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German Pages 312 Year 2021
Barbara Schirakowski Nominalisierte Infinitive im Spanischen
Linguistische Arbeiten
Herausgegeben von Klaus von Heusinger, Agnes Jäger, Gereon Müller, Ingo Plag, Elisabeth Stark und Richard Wiese
Band 579
Barbara Schirakowski
Nominalisierte Infinitive im Spanischen
D 188
ISBN 978-3-11-072333-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-072335-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-072342-7 ISSN 0344-6727 Library of Congress Control Number: 2021931747 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2016 am Fachbereich für Philosophie und Geisteswissenschaften an der Freien Universität Berlin angenommen wurde. Zuallererst danke ich meiner Doktormutter Judith Meinschaefer. Sie hat nicht nur dieses Projekt außerordentlich unterstützt, sondern meine wissenschaftliche Arbeit auch weit darüber hinaus in jeder Hinsicht gefördert. Ihre Impulse und Kommentare haben diese Arbeit immer wieder entscheidend vorangebracht. Uli Reich danke ich sehr für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Manuskript, das davon enorm profitiert hat. Annette Gerstenberg, Matthias Hüning und Philipp Krämer sei herzlich für ihre Mitwirkung in der Promotionskommission gedankt. Die Sprachwissenschaft an der FU Berlin hat mir eine inspirierende Umgebung zum Promovieren geboten. Meinen Kolleginnen und Kollegen danke ich für viele lebendige Diskussionen und hilfreiche Hinweise im Forschungscolloquium der romanistischen Linguistik und darüber hinaus. In allen Phasen dieses Projekts habe ich auf unterschiedliche Weise Unterstützung erhalten. Ma Nieves Sánchez González de Herrero und Renate Anschütz danke ich für ihre Hilfe bei der Datenerhebung in Salamanca, Ingo Plag für seine Beratung hinsichtlich der statistischen Analyse dieser Daten. Ein vom DAAD geförderter Aufenthalt an der Universidad Autónoma de Madrid hat es mir 2015 ermöglicht, weitere Daten zu erheben und neue Ideen zu entwickeln. Meiner Gastgeberin Josefa Martín García danke ich herzlich für den anregenden Austausch in dieser Zeit. Die Fragebögen hätten nicht ohne das Zutun von Francisco Miguel Pérez Fernández und Silvia Serrano Pardo sowie den methodischen Rat von Maria del Mar Vanrell Bosch entstehen können. Letzterer und Felice Lembeck danke ich außerdem für die freundschaftliche Zusammenarbeit am Arbeitsbereich. Für das Korrekturlesen des Manuskripts bedanke ich mich bei Evelyn Hentschel, EvaMaria Lipfert und Carolin Ulmer. Ein großer Dank gebührt zudem den zahlreichen Personen, die an den Befragungen teilgenommen haben. Den Herausgebern und Herausgeberinnen danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Linguistische Arbeiten“ und dem/der beteiligten Gutachter/in für die wertvollen Anmerkungen. Für die Begleitung der Buchveröffentlichung gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen von de Gruyter. Schließlich und vor allem danke ich meiner Familie für ihren Rückhalt, der mich getragen und alles erst ermöglicht hat. Berlin, im März 2021
https://doi.org/10.1515/9783110723359-202
Barbara Schirakowski
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
XI XIII
Abkürzungsverzeichnis
XV
1
Einleitung
2
Morphosyntaktische Eigenschaften von NI: Verbale und nominale Merkmale in der DP 7 Einleitung 7 Satzinfinitive 12 Nominale Infinitive 20 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen 24 Lexikalisierte Infinitive 32 Zusammenfassung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands 36
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3
1
Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur 40 Einleitung 40 Die geteilte VP 45 Argumente in der geteilten VP 50 Spezifizierer oder „thematische Argumente“ 51 Komplemente oder „rhematisches Material“ 53 Telizität 55 58 PFAD-Komplemente 61 Zwei Arten direkter Objekte: PFADE vs. UNDERGOER Verbklassen und Argumentrollen 64 Initiation-process-Verben 66 Initiation-process-result-Verben 67 Verben ohne initiation-Merkmal: Zu Kausativalternation und Unakkusativität 70
VIII
3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.4 3.5.5 3.6
Inhaltsverzeichnis
Proc-Verben 74 Process-result-Verben 76 Initiation-process-(result)-Verben: Semelfaktiva Initiation-Verben: Zustände 79 Zusammenfassung und Diskussion 81
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI 85 4.1 Typ A 86 4.1.1 Initiation-process-Verben 87 4.1.1.1 Intransitive initiation-process-Verben 87 4.1.1.2 Transitive initiation-process-Verben 90 4.1.2 Initiation-process-result-Verben 96 4.1.3 Process-Verben 99 4.1.4 Process-result-Verben 101 4.1.5 Initiation-process-(result-)Verben: Semelfaktiva 4.1.6 Zusammenfassung 103 4.2 Typ B und Typ C 105 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4
77
102
Denotationen und Lesarten von NI 109 Einleitung 109 Ereignisse, Resultate und Tatsachen 111 Ereignislesarten 111 Ereignislesarten von NI 114 Ereignis- und Resultatlesarten 117 Resultatlesarten von NI 119 Tatsachenlesarten und modale Ereignislesarten 121 Tatsachenlesarten und modale Ereignislesarten von NI 124 Generische Ereignisreferenz 127 Einleitung: Arten generischer Referenz 128 Unterscheidung von generischer und episodischer Ereignisreferenz 131 Generische Ereignisreferenz und Argumentrealisierung 135 Generische Ereignisreferenz und Nominalisierungsgrad: DPvs. NP-Nominalisierungen 139 Generische Ereignisreferenz von NI 142 Zusammenfassung 143
IX
Inhaltsverzeichnis
6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 6.4 7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6
Methodisches Vorgehen 145 Einleitung 145 Überlegungen zur Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen Forschungsstand: Urteilsdaten als Quelle linguistischer Evidenz 146 Was sind Akzeptabilitätsurteile? 146 Akzeptabilität vs. Grammatikalität 147 Korpus- vs. Urteilsdaten 148 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen 150 Stimulusbezogene Faktoren 151 Personenbezogene Faktoren 153 Die Wahl der Skala 156 Arbeitsanweisung 160 Füll- und Kontrollmaterial 161 Within-subject-Design, Gegenbalancierung und Pseudorandomisierung 161 Statistische Auswertung 164 Zusammenfassung 166 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen 168 Einleitung 168 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben 170 Hypothesen und Experimentdesign 170 Material 171 Testpersonen 176 Durchführung 177 Auswertung und Ergebnisse 177 Diskussion 183 Experiment 2: Transitive Basisverben und Realisierung des höheren Arguments 186 Hypothesen und Experimentdesign 187 Material 189 Testpersonen 192 Durchführung 193 Auswertung und Ergebnisse 193 Diskussion 197
146
X
Inhaltsverzeichnis
8
Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B 200 8.1 Einleitung 200 8.2 Bloße Nomen in Objektposition 200 8.2.1 Drei Arten von bloßen Nomen 201 8.2.2 Bloße Nomen und Begrenztheit 203 8.2.3 Bloße Nomen in episodischen und generischen Kontexten 206 8.2.4 Zwischenfazit 208 8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten 8.3.1 Hypothesen und Experimentdesign 211 8.3.2 Material 212 8.3.3 Testpersonen 215 8.3.4 Durchführung 216 8.3.5 Auswertung und Ergebnisse 216 8.3.6 Diskussion 220 8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz 8.4.1 Genus 224 8.4.2 Pronominale Kongruenz 226 8.4.2.1 Semantisch-konzeptuelle Faktoren 227 8.4.2.2 Experimentbezogene Faktoren 231 8.4.3 Hypothesen und Experimentdesign 232 8.4.4 Material 233 8.4.5 Testpersonen 236 8.4.6 Durchführung 237 8.4.7 Auswertung und Ergebnisse 238 8.4.8 Diskussion 240 9
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis Anhang
263
Register
295
249
242
209
221
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Abbildung 2 Abbildung 3 Abbildung 4 Abbildung 5
Abbildung 6
Abbildung 7 Abbildung 8 Abbildung 9 Abbildung 10 Abbildung 11 Abbildung 12 Abbildung 13 Abbildung 14 Abbildung 15 Abbildung 16 Abbildung 17
Nominalisierungsskala 37 Nominalisierungsskala (reduzierte Version) 38 Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten bei transitiven Basisverben 179 Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten bei intransitiven Basisverben 180 Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A mit transitiven vs. intransitiven Basisverben (Aktivitäten vs. Geräuschäußerungen) in episodischen Lesarten 181 Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A mit transitiven vs. intransitiven Verben (Aktivitäten vs. Geräuschäußerungen) in generischen Lesarten 182 Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem Argument in episodischen vs. generischen Lesarten 195 Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit höherem Argument in episodischen vs. generischen Lesarten 195 Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem vs. höherem Argument in episodischen Lesarten 196 Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem vs. höherem Argument in generischen Lesarten 196 Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A vs. Typ B in episodischen Lesarten 217 Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A vs. Typ B in generischen Lesarten 218 Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten 219 Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ B in episodischen vs. generischen Lesarten 219 Kongruenzhierarchie nach Corbett 229 Experiment 4 – Anapherauswahl pro Stimulus (Typ B) 239 Experiment 4 – Anapherauswahl pro Stimulus (Typ A) 240
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Tabelle 5 Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8 Tabelle 9 Tabelle 10 Tabelle 11 Tabelle 12 Tabelle 13 Tabelle 14 Tabelle 15 Tabelle 16 Tabelle 17 Tabelle 18 Tabelle 19 Tabelle 20 Tabelle 21 Tabelle 22 Tabelle 23 Tabelle 24 Tabelle 25 Tabelle 26 Tabelle 27 Tabelle 28 Tabelle 29 Tabelle 30 Tabelle 31 Tabelle 32 Tabelle 33 Tabelle 34 Tabelle 35 Tabelle 36 Tabelle 37 Tabelle 38
Vorläufige Unterscheidung syntaktischer Formtypen 10 Verbklassen nach Ramchand (2008) 64 Argumentpositionen in der geteilten VP 65 Init-proc-Verben 66 Init-proc-res-Verben 68 Proc-Verben 76 Proc-res-Verben 77 Init-proc-(res-)Verben 78 Init-Verben 81 Verbklassen – Gesamtübersicht 83 Klassen transitiver Verben nach Ramchand (2008) 106 Stative und dynamische Prädikate und die Referenz von Sätzen 130 Lesarten von NI – vorläufige Generalisierung zur Entsprechung von Form und Denotation 144 Gegenbalancierung durch Anwendung des lateinischen Quadrats 163 Init-proc-Verben und Typ-A-NI 169 Experiment 1 – Design und erwartete Akzeptabilität 171 Experiment 1 – Infinitiv- und Argumentlexeme 172 Füllmaterial – Tempussemantik 174 Füllmaterial – Differenzielle Objektmarkierung 175 Experiment 1 – Bewertungen (numerisch) 178 Experiment 2 – Design und erwartete Akzeptabilität 188 Experiment 2 – lexikalisches Material 191 Experiment 2 – Bewertungen (numerisch) 194 Experiment 3 – Design und erwartete Akzeptabilität 212 Experiment 3 – Infinitiv- und UNDERGOER-Lexeme 213 Experiment 3 – Bewertungen (numerisch) 217 Genus und Numerus von Pronomen und Determinierern im Spanischen 226 Experiment 4 – Design und erwartete Akzeptabilität 233 Experiment 4 – lexikalisches Material 234 Experiment 4 – Auswahl (numerisch) 238 Gesamtübersicht – untersuchte Formtypen, Argumentrealisierungsvarianten, Lesarten und Akzeptabilität 245 Füllmaterial – Tempussemantik (wiederholt) 274 Füllmaterial – Differenzielle Objektmarkierung (wiederholt) 279 Experiment 1 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials 283 Experiment 2 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials 284 Experiment 3 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials 285 Experiment 4 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials und der pronominalen Anaphern (Gruppe 1) 286 Experiment 4 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials und der pronominalen Anaphern (Gruppe 2) 286
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XIV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 39 Tabelle 40 Tabelle 41 Tabelle 42 Tabelle 43 Tabelle 44 Tabelle 45 Tabelle 46 Tabelle 47 Tabelle 48 Tabelle 49 Tabelle 50
Experiment 1 – Testpersonen 287 Experiment 2 – Testpersonen 288 Experiment 3 – Testpersonen 289 Experiment 4 – Testpersonen 290 Modellvergleich – Experiment 1 291 Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 1 Modellvergleich – Experiment 2 291 Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 2 Modellvergleich – Experiment 3 292 Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 3 Modellvergleich – Experiment 4 293 Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 4
291 292 292 293
Abkürzungsverzeichnis NI Typ A Typ B Typ C
AIC ANOVA BIC BN BPN CEA CdE COSER CP df DP en. ESCOW16A FP FPS Freq GDLE init LCS log-lik M Mdn NGLE NP n p PP proc REML SD SE res sp. Spec
nominalisierter Infinitiv nominalisierter Infinitiv des Typs el + Infinitiv + de-PP el cantar de los pájaros ‚das Singen der Vögel‘ nominalisierter Infinitiv des Typs el + Infinitiv + bloßes Nomen el cantar arias ‚das Liedersingen‘ nominalisierter Infinitiv des Typs el + Infinitiv + Determinierer + Nomen el cantar las coplas ‚das Die-Lieder-Singen‘ Akaike Informationskriterium analysis of variance Bayessches Informationskriterium bloßes Nomen bloßes Pluralnomen Corpus del Español Actual (vgl. Subirats & Ortega 2012) Corpus del Español (vgl. Davies 2002) Corpus Oral y Sonoro del Español Rural (vgl. Fernández-Ordóñez 2009) Komplementiererphrase Freiheitsgrad (degree of freedom) Determiniererphrase Englisch Spanisches Webkorpus / Corpora from the Web (vgl. Schäfer & Bildhauer 2012, Schäfer 2015) Funktionale Projektion(en) First Phase Syntax nach Ramchand (2008) Frequenz Gramática Descriptiva de la Lengua Española initialer Zustand in der FPS Lexical Conceptual Structure nach Jackendoff (1990) logistic likelihood Mittelwert Median Nueva Gramática de la Lengua Española Nominalphrase Grundgesamtheit Signifikanzniveau/Irrtumswahrscheinlichkeit Präpositionalphrase Vorgangsereignis in der FPS restricted maximum likelihood standard deviation (Standardabweichung) standard error (Standardfehler) Resultatzustand in der FPS Spanisch Spezifizierer
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XVI
TP VP W
Abkürzungsverzeichnis
tense phrase Verbalphrase Wilcoxons Teststatistik
Label für Glossierungen ≈ # = ADJ ADV AKK ART AUX DAT DEF DEM F GER INDEF INF KOMP M MASS PRÄP PTZP REL SBJV SUP VERG
paraphrasierbar als […] nicht paraphrasierbar als […] / nicht akzeptabel in der intendierten Lesart Grenzen zwischen Klitika / Klitika und ihren Bezugsverben Adjektiv Adverb Akkusativ Artikel Auxiliarverb Dativ definiter Artikel Demonstrativdeterminierer Femininum Gerundium indefiniter Artikel Infinitiv Komplementierer Maskulinum Massennomenkongruenz Präposition Partizip Relativpronomen Subjunktiv Supin Vergangenheit (allg.)
