römische Kaiser fortan faktisch keinen Einfluss mehr hatte.192 Mit Blick auf die Bewertung des militärischen Engagements des Westgotenkönigs, über das wir aus erster Hand durch die Chronik des galizischen Bischofs erfahren,193 lässt sich in der Forschung die minimale Einigkeit ausmachen, dass aus diesem ein Interesse des westgotischen Königs an der Hispania abgeleitet werden könne. Während manche diese Expeditionen als dauerhafte Eroberungen verstehen und ihnen mitunter auch die Bedeutung eines Wendepunktes der hispanischen Geschichte beigemessen wird,194 erachten sie andere wiederum entweder nur als punk189
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Siehe zu den Zitaten Hydatius: Chronicon 55, 158, sowie zu den militärischen Interventionen insgesamt ibid. 55, 60, 63, 77, 92, 97, 134, 158. Collins, Roger: Early Medieval Europe (300–1000), Basingstoke 21999 [1. Aufl. 1991], S. 81–86; Arce: Bárbaros y romanos, S. 197–207. Hydatius: Chronicon 173. Collins: Visigothic Spain, S. 31 f.; Arce: Bárbaros y romanos, S. 206 f.; die Anwesenheit des Kaisers Maioranus (457–461) auf der Iberischen Halbinsel, im Jahre 460, stand im Zusammenhang mit seiner Kapagne gegen die Vandalen in Nordafrika und blieb für die Machtverhältnisse in Spanien ohne Wirkung, siehe dazu ibid., S. 207–212. Siehe dazu im Einzelnen Hydatius: Chronicon 173, 174, 175, 178, 182, 192, 193, 201, 228; sowie aus späterer Sicht Isidor: Historia Gothorum, 31–33. Bury: History of the Later Roman Empire, S. 327 ff.; Thompson: Romans and Barbarians, S. 189, beschreibt die Entsendung eines westgotischen Heeres unter dem dux Cyrila (Hydatius: Chronicon 192) als „marking an epoch in the history of Spain“, und resümiert wenig später, S. 190/191: „And so I conclude that Gothic military occupation of the south of Spain, both of Baetica and of Lusitania, began in 458, that it continued in existence after the period covered by Hydatius, and that it was only
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tuelle Militäroperationen oder gelangen zu dem Urteil, dass Theoderich durchaus das ambitionierte Ziel einer dauerhaften Inkorporation Spaniens in sein regnum gehabt haben mag, dass seine militärischen Erfolge jedoch nicht von Dauer waren und die eroberten Gebiete sich nach seinem Rückzug wieder aus seinem Machtbereich lösten.195 Ganz ähnlich stellt sich die Bewertung im Falle Eurichs dar. Obwohl es keine Hinweise darauf gibt, dass er selber jemals einen Fuß auf die Pyrenäenhalbinsel gesetzt hat, haben wir vereinzelte Hinweise auf gotische Kampagnen während seiner Amtszeit. Über die noch durch Hydatius überlieferten Hinweise auf zwei Unternehmungen in der Lusitania hinaus, kommt in diesem Zusammenhang zwei Einträgen der Chronica Gallica zu den Jahren 472 und 473 besondere Aufmerksamkeit zu, da diese über die Einnahme der Städte Pamplona und Saragossa sowie der östlicher gelegenen Küstenregion der Tarraconensis berichten.196 Rückblickend befindet Isidor von Sevilla zu diesen Ereignissen, dass Eurich dadurch ganz „Nordspanien“ (Spania superior) in seinen Besitz gebracht und den Widerstand des Provinzadels der Tarraconensis niedergeschlagen habe.197 Geht man eingedenk der Tatsache, dass die Quellen an keiner Stelle Hinweise auf einen etwaigen Rückzug der gotischen Truppen aus diesem Gebiet geben,198 davon aus, dass die von Theoderich ins Werk gesetzten Eroberungen Bestand hatten, kann man daraus wie oben gesehen folgern, dass beinahe die gesamte Iberische Halbinsel seit dem letzten Drittel des fünften Jahrhunderts unter westgotischer Herrschaft stand. Auch die Lektüre einer diesbezüglichen Textpassage bei Jordanes legt diese Auffassung nahe, da er darüber berichtet, dass Eurich totas Spanias Galliasque sibi iam iure proprio hatte.199
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brought to a close by the arrival of the Sarracens in 711.“ Collins: Visigothic Spain, S. 32: „455 […] the Visigoths took direct control of most of the rest of the peninsula, other than for the coastal regions of Tarraconensis and parts of the Ebro valley“. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 201: „Though many scholars envisage them as commanders of permanent Gothic garrisons in southern Spain, the evidence of Hydatius is inexplicit, while the subsequent history of Gothic intervention in the peninsula suggests that the armies of the 460s were small expeditionary forces rather than an army of occupation.“ Arce: Bárbaros y romanos, S. 142 ff. Da der Berichtszeitraum der Chronik Hydatius’ im Jahr 469 endet, erfahren wir dort nur noch über die ersten Jahre Eurichs Herrschaft, vgl. Hydatius: Chronicon 245, 246. Zu den Expeditionen in die Tarraconensis siehe Chronica Gallica 651, 652. Isidor: Historia Gothorum 34, Inde Pampilonam et Caesaraugustam misso exercitu capit superiorem Spaniam in potestatem suam mittit. Tarraconensis etiam prouinciae nobilitatem, quae repugnauerat, exercitus inruptione euertit. Vgl. etwa Thompson: Romans and Barbarians, S. 189: „[I]n fact the Goths are never reported to have withdrawn this force from the south.“ Jordanes: Getica 244.
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Dieser Interpretation gegenüber lässt sich wiederum kritisch einwenden, dass sie dem Schweigen der Quellen als Argument einen bedenklich großen Stellenwert einräumt. Darüber hinaus ist zumindest fraglich, welche Bedeutung solch generalisierenden geographischen Angaben, wie Hispanias, superiorem Spaniam, totas Spanias,200 beigemessen werden kann, die aus der Retrospektive oder aus der Ferne gemacht wurden. Die Intensität und Ausdehnung einer vermeintlichen westgotischen Herrschaft über diesen vergleichsweise großen Raum nicht überzustrapazieren erscheint vor allem angesichts der Tatsache ratsam, dass die westgotischen Könige fortwährend dazu genötigt waren, ihre Interessen immer von neuem militärisch durchzusetzen. Beleg dafür sind unter anderem die oben untersuchten Einträge der Consularia, welche die Bemühungen Alarichs II. in der Mitte der 490er Jahre just in der Region zeigen, über welche in den hier zitierten Quellen berichtet wird, dass Eurich sie unterworfen habe. Als wie bezeichnend für die westgotische Herrschaft über den Rest der Halbinsel darf dabei ferner gelten, dass die westgotischen Truppen in diesen Fällen jeweils aus der Gallia und nicht etwa aus anderen Teilen der Halbinsel entsandt wurden?201 Wie durch ein Brennglas fokussiert sich die dieser Diskussion insgesamt inhärente Bewertungsproblematik in der Interpretation einer bekannten Brückeninschrift aus Mérida.202 Angesichts des fast gänzlichen Fehlens jeglicher weiteren zeitgenössischen Überlieferung und der Mehrdeutigkeit ihres Textes, hat diese Quelle als Grundlage für eine ganze Anzahl teilweise gegenläufiger Thesen gedient. Infolgedessen macht die Geschichte ihrer Deutung in exemplarischer Weise offenkundig, dass die wenigen spanischen Quellen bis zum ausgehenden sechsten Jahrhundert einigen Interpretationsspielraum lassen und vielfach nicht geeignet dazu sind, hinlänglich fundierte Antworten auf unsere Fragen hinsichtlich der Herrschaftsstrukturen in der Hispania geben zu können. 200
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Vgl. in Reihenfolge der Nennung Chronica Gallica 651; Isidor: Historia Gothorum 34; Jordanes: Getica 244. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 205. Siehe dazu aktuell das dieser Inschrift gewidmete „Diskussionsforum“ der Zeitschrift Pyrenae mit den Beiträgen von Arce, Javier: La inscripción del puente de Mérida de época del rey Eurico (483 d.C.), in: Pyrenae 39/2 (2008), S. 121–126; Velázquez, Isabel: El puente de Mérida: algo más que un problema de traducción, in: ibid., S. 127–135; Koch, Manuel: Nunc tempore potentis Getarum Eurici regis. El impacto visigodo en Hispania a través de la inscripción del puente de Mérida (483 d.C.), in: ibid., S. 137–142, und zusammenfassend noch einmal Arce, Javier: Aportaciones a la discusión sobre la traducción e interpretación de la inscripción del puente de Mérida de época del rex Eurico (483 d.C.), in: ibid., S. 143–145.
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Der Text der Inschrift lautet im Wortlaut wie folgt:203 solberat antiquas moles ruinosa uetustas, lapsum et senio ruptum pendebat opus. perdiderat usum suspensa uia p(er) amnem. et liberum pontis casus negebat iter. nunc tempore potentis Getarum Eruigii [recte Eurici] regis, quo deditas sibi precepit excoli terras, studuit magnanimus factis extendere n(o)m(e)n, ueterum et titulis addit Salla suum. nam postquam eximiis nobabit moenib(us) urbem, hoc magis miraculum patrare non destitit. construxit arcos, penitus fundabit in undis et mirum auctoris imitans uicit opus. nec non et patrie tantum cr !e"are munime sumi sacerdotis Zenonis suasit amor. urbs Augusta felix mansura p(er) scla. longa nobate studio ducis et pontificis. era DXXI
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In unterschiedlich ausgeprägtem Maße ist diese Inschrift häufig als Manifestation westgotischer Macht in Mérida zur Zeit Eurichs gelesen und dieser Befund im allgemeinen Dunkel der Quellen teilweise als Schlaglicht für die Situation in weiten Teilen der Hispania bewertet worden.204 Spezifischere militärische Deutungen sehen in den im Text angesprochenen Erneuerungen der Stadtmauern und der Brücke die „Installation eines Verteidigungssystems durch Eurich“205 und damit auch den Hinweis auf einen wichtigen westgotischen (Militär)Stützpunkt.206 In die gleiche Richtung 203
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Das epigraphische Original dieser Quelle ist leider verlorengegangen, dessen Inhalt wurde jedoch sehr wahrscheinlich im späten siebten Jahrhundert abgeschrieben. Die Datierung war einige Zeit nicht ganz unumstritten, kann heute aber auf das Jahr 483 festgelegt werden. Siehe dazu ICERV 363, sowie in einer neueren und hier zitierten Edition: CICM, Nr. 10, S. 41–44 u. S. 268. Zur Überlieferungsgeschichte siehe aktuell auch Velázquez: El puente de Mérida, S. 131–134. Sie äußert in diesem Zusammenhang die Vermutung, dass der Text nicht abgeschrieben, sondern in dieser Form erst im siebten Jahrhundert entstanden sei. Mit Blick auf Mérida vgl. Thompson: Romans and Barbarians, S. 190: „It is beyond question, then, that Goths were occupying Merida in the last year of King Euric’s reign, and that a Goth was in command there.“ Siehe zu einer allgemeinen Bewertung als „documento excepcional acerca de las primeras incursiones militares visigodas en Hispania que dejaron patente el poder visigodo“, Ripoll/ Velázquez: La Hispania visigoda, S. 68, siehe anders hierzu aktuell jedoch auch Velázquez: El puente de Mérida, S. 128. García Moreno: Historia de España visigoda, S. 79, spricht von einem „sistema defensivo instaurado por Eurico en Mérida“. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 206. Ausgehend von der Tatsache, dass Mérida im Römischen Reich Provinzhauptstadt war, geht Claude: Westgoten, S. 42, angesichts
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deuten auf ziviler Ebene diejenigen Interpretationen, welche diese Restaurationsarbeiten an öffentlichen Bauten auch als Anknüpfung an den römischen „Euergetismus“ verstehen.207 So wurde der Bevölkerung Méridas durch die Maßnahmen eine übergeordnete Herrschaftsebene und dessen positiver Einfluss ebenso praktisch wie symbolisch dargestellt. Bei diesem Aspekt ist schließlich die bei einigen Autoren vorangestellte Voraussetzung zu betonen, dass der genannte westgotische dux Salla208 unmittelbar im Auftrage seines Königs handelte.209 Schließlich ist aus dem im Text enthaltenen Hinweis auf eine Landzuweisung (quo deditas sibi precepit excoli terras) als repräsentatives Einzelbeispiel ein Modell für den möglichen Vollzug der westgotischen Ansiedlung auf der Iberischen Halbinsel abgeleitet worden. Demnach habe der westgotische dux auf diesem, ihm vom König in der Region überantwortetem Land sein westgotisches „Gefolge“ angesiedelt, mit welchem er jenen Raum militärisch kontrolliert habe.210 Entschieden gegen eine solche „westgotische Interpretation“ der Inschrift hat sich in mehreren Publikationen jüngeren Datums Javier Arce ge-
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der dortigen Präsenz eines westgotischen dux so weit, über die Existenz eines Dukats zu spekulieren, was wiederum auch von König: Archäologische Zeugnisse westgotischer Präsenz, S. 223, aufgegriffen wurde. König: Archäologische Zeugnisse westgotischer Präsenz, S. 223, wertet es als „spätantike Herrscherpflicht […] Bauwerke, wenn schon nicht zu errichten, so doch instandzuhalten“. Auch Kulikowski: Late Roman Spain, S. 206, wertet die Bauarbeiten als „traditional act of patronage“, für den Collins: Early Medieval Spain, S. 25, die integrative Wirkung für die einheimische Bevölkerung unterstreicht. Auch wenn dies nicht letztgültig zu beweisen ist, so ist der dux sehr wahrscheinlich identisch mit jenem Salla, der im Auftrage König Theoderichs II. im Jahre 466 bereits eine Gesandtschaft an den suebischen Hof anführte, vgl. Hydatius: Chronicon 237; PLRE 2, S. 971. García Iglesias, Luis: Aspectos económico-sociales de la Mérida visigotica, in: Revista de Estudios Extremeños 30 (1974), S. 321–362, S. 328 ff., befindet zwar einerseits, dass die Rolle, welche die beiden genannten Handlungsträger, namentlich also der dux Salla sowie der Bischof Zenon, bei den genannten Maßnahmen genau gespielt haben, anhand der Inschrift nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen sei. Andererseits legen für ihn sowohl der Text als auch das Ausmaß der Arbeiten jedoch insgesamt nahe, dass beide lediglich als Vertreter der Zentralmacht agierten. Dementsprechend seien die Arbeiten direkt auf den König zurückgegangen und aus dem fiscus bezahlt worden; vgl. auch Orlandis: Época visigoda, S. 59; Collins: Early Medieval Spain, S. 25. García Moreno: Mérida y el reino visigodo de Tolosa, S. 236–240, S. 239: „Eurico habría entregado tierras – posiblemente de la antigua res privata o confiscadas, y por ello no en producción (bona vacantia) – al noble visigodo Salla. Este, que contaría con importantes clientelas, procedería al asentamiento de éstas en dichas tierras. Clientelas que, naturalmente, serían parte importante en la composición de las fuerzas visigodas de ocupación y guarnición en la zona.“
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wandt.211 Im Gegensatz zu den bis hierher dargestellten Perspektiven sind nach seinem Verständnis des Textes weder Salla geschweige denn Eurich bei der Interpretation dieser Quelle in den Blickpunkt zu stellen, sondern als die zentrale Figur bei der Durchführung der restaurativen Baumaßnahmen gilt ihm der Bischof Zenon. Die Inschrift könne damit auch nicht als Nachweis einer westgotischen Herrschaft dienen, sondern sie rücke stattdessen die civitas und ihr in Zenon personifiziertes patriotisches Bemühen zur Aufrechterhaltung der dignitas der Stadt in den Fokus, wie dies in der traditionellen epigraphischen Formel des amor patriae artikuliert werde. Im Fazit werfe sie damit kein Schlaglicht auf eine beginnende westgotische Machtentfaltung, sondern müsse als Ausweis des Fortwirkens der spätantiken städtischen Strukturen gewertet werden. Als richtungsweisende Entwicklung sei dabei jedoch die herausgehobene Funktion des Bischofs zu beachten, der hier als Anführer der civitas greifbar werde.212 Die Überbewertung der Rolle des westgotischen Königs in der Forschung gehe dabei nach Arce zum Teil auf eine falsche Übersetzung der folgenden Verse des Textes zurück: nunc tempore potentis Getarum Euricii regis/ quo deditas sibi precepit excoli terras/ studuit magnanimus factis extendere n(o)m(e)n/ ueterum et titulis addit Salla suum. Gemäß der oben dargestellten Interpretationen ist dieser Abschnitt bisher folgendermaßen verstanden worden: „Nun aber, zur Zeit Eurichs, des mächtigen Königs der Geten, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, für die ihm anvertrauten Länder zu sorgen, und der großherzig bestrebt ist, seinen Namen durch Taten zu verbreiten, fügt Salla seinen Namen den Inschriften der Ahnen hinzu.“213 Im Gegensatz dazu 211
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Siehe dazu Arce, Javier: Mérida tardorromana. 300–580 d. C. (Cuadernos Emeritenses 22), Mérida 2002, S. 191; Id.: Bárbaros y romanos, S. 147; Id.: La inscripción del puente de Mérida, S. 122–125. Arce: Bárbaros y romanos, S. 147: „[L]a presencia del dux en Emerita no significa ni que los godos hubieran tomado posesión de la ciudad ni que la ocupación militar visigoda de la Lusitania fuera ya un hecho en esta fecha. El dux Salla podía estar allí de paso y por razones prácticas pudo poner a sus tropas al servicio de la reparación del puente y de las murallas a solicitud de Zenón, que es lo que viene a decir la inscripción al mencionar al obispo. La inscripción hace hincapié en que el instigador de las obras fue el obispo y éste lo hizo amor patriae, una vieja fórmula de patriotismo tardoantiguo plenamente clásico, pero vigente aún. El evergetismo cívico estaba ahora en Emerita en manos del obispo que era realmente el líder de la ciudad. No podemos asegurar que Salla fuese el gobernador en ese momento, ni de la inscripción se sigue que Lusitania y Emerita estaban en manos de los visigodos.“ Aus Ripoll López, Gisela/ Palol, Pedro de: Die Goten. Geschichte und Kunst in Westeuropa, Stuttgart/ Zürich 1990, S. 81 f.; siehe in der Richtung ebenso García Iglesias: Aspectos económico-sociales, S. 328/29, und Ripoll/ Velázquez: La Hispania visigoda, S. 67, S. 72.
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hält Arce und mit ihm auch Isabel Velázquez die folgende Lesart des Textes für korrekt, die übersetzt in etwa wie folgt lautet: „Nun aber, zur Zeit Eurichs, des mächtigen Königs der Goten, verordnete Salla, für die ihm anvertrauten Länder zu sorgen, und der großherzige Salla war darum bemüht, seinen Namen durch Taten zu verbreiten, und den bereits existierenden Inschriften hinzuzufügen“.214 Arce betont dabei, dass Eurich im Text lediglich in der Genitivapposition auftauche und das grammatikalische Subjekt der folgenden Verse damit nicht dieser sondern Salla sei. Inhaltlich folgt daraus eine Aufwertung der Tätigkeit des dux, wohingegen die Funktion des Königs ausschließlich auf die eines chronologischen Bezugspunktes reduziert wird.215 Die von Arce vorgebrachte Kritik an der vielfach überladenen und teleologischen Interpretation dieser Quelle, im Sinne einer frühen Datierung eines spanischen Westgotenreiches, und seine Anmerkungen hinsichtlich der Übersetzungsproblematik sind zweifellos als wichtige Beiträge in die Diskussion dieser Inschrift mit einzubeziehen. Dem ist jedoch gleichzeitig gegenüberzustellen, dass sich auch gegen seine Schlussfolgerungen ähnliche Einwände erheben lassen. Diese gehen darauf zurück, dass den „westgotischen Elementen“ der Inschrift in Arces Interpretation kaum Beachtung geschenkt wird und sie gegenüber der Betonung der städtischen Kontinuität zu stark in den Hintergrund treten. So liefert der Text keine Rechtfertigung für die bei Arce deutlich herausgestellte qualitative Abstufung der drei genannten Personen, welche er dahingehend artikuliert, dass der Bischof als entscheidender Handlungsträger benannt werde, während die Beteiligung und Erwähnung des dux eher zufällig sei und der König dem Letztgenannten lediglich als chronologischer Referenzpunkt diene. Zwar nennt die Inschrift den amor patriae als Movens für Zenons Bautätigkeit, 214
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Arce: La inscripción del puente de Emerita, S. 124: „Ahora, durante el reinado del poderoso rey de los getas Eurico, tiempo durante el cual ordenó cultivar las tierras a él asignadas, el magnánimo Salla quiso también propagar su propio ilustre nombre y lo añadió a las inscripciones existentes.“ Für eine Präzisierung hinsichtlich der spanischen Übersetzung vgl. Velázquez: El puente de Mérida, S. 128. Hinsichtlich der bereits existierenden Inschriften führt Arce in Anlehnung an vorangegangene Untersuchungen zur Brücke aus, dass an ihr bereits früher restaurative Maßnahmen durchgeführt wurden und die hier behandelte Inschrift den daran erinnernden hinzugefügt wurde. Siehe Arce: La inscripción del puente de Emerita, S. 123, sowie zur Baugeschichte ausführlich Álvarez Martínez, José M.: El puente romano de Mérida (Monografías Emeritenses 1), Madrid 1983. Arce: La inscripción del puente de Emerita, S. 123: „La referencia a Eurico es exclusivamente cronológica; es decir, se menciona para fechar el texto durante su reinado, es una mera referencia cronológica: nunc tempori [sic] potentis Getarum Eurici regis.“ Siehe ausführlich auch Velázquez: El puente de Mérida, S. 128–131.
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gleichzeitig gibt sie jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Sallas Initiative diesem hintan zu stellen wäre.216 Statt eine höchstens in Nuancen erkenntliche Differenzierung in den Vordergrund zu stellen, erscheint es, dem Duktus der Quelle folgend, angemessener, die Kooperation zwischen dem westgotischen dux und dem Bischof als höchstem Repräsentanten der civitas in den Blickpunkt zu stellen.217 Zu unterstreichen wiederum ist Arces Hinweis darauf, dass die Quelle weder als Beweis für eine direkte Einflussnahme des westgotischen Hofes auf die Baumaßnahmen in Mérida noch gar als Beleg für eine westgotische Kontrolle Spaniens in Dienst genommen werden kann, wie dies teilweise aus der Nennung Eurichs abgeleitet worden ist.218 Nicht letztgültig zu klären bleibt weiterhin die genaue Übersetzung der oben betrachteten Textpassage, da die exakten grammatikalischen und semantischen Funktionen Eurichs im Text der Inschrift nicht exakt geklärt werden können, zumal es sich um metrisch geformte Sprache handelt. Isabel Velázquez hat sich, wie oben gesehen, aktuell dafür ausgesprochen, den Bezug zu Eurich als chronologische Angabe und Salla als Subjekt der folgenden Sätze zu verstehen. Dennoch kann auch sie die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die im Genitiv stehende Apposition Eurici regis in der fol216
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Ebenso wie in der Abschlussformulierung, urbs Augusta felix mansura p(er) scla. longa/ nobate studio ducis et pontificis, ist auch im Text eine Gleichstellung auszumachen. Wollte man den Versuch unternehmen, aus dem Text eine Hierarchie abzuleiten, so läge die Betonung aufgrund der doppelten Erstnennung des dux wohl eher auf Seiten Sallas, statt auf der des Bischofs. Vgl. dazu auch Velázquez, Isabel: El puente de Mérida, S. 134: „No me parece que se pueda minimizar la acción de Salla en el texto […]. En él, el dux figura como el principal protagonista de la actividad edilicia y de la práctica evergética que conlleva. A ella se suma la de Zenón, que se ocupa de construir ciertas defensas, tal vez rehaciendo o reforzando la muralla o puntos estratégicos de la misma.“ Siehe in diese Richtung weisend auch schon Stroheker, Karl Friedrich: Spanische Senatoren der spätrömischen und westgotischen Zeit, in: Id.: Germanentum und Spätantike, Stuttgart/ Zürich 1965, S. 54–87, S. 78 [= Madrider Mitteilungen 4 (1963), S. 107–132], sowie Kulikowski: Late Roman Spain and its Cities, S. 206. Entsprechend revidiert der Verfasser auch folgende, in einem anderen Kontext geäußerte Einschätzung dieser Inschrift, Koch: Überlegungen, S. 22: „Hierin zeigt sich, dass der im etwa 1000 km entfernten Toulouse residierende westgotische König nicht nur die ökonomischen, administrativen und strukturellen Mittel, sondern auch den Willen dazu hatte, durch seine Amtsträger öffentliche Großbauten in einer der zu diesem Zeitpunkt bedeutendsten civitates der Hispania durchzuführen. […] Eurich erscheint hier also auf sehr symbolträchtige Weise in einer staatstragenden Funktion und stellt gleichzeitig unter Beweis, dass er in der Lage dazu war, diese Rolle auszufüllen.“ Vgl. auch Id.: Gotthi intra Hispanias sedes acceperunt, S. 96.
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genden Zeile als Ellipse in den Nominativ wechseln und so als Subjekt fungieren könnte.219 Es bleibt damit der Interpretation des Lesers anheim gestellt, ob er davon ausgeht, dass Eurich Land zugewiesen worden ist, um welches sich zu kümmern er veranlasste, um seinen Ruhm zu mehren, oder ob Gleiches zur Zeit Eurichs auf Salla zutraf. Auch die hier als „Landzuweisung“ übersetzte Formulierung deditas terras bleibt vieldeutig. Ist damit der konkrete Besitz von (Acker)Land oder die Oberhoheit über eine bestimmte Landschaft beziehungsweise ein Territorium gemeint? Während die Formulierung terra gerade in Verbindung mit dem Verb excolere eher einen Bezug zu einer landwirtschaftlich genutzten Fläche hervorruft, lässt sich eine solche mit dem inhaltlichen Kontext der Quelle wiederum nicht in Verbindung bringen.220 Auch wenn bei der Bewertung dieser Inschrift in der Tat Vorsicht geboten ist, so kann doch nicht ignoriert werden, dass hier zum gegebenen Zeitpunkt von einem wie auch immer gearteten „Landbesitz“ entweder des Königs oder eines hochrangigen westgotischen dux in Mérida die Rede ist, sowie die Inschrift ebenfalls das Mitwirken des besagten dux an prestigeträchtigen städtischen Restaurationsarbeiten betont. Darüber hinaus ist auch die Minimalfeststellung, dass neben der Datierung nach der Spanischen Ära ferner der westgotische König als chronologischer Bezugspunkt dient, keineswegs als nebensächlich zu erachten. Insgesamt deutet das bis hierher dargestellte Für und Wider zwischen den, wenn man so will, westgotischen und römischen Interpretationen auf eine Synthese beider Stoßrichtungen hin. Es erscheint dabei ratsam, die strukturelle Kontinuität der civitas, soweit sie sich durch die Inschrift nachvollziehen lässt, zum Ausgangspunkt der Bewertung zu machen. In Anknüpfung an das Muster des römischen „Euergetismus“ wirkte eine städtische Eigenidentifikation weiter fort, die als amor patriae noch immer wohlhabende Männer der Stadt dazu bewegte, in repräsentativer und prestigeträchtiger Weise für das Wohl der civitas tätig zu werden. Im Text der Inschrift steht dieses Selbstbewusstsein der Stadt Mérida jedoch nicht ausschließlich für sich, sondern im Zusammenhang mit einer über ihre Grenzen hinausreichenden politischen Größe. Dieser Bezugspunkt war dabei nicht mehr der römische Kaiser, der für das Westreich schon nicht mehr existierte, sondern der 219
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Siehe dazu Koch: Nunc tempore potentis Getarum Eurici regis, S. 138, und darauf Bezug nehmend Velázquez: El puente de Mérida, S. 129 mit Anm. 6, sowie Arce: Aportaciones a la discusión, S. 145, der in Bezug auf die vom Verfasser vorgeschlagene Lesart äußert: „Coincido con él en el problema del sujeto elíptico Eurico para precepit (lectio difficilior, cierto, pero casi necesaria), manteniendo Salla para los otros dos verbos.“ Siehe auch die Überlegungen von Velázquez: El puente de Mérida, S. 131 mit Anm. 9.
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„mächtige Gotenkönig Eurich“. Diese Verbindung wäre dadurch erklärlich, dass ein westgotischer Funktionsträger aktiv auf die in der Inschrift genannten Baumaßnahmen eingewirkt hat. Auch wenn wir jedoch davon ausgehen, dass der Bischof der zentrale Handlungsträger war, so bleibt zu konstatieren, dass er im gegebenen historischen Kontext – der durch die Anwesenheit eines sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Begleitung von Truppen befindlichen westgotischen dux gekennzeichnet war – geneigt dazu war, die Stadt und sein persönliches Wirken in ihr auch in einen über diese hinausweisenden westgotischen Bezugsrahmen zu stellen. Naturgemäß ist es methodisch nicht zulässig, aus diesem singulären Befund pauschalisierende Aussagen über zeitlich oder räumlich differente Kontexte abzuleiten. Dies wird besonders durch eine weitere Inschrift, diesmal aus Tarragona (Tarraco), unterstrichen, welche belegt, dass auf dem Forum der Stadt im Jahr 472 eine dem weströmischen Kaiser Anthemius (467–472) und dem oströmischen Kaiser Leo (457–474) gewidmete Statue aufgestellt wurde.221 Wie Arce in Bezug hierauf zu Recht konstatiert, kann dieser Akt als Ausdruck eines politischen Zugehörigkeitsgefühls zum Imperium Romanum gewertet werden.222 In der Zusammenschau dieser beiden Beispiele zeigt sich die Fragmentierung der politischen Situation in der Hispania, angesichts welcher fundierte Aussagen über die Herrschaftsverhältnisse chronologisch und geographisch sehr präzise zu differenzieren wären. Da die Quellengrundlage eine solche Differenzierung häufig nicht erlaubt, können für viele Regionen und Phasen nur Einschätzungen und keine sicheren Erkenntnisse formuliert werden. Bei allen genannten Einschränkungen gestattet die benannte Brückeninschrift von Mérida aber dennoch eine wichtige Beobachtung. Diese besteht darin, dass es zumindest vereinzelt bereits im ausgehenden fünften Jahrhundert in der Hispania Machtkonstellationen gab, in welchen es den weiterhin in römischen Substrukturen organisierten einheimischen Kräften notwendig oder opportun erschien, ihr regionales Handlungsfeld auch in Bezug zu einer überregional agierenden und als gotisch identifizierten Macht zu stellen. Zu dem hier in die Argumentation gebrachten Schlagwort der Kontinuität römischer Strukturen könnten zweifellos wiederum eine Reihe von Differenzierungen gemacht werden.223 Im Rahmen unserer Fragestellung 221
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ILS, Nr 815; sowie: Die römischen Inschriften von Tarraco, hg. v. Géza Alföldy (Madrider Forschungen 10), Bd. 1: Text, Berlin 1975, Nr. 100. Arce: Bárbaros y romanos, S. 168 f. Ein Beispiel, für welches je nach Perspektive entweder signifikante Kontinuitätslinien oder wesentliche Aspekte der Diskontinuität ausgemacht werden können, ist etwa die Entwicklung der spätantiken villae. Siehe dazu Chavarría Arnau: El final de
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muss es jedoch genügen, von den neueren Forschungsergebnissen auszugehen, welche auch für die Hispania auf der Mikroebene eine Stetigkeit sowohl der wesentlichen urbanen als auch der ländlichen Organisationsformen und Besitzverhältnisse über die politische Auflösung des römischen Reiches hinweg gezeigt haben.224 Wenn wir davon ausgehen, dass es noch möglich war, aus diesen kleinräumigen Strukturen Überschüsse zu erwirtschaften, so ist damit das militärische Potential einzelner landbesitzender Familien und civitates zu erklären, wie es in den Quellen vereinzelt zu beobachten ist. Hatte der senatorische Adel der Hispania im Kontext der innerrömischen Konflikte schon im fünften Jahrhundert damit begonnen, seine Interessen durch privat unterhaltene Armeen zu vertreten, so erfahren wir durch Prokops Bericht zur Heirat König Theudis’ mit einer Frau aus einheimischem Hause, dass ihre Familie auch zu Anfang des sechsten Jahrhunderts noch in der Lage dazu war, eine große Privatarmee zu finanzieren.225 Ebenso zeigte sich bei verschiedenen Gelegenheiten auch die Wehrhaftig-
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las villae. Vgl. allgemein auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 232; Stocking: Review Article, besonders S. 341, S. 346. Martin: La géographie du pouvoir, S. 139: „La trame administrative de l’Hispanie, léguée par l’Empire mais adaptée par les acteurs du pouvoir des VIe–VIIe siècle“. Siehe dazu oben Kap. 1.3. Ein Quellespezifikum für das Toledanische Reich sind in diesem Zusammenhang die nach ihrem Beschreibstoff benannten „pizzaras“ (in Erweiterung einer älteren Edition nun ediert in: Documentos de época visigoda escritos en pizzara [siglos VI–VIII], hg. v. Isabel Velázquez [Monumenta Palaeographica Medii Aevi, Series Hispanica], 2 Bde., Turnhout 2000). Die Inschriften auf diesen ausschließlich im Zentrum und Nordwesten Spaniens vorkommenden Tontäfelchen (zu einer präzisen Angabe der Fundorte siehe ibid., Bd. 2, S. 9–23, bei der eine erhebliche Konzentration der Funde in Diego Álvaro in der heutigen Provinz Ávila festzustellen ist) sind verschiedenartigen Themen gewidmet. Sie gewähren für diese Region jedoch vor allem einen alltagsgeschichtlichen Einblick in die Verhältnisse des Grundbesitzes und der Landwirtschaft, für den Zeitraum von etwa 560 bis 700. Mit Blick auf die strukturelle Kontinuität auf einer Mikroebene kommt Chris Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 225, vom Befund der „pizzaras“ ausgehend, zu folgendem Resümee: „The written sources for Visigothic landowning, taken as a whole, show a remarkably Roman Spain, a set of social patterns that had changed relatively little since the fifth century, with the important caveat that they had become very localized, restricted to single city territories or little more, often indeed […] less, with only political, not economic, links to the capital.“ Auch wenn die bei Prokop: De bello Gothico 1,13, genannte Zahl von 2000 Mann nicht wörtlich zu nehmen ist, kann daraus doch gefolgert werden, dass es sich um eine beträchtliche Anzahl gehandelt haben muss. Zur Aufstellung von Truppen aus Privatressourcen vgl. auch Orosius: Historia adversum paganos 7,40,5, sowie Stroheker: Spanische Senatoren, S. 77 f.; Maier: Amtsträger und Herrscher, S. 232 f.; Arce: Bárbaros y romanos, S. 42, S. 201.
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keit einzelner Städte.226 Beispiele wie diese verdeutlichen, dass die Westgoten bei dem Versuch, einen Herrschaftsanspruch auf der Iberischen Halbinsel durchzusetzen,227 zwar nicht mehr mit dem Widerstand eines regulären römischen Heeres rechnen mussten, sie gleichzeitig jedoch auch keineswegs eine „entmilitarisierte“ Hispania vorfanden, die einfach zu kontrollieren gewesen wäre. Auch aus dieser Perspektive ist das vor allem in der älteren Forschung transportierte Bild der westgotischen Einwanderer zu revidieren, welche die vergleichsweise wehrlosen Hispano-Romanen handstreichartig ihrer Herrschaft haben unterwerfen können. Stattdessen ist zu betonen, dass jedwede Macht, die in diesem Raum überregional Einfluss ausüben wollte, auf die Kollaboration, Akzeptanz oder zumindest Duldung seitens der einheimischen Eliten angewiesen war.228 Vor diesem wie vor dem Hintergrund unserer insgesamt nur spärlich vorhandenen Informationen können schlaglichtartige Belege für ein solches Verhältnis der hispano-romanischen Führungsschicht nicht als bedeutungslose Einzelfälle abgetan werden. Über die schon genannten Beispiele der Brückeninschrift und der Theudis unter Kommando gestellten Soldaten hinaus, finden wir schon seit den 460er Jahren hochrangige römische Offiziere, die zwar weiter in vielfach nach der römischen Militärnomenklatur benannten Ämtern blieben, die sich mittlerweile jedoch dem westgotischen König unterstellt hatten:229 „Während im Fall des Nepotianus der Übergang vom römischen Magister utriusque militiae zum gotischen Heerführer fließend ist, wurde noch im gleichen Jahr 461 sein Nachfolger Arborius ausdrücklich von Theoderich II. und nicht vom Kaiser eingesetzt“, stellt Andreas Schwarcz zu den beiden von ihm genannten Beispielen heraus.230 Dass die Herkunft einer Person 226
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Besonders eindrücklich ist hier das Beispiel Córdobas, welches sich 550 gegen Agila erfolgreich zur Wehr setzte und dem westgotischen König eine empfindliche Niederlage beibrachte. Isidor: Historia Gothorum 45. Dass sie diesen Anspruch hatten, wird weiter unten dargestellt. Siehe dazu z. B. Moorehead: The Roman Empire Divided, S. 65, der mit Blick auf die Westgoten in Spanien befindet: „Wherever they went, they found local elites keen to co-operate with them“; Martín Viso: Fragmentos del Leviatán, S. 32–37; Schwarcz: Senatorische Heerführer im Westgotenreich, S. 52: „Betrachtet man die Entwicklung, so zeigt sich, daß die Etablierung des Westgotenreiches als dominierende Kraft in Südgallien und Spanien mit aktiver Mithilfe zumindest eines Teils der römischen Oberschicht und der militärischen und zivilen Führung vor sich ging“; Arce: Bárbaros y romanos, S. 149. Siehe dazu mit Blick auf das Tolosanische Reich auch Kap. 2.3. Siehe dazu besonders Schwarcz: Senatorische Heerführer im Westgotenreich; auch Maier: Amtsträger und Herrscher, S. 233; Arce: Bárbaros y romanos, S. 211 Schwarcz: Senatorische Heerführer im Westgotenreich, S. 50. Vgl. Hydatius: Chronicon 213, Nepotianus Theuderico ordinante Arborium accipit successorem, und als Beleg für
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per se noch nichts über deren militärische und damit bis zu einem gewissen Grad auch politische Loyalität aussagt, wird besonders deutlich im Fall des dux Vincentius. Kurz zuvor noch als in kaiserlichem Dienst stehend belegt, erfahren wir zum Jahr 473, dass Vicentius als dux Hispaniarum im Dienste Eurichs „gegen den Adel des Ebrotales, gegen sein eigenes Land“ kämpfte.231 Wie die Notwendigkeit zu diesem Handeln zeigt, sahen nicht alle lokalen Amts- und Würdenträger ihr Heil darin, sich einer neuen Zentralmacht, namentlich dem Westgotenreich, einzugliedern. Diese Feststellung ist jedoch kein Spezifikum der Entstehungszeit des spanischen Westgotenreiches, welche vermeintlich geprägt war durch die mit ethnischen Grenzen in Deckung zu bringenden Konfliktlinien zwischen der gotischen Führungsschicht und den hispano-romanischen Untertanen.232 In dieser Hinsicht bemerkte Roger Collins schon im Jahr 1980 auf Grundlage einer Untersuchung der Herrschaftsverhältnisse in den Städten Mérida und Toledo in der Zeitspanne von 550 bis 585 wie folgt: „[T]his period should be looked at in as precise a set of local contexts as possible, and that it is possible to escape from a Toledo-centred view of the kingdom. There were other viewpoints and interests, often in conflict with those of the centre, and it is this constant tension between the centre and the periphery that may be termed the main dynamic of the history of Visigothic Spain. […] I suspect that the overthrow of authority of the centre was never in the long run disastrous for the provinces. They had sufficient resources, self-reliance, and sheer selfishness to keep on going, to the great strenght and vitality of Spain as a whole.“233 Mittlerweile haben neuere Forschungen diese „Regionalität“ als grundlegendes Strukturelement des Toledanischen Reiches bestätigt und die fortwährende Interaktion zwischen der Zentralmacht und den lokalen Zentren zum Untersuchungsthema gemacht.234 Dabei ist zu betonen,
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dessen Posten siehe ibid. 198. Siehe auch PLRE 2, Arborius 1, S. 129; ibid., Nepotianus 2, S. 778. Wolfram: Goten, S. 190. Siehe Chronica Gallica 652, sowie PLRE 2, Vicentius 3, S. 1168; Stroheker: Spanische Senatoren, S. 77. Zu dem Aspekt, dass die Konfliktlinien nicht zwingend ethnischen Grenzen entsprachen vgl. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 209. Collins, Roger: Mérida and Toledo (550–585), in: James (Hg.), Visigothic Spain, S. 189–219, S. 218/19. Siehe dazu etwa Martin: La géographie du pouvoir, besonders S. 99–140, S. 372: „L’existence et la vigueur des pouvoirs locaux ne supposait pas non plus un obstacle à la force du pouvoir central. Le royaume de Tolède était en fait un édifice à deux niveaux, où les élites laïques et ecclésiastiques détenaient à leur échelle un pouvoir considérable, mais spatialement limité, et trouvaient dans les institutions centrales la possibilité d’accroître leur prestige et leur fortune, ainsi que d’entendre leur rayon d’influence.“, und Martín Viso: Fragmentos del Leviatán, und in weiten Teilen auch
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dass die Fragmentierung des Herrschaftsraumes nicht ursächlich im Zusammenhang mit dem Auftauchen der Westgoten stand, sondern sich diese Tendenz bereits in der Geschichte des westlichen Imperiums abzeichnete.235 Wie weiter oben deutlich geworden ist, ist es insbesondere für die Zeit bis zum letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts unmöglich, einen flächendeckenden und kontinuierlichen Überblick über diese stets wechselvollen Machtverhältnisse zwischen den partikularen Kräften und einer Herrschaftsanspruch erhebenden Zentralmacht zu gewinnen. Dass die Goten solche Ambitionen mindestens mit Blick auf Teile der Hispania hegten und sich ihr Interesse nicht einzig auf kurzfristige Raubzüge beschränkte,236 ist an einer Reihe von Hinweisen zu belegen. Dabei ist zunächst auf die „diplomatische Einmischung“ der westgotischen Könige in die innerspanischen Belange zu verweisen, wie sie der von Hydatius überlieferte intensive Botenverkehr zeigt.237 Es kann hier auch erneut auf die von Theoderich II. verordnete Ablösung des Heermeisters Nepotianus durch Arborius Bezug genommen werden, die über die Tatsache, dass hier ein römischer Offizier in Diensten des Königs steht, auch Folgendes zeigt: „Die Macht des West-
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Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, sowie etwa Díaz/ Valverde Castro: Theoretical Strength and Practical Weakness; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 209; Castellanos/ Martín Viso: Local Articulation of Central Power, S. 14: „In this wider context, the potential of the monarchy as an institution was both dependent upon, and limited by, collaboration with local aristocracies: a state of ‚constant tension‘.“ Es kann hier etwa auf die Probleme des Westreiches verwiesen werden, die es vielfach dabei hatte, seine Herrschaft in der Peripherie lokal verankerten Widerständen gegenüber durchzusetzen. Siehe prononciert dazu Martin: La géographie du pouvoir, S. 371 f., S. 371: „Celles de ses caractéristiques qui pourraient être imputées à une fragmentation médiévale du pouvoir étaient déjà présentes dans l’Empire romain tardife.“ Damit soll gleichwohl nicht das Interesse an profitablen Militärexpeditionen geschmälert werden. Da die Versorgung von Truppen als eine der Kernaufgaben und Herausforderungen für den König vorausgesetzt werden kann, sind die militärischen Aktivitäten im Gegenteil in vielen Fällen sicher diesem ebenso profanen wie essentiellen Anliegen geschuldet. Hydatius: Chronicon 170, 172, 192, 197, 205, 208, 219, 220, 226, 230, 231, 233, 237, 238, 239, 242, 245. Bei der Mehrzahl dieser Belege handelt es sich um Botenkontakte zwischen dem Sueben- und Westgotenreich. Da die Beziehungen zwischen beiden regna ansonsten nicht in überdurchschnittlichem Maße ausgeprägt waren, ist dieser Befund vor allem auf den Kenntnishorizont Hydatius’ zurückzuführen, der sich zum Ende seiner Überlieferung zusehends auf den Nordwesten der Hispania eingrenzt. Vor diesem Hintergrund sind ähnliche Aktivitäten auch in anderen Regionen der Halbinsel durchaus wahrscheinlich.
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gotenkönigs drückt die Tatsache aus, daß er als erster Herrscher eines barbarischen Regnums auf Reichsboden den zweithöchsten militärischen Amtsträger des Imperiums durch einen Mann seiner Wahl ersetzen konnte, während andere Könige darum bemüht waren, ein Amt wie das des Nepotianus selbst zu bekleiden.“238 In diesem Handeln nimmt Theoderichs Herrschaftswille deutlich Gestalt an und die Tatsache, dass diese in der Chronik Hydatius’ überlieferte Begebenheit dem römischen Chronisten keines weiteren Kommentars wert erschien, legt nahe, dass der Westgotenkönig auch ihm nicht als ein Barbarenherrscher auf Beutezug galt. In diese Richtung weist auch der Bericht über die Einnahme der Stadt Ulixippona (bei Lissabon) durch die Goten. Der Bericht über die anschließende Plünderung der sich dort aufhaltenden Sueben und Römer zeigt dabei zum einen das materielle Profitinteresse der Intervention. Vorangegangen war dem jedoch die von der einheimischen Bevölkerung, namentlich des Stadtoberen Lusidius, begünstigte suebische Okkupation der Stadt.239 Das gotische Eingreifen ist damit nicht einzig als ein Raubzug zu klassifizieren, sondern vor allem als Strafaktion, die sich sowohl gegen die „Okkupation“ durch die Sueben als auch gegen den „Verrat“, jeweils aus gotischer Perspektive, der römischen Bevölkerung richtete und macht somit auch einen Herrschaftsanspruch deutlich. Gleiches gilt auch für die Bestrafungszeremonielle, über die wir aus den Consularia Caesaraugustana Nachricht haben.240 Wie sie mitteilen, wurde der Usurpator Burdunelus nach der Niederschlagung des von ihm angeführten Aufstandes in der Tarraconensis eigens in die westgotische Hauptstadt nach Toulouse verbracht, um dort in einer öffentlichen Zeremonie hingerichtet zu werden. Wie in der Forschung betont wurde, steht dieses Zeremoniell in der römischen Tradition des Umgangs mit besiegten Usurpatoren.241 Es darf folglich als das Ziel des westgotischen Königs Alarich II. gelten, symbolisch darzustellen, von wo aus und von wem die legitime Macht über diesen Teil Spaniens ausgeübt wurde. Gleiches gilt für das Ende des Usurpators Petrus. Wenn dessen Kopf nach seiner Hinrichtung nicht bis nach Toulouse, sondern lediglich ins nordspanische Saragossa geschafft wurde, zeigt sich darin wahrscheinlich eine unterschiedliche Gewichtung der ge238 239
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Schwarcz: Senatorische Heerführer im Westgotenreich, S. 50. Hydatius: Chronicon 246, Ulixippona a Suevis occupatur cive suo, qui illic praeerat, tradente Lusidio. hac re cognita Gothi qui venerant invadunt et Suevos depraedantur, pariter et Romanos ipsis in Lusitaniae regionibus servientes. Consularia Caesaraugustana 75a, 87a. McCormick, Michael: Eternal Victory. Triumphal Rulership in Late Antiquity, Byzantium, and the Early Medieval West, Cambridge 1986, S. 303 et passim; Collins: Commentary on the Consularia Caesaraugustana, 75a, S. 101 u. 87a, S. 102.
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nannten Aufstände. In jedem Fall deutet sich hierin jedoch auch die besondere Rolle Saragossas als Stützpunkt westgotischer Herrschaftsausübung an.242 Die Tatsache, dass die westgotischen Interessen in den genannten Fällen militärisch durchgesetzt werden mussten, ist freilich gleichzeitig ein Indiz dafür, dass der Herrschaftsanspruch mit der Wirklichkeit nicht immer deckungsgleich war. In diese Richtung ist auch die Tatsache gedeutet worden, dass auf dem Konzil von Agde im Jahr 506 zwar die große Mehrheit des gallischen Episkopats anwesend war, jedoch kein einziger spanischer Bischof.243 Dass auch diese dem Verständnis nach jedoch mindestens teilweise unter der Oberhoheit des westgotischen Reiches standen wird anhand der Konzeption einer für das Folgejahr geplanten Reichssynode in Toulouse deutlich, zu der neben dem gallischen auch das spanische Episkopat erscheinen sollte.244 Die militärische Konfrontation des Jahres 507 hatte zur Folge, dass diese Synode jedoch nie stattfand. Wie gesehen führte die Schlacht von Vouillé nicht nur zum Ausfall jener Synode, sondern hatte den Verlust der gallischen Kerngebiete des Westgotenreiches zur Konsequenz, was zu einer geographischen Verlagerung führte. Sehr bald intensivierte sich die Präsenz westgotischer Eliten daraufhin in der Tarraconensis, namentlich in Barcelona.245 Es ist jedoch zu betonen, dass sich die Verschiebung auf die Iberische Halbinsel nicht schlagartig vollzog, denn auch die Gebiete nördlich der Pyrenäen und Städte wie Carcassone und vor allem Narbonne blieben zunächst im Fokus westgotischer Interessen. Beispielhaft zeichnet sich diese Entwicklung im Itinerar Gesalechs ab, der in Narbonne zum König erhoben wurde und vor den Franken schließlich nach Barcelona zurückweichen musste. Von dort zwischenzeitlich ins nordafrikanische Exil verbannt, machte er sich im Jahr 513, also sechs Jahre nach den fränkischen Eroberungen, nach Aquitanien auf und schaffte es dort im Verlauf eines Jahres ein Heer aufzustellen, mit dessen Hilfe er erneut nach der westgotischen Krone greifen wollte. Um dieses Ziel zu erreichen, setzte er seine Truppen in Richtung Barcelona in Marsch, wo ihn der ostgotische dux Ibba letztgültig besiegte.246 Die Tatsa242 243 244 245
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Dominguez Monedero: Las necrópolis visigodas, S. 177. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 56; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 257. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 56. Consularia Caesaraugustana 91a, 92a, 94a. Ripoll: Sedes regiae, S. 377–382; Ead.: La transformación de la ciudad de Barcino durante la antigüedad tardía, in: Heredía Bercero, Julia Beltrán de (Hg.), De Barcino a Barcinona (siglos I–VIII). Los restos arqueológicos de la plaza del Rey en Barcelona, Barcelona 2001, S. 34–43, S. 36. Siehe zu Gesalech Consularia Caesaraugustana 91a, 94a; Isidor: Historia Gothorum 37, 38; Cassiodor: Variae epistolae 5,43; 5,44. Siehe zur anfänglichen westgotischen Kon-
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che, dass Gesalech in der Lage dazu war, in Aquitanien ein Heer auszuheben, dass offensichtlich keinen fränkischen Hintergrund hatte, deutet einerseits auf ein Fortwirken gotischer Bezüge in diesem Gebiet hin. Andererseits kann diese Episode als ein Beleg für die Verlagerung des westgotischen Herrschaftszentrums dienen, da Gesalech sein Heer über die Pyrenäen führte, um seine Ansprüche auf den Thron durchsetzen zu können. Auch die Berichte über Theoderichs Herrschaftsübernahme über die Westgoten im Jahre 511 setzen diese bereits deutlich in einen hispanischen Kontext. Gotthos regit in Hispanias, berichten dazu die Consularia Caesaraugustana und Jordanes schreibt in diesem Zusammenhang von einem regnum Spaniae, in welchem Theoderich als Vormund seines Enkels Amalarich agiert habe.247 Wie schwierig es auch im Weiteren ist, verlässliche Aussagen zum Umfang des westgotischen Herrschaftsraumes zu treffen, wird offenkundig an einem Beispiel aus der Regierungszeit Theudis’. Nachdem wir aus der Zeit seit 507 über Westgoten nur in der Tarraconensis erfahren, agiert der westgotische König gleichsam aus dem Nichts heraus in Ceuta, also an der nordafrikanischen Küste der Meerenge von Gibraltar. Nachdem byzantinische Truppen die Kontrolle über die Stadt an sich gerissen hätten, habe der König, wie Isidor berichtet, versucht Ceuta wieder in westgotische Hände zu bringen, woran er jedoch scheiterte.248 Unabhängig davon, ob Isidor darin Glauben geschenkt werden kann, dass die Stadt vor dem byzantinischen Vorstoß in westgotischem Besitz gestanden hatte,249 zeigt sein Ausgriff auf die gegenüberliegende Seite des Mittelmeeres eindeutig, dass er auf jeden Fall an der spanischen Uferseite einen sicheren Rückhalt gehabt haben muss. Dies verwundert umso mehr, da es bis dato gerade in diesem südlichen Teil der Hispania besonders wenig Hinweise auf eine westgotische Präsenz gibt und man davon ausgeht, dass die ehemaligen römischen Führungsschichten in der Baetica autonom herrschten. Da die Seeuntüchtigkeit der Westgoten vor ihrer Niederlassung in Aquitanien gleich mehrfach of-
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tinuität im Bereich der südlichen Gallia auch Claude: Westgoten, S. 59 f.; Wolfram: Goten, S. 244–247; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercicio del poder, S. 123 f.; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 261 f., und zur Rolle Narbonnes Ripoll: Sedes regiae, S. 375 ff. Consularia Caesaraugustana 94b; Jordanes: Getica 302; Prokop: De bello Gothico 1,12, berichtet zumindest, dass Theoderich „Befehlshaber und Truppen in Gallien und Hispanien unterhielt“. Isidor: Historia Gothorum 42. Siehe zu Ceuta in diesem Zusammenhang ausführlich Vallejo Girves, Margarita: Bizancio y la España tardoantigua (ss. V–VIII). Un capítulo de historia mediterranea (Memorias del Seminario de Historia Antigua 4), Alcalá de Henares 1993, S. 34–77.
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fenkundig wurde250 und sie auch während der Zeit des Tolosanischen Reiches keineswegs als Seemacht aktiv waren, ließe sich darüber nachdenken, inwieweit Theudis’ Expedition überhaupt erst durch die Unterstützung einheimischer Seeleute möglich wurde. Unabhängig von allen Spekulationen über die Details bleibt festzuhalten, dass der westgotische König zu diesem Zeitpunkt in der Baetica handlungsfähig war, was aufgrund der sonstigen Überlieferung in keiner Weise zu vermuten gewesen wäre. Trotz der damit angesprochenen Unklarheiten der Überlieferungslage ist mit Blick auf die Regierungszeit Theudis’ von einer „Neuorientierung der westgotischen Politik“ zum „bisher vernachlässigte(n) Südspanien“ gesprochen worden.251 Als ein Beleg dafür darf gelten, dass das Aktionsfeld der westgotischen Könige auch in den nächsten Jahren im Süden der Halbinsel lag, wie die sedes regiae Sevilla, Córdoba und Mérida dokumentieren.252 Prouinciam Gothorum, que iam pro rebelione diuersorum fuerat diminuta, mirabiliter ad pristinos reuocat terminos.253 Kommen wir mit diesen Worten Johannes’ von Biclaro, über die Eroberungen Leovigilds seit den 570er Jahren, zu einem Resümee. Aufgrund der Akzentsetzung des Zitates ließe sich vermuten, dass der Chronist denjenigen das Wort rede, die in den Feldzügen des Königs die Konsolidierung eines bereits zuvor existierenden spanischen Westgotenreiches sehen, dessen Ausdehnung sich während der Phase der Instabilität zwischenzeitlich erheblich eingeschränkt habe. Ausgehend von den wenigen Informationen der zeitgenössischen Quellen sehen andere in der Hispania im fünften Jahrhundert nur ein Zielgebiet punktueller gotischer Militärexpeditionen, bevor der Untergang des Tolosanischen Reiches dazu führte, dass der westgotische Hof dazu überging, dort festere Herrschaftsstrukturen etablieren zu wollen, was ihm bis ins letzte Drittel des sechsten Jahrhunderts jedoch nicht gelang. Für sie gelten die Darstellungen bei Johannes und in vergleichbaren Texten aus späterer Zeit, die aus einer veränderten politisch-sozialen Realität zurückblicken, als hofnahe Propaganda, von der eine vertrauenswürdige Bewertung der Ereignisse nicht zu erwarten sei.254 250 251
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Isidor: Historia Gothorum 22. Claude: Westgoten, S. 57. Die Verlagerung nach Süden wird auch betont etwa von García Moreno: Historia de España visigoda, S. 96 f.; Ripoll/ Velázquez: La Hispania visigoda, S. 28 ff.; Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 103. Ripoll: Sedes regiae, S. 383 ff. Johannes von Biclaro: Chronicon 10. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 256: „Most of our evidence for the earlier sixth century deals with activity of Gothic kings and derives from the very late sixth or the seventh century, when a Gothic kingdom encompassed almost the whole of the pen-
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Angesichts der hinlänglich beklagten Überlieferungslage wird sich diese Auseinandersetzung absehbar nicht objektiv zugunsten einer Seite entscheiden lassen, sondern die Bewertung der politischen Bedeutung der Westgoten auf der Iberischen Halbinsel bis zur Etablierung des Toledanischen Reiches bleibt in mancherlei Hinsicht eine Frage der Perspektive. Innerhalb der skizzierten Spannbreite der Interpretation bleibt hinsichtlich der Frage nach der gotischen Identität des Toledanischen Reiches hier jedoch Folgendes festzuhalten: Seit dem beginnenden fünften Jahrhundert waren der einheimischen Bevölkerung der Hispania die Westgoten zunächst als im Auftrage des Imperiums agierende Militäreinheit vertraut. Im Zuge der fortschreitenden Auflösung der römischen Zentralmacht agierten sie dort jedoch in zunehmendem Maße selbständig und artikulierten mindestens über Teile der Iberischen Halbinsel einen politischen Herrschaftsanspruch. Ausgehend davon, dass die Macht auf regionaler Ebene grundsätzlich in Händen der hispano-romanischen Elite lag, lassen sich punktuell Beobachtungen dazu machen, dass diese teilweise schon im fünften Jahrhundert bereit dazu war, mit den Westgoten zu kooperieren und ihrem Anspruch auf eine Oberhoheit in gewissem Maße Rechnung zu tragen. Ganz unmissverständlich ist dabei zu betonen, dass diese „Bereitschaft“ von den Westgoten in vielen Fällen auf brutale Weise militärisch erzwungen worden ist. Andererseits ist eine schließlich dauerhafte westgotische Herrschaft einzig unter solchen Vorzeichen nicht vorstellbar, sondern muss auch von einem Eigeninteresse regionaler Kräfte getragen worden sein. Angesichts der Aufsplitterung und Kleinräumigkeit der hispanischen Herrschaftsstrukturen seit dem Untergang des Weströmischen Reiches ist dabei auch zu betonen, dass die Westgoten seit dem genannten Zeitraum die einzige Macht waren, die über einen längeren Zeitraum und wiederkehrend überregional als Erbe des Imperiums in Erscheinung traten.
insula. That fact has consequences: the Gothic kings bulk far larger in our sources than they did in the history of the peninsula as a whole, with the result that we can all to easily retroject late sixth- or seventh-century Gothic strenght into the earlier parts of the sixth century. But to do so is misleading.“ Vgl. zur Quellenproblematik auch schon Hillgarth, Jocelyn N.: Historiography in Visigothic Spain, in: La storiografia altomedievale (SSCI 15/1), Spoleto 1970, S. 261–311, S. 271. Dieser quellenkritische Einwand ist zweifellos ernst zu nehmen (siehe dazu auch unten Kap. 4), allerdings sind es nicht allein die „westgotischen“ Quellen, in denen die Goten auch vor dem letzten Drittel des siebten Jahrhunderts mit Blick auf die politische Geschichte der Hispania eine exponierte Position einnehmen, sondern auch bei Hydatius oder Gregor von Tours lässt sich diese Beobachtung machen.
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3.4 Nomen und gens im spanischen Westgotenreich Während die ältere Forschung weitgehend voraussetzte, dass eine Unterscheidung mindestens zwischen Barbaren und Romanen anhand des Namenmaterials ohne Weiteres möglich sei, haben Forschungen jüngeren Datums gezeigt, dass dies so nicht der Fall ist.255 Namen können demnach durchaus eine „familiäre und gesellschaftliche Positionierung“ ausdrücken und damit „zu einem wichtigen sozialen und kulturellen Indikator für die Stellung des Benannten werden“.256 Diese Formulierung macht jedoch auch deutlich, dass die Einflüsse auf die Namengebung und ihre Ausdrucksmöglichkeiten nicht auf die ethnische Identität eingeschränkt, sondern weitaus vielgestaltiger und damit auch vieldeutiger sind. Der Name kann also Zeichen einer Gruppenidentität sein, allerdings ist per se aus ihm nicht erkenntlich, ob dies beispielsweise eine genealogische, ethnische, soziale oder religiöse Gruppe ist.257 Da Menschen sich heute wie damals gleichzeitig stets in mehreren solcher Identitätszusammenhänge befanden und befinden, wird die Situation noch einmal komplexer, da jeder dieser Bereiche, freilich in unterschiedlich ausgeprägtem Maße, auf die Namengebung einwirken kann.258 Für den Problemzusammenhang dieser Arbeit ist ferner die Feststellung von besonderer Bedeutung, dass die mit dem Namen getroffene Aussage nicht zwangsläufig ein Abbild der tatsächlichen 255
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Eine konzise Darstellung der methodischen Problematik liefert Goetz: Gentes. Siehe ferner dazu z. B. eine Reihe von Beiträgen in Geuenich, Dieter/ Haubrichs, Wolfgang/ Jarnut, Jörg (Hg.), Nomen et gens. Zur historischen Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen (RGA Ergbd. 16), Berlin/ New York 1997; Härtel, Reinhard (Hg.), Personennamen und Identität. Namengebung und Namengebrauch als Anzeiger individueller Bestimmung und gruppenbezogener Zuordnung (Grazer Grundwissenschaftliche Forschungen 3 = Schriftenreihe der Akademie Friesach 2), Graz 1997; Geuenich et al. (Hg.), Person und Name; Nomen et Fraternitas, FS Dieter Geuenich, hg. v. Ludwig u. Schilp. Jarnut, Jörg: Petronaci qui Flavipert. Der Name als sozialer und kultureller Indikator, in: Nomen et Fraternitas, FS Dieter Geuenich, hg. v. Ludwig u. Schilp, S. 99–105, S. 99. Goetz: Gentes, S. 206 f. Siehe mit Blick auf die Iberische Halbinsel auch Kremer, Dieter: ‚Germanische‘ Namen auf der Iberischen Halbinsel, in: Geuenich, Dieter/ Runde, Ingo (Hg.), Name und Gesellschaft im Frühmittelalter. Personennamen als Indikatoren für sprachliche, ethnische, soziale und kulturelle Gruppenzugehörigkeiten ihrer Träger (Deutsche Namenforschung auf sprachgeschichtlicher Grundlage 2), Hildesheim/ Zürich/ New York 2006, S. 153–172, S. 158 f. Vgl. etwa Jarnut, Jörg: Senator heiratet Theodelinda. Studien über eine Paveser Familie im 7. und 8. Jahrhundert, in: Studien zu Literatur, Sprache und Geschichte in Europa. FS Wolfgang Haubrichs, hg. von Albrecht Greule, Hans-Walter Herrmann, Klaus Ridder u. Andreas Schorr, St. Ingbert 2008, S. 679–687; Id.: Petronaci qui Flavipert.
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Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches
Verhältnisse, sondern in erster Linie Ausdruck einer subjektiven Zuordnung ist.259 Das bedeutet, „wenn Völker sich schließlich weniger durch gemeinsame Abstammung als vielmehr durch den Glauben daran kennzeichnen, dann drücken auch gentilspezifische Personennamen bei bewußter Namengebung eher diese Überzeugungen als die tatsächliche Herkunft aus: Der Name verrät dann gar nicht mehr die Abstammung, sondern die gewollte Zugehörigkeit zu einem Volk“.260 Nachgerade in den barbarischen regna tritt dieser Aspekt in ein unmittelbares Verhältnis zu deren gentil identifizierten politischen und sozialen Strukturen. Als Folge daraus ist schließlich das Phänomen zu erklären, dass es in den Gebieten des ehemaligen westlichen Imperiums, in denen der römische Staat von einem barbarischen Nachfolgereich abgelöst wurde, zu einer sich in der Tendenz deutlich abzeichnenden Germanisierung des Namenmaterials kam.261 Die Vergabe germanischer Namen auch seitens der einheimischen Oberschichten ist damit als eine Reaktion auf den veränderten Staat und als eine Positionierung in demselben zu verstehen. Dieser Staat glich zwar strukturell in vielem noch immer dem Imperium, Macht und soziales Prestige wurden in ihm jedoch nicht mehr römisch, sondern gentil identifiziert. Ein germanischer Name wurde damit zum Element einer weltlichen Elite.262 Im Überblick lässt sich damit feststellen, dass die Personennamenforschung in ganz ähnlicher Weise und in Reaktion auf eine forschungsgeschichtlich in etwa vergleichbare Tradition wie im Falle der Archäologie, mittlerweile ebenso die Mehrdeutigkeit ihres Quellenmaterials herausgestellt und deutlich gemacht hat, dass weiterführende Informationen zum Kontext eines Namens beziehungsweise des Benannten die Voraussetzung für eine fundierte Interpretation sind.263 259
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Rübekeil: Ethnisches in germanischen Personennamen?, S. 25: „Für die Bewertung von sprachlichen Inhalten ist es von Bedeutung, dass diese nicht auf eine außersprachliche Lebenswelt verweisen, sondern auf mentale Abbilder, auf Begriffe, Vorstellungen, konzeptuelle Repräsentationen von Realität.“ Goetz: Gentes, S. 210. Jarnut, Jörg: Selbstverständnis von Personen und Personengruppen im Lichte frühmittelalterlicher Personennamen, in: Härtel (Hg.), Personennamen und Identität, S. 47–65 [Id.: Herrschaft und Ethnogenese, hg. v. M. Becher, S. 355–373], S. 48. Jarnut: Selbstverständnis, S. 51: „Die Wahl germanischer Namen für ihre Kinder war für die romanischen Oberschichten der Völkerwanderungszeit in den Barbarenreichen auf dem Boden des Imperium ein Mittel, durch partielle Anpassung und Angleichung an die germanischsprachigen Eliten ihre eigene herausgehobene Position zu bewahren.“ Goetz: Gentes, S. 218 ff.; Rübekeil, Ludwig: Ethnisches in germanischen Personennamen?, in: Nomen et Fraternitas, FS Dieter Geuenich, hg. v. Ludwig u. Schilp, S. 23–37, S. 35.
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Mit wenigen Ausnahmen, die im Sinne der Repräsentativität als quantité négligeable betrachtet werden können, fehlen jedoch eben jene, für die Einordnung des Namenmaterials notwendigen Informationen aus dem spanischen Westgotenreich. So sind zur Bewertung des Verhältnisses von nomen und gens in der Forschung bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei gegensätzliche Meinungen vertreten worden.264 Ausgehend von der Feststellung, dass kein einziger Fall eines Hispano-Romanen zu belegen ist, der einen germanischen Namen angenommen hätte, argumentiert eine Gruppe dahingehend, dass die provinzialrömische Bevölkerung die germanischen Namen nicht adaptiert habe und ein germanischer Name damit als Beleg für eine ethnische Zuordnung herangezogen werden könne.265 Mit Blick auf die römischen Namen ist dies umgekehrt deswegen nicht möglich, da einige Beispiele für Goten mit lateinisch-christlichen Namen existieren.266 Im Gegensatz dazu hat bereits Ferdinand Lot die Auffassung vertreten, dass die einheimische Bevölkerung des westgotischen Reiches, in Imitation der neuen Führungsschicht und mit dem Bestreben sich ihr gleichzusetzen, germanische Namen übernommen habe.267 Ferner ist die große Zahl germanischer Namen, die nach der muslimischen Eroberung des Westgotenreiches in den weiterhin christlichen Gebieten im Norden der Halbinsel belegt ist, als Indikator dafür gewertet worden, dass die einheimische Bevölkerung schon im Westgotenreich germanische Namen übernommen haben müsse.268 Die methodische Problematik, von diesem Namenbefund ex post auf die, politisch zudem andersartige Situation am Übergang vom sechsten zum siebten Jahrhundert schließen zu können, liegt auf der
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Eine Darstellung der Diskussion bis in die 1970er Jahre liefern Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 111–114, und Kampers, in: Ebling, Horst/ Jarnut, Jörg/ Kampers, Gerd: Nomen et gens. Untersuchungen zu den Führungsschichten des Franken-, Langobarden- und Westgotenreiches im 6. und 7. Jahrhundert, in: Francia 8 (1980), S. 687–745, S. 706–710. Siehe etwa Thompson: Goths in Spain, S. 189–196; Orlandis, José: Los hispano-romanos en la aristocracia visigótica del siglo VII, in: Revista Portuguesa de História 13 (1971), S. 189–196, S. 189 ff.; sowie zur Diskussion mit weiterer Literatur Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 111; Ebling/ Jarnut/ Kampers: Nomen et gens, S. 706 f. Anm. 64. Kampers: Personengeschichtliche Studien, S. 160–172. Lot, Ferdinand: La fin du monde antique et le début du Moyen Âge, Paris 1951, S. 328; Id.: Les invasions germaniques, S. 184: „Même lorsque les grands ont peu ou pas de sang visigoth dans les veines, ils aiment à se rattacher aux conquérants. On abandonne le plus souvent les noms romains pour les noms gothiques“. Piel Joseph M: Antroponimia germánica, in: Alvar, Manuel et al. (Hg.), Enciclopedia lingüística hispánica, Bd. 1: Antecedentes onomasticas, Madrid 1960, S. 421–444.
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Hand.269 Problematisch ist jedoch auch die Bewertung des Belegmangels für Hispano-Romanen germanischen Namens, da das argumentum e silentio aufgrund der schmalen Quellenbasis nicht tragfähig ist.270 Eine Synthese der beiden Grundpositionen zum Verhältnis von nomen und gens ist durch eine zeitliche Perspektive herzustellen versucht worden.271 In Anlehnung an die etablierte Forschungsmeinung, dass sich ein von der hispano-romanischen Bevölkerung geschiedenes, gotisches Selbstbewusstsein bis in das erste Drittel des siebten Jahrhunderts gehalten habe, wurde vermutet, dass die Namen sich auch bis dahin ethnisch zuordnen lassen müssten.272 Komplett gesammelt und wissenschaftlich aufgearbeitet wurde das Namenmaterial des spanischen Westgotenreiches durch die beiden in den 1970er Jahren entstandenen Prosopographien Luis A. García Morenos und Gerd Kampers’.273 Von dieser Materialgrundlage ausgehend, hat auch Kampers bei seiner Untersuchung festgestellt, dass es bei den Führungsschichten „anscheinend bis zum Beginn des achten Jahrhunderts im gotisch-suevischen Spanien eine germanische Namenmode wie im fränkischen Reich nicht gegeben“ habe.274 Da es ferner lediglich in einem sehr begrenzten Umfang zur Adaption lateinisch-christlicher Namen seitens der Goten gekommen sei, könne man daher von einer weitgehenden Kongruenz von Personennamen und gentiler Zugehörigkeit sprechen.275 Aus heutiger Sicht erscheint dieses Ergebnis jedoch aufgrund seiner methodischen Prämisse problematisch. Denn um erkennen zu können, ob Westgoten lateinische oder umgekehrt Hispano-Romanen germanische Namen übernommen haben, muss vorausgesetzt werden, dass sich die Ethnizität des Namenträgers auch unabhängig vom Namen selbst bestimmen lässt. Da die Quellen in aller Regel jedoch keine Angaben zur Ethnizität einer 269 270
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Kremer: ‚Germanische‘ Namen auf der Iberischen Halbinsel, S. 160. Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 113; Ebling/ Jarnut/ Kampers: Nomen et gens, S. 709. Hinsichtlich der Überlieferungslage im sechsten Jahrhundert kann darauf hingewiesen werden, dass die prosopographische Untersuchung García Morenos erst mit der Regentschaft Leovigilds einsetzt (siehe García Moreno: Prosopografía, S. 7) und auch wenn Kampers’ Arbeit bereits vom Jahr 507 ausgeht, skizziert auch er die Quellenlage für die Phase zwischen diesen Daten als äußerst ungünstig, Kampers: Personengeschichtliche Studien, S. 5. Siehe zur zeitlichen Perspektive aktuell auch Kremer: ‚Germanische‘ Namen auf der Iberischen Halbinsel, S. 155, S. 159. Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 113 f. García Moreno: Prosopografía, 1974; Kampers: Personengeschichtliche Studien, 1979. Kampers: Personengeschichtliche Studien, S. 201. Ibid., S. 126–203, besonders S. 201 ff.; Ebling/ Jarnut/ Kampers: Nomen et gens, S. 710–720.
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Person machen, müssen für deren ethnische Identifikation andere Kriterien angelegt werden. In Übereinstimmung mit dem damaligen Forschungsstand setzte Kampers etwa voraus, dass die Westgoten und Hispano-Romanen der Iberischen Halbinsel zwei separate ethnische Gruppen im primordialistischen Sinne waren, die bestimmte Charakteristika auszeichnete und die jeweils unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen hatten. Dementsprechend sind für ihn etwa Arianer als Goten zu identifizieren wie auch hohe weltlich Amtsträger, da die Westgoten eben jene Positionen im regnum eingenommen hätten.276 Da derlei Kriterien angesichts der Forschungsergebnisse seit den 1980er Jahren heute nicht mehr als verlässlich gelten können, fehlt damit auch die Grundlage für eine überprüfbare Bewertung der Namenmode. In seiner jüngst vorgelegten „Geschichte der Westgoten“ problematisiert Kampers selbst, an einem jener seltenen, besser dokumentierten Beispiele, die ethnische Aussagevalidität von Personennamen. Die Quellengrundlage ist dabei ein in das Jahr 632 datierendes Epitaph aus Salacia (bei Beja im heutigen Portugal). Dieses erinnert an den im Alter von 80 Jahren dort bestatteten Sinticio, der den Beinamen Deidonum trug. Die Namen und auch die Fortführung der römischen Epitaphientradition sprechen nach gängigen Bewertungsmustern eindeutig gegen eine gotische Identifikation Sinticios. Wie wir durch die Inschrift jedoch erfahren, legte nämlicher Sinticio gerade darauf großen Wert. So zumindest darf die Tatsache bewertet werden, dass Sinticio seine gotische Herkunft, von agnatischer Seite (paterno traens linea Getarum), als eines der wenigen biographischen Elemente erachtete, die er der Nachwelt gegenüber in der kurzen Inschrift des Epitaphs herausstellen wollte.277 „Trotz seiner gotisch-römischen Herkunft fühlte sich Sinticio, der wegen der mit der Errichtung eines Epitaphs verbundenen Kosten der Oberschicht angehört haben wird, als Gote, war als solcher aber wegen seines lateinischen Namen nicht mehr erkennbar.“278 276 277
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Ebling/ Jarnut/ Kampers: Nomen et gens, S. 710–713. Neben seiner gotischen Herkunft sind dies ferner noch seine christliche Rechtschaffenheit und sein Lebensalter sowie das Todesdatum, siehe ICERV, Nr. 86, Sinticio, famulus D[e]i,/ cognomento D[e]idomum/ paterno traens linea Getarum,/ huic rudi tumulo iacens/ qui hoc seculo XII/ conpleuerat lustros,/ dignum Deo in pace/ conmendauit ispiritum/ sub d. VI id. Augustas/ er. CLXX. tibi detur pax a D[e]o. Siehe zu Sinticio auch Thompson: Goths in Spain, S. 59 Anm. 1; Kampers: Personengeschichtliche Studien, Nr. 590. Kampers: Westgoten, S. 272 f.; siehe zur Bewertung des Namens jedoch auch García Moreno: Gothic Survivals, S. 13 Anm. 74; Claude: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S 126.
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Wie hinlänglich betont wurde, gestatten die Quellen derlei biographische Einblicke in der Regel nicht. Da eine ethnische Zuordnung a priori in dieser Arbeit in Frage gestellt wird, bleiben mithin nur die Namen – und auf Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes damit auch das methodische Problem, diese per se nicht ethnisch deuten zu können. Wenn hier also im Folgenden der schon von Lot vorgetragenen These gefolgt wird, so kann diese aufgrund der Quellenlage nicht methodisch einwandfrei bewiesen werden und bleibt zwangsläufig auf Plausibilitätserwägungen gestützt. Diese gehen dabei zunächst von der Feststellung aus, dass die von Lot angenommene Adaption germanischer Namen seitens der einheimischen Bevölkerung der Hispania dem entspricht, was sich als „Germanisierung des Namengutes“ in den anderen barbarischen Nachfolgereichen zeigen lässt: „Offensichtlich wirkte aber dieses Vorbild der germanisch bestimmten Führungsschichten in der Namengebung derartig attraktiv, daß durch Imitation und Anpassung auch die übergroße nichtgermanische Mehrheit der Bevölkerung die Position ihrer Kinder dadurch positiver zu gestalten trachtete, daß sie ihnen – mit den eigenen Traditionen brechend – germanische Namen gab. […] Diese weitgehende Identifizierung mit den neuen Eliten findet eine exakte Parallele darin, daß sich die in den germanischen regna staatlich organisierten Gruppen nun als Angeln, Sachsen, Goten, Franken und Langobarden zu betrachten begannen, also allmählich das gentile Bewußtsein ihrer neuen Herren übernahmen. Gruppen- und Individualnamen wirkten so in höchstem Maße als identitätsstiftende Integrationselemente.“279 Eine prozentuale Zunahme germanischer Namen in der weltlichen Oberschicht lässt sich, im Gegensatz zu anderen regna, im Falle der Westgoten nicht feststellen. Bei der Bewertung dieses Befundes ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Überlieferung bis ins letzte Drittel des sechsten Jahrhunderts als desolat gelten kann. Es ist darüber hinausführend jedoch auch zu fragen, ob eine etwaige Germanisierung des Namenguts im Westgotenreich deswegen nicht greifbar ist, weil sie zu jenem Zeitpunkt, als die Überlieferung breiter zu werden begann, bereits weiter fortgeschritten war als in anderen regna? Diese Erwägung drängt sich deswegen auf, weil die politischen und kulturellen Bedingungen, die zu der angesprochenen Identifizierung und Imitation geführt haben, bei den Westgoten früher gegeben und im sechsten Jahrhundert bereits deutlich ausgeprägter waren als bei anderen gentes und deren regna. Es gilt sich dabei zu vergegenwärtigen, dass die Westgoten bereits seit dem Ende des vierten Jahrhunderts, innerhalb des Imperium Romanum lebend, direkt unter römischen Einflüssen gestanden ha-
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ben. Schließlich etablierten sie bereits im Laufe des fünften Jahrhunderts ein Königreich, welches durch die Kooperation mit den einheimischen romanischen Eliten funktionierte. Die achtzigjährige Siedlungsgeschichte der Westgoten in der Gallia, unter den gekennzeichneten strukturellen Bedingungen, dürfte auch mit Blick auf die Namengebung nicht ohne Einfluss gewesen sein. Wünschenswerte Untersuchungen entbehren hier allerdings jeglicher Quellenbasis. Bei der Einschätzung einer möglichen Hemmschwelle, welche der Bevölkerung der Hispania dabei im Wege gestanden haben könnte, ihre Kinder mittels des Namens mit der neuen westgotischen Oberschicht zu assoziieren, ist daher zu betonen, dass die Letztgenannte bereits im Verlauf des fünften Jahrhunderts nicht mehr als fremdartig, sondern als Teil der spätantiken Gesellschaft beschrieben werden muss. So stellte die westgotische Elite sich weder durch ihre Kleidung, noch durch ihre Sprache, noch durch ihre Religion oder andere kulturelle Elemente als unrömisch dar.280 Wie mit Blick auf die politischen Verhältnisse in diesem Kapitel erörtert wurde, waren die Westgoten auf der Iberischen Halbinsel bereits seit dem fünften Jahrhundert eine wahrnehmbare und zumindest in einigen Gebieten auch eine machtvolle Größe. All dies legt nach unserer Auffassung nahe, dass die einheimische Bevölkerung durchaus schon im Verlaufe des sechsten Jahrhunderts dazu überging, ihrem Nachwuchs auch germanische Namen zu geben, um ihn mit jener politisch mächtigen und prestigeträchtigen Gruppe zu assoziieren. Wenn also anhand des prosopographischen Materials zugespitzt und damit verkürzt festgestellt werden kann, dass die in weltlichen Funktionszusammenhängen stehende Oberschicht mehrheitlich germanische und der katholische Klerus überwiegend lateinische Namen trug,281 so können daraus keine direkten Rückschlüsse auf Abstammungsverhältnisse, sondern auf politische, soziale beziehungsweise religiöse Affiliationen gezogen werden.282
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Dies gilt freilich nicht nach den Maßstäben des alten senatorischen Adels. Für jenen war jedoch auch die spätrömische Militärelite des Imperiums barbarisch. 72 der aus dem spanischen Westgotenreich bekannten 232 Amtsträger trugen keine germanischen Namen. Diese rund 32 Prozent stehen dabei 72 Prozent bei den 556 namentliche bekannten Bischöfen gegenüber (der Wert sinkt ab 650 auf nur noch 48 Prozent). Eine ausführliche und differenzierte Untersuchung dazu liefert Kampers: Personengeschichtliche Studien, S. 126–203, siehe auch Id.: Westgoten S. 274. Für das Beispiel des Ostgotenreiches hat Patrick Amory in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass nicht nur die Deszendenz, sondern in besonderem Maße das soziale Prestige, dass germanischen Namen in einem dezidiert militärischen Kontext zukam, dazu führte, dass vor allem Soldaten, unabhängig von ihrer Abstammung, solche Namen trugen, vgl. Amory: People and Identity, S. 97–102.
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3.5 Die Rolle des Arianismus als ethnisches Definitionsmerkmal bis zur Katholisierung des Reiches Die folgenden Ausführungen zu den religiösen Verhältnissen, in Perspektive der arianisch-katholischen Bekenntnisdifferenz, bis zur von König Rekkared initiierten „Katholisierung“283 des Westgotenreiches, knüpfen unmittelbar an die diesbezüglichen Überlegungen zur Zeit bis zum Ende des Tolosanischen Reiches an.284 Die dabei erzielten Ergebnisse stellen somit die Ausgangsbasis für die folgende Erörterung dar. Als einer der Kernpunkte konnte dabei herausgestellt werden, dass die vielfach als klar definiert und separierend angenommene ethnisch-religiöse Trennlinie zwischen arianischen Goten und katholischen Römern weit durchlässiger beziehungsweise weniger trennend wirkte, als die Darstellung in manchen Quellen und einem Großteil der Forschungsliteratur dies vermuten lassen. Wie gezeigt wurde, erscheint diese Beobachtung nicht so erstaunlich, vergegenwärtigt man sich die seinem Ursprung nach und bis ins vierte Jahrhundert reichende römische Prägung des Arianismus’ sowie die Tatsache, dass die arianische Christianisierung der Goten als Element der Assimilation an den römischen Lebensraum zu werten ist. Aus dieser Perspektive wird der einheimischen Bevölkerung in den Provinzen des Westreiches das arianische Bekenntnis mitnichten als spezifisch barbarische Besonderheit oder als originär gotisch erschienen sein. Wie ein kurzer Seitenblick auf die jeweilige Situation bei den Vandalen, Ostgoten und Franken gezeigt hat, kam es, aus spezifischen propagandistischen Interessen heraus, in bestimmten Situationen gleichwohl zu einer ethnischen Zuschreibung religiöser Bekenntnisse. Im Unterschied zu den genannten Exempla waren die religösen Verhältnisse im westgotischen Reich jedoch durch eine vergleichsweise friedliche Koexistenz der Konfessionen geprägt. Hinsichtlich der bereits problematisierten Überlieferungsbedingungen, denen sich Historiker verstärkt dann gegenübergestellt sehen, wenn sie in den Quellen Hinweise auf eine von der katholischen Kirche als Häresie verurteilte Glaubensrichtung suchen, ist hier besonders zu betonen, dass wir im Falle des Toledanischen Reiches Bericht davon erhalten, dass nach der Verbindung von weltlicher Macht und katholischer Kirche bewusst alle Spuren des Arianismus zu beseitigen versucht wurden.285 Eingedenk der 283 284 285
Der Begriff ist in diesem Zusammenhang entlehnt bei Kampers: Westgoten, S. 173. Siehe dazu oben Kap. 2.3.2. Siehe dazu den Kanon 2 der im Jahr 592 in Saragossa abgehaltenen Provinzialsynode in dem es heißt: Statuit sancta synodus ut reliquiae in quibuscumque locis de Arrianam haeresem inventae fuerint prolate a sacerdotibus, in quorum ecclesias repperiuntur pontificibus praesen-
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ohnehin geringen Überlieferungschance nimmt es angesichts dieser Maßnahmen nicht wunder, dass wir ausschließlich von katholischen Klerikern über den Arianismus zur Zeit der Westgoten in Spanien erfahren. Existiert gerade im Bereich kirchlicher Akten für die Zeit des katholischen Westgotenreiches eine vergleichsweise üppige Überlieferung, sind die Kenntnisse auch über die katholische Kirche vor der allgemeinen Konversion angesichts der Quellenarmut gering. In der bis heute ausführlichsten und gründlichsten Arbeit zu diesem Thema konstatiert Knut Schäferdiek hinsichtlich der Zeit bis zum Jahr 579 eine Fortsetzung jener westgotischen Religionspolitik, wie sie bereits für das Tolosanische Reich kennzeichnend gewesen war.286 So sei das religiöse Klima zwischen beiden Bekenntnissen bis auf vereinzelte Konflikte, die in dieser Zeit tatsächlich als Einzelfälle bar jeglicher religionspolitischen Programmatik erachtet werden könnten, weiterhin von einer sich jeweils frei entfaltenden Koexistenz geprägt gewesen.287 So kann Schäferdiek auch für die politisch turbulenten und konfliktreichen Jahre der ersten beiden Drittel des sechsten Jahrhunderts nicht erkennen, dass „der katholisch-arianische Gegensatz in irgend einer Weise frontenbildend oder wenigstens frontenmarkierend hervorgetreten sei“.288 Als ein erster Beleg für die Akzeptanz von Katholiken dürfen die katholischen Provinzialsynoden genannt werden, die auf der Iberischen Halbinsel auch vor dem Jahr 589 abgehalten wurden. Zu nennen sind hier mindestens sechs solcher Synoden im westgotischen Spanien aus der Zeit zwischen den Jahren 516 und 546, von denen die Akten überliefert sind.289
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tatae igne probentur quod si a quibuslibet occul[ta]tae fuerint et deteguntur a sacrosanctae ecclesiae coetu segregentur, siehe Concilium Caesaraugustanum II, in: Vives, Concilios, S. 154 f. Ferner berichtet Fredegar: Chronica 4,8, darüber, dass König Rekkared im Zuge der allgemein Konversion verfügt habe, dass die Konvertiten alle arianischen Bücher sammeln sollten, damit sie verbrannt würden. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 68–104. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 87–94, S. 139 f.; vgl. auch Stroheker: Leowigild, S. 168 f.; Fontaine, Jacques: Conversion et culture chez les wisigoths d’Espagne, in: La conversione al cristianesimo nell’Europa dell’alto mediovo (SSCI 14), Spoleto 1967, S. 88–147, S. 105; Thompson: Goths in Spain, S. 78–87. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 96. Auf diese Beobachtung wird weiter unten noch ausführlicher eingegangen. Es sind dies die Synoden von Tarragona (516), Gerona (517), Toledo II (527), Barcelona (540), Lérida (546) und Valencia (546). Ediert von Martínez/ Rodriguez CCH 4; sowie Vives, Concilios, S. 34–64. Siehe dazu Stocking, Rachel L.: Bishops, Councils, and Consensus in the Visigothic Kingdom, 589–633 (History, Languages, and Cultures of the Spanish and Portuguese Worlds), Ann Arbor 2000, S. 26–58; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 52–76. Stocking, S. 16, S. 41 f., und in einem anderen Zusammenhang auch Drews, Wolfram: Jews as Pagans? Polemical Definitions of Identity in Visigothic Spain, in: Early Me-
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Weitere Hinweise datieren dann wieder aus den 570er Jahren.290 Durch Gregor von Tours ist etwa überliefert, dass König Liuva den in Septimanien lebenden Fronimius hoch ehrte und schließlich in der Stadt Agde zum Bischof machte.291 Bereits in die Zeit der Doppelherrschaft Liuvas und Leovigilds fiel nach der Chronik Johannes’ von Biclaro die Gründung des wahrscheinlich nahe Valencia gelegenen katholischen Klosters Servitanum. Dessen erster Abt war ein Mönch namens Donatus, der mit 70 seiner Glaubensbrüder sowie einer großen Bibliothek aufgrund der Berberunruhen der 560er Jahre von Nordafrika auf die Iberische Halbinsel gekommen war.292 Über die für unseren Kontext beachtenswerte Information hinaus, dass Donatus sich das westgotische Spanien als Ausweichstätte erkoren hatte, erfahren wir ferner, dass sowohl er selbst als auch sein Nachfolger Eutropius es daraufhin im Westgotenreich zu hohem Ansehen brachten.293 Über den vermeintlichen Katholikenverfolger Leovigild berichten die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium (VSPE), dass er einem ebenfalls aus Afrika kommenden katholischen Abt namens Nanctus, der in Spanien bald für seine Frömmigkeit bekannt geworden war, ein Stück Land eines seiner Adligen übereignete, damit der Abt für ihn bete.294 Diese Information stützt
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dieval Europe 11/3 (2002), S. 189–207, S. 190, S. 207, weisen auch darauf hin, dass es gut möglich ist, dass (teilweise durchaus bewusst) nicht alle Synodalakten der Zeit überliefert worden sind. Diese Chronologie ist nach aller Wahrscheinlichkeit schlicht auf die für das letzte Drittel des sechsten Jahrhunderts besser werdende Überlieferungssituation zurückzuführen. Gregor von Tours: Historia Francorum 9,24. Zur dort im Weiteren geschilderten Verfolgung Fronimius’ durch Leovigild siehe weiter unten. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 139 Anm. 12, merkt dazu an, dass es nicht klar sei, ob Liuva tatsächlich über das Investiturrecht verfügte oder ob Gregor einfach die fränkischen auf die westgotischen Verhältnisse übertragen habe. Johannes: Chronicon 18; zu Donatus siehe auch Ildefons von Toledo: De viris illustribus 3, hg. v. Carmen Codoñer Merino, in: El „De viris illustribus“ de Ildefonso de Toledo. Estudio y edición crítica (Acta Salmanticensia. Filosofía y letras 65), Salamanca 1972, S. 116–135. Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, 18., S. 116. Dies manifestiert sich zum einen in Johannes’ ausdrücklichem Hinweis auf Donatus (vgl. Chronicon 18, Donatus abbas monasterii Seruitani mirabilium operator clarus habetur; in gleicher Weise werden von ihm während der Regentschaft Leovigilds auch noch die katholischen Bischöfe Domninus von Elne, ibid. 22, sowie Masona von Mérida, ibid. 30, und der ebenfalls aus Mérida stammende Priester Johannes erwähnt, ibid. 51) sowie seiner Schilderung, dass Eutropius gemeinsam mit Leander von Sevilla eine Schlüsselstellung beim dritten Konzil von Toledo zugekommen sei (ibid. 91). Daraus ist auch abzuleiten, dass das Kloster nicht im byzantinischen Gebiet gegründet wurde. Siehe zu Eutropius auch Isidor: De viris illustribus 32. Vgl. auch Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 101 f. VSPE 3.
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bis zu einem gewissen Grad auch die Aussage eines Boten Leovigilds, namens Agila, der Gregor von Tours am Ende einer religiösen Disputation dazu anhielt, jener möge nicht eine Lehre lästern, die er nicht verehre. Er begründete seine Forderung damit, dass sie selbst – womit er auf die Arianer im Westgotenreich Bezug nimmt – es so hielten und es nicht als Verbrechen ansähen, dies und jenes zugleich zu verehren.295 Aus katholischer Perspektive scheint sich im spanischen Westgotenreich fortzusetzen, dass die katholische Kirche die weltliche Oberhoheit des westgotischen Königs anerkannte. Schlaglichtartig ist auch zu belegen, dass das Verhältnis über eine passive Duldung hinausgegangen ist. So wurde ein Eingreifen durch den König in Angelegenheiten der Kirchenordnung in bestimmten Situationen seitens der Kirche nicht nur akzeptiert, sondern sogar gefordert. Eine wertvolle Quelle sind in diesem Zusammenhang zwei von Bischof Montanus von Toledo verfasste Briefe aus dem Jahr 531, der eine adressiert an die Gemeinde von Palencia und der zweite an einen gewissen Turibius, der, so er nicht selbst das Bischofsamt bekleidete, zumindest eine in kirchlichen Belangen einflussreiche Person in diesem Territorium war.296 In diesen klagt Montanus zum einen darüber, dass in der Provinz Palencia einfache Priester sich dazu vermessen hätten, ihnen nicht zustehende Weihen zu vollziehen, sowie, dass dort Basiliken durch alianae sortis episcopi geweiht worden seien.297 In dem Brief an die Gemeinde führt Montanus dabei aus, dass dies weder dem Recht der Provinz, noch den Interessen des Königs entspreche, welcher schon Nachricht von den Vorkommnissen erhalten habe.298 Im Schreiben an Turibius wird Montanus’ Verbindung zum Hof noch deutlicher, indem er damit droht, dass er, sollte Turibius nicht gegen jene Missstände vorgehen, den König und einen Richter namens Ergano über die Vorkommnisse informieren werde, durch welche Turibius dann zur Rechenschaft gezogen würde.299 Es zeigt sich hierin folglich nicht 295
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Gregor von Tours: Historia Francorum 5,43, Ad haec ille [gemeint ist Agila] respondit: ‚Legem, quam non colis, blasphemare noli; nos vero quae creditis etsi non credimus, non tamen blasphemamus, quia non deputatur crimine, si et illa et illa colantur.‘ Montanus: Epistola fratribus filiisque Palentini, Martínez/ Rodriguez CCH 4, S. 356–363; Montanus: Epistula Toribio, ibid., S. 363–366. Zu Turibius siehe Kampers: Personengeschichtliche Studien, Nr. 67; Vilella, Josep: PCBE. Hispania, in: Medieval Prosopography 19 (1998), S. 135–176, S. 169–172. Montanus: Epistula Toribio, 254–274, S. 365; Epistola fratribus filiisque Palentini, 134–210, S. 356–361. Montanus: Epistola fratribus filiisque Palentini, […] tamen nec prouinciae priuilegiis nec rerum domini noscitur utilitatibus conuenire, quia iam ad ipsum huiusmodi fama perlata est, 204–206, S. 361 Montanus: Epistula Toribio, Quod si haec nostra admonitio in uobis nihil profecerit, necesse nobis erit domini nostri exinde auribus intimare, pariter et filio nostro Ergani suggerere, et huiusmodi
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nur eine informative Beziehung zwischen dem katholischen Metropolitanbischof von Toledo und dem arianischen Königshof, sondern für den Erstgenannten fungierten der König und ein jenem sicher zugeordneter weltlicher Mandatsträger als Ordnungsmacht in dieser strittigen Kirchenfrage. „Il exerce par ailleurs, en cas de nécessité, une coercition sur les membres indignes de l’Église, un aspect qui devient manifeste dès le règne d’Athalaric, au début du VIe siècle“, stellt auch Céline Martin zur Rolle der westgotischen Könige fest.300 Ausdruck findet die Beziehung zwischen katholischer Kirche und König auch darin, dass alle Konzilien im westgotischen Einflussgebiet durchgehend nach den Herrscherjahren der jeweiligen Monarchen datieren.301 Ganz ähnlich wie bereits 506 in Agde, protokolliert die Schlussformel der Akten des ebenfalls unter der Ägide Montanus’ abgehaltenen zweiten Konzils von Toledo die Fürbitte der Versammlung, dass ihr auch zukünftig die Gnade des glorreichen Königs zukommen möge, sich versammeln zu können.302 Die westgotische Einflussnahme auf die Belange
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ausum praecepta culminis eius uel districtio iudicis non sine uestro detrimento seuerissime uindicabunt, 279–283, S. 365 f. Siehe ausführlicher dazu Martin, Céline: Las cartas de Montano y la autonomía episcopal de la Hispania septentrional en el siglo VI, in: Hispania Antiqua 22 (1998), S. 403–426; Isla Frez, Amancio: Desde el reino visigodo y la ortodoxia Toledana. La correspondencia de Montano, in: Studia Historica/ Historia Medieval 18/19 (2000/2001), S. 41–52. Martin: La géographie du pouvoir, S. 351. Gleichwohl ist zu betonen, dass diese Art der direkten Einflussnahme nicht der Regel entsprach. Martin führt als Motiv für das mögliche Eingreifen des Monarchen die geographische Nähe Palencias zum Suebenreich an, wodurch der König durch seine Intervention möglicherweise die Expansion einer im Suebenreich gelegenen Kirchenprovinz habe vorbeugen wollen, siehe Martin, Céline: Les évêques visigothiques dans leur espace. De l’autonomie à l’intégration, in: Depreux, Philippe/ Bougard, François/ Le Jan, Régine (Hg.), Les élites el leurs espaces. Mobilité, Rayonnement, Domination (du VIe au XIe siècle) (Collection Haut Moyen Âge 5), Turnhout 2007, S. 207–223, S. 215 f. Der Datierungsstil der Synoden im spanischen Westgotenreich vom sechsten Jahrhundert an weist insgesamt unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten auf. Die Datierung nach Herrscherjahren ist dabei jedoch die Konstante, die gerade im sechsten Jahrhundert noch besonders häufig mit der Datierung nach der Spanischen Ära kombiniert wurde. Zur Verwendung der Spanischen Ära siehe Handley, Mark A.: Tiempo e identidad. La datación por la era en las inscripciones de la España tardorromana y visigoda, in: Iberia 2 (1999), S. 191–201. Handley wertet diesen Datierungsstil als zunächst bewusst eingesetztes anti-arianisches Identifikationsmerkmal der Katholiken, bevor er nach der Katholisierung als Zentralisierungselement auch von der westgotischen „Staatsmacht“ übernommen wurde, vgl. ibid., S. 197–201. Die Paralleldatierung der Konzilien spricht jedoch gegen eine in dieser Weise aufgeladene Aussageabsicht. Concilium Toletanum II, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 4, S. 345–356, 104–107, S. 354.