1 Einleitung Gegenstand dieser Arbeit sind nominalisierte Infinitive im Spanischen (im Folgenden NI). Unter diesen Begriff werden üblicherweise alle Infinitive subsumiert, denen ein Artikel vorausgeht, vgl. (1)–(4). Einige der Formen, die als NI klassifiziert werden, stellen vollständig lexikalisierte Nomen dar, vgl. (1), die meisten sind jedoch syntaktisch gebildete Formen, von denen einige wie in (2) eher nominal strukturiert sind, während andere wie in (3) vor allem verbale Distributionseigenschaften aufweisen oder sogar wie in (4) infinite Nebensätze mit einem overten Subjekt darstellen. (1)
El cantar del Cid es un poema épico. ‚Das Lied (wörtl. Singen) vom Cid ist ein Heldengedicht.‘
(2)
El cantar melodioso de los pájaros se hizo más intenso. (CdE) ‚Das melodische Singen der Vögel wurde lauter.‘
(3)
a. el esfuerzo que supone el cantar arias ‚die Anstrengung, die das Ariensingen erfordert‘ b. el esfuerzo que supone el cantar un aria ‚die Anstrengung, die das Eine-Arie-Singen erfordert‘
(4)
El
cantar yo La Traviata ART Singen ich La Traviata traerá malas consecuencias. (Yoon & Bonet-Farran 1991: 353) ‚Dass ich La Traviata singe, wird schlechte Folgen haben.‘
Die bisherige Forschung hat sich vor allem für die syntaktischen Eigenschaften der in (1)–(4) exemplifizierten Formen interessiert. In chomskyanischen Ansätzen werden sie in der Regel als DPn analysiert, die sich im Anteil nominaler und verbaler Strukturen unterscheiden (vgl. u. a. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, Pérez Vázquez 2002, 2007, Plann 1981, Ramírez 2003). Von zentralem Interesse war bislang vor allem die Frage, wie sich die teils hybriden Wortartenmerkmale von NI im Rahmen von syntaktischer bzw. morphologischer Theoriebildung erklären lassen und auf welchen Ebenen eine verbale Struktur nominalisiert werden kann. Wenig beachtet worden ist dagegen die Frage, ob die syntaktischen Formtypen auch mit semantischen Unterschieden einhergehen. Es kann z. B. als
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2
1 Einleitung
weitgehend unklar angesehen werden, welchen Bildungsbeschränkungen einzelne Formtypen unterliegen und über welche Verwendungs- und Interpretationsmöglichen sie verfügen. Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Formtyp und Lesart stellt sich insbesondere für diejenigen NI, die weder lexikalisiert sind noch infinite Argumentsätze darstellen, d. h. eher nominale NI wie (2) und eher verbale Formen wie (3), auf die sich die folgende Arbeit daher konzentrieren wird. Diese Formen rangieren gewissermaßen im Mittelbereich einer Nominalisierungs- oder Deverbalisierungsskala, auf der sich die spanischen NI anordnen lassen. Aus semantischer Sicht ist eine ihrer wesentlichen Eigenschaften darin zu sehen, dass sie ein syntaktisches Verfahren zur Bildung von Ereignisbezeichnungen darstellen und somit über zeitstrukturelle Eigenschaften verfügen und Ereignispartizipanten auf Argumentpositionen abbilden können. Während die eher nominalen Formen wie (2) Partizipanten u. a. als postnominale PP mit der Präposition de realisieren können, selegieren Formen wie (3) ein verbales Komplement, das als bloße NP oder – seltener – als volle DP adjazent zum Infinitiv erscheinen kann. Spanische NI unterscheiden sich damit z. B. von NI im heutigen Französisch, die ausschließlich als vollständig lexikalisierte Formen wie le déjeuner ‚das Mittagessen‘, le repentir ‚die Reue‘ oder le plaisir ‚das Vergnügen‘ vorkommen (vgl. z. B. Kerleroux 1990). NI im Spanischen verhalten sich allerdings auch nicht wie NI im Deutschen, deren Bildung fast uneingeschränkt produktiv ist (vgl. z. B. Blume 2004). Über spanische NI wie (2) ist aus der Literatur bekannt, dass sie verbklassenbezogenen Beschränkungen unterliegen und nicht alle Ereignispartizipanten als postnominale PP erlauben, siehe (5) a gegenüber b (vgl. u. a. Demonte & Varela 1997, de Miguel 1996 sowie Abschnitt 4.1 für einen ausführlichen Überblick). (5)
a. ?/✓el cantar de los pájaros ‚das Singen der Vögel‘ b. ?/*el cantar de (las) coplas ‚das Singen von Liedern / der Lieder‘
Die erste Leitfrage der Arbeit lautet somit, welche Ereignisstrukturen und -partizipanten innerhalb der DP realisiert werden können. In der Literatur gibt es diesbezüglich zwar einige Generalisierungen, die jedoch weder auf systematischen Unterscheidungen von Verbklassen noch auf umfangreichen Daten basieren. Aus dieser Frage ergibt sich auch der für die vorliegende Arbeit gewählte Formalismus. Mit Ramchands (2008) First Phase Syntax (FPS) wird im Folgenden ein syntaktischer Ansatz zur Modellierung von verbaler Ereignis- und Argumentstruktur verwendet. Im Hinblick auf die Fragestellungen, die in dieser Arbeit untersucht werden sollen, bietet das Modell eine differenzierte Typolo-
1 Einleitung
3
gie von Verbklassen und damit eine geeignete Klassifizierungsgrundlage für spanische NI. Des Weiteren erscheint es unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll, da es erlaubt, sowohl die semantische Wortstruktur als auch strukturelle Eigenschaften oberhalb der Wortebene in einem Modul, nämlich der Syntax, darzustellen. Das zweite Hauptanliegen der Arbeit besteht darin, systematisch zu zeigen, mit welchen Ereignislesarten NI verbunden sein können. Die Formtypen werden daher auch im Hinblick auf ihre externe Distribution bzw. das Auftreten in bestimmten Kontexten betrachtet. In der Literatur finden sich verschiedentlich Hinweise darauf, dass ereignisdenotierende NI z. B. häufig mit generischen, habituellen oder modalen Lesarten verbunden sind (vgl. u. a. Demonte & Varela 1998, Di Tullio 2001, Hernanz 1999, Varela 1979). Allerdings fehlen auch in diesem Bereich gesicherte empirische Erkenntnisse und es ist unklar, ob nominale und verbale NI auf bestimmte Lesarten beschränkt sind oder ob eher subtile Präferenzen bestehen, die Auskunft darüber geben, unter welchen Bedingungen NI als Ereignisnominalisierungen mehr oder weniger adäquat sind. So deuten beispielsweise Okkurrenzen in Korpora darauf hin, dass verbal(er) strukturierte NI wie in (6) und (7) vor allem in generischen Ereignislesarten auftreten, also nicht auf konkrete Ereignisepisoden, sondern auf Ereignistypen referieren. (6)
En 1602, una ordenanza real impuso a cada parcela el plantar moreras. (Wikipedia) das Pflanzen Maulbeerbäume ‚1602 ordnete eine königliche Vorgabe jedem Grundstück das Pflanzen von Maulbeerbäumen an.‘
(7)
También está entre sus planes el construir un mayor número de aulas […]. (Wikipedia) das Bauen eine größere Anzahl von Klassen ‚Zu ihren Plänen gehört auch das Bauen einer größeren Zahl von Klassenräumen.‘
Im Folgenden soll daher gezeigt werden, dass NI auf bestimmte Funktionen spezialisiert sind, die sich aus der Interaktion der Semantik des Basisverbs, Argumentrealisierung und Ereignislesarten ergeben. Bisher konnten zum Zusammenspiel dieser Faktoren nur wenige eindeutige Aussagen getroffen werden, da NI auf Grund überwiegend syntaktischer Schwerpunktsetzungen bisheriger Studien häufig ohne Kontext betrachtet wurden:
4
1 Einleitung
One of the reasons why existing proposals may appear both imprecise and difficult to evaluate is that the data are not always clearly presented and contextualized. (vgl. Demonte & Varela 1998: 147)
Aus diesem Defizit ergibt sich im Wesentlichen der methodische Ansatz für die vorliegende Dissertation. Der empirische Teil der Arbeit basiert auf der Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen, mittels derer gezielt untersucht wird, inwieweit die genannten Faktoren bewirken, dass Sprecher diesen Nominalisierungstyp als mehr oder weniger wohlgeformt beurteilen. Die skalare Messung von Akzeptabilität kann als leistungsfähige Methode angesehen werden, mit der sich sprachliche Formen untersuchen lassen, die nicht dichotomisch als grammatisch oder ungrammatisch klassifizierbar sind, sondern in unterschiedlichem Maße toleriert und verwendet werden. Die unter kontrollierten Bedingungen abgegebenen Bewertungen von NI liefern quantitative Daten, die mit Verfahren der analytischen Statistik ausgewertet werden. Durch dieses Vorgehen wird das Ziel verfolgt, herauszuarbeiten, auf welche Funktionen NI spezialisiert sind bzw. unter welchen Bedingungen sie als Ereignisnominalisierungen eher dispräferiert sind. Der Aufbau der Arbeit gliedert sich wie folgt: Kapitel 2 bietet zunächst einen Überblick über die morphosyntaktischen Eigenschaften aller NI-Strukturen und versucht, sie entsprechend ihres Nominalisierungsgrades in unterschiedliche Formtypen zu unterteilen. Dabei steht die rein empirische Frage im Vordergrund, welche Kombinationen verbaler und nominaler Distributionseigenschaften innerhalb der DP möglich sind. Nach dem Kriterium, wie sich Argumente der verbalen Basis auf die nominalisierte Struktur abbilden lassen, werden zum Abschluss des Kapitels diejenigen NI, die weder lexikalisiert sind noch infinite Argumentsätze darstellen, in drei Formtypen unterschieden, welche die Grundlage für die weitere Darstellung bilden. Kapitel 3 dient dazu, Ramchands Modell verbaler Ereignis- und Argumentstruktur vorzustellen. Die FPS ist ein Dekompositionsmodell, in dem die Bedeutung verbaler Prädikate in bis zu drei Komponenten bzw. Subereignisse zerlegt wird, die Ramchand als initiation, process und result bezeichnet. Das Kapitel zeigt, wie sich aus diesen Komponenten eine mehr oder weniger komplexe Ereignisstruktur ergeben kann und welche Informationen dabei im Lexikon bzw. in der Syntax repräsentiert sind. Das Hauptaugenmerk des Kapitels liegt auf der Unterscheidung von Verbklassen und Argumentrollen. In Kapitel 4 wird versucht, anhand von Daten aus der Forschungsliteratur und Korpora nachzuzeichnen, von welchen Verbklassen NI gebildet werden können und welche Argumente der verbalen Basis in der DP realisierbar sind. Das Kapitel fasst dabei den Forschungsstand zusammen, wobei nicht-formale
1 Einleitung
5
Unterscheidungen von Verbklassen und Argumentrollen in Ramchands Systematik übertragen werden. Die analysierten Daten zeigen, dass eher nominal strukturierte NI wie (2) vor allem von bestimmten Verbklassen gebildet werden und Formen wie el trinar de los pájaros ‚das Tirilieren der Vögel‘ und el subir de los precios ‚das Steigen der Preise‘ besonders typisch sind. Die Daten zeigen aber auch, dass nicht immer eindeutige Generalisierungen aufgestellt werden können und dass das Vorkommen von NI von Faktoren mitbestimmt wird, die nichts mit der Ereignisstruktur im engeren Sinn zu tun haben. Kapitel 5 geht daher der Frage nach, welche Denotationen und Lesarten die unterschiedlichen Formtypen zulassen. Zu diesem Zweck werden zunächst einige sortensemantische Unterscheidungen und Lesarten deverbaler Nominalisierungen eingeführt und voneinander abgegrenzt (vgl. u. a. Ehrich 1991, Ehrich & Rapp 2000, Vendler 1967), um jeweils im Anschluss ihre Relevanz für NI zu diskutieren. Dabei steht insbesondere der Unterschied zwischen Ereignisepisoden bzw. -token und Ereignisarten bzw. -typen im Vordergrund und es wird diskutiert, ob der Nominalisierungsgrad deverbaler Formen sowie bestimmte Argumentrealisierungsvarianten mit Lesartpräferenzen korrelieren können (vgl. u. a. Bücking 2009, Grimm & McNally 2016, Iordăchioaia & Soare 2015, Soare 2017). Genauso wie Kapitel 4 dient Kapitel 5 vor allem der Herausarbeitung konkreter Fragestellungen, die im empirischen Teil der Arbeit experimentell untersucht werden. Der gewählte empirische Ansatz, d. h. die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen, wird in Kapitel 6 vorgestellt und im Hinblick auf Vorteile und Schwierigkeiten diskutiert. Dabei wird unter anderem thematisiert, inwieweit experimentell erhobene Daten und Korpusdaten unterschiedliche Erkenntnisse liefern können und welche konkreten methodischen Entscheidungen bei der Planung, Durchführung und Auswertung von Akzeptabilitätstests getroffen werden müssen. Die für die Experimente dieser Arbeit ausgewählten Designs werden abschließend vorgestellt und hinsichtlich ihrer Auswahl begründet. Kapitel 7 und 8 bilden den empirischen Teil der Arbeit, in dem jeweils zwei Experimente vorgestellt werden. In Kapitel 7 werden intern nominal strukturierte NI wie (2) durch die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen auf einer Likertskala darauf untersucht, welche Argumente der verbalen Basis als postnominale PP erscheinen können und in welchen Lesarten die jeweiligen Varianten mehr oder weniger akzeptabel sind. Es wird sich zeigen, dass der nominale Typ bevorzugt von intransitiven Basisverben gebildet wird und insbesondere dann akzeptabel ist, wenn er neben einer Ereignis- auch eine Resultatlesart zulässt (Experiment 1). Von transitiven Verben gebildete Formen erweisen sich nur dann als akzeptabel, wenn das höhere Argument der Ereignisstruktur als PP erscheint. Bei Realisierung
6
1 Einleitung
des tiefer eingebetteten Arguments wird der nominale Typ lesartunabhängig als weitgehend inakzeptabel beurteilt (Experiment 2). In Kapitel 8 werden nominale Infinitive wie (2) mit mutmaßlich verbaleren Formen wie (3)a im Hinblick auf Lesartpräferenzen (Experiment 3) verglichen, wobei die Akzeptabilität der jeweiligen Varianten ebenfalls auf einer Likertskala gemessen wird. Wir werden sehen, dass Formen wie (3)a klar auf generische Ereignisreferenz spezialisiert sind, jedoch auch in episodischen Lesarten nominalen Formen wie (5)b klar überlegen sind (Experiment 3). Des Weiteren wird anhand einer Entscheidungsaufgabe (Experiment 4) untersucht, ob die beiden Formtypen durch unterschiedliche Anaphern pronominalisiert werden, um Auskunft über strukturelle Unterschiede zwischen den NI zu erhalten. Das Ergebnis deutet daraufhin, dass Formen wie (2), nicht aber solche wie (3)a für syntaktisches Genus, nämlich Maskulinum, spezifiziert sein könnten. Anhand von vier experimentellen Untersuchungen wird somit nachgewiesen, dass den untersuchten Formen zwar die Möglichkeit der Ereignisdenotation gemeinsam ist, sie aber nicht in direkter Konkurrenz zueinanderstehen. Strukturell verschiedene Formen korrelieren mit unterschiedlichen Lesarten und Bildungsbeschränkungen, welche die Ereignisstruktur des Basisverbs und Argumentrealisierung betreffen. In Kapitel 9 werden die Ergebnisse zusammengefasst und Fragen besprochen, die offen geblieben sind oder sich erst aus den Erkenntnissen dieser Arbeit ergeben haben.
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI: Verbale und nominale Merkmale in der DP 2.1 Einleitung Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, NI zunächst nach rein morphosyntaktischen Kriterien zu klassifizieren und in unterschiedliche Formtypen einzuteilen. NI sind in ihrer morphosyntaktischen Distribution äußerst flexibel und können sowohl Eigenschaften zeigen, die typisch für Verben sind, als auch solche, die charakteristisch für Nomen sind, wie im Folgenden an den teils schon bekannten Beispielen (1)–(5) erläutert werden soll. (1)
El
cantar yo la Traviata singen ich La Traviata1 ‚Dass ich La Traviata singe‘ ART
(2)
El
cantar las coplas singen die Lieder ‚das Die-Lieder-Singen‘
ART
(3)
El
continuo cantar coplas ständig-ADJ singen Lieder ‚das ständige Liedersingen‘
ART
(4)
El
cantar de los pájaros singen PRÄP ART Vögel ‚das Singen der Vögel‘
ART
(5)
El
cantar del Cid singen PRÄP.ART Cid ‚das Lied vom Cid‘
ART
1 Im Folgenden werden Interlinearglossierungen nur vereinzelt verwendet, um neue Strukturen einzuführen oder problematische Daten zu veranschaulichen. Es wird keine Morphem-fürMorphem-Glossierung vorgenommen und der objektsprachliche Text wird auch nicht in Morpheme segmentiert. Zur einfacheren Lesbarkeit werden objektsprachliche Wörter zum Teil durch metasprachliche Ausdrücke und nicht durch Label wiedergegeben (z. B. sich statt REFL3.SG). Abkürzungen stammen überwiegend aus Comrie, Haspelmath & Bickel (2008). https://doi.org/10.1515/9783110723359-002
8
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
Die einzige formale Gemeinsamkeit der Formen in (1)–(5) besteht darin, dass ihnen ein Determinierer, genauer gesagt der definite Artikel, vorausgeht. Ansonsten unterscheiden sich die NI durch eine Reihe distributioneller Kriterien, auf Grund derer sie als mehr oder weniger verbal bzw. nominal erkennbar sind. Relativ eindeutig lässt sich zunächst (5) von allen anderen Formen abgrenzen. Das entscheidende Kriterium ist hier das Fehlen von Ereignisstruktur und Argumentrealisierung, denn in (5) bezeichnet cantar kein Ereignis, sondern ein Objekt – das Lied – und el Cid ist kein Ereignispartizipant, der auf eine Argumentposition abgebildet wird (vgl. auch Abschnitt 2.5). In (1), (2), (3) und (4) bezeichnet cantar zwar jeweils ein Singen-Ereignis, allerdings unterscheiden sich die Formen untereinander durch andere distributionelle Kriterien wie die Abbildung von Argumenten auf syntaktische Funktionen. In (4) wird das höhere Argument auf eine de-PP abgebildet, in (2) und (3) regiert der Infinitiv jeweils offenbar ein direktes Objekt, auf welches das tiefere Argument abgebildet ist, und in (1) sind schließlich beide Argumente des Basisverbs als Subjekt und Objekt realisiert. Schon anhand weniger Kriterien wird damit ersichtlich, dass sich die NI anhand ihres morphosyntaktischen Verhaltens auf einer Nominalisierungs- oder Deverbalisierungsskala betrachten lassen, die im Laufe dieses Kapitels entwickelt werden soll (vgl. Abbildung 1 auf S. 37). Ein solche Skala reicht im Spanischen von voll verbalen (infinitivischen) Satzstrukturen wie (1) bis zu Formen wie (5), die als Nomen lexikalisiert sind und in deren Struktur zumindest bei synchroner Betrachtung keine verbalen Eigenschaften identifiziert werden können. Zwischen diesen beiden Endpunkten lassen sich Formen einordnen, die wie (2) überwiegend verbal oder wie (4) weitgehend nominal sind. Des Weiteren gibt es Formen, die – zumindest auf den ersten Blick – Eigenschaften von beiden Wortarten gleichzeitig aufweisen, wie es z. B. in (3) der Fall ist, wo der Infinitiv einerseits durch ein Adjektiv modifiziert wird, aber andererseits ein direktes Objekt zu regieren scheint. Deverbale Nominalisierungen, insbesondere englische Gerundien, die sich mehr oder weniger verbal bzw. nominal verhalten können, beschäftigen die Sprachwissenschaft bereits seit den sechziger Jahren (vgl. u. a. Chomsky 1970, Lees 1966, Ross 1972). In chomskyanischen Ansätzen werden sie in der Regel als DPn analysiert, in deren Struktur mehr oder weniger verbale Projektionen und ggf. zusätzlich nominale Projektionen enthalten sein können (vgl. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, Borsley & Kornfilt 2000, Harley & Noyer 1997, Kornfilt & Whitman 2011a, 2011b). Auch für NI im Spanischen existiert eine Reihe von Arbeiten, die syntaktische Analysen dieser Art vorschlagen (vgl. Berger 2015, Demonte & Varela 1997, de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002, 2007, Plann 1981, Ramírez 2003, Yoon & Bonet-Farran 1991). Aus empirischer Sicht stellt sich dabei zunächst die Frage, welche nominalen und verbalen Projektionen innerhalb derselben DP miteinander kombiniert werden können.