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der katholischen Kirche sollte anhand dieser Beispiele für eine Interaktion beziehungsweise Bezugnahmen jedoch auch nicht überbetont werden. So weisen die Provinzialakten bis zum ersten Reichskonzil in Toledo im Jahre 589 darüber hinaus keine weiteren Bezüge zur westgotischen Herrschaft auf.303 Etwa vom Jahr 580 an änderte sich diese insgesamt eher beschauliche Situation jedoch grundlegend und die folgende Dekade war geprägt von einer im westgotischen Reich bis dato nicht gekannten Dynamik. Im genannten Jahr trat auf Geheiß Leovigilds hin in Toledo eine arianische Synode zusammen, auf der ein Dekret erlassen wurde, nach welchem diejenigen, die mit den Worten Leovigilds von der „römischen Religion“ zum „katholischen“ Glauben übertreten wollten, nicht erneut getauft werden müssten. Ferner wurde darin eine Modifizierung der arianischen Doxologie festgelegt, nach welcher das Gloria fortan dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist dargebracht werden sollte.304 Da diese beiden Elemente aus Sicht der Katholiken die am schwersten wiegenden Hindernisse einer möglichen Konversion darstellten, lag die diesen Reformen zugrunde liegende Absicht darin, den Katholiken den Bekenntniswechsel zum Arianismus wesentlich zu erleichtern.305 In dem Bemühen um eine Vereinfachung des Bekenntniswechsels hat die Forschung zu Recht das Ansinnen erkannt, die im westgotischen regnum bis dato vorhandene konfessionelle Dualität zugunsten eines einheitlichen Glaubens, in Form eines modifizierten Arianismus’, aufzuheben.306 303 304
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Vgl. auch Schäferdiek: Die Kirchen, S. 87–96. Johannes: Chronicon 57, Leouegildus rex in urbem Toletanam sinodum episcoporum secte arriane congregat […], dicens de Romana religione ad nostram catholicam fidem uenientes non debere baptizari, sed tantummodo per manus impositionem et communionis preceptione ablui, et gloriam Patri per Filium in Spiritu Sancto dare. Siehe dazu auch Concilium Toletanum III, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 5, S. 49–159, 382–387, S. 82 (im Weiteren zitiert als III. Tolet.). Siehe in den Quellen über die bereits zitierte Formulierung Johannes’ hinaus auch die Bewertung des libellum detestabilem seitens der 589 in Toledo versammelten Bischöfe, welche dessen Zielrichtung in der Romanorum ad haeresem Arrianam transductio sahen: III. Tolet., 383 f., S. 82. Stroheker: Leowigild, S. 173 ff.; Thompson, Edward A.: The Conversion of the Visigoths to Catholicism, in: NMS 4 (1960), S. 4–35, S. 19 ff.; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 157–164; Orlandis, José: El arrianismo visigodo tardío, in: Cuadernos de Historia de España 65/66 (1981), S. 5–20, S. 15–18; Collins, Roger: ¿Dónde estaban los arrianos en el año 589?, in: Concilio III de Toledo, S. 211–222, S. 216 f.; Id.: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 130 f.; García Moreno, Luis A.: La coyuntura política del III Concilio de Toledo. Una historia larga y tortuosa, in: Concilio III de Toledo, S. 271–296, S. 283; Heather: Goths, S. 280 f.; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 164 ff.; Castellanos: La hagiografía visigoda,
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Dieser signifikante Richtungswechsel wirft einige Fragen auf: Wodurch wurde er ausgelöst? Mit welcher Vehemenz verfolgte der König das neu gesteckte religionspolitische Ziel? Gibt es, über die Annahme eines zweifellos vorstellbaren religiösen Sendungsbewusstseins hinaus, weiterführende Interessen, die Leovigild mit der kirchlichen Vereinigung verband? In diesem Zusammenhang spielt in der Forschung die Erhebung Hermenegilds gegen seinen Vater Leovigild im Jahre 579 eine zentrale Rolle, die der König unter Aufbietung erheblicher militärischer und diplomatischer Mittel erst fünf Jahre später niederzuwerfen vermochte, nachdem sein Sohn zwischenzeitlich die Kontrolle über weite Teile Südspaniens erlangt hatte.307 In den Kontext der hier behandelten Wende der westgotischen Religionspolitik gerät diese Revolte des Königssohnes durch zweierlei: Zum einen durch die auffällige zeitliche Nähe des Aufstandes zu der angesprochenen Synode des Jahres 580, vor allem jedoch durch die Tatsache, dass Hermenegild zu einem noch näher zu bestimmenden Zeitpunkt zum katholischen Glauben übergetreten war.308 Bemerkenswerterweise wird Hermenegilds Konversion von den später im katholischen Reich entstandenen Quellen verschwiegen, obwohl ausgeschlossen werden kann, dass sein Bekenntniswechsel in Vergessenheit geraten sein könnte.309 Einige numismatische und epigraphische Hinweise aus der Hispania, die sich auf die Zeit um
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S. 194 f. Anders etwa Godoy, Cristina/ Vilella, Josep: De la fides gothica a la ortodoxia Nicena. Inicio de la teología politica visigotica, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 117–144, S. 126. Siehe zum Verlauf des Hermenegild-Aufstandes z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 64–73; Orlandis: Época visigoda, S. 105–108; Castritius, Helmut: Art. Hermenegild, in: RGA, Bd. 14 (1999), S. 423 ff.; Collins: Visigothic Spain, S. 56–59; Wolfram: Die Goten und ihre Geschichte, S. 105–108; Kampers: Westgoten, S. 174–180. Zum häufig erörterten Thema der Rolle der Religion in diesem Konflikt vgl. schon Görres, Franz: Kritische Untersuchungen über den Aufstand und das Martyrium des westgotischen Königssohnes Hermenegild. Eine kirchen-historische Abhandlung, in: Zeitschrift für die historische Theologie 43 (1873), S. 1–109, und in der neueren Forschung z. B. Thompson: Conversion, S. 11–22; Id.: Goths in Spain, S. 64–73; Hillgarth: Coins and Chronicles; Fontaine: Conversion et culture, S. 108–123; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 140–157; Vázquez de Parga Iglesias, Luis: San Hermenegildo ante las fuentes historicas, Madrid 1973; Saitta, Biagio: Un momento di disgregazione nel regno visigoto di Spagna. La rivolta di Ermenegildo, in: Quaderni Catanesi di Studi Classici e Medievali 1/1 (1979), S. 81–134; Collins: Mérida and Toledo, S. 215–218; García Moreno: La coyuntura política, S. 271–283; Kampers: Westgoten, S. 175 ff. In der aktuellen Forschung widmet sich Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 145–166, dieser Frage besonders ausführlich. Siehe dazu etwa Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 165–179, sowie unten Kap. 4.1 (S. 217 f.).
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582 datieren lassen,310 legen darüber ebenso Zeugnis ab wie die zeitnah außerhalb Spaniens entstandenen Berichte Papst Gregors des Großen und Gregors von Tours, denen beiden sehr gute Kenntnisse der spanischen Verhältnisse zugesprochen werden können.311 In Bezug auf die Frage nach der Bedeutung der religiösen Komponente des Hermenegild-Aufstandes erweist sich ein Blick auf die möglichen Quellen für den Bericht Gregors des Großen hilfreich. So weilte der spätere Papst vor seinem Pontifikat als Gesandter in Konstantinopel, wo er Bischof Leander von Sevilla kennenlernte. Beide verband von jenem Treffen an eine Freundschaft, wie aus der Leander gewidmeten Einleitung zu den Moralia in Iob hervorgeht.312 Aus Gregors Formulierung, dass Leander dort pro causis fidei Wisigotharum gewesen sei, ist in der Forschung geschlussfolgert worden, dass er sich als Gesandter Hermenegilds in Konstantinopel aufgehalten habe, um für dessen katholisch motivierte Rebellion gegen den arianischen Vater eine Intensivierung der byzantinischen Hilfe zu erreichen.313 In der oben angeführten Passage der Dialogi erklärt Gregor jedoch, dass er über die von Leander bewirkte Konversion Hermenegilds durch Boten
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Siehe dazu Hillgarth: Coins and Chronicles, S. 501–508; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 144–148; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 152; Fernández Martínez, C./ Gómez Pallarès, J.: Hermenegildo, ¿para siempre en Sevilla? Una nueva interpretación de IHC, n. 76 = ILCV, n. 50, in: Gerión 19 (2001), S. 629–658. Gregor der Große: Dialogi 3,31, hg. v. Adalbert de Vogüé, Grégoire le Grand. Dialogues, 3 Bde., Bd. 2: Livres I–III (Sources Chrétiennes 260), Paris 1979; Gregor von Tours: Historia Francorum 5,38; 6,43. Diese Berichte haben später auch Eingang gefunden bei Paulus Diaconus: Historia Langobardorum 3,21, hg. v. Ludwig Bethmannn u. Georg Waitz (SS rer. Lang.), Hannover 1878 (ND 1964), S. 12–187, und Beda: Chronica maiora 529, hg. v. Theodor Mommsen (MGH AA 13), Berlin 1898 (ND 1961), S. 247–327. Zu den Kenntnissen der beiden Gregors über die westgotischen Verhältnisse siehe Vázquez de Parga Iglesias: San Hermenegildo, S. 13 f. Vgl. Ramos-Lissón, Domingo: Grégoire le grand, Léandre et Reccarede, in: Gregorio Magno e il suo tempo (Incontro di Studiosi dell’Antichità cristiana 19), Bd. 1: Studi storici, Rom 1990, S. 187–198, S. 188–192; García de la Fuente, Olegario: Leovigildo, Hermenegildo, Recaredo y Leandro en los „Dialogi“ de Gregorio Magno, in: Concilio III de Toledo, S. 393–402. Gregor der Große: Moralia in Iob, Expositio 1, hg. v. Marci Adriaen (SSCL 143), Turnhout 1979, Dudum te, frater beatissime [gemeint ist Leander], in Constantinopolitana urbe cognoscens, cum me illic sedis apostolicae responsa constringerent et te illuc iniuncta pro causis fidei Wisigotharum legatio perduxisset, […]; Goffart, Walter: Byzantine Policy in the West Under Tiberius II and Maurice. The Pretenders Hermenegild and Gundowald (579–585), in: Traditio 13 (1957), S. 73–118, S. 89 f.; Navarra, Leandro: Leandro di Siviglia. Profilio storico-letterario, Rom 1987, S. 26; Vallejo: Bizancio y la España tardoantigua, S. 203 f. mit Anm. 129.
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aus der Hispania erfahren habe.314 Leider gewähren die fragmentarischen Informationen, die wir aus den Quellen zu Leanders Aufenthalt in Konstantinopel gewinnen können, nicht die Möglichkeit zu einer sicheren Datierung,315 sehr wahrscheinlich kam er jedoch um 580 in Konstantinopel an.316 Berücksichtigen wir die Nachricht der Dialogi, dann ergibt sich, dass Hermenegilds Konversion nicht vor diesem Zeitraum stattgefunden haben kann, da Gregor ansonsten bereits durch Leander selbst unterrichtet worden wäre. Das bedeutet, dass Hermenegilds Konversion noch nicht am Beginn seiner Revolte stand und damit auch nicht die Ursache oder der Auslöser derselben war, wie häufig betont wurde.317 Der Aufenthalt Leanders in Konstantinopel muss zu dieser Feststellung nicht im Widerspruch stehen, vielmehr kann die Konversion von Hermenegild zu diesem Zeitpunkt noch als eine Möglichkeit zur Positionierung und Legitimation gewesen sein, zu der umzusetzen er sich erst später entschloss. Darüber hinaus ist ein direkter Bezug zwischen Hermenegilds Aufstand und Leanders Aufenthalt in Konstantinopel nicht zwingend, sondern als dessen Hintergrund kann beispielsweise auch die veränderte Religionspolitik Leovigilds vermutet werden.318 Obwohl die Quellen keine eindeutigen Antworten bereithalten, so erscheinen Auseinandersetzungen innerhalb der Herrscherfamilie der Grund für Hermenegilds Aufbegehren gewesen zu sein. In diese Richtung weisend äußert sich Johannes von Biclaro, der von einer domestica rixa spricht und die Erhebung Hermenegilds maßgeblich von seiner Stiefmutter Gosvintha be-
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Gregor der Große: Dialogi 3,31, S. 384, Sicut multorum qui ab Hispaniarum partibus ueniunt relatione cognouimus, nuper Hermenigildus rex, Leuuigildi regis Wisigotharum filius, ab arriana herese ad catholicam fidem, uiro reuerentissimo Leandro Hispalitano episcopo, dudum mihi in amicitiis familiariter iuncto, praedicante, conuersus est. Gregor der Große: Registrum Epistularum 5,53, hg. v. Dag Norberg (SSCL 140), Bd. 1: Libri 1–7, Turnhout 1982; Isidor: De viris illustribus 28. Vallejo: Bizancio y la España tardoantigua, S. 202 Anm. 121, mit weiterer Literatur. So Collins: Mérida and Toledo, S. 216 f.; Id.: Visigothic Spain, S. 57 f. Kritisch gegenüber einer religiösen Motivation des Aufstandes äußerte sich bereits Schäferdiek: Die Kirchen, S. 145–148; vgl. auch Isla Frez, Amancio: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios a finales del siglo VI, in: En la España Medieval 13 (1990), S. 11–32, S. 22 f. und jüngst Kampers: Westgoten, S. 177: „Man wird also den Bekenntnisgegensatz zwischen Katholiken und Homöern als Ursache des Aufstandes ausschließen dürfen.“ Anders etwa Stroheker: Leowigild, S. 152 f.; Thompson: Conversion, S. 11 f. mit weiterer Lit. in Anm. 35; Saitta: Un momento de disgregazione, S. 110 mit Anm. 92; García de la Fuente: Leovigildo, Hermenegildo, Recaredo y Leandro, S. 400; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 153. Isla Frez: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios, S. 23.
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einflusst sieht.319 Ein Motiv für Leovigilds zweite Gemahlin, eine Rebellion Hermenegilds gegen seinen Vater herauf zu beschwören, könnte in der Durchsetzung eigener dynastischer Interessen gelegen haben. Diese gründeten darauf, dass Hermenegild Gosvinthas Enkelin Ingunde zur Frau hatte. Die Letztgenannte war die Tochter des fränkischen Königs Sigibert I. und Brunichild, ihrerseits die Tochter Gosvinthas aus ihrer ersten Ehe mit Athanagild. Dieser dynastische Bezug findet auch darin Ausdruck, dass der Sohn Hermenegilds nach seinem Großvater Athanagild benannt wurde.320 Ein Indiz dafür, dass es nicht ganz unbegründet gewesen sein mag, um die Stellung dieses Zweiges der Königsfamilie zu bangen, ist die Benennung der 578 neu gegründeten Stadt Reccopolis, die Leovigild nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, nach seinem ersten Sohn Hermenegild, sondern nach dem ebenfalls an der Herrschaft beteiligten Rekkared benannte.321 Obschon der konfessionelle Gegensatz also weder Ursache noch Auslöser des Konfliktes war, so erhielt der Letztgenannte, wie oben bereits angesprochen, in seinem Verlauf doch eine dezidiert religiöse Komponente, indem Hermenegild sich als Anhänger des katholischen Glaubens gerierte, der aus diesem Grund der Verfolgung durch seinen arianischen Vater ausgesetzt gewesen sei. Wenn der Bekenntnisgegensatz also nicht am Anfang der Auseinandersetzung stand, so wurde er von Hermenegild doch bald „zur ideologischen Rechtfertigung seines Aufstandes politisch instrumentalisiert“.322 Seine Selbstdarstellung als wegen seines nizänischen Bekenntnisses Verfolgter und seine Klassifizierung als Märtyrer, seitens des Papstes, gewinnt an Glaubhaftigkeit, wenn man bei Gregor von Tours und Isidor von Sevilla über Leovigilds fanatischen Arianismus erfährt, der schließlich zu einer ausgeprägten Katholikenverfolgung geführt habe, in deren Folge viele ihrer Güter beraubt und ins Exil verbannt worden seien.323 Diese Berichte der 319
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Johannes: Chronicon 54, Nam eodem anno filius eius Ermenegildus factione Gosuinthe regine tirannidem assumens in Ispali ciuitate rebellione facta recluditur et alias ciuitates atque castella secum contra patrem rebellare facit. Siehe García Moreno: La coyuntura política, S. 273 ff., S. 277: „[E]l nombre dado al hijo de Hermenegildo e Ingunda, Atanagildo, es todo un símbolo de la relación que el príncipe rebelde quería establecer con el linaje de su mujer y madrastra.“ Collins: ¿Dónde estaban los arrianos en el año 589?, S. 220; Id.: Visigothic Spain, S. 57 f.; Kampers: Westgoten, S. 175 ff. García Moreno: La coyuntura política, S. 274. Kampers: Westgoten, S. 177; vgl. auch Heather: Goths, S. 281 f.; Valverde Castro, Maria R.: Leovigildo. Persecución religiosa y defensa de la unidad del reino, in: Iberia 2 (1999), S. 123–132, S. 130. Isidor: Historia Gothorum 50; Gregor von Tours: Historia Francorum, passim, besonders 5,38.
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Quellen entbehren dabei keineswegs jeglicher Basis, denn aus der Zeit zwischen 580 und 585 erfahren wir beispielsweise über die Exilierung der Bischöfe Fronimius von Agde, Leander von Sevilla, Johannes von Biclaro und Masona von Mérida.324 Über den Fall des Letztgenannten sind wir durch die VSPE besonders gut unterrichtet. Bei der Lektüre des Masona gewidmeten fünften Kapitels dieses Textes werden die Aussagen Gregors von Tours und Isidors dabei zunächst detailreich untermauert und Leovigild erscheint auf den ersten Blick als eben jener diabolische Katholikenverfolger, als der er auch in den Schriften der zuvor genannten Historiographen charakterisiert wird.325 Dass das Verhältnis Leovigilds zur katholischen Kirche jedoch vielschichtiger war als die historiographischen Schriften der katholischen Bischöfe und der erste Eindruck der VSPE es vermitteln, wird etwa im dritten Kapitel der gleichen Quelle offenbar, in welchem der anonyme Autor des Textes die weiter oben bereits erwähnte Schenkung Leovigilds an den katholischen Abt Nanctus überliefert. Zu erinnern ist hier auch an die Forderung Agilas, eines Boten Leovigilds im Frankenreich, nach religiöser Toleranz, mit der Begründung, dass diese schließlich auch im Westgotenreich geübt werde. Des Weitern berichteten die im Jahr 582 aus Spanien zurückkehrenden fränkischen Boten Ansovald und Domegisel, dass Leovigild die Rechtgläubigen dadurch habe wankend machen wollen, indem er an den Gräbern katholischer Märtyrer zu beten vorgab und behauptete, die Wesensgleichheit von Gott und Christus erkannt zu haben.326 Auch in den Schilderungen der Ereignisse um Masonas Amtsenthebung zeigt sich, dass Leovigilds Maßnahmen sich nicht grundsätzlich gegen die katholische Diözese richteten. So bleibt der Sitz Masonas nach seiner Exilierung nicht etwa vakant oder wurde gar aufgelöst, sondern neu besetzt, von einem katholischen Bischof namens Nepopis, der Leovigild offensichtlich mehr gewogen war als sein Vorgänger.327 Und schließlich ist auch der in den VSPE geschilderte Verlauf des Konfliktes beachtenswert, denn bevor Leovigild Masona verbannte, hatte er den Versuch unternommen, den Bischof durch Geschenke zur Konversion zu bewegen.328 324
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Vgl. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 173 ff.; Valverde Castro: Leovigildo, S. 126–129; Vallejo Girves, Margarita: Los exilios de católicos y arrianos bajo Leovigildo y Reccaredo, in: Hispania Sacra 55 (2003), S. 35–47, S. 35–38. VSPE, opusculum 5 passim, und für konkrete Belege siehe etwa 5,4; 5,5,1–6; 5,6,1–5. Gregor von Tours: Historia Francorum 6,18. VSPE 5,6, S. 70. Wie berichtet wird, hatte Nepopis bereits andernorts die Bischofswürde inne. Vgl. auch Valverde Castro: Leovigildo, S. 139 f. VSPE 5,4, Ad se itaque reuersis nuntiis, cepit supradictus rex diuersis suasionibus animum eius inclere, forsitan per quacumque occasione posset eum ad sue suprestitionis uoluptatem incurbare, S. 55.
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Was hier mit wenigen Worten zu verdeutlichen versucht wurde, hat die Forschung auf breiterer Quellenbasis untersucht und dabei gezeigt, dass es verfehlt wäre, Leovigilds religionspolitischen Maßnahmen undifferenziert als dogmatische Verfolgung aufzufassen.329 Zweifellos hegte der König das Ziel, die Katholiken innerhalb seines Reiches zu „missionieren“. Wie jedoch der durch Gregor von Tours überlieferte Bericht der fränkischen Boten sowie die Schilderungen Johannes’ von Biclaro und Isidors erkennen lassen, bediente er sich dabei nicht primär der Gewalt. Stattdessen näherte er sich dem katholischen Klerus zunächst durch bedeutende theologische Zugeständnisse an und versuchte jene dann vor allem für seine Sache zu kaufen, worin ihm auch einiger Erfolg beschieden war. So heißt es bei Isidor zwar, dass Leovigild viele Katholiken durch Drohungen zum Arianismus getrieben habe, aber plerosque sine persecutione inlectos auro rebusque decepit.330 Entsprechend vermerkt auch Johannes von Biclaro, dass viele vor allem aus Habsucht und weniger aus innerer Überzeugung konvertiert seien.331 Bei einigen, seinen Avancen gegenüber nachhaltig resistenten und dabei politisch bedeutenden Bischöfen, ergriff Leovigild gleichwohl auch gewaltsame Maßnahmen.332 Nicht über die Mittel, aber doch über die Wirkung der Arianisierungsbemühungen legt auch eine Bemerkung Leanders von Sevilla in seiner die Akten des dritten Konzils von Toledo abschließenden homilia ab. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Konversion zum Katholizismus fordert er die Kirche darin auf, sich nicht weiter zu grämen, dass sich einige vorübergehend
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Siehe dazu z. B. Hillgarth, Jocelyn N.: La conversión de los Visigodos. Notas críticas, in: Analecta Sacra Tarraconensia 34 (1961), S. 21–46, S. 11 ff.; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 172–182; Stroheker: Leowigild, S. 173–178; Thompson: Goths in Spain, S. 78–87; Barbero de Aguilera, Abilio: El pensamiento político visigodo y las primeras unciones regias en la Europa medieval, in: Hispania 30 (1970), S. 245–326, S. 252 f.; Orlandis: El arrianismo visigodo tardío, S. 18 ff.; Isla Frez: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios, S. 16 ff.; Valverde Castro: Leovigildo; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 225 f.; Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 179–199, besonders S. 197 ff. Isidor: Historia Gothorum 50. Johannes: Chronicon 57, plurimi nostrorum cupiditate pocius quam impulsione in arrianum dogma declinant. Valverde Castro: Leovigildo, S. 130: „Lo que sí se dieron fueron actuaciones concretas contra ciertos miembros de la jerarquía eclesiástica y no deja de ser significativo que en todos los casos de persecución de los que poseemos más información, confluyeran razones de carácter político entre los factores que motivaron la puesta en práctica de las medidas represivas.“
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von ihr abgewandt hätten.333 Dass die Grenzen zwischen den Konfessionen in jener Zeit auch sprachlich nicht ohne Weiteres auseinander zu halten waren, zeigt die doppeldeutige Verwendung des Attributes catholicus, welches nicht nur von Katholiken, sondern auch von Arianern benutzt wurde.334 Es lässt sich somit zusammenfassen, dass auch wenn Leovigild einigen wichtigen katholischen Potentaten konfrontativ begegnete, er seine Religionspolitik insgesamt doch so defensiv und auf Ausgleich bedacht verfolgte, wie es angesichts seiner Zielsetzung möglich erscheint. Wie schon Stroheker deutlich herausstellte, ging es dem König folglich nicht darum „einem orthodoxen Arianismus die Herrschaft im Westgotenreich zu verschaffen, sondern eine vermittelnde Lösung zwischen Arianismus und Katholizismus“ zu finden, wobei „nicht religiöse, sondern politische Gedankengänge im Vordergrund standen“.335 Wie auch in neueren Arbeiten hervorgehoben wurde, ist Leovigilds auf Glaubenseinheit abzielende Religionspolitik damit ein Baustein in seinem allgemeinen politischen Programm, mit welchem er die Herrschaft im Westgotenreich zu konsolidieren und zu zentralisieren suchte.336 Für die Fragestellung dieser Arbeit ist dabei von zentralem Interesse, dass die Forschung der angestrebten Religionseinheit bei diesem Unterfangen Leovigilds deswegen eine besondere Bedeutung beimisst, weil das religiöse Bekenntnis nicht nur trennend zwischen Arianern und Katholiken, sondern damit gleichzeitig auch zwischen dem gotischen und dem hispano-romanischen Teil der Bevölkerung gestanden habe.337 Die Überzeugung, dass Glauben und ethnische Zugehö-
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III. Tolet., Tu proinde iam ne fleas, ne lugeas temporaliter quosdam recessisse a te, quos cernis cum magnis lucris redisse ad te, 151 f., S. 152. Siehe dazu auch Kap. 4.1. Stroheker: Leowigild, S. 179. Orlandis: El arrianismo visigodo tardío, S. 15 f.; Collins: ¿Dónde estaban los arrianos en el año 589?, S. 220; Linehan: History and the Historians, S. 27; Heather: Goths, S. 280 f.; Valverde Castro: Leovigildo, S. 131; Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 194–197; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 191 f.; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 226: „En los dos únicos momentos de crisis entre el trono y la Iglesia, los reinados de Eurico y Leovigildo, las motivaciones son sólo de orden político: […]; el segundo, empeñado en su proyecto de unificación de los territorios hispanos (a tal fin responden la derogación de la norma que impide la celebración de matrimonios mixtos y la promulgación del Codex Revisus), considera, acertadamente, que la unidad religiosa es la clave del arco que ha de sostener este edificio, lo que le lleva a intentar ganar a la jerarquía católica para la cuasa arriana.“ Vgl. z. B. Stroheker: Leowigild, S. 179 ff., S. 189 ff.; Collins: ¿Dónde estaban los arrianos en el año 589?, S. 220; Orlandis: Época visigoda, S. 101; Sayas Abengochea/ García Moreno: Romanismo y germanismo, S. 317; Valverde Castro: Leovigildo,
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rigkeit bis zur Katholisierung weitgehend deckungsgleich und die Religion damit ein Bestimmungsmerkmal ethnischer Identität darstellte, repräsentiert mit Blick auf das spanische Westgotenreich dabei die Mehrheitsmeinung der Forschung.338 Ihr folgend, ergibt sich also, dass Westgoten und Hispano-Romanen bis über das sechste Jahrhundert hinaus zwei separate Ethnien innerhalb des Königreiches waren – mit je spezifischen sozialen und rechtlichen Status – und die Religion bis in die 580er Jahre ein zentrales Erkennungsmerkmal zur Identifikation dieser Gruppen darstellte, von dem manche annehmen, dass es bewusst zur Aufrechterhaltung dieser Differenz eingesetzt wurde. Einen ersten Impuls, hierüber kritisch nachzudenken, liefert die nicht unwesentliche Anzahl von Katholiken, die nach den Berichten Johannes’ und Isidors durch Versprechungen zur Konversion bewegt werden konnte, bedeutete eine Konversion nach diesem Verständnis doch weit mehr als einen Wechsel des religiösen Bekenntnisses. Hinsichtlich der Apostasie von Katholiken ist noch einmal an das bereits einhundert Jahre früher datierende vandalische Beispiel zu erinnern, bei welchem eine freilich ungleich brutaler umgesetzte arianische Missionspolitik ebenfalls zu nennenswerten Erfol-
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S. 131 f.; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 191 f. Siehe dazu etwa Stroheker: Leowigild, S. 140, S. 166–171, S. 180 f.; Thompson: Goths in Spain, S. 39–42; S. 105–109; Díaz y Díaz: Introducción, S. 14; Orlandis: El arrianismo visigodo tardío, S. 15; Id.: Época visigoda, S. 101; Barbero de Aguilera: El pensamiento político visigodo, S. 250; Alonso Campos, José Ignacio: Sunna, Masona y Nepopis. Las luchas religiosas durante la dinastia de Leovigildo, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 151–157, S. 151; Beltrán Torreira, Federico-Mario: El concepto de barbarie en la Hispania visigoda, in: ibid., S. 53–60, S. 56 f.; Godoy/ Vilella: De la fides gothica a la ortodoxia Nicena, S. 123 f., S. 126 f.; Collins: ¿Dónde estaban los arrianos en el año 589?, S. 216; Saitta, Biagio: La conversione di Reccaredo. Necesittà politica o convinzione personale, in: Concilio III de Toledo, S. 375–384, S. 375 f.; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 145, S. 150; Ripoll: Symbolic Life and Signs of Identity, S. 405; Linehan: History and the Historians, S. 23 f.; Jorge, Ana Maria: Church and Culture in Lusitania in the V–VIII Centuries. A Late Roman Province at the Crossroads, in: Ferreiro (Hg.), The Visigoths, S. 99–122, S. 110; Gómez Cobo, Antonio: Matizaciones teológicas y políticas de Leandro de Sevilla a los discursos de Recaredo en el Concilio III de Toledo, in: Carthaginensia 15 (1999), S. 1–30, S. 1 f.; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 164; Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 148; Drews: Goten und Römer, S. 4 f., S. 15 f.; Id.: The Unknown Neighbour, S. 9, S. 32; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 32; García Moreno: Etnia goda y iglesia hispana, S. 431 f.; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 228; Giese: Goten, S. 147, S. 149.
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gen geführt hatte.339 Dass solche auch für das Westgotenreich zu erwarten waren, kann insofern vorausgesetzt werden, als dass diese Erwartungshaltung die Voraussetzung für Leovigilds arianisch akzentuierte Konzeption seiner religiösen Einigungspolitik gewesen sein muss. Relativieren wiederum lässt sich diese Bemerkungen durch die Feststellung, dass dies eine Fehleinschätzung war und die Zahl der Apostaten daher nicht zu hoch zu veranschlagen ist, da beide Versuche schließlich scheiterten. Im westgotischen Fall ist jedoch auch die sich aus dem Scheitern ergebende Konsequenz bemerkenswert. Gemeint ist damit die direkt auf Leovigilds arianischen Bemühungen folgende Katholisierung des regnum durch Rekkared. Das im Jahr 589 abgehaltene dritte Konzil von Toledo repräsentiert in diesem Prozess den zeremoniellen und feierlichen Endpunkt. Vorbereitet und mit den widerstrebenden Interessengruppen verhandelt worden war die allgemeine Konversion bereits in den beiden vorangegangenen Jahren.340 Die Verhandlungen und Ausgleichsbemühungen führten jedoch nicht überall zu dem gewünschten Ergebnis, denn von 587 bis 589 sah der König seine Katholisierungsbemühungen in Mérida, Narbonne und Toledo durchaus ernstzunehmenden Widerständen ausgesetzt. Diese blieben jedoch Episo339 340
Kap. 2.3.2. Die angestrebte Eingliederung der arianischen in die katholische Kirchenstruktur gefährdete unweigerlich den Einflussbereich insbesondere der arianischen Bischöfe und des arianischen Adels, der diese Ämter, die auf regionaler Ebene nicht nur im religiösen sondern auch im politisch-administrativen Bereich zentral waren, besetzte. Um einer breit aufgestellten Opposition seitens der arianischen Bischöfe und des arianischen Adels entgegenzuwirken, musste versucht werden, das Konfliktpotential durch entsprechende Zugeständnisse möglichst gering zu halten. Ein Beispiel dafür stellt etwa die Zusicherung dar, dass die arianischen Bischöfe auch nach der Konversion ihr Amt und ihre Funktionen behalten konnten, was jedoch für die Metropoliten nur mit Einschränkung galt. Darüber hinaus ist in diesem Kontext auch mit in die Betrachtung zu nehmen, dass Rekkared sogleich nach seinem Herrschaftsantritt das Bündnis mit der einflussreichen arianischen Gemahlin Leovigilds, Gosvintha, suchte, indem er sie als seine Mutter anerkannte (Gregor von Tours: Historia Francorum 9,1). Ausgedehnte Verhandlungen über jene Modalitäten waren die Voraussetzung für die allgemeine Konversion auf dem dritten Toledanischen Konzil. Von besonderer Bedeutung in diesem Prozess war dabei eine im Jahre 587 von Rekkared einberufene Versammlung von Bischöfen beider Glaubensrichtungen, vgl. dazu Gregor von Tours: Historia Francorum 9,15; Johannes: Chronicon 84; Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 145. Siehe insgesamt Orlandis: Época visigoda, S. 108 ff.; Mikat, Paul: Doppelbesetzung oder Ehrentitulatur – Zur Stellung des westgotischen Episkopates nach der Konversion von 587/89 (Vorträge/ Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften: Geisteswissenschaften, G 268), Opladen 1984, S. 6 ff.; García Moreno: La coyuntura política, S. 281–286; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 168 ff.; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 59 ff.; Collins: Visigothic Spain, S. 67.
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den ohne Breitenwirkung und konnten jeweils unter Kontrolle gebracht werden, ohne dass sie nachhaltigen Schaden für den Fortgang der Konversionsbemühungen oder den König angerichtet hätten.341 Bereits Edward Thompson war dabei in der Gesamtschau die Halbherzigkeit des arianischen Widerstands aufgefallen, woran er die Erwägung anschloss, dass bereits zuvor viele Goten Katholiken geworden waren.342 Hinsichtlich der nur vereinzelten „Gefechte von Rückzugspositionen aus“,343 hat Roger Collins bemerkt, dass sie alle in Verbindung mit arianischen Metropolitanbischöfen standen. Namentlich waren dies Sunna von Mérida, Uldila von Toledo und Athalocus von Narbonne. Der Widerstand dieser Metropoliten ist aufgrund ihrer Spitzenposition innerhalb der arianischen Kirchenhierarchie leicht erklärlich, da sie durch die Konversion sicher nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren hatten.344 Kennzeichnend für die Situation insgesamt ist jedoch der vergleichsweise glatte Übergang, in welchem die arianischen Bischöfe sich mehrheitlich in die neuen Strukturen einfügten, nachdem sie entsprechende Kompensationen erhalten hatten.345 Wie der Klerus, so scheint auch die große Mehrzahl der Goten insgesamt in der raschen Auflösung der vermeintlich identitätsstiftenden fides Gothica kein allzu großes Problem erkannt zu haben. Vor dem Hintergrund einer mehr als einhundert Jahre weitgehend von toleranter beziehungsweise indifferenter Koexistenz und gelegentlicher Kooperation geprägten Vorgeschichte, weisen die erstaunlichen religionspolitischen Wendungen der 580er Jahre – zunächst mit der signifikanten Modifizierung des Arianismus’ und schließlich mit dem allgemeinen Bekenntnis zum katholischen Glauben – einen ausgesprochen pragmatischen Umgang mit der konfessionellen Differenz auf. Sofern dies bisher als Pragmatismus gewertet wurde, ist als Mittel zum angestrebten Zweck der Vereinigung von Goten und Hispano-Romanen verstanden worden, welche zuvor nicht von Interesse gewesen sei.346 341
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Siehe dazu etwa Schäferdiek: Die Kirchen, S. 199–205; Thompson: Goths in Spain, S. 101–104; Collins: Visigothic Spain, S. 68 f.; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, passim, Zitat S. 60 f.; Kampers: Westgoten, S. 182 f. Zu einer anderen Einschätzung gelangt Heather: Goths, S. 283. Eine vierte Erhebung, die wahrscheinlich mit den religionspolitischen Ereignissen in Verbindung stand, wurde von einem dux namens Argimund in der Carthaginiensis angeführt und bald niedergeworfen. Thompson: Goths in Spain, S. 104. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 205. Collins: ¿Dónde estaban los arrianos?, S. 213. Zur Diskussion der Stellung der ehemals arianischen Bischöfe innerhalb der katholischen Kirche siehe Schäferdiek: Die Kirchen, S. 219–226; Mikat: Doppelbesetzung oder Ehrentitulatur, S. 19–37. Collins: ¿Dónde estaban los arrianos?, S. 213; Valverde Castro: Leovigildo, S. 131 f.
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Auf dem Weg zu einer Erklärung dieses Phänomens lässt sich jedoch auch andersherum fragen, ob ein solcher, die Bekenntnissubstanz derart verwässernder und zielgerichteter Umgang mit der religiösen Differenz nicht bereits auf Basis einer fortgeschrittenen Relativierung entstand, beziehungsweise ob eine solche nicht die Voraussetzung für eine derartige Flexibilität im Umgang mit der Religionsfrage war. Dafür spricht die Beobachtung, dass die Bevölkerung, auch nach Aussage der katholischen Quellen, zunächst in nicht unwesentlichem Maße zusprechend auf die arianischen Bemühungen reagierte, während sie sich kurze Zeit später, unter veränderten Vorzeichen, rasch gänzlich dem Katholizismus zuwandte. Wie für das Tolosanische Reich geschehen, sind also auch die wenigen spanischen Quellen bis zur Endphase des sechsten Jahrhunderts danach zu befragen, inwieweit das religiöse Bekenntnis auch als ethnisches Identifikationsmerkmal erachtet werden kann. Damit der Konfession eine solche Funktion hätte zukommen können, müsste ihr als Erkennungsmerkmal eine gewisse Exklusivität zu eigen sein und eine weitgehende Kongruenz zwischen ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten bestehen. Von daher stehen in diesem Zusammenhang mögliche wechselseitige Konversionen besonders im Blickpunkt, da sie diesen Bedingungen entgegenstünden. Einmal mehr stehen dabei nur vereinzelte Hinweise aus der schmalen katholischen Überlieferung zur Verfügung, um der etwas blutleeren Anmerkung, dass man mit einer Anzahl westgotischer Konversionen zum Katholizismus bereits vor dem Jahr 589 rechnen müsse, etwas mehr Farbe zu geben.347 Einer davon lässt sich in dem oben bereits angeführten Brief des Montanus von Toledo an Turibius aus dem Jahre 531 entdecken. In der Eingangspassage seines Schreibens lobt Montanus Turibius nicht nur für dessen Verdienste bei der Bekämpfung des Priszillianismus und der Idolatrie, sondern auch dafür, dass er durch seine großen Bemühungen die „weltlichen Machthaber“ (terrenorum domini) ad salubrem regulam et normam regularis disciplinae geführt habe.348 Zum einen findet hierin Ausdruck, dass die religiöse Situation in jener Gegend nicht lediglich zweigeteilt, sondern heterogen gewesen zu sein scheint.349 Angesichts der Tatsache, dass Palencia 347
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Siehe dazu Hillgarth: La conversión de los Visigodos, S. 32; Fontaine: Conversion et culture, S. 106 f.; Barbero de Aguilera: El pensamiento político visigodo, S. 246; Díaz y Díaz: Introducción, S. 14; Collins: Mérida and Toledo, S. 201; Id.: Visigothic Spain, S. 64 f. Montanus: Epistula Toribio, 247–250, S. 363 f., Nam de terrenorum dominorum fide quid loquar? Cui ita tuum impendisti laborem ut feroces cohabitantium tibi animos ad salubrem regulam et normam regularis disciplinae perduceres. Siehe auch Isla Frez: Desde el reino visigodo y la ortodoxia Toledana, S. 43: „La intervención de Toribio en estos temas sugiere un panorama religioso mucho más
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zu dieser Zeit im regnum Gothorum lag und die Westgoten, wie oben gesehen, von Montanus selbst auch als Schutzmacht angeführt werden, deutet die zitierte Formulierung auch darauf hin, dass Turibius sich offenbar verdient darum gemacht hatte, einige mächtige Arianer zum katholischen Glauben geführt zu haben.350 Über expressis verbis als Goten identifizierte Personen, die bereits vor der allgemeinen Konversion Katholiken waren, erfahren wir zum Beispiel durch Isidor von Sevilla. In seinen De viris illustribus führt er zu dem Bischof und Chronisten Johannes von Biclaro, der schon lange dem nizänischen Bekenntnis angehörte, aus, dass dieser natione Gothus gewesen sei.351 Darüber hinaus sind es lediglich die VSPE, mit ihrer exzeptionellen Innenperspektive auf die Gesellschaft einer bestimmten civitas, die weitere, explizit identifizierte Beispiele liefern können.352 So wissen wir durch sie, dass der Bischofsstuhl des bedeutenden katholischen Erzbistums Mérida schon im Jahr 573 von einem Goten namens Masona besetzt war.353 Auch der ebenfalls als Gote identifizierte Renovatus, der zu einem nicht exakt zu bestimmenden Zeitpunkt nach dem Jahr 610 Bischof in Mérida wurde, hat vor 589 im Dienst der katholischen Kirche gestanden, da er vor seiner Tätigkeit als Bischof lange als Abt des nahe Mérida gelegenen Klosters Cauliana gedient hatte.354 Darüber hinaus nennt die Quelle eine Gruppe gotischer Adliger, die teilweise im Ehrenrang von comites standen, die katholischen Glaubens waren.355 Diese Liste erscheint quantitativ nicht gerade sehr beeindruckend. Über die Feststellung hinaus, dass es sich dabei jeweils um Personen von beachtlicher sozialer Stellung handelt, gilt es sich dabei zu vergegenwärtigen, dass die prosopographischen Informationen zu einzelnen Personen aus dem Westgotenreich über weite Strecken des sechsten Jahrhunderts insgesamt so trümmerhaft sind, dass sich eine Kombination von verifizierbaren Angaben zu ethnischer und gleichzeitig religiöser Zuordnung fast gar nicht
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abierto de lo que suele pensarse, con presencia de elementos paganos y con grupos cristianos, ya fueran arrianos, ortodoxos y otros priscilianistas.“ Vgl. auch Thompson: Goths in Spain, S. 33; Vilella: PCBE, S. 170. Isla Frez: Desde el reino visigodo y la ortodoxia Toledana, S. 43–46, hingegen argumentiert, dass es sich bei den genannten Personen, die, denkt man an Westgoten, tatsächlich ungewöhnlicherweise auch als feroces animos benannt werden, eben nicht um solche, sondern um Sueben gehandelt hat. Isidor von Sevilla: De viris illustribus 31. Siehe zu Johannes ausführlicher Kap. 4.1. Zum besonderen Erzählfokus der Quelle vgl. Kap. 4.3. VSPE 5,2, S. 48. Siehe auch Johannes: Chronicon 30; García Moreno: Prosopografía, Nr. 435. VSPE 2, S. 14; 5,14, S. 100. García Moreno: Prosopografía, Nr. 438; Collins: Mérida and Toledo, S. 201. VSPE 5,10, S. 81. Siehe dazu auch unten Kap. 4.3.
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Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches
vornehmen lässt. Ebenso wie dieser Aspekt, wurde im vorangegangenen Abschnitt auch dargelegt, dass aus germanischen Namen nicht gefolgert werden kann, dass es sich bei deren Trägern um Personen westgotischer Abstammung handelt. Wenn im Folgenden dennoch Personen mit einem germanischen Namen in Beziehung zu ihrer Religion gesetzt werden, so ist dies damit zu begründen, dass dieser Name zwar keine Deszendenz, wohl aber eine westgotische Affiliation ausdrückt. Vor diesem Hintergrund sind Personen germanischen Namens, die bereits vor der allgemeinen Konversion Katholiken waren, durchaus von Interesse. Sehr wahrscheinlich ist dies der Fall bei einer am 15. März 504 in Arahal gestorbenen und als famula Dei bezeichneten Frau namens Hilduarens, da ihr Sarkophagdeckel zur Bestattung eines Mönchs mit Namen Fulgentius († 27. 12. 543) erneut benutzt wurde.356 Auch für den nach 476 auf einem katholischen Friedhof in Tarragona bestatteten Ringilio ist naheliegend, dass er Katholik war.357 Ferner ist mit Blick auf die Unterzeichnerliste des dritten Konzils von Toledo auffällig, dass von den 62 signierenden Bischöfen nicht nur die acht arianischen,358 sondern auch sechs der katholischen Bischöfe germanische Namen trugen, unter ihnen auch die Metropoliten Masona von Mérida und Nitigisius von Lugo.359 Da diese Personen bis zum Jahr 589 bereits bis zu höchsten Ämtern in der Kirchenhierarchie emporgestiegen waren, ist davon auszugehen, dass sie bereits lange zuvor im Dienst der katholischen Kirche standen. Einschränkend ist dazu zu bemerken, dass diese mehrheitlich aus dem Gebiet des ehemals suebischen Reiches stammten, welches seit etwa 570 katholisch gewesen und erst 585 ins regnum Gothorum integrierte worden war.360 Für eine kritische Bewertung der scheinbar klar durch die Gesellschaft des westgotischen Reiches gezogenen religiös-ethnischen Trennlinien ebenso wichtig sind Hinweise auf deren Aufweichung unter umgekehrten Vorzeichen. In den Blick fällt dabei der erste Kanon des Konzils von Va356 357 358
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ICERV, Nr. 149, Nr. 150. Thompson: Goths in Spain, S. 37. ICERV, Nr. 214. Mikat: Doppelbesetzung oder Ehrentitulatur, S. 9–18, argumentiert hinsichtlich dieser Zahl, dass es zuvor insgesamt mehr als diese und die drei weiterhin bekannten arianischen Bischöfe, die jedoch nicht unterzeichneten, gegeben habe. Die vier weiteren waren Neufila von Tuy, Ermaricus von Laniobriaga ( ? ), Leuterius von Salamanca und Commundus von Baira. Zur Unterzeichnerliste siehe Tolet. III, Svbscriptiones, S. 139–148; ferner Schäferdiek: Die Kirchen, Anhang C, S. 252–259, und zur Klassifizierung der Namen Kampers: Personengeschichtliche Studien, S. 176 f.; vgl. auch Thompson: Goths in Spain, S. 38. Vgl. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 247–251; Thompson, Edward A.: The Conversion of the Spanish Suevi to Catholicism, in: James (Hg.), Visigothic Spain, S. 77–92.
Die Rolle des Arianismus
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lencia (546), in welchem der Zeitpunkt und der Rezipientenkreis der Predigt in der Messe verhandelt wird, da, so das Argument, Menschen anderen Glaubens deswegen zu Katholiken geworden seien, weil sie die Predigt gehört hätten.361 Diese Formulierung bleibt freilich noch sehr vage, Arianer könnten hier ebenso wie viele andere Glaubensrichtungen gemeint sein. Sehr viel deutlicher sind jedoch die drei Kanones des Konzils von Lérida aus dem gleichen Jahr. Wie weiter oben bereits thematisiert wurde, mussten sich Katholiken, die zum arianischen Glauben konvertierten, erneut taufen lassen. Dieser Schritt wurde erst durch Beschluss des arianischen Konzils im Jahre 580 aufgehoben. Dass solcherlei Wiedertaufen in den Akten dieser Provinzialsynode mehrfach problematisiert werden, ist Beleg dafür, dass es zu solchen Konversionen gekommen ist. So verbietet der Kanon 14, sich mit Wiedergetauften an einen Tisch zu setzen und Kanon 13 untersagt es, Opfergaben katholischer Eltern anzunehmen, die ihre Kinder häretisch haben taufen lassen.362 Auf eine noch vertracktere Situation deutet der Kanon 9 hin, welcher jenen, die sich zwanglos haben wiedertaufen lassen, zur Auflage machte, zuvor sieben Jahre im Kreise der Katechumenen und weitere zwei unter ihren Glaubensbrüdern beten zu müssen, bevor sie erneut an der Eucharistie teilnehmen könnten.363 Voraussetzung für die Formulierung und Anwendung dieses Paragraphen ist also zunächst eine Apostasie zum Arianismus und eine folgende Rekonversion. Dass es sich bei arianischen Neutaufen von Katholiken innerhalb des Westgotenreiches nicht um ein singuläres Phänomen der Tarraconensis in der Mitte des sechsten Jahrhunderts gehandelt hat, wird darin offenbar, dass die auf dem III. Toletanum dem Arianismus abschwörenden Bischöfe all jene anathematisierten, welche die Wiedertaufe für gut hielten oder praktizierten.364 Dieser Passus bezieht sich dabei nicht auf mögliche Konversionen, die erst unter den Vorzeichen der von Leovigild beförderten Annäherung des Arianimus an das katholische Bekenntnis vorgenommen 361 362
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Concilium Valletanum I, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 4, S. 313–319, 15–23, S. 314. Concilium Ilerdense 13–14, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 4, S. 297–311, 123–128, S. 305 f. Concilium Ilerdense 9, 101–107, S. 304. Unverständlicherweise findet sich bei Orlandis, José/ Ramos-Lissón, Domingo: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel bis zum Ausbruch des Islam (711) (Konziliengeschichte, Reihe A: Darstellungen), Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 1981, S. 72, die Darstellung, dass dieser Kanon sich an Katholiken richtete, die „in einer Zwangslage zum Arianismus abgefallen“ seien. Es heißt im Wortlaut des Kanons jedoch ausdrücklich: De his qui praeuaricationem rebaptizati sine aliqua necessitate uel tormento dilapsi sunt. Tolet. III, Quicumque rebaptizandi sacrilegum opus bonum esse credit aut crediderit, agit aut egerit, anathema sit, 380 f., S. 82.
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wurden, denn zum einen wird auf diese im darauf folgenden Anathema eigens eingegangen und zum anderen war die erneute Taufe seit dem Jahr 580 nicht mehr notwendig. Schließlich sind noch jene oben bereits angesprochenen Apostaten zu nennen, die im Zuge der von Leovigild betrieben Religionspolitik konvertierten. Wohl in diesem Zusammenhang berichtet auch Gregor von Tours darüber, dass er bei der Rückkehr zweier fränkischer Gesandter aus dem Westgotenreich begierig gewesen sei von jenen zu erfahren, ob der Glaube bei den wenigen dort noch verbliebenen Rechtgläubigen stark sei.365 Wie auch bei der Analyse der Akten des III. Toletanum weiter unten zu sehen sein wird, sind die hier erörterten Quellenbelege nicht dazu angetan grundsätzlich in Frage zu stellen, dass die als Westgoten identifizierten Personen bis zur allgemeinen Konversion mehrheitlich arianischen Glaubens waren. Was jedoch zu zeigen versucht wurde, ist, dass die Überlieferungssituation und die Tendenz der Quellen sowie die vornehmlich nach der Suche der Merkmale einer vermeintlichen Dualität von Barbaren und Romanen in den Nachfolgereichen geeichte Forschungstradition zu einer in mehrfacher Hinsicht überzeichneten Bewertung der arianisch-katholischen Bekenntnisdifferenz geführt haben. Die auf ihrem Jahrhunderte währenden Überlieferungsmonopol beruhende katholische Traditionsbildung bedingt, dass wir aus den Quellen kaum verlässliche Angaben über die tatsächliche Rolle des Arianismus gewinnen können. Umso bedeutender ist es folglich, die aus einer bestimmten Perspektive verfassten Texte auch entgegen der ihnen eigenen Aussageabsicht zu lesen. Die Notwendigkeit dazu hat die jüngst von Howe überzeugend dargelegte Interpretation der Historia persecutionis Victors von Vita aufgezeigt.366 So erscheint die in dieser Quelle – die für die Bewertung des Arianismus in den Nachfolgereichen insgesamt eine zentrale Stellung einnimmt – vorgenommene Barbarisierung und Identifikation des Arianismus mit den Vandalen den tatsächlichen religiösen Tendenzen in ganz ähnlicher Weise geradezu entgegen zu laufen, wie der im fünften Jahrhundert seitens der alten senatorischen Eliten erhobene Barbarenvorwurf gerade deswegen immer lauter wurde, weil jene, aus ihrer Sicht barbarische neue Führungsschicht von Emporkömmlingen, im römischen Staat faktisch die einflussreichere wurde. Über den Aspekt hinaus, dass die Konfessionen sich näher gestanden haben, die konfessionellen Grenzen flexibler und die religiöse Situation mithin vieldeutiger war als die Quellen 365
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Gregor von Tours: Historia Francorum 6,18, Quibus visus, ego sollicitus eram, qualiter in ipsis christianis, qui pauci in eo loco remanserant, fides Christi ferveret. Siehe oben Kap. 2.3.2.
Die Rolle des Arianismus
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dies suggerieren, ist weiter zu fragen, welche Bedeutung der Religion etwa bei politischen Entscheidungen beigemessen wurde.367 Es zeigt sich im Hinblick auf diese Fragestellung sehr schnell, dass die konfessionellen Differenzen beziehungsweise Übereinstimmungen den politisch Handelnden offenbar weit weniger wichtig waren, als der Duktus der Quellen dies vermuten lässt. So stellte sich etwa die katholische Bevölkerung des Tolosanischen Reiches im Jahr 507 ebenso wenig auf die Seite der ebenfalls katholischen Franken, wie jene der Baetica entschieden Partei für den konvertierten Hermenegild ergriff.368 Stattdessen wissen wir, dass die Westgoten bei der Schlacht von Vouillé zumindest von Teilen der katholischen Bevölkerung militärisch unterstützt wurden,369 während die arianischen Burgunder sich auf die Seite der Franken stellten.370 Im Kontext des Konflikts zwischen Leovigild und Hermenegild haben wir Zeugnis über zwei katholische Boten, welche die Sache des Arianers Leovigild bei den Franken vertraten.371 Ferner deutet auch das Engagement des Byzantinischen Reiches in diesem Kontext auf kein sonderlich ausgeprägtes konfessionelles Bewusstsein hin, denn die anfänglich zaghafte Unterstützung für Hermenegild konnte von Leovigild mittels einer Geldzahlung von 30 Tausend solidi rasch unterbunden werden.372 Zwischen den fränkischen Königreichen und den Westgoten kam es zur Herrschaftszeit Leovigilds zwar zu einer Reihe an Feindseligkeiten, die allerdings nicht originär religiös motiviert waren.373 Belegt ist hingegen, dass eine Gesandtschaft des Suebenkönigs Miro an den fränkischen König Gunthram, die wahrscheinlich um Unterstützung in dem Konflikt zwischen Leovigild und Hermenegild werben sollte, von dem ebenfalls katholischen Chilperich von Neustrien aufgehalten wurde. Dieser wiederum verfügte durch familiäre Verbindungen auch politisch über gute Beziehungen zu Leovigild.374 Darüber hinaus stellten die konfessionellen Differenzen zwischen den beiden gentes im Laufe des sechsten Jahrhunderts weder für diverse diplomatische Beziehungen noch für eine intensive Heiratspolitik zwischen den Herrschergeschlechtern ein 367
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Aufgrund der Beschaffenheit der Quellen ist diese Ebene die einzige, die sich etwas genauer beleuchten lässt. Vgl. Vallejo Girves: Bizancio, S. 195 Anm. 81. Gregor von Tours: Historia Francorum 2,37. Chronica Gallica 689. Gregor von Tours: De virtutibus beati Martini episcopi 3,8, hg. v. Bruno Krusch, in: Gregorii episcopi Turonensis miracula et opera minora (MGH SS rer. Mer. 1,2), Hannover 1885 (ND 1969), S. 134–211. Gregor von Tours: Historia Francorum 5,38. Thompson: Conversion, S. 15. Gregor von Tours: Historia Francorum 5,41. Vgl. auch Goffart: Byzantine Policy, S. 89.
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Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches
Hindernis dar.375 Gregor von Tours problematisiert die ehelichen Verbindungen zwar an einigen Stellen in seiner Historia, aber sowohl die Dauer, über welche eine ganze Anzahl von fränkisch-westgotischen Hochzeiten angebahnt wurden, als auch deren Frequenz zeigen, dass die Bekenntnisdifferenz an politisch entscheidender Stelle nicht als Hindernis aufgefasst wurde. Schließlich erfahren wir noch in der Endphase des westgotischen Arianismus’ über zwei Fälle, bei denen sich Katholiken auf die Seite der arianischen Widersacher gegen König Rekkared stellten. Zum einen wurde der arianische Bischof Sunna von Mérida bei seiner Revolte auch von Teilen der katholischen Bevölkerung unterstützt und des Weiteren stellte sich eine Anzahl von Franken auf die Seite der Aufständischen um den arianischen Bischofs Athalocus von Narbonne und die comites Granista und Vildigernus.376 Zusammenfassend legen die hier gesammelten Beobachtungen zur Bekenntnisdifferenz im spanischen Westgotenreich nahe, dass ihre etwaige Wirkung als ethnisches Identitätsmerkmal zur Zeit der 580er Jahre faktisch bereits weitgehend verblichen war. Die wechselseitigen Konversionen und das pragmatische Verhältnis der politischen Akteure zur Religion zeigen, dass die Voraussetzungen dafür, dass ihr noch im sechsten Jahrhundert eine solche Funktion in wirkungsmächtiger Weise zugekommen sein könnte, nicht gegeben waren. Die vermeintliche Überwindung einer religiös markierten ethnischen Zweiteilung war damit nicht das Ziel der unter gegensätzlichen Vorzeichen stehenden religiösen Einigungsbemühungen Leovigilds und Rekkareds, sondern stattdessen deren Ausgangspunkt. Diese Feststellung könnte auch erklären, warum Leovigild es überhaupt für aussichtsreich halten konnte, eine arianische Einigung der Kirche zu forcieren. Auf Basis der Annahme, dass der Arianismus bis zu jenem Zeitpunkt eine ethnisch aufgeladene Religion einer klar umgrenzten Minderheit gewesen ist, erscheint es ausgesprochen abwegig annehmen zu können, die erdrückend große katholische Bevölkerungsmehrheit in ihren Schoß führen zu können.
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Siehe Isla Frez: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios, passim u. Fazit auf S. 32; Wood: The Merovingian Kingdoms, S. 169–175. Vgl. VSPE 5,10, S. 81, sowie 5,12, S. 92. Die Chronologie bietet der nicht eindeutig nachzuweisenden Vermutung Raum, dass es sich bei dieser Unterstützung um das Heer König Gunthrams unter der Führung des dux Boso handelte, über dessen Angriff und Niederlage Johannes: Chronicon 90, und Gregor von Tours: Historia Francorum 9,31, Bericht erstatten. Vgl. dazu etwa Isla Frez: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios, S. 30.
Die Rolle des Arianismus
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Da das Interesse der Religionspolitik also nicht in der Zusammenführung einer ethnisch separierten Bevölkerung lag, ist die Frage nach ihrer tieferen Motivation dahingehend zu beantworten, dass sowohl der in dieser Hinsicht gescheiterte Leovigild als auch der schließlich erfolgreiche Rekkared die Existenz zweier Kirchenstrukturen als Hemmschuh zentraler Herrschaftsentfaltung zu überwinden suchten. Wie in Anlehnung an die Ergebnisse neuerer Untersuchungen in diesem Kapitel aufgezeigt wurde, manifestierte und definierte sich Herrschaft im Westgotenreich an der Schnittstelle zwischen der Macht und den Ansprüchen regional einflussreicher Magnaten und jenen der Zentralmacht. In diesem Kontext sind die Bischöfe und die Machtressourcen ihrer Kirche von zentraler Bedeutung, indem sie entweder die Position des westgotischen Königs stützen konnten oder potentiellen Opponenten Handlungsoptionen dazu boten, ihre eigenen Interessen zu verfolgen.377 Über die Gefahr hinaus, dass mögliche Widersacher durch die dem König jeweils ferner stehende Kirche eine strukturelle Unterstützung erfahren könnten, liefert die Existenz zweier Glaubensrichtungen ferner die Möglichkeit zu einer religiösen Legitimation des politischen Handelns. Wie der mit dem III. Toletanum von Rekkared auf den Weg gebrachte Schulterschluss von regnum und sacerdotium, der für die politische Organisation des Westgotenreiches fürderhin kennzeichnend wurde, eindeutig zeigt, lag der angestrebten Vereinheitlichung der Kirchenstrukturen unter monarchischer Einflussnahme die machtpolitische Intention zugrunde, die Stellung des Königs innerhalb der Kirche und damit auch im Verhältnis zum rivalisierenden Adel zu stärken.378 Im Hinblick auf den Zeitpunkt ist zu bemerken, dass erst die durch Leovigild neu manifestierte Stellung des Königs den Monarchen überhaupt in die Lage versetzte, diesen zwangsläufig konfliktiven Prozess ins Werk setzen zu wollen, schließlich hatten die Herrscherfiguren vor ihm auch ohne dieses Konfliktfeld bereits Aufgabe genug daran, nicht von politischen Feinden getötet zu werden. Das sowohl Leovigild als auch Rekkared die Bischöfe der jeweils anderen Konfession vor allem durch Kompensationen für sich gewinnen wollten und sie, als ultima ratio, im Falle einer kompromisslosen Haltung durch Anwendung von Gewalt aus dem Weg räumten, verdeutlicht das reziproke Verhältnis zwischen der Zentralmacht und den regionalen Potentaten.
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Wie sich dies auf lokaler Ebene konkret auswirkte, zeigen die VSPE, siehe dazu unten Kap. 4.3. Siehe dazu etwa Stocking: Bishops, Councils, and Consensus.
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Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches
3.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Resümieren wir zunächst die Überlegungen hinsichtlich einer westgotischen Migration von der Gallia auf die Iberische Halbinsel, so stand an deren Anfang die Feststellung, dass die Überlieferung der Consularia Caesaraugustana und die auffälligen Beigabenfunde in den Gräberfeldern der Meseta bisher fast ausnahmslos wechselseitig als Belege für eine Einwanderungsbewegung signifikanter Größe gegen Ende des fünften Jahrhunderts in Dienst genommen wurden. Wie die aktuelle Bewertung des archäologischen Befundes und die anschließende Untersuchung des vermeintlich einzigen Textbelegs für eine westgotische Einwanderung und Ansiedlung jedoch haben deutlich werden lassen, liefern die Quellen keinen Beweis dafür, dass es zu einer solchen Migration gekommen ist und auch aus dem historischen Kontext lässt sie sich nicht überzeugend herleiten. Angesichts dieser Situation erscheint es notwendig, sich von der Vorstellung einer Masseneinwanderung der „Zivilbevölkerung“ zu lösen und vor allem die Militärpräsenz der Westgoten in den Blick zu nehmen. Diese Schlussfolgerung ist vor allem daher von Bedeutung, da das wissenschaftliche Verständnis der gotischen Identität des Toledanischen Reiches in ausgeprägter Weise von der Vorstellung einer Masseneinwanderung von Personen westgotischer Herkunft und der physischen Präsenz dieser westgotischen Immigranten und ihrer Nachkommen bestimmt wird.379 Die Erklärungsproblematik, die sich jedoch ergibt, wenn man den Aspekt einer Immigration vernachlässigt und stattdessen vor allem von militärischer Präsenz ausgeht und auf die hier im Weiteren eine Antwort zu geben angestrebt wird, hat Gisela Ripoll jüngst wie folgt zusammengefasst: „Por otra parte y tal como se ha señalado el querer ver únicamente presencia militar goda, porque las fuentes sean pocas expresivas, es proponer la construcción del regnum toletanum bajo una óptica exclusivamente militar, abandonar definitivamente el concepto de migración por el de ocupación militar; sin embargo las fuentes del siglo VI, dejan clara la presencia de godos en prácticamente todos los estamentos civiles, militares y religiosos que conforman la estructura y población del reino.“380 379
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Vgl. dazu Heather: Goths, S. 320: „Thus the overlap between immigrant freemen of the fourth to sixth centuries, and later Gothic landowners of the sixth to seventh centuries is likely to have been considerable.“, und S. 231: „[I]t has been one of the aims of this study to make the case for seeing migration, at least in relation to Goths, as a phenomenon of real importance in European history between the second and the sixth centuries. The migration of substantial numbers of […] Goths […] provides, to my mind, a line of real continuity between different manifestations of Gothicness.“ Ripoll: Las necrópolis visigodas, S. 68. Siehe im Anschluss an das in der vorangegangenen Anmerkung stehende erste Zitat ebenso auch Heather: Goths, S. 320:
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
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Wie in diesem Kapitel erörtert wurde, ist es angesichts der prägenden Kontinuität römischer Strukturelemente verfehlt, das ausgehende fünfte Jahrhundert einzig unter der Perspektive der Morgendämmerung eines sich abzeichnenden westgotischen Königreiches zu verstehen. Prononciert hat dies zuletzt Michael Kulikowski betont und die vergleichsweise marginale Rolle der Westgoten für die politische Entwicklung der Hispania bis zur Regentschaft Leovigilds aufzuzeigen versucht.381 So gerechtfertigt dieser Ansatz insbesondere eingedenk manch fragwürdiger Akzentuierung in der Forschungsgeschichte ist, so scheint es gleichzeitig bezeichnend, dass auch in Kulikowskis freilich dekonstruierender Darstellung die Westgoten zum Dreh- und Angelpunkt werden, sobald der Blick über die Grenzen einzelner civitates hinausgeht und sich auf eine überregionale politische Landschaft richtet. Darin spiegelt sich wider, dass es, mit der partiellen Ausnahme der Sueben im Nordwesten der Halbinsel, seit dem Ende des übergreifenden staatlichen Systems des Imperiums in der Hispania keine andere Macht mehr gab, die in der Lage dazu gewesen wäre, längerfristig Einfluss auf einen größeren Raum auszuüben. Mit Blick auf das Verhältnis von nomen und gens wurde die methodische Problematik einer ethnischen Zuordnung von Personennamen dargestellt, die im spanischen Westgotenreich darin besteht, dass in der Regel biographische Angaben zum Träger eines Namens fehlen. Ohne einen Kontext liefert ein Personenname jedoch keine Aussage über eine ethnische Zuordnung im klassischen primordialistischen Sinne, sondern über eine, wie auch immer geartete Affiliation. Diese kann zum Beispiel darin bestehen, dass hispano-romanische Eltern ihre Namengebung an die veränderte politische und gesellschaftliche Situation anpassten und ihre Kinder durch einen germanischen Namen mit der neuen Elite zu assoziieren suchten. Ebenso wie im vorangegangenen Kapitel, aufgrund der Quellenlage jedoch auf einer schmaleren Basis an Beispielen, konnte auch hier die Beobachtung gemacht werden, dass führende Repräsentanten der hispano-romanischen Bevölkerung sich bereits seit dem fünften Jahrhundert entweder direkt in den Dienst des westgotischen Königs stellten oder zumindest eine wahrnehmbare Loyalität zu diesem erkennen ließen. Wie die Untersuchungen zur religiösen Situation innerhalb des spanischen Westgotenreiches bis zur Katholisierung in Anlehnung an die bereits für das Tolosanische Reich gemachten Beobachtungen bestätigt haben, hatte die konfessionelle Differenz faktisch keine derartige Relevanz, um
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„Indeed, without such an overlap, the determinedly Gothic rethoric of the seventhcentury Hispanic kingdom makes no sense.“ Kulikowski: Late Roman Spain, S. 197–214, S. 256–309.
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Aspekte des Entstehungsprozesses des spanischen Westgotenreiches
als ein ethnisches Definitions- und Erkennungsmerkmal erachtet werden zu können. Dem sich seit dem Jahr 580 zunächst unter Leovigild deutlich artikulierenden Ziel einer religiösen Einigung, welches unter konfessionell umgekehrten Vorzeichen schließlich von Rekkared realisiert wurde, lag demnach auch nicht die Motivation zugrunde, eine wesentliche Voraussetzung für die Vereinigung von Goten und Hispano-Romanen innerhalb des regnum zu schaffen. Stattdessen waren die faktische Bedeutungslosigkeit der Konfession für die ethnische Identität sowie die Nähe der beiden Bekenntnisse zueinander die Basis jener religionspolitischen Einigungsbemühungen. Diese wiederum gingen im Kern dem machtpolitischen Interesse nach, die Stellung des Königs durch eine einflussreiche Position innerhalb einer geeinten Kirche zu stärken und etwaigen Widersachern die Möglichkeit zu nehmen, sich die doppelte Kirchenstruktur für ihre Zwecke zunutzen machen zu können. Kommen wir auf dieser Grundlage auf die notwendige alternative Erklärung für das Faktum zurück, dass die Quellen ab dem sechsten Jahrhundert die Goten in der Hispania als zentrale Führungsschicht eines mit ihnen identifizierten Reiches belegen, so muss eine solche dem Umstand gerecht werden, dass dieses regnum mikrostrukturell grundsätzlich weiter römisch geprägt war und die hispano-romanischen Eliten eine machtpolitische Größe darstellten, ohne die die Herrschaft über diesen Raum schlicht nicht vorstellbar ist. Die Westgoten waren also die Einzigen, die in der Hispania über einen längeren Zeitraum hinweg einen überregional ausgerichteten Herrschaftsanspruch erhoben und diesen mindestens in Ansätzen auch durchzusetzen vermochten. Die einheimischen Führungsschichten setzten sich partiell bereits im fünften Jahrhundert in Beziehung zu den Westgoten und ihrem Herrschaftsanspruch. Eingedenk dessen und in Anbetracht der Flexibilität und Instabilität militärisch, religiös, politisch oder „staatlich“ definierter Identitäten, sollte über die bisherigen Überlegungen hinaus – die sich vornehmlich danach richten, woher die Goten wann in welcher Zahl kamen und wo sie sich niederließen –, bereits für das sechste und beginnende siebte Jahrhundert viel stärker als bislang die Fragen mit einbezogen werden, wer die Goten waren, die uns in den Quellen dieser Zeitstufe entgegentreten, beziehungsweise in welcher Weise sich gotische Identität artikulierte und bestimmte.
Die erzählenden Quellen
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4. Die erzählenden Quellen In diesem Kapitel werden die erzählenden Quellen vornehmlich bis zur Mitte des siebten Jahrhunderts untersucht, wobei hagiographische Texte dabei ebenso berücksichtigt werden wie historiographische. Im Zentrum der Untersuchung stehen dabei insbesondere solche Textbelege, welche als besonders aufschlussreich für die Einschätzung der ethnischen Situation innerhalb des Toledanischen Reiches gelten können. Den Anfangspunkt dafür setzt die in den letzten Jahren des sechsten Jahrhunderts entstandene Chronik des Bischofs Johannes von Biclaro, die, mit den wahrscheinlich etwa zeitgleich verfassten Consularia Caesaraugustana, den ältesten überlieferten Text des spanischen Westgotenreiches darstellt. Vor jener hatte Hydatius die letzte uns bekannte Chronik auf dem Boden der Iberischen Halbinsel verfasst. Sie soll jedoch hier nicht eigens zum Gegenstand der Untersuchung werden, sondern stellenweise als Vergleichstext aus der chronistischen Tradition vor unserem Untersuchungszeitraum dienen. In dem Glauben, dass sich mit der allmählichen Ablösung der römischen Herrschaft durch sogenannte barbarische gentes der Tag des Jüngsten Gerichts ankündigte, stellte Hydatius seine Erzählung vielfach in ein sehr düsteres Licht.1 So wie die neuere Forschung darauf hingewiesen hat, die apokalyptischen Schilderungen des Chronisten in ihrem religiösen Kontext bewerten zu müssen und sie nicht ungebrochen als Abbild eines endzeitlich anmutenden fünften Jahrhunderts der Zerstörung und des haltlosen Chaos’ zu lesen,2 so stellt das Imperium Romanum für Hydatius weiterhin das konkurrenzlose Gravitationszentrum seiner Welt dar.3 Unter den Historiographen der spätantiken Hispania wird Hydatius jedoch als „der letzte Römer“ ange-
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Burgess: The Chronicle of Hydatius, S. 9/10: „The chronicle was thus intended as an eye-witness account of the last years of Gallaecia and the Roman Empire, with the barbarians as the agents of the Antichrist […].“ Vgl. Arce: The Enigmatic Fifth Century, besonders S. 151–154. Muhlberger, Steven: The Fifth-Century Chroniclers. Prosper, Hydatius, and the Gallic Chronicler of 452 (ARCA 27), Leeds 1990, S. 264–271; Galán Sánchez, Pedro Juan: El género historiográfico de la chronica. Las crónicas hispanas de época visigoda, Cáceres 1994, S. 62 ff.
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Die erzählenden Quellen
sprochen.4 Während etwa Edward Thompson vor dem hier skizzierten Hintergrund über die Chronik noch befindet, dass sie nicht von Barbaren, sondern von Römern handle,5 so wird für die westgotischen Quellen im Folgenden auf dem Prüfstand stehen, inwieweit das Römische Reich bzw. Römer in ihnen noch immer eine Rolle gespielt haben. Wenn bereits angesprochen wurde, dass die beiden genannten Chroniken in der hispanischen Geschichtsschreibung zwei aufeinander folgende sind, so muss bei dieser Feststellung hervorgehoben werden, dass zwischen der im Jahre 469 beendeten Chronik6 des Bischofs von Aqua Flaviae und jener des Johannes eine beinahe 100-jährige Überlieferungslücke klafft.7 Diese wird noch einmal um etwa 20 Jahre erweitert, vergleicht man die Entstehungszeit und nicht den Berichtszeitraum der beiden Texte. Dieser Zusatz ist in Hinblick auf die Quellenkritik von Bedeutung, weil somit alle uns überkommenen literarischen Texte nicht vor das Jahr 589 und folglich in die Zeit nach jener für die westgotische Geschichte in der Hispania bedeutende Phase der Herrschaftskonsolidierung unter den Königen Leovigild und Rekkared datieren. Verstärkt wird dieses Problem zur Bewertung der Überlieferung ferner dadurch, dass ihre Verfasser häufig in einem besonderen Nahverhältnis zu den westgotischen Königen standen und insbesondere die historiographischen Texte zudem mit auffallender Emphase über die Geschicke des Reiches berichten. „Written history in Visigothic Spain should be seen in perspective, as occupying a place in the arsenal of royal propaganda“,8 hat Jocelyn Hillgarth in einem Artikel aus dem Jahr 1970 treffend dazu formuliert. Daraus leiten sich für die Interpretation der folgenden Quellen einige grundsätzliche Fragestellungen ab: Können die Texte, deren Berichtszeiträume teilweise deutlich hinter das Jahr 589 zurückreichen, als vertrauenswürdige Quellen für die Zeit vor der Konsolidierungsphase des Toledanischen Reiches herangezogen werden? Inwieweit erlauben sie auch für die Zeit ab dem Ende des sechsten Jahrhunderts Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Realität dieses Reiches oder bis zu 4
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Muhlberger: The Fifth-Century Chroniclers, S. 264 ff., Zitat S. 264; vgl. auch Burgess, Richard W.: Hydatius and the Final Frontier. The Fall of the Roman Empire and the End of the World, in: Mathisen/ Sivan (Hg.), Shifting Frontiers, S. 321– 332. Thompson, Edward A.: The End of Roman Spain. Part IV: Conclusion, in: NMS 23 (1979), S. 1–21, S. 3. Zu Aspekten der römischen Identifikation in der Chronik des Hydatius’ vgl. unten S. 248 f. Zur Datierung siehe Burgess: The Chronicle of Hydatius, S. 5 f. Die erste Nachricht bei Johannes berichtet über den Tod Kaiser Justinians im Jahre 565, vgl. PLRE, Bd. 2, Justinianus 7, S. 645. Zitat Hillgarth: Historiography, S. 271.
Die erzählenden Quellen
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welchem Grad transportieren sie lediglich eine von der Zentralmacht beeinflusste Idealvorstellung? Die angesprochene Überlieferungslücke für die Zeit etwa von der Mitte des fünften bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts sowie der Mangel an Parallelüberlieferungen für die Zeit danach machen es unmöglich, diese Fragen der Quellenkritik eindeutig zu beantworten. Diese Tatsache ist folglich bei allen Bewertungen dieses Kapitels zu berücksichtigen und muss in die Analyse der einzelnen Texte mit einfließen. Darüber hinaus hat diese Quellenproblematik in der Vergangenheit zu der berechtigten Forderung geführt, dass Untersuchungen zu einem Themenfeld wie Ethnizität sich auf eine breitere Untersuchungsbasis zu stützen hätten, als ausschließlich auf erzählende Quellen.9 Dieser Notwendigkeit wird in den nachfolgenden Kapiteln mit der Einbeziehung der Konzilsakten und der Gesetzestexte Rechnung getragen. Die Chronik des Johannes von Biclaro, die historiographischen Schriften Isidors von Sevilla und die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium stellen die zentralen Quellen dieses Kapitels dar. Entsprechend ist ihnen im Weiteren jeweils ein eigenes Unterkapitel mit einer ausführlichen quellenkritischen Einordnung gewidmet. Dies gilt nicht für die abschließend gemeinsam behandelten Texte der Vita Desiderii, der Vita Sancti Aemiliani und der Historia Wambae regis. Begründet liegt diese Vorgehensweise darin, dass diese Quellen zum einen für die Fragestellung dieser Arbeit im Vergleich zu den zuvor genannten nicht so ergiebig sind und sie zum anderen in der wissenschaftlichen Diskussion nicht in gleichem Ausmaß als Beleggrundlage für die These einer ethnisch zweigeteilten Gesellschaft des westgotischen Reiches geworden sind. Besonders trifft dies auf die Historia Wambae zu, für die weitestgehend Einigkeit darüber herrscht, dass eine ethnische Differenzierung der Bevölkerung des regnum in Romanen und Goten in ihr nicht mehr zu entdecken ist. Sie stellt damit den Anknüpfpunkt an die Mehrheitsmeinung der Forschung dar. Der chronologische Rahmen dieses Kapitels umfasst vor allem die Zeitspanne zwischen dem ausgehenden sechsten und etwa dem ersten Drittel des siebten Jahrhunderts und wird mit der Historia Wambae durch einen kurzen Ausgriff in die 670er Jahre erweitert.
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Vgl. etwa Liebeschuetz: Rez. Teillet: Des goths à la nation gothique, in: Classical Review 36 (1986), S. 335 f., S. 336, „More fundamentally, the material examined by T. cannot by its nature provide a comprehensive view of the growth of a new consciousness of nationhood in Spain. Late Roman chronicles are not a sensitive mirror of social change.“
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Die erzählenden Quellen
4.1 Die Chronik Johannes’ von Biclaro Die Chronik des Johannes von Biclaro stellt für die Geschichte des spanischen Westgotenreiches im sechsten Jahrhundert eine Quelle von exzeptioneller Bedeutung dar. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel bereits angesprochen wurde, ist sie die einzige erzählende Quelle, die in der Hispania zeitnah über die Geschehnisse zwischen 567 und 590 berichtet. Eine entsprechende Beachtung hat sie auch in der Forschung erfahren.10 Als Abfassungszeitraum sind häufig die Monate nach Ende des Berichtszeitraumes und Johannes’ Erhebung zum Bischof im Jahr 591 angenommen worden,11 wobei es auch Vermutungen gibt, nach denen Johannes seine Berichte jahrweise verfasst habe.12 Als spätester Zeitpunkt ist neuerdings das Jahr 602 in die Diskussion gebracht worden.13 Über Johannes’ facettenreiche Biographie erfahren wir anhand der einzigen von ihm überlieferten Schrift beinahe nichts. Lediglich an drei Stellen lässt die erste Person Plural den Verfasser der Chronik im Text selbst erscheinen: zum einen bei der Formulierung multa milia hominum uidimus deficisse, mit welcher er offensichtlich als Augenzeuge des Geschehens die Auswirkungen der Pestepidemie des Jahres 572 in Konstantinopel beschreibt, sowie in dem zweifach auftretenden Verweis auf seine katholische Glaubensgemeinschaft (in nostro dogmate und plurimi nostrorum […] in arrianum dogma declinant).14 Wir verdanken es Isidor von Sevilla, der Johannes ein Kapitel seines De viris illustribus widmete, dass dies nicht das Einzige ist, was wir über ihn wissen.15 Sein Geburtsdatum in der lusitanischen Stadt Scalla10
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Siehe hierzu z. B. die vier kritischen Editionen der Chronik nebst Kommentaren: hg. v. Henrique Flórez, in: España sagrada. Teatro geográfico-histórico de la iglesia de España, Bd. 6, Madrid 1751, S. 382–396; hg. v. Theodor Mommsen, Chronica minora (MGH AA 11), Berlin 1894, S. 207–220; hg. v. Julio Campos, Juan de Biclaro obispo de Gerona. Su vida y su obra. Introducción, texto crítico y comentarios, Madrid 1960; und neuerdings hg. v. Carmen Cardelle de Hartmann, Victor Tvnnvnensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesaraugustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon (CCSL 173 A), Turnhout 2001, S. 59–83. Neben einer Anzahl von Einzeluntersuchungen, die im Weiteren zitiert werden, vgl. ausführlich auch Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 81–172. Campos: Juan de Biclaro, S. 52 ff.; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 83; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 176. Hillgarth: Historiography in Visigothic Spain, S. 267 Anm. 17. Cardelle de Hartmann: Iohannis, S. 130*f.; Collins: Visigothic Spain, S. 51 f. Alle Quellenzitate legen im Folgenden die Edition von Cardelle de Hartmann (CCSL 173 A), 2001, zugrunde; Johannes: Chronicon 26, 30, 57. Isidor von Sevilla: De viris illustribus 31. Am ausführlichsten zur Darstellung der Biographie Johannes’ siehe Campos: Juan de Biclaro, S. 15–32; vgl. auch Álvarez Rubiano, Pablo: La crónica de Juan Biclarense. Versión castellana y notas para su
Die Chronik Johannes’ von Biclaro
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bis16 lässt sich auf den Zeitraum zwischen 550 und 556 eingrenzen. In der Forschung war umstritten, ob Isidor im Weiteren über einen 17-jährigen oder einen siebenjährigen Aufenthalt des späteren Bischofs in Konstantinopel berichtet, mittlerweile gilt jedoch als sicher, dass Johannes im Zeitraum zwischen 570/71 bis 577/78 dort weilte.17 Für seine literarische Bildung und sein Schaffen sowie für sein politisches Weltbild dürften jene Jahre in der von ihm so bezeichneten urbs regia von großer Bedeutung gewesen sein. Offensichtlich in Zusammenhang stehend mit der Religionspolitik König Leovigilds musste der Chronist für zehn Jahre ins Exil nach Barcelona. Obwohl Isidor die Zeitspanne des Exils begrenzt, scheint Johannes nicht nach Lusitanien zurückgekehrt zu sein, da sich auch seine weiteren Wirkungsorte im Nordosten der Halbinsel befanden. Zu nennen sind dabei zum einen der beinamengebende Ort Biclaro,18 wo er ein Kloster gründete, dessen Ordensregel er gemäß Isidor ebenfalls verfasst haben soll, und zum anderen Gerona, wo er zwischen 589 und 592 zum Bischof erhoben wurde. Der Zeitpunkt des Ablebens von Johannes ist nicht exakt zu ermitteln, er lässt sich jedoch zeitlich eingrenzen. In einem Bericht über Nonnitus, seinen Nachfolger im Bischofsamt, heißt es, dass jener während der Herrschaft der Könige Suinthila und Sisenand die Bischofswürde innehatte.19 Das Todesdatum Johannes’ muss demnach in der Regierungszeit Suinthilas, zwischen 621 und 631 liegen. Dieser kurze Überblick über die Biographie des Chronisten verdeutlicht bereits, dass die althergebrachten Deutungsmuster sogenannter barbarischer Identität völlig ungeeignet sind, um dieser Person gerecht zu werden. Ein römischer Name, eine in Konstantinopel erworbene griechisch-lateinische Bildung (graece et latina eruditione)20 und eine vorbildliche Karriere als katholischer Geistlicher, die ihn nach einer Klostergründung schließlich bis in das Bischofsamt beförderte, sind Eigenschaften, die man gemeinhin als charakteristisch für einen römisch geprägten Hintergrund erachtet. All diese Charakteristika stellen für Isidor jedoch ganz offensichtlich keinen Widerspruch dazu dar, ihn als natione Gothus vorzustellen.
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estudio, in: Analecta sacra Tarraconensia 16 (1943), S. 7–42, S. 7–12; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 81–85; Cardelle de Hartmann: Iohannis, S. 124*–128*. Die heute in Portugal gelegene Stadt Santarém. Die unterschiedliche Einschätzung geht auf die in einigen Handschriften zwischen septimo decimo anno und septimo demum anno variierende Überlieferung zurück; vgl. Codoñer: El „De viris illustribus“, S. 114 f.; Cardelle de Hartmann: Iohannis, S. 125*. Zur genauen Lokalisierung und heutigen Identifizierung des Ortes vgl. Cardelle de Hartman: Iohannis, S. 126*. Ildefons von Toledo: De viris illustribus 9. Isidor: De viris illustribus 31.
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Die erzählenden Quellen
Der Letztgenannte selbst stellt sein Geschichtswerk in seiner Einleitung in die literarische Tradition der Chronistik, die er mit der „Weltchronik“ Eusebius’ von Caesarea einsetzen lässt. Als weitere Vorgänger nennt er Hieronymus, Prosper von Tiro und Victor von Tunnuna, in deren Nachfolge er selbst sich zum Ziel gesetzt habe, mit wenigen Worten jene Dinge für Nachfolgende niederzuschreiben, die geschehen seien und die er entweder selbst gesehen oder über die er sicheres Zeugnis habe.21 Der Anspruch dieses historiographischen Genres auf einen zeitlichen, räumlichen und thematischen Universalismus ist Johannes bewusst und wird in den Eingangsworten artikuliert.22 Bei einer genauen Betrachtung seines Werkes wird jedoch deutlich, dass dieser Anspruch in der Umsetzung einigen Eingrenzungen unterworfen ist. Johannes bettet seine Chronik zwar in einen weit zurückreichenden literarischen Kontext ein, der Berichtszeitraum seiner Schilderungen umfasst jedoch nur etwa 20 Jahre. Und obschon in seinem Bericht eine ganze Reihe an Nachrichten über eine Vielzahl verschiedener Völker zu finden sind, so sind diese nur dann von Interesse, wenn sie in Zusammenhang stehen mit den beiden örtlichen Kristallisationspunkten der Chronik. Mit großer Ausgewogenheit teilen sich die Nachrichten der Chronik auf das Byzantinische Reich und die Hispania auf.23 Eng mit dieser örtlichen Eingrenzung zusammenhängend ist auch eine thematische Beschränkung. In seiner ausführlichen Analyse hat Pedro Galán Sánchez herausgestellt, dass der Gegenstand der Chronik auf die Religions- und die politische Geschichte des oströmischen Kaiserreiches einerund des westgotischen Königreiches andererseits eingegrenzt ist.24 Im Unterschied noch zur Chronik Hydatius’ sind hier nun zwei irdische Be21 22
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Johannes: Chronicon, Praefatio, S. 59. Ibid., zeitlich: usque ad nostram etatem congeriem perduxerunt annorum, räumlich: hystoriam omnium pene gentium, thematisch: que acta sunt in mundo. Auffällig ist dabei die Tendenz, dass bis etwa zum Jahr 577 die Einträge zum Byzantinischen Reich dominieren, während sich das Verhältnis im Weiteren zugunsten der Hispania dreht. Gerade mit Blick auf Johannes’ einführende Bezugnahme auf seine eigenen Beobachtungen als Quelle seines Werkes dürfte seine Rückkehr auf die Iberische Halbinsel um 577/78 für dieses Phänomen mindestens mitverantwortlich sein. Vgl. auch Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 434 f.; Muhlberger, Steven: War, Warlords, and Christian Historians from the Fifth to the Seventh Century, in: Murray (Hg.), After Rome’s Fall, S. 83–98, S. 92 f. Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 121–134, besonders S. 124 f. Dies ist nur ein scheinbarer Bruch mit seinen chronistischen Vorbildern, denn jeder der oben genannten Autoren akzentuierte Umfang, Themenauswahl und Darstellungsweise gemäß seiner eigenen Erfahrungswelt und Intentionen. Ausführlich dazu ibid., S. 41–76; vgl. auch Wolf, Kenneth B.: John of Biclaro and the Goths, in: Id. (Hg.), Conquerors and Chroniclers, S. 1–11, S. 2–6.
Die Chronik Johannes’ von Biclaro
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zugsgrößen zu finden: das Byzantinische Reich, welches für ihn römisch ist, und das westgotische Königreich. In der Forschung ist hinsichtlich der Einschätzung dieses Dualismus’ teilweise die These zu finden, dass Johannes in diesem Verhältnis eine Wertigkeit erkennen lasse.25 Besonders die Tatsache jedoch, dass er einer antagonistischen Gegenüberstellung, die aufgrund der gotisch-byzantinischen Konflikte im Süden der Halbinsel eigentlich kaum zu vermeiden war, bewusst aus dem Wege zu gehen scheint,26 spricht dafür, dass Johannes beiden Mächten unabhängig voneinander ihren eigenständigen und legitimen Platz zugesteht.27 Die Legitimität, die der Autor der westgotischen Herrschaft zuerkennt, drückt sich eindeutig in der Terminologie aus, mit der er beispielsweise die militärischen Operationen unter Leovigild beschreibt.28 Mit Blick auf unsere die inneren Verhältnisse des Reiches betreffende Fragestellung ist der Bericht zum Jahre 579 von besonderer Bedeutung, in welchem Johannes den Ausbruch und die Auswirkungen des Konfliktes zwischen König Leovigild und dessen Sohn Hermenegild schildert. Wörtlich heißt es dort:
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Galán Sánchez etwa betont, dass die imperialen Aspekte der Chronik vor allem der Tradition dieser Textform geschuldet seien und sich insbesondere in der Darbietung und der Auswahl des Stoffes ausdrückten, während die zugrunde liegende Ideologie eindeutig „gotisch-national“ sei (er widmet diesem Aspekt ein Kapitel unter der Überschrift „La ideología de la crónica: El ‚nacionalismo godo‘“), Id.: Género historiográfico, S. 135–172, besonders S. 135–141. Den besonderen Fokus auf das Westgotenreich betonen auch Álvarez: Crónica, S. 6 f.; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 435–439; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 177, wohingegen Dietrich Claude in der Chronik keine Sonderstellung der Westgoten zu erkennen vermag, Id.: Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, in: FMSt 6 (1972), S. 1–38, S. 14. Eine Prädomination der imperialen Seite entdecken etwa Carreras Ares, Juan J.: La historia universal en la España visigoda, in: Revista de la Universidad de Madrid 6 (1957), S. 175–197, S. 185; García Moreno, Luis A.: La imagen de Bizancio en España en la temprana edad media (siglos VI–X), in: Byzantinische Zeitschrift 91/ 1 (1998), S. 32–48, S. 34 f. Auf diesen Aspekt wird weiter unten noch gesondert eingegangen. Zur eher paritätischen Einschätzung des Verhältnisses vgl. z. B. Menéndez Pidal: Universalismo y nacionalismo, S. XXXIV; Campos: Juan de Biclaro, S. 55 f.; Hillgarth, Jocelyn N.: Coins and Chronicles. Propaganda in Sixth-Century Spain and the Byzantine Background, in: Historia 15 (1966), S. 483–508, S. 487 ff.; Wolf: John of Biclaro, S. 6 f.; Álvarez García, Fernando: Tiempo, religión y política en el „Chronicon“ de Ioannis Biclarensis, in: En la España Medieval 20 (1997), S. 9–30, S. 21 f.; Muhlberger: War, Warlords, and Christian Historians, S. 93 f. mit Anm. 37. Johannes: Chronicon 17, 20, 27, passim; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 180 f., mit weiterer Literatur.
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Die erzählenden Quellen
Leouegildo ergo quieta pace regnante, aduersariorum securitatem domestica rixa conturbat. Nam eodem anno filius eius Ermenegildus factione Gosuinthe regine tirannidem assumens in Ispali ciuitate rebellione facta recluditur et alias ciuitates atque castella secum contra patrem rebellare facit. Que causa in prouinciam Ispanie tam Gothis quam Romanis maioris exitii quam aduersariorum infestatio fuit.29
In seinen Untersuchungen zum Verhältnis zwischen Westgoten und Hispano-Romanen hat Dietrich Claude diese Textstelle als Beleg dafür herangezogen, dass Johannes innerhalb des westgotischen Herrschaftsgebietes zwischen diesen beiden ethnischen Gruppen unterscheide. Der Vergleich mit der infestatio aduersariorum zeige ihm zufolge, dass Johannes hier unter Romani nicht Byzantiner verstehe, wie das ansonsten immer der Fall ist, sondern die romanischen Bevölkerungsteile des Königreiches.30 Wie Claude, erkennen auch Suzanne Teillet und Pedro Galán Sánchez in dieser Formulierung eine Bezugnahme auf die katholische, hispano-romanische Bevölkerung, welche sich in dem auch religiös motivierten Konflikt zwischen dem Katholiken Hermenegild und dem Arianer Leovigild auf die Seite des Erstgenannten gestellt habe.31 Wenn nun im Folgenden zu begründen versucht wird, dass mit dem Wort Romani hier, wie bei jeder anderen der überaus zahlreichen Verwendung dieses Begriffes bei Johannes, Byzantiner und nicht Hispano-Romanen bezeichnet werden, ist dem grundsätzlich voranzustellen, dass der Kontext, in dem der Terminus an dieser Stelle auftaucht, für beide möglichen Interpretationsvarianten innerhalb der Chronik beispiellos ist. Gegen die etwa von Claude, Teillet und Galán Sánchez vorgetragene Lösung lassen sich zwei gewichtige Argumente vorbringen. Zum einen verwendet Johannes an keiner anderen Stelle der gesamten Chronik ein anderes Ethnikon als Gothus, wenn er über Ereignisse innerhalb der Hispania berichtet. Nimmt er solche ethnischen Zuweisungen vor, dann handelt es sich stets um militärische Konfrontationen oder „diplomatische“ Beziehungen mit fremden Mächten, vor allem mit Sueben und Franken.32 Darüber
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Johannes: Chronicon 54. Claude: Gentile und territoriale Staatsideen, S. 15; Id.: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S. 124. So ebenfalls bereits Maravall: El concepto de España, S. 301. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 437f. Für Teillet ist die Konversion der Ausgangspunkt dafür, dass unter dem Begriff Gothi schließlich auch die hispano-romanische Bevölkerung subsumiert wurde. Da die fragliche Textpassage sich auf einen Zeitraum vor der Konversion bezieht, ist dies für sie ein später Beleg für eine ethnische Differenzierung. Ebenso auch Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 143 mit Anm. 234, S. 151. Johannes: Chronicon 27, 39, 53, 65, 72, 74, 84, 85, 90.
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hinaus legen andere Berichte Zeugnis über weitere Kriegszüge, lokale Widerstände und Verschwörungen ab, die teilweise eindeutig innerhalb des westgotischen Herrschaftsgebiets stattfanden.33 Bei keiner dieser Gelegenheiten nimmt Johannes jedoch eine ethnische Identifizierung vor, sondern bezeichnet die Zwischenfälle in dieser Hinsicht unspezifisch als rebellio diuersorum34 beziehungsweise deren Protagonisten als tyranni oder pervasores.35 Da einige dieser Widerstände zweifelsohne von der einheimischen Bevölkerung ausgingen, hätte sich hier durchaus die Möglichkeit zu einer ethnischen Unterscheidung ergeben. Gegen die oben dargestellte Argumentation spricht ferner die im Westgotenreich in Folge des Desintegrationsprozesses zu beobachtende Bedeutungsverschiebung des „Ethnonyms“ Romanus. Während zu Zeiten des noch funktionsfähigen westlichen Reichsteiles auch die provinzialrömische Bevölkerung selbstverständlich als Romani bezeichnet wurde, engte sich seine Semantik später, eindeutig etwa bereits bei Isidor von Sevilla, auf Soldaten oder Bürger des Byzantinischen Reiches ein.36 Mit Ausnahme dieser fraglichen Stelle gibt es in der Chronik weitere 27 Belegstellen für Romanus, die jeweils zweifelsfrei „Byzantiner“ beziehungsweise „byzantinisch“ bedeuten.37 Während sich die These, dass Romani hier Byzantiner bedeutet, also auf eine vergleichsweise breite Beleggrundlage stützen lässt – gerade auch wenn man den Gesamtumfang des Textes berücksichtigt –, fände die Entsprechung Romani = Hispano-Romanen keine einzige weitere Entsprechung. Aber auch gegen die hier vertretene These lässt sich ein beachtenswertes Argument anführen, denn keiner der oben genannten 27 Belege steht in irgendeinem Verhältnis zu Ereignissen auf der Iberischen Halbinsel. Besonderes Gewicht erhält diese Feststellung durch die Tatsache, dass die byzantinische Exklave im Süden der Halbinsel auch im hispanischen Kontext Gelegenheit dazu geboten hätte, Byzantiner als solche, also als Romani, zu benennen. Es scheint hingegen vielmehr so, als habe Johannes bei seinen Berichten über die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Westgoten und Byzantinern bewusst vermieden, die Letztgenannten eindeutig zu identifizieren. Stattdessen bezeichnet er bei seinen Ausführungen zu den beiden militärischen Konfrontationen, bei denen den westgotischen mit Sicherheit byzantinische Soldaten gegenüberstanden, die Letztgenann33 34 35 36 37
Ibid., 32, 35, 50, 60, 64, 65, 76, 89, 93. Ibid., 10. Ibid., 50, zum Begriff pervasor bei Johannes vgl. Campos: Juan de Biclaro, S. 166. Vgl. zu Isidor ausführlich Kap. 4.2. Johannes: Chronicon passim. Darüber hinaus sind weitere fünf adjektivische Verwendungen belegt, bei der Identifikation der katholischen Kirche bzw. Religion als „römisch“, ibid.: Romane ecclesie 29, 42, 81, und Romane religione 57.
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Die erzählenden Quellen
ten nicht, wie an anderen Stellen bei Ausführungen zum Byzantinischen Reich im Osten als Romani,38 multitudo militum Romanorum,39 milites Romani,40 militia Romana41 oder Romani exercitus42, sondern schlicht als milites, ohne weitere Bestimmung.43 Ausgehend von der Annahme, dass auch Córdoba zum Zeitpunkt der Einnahme durch Leovigild im Jahre 572 Teil des byzantinischen Spaniens war, leitet Suzanne Teillet aus Johannes’ knappem Bericht über diese Eroberung die Gleichung „hostes = milites = milites Romani = Romani = Byzantins“ ab und gelangt zu folgendem Urteil:44 „Ainsi, les Romani sont désormais les „ennemis“ de l’Espagne jadis romaine: même si elle a échappé à l’auteur, l’expression reflète bien l’évolution idéologique de l’Espagne devenue gothique de la fin du VIe siècle.“45 Die hier dargelegte Gleichsetzung und die Folgerung zur Ideologie widersprechen aber gerade der eingangs dargestellten gesamten Konzeption der Chronik, die sich nach zwei legitimen und Orientierung bietenden Mächten ausrichtet. Angesichts der oben angesprochenen thematischen Fokussierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass es Johannes in der Art seiner Darstellung in besonderem Maße auf die positive Darstellung der religiösen und auch politischen Einheit ankam. Deren Garanten waren zum einen das westgotische und zum anderen das Byzantinische Reich. Dementsprechend wird solches Verhalten, welches diese Ordnung in Frage stellte, von Johannes stets entschieden verurteilt.46 Diese klare Orientierung der Chronik wird jedoch gestört, wenn die beiden irdischen Fixpunkte in Konflikt zueinander geraten. In diesem Dilemma schwächt Johannes die Darstellung der Konfrontation ab, indem er sich nicht für pejorative Termini, sondern den neutralen Begriff miles entscheidet und die Identifizierung eben jener milites sprachlich dadurch verwässert, dass er ihnen kein spezifisches Attribut zuordnet.47 In der Art der Darstellung of38 39 40 41 42 43
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Ibid., 49, 78, 82. Ibid., 31, 78. Ibid., 58. Ibid., 34. Ibid., 47. Ibid., 12, 17. Vgl. Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 123; García Moreno: La imagen de Bizancio, S. 35. Johannes: Chronicon 20, Leouegildus rex Cordubam ciuitatem diu Gothis rebellem nocte occupat et cesis hostibus propriam facit […]. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 433 mit Anm. 84. Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 125–134; gegen den Aspekt der religiösen Einheit ließe sich einwenden, dass die Westgoten zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzungen noch nicht zum Katholizismus übergetreten waren. Hierauf wird im Weiteren ausführlich einzugehen sein. So auch Álvarez García: Tiempo, religión y política, S. 22.
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fenbart sich mit Blick auf das Gebiet der Hispania eine größere Sympathie für die westgotische Herrschaft, aber diese geht nicht so weit, die Byzantiner als Feinde, Eindringlinge oder Rebellen darzustellen.48 So geht Teillet bei ihren Ausführungen auch davon aus, dass Córdoba im Jahr 572 zur byzantinischen Exklave gehörte. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass sich die civitas seit der Revolte gegen Agila im Jahr 550 jeder Zentralmacht widersetzt hatte, wodurch sich die Begriffe hostes und civitas rebellis erklären lassen.49 Die hier vertretene Interpretation unterstellt, dass Johannes, dessen Objektivität und Glaubhaftigkeit von einigen Historikern besonders hervorgehoben werden,50 seinen Bericht zwar nicht gefälscht, aber doch im Sinne seiner Gesamtkonzeption geglättet habe. Diese Prämisse gewinnt bei der Feststellung an Gewicht, dass dies keineswegs die einzige „Glättung“ in der Überlieferung dieser Chronik ist. Als ein Beispiel für ein solches Eingreifen von Johannes lässt sich etwa sein Schweigen über die Konversion Hermenegilds zum katholischen Glauben während der Auseinandersetzung mit seinem Vater anführen, über die er zweifellos bestens informiert war. Bemerkenswerterweise ist eben jener Hermenegild, den der Papst Gregor der Große als Märtyrer feiert, für den katholischen Bischof lediglich ein schändlicher Rebell.51 Ebenso wenig erfahren wir durch Johannes’ Bericht über sein eigenes Schicksal, welches ihn in Konflikt mit Leovigilds arianischer Religionspolitik brachte und ins Exil führte. Zu Recht ist in der Forschung betont worden, dass es sich bei diesem Schweigen, welches auch für spätere spanische Quellen zu beobachten ist, um einen bewussten Gestal48
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Über die Quelle hinausweisend, geht etwa Vallejo Girves: The Treaties, S. 218, anhand der Haltung Rekkareds zu einem unter Athanagild geschlossenen byzantinischwestgotischen Vertrag davon aus, dass auch der König die byzantinischen Besitzungen für legitim halte. Thompson: Goths in Spain, S. 321 ff.; Vallejo Girves, Margarita: Bizancio y la España tardoantigua (ss. V–VIII). Un capítulo de historia mediterranea (Memorias del Seminario de Historia Antigua 4), Alcalá de Henares 1993, S. 155–158; Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 117; Kulikowski: Late Roman Spain, S. 282 ff. Álvarez: La crónica de Juan Biclarense, S. 12; Campos: Juan de Biclaro, S. 54 f.; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 84. Gregor der Große: Dialogi 3.31, S. 388, mit Blick auf Rekkareds Konversion referiert Gregor dort auf dessen Bruder Hermenegild als seinen „Märtyrer-Bruder“ (fratrem martyrem). Von Castellanos, Santiago: La hagiografía visigoda. Dominio social y proyección cultural, Logroño 2004, S. 174–179, ist betont worden, dass die Märtyrer-Darstellung Hermenegilds bei Gregor mit dem Ziel in Verbindung zu bringen sei, einen Kanon an Märtyrern als christliches Identifikationselement zu etablieren.
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tungsprozess des Verfassers handelt, der sehr wahrscheinlich den folgenden Überlegungen geschuldet war.52 Zum Abfassungszeitpunkt der Chronik, mag dieser 590 oder auch 602 gewesen sein, war das Beispiel Hermenegilds in doppelter Hinsicht problematisch. Durch eine zwangsläufig positive Erwähnung der religiösen Komponente von Hermenegilds Auflehnung gegen König Leovigild wären nicht nur die Legitimität des Letzteren und vor allem auch die Unantastbarkeit seines Amtes in Frage gestellt, sondern auch das große religiöse Einigungswerk Rekkareds relativiert worden. Gerade das Letztgenannte, welches durch die allgemeine Konversion auf dem III. Konzil von Toledo offiziell vollendet wurde, ist jedoch der glorreiche Zielpunkt der gesamten Chronik und wird als göttlich inspiriertes, persönliches Verdienst des Königs dargestellt, der in diesem Kontext als neuer Konstantin oder Marcian gefeiert wird.53 Leovigild und Rekkared sind also die durchweg positiv dargestellten Protagonisten der Chronik: Leovigild aufgrund seiner erfolgreichen Expansion und politischen Konsolidierung des Reiches sowie seiner ordnungsstiftenden Stärkung des Königtums und Rekkared wegen seines großen Verdienstes für die Einheit des Glaubens. Sie sind somit die Handlungsträger der von Johannes als beispielhaft dargestellten politischen und religiösen Einigung und in diesem Licht besehen war es opportun, jedwede destabilisierende Kraft zu verurteilen und mögliche Wegbereiter zu verschweigen, die die exzeptionelle Bedeutung des glorifizierten Königs relativieren könnten.54 Für uns ist ferner von besonderem Interesse, dass Johannes ebenso wie über den religiös-katholischen Aspekt der Rebellion Hermenegilds auch 52
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Siehe dazu grundlegend Hillgarth: La conversión de los Visigodos, S. 24–31; Id.: Coins and Chronicles, besonders S. 491–501, und ferner Orlandis, José: Algunas observaciones en torno a la „tiranía“ de San Hermenegildo, in: Temis 2 (1957), S. 67–75 [= Id.: El poder real y la sucesión al trono en la monarquía visgoda (Estudios visigóticos 3), Rom/ Madrid 1962, S. 3–12, S. 10 ff.]; Messmer: Hispania-Idee und Gotenmythos, S. 122–133; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 152 ff.; Thompson: Goths in Spain, S. 76 ff.; Vázquez de Parga Iglesias: San Hermenegildo, S. 22 f.; Wolf: John of Biclaro, S. 8 f.; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 146 ff.; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 162 f.; Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 165–179. Johannes: Chronicon 84, 91. Zur Bedeutung der beiden genannten Kaiser siehe etwa Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 146. Vgl. zu diesem Aspekt in Johannes’ Darstellung auch Messmer: Hispania-Idee und Gotenmythos, S. 132f.; Saitta: Un momento de disgregazione, S. 116f.; Muhlberger: War, Warlords, and Christian Historians, S. 93; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 176; Cardelle de Hartmann: Iohannis, S. 130*f.; Castellanos: La hagiografía visigoda, zu Rekkared und dem regnum S. 170f., sowie S. 180 zur Darstellung Leovigilds.
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dessen Verbindung zu Byzanz verschweigt.55 Hierüber erfahren wir indes durch Gregor von Tours, der berichtet, dass Hermenegild sich angesichts einer bevorstehenden Offensive seitens Leovigilds an den Kaiser gewandt und sich mit dessen Präfekten auf der Halbinsel verbunden habe. Dieses Bündnis sei später jedoch von Leovigild aufgebrochen worden, indem der Letztgenannte dem Kaiser 30 000 Goldstücke für dessen Neutralität gezahlt habe.56 Die von Gregor geschilderten Bündnisbemühungen mit dem Byzantinischen Reich erscheinen dabei keineswegs unglaubwürdig. Angesichts der großen militärischen Potenz seines Widersachers unternahm Hermenegild eine Reihe von bündnispolitischen Vorstößen, bei denen neben den Byzantinern vor allem auch die im Süden der Halbinsel gelegenen civitates, die Sueben und schließlich auch die ihm verwandtschaftlich verbundenen Franken eine Rolle spielten. All jene hatten Vorbehalte gegen die drohende Dominanz Leovigilds auf der Halbinsel und konnten in Hermenegilds Aufstand eine willkommene Möglichkeit entdecken, dem entgegen zu wirken.57 Johannes berichtet einzig über eine Einmischung der Sueben unter ihrem König Miro, wobei im Gegensatz zu der Schilderung bei Gregor von Tours nicht zweifelsfrei deutlich wird, dass jene dem in Sevilla belagerten Hermenegild zur Hilfe kamen. Isidor beispielsweise versteht Johannes’ Bericht offenbar derart, dass die Sueben Leovigild unterstützten und nicht etwa den Belagerten.58 Folgt man lediglich dem Bericht Johannes’, so gewinnt man den Eindruck, dass es sich bei Hermenegilds Auflehnung um eine illegitime und isolierte Revolte handelte. Jene Perspektive findet auch in der Benennung des Aufstandes Ausdruck. Im ersten Satz steht der „innere Streit“ der 55
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Einige Autoren, z. B. schon Stroheker: Leowigild, S. 135, sehen in der Formulierung Hermenegildo ad rem publicam conmigrante (Johannes: Chronicon 68), die sich in Reaktion auf Leovigilds Sieg versteht, einen Hinweis auf die byzantinische Unterstützung. Dieser Hinweis erscheint jedoch äußerst vage, zumal der weitere Ereignisverlauf des Berichtes wahrscheinlich macht, dass Hermenegild dort keine Aufnahme gefunden hat, konnte er von Leovigild doch wenig später außerhalb des byzantinischen Gebietes in Córdoba festgesetzt werden. Gregor von Tours: Historia Francorum 5,38; auf jene Verbindung nimmt er ebenfalls in 6,18 sowie 6,43 Bezug. Zu den Sueben vgl. Gregor von Tours: Historia Francorum 6,43, und zu den diplomatischen Bemühungen mit den merowingischen Königen ibid., 5,40; 5,41; 6,40. Es soll hier nicht umfassend auf die Bündnispolitik Hermenegilds eingegangen werden, vgl. dazu z. B. Goffart: Byzantine Policy, S. 88 ff., sowie Vallejo: Bizancio y la España tardoantigua, S. 194–200. Isidor: Historia Gothorum 91; vgl. dazu Isla Frez: Las relaciones entre el reino visigodo y los reyes merovingios, S. 23; Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 134.
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„Sicherheit vor (äußeren) Feinden“ gegenüber, die Leovigilds Herrschaft gewährleistet habe.59 Während die adversarii hier für das zu jener Zeit „normale“ Bedrohungspotential gegnerischer Kriegsparteien stehen, ruft die Tatsache, dass sich im Falle Hermenegilds der Sohn gegen den eigenen Vater erhob, sogar bei dem Leovigild ansonsten sehr kritisch gegenübertretenden Gregor von Tours, der zudem Hermenegilds Konversion positiv verzeichnet, Empörung hervor.60 Im Weiteren bezeichnet Johannes Hermenegilds Aufstand eindeutig pejorativ als rebellio und seine Herrschaft als tyrannis.61 Dieser verurteilenswerten und illegitimen Erhebung stellt Johannes erneut das unspezifische, jedoch stets gegenwärtige Bedrohungspotential anderer Feinde gegenüber.62 Die besonders negative Bewertung, die Hermenegilds Verhalten dadurch zuteil wird, ergibt sich aus der Perspektive, dass der von ihm ausgehende Aufstand sogar größeres Verderben gebracht habe, als die in jener militarisierten Lebenswelt ohnehin gegenwärtigen Konflikte, etwa mit anderen Völkern, und dies nicht nur für die Westgoten, sondern ebenfalls für die Byzantiner; eben jene beiden einzigen irdischen Machtfaktoren, die Herrschaftsanspruch und Legitimität besitzen. Indem Johannes den Aufstand Hermenegilds explizit in Opposition sowohl zur byzantinischen als auch zur westgotischen Herrschaft in der Hispania stellt, betont er ein weiteres Mal die Illegitimität und Isolation dieser Erhebung. Die Lokalisierung in prouinciam Ispanie steht dieser Interpretation – in dem Sinne, dass damit der westgotische Einflussbereich benannt werde
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Johannes: Chronicon 54, Leouegildo ergo quieta pace regnante, aduersariorum securitatem domestica rixa conturbat. Gregor von Tours: Historia Francorum 6,43. Johannes: Chronicon 54, Nam eodem anno filius eius Ermenegildus factione Gosuinthe regine tirannidem assumens in Ispali ciuitate rebellione facta recluditur et alias ciuitates atque castella secum contra patrem rebellare facit. Siehe dazu auch Messmer: Hispania-Idee und Gotenmythos, S. 127 f.; Orlandis: Algunas observaciones en torno a la „tiranía“ de San Hermenegildo, S. 6–10. Anders dazu etwa Caerols, José Joaquín: El encuentro entre godos e hispanorromanos. Un análisis filológico, in: Urso, Gianpaolo (Hg.), Integrazione, mescolanza, rifiuto: incontri di popoli, lingue e culture in Europa dall’antichità all’umanesimo, Rom 2001, S. 199–238, S. 223–226. Zwar stellt auch Caerols fest, dass Johannes Leovigild als legitimen Herrscher und die Auflehnung Hermenegilds als illegitim darstelle, er kann darin jedoch keine Parteinahme des Chronisten entdecken. Dieser habe lediglich mit den gebräuchlichen termini technici nüchtern versucht die Ereignisse darzustellen. Vielmehr zeichne Johannes insgesamt ein eher düsteres Bild von Leovigild und lasse andererseits keinerlei Ablehnung gegen Hermenegild erkennen. Johannes: Chronicon 54, Que causa in prouinciam Ispanie tam Gothis quam Romanis maioris exitii quam aduersariorum infestatio fuit.
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und die darin beheimateten Romani folglich einzig die Hispano-Romanen sein könnten – nicht entgegen. Die prouincia Ispanie ist hier nicht mit der politisch hinterlegten Bedeutung der prouincia Gothorum gleichzusetzen, wie Johannes etwa an anderer Stelle den westgotischen Herrschaftsbereich benennt,63 sondern bezeichnet den Raum der Hispania, in dem es zwei politische Größen gibt. Wie bereits Julio Campos herausgearbeitet hat, lässt sich für die Vokabel provincia bei Johannes keine eindeutige Semantik ausmachen. Je nach Einzelbeleg kann sie eher geographisch oder politischadministrativ verstanden werden.64 Für unsere Betrachtung bietet sich ein Vergleich mit Johannes’ Schilderungen zum byzantinisch-langobardischen Konflikt in Italien an. Dazu heißt es zunächst, dass der langobardische König Authari die Byzantiner in der Schlacht besiegt und daraufhin das Gebiet Italiens (Italie fines) erobert habe.65 Wenig später wird berichtet, dass die Byzantiner mit fränkischer Hilfe die Langobarden verheerten und einen Teil der italienischen Provinz (prouincie Italie partem) in ihren Machtbereich zurückführten.66 Das zeigt, dass jenes als Provinz bezeichnete Gebiet hier geographisch zu verstehen und nicht auf einen politischen Herrschaftsbereich eingeschränkt ist; es wird vielmehr zu einem Teil langobardisch und zu einem anderen byzantinisch kontrolliert. Ebenso verhält es sich mit der prouincia Ispanie in der uns beschäftigenden Textpassage. Ausgehend von der für die spanischen Quellen erachtenswerten Annahme, dass der Begriff Romani in einem religiösen Kontext auch auf Katholiken verweisen könnte – worauf im Folgenden noch eingegangen wird –, ist auch zu überlegen, ob Johannes mit der hier diskutierten Formulierung die dem Konflikt innewohnenden konfessionellen Spannungen anspricht. Die damit transportierte Aussage lautete, dass Hermenegilds gewaltsames Vorgehen sowohl Arianern als auch Katholiken großen Schaden zugefügt habe. Diese Sichtweise würde durch Johannes’ eigene Biographie gestützt, die ihn als Katholiken in der Folge der von Hermenegild losgetretenen Ereignisse ins nordspanische Exil führte. Besonders unterstrichen würde die Kritik an Hermenegilds Verhalten zudem durch die spätere Erklärung des Chronisten, dass Rekkared die arianischen Priester eher durch „Vernunft“ als durch Gewalt erreichte und zum rechten Glauben führte.67 Um diese Hin63 64 65
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Johannes: Chronicon 10, 72. Campos: Juan de Biclaro, S. 158. Johannes: Chronicon 78, […] Autharic Longobardorum rex cum Romanis congressione facta superat, et cesa multitudine militum Romanorum Italie fines occupat. Johannes: Chronicon 78, Romani per Francorum adiutorium Longobardos uastant et prouincie Italie partem in suam redigunt potestatem. Johannes: Chronicon 84, […] sacerdotes secte Arriane sapienti colloquio aggressus ratione pocius quam imperio conuerti ad catholicam fidem facit, […].
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weise im genannten Sinne verstehen zu können, muss bei den Rezipienten des Textes das Wissen um die konfessionellen Begleiterscheinungen jener Ereignisse vorausgesetzt werden. Mag dies bei Johannes’ Zeitgenossen noch gegeben gewesen sein, so richtete sich die Chronik jedoch explizit ad posteros68 und wie gesehen ist seine Darstellung gerade darauf angelegt, eben jene konfessionellen Spuren des Konflikts zu verwischen. Ferner würde aus der semantischen Gleichung Romani = Katholiken an dieser Stelle ebenfalls die Gleichung Gothi = Arianer folgern. Abgesehen davon, dass unserem gotischkatholischen Chronisten dies wahrscheinlich befremdlich vorgekommen wäre, widerspräche diese Verwendung des Gothi-Begriffes dem sonstigen Verständnis in der Quelle sowie dem Umstand, dass Johannes gemeinhin Arianer auch als solche beziehungsweise als Häretiker bezeichnet.69 Vor allem aufgrund des exzeptionellen Charakters dieser Textpassage kann diese Lesart aus der philologischen Argumentation nicht ausgeschlossen werden. Sie ist jedoch auch in dieser Hinsicht weder wahrscheinlich, noch liefern der Kontext und die Konzeption der Quelle Hinweise zu ihren Gunsten. Zusammenfassend kann also der Auffassung widersprochen werden, dass Johannes durch die Formulierung tam Gothis quam Romanis ein Bewusstsein von zwei ethnischen Gruppen innerhalb des westgotischen Königreiches offenbart. Vielmehr ist diese Formulierung dem Ziel geschuldet, den Aufstand Hermenegilds als isolierte und in jeder Weise unrechtmäßige Erhebung gegen die idealisierte Ordnung darzustellen.70 Neben den genannten philologischen Indizien wird dieses Verständnis jener Quellenstelle sowohl durch die politische und ideologische Gesamtkonzeption der Quelle als auch durch jene „Präzedenzfälle“ gestützt – etwa das Schweigen über Hermenegilds Konversion und seine Verbündeten sowie die sprachliche Glättung in den Berichten über die westgotisch-byzantinischen Auseinandersetzungen in der Hispania –, die beweisen, dass Johannes sein historiographisches Werk auch an anderer Stelle zugunsten jener Konzeption gestaltete.71
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Johannes: Chronicon, Praefatio, S. 59. Vgl. z. B. Johannes: Chronicon 57, 84, 87, 91. Zur klaren Parteinahme gegen Hermenegild und zu ihrer ideologischen Instrumentalisierung vgl. in der neueren spanischen Forschung jüngst auch Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 199. Siehe zur Einschätzung dieser Prämissen auch Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 171: „En el caso que nos ocupa, todos los episodios que el autor recoge están seleccionados, expuestos, a modo de camino hacia un fin, hacia un sumo bien, el reinado de Recaredo y la definitiva unidad del reino hispano de los godos.“
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Unter dem Gesichtspunkt einer ethnischen Kategorisierung haben ebenfalls Johannes’ Ausführungen zu den konfessionellen Entwicklungen in der Hispania Beachtung gefunden. Im Jahre 580 berief König Leovigild eine Synode in Toledo ein, die zum Ziel hatte, eine religiöse Einigung im Zeichen des Arianismus zu erreichen. Dies jedoch nicht ohne der katholischen Position gegenüber in wesentlichen Punkten der theologischen Auseinandersetzung um das Wesen der Dreifaltigkeit sowie hinsichtlich des Konversionszeremoniells, für das keine neuerliche Taufe notwendig wurde, Zugeständnisse zu machen.72 Leovigilds Worte wiedergebend, führt Johannes dazu aus, dass dieser die Anhänger der Romana religio dazu aufgefordert habe, zum „katholischen Glauben“ überzutreten.73 Einige Historiker haben in dieser Formulierung eine Kategorisierung entdeckt, die einen direkten Bezug zu vermeintlichen ethnischen „Grenzlinien“ innerhalb der Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel habe. Entweder in dem Sinne, dass die katholischen Hispano-Romanen hier von den arianischen Westgoten geschieden würden, oder aber, dass hier versucht werde, den römischen Katholizismus als Glauben der oströmisch-byzantinischen Feinde zu diffamieren.74 Im Kontext und ohne jene Prämisse besehen, welche die für die Quellen relevante Existenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen innerhalb des westgotischen Königreiches voraussetzt, erscheint die Motivation für diese Formulierung darin zu liegen, zwischen den beiden zu dieser Zeit in der Hispania konkurrierenden Konfessionen zu unterscheiden, ohne damit jedoch eine Zuordnung zu ethnischen Gruppen in jenem Territorium vorzunehmen. Erstaunlich ist dabei auf den ersten Blick jedoch, dass Johannes über Leovigild berichtet, dass er seinen homöischen Glauben als catholica fide bezeichnet habe, denn schließlich diente das Adjektiv catholicus den Homousianern dazu, ihr nizänisches Glaubensbekenntnis von jenem der Homöer zu trennen.75 Da also den Katholiken „katholisch“ als Synonym für nizänisch galt, weist Johannes Leovigilds Formulierung als Irreführung und als 72 73
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Siehe dazu ausführlich Kap. 3.5. Johannes: Chronicon 57, Leouegildus rex […] dicens de Romana religione ad nostram catholicam fidem uenientes non debere baptizari, […]. Zur erstgenannten Sichtweise siehe z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 40; Collins: ¿Dónde estaban los arrianos?, S. 216, und zur zweiten Alonso Campos, José Ignacio: Sunna, Masona y Nepopis. Las luchas religiosas durante la dinastia de Leovigildo, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 151–157, S. 152; García Moreno: La coyuntura política del III Concilio de Toledo, S. 283 f.; Claude: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S. 123 f.; Mülke, Markus: Romana religio oder catholica fides? Der Westgotenkönig Leovigild und das arianische Reichskonzil von 580 n. Chr. in Toledo, in: FMSt 43 (2009), S. 53–69, S. 59 f. Sánchez Salor, Eustaquio: Jerarquías eclesiasticas y monacales en época visigotica (Acta Salmanticensia. Filosofía y Letras 96), Salamanca 1976, S. 21–24.
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den Versuch aus, den Arianismus als orthodoxen Glauben darzustellen. Folglich wertet er diese Darstellung sowie die auf der homöischen Synode ins Werk gesetzten Modifizierungen des Arianismus als seductio.76 Die hier beschriebene Verwendung von catholicus ist dabei durchaus kein Einzelfall und so bemerkte auch Knut Schäferdiek, dass „aller Wahrscheinlichkeit nach die westgotischen Arianer sich selbst als katholisch, die Katholiken aber als römisch bezeichnet“ hätten.77 Über den Beleg bei Johannes hinaus lässt sich bestätigend dazu der dritte Kanon des zweiten Konzils von Saragossa (592) anführen, mit welchem jene Kirchen neu zu weihen angeordnet wird, die arianische Bischöfe sub nomine catholicae fidei [consecraverint].78 Ebenfalls zeigt sich dieser Gebrauch in einer Inschrift aus Toledo, auf welcher über eine arianische Kirchweihe am 6. April 587 zu lesen ist, dass sie in catolico, im Sinne von „im Namen des katholischen Bekenntnisses“, vorgenommen wurde.79 Und schließlich weist auch das in das Jahre 584 datierende Gespräch Gregors von Tours mit einem von Leovigild entsandten Boten namens Oppila in diese Richtung, denn auf Gregors Frage, ob Oppila nostrae religionis sei, entgegnete jener, dass er glaube, was die Katholiken glaubten (se hoc credere quod catholici credunt). Als er sich dann aber weigerte, an der Eucharistie teilzunehmen, wurde Gregor gewahr, dass er Arianer war.80 Gregor ist es auch, der Schäferdieks Aussage, dass die Arianer Katholiken als römisch bezeichnet hätten, in wünschenswerter Deutlichkeit bestätigt, indem er über des Westgotenreich der Mitte des sechsten Jahrhunderts schreibt, dass dort diejenigen, die seinem Glauben anhingen, als Romani bezeichnet würden.81
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Johannes: Chronicon 57, Per hanc ergo seductionem plurimi nostrorum […] in arrianum dogma declinant. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 19; Mülke: Romana religio oder catholica fides?, S. 57 f. Siehe dazu mit Blick auf das Vandalenreich z. B. Victor von Vita: Historia persecutionis Africanae provinciae 3,2, und dazu Steinacher: Gruppen und Identitäten, S. 250: „Die Homöer sahen sich selbst als ‚Katholiken‘ in dem Sinne, dass sie den wahren Glauben der einzigen, heiligen, apostolischen Kirche zu vertreten sicher waren.“ Concilium Caesaraugustanum II, 3, S. 154. ICERV, Nr. 302. Siehe dazu García Moreno: La coyuntura política del III Concilio de Toledo, S. 284 ff. Dem stehen zwei andere Interpretationen dieser Inschrift entgegen, die sie zum einen als in catholico loco verstehen oder als erneute katholische Kirchweihe nach der Nutzung als arianische Kirche, vgl. Thompson: Goths in Spain, S. 95 Anm. 3 f. Gregor von Tours: Historia Francorum 6,40. Siehe auch Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 210 f. Gregor von Tours: Gloria Martyrum 24, zitiert den westgotischen König Theudegisel (548–549) mit den Worten Ingenium est Romanorum […] ut ita accedat, et non est Dei virtus und erläutert mit eigener Stimme in dem im Zitat ausgesparten Teil dazu Romanos enim vocitant nostrae homines religionis. Siehe auch ibid., 78, 79.
Die Chronik Johannes’ von Biclaro
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Edward Thompsons erläutert dazu, dass zum Homousianer zu konvertieren gleichbedeutend damit gewesen sei „Römer“ zu werden, wodurch man andersherum auch aufgehört habe Gote zu sein.82 Hätte „römisch“ als Synonym für „katholisch“ eine solche ethnische Konnotation gehabt, hätte der rex Uuisegothorum83 Sisebut um das Jahr 616 sicher davon abgesehen, den langobardischen König Adaloald dazu anzuhalten, sich von der arianischen Häresie zu distanzieren, um sich der Romana ecclesia, mithin der „Kirche der Römer“, anzuschließen, der er sich ganz offenkundig selbst zugehörig fühlte.84 Auch wenn die Beziehungen zwischen Rom und der hispanischen Kirche in westgotischer Zeit teilweise als distanziert beschrieben werden können, so waren sie doch ausgeprägt genug, um zu einer gedanklichen Verbindung zwischen dem römischen Sitz des Papstes und dem katholischem Glauben zu führen.85 So berichtet auch Johannes im Zusammenhang mit der Neubesetzung des römischen Bischofsstuhls drei Mal über die Romana ecclesia.86 Es war also die Bedeutung der Kirche Roms für die Homousianer, welche dazu führte, sie in einem dezidiert religiösen Kontext als Romani oder de Romana religione zu bezeichnen.87 Zur fraglichen Textstelle zurückkehrend, lässt sich also festhalten, dass die Begrifflichkeiten ausschließlich auf eine religiöse Semantik einzugrenzen sind und damit auch jedes weitere Indiz dafür fehlt, dass mit jener religiösen Gegenüberstellung zugleich eine ethnische vorgenommen wurde. Es gibt somit auch keine Veranlassung dazu, die beiden mit der ersten Per82
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Thompson: Goths in Spain, S. 40: „The Arians of Spain commonly referred to Catholicism as ‚the Roman religion‘, while Arianism was considered by them to be ‚the Catholic faith‘. To become a Nicaean was, so to speak, to become a Roman, to cease to be a Goth.“ Epistvla 8, hg. v. Juán Gil, in: Miscellanea Wisigothica (Publicaciones de la Universidad de Sevilla: Serie Filosofía y letras 15), Sevilla 1972, 3 f., S. 19–27. Epistvla 8, Clare lucideque permonuit unam ad cultum uenerationis esse confessionem credentium, quam sequax eclesia ab apostolis traditam Romana suscepit et recte petentibus, hereticorum segitibus extirpatis, maternis affectibus tradidit, 150–154. Siehe dazu García Moreno, Luis A.: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa. Roma y el reino visigodo, in: Roma fra oriente e occidente (SSCI 49/1), Spoleto 2002, S. 239–322, S. 249 ff.; Id.: Etnia goda y iglesia hispana, S. 434. Dementsprechend stellt auch García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 250, in seiner Untersuchung des Verhältnisses zwischen Rom und dem Westgotenreich eine „identificación de la ortodoxia católica con la sede pontifica de Roma“ fest. Siehe auch Mülke: Romana religio oder catholica fides?, S. 59, der im Weiteren jedoch dafür argumentiert, Romanus hier als politisch diffamierenden Bezug zu den byzantinischen Feinden zu verstehen. Johannes: Chronicon 29, 42, 81. Es ist dabei naheliegend, auf die noch heute übliche Identifikation der katholischen Kirche als römisch-katholisch hinzuweisen.
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Die erzählenden Quellen
son Plural (nostram catholicam fidem sowie plurimi nostrorum) in diesem Kontext angezeigten Gruppen distinktiv als ethnische Kategorie und damit exklusiv als Westgoten aufzufassen.88 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Johannes’ Eintrag zu dem ebenfalls gotischen Bischof Masona von Mérida, bei dem er in exzeptioneller Weise hervorhebt, dass dieser sich um „unseren Glauben“ verdient gemacht habe.89 Die „Wir-Gruppe“ sind in diesem Fall die Katholiken und im Konflikt mit der arianischen Religionspolitik Leovigilds sind die Goten Masona und Johannes ihr eindeutig zugehörig. Gegenstand der Darstellung sind religiöse, nicht ethnische Gemeinschaften. Auch wenn religiöse Differenzen für den Aufstand Hermenegilds nicht die Ursache waren, so wurden sie, wie oben gesehen, doch sehr bald Teil der politischen Propaganda.90 Vor diesem Hintergrund verweisen die hier durch Johannes überlieferten religiösen Äußerungen auf der Synode des Jahres 580 sicher auch auf politische Interessengruppen. Die Quelle liefert jedoch keinerlei Hinweise darauf, diese religiösen beziehungsweise politischen Gemeinschaften in Zusammenhang mit ethnischen Kategorien zu bringen. Nachdem die Bemühungen Leovigilds, eine religiöse Einigung zu erreichen, nicht den angestrebten Erfolg erzielt hatten, unternahm sein zweiter Sohn Rekkared ebenfalls eine solche Initiative, allerdings unter dem Vorzeichen des Katholizismus. Nach dem Tod Leovigilds im Frühjahr des Jahres 586 berief Rekkared im zehnten Monat seiner Regentschaft, zu Beginn des Jahres 587, eine Bischofssynode ein, die den Grundstein für die später auf dem III. Toletanum vollzogene allgemeine Konversion legte.91 Johannes nimmt in seinem Bericht über jene Synode besonders Bezug auf die persönliche Konversion des Westgotenkönigs und ähnlich vorauseilend, wie schon sein vorwegnehmender Hinweis auf die erfolgreiche Eroberungspolitik Leovigilds bei seinem Bericht zu dessen Herrschaftsantritt, führt er auch hier vorausdeutend aus, dass Rekkared gentemque omnium Gothorum et 88
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Ein solches Verständnis zeigt sich etwa bei Thompson: Conversion, S. 30, und Id.: Goths in Spain, S. 85 ff. Johannes: Chronicon 30, Mausona Emeritensis ecclesie episcopus in nostro dogmate clarus habetur. Diese Satzkonstruktion findet sich identisch an sechs weiteren Stellen der Chronik (18, 22, 51, 55, 70, 77). Die zitierte ist jedoch die einzige, in der Glaube oder Konfession explizit zur Sprache kommen. Hintergrund dafür ist zweifellos Masonas entschieden ablehnende Haltung gegenüber Leovigilds Avancen, die den König schließlich dazu veranlassten, ihn ins Exil zu verbannen, aus dem er dann drei Jahre später wieder zurückkehren konnte, vgl. García Moreno: Prosopografía, Nr. 435. Vgl. oben Kap. 3.5. Siehe ausführlich Kap. 5.1.1.
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Sueuorum ad unitatem et pacem reuocat.92 Ebenso wie in den Ausführungen zur arianischen Synode des Jahres 580 sehen einige Historiker auch in dieser Formulierung einen Hinweis auf eine ethnische Separation innerhalb des westgotischen Reiches. Da die romanische Bevölkerung der Hispania stets katholisch gewesen sei, sei sie von der Konversion nicht berührt worden und somit auch in der Formulierung gens Gothorum nicht inbegriffen, sondern als von ihr getrennt zu verstehen.93 Über den Aspekt hinaus, dass diese Argumentation das Gruppenbewusstsein einer hispano-romanischen Bevölkerung selbstverständlich voraussetzt, bedingt sie weiterhin, dass sich konfessionelle tatsächlich eindeutig mit ethnischen Gruppen in Übereinstimmung bringen ließen. Wie jedoch weiter oben ausgeführt wurde, ist die Aussagekraft des Arianismus als identitätsstiftende fides Gothica äußerst begrenzt.94 Vergegenwärtigen wir uns ferner, dass die religiöse neben der politischen Einheit als ein Postulat der Chronik geltend gemacht werden kann, so erscheint es plausibel, die Formulierung gentem omnium Gothorum hier wie folgt zu verstehen: Die gens Gothorum befand sich in einem Zustand der religiösen Uneinigkeit, zwischen arianischer Häresie und dem orthodoxen nizänischen Bekenntnis. Diese Erfahrung dürfte kaum jemandem näher gelegen haben als dem Goten Jo92
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Johannes: Chronicon 84, Recaredus primo regni sui anno mense X catholicus deo iuuante efficitur et sacerdotes secte Arriane sapienti colloquio aggressus ratione pocius quam imperio conuerti ad catholicam fidem facit, gentemque omnium Gothorum et Sueuorum ad unitatem et pacem reuocat Christiane ecclesie, secte Arriane gratia diuina in dogmate ueniunt Christiano. Zu den Sueben ist zu erwähnen, dass sie erstmalig bereits um das Jahr 570 zum Katholizismus konvertiert waren. Die exakte Datierung und die Umstände der Konversion sind aufgrund der Überlieferungslage unklar. Isidor: Historia Sveborum 90–91, S. 302 f. Siehe dazu Schäferdiek: Die Kirchen, S. 247–251; Thompson: The Conversion of the Spanish Suevi; Ferreiro, Alberto: Sueves and Martin of Braga. Historiography and Future Research Projects, in: Koller, Erwin/ Laitenberger, Hugo (Hg.), Suevos – Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der Iberischen Halbinsel (411–585) (Tübinger Beiträge zur Linguistik 426), Tübingen 1998, S. 37–62, S. 52 ff. Die Reste der arianischen Kirchenstruktur, die sich trotz jener Konversion halten konnten, wurden im Zuge der Religionspolitik Leovigilds gestärkt, wodurch der Arianismus im Suebenreich erneut an Bedeutung gewann, vgl. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 216 f. Der Bericht Johannes’ ist einerseits im Kontext dieser „Rearianisierung“ zu sehen und durch das Schweigen zur vorangegangenen Konversion der Sueben zum Katholizismus schreibt er diese Tat allein Rekkared zu. Siehe dazu Ferreiro, Alberto: The Omission of St. Martin of Braga in John of Biclaro’s Chronica and the Third Council of Toledo, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 145–150; Beltrán Torreira, Federico-Mario: La conversión de los suevos y el III Concilio de Toledo, in: Mayurqa 22/1 (1989), S. 69–83. Claude: Gentile und territoriale Staatsideen, S. 15; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 178. Siehe dazu oben die Kap. 2.3.2 sowie 3.5.
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Die erzählenden Quellen
hannes selbst, der zum Zeitpunkt der Konversion bereits auf dem Sprung dazu war, katholischer Bischof zu werden. Bewirkt durch den als christianissimus attribuierten König Rekkared, wurde das Ende dieses Zustandes erreicht, da er alle Goten zur Einheit und zum Frieden der orthodoxen Kirche zurückrief (gentemque omnium Gothorum et Sueuorum ad unitatem et pacem reuocat Christiane ecclesie). Das Verständnis, dass durch Rekkareds Wirken nun die Gesamtheit der Westgoten im wahren Glauben vereint sei, zeigt sich, über diesen Text hinausweisend, ferner auch in den Berichten Papst Gregors des Großen und Isidors von Sevilla.95 Der These Suzanne Teillets, dass mit der Konversion zum Katholizismus schließlich auch der entscheidende Schritt zu einer nachfolgenden politischen Einigung vollzogen wurde und dass auf dieser Grundlage die Formulierung gens Gothorum alle Bewohner des westgotischen Herrschaftsgebietes bezeichne,96 widerspricht Isabel Velázquez dahingehend, dass Johannes sich nur auf jene beziehe, die von machtpolitischer Relevanz gewesen seien, namentlich also die Westgoten. Allerdings sei die hispano-romanische Bevölkerung keineswegs darunter zu subsumieren, vielmehr stelle diese als Bewohner und Untertanen für den ebenfalls der herrschenden westgotischen Adelsgruppe angehörenden Chronisten schlicht keinen Gegenstand von Interesse dar.97 In dieser Argumentation offenbart sich ein auf Herkunft und Immigration beruhendes Verständnis von Ethnizität, nach welchem es eine einheimisch-romanische Bevölkerung und westgotische Einwanderer gegeben habe, denen jeweils auch unterschiedliche soziale Funktionen in diesem Reich zukamen. Ungeachtet der gänzlich ungeklärten Anzahl jener Immigranten kann eine durch Herkunft definierte Differenz innerhalb der Bevölkerung grundsätzlich zu Recht als Faktum erachtet werden. Wie die Forschung mit Blick auf die polyethnische Struktur der völkerwanderungszeitlichen gentes jedoch erwiesen hat, gibt es keine Veranlassung dazu, dieser Tatsache auch eine Relevanz für unsere Quellen beizumessen. Velázquez ist darin zuzustimmen, dass die Gothi als jene Gruppe zu verstehen sind, der die militärische und politische Macht im Königreich zukam. Allerdings ist damit keine Aussage über die Abstammungsverhältnisse innerhalb dieser Gruppe getroffen. 95 96
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Gregor der Große: Dialogi 3,31; Isidor: Historia Gothorum 52. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 436 f., S. 447 f., S. 553, die allerdings, wie oben bereits angeführt, im Bericht zum Aufstand Hermenegilds, der vor der Konversion stattfand, eine ethnische Differenzierung noch gegeben sieht. Ebenso Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 143, S. 167. Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 177–181.
Die Chronik Johannes’ von Biclaro
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Wie in der Forschung ebenfalls hervorgehoben wurde, stellt sich die gens Gothorum unter der Führung ihres Königs in der Chronik Johannes’ von Biclaro als legitimer Ausgangspunkt der politischen und militärischen Macht in ihrem den Großteil der Iberischen Halbinsel umfassenden Königreich dar. Wie zu zeigen versucht wurde, kann die Chronik jedoch nicht als Beweis dafür geltend gemacht werden, dass dort Ende des sechsten Jahrhunderts ein ethnisches Bewusstsein existierte, welches mit Blick auf die Bevölkerung dieses Reiches zwischen Westgoten und Hispano-Romanen differenzierte. Da die zentrale Königsgewalt zur Machtdurchsetzung in vielfältiger Weise auf die Kooperation mit den eingesessenen lokalen und regionalen Machthabern angewiesen war, scheint der Chronist zwischen diesen Bevölkerungsgruppen in ethnischer Hinsicht keinen Unterschied zu machen. Ethnische Zuweisungen spielen für ihn lediglich dann eine Rolle, wenn es um die Bezeichnung der gens Gothorum als handelndes Subjekt oder die Identifikation von Gruppen außerhalb des westgotischen Herrschaftsbereiches geht. Ein identisches Bild liefern mit Blick auf den letztgenannten Punkt die etwa zeitgleich entstandenen Consularia Caesaraugustana.98 Von Römern ist in den 32 sehr kurzen Jahreseinträgen nirgends die Rede, stattdessen sind die Westgoten die dominierende politische Größe und finden insgesamt 20 Mal Erwähnung.99 Über die Benennung der Westgoten hinaus, ist in den Consularia im Zusammenhang mit dem Einfall Theoderichs des Großen nach Italien ein Beleg dafür zu finden, dass die Ostgoten hier differenziert von den Goten auf der Iberischen Halbinsel wahrgenommen wurden.100 Auch die Formulierungen der beiden weiteren Berichten über Theoderich lassen auf eine gewisse Distanz des Verfassers jenem König gegenüber schließen, der faktisch für etwa eineinhalb Jahrzehnte auch über die Westgoten herrschte. So bezeichnet er ihn etwa als rex Italiae oder rex Italorum.101 Als weitere ethnisch bestimmte Gruppen sind in der Quelle Hunnen102, Franken103 und Sueben104 zu finden. 98 99
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Siehe dazu ausführlich Kap. 3.2.2. Consularia Caesaraugustana, 4a; 10a; 19a; 21a; 30a; 37a; 57a; 71a; 75a; 87a; 88a; 89a; 94b; 108a; 133a; 134a; 144a. Nicht mit eingegangen in die Zählung ist der Beleg für Ostgoten, s. u. Ibid. 64 a, während der Autor mit Blick auf die Westgoten stets das Ethnikon Gothus verwendet heißt es dort: Hoc consule Theudericus Ostrogothorum rex a Thracia et Pannonia Italiam uenit. Ibid. 91a, Quo anno idem Gesalecus ab Helbane Theoderici Italorum regis duce ab Hispania fugatus Africam petit; 94b, Post Alaricum Theodericus Italie rex Gotthos regit in Hispania an. XV, Amalarici paruuli tutelam generens. Ibid. 4a. Ibid. 88a; 115a; 130a. Ibid. 21a.
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Die erzählenden Quellen
Damit zur Chronik Johannes’ von Biclaro zurückkehrend, stellt die Erwähnung der Sueben in der bereits zitierten Formulierung gentemque omnium Gothorum et Sueuorum die einzige Ausnahme zu dem beschriebenen Muster dar.105 Es besteht kein Zweifel daran, dass das suebische Königreich nach dem militärischen Sieg Leovigilds über König Audeca im Jahre 585 aufhörte als eigenständige politische Größe zu existieren und in das Westgotenreich integriert wurde.106 Der Grund für diese einzige Benennung einer weiteren ethnischen Gruppe unter der Herrschaft des westgotischen Königs über jene der Westgoten hinaus, kann aber durch den sehr kurzen Zeitraum von nur zwei Jahren erklärt werden, der seit der Integration der Sueben unter die westgotische Herrschaft zu diesem Zeitpunkt vergangen war. Bereits im Bericht über das III. Toletanum werden sie von Johannes nicht mehr benannt und auch andernorts später nicht mehr gesondert erwähnt. Diese Entwicklung unterscheidet sich etwa von der bei den Vandalen und später auch bei den Franken unter Karl dem Großen, bei denen sich die gentil differenzierende Wahrnehmung der Untertanen bis in die Intitulatio der Könige zeigte (rex Vandalorum et Alanorum bzw. rex Francorum et Langobardorum) und sich dort auch einige Zeit hielt.107 Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass die Bevölkerung des westgotischen Reiches aus der Perspektive des königstreuen, katholischen Goten Johannes von Biclaro am Ende des sechsten Jahrhunderts in ethnischer Hinsicht ausschließlich als Gothi beziehungsweise gens Gothorum wahrgenommen wurde.
4.2 Die historiographischen Schriften Isidors von Sevilla Der Sevillaner Bischof ist zweifellos eine herausragende und wahrscheinlich die prominenteste Figur des westgotischen Spaniens. Begründet liegt dies vor allem in der beinahe beispiellos ausgedehnten Verbreitung und intensiven Rezeption seiner Schriften während des gesamten Mittel-
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Abgesehen von Johannes finden wir in einem Brief Papst Gregors des Großen an König Rekkared die Anrede Reccaredo regi Gothorum atque Sueuorum, Gregor der Große: Registrum Epistularum, hg. v. Dag Norberg (SSCL 140 A), Bd. 2: Libri 8–14, Turnhout 1982, 9,229. Johannes: Chronicon 72. Siehe auch die Darstellungen bei Isidor: Historia Gothorum 49, und Chronica 407, hg. v. José Carlos Martín (CCSL 112), Turnhout 2003, S. 199. Vgl. Wolfram, Herwig: Intitulatio, Bd. 1: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergbd. 21), Graz/ Wien/ Köln 1967, S. 80 f., S. 219 f.
Die historiographischen Schriften Isidors von Sevilla
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alters.108 Obwohl er durch seine historiographischen Schriften auch als bedeutender Geschichtsschreiber für das westgotische Spanien gelten kann, ist er jenseits der Pyrenäen, über sein Wirken als Autor religiöser Werke hinaus, vor allem als Kompilator und Vermittler antiken Bildungsgutes wirkungsmächtig geworden und die von ihm verfassten Etymologiae können mit einiger Berechtigung als eines der wichtigsten Handbücher des europäischen Mittelalters erachtet werden.109 Der Bedeutung und auch der Vielseitigkeit Isidors entsprechend, zeigt sich die zu ihm veröffentlichte Forschungsliteratur, die hier keinesfalls erschöpfend, sondern orientiert am thematischen Zugriff dieser Arbeit beachtet worden ist.110 108
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Zur Rezeption siehe z. B. Bischoff, Bernhard: Die europäische Verbreitung der Werke Isidors von Sevilla, in: Díaz y Díaz, Manuel C. (Hg.), Isidoriana. Colección de estudios sobre Isidoro de Sevilla publicados con ocasión del XIV Centenario de su nacimiento, León 1961, S. 317–344; Verger, Jacques: Isidore de Séville dans les universités médiévals, in: Fontaine/ Pellistrandi (Hg.), L’Europe héritière de l’Espagne wisigothique, S. 259–267 sowie vor allem mit weiterer Literatur den als „les sillages européens d’Isidore“ betitelten Epilog in Fontaine, Jacques: Isidore de Séville. Genèse et originalité de la culture hispanique au temps des Wisigoths, Turnhout 2000, S. 401–429. Díaz y Díaz: Introducción general, S. 163–214. Die Angaben zu den Einzeluntersuchungen werden im Weiteren folgen und einen Überblick über die Forschungsliteratur von 1935 bis einschließlich der 1980er Jahre bietet in drei Aufsätzen Hillgarth, Jocelyn: The Position of Isidorian Studies. A Critical Review of the Literature Since 1935, in: Díaz y Díaz (Hg.), Isidoriana, S. 11–74, sowie Id.: The Position of Isidorien Studies. A Critical Review of the Literature 1936–1975, in: Studi Medievali III 24 (1983), S. 817–905, und schließlich Id.: Isidorien Studies, 1976–1985, in: Studi Medievali III 31 (1990), S. 925–973. In diesem Kontext ist im Vergleich zur sonstigen Situation der Westgotenforschung festzustellen, dass die französische Forschung hier besonders aktiv ist. Eng mit diesem Phänomen verbunden sind der Pariser Altphilologe Jacques Fontaine und einige seiner Schüler, die mit einer Reihe an Veröffentlichungen maßgeblich zur Isidor-Forschung im 20. Jahrhundert beigetragen haben. Siehe etwa Fontaine, Jacques: Isidore de Séville et la culture classique dans l’Espagne Wisigothique, 3 Bde., Paris 1959–1983; gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1954 bis 1986 in Id.: Tradition et actualité chez Isidore de Seville (Collected Studies 281), London 1988; Id.: Isidore de Séville. Genèse et originalité de la culture hispanique au temps des Wisigoths; und zu den Schülern etwa Reydellet, Marc: La royauté dans la littérature latine de Sidoine Apollinaire à Isidore de Séville (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 243), Rom 1981, S. 505–606; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 463–501; Cazier, Pierre: Isidore de Séville et la naissance de l’Espagne catholique (Théologie historique 96), Paris 1994. Zur deutschen Forschung vgl. Diesner, Hans Joachim: Isidor von Sevilla und seine Zeit, Leipzig 1973; Id.: Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 67/3), Berlin 1977, und zur spanischen Forschung siehe etwa die monographischen Umfang erreichende allgemein Einleitung zu den Etymologiae von Díaz y Díaz:
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Die erzählenden Quellen
Trotz seiner Bedeutung sind die direkten Informationen zu seiner Person sehr spärlich.111 Geboren wurde Isidor vermutlich um das Jahr 560 als dritter und jüngster Sohn einer einflussreichen Familie aus Cartagena im Südosten der Iberischen Halbinsel.112 Eine exakte gesellschaftliche Einordnung des Vaters, mit Namen Severianus, und der namentlich nicht bekannten Mutter ist nicht möglich.113 Allerdings ist die Tatsache, dass Isidor
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Introducción general, sowie Domínguez del Val, Ursicino: Historia de la antigua literatura latina hispano-christiana, Bd. 3: San Isidoro de Sevilla, Madrid 1998. Zu einem weiteren raschen Überblick vgl. auch Herkenhoff, Michael von: Isidor von Sevilla, in: Knefelkamp, Ulrich (Hg.), Weltbild und Realität. Einführung in die mittelalterliche Geschichtsschreibung, Pfaffenweiler 1992, S. 15–24, sowie die einschlägigen Lexikonartikel zu Isidor von Reinhard Tenberg, in: BBKL 2 (1990), Sp. 1374– 1379; Jacques Fontaine, in: LexMA 5 (1991), Sp. 677–680, sowie Id., in: RAC 18 (1998), Sp. 1002–1027. Die vier Hauptquellen sind die als Ergänzung zu dem von Isidor selbst verfassten Werk De viris illustribus verstandene Renotatio Isidori seines Vertrauten Braulio von Saragossa, eine vor allem dem Ableben des Bischofs gewidmete Schrift von einem Sevillaner Diakon namens Redemptus, mit dem Titel Obitus Isidori, die anonyme Vita Isidori und schließlich ein Kapitel der De viris illustribus Ildefons’ von Toledo. Die ersten drei Quellen sind jetzt gemeinsam ediert in: Scripta de Vita Isidori Hispalensis episcopi, hg. v. José Carlos Martín (CCSL 113B), Turnhout 2006; sowie Ildefons von Toledo: De viris illustribus VIII. Siehe dazu Díaz y Díaz: Introducción general, S. 95–100; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 15–19. Siehe zur Familiengeschichte und zu den biographischen Angaben wegen der reichhaltigen Verweise auf die Forschungsdiskussionen und die weiterführende Literatur vor allem Drews, Wolfram: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla. Studien zum Traktat De fide catholica contra Iudaeos (Berliner Historische Studien 34), Berlin 2001, S. 92–104, sowie Diesner: Isidor von Sevilla und seine Zeit, S. 9–18; García Moreno, Prosopografía, Nr. 179; Fontaine, Jacques/ Cazier, Pierre: Qui a chassé de Carthaginoise Sévérianus et les siens? Observations surl’histoire familiale d’Isidore de Séville, in: Estudios en homenaje a Don Claudio Sánchez Albornoz en sus 90 años, hg. v. Maria del Carmen Carlé, Buenos Aires 1983, S. 349–400; García Moreno, Luis A.: La Andalucía de San Isidoro, in: Actas del II congreso de historia de Andalucía, Córdoba 1991, S. 555–579; Cazier: Isidore de Séville, S. 29–37; Fontaine: Isidore de Séville. Genèse et originalité, S. 87–127; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 100–110; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 19–36. Auf Grundlage äußerst spärlicher Quellenhinweise gehen die Einschätzungen der Forschung hinsichtlich der gesellschaftlichen Stellung Severianus’ auseinander. Während er teilweise als dux gesehen wurde, werden ebenfalls die Meinungen vertreten, dass er ein senatorischer Großgrundbesitzer ohne eigenes Amt oder der Sohn eines hohen romanischen Beamten gewesen sei. Siehe dazu Drews: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla, S. 93 f. mit Anm. 285. Mit Blick auf die Mutter ist in der Forschung die Vermutung angestellt worden, dass sie mit einer gewissen Turtura zu identifizieren sei, die uns aus einer von Leander von Sevilla überlieferten Quelle bekannt ist (z. B. Fontaine: Qui a chassé de Carthaginoise Sévérianus et les siens?, S. 364 ff.). Siehe dazu Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 20–23.
Die historiographischen Schriften Isidors von Sevilla
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etwa 600/601 seinem älteren Bruder Leander direkt auf den Sevillaner Bischofsstuhl folgte und auch der dritte Bruder, Fulgentius, Bischof in Astigi wurde,114 einem Suffraganbistum von Sevilla, ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Familie einer herausgehobenen und bestens vernetzten sozialen Schicht angehörte. Infolge der Auseinandersetzungen im Süden der Halbinsel, seit der byzantinischen Offensive im Jahre 552, musste die Familie aus Cartagena fliehen und siedelte in die Baetica um, sehr wahrscheinlich in die Nähe Sevillas, wo sie ebenfalls über Landbesitz verfügte. Umstritten ist dabei, ob der Zwang, die Heimat zu verlassen, durch westgotischen oder byzantinischen Druck entstand. Für den ersten Fall könnte man annehmen, dass die einheimische und katholische Familie ihre Loyalität in dieser Konfliktsituation eher auf Seiten des oströmischen Reiches sah und für den zweiten, dass Severianus zu jener Zeit ein wichtiger Funktionsträger in jenem Raum war, der sich der Einflussnahme der Byzantiner widersetzt hatte und schließlich fliehen musste, als die Provinz in oströmische Hände fiel.115 So wichtig diese Information zur Einschätzung von gesellschaftlichen und religiösen Zusammenhängen in der Mitte des sechsten Jahrhunderts auf der Iberischen Halbinsel und die Rolle Isidors Familie darin auch wäre, die wenigen indirekten Hinweise, die wir durch seinen Bruder Leander überhaupt auf das „Exil“ haben, erlauben keine fundierte Aussage.116 Auch in der Beatica war die Familie den politischen und religiösen Turbulenzen der Zeit ausgesetzt. Nach dem Tod seiner Eltern stand Isidor unter der Obhut seines Bruders Leanders, der als Bischof von Sevilla auch für seine vorzügliche Bildung Sorge trug.117 Da Leander in die Revolte Hermenegilds verstrickt war und Isidor aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 580 während der Belagerung der Stadt durch Leovigild in Sevilla weilte, dürfen wir voraussetzen, dass er persönliche Erfahrungen mit der politischen und religiösen Konfliktsituation gemacht hat, in der sich das westgotische Spa-
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García Moreno: Prosopografía, Nr. 192. Gegen eine westgotische Repression spricht hier sicherlich der in der Baetica fortgesetzte und äußert erfolgreiche Weg der Söhne in der katholischen Kirchenhierarchie des Reiches, sowie die starke Nähe sowohl Leanders als auch Isidors zum westgotischen Königshof. Im Falle einer byzantinischen Verfolgung wäre zu fragen, warum Leander, als zu diesem Zeitpunkt prominentester Repräsentant der Familie, später als Gesandter in Konstantinopel fungierte. Vgl. Díaz y Díaz: Introducción general, S. 102 f.; Drews: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla, S. 94. mit Anm. 286. Leander von Sevilla: Liber de institutione virginum et contemptu mundi, c. 31, PL 72, Sp. 874–894, Sp. 891 ff. Fontaine: Isidore de Séville et la culture classique, S. 6 f.
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Die erzählenden Quellen
nien in jenen Jahren befand.118 Da wir insbesondere über diese Lebensphase Isidors fast nichts Konkretes wissen, kann über die Wirkung und die Konsequenzen dieser Ereignisse auf den Heranwachsenden nur spekuliert werden, wie dies in der Forschung verschiedentlich auch getan wurde.119 Trotz des spekulativen Charakters kann der Überlegung einige Gültigkeit beigemessen werden, dass die Geschichte seiner Familie sowie Isidors eigenen negativen Erfahrungen mit den Auswirkungen der politisch und religiös heterogenen Verhältnisse gegen Ende des sechsten Jahrhunderts zu seiner ausgeprägten Befürwortung eines staatlichen Zentralismus’ beigetragen haben, wie sie sich in einigen seiner Schriften und seinem Wirken auf dem IV. Konzil von Toledo äußert.120 Damit in Zusammenhang steht ferner die Tatsache, dass Isidor während seines Pontifikats (600/601–636) ein ausgesprochen enges Verhältnis zu den westgotischen Königen pflegte. Dies gilt in besonderem Maße für König Sisebut (612–621). Die enge Verbindung spiegelt sich auch im intellektuellen Austausch zwischen Bischof und König wider. So war die erste Fassung der Etymologiae auf Veranlassung Sisebuts entstanden und ihm widmete Isidor ebenfalls seine Abhandlung De natura rerum, woraufhin jener ihm mit einem Brief in Form eines astronomischen Gedichts dankte.121 Aber auch anderen Königen wie Gundemar (610–612), Suinthila (621–631) oder Sisenand (631–636) stand Isidor nahe und wurde von ihnen nicht selten in Beratungen einbezogen.122 Für das Thema dieser Arbeit rücken aus dem umfangreichen Œuvre Isidors insbesondere die historiographischen Schriften in den Blickpunkt, 118 119
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Als Überblick dazu vgl. García Moreno: Historia de España visigoda, S. 101–131. Diesner: Isidor von Sevilla und seine Zeit, S. 12 f., etwa versucht daraus Isidors stellenweise hervortretende Kritik an Leovigild zu erklären, während Drews: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla, S. 99, aus der mangelnden Unterstützung der Byzantiner, als vermeintliche Schutzmacht des orthodoxen Glaubens, für den Katholiken Hermengild Isidors Abwendung vom oströmischen Reich ableitet. García Moreno: La Andalucía de San Isidoro. Zum Brief Isidors an Sisebut siehe Epistola VI, in: Etymologiarum sive originum libri XX, hg. v. Wallace Martin Lindsay (Scriptorvm Classicorvm Bibliotheca Oxoniensis), Bd. 1, Oxford 1911 (ND 41985). Zur Widmung von De natura rerum an Sisebut und dessen Gedicht für Isidor siehe Fontaine, Jacques: Isidore de Séville. Traité de la nature suivi de l’épitre en vers du roi Sisebut à Isidore, Bordeaux 1960, S. 164–169 sowie Epistula Sisebuti regis Gothorum missa ad Isidorum de Libro Rotarum, ibid., S. 328– 335 (Text), S. 151–162 (Analyse); und Recchia, Vicenzo: Ancora sul „Carmen de Luna“ di Sisebuto di Toledo, in: Invigilata Lucernis 20 (1998), S. 201–220. Zum Nahverhältnis Isidors zu den westgotischen Königen vgl. Fontaine: Isidore de Séville et la culture classique, S. 6 f.; Diesner: Isidor von Sevilla und seine Zeit, S. 16 f.; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 108; Reydellet: La royauté dans la littérature latine, S. 527–554; Cazier: Isidore de Séville, S. 56; Drews: Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla, S. 102 f.
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namentlich sind dies die Weltchronik, die Historiae Gothorum, Vandalorum et Suevorum sowie mit Einschränkung die Lebensbeschreibungen De viris illustribus.123 In der Praefatio zu seiner Chronik stellt Isidor diese in die Tradition der Chroniken von Julius Africanus, Eusebius von Cäsarea, Hieronymus sowie Victor von Tunnuna und formuliert als Zielsetzung, einen kurzen und nach dem Verlauf der Zeit geordneten „Bericht“ über die Ereignisse seit Anbeginn der Welt zu verfassen, um das Wissen über die vergangenen Zeiten zu vermitteln.124 Dementsprechend bietet die Chronik in einem sehr nüchternen Stil sehr kurze, chronologisch geordnete Einträge, die in ihrer räumlichen, zeitlichen und thematischen Gesamtschau dem zu diesem Zeitpunkt für jene Textsorte geltenden Anspruch auf Universalismus gerecht werden.125 Nicht nur für die Chronik, sondern auch für die weiteren historiographischen Schriften gilt dabei, dass sie fast ausschließlich auf andere schriftliche Quellen zurückgreifen und damit eher eine Kompilation als ein eigener Bericht sind.126 Diese sich durch sein Gesamtwerk ziehende Arbeitsweise hat den historischen Schriften des Sevillaner Bischofs zumindest bei einigen Historikern eine zweifelhafte Reputation eingebracht. „En definitiva, estamos ante una Crónica de escasísima originalidad en cuanto a las noticias históricas que transmite, pues prácticamente todas están tomadas de obras anteriores“,127 fasst Pedro Galán Sánchez zum historischen Wert der Chronik zusammen und ähnlich bescheiden fällt das vielzitierte Urteil Edward Thompsons aus, wenn er über die Historia befindet: „As a history it is unworthy of the famous savant who wrote it. He could hardly have told 123
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Leider lässt sich aus den wenigen von Isidor überlieferten Briefen kein Material für das Untersuchungsinteresse dieser Arbeit gewinnen. Die Briefe Isidors sind ediert in Etymologiarum sive originum libri XX, hg. v. Wallace Martin Lindsay, Bd. 1 (nicht paginiert) und hg. v. Faustino Arévalo, in: PL 83, Sp. 893–914. Zum Gesamtwerk siehe aus der uferlosen Literatur etwa Brunhölzl, Franz: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1: Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung, München 1975, S. 74–90; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 114–162; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 87–152. Als Textgrundlage dient die nun in der Reihe der CCSL erschienene Edition der Chronik. Isidor: Chronica I,1–2, Horum nos temporum summam ab exordio mundi ad Augusti Eracli uel Suinthilani temporibus quanta potuimus breuitate notauimus, adicientes e latere descentem lineam temporum, cuius indicio summa preateriti saeculi cognoscatur. Siehe dazu wie auch allgemein zur Chronik besonders Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 175–213; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 137 ff.; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 116–119. Reydellet, Marc: Les intentions idéologiques et politiques dans la chronique d’Isidore de Séville, in: MAHFR 82 (1970), S. 363–400, S. 363. Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 189.
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us less, except by not writing at all“.128 Ebenso wie beide Schriften zu großen Teilen auf ältere Quellen zurückgreifen, liegen uns beide in zwei Redaktionen vor. Der Text der Chronik war aufgrund seiner komplizierten Überlieferungslage in einer Vielzahl von Manuskripten lange umstritten.129 Theodor Mommsen, der die erste kritische Edition der Chronik erarbeitet hat, ging davon aus, dass die differierenden Redaktionen auf stark interpolierte Abschriften zurückgingen, aus denen der Urtext Isidors nicht zufriedenstellend zu rekonstruieren sei. Folglich edierte Mommsen einen auch für ihn unbefriedigenden Mischtext.130 Nachdem der Textstatus lange unklar geblieben war, konnte José Carlos Martín im Rahmen der Neuedition des Textes im Jahre 2003 zeigen, dass sowohl die ältere Version aus dem Jahr 615 als auch die bearbeitete Fassung aus dem Jahr 626 auf Isidor zurückgehen.131 Im Falle der Historia, die gleichfalls in zwei voneinander abweichenden Versionen überliefert wurde, ist diese zur Bewertung des Textes wichtige Frage hingegen weiter ungeklärt. Ausführlich hat sich Cristóbal Rodríguez Alonso in seiner 1972 erschienen und heute maßgeblichen Edition dieses Themas angenommen und kommt dabei zu dem Urteil, dass sowohl die auf das Jahr 619 zurückgehende ältere und kürzere als auch die längere Fassung aus dem Jahre 624 von Isidor verfasst worden seien.132 Durch den umfassenden Vergleich, dem er beide Versionen unterzieht, ist er in der Lage, eine
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Thompson: Goths in Spain, S. 7. Ähnlich despektierlich äußerte sich auch schon Theodor Mommsen in den Einleitungen zur Chronik und der Historia, in: Chronica Minora (MGH AA 11), S. 243–266 (zur Historia) sowie S. 394–410 (zur Chronica). Siehe auch Vázquez de Parga Iglesias, Luis: Notas sobre la obra historica de San Isidoro, in: Díaz y Díaz (Hg.), Isidoriana, S. 99–106, S. 99 f., der, mit einem Modewort gesprochen, sogar folgendes historiographisches Ranking erstellt: „No es posible negar que, como historiador o como cronista, Isidoro es inferior no sólo a Hidacio, sino a Juan de Bíclaro y aún a Máximo de Zaragoza“, Zitat S. 100. Siehe auch Basset, Paul M.: The Use of History in the Chronicon of Isidore of Seville, in: History and Theory 15 (1976), S. 278–292, S. 278 f. Zur komplexen Überlieferungssituation siehe Carlos Martín: Isidori Hispalensis Chronica, S. 37*–242*. Isidor: Chronica, hg. v. Theodor Mommsen (MGH AA 11), S. 391–488. Carlos Martín: Isidori Hispalensis Chronica, S. 13*–20*, und zum vorherigen Stand vgl. Vázquez de Parga Iglesias: Notas sobre la obra historica de San Isidoro, S. 99; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 139. Die These von den beiden auf Isidor zurückgehenden Redaktionen wurde bereits von Hugo Hertzberg formuliert, der diese jedoch nicht weiter belegte. Vgl. Hertzberg: Historien, S. 18 f.; Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 25; vgl. dazu jüngst auch Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 105.
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Reihe von signifikanten Unterschieden herauszuarbeiten.133 So weist die längere Version etwa einen deutlich panegyrischeren Charakter auf als die kürzere, was allein dadurch manifestiert wird, dass sich mit der Laus Spaniae und der Recapitulatio die beiden in dieser Hinsicht besonders ausgeprägten Abschnitte Isidors Gotengeschichte nur in ihr finden. Auch die Referenzen auf die Einheit im Glauben sind in der zweiten Fassung emphatischer.134 Neben dieser Differenzierung der inhaltlichen Akzentsetzung ist ferner bemerkenswert, dass beide Texte, wenn sie über die gleichen Ereignisse berichten, stellenweise andere Quellen nutzen, jeweils unterschiedliche inhaltliche Fehler zu entdecken sind und in der Formulierung gleicher Sachverhalte eine Reihe von Variationen belegbar ist.135 In der Darstellung dieses Ergebnisses versucht sich Rodríguez Alonso von der bis dahin dominanten These zu distanzieren, dass es nur einen von Isidor verfassten Urtext gegeben habe, der entweder in der älteren Version vorliege oder der verloren gegangen sei.136 Vielmehr hebt er dezidiert die Eigenständigkeit der beiden Textversionen hervor, welcher er auch durch die Paralleledition beider Fassungen Rechnung trägt, und führt die Differenzen auf eine intensive Bearbeitung durch Isidor zurück. Über die von ihm herausgestellten Unterschiede hinaus, ist auch ein quantitativer Vergleich der überlieferten Manuskripte bemerkenswert. Während die kürzere Version lediglich in drei Abschriften vorliegt, deren älteste erst in das zwölfte Jahrhundert datiert, finden sich für die längere mehrere Manuskriptfamilien mit insgesamt 19 Kopien, die bis ins neunte Jahrhundert zurückreichen.137 Gemessen an der allgemein hohen Überlieferungsdichte von Isidors Œuvre, im historiographischen Kontext insbesondere im Vergleich mit jener der Chronik, ist die geringe Anzahl an Handschriften auffällig. Angesichts des kompilatorischen und oft formelhaften Stils Isidors hat auch die Originalität der Historia als Text, für welche es besonders in formaler Hinsicht kein bekanntes
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Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 26–49; siehe dazu ebenfalls Collins: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, S. 349–353, u. Merrills, Andrew H.: History and Geography in Late Antiquity (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, Fourth Series), Cambridge 2005, S. 181–184; Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 113–119. Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 31–39. Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 39–49. Zur erstgenannten Auffassung siehe die Hinweise bei Vázquez de Parga Iglesias: Notas sobre la obra historica de San Isidoro, S. 104 f., und Mommsen vertritt die Auffassung, dass beide Überlieferungstraditionen auf Interpolationen zurückgingen und der Urtext nicht überliefert sei, vgl. Id.: Chronica Minora (MGH AA 11), S. 254. Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 123–138; siehe auch Collins: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, S. 348.
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und nahe liegendes Vorbild gegeben zu haben scheint, Aufmerksamkeit gefunden und zu der Annahme geführt, dass Isidor sich auch in diesem Fall an einem Vorbild orientiert haben könnte.138 Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang die nicht überlieferte historiola des Bischofs Maximus von Saragossa.139 Nachdem im 18. Jahrhundert bereits die These geäußert worden war, dass der heute als Isidors Gotengeschichte identifizierte Text eben jene historiola Maximus’ sein könne,140 schien dies zwischenzeitlich ausgeschlossen, da die von Mommsen so genannte Chronica Caesaraugustana als ein Fragment von Maximus’ Schrift erachtet wurde. Dies hat sich jedoch mittlerweile als irrig erwiesen. Die Eigenständigkeit der beiden Texte, die bemerkenswerte Überlieferungssituation und der für Isidor eher untypische innovative Charakter der Historia führten Roger Collins schließlich zu der Überlegung, dass es sich bei der älteren Version, wenn nicht um die historiola selber, so doch um einen an ihr stark orientierten Text handeln könnte.141 Isidor hat Maximus’ Werk nachweislich gekannt, denn in seinen De viris illustribus heißt es zu jenem Bischof: Maximus, Caesaraugustanae urbis episcopus, […] scripsit et breui stilo historiolam de iis quae temporibus Gothorum in Hispaniis acta sunt.142 Vergleicht man die Akzentsetzung von Isidors Beschreibung des Textes von Maximus mit der ersten Redaktion der Historia, kann man in dem knappen Stil und der inhaltlichen Schwerpunktsetzung Parallelen erkennen. Die Fragen nach der Autorschaft der ersten Fassung und danach, inwieweit jene Teile der Historia, die nicht aus anderen Quellen entlehnt sind, auf die uns völlig unbekannte historiola – die Isidor sicher genutzt hat – zurück138
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Collins: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, S. 355 „It would not be unduly cynical to say that in the œuvre of Isidore such apparent originality is rare, and it is possible to suggest the existence of a model, hitherto undetected, that may have underlain the composition of this work.“ Zur Auffälligkeit der Originalität dieses Textes im Werk Isidors vgl. auch Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 78 u. S. 87 f. Die Gotengeschichte Cassiodors hat Isidor mit Sicherheit und diejenige Jordanes’ wahrscheinlich nicht gekannt, vgl. ibid., S. 87; Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 70. Siehe dazu auch Kap. 3.2.2. Siehe dazu Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 24, Anm. 38. Zunächst Collins: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, nun in dieser Tendenz auch z. B. Fontaine: Isidore de Séville. Genèse et originalité, S. 224 f., u. Merrills: History and Geography, S. 184. Als wichtigstes Gegenargument gegen diese These nennt Collins die Tatsache, dass am Ende der ersten Version über den Tod König Sisebuts berichtet wird, der nachweislich erst nach Maximus gestorben ist, Collins: Isidore, Maximus and the Historia Gothorum, S. 358. Es müsste also vorausgesetzt werden, dass noch nachträglich an dem Text gearbeitet wurde. Isidor: De viris illustribus 33.
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zuführen sind, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Insbesondere jedoch für den Fall der Bewertung von Varianten im Vergleich der beiden Versionen oder inhaltlicher Akzentverschiebungen erscheint es notwendig, die hier dargestellten quellenkritischen Überlegungen zu berücksichtigen. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Kontext auch eine jüngst angemerkte Kritik vorgebracht, der jedoch hier nicht weiter nachgegangen werden kann. So hat Andrew Merrills zurecht darauf hingewiesen, dass eine Untersuchung der Textgenese, und der mit ihr verbundenen unterschiedlichen Textstufen, zur Bewertung der Quellen von großer Bedeutung ist – wie dies seit einiger Zeit insbesondere am Beispiel der Frankengeschichte Gregors von Tours nutzbar gemacht wird143 –, dieser Ansatz jedoch im Falle Isidors, trotz der evidenten Situation bei der Entstehung und Überarbeitung der Texte, bisher nicht aufgegriffen wurde.144 Der Titel De origine Gothorum, den die Ausführungen Braulios und eine Reihe von Manuskripten für die Gotengeschichte überliefern,145 rückt den Text in die Nähe einer Quellengattung, die in der Forschung als origo gentis bezeichnet wird.146 Um diese Texte hat sich in den letzten etwa 25 Jahren eine breite Forschungsdiskussion entsponnen, die für unsere Fragestellung jedoch von nachgeordnetem Interesse ist.147 Gegenstand dieser Diskussion ist insbesondere die strittige Frage, inwieweit die in diesen Texten dargestellte Herkunftsüberlieferung einer gens für die Rekonstruktion der Frühgeschichte des jeweiligen Volkes nutzbar gemacht werden könne. Die Vorgeschichte steht aber weder in dieser Arbeit, noch, trotz des Titels De origine Gothorum, bei Isidor im Zentrum des Interesses. Die Ausführungen zur Herkunft und Frühgeschichte der Goten vor ihrem Kontakt mit dem Römischen Reich und schließlich mit der Hispania spielen für ihn eine marginale Rolle.148 Zwar weist die Historia beispielsweise in ihrer identitäts- und 143
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Siehe dazu z. B. Reimitz, Helmut: Social Networks and Identities in Frankish Historiography. New Aspects of the Textual History of Gregory of Tours’ Historiae, in: Corradini et al. (Hg.), The Construction of Communities, S. 229–268. Merrills: History and Geography, S. 184 f. Rodríguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 24 ff.; Coumert: Origines des peuples, S. 103 f. Anton, Hans-Hubert/ Becher, Matthias/ Pohl, Walter/ Wolfram, Herwig/ Wood, Ian: Art. Origo gentis, in: RGA 22 (2003), S. 174–210, darin besonders der von Herwig Wolfram verfasste Abschnitt I. Allgemeines, S. 174–178; sowie Plassmann: Origo gentis, S. 11–24, zur Diskussion der Bezeichnung als Gattung siehe dort S. 373 ff. Siehe dazu oben Kap. 1 (S. 13 f.). Kerksen, Norbert: Geschichtsschreibung im Europa der „nationes“. Nationalgeschichtliche Gesamtdarstellungen im Mittelalter (Münstersche Historische Forschungen 8), Köln/ Weimar/ Wien 1995, S. 25 f.; Christensen: Cassiodorus, Jorda-
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legitimitätsstiftenden Funktion Parallelen zu typischen Elementen der origines auf und findet in der entsprechenden Fachliteratur auch Erwähnung, wird dort jedoch ebenfalls als Sonderfall behandelt.149 Unabhängig von einer möglichen Diskussion über die Klassifizierung der De viris illustribus, zwischen Geschichtsschreibung, Biographie und Hagiographie, kommt die zwischen 615 und 618 verfasste Schrift aufgrund ihrer biographischen Aussagen für diese Untersuchung in Betracht. Der Text umfasst insgesamt 33 kurze Lebensbeschreibungen, von denen zwölf über Personen der Hispania berichten.150 Diese Tendenz ist am ehesten auf Isidors Quellen zurückzuführen und weniger Ausdruck einer bestimmten regionalen Auswahl, denn der Vergleich der Herkunft aller 33 Personen lässt eine solche, ganz im Gegensatz zum späteren Werk Ildefons’ von Toledo, nicht erkennen.151 Ebenso wie die gleichnamigen Werke von Hieronymus und Gennodius von Marseille, an die Isidor anknüpft, wendet er sich in den Biographien vor allem Personen zu, die sich nach Isidors Urteil in ihrem Wirken gegen die Häresie ausgezeichnet hätten.152 In dem Kapitel zu Isidor von Sevilla liefert Ildefons von Toledo in seinen De viris illustribus auch eine Auflistung der Werke des Sevillaner Bischofs. Ausgehend von der Beobachtung, dass Ildefons bei der Aufzählung keine der drei genannten historiographischen Schriften Isidors nennt, hat Jacques Fontaine vermutet, dass jene Werke aufgrund ihrer politischen Stoßrichtung einer damnatio memoriae zum Opfer gefallen seien. In den Augen Ilde-
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nes and the History of the Goths, S. 313–316; Merrills: History and Geography, S. 174. Diesen Abschnitten in Isidors Werk widmet Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 113–124, besondere Aufmerksamkeit. Plassmann: Origo gentis, S. 30, sowie zu den typischen Elementen der Origo-Erzählung S. 359–370. Auch in dem fünfseitigen Abschnitt zu den Goten im entsprechenden RGA-Artikel spielt Isidor kaum eine Rolle, Wolfram: Art. Origo gentis, S. 178–183. Zu einem Vergleich zwischen Isidors „Gotengeschichte“ und vorangegangenen origo-Texten siehe Coumert: L’identité ethnique dans les récits d’origine, S. 119–124. Eine kritische Edition und wichtige Studien zum Text liegen vor in Codoñer Merino, Carmen: El „De viris illustribus“ de Isidoro de Sevilla. Estudio y edición crítica (Theses et Stvdia Philologica Salmanticensia 12), Salamanca 1964. Siehe ferner Díaz y Díaz: Introducción general, S. 141–144; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 122 ff.; Sánchez Salor, Eustaquio: El género de los de viris illustribus de Jerónime a Ildefonso de Toledo. Su finalidad, in: Talia dixit 1 (2006), S. 29–54. Sánchez Salor: El género de los de viris illustribus, S. 50 ff. hingegen betont, dass die Häufung der Personen aus dem westgotischen Spanien als inhaltliche Ausrichtung zu bewerten sei, die sich mit Ildefons schließlich fortsetze und steigere. Sánchez Salor: El género de los de viris illustribus, S. 45–50.
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fons’ sei Isidor demzufolge ein „Kollaborateur“ und Vorreiter einer Ideologie gewesen, welche eine Aussöhnung zwischen Hispano-Romanen und Goten befördern sollte, die Ildefons faktisch jedoch als gescheitert erachtet und Isidors ideologisch gefärbte Schriften somit als schlechte Beispiele verbannt habe.153 Dieser Erklärungsversuch erscheint schon deswegen wenig tragfähig, weil in Abgleich mit der vollständigen Aufzählung bei Braulio von Zaragoza neben den drei genannten Geschichtswerken bei Ildefons auch vier weitere kleinere Werke nicht genannt werden.154 Sehr wahrscheinlich ist der Hintergrund für die Auslassung stattdessen in den moralischen und pastoralen Intentionen zu suchen, welche die Komposition Ildefons’ bestimmten und für welche die ausgelassenen Schriften von keinem Interesse waren.155 Die These Fontaines ist hier dennoch angeführt worden, weil mit ihr zwei wichtige Prämissen der Forschung augenfällig werden, die ihrerseits wiederum den Kern unserer Fragestellung berühren. Erstens habe Isidor demnach in seinen historiographischen Werken eine bestimmte politischideologische Position zu transportieren versucht, welche unter anderem die Vereinigung der hispano-romanischen und der westgotischen Bevölkerung zum Ziel gehabt habe, und zweitens sei die von ihm propagierte Genese dieser beiden ethnischen Gruppen in der Realität gescheitert. Für eine Arbeit wie diese wäre mit Blick auf die erste Annahme zu erwarten, dass eine Bewertung dieser These auf der Grundlage von Quellenbelegen ausführlich Eingang in die Untersuchung fände. Allerdings existiert zu der Frage nach Isidors politischem Programm bereits eine solche Vielzahl von Beiträgen, die in ihrer Grundaussage in die gleiche Richtung gehen, dass es nicht notwendig, sondern eher unangebracht erscheint, die Quellenbelege hier im Einzelnen extensiv zu dokumentieren und zu erör-
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Fontaine, Jacques: Chronique de littérature wisigothique (1970–72), in: Revue des Études Augustiniennes 19 (1973), S. 163–176, S. 172: „Ildefonse a jugé globalement cette œuvre isidorienne par trop favorable à un idéologie de réconciliation hispanogothique, dont il pouvait légitimement estimer qu’un tiers de siècle d’incertitudes politiques avait consacré la faillite. En bref, Isidore apparaissait, avec le recul du temps comme un „collaborateur“ trop naïvement optimiste: un mauvais exemple à ne plus suivre. C’est en ce sens que le silence d’Ildefons sur l’œuvre historiographique d’Isidore me semble pouvoir être interprété comme une sorte de damnatio memoriae idéologique, et un acte politique réfléchi.“ Vega, Angel C.: Cuestiones críticas de las biografías Isidorianas, in: Díaz y Díaz (Hg.), Isidoriana, S. 75–98, S. 92. Díaz y Díaz: Introducción general, S. 97; Carlos Martín, José: La Renotatio librorvm domini Isidori de Braulio de Zaragoza († 651). Introducción, edición crítica y traducción, Logroño 2002, S. 279 Anm. 22.
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tern, würde damit doch nur ein weiteres Mal wiederholt, was ohnehin bereits gut dokumentiert erarbeitet worden ist.156 Zunächst also von der Forschungsliteratur ausgehend kann als opinio communis formuliert werden, dass Isidor in seinen historiographischen Schriften zuvorderst darum bemüht ist, die westgotische Herrschaft, mit einer starken königlichen Zentralmacht, zu legitimieren.157 Hinsichtlich der Texte herrscht in der Forschung lediglich Uneinigkeit darüber, inwieweit sich diese Intention auch in der Chronik finden lässt: „Desde el punto de vista ideológico, la Crónica de Isidoro no presenta tampoco ningún relieve especial. Políticamente hablando, es una historia ,neutra‘“, führt dazu Pedro Galán Sánchez aus, während Suzanne Teillet diametral dazu befindet, dass „l’Historia Gothorum et la Chronique qui la prépare, apparaissent comme 156
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Siehe dazu etwa Romero, J. L.: San Isidoro de Sevilla, su pensamiento históricopolítico y sus relaciones con la historia goda, in: CHE 8 (1947), S. 5–71; Messmer: Hispania-Idee und Gotenmythos, S. 104–119; Vázquez de Parga Iglesias: Notas sobre la obra historica de San Isidoro; Hillgarth: Historiography in Visigothic Spain, S. 295 ff.; Reydellet: Les intentions idéologiques et politiques; Id.: La royauté dans la littérature latine, S. 510–606; Claude: Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, S. 16–20; Rodriguez Alonso: Las historias de los Godos, S. 57–64; Basset: The Use of History; Diesner, Hans Joachim: Isidors Herrschaftsauffassung im Zwielicht, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 303–309; Alonso-Nuñez, J. M.: Aspectos del pensamiento historiográfico de San Isidoro de Sevilla, in: Aevum inter utrumque: mélanges offerts à Gabriel Sanders (Instrumenta patristica 23), hg. v. Marc van Uytfanghe, Steenbrugis 1991, S. 1–10; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 463–501; Adams, Jeremy DuQuesnay: The Political Grammar of Early Hispano-Gothic Historians, in: Kagay, Donald J./ Snow, Joseph T. (Hg.), Medieval Iberia. Essays on the History and Literature of Medieval Spain (Ibérica 25), New York et. al. 1997, S. 1–25, besonders S. 5; Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 126–131; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 231; Fontaine, Jacques: Isidoro de Sevilla frente a la España bizantina, in: Gurt, Josep María (Hg.), V reunió d’archeologia cristiana hispànica, Barcelona 2000, S. 29–40; Id.: Un manifeste politique et culturel. Le De Laude Spaniae d’Isidore de Séville, in: Mary, Lionel/ Sot, Michel (Hg.), Le discours d’éloge entre Antiquité et Moyen Âge, Paris 2001, S. 61–68; Drews: Goten und Römer; Id.: The Unknown Neighbour, S. 252–292; García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 239–244; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 190–195; Merrills: History and Geography, S. 226 ff. Siehe z. B. Fontaine: Isidoro de Sevilla frente a la España bizantina, S. 30; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 231; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 190: „[…], he contributed unequivocally towards strengthening the image of the reges and the gens Gothorum. His historical works, the Chronica and the Historia Gothorum, have a clear purpose: to recount and praise the antiquity and courage of the people, to write the history of their kings, both their merits and blemishes, from a Christian perspective and to foster the union of that gens with Hispania, Isidor’s patria.“
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une œuvre historique d’intentions fortement idéologiques“.158 Dieser Widerspruch lässt sich insofern relativieren, als dass Isidors Absicht in der Historia weit offenkundiger zutage tritt und er dort mehr Legitimationselemente einfließen lässt. So finden sich etwa in der Chronik keinerlei panegyrische Formulierungen, wie sie mit dem Lob der Kriegstüchtig- und Tapferkeit der Goten und ihrer Liebe zum Frieden und zur Freiheit beispielhaft in der Recapitulatio der Gotengeschichte vorliegen.159 Gleichwohl wird den Goten in der Chronik auf subtilere Weise eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Diese äußert sich in der Konzeption der Chronik und in dem durch sie transportierten Geschichtsbild. Einen Schlüssel dazu stellt die in der Chronik zu erkennende „doppelte Chronologie“ dar. So benutzt Isidor einerseits eine relative Zeitrechnung, die sich in Anlehnung an seine Vorgänger an den Geschehnissen der Welt orientiert, was für Isidor die biblischen Ereignisse mit einbezieht, und per generationes et regna datiert.160 Diese verleiht ihrerseits jedoch nur einer übergeordneten absoluten Chronologie Struktur, indem sie die Demarkationslinien für jene sechs Weltalter setzt, nach deren Verlauf schließlich das Ende der Zeiten zu erwarten stehe.161 Geschichte ist für ihn damit zuvorderst christliche Heilsgeschichte. Ihr übergeordnetes Interesse gilt der Geschichte des Volkes der Gläubigen, die sich jedoch nach Überzeugung Isidors zu bestimmten Zeiten in besonderer Weise mit der Geschichte einzelner Völker und Reiche verbindet.162 Nach dem jüdischen Volk nehmen für Isidor im sechsten und letzten Weltalter, das mit der Geburt Christi einsetzt, die Römer und ihr Reich, welches schließlich in eine besondere Verbindung mit der christlichen Kirche tritt, eine besondere Rolle ein.163 Für den Berichtszeitraum, besonders seit dem fünften Jahrhundert an, lässt sich mit Blick auf das Westreich jedoch feststellen, dass das Imperium beziehungsweise die Romani dort kaum noch eine Rolle spielen. Nach der Eroberung Roms durch die Westgoten im Jahre 410, werden im
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Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 207/8; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 465 Isidor: Historia Gothorum, 66–70. Vgl. Messmer: Hispania-Idee und Gotenmythos, S. 89–104. Isidor: Chronica 1,1. Die Lehre von den sechs Weltaltern geht auf Augustinus zurück (Augustinus: De civitate dei 15–18, hg. v. Bernhard Dombart u. Alfons Kalb [BT], Bd. 2: Lib. 14–22, Stuttgart 51981) und Isidor ist der Erste, der diese in einem chronikalischen Text verwendet. Zur Chronologie bei Isidor vgl. Basset: The Use of History; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 176–197. Borst, Arno: Das Bild der Geschichte in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, in: DA 22 (1966), S. 1–62, S. 23–27. Isidor: Chronica 1, 237 u. Folgende.
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Folgenden nicht mehr wie bis dahin üblich beide, sondern es wird nur noch der Ostkaiser bei der Datierung genannt.164 Stattdessen treten mit Blick auf den Westen die Goten verstärkt in das Blickfeld.165 Ihre Herrschaft und ihre Herrscher werden dabei mit keinerlei „barbarischen“ Attributen versehen, sondern vielfach mit den gleichen Begriffen gekennzeichnet wie auch das Imperium und die Kaiser.166 Besonders deutlich wird die Verschiebung, die sich in der Darstellung Isidors im Westreich vollzogen hat, in der Abschlussformel, die in der ersten Fassung mit in anno quinto imperatoris Eraclii et quarto religiosissimi principis Sisebuti und in der zweiten mit in anno sexto decimo Eraclii et quinto religiosissimi principis Suinthilani datiert.167 Die gleiche Doppelnennung ist bereits in der Praefatio zu finden, in welcher der Berichtszeitraum der Chronik angegeben wird mit dem Beginn der Welt usque ad Augusti Eracli uel Sisebuti regis principatum beziehungsweise usque ad Augusti Eracli uel Suinthila regis temporibus.168 Man könnte den Versuch unternehmen, zu differenzieren, welchen der hier gegenübergestellten Attribute und Appositionen eine höhere Bedeutung ausdrücken könnten, aber abgesehen von der methodischen Problematik eines solchen Vergleichs, der die Möglichkeit einer präzisen Rangunterscheidung in der Terminologie voraussetzte, dürfte darüber hinaus unfraglich sein, dass die Zielrichtung von Isidors Darstellung nicht jene einer hierarchischen Abstufung, sondern die einer Beiordnung ist.169 Insgesamt kommt den Westgoten in der Darstellung von Isidors Chronik folglich in doppelter Weise eine herausgehobene Stellung zu. Mit der Eroberung Roms durch die Goten verliert zum einen das westliche Kaiserreich für Isidor jegliche Relevanz und gleichzeitig erfahren die Goten durch diesen Sieg eine besondere Legitimation.170 In der weltgeschichtlichen Abfolge der generationes et regna, und gleichbedeutend damit auch in der Heilsgeschichte, nehmen sie damit ihren Platz ein. Nach Meinung mancher Forscher werde dadurch deutlich, dass die Goten als die Erben des westlichen Reiches und als völlig gleichberechtigt mit dem oströmischen Kaiserreich erscheinen.171 Nimmt man das Datierungs164 165 166
167 168 169
170 171
Ibid., 1, 372 Folgende. Ibid., 382; 399a; 1, 403; 405; 407; 408; 408a; 415; 416; 416b; 417. Die Herrschaft etwa als imperium, Isidor: Chronica 2, 382, und der König als princeps, Isidor: Chronica 1, 408; 1, 415; 2, 416b; 2, 417a. Isidor: Chronica 1, 417 und 2, 417a. Isidor: Chronica 1, 2 und 2, 2. Fontaine: Isidoro de Sevilla frente a la España bizantina, S. 32, bewertet diese sogar als paritätisch. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 472. Reydellet: Les intentions idéologiques et politiques, S. 396 ff.; Basset: The Use of History S. 290 ff.; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 474–477; Alonso-Nuñez: Aspectos del pensamiento historiográfico, S. 4 f.
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muster des Sevillaner Bischof in den hier untersuchten Schriften als Indiz, bedarf dieses Urteil jedoch einer Differenzierung. Wie gesehen, sind für Isidor dabei sowohl die byzantinischen Kaiser als auch die westgotischen Könige Bezugsgrößen, ohne bei einer direkten Gegenüberstellung der beiden deutliche hierarchische Abstufung erkennen zu lassen. Die für den Sevillaner Bischof obsolet gewordene Datierung nach denn Westkaisern wird jedoch nicht durch eine solche nach Westgotenkönigen ersetzt. Stattdessen wird innerhalb der Chronik nach 410 ausschließlich nach Ostkaisern datiert. Die Erklärung für die unterschiedliche Orientierung bei der Datierung, im Anfangs- und Schlussteil im Vergleich zum Kerntext, ist am wahrscheinlichsten im jeweiligen Bezugsrahmen der genannten Abschnitte zu finden. Für den Kerntext der Chronik, in welchem die Kaiser des Westreiches ersatzlos gestrichen werden, ist dieser Rahmen ein in jeglicher Hinsicht universaler. Die Doppeldatierungen nach den Regierungsjahren des oströmischen Kaisers und dem westgotischen König finden sich jedoch mit der Einleitung und dem Epilog in Textabschnitten, die sich stärker auf die Gegenwartssituation des Autors und damit auf die Hispania des Jahres 615 beziehungsweise 626 beziehen. In diesem Bezugsfeld scheint es für Isidor angebracht, neben dem Kaiser auch auf den westgotischen König Bezug zu nehmen. Damit besteht insofern keine Parität dieser beiden Herrscher, als dass im universalen Bezugsfeld das Imperium noch immer die Fixgröße ist, während die Orientierung nach dem Westgotenreich eher eine regional begrenzte ist. Dadurch wäre das Letztgenannte nur partiell ein Erbe des westlichen Kaiserreiches und zwar ohne dessen imperialen Anspruch.172 Für diese Einschätzung spricht ferner die Tatsache, dass Isidor auch in der thematisch stark auf die Goten und die Hispania fokussierten Historia nach der Spanischen Ära, darüber hinaus aber auch nach den kaiserlichen Regierungsjahren datiert.173 Dieser Text ist darauf angelegt, die gens Gothorum mit einem besonderen Prestige zu versehen, indem sie sowohl im Verlauf der Geschichte, insbesondere der jüngst vergangenen und römisch geprägten, als auch in der Gegenwart eine herausgehobene Position zugewiesen bekommt. Gleichwohl fungiert der Kaiser in ihm als universale Referenzgröße und als Bezug auf den größeren Kontext, in welchen sich das Erzählte einfügt. Wie im Folgenden noch zu sehen sein wird, lässt Isidor in der Darstellung der byzantinisch-westgotischen Konflikte jedoch keinen 172
173
Vgl. dazu in einem anderen Zusammenhang auch Wolfram, Herwig: Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, Berlin 1994, S. 326, „Die Imperialisierung des Westgotenreiches verzichtete jedenfalls auf jeden Universalismus.“ Zur Datierung nach der Spanischen Ära siehe ausführlich Handley: Tiempo e identidad.
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Zweifel darüber aufkommen, dass er jeglichen realen Machtanspruch des Kaiserreiches im Bereich der Iberischen Halbinsel als Vermessenheit wertet und dem Kaiser damit nicht mehr zugesteht als einen gewissen Ehrenrang.174 Während die Chronik und die Gotengeschichte in unterschiedlich ausgeprägtem Maße einen universalen Bezug haben, hat dieser für die De viris illustribus keine Funktion. Da Isidors Hauptanliegen in diesem Text nicht die Biographie der Personen, sondern deren Wirken gegen die Häresie ist, sind die Angaben zur Einordnung der jeweiligen Personen lückenhaft und spärlich. Sofern Isidor überhaupt genauere Angaben zur Lebenszeit oder zum Todesdatum vornimmt, bezieht er sich dabei grundsätzlich auf die Kaiser.175 Bei drei Bischöfen hingegen, namentlich bei Apringius von Beja, Justinianus von Valencia und Isidors Bruder Leander, dienen hingegen die jeweiligen westgotischen Könige als Referenz.176 Darüber hinaus existieren zwei Mischdatierungen. Im ersten Fall handelt es sich um Fulgentius, den Bischof der im Vandalenreich gelegenen nordafrikanischen Hafenstadt Ruspe, zu dem Isidor ausführt claruit sub Trasamundo rege wandalorum Anastasio imperatore regnante,177 und zu Martin von Braga heißt es, floruit regnante Theodemiro rege Suevorum, temporibus illis, quibus Iustinianus in re publica et Athanagildus in Hispaniis imperium tenuere.178 Bei diesen Angaben, die sich ausschließlich auf die Einordnung der Personen in ihren Wirkungskreis beziehen, gelten Isidor folglich sowohl Kaiser als auch Könige als Datierungsautoritäten. Im Verhältnis der beiden zueinander lässt sich dabei auch hier erkennen, dass der Kaiser eher als universale Bezugsgröße gelten kann, während dem jeweiligen König diese Rolle in einer bestimmten Einflusssphäre zukommt. Bei der Datierung des im hispanischen Suebenreich wirkenden Bischofs Martin von Braga bringt Isidor die Angabe zum untergeordneten suebischen König in Verbindung mit den beiden Autoritäten Justinian und At174
175 176
177 178
Zur Ehrenstellung Byzanz’ vgl. Fontaine: Isidoro de Sevilla frente a la España bizantina, S. 40. Isidor: De viris illustribus 2; 3; 9; 13; 14; 19; 22; 26; 27; 29; 30. Isidor: De viris illustribus 17, Apringius ecclesiae Pacensis Hispaniarum episcopus, […] claruit temporibus Theudi principis Gothorum; 20, Iustinianus ecclesiae Valentinae epicopus, […] floruit in Hispaniis temporibus Theudi principis Gothorum; 28, Leander […] floruit sub Recharedo, uiro religioso ac principe glorioso, cuius etiam temporibus mirabili obitu mortalis uitae terminum clausit. Nur bedingt zu ergänzen ist hier der Eintrag zu Johannes von Biclaro. In ihm nennt Isidor den Berichtszeitraum der Chronik des Letztgenannten und gibt dessen Ende nach dem oströmischen Kaiser Mauritius und König Rekkared an, allerdings ist dies als Zitat aus dem Werk Johannes’ zu werten, vgl. Isidor: De viris illustribus 31, sowie Johannes: Chronicon 91. Isidor: De viris illustribus 14. Isidor: De viris illustribus 22.
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hanagild, über die er in der Formulierung gleichgestellt sagt, dass der eine die Herrschaft im Kaiserreich habe (res publica) und der andere in Spanien (in Hispaniis).179 Dies ist insofern bemerkenswert, als dass alle weiteren Datierungen aus einem hispanischen Bezugsfeld ohne einen zusätzlichen Bezug zum Kaiser auskommen. Der Hintergrund für diese Abweichung dürfte darin zu suchen sein, dass das Suebenreich erst mit der Eroberung durch Leovigild im Jahre 585 dem westgotischen einverleibt wurde und in dem Zeitraum, über den hier berichtet wird, noch eine vom westgotischen König unabhängige Größe darstellte. Der Bezug zum Kaiser deutet auf diese Selbständigkeit hin, die geographische Lage des Reiches in Hispaniis motiviert jedoch gleichzeitig die Referenz auf den westgotischen König. Wie beim suebischen König, so wird auch die Angabe zur Herrschaftszeit des vandalischen Königs Thrasamund alleinstehend als nicht ausreichend erachtet und zusätzlich in Regierungsjahre des Kaisers Anastasius übersetzt. Diese Beobachtungen zum Datierungsmuster zeigen, dass die westgotischen Könige Isidor in einem bestimmten Bezugsfeld als legitime Referenzgröße gelten, wie sie in ähnlicher Weise ansonsten nur noch der oströmische Kaiser darstellt. Dem Letztgenannten kommt dabei jedoch eine erhöhte Ehrenstellung und eine universelle Bedeutung zu, während die Westgotenkönige diese Position in einem begrenzten Raum innehaben, dem der Hispania. Damit steht der westgotische König jedoch deutlich über jenen etwa der Sueben oder Vandalen. Dies entspricht der auch an anderer Stelle zu beobachtenden Tendenz Isidors, die letztgenannten gentes, ganz im Gegensatz zur Charakterisierung der Westgoten, herabklassifizierend als Barbaren darzustellen und die Westgoten damit positiv von jenen abzugrenzen.180 Auch wenn die Ausprägung der kritischen Haltung Isidors dem oströmischen Reich gegenüber in der Forschung unterschiedlich bewertet wird, so 179
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Vgl. auch Adams, Jeremy DuQuesnay: The Political Grammar of Isidore of Seville, in: Arts libéraux et philosophie au moyen âge, Montréal/ Paris 1969, S. 763–775, S. 770: „Besides, a close reading of the sentence suggests that Justinian and Athanagild exercised an authority of nearly equal rank in the author’s mind“. Siehe dazu Drews: Goten und Römer, S. 12 f.: „Die gesamte Darstellung Isidors läuft darauf hinaus, die Goten als Teil der antiken Zivilisation zu kennzeichnen, während Wandalen und Sueben als Exponenten barbarischen Verhaltens erscheinen“, Zitat S. 13; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 489–493; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 191; Merrills, Andrew: Comparative Histories. The Vandals, the Sueves and Isidore of Seville, in: Corradini, Richard/ Meens, Rob/ Pössel, Christina/ Shaw, Philip (Hg.), Texts and Identities in the Early Middle Ages (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 12), Wien 2006, S. 35–45.
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ist unstrittig, dass sein Werk vielfach eine sehr reservierte Haltung dem byzantinischen Reich gegenüber aufweist.181 Als Gründe dafür sind etwa die Geschichte seiner Familie, die mangelnde Unterstützung seitens der Schutzmacht der katholischen Kirche für Hermenegild, als häretisch gekennzeichnete religiöse Entwicklungen im Umfeld des oströmischen Kaisers und die außenpolitische Konkurrenz zum Westgotenreich genannt worden. Wie bis hierher gesehen, geht die kritische Haltung Isidors dabei nicht soweit, dem byzantinischen Kaiser eine überregionale Bedeutung absprechen zu wollen.182 Eindeutig ist jedoch, dass Isidor das westgotische regnum als souveräne Größe darstellt, die in der Hispania unabhängig und legitim Macht ausübte und jeder Herrschaftsanspruch des Kaisers dort unrechtmäßig war. Dies wird durch seine entschiedene Parteinahme zugunsten des westgotischen Reiches dokumentiert, wenn er in der Historia Gothorum über Auseinandersetzungen der beiden Mächte berichtet.183 Deutlicher könnte dies kaum gezeigt werden, als in Isidors lobenden Ausführungen zur Kriegstätigkeit Rekkareds. Einleitend heißt es dort, dass der König glorreich gegen feindliche Völker Krieg geführt habe und nach der Schilderung eines Sieges über die Franken berichtet er ferner, dass der König seine Kraft ebenfalls häufig gegen den römischen Übermut (Romanas insolentias) gerichtet habe.184 Im Zusammenhang mit dieser Darstellung der Präsenz byzantinischer Soldaten als Fremdherrschaft ist für unseren ethnischen Fragekontext bedeutend, in welcher Weise der Terminus Romanus bei Isidor Verwendung findet. Hinsichtlich der Historia ist dabei festzustellen, dass der Begriff dazu diente, das Römische Reich und dessen Handlungsträger zu bezeichnen. Im Bereich des weströmischen Reiches jedoch lässt er sich letztmalig bei der Bestimmung des gallischen Heermeisters und Patrizius Aegidius, den Isidor als comes Romanus identifiziert, im Jahre 462 nachweisen.185 Die folgenden
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Siehe dazu schon Steidler, Basilius: Der heilige Isidor von Sevilla und die Westgoten. Zum 1300. Todesjahr (636–1936), in: Benediktinische Monatsschrift 18 (1936), S. 425–436, S. 429–434, und nun Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 464, S. 481–486; Alonso-Nuñez: Aspectos del pensamiento historiográfico, S. 7 f.; Kerksen: Geschichtsschreibung, S. 25 f.; García Moreno: La Andalucía de San Isidoro; Muhlberger: War, Warlords, and Christian Historians, S. 94; Fontaine: Isidoro de Sevilla frente a la España bizantina; Drews: Goten und Römer, S. 3 ff. Anders etwa García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 240 f. Isidor: Historia Gothorum, 42, 47, 58, 61, 62, 70. Isidor: Historia Gothorum 54, Egit etiam gloriose bellum aduersus infestas gentes […]. Saepe etiam et lacertos contra Romanas insolentias et inruptiones Vasconum mouit, […]. Isidor: Historia Gothorum 33, vgl. Wolfram: Goten, S. 185.