2.1 Einleitung
9
Der Ausgangspunkt für diese Frage ist dabei zunächst die Unterscheidung zwischen den lexikalischen Kategorien V (Verb) und N (Nomen) sowie funktionalen Kategorien wie T (Tense) oder D (Determinierer).2 Die VP und NP werden von unterschiedlichen funktionalen Projektionen dominiert, welche nach Grimshaw (1991, 2005) auch als „erweiterte“ Projektionen der lexikalischen Kategorien V bzw. N bezeichnet werden. So ist T beispielsweise ein funktionaler Kopf in der erweiterten Projektion von V und D ein funktionaler Kopf in der erweiterten Projektion von N. In der Regel wird angenommen, dass deverbale Nominalisierungen mit „gemischten“ Kategoriemerkmalen dadurch zustande kommen, dass eine oder mehrere verbale Projektion(en) von einer oder mehreren nominalen Projektion(en) dominiert werden. Diese Idee ist z. B. von Kornfilt & Whitman (2011a, 2011b) basierend auf Borsley & Kornfilt (2000) als Functional Nominalization Thesis formuliert worden. Nominal properties of a nominalization are contributed by a nominal functional projection. The nominalization has verbal properties below the nominal functional projection, nominal properties above it. (Kornfilt & Whitman 2011a: 1298)
Hieraus geht vor allem hervor, dass verbale und nominale Merkmale nicht willkürlich miteinander kombiniert werden können, sondern dass die am tiefsten eingebettete Struktur verbal und die übergeordnete Struktur nominal ist. Aus dieser Hypothese ergeben sich bestimmte Implikationen. Erlaubt eine deverbale Nominalisierung in einer Akkusativsprache z. B. ein Nominativsubjekt, sollte sie auch ein Objekt erlauben, da das Objekt tiefer in die verbale Struktur eingebettet ist als das Subjekt (vgl. u. a. Malouf 2006: 161). Verallgemeinert kann die Struktur von deverbalen Nominalisierungen nach der oben genannten Definition wie folgt dargestellt werden: (6)
[Nominale funktionale Projektion(en) [verbale funktionale Projektion(en) [VP [V]]]] (nach Borsley & Kornfilt 2000: 103)
2 In manchen syntaktischen Ansätzen wird die Existenz von lexikalischer Kategorien in Frage gestellt. So wird z. B. in der Distributed Morphologie angenommen, dass Wurzeln ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wortart im Lexikon gespeichert sind und erst dadurch als verbal oder nominal spezifiziert werden, dass sie in eine bestimmte syntaktische Struktur eingefügt werden (vgl. u. a. Harley & Noyer 1998, Marantz 1997). Unter dieser Sichtweise werden kategoriale Unterscheidungen vom Lexikon in die Syntax verlagert und lexikalische Kategorien wie V und N durch abstrakte funktionale Köpfe wie v und n ersetzt. Diese Ansätze werden im Folgenden nicht weiterverfolgt (zur lexikalischen Repräsentation von Verben im hier verwendeten Formalismus von Ramchand (2008) vgl. Kap. 3).
10
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
Die in (6) dargestellte Generalisierung dient als Ausgangspunkt für die in diesem Kapitel vorzustellende Klassifizierung von Formtypen. NI sind also komplexe Konstituenten, denen gemeinsam ist, dass sie als DPn analysiert werden können. Unterschiede betreffen die DP-interne Struktur, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. Die Darstellung ist dabei als primär deskriptiver Überblick zu verstehen, in dem anhand von Daten aus der Forschungsliteratur nachgezeichnet wird, welche verbalen und nominalen Wortarteneigenschaften innerhalb der DP auftreten können. Die morphosyntaktischen Unterschiede zwischen NI werden dabei in Form von stark vereinfachten Konstituentenstrukturen dargestellt, da das Ziel dieses Kapitels darauf beschränkt ist, eine handhabbare Typologie von Formtypen einzuführen, von denen nur einige im weiteren Verlauf der Arbeit genauer untersucht werden. Als erweiterte Projektionen von V und N werden nur diejenigen Projektionen berücksichtigt, die für eine Abgrenzung morphosyntaktischer Formtypen notwendig erscheinen. Neben der DP handelt sich dabei um die CP (vgl. Abschnitt 2.2) und die TP. Als Grundlage für die weitere Diskussion in diesem Kapitel dienen die in (1)–(5) exemplifizierten NI, denen anhand von Tabelle 1 zunächst schematische Konstituentenstrukturen und vorläufige Bezeichnungen zugeordnet werden. Tabelle 1: Vorläufige Unterscheidung syntaktischer Formtypen. () El cantar yo la Traviata
[DP [TP [VP [V]]]]
Satzinfinitive
(8) El cantar las coplas
[DP [VP [V]]]
Verbale Infinitive
(9) El continuo cantar coplas
?[DP [NP [N [VP [V]]]]]
?Intern gemischte Strukturen
(10) El cantar de los pájaros
[DP [NP [N [V]]]]
Nominale Infinitive
(11) El cantar del Cid
[DP [NP [N]]]
Lexikalisierte Infinitive
Zunächst identifizieren wir die zwei NI-Typen, deren einzige erkennbar nominale Eigenschaft im Determinierer zu sehen ist, vgl. (1) und (2), hier wiederholt in (7) und (8). Diese Formen werden hier als rein verbale Strukturen analysiert, die direkt von einem Determinierer regiert werden. Der Determinierer allein nominalisiert also eine (ggf. erweiterte) VP. In der einschlägigen Literatur werden solche Formen auch als D-basierte Nominalisierungen oder DP-Nominalisierungen bezeichnet (vgl. z. B. Iordăchioaia 2014, 2020, Iordăchioaia & Soare 2015). Für Formen wie (7) wird angenommen, dass sie oberhalb der VP noch mindestens eine TP-Projektion enthalten, da ein overtes Subjekt vorhanden ist, das in pronominaler Form sogar eine erkennbare Nominativmarkierung trägt. Diese Formen werden im Folgenden als Satzinfinitive bezeichnet. NI wie (8) stellen keine voll-
2.1 Einleitung
11
ständigen Satzstrukturen dar, lassen jedoch verbale Argumentrealisierung in Form eines direktes Objekts erkennen, woraus sich die Annahme von mindestens einer VP-Projektion ergibt.3 Sie werden hier verbale Infinitive genannt. Von diesen beiden Formtypen zu unterscheiden sind NI, die neben dem Determinierer noch andere nominale Wortartenmerkmale zeigen und daher in Abgrenzung zu den oben genannten DP-Nominalisierungen unter dem Begriff „NP-Nominalisierungen“ zusammengefasst werden können, vgl. (9) und (10). Für diese Formen stellen sich auch die Fragen, wie die Umkategorisierung von V nach N bzw. der Übergang von einer verbalen in eine nominale Struktur zu analysieren ist und ob bzw. in welchen Fällen dem N-Kopf ein phonologisches Korrelat zugeordnet werden kann. Da diese Fragen je nach morphologischer Theorie unterschiedlich beantwortet werden (vgl. z. B. Malouf 2006 für einen Überblick) und die syntaktisch-semantischen Fragen dieser Arbeit nicht berühren, werden sie hier nicht weiter diskutiert. NI werden im Folgenden nur danach unterschieden, ob in ihrer DP-internen Struktur eine NP vorhanden sein muss oder aber nicht. Wir betrachten hierfür zunächst (9). Hier könnte eine Struktur vorliegen, innerhalb derer nicht nur V, sondern eine ganze VP von einer NP dominiert wird, wobei die NP hier am adjektivischen Modifizierer erkennbar ist (vgl. Kornfilt & Whitman 2011a: 1299). Das bloße Nomen, sofern es ein „echtes“ direktes Objekt darstellt, würde dagegen auf eine VP hinweisen. Damit wäre die DP zwar die höchste, aber nicht die einzige nominale Projektion, weshalb Formen wie (9) zum Teil auch mixed internal structures genannt werden. Diese Bezeichnung soll ausdrücken, dass nicht nur die höchste Projektion nominal ist, sondern dass auch innerhalb der DP sowohl nominale als auch verbale Projektionen erkennbar sind (vgl. u. a. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011). Ob Formen wie (9) tatsächlich als intern gemischte Strukturen analysierbar sind, ist nicht klar. Wir werden hierauf in Abschnitt 2.4 zurückkommen. NI wie (10) verhalten sich überwiegend nominal, zeigen also z. B. keine verbale Argumentrealisierung in Form eines direkten Objekts oder sogar Subjekts. Allerdings be3 In vielen chomskyanischen Ansätzen wird angenommen, dass die VP unmittelbar von der sogenannten „kleinen“ vP dominiert wird (vgl. u. a. Chomsky 1995, Kratzer 1996, für einen kritischen Überblick. z. B. Müller 2016: 599‒601). Damit ist die Projektion eines funktionalen Kopfes v gemeint, der u. a. für die Einführung des externen Arguments und die Zuweisung von strukturellem Akkusativkasus zuständig ist. Da sie für eine Unterscheidung von NI-Typen nicht notwendig ist, werde ich die „kleine-vP-Hypothese“ in diesem Kapitel nicht berücksichtigen. In Kapitel 3 wird für die Unterscheidung von Verbklassen Ramchands (2008) Modell vorgestellt, das eine Aufspaltung von verbalen Prädikaten in sogar drei Teilprojektionen vorsieht. Da Verbsemantik für Kap. 2 nicht relevant ist, wird in diesem Überblickskapitel keine Version einer „geteilten VP“ miteinbezogen. In Kap. 3 wird die nach Ramchand dreigeteilte VP unter primär semantischer Perspektive vorgestellt.
12
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
zeichnen sie, wie eingangs gezeigt, dasselbe Ereignis wie ihre verbale Basis und können Argumente derselben z. B. als PP realisieren. Diese NI werden vorerst nominale Infinitive genannt. Formen wie (11) zeigen schließlich rein nominale Eigenschaften und gehören bei synchroner Betrachtung nicht in den Bereich deverbaler Nominalisierungen mit gemischten Wortartenmerkmalen. Auf Grund ihrer formalen Ähnlichkeit zu nominalen Infinitiven wie (10) werden sie hier zur Abgrenzung mitberücksichtigt und als lexikalisierte Infinitive bezeichnet. Die in (7)–(11) aufgeführten Strukturen werden im weiteren Kapitel in folgender Reihenfolge genauer besprochen: In den ersten beiden Abschnitten 2.2 und 2.3 werden zunächst Satzinfinitive und nominale Infinitive betrachtet, die sich morphosyntaktisch weitgehend komplementär zueinander verhalten. Anhand dieser beiden Formen werden daher die Kriterien zur Unterscheidung von verbalen und nominalen Eigenschaften eingeführt. In Abschnitt 2.4 werden verbale Infinitive wie (8) besprochen und es wird um die Frage gehen, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß das Spanische auch intern gemischte Strukturen wie (9) erlaubt. Als letzter Formtyp werden in Abschnitt 2.5 lexikalisierte Infinitive wie (11) berücksichtigt. Das Kapitel schließt mit einer Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands auf Formen wie (8), (9) und (10), die im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen besonders interessant erscheinen und die Grundlage für die weitere Diskussion bilden.
2.2 Satzinfinitive Satzinfinitive sind Argumentsätze mit Determinierer und overtem Subjekt. In (12) und (13) ist z. B. jeweils ein pronominales Subjekt vorhanden, in (14) ein lexikalisches Subjekt. In allen drei Fällen stellen die Satzinfinitive das Subjekt des Matrixprädikats dar. (12) El
afirmarlo tú es prueba de confianza. (Varela 1979: 534) bestätigen=es du ‚Dass du es bestätigst, ist ein Vertrauensbeweis.‘ ART
(13) El
decirme tú eso sagen=mir du dies me sorprende muchísimo. (Demonte & Varela 1998: 165) ‚Dass mir du dies sagst, überrascht mich sehr.‘ ART
2.2 Satzinfinitive
13
(14) El
presentarse Julia a las elecciones ART zeigen=sich Julia zu den Wahlen fue un error. (Pérez Vázquez 2007: 224) ‚Dass Julia sich zur Wahl gestellt hat, war ein Fehler.‘4
Infinitivische Argumentsätze mit overtem Subjekt sind im gegenwärtigen Spanisch selten, und zwar auch dann, wenn kein Determinierer vorhanden ist (vgl. NGLE 2009: § 26.7). In jedem Fall stellen Satzinfinitive wie (12), (13) und (14) die am wenigsten akzeptierten Formen unter den NI dar, wobei sich allerdings Unterschiede zwischen Dialekten, Registern und den Grammatiken einzelner Sprecher beobachten lassen (vgl. Berger 2015, Plann 1981, Yoon & Bonet-Farran 1991: 362). Trotz ihrer niedrigen Akzeptabilität werden Satzinfinitive in der Literatur viel beachtet und in den meisten syntaktischen Analysen von NI berücksichtigt (vgl. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, Berger 2015, de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002, Plann 1981, Ramírez 2003, Varela 1979, Yoon & Bonet-Farran 1991). In diesem Abschnitt erfolgt zunächst ein kurzer Überblick über die externe Distribution von Satzinfinitiven, um sie anschließend anhand ihrer DP-internen Merkmale von anderen Formen abzugrenzen. Satzinfinitive wie (15)a und (16)a können durch finite Nebensätze mit overtem Komplementierer wie (15)b und (16)b ersetzt werden, denen (zum Teil) ebenfalls ein Determinierer vorausgehen kann (vgl. Plann 1981, Serrano Pardo 2015, Varela 1979). (15) a. El
aceptar nosotros el regalo akzeptieren wir das Geschenk b. (El) que aceptáramos nosotros el regalo ART KOMP akzept-SBJV.VERG.3PL wir das Geschenk fue motivo de satisfacción para él. (Varela 1979: 534) ‚Dass wir das Geschenk angenommen haben, war für ihn ein Grund zur Zufriedenheit.‘ ART
4 Der weiteren Darstellung von Satzinfinitiven werden nur bei Bedarf Interlinearglossierungen hinzugefügt. Im Hinblick auf die sinngemäßen Übersetzungen ist zu berücksichtigen, dass Satzinfinitive mit overtem Subjekt im Deutschen nur als finite Nebensätze wiedergegeben werden können.
14
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(16) a. El
escribir novelas ella ART schreiben Romane sie b. El que ella escriba novelas ART KOMP sie schreib-SBJV.PRS.3SG Romane explica su fama. (Ramírez 2003: 119) ‚Dass sie Romane schreibt, erklärt ihre Berühmtheit.‘
Das Spanische erlaubt zwar grundsätzlich verschiedene Arten von infinitivischen Sätzen mit overtem Subjekt (vgl. Hernanz 1999, NGLE 2009: § 26.7 für einen deskriptiven Überblick), infinitivische Sätze mit Determinierer kommen jedoch ausschließlich in Argumentposition vor.5 Prinzipiell können sie sowohl Subjekte als auch Objekte sein und dem Matrixprädikat voran- oder nachgestellt werden, vgl. jeweils (17) und (18), wobei die präverbale Subjektposition den Regelfall darzustellen scheint. Gemäß Pérez Vázquez (2007: 227 f.) ist diese Präferenz darauf zurückzuführen, dass Satzinfinitive meist auf bekannte Tatsachen referieren und als Satztopik fungieren, welches typischerweise auf die präverbale Subjektfunktion abgebildet wird (vgl. Abschnitt 5.2.5 zu Tat-
5 Die häufigste Form infinitivischer Sätze mit overtem Subjekt sind Adverbialsätze, die keinen Determinierer zulassen, vgl. (1) und (2). (1)
De
(*el) marcharse Pedro de la fiesta, me iré con él. (Pérez Vázquez 2007: 94) gehen=sich Pedro ‚Wenn Pedro die Party verlässt, gehe ich mit ihm.‘ PRÄP ART
(2)
Antes de (*el) nacer la niña, salíamos continuamente. bevor ART geboren werden das Mädchen (Pérez Vázquez 2007: 94) ‚Bevor das Mädchen geboren wurde, sind wir ständig ausgegangen.‘
Temporale Adverbialsätze mit al (wie in al salir el sol ‚bei Sonnenaufgang‘) scheinen auf den ersten Blick eine Ausnahme darzustellen, da al eine kontrahierte Form der Präposition a und des Artikels el darstellt. Allerdings wird al in infinitivischen Adverbialsätzen meist als lexikalisierte Präposition und nicht mehr als Folge aus Präposition + Determinierer analysiert (vgl. Mensching 2000: 65). Auf einen Ausnahmestatus von al weist außerdem die Beobachtung hin, dass Adverbialsätze mit al und solche mit a unterschiedliche Bedeutungen tragen. Erstere sind temporal, letztere konditional, vgl. (3) und (4) (vgl. Pérez Vázquez 2007: 224 f.). (3)
Al salir el sol, se pusieron en camino. (Hernanz 1999: 2305) ‚Bei Sonnenaufgang haben sie sich auf den Weg gemacht.‘
(4)
A no decirlo tú, lo dudaría. (Pérez Vázquez 2007: 225) ‚Wenn nicht du das sagst, würde ich es anzweifeln.‘
2.2 Satzinfinitive
15
sachenlesarten). Unter rein morphosyntaktischer Sicht ist die Position zum Matrixverb im Hinblick auf den Determinierer relevant. Während er bei präverbaler Stellung oft optional ist, sind Satzinfinitive in postverbaler Stellung nach Pérez Vázquez (2007) mit Determinierer akzeptabler als ohne, vgl. (19) a gegenüber b.6 (17) El haber ella hecho estudios en Cuba le ayudó a mejorar su español. (Ramírez 2003: 121) ‚Dass sie auf Kuba studiert hat, hat ihr geholfen, ihr Spanisch zu verbessern.‘ (18) Lamento el haber andado el niño por ahí. (de Miguel 1996: 40) ‚Ich bedauere, dass das Kind dort entlanggelaufen ist.‘ (19) a. (El) irse Juan de Madrid carece de sentido. ‚Dass Juan aus Madrid weggegangen ist, ergibt keinen Sinn.‘ b. Carece de sentido ?(el) irse Juan de Madrid. (Pérez Vázquez 2007: 158) ‚Es ergibt keinen Sinn, dass Juan aus Madrid weggegangen ist.‘ Hinsichtlich der internen Struktur von Satzinfinitiven lassen sich einige Besonderheiten bei der Abbildung von Argumenten auf syntaktische Funktionen und die Wortstellung innerhalb der TP feststellen. Prinzipiell können Argumente der Basis als Subjekt oder Objekt realisiert werden, vgl. (20). Die Realisierung von Objekten als Klitika unterliegt dabei keinen besonderen Einschränkungen, vgl. (21). (20) El comprar una casa Juan nos sorprendió. (De Miguel 1996: 34) ‚Dass Juan ein Haus gekauft hat, hat uns überrascht.‘ (21) el decírmelo Juan […] (de Miguel 1996: 35) ‚Dass Juan mir das sagt […]‘ Im Hinblick auf Position und Realisierung des Subjekts sind allerdings Einschränkungen erkennbar. Das Subjekt von Satzinfinitiven ist häufiger pronominal als lexikalisch und tritt in der Regel postverbal auf. Bei transitiven Verben
6 Da Satzinfinitive, wie eingangs erwähnt, sehr niedrig frequent sind, lassen sich Aussagen über Akzeptabilitätskontraste zwischen unterschiedlichen Ausprägungen dieses Typs nicht ohne Weiteres überprüfen.
16
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
erscheint es zwischen Infinitiv und direktem Objekt, vgl. (22). In manchen Fällen ist es wie in (23) dem direkten Objekt nachgestellt. (22) El escribir ella novelas explica su fama. (23) El escribir novelas ella explica su fama. ‚Dass sie Romane schreibt, erklärt ihre Berühmtheit.‘ Eine viel diskutierte Frage betrifft die syntaktische Struktur von Satzinfinitiven. Finite Nebensätze werden üblicherweise als CPn analysiert. Ein finiter Argumentsatz wie (24) kann daher vereinfacht wie in (25) dargestellt werden.7 (24) Que ella escriba novelas (explica su fama.) ‚Dass sie Romane schreibt, erklärt ihre Berühmtheit.‘ (25)
CP
C que
TP DP ellaj
VP
T escribai DPj
Vi
DP/NP novelas
7 Exponenten, die während der Derivation aus ihrer Basisposition herausbewegt werden, sind in Kap. 2 mit ihren Ursprungspositionen koindiziert. Hiermit sind keine syntaxtheoretischen Annahmen zu Spuren (traces) oder Kopien (copies) verbunden (zur Kopiertheorie im Minimalistischen Programm vgl. z. B. Chomsky 1995).
2.2 Satzinfinitive
17
Die Wortstellung wie in (24) ergibt sich, indem das Verb zum Abgleich von Finitheitsmerkmalen in den T-Kopf bewegt und das in Spec,VP generierte Subjekt nach Spec,TP angehoben wird, um Nominativkasus zu erhalten.8 Diese Bewegung kann allerdings nur für präverbale Subjekte wie in (24) angenommen werden. Der C-Kopf legt den Satztyp bzw. die Diskursfunktion fest und wird hier vom Komplementierer que besetzt. Satzinfinitive sind ebenfalls Nebensätze, allerdings ohne Finitheitsmerkmale und ohne overten Komplementierer, dafür mit Determinierer. In der Regel werden sie als TPn analysiert und es wird angenommen, dass die TP statt von einem C-Kopf von einem D-Kopf selegiert wird, der die referentiellen Eigenschaften des Infinitivsatzes festlegt (vgl. u. a. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, Berger 2015, vgl. Ramírez 2003 für eine CP-Analyse).9 Die syntaktische Struktur von Satzinfinitiven wie (22) kann somit wie in (26) dargestellt werden. Das Subjektargument bleibt in seiner Basisposition in Spec,VP und erscheint in postverbaler Stellung, nachdem das Verb in den Kopf der TP bewegt wurde.10
8 Zu Grunde gelegt wird hier zwecks Simplifizierung die „VP-interne Subjekt-Hypothese“ in ihrer ursprünglichen Form nach Koopman & Sportiche (1991), der zufolge das Subjekt in Spec, VP basisgeneriert wird. Weiterentwicklungen der Hypothese berücksichtigen die kleine vP und nehmen an, dass das externe Argument in Spec,vP eingeführt wird. 9 Wie oben dargelegt, besteht das Ziel dieses Kapitels darin, eine zweckmäßige Typologie der Kombinatorik verbaler und nominaler Merkmale einzuführen, weshalb die Angemessenheit der TP-Hypothese hier nicht diskutiert wird. 10 Laut Berger (2015) ist unklar, wodurch in Strukturen wie (26) die Bewegung des Verbs in den T-Kopf ausgelöst wird, da keine Tempusmerkmale vorhanden sind, die überprüft werden könnten. Für die in (23) gezeigte Konstituentenfolge VOS muss ihm zufolge außerdem angenommen werden, dass sich nicht nur das Verb, sondern die ganze VP (escribir novelas) bewegt. Auf diese Probleme wird hier nicht weiter eingegangen, für syntaktische Analysen von infinitivischen Sätzen und ihren Subjekten, vgl. u. a. Mensching (2000) und Ortega-Santos (2002).
18
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(26)
DP
D
TP
el T escribiri
VP DP ella
Vi
NP/DP novelas
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass das Subjekt je nach Dialekt und je nachdem, ob es eine pronominale oder lexikalische DP ist, nicht immer postverbal realisiert wird. Laut Berger (2015) können pronominale Subjekte im karibischen Spanisch auch präverbal auftreten, vgl. (27)a, b und c, wohingegen lexikalische Subjekte nur in postverbaler Position zulässig sind, vgl. (27)d, e und f (vgl. Berger 2015 für eine Minimalistische Analyse). (27) a. El escribir ella novelas b. El escribir novelas ella c. El ella escribir novelas d. ?El escribir María novelas11 e. El escribir novelas María f. *El María escribir novelas explica su fama. (Berger 2015: 2) ‚Dass {sie/María} Romane schreibt, erklärt ihre Berühmtheit.‘ Alle weiteren internen Distributionseigenschaften von Satzinfinitiven entsprechen weitgehend denen von finiten Sätzen. Der Infinitiv kann als analytische
11 Berger (2015) berücksichtigt nicht alle Positionsmöglichkeiten und trifft keine Aussagen zur Zulässigkeit von (27)d, weswegen das Beispiel mit einem Fragezeichen gekennzeichnet ist.
2.2 Satzinfinitive
19
Form vorkommen und Diathese, Modalität und Aspektualität ausdrücken sowie durch no negiert werden, vgl. (28), (29), (30) und (31). Perfektive Formen wie (30) scheinen dabei die Akzeptabilität zu erhöhen, da sie dazu beitragen, die faktive Lesart des Infinitivs zu vereindeutigen. So wird beispielsweise das Ereignis in (30) durch die perfektive Form des Infinitivs zeitlich verankert und innerhalb der Referenzzeit als abgeschlossen dargestellt. Anders formuliert, wird der in (30) dargestellte Sachverhalt eindeutiger als Tatsache dargestellt als z. B. der Sachverhalt in (28) (vgl. Pérez Vázquez 2007). (28) El ser ese profesor estimado por todos los alumnos no me sorprende. (Varela 1979: 534) ‚Dass dieser Lehrer von allen Schülern geschätzt wird, überrascht mich nicht.‘ (29) El poder escribir novelas ella explica su fama. (Ramírez 2003: 120) ‚Dass sie Romane schreiben kann, erklärt ihre Berühmtheit.‘ (30) El haber esperado yo allí tanto tiempo resultó inútil. (Varela 1979: 529) ‚Dass ich dort so lange gewartet habe, hat sich als unnütz herausgestellt.‘ (31) El no sonar las campanas nos tenía preocupados. (Pérez Vázquez 2007: 95) ‚Dass die Glocken nicht geläutet haben, hat uns beunruhigt.‘ Der D-Kopf wird in der Regel vom definiten Artikel el, nicht aber von anderen Determinierern besetzt, vgl. (32), und als Modifizierer kommen nur Adverbien, nicht jedoch Adjektive in Frage, vgl. (33)a vs. b. (vgl. de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002, 2007, Ramírez 2003: 119). (34) und (35) können als Gegenbeispiele zu diesen Generalisierungen angeführt werden. (32) {El/ *Aquel/ *Ese/ *Un} presentarse Julia a las elecciones fue un error. DEF DEM DEM INDEF (Pérez Vázquez 2007: 224) ‚Dass Julia sich zur Wahl gestellt hat, war ein Fehler.‘ (33) a. El escribir ella novelas constantemente explica su destreza. (Ramírez 2003: 120) ‚Dass sie ständig Romane schreibt, erklärt ihr Geschick.‘ b. *El (continuo) escribir ella novelas explica su destreza. (Ramírez 2003: 121) ‚Dass sie ständig Romane schreibt, erklärt ihr Geschick.‘
20
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(34) Este parecer España un país injusto DEM scheinen Spanien ein ungerechtes Land tiene que acabarse en algún momento. (Fábregas 2015: 385) ‚Dass Spanien als ungerechtes Land erscheint, muss irgendwann aufhören.‘ (35) Este constante beber Juan cerveza antes de salir de viaje DEM ständig-ADJ trinken Juan Bier vor verreisen (Fábregas 2015: 385) ‚Dass Juan ständig Bier trinkt, bevor er verreist‘ Die Distributionseigenschaften von Satzinfinitiven lassen somit abgesehen von der DP keine nominalen Projektionen erkennen, weshalb die Formen als unter eine DP eingebettete TP-Struktur analysiert werden können.
2.3 Nominale Infinitive Nominale Infinitive verhalten sich weitgehend komplementär zu Satzinfinitiven. Sie sind auf Grund ihrer morphosyntaktischen Eigenschaften eindeutig als NPn identifizierbar und alternieren nicht mit finiten Nebensätzen, sondern mit deverbalen Nomen, vgl. (36) und (37).12 (36) Desde mi habitación se oía el {murmullo / murmurar} de las fuentes. (de Miguel 1996: 33) ‚Von meinem Zimmer aus hörte man das Geplätscher / das Plätschern der Quellen.‘ (37) Le disgustaba {la lamentación / el lamentar} de sus hijos. (Demonte & Varela 1998: 145 f.) ‚Ihm missfiel das Gejammer / das Jammern seiner Kinder.‘ Argumente des Basisverbs können grundsätzlich auf eine de-PP oder einen Possessivdeterminierer abgebildet werden, vgl. (38)a und b. Nicht klar ist allerdings, welche Argumente der Basis realisierbar sind, denn nominale Infinitive werden nicht von allen Verbklassen produktiv gebildet und das tiefere Argument eines transitiven Basisverbs scheint als PP nicht oder nur eingeschränkt akzepta-
12 Als deverbale Nomen werden im Folgenden affigierende Nominalisierungen wie lament-ación ‚(Weh)klagen, Gejammer‘, affixlose Nominalisierungen wie murmull-o ‚Gemurmel‘ und Partizipnominalisierungen wie afeit-a-do ‚Rasur‘ bezeichnet.
2.3 Nominale Infinitive
21
bel zu sein, vgl. (39)a vs. b. Hierauf wird in Kapitel 4 und im experimentellen Teil der Arbeit ausführlich eingegangen. Nominale Infinitive sind (je nach Lesart) mit allen Arten von Determinierern kombinierbar, vgl. (40), und können durch ein voran- oder nachgestelltes Adjektiv modifiziert werden, vgl. (41) (vgl. Demonte & Varela 1998: 160–164 zur Semantik und Position von Adjektiven mit NI). (38) a. el murmurar del mar ‚das Rauschen des Meeres‘ b. su murmurar ‚sein Rauschen‘ (39) a. el cantar de los pájaros ‚das Singen der Vögel‘ b. ?/*el cantar de las coplas ‚das Singen der Lieder‘ (40) {aquel/este/ese/un/el} lamentar de los pastores (Pérez Vázquez 2002: 146) ‚jenes/dieses/ein/das Klagen der Hirten‘ (41) a. el constante trinar de los pájaros b. el trinar constante de los pájaros ‚das ständige Tirilieren der Vögel‘ Nominale Infinitive haben keine Eigenschaften, die auf eine VP oder weitere verbale funktionale Projektionen innerhalb der DP hinweisen könnten. Beispielsweise lassen sie keine adverbialen Modifizierer zu und treten auch nicht in analytischen Formen auf, vgl. (42), (43) und (44). (42) el
lamentar (*dulcemente) de los pastores (de Miguel 1996: 37) ART klagen süß-ADV PRÄP ART Hirten ‚das süß(e) Klagen der Hirten‘
(43) Me acuerdo de su
fumar (*continuamente) (Plann 1981: 230) POSS rauchen ständig-ADV ‚Ich erinnere mich an sein ständig(es) Rauchen.‘
(44) a. *el haber andado del niño (de Miguel 1996: 31) ART AUX-INF geh-PTZP PRÄP-ART Kind ‚das Gegangensein des Kindes‘
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2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
b. *el poder andar del niño (de Miguel 1996: 31) ART könn-INF gehen PRÄP-ART Kind ‚das Gehenkönnen des Kindes‘ Als weitere typisch nominale Eigenschaft wird häufig angeführt, dass nominale Infinitive keine verbale Negation durch no erlauben, vgl. (45) (vgl. u. a. Demonte & Varela 1998, Plann 1981). Diese Eigenschaft kann allerdings nicht als eindeutiger Indikator für Nominalität angesehen werden, denn deverbale Nomen verhalten sich in Bezug auf die Möglichkeit verbaler Negation uneinheitlich. Es gibt durchaus Formen wie (46), die durch no negierbar sind (vgl. Meinschaefer 2004, 2005). (45) El (*no) murmurar de las fuentes le extrañó. (Plann 1981: 152) ‚das Nicht-Rauschen der Quellen verwunderte ihn.‘ (46) Uno de los motivos cuando tomé la decisión de cambiarme a Linux era el no ataque de virus en este sistema. (Meinschaefer 2004: 55) ‚Einer der Gründe, als ich die Entscheidung traf, zu Linux zu wechseln, war der Nicht-Angriff von Viren unter diesem System.‘ Unter zwei Aspekten verhalten sich NI offenkundig verbaler als deverbale Nomen. Mitunter treten Formen mit ansonsten nominalen Eigenschaften mit einem Argument auf, das nicht als PP angeschlossen wird, sondern adjazent zum Infinitiv steht. Beispielsweise sind in (47) als nominale Merkmale ein adjektivischer Modifizierer, ein PP-Argument und ein Possessivdeterminierer erkennbar, gleichzeitig scheint der Infinitiv aber auch ein direktes Objekt in Form eines bloßen Nomens zu regieren. (47) ese cantar (*estas) coplas de Lola nos emociona. (Pérez Vázquez 2002: 153) ‚Das (Diese-)Lieder-Singen von Lola freut uns.‘ Vor dem Hintergrund, dass Nomen keine direkten Objekte, sondern PPn regieren, bedarf das Vorkommen von coplas in dieser Struktur einer Erklärung. Wäre diese NP ein direktes Objekt, würde dies auf eine VP-Projektion und damit eine intern gemischte Nominalisierung hinweisen. In der Literatur wird für NPn wie coplas in (47) allerdings diskutiert, ob sie überhaupt direkte Objekte im syntaktischen Sinn darstellen, da offenbar nur bloße Nomen, nicht aber volle DPn in dieser Position zulässig sind. Dieses Problem wird in Abschnitt 2.4 noch einmal aufgegriffen. Eine weitere Eigenschaft, die nominale Infinitive von deverbalen Nomen unterscheidet, ist die Fähigkeit, sich mit Klitika zu verbinden, wobei allerdings nur reflexive und inhärente Klitika, nicht jedoch klitische Objektpronomen
2.3 Nominale Infinitive
23
möglich sind, vgl. (48) und (49) gegenüber (50). Ramírez (2003: 131 f.) und Pérez Vázquez (2002: 153) erklären diese Einschränkung damit, dass nominale Infinitive nicht erst auf VP-Ebene, sondern tiefer, etwa auf V0-Ebene nominalisiert werden und sich daher nur mit Klitika verbinden können, die weder eine Themarolle noch Kasus erhalten.13 (48) el
afeitarse de Juan (Ramírez 2003: 132) rasieren=sich PRÄP Juan ‚Juans Sichrasieren ‘
ART
(49) el
avergonzarse de Pedro (Ramírez 2003: 132) schämen=sich PRÄP Juan ‚Pedros Sichschämen‘
ART
(50) *el decírmelo de Juan (nach de Miguel 1996: 35) ART sagen=mir=es PRÄP Juan Auf Grund der in diesem Abschnitt betrachteten morphosyntaktischen Eigenschaften lässt sich die syntaktische Struktur von nominalen Infinitiven vereinfacht wie in (51) darstellen. (51)
DP
D
NP
el N
PP
V
de los pájaros
cantar 13 Die Inakzeptabilität von Formen wie (47) und (50) könnte jedoch auch semantische Gründe haben. Die DP estas coplas in (47) und die Objektklitika me und lo in (50) sind jeweils definit und referieren spezifisch. Diese Eigenschaften könnten eine episodische Lesart der jeweiligen NI gegenüber einer Ereignistypinterpretation begünstigen. Letztere ist für eher verbal strukturierte NI die präferierte Lesart, vgl. Abschnitt 5.3.4 und 8.3.
24
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(51) zeigt, dass der Infinitiv nicht zu einer VP expandiert, sondern auf V0-Ebene umkategorisiert und von einer NP dominiert wird. Die DP ist folglich die höchste, aber nicht die einzige nominale Projektion der Struktur.