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sechs Verwendungen des Begriffes186 stehen derweil im Kontext mit den byzantinisch-westgotischen Konflikten auf der Iberischen Halbinsel und bezeichnen die oströmischen Feinde.187 Eine Untersuchung der Chronik liefert einen übereinstimmenden Befund.188 Auch wenn die Belege innerhalb der De viris illustribus so spärlich sind, dass sie für sich genommen wenig aussagekräftig wären, lassen sie sich doch mit dem aus den weiteren Texten gewonnenen Ergebnis in Übereinstimmung bringen: Über die zwei Belege hinaus, die Romanus zur Bestimmung oströmischer Kaiser überliefern,189 finden sich dort weitere zwei, die Romanus mit der Stadt Rom und dem dortigen Bischofsitz in Verbindung bringen.190 Hans-Joachim Diesner ist damit entschieden zuzustimmen, wenn er zu folgendem Urteil kommt: „Für die Geschichte seiner Zeit verwendet der Kirchenvater den Begriff in erster Linie zur Kennzeichnung der Byzantiner, behält ihn jedoch […] natürlich auch zur Charakterisierung insbesondere des Papstes, des Romanus pontifex, bei. Die Frage, ob Isidor die römischen oder romanischen Bevölkerungsteile der iberischen Halbinsel nicht auch gelegentlich als Romani bezeichnete, kann eindeutig verneint werden.“191 Die letzten Belege, die wir in Isidors Schriften für eine Verwendung von Romanus als Sammelbezeichnung von Provinzialrömern in der Hispania haben, 186
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Nicht mitgezählt sind hier zwei Belege aus der Recapitulatio, die in eine weiter zurückreichende Zeitstufe zurückführen, Isidor: Historia Gothorum 66, 67. Isidor: Historia Gothorum 54, [Rekkared] lacertos contra Romanas insolentias […] mouit; 58, [Witterich] aduersus militem Romanum proelio saepe molitus; 59, [Gundemar] militem Romanum obsedit; 61, [Sisebut] De Romanis quoque praesens bis feliciter triumphauit et quasdam eorum urbes pugnando sibi subiecit; 62, [Suinthila] Romana castra perdomuit; und im letzten Satz der Recapitulatio (70) heißt mit Blick auf die Goten schließlich subactusque seruit illis Romanus miles, quibus seruire tot gentes et ipsam Spaniam uidet. Zu Belegen, die sich auf Ereignisse auf der Halbinsel beziehen, siehe Isidor: Chronica 2, 399a, In Spaniam per Atanagildum Romanus miles ingreditur; 2, 415, In Spania quoque Sisebutus Gothorum rex plurimas eiusdem Romanae militiae urbes cepit; und zu solchen jenseits von ihr 2, 399b, In Italia quoque Totila Ostrogothorum rex a Narse Romano patricio superatur; 1, 409, Auares aduersus Romanos dimicantes auro magis quam ferro pelluntur; 2, 413, Proelia quoque Persarum grauissima aduersus Romanos exoriuntur. A quibus Romani fortiter debellati quasdam Orientis partes amiserunt; 2, 414a, […] Sclaui Graeciam Romanis tulerunt, Persi Syriam et Aegyptum plurimasque prouincias. Isidor: De viris illustribus 27, [Papst Gregor der Gr.] obiitque in ipso exordio Phocati Romani principis; 31, in annum octauum Mauricii principis Romanorum. Isidor: De viris illustribus 10, [Leo] Romanae sedis episcopum; 27, Gregorius Papa Romanae sedis apostolicae praesul. Diesner: Isidor von Sevilla und seine Zeit, S. 67/68. Zur Semantik Romanus = Byzantiner bei Isidor siehe auch Basset: The Use of History, S. 291 mit Anm. 79; Caerols: El encuentro entre godos e hispanorromanos, S. 231; García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 258 f.
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finden sich im Zusammenhang mit den Ereignissen der Jahre 455/6 und sind beide aus der Chronik Hydatius’ übernommen. Einerseits wird dabei über den Kriegszug Theoderichs II. gegen die Sueben berichtet, dass der König die Bewohner der Stadt Braga, welche er als Römer bezeichnet, als Geiseln genommen habe.192 Darüber hinaus werden in der Historia Suevorum, bei der Schilderung eines Beutezuges des suebischen Königs Masdra, Teile der Bevölkerung der Lusitania als Römer identifiziert.193 Ethnische gekennzeichnete Gruppen wie etwa Franken, Alanen, Vandalen und Byzantiner sind in der Historia unschwer als Fremde auszumachen und die Sueben, welche über eineinhalb Jahrhunderte im Nordwesten der Halbinsel präsent waren, gehen mitsamt ihrem Reich nach der Eroberung durch Leovigild schließlich im westgotischen regnum auf.194 Es bleiben ferner lediglich eine Reihe solcher Sammelbezeichnungen für die einheimische Bevölkerung der Halbinsel, die sich von einem geographischen Begriff ableiten und die Menschen einer bestimmten Region der Hispania bezeichnen:195 so etwa im Falle der Basken,196 der Asturier,197 der Kantabrer,198 der „Rukkonen“,199 der Galizier200 und auch, übergreifender, der Spanier.201 Diese aus der regionalen Herkunft abgeleiteten Bezeichnungen und Identitäten stehen jedoch auf einer anderen Ebene, als die ehemals vom Imperium Romanum verliehene, die im gesamten Römischen Reich als politische Suprastruktur existiert hatte. Es bietet sich hier ein Vergleich mit Hydatius an, aus dessen Chronik Isidor auch die beiden angeführten Belege für Spanii entnommen hat.202
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195 196 197 198 199
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Isidor: Historia Gothorum 31, Theuderico autem cum exercitu ad ciuitatem Bragarensem pertendente, die dominico etsi incruenta, tamen satis lamentabilis eiusdem direptio ciuitatis et Romanorum magna captiuitatis fuit, vgl. Hydatius: Chronicon 174. Isidor: Historia Suevorum 88, Masdras autem cum manu Sueuorum statim Lusitaniam depraedatur, acta illic Romanorum caede praedisque contractis, vgl. Hydatius: Chronicon 188. Isidor: Historia Gothorum 49, Postremum bellum Sueuis intulit regnumque eorum in iure gentis suae mira celeritate transmisit. Siehe dazu auch Isidor: Etym. 9,2,110–114. Isidor: Historia Gothorum 54, 63. Ibid. 61. Ibid. 49, siehe dazu auch Johannes: Chronicon 32. Isidor: Historia Gothorum 61, 62; Historia Suevorum 91. Es handelt sich dabei um ein Volk aus den nördlichen Bergregionen der Iberischen Halbinsel, wahrscheinlich im Bereich der heutigen Regionen Kantabrien und Asturien, über das außer einer handvoll Nennungen nichts überliefert ist, vgl. García Moreno: Historia de España visigoda, S. 331. Isidor: Historia Suevorum 85, 90. Isidor: Historia Gothorum 11, Historia Vandalorum 73. Hydatius: Chronicon 2, 49.
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Ebenso wie beim Sevillaner Bischof finden wir auch beim Erstgenannten neben den schon zitierten Spaniern ebenfalls Karthaginienser, Betiker203 und Galizier.204 Gleichzeitig ist in seiner Chronik jedoch deutlich zu erkennen, dass parallel zu diesen Regionalidentitäten eine römische Identifikation in der Hispania herrscht. In der Darstellung Hydatius’ sind es ohne jeden Zweifel die Römer, die rechtmäßig Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel ausüben. Nur wenn verbündete gentes durch einen römischen Auftrag autorisiert werden, handeln sie nicht als rechtlose Barbaren.205 Neben der Tatsache, dass die Einwohner der Hispania einer bestimmten Provinz entstammten und auch nach dieser bezeichnet werden konnten, waren sie für Hydatius ohne jeden Zweifel auch Römer.206 Insofern ist es für ihn eine Variante, die Bewohner Spaniens, die die „Barbareneinfälle“ des Jahres 411 überlebt hatten und sich in den Dienst der Neuankömmlinge stellten, als Hispani zu bezeichnen.207 Darin ist ganz sicher kein Widerspruch zu ihrer römischen Identität zu sehen. Besonders deutlich treten die verschiedenen Identifikationsebenen, die ein Bürger der Hispania aus der Perspektive Hydatius’ noch widerspruchslos auf sich vereinigen konnte, gleich zu Beginn der Chronik beispielhaft hervor: Theodosius natione Spanus de provincia Gallaecia civitate Cauca a Gratiano Augustus appellatur.208 In den Schriften Isidors – und auch in denen seiner direkten Vorgänger und Zeitgenossen – sind jene politischen Elemente des „Römisch-Seins“, wie sie für Hydatius noch existierten, mit Blick auf die Iberische Halbinsel ab der Mitte des fünften Jahrhunderts nicht mehr zu finden. Während Hydatius für Theodosius noch selbstverständlich eine bruchlose Identifika203 204 205
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Ibid. 134, Vitus magister utiusque militiae factus […] Carthaginienses vexaret et Baeticos […]. Ibid. 96, 100, 135, 196, 220. Ibid. 63, Vallia rex Gothorum Romani nominis causa intra Hispanias caedes magnas efficit barbarorum; 158, Per Fredericum Theuderici regis fratrem Bacaudae Terraconenses caeduntur ex auctoritate Romana; 168, Suevi Carthaginienses regiones, quas Romanis reddiderant, depraedantur; 170, […] Suevi Terraconensem provinciam, quae Romano imperio deserviebat, invadunt; 186, […] Asturicam, quam iam praedones ipsius [Theoderichs II.] sub specie Romanae ordinationis intraverant, mentientes ad Suevos qui remanserant iussam sibi expeditionem […]. Ibid. 174, Theudorico rege cum exercitu ad Bracaram extremam civitatem Gallaeciae pertendente V kal. Novembris die dominico etsi incruenta […] Romanorum magna agitur captivitas captivorum [Isid. 31]; 188, solito more perfidiae Lusitaniam depraedatur pars Suevorum Maldarem sequens. acta illic Romanorum caede praedisque contractis civitas Ulixippona sub specie pacis intratur [Isid. 88]; 199, […] Luco habitantes in diebus paschae Romani aliquanti cum rectore suo […]; 246, hac re cognita Gothi qui venerant invadunt et Suevos depraedantur, pariter et Romanos ipsis in Lusitaniae regionibus servientes. Ibid. 49, Hispani per civitates et castella residui a plagis barbarorum per provincias dominantium se subiciunt servituti. Ibid. 2.
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tionskette von dessen entlegener galizischen Geburtsstadt bis zum Amt des Kaisers, in dem sich die Romanitas gleichsam personifizierte, nachzeichnet, führt für die Zeitgenossen Isidors aus den spanischen civitates kein Weg mehr auf den römischen Kaiserthron. Abgesehen von der religiösen Semantik des Romanus-Begriffes ist bereits für das sechste Jahrhundert herausgearbeitet worden, dass die Loyalität zum Kaiser das entscheidende Kriterium zur Definition einer römischen Identität war.209 Römisch war für den Sevillaner Bischof damit das Imperium im Osten, dessen Soldaten, die Romani, als Besatzer in der Hispania empfunden wurden. „L’ennemi pour lui, c’est le Romanus“, stellte hierzu in prägnanter Weise Ferdinad Lot heraus.210 An die Stelle des folglich negativ besetzten Begriffs des „Römischen“ war das „Gotische“ getreten. So findet sich bei Isidor beispielsweise an anderer Stelle eine ganz ähnliche Konstruktion wie sie in Hydatius’ Zitat über Kaiser Theodosius zu finden ist. Denn zu Johannes von Biclaro führt er aus, dass er der civitas Scallabis und der Provinz Lusitanien entstamme und stellt diesen Angaben die gotische Identität Johannes’ bei.211 Auch die Laus Spaniae und die Recapitulatio, welche in der längeren Version der Historia enthalten sind, lassen eine solche Ablösung auf metaphorische Weise deutlich werden. Diese Texte sind dem Muster klassischer Hochzeitsgedichte, sogenannten Epithalamia, nachempfunden.212 Die weibliche Hispania wird in den genannten Abschnitten durch eine Anrede personifiziert und erscheint am Schluss ähnlich einer Braut, die sich mit den Goten verbindet, wenn Isidor ausführt, dass zwar das einstmals erfolgreiche Rom, das Haupt der Völker, sie besessen habe, schließlich aber das blühende Volk der Goten die Hispania mit Eifer an sich gerissen und sich mit ihr vereinigt habe und sie bis heute genieße.213 Und in der Recapitulatio, die 209 210 211
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Greatrex: Roman Identity. Lot: Les invasions germaniques, S. 182. Isidor: De viris illustribus 31, Johannes von Biclaro, Gerundensis ecclesiae episcopus, natione Gothus, prouinciae Lusitaniae Scallabi. Es wäre hier methodisch verfehlt, die Zitate von Hydatius über Theodosius und das hier zitierte Isidors über Johannes von Biclaro rein schematisch zu vergleichen. In dem Sinne, zu problematisieren, dass Hydatius vier Identifikationsebenen anspricht, während bei Isidor lediglich drei genannt werden und ferner beide Autoren mit dem Begriff natio eine spezifische und sehr exakte Semantik verbänden, um daraus zu folgern, dass hier ausschließlich Spanus und nicht etwa die römische Identität auf die Ebene des Gothus bei Isidor zu stellen sei. Siehe dazu allgemein Horstmann, Sabine: Das Epithalamium in der lateinischen Literatur der Spätantike (Beiträge zur Altertumskunde 197), München 2004. Isidor: De laude Spaniae, Iure itaque te iam pridem aurea Roma caput gentium concupiuit et licet te sibimet eadem Romulea uirtus primum uictrix desponderit, denuo tamen Gothorum florentissima gens post multiplices in orbe uictorias certatim rapit et amauit, fruiturque hactenus inter regias infulas et opes largas imperii felicitate securas. Siehe ausführlich zu diesem Text in der neue-
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sich nach der schmeichelnden Darstellung der Hispania nun dem Lob der Goten widmet und entsprechend in der Forschung teilweise auch als Laus Gothorum angesprochen wird, heißt es schließlich noch einmal, dass selbst Rom, die Siegerin über alle Völker, sich den sieg- und glorreichen Goten habe beugen müssen und ihnen diene.214 Neben dem Anklang an die Epithalamia steht Isidor mit dem Lob der mater Hispania ebenfalls in der literarischen Tradition vorangegangener Laudes, in denen zahlreiche Autoren stolz über ihre spanische Heimat schrieben.215 Ein Bestandteil dieser klassischen geographischen Lobschriften über die Hispania, die Isidor als Orientierung dienten, ist eine ausführliche Charakterisierung der in ihr lebenden Menschen. „The audiences to antique histories and geographies were assaulted with an image of the Hispani as an unusually courageous people, bellicose to the point of fault, talented in war, and particularly in cavalry engagements, and able to endure considerable physical hardship“, befindet dazu etwa Andrew Merrills.216 Bei Isidor gibt es jedoch keine solche Darstellung einer autochthonen Bevölkerungsgruppe, die als Hispano-Romanen bezeichnet werden könnte, sondern genau diese Zuschreibungen werden bei ihm in der Recapitulatio den Goten zuteil.217 In der Übertragung der charakterisierenden Eigenschaften, die
214
215 216
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ren Literatur Merrills: History and Geography, S. 185–228, und zur an der Gattung der Epithalamia orientierten Vereinigungsthematik ibid., S. 205–226, S. 206: „His image of the union of Goths and Spain as a sexual or nuptial relationship, with the Gothi taking the active male role and the passive Hispania the female, conforms closely to generic requirements, despite its unusual subject matter.“ Siehe ferner z. B. Fernández Valverde, Juan: De laude et deploratione Spanie (estructura y fuentes literarias), in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 457–462; Fontaine: Isidore de Séville. Genèse et originalité, S. 361–377; Id.: Un manifeste politique et culturel; Bronisch: El concepto de España, S. 13–18. Isidor: Historia Gothorum 67, Quibus tanta extitit magnitudo bellorum et tam extollens gloriosae uictoriae uirtus ut Roma ipsa uictrix omnium populorum subacta captiuitatis iugo Gothicis triumphis adcederet et domina cunctarum gentium illis ut famula deseruiret. Merrills: History and Geography, S. 186–192. Merrills: History and Geography, S. 197. Vgl. Auch Fontaine: Un manifeste politique et culturel, S. 63, und aus den Quellen z. B. M. Justinianus Justin: Epitoma Historiarum Philippicarum Pompei Trogi 44,2, hg. v. Otto Seel (BT), Stuttgart 1972, Corpora hominum ad inediam laboremque, animi ad mortem parati. Dura omnibus et adstricta parsimonia. Bellum quam otium malunt; si extraneus deest, domi hostem quaerunt. Saepe tormentis pro silentio rerum creditarum inmortui; adeo illis fortior taciturnitatis cura quam vitae. Celebratur etiam bello Punico servi illius patientia, qui ultus dominum inter tormenta risu exultavit serenaque laetitia crudelitatem torquentium vicit. Velocitas genti pernix, inquies animus: plurimis militares equi et arma sanguine ipsorum cariora; Pacatus: XII Panegyrici Latini 4,5, hg. v. Roger A. Mynors (Scriptorvm Classicorvm Bibliotheca Oxoniensis), Oxford 1973. Isidor: Recapitulatio 67–70.
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den Hispani in der klassischen Literatur zukommen, auf die Gothi, findet die übergeordnete Identifikation der Bevölkerung der Hispania als Goten Ausdruck. Auch die semantische Annäherung der Begriffe gens und populus in Isidors Sprachgebrauch deutet in diese Richtung. In einer vielzitierten Passage der Etymologien trifft der Gelehrte zwar eine signifikante Unterscheidung dieser beiden Begriffe, indem er die gens als eine Abstammungsgemeinschaft kennzeichnet, während der populus ein rechtlich definiertes Gemeinwesen mit einer gemeinschaftlichen Willensbildung sei.218 In Isidors weiteren Texten, die den überkommenen klassischen Bildungsmustern weniger verhaftet sind als die Etymologiae, tritt jedoch zutage, dass Isidor selbst diese semantische Unterscheidung nicht einhält und die beiden Begriffe häufig synonym verwendet.219 Dem Begriff gens geht dabei sein einschränkendes Charakteristikum als Abstammungsgemeinschaft verloren und auch ihm wird die politische Bedeutung des populus-Begriffes beigemessen.220 Durch die Aufwertung der gens und die Darstellung der westgotischen Gemein-
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Isidor: Etym. IX, 4, 4 f., Genus aut a gignendo et progenerando dictum, aut a definitione certorum prognatorum, ut nationes, quae propriis cognationibus terminatae gentes appellantur. Populus est humanae multitudinis, iuris consensu et concordi communione societatus. Siehe zu gens auch ibid. IX, 2, 1. Adams: The Political Grammar of Isidore of Seville, S. 772 f.; Id.: The Political Grammar of Early Hispano-Gothic Historians, S. 4: „In most instances, that direct semantic descendant of the populus Romanus and of Augustine’s populus Dei is made to serve as little more than an auxiliary synonym for gens“. Zur Diskussion des Gegenwartsbezugs von Isidors Etymologiae siehe etwa Teillet: Des Goths à la nation gothique, S. 492, die eine „distance qui sépare les Étymologies, de la véritable pensée d’Isidor de Séville“ feststellt, während Reydellet, Marc: La signification du livre IX des Etymologies. Érudition et actualité, in: Los visigodos. Historia y civilización, S. 337–350, und Diesner, Hans Joachim: Zeitgeschichte und Gegenwartsbezug bei Isidor von Sevilla, in: Philologus 119/1 (1975), S. 92–97, den Text nicht nur als klassisches Bildungsgut, sondern auch als zeitbezogen verstehen. Teillet: Des Goths à la nation gothique, S. 526, „Isidore de Séville emploie fréquemment le mot gens […] représentant une collectivité abstraite, soit avec les noms de personnes concrètes qui la constituent comme un tout: „populi totius gentis“, „primates totius gentis“, soit avec des nomes abstraits: „pro stabilitate gentis Gothorum“, „a societate gentis“, „cum gentis consultu“, „Gothicae gentis nobilitas“; et même avec les mots imperium: „imperium gentis“ et ius: „in iure gentis suae“: cela prouve qu’aux yeux d’Isidore, la gens Gothorum est pour ainsi dire une personne politique et juridique, „capable“ en droit. Tel est l’aboutissement de l’évolution du mot gens qui, à partir du pluriel romain indéterminé gentes, en vient à désigner au singulier la communauté politique de la nouvelle „nation“.“ Siehe auch Adams: The Political Grammar of Isidore of Seville, S. 774; Id.: The Political Grammar of Early HispanoGothic Historians, S. 5, S. 14.
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schaft als Gothorum populus221 und dessen König als princeps populorum222 verbinden sich mit ihr die gleichen Vorstellungen wie etwa mit dem westlichen Kaisertum, welches auf der Iberischen Halbinsel jedoch keine Rolle mehr spielt und dessen rechtmäßige Erben dort die Goten sind.223 Wie an anderer Stelle der Arbeit deutlich wird, ist die ethnische Identifikation von Individuen als Goten, etwa in den Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium, in der Forschung als Zeichen dafür gewertet worden, dass es ein Bewusstsein von einer ethnisch differenzierten Bevölkerung gegeben habe.224 Demgemäß könnte auch die bereits genannte Einordnung Johannes’ von Biclaro durch Isidor in dessen De viris illustribus so verstanden werden, denn dort heißt es: Iohannes, Gerundensis ecclesiae episcopus, natione Gothus, prouinciae Lusitaniae Scallabi natus.225 Macht man sich auf die Suche nach vergleichbaren Identifizierungen bei Isidor, stößt man lediglich auf zwei weitere Beispiele. Das erste stammt ebenfalls aus den De viris illustribus und dort heißt es zu Johannes II., Patriarch von Konstantinopel, er sei natione Cappadox226 und in der Historia Vandalorum wird ein arianischer „Missionar“ namens Alax als natione Galata beschrieben.227 Da die letztgenannte Textpassage einmal mehr wörtlich von Hydatius übernommen ist,228 schränkt sich das zu Isidors originärem Gebrauch aussagekräftige Quellenmaterial auf die beiden genannten Belege aus den De viris illustribus ein.229 Angesichts einer solchen Überlieferungsbreite bedarf es keiner weiteren Erläuterung, dass jegliche Aussage zu einem spezifischen Muster, nach welchem Isidor diese Angaben vermeintlich vornehme, problematisch ist. Hier könnte man
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Isidor: Historia Gothorum 53. Ibid., 64. Drews: Goten und Römer, S. 6, S. 15 mit Anm. 71, und zur Auffassung von den Goten als die Erben Roms siehe auch Basset: The Use of History, S. 290; AlonsoNuñez: Aspectos del pensamiento historiográfico, S. 8 f.; García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 239–244; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 190 ff. Claude: Remarks about Relations Between Visigoths and Hispano-Romans, S. 127, der davon ausgehend folgert: „The integration of Goths and Hispano-Romans had not developed to such an extent that a Gothic origin, […], had become absolutely meaningless.“ Isidor: De viris illustribus 31. Ibid., 26; vgl. Nikolaou, Theodor: Art. Johannes II Kappadokes, in: BBKL 3 (1992), Sp. 431 ff.; Uthemann, Karl-Heinz: Art. Johannes II. Kappadokes, in: LThK 5 (1996), Sp. 923 f. Isidor: Historia Vandalorum 90. Vgl. Hydatius: Chronicon 232. Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 188, misst diesen beiden Stellen eine wichtige Funktion zu.
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ein weiteres Mal erklärend argumentieren, dass der Autor – in einem Themenfeld, welchem eindeutig nicht sein eigentliches Interesse gilt – nur jene Begebenheiten für berichtenswert hielte, welche außergewöhnlich waren. Nach den ethnisch-religiösen Deutungsmustern der etablierten Forschung darf zu den Lebzeiten Johannes’ ein Gote als katholischer Bischof sicher als Ausnahme gelten. Es bleiben aber auch bei diesem Erklärungsversuch viele Fragen offen. Warum sollte Isidor vor diesem Hintergrund die provinziale Herkunft des Patriarchen von Konstantinopel aus der Cappadocia, einer Provinz des oströmischen Reiches, erwähnenswert finden? Sofern dem Sevillaner Bischof eine solche Einordnung der Person dann berichtenswert schien, wenn ihr Wirkungskreis nicht identisch mit ihrer Herkunft war – wie etwa der in der Hispania wirkende Martin von Braga ebenfalls als ex Orientis partibus […] uenit230 eingeführt wird –, warum schweigt er sich dann bei weiteren Fällen, von denen eine solche Situation bekannt ist, über Herkunftsfragen aus?231 Man sollte diese wenigen Belege nicht mit Theoriebildungen überfrachten, denen sie letztlich nicht standhalten können. Zumal jene Erklärungsmuster, die auf der Basis einer verschwindend geringen Anzahl an Belegen von einer stringenten Anwendung des Autors ausgehen, unserem Erkenntnisinteresse gerecht zu werden versuchen, welches, wie im Falle der De viris illustribus mit Sicherheit zu sagen ist, jedoch nicht dem Überlieferungsinteresse der Zeitgenossen entspricht. Bei den wenigen Belegen solcher oder ähnlicher Zuschreibungen in der Historia ist auffällig, dass ein hoher Anteil davon offensichtlich aus den Texten Hydatius’ oder Johannes’ von Biclaro übernommen wurde. Damit lässt sich die Problematik vielleicht am ehesten als eine Frage nach den Quellen und der Genese des jeweiligen Textes begreifen, deren Beantwortung uns jedoch leider oft verwehrt bleibt. Es lässt sich somit bis hierher zusammenfassen, dass Isidor die Goten in seinen historiographischen Schriften als Teil der antiken Zivilisation und als legitime Erben der römischen Macht auf der Iberischen Halbinsel darstellt
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Isidor: De viris illustribus 22. Der Patriarch von Konstantinopel Johannes Chrysostomos (De viris illustribus 6) etwa stammte aus Antiochia, vgl. Uthemann, Karl-Heinz: Art. Johannes Chrysostomos, in: BBKL 3 (1992), Sp. 305–326, Sp. 305. Über Fulgentius von Ruspe (De viris illustribus 14) ist bekannt, dass er aus Telepte in der Byzacena stammte, vgl. Langlois, Pierre: Art. Fulgentius von Ruspe, in: RAC, Bd. 8 (1972), Sp. 632–661, Sp. 638; und zu Kaiser Justinian (De viris illustribus 17) ist Tauresium, in der Nähe des heutigen Skopje, in der Dardania als Herkunftsort überliefert, vgl. PLRE 2, S. 645–648, S. 645.
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und das regnum Gothorum gleichzeitig als souveräne Größe weitgehend unabhängig vom oströmischen Reich positioniert. Welche Erkenntnisse lassen sich nun auf der Grundlage dieses Befundes zur ethnischen Situation im Westgotenreich, wie sie sich in den hier untersuchten Schriften Isidors widerspiegelt, ableiten? Um die Entwicklung aufzuzeigen bietet es sich an dieser Stelle an, einen weiteren Exkurs zu Hydatius an den Anfang dieser Überlegungen zu stellen. Im Zusammenhang mit dem Bericht über die Einnahme der Stadt Ulixippona (bei Lissabon) durch die Sueben, welche durch den Verrat des Stadtoberen namens Lusidius möglich wurde, ist in der Chronik zu lesen: hac re cognita Gothi qui venerant invadunt et Suevos depraedantur, pariter et Romanos ipsis in Lusitaniae regionibus servientes.232 Wie ersichtlich wird, differenziert der Chronist hier zwischen der einheimische Bevölkerung (den Romani), den Goten und den Sueben. Die Basis dafür ist, dass die Hispania und deren Bewohner von Hydatius als römisch erachtet wurden und die beiden genannten gentes aus seiner Perspektive dort fremd waren.233 Für Isidor hingegen stellte sich die Situation völlig verändert dar: Wie die Forschung gezeigt hat, stand Isidor dieser Begriff zur gemeinsamen Identifikation der „römischen oder romanischen Bevölkerungsteile der iberischen Halbinsel“234 nicht mehr zur Verfügung. Die Romani seiner Zeit waren für ihn ebenso Fremde wie beispielsweise die Franken. Stattdessen haben in Isidors Weltbild die Goten den Platz der Römer eingenommen. Die gens Gothorum wird dabei nicht als eine begrenzte Abstammungsgemeinschaft definiert, die sich vermeintlich direkt auf eine Gruppe von gotischen Einwanderern zurückführen ließe, sondern als eine politisch, rechtlich und religiös bestimmte, integrative Ge-
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Hydatius: Chronicon 246. Auffällig ist an der Darstellung Hydatius’ die Formulierung Romanos […] servientes, da das vom Verb servire abgeleitete Partizip an eine gesellschaftlich gering geschätzte Tätigkeit bzw. an Sklavendienst denken lässt (vgl. ähnlich auch Hydatius 49, Hispani per civitates et castella residui a plagis barbarorum per provincias dominantium se subiciunt servituti). Diesen Gedanken weiter verfolgend, wäre zu erörtern, inwieweit das prädikative Partizip hier als ein Hinweis auf eine konkrete soziale Situation oder als pejoratives sprachliches Mittel zu verstehen ist. Mit Blick auf die gesamte Quelle ist jedoch unfraglich, dass Romani für Hydatius in erster Linie nicht die Repräsentanten einer Unterschicht sind (vgl. etwa Hydatius 199, Luco habitantes Romani aliquanti cum rectore suo honesto natu). Damit spielt die Überlegung, welchen Ausschnitt der Bevölkerung Hydatius in der zitierten Textpassage exakt bezeichnet, für die Argumentation hier keine Rolle. Denn unabhängig von der Beantwortung dieser Detailfrage identifiziert der Chronist an dieser Stelle einen Teil der einheimischen Bevölkerung als Römer, in Differenz zu Goten und Sueben. Diesner: Isidor von Sevilla und seine Zeit, S. 68.
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meinschaft. Die Bevölkerung des regnum Gothorum wird damit gemeinschaftlich als gotisch identifiziert.235 Dieses Ergebnis führt uns zur oben genannten zweiten Prämisse der von Fontaine geäußerten These zurück, denn die in ethnischer Hinsicht undifferenzierte Darstellung der spanischen Bevölkerung wird häufig als „ethnic myth“236 und als „postulierte Gemeinschaft von Goten und Hispano-Romanen“ beschrieben, in der „Goten und Provinzialrömer in einer neuen, gotisch-katholischen Gemeinschaft aufgehen [sollten].“237 Der Duktus dieser Formulierungen zielt darauf ab, Isidors Darstellung als „idéologie de réconciliation hispano-gothique“238 zu entlarven, mit welcher der Bischof zwar das Ziel verfolgt habe, eine solche Vereinigung der Bevölkerungsgruppen zu befördern, er damit jedoch „auf der Suche nach einer unmöglichen Einheit“239 gewesen sei, die sich, sofern überhaupt, erst später vollzogen habe.240 Diese Bewertung nimmt ihren Ausgang von folgender 235
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Siehe auch Drews: Goten und Römer, besonders S. 15 ff. Ausgehend von einem religiösen Verständnis des gens-Begriffes betont auch Martin: Naissance d’une identité, S. 87, dass die Romani bei Isidor in die gens Gothorum eingeschlossen seien. Für eine ähnliche Bewertung ließen sich ferner all jene Forscher anführen, die davon ausgehen, dass Goten und Römer in der Zeit Isidors gemeinsam zu Spaniern geworden seien und mit seinen Texten den Beginn einer westgotischen Nationalgeschichte konstatieren, vgl. z. B. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 463–501; mit weiterführender Lit. auch Domínguez del Val: San Isidoro de Sevilla, S. 126 f. Allerdings werden in den genannten Fällen andere Schlussfolgerungen gezogen als dies hier angestrebt wird, die in mehrfacher Hinsicht problematisch sind. Siehe dazu oben Kap. 3. Auch wenn die Darstellung der Liaison seiner hispanischen Heimat mit der gens Gothorum eines der zentralen Elemente des historiographischen Werks Isidors repräsentiert, so geht eine Deutung dieses Umstandes als Beginn einer neuen spanisch-gotischen Nationalgeschichte an der Intention Isidors vorbei. So legitimiert er die Westgoten als die neuen Herren der Hispania gerade als die Erben Roms. In Isidors Geschichtsvorstellungen sind die Goten die Garanten einer geschichtlichen Kontinuität und nicht etwa die Repräsentanten eines neuen Zeitalters. Zugespitzt formuliert: Während sich das Interesse der spanischen Forschung traditionell vor allem darauf richtete, wann aus Goten und Hispano-Romanen Spanier wurden, ist die Frage hier, wann die einheimische Bevölkerung ihre römische Identität auf politischsozialer Ebene gegen eine gotische eintauschte. Siehe zu einer relativierenden Darstellung der Bedeutung der Hispania-Belege in der Westgotenzeit aktuell Bronisch: El concepto de España, S. 10–32. Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 195. Drews: Goten und Römer, S. 16. Fontaine: Chronique de littérature wisigothique, S. 172. Dieses Zitat von Fontaine nach Borst: Das Bild der Geschichte, S. 59. Z. B. García Moreno: Etnia goda y iglesia hispana, S. 415/16, der eine solche Vereinigung nach einer langen Konsolidierungsphase noch für das achte Jahrhundert vorsichtig im Subjuntivo formuliert: „Sin duda todos estos factores se conjugaron en
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Analyse, die in der modernen Forschung weit verbreitet ist. Sie geht zunächst davon aus, dass Isidor selbst unzweifelhaft ein klares Bewusstsein von der ethnischen Heterogenität der Bevölkerung attestiert werden könne. Diese habe sich etwa aus Syrern, Afrikanern, Juden und Griechen, vor allem jedoch aus Westgoten und der indigenen hispano-romanischen Bevölkerung zusammengesetzt.241 Genau dieses Bewusstsein von einer ethnischen Differenz zeige jedoch, dass Isidor die Westgoten bewusst als Identifikationsgruppe ausgesucht und sie in den Vordergrund geschoben habe. Damit seien die restlichen Bevölkerungsteile jedoch lediglich aus dem Blickfeld gedrängt und nicht etwa unter dem Begriff Gothi mit einbezogen worden. Somit könne auch nicht von einer Vereinigung der beiden dominierenden ethnischen Gruppen des regnum zu einem „Staatsvolk“ die Rede sein. Vor diesem Hintergrund wird dann ferner konstatiert, dass Isidor dieses Bild zwar aus einem bestimmten Interesse heraus in dieser Weise dargestellt habe, jedoch weder er selbst sich als Gote identifizierte, noch viele seiner hispano-romanischen „Mitbürger“ Verständnis für diese Kollaboration aufgebracht hätten.242 „Once again, it cannot be claimed that when Isidore refers to this gens [Gothorum] he is including the Hispani“, fasst Isabel Velázquez dazu zusammen.243
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la historia de la Península ibérica entre los siglos V–VII, para que a principios del VIII se pudiera hablar de la existencia plenamente consolidada entre los grupos dirigentes del reino visigodo de Toledo de una identidad étnica hispana y goda a la vez“. Vgl. auch Claude: Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, S. 37; Id.: Remarks about Relations Between Visigoths and Hispano-Romans, S. 130. Merrills: History and Geography, S. 178, „There can be no dispute that the writer was aware of the complex ethnic collage within the peninsula; after all he describes such people at length within the Origines“, und zur Aufgliederung siehe S. 195 f., S. 212. Liebeschuetz: Citizen Status, S. 150: „He wrote a history of the Goths, but not because he identified with them.“; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 147: „[C]iertamente, muchos de sus conciudadanos hispanorromanos no acababan de entender este espíritu de colaboración con los godos“; Merrills: History and Geography, S. 178: „[Isidor] would not have considered himself to be a Goth.“ Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 189–195, Zitat, S. 191. Vgl. in diese Richtung auch Thompson: Goths in Spain, S. 217 mit Anm. 1; Diesner: Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, S. 52, konstatiert, dass Isidor insgesamt die Spanier und von den Barbaren die Goten am nächsten gestanden hätten. Dass Diesner bei seinen Überlegungen a priori von bestimmten ethnischen Unterscheidungsmerkmalen ausgeht, wird auf bemerkenswerte Art deutlich, wenn er mit Blick auf die von Isidor geschilderte Herkunftsgeschichte der Goten wenig später erläutert: „Physiognomische und rassische Merkmale spielten bei der Einordnung überhaupt keine Rolle; Isidor hätte sonst von seiner eigenen Anschauung her die hellhäutigen und meist blauäugigen Goten schärfer von dem Typ trennen müssen, der bei den Israe-
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Der Widerspruch zwischen dieser Interpretation und der hier vertretenen – dass aus der historiographischen Perspektive Isidors die gesamte Bevölkerung des regnum als Goten angesprochen wird – ist in einer Diskrepanz zwischen den Wahrnehmungsmustern der modernen Forschung und jenen des beginnenden siebten Jahrhunderts zu suchen. Aufzeigen lässt sich dieser Widerspruch anhand der Frage nach der Definition oder grundsätzlicher der Existenz einer hispano-romanischen Bevölkerungsgruppe, einerseits gerichtet an die Forschungsliteratur und andererseits an die Quellen. Im zentralen Nachschlagewerk der deutschsprachigen Forschung zur völkerwanderungszeitlichen Geschichte werden die Romanen, in dem entsprechenden Artikel aus dem Jahre 2003, allgemein als „sog. einheimische Bevölkerungsgruppen, die sowohl auf ehemals als auch weiterhin reichsröm. Territorien […] weiterlebten“ verstanden. Im Anschluss an diese Definition heißt es zur Quellengrundlage, dass die „beiden entscheidenden Qu.gattungen zur Erforsch. der R. bzw. der Romania […] die ‚Gräberarch.‘ und die Siedlungsarch.“ seien.244 Hinsichtlich der Definition ist es überflüssig zu bestätigen, dass es eine solche Gruppe von Menschen selbstredend gegeben hat. Ausgehend von der an anderer Stelle dargestellten Problematik der ethnischen Interpretation von archäologischen Funden, erscheint es mit Blick auf die Situation im Westgotenreich aber nicht möglich, eine solche Gruppe mit der dargestellten Methodik fassen zu können.245 Daraus wiederum ergibt sich, dass der Begriff in ethnischer Hinsicht jeglicher Trennschärfe entbehrt. Ohne eine ethnische Fundierung in den archäologischen Quellen ist das Ethnikon „Romane“ respektive Hispano-Romane damit auch für eine Identifizierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe problematisch. Ebenso stellt sich die Situation mit Blick auf die erzählenden Quellen des späten sechsten und des siebten Jahrhunderts dar, wie hier am Beispiel Isidors von Sevilla zu sehen ist. Denn aus dem oben aus der Forschungsliteratur zitierten ethnischen Panorama lässt sich die vermeintliche Gruppe der Hispano-Romanen eben nicht nachweisen.246 Wie gezeigt wurde, lässt Isidor zwar eine regionale Differenzierung der Bevölkerung erkennen, wie sie auch in römischer Zeit üblich war. Während diese ehemals jedoch jenseits dieser Zuordnung gemeinschaftlich als römisch zu identifi-
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liten oder Syrern zum Ausdruck gelangte“, ibid., S. 61. Kerksen: Geschichtsschreibung, S. 26/27; Drews: Goten und Römer, S. 16, Anm. 76; Id.: The Unknown Neighbour, S. 257 f. Bierbrauer, Volker: Art. Romanen, in: RGA, Bd. 25 (2003), S. 211–242, Zitat S. 211. Kap. 3.2.1. Andrew Merrills: History and Geography, S. 178, spricht in diesem Zusammenhang von einer „almost complete omission of any reference to the indigenous inhabitants of Spain within the histories.“
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zieren war, ist dies bei Isidor nicht nur nicht nachweisbar, sondern aufgrund der semantischen Entwicklung des Terminus Romanus (= Byzantiner) auch nicht möglich. Wenn nun trotz dieses Befundes in der Forschung allenthalben zwischen Hispano-Romanen und Goten unterschieden wird, so geht diese Differenzierung nicht auf den Quellenbefund zurück. Die vermeintliche Evidenz der mittels der Quellen dieser Zeit nicht nachweisbaren hispano-romanischen Bevölkerungsgruppe existiert vielmehr nur a priori und ist auf die ethnischen Denkkategorien der historischen Forschung des 19. und teilweise noch des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. In ihnen war eindeutig, dass gotische Identität eine solche der Abstammung war und sie auf der Iberischen Halbinsel durch die Einwanderung einer westgotischen Abstammungsgemeinschaft Verbreitung fand. Im Umkehrschluss fiel damit auch die Definition der romanischen Bevölkerung leicht. Die Grenzen zwischen diesen Gruppen hätten nach allgemeiner Auffassung erst allmählich begonnen sich aufzulösen. Dieses Verständnis erscheint im Abgleich mit dem Quellenmaterial und auf Basis der modernen Forschung zur Ethnographie in der Spätantike und dem Frühmittelalter jedoch als anachronistisch. Wie die Ethnogeneseforschung gezeigt hat, treten uns ethnische Begriffe in dieser Zeit als flexible und integrative Zuschreibungen entgegen, hinter denen sich keineswegs monolithische Abstammungsgemeinschaften verbargen. Wenn sich in einer heterogenen Gesellschaft wie in jener der Hispania des entstehenden Toledanischen Reiches der Begriff Gothus beziehungsweise gens Gothorum als dominante Identifikation der Bevölkerung etablierte, so kann daraus keineswegs a priori abgeleitet werden, dass damit bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen waren. Somit ist es auch kein Widerspruch, dass Isidor einerseits das Bewusstsein über eine heterogene Bevölkerung erkennen lässt, er diese aber dennoch in bestimmten Kontexten gemeinschaftlich als Goten anspricht. Er selbst bringt die Heterogenität der Bevölkerung mit einer übergeordneten gotischen Identifikation zusammen, indem er von den „Völkern der gesamten gens Gothorum“ spricht.247 Es hat sich insgesamt gezeigt, dass in Isidors Werk nicht zwischen Goten und Hispano-Romanen unterschieden wird und es ferner keinen Hinweis darauf gibt, dass er von den Letztgenannten ein ethnisches Gruppenverständnis hatte. Einer verbreiteten Meinung der modernen Forschung folgend, sei es jedoch eines der Hauptanliegen des Autors gewesen, eben diesen
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Isidor: Historia Gothorum 52, wo es heißt, Rekkared habe totius Gothicae gentis populos zum katholischen Glauben zurückgeführt.
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Eindruck zu erwecken.248 Folglich habe Isidor die ethnische Heterogenität des regnum und besonders die Bevölkerungsmehrheit der Hispano-Romanen bewusst ausgeblendet. Dazu lässt sich zum einen mit Andrew Merrills, der ebenfalls die letztgenannte Perspektive einnimmt, erwidern, dass tendenziöse Historiographie vor allem durch eine gestaltende Interpretation und weniger durch Schweigen wirksam wird, wie er freilich in einem anderen Kontext bemerkt.249 Darüber hinaus entsteht die Notwendigkeit, den in ethnischer Hinsicht indifferenten Befund speziell bei Isidor erklären zu müssen, nur dann, wenn man, wie in der Forschung bisher fast ausnahmslos geschehen, mit seinen Schriften in dieser Hinsicht einen Wandel konstatiert. Bei einer solchen Einschätzung muss jedoch die ausgesprochen geringe Anzahl an Belegen berücksichtigt werden, welche der Forschung auf der Grundlage eines fest geschmiedeten Gerüsts an Vorannahmen zur ethnischen Deutung reichten, um den anderen literarischen Quellen des sechsten und siebten Jahrhunderts eine zwischen Hispano-Romanen und Westgoten differenzierende Wahrnehmung zu attestieren. Eingedenk dieser geringen Belegdichte unterscheiden sich Isidors Texte faktisch nur marginal von den vorangegangenen. Es scheint daher eher dem Zufall geschuldet, dass die Chronik des Johannes von Biclaro und die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium jeweils eine mehrdeutige Formulierung beinhalten, die der etablierten Forschung als Beleg für ihre ethnische Deutung dienen konnten, während dies bei Isidor nicht der Fall ist. Auf Basis der hier vertretenen These erscheinen Isidors Texte hingegen keineswegs als die ersten, die nicht mehr zwischen den hispano-romanischen und den westgotischen Bevölkerungsteilen der Hispania unterscheiden. Vielmehr fügen sie sich bruchlos in den für die zeitgenössischen Quellen insgesamt zu konstatierenden Befund ein, in welchem auch die dokumentarischen Quellen berücksichtigt sind.250 Diese Perspektive lässt sich ebenfalls mit der vielfach bezeugten Arbeitsweise des Kompilators Isidor in Übereinstimmung bringen, wohingegen eine vermeintlich neue Konzeption der ethnischen Darstellung für ein historiographisches Werk, welches aufgrund seiner Abhängigkeit von anderen Quellen als ein solches „aus zweiter Hand“251 gewertet wurde, erklärungsbedürftig erschiene. 248
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Vgl. die Forderung von Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 189, diesen Umstand zum Maßstab der Beurteilung von Isidors Schriften zu machen. Merrills: History and Geography, S. 182, „Political historiography, it might be remembered, works best as a reinterpretation of events, rather than through simple, uncritical effacing of offending individuals“, wie er zur Absenz Suinthilas in der ersten Version der Historia äußert. Siehe dazu ausführlich Kap. 5. Reydellet: Les intentions idéologiques, S. 363, „L’œuvre historique d’Isidore de Séville […] reposant sur une information de seconde main“.
Die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium
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4.3 Die Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium Die gegenwärtige Bedeutung der heute gerade einmal etwa 50 000 Einwohner zählenden Provinzstadt zum Maßstab nehmend, mag es auf den ersten Blick verwundern, dass wir aus der Perspektive der erzählenden Quellen über keine andere spanische Stadt des sechsten Jahrhunderts mehr Informationen haben als über Mérida.252 Zur Einschätzung der Rolle der Stadt in antiker und frühmittelalterlicher Zeit leitete dieser Maßstab den Betrachter allerdings in die Irre. Wohl vor allem begründet durch die geographisch günstige Lage zur Kontrolle des Südwestens der Hispania, war Mérida bereits in römischer Zeit ein Stützpunkt von zentraler Bedeutung für das Imperium in diesem Gebiet. So kam der Stadt zunächst die Funktion als Hauptstadt der Provinz Lusitanien zu und seit den Diokletianischen Reformen am Ausgang des dritten Jahrhunderts wurde sie dann zum Sitz des vicarius der diocesis Hispaniarum. Auch in westgotischer Zeit war Mérida weiterhin eine der wichtigsten civitates der Iberischen Halbinsel, auch wenn sie durch die Etablierung des unweit gelegenen Toledos als urbs regia der westgotischen Könige zusehends an Bedeutung einbüßte.253 Die Eigenschaft der Stadt als wichtiger Bischofssitz hat auch dazu geführt, dass mit den Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium (VSPE)254 eine bemerkenswerte Quelle 252 253
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Lat. = Emerita Augusta. Zur Geschichte und Bedeutung dieser Stadt in spätantiker und westgotischer Zeit siehe allgemein eine Reihe von Artikeln von Javier Arce, die größtenteils nun zusammengestellt sind in Arce, Javier: Mérida tardorromana. 300–580 d. C. (Cuadernos Emeritenses 22), Mérida 2002, und ferner Id.: ¿Hispalis o Emerita? A propósito de la capital de la Diocesis Hispaniarum en el siglo IV d.C., in: Habis 33 (2002), S. 501– 506, sowie z. B. García Iglesias: Aspectos económico-sociales; García Moreno, Luis A.: Mérida y el reino visigodo de Tolosa (418–507), in: Homenaje a Saénz de Buruaga, Madrid 1982, S. 227–240; Orlandis, José: La vida en España en tiempo de los godos, Madrid 1991, S. 171–186; Mateos Cruz, Pedro: Avgvsta Emerita, de capital de la diocesis Hispaniarum a sede temporal visigoda, in: Ripoll/ Gurt (Hg.), Sedes regiae, S. 491–520; Panzram, Sabine: Stadtbild und Elite. Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike (Historia Einzelschriften 161), Stuttgart 2002, S. 227–312, und die entsprechenden Abschnitte in Kulikowski: Late Roman Spain and its Cities. Die lange Zeit maßgebliche Edition dieses Textes wurde in der Washingtoner Dissertation von Joseph Garvin vorgelegt, Id.: The Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium. Text and Translation, with an Introduction and Commentary (Studies in Medieval and Renaissance Latin Language and Literature 19), Washington 1946. Während der historische Kommentar dieser Ausgabe noch immer der ausführlichste und materialreichste ist, konnte die Edition des Quellentextes durch die Einbeziehung aller bekannten Handschriften und durch eine stärkere Berücksichtigung der Überlieferungsgeschichte des Textes von Antonio Maya Sánchez mittlerweile verbessert wer-
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auf uns gekommen ist, der wir eine für die Zeit beispiellose Innenansicht der Stadt verdanken. Wie insbesondere die Arbeit von Antonio Maya Sánchez an der Neuedition der VSPE zutage gebracht hat, sind zwei unterschiedliche Versionen des Textes in den Manuskripten überliefert. Im Vergleich der zehn überlieferten Abschriften zeigt sich, dass der ursprüngliche Text einerseits sprachlich verändert, ihm ein längerer Titel sowie ein Verzeichnis verliehen wurden. Darüber hinaus ist er um eine Version der Vita Fructuosi ergänzt worden.255 In der Literatur finden sich über einen sehr langen Zeitraum hinweg unterschiedliche Angaben zum Verfasser der Quelle. „Der Name des Verfasser der Väter von Emerita ist nicht bekannt“, ist bereits 1874 bei Pius B. Gams zu lesen,256 aber schon zeitgleich und bis in heutige Tage findet man auch den Hinweis, dass ein Diakon namens Paulus der Autor der VSPE gewesen sei.257 Bei jenem Paulus handelt es sich jedoch nicht um den Autor, sondern sehr wahrscheinlich um den Kompilator des Textes, der gegen Ende des siebten Jahrhunderts die beschriebenen Interpolationen vornahm.258 Auf den Verfasser selber finden sich explizit keine Hinweise im Text. Seine detaillierten Kenntnisse über die topographischen und baulichen Begebenheiten der Stadt, die mit den Ergebnissen neuerer archäologischer Ausgrabungen in erstaunlichem Maße in Übereinstimmung gebracht werden können,259 lassen es jedoch als sicher erscheinen, dass es sich dabei um einen ortsansässigen Kleriker handelte, der sich jedoch namentlich nicht identifizieren lässt. Als Zeitraum, über welchen in
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den: Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium, hg. v. Antonio Maya Sánchez (CCSL 116), Turnhout 1992 (alle hier angeführten Zitate beziehen sich auf diese Edition). Zum lateinisch unkorrekten Titel des Textes siehe Garvin: The Vitas, S. 23 f. Zur Beschreibung, Datierung und Filiation der Manuskripte sowie zur Überlieferungsgeschichte siehe ausführlich Maya Sánchez: Vitas, S. X–LIV. Gams, Pius B.: Die Kirchengeschichte von Spanien, Bd. II: Vom vierten bis Ende des elften Jahrhunderts (Jahr 305–1085), 2. Abteilung: Vom Jahr 589 bis 1085, Regensburg 1874 (ND Graz 1956), S. 118. In den Patrologia Latina wurde der Text 1864 z. B. als Pauli Emeritani Diaconi de vita patrum Emeretensium ediert, PL 80, 117; für weitere Belege, die Paulus als Verfasser nennen, siehe die Lit. bei Garvin: The Vitas, S. 1 f., und für Beispiele in der neueren Literatur Díaz y Díaz, Manuel C.: Escritores de la Península Ibérica, in: Patrología, Bd. 4: Di Berardino, Angelo (Hg.), Del concilio de Calcedonia (451) a Beda. Los padres latinos (Biblioteca de autores cristianos 605), Madrid 2000, S. 71–146, S. 126. [= zuerst in: Patrologia, Bd. 4: Dal concilio di Calcedonia (451) a Beda. I padri latini, Genua 1996]. Garvin: The Vitas, S. 1 f.; Maya Sánchez: Vitas, S. LVf. Siehe dazu ausführlich Mateos Cruz, Pedro: La basílica de Santa Eulalia de Mérida. Arqueología y urbanismo (Anejos del Archivo Español de Arqueología 19), Madrid 1999, oder Id.: Avgvsta Emerita, S. 504–512.
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den VSPE berichtet wird, lässt sich die zweite Hälfte des sechsten Jahrhunderts nennen. In puncto Ausführlichkeit und Umfang stellt das opusculum V zum Pontifikat Bischofs Masona, das sich auf die Jahre 573 bis 605 beziffern lässt,260 das zentrale inhaltliche Element der Quelle dar. Über die Amtsjahre seiner beiden Vorgänger Paulus und Fidelis lassen sich leider keine ähnlich konkreten Angaben machen,261 aber sie dürften bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts zurückreichen und damit den Beginn des Berichtszeitraums der VSPE definieren. Mit der Nennung der Bischöfe Innocentius und Renovatus greift der Text noch bis in die 630er Jahre aus, allerdings sind die Ausführungen zu ihnen, im Vergleich zum vorangegangenen Bericht über Bischof Masona, ausgesprochen marginal.262 Es ist daher überzeugend vermutet worden, dass sie lediglich dem Zwecke dienten, die zeitliche Lücke zu schließen, die zwischen dem Tod Masonas und der Gegenwart des Verfassers klaffte. Angesichts der Tatsache, dass Innocentius als Bischof für das Jahr 610 bezeugt ist, Renovatus in den VSPE eine lange Amtszeit attestiert wird263 und durch die Subskriptionsliste des Toletanum IV. ein Bischof Stephanus von Mérida bekannt ist,264 kann dessen Amtszeit (633–638) als Entstehungszeitraum der Quelle angenommen werden.265 Die freilich nicht zu beweisende Prämisse für diese Schlussfolgerung ist, dass der Grund dafür, dass Stepahnus keine Erwähnung mehr findet, darin zu suchen ist, dass er zum Abfassungszeitpunkt der Quelle noch lebte.266 Als inhaltliche Klammer dieses Textes kann die Berichterstattung über eine Reihe außergewöhnlicher Ereignisse verstanden werden, die im Zu260
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García Moreno: Prosopografía, Nr. 435. Während García Moreno noch das Jahr 600 als Todesdatum angibt, muss dafür mittlerweile das Jahr 605 angenommen werden. Aus den VSPE wissen wir, das Masona den ihn in schwerer Krankheit vertretenden Diakon Eleutherius noch um „viele Tage“ überlebte (die gesamte Episode VSPE 5,13, S. 94–98 und das Zitat plurimis diebus S. 98) und eine in der Zwischenzeit zutage gebrachte Grabinschrift lässt den Tod Eleutherius’ auf den 28. Dezember 604 datieren, Velázquez, Isabel: ¿Hagiografía versus prosopografía? En torno a las Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium, in: Sojo Rodríguez, Fernando (Hg.): Studia philologica varia in honorem Olegario García de la Fuente, Madrid 1994, S. 497–506, S. 503. Kampers: Personengeschichtliche Studien, Nr. 95. Zu den Berichten über Innocentius und Renovatus siehe VSPE 5,14–15, S. 99 ff. VSPE 5,14, Dein quum plurimos annos inreprehensebiliter rexisset eclesiam, […], S. 100. Concilium Toletanum IIII, Svbscriptiones, in: CCH 5. Concilios hispanos, Bd. 2, S. 261. Zu Innocentius, Renovatus und Stephanus siehe García Moreno: Prosopografía, Nr. 437, Nr. 438, Nr. 439. Siehe ausführlich dazu Garvin: The Vitas, S. 2–6, dem sich auch Maya Sánchez: Vitas, S. LV, noch grundsätzlich anschließt.
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sammenhang mit Mérida als Diözese und insbesondere mit deren Bischöfen stehen.267 Diese wenig präzise erste inhaltliche Annäherung an die Quelle ist dem Umstand geschuldet, dass sich die einzelnen Abschnitte dieses Textes in ihrer Schwerpunktsetzung und Ausführlichkeit so stark voneinander abheben, dass eine klare Zuordnung des Textes als Ganzem schwer fällt. Insgesamt gliedern sich die VSPE in fünf opuscula, wobei durch ihre Charakteristika die ersten und die letzten beiden zusammen jeweils eine größere Einheit bilden, die in beiden Fällen mit einer Praefatio eingeleitet werden.268 In den ersten drei opuscula stellt der Autor mit knappen Worten Wundererzählungen dar, die sich in Mérida zugetragen hätten und die nach seiner Aussage dazu dienen sollen, die Glaubwürdigkeit der von Papst Gregor dem Großen in seinen Dialogi geschilderten Wunder durch weitere Beispiele zu untermauern.269 Weitaus ausführlicher und für unser Interesse von größerer Bedeutung ist der zweite, aus den opuscula IV und V bestehende Abschnitt des Textes, in dessen Zentrum die Geschicke der Bischöfe Méridas in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts stehen und der in seiner Art der Darstellung an Heiligenviten erinnert.270 In der Forschung ist herausgearbeitet worden, dass der Autor sich an literarischen Vorbildern orientierte, zu nennen sind hier vor allem die bereits erwähnten Dialogi Gregors des Großen sowie die Vita Desiderii des westgotischen Königs Sisebut.271 Gleichwohl wird jedoch fast einmütig befunden, dass es sich bei den VSPE trotz partieller Entlehnungen um einen originären Text handele, der sich kaum eindeutig einem Genre zuordnen lasse.272 267 268
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Díaz y Díaz: Escritores de la Península Ibérica, S. 125 f. Zu einer inhaltlichen Skizze und zur Gliederung des Textes siehe Garvin: The Vitas, S. 25 f., u. Codoñer Merino, Carmen: Literatura hispano-latina tardía, in: Unidad y pluralidad en el mundo antiguo. Actas del VI. congreso español de estudios clásicos, Bd. 1, Madrid 1983, S. 435–465, S. 452–456. VSPE, Praefatio, S. 3 ff. Garvin: The Vitas, S. 26 f.; Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 456. Ausführlich dazu Chaparro Gómez, César: Significado de las Vitas sanctorum patrum Emeretensium: Lectura desde sus fuentes, in: Humanitas. In honorem Antonio Fontán. Madrid 1992, S. 339–349. Dass dem Verfasser die genannten und weitere Schriften zur Verfügung standen, kann auch als Hinweis auf die Existenz einer Bibliothek gewertet werden, Jorge, Ana Maria: Church and Culture in Lusitania in the V–VIII Centuries. A Late Roman Province at the Crossroads, in: Ferreiro (Hg.), The Visigoths, S. 99–122, S. 118. Arce: The City of Mérida, S. 5 „It is hagiography; but not exclusively. It is also biography. Among the literary productions of Hispania in the seventh century, it is an unusual piece, because it is neither ecclesiastical history, nor is it a chronicle, nor an account of the lives of distinguished men and women.“ Vgl. ferner Fontaine: Conversion et culture, S. 118; Hillgarth: Historiography, S. 306; Collins: Mérida and Toledo, S. 193; Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 452–459.
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Trotz dieser Eigenart ist hervorzuheben, dass es sich bei den VSPE um eine hagiographische Schrift handelt, die somit einer besonderen quellenkritischen Betrachtung bedarf. Aus forschungsgeschichtlicher Perspektive kann dabei vorangestellt werden, dass dieser Quellengattung seitens der Geschichtswissenschaft erst etwa seit der Mitte des 20. Jahrhunderts einige Beachtung zukommt. Bevor, maßgeblich angestoßen durch die französische „Annales“-Schule, die Mentalitätsgeschichte vermehrt in das Blickfeld der historischen Forschung trat, wurden diese Texte, besonders von der vielfach positivistisch orientierten deutschen Wissenschaft, aufgrund ihrer dezidiert religiös motivierten Darstellungsabsicht häufig als „ganz werthlose Wundererzählungen“ und „historisch unbrauchbares Zeug“ abgetan.273 Mittlerweile sind jedoch die Art und Weise der Darstellung eines Textes und die sich darin möglicherweise ausdrückende „Vorstellungswelt“274 oder auch eine bestimmte Ideologie des Verfassers vielmehr selber zum Gegenstand des historischen Interesses geworden und gerade in dieser Hinsicht können hagiographische Quellen wertvolle Information über die jeweilige Zeit vermitteln.275 273
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Holder-Egger, Oswald: Die Monumenta Germaniae und ihr neuester Kritiker. Eine Entgegnung, Hannover 1887, S. 20. Mit Goetz, Hans-Werner: Wahrnehmungs- und Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: Das Mittelalter 8/2 (2003), S. 23–33, S. 30 f., wird darunter hier die Gesamtheit des Wissens, der Erfahrung, Vorstellungen und Einstellungen einer Person bzw. der ihn prägenden Gesellschaft verstanden. Zur westgotischen Hagiographie siehe ausführlich Castellanos: La hagiografía visigoda, mit dem sinntragenden Untertitel: Dominio social y proyección cultural, und zur Diskussion der hagiographischen Quellen aus historischer Perspektive allgemein siehe z. B. Graus, Frantiˇsek: Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit, Prag 1965; Lotter, Friedrich: Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen, in: HZ 229 (1979), S. 298–356; Heinzelmann, Martin: Hagiographischer und historischer Diskurs bei Gregor von Tours?, in: Aevum inter utrumque. FS Gabriel Sanders, hg. v. van Uytfanghe u. Demeulenaere, S. 237–258; Fontaine, Jacques: Al margen de las Vidas de los padres de Mérida. Nuevas metas y métodos en la investigación hagiográfica, in: Stylos 1 (1992), S. 9–25, besonders S. 15–20; Lifshitz, Felice: Beyond Positivism and Genre. „Hagiographical“ Texts as Historical Narrative, in: Viator 25 (1994), S. 95–113; Wood, Ian: The Use and Abuse of Latin Hagiography in the Early Medieval West, in: Chrysos, Evangelos/ Wood, Ian (Hg.), East and West. Modes of Communication (TRW 5), Leiden/ Boston/ Köln 1999, S. 93–109; Röckelein, Hedwig: Das Gewebe der Schriften. Historiographische Aspekte der karolingerzeitlichen Hagiographie Sachsens, in: Bauer, Dieter R./ Herbers, Klaus (Hg.), Hagiographie im Kontext. Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung (Beiträge zur Hagiographie 1), Stuttgart 2000, S. 1–25, besonders S. 1–8. Einen Überblick bieten Goetz, Hans-Werner: Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 162–173, u. Herbers, Klaus/
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Diese Entwicklung kann auch im Hinblick auf die VSPE beobachtet werden. So hat Carmen Codoñer Merino bei ihren bereits einige Jahre zurückliegenden Überlegungen zum „historischen Wert“ hagiographischer Quellen, und namentlich der VSPE, herausgestellt, dass Elemente der „tatsächlichen geschichtlichen Abläufe“ in die Darstellung Eingang gefunden hätten, es jedoch nicht möglich sei, diese aus dem literarisch gestalteten Text herauszufiltern.276 Für die VSPE kommt sie dabei zu der Feststellung, dass ihre Erzählung nach dem hagiographischen Interesse gestaltet sei, Orthodoxie und Häresie einander gegenüberzustellen und dabei einen arianisch-katholischen Antagonismus präsentiere, der sich in den Protagonisten der Handlung personifiziere. Der „reale“ Hergang spiele dabei gegenüber der religiösen Darstellungsabsicht eine nachgeordnete Rolle und sei entsprechend der Letztgenannten gestaltet und verändert. Die Gestaltung betreffend, teilt auch Isabel Velázquez diese Auffassung, allerdings hebt sie hervor, dass der Autor mit der detaillierten Beschreibung etwa von einzelnen Gebäuden und der Topographie sowie der Einführung von bekannten Handlungsträgern seiner Erzählung bewusst authentifizierende Elemente einfügte. Die Überprüfbarkeit dieser Angaben für die Zeitgenossen sollte dem Text demnach insgesamt Glaubwürdigkeit verleihen. Mit der Bedingung einer genauen literarischen Analyse der Erzählstrategie des jeweiligen Quellensegmentes sieht sie die VSPE somit auch aus historiographischer Perspektive nutzbar.277 Diesen kritischen Anmerkungen zu diesem hagiographischen Text kann nur zugestimmt werden, aber im Sinne der oben dargestellten neuen Fragestellungen macht die herausgestellte starke Einflussnahme des Autors auf die Darstellung der Handlung – aufgrund seiner Intention aber auch aufgrund der literarischen Gestaltung des Textes – die VSPE als Quelle keineswegs unbrauchbar. Bevor wir uns gezielt einzelnen Textstellen zuwenden, erscheint es zu deren Einordnung angezeigt, einen kurzen Abriss der Ereignisse im Umfeld des katholischen Bischofs Masona zu geben, wie sie im oposculum V der VSPE dargestellt werden.278 So berichtet der Autor der Quelle darüber, dass der von Missgunst und Neid geleitete König Leovigild den Bischof Masona – dieser war zuvor Fidelis auf den Bischofsstuhl von Mérida gefolgt – be-
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Jirouˇskova, Lenka/ Vogel, Bernhard (Hg.), Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters (FSGA 43), Darmstadt 2005, S. 10–14. Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 457 ff. Velázquez: ¿Hagiografía versus prosopografía?; Zum Problem des Quellenwerts der Vitas siehe auch Collins: Mérida and Toledo, S. 192 f.; Arce: The City of Mérida, S. 6 f. Siehe ausführlich dazu z. B. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 165–173.
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drängt habe, mitsamt seiner Gemeinde dem katholischen Glauben abzuschwören und sich der arianischen Häresie zuzuwenden.279 Da Masona sich diesem Ansinnen verweigerte, habe der König zunächst versucht, ihn durch Versprechungen für seine Sache zu gewinnen, bevor er dem Bischof auf dessen erneute Weigerung hin mit Drohungen entgegengetreten sei.280 Im Weiteren habe Leovigild den arianischen Bischof Sunna in der Stadt installiert und der arianischen Diözese eine Anzahl ehemals katholischer Kirchen mitsamt ihrer Privilegien überantwortet.281 Nach dem Bericht der VSPE versuchte Sunna kurz darauf, die Rechte über die Basilika St. Eulalia für sich zu beanspruchen. Dies war von großer Bedeutung, da er damit auch über die in der Basilika ruhenden Reliquien der prestigeträchtigen Emeritenser Märtyrerin verfügte, die in der Stadt von zentraler und über ihre Grenzen hinaus zumindest von nennenswerter Bedeutung war.282 Der Autor fährt in seinem Bericht fort, dass der König zur Klärung dieses Streits eine öffent279
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In den VSPE findet sich kein Hinweis auf den größeren politischen Kontext, in den diese Ereignisse einzuordnen sind. Gemeint ist damit der Konflikt zwischen König Leovigild und seinem Sohn Hermengild, sowie die sich in diesem Zusammenhang vollziehende Religionspolitik Leovigilds, auf die in Kap. 3.5 bereits eingegangen wurde. Für die Absicht des Autors entscheidend ist alleine die Darstellung des rechtgläubigen und tugendhaften Bischofs im Kampf gegen den arianischen Herrscher. Als Zeitpunkt ante quem non für den Beginn der Ereignisse kann das Jahr 582 genannt werden, da Mérida bis dahin im Machtbereich Hermenegilds gelegen hatte, bevor Leovigild die Stadt unter seine Herrschaft brachte, vgl. Gregor von Tours: Historia Francorum 6,18; Thompson: Goths in Spain, S. 71. VSPE 5,4, S. 54 ff. VSPE 5,5, S. 56 ff. Es wird hiermit deutlich, dass es unmittelbar vor der Einsetzung Sunnas offenbar keine arianische Gemeinde in Mérida gegeben hat. Dieser Umstand kann jedoch damit zusammenhängen, dass die Stadt zuvor unter Einfluss Hermenegilds gestanden hatte (580–582). Aufgrund der Bedeutung, die Mérida bereits seit der Mitte des fünften Jahrhunderts für die westgotische Expansion auf die Iberische Halbinsel zukam, ist die Existenz einer arianischen Gemeinde anzunehmen, aber nicht zu erweisen. Vgl. dazu z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 79 f.; Alonso Campos: Sunna, Masona y Nepopis, S. 152, die für eine arianischen Gemeinde bis zum Jahr 580 argumentieren, sowie Schäferdiek: Die Kirchen, S. 167 f., der das bestreitet. Zu St. Eulalia allgemein siehe Engels, Odilo: Art. Eulalia, in: LThK, Bd. 3 (31995), Sp. 986, und zu ihrer herausgehobenen Bedeutung für die Stadt vgl. Collins: Mérida and Toledo, S. 196 f., S. 207 f.; Arce: The City of Mérida, S. 1 ff.; Mateos Cruz, Pedro: El culto a Santa Eulalia y su influencia en el urbanismo Emeritense (siglos IV–VI), in: Enríquez Navascués, Juan J. (Hg.), Jornadas sobre Santa Eulalia de Mérida (Extremadura Arqueológica 3), Mérida 1992, S. 57–80; Panzram, Sabine: Eulalia und die Bischöfe von Merida. Von der ‚Handlungsmacht‘ einer Heiligen zur Zeit der Westgoten, in: Hahn, Johannes/ Vielberg, Meinolf (Hg.), Formen und Funktionen von Leitbildern (Altertumswissenschaftliches Kolloquium 17), Stuttgart 2007, S. 177–225.
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liche Disputation der Bischöfe anordnete, über deren Ausgang eine von ihm entsandte Gruppe mehrheitlich arianischer Richter entscheiden sollte. Aus diesem Streitgespräch und damit aus dem Konflikt über den Anspruch auf die Kirche der heiligen Eulalia sei Masona mit göttlicher Hilfe als Sieger hervorgegangen.283 Buchstäblich vom Teufel getrieben, habe Sunna jedoch weiterhin Klage gegen Masona geführt, auf welche hin Leovigild schließlich bereitwillig in die Ereignisse eingegriffen habe. Zunächst sei der katholische Bischof zu ihm nach Toledo zitiert worden, wo der westgotische König verlangt habe, Masona möge ihm die Tunika der Eulalia aushändigen. Auf seine erneute Weigerung hin sei Masona dann in ein nicht näher bezeichnetes Kloster ins Exil verbannt worden und für ihn wurde Nepopis, der bereits Bischof einer anderen Diözese war, katholischer Bischof Méridas.284 Nach drei Jahren und bevor Leovigild im Jahre 586 starb, berichtet der Verfasser der VSPE, sei der König durch die Intervention Eulalias veranlasst worden, Masona wieder nach Mérida zurückkehren zu lassen.285 Nach dem Lob des Autors für Leovigilds Nachfolger Rekkared, der zunächst selbst zum Katholizismus konvertierte und später auch die gesamte gens der Westgoten zum „orthodoxen“ Glauben führte, steht eine von Sunna angeführte Revolte gegen Bischof Masona im Zentrum der Erzählung, an der auch eine Reihe gotischer comites und Teile der Bevölkerung beteiligt waren.286 Nachdem der erste Mordversuch der Aufständischen durch göttliche Intervention habe vereitelt werden können, habe die Denunziation eines gewissen Witterich die von dem dux namens Claudius angeführten Verteidiger des katholischen Bischofs in die Lage versetzt, auch weitere Anschläge abzuwenden. Wie im Text bemerkt, sollte jener zunächst an der Erhebung beteiligte Witterich später westgotischer König werden. Rekkared, über die Ereignisse in Kenntnis gesetzt, habe daraufhin zunächst noch versucht, Sunna zur Buße und zur Annahme des katholischen Bekenntnisses zu bewegen, ihn jedoch schließlich ins Exil verbannt, als der arianische Bischof diese Offerte ablehnte.287 Auf unseren Fragezusammenhang hinleitend, lässt sich mit der Feststellung beginnen, dass der Erzählhorizont der VSPE bewusst auf die Ebene der
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VSPE 5,5, S. 58–62. VSPE 5,6–7, S. 62–73. VSPE 5,8–9, S. 73–79. Das Ereignis hat im Jahre 588 stattgefunden und ist im Zusammenhang mit der Konversion Rekkareds und den Vorbereitungen auf das Toletanum III zu sehen. Vgl. allgemein Schäferdiek: Die Kirchen, S. 198–202. VSPE 5,9–11, S. 79–90.
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civitas eingegrenzt ist.288 Im Unterschied zu den rein historiographischen Quellen, die von einem erhöhten Blickwinkel aus vornehmlich über die Geschichte der gens, häufig besonders im Verhältnis zu anderen Völkern berichten, ist der Erzählfokus der VSPE auf die Stadt Mérida gerichtet.289 Der Text bietet damit eine „Innenansicht“ der sozialen Verhältnisse in einer Stadt des westgotischen Reiches und folglich einen Perspektivwechsel, von dem zu vermuten wäre, dass er einen klareren Blick auf die ethnische Zusammensetzung der Gesellschaft jenes Reiches erlaubt, als die chronistischen Texte ihn gewähren.290 In diesem Kontext sind die VSPE in Untersuchungen neueren Datums teilweise explizit als Beleg für die Existenz einer in ethnischer Hinsicht grundsätzlich dualistischen Gesellschaft angeführt worden. Die beiden Gruppen, die sich ihrer unterschiedlichen ethnischen Zuordnung durchaus bewusst gewesen seien, bestünden demzufolge einerseits aus einer ansässigen hispano-romanischen Mehrheit und andererseits aus Nachfahren der eingewanderten Westgoten.291 Auch andere Arbeiten, deren Fragestellungen teilweise zwar nicht dezidiert ethnischen Zusammenhängen nachspüren, lassen dieses Gesellschaftsverständnis mit Blick auf das westgotische Mérida des Untersuchungszeitraums ebenfalls deutlich erkennen.292 Sieht man die Quelle jedoch nach Belegstellen für ein 288
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Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 209: „Pero, en el caso que nos ocupa, se debe tener en cuenta que el universo del texto, de manera deliberada y no casual, es el emeritense.“ In der Forschung ist auch darauf hingewiesen worden, dass eine Entstehungsmotivation des Textes in dem Versuch zu sehen sei, dem zunehmenden Bedeutungsverlust gegenüber Toledo, auch und insbesondere in religiöser Hinsicht, entgegenzuwirken. Vgl. Fontaine: Al margen de las Vidas de los padres de Mérida, S. 21 f.; Arce: The City of Mérida, S. 4 f. Die eingangs erwähnte Singularität dieser Quelle und der damit verbundenen Informationen über Mérida bringt freilich das methodische Problem mit sich, dass ein Vergleich mit anderen civitates des Westgotenreiches nicht möglich ist. Es wäre verfehlt, Mérida als unrepräsentative „Insel“ zu bewerten, aber ebenso problematisch ist es, ihr Beispiel als pars pro toto für die Verhältnisse im gesamten regnum zu werten. Vgl. Dazu auch Wood, Ian: Social Relations in the Visigothic Kingdom in the Fifth to the Seventh Century, in: Heather (Hg.), The Visigoths, S. 191–208, S. 194 f. García Moreno: Gothic Survivals, S. 14 f.; Claude: Gentile und territoriale Staatsideen im Westgotenreich, S. 19; Id.: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S. 126 f.; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 149 mit Anm. 94. García Iglesias: Aspectos económico-sociales de la Mérida visigotica, S. 331, S. 333, S. 336; Collins: Mérida and Toledo, S. 202, S. 209; Jorge: Church and Culture in Lusitania, S. 105; Arce: The City of Mérida, S. 5, S. 11; Mateos Cruz: Avgvsta Emerita, S. 512; Castellanos, Santiago: The Significance of Social Unanimity in a Visigothic Hagiography. Keys to an Ideological Screen, in: Journal of Early Christian Studies 11/3 (2003), S. 387–419, S. 405, S. 415; Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 222.
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solches Bewusstsein durch, ist zunächst einmal rein quantitativ festzustellen, dass die benannten Ethnika für den Verfasser der Quelle, wenn überhaupt, offensichtlich eine untergeordnete Rolle gespielt haben. In den VSPE, die in der Edition von Maya Sánchez doch immerhin einhundert Druckseiten umfassen, ist expressis verbis lediglich acht Mal von Goten die Rede.293 Über die Ebene der Stadt hinausweisend, gehen dabei drei dieser Belege auf die für eine Differenzierung wenig aussagekräftige Formel rex Gothorum beziehungsweise Visegotorum zurück294 und ein weiterer nimmt im Kontext der Konversion die gens insgesamt in den Blick.295 In der Sphäre der civitas wird an einer Stelle eine Gruppe von Adligen als Goten identifiziert296 und drei der Belegstellen verweisen schließlich auf die Abstammung einer Person.297 Mag dieser Befund bereits spärlich erscheinen, so ist es jener für den Nachweis eines römischen Abstammungsbewusstseins umso mehr, denn für Romanus lässt sich lediglich ein einziger Nachweis finden.298 Von dieser quantitativen Beobachtung ausgehend, erscheinen für unser Interesse die folgenden Leitfragen von besonderer Bedeutung. x
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Was kann als Erklärung dafür geltend gemacht werden, dass der detailreiche Text eines offensichtlich kenntnisreichen Klerikers so wenige Hinweise auf die ethnische Zusammensetzung der Gesellschaft liefert, über die er berichtet? Was lässt sich über die Motivation des Verfassers, ethnische Identifikationen vorzunehmen, herausarbeiten und in welchen Kontexten widmet er diesen besondere Aufmerksamkeit? Welche Rückschlüsse lassen sich aus der Verwendung ethnischer Zuweisungen auf deren Semantik ziehen?
Neben den genannten Goten und Römern lassen sich in den VSPE ebenfalls Belege für Griechen und Franken als ethnische Gruppen nachwei-
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Einen Überblick über alle Belegstellen bietet Martínez Pastor, Marcelo et al. (Hg.), Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium. Léxico latino-español (Alpha – Omega, Reihe B; Indizes, Konkordanzen zur lateinischen und griechischen Philologie des Mittelalters und der Neuzeit 19), Hildesheim/ Zürich/ New York 2001, hier S. 164 für Gothvs bzw. Gothi und S. 446 für Visigothi. VSPE 3, […] temporibus Leuuigildi Visegotorum regis […], S. 21; 5,4, […] hec opinione seuissimi atque crudelissimi Wisigotorum Leouigildi regis penetrarent auditum […], S. 54; 5,10, […] unus ex illis cui Wittericus nomen erat, qui etiam post rex Gotorum fuit, […], S. 82. VSPE 5,9, […] Recaredus […] totumque Wisegotorum gentem […] ad ueram fidem perduxit, S. 79. VSPE 5,10, S. 81. VSPE 5,2, S. 48; 5,10, S. 81; 5,14, S. 100. VSPE 5,10, S. 83.
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sen.299 Die Nennung der Franken steht mit einem arianischen Aufstand im transpyrenäischen Narbonne in Zusammenhang, bei welchem ein fränkisches Heer den Aufständischen gegen den westgotischen König Rekkared zu Hilfe eilte.300 Abgesehen von der bemerkenswerten Tatsache, dass die katholischen Franken offensichtlich keine Skrupel hatten, die Erhebung eines arianischen Bischofs gegen seinen katholischen König zu unterstützen, bedarf die ethnische Identifizierung eines fremden Heeres sicher keiner weiteren Erläuterung.301 Bei beiden Kontexten, in denen der Verfasser der Quelle über Griechen schreibt, handelt es sich um die Vorstellung von Personen, die weder dem Kreis der civitas noch des regnum entstammen und die nun mit der Erzählung in Berührung kommen. Zum einen ist dies der Arzt und spätere Bischof der Stadt namens Paulus und zum anderen eine Gruppe griechischer Händler, unter denen sich auch Fidelis, Paulus’ Amtsnachfolger, befindet.302 Die fremde Herkunft der genannten Personen, die angesichts ihrer Berufe nicht 299
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Ferner gibt es zwei Belegstellen für Juden, die jedoch, wie die jeweilige Gegenüberstellung im Text verdeutlicht, als religiöse und nicht als ethnische Gruppe zu verstehen sind, vgl. VSPE 5,2, [Masona] omnium Iudeorum uel gentilium mentes miro dulcedinis sue affectu ad Xpi gratia pertraebat, S. 50; VSPE 5,3, […] ut cuncte urbis ambitu medici indesinenter percurrentes quequumque seruum seu liberum, Xpianum siue Iudeum, repperissent egrum, […] ad xenodocium deferrent, S. 50. Die Existenz der Juden als religiöse Gruppe spielt für den Verfasser, etwa 20 Jahre nach ihrer Zwangschristianisierung durch König Sisebut 615/616 (siehe dazu Bronisch, Alexander P.: Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo [Schriften der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden e. V. und des Arye Maimon-Instituts für Geschichte der Juden, Abt. A: Abhandlungen 17], Hannover 2005, S. 34–60) eine nebensächliche Rolle. Aber auch im ausgehenden sechsten Jahrhundert scheinen die Juden, im Kontext der arianisch-katholischen Frage, von geringem Interesse gewesen zu sein, vgl. García Iglesias, Luis: Los judíos en la España antigua, Madrid 1978, S. 98. Eben jener zweite Beleg der VSPE – welcher überliefert, dass das von Masona in Auftrag gegebene Spital sowohl Christen als auch Juden offen stehen sollte – wird häufig als Indiz für die christliche Toleranz gewertet, Orlandis, José: Hacia una mejor comprensión del problema judío en el reino visigodo-católico de España, in: Gli Ebrei nell’alto medioevo (SSCI 26/1), Spoleto 1980, S. 149–178, S. 155 f. Ferner gibt es einen Beleg für Äthiopier – VSPE 4,9, S. 43 – die jedoch keine konkrete ethnische Gruppe, sondern hier im Kontext eines Traumes eine Standardmetapher für „Sünder“ sind, siehe dazu Garvin: The Vitas, S. 415. VSPE 5,12, Nam resultantes aduersus fidem catholicam infinita multitudine Franchorum in Galliis introduxerunt, quatenus et prauitatem Arriane partis uindicarent et […] regnum uiro catholico Reccaredo preriperent, S. 92. Kulikowski: Nation versus Army, S. 69–84, besonders S. 82 ff. VSPE 4,1, Referunt multi sanctum uirum nomine Paulum, natione Grecum, arte medicum, de Orientis partibus in Emeretensem urbem aduenisse, S. 25; und VSPE 4,3, […] accidit die quadam […] negotiatores Grecos in nauibus de Orientibus aduenisse, S. 31.
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ungewöhnlich ist, wird durch die Formulierung de Orientis partibus beziehungsweise de Orientibus deutlich unterstrichen.303 Wie auch in den historiographischen Schriften beobachtet werden kann, ist in den benannten Fällen die externe Provenienz von Gruppen oder Personen ausschlaggebend für die ethnische Zuordnung. Javier Arce hat im Hinblick auf die Eigenschaft der VSPE als hagiographische Quelle zu Recht auf den fantastischen Charakter gerader jener Episode des opusculum IV hingewiesen. In ihr wird berichtet, dass der von weither stammende griechische Arzt durch sein wohltätiges Wirken nicht nur selbst zum Bischof wurde, sondern durch eine Schenkung ebenfalls den Reichtum der Kirche von Mérida begründete und schließlich in der Fremde auf wundersame Weise seinen ihm eigentlich unbekannten Neffen traf und zu seinem Nachfolger machte.304 Inwieweit wir es hier in allen Einzelheiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder einer Konstruktion zu tun haben, ist für unser Interesse, das sich auf die sprachliche Widerspiegelung eines ethnischen Bewusstseins beim Verfasser richtet, nicht von Bedeutung. Die benannten Personen sind für ihn Griechen, gleichgültig ob es sich bei dem Erzählten um einen Bericht oder Imagination handelt. Wenn oben bereits auf die ausgesprochen geringe Belegdichte für Personen bzw. Gruppen hingewiesen wurde, die als römisch beziehungsweise gotisch identifiziert werden, so ist damit nicht gleichbedeutend, dass wir in dem Bericht der VSPE darüber hinaus nicht eine ganze Reihe von Personen und Gruppierungen fänden. Um hier einige Beispiele einer sicher erweiterbaren Liste anzuführen, können etwa folgende Gruppen genannt werden: Anhänger des arianischen Bischofs Sunna,305 Mitglieder des westgotischen Königshofes,306 die Gruppe der Aufständischen um die comites Granista und Vildigernus sowie Bischof Athalocus in Narbonne,307 die Anhänger des für Masona eingesetzten Bischofs Nepopis,308 lusitanische Senatoren,309 Freie und Sklaven,310 Stadt- und Landbevölkerung311 sowie natürlich Arianer, 303
304 305 306
307 308 309 310 311
Auch Castellanos: The Significance of Social Unanimity, S. 399, S. 401, unterstreicht die Rolle von Paulus und Fidelis als „Außenseiter“. VSPE 4, S. 25–46; zur Quellenkritik siehe Arce: The City of Mérida, S. 11–14. Z. B. VSPE 5,5, S. 61; 5,10, S. 81 In verschieden Funktionen: als „Minister“ am Hof in Toledo, VSPE 5,6, S. 63; 5,6, S. 69; als Boten des Königs 5,4, S. 55; 5,6, S. 66, oder allgemein als Hoföffentlichkeit 5,6, S. 68; 5,6, S. 70; 5,8, S. 74. VSPE 5,12, S. 92. VSPE 5,8, S. 76. VSPE 4,2, S. 26; 4,2, S. 30. VSPE 5,3, S. 50. VSPE 5,3, S. 51.
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nach Ansicht des Verfassers Häretiker, und „rechtgläubige“ Katholiken, deren Konflikt im Zentrum seiner Erzählung steht.312 Dem Verfasser der VSPE erschien es jedoch offenbar nicht notwendig, eine dieser Gruppen innerhalb der Gesellschaft des westgotischen Königreiches mit einer ethnischen Zuordnung zu versehen. Ausgehend von der Prämisse einer ethnisch differenzierten Gesellschaft ließe sich aus dieser Beobachtung folgern, dass der Verfasser der Quelle eine ethnische Sozialordnung in der Vorstellungswelt seines potentiellen Rezipientenkreises als selbstverständlich verankert sah, so dass sie keines weiteren Kommentares seinerseits bedurfte. Somit würden beispielsweise die genannten Senatoren per se als Vertreter der hispano-romanischen Bevölkerung erkannt worden sein, wie auch Angehörige des Hofes oder König Rekkared selbst, der ebenfalls keine ethnische Beiordnung erhält, selbstredend als Angehörige der westgotischen Elite zu identifizieren gewesen wären. Demzufolge ließe sich als Antwort auf die Frage nach der Motivation des Verfassers festhalten, dass es ihm vor allem in den Fällen notwendig erschien, Personen ethnisch zuzuordnen, in denen ihre Rolle in der Erzählung mit dem etablierten Ordnungsmuster nicht kompatibel war. Sich vor allem auf die von der älteren Forschung vorgegebene Meinung stützend, wird dieses Muster unter anderem dadurch bestimmt, dass die Ausübung wichtiger Hof- und Militärämter im spanischen Westgotenreich für die einheimischen Eliten ungewöhnlich gewesen sei. Während demnach diese Funktionen grundsätzlich die Machtbasis der westgotischen Adelsschicht darstellten, seien die hispano-romanischen Magnaten vor allem als Großgrundbesitzer oder als Bischöfe in Erscheinung getreten.313 Als wichtigstes der Militärämter, welches in manchen Darstellungen auch mit dem modernen Begriff des „Generals“ übersetzt wird, ist das des dux zu nen312
313
Da dieser Aspekt eines der Leitmotive der Quelle darstellt und die Belegstellen entsprechend häufig sind, soll hier zunächst allgemein der Hinweis auf ihre Auflistung bei Martínez Pastor: Vitas, reichen. Siehe ibid. als Belege für die katholische Seite z. B. catholici/catholicus (S. 53), christianvs (S. 57), fidelis/fides (S. 152 f.), orthodoxvs (S. 286) sowie andererseits arriani/arrianvs (S. 35), haeresis/haereticvs (S. 170), infidelis (S. 196) und profanvs (S. 325) für die arianische Seite. Ferner mit in den Blick zu nehmen sind die Begriffe populus, plebs und civis, deren spezifische Bedeutung, im Sinne einer religiösen bzw. sozialen Zuordnung, innerhalb der Quelle variieren kann und sich nur über den jeweiligen Belegkontext exakt benennen lässt, vgl. Martínez Pastor: Vitas, civis (S. 58 f.), plebs (S. 305), popvlvs (S. 308). Abadal y de Vinyals: Del reino de Tolosa al reino de Toledo, S. 61–64; Stroheker: Spanische Senatoren, S. 76–87; Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 54; Thompson: Goths in Spain, S. 114–131; Orlandis: Los hispano-romanos en la aristocracia visigótica; King: Derecho y sociedad, S. 71–104, besonders S. 73 ff.; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 180.
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nen.314 In den VSPE wird dieses Amt von einem gewissen Claudius bekleidet,315 der bei seiner Vorstellung neben seiner Glaubensstärke als Katholik besonders für seine Kriegstüchtigkeit gelobt wird. So zeichnet er sich im Folgenden dann auch durch die militärische Niederschlagung des Aufstandes gegen Bischof Masona aus. Da besagter Claudius in den VSPE jedoch als „Spross römischer Eltern“ vorgestellt wird, gilt er der Forschung als eine der ausgesprochen wenigen Personen vermeintlich nachweislich hispanoromanischer Abstammung, die sich im Toledanischen Reich als militärische Amtsträger belegen ließen.316 Damit fügte er sich gut in das oben skizzierte Erklärungsmodell für die explizite ethnische Einordnung dieser Person seitens des Verfassers ein. 314
315
316
Zum Titel des dux im Westgotenreich siehe Borgolte, Michael: Art. Dux, Dukat. II. Vorkarolingische Zeit, in: LexMA, Bd. 3 (1986), Sp. 1487–1490; Barnwell: Kings, Courtiers and Imperium, S. 79–82; Maier: Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, S. 252 f. Wenn duces auch vor allem als hochrangige militärische Führer in Erscheinung treten, so scheint dieser Titel nicht darauf eingeschränkt gewesen zu sein, denn manche duces stehen auch mit administrativen Funktionen in Verbindung. Das nicht klar zu definierende Aufgabenspektrum lässt berechtigterweise darüber nachdenken, ob es sich bei der Bezeichnung generell eher um eine Ehrenbezeichnung handelte, die nicht zwangsläufig an konkrete Funktionen gebunden gewesen sein muss, siehe dazu Isla Frez, Amancio: El officium palatinum visigodo. Entorno regio y poder aristocrático, in: Hispania 62/3 (2002), S. 823–847, S. 836–845. Umstritten ist hinsichtlich des westgotischen dux-Titels weiterhin dessen Kontinuität. Während Wolfram: Goten, S. 217–220, den Titel als Kontinuität der spätantiken Dukate des Imperiums versteht, sehen manche für das spanische Westgotenreich in den Verwaltungsreformen unter der Regentschaft Leovigilds dessen Anfangspunkt, vgl. García Moreno, Luis A.: Estudios sobre la organización administrativa del reino Visigodo de Toledo, in: Anuario de Historia del Derecho Español 44 (1974), S. 5–155, S. 115 ff. In den VSPE 5,10, S. 83, ist vom dux Emeritensis ciuitatis die Rede, während gleicher Claudius bei Johannes von Biclaro als Lusitanie dux (Chronicon 90) bezeichnet wird. Da die duces üblicherweise einer Provinz zugeordnet wurden und der Beleg für Claudius in den VSPE der einzige für einen dux civitatis wäre, hält Thompson: Goths in Spain, S. 71, Anm. 7, die Bezeichnung als dux Lusitanie für korrekt. Bei Johannes tritt Claudius ebenfalls als erfolgreicher Befehlshaber eines westgotischen Heeres in einer Schlacht gegen Franken hervor, vgl. auch Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 145. VSPE 5,10, Idem uero Claudius nobili genere hortus Romanis fuit parentibus progenitus; existebat prossus fide catholicus et religionis uinculis fortiter adstrictus, in preliis strenuus, in timore Dei ualde promtissimus, in bellica studia eruditus, in causis bellicis nicilominus exercitatus, S. 83. Zur skizzierten Einordnung siehe Stroheker: Spanische Senatoren, S. 81; Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 54; Orlandis, José: Historia del reino visigodo español. Los acontecimientos, las instituciones, la sociedad, los protagonistas, Madrid 2003, S. 369–376, besonders S. 369 f.; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 180; Kampers: Westgoten, S. 183.
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Ebenso verhielte es sich mit den Bischöfen Masona und Renovatus, bei denen eigens auf ihre gotische Abstammung hingewiesen wird.317 Wie an anderer Stelle bereits thematisiert wurde, ist die konfessionelle Differenz bis zur Konversion Rekkareds und dem Toletanum III nach Meinung großer Teile der Forschung ebenfalls ein Kriterium zur ethnischen Separation innerhalb des Reiches. Demnach seien bis dahin Katholiken in aller Regel Provinzialrömer und Arianer Westgoten gewesen.318 Da es sich bei Masona und Renovatus allerdings keineswegs um Arianer, sondern um katholische Bischöfe handelt, könnte auch für sie argumentiert werden, dass diese Exzeption der Hintergrund für ihre ausdrückliche Kennzeichnung als Goten sei. Wenn die Kompatibilität einer Person mit den vermeintlichen ethnischen Ordnungsschemata darüber entschiede, ob ihr ein Ethnikon beigestellt wurde, dann bleibt jedoch ungeklärt, warum der Verfasser ebenfalls den arianischen Bischof Sunna und dessen Helfer explizit als Goten identifiziert.319 Schließlich sei gerade der arianische Glaube ein zentrales Element ethnischer Distinktion und ein Gote als arianischer Bischof damit sicher nichts gewesen, was eigens hätte erwähnt werden müssen. Fraglich ist in dieser Hinsicht auch die Identifikation der ihn unterstützenden Adeligen, da diese zum Teil vom König zu comites gemacht worden waren. Als regionale Exekutivgewalt des Herrschers hatten gerade sie eine bedeutende Rolle im westgotischen Herrschaftsapparat und repräsentieren eben jene militärisch-administrative Funktionsebene, in der nach Auffassung der etablierten Forschung die Goten anzutreffen seien und deren Ausübung ihre Macht sicherte.320 Damit zeigt sich, dass allein die Abweichung von einem in der Vorstellungswelt der Zeitgenossen mutmaßlich verankerten ethnischen Sozialgefüge nicht die Motivation des Autors für die Aussagen zur ethnischen Herkunft einzelner Personen gewesen sein kann. Abgesehen von dem bis hierher nachvollzogenen Erklärungversuch, den man als „Exzeptionsmodell“ beschreiben kann, erscheint es jedoch angesichts der geringen Belegdichte und der Vielzahl der ethnizitätslosen Grup317 318 319
320
VSPE 5,2, S. 48, und 5,14, S. 100. Siehe ausführlich dazu oben die Kap. 2.3.2 und 3.5. VSPE 5,10, Sunna namque Gotus episcopus, […] quosdam Gotorum nobiles genere […] e quibus etiam nonnulli in quibusdam ciuitatibus comites a rege fuerant constituti, consilio diabolico persuasit, S. 81. Ausdrücklich mit ethnischer Zuordnung siehe dazu Thompson: Goths in Spain, S. 139–145; King: Derecho y sociedad, S. 72 ff.; und zur bedeutenden Rolle der comites in der westgotischen Administration allgemein Wolfram: Goten, S. 217–225; Barnwell.: Kings, Courtiers and Imperium, S. 72–79; Maier: Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, S. 250–260; Martin: La géographie du pouvoir, besonders S. 161–165.
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pen sehr schwer möglich, eine weitere plausible Erklärung zu finden, die sich mit der Vorstellung von einem ethnischen Ordnungsmuster jener Gesellschaft in Übereinstimmung bringen ließe. Diese „Sackgasse“ führt dazu, das eingangs skizzierte Forschungskonzept zu hinterfragen, nach welchem die Gesellschaft des Verfasser der VSPE und seines potentiellen Rezipientenkreises ein Schema gewissermaßen stets „mitdachte“ und bestimmte soziale oder politische Funktionen selbstverständlich mit Hispano-Romanen oder Goten in Verbindung brachte. Zweifel an dieser Vorstellung erscheinen aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive umso dringender, da viele der Prämissen und Methoden, von denen ausgehend und mithilfe derer dieses Schema erarbeitet wurde, mittlerweile widerlegt oder in Frage gestellt worden sind.321 Vor diesem Hintergrund, der große Zweifel an der Eindeutigkeit der bis hierher nachgezeichneten Vorgehensweise aufkommen lässt, erscheint es ferner lohnend, nicht nur die Nachweisbarkeit eines ethnischen Ordnungsmusters, sondern überhaupt die Nachweisbarkeit einer in ethnischer Hinsicht dualistischen Gesellschaft innerhalb des westgotischen Reiches zu hinterfragen. Bei dieser Annäherung an unsere Quelle, also ohne die Prämisse einer in Provinzialrömer und Goten gegliederten Gesellschaft, wird besonders die Abstammungsschilderung des dux Claudius erklärungsbedürftig, da dieser laut Verfasser Romanis fuit parentibus progenitus und der Forschung einhellig als Vertreter der hispano-romanischen Bevölkerung gilt.322 Zu erwähnen ist dabei zunächst, dass der weiter oben formulierten These der älteren Forschung, dass Provinzialen nur in Ausnahmefällen in der Militärkaste anzutreffen seien, für das Toledanische Westgotenreich mittlerweile widersprochen wurde und einige Forscher davon ausgehen, dass Hispano-Romanen ebenso wahrscheinlich wie Goten derlei Amtsträger sein konnten. Diese Überzeugung geht vor allem darauf zurück, dass militärische Funktionen zu den Kernaufgaben auch der römischen Führungsschicht gehört hatten und sich entsprechend auch bereits im fünften Jahrhundert Beispiele für römische Heerführer in Diensten des westgotischen Königs finden lassen.323 So 321
322
323
Gemeint ist damit die grundsätzliche Vorstellung von den völkerwanderungszeitlichen gentes als ethnisch abgeschlossene Gruppen sowie methodisch etwa die ethnische Identifikation von archäologischen Überresten oder von Orts- bzw. Personennamen. VSPE 5,10, S. 83. Zur Einordnung Claudius’ siehe z. B. Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 54; García Moreno: Prosopografía, Nr. 35; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 553/554; PLRE, Bd. 3, S. 316; Heather: Goths, S. 288; Orlandis: Historia del reino visigodo español, S. 369 f.; Collins: Visigothic Spain, S. 68. Vgl. Wolfram: Goten, S. 235 f.; Schwarcz: Senatorische Heerführer im Westgotenreich; Maier: Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, S. 233.