2.4 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen Die vorherigen Abschnitte haben gezeigt, dass es auf der einen Seite voll verbale Satzinfinitive gibt, d. h. infinitivische Argumentsätze mit Determinierer, sowie auf der anderen Seite nominale Infinitive, deren Distributionsverhalten keine (eindeutigen) Hinweise auf eine VP-Projektion bietet. Dieser Abschnitt behandelt nun Zwischenformen, die weder eindeutig als infinitivische Sätze noch als NPNominalisierungen identifizierbar sind. In diese Gruppe gehören zunächst Infinitive, die ein direktes Objekt regieren, in einer analytischen Form vorkommen und/oder durch ein Adverb modifiziert werden, vgl. (52), (53) und (54). (52) El tener un hijo es la cosa más linda del mundo […]. (CdE) ‚Das Ein-Kind-Haben ist die schönste Sache der Welt […].‘ (53) El ser acusado no es ser criminal. (CdE) ‚Das Beschuldigtwerden ist nicht kriminell sein.‘ (54) La corrupción es […] el utilizar indebidamente el puesto público […]. (CdE) ‚Korruption ist […] das Auf-unrechtmäßige-Weise-das-öffentliche-AmtBenutzen […].‘ Diese Formen lassen sich als (erweiterte) VPn identifizieren, die von einem Determinierer selegiert werden, vgl. z. B. (52) dargestellt als (55). (55)
DP
D
VP
el V
DP
tener un hijo
2.4 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen
25
Für NI dieser Art wird vor allem folgende Frage gestellt: Kann eine (ggf. erweiterte) VP nur direkt von einem Determinierer regiert werden, wie es in (52), (53) und (54) der Fall ist, oder sind auch Strukturen des Typs [DP[NP[VP]]] möglich? Können sich innerhalb derselben DP sowohl verbale als auch nominale Eigenschaften zeigen? Hinweise auf intern gemischte Formen, die offenbar sowohl eine VP als auch eine NP enthalten, bieten evtl. Formen wie (56) und (57). (56) Su
continuo
conducir camiones imprudentemente fahren LKWs unvorsichtig-ADV representa un peligro. (Ramírez 2003: 122) ‚Sein ständiges Unvorsichtig-LKWs-Fahren stellt eine Gefahr dar.‘ POSS ADJ-ständig
(57) su
delicado murmurarme esas palabras dulces POSS zart-ADJ flüstern=mir diese Worte süßen (Pérez Vázquez 2002: 144) ‚sein zartes mir Diese-süßen-Worte-Flüstern‘
In (56) wird der Infinitiv durch das Adverb imprudentemente modifiziert und regiert möglicherweise ein direktes Objekt in Form eines bloßen Nomens, so dass eine VP-Struktur erkennbar ist. Andererseits enthält die DP durch continuo auch noch einen adjektivischen Modifizierer, der zusammen mit dem Possessivdeterminierer su auf eine NP innerhalb der DP hinweist. In (57) findet sich ein Infinitiv mit einer vollen Objekt-DP und einem indirekten Objekt in Form eines Klitikons in Kombination mit einem präverbalen Adjektiv und einem Possessivdeterminierer. Beide Formen könnten evtl. als intern gemischte Strukturen analysiert werden, was bedeutet, dass sich innerhalb derselben DP sowohl eine VP als auch eine NP identifizieren lassen, wobei unklar ist, wo genau und auf welche Weise sich der Übergang von einer verbalen in eine nominale Struktur vollzieht. Die Kombinationsmöglichkeiten verbaler und nominaler Eigenschaften werden unter anderem von Bosque (1989), Ramírez (2003) und Yoon & Bonet-Farran (1991) berücksichtigt, wobei insbesondere Ramírez und Bosque die Frage thematisieren, welche verbalen und nominalen Eigenschaften in Kombination auftreten können. Diese empirische Frage ist unter anderem deshalb schwer zu beantworten, weil gemischte Formen – ähnlich wie Satzinfinitive – selten und vor allem in literarischen Registern belegt sind (vgl. z. B. NGLE 2009: § 26.3o). Der weitere Abschnitt verzichtet auf einen umfassenden Überblick über die (Nicht)-Kombinierbarkeit verbaler und nominaler Eigenschaften innerhalb der DP. Es werden lediglich einige Kombinationsmöglichkeiten vorgestellt, um unterschiedliche Aussagen aus
26
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
der Literatur und offene Fragen zu möglicherweise intern gemischten NI exemplarisch aufzuzeigen. Auf den ersten Blick scheinen sich verbale Eigenschaften intern gemischter DPn rechts vom Infinitiv zu zeigen, während nominale Eigenschaften links vom Infinitiv sichtbar sind, vgl. (56) wiederholt als (58) (vgl. Fábregas 2015: 384). So scheint ein direktes Objekt z. B. mit einem präverbalen, aber nicht mit einem postverbalen Adjektiv kombiniert werden zu können, wie man an (59)a gegenüber b sieht. (58) su
continuo conducir camiones rápidamente (Ramírez 2003: 122) ständig-ADJ fahren LKWs schnell-ADV ‚sein ständiges schnell-LKWs-Fahren‘ POSS
(59) a. el
continuo conducir camiones ständig-ADJ fahr-INF LKWs b. el conducir camiones (*continuo) ART fahren LKWs ständig-ADJ ‚das ständige LKWs-Fahren‘ ART
Ein erstes Problem dieser Generalisierung besteht darin, dass nicht einmal klar ist, ob ein direktes Objekt überhaupt mit einem adjektivischen Modifizierer auftreten kann. Während Ramírez davon ausgeht, dass dies der Fall ist, wenn das Adjektiv dem Infinitiv vorangestellt ist, vgl. (58) und (59)a, wird in anderen Arbeiten darauf hingewiesen, dass NI, die ein direktes Objekt regieren, nur adverbiale Modifizierer zulassen, vgl. (60) und (61) jeweils a vs. b. (60) a. El
criticar a los vecinos constantemente kritisieren PRÄP die Nachbarn ständig-ADV b. *El constante criticar a los vecinos ART ständig-ADJ kritisieren PRÄP die Nachbarn es lo único que saben hacer. (Plann 1981: 231) ‚Das Ständig-die-Nachbarn-Kritisieren ist das einzige, was sie können.‘ ART
(61) a. El
limpiar la casa compulsivamente putzen das Haus zwanghaft-ADV b. * El compulsivo limpiar la casa ART zwanghaft-ADJ putzen das Haus no figura en mis planes. (Plann 1981: 231) ‚Das zwanghaft(e) Das-Haus-Putzen kommt in meinen Plänen nicht vor.‘ ART
2.4 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen
27
Interessanterweise werden für die Kombinierbarkeit direkter Objekte und adjektivischer Modifizierer zudem meist Beispiele angeführt, in denen ein bloßes Nomen und keine volle DP adjazent zum Infinitiv steht, vgl. (58) und (59) sowie (62) und (63). Diese Beobachtung ist vor dem Hintergrund relevant, dass solche bloßen Nomen in einer Reihe von Arbeiten nicht als direkte Objekte, sondern als inkorporierte Nomen analysiert werden (vgl. u. a. Demonte & Varela 1998, de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002). Unter dieser Sichtweise wären (58), (59), (62) und (63) dann keine intern gemischten, sondern rein nominale Formen. Ich werde auf dieses Problem am Ende des Abschnitts zurückkommen. (62) el
continuo beber cerveza (Bosque 1989: 154) ständig-ADJ trinken Bier‘ ‚das ständige Biertrinken‘
ART
(63) su
continuo conducir camiones (Ramírez 2003: 122) ständig-ADJ fahren LKWs ‚sein ständiges LKWs-Fahren‘
POSS
Ebenfalls nicht klar ist, ob Infinitive mit direktem Objekt und/oder adverbialem Modifizierer mit einem PP-Argument vereinbar sind, was zeigen würde, dass sich rechts vom Infinitiv auch verbale und nominale Merkmale zeigen können. Die Folge aus Adverb bzw. direktem Objekt + PP wird beispielsweise in (64) und (65) als inakzeptabel beurteilt,14 in (66) und (67) hingegen als akzeptabel, wobei wir es in (66) erneut mit einem bloßen Nomen zu tun haben. (64) *El escribir constantemente de ella ART schreiben ständig-ADV PRÄP sie explica su habilidad. (Ramírez 2003: 120) ‚Das ständig(e) Schreiben von ihr / ihr ständig(es) Schreiben erklärt ihre Fähigkeit.‘ (65) #el evocar la guerra de los ancianos (Ramírez 2003: 124) ART auslösen den Krieg PRÄP die Greise ‚das Den-Krieg-der-Greise-Auslösen‘
14 (65) ist Ramírez (2003: 124) zufolge nur akzeptabel, wenn die PP de los ancianos als Modifizierer von la guerra und nicht als externes Argument von evocar analysiert wird, also als [la guerra de los ancianos] und nicht als [la guerra] [de los ancianos].
28
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(66) el
beber cerveza constantemente de Pedro ART trinken Bier ständig-ADV PRÄP Pedro ‚Pedros ständig(es) Biertrinken‘ (Fábregas & Varela 2006: 24)
(67) El
tocar la guitarra de María es muy elegante. ART spielen die Gitarre PRÄP María (Yoon & Bonet-Farran 1991: 362) ‚Marías Gitarrespielen ist sehr elegant.‘
Auch zur Kombinierbarkeit von analytischen Infinitivformen und Adjektiven finden sich unterschiedliche Aussagen. Bosque (1989: 155) nimmt an, dass analytische Formen nicht mit einem Adjektiv kombiniert werden können, vgl. (68) und (69), wohingegen Ramírez (2003: 122) angibt, dass dies doch der Fall ist.15 (68) *el repentino ser mirado (Bosque 1989: 155) ART plötzlich-ADJ sein-INF seh-PTZP ‚das plötzliche Gesehen-Werden‘ (69) *el continuo haber bebido cerveza (Bosque 1989: 155) ART ständig-ADJ AUX-INF trink-PTZP Bier ‚das ständige Bier-Getrunken-Haben‘ (70) Su
fácil poder recobrarse lo hace muy buen atleta. einfach-ADJ können erholen (Ramírez 2003: 122) ‚Sein einfach(es) Sich-Regenerieren-Können macht ihn zu einem sehr guten Athleten.‘ POSS
(71) El
haber
conducido rápido fahr-PTZP schnell-ADJ causó el accidente. (Ramírez 2003: 122) ‚das Schnell-Gefahren-Sein hat den Unfall versucht.‘ ART AUX-INF
Ramírez‘ Beispiele (70) und (71) sind allerdings keine eindeutigen Belege für die Kombinierbarkeit von analytischen Infinitivformen und Adjektiven, da rápido und fácil auch adverbial verwendet werden können (vgl. hierzu Bosque
15 Die Inakzeptabilität von (69) könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass das zeitbezogene Adjektiv continuo nicht mit der perfektiven Form des Infinitivs haber bebido kompatibel ist.
2.4 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen
29
1989: 130 f.). Damit bleibt unklar, ob die NI in (70) und (71) rein verbale Formen sind oder ob sie einen adjektivischen (und nicht adverbialen) Modifizierer enthalten, der auf eine NP-Projektion hinweisen würde. Anders formuliert, ist nicht immer eindeutig erkennbar, ob ein NI als [DP[VP]]-Struktur oder als [DP [NP [VP]]]-Struktur zu analysieren ist. Die Betrachtung von Determinierern ergibt ebenfalls kein eindeutiges Bild. Wie in 2.2 und 2.3 festgestellt, erlauben Satzinfinitive (in der Regel) nur den definiten Artikel, während nominale Infinitive alle Arten von Determinierern zulassen. VP-Infinitive scheinen nicht nur den definiten Artikel zu erlauben, aber auch nicht alle Determinierer zuzulassen und somit eine Zwischenstellung einzunehmen. Beispiele für analytische Infinitivformen und Demonstrativdeterminierer sind (72), (73), (74) und (75). Eingeschränkter ist der Anwendungsbereich des Possessivdeterminierers, der keine analytischen Formen des Infinitivs und/ oder klitischen Objektpronomen erlaubt, vgl. (76). An den aus der Literatur entnommenen Beispielen ist auffällig, dass die direkten Objekte erneut vergleichsweise häufig als bloße Nomen vorkommen, wie man z. B. an (75), (77) und (78) sieht. (72) ese ser DEM AUX-INF
continuamente vigilado (Bosque 1989: 155) ständig-ADV überwach-PTZP
(73) aquel haberle obligado a redimir su pecado (Hernanz 1982: 532) DEM AUX-INF=ihn verpflichtet ‚dieses Ihn-Verpflichtet-Haben, sich von seiner Sünde loszukaufen‘ (74) Y a nosotros nos asombraba este tener un cochero sin coche. DEM haben ein Chauffeur ohne Auto ‚Und uns hat dieses Einen-Chauffeur-ohne -Auto-Haben verwundert.‘ (Skydsgaard 1977: 1051) (75) {Ese/aquel} escribir novelas explica su fama. (Ramírez 2003: 122) DEM schreiben Romane ‚Dieses Romaneschreiben erklärt ihre Berühmtheit‘ (76) *su
haberle hablado así (Bosque 1989: 155) haben-INF=DAT gesprochen ‚sein Auf-diese-Weise-zu-ihm-Gesprochen-Haben‘
POSS
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2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(77) su
continuo beber cerveza (Bosque 1989: 155) POSS ständig-ADJ trinken Bier ‚sein ständiges Biertrinken‘
(78) ese desafortunado beber (*la) cerveza de los adolescentes PRÄP die Jugendlichen dieses unglücklich-ADJ trinken das Bier (de Miguel 1996: 50) ‚dieses unglückliche (Das)-Biertrinken der Jugendlichen‘ Dieser Abschnitt hat gezeigt, dass sich über die Kombinierbarkeit nominaler und verbaler Eigenschaften nicht ohne Weiteres Generalisierungen formulieren lassen. Verbale und nominale Merkmale bilden zwar Cluster, aber nicht auf eindeutige Weise. Vorläufig lässt sich festhalten, dass neben Satzinfinitiven und nominalen Infinitiven in jedem Fall auch VPn existieren, die von einem Determinierer regiert werden können. Daraus ergeben sich zunächst drei unterschiedliche Ebenen, auf denen ein Infinitiv nominalisiert werden kann, wobei nominalisiert bedeutet, dass eine verbale Struktur mindestens von einem D-Kopf dominiert wird. Die zu Anfang des Kapitels genannten Strukturen sind hier noch einmal als (79) (80) und (81) aufgeführt. (79) [DP [TP [VP [V]]]] Satzinfinitiv (80) [DP [VP [V]]]
verbaler Infinitiv
(81) [DP [NP [N [V]]]] nominaler Infinitiv Unklar ist, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß das Spanische auch intern gemischte Strukturen erlaubt, die schematisch wie in (82) dargestellt werden könnten. Diese Frage ist zunächst vor allem empirischer Natur, da gemischte Formen kein produktives Bildungsmuster darstellen und genauer untersucht werden müsste, welche verbalen und nominalen Merkmale in Kombination auftreten können. (82) [DP [NP [N [VP [V]]]]] Auffällig sind in diesem Zusammenhang insbesondere Formen mit einem bloßen Nomen, das adjazent zum Infinitiv steht. Die in diesem Abschnitt gezeigten Beispiele bieten Hinweise darauf, dass sich diese Formen flexibel verhalten. Beispielsweise können offenbar nur bloße Nomen, nicht aber volle DP-Objekte
2.4 Verbale Infinitive und möglicherweise intern gemischte Formen
31
mit Adjektiven, anderen Determinierern als el und einem PP-Argument kombiniert werden, wie hier noch einmal an (83), (84) und (47) wiederholt als (85) illustriert werden soll. (83) Admiro su continuo tomar (*esta) leche contra la osteoporosis. (nach Demonte & Varela 1998: 164) ‚Ich bewundere sein ständiges (Diese)-Milch-gegen-Osteoporose-Trinken.‘ (84) El construir (*las) carreteras del gobierno llevó al deterioro de ciertas zonas. (Demonte & Varela 1998: 151) ‚Das (Die-)Landstraßen-Bauen der Regierung hat zur Verschlechterung bestimmter Gebiete geführt.‘ (85) El cantar (*estas) coplas de Lola nos emociona. (Pérez Vázquez 2002: 153) ‚Das (Diese-)Lieder-Singen von Lola freut uns.‘ Wie oben angedeutet, nehmen manche Autoren daher an, dass Infinitive mit bloßem Nomen in Objektposition und ansonsten nominalen Distributionseigenschaften Infinitive ohne VP-Projektion sind, also nominale Infinitive mit einer [DP[NP[N[V]]]]-Struktur. Die Folge von Infinitiv und bloßem Nomen wird dann als Inkorporation nach folgendem Schema analysiert (vgl. Demonte & Varela 1998, de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002). (86) [NP [N [V0 [V0tomar] [N0leche]]]] Allerdings scheinen Formen wie (83), (84) und (85) ein nur marginales Phänomen zu sein, das außerhalb der Literatur kaum belegt ist. In der Regel weisen NI mit einem bloßen Nomen in Objektposition verbale Distributionseigenschaften auf. Beispielsweise können sie wie in (87) und (88) durch ein Adverb modifiziert werden, das zwischen Infinitiv und bloßem Nomen erscheint. In diesem Fall kann das bloße Nomen nicht in den V-Kopf inkorporiert sein, sondern verhält sich wie ein gewöhnliches direktes Objekt, so dass die Struktur des NI nur als [DP[VP[V]]]-Struktur analysierbar ist. (87) Era esta una tarea lenta que llevaba el ART
colocar pacientemente anordnen geduldig-ADV
tronquitos. (ESCOW16A) Stämme ‚Dies war eine träge Aufgabe, die das Geduldig-Scheite-Anordnen mit sich brachte.‘
32
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
(88) Para empezar, el
comer frecuentemente ajo ART essen häufig-ADV Knoblauch alivia los síntomas […] (ESCOW16A) ‚Zunächst einmal lindert das Häufig-Knoblauch-Essen die Symptome.‘
Vorläufig soll festgehalten werden, dass sich Formen mit einem bloßen Nomen in Objektposition kombinatorisch unterschiedlich verhalten können. Einige der NI mit bloßem Nomen könnten als Strukturen des Typs [DP[NP[N[V]]]] analysiert werden, vgl. (83), (84) und (85). Häufiger und unmarkierter scheinen jedoch Formen wie (87) und (88) zu sein, die als [DP[VP[V]]]-Strukturen analysierbar sind. Die Frage, ob auch intern gemischte Strukturen möglich sind, ob also eine VP abgesehen von einer DP auch noch von anderen nominalen Projektionen dominiert werden kann, ist zunächst empirischer Natur und wird hier nicht weiterverfolgt, da der Schwerpunkt der folgenden Diskussion auf der Interaktion zwischen Verbklassen, Argumentrealisierung und Lesarten von NI liegt. In jedem Fall sind NI, innerhalb derer ein bloßes Nomen adjazent zum Infinitiv steht, empirisch klar belegt. Sie werden im Folgenden als eigener Formtyp behandelt, dessen Vorkommens- und Interpretationsbeschränkungen es zu klären gilt.