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ist auch aus den westgotischen Gesetzestexten nicht zu erschließen, dass der Militärdienst im Toledanischen Reich ein westgotisches Privileg gewesen sei.324 Ließe man die früheren Beispiele aus der Zeit des Tolosanischen Reiches außer Acht, so bliebe als handfester positiver Beleg dafür jedoch einzig das Beispiel Claudius’.325 Damit stellte die Erwähnung seiner römischen Abstammung sowohl in diesem weiteren Kontext als auch quellenimmanent eine absolute Ausnahme dar. Eine Erklärung für dieses Phänomen eröffnet sich dann, wenn man von der vermeintlich naheliegenden Schlussfolgerung Abstand nimmt, dass Romanis parentibus auf eine provinzialrömische Abstammung verweise, und diese ethnische Zuordnung stattdessen als Hinweis auf die externe Provenienz der Person versteht. Die bereits erörterten Belege für Griechen und Franken sind Beispiele für eine solche Verwendung innerhalb der VSPE. Nehmen wir ferner in den Blick, dass wir bereits in den historiographischen Schriften etwa Johannes’ von Biclaro oder Isidors von Sevilla das Ethnikon Romanus für die hier behandelte Zeitstufe stets als Bezeichnung für Byzantiner verwendet finden, so erscheint es sprachlich folgerichtig, den Hinweis Romanis parentibus nicht länger mit einem provinzialrömischen, sondern mit einem oströmischen Hintergrund der Person in Verbindung zu bringen. Eine vermeintliche hispano-romanische Herkunft ist hier folglich ebenso wenig ein Grund für den Autor, auf jene explizit Bezug zu nehmen, wie in den übrigen Teilen der Quelle. Claudius’ Herkunft wird für den Verfasser deswegen berichtenswert, weil er beziehungsweise seine Familie, ebenso wie Paulus und dessen Nachfolger und Neffe Fidelis, nicht aus dem westgotischen Reich stammte. Als eine der Vorbedingungen, um diese Lesart glaubhaft zu machen, kann zunächst angeführt werden, dass vornehmlich im mediterranen Raum auch zu Zeiten des westgotischen Reiches eine Mobilität bestimmter Gruppen fortbestand: etwa von Boten, Sklaven, Soldaten, Händlern, Pilgern, „Fachleuten“ wie beispielsweise Architekten, Handwerkern oder Ärzten.326 324
325
326
Claude: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S. 125; Heather: Goths, S. 288. Anders jedoch noch 2003 z. B. Orlandis: Historia del reino visigodo español, S. 369. Stroheker: Spanische Senatoren, S. 81: „Mit Claudius läßt sich wenigstens einer der vornehmen spanischen Römer, die nun in Verwaltung und Heerwesen des Westgotenreiches tätig waren, […], etwas genauer fassen.“ Siehe allgemein dazu ausführlich McCormick, Michael: Origins of the European Economy. Communications and Commerce, A.D. 300–900, Cambridge 2001, Part II: People on the Move, S. 123–277, besonders S. 270–277. Für Mérida vgl. Collins: Mérida and Toledo, S. 205; Jorge: Church and Culture in Lusitania, S. 112, S. 120 f.; Wood: Social Relations in the Visigothic Kingdom, S. 194; Retamero, Felix: As Coins
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Einige Beispiele zeigen dabei, dass es in Einzelfällen weiterhin möglich war, in einem so weit gefassten geographischen Raum Karriere zu machen.327 Für unseren Fall ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Kontakt zwischen der Hispania und dem Byzantinischen Reich auch in der zweiten Hälfte des sechsten und in der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts nicht auf den kriegerischen Konflikt auf der Iberischen Halbinsel beschränkt war und speziell mit Blick auf Mérida ein griechischer Einfluss konstatiert wurde.328 Zwar handelte es sich bei diesem Phänomen um keines, welches zahlenmäßig besonders ins Gewicht gefallen sein dürfte, aber in einigen Fällen ist ebenfalls nachzuweisen, dass die Hispania zum Ziel von byzantinischen Exilanten oder freiwillig auswandernden Personen aus byzantinischen Gebieten geworden ist.329 Und auch wenn das Geschehen bereits in die zweite Hälfte des siebten Jahrhunderts datiert und die Authentizität des Überlieferten nicht ohne Zweifel ist, vermerkt die etwa 883/884 verfasste Chronik
327
328
329
go Home. Towns, Merchants, Bishops and Kings in Visigothic Hispania, in: Heather (Hg.), The Visigoths, S. 271–305, S. 271–279; Arce, Javier: Gothorum laus est civilitas custodia. Los visigodos conservadores de la cultura clásica: el caso de Hispania, in: Caballero Zoreda, Luis/ Mateos Cruz, Pedro (Hg.), Visigodos y omeyas. Un debate entre la antigüedad tardía y la alta edad media (Anejos de Archivo Español de Arqueología 23), Madrid 2000, S. 11–20, S. 16 f. Neben den Beispielen der Griechen Paulus’ und Fidelis’ aus unserer Quelle selbst, berichtet auch Gregor von Tours z. B. von einem syrischen Kaufmann namens Eusebius, der etwa 592 zum Bischof von Paris wurde (Historia Francorum 10,26) und auf der Iberischen Halbinsel kann ebenfalls der aus Pannonien stammende Martin von Braga († 579/580) genannt werden, der als Bischof von Dumio schließlich Metropolit der katholischen Kirche im Suebenreich wurde, vgl. Collins, Roger: Art. Martin von Braga, in: TRE, Bd. 22 (1992), S. 191–194; Ferreiro: Sueves and Martin of Braga, S. 51–61. Allgemein siehe dazu Thompson: Goths in Spain, S. 21 f.; García Moreno, Luis A.: Colonias de comerciantes orientales en la Península Ibérica (s. V–VII), in: Habis 3 (1972), S. 127–154; García Iglesias: Aspectos económico-sociales de la Mérida visigotica, S. 324 f.; Vallejo: Bizancio y la España tardoantigua, S. 447–461. Als Indiz für den Kontakt können auch die Aufenthalte Johannes’ von Biclaro sowie Leanders von Sevilla in Byzanz angeführt werden. Speziell zu Mérida siehe die griechischen Inschriften (ICERV, 418, 425, 426) sowie García Moreno: Colonias de comerciantes orientales en la Península Ibérica, S. 138–141; Jorge: Church and Culture in Lusitania, S. 108 f.; Arce: The City of Mérida, S. 13. Alonso Campos: Sunna, Masona y Nepopis, S. 155, geht dabei soweit, eine griechische Dominanz besonders in der katholischen Kirchenstruktur der Stadt zu konstatieren, die erst mit Masona gebrochen worden sei. Vallejo Girves, Margarita: El exilio bizantino. Hispania y el mediterráneo occidental (siglos V–VII), in: Pérez Martín, Inmaculada/ Bádenas de la Peña, Pedro (Hg.), Bizancio y la Península Ibérica. De la antigüedad tardía a la edad moderna (Nueva Roma 24), Madrid 2004, S. 117–154.
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Alfons’ III., dass ein gewisser Ardabast zur Zeit König Chindasvinths (642–653) vom byzantinischen Kaiser aus Griechenland verbannt und auf die Iberische Halbinsel gekommen sei, wo der König ihn freundlich aufgenommen und ihm seine Nichte zur Frau gegeben habe.330 Bemerkenswert ist, dass dem aus dieser Verbindung hervorgegangenen Sohn Ervig die griechisch-byzantinische Herkunft auf agnatischer Seite nicht daran hinderte, als westgotischer König zu regieren (680–687).331 Diese Einzelbeobachtungen verdeutlichen, dass es durchaus vorstellbar ist, dass eine Person byzantinischer Abstammung ein wichtiges Amt im spanischen Westgotenreich erreichen konnte. Auch die Tatsache, dass die oströmischen Truppen im Süden der Halbinsel gerade zur Zeit Claudius’, in den 580er Jahren, in Kämpfe mit den Westgoten verwickelt waren, ist kein Ausschlussargument gegen diese These. Im Gegenteil, denn durch die byzantinische Kontrolle südspanischer Regionen ist eine Präsenz oströmischer Militärs auf der Iberischen Halbinsel nicht weiter verwunderlich. Da wir beinahe nichts weiter über Claudius erfahren, als dass er ein hervorragender Soldat gewesen sei – worauf auch der Verfasser der VSPE ausdrücklich hinweist332 –, ist es durchaus vorstellbar, dass er seine offensichtlich profunden militärischen Fähigkeiten als Offizier des oströmischen Heeres erwarb, seine „persönlichen Karrierechancen“ später jedoch andernorts vielversprechender einschätzte. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit, die sich stärker am Wortlaut des Textes orientiert und berücksichtigt, dass Claudius kein typisch byzantinischer Name ist, liegt darin, Claudius’ Eltern als Bewohner des byzantinisch kontrollierten Gebietes der Hispania zu verstehen. Angesichts der Quellenlage bleiben solche weiterführenden Aussagen zur Biographie Claudius’ jedoch Spekulation. Wichtig ist hingegen festzuhalten, dass die Verwendung des Romanus-Begriffes innerhalb der VSPE und in den zeitgenössischen Quellen mit aller Wahrscheinlichkeit nahe legt, den Hinweis auf Claudius’ Abstammung als auf einen oströmischen Hinter330
331
332
Chronica Adefonsi Tertii 2, hg. v. Juan Gil Fernández/ José L. Moralejo/ Juan Ignacio Ruiz de la Peña, in: Crónicas asturianas: crónica de Alfonso III (Rotense y „A Sebastián“), Crónica Albeldense (y „Profética“) (Publicaciones del Departamento de Historia Medieval 11), Oviedo 1985, S. 113–149, Tempore namque Cindasuindi regis ex Grecia uir aduenit nomine Ardauasti, qui prefatus uir ab imperatore a patria sua est expulsus mareque transiectu[s] Spania es aduectus. Siehe zu dieser Episode auch Vallejo: Bizancio y la España tardoantigua, S. 311–314. Claude: Westgoten, S. 80; Prelog, Jan: Art. Ervig, in: LexMA, Bd. 3 (1986), Sp. 2190; Orlandis: Historia del reino visigodo español, S. 412 f.; Collins: Visigothic Spain, S. 102 f. VSPE 5,10, in preliis strenuus, […], in bellica studia eruditus, in causis bellicis nicilominus exercitatus, S. 83.
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grund verweisend zu verstehen. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass der historische Kontext die Möglichkeit dazu bot, dass eine Person mit einer solchen Herkunft zum dux Lusitaniae im Westgotenreich werden konnte. Suzanne Teillet hingegen sieht eine religiöse Aussageabsicht als Erklärung für die Distinktion zwischen Römern und Goten in den VSPE. Somit sei der Hinweis auf Claudius’ römische Abstammung als Aussage über seinen katholischen Glauben zu verstehen.333 In dieser an religiösen Gegenüberstellungen reichen Quelle, wäre dies jedoch ein rätselhaft isolierter Beleg für eine solche Verwendung. In logischer Konsequenz des ersten Gedankens versteht Teillet auch Gothus als Hinweis auf Arianer und führt Sunna als Beleg dafür an. Sie bleibt dabei aber eine Erklärung für die als Goten identifizierten katholischen Bischöfe in der Quelle schuldig.334 Weist man Romanus in den VSPE die Semantik „Oströmer/Byzantiner“ zu, kann sicherlich gefragt werden, warum der Verfasser dann zwischen Graeci – als welche beispielsweise Gregor von Tours die Byzantiner auf der Iberischen Halbinsel in westgotischer Zeit bezeichnete335 – und Romani differenziert. Demgegenüber ist zunächst grundsätzlich zu bemerken, dass die Existenz einer übergeordneten Bezeichnung die gleichzeitige Verwendung von spezifischeren Termini nicht ausschließt. Da Romani als Bezeichnung für Byzantiner allgemein auch in anderen hispanischen Quellen belegt ist, kann versucht werden plausibel zu machen, warum die Griechen diesem Sammelbegriff in Einzelfällen nicht untergeordnet wurden. Als trivialer Ausgangspunkt kann dafür das Prestige der griechischen Geschichte geltend gemacht werden, welches zur Folge hatte, dass trotz der Zugehörigkeit zu einem übergeordneten politischen Gebilde, wie dem des antiken oder nun spätantiken östlichen Imperiums, ein Bewusstsein von griechischer Kultur und von einem Volk der Griechen fortwirkte.336 Ein spezifisches Motiv ist darin zu sehen, dass direkt im Anschluss an Paulus’ Vorstellung als Grieche sein Beruf, nämlich der des Arztes, genannt wird (Paulum, natione Grecum, arte medicum).337 Wie diese Einführung bereits ahnen lässt, ist seine Kunstfertigkeit als Mediziner für die Erzählung keineswegs nebensächlich, vielmehr wird sie zum Ausgangspunkt einer folgenreichen Begegnung. Da 333
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Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 554; siehe auch García Moreno: Urbs cunctarum gentium victrix Gothis triumphis victa, S. 253. Für das Verständnis von Gothus als Arianer siehe auch Drews: Goten und Römer, S. 14, Anm. 76. Gregor von Tours: Historia Francorum 5,38; 6,40; 6,43. In diesem Zusammenhang kann auch angeführt werden, dass der oben benannte Ardabast der Forschung einhellig als Byzantiner gilt, obwohl in der Quelle davon die Rede ist, dass er ex Grecia nach Spanien gekommen sei, vgl. Chronica Adefonsi Tertii 2. VSPE 4,1, S. 25.
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das ungeborene Kind der Frau eines wohlhabenden Senators im Leib der Mutter gestorben war, drohte nun auch sie zum Opfer dieses Unglücks zu werden. Im Text wird mehrfach darauf hingewiesen, dass keiner der lokalen Ärzte der Frau zu helfen vermochte und der Senator sich daraufhin an Paulus wandte. Dieser rettete die Frau wahrscheinlich und aus medizinhistorischer Sicht bemerkenswerterweise durch einen Kaiserschnitt, wozu offensichtlich nur er in der Lage gewesen war. Aus Dankbarkeit habe der Senator, der als der reichste der ganzen Provinz beschrieben wird, Paulus daraufhin sogleich die Hälfte und später sein gesamtes Vermögen vermacht.338 Wie in vielen anderen Bereichen der Kultur und Wissenschaft auch, verfügte Griechenland bereits sehr früh über hervorragende medizinische Kenntnisse und diese Traditionslinie setzte sich auch bis in die Spätzeit des Imperium Romanum fort, in welchem eine Vielzahl der Ärzte griechischer Herkunft waren.339 So sind das besondere Prestige des griechischen Arztes im Zusammenspiel mit der Bedeutung von Paulus’ medizinischen Fähigkeiten für den Fortgang der Quellenerzählung als Hintergrund für dessen explizite Einführung als Grieche anzunehmen.340 Neben dem Aspekt, dass die Anwesenheit griechischer Händler in Mérida nichts Außergewöhnliches war, erfordert die Art und Weise der Integration Fidelis’ in die Handlung – namentlich der Umstand, dass er aus der gleichen civitas wie Paulus stammt und dieser in ihm schließlich seinen Neffen erkennt –, dass die Gruppe der Händler, unter denen er sich befindet, ebenfalls als Griechen bezeichnet werden. Ihre Benennung ist aus der Per-
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VSPE 4,2, S. 26–30. Über diese Schenkung verfügt Paulus im Weiteren, dass sie an seinen Neffen Fidelis übergehen solle und für den Fall, dass sich die Kirche von Mérida dazu bereit erklärte, jenen als seinen Nachfolger im Amt des Bischofs zu akzeptieren, sollte das gesamte Vermögen nach Fidelis’ Tod der Kirche Méridas anheim fallen. Da dies sich trotz anfänglichen Widerstands gemäß seinem Wunsch vollzog, begründet der Verfasser dadurch den Reichtum der einheimischen Kirche und schreibt, dass sie daraufhin begüterter war als jede andere in der Hispania, vgl. VSPE 4,4–5, S. 34 ff.; Wood: Social Relations in the Visigothic Kingdom, S. 195–198. Leven, Karl-Heinz: Art. Römische Medizin, in: Id. (Hg.), Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005, Sp. 757 ff.: „Die Medizin in Rom blieb bis in die Spätantike eine Domäne gr. Ärzte, Griechisch war die Sprache der Medizin schlechthin.“ Vgl. auch Stamatu, Marion: Art. Arzt, in: ibid., Sp. 99–102; Kudlien, Fridolf: Die Stellung des Arztes in der römischen Gesellschaft. Freigeborene Römer, Eingebürgerte, Peregrine, Sklaven, Freigelassene als Ärzte (Forschungen zur antiken Sklaverei 18), Stuttgart 1986, S. 72–79; Grmek, Mirko D. (Hg.), Die Geschichte des medizinischen Denkens. Antike und Mittelalter, München 1996, passim. Arce: Gothorum laus est civilitas custodia, S. 16, äußert darüber hinaus die Vermutung, dass die Suche jenes einflussreichen Senators nach einem kompetenten Arzt der direkte Anlass für Paulus’ Aufenthalt in Mérida gewesen sein könnte.
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spektive der Dramaturgie der Erzählung betrachtet eine Konsequenz der Benennung Paulus’. Wenn wir davon ausgehen, dass keine Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen Provinzialrömern und Goten bestand, stellen sich mit Blick auf die Verwendung des Ethnonyms Gothus jedoch weiterhin die Fragen nach der Motivation des Verfassers, diese Bezeichnung vorzunehmen, sowie nach dem Kontext und der genauen Bedeutung dieser Zuschreibung. Aufgrund der Tatsache, dass der Berichtshorizont der VSPE sich fast ausschließlich auf die civitas beschränkt, nimmt es zunächst wenig Wunder, dass wir lediglich in diesem Kontext Personen in der Erzählung vorfinden, die als Goten bezeichnet werden. Eingedenk der Anzahl an Gruppen und Parteiungen, findet sich diese Zuschreibung aber auch in jenem Umfeld noch immer relativ selten. Auffällig ist dabei, dass die Goten mit den katholischen Bischöfen Masona und Renovatus, dem arianischen Bischof Sunna sowie der Gruppe von Adligen, die zu einem erheblichen Teil von comites gebildet wurde, jeweils hochrangige Amtsträger sind. Mit Ausnahme des aus einsichtigen Motiven verteufelten Arianers Sunna, wird die gesellschaftlich exponierte Stellung all jener Goten im Text ausdrücklich hervorgehoben, wie im Folgenden zu zeigen versucht wird. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Bericht der Quelle zum Beginn der von Sunna angeführten Verschwörung.341 Bevor wir weiter unten zu einer vertieften Analyse dieser Quellenpassage kommen, bedarf es hier zunächst einiger vorangehender Erörterungen, welche wichtige Bedingungen für ihre Interpretation herausstellen sollen. Die Parallelüberlieferung der Chronik Johannes’ von Biclaro versetzt uns in die Lage, die hier dargestellten Ereignisse in einen größeren Kontext einordnen zu können, als die VSPE dies möglich machen. So nennt die Chronik über den Bischof Sunna hinaus ferner einen unserer Quelle unbekannten Segga als zentrale Person des Aufstands. Durch die auf ihn bezogene Formulierung, tirannidem assumere cupientes, wird deutlich, dass die Zielrichtung jener Erhebung sich nicht auf Mérida beschränkte, sondern das Königtum im Visier hatte.342 Auch der Umstand, dass Segga nach Ende der Revolte die Hände abgehackt wurden, deutet auf die Bestrafung eines Usurpators hin.343 Ganz offensichtlich hatte der Verfasser der VSPE jedoch kein 341 342
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VSPE 5,10, S. 81. Johannes: Chronicon 87, siehe auch Collins: Commentary on Iohannis Biclarensis Chronicon, S. 144 f. Thompson: Goths in Spain, S. 102.
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Interesse daran, die Ereignisse in ihren über Mérida hinausweisenden politischen Rahmen einzuordnen, denn die verkürzte Darstellung dieses Ereignisses ist sicher nicht auf Unkenntnis zurückzuführen. Von dieser Beobachtung ausgehend, die sich mit Blick auf ähnliche Konstellationen in der Quelle mehrfach machen lässt, stellt Santiago Castellanos heraus, dass die Berichte über die Aufstände zu Beginn der Regierungszeit Rekkareds, namentlich bei den VSPE, hinsichtlich der ausgewählten Aspekte der Überlieferung und der Darstellungsabsicht sehr bewusst gestaltet wurden.344 In seinen Untersuchungen zum Corpus der westgotischen hagiographischen Quellen konnte Castellanos überzeugend darlegen, dass jene Texte nicht nur hinsichtlich der spezifischen religiösen Bedingungen ihres Genres einer besonderen quellenkritischen Aufmerksamkeit bedürfen, sondern sie auch in politischer und sozialer Hinsicht als ideologische Texte zu bewerten sind und dies in besonderem Maße auch für die VSPE gelte.345 Während in der Forschung für die zeitgleichen Konzilsakten und chronistischen Schriften etabliert ist, jenen Einfluss quellenkritisch zu berücksichtigen, den der auf dem Toletanum III vollzogene Schulterschluss zwischen Königtum und katholischer Kirche auf die Genese der nach 589 entstandenen Texte hatte, gilt dies bisher bei weitem nicht in gleichem Maße für die hagiographische Überlieferung. Über die genretypischen formalen Spezifika und die religiös motivierte Gestaltung dieser Texte hinaus, ist also auch für die in ihnen enthaltenen politischen Darstellungen der Geschichte zu berücksichtigen, dass sie mit „den Worten des Siegers“346 verfasst wurden. Mithin: „The new situation after the official conversion of 589 and the alliance of some groups with the Catholic church needed a presentation of the past in linear terms.“347
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Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 217: „El tratamiento de las revueltas de inicios del reinado de Recaredo no es en modo alguno casual, como tampoco lo es el grado de selección y la orientación que las mismas recibieron dentro de un complejo proyecto ideológico como fueron las VPE.“ Castellanos: The Significance of Social Unanimity, besonders S. 416–419; Id.: La hagiografía visigoda, mit Blick auf die VSPE besonders S. 199–217. Castellanos: The Significance of Social Unanimity, S. 419, „The late antique or early medieval historian has the feeling that he is using in many cases only the words of the winner.“ Castellanos: The Significance of Social Unanimity, S. 418; ausführlich besprochen wird in diesem Zusammenhang von Castellanos auch die damnatio memoriae des Katholiken Hermenegild nicht nur in den historiographischen, sondern auch in den hagiographischen Schriften, siehe Id.: The Significance of Social Unanimity, S. 416 ff.; Id.: La hagiografía visigoda, S. 165–179.
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Damit ist jene Lesart der oben zitierten Textstelle zu hinterfragen, die den Konflikt auf eine rein religiös motivierte Auseinandersetzung reduziert und die Goten hier vor allem in ihrer vermeintlichen Eigenschaft als Arianer und sozusagen als natürliche Verbündete Sunnas erachtet.348 Anstatt die Ereignisse als Konsequenz dogmatischer religiöser Differenzen zu sehen, müssen sie auch als regionale Machtkämpfe verstanden werden, bei denen die strukturellen Möglichkeiten und die jeweiligen Besitzungen beider Kirchen Handlungsoptionen zur Verteidigung oder zur Aneignung von Machtpositionen boten.349 Anhand des Berichts über Konfiskation beziehungsweise Schenkung von Kirchengütern und Privilegien durch den König wird deutlich, welchen machtpolitischen Einfluss Fragen der Kirchenorganisation auch auf lokaler Ebene hatten.350 Da der Aufstand in das Jahr 588 datiert, fand er in jenem Zeitraum der Verhandlungen statt, in welchem König Rekkared den Weg dafür zu ebnen suchte, diese komplexe Situation zugunsten einer einheitlichen und zentralen Kirchenorganisation zu verändern. Die Vielzahl der Handlungsoptionen, die sich den Akteuren in der bewegten Umbruchsphase des Königreiches seit den 580er Jahren boten, und die Rolle der Bischöfe in dieser Situation scheinen auch im Bericht der VSPE durch.351 Wie schon dargestellt, hatte Leovigild Masona zunächst für seine Sache zu gewinnen versucht, ihn dann exiliert, um ihn drei Jahre später erneut als Bischof einzusetzen. Deutliches Zeichen für die flexible und pragmatische Machtpolitik ist ebenfalls die Tatsache, dass der katholische König Rekkared dem arianischen Bischof Sunna nach Niederschlagung des Aufstands die Tür dazu offen hielt, erneut Bischof einer anderen Stadt werden zu können, freilich unter der Bedingung, dass er den katholi348
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Altamira, Rafael: Spain under the Visigoths, in: Gwatkin, Henry M./ Whitney, James P. (Hg.), The Cambridge Medieval History, Bd. 2: The Rise of the Saracens and the Foundation of the Western Empire, Cambridge 1967, S. 159–193, S. 172; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 554, S. 564; Alonso Campos: Sunna, Masona y Nepopis, S. 153. Siehe dazu Collins: Mérida and Toledo, besonders S. 211 f.; Jorge: Church and Culture in Lusitania, S. 107; Valverde Castro, Maria R.: Leovigildo. Persecución religiosa y defensa de la unidad del reino, in: Iberia 2 (1999), S. 123–132, S. 128–132; Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 209 f. Zur Konfiskation und Schenkung an die arianische Kirche in Mérida durch Leovigild siehe VSPE 5,5, S. 57 (vgl. dazu auch Castellanos: The Political Nature of Taxation, S. 211 ff.), und für den gleichen Prozess zugunsten der katholischen Kirche durch Rekkared siehe 5,11, S. 88 u. S. 90. Vgl. auch Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 56: „[T]he heightened tensions of the last decade of Leovigild’s reign had served to emphasize the importance of other aspects of individual episcopal authority: the role of bishops as aggressive advocates for particular factions within divided communities.“
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schen Glauben annehme. Sunna lehnte dies jedoch ab und wurde ins Exil verbannt.352 Dieses Angebot an Sunna und damit der Versuch des Königs, zu einem Ausgleich mit den führenden Kräften der arianischen Kirche zu kommen, ist dabei keine Ausnahme, sondern entspricht der Praxis, die arianischen Würdenträger in die neuen Strukturen einzubinden.353 Ein weiteres Beispiel für die politisch-religiöse Ambiguität jener Zeit bietet die Person Witterichs. Ob der Hinweis der VSPE auf das demonstrativ respektvolle Verhalten Witterichs dem dux Claudius gegenüber, als beide sich im öffentlichen Raum des atrium befanden, als Hinweis auf ein besonderes soziales Verhältnis der beiden Personen dienen kann, ist nicht letztgültig zu klären, aber durchaus möglich.354 Eben jener Witterich, der wahrscheinlich also in besonderer Weise in die bestehenden Ordnungsstrukturen der Stadt eingebunden war, entpuppt sich im Folgenden als Mitglied der Gruppe der Verschwörer, wechselt nach dem ersten Misserfolg jedoch alsbald erneut die Seiten und wird zum Verräter an der Sache der Aufständischen.355 Die flexible Auslegung seiner Loyalitätsverhältnisse gereichte Witterichs Karriere aber offensichtlich nicht zum Nachteil, denn nach einem Putsch gegen Liuva II. (601–603) wurde er selber im Jahr 603 zum König.356 Wie an anderer Stelle dieser Arbeit bereits erörtert wurde, ist auch die sprachliche Ambiguität religiöser Begriffe in jenen Jahren Zeichen für die politische Instrumentalisierung, aber auch für die „Austauschbarkeit“ religiöser Loyalitäten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Parallelexistenz zweier Kirchenorganisationen die Möglichkeit zur zentralen Herrschaftsentfaltung schwächte, weswegen der König ein Interesse daran hatte, jene Situation zugunsten einer Einheitskirche zu lösen.357 Die Realisierung dieses Prozesses bedeutete, den Einfluss der katholischen Kirche zu stärken und einen Machtverlust insbesondere der Repräsentanten der obersten Hierarchiestufe der arianischen Kirche in Kauf zu nehmen und führte für die Hand352 353 354
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VSPE 5,11, S. 88 f. Wood: Social Relations in the Visigothic Kingdom, S. 200. VSPE 5,10, S. 83 f., Wittericus, iubenis fortissimus, stans post scapulam egregii uiri Claudii ducis, utpote iubenior adhuc etate reddens osequium seniori, ymmo nutritori suo, […]. VSPE 5,10, S. 83–86. Ein weiterer Aufständischer, der nach dem Sieg der katholischen Seite von Bischof Masona wieder in jene Ordnung eingegliedert wurde, gegen die er zuvor zu Felde gezogen war, ist Vagrila, obwohl Rekkared anders über diesen Fall entschieden hatte. Vgl. VSPE 5,10, S. 90 ff.; Wood: Social Relations in the Visigothic Kingdom, S. 200 f. Hier lässt sich auf das Parallelbeispiel der Vandalen verweisen, die in ihrem afrikanischen regnum mit einer zweigliedrigen Kirchenpolitik gescheitert waren, vgl. Spielvogel: Arianische Vandalen.
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lungsträger auf lokaler Ebene damit zu Aufstiegschancen oder Besitzstandsängsten. In Mérida dürfte das Spannungsfeld dabei besonders komplex gewesen sein, war die Stadt doch während der Revolte Hermenegilds einer seiner Zentralorte gewesen und es ist nicht auszuschließen, dass eine zuvor bestehende arianische Kirche in dieser Phase, bis zur Einsetzung Sunnas, enteignet worden war. Jene Umbruchphase nach der Konversion Rekkareds im Jahre 587 schuf eine Situation, welche den unterschiedlichen Interessengruppen auf religiöser aber damit vor allem auch auf politischer Ebene eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten offerierte. Die Komplexität der politischen, religiösen und auch sozialen Situation in der civitas, wie sie mittels einer genauen Textanalyse durch die historische Forschung zu Teilen erarbeitet werden konnte,358 wird von den VSPE jedoch nicht eigens zum Thema erhoben. Augenfällig ist dabei einmal mehr das Schweigen des Autors über den Aufstand Hermenegilds. Besonders für eine hagiographische Quelle überaus bemerkenswert ist, dass der Verfasser beinahe wörtlich die Formulierung Papst Gregors des Großen entlehnt, in der es im Original heißt Post cuius mortem [gemeint ist Leovigild] Reccharedus rex, non patrem perfidum, sed fratrem martyrem sequens359, er dieses „Zitat“ jedoch zugunsten folgender Variation verändert: Post cuius crudelissimam mortem uenerabilis uir Recaredus princeps, […], qui non patrem perfidum, sed Xpum sequens.360 Im Vergleich wird bei den VSPE Leovigild also durch den Hinweis auf seinen grausamen Tod noch kritischer dargestellt, die Rolle Rekkareds positiv gesteigert und das Vorbild des katholischen Märtyrers Hermenegild getilgt: der letztgenannte Aspekt dabei in einer Stadt, in welcher der aufständische Königssohn entscheidenden Einfluss genommen hatte.361 Der Verfasser vermied es also, die komplexe und konfliktreiche Situation der 580er Jahre korrekt wiederzugeben, in der auch Rekkared wahrscheinlich zunächst auf Seiten Leovigilds gegen seinen konvertierten Bruder agierte.362 Sein Anliegen ist ganz im Gegenteil ein Bild linearer Geschichtsentwicklung zu entwerfen, das ferner vor allem geprägt ist durch gesellschaftliche Unanimität.363 Die katholischen Bischöfe sind in ihrer großen Nähe zur Schutzpatronin St. Eulalia – und seit der Konversion schließlich in Union mit dem König – Quell und Garanten für das Wohlergehen und die Einmütigkeit der 358
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García Iglesias: Aspectos económico-sociales de la Mérida visigotica, besonders S. 337 f.; Collins: Mérida and Toledo, S. 195–212; Arce: The City of Mérida, besonders S. 11; Castellanos: The Significance of Social Unanimity, S. 401–416. Gregor der Große: Dialogi 3,31. VSPE 5,9, S. 79. Vgl. auch Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 175. García Moreno: La coyuntura política del III Concilio de Toledo, S. 278 f. Siehe dazu Castellanos: The Significance of Social Unanimity, passim.
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gesamten Gemeinschaft und damit bietet die Erzählung einen historischen Legitimitätshintergrund für die Ordnung der 630er Jahre. Nehmen wir nach diesem für die Quellenkritik wesentlichen Exkurs nun den Bericht der VSPE zu Beginn des Sunna-Aufstandes genauer in den Blick, so heißt es dort wörtlich: Sunna namque Gotus episcopus, cuius supra memoriam fecimus, irritatus a diabolo quosdam Gotorum nobiles genere opibusque perquam ditissimos, e quibus etiam nonnulli in quibusdam ciuitatibus comites a rege fuerant constituti, consilio diabolico persuasit eosque de catholicorum hagmine ac gremio catholice eclesie cum innumerabile multitudine populi separauit et contra famulum Dei Masonam episcopum fraudulenta consilia, qualiter eum interficeret, commentabit.364
Bei genauer Lektüre ist auffällig, dass die hier benannten Goten keineswegs Arianer, sondern Katholiken waren. Denn, so heißt es im Text, Sunna eosque [die got. Adligen] de catholicorum hagmine ac gremio catholice eclesie cum innumerabile multitudine populi separauit.365 Die logische Voraussetzung für die Verwendung des Prädikats separare ist, dass jene Goten der katholischen Gemeinschaft angehört haben mussten, bevor Sunna sie schließlich vom Schoß der Kirche trennen konnte.366 Dies muss auch Edward Thompson aufgefallen sein, der jedoch, offensichtlich fest von der Annahme ausgehend, dass Goten selbstverständlich Arianer waren, kommentarlos ausführt, dass jene gotischen Adligen Rekonvertiten waren, was sich aus dem Text jedoch nicht ableiten lässt.367 Anhand der Satzkonstruktion wird deutlich, dass die Goten mit der multitudine populi eine Einheit bilden, nämlich eben jene Gruppe, welche Sunna aus der Gemeinschaft der Katholiken führte. Da die Goten nach Thompsons Verständnis aber nur zwischenzeitlich katholisch gewesen seien und davon ausgehend, dass der Begriff Gothus Arianer konnotiert, versteht er jenen Satzteil wie folgt: „Sunna convinced some of the Goths […] and separated them along with an innumerable multitude of the faithful from the ranks of the Catholics“.368 Thompson folgert daraus, dass 364 365 366
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VSPE 5,10, S. 81. Siehe dazu auch Schäferdiek: Die Kirchen, S. 199 ff. Es ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass der Aufstand im Jahre 588 und damit vor der allgemein Konversion 589 stattgefunden hat. Thompson: Goths in Spain, S. 102: „The comites were Goths who had become Catholic but who now reverted to Arianism.“ Dass der Text die Gruppe der comites später als comites Arriani bezeichnet (VSPE 5,11, S. 87), kann hierfür nicht geltend gemacht werden, schließlich steht diese chronologisch nach dem dargestellten Abrücken von der katholischen Kirche und der Parteinahme für Sunna. Thompson: Goths in Spain, S. 102. Ebenso auch Garvin: The Vitas, in der Übersetzung des Textes S. 233, und siehe auch den Kommentar S. 494, sowie Alonso Campos: Sunna, Masona y Nepopis, S. 153.
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die Aufständischen sich aus rekonvertierten Goten und quasi vollgültigen Konvertiten, die ursprünglich Katholiken waren, rekrutierten.369 Es ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung festzuhalten, dass die Bezeichnung populus sprachlich an dieser Stelle zweifellos den kontrastierenden Komplementärbegriff zu den benannten Goten darstellt. Populus hier als „die Gläubigen“ zu übersetzen scheint die Akzentsetzung des Autors jedoch nicht zu erfassen und bedarf einer genaueren quelleninhärenten Untersuchung. Dieser kann vorangestellt werden, dass die präzise Aussageabsicht eines so vielschichtigen Terminus wie populus in hohem Maße vom Kontext seiner Verwendung abhängig ist und der Verfasser, wenn er auf Rechtgläubige referieren möchte, an anderer Stelle häufig eindeutigere Ausdrucksmöglichkeiten wählt, wie catholicus, christianus, fidelis/fides oder orthodoxus.370 Ebenfalls dient dem Verfasser plebs zur Bezeichnung der Glaubensgemeinschaft.371 Dennoch ist zweifellos richtig, dass einige Belegstellen der VSPE erlauben, den Begriff populus als das „Volk der Gläubigen“ beziehungsweise als katholische Gemeinde zu verstehen. Eindeutig ist dies bei zwei Stellen, die jeweils inhaltsverstärkend von dem Attribut catholicus begleitet werden,372 und für vier weitere Belege lässt sich diese Semantik durch ihren Kontext glaubhaft machen.373
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Thompson: Goths in Spain, S. 102, „The large number of the people who followed them, however, were Catholics throughout and had never been Arians.“ Zu allen populus-Belegstellen im Überblick siehe Martínez Pastor: Vitas, S. 308, der ihn ebenso vieldeutig mit dem spanischen „pueblo“ übersetzt. Martínez Pastor: Vitas, S. 305. Erstens wird im Kontext einer Osterprozession geschildert, dass Masona cum omni catholico populo zum Stadttor gezogen sei (VSPE 5,11, S. 86) und zweitens habe der Herr dem populo catholico nach der Niederschlagung des Aufstandes schließlich Frieden gewährt (VSPE 5,12, S. 94). 1. Masona wird als Fürsprecher für das Volk/die Gläubigen dargestellt: Masona […] amator fratrum, multum orans populo […], (VSPE 5,2, S. 48). 2. Zur Verwirrung/Fehlleitung des heiligen Mannes und der gesamten Bevölkerung/aller Gläubigen, habe Leovigild Sunna als Bischof des arianischen Glaubens eingesetzt: crudelissimus tyrannus […] pro conturbationem sanctissimi uiri uel totius populi in eadem civitatem espiscopum Arriane partis instituit (VSPE 5,5, S. 56 f.). 3. Bischof Masona und mit ihm alle Gläubigen widerstanden den Versuchungen Sunnas: Cui quum sanctus Masona episcopus uel uniuersus cum eo populus resisteret, […] (VSPE 5,5, S. 58). 4. Nach der Rückkehr Masonas sei Bischof Nepopis von dem ganzen Klerus und den Gläubigen/dem Volk aus der Stadt gejagt worden: Nepopis infeliciter ab omni clero uel populo pulsus ab Emerita ad suam ciuitatem festinus perrexit […] (VSPE 5,8, S. 76). Zumal bei Belegstelle drei im Kontext kurz vor dem Zitat von omnes fideles die Rede ist, scheint populus hier auf „Gläubige“ zu referieren. Auch für die Textstellen 1, 2 und 4 erscheint dies wahrscheinlich. In der Absicht, die legitimitätsstiftende Unanimität der civitas besonders zu betonen, kann jedoch auch eine Übersetzung im Sinne von „alles Volk“ nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
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Bei zwei Beispielen dient der Begriff, in seiner Aussageabsicht wiederum verstärkt durch die Attribute cunctus, universus und totius als umfassende Bezeichnung für die Gesamtheit der Bewohner der Stadt.374 Über unseren in Frage stehenden Satz hinaus, weisen die VSPE noch weitere Belege auf, die sicher nicht mit „Gläubigen“ in Verbindung zu bringen sind. In Erwartung der Disputation der Bischöfe vor einem von Leovigild bestimmten Gericht heißt es beispielsweise, dass Masona nach drei Tagen des Fastens in sein Palais zurückgekehrt sei und durch seinen frohen Sinn allen Gläubigen die Sorge um die bevorstehende Auseinandersetzung genommen (iucunditate cunctorum fidelium mestitiam abstulit) und sie nicht zu zweifeln ermahnt habe.375 Direkt im Anschluss daran berichten die VSPE wie folgt: Tandem Arrianus episcopus una cum iudicibus septus cateruis populi turgidusque fastu superuie ingressus est. Da Gläubige vom klerikalen Verfasser stets als Katholiken verstanden werden, kann der in diesem Satz mit dem arianischen Bischof verbundene populus hier sicher nicht in diesem Sinne verstanden werden.376 Gesetzt, diese Auseinandersetzung vor einem königlichen Gericht im atrium hat tatsächlich stattgefunden, so haben sich dort sicher die beiden religiös etikettierten Streitparteien zusammengefunden. Die Akzentsetzung des Verfassers ist jedoch eine andere. Grundsätzlich versucht er in seinem Text Leovigild und mehr noch Sunna als die allein stehenden personifizierten Werkzeuge des teuflischen Wirkens darzustellen und vermeidet den Eindruck, dass Sunna in Mérida auf die Unterstützung einer nennenswerten arianischen Gemeinde zählen konnte. Mit der Nennung jener caterua populi, wird der Verfasser dem Umstand gerecht, dass sich bei jener Auseinandersetzung, die in den 630er Jahren in der Stadt sicher noch erinnert wurde, nicht nur Einzelpersonen gegenüberstanden, sondern diese jeweils einer Gruppe vorstanden, die auch öffentlich in Erscheinung trat. Allerdings nimmt er dem Gefolge Sunnas die eindeutige religiöse Zuordnung, die ihm durch die an anderer Stelle belegten Begriffe wie arrianus, haereticus, infidelis oder profanus zur Verfügung standen. Wie bei den oben angeführten Beispielen bereits zu sehen war, ist der Terminus nicht auf eine religiöse Semantik beschränkt. Verstehen wir populus an dieser Stelle als Bezeichnung einer sozialen Gruppe, namentlich als „einfaches Volk“, so 374
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1. u. 2. Dem gesamten Volk (cunctus populus sowie universus populus), sowohl den Armen als auch den Reichen, seien „himmlische Freude“ (celeste gaudium) gewährt worden (VSPE 5,2, S. 49). Siehe zu diesen Belegen auch Castellanos: The Significance of Social Unanimity, S. 393 f. VSPE 5,5, S. 59 f. Populus hier ohne Spezifizierung des Verfassers als „arianische Gläubige“ zu verstehen stellte erstens einen isolierten Beleg dar und erscheint ferner aufgrund der vorangegangenen Verwendung des Begriffes zur Bezeichnung der katholischen Gemeinde ausgeschlossen.
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wird der Verfasser der Benennung jener Schar, welche Sunna und die mehrheitlich arianischen Richter begleitete, gerecht, stellt sie jedoch als eine diffuse Menge dar, ohne religiöse oder prestigeträchtige soziale Zuordnung. Dem gleichen Muster folgt auch eine weitere Belegstelle des Begriffes, die, wenige Zeilen nach der weiter oben in extenso zitierten fraglichen Textpassage, ebenso im unmittelbaren Kontext des von Sunna geführten Aufstandes steht. Dort heißt es, dass die zuvor benannten Verschwörer, also Sunna und die adligen Goten, das atrium377 des Bischofs cum ingentibus caterbis populi introierunt.378 Es lässt auf einen offenen Ausbruch des Konflikts und eine militärische Auseinandersetzung von nennenswertem Ausmaß schließen, dass hier von einer überaus großen Schar von Menschen die Rede ist, die als Gefolge der Verschwörer das atrium betraten, und dass der dux Claudius auf Geheiß Masonas daraufhin ebenfalls cum ingenti multitudine herbeieilte. Wie oben bereits gesehen, untermauert auch die Parallelüberlieferung Johannes’ von Biclaro eine solche Bewertung. Dass diese Dimension des Konfliktes in jenen Worten einen Anklang findet, steht zu dem darauf folgenden Handlungsablauf jedoch in einem sonderbar widersprüchlichen Verhältnis. Denn die weitere Erzählung schildert eine betont den sozialen Verhaltensregeln folgende öffentliche Versammlung einiger herausgehobener Handlungsträger, bei der die Verschwörer auf heimtückische Art und Weise versuchten, Masona und Claudius zu erschlagen. Der Plan, dass Witterich die beiden Genannten mit dem Schwert niederstrecken sollte, wurde jedoch durch göttliche Intervention verhindert, die bewirkte, dass Witterich seine Waffe nicht aus der Scheide zu ziehen vermochte. Das göttliche Wirken auf den Verlauf der Ereignisse ist unschwer als ein hagiographisches Leitmotiv auszumachen und die Darstellung der Ereignisse als heimtückische Verschwörung fügt sich in das von der Quelle beschworene Bild gesellschaftlicher Einmütigkeit ein, die nur durch das teuflische Wirken Einzelner gestört wurde. Es ist dann jedoch zu fragen, warum der Verfasser angesichts dieser Darstellungsabsicht nicht jegliche Spur des großflächigen Aufstandes verwischt, wie er dies auch im Fall Hermenegilds getan hat. Es kann vermutet werden, dass der Unterschied darin zu suchen ist, dass die Geschehnisse um 377
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Es handelt sich dabei nicht um den „Wohnsitz“ (palatium), sondern um einen separaten öffentlichen Repräsentationsraum des Bischofs (vgl. Godoy, Cristina: Arqueología y liturgía. Iglesias hispánicas [siglos IV al VIII] [Publicacions de la Universitat de Barcelona 12], Barcelona 1995, S. 135 ff.), in welchen Masona die Verschwörer bewusst steuerte, nachdem er abgelehnt hatte, zum Haus Sunnas zu gehen, siehe VSPE 5,10, S. 81 f. Siehe zum ganzen Handlungsverlauf VSPE 5,10, S. 81–85, und dieses wie das folgende Zitat S. 83.
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die Revolte des Königssohns, im Gegensatz zu den Ereignissen des Jahres 588, zur Gänze aus dem Bericht der VSPE gestrichen wurden. Natürlich lässt sich auch dabei keineswegs ausschließen, dass das Schweigen des Textes in diesem Punkt später bemerkt wurde, allerdings stehen die Ereignisse in der Darstellung des Autors in keinem Bezug zum Erzählten. Da der Aufstand um den Bischof Sunna hingegen zum gestalteten Gegenstand der Erzählung wird, ruft dieser die Erinnerung daran aktiv wach. In diesem Kontext ist einerseits an die vom Verfasser in der Einleitung geäußerte Authentifizierungsstrategie zu erinnern, mit der er sich verbürgt, nur Wahres zu berichten,379 als auch an die topographischen Detailbeschreibungen und die Integration historisch verbürgter Handlungsträger als Mittel, die Glaubwürdigkeit seines Textes zu unterstreichen. Eingedenk dessen wird sich die Darstellung der Ereignisse des Jahres 588 nicht in eklatanter Weise von der weniger als fünfzig Jahre später zweifellos noch vorhandenen Erinnerung daran unterscheiden dürfen. Die eher vagen Hinweise auf das tatsächliche Ausmaß des Widerstands können somit vermutlich als ein Zugeständnis an die noch präsente Erinnerung an die einige Jahre zuvor tatsächlich geschehenen Ereignisse gewertet werden, um die Vertrauenswürdigkeit des Berichtes nicht zu diskreditieren. Zu der caterua populi zurückkehrend, die gemeinsam mit Sunna und den gotischen Adligen das atrium betrat, kann das der Übersetzung Joseph Garvins, als „huge crowds of people“, zugrunde liegende Verständnis der Aussageabsicht des Verfassers nur deutlich unterstrichen werden.380 Der hier als soziale Kategorie, mit der Bedeutung „einfaches Volk“ gefasste populus ist jedoch exakt jener, über welchen in den VSPE wenige Zeilen vorher berichtet wird, dass Sunna ihn mitsamt einer Reihe von Goten auf seine Seite gebracht habe und welcher dort von Garvin selbst, Thompson und anderen, wie gesehen, noch als „Gläubige“ übersetzt wurde. In dieser Gesamtperspektive auf den Text zeigt sich, dass die Aussageabsicht des an der fraglichen Stelle als kontrastierender Komplementärbegriff zu den Goten herausgestellte populus keinen religiösen oder ethnischen, sondern einen politisch-sozialen Bedeutungshintergrund hat. Die sich daraus ergebende Konsequenz ist, dass damit auch den Gothi eine solche semantische Ebene zukommt. An dieser Textstelle ist mithin weder von ethnisch verstandenen Goten und Hispano-Romanen, noch von Arianern und Katholiken die Rede, sondern einerseits von einer Herrschaftsschicht 379 380
VSPE, Praefatio, S. 4 f. Garvin: The Vitas, S. 235; ebenso auch: The Lives of the Fathers of Merida, übers. v. A. T. Fear, in: Id. (Hg.), Lives of the Visigothic Fathers (Translated Text for Historians 26), Liverpool 1997, S. 45–105, S. 94.
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mächtiger Adliger, die als comites zum überwiegenden Teil einflussreiche Funktionsträger waren, wie andererseits von einer nennenswerten Zahl des einfachen Volkes. Die mit den Goten an dieser Textstelle einhergehenden Attribute der Macht – eine edle Herkunft, großer Reichtum und die Ausübung eines bedeutenden „Staatsamtes“381 – lassen eindeutig werden, dass damit die privilegierte politisch-soziale Schicht der Gesellschaft bezeichnet ist, denen der minder privilegierte populus gegenübersteht. Der Verfasser lässt dabei an dieser Stelle keineswegs ein antagonistisches Verhältnis dieser beiden gesellschaftlichen Größen durchscheinen, sondern stellt sie als komplementäre Elemente eines Ganzen dar. Sowohl die Mächtigen als auch das einfache Volk waren Teile der katholischen Gemeinschaft (catholicorum hagmine ac gremio catholice eclesie). Erst das ausdrücklich als teuflisch beschriebene Handeln Sunnas (irritatus a diabolo; consilio diabolico) führte dazu, dass diese Ordnung aufgehoben und die genannten Gruppen, denen dabei eine passive Rolle zukommt, aus dieser Gemeinschaft geführt werden konnten. Dieser Duktus des Textes befördert die legitimitätsstiftende Projektion einer gesellschaftlichen Unanimität, die durch das, wörtlich, diabolische Handeln Einzelner gefährdet wird und marginalisiert dabei die hinter diesen Individuen stehenden Interessengruppen. Im Zusammenhang mit der Fragestellung nach der Rolle der gens Gothorum im Verhältnis zu anderen Bevölkerungsteilen im regnum bewertet Isabel Velázquez, vom Jahr 589 ausgehend, wie folgt: „But for a long time, and occasionally in later periods, a clear distinction would still be made between gens Gothorum, as a community of Gothic origin, to designate the ruling class with a ‚nominally‘ ethnic connotation, in contrast to the rest of the groups, populi (and of the individuals) living in Hispania or the provincia Gothorum.“382 Es wird in diesem Zitat, ebenso wie in seinem direkten Kontext, nicht deutlich, wie die Autorin das erklärungsbedürftige Spannungsverhältnis zwischen den hier gleichzeitig erscheinenden Ideen einer „gotischen Abstammungsgemeinschaft“ einer- und jener einer „nominell ethnisch konnotierten Herrschaftsklasse“ andererseits auflöst. In den anschließenden Ausführungen zum Werk Isidors von Sevilla wird jedoch deutlich, dass sie auch für diese Zeitstufe noch immer das Fortwirken einer Abstammungsgemeinschaft konstatiert, indem es heißt: „Isidor tries to join the two realities, Spania and the gens Gothorum, but it is clear that they are not the same and that the latter does not include Hispani, nor any other group.“383 Das 381
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VSPE 5,10, nobiles genere opibusque perquam ditissimos, e quibus etiam nonnulli in quibusdam ciuitatibus comites a rege fuerant constituti, S. 81. Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 187. Ibid., S. 195.
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hier untersuchte Beispiel unterstreicht, dass der Begriff Gothus in einem engen Verhältnis zu einer mächtigen Führungsschicht der civitas steht, allerdings deutet nichts darauf hin, hinter diesem Terminus eine Abstammungsgemeinschaft zu vermuten. Abgesehen von dem bisher analysierten Beleg der adligen Parteigänger Sunnas, werden weiterhin die katholischen Bischöfe Masona und Renovatus sowie der Arianer Sunna als Goten vorgestellt. Beginnend mit den Erstgenannten ist im Falle Masonas dabei wie folgt zu lesen: Denique sanctus Masona antestis nobilis hortus in hoc seculo origine, sed uite meritis extitit multo nobilior; genere quidem Gotus, sed mente promtissima erga Deum perquam deuotus atque uiriliter altissimi uirtute fundatus, […]384 und mit Blick auf Renovatus heißt es uir denique natione Gotus, generoso stigmate procreatus, familie splendore conspicuus. […] Sed quamuis extrorsus habitus sui esset gloria decoratus, introrsus pulcrior habebatur lumine sancti Spiritus inlustratus.385 Bereits im Jahre 1933 formulierte Justo Pérez de Urbel zu diesen Textstellen folgende Bewertung. Durch die Konjunktion sed werde deutlich, dass eine gotische Abstammung im Verständnis des Verfassers einer besonderen, selbstverständlich katholisch verstandenen Religiosität eigentlich entgegenstehe und sich darin ferner zeige, dass die einheimischen Hispano-Romanen gotische Katholiken nicht als gleichrangig eingestuft hätten.386 Diese Interpretation des sed deckt sich auch mit der weiter oben dargestellten Auffassung, nach der Gothus hier als Begriff für Arianer zu verstehen sei und nach welcher dieser Terminus im Zusammenhang mit einem religiösen Lob eines katholischen Klerikers als Widerspruch erscheine, der in der konzessiven Konjunktion Ausdruck finde. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch vor allem bei der Vorstellung Masonas deutlich, dass eine solche Interpretation der Aussageabsicht der VSPE nicht entspricht. Als hagiographischen Gemeinplatz formuliert der Autor der VSPE, dass Masona von edler Abstammung war in dieser Welt (nobilis hortus in hoc seculo origine), aber noch weit edler durch die „(Gott-)Gefälligkeit“ seines Lebens (sed uite meritis extitit multo nobilior).387 Genau diese Konzessivkonstruktion des ersten Satzes greift der Verfasser im zweiten wieder auf, bleibt dabei jedoch nicht allgemein, sondern füllt den einleitenden Gemeinplatz mit Angaben zur Person Masonas. Während im einleitenden Satz noch allgemein von einer edlen weltlichen Herkunft die Rede war, 384 385 386
387
VSPE 5,2, S. 48. VSPE 5,14, S. 100. Pérez de Urbel, Justo: Los monjes españoles en la edad media, Bd. 1, Madrid 1933, S. 267, S. 259 u. S. 328 Anm. b. Zu der für die Hagiographie üblichen Konstruktion nobili […] sed nobilior siehe Garvin: The Vitas, S. 430 f.
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wird diese nun sinnäquivalent zu edel durch „von gotischer Art/Herkunft“ (genere quidem Gotus) ersetzt. Trotz einer solch privilegierten Herkunft, die konnotativ sicher mit einem entsprechenden weltlichen Machtpotential und repräsentativem Lebensstil verbunden war, widmete er sich jedoch mit aufrichtigem Herzen ganz Gott (sed mente promtissima erga Deum perquam deuotus). Da die Rekrutierung eines Bischofs aus der mächtigen Adelselite, nachgerade in einer so bedeutenden Stadt wie Mérida, nichts Außergewöhnliches war, greift der hagiographische Text damit eine historische Praxis auf, hebt jedoch in idealisierter Weise besonders das religiöse Selbstbescheidungsideal im Verhältnis zur Macht hervor. Gothus wird auch hier als soziale Kategorie zur Bezeichnung einer gesellschaftlichen Elite benützt. Um diese Sichtweise zu stützen, können einige Parallelverwendungen der Apposition genus angeführt werden, die an anderen Stellen des Textes ebenfalls in Verbindung mit einer elitären sozialen Zuordnung steht. Sowohl jener Frau, der Paulus durch sein medizinisches Wirken das Leben rettete, als auch ihrem Mann werden im Text ausgesprochener Reichtum sowie eine hervorragende adlige Herkunft zugeschrieben.388 Der Mann wird in diesem Zusammenhang als ex genere senatorum eingeordnet. Es kann dabei sicher weder für die Entstehungszeit der Quelle in den 630er Jahren noch für den behandelten Zeitraum in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts geltend gemacht werden, dass der Verfasser mit dem so bezeichneten Senatorengeschlecht die Ausübung konkreter Ämter in Verbindung gebracht hätte. Bereits etwa seit dem vierten Jahrhundert hatte sich die Bezeichnung von der zuvor obligatorischen Amtsausübung unabhängig gemacht und verwies allgemein auf einen adligen Stand. Der mit der Apposition genus in Verbindung stehende Senatorenbegriff ist somit als soziale Kategorie aufzufassen.389 Ebenso wie hier und bei der Belegstelle zu Masona ist auch bei den folgenden Beispielen zu beobachten, dass genus in Bezug gesetzt wird zu einer adligen Herkunft und einer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung:390 quosdam Gotorum nobiles genere opibusque perquam ditissimos;391 idem uero Claudius nobili genere hortus […] progenitus;392 duo denique comites, incliti licet opibus et nobiles genere.393 388
389 390
391 392 393
VSPE 4,2, primarii ciuitatis ex genere senatorum nobilissimi uiri egrotasse matrona, que et ipsa inlustri stigmate progenita nobilem traebat prosapiem, S. 26. Zum Reichtum siehe 4,2, S. 30. Siehe dazu unten Kap. 4.4. Siehe zur Verwendung des Begriffs genus als Indikator einer sozialen bzw. rechtlichen Stellung z. B. auch LI 5,7,17. VSPE 5,10, S. 81. VSPE 5,10, S. 83. VSPE 5,12, S. 92.
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Beim zweiten Beispiel wird schließlich auch über Renovatus in Ergänzung zu seiner Eigenschaft als Gote berichtet, dass er „von auffallend edlem Geschlecht und bekannt für das Ansehen seiner Familie“ gewesen sei, worauf eine Schilderung seiner wohlgefälligen äußeren Erscheinung folgt. All dies wird im nächsten Satz des Textes durch die Formulierung aufgegriffen, dass diese Äußerlichkeiten ihm zwar zur Ehre gereichten (quamuis extrorsus habitus sui esset gloria decoratus), sein „inneres Wesen“, vom Heiligen Geist erleuchtet, jedoch noch ruhmvoller gewesen sei (Sed […], introrsus pulcrior habebatur lumine sancti Spiritus inlustratus). Ebenso wie im Falle Masonas dient dieser Komparativ einer Idealisierung. Für unsere Fragestellung ist bei diesen Beispielen bedeutsam festzuhalten, dass der Begriff Gothus sowohl bei Masona als auch bei Renovatus im Kontext der Betonung eines besonders prestigeträchtigen und elitären weltlichen Status zu finden ist und deckt sich damit mit der vorangegangenen Beobachtung im Kontext der als gotisch bezeichneten Adligen im Gefolge Sunnas.394 Eine Idealisierung ist beim verteufelten arianischen Bischof Sunna selbstredend nicht auszumachen. Nachdem er als Häretiker gekennzeichnet und in symbolischer Weise seine unansehnliche äußere Erscheinung geschildert wurde, nimmt der Verfasser auch bei seiner weiteren Vorstellung die Wechselschau zwischen äußerer, weltlicher Seite und innerer Tugendhaftigkeit vor, die dabei jedoch wenig schmeichelhaft ausfällt: forinsecus turgidus, intrinsecus uacuus, extrorsus elatus, introrsus inanis, foris inflatus, interius cunctis uirtutibus euacuatus, utrubique deformis.395 Während in der Darstellung des Autors Masona und Renovatus eine hervorragende gesellschaftliche Position durch Selbstbescheidung zur Tugendhaftigkeit gereicht, werden bei Sunna Stolz und Übermut hervorgehoben. Im Text wird er erst wesentlich später als Gote benannt, beim oben zitierten Bericht zum von ihm angeführten Aufstand. Angesichts der Tatsache, dass König Leovigild Sunna als arianischen Bischof in einer ebenso bedeutenden wie mindestens zu jenem Zeitpunkt gleichzeitig katholisch geprägten Stadt einsetzte und damit ein veritables Eigeninteresse verfolgte, ist davon auszugehen, dass Sunna eine einflussreiche Figur und damit Repräsentant einer bedeutenden Familie des Reiches gewesen ist. Dies schlägt sich an den benannten Stellen auch in der Quelle nieder. Dieser Umstand wird vom Autor jedoch nicht per se positiv dargestellt, sondern ist auf Ebene des Textes abhängig vom Verhalten der Person und auf der übergeordneten Interpretationsebene abhängig von der Konfession. 394
395
Vgl. auch Claude: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans, S. 126. VSPE 5,5, S. 57.
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Fassen wir die Untersuchungsergebnisse abschließend noch einmal orientiert an den oben genannten Leitfragen zusammen: Hinsichtlich einer Erklärung für die geringe Anzahl ethnischer Bezüge im Text, lässt sich zunächst ex negativo feststellen, dass die Kompatibilität beziehungsweise die Differenz des gesellschaftlich-politischen Handelns von bestimmten Personen mit einer zu jener Zeit vorhandenen Ordnung ethnischer Rollenzuschreibungen – welche auf der Grundlage mittlerweile fraglicher Prämissen und Methoden als Konzept der älteren Forschung heute in Frage zu ziehen ist – als Erklärungsmodell zur Verwendung von ethnischen Identifikationen im Falle unserer Quelle ins Leere läuft. Der Textbefund liefert vielmehr keinen einzigen Beleg für die Existenz einer ethnischen Gruppe, die in der Forschung als hispano-romanisch bezeichnet wird. Hinsichtlich der Motivation und des jeweiligen Kontextes ethnischer Zuweisungen war zu beobachten, dass der Verfasser der VSPE sie zum einen dann vornimmt, wenn Personen, die für die Erzählung relevant sind, eine externe Provenienz haben. Die Bezugsgröße für externe Provenienz bildet dabei das regnum. Über diese Gruppe hinaus bleibt ferner einzig das Ethnikon Gothus. Mit diesem wird zum einen, von einem übergeordneten Blickpunkt aus und parallel zur Perspektive der chronistischen Texte, die gens Gothorum als Ganze bezeichnet, sowie darüber hinaus in einigen Fällen auch einzelne Personen oder eine Gruppe zur näheren Einordnung so benannt. Aufgrund der starken Fokussierung des Textes auf Mérida sind diese Personen ausnahmslos dem Umfeld der civitas zugehörig und als Bischöfe oder comites handelt es sich bei den Benannten ferner jeweils um gesellschaftlich herausragende Funktionsträger. Mit Blick auf die semantische Ebene des Begriffes wurde mittels einer Kontextanalyse der einzelnen Belege darüber hinaus gezeigt, dass Gothus stets als Ausweis einer privilegierten sozialen Stellung geltend gemacht wird, dem an einer Stelle populus – nicht etwa Romanus – als „Gegenbegriff“ beigestellt wird. Gothus ist damit hier als politisch-sozialer Terminus zu bewerten, der die Zugehörigkeit zur elitären Führungsschicht des Reiches signalisiert. Wie ebenfalls deutlich geworden ist, handelt es sich bei dieser Quelle um einen äußerst komplexen Text, der sowohl durch religiöse als auch durch politisch-ideologische Darstellungsinteressen des Autors beeinflusst ist. Vor diesem Hintergrund muss aus quellenkritischer Perspektive einschränkend bemerkt werden, dass es sich unserer Erkenntnis entzieht, inwieweit der Bericht und die jeweiligen Zuschreibungen der VSPE tatsächlich den „historischen Realitäten“ entsprochen haben oder inwieweit sie der Aussageabsicht beziehungsweise der Konstruktion des Verfassers geschuldet sind. Obwohl eine fundierte Einschätzung dieses Verhältnisses auf der gegebenen Quellenbasis äußerst problematisch ist, kann dennoch als Ergeb-
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nis gelten, dass der Verfasser den Begriff Gothus in der hier erörterten Art und Weise verwendet und keinen Hinweis auf eine als Hispano-Romanen zu bezeichnende ethnische Gruppe gibt.
4.4 Die Vita Desiderii, die Vita Sancti Aemiliani und die Historia Wambae regis Wie bereits einleitend dargelegt wurde, bilden mit der Vita Desiderii, der Vita Sancti Aemiliani und der Historia Wambae regis drei kürzere und für unsere Fragestellung weniger kontroverse Texte den Abschluss dieses Kapitels. Wenn sich der Blick im Folgenden auf den erstgenannten Text richtet, so lässt sich zunächst sagen, dass in ihrem Fall mit ganz besonderer Berechtigung von einer Königsnähe des Autors, wie sie bei vielen der westgotischen Quellen festzustellen ist, gesprochen werden kann, handelt es sich beim Verfasser dieser Vita doch selbst um einen König, namentlich um Sisebut (612–621). Wie bereits bei den Ausführungen zu Isidor von Sevilla zu sehen war, stand dieser König in regem Kontakt mit dem zu seiner Zeit bedeutendsten Geistlichen und Intellektuellen seines Reiches und von ihm ist nicht nur die Lebensbeschreibung des heiligen Desiderius überliefert, sondern auch ein astrologisches Gedicht in Hexametern sowie eine Reihe von Briefen.396 Wir sehen uns hier also einem frühmittelalterlichen Herrscher gegenüber, der sowohl ein rigider Staatslenker und ein ebenso aktiver wie erfolgreicher Feldherr – der beispielsweise eine brutale antijüdische Gesetzgebung durchsetzte und auf dem Schlachtfeld selbst das Schwert führte – und gleichzeitig ein „Intellektueller“ war, der im Austausch mit den Gelehrten seines Reiches stand und sich darin gefiel, anspruchsvolle lateinische Texte zu verfassen.397 396
397
Die Vita Desiderii (S. 51–68) und die Briefe (S. 3–27) sind ediert in: Miscellanea Wisigothica, hg. v. Juán Gil (Filosofía y Letras 15), Sevilla 1972, und das Gedicht in Fontaine: Traité de la nature, S. 328–335. Vgl. auch Díaz y Díaz: Escritores de la Península Ibérica, S. 95 f.; Kampers: Westgoten, S. 279. Isidor: Historia Gothorum 60–61. Zur antijüdischen Gesetzgebung siehe Bronisch: Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich, S. 34–55. Allgemein Thompson: Goths, S. 161–168; Claude: Westgoten, S. 76 f.; Giese: Goten, S. 153 ff.; Bronisch, Alexander P.: Art. Sisebut, in: RGA 28 (2005), S. 503–506, und zu seiner Bildung siehe Riché, Pierre: Éducation et culture dans l’Occident barbare VIe–VIIIe siècle, Paris 41995 [1. Aufl. 1962], S. 212; Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 93 ff.; Collins, Roger: Literacy and the Laity in Early Medieval Spain, in: McKitterick, Rosamund (Hg.), The Uses of Literacy in Early Medieval Europe, Cambridge 21995, S. 109–133, S. 115; Orlandis: Historia del reino visigodo español, S. 387–402.
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Die Textstelle der Vita Desiderii, die in unserem Kontext von besonderem Interesse ist, findet sich gleich zu Anfang und zwar bei der Vorstellung ihres nominellen Protagonisten: Hic uir de stimate claro Romanis a parentibus ortus ab ipsis conabulis Deo sacratus nobilissimam satis trahebat prosapiem.398 Mit diesem Satz nimmt Sisebut nicht nur auf das besondere Nahverhältnis des späteren Bischofs zu Gott Bezug, sondern expressis verbis auch auf dessen römische Abstammung. Haben wir mit diesem Zeugnis aus dem Jahr 613 oder wenig später399 also einen Beleg dafür, dass auch noch zu diesem Zeitpunkt an hochoffizieller Stelle ein möglicherweise auch politisch-sozial relevantes Bewusstsein von einer romanischen Bevölkerung auf dem Boden des ehemaligen Imperium Romanum existierte, welche von der westgotischen Elite in jenen Territorien getrennt wahrgenommen wurde? Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst ein Blick auf den größeren Kontext der Vita erfolgen. Den auch durch weitere Quellen verbürgten historischen Kern dieses Textes bildet der Konflikt Desiderius’ mit dem burgundischen König Theudebert II. und dessen Großmutter Brunichild, welche eine der zentralen Personen im politischen Gefüge der fränkischen regna und als Tochter König Athanagilds auch in den westgotisch-fränkischen Beziehungen des ausgehenden sechsten und beginnenden siebten Jahrhunderts war.400 Nachdem Bischof Desiderius, der die Herrschaft Brunichilds und Theudeberts kritisiert hatte,401 offenbar auf Betreiben Brunichilds im Jahre 602 oder 603 auf einer Synode seines Amtes enthoben und exiliert wurde – angeblich da er sich der Unzucht schuldig gemacht habe –, wurde er etwa zwei Jahre danach wieder als Bischof eingesetzt. Kurze Zeit später führte ein erneuter Konflikt mit dem König und der Regentin jedoch dazu, dass Desiderius abermals abgesetzt und schließlich hingerichtet wurde.402 Ist es bereits bemerkenswert genug, dass hier ein westgotischer König als Autor eines hagiographischen Textes in Erscheinung tritt, so ist es umso erstaunlicher, dass er sich für die Lebensbeschreibung, die er pro imitatione 398 399 400
401 402
Sisebut: Vita Desiderii 2. Zur Datierung siehe Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 251. Zu Brunichild und Theudebert II. vgl. Jarnut, Jörg: Agilolfingerstudien. Untersuchungen zur Geschichte einer adligen Familie im 6. und 7. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 32), Stuttgart 1986, S. 57–86, passim; und zu Brunichild auch Wood: The Merovingian Kingdoms, S. 126–136, sowie Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 217–247, der eine ausführliche Einordnung der Rolle Brunichilds im westgotisch-fränkischen Kontext liefert. Sisebut: Vita Desiderii 15–16. Für einen kurzen biographischen Abriss über Desiderius siehe Stroheker: Der senatorische Adel, S. 163 Anm. 102.
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presentium, pro edificatione hominum futurorum, pro sanctis exercendis studiis succedentium temporum verfasst habe,403 nicht etwa das vorbildhafte Wirken eines Heiligen aus seinem Reich zum Gegenstand machte, sondern jenes eines fränkischen Bischofs. Diese Tatsache hat auch in der Forschung Beachtung gefunden. Zu erklären versucht wurde sie häufig damit, dass die Wahl des Stoffes dem westgotischen König die Möglichkeit dazu geboten habe, ein antifränkisches Pamphlet im Gewand einer Hagiographie zu verfassen.404 So erleidet der idealisierte miles Christi 405 sein Martyrium durch die fränkischen Herrscher, die als Werkzeuge des Teufels fungieren und in Sisebuts Text eine auffallend zentrale Rolle einnehmen.406 Ausgehend von einem vielbeachteten Artikel Jacques Fontaines aus dem Jahre 1980 hat die neuere Forschung diese Perspektive jedoch modifiziert und differenzierter in die politische Situation der Entstehungszeit des Textes eingeordnet.407 So wird die Vita Desiderii zwar weiterhin als Pamphlet insbesondere gegen die bis zu ihrem Tod einflussreiche Brunichild verstanden, jedoch nicht pauschalisierend als antifränkisch, sondern gerade den Interessen des fränkischen Königs Chlothars II. entsprechend gewertet. Den Hintergrund für diese differenzierte Deutung der Zielrichtung des Textes stellen die innerfränkischen Konflikte und der Machtwechsel des Jahres 613 dar, der zur Hinrichtung Brunichilds führte und Chlothar II. zum Alleinherrscher des Frankenreiches machte.408 Sisebut habe mit der negativen Darstellung Theudeberts II. und Brunichilds dem propagandistischen Interesse Chlothars II. entsprochen, welches sich auch in den fränkischen Quellen jener Zeit spiegelt. Eingedenk der komplexen und oft konfliktträchtigen Verflechtungen zwischen 403 404
405 406
407
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Sisebut: Vita Desiderii 1. Hillgarth: Historiography in Visigothic Spain, S. 286 f.; Thompson: Goths, S. 163; Díaz y Díaz: Introducción general, S. 32; Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 451 f.; Valcarcel, Vitalino: Hagiografía hispanolatina visigotica y medieval (s. VII–XII), in: Pérez González, Maurilio (Hg.), Actas I congreso nacional de latín medieval, León 1995, S. 191–209, S. 192. Sisebut: Vita Desiderii 4, 16. Zur Diabolisierung vgl. ibid., 16, Huius illibatam inimicus constantiam humanitatis aspiciens, pectora que numquam [Brunigildis ac Theuderici] deseruit […]; und zum Interesse Sisebuts an ihnen, Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 451: „[E]sto nos da la clave del verdadero interés de la vida: las figuras de los monarcas“; Berschin, Walter: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 2: Merowingische Biographie. Italien, Spanien und die Inseln im Frühen Mittelalter (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 9), Stuttgart 1988, S. 181. Fontaine, Jacques: King Sisebut’s Vita Desiderii and the Political Function of Visigothic Hagiography, in: James (Hg.), Visigothic Spain, S. 93–129. Jarnut: Agilolfingerstudien, S. 68; Wood: The Merovingian Kingdoms, S. 140–144.
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den fränkischen und westgotischen Herrscherfamilien sei die Geste an den mächtigen neuen König neben weiteren Gründen auch ein Versuch gewesen, mithilfe der Unterstützung Chlothars die westgotischen Interessen im schwierig zu kontrollierenden transpyrenäischen Gebiet des Toledanischen Reiches, namentlich der Narbonennsis, besser durchsetzen zu können.409 Trotz der überzeugenden Analyse und dem berechtigten Hinweis auf die dem jeweiligen Zeitkontext entsprechende politische Funktion dieser wie anderer hagiographischer Quellen darf bei ihrer Bewertung jedoch die literarische und religiöse Bedingtheit dieser Texte nicht aus dem Blick verloren werden: „Er [Sisebut, d. Verf.] berichtet das ganze Leben des Desiderius, bemüht sich offenkundig um eine historisch zuverlässige Darstellung, schreibt aber als Hagiograph, rückt den Heiligen in die Mitte der Erzählung und strebt nach der Erbauung des Lesers“, bemerkt Franz Brunhölzl aus philologischer Sicht dazu und in der neueren Forschung hat vor allem José C. Martín die Genregebundenheit der Vita Desiderii untersucht.410 Er unterstreicht dabei, dass Sisebut sich für seine Erzählung zwar eine konkrete historische Situation als Rahmen wählte, in ihrem Zentrum jedoch eindeutig die religiösen Handlungsstränge und die Heiligkeit des Märtyrers stünden. Die Ereignisse um den Bischof von Vienne, über die er zudem häufig lediglich vage Angaben macht, dienten ihm jedoch nur als Folie, auf der er sein idealisiertes hagiographisches Programm entwickelte. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum oben dargestellten politischen Kontext der Vita, da die wörtlich zu nehmende Verteufelung Brunichilds und Theudeberts II. sowohl jenem geschuldet sein kann als auch ein typisches Element hagiographischer Schriften ist. Auch bei der Darstellung der Personen, und damit zu unserer Ausgangstextstelle zurückkehrend, muss die Kernfunktion dieses hagiographischen Textes berücksichtigt werden, nämlich ein topisches Beispiel zur Erbauung 409
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Siehe dazu Castellanos: La hagiografía visigoda, S. 250–262, und zur Forschungsgeschichte Fontaine: King Sisebut’s Vita Desiderii, S. 95 Anm. 3. Martín, José Carlos: Caracterización de personajes y tópicos del género hagiográfico en la Vita Desiderii de Sisebuto, in: Helmantica 48 (1997), S. 111–133; Id.: Verdad histórica y verdad hagiográfica en la Vita Desiderii de Sisebuto, in: Habis 29 (1998), S. 291–301. In dieser Richtung betont auch Drews, Wolfram: Tradición e innovación en la hagiografía latina, in: Bravo Castañeda, Gonzalo/ González Salinero, Raúl (Hg.), La aportación romana a la formación de Europa. Naciones, lenguas y culturas (Signifer 16), Madrid 2005, S. 151–158, S. 154: „Comparado con otros textos hagiográficos, la Vida de San Emiliano es menos inovadora y más tradicional. […] Los hagiógrafos de ese período continuaron y adaptaron los modelos heredados de sus precursores romanos“; siehe auch Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 450 ff.; Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 94; Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 2, S. 181.
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zu geben und als Vorbild zu dienen.411 So stellt Martín in seiner Analyse der Charakterisierung Desiderius’ fest, dass diese nicht individuell gestaltet ist, sondern sehr genau dem durch ältere Texte vorgegebenen literarischen Ideal entspricht.412 Teil dieses Musters ist die Nennung der Familie, der Herkunft und der Bildung des Heiligen. Die Zielrichtung ist dabei nicht die historisch korrekte Einordnung der Person, sondern die Darstellung ihrer edlen Abstammung und ihres sozialen Ranges.413 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass es der Regel entspricht, dem Protagonisten eine römische Abstammung zuzuschreiben.414 So kommt Martín zu dem Urteil, dass die Nennung der römischen Abstammung Desiderius’ neben anderen Hinweisen (de stimate claro; nobilissimam satis trahebat prosapiem) als dreifacher Ausweis seiner edlen Herkunft diene.415 Diese Erklärung geht davon aus, dass Sisebut den literarischen Baustein einer römischen Abstammung, den er in vielen älteren Viten vorfindet, als inhaltliches Element gesetzt hat.416 Ergänzend dazu wäre eine weitere Möglichkeit, dass er denselben nicht als tragendes Element, sondern als literarisches Ornat benutzte, um durch die Imitation „klassischer“ Vorbilder seine Bildung unter Beweis zu stellen.
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Van Uytfanghe: Die Vita im Spannungsfeld von Legende, Biographik und Geschichte, S. 202: „So schreibt ein christlicher Hagiograph nicht, um uns historische Information zu verschaffen über seinen Helden und dessen Zeit, sondern um dessen Kultus zu befördern und um das Leben einer von Gott begnadeten Person exemplarisch seinem Publikum vorzuhalten.“ Martín: Caracterización de personajes y tópicos, S. 113–127; siehe zur hagiographischen Darstellung von Heiligen allgemein auch Boyer, Régis: An Attempt to Define the Typology of Medieval Hagiography, in: Bekker-Nielsen, Hans (Hg.), Hagiography and Medieval Literature, Odense 1981, S. 27–36, S. 29: „The most striking feature is that the Saint is very weakly individualized: all these heroes are the copies of a common prototype, especially the martyrs.“ Bosl, Karl: Il „santo nobile“, in: Boesch Gajano, Sofia (Hg.), Agiografia altomedievale, Bologna 1976, S. 161–190, S. 178: „Il sanctus deve essere nobilis, perché altrimenti non risulta comprensibile, né imitabile, né attendibile agli occhi dei ceti dirigenti dell’epoca […]“; und Boyer: An Attempt to Define the Typology of Medieval Hagiography, S. 30. Martín: Caracterización de personajes y tópicos, S. 117: „[E]n primer lugar, decir que es de elevado linaje responde al hecho de que la sangre es la metáfora de la gracia de Dios, en este sentido, también se dice habitualmente que el santo es de sangre romana.“ Martín: Caracterización de personajes y tópicos, S. 114: „[L]a sola mención de que era de padres romanos ya implicaría un ilustre linaje, de modo que por tres vías se nos está diciendo lo mismo.“ Zur Anlehnung vieler Viten-Texte an die spätantike Biographie und Rhetorik siehe etwa Van Uytfanghe: Die Vita im Spannungsfeld von Legende, Biographik und Geschichte, S. 203.
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„Geziertheit und Schwulst“417 der Vita legen jedenfalls nahe, dass es neben inhaltlichen Aspekten auch eine der Absichten des Königs war, sein kulturelles Niveau zur Schau stellen.418 Berücksichtigt man diese Einordnung der Quellenpassage, so erscheint es wahrscheinlich, dass sie nicht auf eine konkrete gesellschaftliche Situation verweist, sondern auf die Nachahmung genretypischer Elemente zurückgeht. Nichtsdestotrotz bleibt dieser Romanus-Beleg bemerkenswert, da er von der sonstigen Verwendung in den westgotischen Quellen jener Zeit abweicht, denn dass Sisebut Desiderius als Byzantiner habe darstellen wollen, darf ausgeschlossen werden. Dabei muss jedoch hervorgehoben werden, dass die Vita Desiderii sich auch insofern von den anderen benannten Texten unterscheidet, als dass ihr Inhalt weder in Spanien noch im nördlich der Pyrenäen gelegenen Teil des Westgotenreiches verortet ist und dieser Text damit keine direkten Rückschlüsse auf die ethnische Bevölkerungssituation im regnum Gothorum erlaubt. Damit die Textstelle jedoch in der oben erörterten Weise wirken kann, muss vorausgesetzt werden, dass sein Rezipientenkreis eine römische Abstammung mit sozialem Prestige in Verbindung bringen konnte. Wie bis hierher gezeigt wurde, erscheint in den zeitgleichen literarischen Texten hingegen eine gotische Abstammung als prestigeträchtig. Über den Umstand hinaus, dass eine gotische Abstammung durch den Kontext der Quelle kein Thema sein konnte, ist dieses Phänomen ferner auch dann kein Widerspruch, wenn man die Verwendung des Romanus-Begriffes in der Vita Desiderii als einen passiven Gebrauch wertet. Das heißt, dass bestimmte Elemente dieses Textes, zu denen auch die Vorstellung der Person des Heiligen zu zählen ist, als Tradition zu werten sind, die ursprünglich auf ein anderes Umfeld zurückgehen als jenes der Entstehungszeit des Textes. Trotz der gesellschaftlichen und der mit ihr einhergehenden Veränderung des aktiven und auf die Gegenwartswelt reagierenden Sprachgebrauchs, wie er am semantischen Wandel des Begriffes Romanus zu beobachten ist, zeigt diese Passage jedoch auch das fortwirkende Bewusstsein über die römisch geprägte Vergangenheit. Eine weitere hagiographische Quelle aus der ersten Hälfte des siebten Jahrhunderts liegt uns mit der um das Jahr 636 verfassten Vita Sancti Aemiliani des Bischofs Braulio von Saragossa vor. Der Autor, der ein Zeitgenosse und enger Vertrauter Isidors von Sevilla war, gilt nach diesem als einer der be417 418
Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 94. Vgl. In diesem Sinne auch Valcarcel: Hagiografía hispanolatina visigotica, S. 192, der von einem „estilo que se caracteriza por la búsqueda de eféctos retóricos“ spricht.
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deutendsten Intellektuellen des spanischen Westgotenreiches.419 Wie häufig bei Lebensdaten historischer Personen kann das Ende seiner Lebensspanne präzise mit dem Jahr 651 bestimmt werden, sein Geburtsjahr lässt sich jedoch nur annäherungsweise angeben und hat in dem Zeitraum zwischen 585 bis 595 gelegen. Nachdem Braulio zunächst das Amt des Archidiakons in Saragossa innehatte (wahrscheinlich seit 619), wurde er im Jahr 631 schließlich zum Bischof dieser Diözese und bestritt damit die gleiche Karriere wie sein älterer Bruder Johannes, der ihm in beiden Ämtern vorangegangen war.420 Auch seine Schwester Pomponia und der zweite Bruder namens Fronimianus waren Kleriker. Während Pomponia Äbtissin eines nicht lokalisierbaren Klosters war, stand Fronimianus sehr wahrscheinlich eben jenem Kloster als Abt vor, welches von Aemilianus gegründet worden war.421 Auch über den Vater der Familie ist bekannt, dass er als Bischof ein kirchliches Amt bekleidet hatte.422 Dies geht aus dem Epitaph hervor, welches Eugenius II. von Toledo für Johannes verfasste und in welchem zu dessen Herkunft zu lesen ist: nobilis hunc genuit clara de matre sacerdos / factis egregius, nomine Gregorius.423 Aufgrund der Ämterakkumulation in der Familie in und um Saragossa sowie aufgrund der Nähe zum Heiligenkult Aemilianus’ wird als ihre geographische Verankerung, mindestens in der Generation Braulios, ebenfalls jener Raum des mittleren Ebrotals angenommen.424 419
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Zu den Quellen sowie zur Darstellung und Diskussion der biographischen Angaben zu Braulio, mit ausführlichen Anmerkungen zur Forschungsgeschichte, siehe vor allem Martín, José Carlos: La Renotatio Librorvm Domini Isidori de Braulio de Zaragoza († 651). Introducción, edición crítica y traducción, Logroño 2002, S. 15–55; sowie z. B. Vázquez de Parga Iglesias, Luís: Sancti Braulionis Caesaraugustani Episcopi Vita S. Emiliani, Madrid 1943, S. V–X; Lynch, Carlos H./ Galindo, Pascual: San Braulio, obispo de Zaragoza (631–651). Su vida y sus obras, Madrid 1950, S. 3–38 (diese Arbeit geht ursprünglich auf eine von Lynch verfasste Washingtoner Dissertation zurück, die mit der Übersetzung durch Galindo gleichzeitig eine Erweiterung und Überarbeitung erfahren hat); García Moreno: Prosopografía, Nr. 591; Ortiz García, Paloma: San Braulio, la „Vida de San Millán“ y la Hispania visigoda del siglo VII, in: Hispania Sacra 45 (1993), S. 459–473, S. 459–468; Castellanos, Santiago: Poder social, aristocracias y hombre santo en la Hispania Visigoda. La Vita Aemiliani de Braulio de Zaragoza, Logroño 1998, S. 29–33. Martín: La Renotatio Librorvm, S. 30–34; sowie zu Johannes García Moreno: Prosopografía, Nr. 591. Kampers: Personengeschichtliche Studien, Nr. 167; García Moreno: Prosopografía, Nr. 591, mit Anm. 2. Zum wahrscheinlichen Vater der Familie namens Gregor siehe García Moreno: Prosopografía, Nr. 325. Eugentius von Toledo: Carmina 21,17 f., hg. v. Friedrich Vollmer (MGH AA 14), Berlin 1905 (ND 1961), S. 229–270. Martín: La Renotatio Librorvm, S. 39 f.
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Die erzählenden Quellen
Auf Grundlage dieser prosopographischen Informationen ist es in der Forschung zu abweichenden Meinungen darüber gekommen, welcher ethnischen Gruppe die Familie Braulios zuzuordnen sei. Während vereinzelt zu lesen ist, dass die Familie Braulios ein Beispiel für eine hochgradig romanisierte Familie westgotischer Abstammung sei,425 wird sie in der Literatur an anderer Stelle als hispano-romanisch angesprochen.426 Bei dieser ethnischen Zuordnung ist jedoch festzustellen, dass es für die gotische Einordnung keine Argumente gibt und für die Identifikation der Familie als hispano-romanisch folgende Hinweise vorgebracht werden: die römischen Namen der Familie, der katholische Glaube, der wahrscheinlich schon bis in die Zeit vor das Toletanum III zurückreicht, und schließlich die Häufung der Kirchenämter in der Tarraconensis als stark hispano-romanisch geprägter Region.427 Wie an anderer Stelle bereits erörtert wurde, lässt keines dieser Argumente aus methodischer Sicht eine valide Zuordnung der Familie als gotisch beziehungsweise hispano-romanisch zu. „No se tiene certeza absoluta sobre si esta familia era hipanorromana o goda“, befindet auch José Martín dazu.428 So treffend dieses Urteil ist, so unbefriedigend muss es jedoch für all jene sein, die eine ethnisch geprägte Vorstellung der Gesellschaftsstruktur jener Zeit annehmen. Dass eine solche fortwährend großen Einfluss auf die Bewertungs- und Denkmodelle der Forschung hat, zeigt sich auch darin, dass Martín trotz der zitierten Einschätzung wenige Zeilen später ergänzt: „[E]stamos probablemente ante una de esas familias nobles de origen romano“.429 Vielleicht sollte sich die moderne Wissenschaft bei der Einordnung dieser Personen stärker auf die Kategorien der zeitgenössischen Autoren konzentrieren, für die eine ethnische Zuordnung, wie hier konkret im Fall Braulios, in diesem Kontext offenbar keine Bedeutung gehabt zu haben scheint. Auch der von Braulio verfasste Text der Vita Sancti Aemiliani liefert hinsichtlich einer möglichen Distinktion zwischen den genannten ethnischen Gruppen explizit keine Hinweise, da er weder über Romani noch über Gothi 425
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Z. B. Díaz y Díaz, Manuel C.: Problemas culturales en la hispania tardorromana y visigoda, in: De la antigüedad al medievo: siglos IV–VIII (Congreso de estudios medievales 3), León 1993, S. 7–32, S. 22, mit Anm. 46. Z. B. Madoz, José: Epistolario de San Braulio de Zaragoza. Edición crítica según el códice 22 del Archivo Capitular de León, con una introducción historia y comentario (Estudios Onienses, Ser. 1, 2), Madrid 1941, S. 7 f.; Lynch/ Galindo: San Braulio, S. 6 f. Siehe zusammenfassend Ortiz García: San Braulio, S. 460 f.; Martín: La Renotatio Librorvm, S. 37 f. Ibid., S. 37; ebenso Ortiz García: San Braulio, S. 460 f. Martín: La Renotatio Librorvm, S. 38.
Die Vita Desiderii, die Vita Sacnti Sacnti Aemiliani und die Historia Wambae regis 317
berichtet.430 Dennoch ist in einigen wissenschaftlichen Publikationen der 1960er und 1970er Jahre in dem geographischen Wirkungskreis Aemilianus’, so wie er sich in der Vita darstellt, ein „Rückzugsgebiet des Romanentums“ erkannt worden, in welchem sich landbesitzende spanische Provinzialrömer dem Einfluss des expandierenden westgotischen Reiches entziehen wollten.431 Mit dem Quellenbegriff Braulios lässt sich jenes Gebiet als Cantabria bezeichnen.432 Es ist dabei aber nicht mit der „Autonomen Region“ Kantabrien des modernen spanischen Staates gleichzusetzen, sondern umfasst wahrscheinlich Teile von dieser ebenso wie die nördlichen Gebiete der Provinzen Palencia und Burgos und lässt sich am ehesten als der Raum des oberen Ebro-Tals beschreiben.433 Ausgehend von der angeführten Bewertung lässt sich fragen, warum dieser Raum gegebenenfalls als „Rückzugsgebiet“ gelten kann und welche Elemente ihn dabei vermeintlich als besonders romanisch auszeichnen. Zum ersten Punkt kann angeführt werden, dass sowohl die Überlieferung des Johannes von Biclaro und Isidors von Sevilla als auch die Darstel430
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Braulio von Saragossa: Vita Sancti Emiliani, hg. v. Luís Vázquez de Parga Iglesias (Sancti Braulionis Caesaraugustani Episcopi Vita S. Emiliani), Madrid 1943. Mit einer Reihe von Publikationen zu diesem Text kann Santiago Castellanos als gegenwärtig bester Kenner dieser Quelle gelten. Siehe dazu Castellanos, Santiago: Problemas metodológicos en la investigación de la ocupación del territorio durante la antigüedad tardía. El caso del Alto Ebro y la aportación de la Vita Sancti Aemiliani, in: Brocar 19 (1995), S. 27–48; Id.: Poder social, aristocracias y hombre santo; Id.: Hagiografía y sociedad en la Hispania visigoda. La Vita Aemiliani y el actual territorio riojano (siglo VI), Logroño 1999. Siehe aus philologischer Sicht auch Codoñer Merino: Literatura hispano-latina tardía, S. 459 ff.; Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 91 ff.; Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 2, S. 187–190. Zitat Stroheker: Spanische Senatoren, S. 82, und sich auf ihn berufend so auch Diesner, Hans Joachim: Braulios „Vita S. Aemiliani“ und die frühchristliche Biographie, in: Mittellateinisches Jahrbuch 11 (1976), S. 7–12, S. 8 Anm. 6, sowie S. 9/10; siehe auch Thompson: Goths, S. 61 ff. Braulio von Saragossa: Vita Sancti Emiliani 26,33. Collins, Roger: The Basques in Aquitaine and Navarre. Problems of Frontier Government, in: War and Government in the Middle Ages. Essays in Honor of J. O. Prestwich, hg. v. John Gillingham/ James C. Holt, Cambridge 1984, S. 3–17, S. 8f.; Castellanos: Aproximación a la historia política del Alto Valle del Ebro, S. 126–130. Durch eine Variante in einer Handschrift des elften Jahrhunderts ist es insbesondere in der spanischen Geschichtsschreibung zu einer Diskussion darüber gekommen, ob Braulios Hinweis nicht mit einer Region, sondern mit einer Siedlung auf dem Monte Cantabria in der Nähe des heutigen Logroño in Verbindung zu bringen sei, wobei mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass hier eine Region bezeichnet wird. Für einen Überblick darüber siehe ibid., S. 127 f., sowie Fear: Lives of the Visigothic Fathers, S. 39 Anm. 107.
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Die erzählenden Quellen
lung der Vita Sancti Aemiliani deutlich machen, dass jene Bergregion unmittelbar vor dem Jahr 574 nicht vom westgotischen König kontrolliert wurde. Offenkundig wird dies durch die Berichte aller drei Geschichtsschreiber über die Eroberung dieses Gebietes durch König Leovigild.434 Während sich aus der Schilderung Braulios, nach welcher Aemilanus die Eroberung der Cantabria vorausgesehen habe, keine Hinweise darauf finden lassen, dass jenes Gebiet zuvor bereits unter westgotischem Einfluss gestanden hat, wird genau dies in Johannes’ Bericht suggeriert (Leouigildus rex Cantabriam ingressus […] et prouinciam in suam reuocat ditionem). Die Formulierung Isidors wiederum ist so dehnbar, dass sie sowohl für eine erstmalige als auch für eine Rückeroberung beziehungsweise eine Konsolidierung einer fragil gewordenen Herrschaft angeführt werden könnte (Cantabrum namque iste obtinuit). Da die Ausdehnung und Intensität der westgotischen Herrschaft aufgrund der Überlieferungslage bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts insgesamt äußerst problematisch einzuschätzen ist, kann zu einer solchen Fragestellung nichts mit Gewissheit gesagt werden.435 Die auch im Weiteren zunächst vergleichsweise fragile westgotische Kontrolle dieses Raumes legt jedoch nahe, dass es sich nicht um eine Rückeroberung handelte.436 Als das besondere romanische Element dieses Raumes gilt Karl Friedrich Stroheker die lokale Führungsschicht, über welche aus der Vita Aemiliani mehr zu erfahren ist, als aus den anderen genannten Quellen.437 So berichtet Braulio im Zusammenhang mit der Heilstätigkeit Aemilianus’ mehrfach darüber, dass er dabei mit Senatoren und in einem Fall mit einem Kurialen in Kontakt gekommen sei.438 Schließlich schreibt Braulio sogar von einem Senat, welchen Aemilianus zusammengerufen habe, um diesen
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Johannes: Chronicon 32, 33; Isidor: Historia Gothorum 49; Braulio von Saragossa: Vita Sancti Emiliani XXVI, 33. Siehe dazu Besga Marroquín: Orígenes hispano-godos del Reino de Asturias, S. 125–133. Castellanos: Aproximación a la historia política del Alto Valle del Ebro, S. 131; Collins: Visigothic Spain, S. 54. Die Unabhängigkeit Kantabriens vor der Eroberung durch Leovigild unterstreicht etwa Besga Marroquín: Orígenes hispano-godos del Reino de Asturias, S. 115–124. Johannes von Biclaro etwa bezeichnet jene getreu seiner Diktion lediglich als pervasores, vgl. Johannes: Chronicon 50, und zum Begriff Campos: Juan de Biclaro, S. 166. Aus dieser Benennung lässt sich zwar eine Erkenntnis zu seiner Wertung gewinnen, nicht jedoch zur sozialen und gesellschaftlichen Einordnung jener Personen. Braulio von Saragossa: Vita Sancti Emiliani 9,18; 15,22; 17,24; 22,29; und der Kurialen-Beleg 16,23. Vgl. auch Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo, S. 40 ff.
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darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihm der Untergang „Kantabriens“ offenbart worden sei.439 Als forschungsgeschichtliche Parenthese ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass der Senatorenstand der Spätantike mittlerweile differenziert wahrgenommen wird vom rechtlich definierten und erblichen Amtsadel der klassischen Zeit. So zeichnen sich spätantike Senatoren etwa durch ihre vornehme Herkunft und den Status der Familie, rechtliche Privilegien und politische Funktion, Reichtum und Besitz sowie Bildung und kultiviertem Lebensstil aus. Wie in der Forschung jedoch auch gezeigt wurde, war die römische Führungsschicht der Transformationszeit, gerade was die Tradition ihrer Familien betrifft, durchaus heterogen und wurde zu einem großen Teil von Aufsteigern gebildet.440 Zur Vita Aemiliani zurückkehrend, lässt sich feststellen, dass sich bei einer genaueren Betrachtung der entsprechenden Textstellen in ihr eine ganz ähnliche Lebenswelt entfaltet. Es ist eine ländliche Gesellschaft zu erkennen, die von aristokratischen Großgrundbesitzern dominiert wurde, in deren Dienst sich beispielsweise Sklaven und weitere Bedienstete befanden, die in der Lage waren kostbare Geschenke zu machen und die in repräsentativen domus lebten, in denen beispielsweise regelmäßig Bankette stattfanden.441 Damit gibt diese Quelle den Blick auf eine Sozialstruktur frei, die im Vergleich zu jener der Spätantike in vielem unverändert erscheint.442 Wahrscheinlich hat dieser Umstand begünstigt, dass Stroheker die in der Vita Aemiliani belegten Senatoren als die letzten „Nachkommen des spätrömischen Reichsadels“443 bezeichnet und damit als spezifisch romanische Prägung dieses Raumes ausmacht, bevor auch jene nach der westgotischen Herrschaftsdurchsetzung schließlich innerhalb des Kreises der potentes des 439
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Braulio von Saragossa: Vita Sancti Emiliani 26,33, Eodem igitur anno, quadragesimae diebus reuelatur ei etiam excidium Cantabriae; unde nuntio misso iubet ad diem festum paschae senatum eius praesto esse. Der Untergang vollzieht sich dann durch die westgotische Eroberung. Siehe dazu oben Kap. 2.3.3. Siehe dazu vor allem Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo, S. 37–52. Kulikowski: Late Roman Spain, S. 304 ff., hat am Text gezeigt, dass die ländliche Szenerie der Quelle nicht über eine gleichzeitige Fortsetzung städtischer Kultur hinwegtäuschen darf. Von diesem Text ausgehend so auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 223: „The whole zone seems to be one of locally owning aristocrats in a late Roman tradition, at least throughout the sixth century.“ Vgl. auch Chavarría Arnau, Alexandra: Romanos y visigodos en el valle del Duero (siglos V–VIII), in: Lancia 6 (2004/2005), S. 187–204. Stroheker: Spanische Senatoren, S. 87.
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Die erzählenden Quellen
Reiches aufgegangen seien.444 Anders ist nicht nachvollziehbar, warum Stroheker den Begriff senator vom siebten Jahrhundert an zwar als „eine rhetorisch-archaisierende Übertragung der ehrwürdigen Terminologie auf gotische Aristokraten“ wertet,445 ihm im Falle der Vita Aemiliani jedoch wie gesehen eine andere Bedeutung beimisst.446 Mit der neueren Forschung ist die Bezeichnung jener adligen Landbesitzer als senatores jedoch „lediglich“ als eine Übertragung des prestigeträchtigen Titels auf die aristokratische Schicht des sechsten Jahrhunderts zu werten, ohne damit eine rechtliche oder genealogische Aussage zu verbinden.447 Ähnliches gilt für den ebenfalls genannten senatus, über den im Detail nichts bekannt ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach bezeichnet dieser Begriff eine Versammlung der führenden Adligen jenes Raumes, welcher Braulio einen ehrenvollen Namen gibt.448 Es darf in diesem Zusammenhang auch der Überlegung Platz eingeräumt werden, ob diese traditionsreichen Begriffe Braulio hier ohne weitere inhaltliche Implikation schlicht als literarisches Mittel gedient haben. Von einem „Rückzugsgebiet des Romanentums“ zu sprechen erscheint vor diesem Hintergrund äußerst missverständlich, da diese Formulierung, im Vergleich des westgotischen Reiches mit jenem Raum, einen über die Frage der politischen Kontrolle hinausgehenden Gegensatz evoziert. Es entsteht der Eindruck, dass sich insbesondere in „Kantabrien“ eine römische und von „Römern“ geprägte Gesellschaftsform erhalten habe, die durch die westgotische Dominanz in anderen Teilen der Hispania nicht oder kaum mehr vorzufinden gewesen sei. Etwa am Beispiel der VSPE lässt sich jedoch zeigen, dass auch Gebiete innerhalb des regnum ähnliche Strukturen erkennen lassen, in denen auch Senatoren eine bedeutende Rolle spielten.449 Es erscheint damit angebracht, die in der Vita überlieferte historische Situation im Abgleich mit jener des westgotischen Reiches ohne grundlegende
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Siehe insgesamt dazu ibid., S. 81–87. Ibid., S. 85. Er differenziert dabei zwischen Belegen aus dem siebten Jahrhundert, die sich auch auf dieses beziehen, und solchen, wie etwa aus der Vita Sancti Aemiliani oder den VSPE, die zwar im siebten Jahrhundert verfasst wurden, jedoch über das sechste Jahrhundert berichten, siehe ibid., S. 83 Anm. 3. Diese Differenzierung kann jedoch nicht als Erklärung gelten. Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo, S. 43; Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 223: „Senator and curialis do not seem to be Roman technical terms; rather, they are markers of local status.“ Zum senatus Cantabriae siehe Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo, S. 51 f.; Collins: Visigothic Spain, S. 54. VSPE 4,2.