2.5 Lexikalisierte Infinitive Dieser Abschnitt bietet abschließend einen Überblick über NI wie die in (89), (90) und (91), die nicht syntaktisch gebildet werden, sondern vollständig als Nomen lexikalisiert sind und keinerlei verbale Eigenschaften (mehr) besitzen (vgl. u. a. Bosque 1989: 157–159, García Negroni & Ramírez Gelbes 2009, 2011, Hernanz 1999: 2350 f., Torres Cacoullos 2009, Varela 1979). Diese Formen werden in der Literatur auch als falsos infinitivos ‚falsche Infinitive‘ (Varela 1979) oder sustantivos permanentes ‚ständige Substantive‘ (Gili y Gaya 1943) bezeichnet und weisen eine Reihe von formalen Gemeinsamkeiten mit nominalen Infinitiven auf, von denen sie im Folgenden abgegrenzt werden sollen. (89) el amanecer / los amaneceres ‚die Morgendämmerung(en)‘ < amanecer ‚dämmern‘ (90) el deber / los deberes ‚die Pflicht(en)‘ < deber ‚müssen‘ (91) el poder / los poderes ‚die Macht, Kraft/Kräfte‘ < poder ‚können‘
2.5 Lexikalisierte Infinitive
33
Die lexikalisierten Formen sind Resultate eines (diachronen) Prozesses, in dem bestimmte Infinitive – zunächst vor allem solche von intransitiven und stativen Verben – ihre ursprünglichen Bedeutungen und Distributionseigenschaften verloren haben und als Nomen lexikalisiert worden sind (vgl. Torres Cacoullos 2009: 1685).16 Die Zahl dieser Infinitive im heutigen Spanisch ist überschaubar. Varela (1979: 540) bezeichnet nur Formen, die Pluralmorphologie erlauben, als lexikalisiert und beziffert ihre Anzahl auf wenig mehr als ein Dutzend. Torres Cacoullos (2009) definiert lexikalisierte Infinitive auch nach semantischen Kriterien und schätzt ihre Anzahl auf dreißig bis vierzig. Genauso wie nominale Infinitive sind lexikalisierte Infinitive mit allen Arten von Determinierern kompatibel, können durch Adjektive modifiziert werden und sich mit PPn verbinden, vgl. (92), (93) und (94). Anders als nominale Infinitive können sie unter bestimmten Voraussetzungen aber auch ohne Determinierer vorkommen, worin sie mit nicht-derivierten Nomen übereinstimmen, vgl. (95) gegenüber (96). (92) {el/un/este/su} deber ‚die/eine/diese/seine Pflicht‘ (93) un deber molesto ‚eine lästige Pflicht‘ (94) el deber de los padres ‚die Pflicht der Eltern‘ (95) Es (un) deber de todo buen ciudadeno. (Hernanz 1999: 2351) ‚Es ist (eine) Pflicht jedes guten Bürgers.‘ (96) Es *(un) monótono zumbir de las abejas. (Hernanz 1999: 2351) ‚Es ist (ein) monotones Summen der Bienen.‘ Morphologisch sind die meisten lexikalisierten Infinitive daran erkennbar, dass sie pluralisiert werden können, was sie ebenfalls von nominalen Infinitiven unterscheidet, wie an (97) und (98) gegenüber (99) und (100) erkennbar ist. Aller-
16 Torres Cacoullos folgt bei der Unterscheidung von Wortarten dem semantischbasierten Prototypenansatz von Hopper & Thompson (vgl. 1984: 730) und zeigt, dass v. a. Infinitive von nicht-prototypischen Verben als Nomen lexikalisiert wurden. Als nicht bzw. weniger prototypisch gelten v. a. statische und/oder intransitive bzw. intransitiv verwendbare Verben im Gegensatz zu dynamischen und obligatorisch transitiven Verben.
34
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
dings erlauben nicht alle lexikalisierten Formen Pluralmorphologie, vgl. (101) vs. (102). Anhand ihrer Semantik sind diese Infinitive jedoch ebenfalls als lexikalisiert erkennbar. (97)
Los pareceres del pueblo deben respetarse. (Varela 1979: 539) ‚Die Ansichten des Dorfes müssen respektiert werden.‘
(98)
Tiene poderes ocultos. (Hernanz 1999: 2351) ‚Er hat verborgene Kräfte.‘
(99)
Escuchaba (el trinar / *los trinares) de los pájaros. ‚Er hörte dem Tirilieren der Vögel zu.‘
(100) Me preocupa(n) {el subir / * los subires} de los precios. ‚Mich besorgt das Steigen der Preise.‘ (101) a. b. c. d.
poder(es) ‚Macht; Kraft/Kräfte‘ < poder ‚können‘ cantar(es) ‚Lied(er)‘ < cantar ‚singen‘ deber(es) ‚Pflicht(en)‘ < deber ‚müssen‘ decir(es) ‚Redensart(en)‘ < decir ‚sagen‘
(102) a. entender(*es) ,Verständnis‘ < entender ‚verstehen‘ b. acontecer(?es) ,Vorfall‘ < acontecer ‚geschehen‘ c. sentir(*es) ,Gefühl‘ < sentir ‚fühlen‘ d. vivir(*es) ,das Leben, die Lebensweise‘ < vivir ‚leben‘ (Hernanz 1982) Die Bedeutungsbeziehungen zwischen lexikalisierten Infinitiven und ihren Basisverben sind nicht systematisch (vgl. Bosque 1989: 157) und können mehr oder weniger transparent sein (vgl. García Negroni & Ramírez Gelbes 2009: 35 f. zu einer Unterscheidung von Subklassen). In jedem Fall besitzen lexikalisierte Infinitive anders als nominale Infinitive keine Ereignis- und Argumentstruktur. Sie bezeichnen meist nicht dieselbe Situation wie das Verb, von dem sie abgeleitet sind, und eine PP in ihrer Struktur entspricht in der Regel keinem Argument des Basisverbs (vgl. Hernanz 1999: 2350 f.). Lexikalisierte Formen lassen sich daher meist nicht durch Sätze paraphrasieren, in denen ihre verbale Entsprechung das Prädikat darstellt und der Referent einer PP als Subjekt oder Objekt realisiert wird. Beispielsweise lässt sich (103) nicht als (103)a paraphrasieren, sondern nur als (103)b, denn el partido ist nicht das logische Subjekt von poder. Genauso wenig ist el Cid in
2.5 Lexikalisierte Infinitive
35
(104) das logische Subjekt oder Objekt eines Singen-Ereignisses, vgl. (104)a und b, weshalb sich der Infinitiv nur durch (104)c umschreiben lässt. (103) el poder del partido (Varela 1979: 346) ,die Macht der Partei‘ a. #El partido puede […]. ‚Die Partei kann […].‘ b. ≈el poder que tiene el partido ,die Macht, die die Partei innehat‘ (104) el cantar del Cid (vgl. u. a. Hernanz 1999: 2351) ,das Lied vom Cid‘ a. #El Cid canta. ,Der Cid singt.‘ b. #Alguien canta el Cid. ,Jemand singt den Cid.‘ c. ≈la canción sobre el Cid ,das Lied über den Cid‘ Lexikalisierte Infinitive und nominale Infinitive lassen sich außerdem durch die Ersetzung mit anderen NPn unterscheiden. Während lexikalisierte Formen zumindest in einigen Fällen durch nicht-derivierte Nomen ersetzt werden können, vgl. (105), alternieren nominale Infinitive nur mit anderen deverbalen Nominalisierungen wie in (106) mit einer affigierenden Nominalisierung auf -ción (vgl. García Negroni & Ramírez Gelbes 2009). (105) a. El haber de este jubilado ha aumentado. (García Negroni & Ramírez Gelbes 2009: 35) b. El sueldo de este jubilado ha aumentado. (García Negroni & Ramírez Gelbes 2009: 35) ‚Die Einkünfte dieses Rentners sind gestiegen.‘ (106) a. El masticar de Juan me molesta. b. La masticación de Juan me molesta. ‚Das Kauen von Juan stört mich.‘ Zwischen lexikalisierten und nominalen Infinitiven existiert also eine Reihe von distributionellen Unterschieden. Dennoch ist ohne eindeutigen Kontext nicht immer erkennbar, ob eine bestimmte Form ein lexikalisiertes Nomen oder eine syntaktisch gebildete Nominalisierung darstellt. Beispielsweise kann can-
36
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
tar in (107) zum einen als nominaler Infinitiv interpretiert werden, der ein Singen-Ereignis bezeichnet, vgl. (107)a, zum anderen aber auch als lexikalisiertes Nomen mit der Bedeutung ‚Lied‘, vgl. (107)b. In dieser Lesart hat cantar keine Ereignis- und Argumentstruktur und Juana ist anders als in (107)a kein Argument einer verbalen Basis. (107) El cantar de Juana me conmueve. (Varela 1979: 346) ‚Das Singen / das Lied von Juana bewegt mich.‘ a. ≈El modo en el que Juana canta ‚die Art, in der Juana singt‘ b. ≈El canto de Juana ‚das Lied von Juana / Juanas Lied‘ Insgesamt sind lexikalisierte Infinitive vor allem am Fehlen von Ereignis- und Argumentstruktur sowie ihrer mehr oder weniger idiosynkratrischen Bedeutungsbeziehung zum Basisverb erkennbar. Bei rein synchroner Betrachtung kann ihre Struktur wie in (108) dargestellt werden, wodurch vor allem verdeutlicht werden soll, dass der Infinitiv bereits lexikalisch als Nomen gespeichert ist und nicht erst auf V0-Ebene umkategorisiert wird, wie es bei nominalen Infinitiven der Fall ist. (108)
DP
D
NP
el N
PP
cantar del Cid
2.6 Zusammenfassung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Dieses Kapitel hat einen Überblick über eine Reihe von Strukturen gegeben, die üblicherweise als NI bezeichnet werden und deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie einen Infinitiv enthalten und die höchste Projektion eine
2.6 Zusammenfassung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
37
DP ist. Die wesentlichen strukturellen Unterschiede innerhalb der DP sind in Abbildung 1 noch einmal als Nominalisierungsskala zusammengefasst. Dabei repräsentieren die Satzinfinitive am linken Ende die maximal verbalen Strukturen und die lexikalisierten Infinitive am rechten Ende die maximal bzw. ausschließlich nominalen Formen. Nominale Infinitive
Lexikalisierte Infinitive
[DP[TP[VP[V]]]]
[DP[VP[V]]]
[DP[NP[N[V]]]]
[DP[NP[N]]]
nominal
Verbale Infinitive
verbal
Satzinfinitive
Abbildung 1: Nominalisierungsskala.
Die Abbildung zeigt, dass sich die Strukturen darin unterscheiden, auf welcher Ebene eine zunächst verbale Struktur vom Kopf einer nominalen Projektion selegiert wird. Satzinfinitive und verbale Infinitive sind dadurch gekennzeichnet, dass eine (erweiterte) VP direkt von einem Determinierer regiert wird. Eine ansonsten verbale Struktur wird also durch einen D-Kopf nominalisiert und die DP ist die einzige nominale Projektion. Nominale Infinitive macht hingegen aus, dass ein verbaler Kopf von einer NP dominiert wird und die DP somit zwar die höchste, aber nicht die einzige nominale Projektion in der Struktur ist. Wie bereits dargelegt, soll in dieser Arbeit unter anderem untersucht werden, welche Lesartpräferenzen die verschiedenen Strukturen aufweisen. Die Antwort auf diese Frage ist für die beiden Formen, die die Endpunkte der in Abbildung 1 gezeigten Skala repräsentieren, vergleichsweise klar. Satzinfinitive sind vollständige Sätze bzw. Propositionen, die in der Regel eine Tatsachenlesart erhalten (vgl. Abschnitt 5.2.5). Lexikalisierte Infinitive sind Nomen mit mehr oder weniger idiosynkratischen Bedeutungen, die nicht regelbasiert gebildet werden und daher lexikalisch gespeichert sein müssen. Die oben genannte Frage ist damit primär für die NI im Mittelbereich der Skala von Interesse, also für verbale und nominale Infinitive. Abbildung 1 verdeutlicht, dass diese NI einen verbalen Kern haben. Unter semantischer Perspektive ist hier entscheidend, dass der Infinitiv jeweils eine verbale Wurzel (und ggf. Affixe) enthält, welche die Ereignis- und Argumentstruktur festlegen. In diesem Zusammenhang ist klärungsbedürftig, wie die semantischen Eigenschaften die Bildungsbeschränkungen von NI beeinflussen: Von welchen Verbklassen können die im Weiteren zu untersuchenden NI gebildet werden und welche Argumente der verbalen Basis sind innerhalb der DP realisierbar (vgl. Kap. 4)? Das Anschlusskapitel 3 stellt zur Klärung dieser Frage zunächst Ramchands (2008) Modell vor, das eine systematische Unterscheidung von Verbkassen ermöglicht.
38
2 Morphosyntaktische Eigenschaften von NI
Um die hier skizzierten Fragen zu untersuchen, werden verbale und nominale Infinitive für die weitere Diskussion in drei Formtypen unterschieden. Erstens wird es um nominale Infinitive mit einem PP-Argument wie (109) gehen. Zweitens werden verbale Infinitive wie (110) betrachtet, die ein direktes Objekt in Form einer vollen DP regieren. Drittens sollen in der weiteren Diskussion insbesondere auch solche Formen behandelt werden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein bloßes Nomen adjazent zum Infinitiv steht, wie es in (111) der Fall ist. (109) el
cantar de los pájaros / ?de (las) coplas ART singen PRÄP ART Vögel PRÄP ART Lieder ,das Singen der Vögel / von Liedern / der Lieder‘
(110) el
cantar las coplas ART singen die Lieder ,das Die-Lieder-Singen‘
(111)
el
cantar coplas ART singen Lieder ,das Liedersingen‘
NI wie (111) sind, wie in Kapitel 2.4 gezeigt wurde, in ihrem Distributionsverhalten flexibel. Anders als die in (109) exemplifizierten, aber genauso wie die in (110) gezeigten NI verfügen sie in jedem Fall über die Möglichkeit, rein verbale Distributionseigenschaften annehmen zu können. Diese Beobachtung ist dahingehend relevant, dass intern verbal(er) strukturierte Nominalisierungen oftmals andere Lesartpräferenzen zeigen als intern nominal strukturierte Formen (vgl. Abschnitt 5.3.4). In Abbildung 2 sind die drei oben genannten Formen noch einmal auf einer reduzierten Nominalisierungsskala zusammengefasst, auf der Satzinfinitive und lexikalisierte Infinitive nicht mehr berücksichtigt werden. Die weitere Diskussion beschränkt sich nun auf Formen wie (110) als verbalsten Typ (im Folgenden Typ C)
Typ C ≈ verbaler Infinitiv
el cantar coplas
Abbildung 2: Nominalisierungsskala (reduzierte Version).
Typ A ≈ nominaler Infinitiv el cantar de los pájaros
nominal
verbal
el cantar las coplas
Typ B ≈ verbal (oder nominal)
2.6 Zusammenfassung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
39
und auf Formen wie (109) als nominalsten Typ (Typ A). Formen mit einem bloßen Nomen wie (111) erscheinen auf Grund ihres flexiblen Kombinatorik in der Mitte der Skala. Sie werden im Folgenden als Typ B bezeichnet. Den Gegenstand der experimentellen Untersuchung in Kapitel 7 und 8 bilden zwei der hier aufgeführten Formtypen, nämlich Typ A und Typ B.
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur 3.1 Einleitung In Kapitel 2 wurde gezeigt, dass NI (mit Ausnahme von lexikalisierten Infinitiven) als verbale Strukturen analysiert werden können, die mit oder ohne NPSchicht unter eine DP eingebettet werden. Als zunächst verbale Formen haben NI Ereignis- und Argumentstruktur. Allerdings werden diese Formen nicht von allen Verbklassen produktiv gebildet und erlauben nur eingeschränkt die Realisierung von Argumenten des Basisverbs. Beispielsweise scheint es eine Rolle zu spielen, welches Argument der Basis realisiert wird, vgl. (1)a gegenüber b, oder welche Eigenschaften das realisierte Argument hat, vgl. (2)a gegenüber b. (1)
a. ?/✓el masticar del niño ‚das Kauen des Kindes‘ b. *el masticar del chicle (Pérez Vázquez 2007: 84) ‚das Kauen des Kaugummis‘
(2)
a. ✓el caer de las bombas (nach Hernanz 1999: 2346) ‚das Fallen der Bomben‘ b. *el caer de Constantinopla (nach Hernanz 1999: 2346) ‚das Fallen Konstantinopels‘
Die Bildung von NI ist damit zwar primär ein syntaktisches Phänomen, das aber offenbar Beschränkungen unterliegt, die mit der Ereignis- und Argumentstruktur des Basisverbs zu tun haben. In diesem Kapitel wird daher ein Ansatz vorgestellt, mit dem die Semantik der in NI enthaltenen Verbwurzeln in ihrer Interaktion mit der Syntax dargestellt werden kann. Die Semantik von Verben wird in der Regel durch Dekomposition repräsentiert, d. h. dass Verbbedeutungen in abstrakte Prädikate sowie einen lexikalischen Kern zerlegt werden, wobei die einzelnen Prädikate Teile der vom Verb bezeichneten Gesamtsituation darstellen. Seit dem Aufkommen der generativen Semantik in den sechziger Jahren haben sich zahlreiche Dekompositionstheorien entwickelt, die sich u. a. darin unterscheiden, wo im Sprachsystem die Dekomposition verortet wird. Während lexikalistische Theorien verbale Ereignisstruktur im Lexikon repräsentieren (vgl. u.v.a. Dowty 1979, Jackendoff 1990, Rappaport Hovav & Levin 1998), wird in syntaktischen Ansätzen davon ausgegangen, dass das Lexikon keine separate Funktionseinheit mit eigenen Regeln https://doi.org/10.1515/9783110723359-003
41
3.1 Einleitung
neben der Syntax darstellt, sondern dass Wörter und Sätze nach ähnlichen Regeln gebildet werden (vgl. u.v.a. Borer 2005, Hale & Keyser 1993, 1998). Für die vorliegende Arbeit wurde zur Modellierung von Verbsemantik mit Ramchands (2008) First Phase Syntax (FPS) eine Theorie gewählt, die zu den syntaktischen Ansätzen zählt und damit den Vorteil bietet, dass sowohl die Struktur unterhalb der Wortebene als auch strukturelle Eigenschaften oberhalb der Wortebene in einem Modul, nämlich der Syntax, erfasst werden kann. Da die Besonderheit spanischer NI darin besteht, dass dieselbe verbale Basis auf unterschiedlichen Ebenen nominalisiert werden kann, erscheint ein Modell, das die Verbsemantik eher in die Syntax verlagert, somit grundsätzlich ökonomisch. In Ramchands Modell werden verbale Prädikate in bis zu drei Ereigniskomponenten zerlegt: 1) die init(iator)P, die einen Ausgangszustand bezeichnet, 2) die proc(ess)P, die einen Vorgang bezeichnet und 3) die res(ult)P, die einen Resultatzustand ausdrückt. Die FPS setzt sich somit aus drei funktionalen Köpfen bzw. Phrasen zusammen, welche den V-Knoten ersetzen: All three of my projections are verbal, and no individual piece actually corresponds to what traditional accounts would label V: the notion of V is always a composite one. (Ramchand 2008: 39 f.)
Die Struktur der FPS eines Verbs wie find oder kill ist wie folgt aufgebaut (3): (3)
initP DP3
Subj. der Verursachung INITIATOR
procP
init DP2 Subj. des Vorgangs UNDERGOER
proc
resP DP1 Subj. des Resultats RESULTEE
res
XP
Ramchand bezeichnet dieses Modell als First Phase, da die Ereignisstruktur die am tiefsten eingebettete verbale Struktur darstellt, welche die Voraussetzung für weitere Strukturbildung z. B. durch Aspekt- und Tempusspezifizierung bildet (vgl. Ramchand 2008: 16). Im Fall von deverbalen Nominalisierungen kann die Ereignisstruktur als die am tiefsten eingebettete verbale Struktur unterhalb
42
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
der Wortebene verstanden werden. Ramchands Ansatz scheint somit geeignet, verbklassenbezogene Beschränkungen von NI systematisch darzustellen. Arbeiten zum Spanischen, in denen das Modell auf andere Typen deverbaler Nominalisierungen angewendet wird, sind unter anderem Fábregas (2010), Jaque Hidalgo & Martín García (2012), Sleeman (2009) sowie Sleeman & Brito (2010a) (vgl. Fábregas 2015 als ausführliches Überblickswerk). Wir betrachten zunächst die Grundzüge der in (3) dargestellten Struktur. In den Spezifiziererpositionen der Phrasen wird das ‚Subjekt‘ des jeweiligen Teilereignisses eingeführt. Das Subjekt der initP ist der sogenannte INITIATOR, das Subjekt der procP die Entität, an der sich eine Veränderung vollzieht, der sogenannte UNDERGOER, und das Subjekt der resP die Entität, die einen Resultatzustand erreicht und die als RESULTEE bezeichnet wird. Die Termini init, proc und res sind dabei zum einen Bezeichnungen für die Köpfe der jeweiligen Phrasen innerhalb der FPS, vgl. (3). Zum anderen bezeichnen init, proc und res die Merkmale, für die eine Wurzel oder ein Affix im Lexikon spezifiziert sein kann und die bestimmen, in welche Struktur der Exponent eingefügt werden darf. Beispielsweise ist jedes dynamische Verb im Lexikon mindestens für ein proc-Merkmal spezifiziert, vgl. (4). Ein Verb, das darüber hinaus einen Resultatzustand impliziert, trägt neben einem proc- noch ein res-Merkmal, vgl. (5). (4)
roll: [proc]
(5)
break: [proc, res] (vorläufiger Lexikoneintrag)
Da die Merkmale init, proc und res in etwa Komponenten wie CAUSE, BECOME und State in lexikalistischen Modellen wie z. B. dem von Jackendoff (1990) entsprechen, sollen die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Ansätzen im Folgenden kurz illustriert werden. Wir betrachten hierfür als Beispielverb break zunächst nach Jackendoffs Konzeptueller Semantik und anschließend in Ramchands FPS. Break ist ein Verb, das Kausativalternation erlaubt. Das bedeutet, dass es sowohl transitiv/kausativ als auch intransitiv/antikausativ verwendet werden bzw. einen Zustandswechsel mit und ohne Verursachung bezeichnen kann, vgl. (6)a gegenüber b. (6)
a. John broke the stick. ‚John hat den Stock zerbrochen.‘ b. The stick broke. ‚Der Stock ist zerbrochen.‘
3.1 Einleitung
43
In Jackendoffs Dekomposition enthält der Lexikoneintrag von break die Spezifizierung für die Wortart Verb sowie die lexikalisch-konzeptuelle Struktur (LCS), die eine Prädikat-Argumentstruktur darstellt, vgl. (7). Die Bedeutung von break setzt sich aus den drei Prädikaten CAUSE, GO und TO zusammen, die jeweils Argumentpositionen eröffnen. Thematische Rollen sind damit als Positionen in der LCS definiert. Beispielsweise entspricht das erste Argument von CAUSE einem INITIATOR oder Agens (vgl. Jackendoff 1990: 47). In der LCS ist außerdem festgelegt, welchen semantischen Kategorien die Konstituenten angehören müssen, die die Argumentpositionen besetzen. Diesen „semantischen“ Wortarten entsprechen syntaktische Kategorien. Beispielsweise muss ein Argument der Kategorie Thing immer als NP oder DP realisiert werden. Argumentalternationen werden durch Regeln dargestellt, die den Lexikoneintrag verändern können. Bei der Kausativalternation kann das erste Argument von CAUSE unterdrückt werden. Die Information, dass das kausative Prädikat optional ist, break also auch eine intransitive Verwendung erlaubt, ist durch die gestrichelte Linie unter dem CAUSE-Prädikat vermerkt (vgl. Jackendoff 1990: 73, 252). Die strukturelle Information wird aus dem Lexikon in die Syntax projiziert und Argumente werden durch Linkingregeln auf syntaktische Positionen abgebildet. (7)
break V [CAUSE ([Thing ]A‘)] [GO ([Thing ]A‘ (TO [BROKEN]])])]
In der FPS werden Verbbedeutungen ebenfalls in kleinere Bestandteile dekomponiert. Allerdings steht weniger Information im Lexikon. Der Lexikoneintrag eines Verbs enthält in Ramchands Modell weder eine Prädikat-Argument-Struktur noch eine Wortartenspezifizierung im traditionellen Sinn. Ramchand zufolge ist eine Wurzel oder ein Affix nur für ein bis drei der kategorialen Merkmale init, proc und res spezifiziert, die unterschiedlichen verbalen Bedeutungskomponenten entsprechen. Der Lexikoneintrag von break enthält die Merkmale proc und res sowie die Information, dass das Subjekt des Vorgangs auch das Subjekt des Resultatzustands ist. In Bezug auf Beispiel (6) heißt das, dass der Stock gleichzeitig die Entität ist, an der sich der Vorgang vollzieht und die einen Resultatzustand erreicht. Dass UNDERGOER und RESULTEE referenzidentisch sind, wird im Lexikon durch Koindizierung der Merkmale proc und res dargestellt. (Komplexe Argumentrollen werden in 3.3.1 noch genauer beschrieben.) Für break ergibt sich damit der Lexikoneintrag in (8).
44
(8)
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
break: [proci, resi] (vollständiger Lexikoneintrag)
Die Merkmalsspezifizierung von break legt fest, dass die Wurzel eine syntaktische Struktur bestehend aus einer proc- und einer resP lexikalisieren kann, vgl. (9). Das Argument wird im Spezifizierer des resP eingefügt und dann in den Spezifizierer der procP angehoben, wodurch es eine komplexe Argumentrolle erhält.17 (9)
procP UNDERGOER the stick
proc break
resP RESULTEE
res
XP
Damit stellt sich die Frage, wie die kausative Variante von break gebildet wird, denn anders als in Jackendoffs LCS sieht Ramchands Modell keine optionalen Bedeutungsbestandteile oder Regeln im Lexikon vor. Break trägt kein init-Merkmal und lexikalisiert nur eine proc-res-Struktur. Die kausative Version wird syntaktisch gebildet, indem diese Struktur mit einer initP verbunden wird. Auf die Frage, wie das init-Merkmal lexikalisiert werden kann, komme ich in Abschnitt 3.5.3 zurück. Ramchands und Jackendoffs Dekompositionen stimmen darin überein, dass verbale Ereignisstruktur durch mehrere Prädikate dargestellt wird und Argumentrollen ausschließlich über ihre strukturelle Position definiert sind. Da es in Ramchands Ansatz aber keine Prädikat-Argument-Struktur im Lexikon gibt, sind Argumentrollen als Spezifizierer- und Komplementpositionen in der syntaktischen Konfiguration definiert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass viele Verben wie z. B. break zwar in unterschiedliche Strukturen eingesetzt werden können, der Flexi-
17 Für dieses Kapitel übernehme ich Ramchands (2008) Notation, nach der Exponenten, die während der Derivation bewegt werden, in ihrer Basisposition durch spitze Klammern gekennzeichnet sind.
3.2 Die geteilte VP
45
bilität aber auch Grenzen gesetzt sind. Beispielsweise lassen nicht alle Verben Kausativalternation zu oder sind im Hinblick auf Telizität variabel, (10) und (11). (10) a. Karen jogged. ‚Karen joggte.‘ b. *Peter jogged Karen. ‚Peter joggte Karen.‘ (11) They found gold {in two minutes / *for two minutes}. ‚Sie haben in zwei Minuten / zwei Minuten lang Gold gefunden.‘ Kategoriale Informationen im Lexikon legen daher fest, in welche Struktur(en) ein Exponent eingesetzt werden darf. Ramchand geht also nicht wie z. B. die Distributed Morphology (vgl. u. a. Harley & Noyer 1998, Marantz 1997) oder Borer (2005) davon aus, dass kategoriefreie Wurzeln existieren. In der FPS sind Wurzeln oder Affixe zwar nicht für die Wortart Verb spezifiziert, aber immer für ein bis drei der Merkmale init, proc und res, so dass sie entsprechend ihrer Merkmalsspezifizierung nur bestimmte Strukturen lexikalisieren können. Ramchands Modell wird in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels genauer beschrieben und im Hinblick auf seine Besonderheiten und mögliche Probleme diskutiert. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Zunächst geht es in 3.2 um die Dekomposition des V-Knotens in die initP, die procP und die resP. In 3.3 werden die Argumentpositionen vorgestellt, die sich aus der syntaktischen Dekompositionsstruktur ergeben. Dabei geht es insbesondere um sogenannte PFAD-Komplemente, die in der FPS nicht nur im Kontext von Bewegungsverben relevant sind. Außerdem wird die nicht unproblematische Unterscheidung zwischen PFADEN und UNDERGOERN eingeführt, die darauf beruht, dass semantisch unterschiedliche Argumente, die dem Objekt im finiten Aktivsatz entsprechen, auch verschiedene Positionen in der Struktur besetzen. Abschnitt 3.4 behandelt zeitstrukturelle Eigenschaften von Ereignissen und die Frage, auf welche Arten Telizität zustande kommen kann. Im letzten Teil des Kapitels unter 3.5 werden die Verbklassen vorgestellt, die sich aus den möglichen Kombinationen der Merkmale init, proc und res ergeben.
3.2 Die geteilte VP Die Aufspaltung der Kategorie Verb in die drei Projektionen initP, procP und resP basiert im Wesentlichen auf der „geteilten-VP-Hypothese“, d. h. der Idee, dass verbale Prädikate aus zwei unabhängigen Projektionen aufgebaut sind.
46
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
Das externe Argument wird dieser Annahme zufolge nicht vom Verb selbst, sondern z. B. von einem nicht overt realisierten Funktionsverb v oder voice in einer separaten Projektion eingeführt. Die FPS baut damit auf früheren syntaktischen Ansätzen zur Unterscheidung von Ereignistypen auf (vgl. u. a. Larsons (1988) VPSchalen-Modell für ditransitive Verben, Hales & Keysers (1993) Lexical Syntax oder Kratzers (1996) Analyse von Verb-Objekt-Idiomen). Ramchands Modell kann als eine Version der „geteilten-VP-Hypothese“ betrachtet werden, innerhalb derer die Kategorie Verb in drei statt nur zwei Projektionen aufgeteilt wird. Die höchste Projektion ist die initP. Sie stellt die äußere kausative Projektion dar und entspricht damit in etwa der kleinen vP bei Larson (1988) und Chomsky (1995) oder der voiceP bei Kratzer (1996). Das Subjekt der initP ist der INITIATOR. Bedeutungskomponenten wie Agentivität oder Volition finden dabei in Ramchands Modell keine Berücksichtigung. Ein Instrument wie the hammer in (12) oder ein nicht-volitives Agens wie John in (13) können genauso die Subjektposition der initP besetzen wie ein volitives Agens, vgl. Karen in (14) bzw. die entsprechende Struktur in (15). (12) The hammer broke the window. ‚Der Hammer zerbrach die Fensterscheibe.‘ (13) John broke the window (by accident). ‚John hat (aus Versehen) die Fensterscheibe zerbrochen.‘ (14) Karen pushed the cart. ‚Karen hat den Wagen geschoben.‘ (15)
initP INITIATOR Karen
init push
procP UNDERGOER the cart
proc
XP
Ramchands Ansatz zielt darauf ab, durch lexikalische Merkmale das syntaktische und aspektuelle Verhalten von Verben zu repräsentieren. Das Vorhan-
3.2 Die geteilte VP
47
densein bzw. Fehlen eines init-Merkmals wird davon abhängig gemacht, ob ein Verb Kausativalternation erlaubt. Verben, die keine Kausativierung erlauben, sind für ein init-Merkmal spezifiziert, vgl. (16) und (17), wohingegen Verben, die Kausativalternation zulassen, kein init-Merkmal tragen, vgl. (18) und (19). Verben wie melt in (18) und open in (19) lexikalisieren also nur proc- oder proc-res-Strukturen, die aber mit einer initP zusammengefügt werden können, um eine kausative Variante zu bilden (vgl. Abschnitt 3.5.3). (16) a. Karen danced. ‚Karen tanzte.‘ b. *Peter danced Karen. ‚Peter tanzte Karen.‘ c. dance [initi, proci] (17) a. The train arrived. ‚Der Zug kam an.‘ b. *Mary arrived the train. ‚Mary kam den Zug an.‘ c. arrive: [initi, proci, resi] (18) a. The chocolate melted. ‚Die Schokolade schmolz.‘ b. Susan melted the chocolate. ‚Susan hat die Schokolade geschmolzen.‘ c. melt: [proc] (19) a. The door opened. ‚Die Tür hat sich geöffnet.‘ b. The neighbor opened the door. ‚Der Nachbar hat die Tür geöffnet.‘ c. open: [proci, resi] Alle dynamischen Verben sind im Lexikon mindestens für ein proc-Merkmal spezifiziert, unabhängig davon, ob das Ereignis punktuell oder durativ, telisch oder atelisch ist, vgl. (20) und (21). Die procP ist damit das Kernstück der Ereignisstruktur, das jegliche Art von Vorgang repräsentiert und der inneren VP in anderen Modellen entspricht. (20) Alex broke the stick. ‚Alex hat den Stock zerbrochen.‘
48
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(21) Anna ate apples. ‚Anna hat Äpfel gegessen.‘ Die Spezifiziererposition der procP wird von der Entität besetzt, an der sich der Vorgang vollzieht, vgl. the cart in (22) oder the ball in (23) bzw. die entsprechende Struktur in (24). Das Subjekt von proc wird von Ramchand nach Van Valin (1990) als UNDERGOER bezeichnet. (22) Mary pushed the cart. ‚Mary hat den Wagen geschoben.‘ (23) The ball rolled. ‚Der Ball rollte.‘ (24)
procP UNDERGOER the ball
proc XP roll
Die resP repräsentiert den Zustand, der das Resultat des vom proc-Kopf bezeichneten Ereignisses darstellt. Dynamische Verben, deren Bedeutung einen Resultatzustand impliziert, sind Ramchand zufolge im Lexikon für ein res-Merkmal spezifiziert, vgl. (25) und (26), während Verben, deren Bedeutung kein Resultat impliziert, dieses Merkmal nicht tragen, vgl. (27) und (28). Ramchand zufolge liegt immer ein telisches und punktuelles Ereignis bzw. in der Terminologie von Vendler (1957, 1967) ein achievement vor, wenn eine verbale Wurzel sowohl den proc- als auch den res-Kopf einer Ereignisstruktur lexikalisiert. Hierauf wird in Abschnitt 3.5.2 und 3.5.3.2 noch genauer eingegangen. (25) a. John entered the room. ‚John hat den Raum betreten.‘ b. enter: [initi, proci, resi] (26) a. The mirror shattered. ‚Der Spiegel ist zersprungen.‘ b. shatter: [proci, resi]
3.2 Die geteilte VP
49
(27) a. Karen slept. ‚Karen hat geschlafen.‘ b. sleep: [initi, proci] (28) a. Karen jogged (to the beach). ‚Karen ist zum Stand gejoggt.‘ b. run: [initi, proci] Die Spezifiziererposition der resP wird vom RESULTEE besetzt, d. h. der DP, die den Träger des Resultatzustands bezeichnet, vgl. the bomb in (44) unten oder the mirror in (26) bzw. die entsprechende Struktur in (29). In beiden Fällen hat das Argument eine komplexe Themarolle und ist zugleich RESULTEE und UNDERGOER des Ereignisses. (29)
procP UNDERGOER the mirror
resP
proc shatter
RESULTEE
res
XP
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass Ereignisse, die in Resultatzustände münden, in verschiedenen Sprachen unterschiedlich lexikalisiert werden können. Im Deutschen und im Englischen können Resultativkonstruktionen nach dem Muster Verb + NP + Partikel oder Adjektiv gebildet werden. Über die NP wird von der Partikel bzw. dem Adjektiv ein Zustand prädiziert, der das Resultat des vom Verb bezeichneten Vorgangs darstellt, vgl. (30), (31) und (32). (30) The secretary filed the documents away. ‚Die Sekretärin hat die Dokumente weggeheftet.‘ (31) John hammered the metal flat. ‚John hat das Blech platt geklopft.‘
50
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(32) Mary ran her shoes ragged. ‚Mary hat ihre Schuhe kaputt gelaufen / abgelaufen.‘ In den romanischen Sprachen ist die Bildung solcher Resultativkonstruktionen weitgehend blockiert, vgl. z. B. (33) und (34), was in Ramchands Modell allerdings nicht thematisiert wird (vgl. u. a. Levin & Rapoport 1988, Snyder 2001). (33) Juan golpeó el métalo plano. #‚Juan hat das Blech platt geklopft.‘ einzige zulässige Lesart: ‚Juan hat auf das platte Blech geklopft.‘ (34) *María corrió sus zapatos raídos. ‚María hat ihre Schuhe kaputt gelaufen / abgelaufen.‘ Wichtig ist damit die Feststellung, dass eine Ereignisstruktur im Spanischen meist nur dann eine resP enthalten kann, wenn das Verb selbst im Lexikon für ein resMerkmal spezifiziert ist. Das ist z. B. bei Verben wie romper(se) ‚zerbrechen‘ oder llegar ‚ankommen‘ der Fall.