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ethnische oder kulturelle Differenzen zu beschreiben und zu bewerten. Aus dieser Perspektive ist festzuhalten, dass eine bestimmte nordspanische Region für einen nicht genau zu bestimmenden Zeitraum von lokalen Adligen dominiert wurde, deren materielle Machtbasis vor allem auf der Verfügungsgewalt über Latifundien in jenem Gebiet beruhte.450 Insbesondere in sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht weist diese Gesellschaft starke Kontinuitätslinien zur spätantiken Vergangenheit und Parallelen zu anderen Gebieten der Iberischen Halbinsel auf. Mit Blick auf die Eroberung durch Leovigild – die im Text in der Episode von Aemilianus’ Ankündigung des baldigen Niedergang „Kantabriens“ vor dem Senat thematisierte wird – ist hervorzuheben, dass die Schilderung keinen Hinweis darauf liefert, dass die Letztgenannte in ethnischer, struktureller oder kultureller Hinsicht als tief greifende Veränderungen erachtet wurde. In der Perspektive der Vita erscheint die Herrschaftsübernahme durch den westgotischen König nicht als eine unrechtmäßige Okkupation und Verwüstung, sondern als eine vom Willen Gottes getragene Ablösung einer moralisch zersetzten Gesellschaft.451 Daraus kann gefolgert werden, dass Braulio die westgotische Herrschaft keineswegs problematisierte, sondern vielmehr erkennen lässt, dass er selbst sie stützte.452 Die Durchsetzung dieser Herrschaft in jenem Raum, der für eine gewisse Zeit unabhängig von jedweder Zentralmacht von lokalen Adligen regiert wurde, ist es auch, welche sich als Veränderung, und zwar als politische, mit Sicherheit anhand der Quellen konstatieren lässt. Diese Entwicklung der politischen Machtverhältnisse hatte zweifellos militärische, fiskalische und bis zu einem gewissen Ausmaß auch personelle Veränderungen zur Folge. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass mit ihr ein grundlegender Wandel verbunden gewesen wäre, der sich auf die über die genannten Punkte hinausgehenden Lebensbereiche ausgewirkt hätte. Stattdessen ist in vielerlei Hinsicht eine Kontinuität zu
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Zur Größe, Lage und zur Art und Weise der Nutzbarmachung des Landbesitzes siehe ausführlich Castellanos: Poder social, aristocracias y hombre santo, S. 52–78; oder auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 222 f. So heißt es in der Vita Sancti Emiliani 26,33 – nachdem Aemilianus die drastischen Verwerfungen vorgebracht hatte (Narrat ille quod uiderat: scelera eorum, caedes, furta, incesta, uiolentias, caeteraque uitia increpat, penitentiam ut agant pro his omnibus praedicat) und er daraufhin von einem gewissen Abundantius diffamiert wurde –: At ille denuntiat ei rem per semetipsum experiri, quod post probauit euentus nam gladio uindice Leuuegildi est interemptus. Caeteros quoque quum non resipiscerent ab iniquis operibus, ira pendente diuinitus pari modo periurio doloque adgrediens, sanguine est ipsorum crassatus. Drews: Tradición e innovación, S. 154, etwa bezeichnet Aemilianus als „patrono político de la intervención militar visigoda en las montañas septentrionales.“ Diesner: Braulios „Vita S. Aemiliani“, S. 9 f.
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Die erzählenden Quellen
beobachten, die sich sehr wahrscheinlich auch für einen Großteil der Personen annehmen lässt. So werden jene Adlige, die in der Vita Aemiliani verschiedentlich als senatores bezeichnet werden, auch nach der westgotischen Eroberung im Besitz ihrer Latifundien geblieben sein, sich fortan aber den Erwartungen und Forderungen des Königs gegenüber gesehen haben. Sie wurden damit zu einem Teil des westgotischen Reiches.453 Wahrscheinlich erst in den späten 670er Jahren und mit Sicherheit vor 680 wurde die Historia Wambae regis von Julian von Toledo verfasst.454 Sie schildert in ausgemacht königstreuer Perspektive die Erhebung der gallischen Provinz und eines Teiles der Tarraconensis unter dem „Gegenkönig“ Paulus gegen den westgotischen König Wamba im Jahr 673.455 Obwohl dieser Text als reichhaltige Quelle zu einer Reihe von historischen Fragestellungen gelten kann,456 wird er hier ausschließlich mit Blick auf die ethnischen Verhältnisse im westgotischen Reich betrachtet. Dieser Text stellt gleichzeitig den Schlusspunkt für die Beschäftigung mit den literarischen Quellen dar. Die benannte Entstehungszeit der Historia Wambae datiert wesentlich später als jene der im Zentrum dieses Kapitels stehenden erzählenden Quellen und kann bereits als Spätphase des Toledanischen Westgotenreiches gelten. 453
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Siehe dazu auch Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 223: „The local aristocracy of the Ebro was absorbed into the kingdom, but was not necessarily much changed.“ Julian von Toledo: Historia Wambae regis, hg. v. Wilhelm Levison, in: Passiones vitaeque sanctorum aevi Merovingici, Bd. 3 (MGH SS rer. Mer. 5), Hannover 1910 (ND 1979), S. 486–535 [Wiederabdruck in: Sancti Iuliani Toletanae Sedis Episcopi Opera, hg. v. Jocelyn N. Hillgarth (CCL 115), Turnhout 1976, S. 213–255]. Insgesamt besteht die Quelle aus vier Teilen, namentlich sind dies die Epistola Pauli (S. 500), Historia Wambae (S. 501–526), Insultatio (S. 526–529) und Iudicium (529–535). Zu dieser Vierteilung und Fragen der Autorschaft siehe jüngst Martínez Pizarro: The Story of Wamba, S. 78–98. Siehe zur Quelle allgemein ferner Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. 1, S. 103 f.; Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 2, S. 200–208, und Martínez Pizarro: The Story of Wamba, dessen Übersetzung der Quelle reichhaltig kommentiert und mit einer monographische Ausführlichkeit erreichenden Einleitung versehen ist. Zu Julian von Toledo siehe García Moreno: Prosopografía, Nr. 251; Hillgarth, Jocelyn N.: Introduction, in: Id., Sancti Iuliani Toletanae Sedis Episcopi, S. VIII– LXXIV, S. VIII–S. XIII. Zum historischen Kontext siehe etwa Velázquez, Isabel: Wamba y Paulo. Dos personalidades enfrentadas y una rebelión, in: Espacio, Tiempo y Forma, Serie 2, Historia Antigua 2 (1989), S. 213–222; Martínez Pizarro: The Story of Wamba, S. 9–77. Siehe dazu etwa Martínez Pizarro: The Story of Wamba, S. 78–171; de Jong, Mayke: Adding Insult to Injury. Julian of Toledo and his Historia Wambae, in: Heather (Hg.), The Visigoths, S. 373–387.
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Es ist jedoch nicht einzig diese chronologische Perspektive, welche die Quelle als Grenzstein für dieses Kapitel empfiehlt. Entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Feststellung, dass die Forschung zu diesem Text mit Blick auf ethnische Fragestellungen grundsätzlich mit den Thesen dieser Arbeit übereinstimmt, indem sie einhellig zu dem Ergebnis kommt, dass eine etwaige ethnische Differenzierung zwischen Goten und Römern bei Julian von Toledo nicht mehr zu erkennen ist. So stellte Dietrich Claude bei seinen Ausführungen zu den „gentile[n] und territoriale[n] Staatsideen im Westgotenreich“ bereits im Jahr 1972 fest, dass die Bevölkerung des Königreiches in der Darstellung der Historia Wambae „keinerlei Beziehung zu den gentes im herkömmlichen Sinn“ mehr habe, „da sie ausschließlich territorial definiert“ sei. Dass mit dem „herkömmlichen Sinn“ hier ein auf Abstammung beruhendes Verständnis der gentes zu verstehen ist, wird deutlich, wenn Claude im Folgenden konstatiert, dass sowohl die in der Quelle angesprochenen Galli457 als auch die Spani458 westgotischer Abstammung seien, sich nun aber „als Angehörige verschiedener Gruppen empfanden“.459 Auch wenn auf Basis der gegebenen Informationen jegliche Aussage über Abstammungsverhältnisse in Zweifel zu ziehen ist, so kann Claude nur ausdrücklich darin zugestimmt werden, dass in diesem Text keine Hinweise auf eine differenzierende ethnische Wahrnehmung zu finden sind. Bestätigt wird dies scheinbar paradoxerweise auch durch die These von Joaquín Martínez Pizarro, der davon ausgeht, dass es mindestens bis in die 670er Jahren noch immer eine ethnische Distinktion innerhalb des westgotischen Reiches gegeben habe.460 Allerdings führt er bezeichnenderweise zur Untermauerung dieser Einschätzung keinen Beleg aus eben jenem Text an, mit dem er sich in der zitierten Publikation intensiv beschäftigt hat: der Historia Wambae. Auch Suzanne Teillet hebt in ihrer Arbeit aus dem Jahr 1984 hervor, dass die Goten in dieser Quelle als eine politische Gemeinschaft zu verstehen seien.461 In ihrem Urteil sind die gens Gothorum beziehungsweise die 457 458 459 460
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Julian von Toledo: Historia Wambae regis 24, 29. Ibid., 19; Invocatio 1, 7, 8. Claude: Gentile und territoriale Staatsideen, S. 33. Martínez Pizarro: The Story of Wamba, S. 36/37: „It might thus be premature to conclude that by the 670s there was no longer a politically relevant ethnic divide in the kingdom of Toledo.“; siehe ebenso auch S. 10 f. Zu Julian von Toledo und der Historia Wambae siehe insgesamt Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 585–636, und im Besonderen S. 619–636. Teillet differenziert dabei zwischen der „communauté politique“, welche mit den Begriffen gens, patria und regnum näher bestimmt wird, und den „sujets individuels“, dem populus, welcher sich durch die Verbundenheit zum König bestimme, vgl. S. 621–624.
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Die erzählenden Quellen
Gothi für Julian bereits überkommene Bezeichnungen, die sich zu wandeln im Begriff seien.462 So entdeckt sie in der Historia Wambae ebenfalls eine deutliche Territorialisierung, welche sie als „Nationalisierung“ des regnum wertet. Ausdruck finde dieser Umstand unter anderem darin, dass an die Stelle der Gothi hier bereits die Hispani und an die Stelle des regnum beziehungsweise der gens et patria Gothorum die Hispania zu treten begännen.463 Die wortreiche Diffamierung der Gallia als altrix perfidiae in der Historia464 sowie die dem Hauptteil eigens angefügte Insultatio in tyrannidem Galliae unterstreicht, dass hier eine Abgrenzung zur Hispania vorgenommen wird.465 Trotz dieser Tendenz bleibt jedoch klar, dass Gallus und Hispanus Bezeichnungen sind, die sich von einem bestimmten Territorium ableiten, aber beide Gruppen gemeinsam einer politischen Gemeinschaft angehören, welche wiederum als gotisch identifiziert wird. So klagt Julian in der Invocatio die personifizierte Gallia an, dass sie sich durch die Erhebung schuldig gemacht habe, gegen die eigenen „Landsleute“ (cives), statt gegen die Feinde vorgegangen zu sein466 und sie ihren Treueschwur zum König gebrochen habe.467 Julians Darstellung der Königserhebung Wambas zeigt wiederum, dass dieser durch die communio totius gentis et patriae zum Herrscher geworden und diese Gemeinschaft jene der Goten ist.468 Indem die Aufständischen sich gegen den König stellten, lösten sie sich jedoch aus diesem Konsens. Dies trifft nicht nur auf die Galli zu, denn die Rebellion wurde auch von Teilen der Tarraconensis getragen.469 Ihr Anführer Paulus 462
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Ibid., S. 630: „De fait, dans l’Historia Wambae, les Gothi sont rarement nommés, et presque exclusivement en référence à l’antique gens Gothorum: ils apparaissent déjà comme les ancêtres glorieux et les fondateurs plus ou moins légendaires de l’actuelle nation d’Hispania.“ Ibid., S. 628–632. Julian von Toledo: Historia Wambae regis 5. de Jong: Adding Insult to Injury, S. 383. Julian von Toledo: Invocatio 5, Sed haec sunt illa tui moris signa victricia, ut hostem non ferias, civem occidas, melius forte tibi definiens civem bello quam hostem excipere, quippe cui vires semper fuerint socios potius quam adversarios enecare; 6, Neque enim in campo tua aliquando directa contra hostem certamina vidimus, quum tamen intra domum venena tui pectoris senserimus. Vidimus, vidimus praeparatas acies tuas, sed pro iugulo civium, non pro necibus externorum. Ibid. 3, […] regem habens, alium tibi regem statuis […]; 4, Devoveras enim tuam voluntarie religioso principi fidem, sub divini nominis pollicitatione spondens, ut hostem te suis hostibus exhiberes et cum adversariis salutis eius usque ad effusionem sanguinis decertares. Julian von Toledo: Historia Wambae regis 2, […] illum se nec alium in Gothis principari unitis vocibus intonant et catervatim, ne postulantibus abnueret, suis pedibus obvolvuntur. Ibid. 7, […] allectis sibi perfidiae suae sociis Ranosindum Tarraconensis provinciae ducem et Hildigisum sub gardingatus adhuc officio consistentem; 8, Omnis Galliarum terra subito in seditionis arma coniurat nec solum Galliae, sed etiam pars aliqua Tarraconensis provinciae cuturnum rebellionis adtemptat.
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war ebenfalls ein dux spanischer Provenienz, der dem König zudem nahe gestanden haben muss, da dieser ihn ursprünglich damit betraut hatte, den Aufstand niederzuschlagen.470 Jener einzige Hispani-Beleg im Kerntext der Historia Wambae, den Teillet als ein Synonym für Goten bewertet,471 kann jedoch nicht in dieser Weise verstanden werden. So wird an besagter Stelle darüber berichtet, dass die Bewohner der Stadt Nîmes befürchteten, dass Paulus mit jenem Teil der Aufständischen, der aus Spanien stammte, wieder auf die Seite des Königs wechseln könnte.472 Jene Spanier sind hier aber gerade nicht mit den Goten gleichzusetzen. Denn kurz zuvor, nachdem König Wamba mit seinem Heer die von den Aufständischen belagerte Stadt erreicht hatte, benannten sowohl Paulus als auch einige seiner Gefolgsleute die Goten als Feinde.473 Hier wird also eben nicht das Gefolge des Königs wechselweise als Goten oder als Spanier angesprochen, sondern es wird jene Gruppe der Aufständischen, die sich gegen die Goten gewandt hatte, mittels ihrer territorialen Herkunft von den Bewohnern der Stadt einer- und von den königstreuen Goten andererseits geschieden. Um den Blick wieder zurück auf die Forschungslage zu richten und dabei auch auf Publikationen jüngeren Datums zurückzugreifen, lässt sich ferner das Urteil von Mayke de Jong anführen, die mit Blick auf die Historia Wambae Folgendes herausstellt: „Gothic identity is embodied by both gens and patria. The latter is clearly a territorial notion, but the former has nothing to do with ethnic identity. At best it is an ethnic label encompassing all those who are neither dishonoured nor ‚other‘“.474 Diesem Urteil schließt sich auch Isabel Velázquez in ihrem Beitrag aus dem Jahr 2003 an, in welchem sie ansonsten, wie verschiedentlich angeführt, für die Texte bis
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Ibid. 7, Fama haec cucurrit ad principem, moxque ad extinguendum seditiosorum nomen exercitum per manum Pauli ducis in Gallias destinatur. Siehe auch García Moreno: Prosopografía, Nr. 111. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 630 Anm. 277: „On trouve 1 fois le mot Hispani désignant les Goths venus d’Espagne, par opposition aux Nîmois“. Julian von Toledo: Historia Wambae regis 19, Nam suspectus iam et ipse ab incolis cum ceteris qui de Hispania cum illo commeaverant habebatur, ne ille ad liberationem sui traditionem eorum excogitaret, Spanii vero, ne inrogata ab incolis morte transirent ad principem. Ibid. 16, Qui mox nostrorum acies dispositas vidit, […], his verbis enuntians: ‚[…] Haec est enim tantum Gothorum illa famosissima virtus, quae se venire ad superandos nos solita temeritate iactabat; 17, […] plerique de externae gentis hominibus […] Paulum adorsi sunt: ‚Non illam quam dicebas in Gothis proeliandi segnitiam cernimus. Vgl. ähnlich auch Bronisch: El concepto de España, S. 20. de Jong: Adding Insult to Injury, S. 383; siehe auch Bronisch: El concepto de España, S. 18–21.
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Die erzählenden Quellen
weit in das siebte Jahrhundert hinein eine Differenzierung zwischen Goten und Hispano-Romanen als gegeben sieht.475 Es bleibt damit abschließend festzuhalten, dass spätestens für die Historia Wambae in der bisherigen Forschung ein Konsens darüber besteht, dass eine ethnische Differenzierung der Bevölkerung des Westgotenreiches in ihr nicht erkennbar ist, sondern diese auf einer politisch-gesellschaftlichen Ebene gemeinschaftlich als gotisch identifiziert wird.
4.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Wie die Einzeluntersuchungen in diesem Kapitel gezeigt haben, lässt sich die etablierte Forschungsannahme, dass die Bevölkerung des spanischen Westgotenreiches bis deutlich in das siebte Jahrhundert hinein ethnisch in Hispano-Romanen und Westgoten geteilt gewesen sei, anhand der erzählenden Quellen aus diesem Zeitraum nicht belegen. Vielmehr enthalten jene keine Hinweise darauf, dass ihre Verfasser ein erkennbares Bewusstsein von einer ethnischen Bevölkerungsgruppe innerhalb des regnum Gothorum hatten, die in der Forschung als hispano-romanisch angesprochen wird. Wie bei allen behandelten Texten zu beobachten war, dienen den Autoren ethnische Bezeichnungen vor allem zur Identifikation von Völkern außerhalb des westgotischen Herrschaftsbereiches. Bestimmend ist dieser erhöhte Blickwinkel naturgemäß besonders für die historiographischen Schriften, da diese vornehmlich über die Geschichte der gens beziehungsweise des regnum berichten und in dieser Perspektive besonders die Abgrenzung derselben nach außen notwendig wird. Im Gegensatz dazu rücken in den hagiographischen Texten verstärkt die Personen in den Fokus der Erzählung, oft auf einer lokalen Ebene. Die Analyse entsprechender Belege hat besonders im Falle der VSPE gezeigt, dass das in der Forschung bisher häufig angenommene „Exzeptionsmodell“476 nicht als tragfähige Erklä475
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Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 213: „It seems clear that here the concept of gens et patria already comprises all the population.“ Zusammenfassend wird mit dem „Exzeptionsmodell“ hier die Erklärung der älteren Forschung zur expliziten ethnischen Einordnung einer Person in den Quellen zu beschreiben versucht. Dieses Modell geht davon aus, dass in der Gesellschaft der sogenannten Nachfolgereiche ein ethnisch bestimmtes Sozialgefüge bestanden habe, nach welchem Personen einer bestimmten ethnischen Gruppe in spezifischen, dieser Gruppe eigenen gesellschaftlichen Rollen und Funktionen zu erwarten seien (z. B. Goten etwa als Soldaten). Vor diesem Hintergrund trete eine ethnische Einordnung einer Person vor allem dann auf, wenn sie sich in diese ethnisch-soziale Ordnung nicht ohne Weiteres einfügen lasse. Mit anderen Worten erscheine den Verfas-
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
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rung für die ethnische Identifikation bestimmter Personen gelten kann. Stattdessen war festzustellen, dass dafür einerseits, analog zu den chronistischen Texten, die externe Provenienz von Gruppen oder von Personen als Motiv gelten kann. Es konnte ferner jedoch gezeigt werden, dass dem Ethnikon Gothus bei der Schilderung der inneren Verhältnisse auch eine politisch-soziale Bedeutung zukommt und in entsprechenden Zusammenhängen als Hinweis auf eine herausgehobene gesellschaftliche Position zu verstehen ist. Auch in der bisherigen Forschung ist bemerkt worden, dass die politische Führungsschicht des Reiches von den Goten gebildet wurde.477 Dieses Phänomen wird allerdings aus ethnischer Perspektive so verstanden, dass den Hispano-Romanen, mit wenigen Ausnahmen, der Zugang zur Führungsschicht des Reiches verwehrt geblieben sei und sie entsprechend in den Quellen keine Erwähnung fänden, während die Goten als Abstammungsgemeinschaft und als handelnde Subjekte die Herrschaftspositionen für sich in Anspruch genommen hätten.478 Anders ausgedrückt: Als Gote gehörte man zur Führungsschicht des Reiches. Fassen wir Gothus jedoch als politisch-sozialen Terminus auf, lässt sich diese Übereinstimmung anders erklären und weist damit einen „neuen Weg“ für das Verständnis westgotischer Herrschaft und Identität in der Hispania auf. Durch die überregionale gotische Einflussnahme auf der Iberischen Halbinsel seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts wurde Herrschaft zusehends als gotisch und die sie ausübenden Personen als Goten identifiziert. Gothus verweist damit nicht auf eine durch Abstammung limitierte Gemeinschaft, sondern auf eine politische Struktur, an der man unter bestimmten Voraussetzungen partizipieren konnte. Anders ausgedrückt: Als Angehöriger der Führungsschicht des Reiches wurde man Gote. Die Bewertung eines solchen Verständnisses der ethnischen Prozesse als „neuen Weg“ in Anführungszeichen zu setzen ist schon deswegen ange-
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sern also die Exzeption berichtenswert, wohingegen die Information zur ethnischen Identifikation im Falle einer Übereinstimmung mit dem Modell für die zeitgenössischen Leser redundant gewesen sei. Vgl. Kap. 4.3. Obschon Hispano-Romanen in der Führungsschicht expressis verbis als solche in den Quellen nicht nachzuweisen sind – das einzige vermeintlich nachweisbare Beispiel des dux Claudius wurde in Kap. 4.3 ausführlich behandelt –, ist man in der Forschung jedoch davon ausgegangen, dass sie partiell an der Machtausübung beteiligt waren. Siehe dazu Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 180: „Once again, it is the Gothi who are the dominant group, the present rulers of Spain. In my view, the issue is that Hispano-Romans ‚do not count‘ in this history […] except, perhaps in a secondary role.“
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Die erzählenden Quellen
bracht, da etwa Ferdinand Lot bereits im Jahre 1950 die These vorbrachte, dass die von ihm noch als Invasoren bezeichneten Einwanderer in den sogenannten Nachfolgereichen des Imperiums im Vergleich zur romanischen Bevölkerung zwar eine verschwindend geringe Minderheit darstellten, der neue Staat jedoch den Namen der Einwanderer übernahm, der auf diese Weise in einem politischen Bezugsfeld dann auch auf die einheimische Bevölkerung übertragen wurde.479 Entsprachen solche Vorstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch weder dem Zeitgeist noch den wissenschaftlichen Überzeugungen, so hat die moderne Forschung die Flexibilität und Konstruiertheit ethnischer Zugehörigkeit in der Transformationszeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter deutlich aufgezeigt und verleiht damit Lots Ansatz umso mehr Gewicht. Es drängt sich mithin auch für das spanische Westgotenreich die Ablösung eines Verständnisses dieser Zeit auf, nach welchem die ethnische Zugehörigkeit als eine einmalige sozial und politisch definierende Zuschreibung erscheint. Abschließend soll hier noch einmal auf die eingangs dargestellte besondere Situation für die erzählenden Quellen des westgotischen Spaniens hingewiesen werden, die dadurch bestimmt wird, dass die Texte erst ab dem Jahr 590 und damit nach einer entscheidenden Phase der Konsolidierung des Reiches entstanden, sie inhaltlich besonders emphatisch über das Königtum berichten und ihre Verfasser diesem häufig auch funktional sehr nahe standen. Auf Basis der bis hierher behandelten Texte kann der Einwand nicht aufgehoben werden, dass die Verfasser möglicherweise in tendenziöser Absicht zu den gesellschaftlichen Realitäten innerhalb des Königreiches geschwiegen haben. Mit gleicher Berechtigung wäre jedoch andersherum wünschenswert, die uns in diesen Quellen verborgen bleibende vermeintlich Realität einer Distinktion von ethnischen Gruppen anhand von Textbelegen positiv zeigen zu können. In Ermangelung solcher Beweise hat die Forschung ihre Thesen vor allem auf Prämissen gebaut, die ihrerseits von mittlerweile fragwürdigen Methoden historischer Hilfswissenschaften gestützt wurden, und steht damit auf tönernen Füßen.
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Lot, Ferdinand: La formation de la nation française, in: Revue des deux Mondes (1950), Ier part 15. mai, S. 256–278, IIéme part 1er juin, S. 418–435, S. 261.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
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5. Die dokumentarischen Quellen Die Überlieferungssituation für das Toledanische Westgotenreich stellt mit Blick auf die dokumentarischen Quellen insofern einen Sonderfall dar, als dass bemerkenswerterweise keine Urkunden erhalten sind. Dass dieser Befund nicht bedeutet, dass es in dieser Zeit keine Urkundenausfertigungen gegeben hat, machen schon einige Musterschriften ( formulae) deutlich, welche im Gegensatz zu den für den Einzelfall zugeschnittenen Urkunden überliefert worden sind.1 Ein für das spanische regnum spezifischer Quellentyp, der einen fragmentarischen Einblick insbesondere in die ländliche Wirtschaftswelt der westgotischen Gesellschaft erlaubt, sind sie sogenannten Pizarras. Es handelt sich dabei um etwa aus der Mitte des sechsten und bis ins endende siebte Jahrhundert datierende Tontäfelchen, auf denen unterschiedliche Inhalte verzeichnet sind, von „Kaufverträgen“ bis zu diversen Auflistungen.2 Liefern diese Dokumente gerade aufgrund des fehlenden Urkundenmaterials für bestimmte Aspekte des Alltags- und Wirtschaftslebens sehr wichtige Informationen, so sind sie, abgesehen von einer Reihe auf diese Weise überlieferter Namen, für die Untersuchung der ethnischen Situation von geringem Interesse.3 Trotz dieser Einschränkungen ist die Überlieferung an dokumentarischen Quellen für das spanische Westgotenreich als vergleichsweise reichhaltig einzustufen. Ausschlaggebend dafür sind jene beiden ausführlichen und gut erhaltenen Quellengruppen, die die Quellenbasis für dieses Kapiteln liefern. Es handelt sich dabei zum einen um die Akten der im Toledanischen Reich abgehaltenen Provinzial-
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2
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Formulae Wisigothicae, hg. v. Juán Gil, in: Miscellanea Wisigothica (Publicaciones de la Universidad de Sevilla: Serie Filosofía y letras 15), Sevilla 1972, S. 70–112. Documentos de época visigoda escritos en pizarra (siglos VI–VIII), hg. v. Isabel Velázquez (Monumenta Palaeographica Medii Aevi, Series Hispanica), 2 Bde., Turnhout 2000. Einschränkend ist dabei zu bemerken, dass es sich bei dieser Quellengruppe aufgrund des Beschreibstoffes um ein regionales Spezifikum handelt. So sind die Tontäfelchen lediglich aus einem begrenzten Raum innerhalb der spanischen Meseta überliefert, mit einem deutlichen Schwerpunkt in dem Ort Diego Álvaro. Zur Aussagekraft in anderen Bereichen siehe z. B. Wickham: Framing the Early Middle Ages, S. 223 ff.
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Die dokumentarischen Quellen
und Reichskonzilien und zum anderen um die im Liber Iudiciorum zusammengefassten westgotischen leges.4 In der thematischen Auswahl der Quellenstellen schließt das folgende Kapitel ebenso an das vorangegangene an wie mit den an diese herangetragenen Fragestellungen. Die genannten Quellen hier nichtsdestotrotz in einem eigenen Kapitel zu behandeln, ist vor allem aufgrund der anderen Funktion und Ausrichtung dieser, im Vergleich zu den zuvor behandelten historiographischen und hagiographischen Texten sinnvoll und notwendig. So handelt es sich bei den Gesetzestexten und mit Einschränkungen auch bei den Konzilsakten in erster Linie um dispositive Quellen. Deren Funktion ist im Unterschied zu den erzählenden Quellen, die beispielsweise zum Ziel haben zu unterhalten, geschichtliche Entwicklungen zu interpretieren oder Exempla zu geben, zunächst darin zu sehen, rechtlich, religiös oder auch gesellschaftlich-politisch verbindliche Normen zu setzen. Diese Tatsache darf im Sinne einer angemessenen Bewertung der Quellen jedoch in zweierlei Hinsicht nicht missverstanden werden. Als erstes ist dabei zu nennen, dass die Texte trotz ihres normativen Charakters keineswegs frei sind von ideologischen Einflüssen und Interessen der Herrschaftsdarstellung. Dieser Aspekt ist insbesondere im Umgang mit den Konzilsakten, aber auch bei den leges von Bedeutung. Darüber hinaus sind freilich Norm und Realität im Frühmittelalter ebenso wenig miteinander gleichzusetzen wie heute. Folglich ist zu berücksichtigen, dass ihre normativen Aussagen den realen historischen Verhältnissen nicht zwangsläufig entsprechen müssen. Ebenfalls in dieser Hinsicht ist für die leges besonders zu beachten, dass es sich dabei nicht um ein gänzlich „neues“ Textcorpus handelt. Das heißt, seine Gestalt ist nicht ausschließlich auf die Verhältnisse des spanischen Westgotenreiches zurückzuführen, sondern die Einflüsse, welche seine Genese und die in ihm verwandte Sprache bestimmt haben, reichen vielfach weiter zurück. Lässt sich dieser Prozess auch im Falle einzelner Gesetze nachvollziehen, so liegt er für deren Mehrzahl jedoch im Dunkeln. Wie weiter unten näher zu erläutern sein wird, ist für die Gesetzeswerke als Ganze in der neueren Forschung zudem umstritten, was als ihre primäre Funktion anzusehen ist und wie genau sie Anwendung gefunden haben. Mit anderen Worten lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, bis zu welchem Grad es sich etwa beim Liber Iudiciorum um ein zuvorderst praxisorientiertes Rechtshandbuch handelte oder inwieweit Promulgation neuer beziehungsweise die Revision bestehender Gesetze vor allem als in hohem Maße symbolische Akte der Herrschaftsrepräsentation aufzu4
Weiterführende Anmerkungen dazu erfolgen jeweils in den Einleitungen der folgenden Unterkapitel.
Die Konzilsakten des Toledanischen Reiches
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fassen sind. Es mag auf die Ungewissheit über einige dieser, für die Bewertung der Gesetzestexte keineswegs unerheblichen Bedingungen zurückzuführen sein, dass Roger Collins den Anfang seiner Ausführungen zum Thema „Law and Ethnic Identity“ unter die wenig Handfestes versprechende Überschrift „The Fog of the Law“ gestellt hat.5 In diesem nur schwer durchsichtigen Bereich wird es auf Basis der gegenwärtigen Forschungslage auch hier in einigen Fällen nur möglich sein, gangbare Wege der Interpretation aufzuzeigen, ohne den Nebel vollständig lüften zu können.
5.1 Die Konzilsakten des Toledanischen Reiches Die Fragestellung dieser Arbeit anhand der Akten der katholischen Kirchensynoden des spanischen Westgotenreiches zu beantworten, könnte vermeintlich dadurch sehr „leserfreundlich“ gestaltet werden, indem man sich strikt auf die Autorität des international renommierten Fachmannes bezöge und mit Dietrich Claude feststellte, „daß die Konzilsakten keine Spur eines ethnischen Dualismus erkennen lassen“.6 Claude selbst kommt an anderer Stelle jedoch auch zu der Einschätzung, dass „die Konzilsakten deutlich zwischen Romanen und Westgoten [unterschieden]“.7 Diese auf den ersten Blick diametrale Beurteilung aus berufenem Munde deutet bereits an, dass die Belege nicht frei von Interpretationsspielraum sind. Das vergleichsweise reichhaltige Corpus an zwölf sogenannten Reichs-8 und weiteren neun Provinzialsynoden ist in dieser Ausprägung ein Spezifikum der Quellengrundlage des spanischen regnum.9 Die Überlieferung der Akten dieser Konzilien geht auf eine zu Anfang des siebten Jahrhunderts 5 6 7 8
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Collins: Visigothic Spain, S. 223. Claude: Adel, Kirche und Königtum, S. 111. Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 23. In Anlehnung an den Sprachgebrauch der deutschen Forschung und die weltliche Funktion dieser Versammlungen transportierend, werden sie auch hier als Reichskonzilien bezeichnet. Auf die als Reichssynoden bezeichneten Versammlungen waren die Bischöfe aller Diözesen nebst dem König und auch weitere Laien einberufen, während die Provinzialsynoden eher von lokalem Interesse und auf eine Kirchenprovinz eingegrenzt waren. Mit Ausnahme des im Jahre 691 abgehaltenen Konzils von Saragossa fanden alle weiteren Reichssynoden in Toledo statt. Die Zusammensetzung, der formale Ablauf, die Struktur und die Inhalte der Reichskonzilien sind, unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von staatlicher und kirchlicher Macht, in der Dissertation von Schwöbel, Heide: Synode und König im Westgotenreich. Grundlagen und Formen ihrer Beziehung (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 1), Köln/ Wien 1982, untersucht worden.
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Die dokumentarischen Quellen
zusammengestellte und bis zum Ende des westgotischen Königreiches weiter fortgeführte Kirchenrechtssammlung mit dem Titel Hispana zurück, welche in 17 Handschriften erhaltenen ist und neben den spanischen auch ältere griechische, afrikanische und gallische Konzilien umfasst.10 Für die ebenfalls in die Hispana integrierten Akten der zwischen den Jahren 516 und 546 im noch arianischen regnum abgehaltenen sechs katholischen Provinzialsynoden – in Tarragona (516), Gerona (517), Toledo (II, 527), Barcelona (540), Lérida (546) und Valencia (546)11 – ist zunächst zu konstatieren, dass sie keine direkten ethnischen Bezüge aufweisen und eine Unterscheidung zwischen Katholiken und Arianern nicht gleichzeitig als klare ethnische Differenzierung verstanden werden kann, wie in Kapitel 3.5 erörtert wurde. Durchaus einen ethnischen Bezug weist hingegen das im Jahr 589 von König Rekkared in Toledo einberufene erste Reichskonzil auf, welches gleichzeitig als religionspolitische Wasserscheide bezeichnet werden kann. Diese Wertung bezieht sich zum einen auf die auf dem Konzil offiziell vollzogene allgemeine Konversion und die Abkehr der gens Gothorum vom Arianismus. Darüber hinaus ist der mit der „Rekkaredschen Wende“ eingeleitete Schulterschluss zwischen regnum und sacerdotium und die davon ausgehende Vermengung von kirchlichen und staatlichen Einflussbereichen, welche für die Struktur und die Ideologie des Toledanischen Westgotenreiches charakteristisch wurde, von großer Bedeutung.12 10
11
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Kritisch ediert wurde die Hispana – bis einschließlich des im Jahr 688 abgehaltenen Toletanum XV – unter dem spanischen Titel „La collección canónica hispana“ von 1966 bis 2002 in fünf Bänden, teilweise mit Teilbänden, von Gonzalo Martínez Diez und Felix Rodriguez. Der von Martínez Diez verfasste erste Band liefert eine ausführliche Untersuchung, siehe Id.: La collección canónica hispana, Bd. 1: Estudio (MHS SC 1), Madrid 1966. Für die Konzilien nach 688 muss die Ausgabe von Vives, Concilios, herangezogen werden, welche die Textversion jeweils einer Handschrift wiedergibt. Siehe einleitend dort auch S. VII–XV. Ein wertvolles Hilfsmittel bei einer übergreifenden Analyse der Konzilstexte ist das Lexikon des gesamten Vokabulars der Toledaner Synoden, einschließlich der auf die Edition von Vives bezogenen Belegnachweise, von Mellado, Joaquín (Hg.), Léxico de los concilios visigóticos de Toledo (Textos e Instrumentos 24), 2 Bde., Córdoba 1990. Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, S. 18–23; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 52–76; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 26–58. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 228, spricht von der von ihm so bezeichneten „Rekkaredschen Wende“ als „Wendung zu einem ausgeprägten Staatskirchentum mit charakteristischer Vermischung staatlicher und kirchlicher Kompetenz- und Aufgabenbereiche und einem erheblichen Einfluß der Kirche auf die Gestaltung des staatlich-politischen Lebens“. Martin: La géographie du pouvoir, S. 373: „[L]e régime visigothique avait élaboré sur la base des institutions romaines un nouveau type d’État, auquel l’Église catholique, sans être soumise au pouvoir temporel ni le dominer, par-
Die Konzilsakten des Toledanischen Reiches
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Obwohl es sich bei jenen Synoden im formalen Sinne um Kirchenversammlungen handelte, könnten die westgotischen Konzilien aufgrund der angesprochenen Verschränkung von weltlicher und klerikaler Sphäre treffender auch als „Reichsversammlungen“ charakterisiert werden, an denen die entscheidenden politischen Interessengruppen des regnum partizipierten.13 Können sie damit auch als das wichtigste Organ der politischen Organisation des Reiches erachtet werden, so ist dabei gleichwohl festzustellen, dass dieses nicht zu allen Zeiten in gleichem Maße genutzt wurde.14 Die Einberufung der Konzilien wie auch die auf ihnen behandelten kirchenwie staatsrechtlichen Themen lassen vielmehr eine enge Koppelung an die jeweiligen politischen Verhältnisse erkennen.15 „Denn angesichts der Beteiligung sowohl des Königs wie des Episkopats und des Adels an den Reichskonzilien waren sie zwangsläufig selbst Teil der innenpolitischen Machtauseinandersetzungen, die ohne Rücksicht auf die situationsbedingt jeweils unterschiedlichen Kräfteverhältnisse allein durch die Formulierung und Einschärfung theologisch-moralisch begründeter Verfassungs- und Rechtskategorien nur bedingt zu beeinflussen waren. Angesichts dieses Sachverhaltes galt auch für die Reichskonzilien die Maxime von der Politik als der Kunst des Möglichen und blieb ihnen eine Verstrickung in das machtpolitische Ränkespiel nicht erspart.“16 Wollte man die hier von Gerd Kampers treffend artikulierten politischen Implikationen der Reichssynoden noch stärker akzentuieren, ließe sich feststellen, dass diese bis zu einem gewissen Grad sogar konstitutiv gewirkt haben mögen. So wurden sie vor allem in
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ticipait. Cette participation de l’épiscopat au gouvernement est manifeste dans la pratique des conciles généraux de Tolède, qui n’avait pas d’équivalent dans les autres regna.“ Arce: The Visigoths in Spain, S. 33, S. 40. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der auf dem dritten Konzil von Toledo erstmals skizzierten Ideologie einer religiösen und politischen Einheit und deren Entwicklung hat Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, besonders S. 59–144, untersucht. Anton, Hans H.: Der König und die Reichskonzilien im westgotischen Spanien, in: HJb 92 (1972), S. 257–281, S. 262 f.; Claude: Westgoten, S. 73, S. 99 ff.; Thompson: Goths in Spain, S. 279; Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, einleitend besonders S. 14 ff. Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 326 ff. Abadal y de Vinyals, Ramón de: Dels visigots als catalans, Bd. 1: La Hispània visigòtica i la Catalunya carolíngia, Barcelona 31986 (1. Aufl. 1969), S. 7: „Els concilis de Toledo „poden ésser considerats com a institució compartidora de la direcció i del govern del Regne visigòtic“, per bé que la seva celebració no respongué a cap normativa, i que foren només el resultat de circumstàncies polítiques del moment en què foren convocats.“ Kampers: Westgoten, S. 248. Siehe auch Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 15.
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Die dokumentarischen Quellen
politisch unruhigen Phasen einberufen – das Recht dazu lag grundsätzlich beim König17 – und folglich in Situationen, in denen das bestehende Machtgefüge unter den anwesenden Optimaten neu verhandelt wurde. Wie im Zitat jedoch ebenfalls bereits anklingt, war es gerade das Ziel dieser Versammlungen, solcherlei Konflikte zu überwinden und die neue beziehungsweise konsolidierte Herrschaftsstruktur innerhalb des regnum religiös zu legitimieren und für die Zukunft festzuschreiben. Folglich spiegeln die Konzilsakten häufig ein Idealbild. Dieses zeigt eine von christlicher Unanimität getragene und sakralisierte Herrschaftsordnung, gegen welche aufzubegehren als Widerstand gegen den Willen Gottes und damit als Sakrileg interpretiert wurde und als solches sanktioniert werden sollte.18 Es ist sicher nicht sehr überraschend, dass dieses Idealbild nicht identisch mit jenem ist, welches beim Blick auf die „historische Realität“ erkenntlich wird. Bei diesem Vergleich kontrastiert die tatsächliche Konfliktivität und Rivalität zwischen König, Episkopat und Adel mit dem vermeintlichen religiös fundierten Konsens und es tritt ferner die Begrenztheit der auf den Konzilien formulierten Ansprüche und Regularien zutage. Im Jahr 2000 ist dieses Verhältnis von Herrschaftsideologie und machtpolitischen Auseinandersetzungen in monographischer Ausführlichkeit von Rachel L. Stocking behandelt worden, die dazu wie folgt befindet: „[C]hurch councils were envisioned as a means to impose obedience and unity upon all the inhabitants of the kingdom. The achievement of this broad ideal depended upon a practical, functioning consensus among all the communties of the kingdom: a general and uniform acceptance of a particular role for divine authority in worldly affairs. Throughout the seventh century kings and bishops struggled to make this ideal consensus real, thereby ensuring uniform obedience to se17
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Thompson: Goths in Spain, S. 280 f.; Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, S. 37 ff. Zur religiösen Herrschaftsideologie des Toledanischen Reiches siehe mit Literaturhinweisen zur älteren Forschung Anton: Der König und die Reichskonzilien, S. 257 ff., und in der neueren Forschung ausführlich Suntrup, Aloys: Studien zur politischen Theologie im frühmittelalterlichen Okzident. Die Aussage konziliarer Texte des gallischen und iberischen Raumes (Spanische Forschungen der Görres Gesellschaft; Zweite Reihe 36), Münster 2001, S. 189–412. Siehe dazu ferner z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 277–289; Orlandis: Época visigoda, S. 224–227; Valverde Castro, Maria R.: La iglesia hispano-visigoda. ¿Fortalecedora o limitadora de la soberanía real?, in: Hispania Antiqua 16 (1992), S. 381–392; Ead.: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 195–232; Linehan: History and the Historians, S. 22–46; Martin: Naissance d’une identité, S. 85–90; Id.: La géographie du pouvoir, S. 321–370; Collins: Visigothic Spain, S. 71 f.; Bronisch: Die westgotische Reichsideologie, S. 164–181; Drews: The Unknown Neighbour, S. 7–32, S. 252–292; Kampers: Westgoten, S. 185 ff., S. 247–250.
Die Konzilsakten des Toledanischen Reiches
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cular and conciliar legislation. Their efforts were met with continuing diversity and disobedience – from local communities as well as from powerful people […]. Thus, the governance of the Visigothic kingdom came to be characterized by an ongoing tension between leaders’ ideals for perfect Christian consensus and the notoriously imperfect practical consensus among themselves and among those they were attempting to govern. […] Throughout the rest of the seventh century the kingdom continued to be plagued by rebellions, factionalism, and ineffectual demands for obedience to the legislation of both kings and councils.“19 Diese für die Bewertung der synodalen Überlieferung besonders bedeutsamen einleitenden Bemerkungen könnten fraglos um eine ganze Reihe weiterer, im Zusammenhang mit den Konzilsakten als Quellen für das Toledanische Reich beachtenswerter Aspekte ergänzt werden. Gerade die damit angesprochene Materialfülle und der Facettenreichtum jenes Textcorpus machen es jedoch unmöglich, im Weiteren eine umfassende Untersuchung vorzunehmen, und mahnen stattdessen zu einer strikt an den in der Einleitung formulierten Leitfragen orientierten Bearbeitung. 5.1.1 Die allgemeine Konversion der gens Gothorum als Anfang vom Ende einer ethnischen Distinktion? Die Akten des dritten Konzils von Toledo Das zuletzt mit Blick auf das gesamte Corpus Gesagte gilt mindestens in gleichem Maße für das dritte Konzil von Toledo.20 Eine umfassende Forschungsliteratur legt Zeugnis sowohl über die Bedeutung dieser ersten Reichssynode für die westgotische als auch für die weitere spanische Geschichte ab.21 Aus nahe liegenden Gründen fand und findet die westgoti19
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Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, passim, Zitat S. 4. Siehe dazu allgemein, d.h. nicht auf die Analyse der Konzilsakten begrenzt, auch ausführlich Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 179–281; sowie Díaz, Pablo C./ Valverde, Maria R.: The Theoretical Strength and Practical Weakness of the Visigothic Monarchy of Toledo, in: Theuws/ Nelson (Hg.), Rituals of Power, S. 59–93. Für eine genauere Darstellung des Ablaufs und der Inhalte des Konzils siehe Schäferdiek: Die Kirchen, S. 205–233; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 103–111; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 64–88. Zur neueren Forschungsliteratur hinsichtlich der Rolle des Konzils in der westgotischen Geschichte siehe etwa den aus Anlass des 1400-jährigen Jubiläums des Toletanum III entstandenen Tagungsband, Concilio III de Toledo, (darin S. 209–877); sowie z. B. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 205–233; Abadal: Dels visigots als catalans,
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Die dokumentarischen Quellen
sche Konversion in Spanien hauptsächlich seitens jenes Lagers besondere Beachtung, welches der Katholizität eine für die spanische Identität konstitutive Bedeutung zuschreibt. Besonders greifbar wird eine solche Deutung etwa im Titel der federführend von Francisco Simonet anlässlich des 1300. Jubiläums des Toletanum III angestoßenen Untersuchung „El Concilio III de Toledo, base de la nacionalidad y civilización española“.22 Für unsere Fragestellung ist im Zusammenhang mit dem Konzil jene in der Forschung häufig zu findende Bewertung von zentralem Interesse, welche die auf ihm vollzogene Konversion in den Rang der entscheidenden Bedingung für eine sich daraufhin entwickelnde Annäherung der beiden ethnischen Gruppen des regnum hebt. Hintergrund für dieses Verständnis ist die Überzeugung, dass sich in der bis dato existierenden religiösen Aufgliederung der Bevölkerung in Arianer und Katholiken gleichzeitig eine ethnische Unterscheidung in Westgoten und Hispano-Romanen manifestierte, die einer vorherigen Annäherung im Weg gestanden habe. Demnach stellte die Aufhebung dieser religiösen Differenz den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls der genannten Bevölkerungsgruppen dar, welches sie ihre ethnischen Grenzen schließlich überwinden und zu einem „Staatsvolk“ werden ließ.23 Besonders artikuliert
22
23
Bd. 1, S. 70–73; Thompson: Goths in Spain, S. 94–109; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 95–117; Orlandis: Época visigoda, S. 108 ff., S. 116–124; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 449–455; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 59–88; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 201–227; Collins: Visigothic Spain, S. 64–69; Kampers: Westgoten, S. 183 ff. Simonet, Francisco J. (Hg.), El Concilio III de Toledo, base de la nacionalidad y civilización española, Madrid 1891 (ND Toledo 1978). Zu dem Titel befindet Orlandis, José: El significado del Concilio III de Toledo en la historia hispánica y universal, in: Concilio III de Toledo, S. 325–332, im Jahr 1991 wie folgt (S. 325): „El juicio de Simonet mantiene su valor al siglo transcurrido desde que lo formuló.“ Zur katholischen Deutung siehe auch die den Publikationen der wissenschaftlichen Tagung vorangestellten Beiträge im 1991 veröffentlichten Jubiläumsband (S. 1–209) oder auch den Beitrag des Erzbischofs von Toledo González Martín, Marcelo: El Concilio III de Toledo y la unidad católica de España, in: Semanas de Teología Espiritual 15 (1990), S. 263–275. Zur Forschungsgeschichte und der kritischen Auseinandersetzung mit der katholisch fundierten Nationalkonstruktion siehe z. B. García Moreno: La historia de la España visigoda. Líneas de investigación; Herzberg: Narrating the Past; Sáenz-Arance, Antonio: Constructing Iberia. National Traditions and the Problem(s) of a Peninsular History, in: European Review of History 10/2 (2003), S. 189–202; Drews: The Unknown Neighbour, S. 317–320, sowie speziell zur Rolle des Toletanum III z. B. Linehan: History and the Historians, S. 23, S. 34 f. Siehe dazu in Auswahl etwa Fontaine: Conversion et culture, S. 139 f.; Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 23, S. 27; Beltrán Torreira: El concepto de barbarie en la Hispania visigoda, S. 56 f.; Galán Sánchez: Género historiográfico, S. 166–172;
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wurde dieser Aspekt etwa von Suzanne Teillet, bei ihrer Untersuchung zur Entstehung eines hispano-gotischen Nationalgefühls.24 Sie wertet die Katholisierung des regnum unter Rekkared dabei als komplementären Akt zu der von Leovigild mit dem Schwert vollbrachten territorialen Konsolidierung des Westgotenreiches. Diese religiöse Vereinigung habe schließlich den Grundstein dafür gelegt, dass der westgotische König auch seitens der hispano-romanischen Bevölkerung als nunmehr vor allem christlich legitimierter Souverän in der Nachfolge des Kaisers habe akzeptiert werden können.25 Obwohl Teillet die Konversion also sowohl als Grundlage als auch als Impuls für die Zusammenfassung beider ethnischer Gruppen unter einer neuen Identität erachtet, so findet sie diese bereits in jenen, den Anfangspunkt dieser Entwicklung dokumentierenden Akten artikuliert: „La conversion des Goths d’Espagne au catholicisme semble bien être l’événement déterminant qui a donné naissance au sentiment national hispano-gothique, tel qu’il s’exprime déjà dans las Actes du IIIe concile de Tolède“.26 Diese Auffassung bedingt, dass es schon vor dem faktischen Vollzug einer solchen Annäherung (klerikale) Vordenker gegeben haben musste, welche sie als Ideologie in der Formulierung der Konzilsakten bereits ins Werk setzten.27 Hinsichtlich der Annäherung der beiden Bevölkerungsgruppen hatte sich schon weit früher Ferdinand Lot „optimistischer“ geäußert, indem er vermutete, dass die Aufhebung des konfessionellen Gegensatzes seinerzeit zu einer unmittelbaren Fusion geführt haben könnte.28
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Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 171 mit weiterer Lit. Anm. 152, S. 201 f., S. 288; Drews: The Unknown Neighbour, S. 9, S. 32; Bronisch: El concepto de España, S. 27; Kampers: Westgoten, S. 187. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 446–455, S. 446: „A l’origine de l’idée de nation hispano-gothique, et donc de nation espagnole, se trouve un phénomène religieux: la conversion de l’arianisme au catholicisme.“ Ibid., S. 450–454. Ibid., S. 455. Teillet selbst geht auf diesen Punkt nicht ausführlich ein. Lediglich mit Blick auf Johannes von Biclaro und Isidor von Sevilla formuliert sie einen solchen Gedanken, vgl. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 446: „Cet événement a pour ainsi dire cristallisé autour de lui les aspirations nationales des Goths, mais aussi des HispanoRomains, en faisant prendre conscience de ces sentiments à un petit nombre de hommes plus évolués, dont Jean de Biclar et plus tard Isidore de Séville. Ainsi s’élabore une pensée politique et religieuse, wisigothique aussi bien qu’hispanique, dont les deux créateurs sont les deux historiens précités.“ Lot: La fin du monde antique, S. 305: „Dès lors rien ne s’opposa plus au rapprochement, sinon à la fusion immédiate des Goths et des Hispano-Romains.“ Siehe dazu auch Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 150.
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In jüngerer Zeit ist Isabel Velázquez zu einem anderen Ergebnis gekommen. Während Teillet mit Blick auf die Akten glaubt nachweisen zu können, dass der Begriff Gothus sich bereits sowohl auf die Hispano-Romanen als auch auf die Westgoten beziehe, betont Velázquez gerade das Gegenteil.29 Es sei stattdessen deutlich zu erkennen, dass als Goten ausschließlich jene bezeichnet würden, welche unter Führung des Königs nunmehr vom Arianismus zum katholischen Glauben konvertierten. Diese seien damit klar von den katholischen Hispano-Romanen differenziert, welche ihrerseits in den Akten gänzlich unerwähnt blieben, da sie keine Rolle spielten.30 Sie unterstreicht damit jene Perspektive, aus welcher die Glaubenseinheit eine wichtige Station in einem Annäherungsprozess der ethnischen Gruppen gewesen sei, der jedoch erst wesentlich später zu einer Synthese geführt habe.31 Damit folgt sie einer bereits von Claude vertretenen Ansicht. Dessen eingangs zitierte und sich widersprechende Zitate sind demnach vielleicht so zu erklären, dass seiner Meinung nach aus den Akten des Toletanum III zwar noch eine ethnische Trennung abgeleitet werden könne, da die „vom Arianismus zum katholischen Glauben übertretenden Bischöfe und Geistlichen […] ausdrücklich als Goten bezeichnet“ würden,32 diese sich aber nicht in einer expliziten Differenzierung zwischen Westgoten und Romanen ausdrückte, da keine Notwendigkeit dazu bestanden habe, die Letztgenannten zu erwähnen.33 Nach Ein29
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Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 450: „C’est donc par référence au regnum converti que les expressions gens Gothorum, gens Gothica désignent désormais cette communauté qui a pris naissance lors de la conversion, autrement dit dans l’unité de la foi, et qui comporte à ce titre aussi bien les Hispano-Romains que les Goths sous le seul nom de Gothi.“ Im Gegensatz dazu befindet Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 168–175, S. 172: „But the gens Gothorum, to which the king belongs, does not lump together Goths and Romans. In Reccared’s words, they are clearly distinguished from each other.“ Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 168–173. Siehe auch Díaz y Díaz, Manuel C.: Los discursos del rey Recaredo. El Tomus, in: Concilio III de Toledo, S. 223–236, S. 227: „Es curioso comprobar que el rey prescinde de los hispanorromanos mayoritarios y ya de atrás católicos, como si no desempeñaran ningún papel especial. Acaso se nos está presentando una nueva teología política. Convertidos a la unidad católica, son los godos y suevos los que representan el verdadero reino al que habrán de asimilarse y acomodarse sus restantes súbditos: el rey, que no podría olvidarlos, prescinde deliberadamente de mencionarlos para mejor marcar sus nuevos puntos de vista.“ Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 174 f. Deutlich artikuliert wurde dies auch jüngst von Drews: The Unknown Neighbour, S. 32: „The main parameters of Gothic identity were changing since the 3rd council of Toledo, and at the same time the old concept of (provincial) Roman identity was gradually weakening.“ Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 23. Ibid., S. 21.
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schätzung Claudes hatte Rekkared „durch den Übertritt zum Katholizismus die religiöse Einheit des Reiches hergestellt und die letzte Barriere, die Westgoten und Romanen trennte, niedergerissen“.34 Die Vorannahme, dass eine solche ethnisch-religiöse Barriere existierte, ist es auch, welche Claude dazu führt, den gleichen Quellenbefund – nämlich die Absenz eines Belegs für die Existenz einer im ethnischen Sinne als romanisch identifizierten Bevölkerungsgruppe – im Laufe der Entwicklung vom Ende des sechsten bis in die Mitte des siebten Jahrhunderts hinein a priori unterschiedlich zu bewerten: „[D]ie Romanen werden in keinem Konzils- oder Gesetzestext als gens bezeichnet. Auf dem 3. Toletanum bestand keine Notwendigkeit, sie zu erwähnen, da sie, von Ausnahmen abgesehen, stets katholisch gewesen waren. Das Schweigen späterer Konzilien ließe sich hypothetisch dadurch erklären, daß die Romanen nicht mehr als eigene ethnische Einheit, sondern als Teil des westgotischen Staatsvolkes galten.“35 Wenden wir uns nach diesen Ausführungen zur Forschungslage nun den Akten selbst und insbesondere den in ihnen belegten Ethnika zu, so bestätigt der Text zunächst, dass die einheimische Bevölkerung, als eine etwaige ethnische Gruppe der Hispano-Romanen, nicht greifbar wird. Der Begriff Romanus ist zwar drei Mal belegt, ohne dabei jedoch auf eine als romanisch zu verstehende Bevölkerungsgruppe zu verweisen.36 In Bezug auf die Goten kann weiterhin festgestellt werden, dass der in der kritischen Edition von Martínez Diez und Rodriguez immerhin 110 Druckseiten umfassende Text genau sieben Gothus-Belege überliefert. Es wird mithin auf den ersten Blick klar, dass Ethnizität in den Akten des Toletanum III nur eine marginale Position einnimmt. Der erste jener Belege ist sogleich in der Einleitung zu finden und stellt heraus, dass der König alle Bischöfe seines Herrschaftsbereiches zusammengerufen habe, damit sie sich seiner wie auch der Kon34 35
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Ibid., S. 22 f.; vgl. auch Id.: Westgoten, S. 73. Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 21. Zur Bestätigung der hier von Claude zunächst noch nur als Hypothese dargestellten Einschätzung siehe ibid., S. 27 f. Zwei der drei Belege finden sich im ersten der vom Konzil erlassenen Kanones und beziehen sich auf den römischen Sitz des Papstes, Tolet. III, Vt conciliorum statuta et praesulum Romanorum decreta custodiantur, 640–641, S. 103; Maneant in suo uigore conciliorum omnium constituta simul et synodicae sanctorum praesulum Romanorum epistolae, 730–732, S. 109. Der dritte Beleg steht im Kontext des sich gegen die arianische Synode des Jahres 580 richtenden und von den Konvertiten ausgesprochenen Anathems, in dem es heißt: Quicumque libellum detestabilem duodecimo anno Leuuigildi regis a nobis editum, in quo continetur Romanorum ad haeresem Arrianam transductio […], hunc libellum si quis pro uero habuerit, anathema in aeternum sit, 382–386, S. 82 f. Hier sind die Romani als Synonym für Katholiken zu verstehen, ohne damit einen „ethnischen“ Bezug zur hispano-romanischen Bevölkerung zu konnotieren. Siehe dazu Kap. 4.1.
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version der gens Gothorum erfreuten.37 Als die Versammlung nach einem vom König angeordneten mehrtägigen Bußfasten erneut zusammentrat, wurde von einem Notar eine königliche Erklärung zur Konversion verlesen.38 In diesem tomus legt der König unter anderem dar, dass die gesamte gens Gothorum anwesend sei, welche bisher durch den „Irrtum ihrer Lehrer“ (prauitate doctorum) vom rechten Glauben und der Kirche abgesondert gewesen sei, um von nun an jedoch vereint mit ihm an der Kommunion jener Kirche teilzunehmen, welche sie in ihren viele Völker beherbergenden Schoß aufnehme.39 Kurz darauf führt Rekkared weiter aus, dass sich zu seinem höchsten Glück jedoch nicht nur die Konversion der Goten, sondern auch jene der Sueben eingestellt habe, welche durch himmlischen Beistand seiner Herrschaft unterworfen wurden.40 Die weiteren vier Gothus-Belege des Toletanum III stehen in Zusammenhang mit dem auf den tomus folgenden Glaubensbekenntnis, welches von allen Bischöfen, Priestern und Großen der gens Gothorum unterzeichnet wurde.41 Dieses setzt damit ein, dass einer der katholischen Bischöfe das Wort an die vom Arianismus konvertierten Bischöfe, Kleriker und „Adligen“ richtete (unus episcoporum catholicorum ad episcopos et religiosos uel maiores natu ex haerese Arriana conuersos eiusmodi allocutione exorsus est dicens), um zu erfahren, was sie an ihrem bisherigen Irrglauben verurteilten und was sie stattdessen nun glaubten.42 In der Einleitung zur darauf folgenden fidei professio wird erneut hervorgehoben, dass diese von allen Bischöfen, vereint mit den Klerikern und Großen der gens Gothorum gemeinsam gesprochen wurde.43 Ein weiterer Beleg ist dann in der Subskriptionsliste zu finden. Dort wird im Anschluss an die Unterschriften der Bischöfe zunächst festgehalten, dass auch die von der arianischen Häresie konvertierten Priester und Diakone, die anschließend aufgeführt sind, das Bekenntnis unterzeichneten.44 Nach deren Subskription ist schließlich zu lesen, dass similiter et omnes seniores Gotorum subscripserunt.45 Diese Differenzierung wird auch in der letzten und direkt darauf folgenden Nennung aufgenommen, welche die erneute Ansprache Rekkareds damit 37 38
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Tolet. III, 9–12, S. 50. Tolet. III, 43–50, S. 53. Derlei königliche Eingaben sind auch für spätere Konzilien belegt, siehe ausführlich Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, S. 81–102. Tolet. III, 91–96, S. 57 f. Tolet. III, 98–100, S. 58. Tolet. III, 305–307, S. 75. Tolet. III, 308–329, S. 75 ff. Tolet. III, 330–331, S. 77. Zum darauf folgenden Glaubensbekenntnis mitsamt Subskriptionsliste siehe 332–592, S. 77–98. Tolet. III, 585–586, S. 98. Tolet. III, 592, S. 98.
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einleitet, dass dieser post confessionem igitur et subscriptionem omnium episcoporum et totius gentis Goticae seniorum das Wort erhoben habe.46 Die hier zitierten sieben Textbelege lassen sich zunächst in zwei Gruppen gliedern. Die erste Gruppe wird dabei von den ersten drei Belegen gebildet, die zum einen in der Einleitung sowie in den Fällen zwei und drei im tomus des Königs zu finden sind. Sie lauten dabei im Einzelnen wie folgt: 1. Cum pro fidei suae sinceritate idem gloriosissimus princeps omnes regiminis sui pontifices in unum conuenire mandasset ut tam de eius conuersione quam de gentis Gotorum innouatione in Domino exsultarent (Tolet. III, 9–12, S. 50). 2. Adest enim omnis gens Gotorum inclita et fere omnium gentium genuina uirilitate opinata, quae licet suorum prauitate doctorum a fide hactenus uel unitate ecclesiae fuerit catholicae segregata, toto nunc tamen mecum assensu concordans eius ecclesiae communioni participatur quae diuersarum gentium multitudinem materno sinu suscipit (Tolet. III, 91–96, S. 57 f.). 3. Nec enim sola Gotorum conuersio ad cumulum nostrae mercedis accessit, quin immo et Sueuorum gentis infinita multitudo, quam praesidio caelesti nostro regno subiecimus, alieno licet in haeresim deductam uitio, nostro tamen ad ueritatis originem studio reuocauimus (Tolet. III, 98–100, S. 58).
Es wird deutlich, dass über die Goten hier gleichsam von einem erhöhten Standpunkt aus berichtet und die gens als Ganze betrachtet wird. Sie erscheint dabei zunächst als eben jene Gruppe von Konvertiten, die sich auf dem Konzil vom Arianismus ab- und dem Katholizismus zuwandte. Beachtet man jedoch einige sprachliche Details in der Darstellung, so scheint eine Differenzierung dieser pauschalen Feststellung möglich. Hinsichtlich des Befundes ist dabei zunächst der bei allen drei Zitaten dezidiert hervortretende enge Bezug der Ethnika Gothus und, bei Beleg drei, Sueuus zur Person des Königs zu nennen. Ebenfalls bei allen drei Textpassagen fällt auf, dass neben den eng aufeinander bezogenen Größen gens und rex die Kleriker gesondert genannt werden. Dies geschieht in Zitat eins in Form der pontifices in zwei durch die doctores und in drei zumindest indirekt durch den Hinweis auf diejenigen, welche die Sueben zur Häresie geführt hätten. Die Goten wiederum sind im letzten Satz in Bezug zu den Sueben zu verstehen. Zu beachten ist im Zitat zwei ferner der Verweis auf die virilitas der gens Gothorum – sicher kein religiöses Attribut –, für welche sie von beinahe allen Völkern geachtet werde. Was sich bis hierher andeutet, ist zwar nicht als eine deutlich artikulierte Gegenüberstellung von einer klerikalen und einer weltlichen Sphäre zu werten, es deutet sich jedoch ein bestimmtes Bezugsfeld an, in dem die Gothi hier explizit benannt und in gewisser Weise von klerikalen Handlungsträgern differenziert genannt werden. Die zweite Gruppe wird von den vier verbleibenden Belegen gebildet, die alle in direktem Zusammenhang zur fidei professio stehen: 46
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4. In nomine Domini Iesu Christi item fidei confessio episcoporum, presbyterorum uel primorum Goticae gentis qui infra subscripserunt (Tolet. III, 305–307, S. 75). 5. Tunc episcopi omnes una cum clericis suis primoresque gentis Goticae pari consensione dixerunt (Tolet. III, 330–331, S. 77). 6. Similiter et omnes seniores Gotorum subscripserunt (Tolet. III, 592, S. 98). 7. Post confessionem igitur et subscriptionem omnium episcoporum et totius gentis Goticae seniorum gloriosissimus domnus noster Reccaredus rex […] dicens (Tolet. III, 593–596, S. 98 f.).
Richten wir die Aufmerksamkeit zunächst auf das Zitat mit der Nummer vier, so ist der Bezug des Genitivattributes Goticae gentis nicht eindeutig zu bestimmen, denn es kann sich sowohl auf alle drei genannten Personengruppen beziehen als auch ausschließlich auf die primi. Diese Interpretationsmöglichkeit kann auch für die Belege der Beispiele fünf und sieben nicht ausgeschlossen werden, allerdings tendieren sie eher in die Richtung jener Differenzierung, wie sie bereits in der ersten Beleggruppe weiter oben zu beobachten war. So ist in Zitat fünf einerseits die Gruppe der Kleriker auszumachen (episcopi omnes una cum clericis suis), denen dann die Großen der gens Gothorum beigestellt werden. Beide gemeinsam legen schließlich die fidei professio ab. Gleiches lässt sich über den Beleg sieben sagen, denn auch hier ist die Rede von der Subskription „aller Bischöfe“ einer- und „sämtlicher Großen des gotischen Volkes“ andererseits, welche nach dem Glaubensbekenntnis die darauf folgenden Worte ihres Königs hörten. Offenkundig ist eine Aufgliederung jedoch in der Textpassage sechs. Dabei ist von Bedeutung, noch einmal darauf hinzuweisen, dass diesem Zitat der Hinweis darauf vorausgeht, dass im Anschluss an die Unterschriften der ehemals arianischen Bischöfe zunächst similiter et reliqui presbyteri et diacones ex haerese Arriana conuersi subscripserunt.47 Erst nachdem diese Priester und Diakone im Folgenden namentlich genannt wurden, findet sich gesondert von den Klerikern der Hinweis auf die seniores Gothorum. Es ist insgesamt also eine gewisse Differenzierung bei der Identifikation der Gothi zu beobachten und zwar dahingehend, dass der Begriff in besondere Nähe zu den weltlichen Großen arianischen Glaubens gerückt wird. Es darf dabei vorausgesetzt werden, dass es sich bei dieser Identifizierung nicht um eine derart exklusive handelt, dass Kleriker von der gens Gothorum ausgeschlossen gewesen wären. Die Beispiele der als Goten identifizierten Bischöfe Sunna, Masona, Renovatus und Johannes beweisen, dass kirchliche Ämter eine gotische Identifikation nicht ausschlossen.48
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Tolet. III, 585–586, S. 98. Wie bei der Analyse der VSPE jedoch zu beobachten war, wird diese Kombination dort auch besonders bemerkt, eben weil Gothus innerhalb jener Quelle zuvorderst auf eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung verweist, vgl. Kap. 4.3.
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Über diese „Binnendifferenzierung“ hinaus ist mit Blick auf die Verwendung der ethnischen Identifikation innerhalb der Akten weiterhin zweierlei auffällig. Zum einen ist dies, dass sie nur im ersten, vom König dominierten Abschnitt vorkommt, während sie in der katholischen Perspektive auf die Ereignisse keine Rolle spielt. In der für die letztgenannte Sicht beispielhaften homilia, die abschließend von Leander von Sevilla – dem einflussreichsten Geistlichen des Reiches in jener Zeit – vorgebracht wurde, wird das Leitmotiv der eschatologischen Einheit aller Völker im wahren Glauben und der orthodoxen Kirche beredt dargestellt und der Freude darüber Ausdruck verliehen, dass diese Einheit durch die Konversion nun hergestellt sei.49 Ein Bild für diese Deutung stellt an anderer Stelle auch die Metapher der membra corporis Christi dar, zu welchen die Häretiker durch die Verdammung des Arianismus nunmehr geworden seien.50 Bei Leander erscheint diese christliche Unanimität schließlich als Basis des nun katholisch fundierten regnum.51 Findet jene Eloge katholischer Einmütigkeit also durchaus einen Bezug zum regnum, so wird dieses ebenso wenig ethnisch identifiziert wie die gentes, die darin nunmehr im Glauben zusammengefasst seien.52 Als zweite Auffälligkeit ist die Beobachtung anzusprechen, dass die Identifika49
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Tolet. III, 98–257, S. 148–159. Für eine Analyse der homilia unter vornehmlich philologischen Gesichtspunkten siehe Fontaine, Jacques: La homilía de San Leandro ante el Concilio III de Toledo: temática y forma, in: Concilio III de Toledo, S. 249–269. Zur inhaltlichen Akzentuierung ibid., S. 256: „Leandro se propuso aquí celebrar al misterio central de la Iglesia esposa y cuerpo de Cristo, tal y como este misterio acababa de actualizarse en la conversión de los Godos“, ohne die Letztgenannten jedoch namentlich zu erwähnen. Vgl. fernen Schäferdiek: Die Kirchen, S. 232 f.; Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 21 f.; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 116 f.; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 85–88; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 221 ff.; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 170 ff. So werden die Konvertiten etwa mit den folgenden Worten zur fidei professio aufgefordert: Eo itaque fiet ut et uos Christi esse corporis membra significetis […], dum patuerit uos tabem perfidiae Arrianae cum omnibus dogmatibus, regulis, officiis, communione, codicibus praedamnare et a detestandae haereseos exspoliati contagione, innouati quadammodo intra ecclesiam Dei splendide habitu uerae fidei clareatis, Tolet. III, 323–329, S. 76 f. Vgl. zur corpusmembra-Metapher auch Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 215 f. Tolet. III, Superest autem ut unanimiter unum omnes regnum effecti tam pro stabilitate regni terreni quam felicitate regni caelestis Deum precibus adeamus, ut regnum et gens, quae Christum glorificauit in terris, glorificetur ab illo non solum in terris, sed etiam in caelis, 253–257, S. 159. Fontaine: La homilía de San Leandro, S. 257. Vgl. etwa auch Schäferdiek: Die Kirchen, S. 233; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 221; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 170/171: „The term gens appears several times in this Homily, although never associated with Gothi, to refer to the several peoples united in the faith–sometimes also called populi–resorting to biblical quotations that do not identify any specific peoples.“
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tion der gens als gotisch auch im Sprachgebrauch Rekkareds nach dem Vollzug der Konversion innerhalb der Akten nicht mehr festzustellen ist. Besonders greifbar wird dies im edictum regis in confirmatione concilii. In dieser Bestätigung greift der König die zuvor von den Bischöfen aufgestellten Kanones noch einmal auf und verleiht ihnen durch seine königliche Autorität allgemeine Rechtskraft.53 In diesem Edikt nennt Rekkared mehrfach den Adressatenkreis, an den sich die von ihm bestätigten Bestimmungen richten. Er verzichtet dabei auf jedwede ethnische Identifikation und bezieht sich unmissverständlich auf omnes homines ad regnum nostrum pertinentes.54 Die gesamte damit benannte Reichsbevölkerung erfährt in der das Edikt abschließenden Sanctio noch eine soziale Differenzierung in Kleriker und Laien, die wiederum in Bischöfe, Priester, Diakone und einfache Geistliche sowie Laien höheren und niederen Standes untergliedert werden.55 Auch diese Differenzierung bietet dem König keinen Anlass dazu – etwa bei der Nennung der weltlichen Großen, wie in Anlehnung an die oben gemachten Beobachtungen vielleicht zu vermuten wäre – über Goten zu sprechen. Auf Grundlage dieser Ausführungen ist also Isabel Velázquez darin zuzustimmen, dass die gens Gothorum in den Akten des Toletanum III als jene Gruppe erscheint, welche unter Führung des Königs vom Arianismus zum Katholizismus konvertierte.56 Zu fragen ist jedoch, welche Schlussfolgerung aus diesem Befund gezogen werden können. Um sich dieser Frage zu nähern, bedarf es einiger Anmerkungen, welche die hohe Komplexität dieses Textes verdeutlichen, was wiederum für dessen angemessene quellenkritische Einordnung notwendig erscheint. In den einführenden Bemerkungen ist das den Konzilsakten eigene Spannungsverhältnis schon thematisiert worden. Dieses besteht zwischen der Darstel53
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Tolet. III, 938–2, S. 132–139; Schäferdiek: Die Kirchen, S. 231 f.; Orlandis/ RamosLissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 116; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 70 f.; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 220 f. Tolet. III, 942–943, S. 133; vgl. auch die Eingangsformulierung des Ediktes, Gloriosissimus et piissimus domnus noster Reccaredus rex uniuersorum sub regni nostri potestate consistentium, ibid., 934–935, S. 132 Tolet. III, 996–2, S. 138 f., Si quis ergo clericus aut laicus harum sanctionum oboediens esse noluerit, si episcopus, presbyter, diaconus aut clericus fuerit, ab omni concilio excommunicationi subiaceat; si uero laicus fuerit et honestioris loci persona est, medietatem facultatum suarum amittat, fisci uiribus profutura; si uero inferioris loci persona est, amissione rerum suarum multatus in exilio deputetur; vgl. auch ibid., 946–949, S. 133/134, Capitula enim […] in omni auctoritate siue clericorum siue laicorum siue quorumcumque hominum obseruentur et maneant. Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 168: „I believe, on the contrary, that gens Gothorum represents here a human group which, led by their king, has converted to Catholicism.“
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lungsabsicht einer christlich fundierten und sich gegenseitig stützenden Einheit von regnum und sacerdotium einer- und den faktisch fortwährend ausgetragenen Herrschaftsauseinandersetzungen zwischen den mit diesen Größen verbundenen Handlungsträgern andererseits. Zu beachten ist dabei, dass sich die Toledaner Reichskonzilien als systemstabilisierendes Instrument zur Artikulation neuer Machtstrukturen im siebten Jahrhundert etablierten.57 Beim ersten Reichskonzil im Jahre 589 war dies jedoch noch nicht der Fall. Das auch als „Inaugurationsstätte der westgotischen Staatskirche“58 bezeichnete Toletanum III stellt vielmehr erst den Ansatz dazu dar, ein zentralistisches und stabilisierend wirkendes „Regierungsorgan“ zu schaffen, in welchem die mächtigsten Interessengruppen vertreten waren und durch welches auch auf alle Bewohner des regnum Einfluss ausgeübt werden konnte. Insbesondere vor dem komplizierten macht- und religionspolitischen Hintergrund der 580er Jahre gingen die jeweiligen Interessen der sich in dieser Form erstmals zusammenfindenden Teilnehmer des Konzils auseinander. Joaquín Mellados ist mithin ausdrücklich zuzustimmen, wenn er nur vermeintlich blumig konstatiert: „[E]stamos en condiciones de afirmar que el camino recorrido por Recaredo y la jerarquía eclesiástica católica, tanto antes de la conversión como entre ésta y la celebración del concilio inclusive, no fue precisamente de rosas.“59 So trafen sich dort arianische Kleriker, deren Kirche und damit deren Machtgrundlage durch die Konversion aufgelöst werden sollte, mit katholischen Geistlichen, welche die Inkorporation neuer Bischöfe – zumal solcher, welche in katholischer Interpretation noch kurze Zeit zuvor als Häretiker galten – in die eigene Kirchenstruktur und damit auch eine neue, interne Konkurrenzsituation akzeptieren mussten.60 In diesem Sinne ist 57
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Siehe dazu Schwöbel: Synode und König, passim; Valverde Castro: La iglesia hispanovisigoda, S. 388–392; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 174–177; Kampers: Westgoten, S. 247–250. Anton: Der König und die Reichskonzilien, S. 259. Mellado, Joaquín: Nuevas dudas sobre las relaciones monarquía-episcopado en época de Recaredo, in: Pérez González (Hg.), Actas I congreso nacional de latín medieval, S. 329–336, S. 329. Konkret bestand eine solche Konkurrenz etwa in Form doppelt besetzter Bistümer in jenen Städten, welche zuvor sowohl Sitz einer arianischen als auch einer katholischen Diözese gewesen waren. Ob das Verhältnis der nunmehr zwei katholischen Bischöfe als eine Doppelbesetzung beschrieben werden muss oder ob den Neugläubigen nur eine Ehrentitulatur zugebilligt wurde, ist umstritten. Siehe für eine Doppelbesetzung argumentierend Schäferdiek: Die Kirchen, S. 221 f., sowie Mikat: Doppelbesetzung oder Ehrentitulatur, S. 19–37, welcher die neu- den altgläubigen Bischöfen gegenüber hierarchisch untergeordnet sieht. Auf mögliche Anzeichen für Spannungen bei der Eingliederung der konvertierten Kleriker in die katholische
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hinsichtlich der Absenz des Tarraconensischen Metropolitanbischofs auf dem Konzil etwa auch vermutet worden, dass diese durchaus als Ausdruck einer ablehnenden Haltung gegen die Integrationsmodalitäten des arianischen Klerus’ interpretiert werden könnte.61 Aus einer anderen Perspektive trafen sich in Form eben jener Bischöfe dort aber auch einflussreiche Potentaten und Vertreter ihrer jeweiligen Regionen, welche befürchten mussten, dass die weitgehende Selbstbestimmtheit ihrer civitates oder der darüber hinausgehenden Diözesen sowie ihr persönlicher Einfluss in ihnen in doppelter Weise einem zentralen Zugriff ausgesetzt würden:62 einerseits durch eine in erhöhtem Maße zentralistisch organisierte Kirchenstruktur, vor allem aber auch durch den Einfluss des sich innerhalb derselben an höchster Stelle positionierenden Königs. Dieser, in den Konzilsakten gleich eingangs vielsagend als piissimus, fidelissimus, sanctissimus und religiosissimus attribuiert,63 stellt sich dabei als das Werkzeug Gottes dar, durch welches der Herr die religiöse Zwietracht beendet und die häretischen Völker unter seiner Regentschaft und durch sein Beispiel in die Gemeinschaft der Kirche geführt habe.64 Aus dieser religiösen Legitimation seiner Herrschaft leitet Rekkared gleichzeitig einen umfassenden und seiner Darstellung nach von Gott erteilten Herrschaftsauftrag ab, welcher sich ausdrücklich auch auf die religiöse Führung der ihm anvertrauten Völker beziehe.65 Wie schon beim
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Kirchenstruktur in der Tarraconensis weist auch Schäferdiek: Die Kirchen, S. 223 f., hin. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 224. Siehe Martin: Les évêques visigothiques dans leur espace. Den Wandel der politischen Funktion der Bischöfen in der Hispania, von weitgehend autonomen lokalen Machthabern hin zu integralen Bestandteilen eines zentral bestimmten regnum, fasst sie dabei wie folgt zusammen (S. 223): „Notables pratiquement autonomes au Ve et au début du VIe siècle, ils sont peu à peu devenus les éléments articulant une unité territoriale bien plus modeste que l’œkoumène mais dépassant largement leur propre diocèse, une intégration qui limite certes leur faculté d’exploiter les églises, mais confère aussi plus de solidité à leur démarcation territoriale.“ Tolet. III, 5, S. 49; 13, S. 50; 28, S. 51. Siehe z. B. Tolet. III, Proinde, sanctissimi patres, has nobilissimas gentes quae lucris per nos Dominicis applicatae sunt, quasi sanctum et placabile sacrificium per uestras manus aeterno Deo offero, 102–105, S. 58; ibid., 82–91, S. 56 f.; 158–166, S. 63 f. Tolet. III, 51–59, S. 54, Deus omnipotens pro utilitatibus populorum regni nos culmen subire tribuerit […] pro qua re quanto subditorum gloria regali extollimur, tanto prouidi esse debemus in his quae ad Deum sunt, uel nostram spem augere uel gentibus a Deo nobis creditis consulere; siehe auch ibid., 596–610, S. 99f. Zur theokratischen Herrschaftslegitimierung Rekkareds siehe Schäferdiek: Die Kirchen, S. 209ff., S. 217f.; S. 238f.; Díaz y Díaz: Los discursos del rey Recaredo; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 197–202; Martin: La géographie du pouvoir, S. 347f.; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 205–215, S. 220–225; Bronisch: Die westgotische Reichsideologie, S. 164ff.
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religiösen Einigungsversuch Leovigilds gesehen, bestand auch Rekkareds Ziel dabei freilich in einer ideologischen, strukturellen und materiellen Stärkung der Position des Königs durch eine Einflussnahme auf die Kirche.66 Obschon die katholische Kirche von ihrer neuen Stellung selbstredend profitierte,67 ist dessen unbenommen auch leicht vorstellbar, dass Rekkareds Interpretation der Konversion und der aus ihr abgeleitete religiöse Führungsanspruch für das katholische Episkopat nicht einfach zu akzeptieren waren. Schon Knut Schäferdiek war die kühle Reserviertheit aufgefallen, mit welcher Leander „dem Griff des Königs nach der Kirche und der geistlichen Autorität, […], aber auch […] der in dessen Folge der Kirche zufallenden neuen Position der Einfluß- und Wirkungsmöglichkeit“ gegenübertrat.68 Tatsächlich wird Rekkared, der sich selbst die Hauptrolle bei den Ereignissen zuschreibt, von Leander vielsagend beschwiegen.69 Über sein Schweigen hinaus legt eine genaue Lektüre der homilia in Abgleich mit den Eingaben des Königs nahe, dass sie zwischen den offenkundig zur Freude aufrufenden Zeilen auch als kritische Entgegnung auf die „Apotheose“ des Königs verfasst wurde.70 In diesem Zusammenhang darf mit einiger Berechtigung vermutet werden, dass der religionspolitischen Wendung Rekkareds seitens der katholischen Bischöfe anfangs mit einigem Misstrauen begegnet wurde. Schließlich war der König von seinem Vater bereits frühzeitig als Nachfolger auserkoren worden und durch die arianische Religionspolitik Leovigilds hatte die katholische Kirche sich bis in die Mitte der 580er Jahre einigen Schwierigkeiten ausgesetzt gesehen. Unklar ist fer66
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Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 71. Siehe dazu auch Saitta: La conversione di Reccaredo, S. 376 ff.; Díaz y Díaz: Los discursos del rey Recaredo; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 169 ff. Vgl. dazu etwa Valverde Castro: La iglesia hispano-visigoda, S. 387 f.; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 74 f. Schäferdiek: Die Kirchen, S. 233. Gómez Cobo: Matizaciones teológicas y políticas, S. 15: „Por el contrario, llama poderosamente la atención que, en la Homelia in laude Ecclesiae, discurso de clausura del Concilio, Leandro no nombre al rey ni se dirija nunca directa o indirectamente a él ni siquiera por cortesía.“ Vgl. auch Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 221. Siehe dazu besonders die Beiträge von Mellado: Nuevas dudas; Id.: Veladas discrepancias y pugna por el poder en el III Concilio de Toledo (Discurso de apertura del año académico 2001–2002), in: Boletín de la Real Academía de Córdoba 141 (2002), S. 9–25, S. 10: „Leandro en su Homilía, a pesar de las apariencias de extraordinaria alegría y concordia, utiliza una determinada clave, en la que no ha reparado la crítica histórica, para mostrar su enérgica discrepancia con la actitud de Recaredo de arrogarse todo el protagonismo de esa conversión“.
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ner, ob Rekkared eine tragende Rolle bei der Beseitigung seines zum Katholizismus konvertierten Bruders Hermenegild hatte. Die Akten lassen dabei keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diese Verbindung nicht in Vergessenheit geraten war und dass die staatliche Macht, mit der die Kirche sich nun assoziierte, mit jener identifiziert wurde, von der noch vor kurzer Zeit eine große Gefahr ausgegangen war.71 Dem Ansinnen, einer durch die jüngste Vergangenheit genährten Skepsis seitens des katholischen Episkopats vorzubeugen, mag es auch geschuldet sein, dass Rekkared gleich zu Anfang die von seinem Vater ausgegangene Bedrängung der katholischen Kirche selbst anspricht. Von dieser und damit von der Religionspolitik Leovigilds distanziert Rekkared sich dann jedoch sogleich durch den Hinweis auf seine eigene Konversion kurz nach dem Tod seines Vaters.72 Wie neuere Untersuchungen herausgearbeitet haben, übersieht also jene Auffassung, nach welcher „die Kirche […] sich mit größter Bereitwilligkeit in den Dienst des katholischen Herrschers“73 gestellt habe, die Widersprüche, die sich zwischen katholischem Episkopat und königlichem Herrschaftsanspruch auf dem Toletanum III ergaben.74 Dies mag gerade deswe71
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So ist etwa in aller Deutlichkeit davon die Rede, dass die Häresie von der weltlichen Herrschaft begünstigt worden sei, siehe Tolet. III, omnis excessus haeresis foueretur patrocinio, 726–727, S. 108/109; vgl. dazu auch Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 73/74. Siehe für weitere Bezüge innerhalb der Akten ferner Tolet. III, 108–114, S. 149; 382–387, S. 82 f. Die Gefahr für den Katholizismus hatte dabei weniger in Form einer gewaltsamen Unterdrückung oder Verfolgung bestanden, als vielmehr in der Verwässerung der konfessionellen Grenzen und damit einhergehender Apostasie. Tolet. III, 36–39, S. 52, Non credimus uestram latere sanctitatem quanto tempore in errorem Arrianorum laborasset Spaniae; et non multos post discessum genitoris nostri dies, quibus nos uestra beatitudo fidei sanctae catholicae cognouit esse societatus, credimus generaliter magnum et aeternum gaudium habuisse. Claude: Westgoten, S. 73; siehe auch Bronisch: Die westgotische Reichsideologie, S. 165; Kampers: Westgoten, S. 186 f. Schon Schäferdiek machte deutlich, dass der Führungsanspruch Rekkareds aus Sicht der Kirche mindestens als ein Kompromiss erachtet werden musste, der gleichwohl als Sieg dargestellt wird Id.: Die Kirchen S. 239 f.: „Die Kirche des westgotischen Reiches hat sich dem gefügt und es sich nicht nehmen lassen, die Wende von 589 als einen Gewinn zu feiern.“ Vgl. jetzt dazu Mellado: Nuevas dudas; Id.: Veladas discrepancias y pugna por el poder; Gómez Cobo: Matizaciones teológicas y políticas, S. 28: „En conclusión se puede pensar que, sin menoscabo de la lógica alegría por la unidad conseguida, tras una lectura, reposada y detenida, de las Actas del Concilio y, especialmente, de la Homilía de Leandro, se entreve, entre líneas, una especie de ‚tensión‘ que se hace más nítida en la Homilía, aunque latente en un lenguaje medido, cuidado, ‚diplomático‘ y acorde con la ocasión clebrada.“ Siehe ausführlich dazu auch Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 59–88, die wie folgt skizziert (S. 74/75): „The acknowledgment of the king’s role in subsequent canons indicates
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gen besonders leicht geschehen, weil es weder das Motiv noch Ziel der schriftlichen Überlieferung des Konzils war, diese komplizierte Mélanges abzubilden, sondern ganz im Gegenteil, sie unter dem rhetorischen Mantel einer idealisierten christlichen Unanimität zu verbergen, welche wiederum regnum wie sacerdotium Legitimität und Stabilität verleihen sollte.75 Dieses Unterfangen ist im Falle der Akten des Toletanum III jedoch besonders anspruchsvoll, weil zwei Parteien, die ihre jeweils eigene und in Teilen widerläufige Interpretation der Ereignisse vertraten, namentlich der König und das katholische Episkopat, an der Textgenese beteiligt waren.76 Zusammenfassend macht die hier erörterte Mischung die Akten des dritten Konzils von Toledo zu einem aus quellenkritischer Sicht hochkomplexen Text. Unter der ideologischen Vorgabe, in den Akten eine göttlich inspirierte christliche Einmütigkeit zwischen weltlicher und kirchlicher Herrschaft zum Ausdruck zu bringen, welche die legitimatorische Basis einer zentralisierten theokratischen Ordnung legen sollte, sind dennoch, zudem vor dem Hintergrund einer komplizierten religionspolitischen jüngsten Vergangenheit, sowohl der König als auch das katholische Episkopat darum bemüht, ihre teilweise widerläufigen Deutung mit einzubringen. Kommen wir auf dieser Basis nun zur Bewertung zurück. Für eine differenzierte Interpretation des Befundes erscheint es dabei wichtig, grundsätzlich zwischen der faktischen religiösen Situation, der jeweiligen Perspektiven auf sie sowie der Aussageabsicht der Parteien, welche Einfluss auf die Ge-
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that the bishops accepted some of the general outlines of the king’s version of the past, the present, and the future. But in their first act of legislation, they sought to set bounds to this interpretation by confining it within the context of long-standing Catholic traditions of historical interpretation and local ecclesiastic authority. If Reccared’s conciliar pedagogy taught the lessons of cenralized royal and conciliar governance, the bishops’ first canon sought to mediate between those lessons and their own expectations about the exercise of both individual and collective local episcopal authority. The bishops’ assertion of the preeminence of conciliar traditions underlined a central element in the proceedings in Toledo. Through their conversion and its celebration Reccared and his followers had accepted a framework, a context for their actions, that the Catholic episcopate controlled.“ Bedingt wird diese durch das auch schon von Schäferdiek: Die Kirchen, S. 232, herausgestellte Ziel der Herstellung einer „politisch-religiösen Einheit und Einheitlichkeit des den Staat repräsentierenden Herrschaftsgefüges als eines politischen Ideals“. Vgl. auch Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 85–88. Siehe zum direkten Einfluss Rekkareds auf die Formulierungen seiner Beiträge etwa Díaz y Díaz: Los discursos del rey Recaredo, S. 230 f.; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 171 f. Mellado: Veladas discrepancias y pugna por el poder, S. 24, legt nahe, dass Leander seine homilia in Kenntnis der Beiträge des Königs erst später als präzise ausgearbeitete Entgegnung verfasste.
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stalt des Textes hatten, zu differenzieren. Wie mit Blick auf die faktische Situation im regnum an anderer Stelle schon aufzuzeigen versucht wurde, stellte das religiöse Bekenntnis auf breiter Basis bereits vor dem Jahr 580 kein wirkungsmächtiges ethnisches Identifikationsmerkmal mehr dar.77 Diese Situation wiederum bot Leovigild die Ausgangsbasis dafür, die für die weitere Konsolidierung der Herrschaft wichtige konfessionelle Einigung des Königreiches zu forcieren, wodurch es zu einer Politisierung des Arianismus’ kam. Der Befund der Konzilsakten zeigt, dass diese Verbindung sowohl von Rekkared als auch vom katholischen Episkopat wahrgenommen wurde. Er macht darüber hinaus auch deutlich, dass der Letztgenannte die mit dem Ziel der Vereinheitlichung betriebene Anpassung des Arianismus’ an das katholische Bekenntnis als veritable Bedrohung empfunden hatte. Zum Zeitpunkt der Konversion bestand damit auf höchster Ebene ein Spannungsverhältnis zwischen der staatlichen westgotischen Identität und dem Katholizismus. Diese Kluft war jedoch nicht auf eine eindeutige ethnisch-religiöse Separation der Bevölkerung, sondern zuvorderst auf die Frontstellung des katholischen Episkopats mit dem westgotischen Königtum zurückzuführen. Für die Interpretation ist dabei zu berücksichtigen, dass es die Rhetorik dieser Gruppen ist, welche die Darstellung in der Konzilsakten bestimmt und diese dient gewiss nicht dem Ziel, die komplexe historische Realität zu schildern, sondern klare und mit weiteren Ansprüchen verknüpfbare Deutungslinien zu liefern. Auf dieser Folie ist auch die in den Akten des Toletanum III hervortretende Verbindung des Arianismus’ mit der gens Gothorum zu bewerten. Wie an anderer Stelle argumentiert wurde, stand eine gesellschaftlich und politisch bestimmte westgotische Identität Arianern, aber auch Katholiken offen. Um jedoch die königliche Zentralmacht zu stärken, hatte Leovigild versucht, die in konfessioneller Hinsicht heterogene Bevölkerung des regnum Gothorum unter dem Mantel eines an die katholische Lehre angeglichenen Arianismus’ auch religiös zu einen und ihr somit eine gotisch-arianische Identität zu geben. Mit dem gleichen Interesse verfolgte auch Rekkared das Ziel einer religiösen Einigung. Er hatte jedoch die Lehre aus dem Scheitern seines Vaters gezogen und suchte die Lösung in einer gotisch-katholischen Identifikation. Aufgrund des geschilderten Spannungsverhältnisses zum katholischen Episkopat beschränkte Rekkared sich in der konkreten Situation des Konzils jedoch darauf, einzig die katholische Identität zu betonen. Der Verzicht auf jegliche gentile Identifikation nach der allgemeinen Konversion und die Akzentuierung der religiösen Einigung im Schoß der katholischen Kirche haben zweifellos dem Interesse und auch 77
Siehe dazu Kap. 3.5.
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der Interpretation des katholischen Episkopats entsprochen. Das notwendige Bild der Einheit zwischen König und Episkopat wahren die Akten, indem Rekkared die Formulierung seiner ehrgeizigen kirchlichen Führungsansprüche eben jener Rhetorik anpasst, welcher sich auch die katholische Darstellung bedient. Dem Eindruck einer westgotischen Okkupation der katholischen Kirche durch das Königtum wird damit entgegengewirkt. Aufgrund der jüngsten Erfahrungen verbanden die katholischen Bischöfe mit Rekkareds Schritt sicher auch die Gefahr, dass der westgotische König ihre Kirchenstruktur lediglich für die Konsolidierung des regnum Gothorum und der Stärkung seiner Position darin nutzbar machen wollte. Erscheint Rekkared nach der Konversion also ausschließlich als katholischer König, so ist die Perspektive auf ihn als König der gens Gothorum vor der Konversion geprägt durch den Fokus auf seine Heilsfunktion. So habe Gott ihn dazu ausersehen, die Goten und auch Sueben aus der Verdammnis der arianischen Häresie in die Obhut der katholischen Kirche und damit auf den Weg des Heils zu führen.78 Daraus zu folgern, dass ethnische und religiöse Grenzen vor dem Toletanum III deckungsgleich waren und erst die „Rekkaredsche Wende“ die Tür zu einer folgenden Annäherung aufstieß, bedeutet, die interessengeleitete Darstellung der Konzilsakten ungebrochen zur Grundlage der eigenen Deutung zu machen. Als eine wahrscheinlichere Erklärung der Entscheidung Rekkareds darf man annehmen, dass der König sich unter dem Primat einer Einigungspolitik in einer unübersichtlichen und inhaltlich wenig trennscharfen religiösen Situation, in der wechselseitige Konversionen keine Seltenheit waren, dazu entschied, die ohnehin allmählich verschwimmenden Bekenntnisgrenzen zugunsten einer katholischen „Staatsreligion“ aufzuheben und zwar nachdem sein Vater mit dem gleichen, nur unter arianischen Vorzeichen unternommenen Versuch gescheitert war. 78
Dass die Quellen Rekkareds Rolle als religiösen „Vorreiter“ in besonderer Weise akzentuieren und ihre Darstellung der Ereignisse entsprechend beeinflussen, lässt sich auch am beredten Schweigen der spanischen Quellen zur Konversion Hermenegilds belegen. Dem Bruder Rekkareds misst Papst Gregor der Große etwa eine entscheidende Bedeutung bei, wenn er mit Blick auf die Ereignisse der Jahre 587 bis 589 befindet, quia totum hoc agi nequaquam posset, si Herminigildus rex pro ueritate mortuus non fuisset, Dialogi 3,31,8. Siehe auch Vilella Masana, Josep: Hispania durante la época del III Concilio de Toledo según Gregorio Magno, in: Concilio III de Toledo, S. 485–494, S. 485 ff. Auch durch die Schilderung der suebischen Konversion, bei der Rekkared ebenfalls als derjenige ins Zentrum gerückt wird, welcher die gens alleinig aus der Häresie zur Kircheneinheit geführt habe, folgt diesem Muster. Denn übergangen wird dabei, dass die konfessionelle Situation der Sueben gespalten war, da es vor der Eingliederung ins Westgotenreich bereits erfolgreiche Katholisierungsbemühungen gegeben hatte. Siehe dazu Ferreiro: The Omission of St. Martin of Braga; Beltrán Torreira: La conversión de los suevos.
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Es liegt auf der Hand, dass die legitimitätsstiftende Wirkung einer solchen Schilderung zweifellos sehr überschaubar gewesen wäre. Wie die Akten ebenfalls zeigen, erhob Rekkared seinen Herrschaftsanspruch ausdrücklich über die gesamte Bevölkerung des Reiches. Der Text macht dabei auch deutlich, dass der westgotische König unter seiner Herrschaft eine Mehrzahl von gentes beziehungsweise populi vereinigte.79 Der spezifische Kontext der Akten bedingt, dass dieses aus verschiedenen gentes bestehende politische „Staatsvolk“ nicht wie auf späteren Konzilien als gotisch identifiziert wird. Rekkared selber hat seinen Herrschaftsanspruch über alle Bewohner des Reiches zweifellos mit seiner gotischen Identität verbunden. Zum Beispiel berichtet der König, seiner Darstellung in den Konzilsakten entsprechend, in einem einige Zeit nach dem Konzil verfassten Brief auch Gregor dem Großen über die Konversion und tut dies selbstverständlich als rex Gothorum.80 Auch der Papst adressiert seine Antwort an Reccaredus rex Vvisigothorum.81 Es empfiehlt sich sicher, die Aussagekraft bestimmter Formulierungen nicht überzustrapazieren, aber es erscheint dennoch erwähnenswert, dass Gregors Betonung sowohl im genannten Brief als auch in seinen Dialogi ausdrücklich darauf abzielt, dass Rekkared „das gesamte gotische Volk“ zum rechten Glauben geführt habe.82 Hätte die gens Gothica selbstverständlich als einheitlich arianisch gegolten, wäre diese Akzentsetzung merkwürdig oder mindestens redundant. Der Gedanke, dass Rekkared die religiöse Einigung der gens Gothorum herstellte, statt die vermeintlich selbstredend arianischen Goten zum Katholizismus geführt zu haben, scheint sich auch im Bericht Isidors widerzuspiegeln, indem es heißt, dass der König „die Völker der gesamten gens Gothorum“ zum rechten Glaube zurückgeführt habe.83 Weniger durch den 79
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Siehe z. B. Tolet. III, Deus omnipotens pro utilitatibus populorum regni nos culmen subire tribuerit et moderamen gentium non paucarum regiae nostrae curae commiserit […], 51–53, S. 54; ut eae gentes, quarum in Dei nomine regia potestate praecellimus […], 158–159, S. 63/64; populi sub nostro regimine positi […], 602–603, S. 99/100. Epistola Recharedi regis Gotorum ad Gregorium Romensem episcopum, hg. v. Ludwig M. Hartmann, in: Gregorii I Papae Registrum Epistolarum, Bd. 2: Libri 7–14 (MGH Ep. 2), Berlin 1887 (ND 1957), lib. 9, 227, S. 220 f. Vgl. zu dem Brief auch Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 215 ff. Gregor der Große: Registrum Epistularum 9,229, 1. Gregor der Große: Registrum Epistularum 9,229, Audita quippe noui diebus nostris uirtute miraculi, quod per excellentiam tuam cuncta Gothorum gens ab errore haeresos Arrianae in fidei rectae soliditate translata est, 5–7; Gregor der Große: Dialogi 3,31, Post cuius mortem [gemeint ist Leovigild] Reccharedur rex […] ab arrianae hereseos prauitate conuersus est, totamque Wisigotharum gentem ita ad ueram perduxit fidem […]; Isidor: Historia Gothorum 52, In ipsis enim regni sui exordiis catholicam fidem adeptus totius Gothicae gentis populos inoliti erroris labe detersa ad cultum rectae fidei revocat.
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Wortlaut als durch den Kontext und die Tatsache, dass eben jene Erfahrung der religiösen Aufgliederung der gens Gothorum in Arianer und Katholiken, seinen eigenen Erfahrungshorizont beschreibt, konnte dieses Verständnis weiter oben auch in der Chronik des katholischen Goten Johannes von Biclaro ausgemacht werden.84 Wie gesehen, werden die Akten des dritten Konzils von Toledo beinahe einmütig als Beleg dafür begriffen, dass die religiöse Situation bis ins Jahr 589 arianische Goten deutlich von katholischen Hispano-Romanen trennte und folglich erst die allgemeine Konversion die Tür für eine allmähliche Annäherung und Vermischung aufstieß. Im Unterschied dazu wird hier argumentiert, dass die gotische Identifikation der Arianer – die sich besonders in Verbindung mit dem Adel artikuliert –, in ihrer Eindeutigkeit der legitimitätsstiftenden Darstellungsabsicht des Textes geschuldet ist und damit ein Bild entwirft, das der komplexeren und konfessionell unübersichtlichen Realität nicht entsprochen hat. Es soll dabei keineswegs in Abrede gestellt werden, dass bis Rekkared alle westgotischen Könige Arianer waren und schon von daher eine gewisse Verbindung gotischer Identität und dem Arianismus bestand. Deren Bedeutung und Aussagekraft sollte gleichwohl nicht überschätzt werden. 5.1.2 Gothi, Romani, Syri, Graeci und Iudaei in der Narbonensis. Die Akten der Provinzialsynode in Narbonne (589) Hat das dritte Konzil von Toledo zweifellos den Weg für das auch als „Konfessionsstaat“85 charakterisierte Westgotenreich des siebten Jahrhunderts geebnet, so zeitigte der auf ihr formulierte Anspruch zunächst keinen nachhaltigen Erfolg. Als Beispiel dafür kann die im Kanon 18 des Toletanum III erlassene Verordnung dienen, nach der in den Kirchenprovinzen jährlich Synoden einzuberufen gewesen wären,86 was jedoch bis zum Jahr 599 insgesamt lediglich sechs Mal geschah. Eine jener Provinzialsynoden trat, nach eigener Aussage gemäß der von ihrem ruhmreichsten Herrn und König
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Johannes: Chronicon 84, 91; siehe ausführlich Kap. 4.1. Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 407. Tolet. III, c. 18, 865–884, S. 125 f. Diese Versammlungen waren dabei eindeutig auch als Herrschaftsinstrument konzipiert. So sollten auf ihnen etwa auch Fragen der Rechtssprechung behandelt werden und ferner wurden die jeweiligen Richter (iudices) und Steuerbeauftragten (actores fiscalium patrimonium) zu erscheinen aufgefordert, damit die Bischöfe eine Kontrollfunktion über sie ausüben könnten.
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Rekkared bestimmten Verordnung des Toletanum III, noch in den November-Kalenden des gleichen Jahres 589 in Narbonne zusammen.87 Die Überlieferungslage ist im Falle dieses Konzils ungewöhnlich schmal, da sie nur auf eine einzige Handschrift zurückgeht.88 Passend dazu stellt sich auch die Rezeption dar, sind die dort verfügten Bestimmungen doch weitgehend unbeachtet geblieben und in keine der einschlägigen Kanonessammlungen aufgenommen worden.89 Der schriftlichen Überlieferung dieser gallischen Bischofsversammlung hier ungeachtet ihrer marginalen Stellung ein Unterkapitel zu widmen, bedingen zwei der 15 dort erlassenen Verfügungen, die in unserem Fragezusammenhang Aufmerksamkeit verdienen. So verbietet der Kanon drei jener Provinzialsynode die Sonntagsarbeit für omnis homo tam ingenuus quam servus ghotus, romanus, syrus, graecus vel iudaeus. Beim Strafmaß für die Zuwiderhandlung wird dabei im Folgenden zwischen Freien, welche sechs solidi an den comes civitatis zahlen müssten, und Sklaven unterschieden. Die Letztgenannten müssten für das gleiche Vergehen hundert Peitschenhiebe erdulden.90 Das bedeutet, das Gesetz richtet sich ausdrücklich an alle Personen, wobei in der Formulierung des Zitates und in der Festlegung des Strafmaßes eine weitere Differenzierung zwischen ingenui und servi erkenntlich wird. Die genannten Gothi, Romani, Syri, Graeci und Iudaei sind dabei als possessive Bestimmung des servus zu verstehen. Der Kanon richtet sich folglich an jeden Menschen, sei er Freier oder Sklave eines Goten, Römers, Syrers, Griechen oder Juden.91 Die zweite erwähnenswerte Verfügung dieses Konzils wendet sich gegen Weissager. Dazu wird ausgeführt, dass, wenn Männer oder Frauen, über die gesagt wird, dass sie Zauberer oder Wahrsager seien, in irgendeiner Hausgemeinschaft (domus) eines Goten, Römers, Syrers, Griechen oder Juden vorgefunden würden oder wenn irgendjemand von nun an 87
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Concilium Narbonense, in: Vives, Concilios, S. 146–150, hier S. 146, nos in urbe Narbona secundum quod sancta synodus per ordinationem gloriosissimi domni nostri Reccharedi regis in urbe Toletana finivit die kalendas novembres. Die weiteren Provinzialsynoden innerhalb des genannten Zeitraums waren Sevilla I (590), Saragossa II (592), Toledo (597), Huesca (598) und Barcelona II (599), ediert in: Vives, Concilios, S. 151–161. Vgl. dazu Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 118–132. Martínez Diez: La collección canónica hispana, Bd. 1, S. 119. Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 120. Concilium Narbonense, c. 4, Ut omnis homo tam ingenuus quam servus ghotus, romanus, syrus, graecus vel iudaeus die dominico nullam operam faciant, nec boves iungantur, ex(c)epto si inmutandi necessitas incubuerit: quod si quisque praesumpserit facere, si ingenuus est, det comiti civitatis solidos sex; si servus, centum fragella [sic] suscipiat, S. 147. Diese Interpretation versteht die zitierte Textstelle folglich nicht als eine sprachlich durchaus auch mögliche Reihung, nach der sich der Kanon an jeden Menschen richten würde, sei er Freier oder Sklave, Gote, Römer, Syrer, Grieche oder Jude.
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es wagte, jene leeren Weissagungen zu befragen und sie nicht öffentlich anzuzeigen, er dafür nicht nur aus der Kirche ausgeschlossen werde, sondern ferner sechs Unzen Gold an den comes civitatis zahlen müsse.92 Sinngemäß heißt es dort weiter, dass die Weissager selbst, die das Volk verführten, egal wo sie aufgefunden würden und ungeachtet ob sie Freie oder Sklaven beziehungsweise Sklavinnen seien, in der Öffentlichkeit schwer ausgepeitscht und verkauft würden. Der erzielte Kaufpreis sollte an die Armen gehen.93 In den beiden genannten Kanones kommt der Aufzählung der Bevölkerungsgruppen offenbar die Funktion zu, mögliche Ausnahmefälle oder Lücken im Geltungsbereich der Bestimmungen auszuschließen. Gemeinsam ist dabei allen genannten Gruppen, dass sie hier in ihrer Stellung als domini angesprochen werden. Durch den eingangs explizit dargelegten Bezug der Synode zum Toletanum III ist damit auch wahrscheinlich, dass die hier in Frage stehenden Verfügungen an den dortigen Kanon 16 anknüpfen. In inhaltlicher Abwandlung der zugrunde liegenden religiösen Problematik, werden in beiden Fällen die Herren für die Einhaltung der von den Konzilien erlassenen Bestimmungen in ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich haftbar gemacht.94 Es ist hier aber nicht unspezifisch von domini die Rede. Der Hintergrund dafür scheint im Bemühen der Konzilsväter zu liegen, den umfassenden Geltungsanspruch, den sie für die Bestimmungen des Konzils in Anknüpfung an das Toletanum III vorsahen, deutlich zu unterstreichen. Das bedeutet, um unzweifelhaft zu artikulieren, dass sich die Bestimmungsgewalt des Konzils auf alle Bewohner der Provinz erstreckte, wurde jede der durch eine Identität fassbaren Bevölkerungsgruppen eigens benannt. Es ist also gerade die Heterogenität der genannten Gruppen, die ihre Auswahl bestimmt. Dementsprechend findet sich auch in der For92
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Concilium Narbonense, c. 14, Hoc itaque propter ampliandam fidei catholicae disciplinam elegimus finiendum vel tenendum ut si qui viri ac mulieres divinatores, quos dicunt esse caragios atque sorticularios quuiuscumque domo gothi, romani, syri, graeci vel iudaei fuerint inventi aut quis ausus fuerit amodo in eorum vana carmina interrogare et non publico hoc voluerit annuntiare, pro hoc quod praesumpsit non solum ab ecclesia suspendatur, set [sic] etiam sex auri untias comiti civitatis inferat, S. 149. Ibid., Illi vero qui tali iniquitate repleti sunt et sortes et divinationes faciunt et populum praevaricando seducunt, ubi inventi vel inventae fuerint seu liberi seu servi vel ancillae sint, gravissime publice fustigentur et venundentur, et pretia ipsorum pauperibus erogentur. Siehe zur inhaltlichen Einordnung dieser Bestimmungen gegen Divination Zeddies, Nicole: Religio et sacrilegium. Studien zur Inkriminierung von Magie, Häresie und Heidentum (4.–7. Jahrhundert) (Europäische Hochschulschriften; Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 964), Frankfurt a. M. u. a. 2003, S. 175 ff. Vgl. Tolet. III, c. 16, 839–849, S. 122 f., Si qui uero domini extirpare hoc malum a possessione sua neglexerint uel familiae suae prohibere noluerint, ab episcopo et ipsi a communione pellantur, 846–849.
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schungsliteratur zumeist der knappe Hinweis, dass sich hier die besonders breitgefächerte Bevölkerungsvielfalt der Narbonensis zeige.95 So formuliert, kann dieser Bewertung nur zugestimmt werden. Zu fragen ist im Weiteren jedoch, welche Bevölkerungsgruppe hier mit dem Begriff Romanus gemeint sein könnte, woraus sich wiederum auch wichtige Schlussfolgerungen für das Verständnis des Begriffes Gothus an dieser Stelle ableiten ließen. Diesen Überlegungen muss jedoch sogleich die unbefriedigende Feststellung vorangestellt werden, dass die genannte Frage nicht eindeutig zu beantworten sein wird. Zu erklären ist dies durch die allgemein sehr breit gefächerte Bedeutungsvielfalt der Bezeichnung Romanus, die im konkreten Beispiel lediglich auf der Grundlage eines isolierten Befundes bewertet werden muss. Dabei kann darauf verwiesen werden, dass eine solche Art der ethnischen Identifikation für die gesamte konziliare Überlieferung des westgotischen Spaniens ein singuläres Beispiel darstellt. Fokussiert man den Blick einzig auf die wenigen römischen Bezüge, so stehen diese mit nur einer Ausnahme im Zusammenhang mit dem Sitz des Papstes. Die angesprochene Ausnahme identifiziert, in Anlehnung an die arianische Synode des Jahres 580, die Romani als Katholiken. Da es sich bei der in Frage stehenden Provinzialsynode um die der Narbonensis handelt und diese einzige transpyrenäische Provinz in Quellen des Toledanischen Reiches teilweise durchaus in einen gallischen Kontext gestellt wird,96 so besteht ein weiterer Zugang darin, die Quelle in ihrem räumlichen Kontext zu sehen. Angesichts des Mangels an zeitgleichen Quellen aus dem gallischen Raum, bietet auch diese Herangehensweise allerdings nur eine fragmentarische Basis für eine vergleichende Untersuchung. Ein Ansatz, die Unterscheidung zwischen den einzelnen Gruppen zu verstehen, wird damit vorgenommen, von einer Differenzierung „nach religionspolitischen Gesichtspunkten“ auszugehen.97 Demgemäß würde hier unterstrichen, „dass sich die Bischöfe nicht mehr nur allein für Christen zuständig fühlten, sondern für den gesamten populus“.98 Wird dieser Anspruch hier auch zu Recht betont, so wäre bei der Annahme einer religiösen Differenzierung jedoch zu fragen, inwieweit Griechen und Syrer im Gebiet des westlichen Mittelmeeres unter dieser Bezeichnung als Religionsgemeinschaften wahrgenommen wurden. Ferner ist zu beachten, selbst wenn man 95
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Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 122; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 109; Zeddies: Religio et sacrilegium, S. 175. Vgl. z. B. Julian von Toledo: Historia Wambae regis 24, 29. Wolfram: Goten, S. 236. Zeddies: Religio et sacrilegium, S. 175.
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eine religiöse und ethnisch identifizierte Trennung im Falle der Goten und Romanen für die Zeit vor 589 annähme, dass diese spätestens seit dem Toletanum III nicht mehr bestand. Entsprechend werden die hier genannten Bevölkerungsgruppen in der Literatur andernorts als ethnisch und religiös gemischt klassifiziert.99 Versteht man die Romani also nicht als Katholiken, so liegt eine Möglichkeit des Verständnisses darin, sie nach dem etablierten Forschungsstand als die einheimischen Romanen anzusehen, die folglich von den Goten getrennt wahrgenommen wurden.100 Die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit und der in Kapitel 4 erörterte Sprachgebrauch der hispanischen Quellen lassen jedoch auch an die Möglichkeit denken, dass hier Oströmer bezeichnet werden. Gehen wir davon aus, dass die Reichsbevölkerung politisch als gotisch gefasst wurde, so mussten darüber hinaus eben jene benannt werden, welche unter diesen Begriff nicht subsumiert werden konnten. Neben den in ihrer Sonderstellung häufig bezeugten Juden, sind dies die in den dispositiven Quellen ansonsten nur anonym auftretenden „fremden Völker“, die hier allerdings namentlich als Syrer, Griechen und Byzantiner benannt werden. Bereits an anderer Stelle wurde in einem solchen Zusammenhang die Frage, ob sich eine gleichzeitige Identifikation von Griechen und Byzantinern ausschließe, negativ beantwortet.101 Dem liegt zunächst die triviale Feststellung zugrunde, dass die Existenz einer grundsätzlich politisch gefassten Sammelbezeichnung die gesonderte Identifizierung spezifischer Untergruppen nicht ausschließt. Durch die lange Tradition griechischer und syrischer Händler auch im Bereich des westlichen Mittelmeeres werden Griechen und Syrer im westgotischen Reich stellenweise als „ethnische Minoritäten“ wahrgenommen.102 Es erscheint vor diesem Hintergrund also durchaus möglich, dass die hier bezeichnete heterogene Bevölkerung der Narbonensis aus sozusagen einheimischen, und auch jeweils erstgenannten, Goten und den ethnischen Minoritäten der Juden, Griechen, Syrer und den sich nicht mit den beiden letztgenannten Gruppen nicht in Übereinstimmung zu bringenden Byzantinern bestand. Wie schon erwähnt, kann ein anderer Ansatz, den Sprachgebrauch der Quelle einordnen zu können, darin bestehen, sie nicht nur in ihrem spanisch-westgotischen und damit ihrem politischen Zusammenhang zu se99 100 101 102
Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 122. Ibid., S. 122; Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 109. Vgl. Kap. 4.3. Zitat Kampers: Westgoten, S. 270; vgl. zur Einschätzung im Falle der Westgoten auch Wolfram: Goten, S. 236: „Römisch-westgotische Münzstätten besaßen daher zumeist je eine griechisch-syrische und eine jüdische Kolonie.“ Siehe allgemein dazu Jones: Later Roman Empire, Bd. 2, S. 865 f.; McCormick: Origins of the European Economy, S. 270–277.
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hen, sondern in ihrem für das Westgotenreich besonderen geographischen Bezugsfeld, der Gallia. Als bestärkende Beobachtung für diesen Zugang kann geltend gemacht werden, dass etwa Arnold Jones seine allgemeinen Aussagen zur Präsenz orientalischer Händler im Bereich des westlichen Mittelmeeres vor allem mit Belegen aus dem gallischen Raum, bis in merowingische Zeit, belegt.103 Besonders augenfällig für unseren Zusammenhang ist dabei ein Beleg aus der Historia Francorum Gregors von Tours. Dort wird anlässlich des Einzuges des fränkischen Königs Gunthrams in die Stadt Orléans im Jahre 585 berichtet, dass ihm eine unermessliche Menge Volkes mit Abzeichen und Fahnen lobpreisend entgegenzog. Weiter heißt es dort, dass man dabei die Sprache der Syrer, die der Latini – das heißt, die Bevölkerung lateinischer Zunge (lingua Latinorum) – und sogar die der Juden lobend habe durcheinander klingen hören.104 Ohne hier detailliert auf die panegyrisch gefärbte Schilderung Gregors einzugehen, ist eine Parallele dieser Passage zu den Formulierungen in den Kanones darin zu erkennen, dass in beiden Fällen fast die gleichen Gruppen identifiziert werden, um jeweils ganz bewusst alle Bewohner eines bestimmten Gebietes einzubeziehen. Diese Parallelität ermuntert weiter dazu, den Sprachgebrauch der Narbonenser Konzilsakten im gallischen Kontext zu verorten. Stellt sich damit also die Frage nach der Bedeutung des Begriffes Romanus in den frühen merowingerzeitlichen Quellen, so ist darüber in Erfahrung zu bringen, dass damit vielfach die einheimische Bevölkerung bezeichnet wurde, bis sich der Begriff gegen Mitte des achten Jahrhunderts auf Aquitanier und Räten einschränkte.105 Gleichzeitig zeigen einige Briefe der Zeit, dass die, oder Teile der italischen Bevölkerung als Romani bezeichnet wurden.106 Die tendenzielle Feststellung hinsichtlich der Identifizierung der einheimischen Bevölkerung kann jedoch nicht einfach auf den Gebrauch in den Akten des Konzils übertragen werden, denn es gibt bedeutende Ausnahmen. So ist schon bei der angeführten Textstelle Gregors von Tours auffällig, dass der fränkische Historiograph zwar von Syrern und Juden, nicht aber explizit von Romani schreibt. Dies liegt darin begründet, dass Gregor – und damit der 103 104
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Jones: Later Roman Empire, Bd. 2, S. 865 f., mit Anm. 100 auf S. 1360. Gregor von Tours: Historia Francorum 8,1, Processitque in obviam eius inmensa populi turba cum signis adque vixillis, canentes laudes. Et hinc lingua Syrorum, hinc Latinorum, hinc etiam ipsorum Iudaeorum in diversis laudibus variae concrepabat. Vgl. Ewig, Eugen: Volkstum und Volksbewusstsein im Frankenreich des 7. Jahrhunderts, in: Id.: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften, Bd. 1 (Beihefte der Francia 3/1), München 1976, S. 231–273, hier S. 246–249, S. 270 f. Dass diese Wahrnehmung dabei keinerlei antagonistischen Merkmale aufweist, hat unlängst Goetz: Die germanisch-romanische (Kultur-) Synthese, betont. Siehe dazu Ewig: Volkstum und Volksbewusstsein, S. 247 mit Anm. 80.
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einzige in Bezug auf das Konzil zeitgenössische gallische Autor – innerhalb des fränkischen Reiches keine Romani kennt. Diese sind für ihn „die Römer der Antike und in Gallien die Bewohner des römischen Restreichs unter dem rex Romanorum Aegidius und unter Syagrius vor der Eroberung durch Chlodwig“.107 Die Letztgenannten grenzte er dabei deutlich von den Goten zu Zeiten des Tolosanischen Reiches ab, indem er ausführt, dass die Romani nördlich der Loire wohnten, während südlich von ihr die Goten herrschten.108 Hans-Werner Goetz ist also in der Schlussfolgerung beizupflichten, dass Gregors Romanus-Begriff ein politischer ist.109 Nur scheinbar eine Ausnahme ist dabei, dass Gregor Teile der Bevölkerung unter burgundischer Herrschaft als Romani bezeichnet, indem er schildert, dass der burgundische König Gundobad, kaum, dass er das Gebiet unter seine Gewalt gebracht hatte, derlei Gesetze erließ, dass die Romani nicht von ihnen unterdrückt würden. So ist hier von der Anfangsphase eines kurzlebigen politischen Gebildes die Rede und Gregor macht bei seinem Bericht deutlich, dass sein Sprachgebrauch ihm zum Zeitpunkt der Niederschrift bereits anachronistisch anmutet, indem er eigens erläutert, dass die Region jetzt Burgund genannt werde.110 Zusammengenommen zeigt sich also, dass eine Kontextualisierung des Befundes der Konzilsakten von Narbonne mit weiteren Quellen gallischer Provenienz durchaus in Betracht zu ziehen ist. Allein, eine eindeutige Lösung hält auch dieser Weg aufgrund der vielschichtigen Verwendung des Terminus Romanus innerhalb der wenigen frühfränkischen Texte nicht parat. Orientiert an Gregors politischer Verwendung des Ethnonyms wäre anzunehmen, dass die in den Konzilsakten benannten Romani Personen aus einem Gebiet des ehemaligen Römischen Reiches waren, in welchem um das Jahr 589 kein neues und namengebendes Reich existierte. Eingedenk der belegten Verwendung des Romanus-Begriffes für Italier, gerät dabei vor allem Italien in den Blickpunkt, wo die Langobarden zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt waren, einen umfassenden politischen Verband etabliert zu haben. Ebenso wenig wie Syrer, Griechen und Juden gehörten die Romani damit zu den politisch definierten und als Reichsbevölkerung 107
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Goetz: Die germanisch-romanische (Kultur-) Synthese, S. 552. Auch Ewig: Volkstum und Volksbewusstsein, S. 247, ist die sparsame Verwendung dieses Begriffes bei Gregor aufgefallen. Gregor von Tours: Historia Francorum 2,9, In his autem partibus, id est ad meridianam plagam, habitabant Romani usque Ligerem fluvium. Ultra Ligerem vero Gothi dominabantur. Goetz: Die germanisch-romanische (Kultur-) Synthese, S. 552. Gregor von Tours: Historia Francorum 2,33, Ipse vero regionem omnem, quod nunc Burgundia dicitur, in suo [gemeint ist Gundobad] dominio restauravit. Burgondionibus leges mitiores instituit, ne Romanos obpraemerent.
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des regnum verstandenen Goten. Ohne dies aufgrund der isolierten Stellung des Beleges freilich beweisen zu können, besteht eine das Interpretationsspektrum abschließende Möglichkeit der Deutung schließlich darin, die zwischen Romani und Franci differenzierende Sichtweise vieler fränkischer Quellen auf das merowingische Reich auch auf die Außenwahrnehmung in der Narbonensis zu übertragen. Damit könnten als Romani dort nicht-fränkische und aus der restlichen Gallia stammende Personen bezeichnet worden sein, die im westgotisch kontrollierten Gebiet als „Einwanderer“ wahrgenommen wurden. Die in den fränkischen Quellen freilich erst später nachweisbare örtliche Radizierung des Terminus auf die Bewohner einer bestimmten Region, lässt auch eine solche Deutung zu. 5.1.3 Die gens Gothorum in den Akten der Reichskonzilien des siebten Jahrhunderts Das Toletanum III des Jahres 589 blieb als Versammlung aller bedeutenden Handlungsträger des Reiches zunächst eine Ausnahme und das Ideal einer von christlichem Konsens getragenen und sich mittels regelmäßig stattfindender Synoden artikulierenden Herrschaft konnte vorerst nicht realisiert werden. Die grundsätzlich durch regionale Strukturen und lokal verankerte Loyalitätsverhältnisse geprägte Herrschaftsorganisation des regnum blieb damit zunächst weitgehend unberührt.111 Dies änderte sich mit dem im Jahre 633, also etwa zwei Generationen später einberufenen Toletanum IV.112 Die dort erlassenen 75 Kanones lieferten ein ungleich umfangreicheres und genaueres Programm konziliarer Herrschaft als dies 589 der Fall gewesen war und legten die Grundlagen für alle weiteren Reichskonzilien bis zum Ende des Westgotenreiches.113 Die Prägekraft des auf dem vierten Konzil 111 112
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Siehe ausführlich dazu Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 89–144. Concilium Toletanum IV (Tolet. IV), hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 5, S. 161–274. Siehe aus der Forschungsliteratur dazu neuerdings besonders Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 145–173; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 227–249, S. 384–387. Vgl. ferner Abadal: Dels visigots als catalans, Bd. 1, S. 73 ff.; Thompson: Goths in Spain, S. 172–180; Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, passim; Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 144–171; Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 503–536; Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 196–205; Kampers: Westgoten, S. 192–196. Vgl. Abadal: Dels visigots als catalans, Bd. 1, S. 73: „[E]l Toledo IV volia ésser el de la seva [gemeint ist das Westgotenreich] sistematització i consolidació. Tots els altres, fins a la fi del Regne, en serien una seqüència.“ Vgl. dazu auch Schwöbel: Synode und König im Westgotenreich, S. 51–65, und eine konzise Zusammenfassung der Inhalte liefert Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 228: „[E]s [geht] um Fragen der
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von Toledo entwickelten Modells ist dabei in hohem Maße auf dessen Spiritus Rector namens Isidor von Sevilla zurückzuführen.114 Die hier beschriebene Aufwertung und Konsolidierung der Konzilien als „Regierungsorgan“ des Toledanischen Reiches bedeutet indes nicht, dass diese nach 633 dauerhaft und kontinuierlich zum machtpolitischen Gravitationszentrum geworden wären. Berücksichtig man die zeitliche Verteilung der elf Reichskonzilien über das siebte Jahrhundert hinweg, so fällt auf, dass sie vor allem in zwei Phasen zwischen 633 und 656 sowie von 681 bis 694 zusammentraten.115 Daraus ist zu Recht geschlussfolgert worden, dass sie nach keinem planmäßigen Muster stattfanden, sondern ihre Einberufung als Reaktion auf die jeweiligen politischen Verhältnisse zu verstehen ist.116 Letztlich haben von 589 bis 711 nur sieben der 17 katholischen Westgotenkönige Reichskonzilien einberufen, wobei in jedem Einzelfall die Frage zu stellen wäre, ob sie dies eher als ihr Recht in Anspruch nahmen oder ob die Umstände ihnen eine derartige Versammlung aufnötigten.117 In den Akten des Toletanum IV kommt dem letzten der 75 Kanones eine herausgehobene Bedeutung zu und nach Meinung mancher Forscher handelt es sich dabei um den „meist zitierten aller Konzilskanones dieser Epoche“.118 Diese Formulierung muss doppeldeutig verstanden werden,
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Liturgie und Sakramentenspendung, um Regeln über Häufigkeit und Verlauf künftiger Konzilien, um Vorschriften über Ausbildung, Leben und Disziplin des Klerus, über Wahl und Pflichten der Bischöfe: Pflichten gegenüber Klerus und Klöstern, als Richter und Aufsichtspersonen über Richter und Fiskalbeamte, als Verteidiger der Bürger, insbesondere der Armen und Bedürftigen; es geht um Vorschriften über Mönchsleben, Büßer und gottgeweihte Witwen, um die Judenfrage und schließlich um den berühmten Canon 75, der zu einer Art ‚Grundgesetz‘ des westgotischen Staates wurde.“ Zum Einfluss Isidors auf das Toletanum IV siehe etwa Cazier: Isidore de Séville, S. 61–68. Es sind dies die jeweils in Toledo abgehaltenen Konzilien IV (633), V (636), VI (638), VII (646), VIII (653), X (656), XII (681), XIII (683), XV (688), XVI (693), XVII (694), vgl. Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 326 ff. Deutlich gemacht hat dies vor allem Abadal: Dels visigots als catalans, Bd. 1, S. 69: „[D]e bon principi qui ben clar que en els concils generals de Toledo no cal cercar-hi una regularitat ni un ritme restors, que no obeeixen en conjunt un principi rigorós d’ordenació, sinó que, llevat de dues vegadas en què sembla endevinar-se una voluntat de continuació, llur celebració és filla més aviat de les circumstàncies polítiques del moment.“ Anton: Der König und die Reichskonzilien, S. 280 f. Tolet. IV, c. 75, 91–239, S. 248–260. Siehe dazu Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 166–171, und jetzt vor allem Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 239–248, Zitat S. 228.
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denn weil der Kanon 75 „die gesetzliche Grundlage des westgotisch-katholischen Königtums“119 formulierte, wurde er nicht nur zum Gegenstand späterer Untersuchungen, sondern auch von den nachfolgenden Konzilien immer wieder aufgegriffen und noch im Kanon 10 des Toletanum XVI (693) in Auszügen annähernd wörtlich wiedergegeben. Ein wesentliches inhaltliches Element ist dabei die Regelung der Thronfolge, die zukünftig durch ein aus den Bischöfen und Teilen des Adels zusammengesetztes Wahlgremium bestimmt werden sollte.120 Hatte Rekkared seine Herrschergewalt noch auf eine ihm gleichsam persönlich zuteil gewordene göttliche Gnade zurückgeführt, so stellen die Konzilsväter im Jahre 633, korrespondierend zur offiziellen Entscheidung zugunsten einer Wahlmonarchie, das Königsamt ins Zentrum, welches der Monarch ihrer Auffassung nach als minister Dei bekleidete.121 Dessen unbenommen erfuhr der König, der sich mittels seiner Wahl als durch Gott Erwählter erwiesen hatte, eine sakrale Überhöhung. Auf dieser Grundlage wurde der Treueschwur, der dem König vom Volk zu leisten war und in den Akten des Toletanum IV für das Westgotenreich erstmals belegt ist,122 sakrosankt und ein Eidbruch zum Sakrileg.123 Aloys Suntrup resümiert diesbezüglich zutreffend, dass die Königsmacht im Kanon 75 „in einer bisher nicht gekannten Weise sakralisierend überhöht [wird], verbunden mit diabolisierenden Anathemadrohungen gegen potentielle Verschwörer und Eidbrecher bei gleichzeitiger Wertung der Treue zum König als einer Art Gottesdienst; verbunden aber zugleich mit herber Belehrung und Forderungen an den königlichen Lebens- und Regierungsstil“.124 Für unseren Kontext ist die Zielsetzung entscheidend, mit der die Konzilsväter daran gingen, die Thronfolge zu regeln, das Königsamt in besonderer Weise zu stärken und gegen Usurpationsversuche zu schützen, denn ihren eigenen Worten nach taten sie dies pro robore nostrorum regum et stabilitate gentis Gotorum.125 Formulieren sie diese Absicht gleich zu Anfang des Kanons, so ist das Ziel der Stabilisierung des westgotischen Reiches beziehungsweise der Könige und des Volkes auch im ab119 120
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Kampers: Westgoten, S. 193. Tolet. IV, c. 75, sed defuncto in pace principe primatus totius gentis cum sacerdotibus successorem regni consilio communi constituant, 134–136, S. 251. Tolet. IV, 14, S. 179. Tolet. IV, c. 75, passim. Vgl. auch Claude, Dietrich: The Oath of Allegiance and the Oath of the King in the Visigothic Kingdom, in: Classical Folia 30 (1976), S. 3–26, S. 5 f. Stocking: Bishops, Councils, and Consensus, S. 149–152; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 239–243. Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 249. Tolet. IV, c. 75, 93–94, S. 248.
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schließenden Wunsch danach erkenntlich, dass die Würde Christi sein Reich wie auch das der gens Gothorum im Glauben stärken möge.126 Ist das reziproke Verhältnis zwischen den Reichskonzilien und den jeweiligen historischen Umständen bereits angesprochen worden, so bildet der Herrscherwechsel des Jahres 631, bei dem König Suinthila (621–631) durch eine von Sisenand (631–636) angeführte Adelsrevolte aus dem Amt gedrängt wurde, den Hintergrund für den Erlass des Kanons 75.127 Die Akten des Toletanum IV schildern den Königswechsel dergestalt, dass Suinthila, sich seiner Vergehen als König bewusst, sein Amt niederlegt habe.128 Richtig an dieser Darstellung ist, dass der König seine Position in der Tat selber aufgab. Es war jedoch weniger die Einsicht in seine Unzulänglichkeit und Verfehlungen, die ihn zu diesem Schritt bewogen, als vielmehr die von seinen Widersachern gegen ihn zusammengezogenen Truppen. So berichtet auch die sogenannte Fredegar-Chronik, dass Suinthila sich „seinen Leuten gegenüber sehr ungerecht zeigte“, im Gegensatz zu den Konzilsakten wird dort jedoch weiter ausgeführt, dass er sich „den Hass aller Großen seines Reiches zuzog“ und diese sich schließlich mit zusätzlicher Unterstützung eines fränkischen Heeres gegen ihn wandten.129 Angesichts dieser mächtigen Allianz trat Suinthila kampflos ab.130 Das spärliche Quellenmaterial gestattet keinen detaillierten Einblick in die Situation, es fällt jedoch leicht, sich vorzustellen, dass das profunde Zerwürfnis innerhalb der Führungsschicht – welches soweit ging, dass man mit fränkischen Truppen gegen den eigenen König paktierte – und die gewaltsame Absetzung des Königs eine politische Instabilität des Toledanischen Reiches beförderte, welcher mit dem Konzil zu begegnen versucht wurde. Das in den Konzilsakten offensichtliche Interesse aller Beteiligten an einer Stabilisierung der politischen Verhältnisse entbehrt besonders deswegen nicht an Pikanterie, da der neue König und seine fideles just durch den Bruch jener Verordnungen an die Macht gekommen waren, die sie nun im Einvernehmen mit der Kirche für unantastbar erklärten. Die Kirche wiederum legitimierte durch 126
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Tolet. IV, c. 75, corroboret Christi gloria regnum illius gentisque Gotorum in fide catholica, 227– 228, S. 259. Siehe dazu z. B. Claude: Westgoten, S. 77 f.; Collins: Visigothic Spain, S. 79 ff.; Kampers: Westgoten, S. 192–195. Tolet. IV, c. 75, 207–223, S. 257 ff. Bemerkenswert ist, dass Isidor von Sevilla, als führende Persönlichkeit der Synode, diese Darstellung getragen hat. Schließlich hatte der Bischof Suinthila in seiner noch während der Amtszeit des nämlichen Königs verfassten Historia Gothorum noch ausdrücklich für dessen Tugendhaftigkeit als Herrscher gelobt. Fredegar: Chronica 4,73. Isidor: Historia Gothorum 64.
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ihr Verhalten eben jene Vergehen, welche sie auf dem Konzil als Sakrileg geißelte. Damit verbunden steht die dreifach wiederholte Anathemadrohung gegen all jene Personen, welche den bereits angesprochenen Treuschwur zukünftig brechen sollten. In der für unser Thema zentralen Passage heißt es dazu wörtlich: Quicumque igitur a nobis uel totius Spaniae populis qualibet coniuratione uel studio sacramentum fidei suae, quod pro patriae gentisque Gotorum statu uel conseruatione regiae salutis pollicitus est […] anathema sit 131 131
Die zentralen Fragen an diese Textstelle lauten hier, wer mit dem religiös unterlegten Eid zur Treue gemahnt wurde und wem oder was gegenüber diese zu gelten hatte. Hinsichtlich der letztgenannten Frage wird in der Textpassage deutlich, dass die Vereidigten durch ihr sacramentum fidei drei Elementen gegenüber verpflichtet waren: patria, gens und rex. Wie in der Forschung herausgestellt wurde, ist diese Trias als unverbrüchliche Einheit und als ein Synonym für den Staat zu verstehen.132 Dabei ist wichtig festzu131
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Tolet. IV, c. 75, 141–146, S. 252; und für die fast gleichlautenden Wiederholungen siehe ibid., 141–206, S. 252–255. Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 532, die damit gleichwohl den problematischen Begriff der Nation verbindet. Siehe aktuell z. B. Martin: La géographie du pouvoir, S. 366: „[L]a combinaison ainsi formée désigne un concept abstrait qui n’est autre que la chose publique ou État. […] Plus qu’à une personne en particulier, c’est à une entité abstraite que s’adressait la loyauté des sujets du royaume de Tolède. Cette entité était formée des rapports entretenus par un élément humain, la gens, un élément géographique ou territorial, la patria, et un élément institutionnel, le rex“; Bronisch: El concepto de España, S. 27, erklärt, dass als eigener Terminus für „Staat“ nur res publica zur Verfügung gestanden hätte, dieser jedoch durch den mittlerweile klar byzantinischen Bezug nicht auf das Westgotenreich anwendbar gewesen sei. Siehe auch Eichenberger, Thomas: Patria. Studien zur Bedeutung des Wortes im Mittelalter (6.–12. Jahrhundert) (Nationes 9), Sigmaringen 1991, S. 71–89, S. 86: „In erster Linie als Teil der Trias rex-gens-patria, zeitweilig aber auch für sich, gehörte patria zu den zentralen Begriffen bei der Ausformulierung der wesentlichen Vorstellungen vom Staat im spanischen Westgotenreich. Patria entsprach als drittes konstitutives Element des westgotischen Staates neben rex und gens zugleich dem Wohnraum der westgotischen Reichsbevölkerung“. Speziell in der deutschen Frühmittelalterforschung ist der Staatsbegriff terminologisch hoch umstritten (siehe etwa Jarnut, Jörg: Anmerkungen zum Staat des frühen Mittelalters. Die Kontroverse zwischen Johannes Fried und Hans-Werner Goetz, in: Hägermann et al. [Hg.], Akkulturation, S. 504–509), auf eine Diskussion des Begriffes wird an dieser Stelle jedoch verzichtet. In Anlehnung an den Gebrauch in den meisten anderen europäischen Wissenschaftssprachen wird er hier pragmatisch als Terminus für den Handlungsrahmen der politischen Akteure benutzt und hat wohl allein deswegen eine gewisse Berechtigung, weil dessen Strukturen eine starke Kon-
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halten, dass dieser Staat im gegebenen Kontext eine ethnische Identifizierung erhält, indem von der patria und gens Gothorum die Rede ist.133 Wer genau konstituierte jedoch den Personenkreis, der dem „Staat der Goten“ Treue versprach, und in welchem Verhältnis stand er zur gens Gothorum? Der Quellentext liefert zwei Antworten auf diese Frage. Zum einen sind die durch das Personalpronomen nos bezeichneten Konzilsväter zu identifizieren. Weitgreifender ist jedoch auch die Rede davon, dass ein jeder „aller Völker Spaniens“ im Falle eines Eidbruches das Anathema zu befürchten habe. Dass diese Formulierung auf das gesamte „Staatsvolk“ verweist, wird auch durch die Geschichte und Funktion des Treueides deutlich, der sich aus dem römischen Militärrecht heraus entwickelte. Im Zuge der spätantiken Vermischung von Militär- und Zivilverwaltung war er bereits zu einem Administrationsinstrument militärischer Amtsträger in den Provinzen geworden.134 In Fortsetzung dieser Funktion ist die Übernahme des Treueids durch die Könige der neuen regna von Stefan Esders jüngst als eine der „wichtigsten rechtlichen Grundlagen frühmittelalterlicher Staatlichkeit“ beschrieben worden, unter anderem deswegen, weil durch den Eid eine „direkte Rechtsbeziehung zwischen dem Herrscher und dem einzelnen Reichsbewohner“ hergestellt werden sollte.135 Abgenommen wurde dieser Eid öffentlich von Boten des Königs und er musste von allen freien Männern geleistet werden.136 Céline Martin stellt in diesem Zusammenhang für das Toledanische Reich die religiöse Adaption und Sakralisierung dieses Schwures durch die Kirche als charakteristisch heraus und betont dabei ebenfalls, dass durch ihn nicht mehr nur ein Treueverhältnis zwischen Soldaten und ihrem militärischen Führer herzustellen versucht wurde, sondern eben zwischen der gesamten (Staats-)Bevölkerung und
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tinuität zum spätantiken Imperium aufweisen, welches man zweifellos als Staat zu benennen berechtigt sein dürfte. Für eine aktuelle und internationale Diskussion dieses Problems siehe folgende Sammelbände Airlie, Stuart/ Pohl, Walter/ Reimitz, Helmut (Hg.), Staat im frühen Mittelalter (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 334 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 11), Wien 2006; Pohl/ Wieser (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat. Diese Identifikation wird in den Quellen des siebten Jahrhunderts jedoch keineswegs immer explizit getroffen, sondern gens, rex und patria treten durchaus häufig ohne das Genitivattribut Gothorum auf, vgl. z. B. die Zusammenstellung der Belege aus den Konzilsakten bei Bronisch: El concepto de España, S. 28 ff. Esders, Stefan: Rechtliche Grundlagen frühmittelalterlicher Staatlichkeit: der allgemeine Treueid, in: Pohl/ Wieser (Hg.), Der frühmittelalterliche Staat, S. 423–432, S. 423 ff. Esders: Rechtliche Grundlagen, S. 425. Ibid., S. 426.
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dem Staat.137 Dieser wiederum wurde für die Menschen gerade durch den Schwur direkt erfahrbar.138 Insgesamt tritt dem Leser hier folglich ein gotisch identifizierter Staat entgegen, demgegenüber alle politisch handlungsfähigen Personen verpflichtet waren; oder, um mit den Worten Peter Heathers zu sprechen: „In the seventh century, ‚Goth‘ and its derivatives were still used in important contexts. The state was conceived of by its inhabitants as the kingdom or indeed nation (gens) of the Goths. […] Perhaps the most striking illustration of this important point however, is to be found in the canons of the Fourth Council of Toledo (633). Amongst other things, these laid down that the population of the kingdom should take a sanctified oath to preserve the stability of the Gothic nation.“139 Die sich im Vergleich mit dem Quellenzitat daraus ableitende Feststellung, dass die gens Gothorum folglich mehrere „Völker“ umfasste, wurde bereits bei der Untersuchung der Akten des Toletanum III gemacht. Ferner ist sie auch anhand historiographischer Quellen, weitaus älterer und auch zeitgleicher, nachzuvollziehen und kann daher nicht verwundern.140 Dass die populi Spaniae und die gens Gothorum nicht zwei verschiedene und einander gegenübergestellte Gruppen waren, bestätigt auch die Beobachtung, dass die Goten bei der Darstellung der Eidverpflichtung nicht eigens benannt werden. Weil aber davon ausgegangen werden muss, dass gerade die so identifizierte Personengruppe in diese Verpflichtung mit einbezogen war, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass die Gothi eine vollständige Schnittmenge mit dem „Staatsvolk“ aufwiesen. Andersherum galt dies 137
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Differenzierter müsste hier nur von den den Freien (ingenui) gesprochen werden, da diese Gruppe jedoch als einzige politisch selbständig handlungsfähig war, ist diese Einschränkung ohnehin stets mitzudenken. Siehe dazu insgesamt Martin: La géographie du pouvoir, S. 353–361; und konzise auch Ead.: La notion de gens dans la péninsule ibérique des VIe–VIIe siècles. Quelques interprétations, in: Gazeau et al. (Hg.), Identité et ethnicité, S. 75–89, S. 87 f. Eine etwaige ethnische Distinktion spielt dabei keine Rolle. Vgl. so auch Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 215–225, S. 221: „Puesto que mediante el juramento de fidelidad adquirieron valor político los vínculos de dependencia personal que regulaban las relaciones sociales en el reino visigodo, resulta lógico que el rey fuese considerado como dominus, el señor de todos los habitantes del reino, sin distinción entre godos y romanos.“ Martin: Naissance d’une identité, S. 89 f.; Id.: La géographie du pouvoir, S. 353–361, S. 360: „[L]e serment constituait le véritable ciment de l’État; effectué par écrit, comme tout acte juridique, il rendait tangible l’adhésion de tous à une structure politique englobante, dépassant le cadre local, le seul visible.“ Heather: Goths, S. 283. Vgl. etwa Orosius: Historia adversum paganos 7,43, und etwa zeitglich zum Toletanum IV z. B. Isidor: Historia Gothorum 52. Siehe auch Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 553: „[L]es populi […] constituent la gens Gothorum“.
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jedoch nicht, weswegen die populi Spaniae und die gens Gothorum hier auch nicht synonym erscheinen. Hinsichtlich dieser sich damit im Text manifestierenden Binnendifferenzierung hat Isabel Velázquez zu Recht herausgestellt, dass es sich um eine der sozialen Stellung und des politischen Einflusses handelte.141 In Übereinstimmung mit der auch von anderer Seite für diese Zeitstufe geäußerten Ansicht, dass „,Gote‘ zu sein bedeutete, der Elite des westgotischen Königreichs anzugehören“142, ist unter der gens Gothorum hier mithin jener adlige Kreis einer über hinreichend (Grund-)Besitz verfügenden Elite zu verstehen, welcher die militärische und politische Macht im Toledanischen Reich innehatte. Wie die in den Text eingeflochtenen Zitate aus der Forschungsliteratur verdeutlichen mögen, kann für die Zeit des vierten Konzils von Toledo, und damit auch für alle weiteren Konzilien, mittlerweile als akzeptiert angesehen werden, dass die Verwendung des Ethnonyms Gothi keine ethnische Distinktion zur einheimischen Bevölkerung mehr impliziert.143 Auch wenn die gens Gothorum in den Quellentexten somit als unabhängig von der Abstammung zugänglich erscheint, so ist dies nach Meinung einiger Forscher nicht gleichbedeutend damit, dass Goten und Hispano-Romanen sich tatsächlich unter einer gemeinschaftlichen Identität zusammengefunden hätten. Vielmehr stellten die Quellen lediglich eine politische Absichtserklärung beziehungsweise eine Ideologie dar, welche aber nicht die soziale Realität abbilde.144 Dieser methodische Einwand bei der Beurteilung des Befundes hat seine Berechtigung und kann nicht gänzlich beiseite geschoben werden. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung und der Rahmenbedingungen erscheint eine solche These jedoch unwahrscheinlich. 141 142
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Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, besonders S. 203 ff. Siehe dazu besonders Heather: Goths, S. 283–298, und zum Zitat Geary: Europäische Völker im frühen Mittelalter, S. 151. Im Jahre 1972 äußerte sich Dietrich Claude – der für jene Zeit gewiss nicht als Vertreter einer fest zementierten Forschungstradition, sondern als einer derjenigen gelten kann, der die Frage nach den ethnischen Verhältnissen innerhalb des Westgotenreiches neu zu stellen begann – in dieser Hinsicht noch vorsichtig, vgl. Id.: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 23: „Ob hiermit [gemeint ist die gens Gothorum] nur die Westgoten im ethnischen Sinn oder aber die gesamte Reichsbevölkerung gemeint war, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen“. Zur aktuellen Forschungsmeinung siehe beispielsweise Bronisch: El concepto de España, S. 27: „La gens Gothorum en los años 30 del siglo VII ya no eran los godos en el sentido estricto de la palabra. Desde la conversión al catolicismo se consideraron una gens todos los pueblos del reino y ya habían empezado a mezclarse los romanos y los godos en todos los sectores de la sociedad.“ Siehe dazu etwa Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, besonders S. 216 f.; Drews: The Unknown Neighbour, S. 257 ff.
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Die dokumentarischen Quellen
Angesichts der Tatsache, dass die Forschung für das Corpus der Konzilsakten ab den 630er Jahren mittlerweile fast einmütig befindet, dass die Gothi beziehungsweise die gens Gothorum vom Toletanum IV an auch die hispanoromanische Bevölkerung einbezieht, ist eine These dieser Arbeit für diesen Zeitraum nicht mehr eigens zu erörtern. Die noch ausstehenden Belege aus den restlichen Reichskonzilien im Folgenden trotzdem noch mit in den Blick zu nehmen mag jedoch dabei helfen, weiteren Aufschluss über die Bedeutung des Ethnonyms Gothus und seinen Verwendungskontext zu geben. Die beiden folgenden Synoden der Jahre 636 (Toletanum V) und 638 (Toletanum VI) wurden beide unter der Regentschaft König Chinthilas (636–639) abgehalten und behandelten vor allem Fragen der Thronfolge, des Schutzes der Familie des Regenten und Garantieversprechen zugunsten seiner fideles.145 Die Synoden stellen sich dabei selbst in die Tradition des Toletanum IV und können als Erweiterungen zu den im Kanon 75 erlassenen Bestimmungen verstanden werden. Neben weiteren Indizien weist die starke Akzentuierung der Schutzbestimmungen für den König und dessen nächstes Umfeld darauf hin, dass sie dieses Schutzes in jener auch als „Rebellionsdekade“ bezeichneten Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach auch wirklich bedurften.146 Im Falle beider Konzilsakten wird der Begriff Gothus jeweils im unmittelbaren Zusammenhang mit Bestimmungen zur Thronnachfolge genannt. Dazu wird im dritten Kanon des Toletanum V behauptet, dass einige Personen das Königsamt anstrebten, die sich weder durch ihre Herkunft (origo) noch durch ihre Tugendhaftigkeit (virtus) besonders hervortäten. Davon ausgehend, legten die Konzilsväter fest, dass derjenige, der solches im Schilde führe, aber weder durch den Willen der Gemeinschaft noch durch die Würde der gens Gothorum für diese Ehre prädestiniert sei, aus der Gemeinschaft der Katholiken ausgeschlossen und verdammt werde.147 In ganz ähnlicher Weise wird dies auch im Kanon 17 des Toletanum VI artikuliert. 145
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Concilium Toletanum V, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 5, S. 275–291; Concilium Toletanum VI, ibid., S. 293–336. Einen Überblick über den Kontext und die Inhalte der Konzilien liefert z. B Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 173–189; und für eine Diskussion der Stellung des Königs vgl. besonders Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 249–258. Zum häufig konfliktiven Wechselspiel, zwischen dem König und seinen fideles auf der einen und dem in diese Positionen vorzudringen versuchenden Adel auf der anderern Seite, siehe im konziliaren Zusammenhang Anton: Der König und die Reichskonzilien, S. 265–269, Zitat S. 265, und aktuell Kampers: Westgoten, S. 196 ff. Tolet. V, c. 3, 75–84, S. 281 f., hier besonders: ut quisquis talia meditatus fuerit, quem nec electio omnium prouehit nec Goticae gentis nobilitas ad hunc honoris apicem trahit, sit consortio catholicorum priuatus et diuino anathemate condemnatus, 81–84.
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Nachdem dort zunächst einige Gruppen von der Thronfolge ausgeschlossen wurden – es waren dies Kleriker, Leute die mit einer decalvatio bestraft worden waren148, Personen niederer Abstammung (servilem originem trahens) sowie (Reichs-)Fremde (extraneae gentis homo) –, heißt es dort weiter, dass der König sich durch seinen Stand als Gote (genere Gothus) und durch seinen Charakter, seine Tugendhaftigkeit (moribus) als würdig erweisen müsse.149 Wie die beiden Kanones hinlänglich und übereinstimmend deutlich machen, bleibt es ausschließlich Goten vorbehalten, das Königsamt bekleiden zu können. Der Einschätzung Claudes, „daß hier alle Reichsangehörigen ohne Rücksicht auf ihre ethnische Abstammung als Goti bezeichnet wurden“150 kann im Hinblick auf die Aussage zur ethnischen Unterscheidung nur zugestimmt werden. Durch den Abgleich mit dem vom Königsamt ausgeschlossenen Gruppen erscheint es jedoch ferner möglich, den Bedeutungshintergrund von Gothus in diesem Kontext etwas genauer zu fassen, als ihn lediglich als Gemeinschaftsbezeichnung für die Bewohner des regnum zu verstehen.151 Bei einem solchen Zugriff wird erkenntlich, dass als Gothus hier eine innerhalb des Reiches verankerte Person mit einer herausgehobenen sozialen und moralischen Stellung benannt wird. Bezeichnend ist dabei die Formulierung des Toletanum V, bei der von der nobilitas gentis Gothorum die Rede ist. Aber auch die sprachliche Kombination von Gothus und genus in der Formulierung des Toletanum VI kann durchaus in Richtung einer sozialen Klassifizierung des Ethnonyms verstanden werden.152 In diesem Sinne hat sich dazu auch Isabel Velázquez geäußert, die wie folgt ausführt: „Perhaps here the Goticae gentis nobilitas refers to the ‚nobility‘ of status or class, characteristic of the gens Gothica (= ruling class of Gothic extraction, but also already very mixed). It seems that the emphasis is more on a class nobility, of righteous customs, superior to all other persons, only nominally identified as Gothic, as opposed, for example to foreigners,
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Die decalvatio ist eine in den westgotischen Rechtstexten für schwere Vergehen häufig bezeugte Form der Strafe, welche den Bestraften durch die offen sichtbare Entstellung in besonderer Weise erniedrigte und gesellschaftlich disqualifizierte. Tolet. VI, c. 17, 326–346, S. 325 ff., besonders: Rege uero defuncto nullus tyrannica praesumptione regnum assumat, nullus sub religionis habitu detonsus aut turpiter decaluatus aut seruilem originem trahens uel extraneae gentis homo, nisi genere Gotus et moribus dignus, prouehatur ad apicem regni, 341–345. Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 24. Der Bezug zum regnum ergibt sich, „da als extraneae gentes nur die außerhalb der Reichsgrenzen wohnenden Völker bezeichnet wurden“, Claude: Gentile und territoriale Staatsidee, S. 24; vgl. auch Teillet: Des goths à la nation gothique, S. 533 ff. Vgl. dazu die Ergebnisse in Kap. 4.3.
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Franks, Byzantines, etc.“153 Wird diese Bewertung von Velázquez noch zurückhaltend formuliert und ist zudem nur in einer Anmerkung ihres Textes zu finden, so kann ihr hier nur entschieden beigepflichtet werden. Zu fragen wäre jedoch, welche Rolle die gotische Abstammung – im primordialistischen Sinne (sofern dies das angemessene Verständnis für die Formulierung „of Gothic extraction“ ist) – im ersten Drittel des siebten Jahrhunderts noch gespielt haben mag. Für Velázquez ist sie der eigentliche semantische Kern des Ethnonyms, was sie dazu führt, eine aus HispanoRomanen und Goten, orientiert an der Abstammung, bestehende Führungsschicht als nur nominell (also dem Namen nicht dem eigentlichen Inhalt nach) gotisch zu bewerten. Im Unterschied zu dieser Akzentsetzung wird hier argumentiert, dass die von Velázquez treffend herausgestellte soziale Semantik gerade den Bedeutungskern der Bezeichnung Gothus trifft. Mit Ausnahme von zwei, auf dem neunten Konzil von Toledo (655) erlassenen Verfügungen zu Eheschließungen, die aufgrund inhaltlicher Erwägungen im Kapitel über die leges behandelt werden, greifen auch die weiteren Gothus-Belege innerhalb der konziliaren Überlieferung bereits bekannte Verwendungsmuster auf und stehen mehrheitlich in einem mehr oder minder ausgeprägten Bezug zum Kanon 75 des Toletanum IV. Den Anfang macht dabei das Toletanum VII (646), die erste und einzige unter der Regentschaft König Chindasvinths (642–653) abgehaltene Reichssynode.154 Der Belegkontext ist dabei einmal mehr ein Gesetz zum Schutze des Königs, welches sich gegen Tyrannen und Deserteure (refugae) sowie Treulose (perfidi) richtet.155 In Bezug auf die erste Gruppe wird im Text 153
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Velázquez: Pro patriae gentisquae Gothorum statu, S. 205 Anm. 116. Siehe dazu allgemein vor allem Heather: Goths, S. 289: „[A] wide variety of evidence suggests that what really emerged in the sixth and seventh centuries was an elite which called itself Gothic, but which was, in biological terms, a mixture of Goths and Hispano-Romans“. Siehe dazu insgesamt Concilium Toletanum VII, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 5, S. 337–364; sowie aus der Lit. Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 195–198; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 259–265. Tolet. VII, c. 1, 13–124, S. 338–347. Dessen Bestimmungen hatten zuvor (642/643) bereits Eingang in den Liber Iudiciorum gefunden (2,1,8) und wurden hier noch einmal durch das Konzil wieder aufgegriffen und bestätigt. Darauf nimmt der erste Kanon des Konzils direkt Bezug, indem dort von einer Bestätigung dessen die Rede ist, was bereits längst als Gesetz erlassen worden sei (Tolet. VII, c. 1, 69–72, S. 342/343). Die Maßnahmen Chindasvinths erscheinen angesichts seiner eigenen, überaus bemerkenswerten Vita nur allzu verständlich: Schenken wir der Altersangabe in der Fredegar-Chronik insoweit Vertrauen, sie zumindest als Näherungswert zu verstehen, so starb der König am 30. September 653 etwa neunzigjährig (Fredegar: Chronica 4,82, plenus senectutae, fertur nonagenarius, moretur). Das bedeutet, dass Chindasvinth bereits um die 80 Jahre zählte, als er durch einen Adelsputsch gegen den von
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dabei die rhetorische Frage danach gestellt, wer nicht um die vielen Verbrechen derjenigen wisse, welche zu den Feinden übergelaufen seien und dem Staat Schaden zugefügt sowie dem Heer der Goten unaufhörliche Mühe bereitet hätten.156 Wie sich zeigt, bleibt das Heer auch im siebten Jahrhundert ein Bereich gotischer Identifikation. Es wird hier aber ein Heer als gotisch identifiziert, das der Abstammung nach keineswegs nur aus Goten bestand, sondern das bereits im Tolosanischen Reich und seit dem sechsten Jahrhundert auch in der Hispania von Einheimischen gebildet wurde.157 Der besonders negativ herausgestellte Grenzübertritt von Personen in externas partes ist dabei kein singuläres Phänomen. Thematisiert wird er in den westgotischen Rechtstexten seit dem Toletanum VI immer wieder,158 wobei das Überqueren der Grenzen häufig in engem Zusammenhang mit politischen Verschwörungen und damit vielfach als Delikt gesehen wird. Darüber hinaus spiegelt sich in dieser Betonung der Grenzen die weitere Verfestigung der Territorialisierung des Toledanischen Reiches wider.159 Auf die Grenzen
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Chinthila noch minderjährig als König eingesetzten Tulga auf den westgotischen Thron gelangte. Die genannte fränkische Chronik überliefert in diesem Zusammenhang die bekannten Worte, nach welchen „das Volk der Goten aufsässig ist, sobald es kein schweres Joch auf sich lasten fühlt“ und in ihr wird die üble Sitte, die Könige abzusetzen, als typisch gotische Krankheit (morbus Gothicus) bezeichnet. Gemäß der Darstellung dieser Quelle war es Chindasvinths reichhaltige und mit einer Vielzahl solcher Erhebungen verwobene Lebenserfahrung, welche ihn dazu veranlasste, potentielle Konkurrenten innerhalb des gotischen Adels nach seiner Inthronisierung brutal auszuschalten (Fredegar: Chronica 4,82; vgl. auch Kampers: Westgoten, S. 199–203). Die von ihm hier auf beiden Ebenen gesetzgeberischer Gestaltungskraft im Westgotenreich ins Werk gesetzte Verurteilung und Bestrafung von Personen, welche sich gegen den König erheben oder zu erheben gedenken, ist dabei in besonders eindrückliches Beispiel für die Doppelbödigkeit der in den dispositiven Quellen vertretenen Wertvorstellungen und deren machtpolitische Instrumentalisierung. So wird in dem angesprochenen Gesetzestext des Liber Iudiciorum zwar verfügt, dass die Treulosen zu bestrafen seien, eingedenk der Tatsache jedoch, dass Chindasvinth selbst auf diese Weise an die Macht gekommen war, heißt es dazu allerdings auf vielsagende Weise einschränkend, dass dies nur für jene ab anno regni nostri primo vel deinceps gelte (LI 2,1,8, S. 54 Z. 22). Tolet. VII, c. 1, Quis enim nesciat quanta sint hactenus per tyrannos et refugas transferendo se in externas partes illicite perpetrata et quam nefanda eorum superbia iugiter frequentata, quae et patriae diminutionem aferrent et exercitui Gotorum indesinentem laborem imponerent?, 31–35, S. 340. Heather: Goths, S. 288; Martin: La notion de gens, S. 79 ff. Tolet. VI, c. 12, 254–259, S. 318/319. Siehe dazu allgemein Martin, Céline: „In confinio externis gentibus“. La percepción de la frontera en el reino visigodo, in: Stvdia Historica, Historia Antigua 16 (1998), S. 267–280, besonders S. 273–280. Siehe dazu ausführlich Martin: „In confinio externis gentibus“; Id.: La géographie du pouvoir, S. 279–320.
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des als gotisch identifizierten Staates wird auch im Toletanum VII Bezug genommen, wenn von Laien die Rede ist, welche versuchten intra fines patriae Gothorum nach dem Königsamt zu streben.160 Die Akten dieses Konzils identifizieren Goten im gleichen Kanon noch weitere drei Mal, wobei sie jeweils die bereits aus dem Toletanum IV geläufigen Trias von patria, rex und gens unter besonderen Schutz stellen.161 Gleiches lässt sich auch über alle weiteren und nicht sehr zahlreichen gotischen Benennungen in den Akten der weiteren Reichskonzilien sagen. Im Aktentext des von Rekkesvinth (653–672) im Jahre seines Herrschaftsantritts einberufenen achten Konzils von Toledo ist dabei zu lesen, dass die Konzilsväter, wie das gesamte Volk (omnis populus), bereits in der Vergangenheit geschworen hätten, dass keine Person, gleich welchen Ranges, Gnade zu erwarten habe, die dem König nach dem Leben trachte oder zum Schaden der gens und patria Gothorum handle.162 Ganz ähnlich, jedoch weitere 40 Jahre später, wird im zehnten Kanon des unter Egica (687–702) versammelten Toletanum XVI (693) dargelegt, dass bekanntermaßen viele Treulose das Königsamt unrechtmäßig anstrebten und nicht als von Gott geschenkt erachteten. So werden denn auch jeder Person aus dem Umkreise des Herrschers, ungeachtet ihres Ranges und ihrer Würde (ex palatinis cuislibet sit ordinis vel honoris persona), welche den gewaltsamen Tod des Königs und den Untergang der gens und patria Gothorum anstrebe, empfindliche Strafen angedroht.163 Und schließlich endet der Kanon, indem, so sinngemäß die Aussage des Textes, die vorangegangenen Entscheidungen durch die notwendige Wiederholung der Worte eines älteren Kanons ergänzt würden. Darauf folgt, dem Kanon 75 des Toletanum IV fast wörtlich entlehnt, die dreifache Strafandrohung an jeden, der seinen pro patriae gentisque Gothorum statu geleisteten Treueid breche.164
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Tolet. VII, c. 1, 84–85, S. 344. Tolet. VII, c. 1, 46, 52, S. 341; 72, S. 343. Concilium Toletanum VIII, hg. v. Martínez/ Rodriguez CCH 5, S. 365–485, hier 111–116, S. 375. Siehe zu dem Konzil insgesamt Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 201–214; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 267–289. Da die Akten dieses Konzils (wie des Toletanum XVII) bisher nicht kritisch ediert worden sind, wird hier die Ausgabe von Vives, Concilios, S. 482–521, benutzt. Siehe ibid., c. 10, S. 487. Orlandis/ Ramos-Lissón: Die Synoden auf der Iberischen Halbinsel, S. 299–315; Suntrup: Studien zur politischen Theologie, S. 318–337. Tolet. XVII, S. 511.
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5.1.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Da die Untersuchung der Konzilsakten in diesem Kapitel an den für die gesamte Arbeit gültigen Leitfragen orientiert erfolgt ist, stand damit fast ausschließlich der Aspekt ethnischer Identität im Blickpunkt. Die bei einem solchen Zugriff unvermeidliche Asymmetrie, zwischen der Akzentsetzung bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Quellentexten und derjenigen der Texte selber, ist selbstredend auch in diesem Falle gegeben. Betrachtet man, um dieses Ungleichgewicht nicht gänzlich aus dem Blick zu verlieren, das gesamte Quellencorpus, wird deutlich, dass in der vergleichsweise umfangreichen konziliaren Überlieferung nur ausgesprochen wenige ethnische Zuweisungen vorgenommen werden. Ist dies dennoch der Fall, beziehen sie sich fast ausschließlich auf Goten – andere Völker beziehungsweise Gruppen spielen hingegen keine nennenswerte Rolle. Aber auch die Goten sind in den Akten aller westgotischen Reichskonzilien explizit als solche nur 24 Mal nachweisbar.165 Ein Grund für diese geringe Belegdichte liegt in der spezifischen inhaltlichen Ausrichtung dieser Quellengattung. Die in großen Teilen dominierende religiös-kirchliche Orientierung bietet dabei fast keinen Anlass dazu, Ethnizität inhaltlich auch nur zu streifen. Eine wichtige Einschränkung dieser grundsätzlichen Aussage liegt jedoch darin, dass gerade auf den westgotischen Reichskonzilien regelmäßig auch weltlich-politische Inhalte erörtert wurden, die auch in eine allgemein verbindliche Gesetzgebung mündete. Im Unterschied zu den historiographischen Texten geht der Horizont dieser weltlichen Bestimmungen und ihrer Erörterung naturgemäß selten über die Sphäre des Königreiches hinaus, weswegen auch hier kaum Gelegenheit dazu entsteht, über fremde Völker und ihr Verhältnis zu den Goten zu berichten. Ist dies, wie bei der Thematisierung von Grenzübertritten und unheilvollen Allianzen mit auswärtigen Feinden, doch einmal der Fall, werden die Völker außerhalb des gotischen regnum nur unspezifisch als extraneae gentes benannt. Aufgrund der Fokussierung der politischen Inhalte auf die inneren Verhältnisse des Toledanischen Reiches fällt die Absenz ethnischer Differenzierungen hier umso mehr ins Gewicht. So ist in den Akten der westgotischen Reichssynoden für den Bereich des Toledanischen Reiches mit Ausnahme der Juden keine andere Bevölkerungsgruppe eigener Identität auszumachen.166 Ethnische Identität in den Synodalakten des Toledanischen Reiches heißt also gotische Identität. 165
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Siehe zu allen gothicus- bzw. Gothus-Belegen Mellado: Léxico de los concilios, Bd. 1, S. 292. Genau genommen müssten hier noch die im Tolet. III erwähnten Sueben genannt werden. Im Gegensatz zu den Juden tritt ihre gesonderte Nennung jedoch selbst in-
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Die Aufteilung der Gothus-Belege auf die einzelnen Konzilien liefert dabei ein erstes Indiz für einen Verwendungszusammenhang, in welchem diese gotische Identifizierung vorgenommen wurde. So teilen sich insgesamt 19 der 24 Nachweise (und damit knapp 80 Prozent) auf das dritte, vierte, siebte und sechzehnte Toletanum auf.167 Da auf den genannten Versammlungen Fragen der Herrschaftsführung beziehungsweise der „Staatsräson“ eine wichtige Rolle gespielt haben, kann diese Akkumulation als Hinweis auf einen politischen Verwendungskontext gelten. Dieser bestätigt sich spätestens bei der Einzelanalyse der Belege im Kontext der jeweiligen Konzilsakten. Zu erkennen ist dabei, dass die Identifizierung von Goten vor allem im Zusammenhang mit Themen auszumachen ist, die den König, die Thronfolge und den Treueid betreffen, den alle Freien zu leisten hatten. Festzustellen ist ferner, dass der von der Trias aus rex, gens und patria konstituierte politische Verband als gotisch identifiziert wurde. Detaillierte Informationen dazu, was genau gotische Identität ausmachte und wer präzise mit ihr in Verbindung gebracht wurde, enthält auch diese Quellengruppe nicht. Anhand einiger Belege, die einen zumindest geringfügig tiefer gehenden Blick in die Struktur des regnum zulassen, lässt sich jedoch soviel sagen, dass als Goten die Mitglieder einer gesellschaftlich exponierten Führungsschicht gelten dürfen. Qua Konzilsbeschluss war es etwa allein einer Person von diesem als gotisch identifizierten Stande vorbehalten, zum König des gotischen Staates gewählt zu werden. Ein Teil dieser gotischen Elite zu sein war dabei keine Frage der Abstammung, sondern eine der sozialen Position. Anknüpfend an die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel, zur Rolle der Konfession als definierendes Element einer ethnischen Identität, lag bei der Untersuchung der Konzilsakten ein besonderer Akzent bei der auf dem Toletanum III offiziell vollzogenen Konversion der Goten vom Arianismus zum Katholizismus. Hinsichtlich der Einschätzung ihrer Bedeutung bei der Annäherung zwischen Goten und Hispano-Romanen wurde dabei betont, dass man die Darstellung der Konzilsakten überbewer-
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nerhalb der besagten Konzilsakten nur ein Mal auf, obwohl häufiger Gelegenheit dazu bestanden hätte, was gegen eine ausgeprägte Wahrnehmung ihrer Sonderrolle spricht. Dass sie noch als ethnisch identifizierte Gruppe wahrgenommen wurden, ist sicher auf die zu jenem Zeitpunkt erst kurz zurückliegende Inkorporation in das westgotische Reich zurückzuführen. Dementsprechend ist sie in späteren Konzilsakten nicht mehr belegt. Zu erwähnen ist weiterhin der ungewöhnliche Beleg aus der Provinzialsynode in Narbonne (589), bei der Goten, Römer, Griechen, Syrer und Juden benannt werden. Siehe dazu oben Kap. 5.1.2. Die Anzahl der jeweiligen Nachweise lässt sich in der oben genannten Reihenfolge auf 5, 5, 5 und 4 beziffern, vgl. Mellado: Léxico de los concilios, Bd. 1, S. 292.
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tete, erachtete man sie als Beweis für eine bis dahin gültige, ethnisch-religiöse Trennung, und dies obwohl in ihnen ausschließlich die arianischen Konvertiten als Goten gekennzeichnet werden. Wie zu zeigen versucht wurde, ist diese Identifikation das Resultat der sich im Text der Konzilsakten auf komplexe Art und Weise verschränkenden Interessenlagen und Darstellungsabsichten der einzelnen Akteure, die wiederum insbesondere vor dem Hintergrund der religionspolitischen Entwicklungen und Konflikte der 580er Jahre zu verstehen sind. Die anfängliche Skepsis des katholischen Episkopats gegenüber dem leiblich und politisch unmittelbaren Nachfolger jenes Königs, welcher die gesamte Bevölkerung seines Reiches unter dem Banner einer gotisch-arianischen Identität zu einen versucht hatte, wurde dabei zum Hemmschuh der selbstbewussten Darstellung von Rekkareds politisch-religiöser Herrschaftsideologie. War Rekkared und auch seinen Zeitgenossen die westgotische Identität dieses nunmehr offiziell katholischen Reiches und seiner politisch handelnden Bewohner auch sicher bewusst, in der Überlieferung des Toledaner Konzils bleibt die gentile Identifikation unkenntlich, da sie, insbesondere nach Vollzug der Konversion, geprägt ist von der Sprache des katholischen Episkopats. Für den Letztgenannten spielte gotische Identität, wie sie sich im König personifizierte, bestenfalls keine Rolle oder sie musste aufgrund der unmittelbaren Vorgeschichte zunächst kritisch gesehen werden. Entgegen der aus einsichtigen Gründen andersartigen Schilderung der Konzilsakten scheint insgesamt jene Schlussfolgerung die wahrscheinlichste, nach der Rekkared der gleichen konfessionellen Einigungsidee zugunsten einer Zentralisierung und Festigung der weltlichen Macht nachging wie sein Vater, mit dem Unterschied jedoch, dass er die Lehre aus dessen Scheitern zog und sich auf die Seite der katholischen Kirche stellte. Die religiöse Ausgangssituation und Vorbedingung dafür war mit Blick auf die Bevölkerung jedoch kein konfessionell-ethnisches Schwarz-Weiß-Bild, sondern eines, das von vielen Grauschattierungen geprägt war.
5.2 Goten und Römer in den leges des Toledanischen Reiches Wie angesichts der bis ins letzte Drittel des sechsten Jahrhunderts instabilen politischen Verhältnisse kaum überraschen kann, gibt es aus dieser Zeit keine Hinweise darauf, dass die Könige in nennenswertem Maße im Bereich der Gesetzgebung gewirkt hätten. Ein nur zufällig in Form eines Palimpsests überliefertes Prozesskostengesetz, welches von König Theudis am 24. November 546 in Toledo erlassen wurde, unterstreicht stattdessen die naheliegende Annahme, dass die Gesetzgebung zunächst eine Fortfüh-
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rung derjenigen des Tolosanischen Reichs war.168 Denn Theudis verfügte, dass sein Gesetz dem Corpus Theodosianum eingegliedert werden solle.169 Angesprochen wurde damit jene von Alarich II. vorgenommene Modifizierung römischen Rechts, welche erst in der Neuzeit ihre Bezeichnung als BA beziehungsweise LRV erhielt.170 Über den ersten signifikanten Eingriff in die westgotische Gesetzgebung seit dem Ende des Tolosanischen Reiches erfahren wir nur indirekt durch Isidor von Sevilla, der berichtet, dass Leovigild jene Dinge verbessert habe, welche von Eurich ungenau verfügt worden zu sein schienen, sowie, dass er fehlende Gesetze ergänzt und überflüssige aufgehoben habe.171 Da Isidor keine weiteren Revisionen erwähnt und in den 654 von Rekkesvinth (649/653–672) erlassenen Liber Iudiciorum (LI) einige königliche Urheber einzelner Gesetze namentlich genannt werden – die Reihe beginnt dabei mit Rekkared –, sind schon von Karl Zeumer all jene mit dem Zusatz Antiqua versehenen Bestimmungen des LI auf das von ihm als Codex revisus angesprochene Gesetzeswerk Leovigilds zurückgeführt worden.172 Durch die Vereinheitlichung und die neue Kodifizierung des Rechts im erwähnten LI, der auf das Wirken der Könige Chindasvinth (642–653) und Rekkesvinth zurückgeht, ergibt sich die nächste wichtige Station der westgotischen Gesetzgebung in Spanien.173 Wurde mit ihr bereits die Form fest168 169
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Siehe dazu Kap. 2.3.1. Lex Theudi regis de litium expensis, hg. v. Karl Zeumer, in: Leges Visigothorum (MGH LL nat. Germ. 1), Hannover 1902 (ND 1972), S. 467–469, Hanc quoque constitutionem in Theodosiani corporis libro quarto sub titulo XVI. adiectam iubemus, 72–74, S. 469. Zur Bezeichnung siehe Nehlsen: Alarich II. als Gesetzgeber, S. 143; Collins: Visigothic Spain, S. 44, S. 231, und zur fortwährenden Gültigkeit King: King Chindasvind and the First Territorial Law-code, S. 136 f. Isidor: Historia Gothorum 51, In legibus quoque ea quae ab Eurico incondite constituta uidebantur correxit, plurimas leges praetermissas adiciens plerasque superfluas auferens. Zeumer, Karl: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., in: NA 23 (1898), S. 419–516, S. 430–433. Zusammen mit den beiden Folgeaufsätzen, Geschichte der westgothischen Gesetzgebung II., in: NA 24 (1899), S. 39–122; Geschichte der westgothischen Gesetzgebung III., in: NA 26 (1901), S. 91–149, und der daraufhin im Jahre 1902 von ihm besorgten Edition der Leges Visigothorum in den MGH, hat Zeumer die in vielem bis heute gültigen Grundlagen für die Erforschung der westgotischen Gesetzgebung gelegt. Für einen aktuellen Überblick siehe Collins: Visigothic Spain, S. 223–239, und mit kritischen Anmerkungen auch zur Edition García López, Yolanda: Estudios críticos y literarios de la „Lex Wisigothorum“ (Memorias del Seminario de Historia Antigua 5), Alcalá de Henares 1996, besonders S. 9–33. Eindeutig greifbar ist der LI mit der Promulgation durch Rekkesvinth im Jahre 654. Es wird jedoch auch argumentiert, dass das Werk grundsätzlich auf dessen Vater Chindasvinth zurückgehe, siehe King: Law and Society, S. 18 f., oder ausführlicher Id.: King Chindasvind and the First Territorial Law-code, S. 142–157.
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gelegt, welche unser heutiges Bild der Gesetzgebung im Toledanischen Reich prägt, so erfuhr der LI zunächst im Jahr 681 durch Ervig (680–687) und später im Jahr 692 durch Egica (687–702) noch einmal Bearbeitungen.174 Die in insgesamt zwölf thematische Bücher unterschiedlicher Länge aufgefächerte Struktur des LI – die Bücher untergliedern sich ihrerseits erneut in Titel und diese wiederum in einzelne Kapitel – blieb dabei unverändert.175 In diesen zwölf Büchern werden zum einen Gesetze aus beiden Codices des Tolosanischen Reiches zusammengefasst (also dem CE und dem BA), wie darüber hinaus auch solche, ganz unterschiedlichen Entstehungsdatums. Mit einer Anzahl von circa 315 geht der mit Abstand größte Teil dabei auf die alten Gesetze zurück. Bei jenen Königen, denen neue Bestimmungen zugeschrieben werden können – dies ist in manchen Fällen insofern problematisch, als dass die Zuordnung in den einzelnen Handschriften nicht immer übereinstimmt –, ragen Rekkesvinth mit 88 und Chindasvinth mit knapp 100 Gesetzen deutlich hervor, während die Mehrzahl der Könige entweder gar nicht oder nur mit einer vernachlässigenswerten Anzahl vertreten sind. Eine späte Ausnahme sind dabei die Könige Ervig und Egica. Im Zuge der vom Erstgenannten unternommenen Redaktion fügte er 34 neue Gesetze hinzu, von denen 28 ausschließlich die Stellung und den Umgang mit Juden behandelten, und auf Egica sind 13 novellae zurückzuführen.176 Ohne darauf hier vertieft eingehen zu können, verbirgt sich in dieser verkürzten Darstellung eine Reihe ungeklärter Fragen, deren Beantwortung für die Einordnung einzelner Gesetze oder auch der Codices indes nicht unerheblich ist. Ein Problem ist dabei, dass es jenseits des LI praktisch keine weitere Überlieferung legislativer Quellen des spanischen Reiches gibt, mit Ausnahme der Konzilsakten. Auch die zunächst noch maßgeblichen Werke des CE und BA sind uns nicht aus Spanien, sondern nur durch ihre über die westgotische Herrschaft hinausreichende Rezeption im gallischen Raum bekannt. Begründet liegt dieses Phänomen unter anderem darin, dass mit der neuen Kodifikation und der Zusammenführung des Rechts durch das LI alle vorherigen Bestimmungen nicht nur außer Kraft gesetzt und als unerwünscht deklariert wurden, sondern die Richter ferner
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García López: Estudios críticos, S. 9–14. Für eine kurze Übersicht der Kapitelüberschriften und Inhalte siehe Zeumer: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., S. 488–492; Kampers: Westgoten, S. 253 ff. Siehe zu den Zahlen, die jeweils leicht variieren, Zeumer: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., S. 487; Collins: Visigothic Spain, S. 234 ff.; García López: Estudios críticos, S. 14; Kampers: Westgoten, S. 253 f.
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dazu angehalten waren, solche Gesetzeswerke zu vernichten, sofern sie ihrer habhaft wurden.177 Dies gilt somit auch für den sogenannten Codex revisus Leovigilds. Der Versuch, diesen aus den mit dem Zusatz Antiqua markierten Bestimmungen des LI zu rekonstruieren, musste aufgegeben werden.178 Dieser Umstand bietet freilich keine Veranlassung dazu, Isidors Bericht über Leovigilds Aktivität auf dem Gebiet der Rechtssprechung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Abgesehen vom möglichen praktischen Nutzen einer Reform war es auch Teil der spätantiken Herrschaftsikonographie, als Gesetzgeber in Erscheinung zu treten. Gerade Leovigilds Regentschaft zeichnet sich durch die Intensivierung solcherlei Herschaftssymbole aus, für die ins Werk zu setzen er die notwendigen Voraussetzungen geschaffen hatte.179 Ob er dabei jedoch eine eigene Kodifikation erstellte oder das bestehende Gesetzeswerk reformierte, und ob die alten Gesetze damit auf einen sogenannten Codex revisus zurückzuführen sind oder nur allgemein die älteren Gesetze der Zeit vor dem LI bezeichnen, ist letztgültig nicht zu klären. Zu fragen wäre hier etwa, warum als Antiquae sowohl ältere Gesetze des CE wie auch des BA bezeichnet werden, Isidor aber ausdrücklich davon spricht, dass Leovigild Eurichs Gesetzgebung reformierte. Anders gewendet erscheint wiederum fraglich, inwieweit man Isidors Worten im Detail Vertrauen schenken kann. Denn auch wenn Isidor im Kontext des angeführten Satzes zur Gesetzgebung eine gewisse Distanz zu Leovigilds rücksichtsloser Machtpolitik auf Kosten des Adels erkennen lässt, so stellt er ihn ebendort auch ganz ausdrücklich als besonders tatkräftigen und ruhmreichen Herrscher dar. Da dies den historischen Begebenheiten in hohem Maße entsprach, darf man Isidor an dieser Stelle kein falsches Zeugnis unterstellen, allerdings weisen seine Schilderungen durchaus Übertreibungen beziehungsweise Idealisierungen oder, anders formuliert, Ungenauigkeiten auf.180 Bei genauerer Betrachtung erscheint auch die Genese des LI merkwürdig:181 So ist zunächst auffällig, dass zwischen den genannten Gesetzesinitiativen Leovigilds und Chindasvinths, womit die Zeitspanne zwischen den Jahren 586 bis 642 beschrieben ist, insgesamt lediglich drei Gesetze Rekkareds und zwei Sisebuts greifbar sind. Dieser Befund erstaunt beson177
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Vgl. LI 2,1,8, und besonders 2,1,9, hg. v. Karl Zeumer, in: Leges Visigothorum (MGH LL nat. Germ. 1), Hannover 1902 (ND 1972), S. 33–456. Vgl. Zeumer: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., S. 484 f. Vgl. Collins: Visigothic Spain, S. 232. Koch: La imperialización del reino visigodo, passim. Arce: Leovigildus rex y el ceremonial de la corte visigótica, S. 85; Koch: La imperialización del reino visigodo, S. 105–108. Siehe zum Folgenden Collins: Visigothic Spain, S. 234–239.
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ders angesichts der Tatsache, dass er in eine Phase datiert, während der sich in gewissen Bereichen neue soziale und politische Verhältnisse formten. Es wäre mithin zu erwarten, dass dieser Prozess auch in der Gesetzgebung Ausdruck hätte finden können. Bliebe die gesetzgeberische Tätigkeit der Könige fortan konstant auf solch einem quantitativ niedrigem Niveau, wäre die Beobachtung weniger eigentümlich als sie es angesichts des starken Kontrasts ist, der sich durch den Vergleich zur ebenso kurzen wie intensiven Periode königlicher Gesetzgebung zwischen 642 und 654 ergibt. Haben aus den 56 Jahren zuvor also lediglich fünf Gesetze ihren Weg in das LI gefunden, so waren es unter Chindasvinth und Rekkesvinth in den folgenden zwölf etwas weniger als 200. Mit Blick auf den Letztgenannten ist dabei ferner erstaunlich, dass er nach dem ersten Jahr seiner alleinigen Herrschaft knapp 90 und während der noch folgenden 18 Jahre seiner Regentschaft kein einziges Gesetz mehr erlassen zu haben scheint. Wie gesehen, heben sich aus der darauf wieder einsetzenden Verflachung schließlich noch einmal Ervig und Egica leicht hervor. Vor diesem Hintergrund erscheint es schwer, die Genese des LI als kontinuierlichen und an den gesellschaftlichen Verhältnissen innerhalb des regnum orientierten Prozess zu begreifen.182 Angesichts dieser Ausgangssituation und in Anlehnung an die grundlegenden Arbeiten etwa von John Wallace-Hadrill und Patrick Wormland,183 wird nun auch für die Kodifizierung der westgotischen Gesetze im Toledanischen Reich – jenseits ihres direkten Nutzens in der Praxis – besonders ihre politische Symbolwirkung in den Vordergrund gestellt. Die Kodifizierung des Rechts gilt dabei als Ausweis einer souveränen und machtvollen Stellung.184 So stellt auch Yolanda García López ihrer ausführlichen Untersuchung und Edition des gesetzgeberischen Werkes Egicas folgende Feststellung voran: „Lo que importa a Egica cuando manda redactar esas leyes de contenido ‚superfluo‘ es, probablemente, aparecer él como rey que legisla y por eso como más rey, […]; en 182
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Da die Rechtssprechung auf diese jedoch reagieren muss, ist anzunehmen, dass neben dem kodifizierten Recht weitere Erlasse existierten, welche auf die konkreten rechtlichen Erfordernisse eingingen, wie dies im Falle des späteren fränkischen Reiches anhand der Kapitularien zu beobachten ist. Es fehlt davon im Toledanischen Reich jedoch jede Spur. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die westgotischen Könige auch die Reichssynoden dazu nutzten, weltliche Bestimmungen zu erlassen. Wallace-Hadrill, John M.: The Long-Haired Kings and other Studies on Frankish History, London 1962; Wormland: Lex Scripta and Verbum Regis. Collins: Visigothic Spain, S. 236: „Examination of the versions of the codes themselves only adds to the clear sense that their purpose was primarily symbolic and political.“
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definitiva le importa reforzar su prestigio y su poder con el marco simbólico de la escritura.“185 Da die Betonung der eigenen Stellung besonders in Phasen der Unsicherheit von Bedeutung sein kann, ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung von Interesse, dass die Kodifikationen des LI in Krisensituation der jeweiligen Herrscher vorgenommen wurden.186 Für die im Folgenden vorzunehmende Bewertung der ethnischen Anklänge innerhalb der westgotischen Gesetzgebung des Toledanischen Reiches wäre es von Bedeutung, Genaueres über die Entstehungs- und Veränderungszusammenhänge des LI zu wissen, sowie darüber, in welchem Maße es tatsächlich in der Praxis benutzt wurde. Schließlich stellt es einen keineswegs unerheblichen Unterschied dar, ob ein Text vornehmlich durch seine schiere Existenz, seine Gestalt und durch einen mit ihm verbundenen Akt beziehungsweise Vorgang oder eher unmittelbar durch seinen Inhalt und dessen Umsetzung Bedeutung erhält. Im Rahmen dieser Untersuchung besteht jedoch nicht die Möglichkeit dazu, den bis hierher genannten Aspekten wie auch kritischen Fragen zur Edition des LI von Zeumer vertieft nachzugehen.187 Gleichwohl bleibt wichtig festzuhalten, dass man dem Gesetzeswerk des Toledanischen Reiches, in Form des LI, nicht gerecht würde, wenn man ihn als unmittelbares Produkt der Gesellschaft seiner Zeit auffasste. Es ist vielmehr das Ergebnis einer komplexen und lange währenden Genese, über die im Detail vieles im Dunkeln liegt. Der größte Teil des LI geht dabei auf die bereits im fünften Jahrhundert im Tolosanischen Reich geltenden Gesetze zurück, die ihrerseits eine Weiterentwicklung der spätantik römischen Gesetzgebung waren. In Hinblick auf die Frage der personalen oder territorialen Gültigkeit der westgotischen Gesetze findet sich häufig die Meinung, dass erst mit dem LI auf alle Bewohner des regnum das gleiche Recht angewandt wurde.188 Auch den Vertretern dieser These sind dabei jedoch zwei merkwürdige Aspekte aufgefallen. Zum einen die Tatsache, dass die einzeln fassbaren Gesetze der westgotischen Könige bereits seit Theudis territoriale Gültigkeit hatten – hier sind auch die im Rahmen der Reichssynoden erlassenen Gesetze besonders in den Blickpunkt zu rücken189 –, gleichzeitig aber zwei 185 186 187
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García López: Estudios críticos, S. 20/21. Collins: Visigothic Spain, S. 236. Diese beziehen sich in erster Linie auf Zeumers Vernachlässigung der von ihm als Vulgata bezeichneten dritten von drei Handschriftenfamilien, die den LI überliefern. Vgl. dazu García López: Estudios críticos, S. 14–18. Vgl. z. B. Thompson: Goths in Spain, S. 211; King: Law and Society, S. 18 f.; Heather: Goths, S. 295 f.; Laubenberger, Lorenz: Art. Westgotisches Recht, in: HRG 5 (1998), Sp. 1318–1322, Sp. 1321; Kampers: Westgoten, S. 253. Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 173.
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personal gültige Gesetzeswerke bis zur Mitte des siebten Jahrhunderts fortexistiert haben sollen.190 Ferner stünde die rechtliche Trennung der Bevölkerung in diametralem Verhältnis zur seit Leovigild und, unter dem Mantel des gemeinsamen katholischen Glaubens, besonders seit Rekkared forcierten Einheitsideologie. „The personal law system was quite out of harmony with the prevailing emphasis on unity and corporational notions of society“, wie mit Paul King ein entschiedener Anhänger der These einer personalen Gültigkeit des Rechts äußert.191 Mit der weiter oben vertretenen Auffassung, dass die westgotische Gesetzgebung bereits von Anfang an dem Prinzip territorialer Gültigkeit verpflichtet war, ist dieser vermeintliche Widerspruch zu lösen. Der LI stellt damit die Gesetzgebung des Toledanischen Reiches im siebten Jahrhundert zwar noch immer auf eine neue Grundlage, er tut dies aber vor allem in formaler Hinsicht und losgelöst von Überlegungen, welche im Zusammenhang mit einer etwaigen ethnischen Aufgliederung der Reichsbevölkerung gestanden haben könnten.192 Bevor in den nachstehenden Abschnitten aus dem Textcorpus der westgotischen Gesetzgebung besonders jene Kapitel Beachtung finden werden, die sowohl Goten als auch Römer nennen, können die Einzelbelege des Ethnonyms Gothus hier im Überblick dargestellt werden, da sie im Abgleich zu den bisher erzielten Ergebnissen keine neuen Erkenntnisse liefern. Zwei der vier Kapitel, in denen die Goten benannt werden, stammen aus dem Fundus der alten Gesetze. Das erste der beiden weist die Richter im einleitenden Satz dazu an, zur Verhaftung zu schreiten, sofern ein Gote oder sonst jemand einer Straftat angeklagt werde.193 Es ist naheliegend, dass die ungewöhnliche Einzelnennung der Goten hier mit ihrem hohen sozialen Prestige sowie mit der damit verbundenen militärischen Stärke in Zusammenhang zu bringen ist. Denn wie im Text weiter ausgeführt wird, liegt die Kernbestimmung des Gesetzes in der Verpflichtung der comites, den Richtern bei der Verhaftung von Angeklagten zu helfen, sofern diese allein nicht in der Lage dazu waren.194 Im Blickpunkt dieser Bestimmungen stehen mithin Fälle, in welchen die Rechtssprechung dadurch bedroht werden könnte, dass der Angeklagte mächtig genug war, sich dem Zugriff eines 190 191
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King: Law and Society, S. 16 mit Anm. 5; Ibid., S. 18. Siehe dazu auch z. B. Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 171–174; Kampers: Westgoten, S. 253. Vgl. auch Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 147 f. LI 7,4,2, Quotiens Gotus seu quilibet in crimine, […], accusatur, ad corripiendum eum iudex insequatur. Ibid., Quod si forte ipse iudex solus eum comprehendere vel distringere non potest, a comite civitatis querat auxilium, cum sibi solus sufficere non possit.
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„einfachen“ iudex entziehen zu können. Durch diesen Umstand, tritt die gotisch identifizierte Führungsschicht hier besonders in den Blickpunkt. Der zweite Beleg steht im Zusammenhang mit einem Gesetz, welches für den Fall Recht setzt, dass Aufgebotsleute etwas aus dem Besitz derjenigen stehlen, welche sie im Dienste des Königs zum Heer entsenden.195 Parallel zu anderen Quellenstellen werden die Krieger dieses Heeres, die zum Kampf gegen den Feind ausgehoben werden, als Goten identifiziert.196 Insbesondere aus den Konzilsakten ist bereits jene Bedeutungsebene bekannt, welche zwei in der Mitte des siebten Jahrhunderts von König Chindasvinths erlassene Gesetze aufweisen, indem sie den Staat und das Staatsvolk als gotisch identifizieren. In enger Anlehnung an das unter gleichem König im Jahr 646 abgehaltene siebte Konzil von Toledo, richtet sich das erste der beiden angesprochenen Gesetze gegen Aufrührer und Deserteure (De his, qui contra principem vel gentem aut patriam refugi).197 Auch wenn das Ziel dieses ausführlichen Gesetzes zuvorderst im Schutz der Person des Königs bestand, so steht wie bei den Konzilsakten auch hier die staatstragende Trias aus rex (beziehungsweise princeps), gens und patria im Zentrum der Argumentation. Wir können uns hier folglich auf die Aussage beschränken, dass die im Titel ohne Epitheton ornans gebliebenen Begriffe patria und gens innerhalb des Gesetzestextes auch in Begleitung der Genitivapposition Gothorum zu finden sind.198 Gleiches trifft auch für jene Bestimmung zu, mit welcher Chindasvinth die Höhe einer zu entrichtenden Mitgift festlegt. So heißt es dort an einer Stelle, dass die Mitgift den zehnten Teil des eigenen Besitzes nicht übersteigen dürfe, auch wenn es sich bei einem der Ehepartner um irgendjemanden ex palatii nostri primatibus vel senioribus gentis Gotorum handele.199 5.2.1 De divisione terrarum facta inter Gotum adque Romanum Die große Mehrzahl der Belege, bei welchen in den Gesetzestexten Gothi und Romani gegenübergestellt werden, haben Grenz- und Besitzfragen zum Gegenstand. Wichtig festzuhalten ist dabei, dass alle fünf Kapitel, in denen 195
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LI 9,2,2, Si conpulsores exercitus aliquid, dum exercitum ad hostem conpellunt, de domibus eorum auferre presumserint. Ibid., Servi dominici, id est conpulsores exercitus, quando Gotos in hostem exire conpellunt […]. Vgl. dazu aus dem Bereich der dokumentarischen Quellen z. B. Tolet. VII, c. 1, 34, S. 340. LI 2,1,8. Ibid., S. 53, Z. 13; S. 54, Z. 19 u. Z. 23. Siehe zu diesem Verwendungszusammenhang ausführlicher Kap. 5.1.3 passim. LI 3,1,5, S. 127, Z. 3–4.
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dies der Fall ist, den Antiquae angehören.200 Soweit sich dies nachvollziehen lässt, gehen sie dabei bis in den Wortlaut auf die mit der Ansiedlung der Westgoten in Aquitanien befassten Bestimmungen des CE zurück.201 Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zum Tolosanischen Reich festzustellen war, wurden im CE dabei nicht direkt die Modalitäten festgelegt, nach denen die Goten versorgt werden sollten. Stattdessen wurden solche Rechtsfragen geregelt, die erst später aus der Güterverteilung resultierten, welche im Zusammenhang mit der Ansiedlung vorgenommen worden war. Die Absenz von Gesetzen zur Land- beziehungsweise Güteraufteilung selbst ist im Falle der Ansiedlung des Jahres 418 kaum verwunderlich. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass die Regelung dieses Vorganges seinerzeit noch vollständig in Händen der römischen Regierung und Verwaltung lag. Die westgotische Gesetzgebung entstand erst später und hatte infolgedessen zur Ansiedlung keinen direkten Bezug. Sie verhandelt erst die aus ihr hervorgehenden Rechtsstreitigkeiten. Da es sich bei der Ansiedlung der Westgoten um eine einmalige Aktion zu einem definierten Zeitpunkt handelte, ist ferner unwahrscheinlich, dass sie überhaupt Niederschlag in einem kodifizierten Recht gefunden hätte. Viel eher wird sie mittels eines auf die Situation zugeschnittenen Dekrets verfügt worden sein. Zum spanischen Westgotenreich zurückkehrend, ist aus der Übernahme der genannten Kapitel des CE in den LI in der Forschung häufig abgeleitet worden, dass die Ansiedlung und Versorgung der Westgoten in der Hispania dem bereits zuvor in der Gallia erprobten Muster gefolgt sei.202 Daraus wie200 201
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Siehe LI 10,1,8–9; 10,1,16; 10,2,1; 10,3,5. Vgl. Kap. 2.3.1. Die Einschränkung ist notwendig, weil nicht alle fünf Kapitel des LI auch im überlieferten Teil des CE enthalten sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies urspünglich der Fall war. Zum einen sind die Kapitel 276 und 277 des CE identisch mit den Kapiteln 10,3,5 und 10,2,1–3 des LI. Des Weiteren ist es anhand der Tatsache, dass die genannten Kapitel 276 und 277 genau an einer Bruchkante der Überlieferung des CE stehen (der Codex ist erst vom Kapitel 274 an rekonstruierbar), glaubhaft zu machen, dass die weiteren Belege ein Opfer der nur ausschnitthaften Überlieferung geworden sind. Siehe dazu etwa Thompson: Goths in Spain, S. 133: „And when the Visigoths transferred themselves to Spain they took this system of land settlement with them: in Spain, too, they appropriated two-thirds of each of those estates on which they planted themselves. Leovigild’s code still contains regulations about ‚the two-thirds belonging to the Goth‘ and the ‚third‘ of the Roman; and his laws on the matter were taken over by Kings Reccesuinth and Erwig.“ Jones: Later Roman Empire, Bd. 1, S. 253: „The division of the land was apparently applied not only in the original area in which the Visigoths were settled, but in regions which they subsequently annexed. Otherwise Euric’s laws on the subject would not have been retained in the revisions of the Visigothic code“, siehe auch King: Law and Society, S. 204, und aktuell Heather: Goths, S. 296; Kampers: Westgoten, S. 169 f.
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derum ergäbe sich, dass die ethnische Unterscheidung zwischen Goten und Römern in der Frage der Aufteilung des Landbesitzes durchaus eine Rolle spielte. Ungeachtet der Frage nach den Modalitäten einer Landverteilung ist in diesem Zusammenhang zunächst jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Ansiedlung der Westgoten auf der Iberischen Halbinsel völlig anders vollzog, als dies in Aquitanien der Fall war. Diese Aussage gilt sowohl dann, wenn man der herrschenden Forschungsmeinung folgt,203 als auch, und in weitaus höherem Maße, ginge man von einem sukzessiven Eindringen kleiner westgotischer Gruppen über einen langgestreckten Zeitraum aus.204 Bei beiden im Vergleich zum gallischen Beispiel eher prozesshaften Varianten ist also davon auszugehen, dass die Landaufteilung, sofern eine solche denn vollzogen wurde, durchaus häufiger (rechtlich) durchgesetzt und festgeschrieben hätte werden müssen. Es lässt sich vor diesem Hintergrund die Frage danach stellen, warum in den spanischen Gesetzen der Westgoten ebenso wenig wie im CE Bestimmungen zu finden sind, die sich direkt auf Landaufteilungen beziehen, wohl aber solche, welche den Vollzug von Landzuweisungen voraussetzen? Hier sind freilich mehrere Gründe vorstellbar. Einer davon besteht in der Möglichkeit, dass die Westgoten die notwendigen Maßnahmen als Eroberer durchsetzten, ohne sich dazu veranlasst gesehen zu haben, ihr faustrechtliches Vorgehen anderweitig zu legitimieren. Gegen diese Position ließe sich ins Feld führen, dass die Westgoten ihre Herrschaft generell durch die Adaption der rechtlich fundierten römischen Regierungs- und Verwaltungsformen aufrechterhielten. Diese Praxis dürfte dabei nicht zuletzt auf die Notwendigkeit zur Kooperation mit den einheimischen Führungsschichten zurückzuführen sein, welche die Westgoten nutzten und auf die sie angewiesen waren. Brutale Eroberungen und unrechtmäßige Enteignungen allein wären in diesem Sinne sicher keine förderlichen Handlungsmuster gewesen. Es ist demgemäß auch denkbar, dass schriftlich formulierte Gesetze zwar existierten – mit denen die Westgoten ihre Besitzansprüche gegenüber den hispanischen Großgrundbesitzern rechtfertigten –, diese jedoch keinen Eingang in das LI gefunden haben. Bei der Interpretation darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die gotische „Ansiedlung“ auf der Iberischen Halbinsel gänzlich anders vollzog als in Aquitanien und die als Antiquae gekennzeichneten und 203
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Nach dieser kam es zunächst nur zu kriegerischen Expeditionen und der Stationierung vereinzelter Militärstützpunkte, bevor sich in den Dekaden um die Wende vom fünften zum sechsten Jahrhundert schließlich auch der Großteil der gotischen Bevölkerung in der Hispania niederließ. Siehe ausführlich Kap. 3.2.
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auf das Gesetzeswerk Eurichs zurückgehenden Kapitel des LI dabei die einzigen Quellenhinweise auf eine Landverteilung in Spanien zwischen Goten und Römern sind. Ferner, eingedenk der eingangs dargelegten Unklarheiten bezüglich der Genese und der Funktion des LI und schließlich im Abgleich mit dem im Rahmen dieser Untersuchung bisher gewonnen Gesamtbild von der Toledanischen Reichsbildung, erscheint es notwendig, eine weitere Überlegung in Betracht zu ziehen. Diese besteht in der Möglichkeit, dass eine Landverteilung in dem bisher angenommenen Maße und mit dem dezidierten Zusatz, dass es sich um eine solche zwischen Goten und Römern handelte, im Entwicklungsprozess des regnum im sechsten Jahrhundert keine Rolle gespielt hat. Die entsprechenden Belege des LI wären demnach als anachronistischer Überrest, ohne direkten Bezug zum historisch Faktischen zu werten. Es mag als Bestätigung dieses grundsätzlichen Ansatzes erachtet werden, dass Ähnliches, freilich unter gänzlich anderen Vorzeichen, schon von Paul King problematisiert wurde. So geht King davon aus, dass die aus dem CE kopierten Bestimmungen für die erste westgotische „Siedlungswelle“ in Spanien sicher Anwendung gefunden hätten. Er artikuliert gleichzeitig aber auch seine Verwunderung darüber, dass die entsprechenden Kapitel ihren Weg ins LI fortsetzten und bis über die letzte Bearbeitung im endenden siebten Jahrhundert hinaus Bestandteil desselben blieben. Kings Irritation gründet darauf, dass die fraglichen Kapitel in ihrer Ausrichtung auf die Differenzierung zwischen Goten und Römern zu diesem Zeitpunkt seiner Meinung nach von keiner Relevanz mehr gewesen sein könnten, worin ihm nach dem aktuellen Forschungsstand nur ausdrücklich zugestimmt werden kann.205 Auf dieser Basis kann nun jedoch noch weitergehend auch die für King noch evidente Relevanz der Gesetze für die Entstehungsphase des Toledanischen Reiches in Zweifel gezogen werden, womit die Bedeutung der hier diskutierten Kapitel nicht nur für die Übernahme und fortlaufende Überlieferung im LI, sondern für die gesamte spanische Gesetzgebung in Frage steht. Fasst man die aus dem CE übernommenen Bestimmungen und ihren Weg durch die unterschiedlichen Redaktionen des LI nun als Tradition ohne Anbindung an die Rechtspraxis auf, stellt sich selbstredend die Frage, warum es zu einer solchen habe kommen sollen. Tritt man dieser Frage mit der Überzeugung entgegen, dass alle Kapitel der umfassenden Gesetzgebung fortwährend oder doch zumindest bei den Redaktionsvorgängen jeweils gründlich geprüft und der Codex als Ganzer stets den rechtlichen Realitäten angepasst wurde, dann erscheint diese These abwegig. Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass es verfehlt wäre, eine minutiöse Bearbeitung 205
King: Law and Society, S. 206 f.
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vorauszusetzen. Bekannt ist, dass der LI die bestehenden Gesetze zusammenfasste, und es ist auch zu belegen, dass bei den nachfolgenden Redaktionen einige Kapitel gestrichen und andere verändert wurden. So wissen wir beispielsweise, dass bei der Redaktion Ervigs insgesamt 80 der älteren Gesetze verändert wurden, durch Ergänzungen, Umformulierungen und kleinere Streichungen.206 Es lässt sich jedoch hier ebenso wenig wie bei den vorangegangenen Redaktionen präzise sagen, mit welchen Zielsetzungen und nach welchen Kriterien sie vorgenommen wurden. Es wäre dabei zu fragen, welche Kapitel bearbeitet wurden, in welcher Weise dies geschah, und welche nicht, um dadurch möglicherweise einem Redaktionsmuster beziehungsweise Schwerpunkten bei der Bearbeitung auf die Spur zu kommen. Im Falle der vier von Ervig nachweislich vorgenommenen Streichungen ganzer Kapitel ist zum Beispiel auffällig, dass sie ausschließlich von Rekkesvinth erlassene Gesetzte aussortierten und nicht etwa ältere, möglicherweise obsolet gewordene.207 In diesem Kontext ist weiterhin bemerkenswert, dass zumindest all jene Kapitel des CE, von denen wir Kenntnis haben, dauerhaft in den LI übernommen wurden.208 War Eurichs Kodifikation doch gerade auf die gallischen Verhältnisse des fünften Jahrhunderts zugeschnitten, ist mithin schwer vorstellbar, dass die Relevanz dieser Bestimmungen bis in das Toledanische Reich des achten Jahrhunderts hinein ungebrochen war.209 Systematische Untersuchungen in diesem Sinne stehen für die Mehrzahl der Bearbeitungen des LI noch aus.210 In einer neueren Studie zur von Egica vorgenommenen letzten Redaktion kommt Yolanda García Lopez allerdings zu dem Urteil, dass es vor allem ideologische Motive zur Herrschaftsdarstellung waren, welche den König zu einer nur oberflächlichen Bearbeitung bewogen. Das Hauptanliegen Egicas habe darin
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García López: Estudios críticos, S. 13. Es sind dies LI 2,1,5; 4,2,17; 6,5,13 und 9,1,8. Siehe dazu die entsprechenden Hinweise in der Edition des CE von Zeumer. Der im Falle der Bearbeitung Leovigilds durch Isidor gegebene Hinweis darauf, dass der König überflüssig gewordene Gesetze aufgehoben habe (Historia Gothorum 51), ist ernst zu nehmen, allerdings sagt er nichts über die Auswahl bzw. die Gründlichkeit aus, mit welcher Leovigild dabei vorging. García López: Estudios críticos, S. 9–14, und speziell mit Blick auf die Erstredaktion des LI dort z. B. S. 10: „Aún descartando actividades legislativas de envergadura entre Leovigildo y el Liber, queda por dilucidar muy a menudo en qué medida se conservaron intactos o se trasformaron los textos en cada una de las ediciones conocidas: Eurico, Leovigildo, Chindasvinto, Recesvinto; inscripciones esporádicas de Antiqua Emendata o Antiqua Chindasuindus rex emendauit, o remisiones internas […] son testigos concretos de esta sucesiva trasformación que, en la mayoría de los casos, ha sido mantenida en silencio por los legisladores.“
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bestanden, die Legislation seines Vorgängers Ervig herabzumindern.211 Sie bestätigt damit sehr deutlich die Zweifel daran, dass die neuen Redaktionen des LI als gründliche Bearbeitungen des gesamten Gesetzescorpus angesehen werden müssten.212 Auf dieser Basis erscheint es sehr gut möglich, dass in den Gesetzen der Westgoten bis zum Schluss auch solche Kapitel unverändert tradiert werden konnten, welche keinen direkten Bezug mehr zu den tatsächlichen Lebensverhältnissen im Toledanischen Reich hatten. Es wäre dabei sogar denkbar, dass die in Frage stehenden Gesetze nicht nur trotz, sondern gerade wegen dieses Umstandes unverändert blieben, da die für die Praxis und die Interessen der jeweiligen Redakteure relevanten Kapitel vielmehr im Fokus der Bearbeitung standen und der Emenda- beziehungsweise Kassation dadurch mit größerer Wahrscheinlichkeit anheim fielen, als dies bei den zuvor genannten der Fall war, die eher aus dem Blick gerieten.213 Gestützt wird diese Annahme ferner durch einen in unserem Kontext vielsagenden Eingriff bei der Überlieferung eines der Gesetze aus dem Codex Eurichs. Wie bis hierher gesehen, stehen alle zwischen Goten und Römern differenzierenden und auf den CE zurückgehenden Bestimmungen des LI im Zusammenhang mit einer Landverteilung. Im erhaltenen Teil von Eurichs Gesetzbuch findet sich darüber hinaus jedoch noch ein weiteres Kapitel, welches zwischen den genannten Bevölkerungsgruppen unterscheidet, dabei aber nicht die Besitzrechte über geteiltes Land, sondern ganz allgemein über irgendeine Sache verhandelt. Zusammengefasst geht es dabei allgemein um den Fall, dass ein Römer einem Goten etwas übereignet hat, was dem Römer nicht rechtmäßig gehörte. Sollte dieses geschehen sein, so wird verfügt, dass der eigentliche Besitzer, wenn dieser 211 212
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Ibid., S. 216. Ibid., S. 217: „La presentación de un plan que podría parecer (al compararlo con los trabajos de Reces. y Erv.) de gran alcance, contrasta con los magros resultados que de él quedan en el Liber trasmitido. Fue en parte este desajuste el motivo que convenció a Ureña de que hubo de existir una recopilación del Liber completa a nombre de Egica; de ella no conservaríamos ningún representante directo […]. La nueva influencia conseguida por Egica le conduce a una aemulatio de sus antecesores, y sobre todo del más inmediato que había tenido un panegirista y una pluma de calidad tras de sus espaldas, Julián; pero esta pretensión (que era tanto de imitación como de réplica) no tenía porque traducirse, cara a la galería, en revolver todas las leyes, tal vez tampoco tenía a su lado alguien dispuesto a abordar una nueva revisión exhaustiva del libro.“ Sicher wäre es wünschenswert, diese These einer weiter ausgreifenden, systematischen Untersuchung zu unterziehen. Dieses Unterfangen wäre jedoch ein eigenes Forschungsthema, welches im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter verfolgt werden kann.
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einen Anspruch auf seinen Besitz erhebe, sein Gut zurückerhalte und der Römer dem Goten eine gleichwertige Entschädigung zu zahlen habe.214 Von diesen ethnischen Inhalten und deren Implikationen ist in der Antiqua der spanischen Gesetzgebung (LI 5,4,20) jedoch nichts mehr zu erkennen. Stattdessen wird die inhaltlich gleiche Bestimmung dort ganz allgemein formuliert, sodass nicht mehr von Römern und Goten, sondern von irgendwelchen Personen (quis, aliquis) die Rede ist.215 Schon Zeumer und nach ihm andere haben diese Emendation zu Recht damit erklärt, dass „zu Leovigilds Zeiten […] die nationalen Unterschiede sich schon mehr ausgeglichen hatten“, sodass es zweckmäßig erschien, die Formulierung des Gesetzes den neuen Verhältnissen anzupassen.216 Hätte dieser Grundsatz jedoch konsequent und minutiös Anwendung gefunden, so hätten etwa auch die auf die Landteilung referierenden Gesetze spätestens im ausgehenden siebten Jahrhundert, wie von King bemerkt, um die darin enthaltenen Ethnonyme bereinigt werden müssen. Entsprechend der weiter oben ausgeführten These ließe sich die festgestellte Diskrepanz, was die Abänderung betrifft, durch ihre unterschiedliche Relevanz erklären. Demgemäß blieben die Gesetze zur Landverteilung unbehelligt, da sie, wie argumentiert wurde, auf die Situation des spanischen regnum nicht anwendbar waren und somit ohne weitere Reflexion tradiert wurden. Ungeklärt muss dabei freilich bleiben, ob ihre Fortschreibung auf mangelndes Interesse der Bearbeiter beziehungsweise eine eher oberflächliche Redaktion oder auf andere Gründe zurückzuführen ist, die etwa im Zusammenhang mit den Prinzipien bei der 214
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CE 312, [Ro]manus, qui Gotho donaverit rem, quae [est i]udicio repetenda, aut tradederit [occup]andam, priusquam adversarium iu[dicio s]uperarit, si etiam eam Gothus inva[serit, tum] possessor rem suam per executio[nem iu]dicis, quae occupata fuerint, statim [recipi]at, nec de eius postmodum repeti[tione p]ulsetur, etiam si bona sit causa re[peten]tis; sed Romanus Gotho eiusdem meriti [rem aut pretium repensare cogatur; quia rem, antequam vindicaret, fecit invadi]. Der Zweck dieses Gesetzes ist darin gesehen worden, zu verhindern, dass die strittige Sache, trotz des unrechten Handels, dem Anspruch des rechtmäßigen Eigentümers dadurch entzogen würde, indem sie in den nicht antastbaren Besitz eines Goten überginge. Siehe dazu, sich seinerseits schon auf eine ältere Untersuchung Friedrich Bluhmes berufend, Zeumer: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., S. 435; vgl. auch Thompson: Goths in Spain, S. 124. LI 5,4,20, Si quis rem, que est per iudicium repetenda, priusquam adversarium iudicialiter superaret, ita vendiderit vel donaverit alicui aut forsitan tradiderit occupandam, ut absque audientia iudicantis privetur dominium possessoris, ipse, qui possedit, per exsecutionem iudicis rem, que occupata fuerat, statim recipiat, nec de eius postmodum repetitione contendat, etiam si bona sit causa petentis. Ille vero qui hoc vendidit aut donabit vel occupari precepit, quod iuste vindicare nullatenus potuit, eiusdem meriti rem aut pretium ei, a quo victus fuerit, repensare cogatur; quia rem, antequam vindicaret, fecit invadi. Zeumer: Geschichte der westgothischen Gesetzgebung I., S. 435. Siehe nun z. B. auch Heather: Goths, S. 296; Kampers: Westgoten, S. 279.
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Abschrift der Texte oder mit der (symbolischen) Funktion des Corpus als Ganzem im Zusammenhang stehen.217 Bei dem die Besitzrechtsstreitigkeiten von unrechtmäßig überantworteten Sachen regelnden CE 312, aus welchem das Kapitel 5,4,20 des LI hervorging, lag der Fall jedoch anders. Bei der unrechtmäßigen Überantwortung von Besitz an Dritte handelte es sich um eine Problemstellung, die von Bedeutung blieb und die Aufmerksamkeit der Bearbeiter gefunden hat. Die Art der Emendation dokumentiert dabei deutlich, dass für sie die ethnischen Kategorien Romanus und Gothus jedoch keine Rolle mehr spielten. 5.2.2 Ut tam Goto Romana, quam Romano Gotam matrimonio liceat sociari Bei der Diskussion des Verhältnisses zwischen Goten und Hispano-Romanen ist einem sehr wahrscheinlich auf Leovigild zurückgehenden Gesetz zu Eheschließungen, das als Antiqua Eingang in den LI gefunden hat, besondere Aufmerksamkeit zuteil geworden. Auch wenn die gedrechselte Rhetorik das Verständnis des Gesetzestextes nicht unbedingt erleichtert, so stellt schon der hier in der Überschrift zitierte Titel den Kern der Verfügung deutlich heraus.218 Mit der Erlaubnis zur Eheschließung zwischen Goten und Römern wendet sich der König explizit gegen ein zuvor vermeintlich bestehendes Heiratsverbot, welches aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Verfügung 3,14 des weiterhin gültigen BA abgeleitet wurde.219 In der For-
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Aus einsichtigen methodischen Gründen sollte man zurückhaltend dabei sein, Aspekte wie mangelndes Interesse oder Unachtsamkeit in die geschichtswissenschaftliche Argumentation mit einzubeziehen. Andererseits beschwört ein Ausschluss derlei Parameter die methodisch ebenfalls problematische Prämisse herauf, dass Irrationalität, Irrtümer oder Oberflächlichkeit – zumal unsere heutige Bewertung dabei keineswegs der zeitgenössischen entsprechen muss – aus der historischen Überlieferung ausgeschlossen wären. Der gesamte Text lautet: LI 3,1,1, Sollicita cura in principem esse dinoscitur, cum pro futuris utilitatibus beneficia populo providentur; nec parum exultare debet libertas ingenita, cum fractas vires habuerit prisce legis abolita sententia, que incongrue dividere maluit personas in coniuges, quas dignitas conpares exequabit in genere. Ob hoc meliori proposito salubriter censentes, prisce legis remota sententia, hac in perpetuum valitura lege sanccimus: ut tam Gotus Romanam, quam etiam Gotam Romanus si coniugem habere voluerit, premissa petitione dignissimam, facultas eis nubendi subiaceat, liberumque sit libero liberam, quam voluerit, honesta coniunctione, consultum perquirendo, prosapie sollemniter consensu comite, percipere coniugem. Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 202; Kampers: Westgoten, S. 178. Dieser Bezug ist in der Forschung allerdings nicht unumstritten, da teilweise auch dafür argumentiert wird, dass Leovigilds mit dieser Maßnahme eher auf ein nicht überliefertes Gesetz des CE reagierte, vgl. King: Law and Society, S. 14, Anm. 1.
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schung gilt dieses Vorgehen gemeinhin als ein wesentliches Element der von Leovigild betriebenen Integrationspolitik zwischen der westgotischen Führungsschicht des regnum und dessen romanischer Bevölkerung.220 Diese Interpretation geht folglich von einer ethnischen Zweiteilung aus, welche durch das Heiratsverbot zunächst bewusst aufrecht zu erhalten versucht wurde, bevor Leovigild diese als eine der grundlegenden strukturellen Schwächen seines Reiches zu überwinden gesucht habe. Im Gegensatz dazu ist Edward Thompson zu der Auffassung gelangt, dass Leovigild zu keiner Zeit beabsichtigt habe, die Trennungslinie zwischen Goten und HispanoRomanen aufzubrechen. Kann Thompson in dieser Hinsicht hier auch nicht Folge geleistet werden, so bleibt doch sein Einwand beachtenswert, dass die Formulierungen des Gesetzes keine Hinweise auf irgendein politisches Konzept liefere, sondern stattdessen auf die Nutzlosigkeit des bis dahin bestehenden Verbotes verwiesen werde: „According to his words, the old law had lost its strength; and he repealed it because it could not be enforced.“221 Zwar gibt Thompson mit dieser Formulierung seiner Interpretation mehr Raum als er dem Wortlaut des Textes treu bleibt – denn in jenem ist nicht explizit die Rede davon, dass das alte Gesetz seine Wirkung verloren habe und nicht mehr eingehalten worden sei –, gleichwohl ist ihm darin zuzustimmen, dass im LI 3,1,1 statt eines politischen Programms vielmehr die Aussage vermittelt wird, dass der König ein mit der Realität nicht in Übereinstimmung zu bringendes Gesetz aufgehoben habe.222 Angesichts der Tatsache, dass römisch-barbarische Eheverbindungen im spätantiken Imperium ebenso zustande kamen wie in den gallischen und spanischen Reichen der Westgoten romanisch-gotische, ist dieser Eindruck gut nachzuvollziehen.223 Gegen die Einschätzung, dass Leovigild ein obsoletes Verbot aufhob, ist wiederum angeführt worden, dass zu diesem Zweck nicht eigens ein neues
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Siehe dazu in Auswahl etwa King: Law and Society, S. 13 f.; Sirks: Shifting Frontiers in the Law, S. 154; Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 163 f.; Kampers: Westgoten, S. 178 f. Thompson: Goths in Spain, S. 58 f., Zitat S. 59. LI 3,1,1. […] cum fractas vires habuerit prisce legis abolita sententia, que incongrue dividere maluit personas in coniuges […]. Ob hoc meliori proposito salubriter censentes […]. Siehe zur Situation in Spanien Demandt: The Osmosis of Late Roman and Germanic Aristocracies, S. 79 f.; Barbero de Aguilera/ Loring García: The Formation of the Sueve and Visigothic Kingdoms, S. 191: „This law gave legal status to something which had been happening in practice for a long time and which must have been frequent, although we may only be aware of intermarriage between people of high status […].“
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Gesetz habe erlassen werden müssen. Dass dies dennoch geschah, unterstreiche vielmehr die Wirkung des Heiratsverbots als eine der Annäherung der betreffenden Bevölkerungsgruppen im Wege stehende Hürde, welche der König durch seine Legislation zu beseitigen beabsichtigt habe.224 Dieser Einwand und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung sind jedoch nicht überzeugend. Begründet liegt dies darin, dass die kommentierte Verbesserung der als falsch gekennzeichneten Rechtslage als Zeichen königlicher Weisheit und monarchischen Herrschaftsvermögens in Szene gesetzt wird.225 Wie weiter oben schon gesehen, nimmt auch Isidor als Element des Herrscherlobs auf diesen Aspekt der legislativen Tätigkeit des Königs Bezug.226 Das bedeutet, im Unterschied zur stillschweigenden Kassation eignet der nachvollziehbaren Emendation ein herrschaftlicher Gestus. Da aber nichtsdestotrotz, wie oben erläutert, sehr fraglich ist, wie gründlich Leovigild und auch spätere Könige bei der Revision des geltenden Rechts vorgingen, kann die Art und Weise des Eingriffs durchaus auch als Indiz für die besondere Aufmerksamkeit gewertet werden, welche dem Heiratsverbot bei der Bearbeitung zukam. Diese wiederum muss jedoch nicht zwangsläufig in Verbindung mit der Wirkungsmächtigkeit des Verbotes stehen. Stattdessen ist auch denkbar, dass das aufgehobene Gesetz etwa als besonders widersprüchlich, missverständlich oder irreführend gewertet wurde. Hieran anschließend ist aus der Begründung zur Aufhebung des coniugium-Verbotes zu entnehmen, dass das alte Gesetz deswegen durch ein neues ersetzt wurde, weil es in unangebrachter Weise Personen gleicher Würde und gesellschaftlicher Herkunft an einer Ehe hinderte.227 Trotz der durch die Ethnika Gothus und Romanus beim heutigen Leser implizierten ethnischen Bezüge, steht also die soziale Stellung der Ehepartner im Zentrum der Argumentation. Diese Fokussierung auf den Status im Kontext von Heiratsbestimmungen kann kaum verwundern, lag hierin schließlich eines der Hauptanliegen sowohl der spätantik-römischen wie auch der westgotischen Gesetzgebung, in Bezug auf welche Hagith Sivan resümiert: „The facultas nubendi, as LV 3, 1, 1 proclaims, must be available to people who are free, who belong to the same class and who have the approval of their
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Valverde Castro: Ideología, simbolismo y ejercio del poder real, S. 163 f. Vgl. LI 3,1,1, Sollicita cura in principem esse dinoscitur, cum pro futuris utilitatibus beneficia populo providentur; […]. Ob hoc meliori proposito salubriter censentes, prisce legis remota sententia […]. Isidor: Historia Gothorum 51. LI 3,1,1 […] cum fractas vires habuerit prisce legis abolita sententia, que incongrue dividere maluit personas in coniuges, quas dignitas conpares exequabit in genere […].
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families.“228 Da sich aus der Begründung für die Emendation ableiten lässt, dass diese facultas nubendi für die hier als Goten und Römer bezeichneten Gruppen als gegeben erachtet wurde, erschien im ausgehenden sechsten Jahrhundert unverständlich, warum eine solche Eheschließung untersagt sein sollte. Wenn damit aber alle bisher vorgebrachten Erörterungen darauf schließen lassen, dass Ethnizität grundsätzlich bei der Wahl des Ehepartners keine Rolle spielte, warum sah Leovigild sich dann überhaupt dazu gezwungen, ein Heiratsverbot zwischen Goten und Römern aufheben zu müssen? Eine Antwort auf diese Frage hat Hagith Sivan aufgezeigt, indem sie von einem falschen Verständnis des im BA 3,14 verfügten coniugium-Verbotes ausgeht. Demnach habe die irreführende Interpretation dieses Gesetzes dazu geführt, dass Leovigild ein nur vermeintlich zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen bestehendes Heiratsverbot aufhob, welches faktisch nie existierte.229 Wie weiter oben dargelegt wurde, hatte das BA 3,14 in einer konkreten Bedrohungssituation des Tolosanischen Reiches ursprünglich zum Ziel, gefährliche Eheverbindungen zwischen den feindlichen und als Barbaren bezeichneten Franken und vor allem der grenznahen einheimischen Bevölkerung, den Romani, zu unterbinden.230 Sivan geht bei ihrer Interpretation der Emendation nun davon aus, dass diese Zusammenhänge und die Bedeutung des ursprünglichen Gesetzes in einer in diesem Punkt völlig veränderten politischen Landschaft etwa 80 Jahre später nicht mehr gegenwärtig gewesen seien und das Heiratsverbot des BA, daraus resultierend, als eines auf die Verbindung zwischen Römern und Goten zielendes missverstanden wurde.231 Über die Plausibilität dieser These hinaus, erklärt sie zudem die Unvereinbarkeit eines etwaigen Heiratsverbotes mit der tatsächlichen Heiratspraxis. Wie die Formulierungen des LI 3,1,1 erkennen 228
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Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 202. Vgl. dazu z. B. LI 3,1,7; 3,1,8; siehe auch King: Law and Society, S. 232, Anm. 1: „Equality of status was doubtless basic to the notion of honesta coniunctio“. Mit Blick auf die spätrömische Gesetzgebung spricht etwa Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani, S. 1031, von einer „Roman fondness for prohibiting or regulating marriages between persons from different social, legal, or even religious backgrounds“ und führt in Anlehnung an CTH 3,7,3 weiter aus: „As a general policy, marriages were to be ‚between persons equal in status, with no law impeding them‘.“ Vgl. Auch Id.: Provinciales, Gentiles, and Marriages between Romans and Barbarians, S. 154 f. Siehe dazu Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 200–203. Siehe dazu Kap. 2.3.1. Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 201: „Leovigild was unaware of the circumstances which had prompted either CTh 3, 14, 1 or BA 3, 14. By 580, it was assumed that both the imperial constitution and its later interpretation applied to Romans and Goths.“
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lassen, ist eine Widersprüchlichkeit mit den bestehenden Verhältnissen bei der Revision besonders aufgefallen oder hat möglicherweise den Anstoß zu ihr gegeben.232 Es ergibt sich damit das Bild, dass das BA 3,14 mit der Auflösung seines Anwendungszusammenhanges seine Bedeutung verlor und in den instabilen politischen Verhältnissen der ersten drei Viertel des sechsten Jahrhunderts keine Beachtung mehr fand. Bei der Revision des geltenden Rechts durch Leovigild fiel es, in der geschilderten Weise missverstanden, dann jedoch als offensichtlich sowohl den Usancen als auch den Prinzipien des Eherechts widersprechende Bestimmung besonders auf und wurde in der im LI 3,1,1 dokumentierten Weise verändert.233 Daraus ergibt sich ferner, dass es Goten und Römern in der westgotischen Gesetzgebung faktisch zu keiner Zeit untersagt war, eine Ehe einzugehen. Bestimmend für die Hei232
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Für unser Thema wären die folgenden weiteren Überlegungen zu dieser Widersprüchlichkeit durchaus nicht unbedeutend, die auf der gegebenen Quellengrundlage jedoch über den Status von Spekulationen nicht hinaus kommen und damit nur eine Fußnote bleiben. Wie gesehen, hatten Goten und Römer nach dem im LI 3,1,1 dokumentierten Verständnis das Recht zum coniugium, welches ihnen durch das BA 3,14 vermeintlich jedoch verwehrt wurde. Es stellt sich nun die Frage, ob Goten und Römer dabei zuvorderst als zwei Bevölkerungsgruppen wahrgenommen wurden, denen die gleiche Rechtsstellung zukam, oder ob Gothus und Romanus bereits unabhängig von einer zurückliegenden ethnischen Bedeutung als rechtlich-soziale Zuschreibungen aufgefasst wurden – wie dies für das spätere Toledanische Reich eindeutig wird (siehe weiter unten) –, die einer Heirat nicht im Wege standen? Aus dem ersten Fall wäre dann zu folgern, dass zum Zeitpunkt des Eingriffes zumindest noch eine Vorstellung von diesen Gruppen existiert haben muss, auch wenn die Emendation selbst sowie die Art ihrer Begründungen unterstreichen, dass ihre Unterscheidung rechtlich irrelevant war. Eine andere Annäherung an das Problem bestünde etwa darin, nach der Erklärung für die Art des Missverständnisses zu fragen, welches bei der Rezeption der alten Gesetze aufgetreten ist. Erkenntnisse über die damit verbundenen gedanklichen Prozesse zu erhalten, könnte Einsichten in das inhaltliche Verständnis der Begriffe liefern. Auch hierüber lässt sich allerdings nur spekulieren. Um nur einige Unklarheiten zu nennen, bleibt etwa im Dunkeln, ob bei der Emendation lediglich von der interpretatio im BA ausgegangen wurde oder ob die Bearbeiter sowohl den Text jener als auch den des CTh 3,14,1 zu Rate gezogen und ihr Verständnis daraus abgeleitet haben (damit kämen ferner die Begriffe provincialis und gentilis in Betracht). Zu berücksichtigen wäre ferner, dass der für die Einordnung des BA 3,14 zentrale Begriff barbarus, auf den in der Bearbeitung schließlich die Goten angewandt werden, im Sprachgebrauch der spanischen Quellen der Zeit ungebräuchlich geworden ist, wodurch sich präzise nichts über die Semantik sagen lässt, welche die „Juristen“ ihm zuschrieben. Demzufolge wird hier Sivans abschließender These, das missverstandene BA 3,14 habe in Spanien ironischerweise dem zunächst tatsächlich vorhandenem Wunsch entsprochen und dazu gedient, das conigium zwischen Goten und Römern zu unterbinden, nicht Folge geleistet. Siehe Sivan: The Appropriation of Roman Law, S. 202 f.
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ratsfähigkeit waren dabei in erster Linie die Rechtsstellung und die soziale Herkunft der Ehepartner. Wie das LI 3,1,1 deutlich hervorhebt, stand einer Verbindung zwischen Goten und Römern in dieser Hinsicht nichts im Wege. 5.2.3 (Cives) Romani als Rechts- oder Statusgruppe Mit der Constitutio Antoniana verlieh der zumeist nach seinem militärischen Spitznamen, Caracalla, benannte Kaiser Marcus Aurelius Antoninus im Jahre 212 allen Bewohnern des Römischen Reiches, sofern sie Freie waren, das Bürgerrecht. Zwar blieb eine soziale Differenzierung der Bevölkerung in humiliores und honestiores und eine damit einherschreitende rechtliche Ungleichbehandlung dieser gesellschaftlichen Gruppen von diesem Erlass unberührt, es ist aber dennoch von Bedeutung, dass die Constitutio dem allergrößten Teil der Bevölkerung des Imperiums die volle rechtliche Partizipation am Römischen Reich ermöglichte. Im Unterschied zu den Fremden jenseits der Grenzen, den peregrini oder barbari, machte der Kaiser damit alle freien Bewohner des Imperiums zu Römern.234 Handelte es sich dabei in erster Linie „nur“ um die Veränderung eines rechtlichen Status der Mehrheit der Bevölkerung, die sehr wahrscheinlich durch fiskalische Interessen motiviert war, so wurde dieser Stand gleichzeitig auch zu einem wichtigen Element römischer Identität. Diese beiden Ebenen verschmolzen jedoch nicht zu einer untrennbaren Einheit. Wie in anderen identitätsstiftenden Zusammenhängen auch, so konnten römische Bürger über das ius civile hinaus noch in weitere rechtliche Bezüge, etwa regionaler, gentiler oder religiöser Art, eingebunden sein.235 Nachgerade für die Spätantike ist es daher nicht ungewöhnlich, dass cives Romani in anderen Zusammenhängen durchaus nicht als Römer, sondern mit anderen (rechtlichen) Identitäten in Erscheinung treten konnten. „Barbarians thus were able to maintain dual citizenship, just as one could hold Roman citizenship along with municipal or provincial citizenship without any contradictions“, stellt Ralph Mathisen in diesem Zusammenhang
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Jones: Later Roman Empire, Bd. 1, S. 16–18; Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 131–135. Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 14: „[A]s in the federally organized states of today, members of different groups could fall under different laws according to the circumstances, and ethnicity was neither the only nor even the most important distinguishing trait.“ Siehe auch Sirks: Shifting Frontiers in the Law, S. 149 ff.
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heraus und kommt im Weiteren zu folgendem Urteil: „These barbarians retained whatever legal obligations or benefits accrued from their belonging to a barbarian people at the same time that Roman ius civile became available to them. They, like the Jews, could use their own law when they identified themselves as gentiles, or Roman law when they identified themselves as cives Romani. Nor did this kind of dual citizenship create any problems of political allegiance, for by the later Roman Empire, being a Roman citizen had become purely a statement of legal status and coverage. It no longer had anything to do with politics.“236 Diese Differenzierung wiederum ist auch für die barbarischen regna zu berücksichtigen. Durch ihre Entstehung und in ihnen selbst hatten sich die politischen Verhältnisse zwar grundlegend gewandelt, gleichwohl zeitigten römische Rechtstraditionen und damit auch die Sprache des römischen Rechts in diesen Königreichen ein vitales Nachleben.237 Auf Grundlage dieser Differenzierung zwischen rechtlichem Status und politischer Loyalität, impliziert der Terminus cives Romanus in den Rechtstexten des Westgotenreiches mitnichten eine eigene römische und von der gotischen geschiedene Identität. Stattdessen ist darin eine Bezeichnung für einen Rechtsstatus zu erkennen.238 Dies lässt sich auch für die aus der Zeit des spanischen Reiches datierenden Gesetze sagen. Dies allerdings nicht ohne den Zusatz, dass es insgesamt überhaupt nur zwei von König Sisebut in der Anfangszeit seiner Regentschaft erlassene Gesetze sind, welche die Bezeichnung cives Romanus im LI überliefern. Gegenstand beider Bestimmungen ist dabei das an Juden gerichtete Verbot, christliche Sklaven zu besitzen.239 Als Konsequenz da236
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Siehe insgesamt zu dem Themenkomplex Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani, hier S. 1035. Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 17, bemerkt hierzu veranschaulichend, dass man etwa bei der Lektüre der am Anfang des sechsten Jahrhunderts kodifizierten Lex Romana Burgundionum nicht zu dem Eindruck gelangen könnte, dass das Westreich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr existierte. Vgl. auch Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani, S. 1039: „Roman administrative systems were preserved, as were institutions relating to personal legal status and procedures for all citizens of a kingdom. An additional consideration is that being identified as a Roman citizen was simply a statement of coverage under Roman ius civile. It did not carry any sense of political loyalty to the Byzantine emperor or the old Roman Empire.“ Siehe dazu etwa BA 4,7,1 sowie aus dem im BA enthaltenen Gaiusinstitutionen Kap. 1,1. Die Stoßrichtung dieser Gesetze ist dabei nicht neu, sondern Sisebut greift hier schon von Rekkared eingeführte Bestimmungen auf, erweitert diese jedoch und stellt sie unter höhere Strafe. Siehe dazu Bronisch: Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich, besonders S. 24, S. 38.
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raus legt der König fest, dass alle christlichen Sklaven aus dem Besitz eines Juden zu befreien seien und sie die gleichen Rechte erhalten sollten wie römische Bürger. Dazu wird näher ausgeführt, dass der Freigelassene damit das Recht habe, sein Leben in Freiheit und auf Grundlage seiner Arbeit zu führen. Verbunden war mit diesem Vorgang jedoch auch die Pflicht, sich auf den öffentlichen Steuertafeln einzutragen und besteuert zu werden.240 In dem zweiten Gesetz heißt es zu diesem Thema ganz ähnlich, dass wenn Juden einen christlichen Sklaven freilassen, dieser die Würde der römischen Bürger erhalte. Daraufhin wird besonders betont, dass dem Freigelassenen nach der manumissio keine weiteren Verpflichtungen einem Juden oder sonst jemandem gegenüber mehr oblagen und er dort leben könne, wo er wolle, frei von jeder Verbindung mit Juden.241 Wie schon erwähnt, bilden diese beiden Gesetze einerseits im Kontext des LI eine Ausnahme, da Freigelassene in diesem generell als liberti angesprochen werden.242 Andererseits sind in die Freiheit entlassene Sklaven, denen der Rechtsstand eines römischen Bürgers zuerkannt wird, für das Toledanische Reich nicht ohne Beispiel. So sehen auch eine handvoll Urkundenmuster für cartulae libertatis vor, dass der Sklave durch die Freilassung zu einem civis Romanus werde, der hier für Freigelassene im Toledanischen Reich ungewöhnlicherweise zudem in der Mehrzahl der Fälle als ingenuus und nicht als libertus angesprochen wird.243 Diese Formulae sind darüber 240
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LI 12,2,13, […] decernimus: ut, si qua christiana mancipia […] in eorum iure fuisse probantur, seu sint libertati tradita, seu forte ad libertatem non fuissent perducta, ad civium Romanorum privilegia iuxta nostre legis edictum transire debeant. […] prenotati in polipticis publicis adque secundum eorum peculium iustissima aderatione censiti vitam in propriis laboribus ingenuitate transigere valeant. LI 12,2,13, Libertare vero servum christianum Hebreus si maluerit, ad civium Romanorum dignitatem eundem manumittere debebit; nulli scilicet Hebreo nec cuilibet obsequio reservato, sed vitam suam ubi voluerit manumissus procul ab Hebreorum consortio transigendi habeat potestam. Die besondere Betonung der Ungebundenheit gegenüber dem jüdischen Herrn liegt darin begründet, dass diese für die grundsätzlich als libertini bezeichneten Freigelassenen nicht selbstverständlich war. So finden sich in mehreren westgotischen Gesetzen Bestimmungen darüber, welche Dienst- und Verhaltensverpflichtungen die libertini (und teilweise auch deren Nachkommen) auch nach der manumissio gegenüber ihren ehemaligen Herren und deren Familien hatten. Vgl. z. B. aus dem LI 5,7, die Kapitel 1, 9, 10, 14, 20, sowie dazu King: Law and Society, S. 67 f., S. 180 f. Siehe z. B. LI 5,7, passim. King: Law and Society, S. 181 ff. Siehe aus den Formulae Wisigothicae, hg. v. Juán Gil, hier Form. 2, Quamobrem ingenuum te ciuemque Romanum esse constituo […], 5 f., S. 73; Form. 3, Proinde ex hac die ad instar ciuium Romanorum ingenuum te ciuemque Romanum esse constituo […], 6 ff., S. 74; Form. 4, Quapropter i[nge]nuum te ciuemque Romanum esse constituo […], 9, S. 74; Form. 5, Pro qua re uestrae deuotionis contemplat[u]s seruitia ingenuos ciuesque Romanos u[o]s esse decerno […], 5 ff., S. 75; Form. 6, Ergo e[sto]te ab hac die liberi, estote ciuesque Romani […], 19 f., S. 76.
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hinaus noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Zunächst einmal deswegen, da aus dem Westgotenreich keine Urkundenüberlieferung vorliegt und diese Formulare neben den Pizarras wichtige Hinweise auf die Schriftlichkeit in alltäglichen Rechtsgeschäften liefern.244 In unserem Kontext besonders erwähnenswert ist zudem die Rezeptionsgeschichte dieser Musterschreiben. So machen formale Aspekte ebenso wie die inhaltlichen Bezüge zu älteren Rechtssammlungen zum einen den römischen Entstehungszusammenhang dieser Schriftstücke deutlich,245 wie die Abschrift aus dem 16. Jahrhundert und insbesondere wörtlich gleichlautende Urkunden aus dem zehnten Jahrhundert zum anderen belegen, dass sie bis weit über die westgotische Epoche hinaus Anwendung fanden.246 Wenn Freigelassenen also nachweislich mindestens bis ins zehnte Jahrhundert hinein die Würde eines römischen Bürgers zuerkannt wurde, so macht dies nachdrücklich klar, dass diesem Begriff jedwede Implikation einer ethnischen Identität lange verloren gegangen war.247 Dementsprechend äußert sich auch Roger Collins, der die Bedeutung des Bürgerrechts im späteren Toledanischen Reich einer ethnischen Aussage entkleidet und auf die eines rechtlichen Status eingeschränkt sieht, während Wolf Liebeschuetz befindet, dass es bereits jegliche praktische oder rhetorische Bedeutung verloren habe.248 In der Einschätzung, dass beide Akzentsetzungen ihre Berechtigung haben, scheint sich eines der generellen Probleme bei der Bewertung der Gesetzestexte zu spiegeln. Indem Liebeschuetz dem Begriffspaar des civis Romanus seine Relevanz für das siebte Jahrhundert abspricht, misst er der Tatsache seiner Anwendung
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Vgl. auch LI 5,7,1, Si mancipia sive per scripturam […] manumittantur. Barnwell: Kings, Courtiers and Imperium, S. 69: „That Roman law was still known in seventh-century Spain seems clear from the fact that the Formulae Wisigothicae is not only of Roman form, but its contents refer to various Roman legal compilations, such as the Lex Romana Uisigothorum, the Lex Papia Popea, the Aquileian laws, and the ius praetorium et urbanum.“ Collins, Roger: Sicut lex Gothorum continet. Law and Charters in Ninth- and TenthCentury León and Catalonia, in: HER 100 (1985), S. 487–512, S. 495; Id.: Visigothic Spain, S. 243 f. Siehe zu weiteren Beispielen aus anderen Zusammenhängen und zum Verdämmern dieses Terminus allgemein auch Mathisen: Peregrini, Barbari, and Cives Romani, hier S. 1039 f. Collins: Visigothic Spain, S. 244, wo er mit Bezug zu den Formulae ausführt: „These again would seem to imply that ‚Roman citizenship‘ was regarded in the late Visigothic kingdom as a category of status, rather than as a form of ethnicity.“ Und Liebeschuetz: Citizen Status and Law, S. 152: „Roman citizenship had long ceased to have any practical or even rhetorical significance“.
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keine beachtenswerte Bedeutung bei. Maßstab der Beurteilung ist hier vor allem das mit dem Stand eines römischen Bürgers verbundene Bedeutungsspektrum in römischer Zeit, welchem die wenigen Belege aus dem Toledanischen Reich nicht gerecht werden. Auf Grundlage der Letztgenannten – und entsprechend vorsichtig formuliert –, leitet Collins eine andere, limitiertere Semantik der Begrifflichkeit ab. Geht man nun davon aus, dass die Bezeichnung römischer Bürger im Toledanischen Reich einen bestimmten rechtlichen Status definierte, und versucht den zu dieser Auffassung leitenden argumentativen Vorgang umzudrehen, so stellt sich die Frage, warum im ausführlichen Gesetzescorpus des LI nicht mehr Fälle zu finden sind, bei denen dieser Status von Belang war. Als eine mögliche Erklärung für diese Phänomene lässt sich annehmen, dass der civis Romanus im geschilderten Verwendungszusammenhang zwar einen Rechtsstatus bezeichnet, dass dieser sich jedoch nicht von dem vielfach belegten libertus unterschied. Hätte es eine rechtlich relevante Differenzierung dieser Status gegeben, so wäre es durchaus wahrscheinlich, dass diese in den 20 Kapiteln, die im LI 5,7 Freilassungen und Freigelassenen gewidmet sind, einen Niederschlag gefunden hätte. Somit könnte der civis Romanus im Kontext des spanischen Westgotenreiches eine äußerst selten verwandte „Parallelbezeichnung“ zum libertus sein, der ihre in älteren römischen Gesetzen eigene Trennschärfe verlorengegangen war.249 In diesem Sinne wäre folglich Liebeschuetz zuzustimmen, dass dem Begriffspaar keine „eigene“ Bedeutung mehr zukam. Gleichwohl kann nicht vollends darüber hinweggegangen werden, dass bis in das zehnte Jahrhundert hinein zumindest formal weiterhin Sklaven aus der Knechtschaft in den Stand eines römischen Bürgers entlassen wurden. Eine Erklärung dafür, dass dies in den gegebenen Fällen geschah, obwohl nach heutiger Beobachtung dafür der Begriff des libertus vorgesehen beziehungsweise dominierend war, kann in der Orientierung an beziehungsweise der Übernahme von römischen Vorlagen gesehen werden. Besonders die Rezeptionsgeschichte der Formulae lässt diesen Erklärungsansatz in den Vordergrund treten. Ferner wird diese Annahme durch eine Bestimmung Rekkareds gestützt, welche auf den fortwährenden Einfluss der römischen Gesetze hinweist. So führt der König in besagtem Gesetz mit Blick auf den von ihm erlassenen LI sinngemäß aus, dass, solange dieser den Anforde249
So werden etwa im Kapitel 1 der in das BA übernommenen Gaiusinstitutionen die liberi zunächst unterteilt in ingenui und libertini. Die Letztgenannten werden wiederum in drei Gruppen untergliedert und zwar in die cives Romani, die Latini und die dediticii, wobei zu den Erstgenannten wie folgt erläutert wird: Cives Romani sunt, qui his tribus modis, id est testamento, aut in ecclesia, aut ante consulem fuerint manumissi, siehe Gaii institutionum 1,1.
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rungen der Gerechtigkeit genüge, keine weitere „Verwirrung“ durch die römischen oder andere Gesetze gewünscht sei.250 Anhand der hier festzustellenden Wandelbarkeit des Bedeutungsspektrums und der nicht immer eindeutigen Verwendung der Begrifflichkeit des römischen Bürgers, mag die Komplexität deutlich werden, die bei der Bewertung der hier im Zentrum des Interesses stehenden Ethnonyme zu berücksichtigen ist. Näherhin ist darin die Tatsache zu sehen, dass auf römische Gesetze sowie Formulare und damit auch auf die in ihnen benutzte Rechtssprache als Muster zurückgegriffen wurde. Die Letztgenannte zeichnet sich dabei grundsätzlich durch eine konservative und an den gegebenen Formen haftende Tendenz aus.251 Die äußerliche Übereinstimmung kann dabei jedoch nicht ohne weiteres auf die Bedeutungsebene übertragen werden. So ist im konkreten Fall etwa zu erkennen, dass dem begleitenden Ethnonym Romanus keine Aussage mehr zu einer Identität eignete, die man als ethnische verstehen könnte. Als wichtiger methodischer Aspekt ist ferner zu berücksichtigen, dass an die Eindeutigkeit und Stringenz der Terminologie der westgotischen Gesetze nicht der Maßstab moderner Rechtsgelehrsamkeit angelegt werden kann. Das bedeutet, dass eine begriffliche Redundanz, wie sie darin bestünde, dass der Terminus civis Romanus keinen anderen Rechtsstand als den eines libertus definierte, durchaus vorliegen kann. Mit anderen Worten kann aus der Verwendung beider Begriffe nicht geschlossen werden, dass sie Unterschiedliches bezeichneten. Als Erklärung für dieses Phänomen, namentlich für die Verwendung des Begrifflichkeit civis Romanus, kann der formale Einfluss römischer Vorbilder gelten. Es kann dabei jedoch auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass dem (römischen) Bürger zumindest rhetorisch eine Sonderrolle zukam und mit ihm eine höhere Stellung konnotiert wurde als mit einem „normalen“ Freigelassenen. Von den drei civis-Belegstellen des LI, die ohne die Apposition Romanus auskommen, verleiht zumindest eine dieser Annahme Gewicht. Dort wird der Gesetzgeber (artifex legum) dazu ermahnt, sowohl auf das Wohlwollen der Bürger (civis) als auch auf das des einfachen Volkes (populis communis) Acht zu geben.252 Auch wenn mit dieser sicherlich römische Wurzeln tragenden Unterscheidung im Kontext des Toledanischen Reiches keine exakt definierten Rechtsstände angegeben werden, so vermittelt die250
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LI 2,1,10, Adeo, cum sufficiat ad iustitie plenitudinem et prescrutatio rationum et conpetentium ordo verborum, que codicis huius series agnoscitur continere, nolumus sive Romanis legibus seu alienis institutionibus amodo amplius convexari. Vgl. etwa Claude: Gentile und territoriale Staatsideen, S. 27, Anm. 188; Amory: Meaning and Purpose of Ethnic Terminology, S. 10. LI 1,1,6. Siehe zu den beiden anderen Belegen ibid. 1,2,4; 1,2,6.
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ser weiterhin rezipierte Text dessen unbenommen sehr deutlich, dass dem Bürger hier eine herausgehobene Position zuerkannt wurde. Hatte Sisebut, wie oben gesehen, sehr stark die zukünftige Unabhängigkeit der in die Freiheit entlassenen Sklaven ihren jüdischen Herren gegenüber betont, so würde eine rhetorische Aufwertung der Stellung der Erst- gegenüber den Letztgenannten auch dort passen. Ferner erinnern wir uns, dass die cives Romani in den Formulae auch als ingenui angesprochen wurden, die im westgotischen Recht wiederum höher standen als die liberti.253 Hieran wiederum knüpft der Text einer der Abschriften des Toletanum IX an. Unter Berufung auf das allgemein einzuhaltende Prinzip, dass die Würde aller Klassen zu bewahren sei, wird in der dominierenden Lesart des 13. Kapitels dieses Konzils den Freigelassenen der Kirche die Heirat mit jedweden Personen aus dem Stand der ingenui untersagt.254 Eine Handschriftenvariante verbietet den ecclesiarum liberti jedoch nicht die Heirat mit quibuslibet personis ingenuis, sondern mit Romanis ingenuis aut Gotis.255 Mithin wird die in der gängigen Textvariante allgemein formulierte Aussage hier weiter untergliedert. Der Kontext und die Formulierungen dieses Verbotes lassen dabei keinerlei Zweifel darüber aufkommen, dass hier Eheverbindungen zwischen sozialen Klassen unterschiedlicher Hierarchiestufen verhandelt werden.256 In genau dieser Weise ist also auch die Unterscheidung von Sklaven, Freigelassenen, als römisch attribuierten Freien und den als Adel zu übersetzenden Goten zu verstehen. Wie die Formulae zeigen, findet die Bezeichnung ingenuus Romanus römische Vorbilder und ist hier hierarchisch über den liberti angesiedelt. Ebenso wie die geringe Belegdichte ins253 254
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King: Law and Society, S. 181. Tolet. IX, c. 13, ita seruari totius generis nobilitas debet ut in nullo aliena commixtio maculet quod per totum generositas propria decorauit. Vunde cunctis ecclesiarum libertis […] interdicitur iudicio generali, ne deinceps cause coniunctionis quibuslibet copulentur personis ingenuis, 234–239, S. 506 f. In diesem im Jahre 655 unter König Rekkesvinth abgehaltenen Konzil wird in dem Zusammenhang auch explizit auf ein sich diesem Gegenstand allgemein – also nicht nur auf den Bereich der Kirche eingegrenzt – widmendes Kapitel verwiesen (siehe ibid. 234; Bezug genommen wird dabei auf LI 5,7,17). Als Hintergrund für das Verbot der sich offenbar verbreitenden Eheverbindungen von Freigelassenen mit Personen höheren Standes wird dort wortreich angegeben, dass die Letztgenannten dadurch an Ruhm verlören. Siehe dazu den kritischen Apparat der in der vorangegangenen Anm. zitierten Edition von Martínez und Rodriguez. Ferner hat sich Vives in seiner Ausgabe, die für jedes Konzil jeweils nur eine Handschrift heranzieht, für diese Lesart entschieden. Siehe dazu auch LI 5,7,17. Anders interpretiert die Stelle etwa King: Law and Society, S. 13, Anm. 4: „Indeed, the races were still distinguished in some texts after the introduction of territorial law: see IX Tol. 13, 14.“
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gesamt, so unterstreicht auch die Dominanz der erstgenannten Lesart in der Überlieferungshäufigkeit, dass diese Formulierung als ungewöhnlich einzustufen ist. Im darauffolgenden Kapitel 14, welches hinsichtlich der abweichenden Varianten ein Abbild des vorangegangenen ist, offenbart sich auch das hinter dieser Gesetzgebung stehende handfeste Interesse. Dort nämlich wird verfügt, dass, sofern eine solch untersagte Heirat doch vorgenommen wurde, weder die betreffenden Ehepartner noch die aus dieser Verbindung hervorgehenden Kinder sich dem patrocinium der Kirche entziehen dürften.257 Der letzte Romanus-Beleg schließlich ist in einem 681 von Ervig promulgierten Gesetz zur Heeresfolge enthalten.258 Nicht als erster westgotischer König versucht Ervig mit diesem Erlass, gegen die sich im Westgotenreich ebenso ausbreitende wie für das königliche Heer folgenreiche Unterlassung vorzugehen, dem Heerruf des Monarchen zu folgen.259 Schon Wamba hatte acht Jahre zuvor die Verweigerung des Kriegsdienstes unter schwere Strafe gestellt.260 Entsprechend ihrer Zielrichtung wird in beiden Gesetzen mehrfach betont, dass alle dem König untergebenen Personen seinem Heerruf Folge zu leisten hätten. Rhetorisch wird diese Forderung mehrfach dadurch unterstrichen, dass in Ergänzung zu der Aussage, dass jeder zum Wehrdienst verpflichtet sei – Personen von höher Würde ebenso wie niedere Schichten –, einzelne Personengruppen aufgezählt werden, wie Bischöfe, Kleriker, verschiedene (militärische) Rangtitel unterschiedlicher Hierarchiestufen, Freie, Freigelassene und die Fiskalsklaven.261 Die Forderung des Königs beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Anwesenheit aller Krieger, sondern er macht ferner zur Auflage, dass alle, die zum Heer des Königs stoßen, den zehnten Teil ihrer Sklaven mitzubringen hätten.262 An dieser Stelle folgt dem umfassenden und allgemeinen quisquis die folgende Aufzählung: sive sit dux sive comes atque gardingus, seu sit Gotus sive Romanus, necnon ingenuus quisque vel etiam manumissus sive etiam quislibet ex servis fiscalibus. Übereinstimmend zur dominierenden Meinung in der gegenwärtigen Forschung, dass Goten und Hispano-Romanen spätestens seit der Mitte des siebten Jahrhunderts miteinander verschmolzen waren, kommt Roger Collins – neben anderen – in der Bewertung der Einbeziehung des Romanus-
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Tolet. IX, c. 14. LI 9,9,9. Kampers: Westgoten, S. 266 f. LI 9,9,8. LI 9,9,8, S. 371 Z. 9–16; LI 9,9,9, S. 374 Z. 19–S. 375 Z. 10 passim; S. 377 Z. 5–9; S. 378 Z. 14–17. LI 9,2,9, S. 377 Z. 3–10.
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Begriffes an dieser Stelle zu folgendem Urteil: „The last reference to Romani is to be found in a law of Ervig […] where it appears [to] be a rhetorical flourish to emphasize the comprehensive nature of this law on military obligations.“263 Dieser Auffassung kann hier nur beigepflichtet werden. Die Plausibilität dieses Ansatzes mag noch dadurch gestützt werden, dass die genannten Titel des dux, comes und gardingus hier nicht als durch ihre Zuständigkeiten konkret definierte militärische Ämter, sondern vor allem als prestigeträchtige soziale Rangbezeichnungen zu verstehen sind.264 Die gleiche Bedeutungsebene ist ebenfalls für die genannten Freien, Freigelassenen und Fiskalsklaven eindeutig. Wie bis hierher gezeigt werden konnte, lassen sich auch die Ethnonyme Gothus und Romanus in dieser Weise verstehen. Dass Gothus als Indikator einer adelsähnlichen gesellschaftlichen Position Verwendung findet, ist dabei in allen Quellengattungen des westgotischen Reiches festzustellen. Im Kontext der hier behandelten Rechtstexte hat sich ferner gezeigt, dass auch Romanus in einigen seltenen Fällen eine solche Semantik zukommen kann. Wie schon im Zitat von Collins angegeben, dient die Ausführlichkeit der Aufzählung dazu, den alle denkbaren Gesellschaftsschichten umfassenden Geltungsanspruch des Gesetzes zu unterstreichen. 5.2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen „Das herkömmliche gentile Vokabular tritt in den westgotischen Gesetzen zurück.“ So leitete Dietrich Claude schon im Jahre 1972 im Rahmen seiner Überlegungen zu „Gentile[n] und territoriale[n] Staatsideen im Westgotenreich“ seine knappen Ausführungen zu den Gesetzen ein, die er bezeichnenderweise bei seiner 26 Jahre jüngeren Untersuchung zum Verhältnis von Westgoten und Hispano-Romanen im siebten Jahrhundert nicht wieder aufgriff.265 Eine Schlussfolgerung, die diese stumme Auslassung nahelegt, 263
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Collins: Visigothic Spain, S. 243, Anm. 65; vgl. auch Heather: Goths, S. 296; Kampers: Westgoten, S. 279. Siehe anders dazu King: Law and Society, S. 13, Anm. 4. Siehe dazu schon Sánchez Albornoz, Claudio: El Aula Regia y las asambleas políticas de los godos, in: Id.: Estudios Visigodos (Studi Storici 78/79), Rom 1971, S. 150–252; sowie aktuell Isla Frez: El officium palatinum visigodo, S. 844/845: „En definitiva, los títulos parecen tener un componente destacadamente honorífico, […]. Lo que implican estos títulos es la pertenencia a un rango social determinado, lo que a su vez posibilita el desempeño de funciones apropiadas al mismo, pero ello es secundario con respecto a lo primordial que es el rango que se alcanza en la escala social.“ Claude: Gentile und territoriale Staatsideen, S. 30 ff., Zitat S. 30; Id.: Remarks about Relations between Visigoths and Hispano-Romans.
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ist die, dass Claude in den Gesetzestexten keine für seinen Gegenstand ergiebige Quellengruppe erkannt hat. Dies bestätigt auch das Fazit, das Peter Heather im Anschluss an seine knappen Ausführungen zu den westgotischen leges in Spanien zieht: „There are a few other instances of ethnic language in seventh-century laws, but in contexts so vague as to suggest it was employed merely for rhetorical flourish. Otherwise, the Visigothic Code gives not the slightest hint that the seventh-century kingdom was composed of Goths and Romans with legally defined differences in rights and status.“266 Die in diesem Kapitel durchgeführte Untersuchung der für unsere Fragestellung relevanten Textpassagen der westgotischen Gesetze kann diese Feststellung auf breiterer Basis grundsätzlich bestätigen. Die geringe Anzahl an Ethnonymen, die zudem mehrheitlich auf die als Antiquae gekennzeichneten älteren Gesetze zurückgehen, ist dabei eine Parallele zu den anderen Quellencorpora. Auch die wenigen isolierten Gothus-Belege knüpfen in ihrer gotischen Identifizierung des exercitus, der gens, der patria und der seniores an die in anderen Kapiteln gemachten Beobachtungen an. Mit Blick auf das vermeintlich bis zur Zeit Leovigilds bestehende Heiratsverbot zwischen Westgoten und Hispano-Romanen sowie hinsichtlich der mit einer Landteilung zwischen den genannten Gruppen in Zusammenhang stehenden Gesetze wurde gezeigt, dass beide keine Aussage über eine ethnische Unterscheidung im spanischen regnum gestatten. Beim erstgenannten Fall ist dies auf ein falsches Verständnis des unter sehr spezifischen Umständen entstandenen Vorläufergesetzes zu verstehen. Dieses als coniugium-Verbot zwischen Goten und Römern missverstehend, sah Leovigild sich dazu veranlasst, das Gesetz aufzuheben, gerade weil es vermeintlich eine falsche Grenze zog, die mit den gegebenen Bedingungen für eine rechtmäßige Ehe und damit auch mit der Heiratspraxis nicht in Übereinstimmung zu bringen war. Demzufolge bestätigte der König Eheverbindungen zwischen Goten und Römern, die faktisch bereits seit langer Zeit üblich waren. Für jene Gesetze, welche aus einer Besitzaufteilung zwischen Goten und Römern resultierende Rechtsfragen zum Gegenstand haben, wurde dargestellt, dass sie als Textelemente des LI zu verstehen sind, die auf vorangegangene Gesetzeswerke zurückgehen und kopiert wurden, ohne dabei jedoch für die realen Verhältnissen innerhalb des spanischen Westgotenreiches noch relevant gewesen zu sein. Im Unterschied dazu konnte bei jenem Gesetz, welches aufgrund seines Inhaltes – die Rechtssprechung zum illegalen Verkauf eines Besitzes an Dritte – unverändert von 266
Heather: Goths, S. 296. Dass Heather im Zitat eingangs von „wenigen anderen Gesetzen“ spricht, erklärt sich durch seine im Text vorangegangene Aussage zu den Gesetzen zur Landteilung aus den Antiquae.
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Bedeutung blieb, eine andere Beobachtung gemacht werden. Dort wurde der ursprüngliche und im CE überlieferte Text des entsprechenden Kapitels in der Weise abgewandelt, dass die dort benutzten Termini Gothus und Romanus durch andere, der Situation des Toledanischen Reiches offenbar entsprechende Begriffe ersetzt wurden. Die sich hierin abzeichnende und in hohem Maße von vorgeprägten Formen und Sprachmustern beeinflusste Genese der Gesetzestexte ist bei ihrer Interpretation zu berücksichtigen. Deutlich wurde dies ebenfalls bei der Analyse der im Vergleich zu anderen Quellengattungen leicht höheren Anzahl an Romanus-Belegen. So konnte festgestellt werden, dass die Verwendung des Ethnikons Romanus – häufig, aber nicht ausschließlich als Apposition zum civis – in einigen Fällen eindeutig und in anderen damit sehr wahrscheinlich auf den Einfluss römischer Vorlagen zurückzuführen ist. Die Fortführung dieser Muster und/oder ihrer Sprache ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer semantischen Kontinuität der Begriffe. In diesem Sinne hat sich gezeigt, dass dem Ethnikon Romanus im Kontext der Rechtstexte eine rechtlich-soziale Bedeutung zukam. Der Begriff kann damit nicht mit einer ethnischen und mit der westgotischen Identität konkurrierenden Identifikation in Verbindung gebracht werden. Ob die an einigen wenigen Stellen belegten Romani, cives Romani oder Romani ingenui dabei einen spezifischen Rechtsstand definierten, der weder durch die Bezeichnung libertus noch ingenuus exakt wiedergegeben wäre, oder ob sie, wie in der Forschung zuletzt mehrfach betont wurde, lediglich in rhetorischer Funktion benutzt wurden, ist nicht letztgültig zu bestimmen.
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6. Schluss Da die Zwischenergebnisse bereits zum Ende jedes Kapitels zusammenfassend dargestellt worden sind, wird in diesem Schlussteil darauf nicht noch einmal im Einzelnen eingegangen. Stattdessen soll hier eine Synthese vorgenommen werden, die sich an den folgenden, bereits einleitend formulierten Fragen orientiert: Welche Aussagen lassen sich anhand der schriftlichen Quellen über ethnische Identitäten innerhalb des spanischen Westgotenreiches treffen? Was lässt sich ferner über deren Bedeutung, Funktion und Inhalt im regnum sagen? Und welche Schlüsse lassen die jeweiligen Antworten, unter Einbeziehung der strukturellen historischen Rahmenbedingungen, im Hinblick auf den Entstehungsprozess des Toledanischen Reiches zu? Zunächst und wenig überraschend ist zu konstatieren, dass ein häufiges Motiv für eine ethnische Identifikation in den westgotischen Quellen die externe Provenienz von Personen beziehungsweise Personengruppen ist. Mit anderen Worten werden also „Fremde“, die nicht aus dem Westgotenreich selbst stammen, ethnisch zugeordnet. Im Gegensatz zur bisher gültigen Annahme einer ethnischen Zweiteilung innerhalb des westgotischen Reiches bis ins ausgehende sechste oder gar bis zur Mitte des siebten Jahrhunderts, konnte gezeigt werden, dass die Bevölkerung des regnum bereits in den Quellen des sechsten Jahrhunderts in ethnischer Hinsicht grundsätzlich einheitlich als gotisch wahrgenommen wurde.1 Deutlich geworden ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Quellen dieser Zeit keine Wahrnehmung einer gesonderten einheimischen und in der Forschung als hispano-romanisch bezeichneten Bevölkerungsgruppe mehr erkennen lassen. Die dennoch in allen untersuchten Quellengattungen in unterschiedlichem Ausmaß gegebene, insgesamt jedoch überschaubare Verwendung des Ethnonyms Romanus stellt dazu nur auf den ersten Blick einen Widerspruch dar. Wie in den Einzelanalysen gezeigt werden konnte, eignet die1
Da die Juden in erster Linie als eine religiöse Gruppe anzusprechen sind, bilden sie hier mit Einschränkung eine Ausnahme. Für sie jedoch lässt sich über die gesamte Dauer des spanischen Westgotenreiches hinweg feststellen, dass sie als separate „ethnisch-religiöse“ Gruppe identifiziert und ausgegrenzt wurden.
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sem Begriff eine große Bedeutungsvielfalt, wodurch der zeitliche und inhaltliche Kontext einer jeden Belegstelle zur semantischen Bestimmung sehr genau zu berücksichtigen ist. Dabei ist deutlich geworden, dass es insgesamt lediglich eine Hand voll solcher Belege gibt, welche mit einer als römisch identifizierten, indigenen Bevölkerung in Verbindung gebracht werden könnten, jedoch sind diese für die spanischen Verhältnisse allesamt als anachronistisch zu bewerten. In den Quellen des spanischen Westgotenreiches meint der Begriffe Romanus vielmehr zumeist Byzantiner (bzw. byzantinisch). Wie beispielsweise bei Isidor von Sevilla zu sehen, werden die Romani von der einheimischen Bevölkerung dabei keineswegs als (ost)römische Verbündete gegen die etwaigen gotisch-barbarischen Eroberer, sondern als Feinde und Eindringlinge in das regnum Gothorum wahrgenommen. Darüber hinaus zeigen vereinzelte Belege, dass der Begriff Romanus von Arianern zur Bezeichnung von Katholiken benutzt werden konnte, was sehr wahrscheinlich auf den römischen Sitz des Papstes zurückzuführen ist. Neben die beiden genannten Bedeutungsebenen tritt in den westgotischen Rechtstexten noch eine weitere: Ausgehend von der direkten Übernahme entsprechender römischer Vorlagen, sind (cives) Romani in wenigen Gesetzen und einigen Mustern zur Anfertigung von Urkunden als Vertreter eines Rechtsstandes nachweisbar. Insgesamt lässt sich mithin festhalten, dass Romanus in den untersuchten Quellen nicht auf sogenannte Hispano-Romanen verweist. Zwar hat es im sechsten Jahrhundert sicher noch ein Bewusstsein bei der einheimischen Bevölkerung über eine gemeinsame römische Vergangenheit gegeben, allein, es deutet nichts darauf hin, dass dies irgendeine Konsequenzen zeitigende Bedeutung für die damalige Gegenwart gehabt hätte. Erklärlich ist dieser Befund nicht zuletzt damit, dass der vielschichtigen römischen Identität im Verlaufe des sich insbesondere im Westreich vollziehenden Desintegrationsprozesses ihre integrative Kraft verloren gegangen war. Über die Ebene eines für große Teile der Bevölkerung wenig bindenden senatorischen Kulturideals hinaus, waren es die Integrationskraft des römischen Staates und die Loyalität zum Kaiser gewesen, die in der Spätantike den Kern römischer Identität ausgemacht hatten. Vor dem Hintergrund des Zerfalls weströmischer Staatlichkeit und im Laufe einer keineswegs geradlinig verlaufenden Entwicklung, nahm das sich allmählich etablierende westgotische Reich nach und nach diese Rolle für sich in Anspruch. Freilich rückten zunächst vornehmlich die civitas und die Region in das Zentrum des politisch-gesellschaftlichen Handelns, so dass die lokalen städtischen beziehungsweise regionalen Identitäten stärker in den Vordergrund traten als dies in römischer Zeit der Fall gewesen war. Dementsprechend wurde dem Ausgreifen der westgotischen Herrschaft auf die Hispania
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seitens der dort ansässigen Magnaten teilweise mit Widerstand begegnet. Emanzipiert vom Imperium versuchten sie sich dem gotischen Hegemonialstreben entgegenzustellen, allerdings taten sie dies nicht als Römer, die sich gegen barbarische Eindringlinge zur Wehr setzten, sondern als Bürger ihrer jeweiligen civitas beziehungsweise als Bewohner einer bestimmten Region, die ihre eigene Machtposition durch den Herrschaftsanspruch einer starken Zentralmacht gefährdet sahen. Auch wenn es bis zum ausgehenden sechsten Jahrhundert immer wieder zu vereinzelten Aufständen kam, so ist die Basis zur Entstehung des Toledanischen Reiches nicht ausschließlich darin zu sehen, dass die Westgoten militärisch stark genug gewesen wären, um den Widerstand der einheimischen Bevölkerung langfristig zu brechen. Stattdessen basiert die Etablierung des regnum Gothorum auf der Iberischen Halbinsel von Anfang an auch wesentlich auf der Kooperationsbereitschaft der einheimischen Eliten, welche darin einen Nutzen für sich entdecken mochten.2 Beide Aspekte, die Bereitschaft zur Kooperation seitens der einheimischen Bevölkerung und die militärische Potenz, diese da zu erzwingen, wo sie nicht gegeben war, führte auf lange Sicht dazu, dass die Westgoten die vergleichsweise kleinen Herrschaftsräume, in welche die Hispania fragmentiert war, in die politische Suprastruktur ihres regnum integrieren konnten. Dies hatte zur Folge, dass sich über jene lokalen und regionalen Identitäten, eine diese überspannende westgotische Identität legte, welche in erster Linie politisch und sozial definiert war. In ähnlicher Weise ist dieser Prozess auch am Beispiel der Sueben zu beobachten, die unmittelbar nach ihrer Eroberung und Integration in das regnum Gothorum als ethnische Gruppe aus der Wahrnehmung der Quellen verschwanden. Im Hinblick auf den Inhalt und die Funktion der westgotischen Identität lässt sich über den Befund hinaus, dass das „Staatsvolk“ als gotisch identifiziert wurde, zusammenfassen, dass dies auch für das Heer gilt und die Begriffe „Soldat“ und „Gote“ an einigen Stellen gleichgesetzt werden. Als gotisch wird ferner die den westgotischen Staat repräsentierende Trias aus gens, rex und patria angesprochen. Gotische Identität zeigt sich aber nicht nur in der Perspektive, die das Volk, das Heer oder das Reich jeweils als Ganzes und damit wenig differenziert in den Blick nimmt, sondern auch bei den Quellen, welche sich den inneren Verhältnissen widmen. Als gotisch wird dabei sowohl die Führungsschicht insgesamt bezeichnet als auch einzelne Individuen von großer politisch-gesellschaftlicher Bedeutung. In dieser Weise ist auch jene Passage des Toletanum VI zu verstehen, welche 2
Vgl. auch Arce: Bárbaros y romanos, S. 149: „El dominio de la Península por parte de los visigodos no se entiende sino es admitiendo que se produjo una aceptación y adhesión por parte de la población hispanorromana.“
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als einzige mit gotischer Identität eine konkrete politische Stellung verbindet: So wird dort für etwaige Thronprätendenten zur Bedingung gemacht, dass sie sich durch ihren Stand als Gote des angestrebten Amtes würdig zu erweisen hätten, was nichts anderes bedeutet, als dass ihnen höchste Reputation zukommen sollte. Abgesehen von diesem Merkmal lassen sich jedoch nirgends spezifische Kriterien erkennen, nach welchen eine gotische Identität genauer zu bestimmen wäre. Die Einsilbigkeit der Quellen in dieser Hinsicht und der „Mangel“ an interner Differenzierung sind dabei weniger verwunderlich als vielmehr bezeichnend. Denn erklärungsbedürftig wäre dieser Befund vor allem dann, wenn differente ethnische Identitäten existiert und eine politische, gesellschaftliche oder religiöse Relevanz gehabt hätten. In einer solchen Gesellschaft wäre es für die Menschen in ihrem täglichen Lebensumfeld von großer Bedeutung gewesen, als welcher ethnischen Identität zugehörig sie betrachtet worden wären. Dass dieser Frage in den Quellen jedoch kein Interesse entgegengebracht wird, unterstreicht, dass eine ethnische Differenzierung der Bevölkerung innerhalb des westgotischen Reiches keine nennenswerte Bedeutung hatte. Dies gilt ausdrücklich nicht nur für die literarischen Texte, deren Verfassern die Forschung, wie etwa im Falle Isidors, unterstellte, sie hätten eben diesen Eindruck zu vermitteln versucht. Zusammen mit den Ergebnissen aktueller Forschungen aus den Nachbardisziplinen entzieht der im Rahmen dieser Studie erarbeitete Befund jener noch immer gültigen Grundannahme die Basis, nach welcher die gotische Identität der Machteliten im regnum auf eine von der einheimischen Bevölkerung zu unterscheidende ethnische Minderheit zurückzuführen sei. Stattdessen stützen diese Ergebnisse die These, dass die Gothi in den Quellen des sechsten und beginnenden siebten Jahrhunderts nicht zwangsläufig die Nachkommen gotischer Einwanderer waren, welche, faustrechtlich legitimiert durch ihre militärische Überlegenheit, die Führungspositionen in der Hispania an sich rissen. Vielmehr verkörperte der ethnische Begriff Gothus – auf der Grundlage der gotischen Identifikation jenes politischen Verbandes, der sich in engster struktureller Anknüpfung an die bereits gegebenen Verhältnisse und in vielfacher Kooperation mit den einheimischen Magnatenfamilien in einem langgestreckten Prozess seit dem fünften Jahrhundert in der Hispania etablierte – eine politisch-soziale Identität, die von der Abstammung einer Person unabhängig war. Das bedeutet, dass das durch die politische Institution des regnum definierte „Staatsvolk“ gotisch war, ebenso wie schon in der Migrationsphase die polyethnische gens als gotisch identifiziert wurde. In besonderem Maße fand der Begriff darüber hinaus für all jene Anwendung, die potent genug waren, um innerhalb des Reiches politische oder gesellschaftliche Macht auszuüben. Mit anderen
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Worten: Man wurde nicht als Gote zu einem Teil der Führungsschicht, sondern als Teil der Führungsschicht wurde man zu einem Goten.3 Der Kreis eben jener Führungseliten bildete dabei das politisch-soziale Netzwerk, von welchem aus die gotische Identität auf den Rest der Bevölkerung ausstrahlen konnte. Von diesem Befund ausgehend ist indes zu fragen, bei welcher Gelegenheit es von Bedeutung war, Gote zu sein, und wann die Träger dieser Identität sich dessen überhaupt selbst bewusst werden konnten. Nach allem, was sich anhand der Quellen sagen lässt, scheint dies dann der Fall gewesen zu sein, wenn die einzelnen Akteure sich auf der großen politischen Bühne zusammenfanden. Eben dort, wo das Volk und das Reich der Goten, unter Führung des gotischen Königs, als Ganzes im Blickpunkt standen. Hier fungierte das „Gotisch-Sein“ als politische und soziale Klammer nach innen und Abgrenzung nach außen. Führen wir uns einen jener seniores Gothorum vor Augen, welche das Rückgrad des Toledanischen Reiches bildeten, so erscheint fraglich, inwieweit seine gotische Identität für ihn in seinem lokalen Umfeld von Relevanz war. Nichts deutet jedenfalls darauf hin, dass es zur Legitimierung seiner Position im regionalen Bezugsfeld von entscheidender Bedeutung gewesen wäre, dass er als Gote zu identifizieren war. Dies und sein eigenes Bewusstsein darüber werden sich jedoch dann geändert haben, wenn er dem westgotischen König einen Treueid zu leisten hatte, sich mit anderen Großen und dem Klerus auf einer Synode versammelte, um für das regnum Gothorum gültige Beschlüsse zu fassen, und nicht zuletzt dann, wenn er unter Führung des Königs in gotischem Namen in der Schlacht stand. Die hier vorgenommene Untersuchung der für das westgotische Reich zur Verfügung stehenden Belegstellen hat gezeigt, dass die ethnische Identität Gothus auch nach dem vermeintlichen Abschluss der westgotischen Ethnogenese ihre Flexibilität und integrative Funktion keineswegs verlor. Die Entstehung des Toledanischen Westgotenreiches kann auf dieser Grundlage dadurch erklärt werden, dass die einheimische Bevölkerung der Hispania bereits im sechsten Jahrhundert gotisch wurde. Die westgotische Identität wurde damit seitens der Letztgenannten nicht nur deutlich früher übernommen als dies bisher vermutet wurde, sondern dieser Prozess vollzog sich auch anders und wesentlich unkomplizierter. Es bedurfte dabei keiner langwierigen Verschmelzung zweier nach Abstammung und Kultur verschiedener Bevölkerungsgruppen, sondern vor allem der Übernahme der ethnischen Identifikation des neuen Staates, der weitgehend auf bereits 3
Wie schon erläutert, ist dieses Diktum insofern perspektivgebunden, als dass von außen betrachtet das gesamte Staatsvolk gotisch war.
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lange etablierten Strukturen aufbaute. Darüber und über die Kooperation der einheimischen Eliten mit den Westgoten hinaus, fußte dieser Prozess zunächst darauf, dass die Letztgenannten sowohl kulturell und als auch rein äußerlich von den sogenannten Hispano-Romanen nicht zu unterscheiden waren. Auf der Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes ist das hier entworfene Bild der Entstehung des spanischen Westgotenreiches und der ethnischen Situation innerhalb desselben weitaus plausibler als die bisher vorherrschende Vorstellung, dass ein polyethnischer Verband – der über Jahrhunderte Menschen unterschiedlicher Abstammung unter dem Namen der Goten vereinigt hatte, und der in einem solchen Maße romanisiert war, dass er weder sprachlich noch archäologisch von der einheimischen Bevölkerung der Hispania getrennt wahrzunehmen ist und dessen Könige sich nicht nur in kaiserlichem Gestus darstellten, sondern die der kaiserlichen Familie bereits zu Beginn des fünften Jahrhunderts römisch genug erschien, um sich durch Heirat mit ihnen zu verbinden – noch nach 150 bis 250 Jahren (also etwa sechs bis zehn Generationen!)4 gemeinsamer Geschichte im Bewusstsein der einheimischen Bevölkerung als Abstammungsgemeinschaft gesondert wahrgenommen worden sei. Auch von der Seite der indigenen Bevölkerung der Hispania betrachtet erscheint die hier entfaltete Sicht überzeugender als die Annahme, dass die römische Provinzialbevölkerung in abgrenzender Betonung ihrer Romanitas eine ebensolche Zeitspanne ethnisch separiert von den herrschenden und Prestige verheißenden Goten existiert habe. Denn es ist dabei von Menschen die Rede, denen der römische Staat seit dem fünften Jahrhundert auch in Person von lateinischsprachigen Militärs gegenübertrat, die ebenso Goten wie römische Offiziere waren, und die ferner in einer Zeit lebten, in der die politische Identifikation als Römer bestimmt war durch die Loyalität zu einem Kaiser, der spätestens seit der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts im Westen völlig kraftlos und seit dem sechsten Jahrhundert eine Figur Konstantinopels und damit des griechischsprachigen Ostens war, und deren Eliten schließlich nachweislich an der Machtausübung in dem sich neu bildenden westgotischen Königreich beteiligt waren. 4
Dieser Zeitspanne ergibt sich aus den kontrovers diskutierten Zeiträumen einerseits für die Präsenz der Westgoten bzw. der Etablierung ihres Reiches auf der Iberischen Halbinsel – zwischen der Mitte des fünften und dem Beginn des sechsten Jahrhunderts – und andererseits dem angenommenen Zeitpunkt ihrer „Verschmelzung“ mit den Hispano-Romanen im Laufe des siebten bis hin zum Anfang des achten Jahrhunderts.
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Hierbei von der Plausibilität und nicht etwa der Beweiskraft der Erklärung zu sprechen ist der hinlänglich bekannten Einsicht geschuldet, dass der Historiker sich stets der Aufgabe gegenüber sieht, die spärlichen und unter spezifischen Bedingungen verfassten Quellen – die ja leider nicht dazu verfasst wurden, die sich in der jeweiligen Gegenwart stets wandelnden Fragen an die Vergangenheit zu beantworten – zu interpretieren und die von der Überlieferung hinterlassenen Lücken zu überbrücken. Auch wenn sein methodisches Rüstzeug ihn dazu in die Lage versetzt, dies auf einer wissenschaftlichen Basis zu tun, so werden seine Interpretationen und die von ihm entwickelten Kausalzusammenhänge gleichwohl von seiner eigenen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Prägung bestimmt werden. Gerade da in der Einleitung und im Laufe der Untersuchung die geistes- und auch wissenschaftsgeschichtlichen Hintergründe erörtert wurden, welche dazu führten, dass die ethnische Interpretation der Verhältnisse in der Völkerwanderungszeit und den sogenannten Nachfolgereichen des Imperium Romanum lange Zeit von einem primordialistischen Ethnizitätsverständnis dominiert war, gemahnt diese Feststellung dazu, über die Einflüsse (selbst)kritisch nachzudenken, welche uns heute möglicherweise zu einem ganz anderen Verständnis der gleichen Quellen und damit ihrer Zeit führen. Im 19. Jahrhundert war es zunächst vor allem die Suche nach nationaler Identität und später nach ebensolcher Größe, welche die Völker auch beim Blick auf die Vergangenheit voneinander abgrenzte und in ihnen gleichsam zeitlose Wesen mit festgeschriebenen Eigenschaften erkannte. Die historische Erfahrung seitdem und die politischen Entwicklungen insbesondere in Europa haben die Nation und mit ihr das Volk als ethnischer Gemeinschaft mit gutem Grund aus der ersten Reihe des gesellschaftlichen und politischen Interesses verdrängt. Bedingt etwa durch den europäischen Integrationsprozess und die gegenwärtigen Herausforderungen durch moderne Migrationsbewegungen ist man auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene auf der Suche nach flexiblen Identitätsangeboten für Menschen aus unterschiedlichen Regionen und mit unterschiedlicher Abstammung, um den von diesen Menschen konstituierten Staatsgebilden Stabilität verleihen zu können. Eine Aufgabe übrigens, der sich die nordamerikanischen Staaten, als zweiter Kulturraum, in welchem die europäische Geschichte der Spätantike intensiv erforscht wird, bereits seit Langem ausgesetzt sehen. Man könnte daher mit einiger Berechtigung fragen, ob die durch diesen Hintergrund geprägten Historiker nicht vielleicht dazu tendieren, vor allem jene Strukturen zu erkennen und solche Erklärungen für plausibel zu erachten, die ihnen aus ihrer eigenen Gegenwart vertraut sind und nachvollziehbar erscheinen. Natürlich lässt sich diese Frage nicht befriedigend beantworten, aber auf die ihr implizite Kritik ließe sich den-
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noch entgegnen, dass die Erforschung der Spätantike beziehungsweise des Frühmittelalters sich seit nunmehr einer ganzen Reihe von Jahren eines stets steigenden Interesses erfreut, weil die Menschen in jener Epoche zumindest teilweise mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert waren, wie sie sich auch heute für uns stellen.
Quellen
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Personenregister
451
8. Register 8.1 Personenregister Abadal y de Vinyals, Ramón de 5, 154 Abundantius 321 Adaloald 235 Aegidius 258, 359 Aemilianus 315, 317 f., 321 Aëtius 51 f. Agila 123 f., 128, 175, 227 Agila (Bote) 193, 200 Alarich 40 f., 43, 49 Alarich II. 55, 63, 88, 92, 119 ff., 125, 146, 166, 178, 239, 376 Amalarich 121 ff., 180 Amory, Patrick 21 ff., 29, 71, 78, 87, 100, 189 Anastasius 256 f. Ansovald 200 Anthemius 173 Apringius von Beja 256 Arborius 175, 177 Arce, Javier 28, 118, 168–171, 173, 273, 284 Ardabast 291 f. Argimund 205 Arius 73 Athalocus von Narbonne 205, 212, 284 Athanagild 123 ff., 127, 158, 199, 227, 256 f., 259 Athanagild (Sohn Hermenegilds) 199, 310 Athaulf 37, 40, 66, 115 Audeca 240 Augustinus 253, 264 Authari 231 Avitus (Eparchius) 105 f. Basilius von Aix 86, 91 Bebel, Heinrich 6 Becher, Matthias 23 Berndt, Guido 19
Bluhme, Friedrich 388 Boso 212 Brather, Sebastian 135 Braulio von Saragossa 242, 249, 251, 314–318, 320 f. Brunhölzl, Franz 312 Brunichild 199, 310 ff. Burdunelus 156 f., 159, 178 Caerols, José 157, 230 Caesar 13 Campos, Julio 231 Caracalla (Marcus Aurelius Antoninus) 394 Cardelle de Hartmann, Carmen 152 Cassiodor 34 f., 38, 248 Castellanos, Santiago 295, 317 Childebert 122, 154 Chilperich von Neustrien 211 Chindasvinth 126, 291, 370 f., 376–379, 382, 386 Chinthila 368, 371 Chlodwig 87 f., 119 f., 122, 359 Chlothar 312 Chlothilde 122 Claude, Dietrich 223 f., 323, 331, 338 f., 367, 369, 402 f. Claudius 280, 286, 288 f., 291 f., 297, 302, 306, 327 Codoñer Merino, Carmen 278 Collins, Roger 26, 28, 151 f., 157, 176, 205, 248, 331, 397 f., 401 f. Commundus von Baira 208 Constantinus II. 75 Constantius III. 36, 154 Crocus 90 Dahn, Felix 25 Demandt, Alexander 96 Desiderius 309–314
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Register
Diesner, Hans-Joachim 259, 269 Dilcher, Gerhard 60 Diokletian 106 Domegisel 200 Donatus 192 Durliat, Jean 47 Eger, Christoph 149 Egica 372, 377, 379, 386 f. Eleutherius 275 Elton, Hugh 101 Ennodius von Pavia 57 Ergano 193 Ermaricus 208 Ervig 291, 377, 379, 383, 386 f., 401 f. Esders, Stefan 365 Eugenius II. von Toledo 315 Eulalia 280, 298 Eurich 53, 57, 63, 86 f., 90 f., 102 f., 115, 125, 162, 165 ff., 169–172, 176, 202, 376, 378, 383, 386 f. Eusebius (Kaufmann) 290 Eusebius von Caesarea 222, 245 Eutropius 192 Everschor, Britta 100 f. Fidelis von Mérida 275, 278, 283f., 289f., 293 Firmus 68 Fontaine, Jacques 241, 250 f., 268, 311 Fravitta (Flavius) 99 f. Frederech 261 Fritigern 75 Fronimianus 315 Fronimius von Agde 192, 200 Fulgentius (Mönch) 208 Fulgentius (Bruder Isidors von Sevilla) 243 Fulgentius von Ruspe 256 Galán Sánchez, Pedro 222, 224, 245, 252 Galindo, Pascual 315 Galla Placidia 40, 45 Gams, Pius B. 274 García Lopez, Yolanda 379, 386 García Moreno, Luis A. 186, 275 Garvin, Joseph 273, 303 Gaupp, Ernst Theodor 47 ff. Geary, Patrick 14, 16 Geiserich 45 Gennodius von Marseille 250 Gesalech 121, 179 f., 239
Gillett, Andrew 20, 151 f. Glismoda 85 Glycerius 145 Goetz, Hans-Werner 30, 359 Goffart, Walter 14, 19–22, 45, 47 f. Gosvintha 127, 198 f., 204, 224 Granista 212, 284 Gregor (Vater Braulios von Saragossa) 315 Gregor der Große 124, 197, 227, 238, 240, 259, 276, 298, 351 f. Gregor von Tours 83 f., 88, 90, 116, 122, 153/154, 156, 182, 192 f., 197, 199 ff., 210, 212, 229 f., 234, 249, 290, 292, 358 f. Gundemar 244 Gundobad 359 Gunthram 212, 358 Heather, Peter 5, 19, 41, 45, 76, 148 f., 366, 403 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 7 Heraklaios (Eraclius) 245, 254 Hermenegild 129, 196–199, 211, 223 f., 227–232, 236, 238, 243 f., 258, 279, 295, 298, 302, 348, 351 Hertzberg, Hugo 151, 246 Hieronymus 222, 245, 250 Hilduarens 208 Hillgarth, Jocelyn 26, 218 Höfler, Otto 7 Honorius 36, 40 Howe, Tankred 80 f., 210 Hunerich 80 Hydatius 52, 105 f., 115, 154 f., 158, 165, 177 f., 182, 217 f., 222, 246, 261, 265 ff. Ibba 179 Ildefons von Toledo 242, 250 f. Ingunde 199 Innocentius von Mérida 275 Isidor von Sevilla 116, 121, 123, 128, 151, 154, 156, 165, 180, 199 ff., 203, 207, 219 ff., 225, 238, 240–272, 289, 304, 309, 314, 317 f., 337, 352, 361, 363, 376, 378, 386, 391, 406, 408 Jarnut, Jörg 13 Jiménez Garnica, Ana Maria 140 Johannes (Priester) 192 Johannes II. (Patriarch von Konstantinopel) 265
Personenregister Johannes von Biclaro 82, 115 f., 127, 151 f., 154, 181, 192, 195, 198, 200 f., 203, 207, 218–240, 246, 256, 262, 265 f., 272, 286, 289 f., 294, 302, 304, 317 f., 337, 342, 352 Johannes von Saragossa 315 Jones, Arnold 94, 358 Jong, Mayke de 325 Jordanes 34 f., 37, 116, 121, 146, 165, 180, 248 Julian von Toledo 322 ff., 387 Julius Africanus 245 Justinian 99 f., 116, 124, 218, 256 f. Justinianus von Valencia 256 Kampers, Gerd 186 f., 333 Karl der Große 240 King, Paul D. 65, 381, 385, 388 Konstantin der Große 228 Kossinna, Gustaf 7, 133 f. Kulikowski, Michael 28, 41, 116, 118, 147, 215 Lampridius 103, 108 Leander von Sevilla 192, 197 f., 200 f., 242 f., 256, 290, 343, 347 ff. Leo (Kaiser) 173 Leo I. (Papst) 259 Leovigild 82, 115, 127–130, 162 f., 181, 185, 192, 195 f., 198 f., 201 f., 204, 209–213, 215–218, 221, 223 f., 226–230, 233 f., 236 f., 240, 244, 257, 278 ff., 282, 286, 296, 298, 300 f., 307, 318, 321, 337, 347 f., 350, 352, 376, 378, 381, 383, 386, 388–393, 403 Leuterius von Salamanca 208 Liebeschuetz, Wolf 69, 76, 397 f. Liuva 125, 127, 192 Liuva II. 297 Lot, Ferdinand 185, 188, 262, 328, 337 Lusidius 178, 267 Lynch, Carlos H. 315 Maier, Gideon 128 Mathisen, Ralph 17, 69, 84, 394 Marcian 228 Martin, Céline 42, 118, 194, 365 Martín, José Carlos 246, 312 f., 316 Martínez Diez, Gonzalo 332, 339, 400 Martínez Pizarro, Joaquín 323 Martin von Braga 256, 266, 290
453
Masona von Mérida 200, 207 f., 236, 278 ff., 283 f., 286 f., 290, 294, 296 f., 299–302, 305 ff., 342 Mauritius I. 256 Maximilian I. 6 Maximus 156 Maximus von Saragossa 151, 246, 248 Maya Sánchez, Antonio 273 f., 282 Mellado, Joaquín 345 Merrills, Andrew 249, 263, 272 Meslin, Michel 78 Miro 211, 229 Modaharius 86 Mommsen, Theodor 36, 151, 246 ff. Montanus von Toledo 193 f., 206 f. Morales, Evo 1 f. Nanctus 192, 200 Narses 259 Nepopis 200, 280, 284, 300 Nepotianus 175, 177 f. Neufila von Tuy 208 Nitigisius von Lugo 208 Nonnitus 221 Olympiodorus 45 Oppila 234 Orlandis, José 162 Orosius 37, 54, 66 f. Othia 85 Paulus (Diakon) 274 Paulus (Usurpator) 322, 324 f. Paulus von Mérida 275, 283 f., 289 f., 292 f., 306 Pérez de Urbel, Justo 305 Petrus 153, 159, 178 Pohl, Walter 7, 22, 24 Pomponia 315 Prokop 99, 116, 120 f., 123, 174 Prosper von Tiro 155, 222 Ranke, Leopold von 6 Redemptus 242 Rekkared 124, 127, 129 f., 162, 191, 199, 204, 212 f., 216, 218, 227 f., 231 f., 236 ff., 240, 256, 258 f., 271, 280, 282 f., 285, 287, 295–298, 332, 337–340, 344–354, 362, 375 f., 378, 381, 395, 398 Rekkesvinth 372, 376–379, 383, 386 f., 400 Renovatus von Mérida 207, 275, 287, 294, 305, 307, 342
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Register
Ricimer 105 Ringilio 208 Ripoll, Gisela 140, 214 Rodríguez, Felix 332, 339, 400 Rodríguez Alonso, Cristobál 246 f. Salla 167–172 Salvian von Marseille 54, 56 f. Schäferdiek, Knut 92, 191, 234, 347 Schmidt, Ludwig 44, 91 Schwarcz, Andreas 175 Segga 294 Severianus 242 f. Sidonius Apollinaris 57, 70, 85 ff., 90–93, 97, 102–105, 108 Sigibert I. 199 Simonet, Francisco 336 Simplicius 85, 90, 107 Sinticio (Deidonum) 187 Sisebut 235, 244, 248, 254, 259, 276, 283, 309–314, 378, 395, 400 Sisenand 221, 244, 363 Sivan, Hagith 51, 68–71, 391 ff. Stephanus von Mérida 275 Stocking, Rachel L. 333 Stroheker, Karl Friedrich 104, 202, 318 ff. Suinthila 125, 221, 244 f., 254, 259, 272, 363 Sunna von Mérida 205, 212, 279 f., 287, 292, 294, 296–305, 307, 342 Suntrup, Aloys 362 Syagrius 119 f., 359 Teillet, Suzanne 25 f., 219, 224, 226 f., 238, 252, 292, 323, 325, 337 f. Theodemir 256 Theoderich I. 55, 105 Theoderich II. 53, 70, 92, 102, 105 f., 115, 154, 158, 162, 165, 168, 175, 177 f., 261 Theoderich der Große 22, 100, 120 f., 123, 180, 239 Theodosius 40, 73, 78, 90, 99, 261 f. Theudebert II. 311 f.
Theudegisel 122 f., 234 Theudis 29, 121, 123, 158, 174 f., 180 f., 375 f., 380 Thiudigotho 121 Thompson, Edward 162, 205, 218, 235, 245, 299, 303, 390 Thorismund 158 Thrasamund 256 f. Totila 259 Tulga 371 Turibius 193, 206 f. Turtura 242 Uldila von Toledo 205 Ulfila 78 Ureña, Rafael de 387 Vagrila 297 Valens 75 f. Valentinian I. 75 Valentinian III. 52, 105 Valia 45, 261 Velázquez, Isabel 26, 170 f., 238, 269, 278, 304, 325, 338, 344, 367, 369 f. Vicentius 176 Victor von Tunnuna 151 f., 154, 222, 245 Victor von Vita 44, 80 f., 210 Vidimer 145 f. Vildigernus 212, 284 Vives, José 400 Wallace-Hadrill, John 379 Wamba 322, 325, 401 Weber, Max 2 Wenskus, Reinhard 10 f., 15 f. Wickham, Chris 98, 135 Witterich 259, 280, 282, 297, 302 Wolfram, Herwig 11, 41, 48, 64, 130, 249 Wormland, Patrick 60, 379 Zeiss, Hans 139 Zenon 167–171 Zeumer, Karl 376, 380, 386, 388 Zosimos 99
Ortsregister
455
8.2 Ortsregister Adrianopel 36 Afrika 68, 81, 164, 192, 239 Agde 88, 92, 192, 194 Antiochia 266 Aquitanien 5, 33, 36, 43, 48, 50, 70, 131, 154 f., 179 f., 383 f. Arahal 208 Arles (Arelatum) 51, 105, 153 Atlantik 43, 142 Astigi 243 Asturien (Asturica) 260 f. Auvergne 106 Ávila 174 Baetica 45, 142, 164, 180 f., 211, 243 Balkan 36 Barcelona 122, 125, 179, 221, 332 Biclaro 221 Bolivien 1 Bourges 85, 107 Braga 260 Burgos 317 Byzacena 266 Byzanz 290 Cádiz 124 Cappadocia 266 Carcassone 179 Cartagena 242 f. Carthaginiensis 205, 261 Cauliana (Kloster) 207 Ceuta 180 Chaves (Aquae Flaviae) 52, 218 Clermont 57, 90, 102 f., 105 Córdoba 123 f., 128, 175, 181, 226 f., 229 Dalmatien 146 Dardania 266 Deutschland 133 Diego Álvaro 174, 329 Donauraum 146 Duero 138 Dumio 290 Ebro (Ebrotal) 165, 176, 315, 317, 322 El Carpio de Tajo 144 England 6 Frankreich 6, 36 Gallaecia 142, 217, 261 Gallien (Gallia) 24, 34, 36 f., 43, 50, 52 f., 56, 65, 81, 88–91, 93, 104 f., 108 ff.,
120, 143, 145 f., 152, 154, 161 f., 165 f., 175, 180, 189, 214, 283, 324 f., 358, 360, 383 Gerona 221, 332 Gibraltar (Meerenge von) 180 Griechenland (Grecia) 292 f. Hispania 5, 24, 43, 52 f., 106, 109, 111, 113, 115, 118, 124 f., 127 f., 130, 132, 141 ff., 145 f., 150–156, 159, 161–164, 166 f., 173 ff., 177, 180 ff., 188 f., 196, 214, 216, 224, 227, 231, 233, 239, 248 ff., 252, 255 ff., 259–264, 266 ff., 271, 273, 276, 290 f., 293, 304, 320, 324 ff., 364, 366 f., 383, 406–410 Spanien 43, 47, 82, 94, 113–116, 122, 130 f., 144, 147 f., 152, 154, 156, 162, 164 f., 174 ff., 178, 181, 191 f., 196 f., 217–220, 222, 226, 230 f., 235, 240 f., 243/244, 250, 257, 261, 263, 270, 292, 314, 324, 327 f., 336, 356, 365, 376 f., 383, 385, 393, 397, 403 Iberische Halbinsel 25, 36 ff., 44, 47, 50 f., 105, 108, 113, 115 f., 124, 128, 131, 144, 148, 150, 153, 158–165, 168, 175, 179, 182 f., 185, 189, 191 f., 214 f., 217, 221–225, 229, 233, 239, 242 f., 256, 259 ff., 265 ff., 269, 271, 273, 279, 290 ff., 321, 327, 383, 407, 410 Pyrenäenhalbinsel 24, 53, 115 f., 128, 161, 165 Italien 37 f., 56, 78, 105, 131 f., 146, 231, 239 Italia 5, 146 Apenninhalbinsel 36 Kantabrien (Cantabria) 142, 260, 317 ff., 321 Kastilien 138 Katalaunische Felder 146 Konstantinopel 36, 156, 197, 220 f., 243, 410 Krim 146 Lérida 332 Livia 57 Logroño 317 Loire (Ligera) 43, 70, 155
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Register
Lusitanien (Lusitania) 142, 164 f., 169, 178, 221, 260 ff., 265, 267, 273, 286 Madrid 144 Massila 153 Mauretanien 68 Mérida (Augusta Emerita) 123, 125, 166–169, 171 ff., 176, 181, 192, 204, 207, 273, 278–281, 284, 286, 290, 293–296, 298, 301, 306, 308 Meseta 132, 141 ff., 214, 329 Mittelmeer 43, 356 Monte Cantabria 317 Narbonensis 120, 127 f., 312, 356 f., 360 Narbonne 51, 120, 122, 125, 179, 204, 284, 353 f. Nîmes 325 Orléans 358 Ostsee 35 ff. Palencia 193 f., 206, 317 Pamplona 122, 153, 165 Paris (Parisius) 156, 290 Peloponnes 36 Picos de Europa 142 Poitiers 120 Pyrenäen 5, 43, 122, 130 f., 145, 179 f., 241, 314 Ravenna 121 Reccopolis 129, 199 Rhône (Rodanus) 120 f., 155 Rions 84 Rom 36, 45, 53, 83, 235, 253 f., 259, 262 f., 268, 293 Salacia 187
Santarém (Scallabis) 220/221, 262, 265 Saragossa (Caesaraugusta) 122, 151, 153, 165, 178 f., 315 Scandza 34 Schwarzes Meer 35–38, 50 Septimanien (Septimania) 120, 192 Servitanum (Kloster) 192 Sevilla (Hispalis) 123, 125, 181, 199, 224, 229, 243 Sierra de Guadarrama 142 Sierra de la Demanda 142 Skopje 266 St. Eulalia (Basilika) 279 Tajo 138 Tarraconensis 122, 151 f., 160, 164 f., 178 ff., 209, 261, 316, 322, 324 Tarragona 173, 208, 332 Tauresium 266 Telepte 266 Tiahuanacu 1 Toledo (Toletum) 33, 128 f., 176, 195, 204, 233 f., 273, 280 f., 284, 331 ff., 349, 375 Tortosa (Dertosa) 153 Toulouse (Tolosa) 28, 33, 55, 94, 120, 129, 154–157, 178 f. Trier 156 Ulixippona (Lissabon) 178, 261, 267 Valencia 124, 192, 332 Victoriacum 129 Vouillé (Boglada) 55, 88, 119 f., 125, 131, 153, 162, 179, 211 Weichsel 35