3.3 Argumente in der geteilten VP Argumentrollen sind durch ihre Position in der syntaktischen Dekompositionsstruktur definiert. Im vorangegangenen Abschnitt wurden bereits der INITIATOR, der UNDERGOER und der RESULTEE berücksichtigt, d. h. die DPn, welche die Spezifiziererposition der initP, der procP bzw. der resP besetzen. In Abschnitt 3.3.1 wird näher darauf eingegangen, dass ein Argument auch das Subjekt mehrerer Teilereignisse sein kann. Ab Abschnitt 3.3.2 wird es um die Komplementpositionen innerhalb der geteilten VP gehen. Anders als Spezifizierer können Komplemente in der FPS nicht nur DPn, sondern auch PPn oder APn sein. Komplemente werden von Ramchand auch als „rhematisch“ bezeichnet, da sie ein Teilereignis modifizieren oder eingrenzen können, während Spezifizierer „thematisch“ sind, da sie stets den Partizipanten bezeichnen, über den ein (Teil-)Ereignis prädiziert wird. Die Begriffe „Thema“ und insbesondere „RHEMA“ werden im Folgenden somit nicht im traditionellen diskurspragmatischen Sinn verwendet, sondern um unterschiedliche Argumente in der verbalen Ereignisstruktur zu bezeichnen.18
18 RHEMATA werden Ramchands Notation folgend durch Kapitälchen markiert.
3.3 Argumente in der geteilten VP
51
3.3.1 Spezifizierer oder „thematische Argumente“ Als Spezifizierer der init-, proc- und resP kommen DPn vor, welche die eigentlichen Ereignispartizipanten bezeichnen. Der Referent der DP ist jeweils das Subjekt oder informationsstrukturell ausgedrückt das Thema, über das etwas ausgesagt wird. Über den INITIATOR wird prädiziert, dass er ein Verursacher oder Träger eines initialen Zustands ist, vgl. (35) und (36). Über den UNDERGOER wird prädiziert, dass sich an ihm der vom Verb bezeichnete Vorgang vollzieht, vgl. (37) und (38), und über den RESULTEE wird ein bestimmter Resultatzustand prädiziert, vgl. (39) und (40) (vgl. Ramchand 2008: Kap. 2). INITIATOR (35) Katherine drove the car. ‚Katherine ist das Auto gefahren.‘ (36) Katherine persuaded John. ‚Katherine hat John überredet.‘ UNDERGOER (37) The prices increased. ‚Die Preise stiegen.‘ (38) Katherine drove the car. ‚Katherine ist das Auto gefahren.‘ RESULTEE19 (39) Ariel gave Mary the ball. ‚Ariel hat Mary den Ball gegeben.‘ (40) Mary ran the shoes threadbare. ‚Mary hat die Schuhe kaputt gelaufen / abgelaufen.‘ Darüber hinaus können Argumentrollen auch komplex sein. Genauso wie eine verbale Wurzel mehrere Teilereignisse lexikalisieren kann, kann auch eine DP an mehreren Teilereignissen beteiligt sein. Beispielsweise ist Peter in (41) und
19 Reine RESULTEES, die nicht auch der UNDERGOER des vom Verb bezeichneten Vorgangs sind, treten vor allem mit ditransitiven Verben und in Resultativkonstruktionen auf. Beide Strukturen werden im Folgenden nicht berücksichtigt.
52
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(42) jeweils gleichzeitig INITIATOR und UNDERGOER des vom Verb bezeichneten Vorgangs. In (43) und (44) sind the plane und the bomb sowohl UNDERGOER als auch RESULTEE des Ereignisses und in (45) und (46) ist John jeweils zugleich INITIATOR, UNDERGOER und RESULTEE des vom Verb bezeichneten Zustandswechsels. INITIATORi-UNDERGOERi (41) Peter jogged. ‚Peter ist gejoggt.‘ (42) Peter slept. ‚Peter hat geschlafen.‘ UNDERGOERi-RESULTEEi (43) The plane crashed. ‚Das Flugzeug ist abgestürzt.‘ (44) The police defused the bomb. ‚Die Polizei hat die Bombe entschärft.‘ INITIATORi-UNDERGOERi-RESULTEEi (45) John arrived. ‚John ist angekommen.‘ (46) John entered the room. ‚John hat den Raum betreten.‘ Die Information, dass dieselbe DP das ‚Subjekt‘ mehrerer Teilereignisse sein kann, ist Ramchand zufolge durch Indizes im Lexikon vermerkt. Genauer formuliert, können die Merkmale, für die ein Verb spezifiziert ist, koindiziert sein, woraus sich ergibt, dass sich die vom Verb bezeichneten Teilereignisse am selben Referenten vollziehen (Ramchand 2008: 60). Die Lexikoneinträge der oben genannten Beispielverben jog, sleep, crash, defuse, arrive und enter können daher wie folgt dargestellt werden: (47) jog, sleep:
[initi, proci]
(48) crash:
[proci, resi]
(49) defuse:
[init, proci, resi]
53
3.3 Argumente in der geteilten VP
(50) arrive, enter: [initi, proci, resi] Die Struktur einer VP mit komplexem DP-Argument ist an Beispiel (46) in (51) illustriert. Die DP John besetzt die Spezifiziererposition aller drei Teilereignisse. John ist also sowohl INITIATOR als auch UNDERGOER und RESULTEE des Ankommen-Ereignisses. Anders gesagt vollzieht er eine Handlung, die ihn selbst betrifft, und durch die er einen Resultatzustand, hier ein örtliches Ziel, erreicht. (51)
initP
INITIATOR John
procP
init enter
UNDERGOER
resP
proc
RESULTEE
res
XP
the room
3.3.2 Komplemente oder „rhematisches Material“ Eine Auffälligkeit von (51) besteht darin, dass die DP the room die Komplementposition der resP besetzt, was sich wie folgt erklärt: Die DP the room ist nicht der Träger des Resultatzustands, sondern Teil der Beschreibung des Zustands. Der Zustandsträger, also das Subjekt der resP, ist John. Derartige XPn in Komplementpositionen werden von Ramchand als ‚rhematisches Material‘ bezeichnet. Unter diesen Begriff fallen alle Entitäten, die ein bestimmtes Teilereignis modifizieren oder begrenzen können. Durch ein RHEMA wird kein weiteres Teilereignis hinzugefügt, sondern ein bereits vorhandenes Teilereignis konkretisiert. Insofern ist mit RHEMA zwar im weitesten Sinn neue oder zusätzliche Information gemeint, allerdings sind auch RHEMATA syntaktisch über ihre Position in der geteilten VP definiert, nämlich als Komplemente von init, proc oder res. In der Komplementposition von proc kann ein PFAD-Komplement stehen, das den Vorgang mitbeschreibt und ggf. eingrenzt. Beispielsweise sind die PP
54
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
towards the beach und die DP a mile in (52) und (53) PFAD-Komplemente, die das vom Verb bezeichnete Bewegungsereignis näher beschreiben. Die FPS von (53) ist somit wie in (54) aufgebaut. (52) Susan walked towards the beach. ‚Susan ist in Richtung Strand gegangen.‘ (53) Alex ran a mile. ‚Alex ist eine Meile gelaufen.‘ (54)
initP INITIATOR Alex
init run
procP UNDERGOER
proc
PFAD
a mile
Auch die Komplementposition der resP kann durch eine rhematische Konstituente besetzt werden, die Ramchand als RESULTAT-RHEMA bezeichnet. Ein RESULTAT-RHEMA ist jede XP, die das Resultat spezifiziert. Beispielsweise beschreibt die PP at the station in (55) das Resultat des Ankommen-Ereignisses. Die AP open in (56) spezifiziert den Resultatzustand, der sich aus dem Zerbrechen-Ereignis ergibt, für die entsprechende syntaktische Struktur siehe (57). (55) The train arrived at the station. ‚Der Zug kam am Bahnhof an.‘ (56) John broke the box open. ‚John hat die Kiste aufgebrochen.‘
3.4 Telizität
(57)
55
initP
INITIATOR John
init
procP
break UNDERGOER the box
proc
resP
RESULTEE
res
RESULTATS-RHEMA
open
Auch der init-Kopf kann ein rhematisches Komplement nehmen, was allerdings nur mit stativen Verben möglich ist, die keine Veränderung ausdrücken und daher auch kein proc-Merkmal tragen. Ich werde hierauf kurz in Abschnitt 3.5.5 eingehen.
3.4 Telizität In Bezug auf Telizität ist vor allem der Hinweis wichtig, dass nicht nur bestimmte PFAD-Komplemente ein Ereignis begrenzen können, sondern dass ein grenzbezogenes Ereignis auch durch Einbettung einer resP entstehen kann. Der Unterschied zwischen PFAD-Komplementen und resPn besteht darin, dass PFAD-Komplemente nicht zwingend Telizität hervorrufen. Es hängt von der Begrenztheit des PFADS ab, ob die VP telisch oder atelisch ist, vgl. (58) gegenüber (59) (zum Zeitadverbialtest vgl. S. 59 unten). Ereignisstrukturen mit resP sind hingegen zwingend telisch und Telizität ergibt sich nicht erst aus der Interaktion zwischen Verbbedeutung und einer XP mit bestimmten Eigenschaften. Beispielsweise sind beide Varianten von (60) telisch, unabhängig davon, ob das direkte Objekt ein begrenztes Individuum oder eine nicht begrenzte Masse bezeichnet, vgl. (60)a vs. b. Auch beide Varianten von (61) sind telisch, d. h. das Ereignis wird nicht erst durch Hinzufügung der AP open begrenzt. Die resultative Komponente ist bereits in der Bedeutung von break angelegt. Die AP spezifiziert den Resultatzustand lediglich genauer und kann daher auch als ‚pseudo-resultativ‘ bezeichnet werden.
56
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(58) Michael drove to Edinburgh {in two hours / *for two hours}. ‚Michael ist in zwei Stunden / zwei Stunden lang nach Edinburgh gefahren.‘ (59) Michael drove towards Edinburgh {*in two hours / for two hours}. ‚Michael ist in zwei Stunden / zwei Stunden lang Richtung Edinburgh gefahren.‘ (60) a. They found the treasure {in three hours / *for three hours}. ‚Sie fanden den Schatz in drei Stunden / drei Stunden lang.‘ b. They found gold {in three hours / #for three hours}.20 ‚Sie fanden in drei Stunden / drei Stunden lang Gold.‘ (61) a. John broke the box {in two minutes / *for two minutes}. ‚John hat die Kiste in zwei Minuten / zwei Minuten lang zerbrochen.‘ b. John broke the box open {in two minutes / *for two minutes}. ‚John hat die Kiste in zwei Minuten / zwei Minuten lang aufgebrochen.‘ Telizität kann also durch unterschiedliche Konfigurationen der VP zustandekommen, d. h. durch ein begrenztes PFAD-Komplement, vgl. (62) oder eine resP, vgl. (63). (62) Construyeron esta casa {en dos años / *durante dos años}. ‚Sie haben dieses Haus in zwei Jahren / zwei Jahre lang gebaut.‘ (63) Encontraron {oro / el tesoro} {en dos horas / *durante dos horas}. ‚Sie haben in zwei Stunden / zwei Stunden lang Gold / den Schatz gefunden.‘ Ein Vorteil von Ramchands Ansatz ist darin zu sehen, dass klar zwischen Atelizität und anderen Formen unbegrenzter Lesarten unterschieden wird, die nichts mit der Semantik des Verbs und Ereignisstruktur im engeren Sinn zu tun haben. Strenggenommen sind Zeitdaueradverbiale wie for an hour nicht nur mit atelischen VPn kompatibel, denn prinzipiell kann jedes Ereignis iteriert werden, so dass eine telische VP eine unbegrenzte Lesart erhält. Beispielsweise sind die a-Varianten von (64) und (65) telisch und das Zeitdaueradverbial for {years / hours} daher
20 (60)b ist nur in einer iterativen Lesart akzeptabel, die nahelegt, dass über einen Zeitraum von drei Stunden mehrfach Gold gefunden wird, zu iterativen Lesarten und der Kompatibilität mit Zeitdaueradverbialen s. u.
3.4 Telizität
57
inakzeptabel. In den b-Varianten ist das Zeitdaueradverbial hingegen akzeptabel, weil eine iterative Lesart vorhanden ist, die in (64)b durch ein pluralisches Subjekt und in (65)b durch ein pluralisches Objekt ausgelöst wird. (64) a. The tourist arrived at this spot {?for hours}. ‚Der Tourist ist stundenlang an dieser Stelle angekommen.‘ b. Tourists arrived at this spot for hours. ‚An dieser Stelle sind stundenlang Touristen angekommen.‘ (65) a. Peter ate the TV dinner {in five minutes /*for five minutes}. ‚Peter hat das Fertiggericht in fünf Minuten / fünf Minuten lang gegessen.‘ b. Peter ate TV dinners for years before learning how to cook. ‚Peter hat jahrelang Fertiggerichte gegessen, bevor er gelernt hat, zu kochen.‘ Die b-Varianten drücken aus, dass sich ein begrenztes Ereignis an jedem Element der Pluralmenge vollzieht. Da aber die Anzahl der Elemente in der jeweiligen Menge unbestimmt ist, ergeben sich unbegrenzt-iterative Lesarten. (64)b bedeutet, dass über Jahre Ankommen-Ereignisse stattgefunden haben, deren Anzahl nicht spezifizierbar ist, weil die Anzahl der Touristen unbekannt ist. (65)b drückt aus, dass eine nicht bestimmbare Anzahl von Essen-Ereignissen stattgefunden hat. Auch telische VPn können folglich unbegrenzte Lesarten erhalten, was dazu führt, dass das Zeitadverbial for an hour akzeptabel wird. Ramchand weist darauf hin, dass derartige iterative Lesarten prinzipiell für alle Verbklassen verfügbar und nicht von einem bestimmten Ereignistyp abhängig sind: This [= iteration] is, I believe, a completely independent phenomenon, as evidenced by its generality: the unboundedness emerges not because of the homogeneity of the core event, but because the core event is being indefinitely repeated/iterated once each for every individual within the plural set. […] The iteration of fully formed events is a case of external aspect, which needs to be excluded when analysing the phenomenon of aktionsart or event building that will be the job of the lowest portion of the clause. (Ramchand 2008: 31)
Ramchands Unterscheidung wird im Folgenden übernommen, da sie berücksichtigt, dass sich mit dem Zeitdaueradverbialtest nicht nur Telizität, sondern auch andere Formen von zeitstruktureller Unbegrenztheit diagnostizieren lassen, wie auch die spanischen Beispiele (66) und (67) illustrieren. In beiden Fällen sind telische VPn vorhanden, die dennoch ein Zeitdaueradverbial erlauben. Allerdings zeigen die Beispiele auch, dass eine unbegrenzte Lesart nicht nur durch ein pluralisches Argument zustande kommen kann. Eine iterativ-unbe-
58
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
grenzte Lesart, die prinzipiell unabhängig von der Verbsemantik ist, kann auch allein durch ein Adverbial wie durante (años/meses) ausgelöst werden. (66) Golpeó a su perro durante años hasta que éste le mordió.’ ‚Er hat jahrelang seinen Hund geschlagen, bis dieser ihn gebissen hat.‘ (67) Fue al médico durante meses antes de recibir un diagnóstico definitivo. ‚Er ist monatelang zum Arzt gegangen, bevor er eine sichere Diagnose erhalten hat.‘
3.4.1 PFAD-Komplemente Das Ziel dieses Abschnitts besteht darin, die bereits erwähnten PFAD-Komplemente präziser zu beschreiben. Da Ramchand den PFAD-Begriff sehr weit fasst, stellen PFADE einen wesentlichen Komplementtyp dar. Das unproblematischste Szenario ist, dass eine PP einen räumlichen PFAD bezeichnet, entlang dessen sich ein bestimmtes Bewegungsereignis vollzieht, vgl. (52) oben. Bekanntlich unterscheiden sich Sprachen darin, wie sie die Bestandteile von Bewegungsereignissen ausdrücken. Ausgehend von der Frage, wie der PFAD, auf dem sich eine Entität bewegt, versprachlicht wird, hat sich basierend auf Talmy (1978, 1985 u. a.) die Unterscheidung zwischen satellite-framed-languages und verbframed-languages etabliert. In satellite-framed languages wie dem Englischen drückt das Verb häufig die Art und Weise der Bewegung aus, während der PFAD z. B. durch eine PP realisiert werden kann, vgl. (68)a. In verb-framed languages wie dem Spanischen wird der PFAD hingegen oft vom Verb selbst lexikalisiert, vgl. (68)b. Verben der Bewegungsart erlauben in diesen Sprachen mit räumlichen PPn oft nur eine reine lokative Lesart, aber keine Pfad-Interpretation, vgl. (69)a vs. b (vgl. u.v.a. Aske 1989, Fábregas 2007, Martínez Vázquez 2015, Slobin 1996). (68) a. The bottle floated into the cave. b. La botella entró en la cueva flotando. Die Flasche betrat PRÄP die Höhle treibend ‚Die Flasche trieb in die Höhle.‘ (69) La botella flótó en la cueva. a. ‚Die Flasche trieb in der Höhle.‘ (lokativ) b. #‚Die Flasche in die Höhle.‘ (direktional)
3.4 Telizität
59
Eine grundlegende Eigenschaft von PFAD-PPn besteht darin, dass sie ein Bewegungsereignis begrenzen können, indem sie das Ziel der vom Verb bezeichneten Bewegung benennen. PFAD-PPn können somit bestimmen, ob eine VP telisch oder atelisch ist. Zur Überprüfung von Telizität steht eine Fülle von Tests zur Verfügung, von denen ich im Folgenden den Zeitadverbialtest verwenden werde (vgl. Dowty 1979: 60, Vendler 1957, 1967). VPn, die telische Situationen bezeichnen, sind mit Zeitrahmenadverbialen wie in x Stunden kompatibel, vgl. (70)a, während VPn, die atelische Situationen bezeichnen, mit Zeitdaueradverbialen wie x Stunden lang kombiniert werden können, vgl. (70)b. Aus semantischer Sicht ist das Abschreiten des Pfades in (70) homomorph zum Gesamtereignis. Bezeichnet der PFAD wie in (70)a eine Grenze, ist das gesamte Ereignis begrenzt. Ist der PFAD hingegen unbegrenzt, weil die PP nur eine Richtung angibt, ist auch das Ereignis nicht begrenzt. (70) a. John ran to the beach {in two hours / *for two hours} ‚John ist in zwei Stunden / zwei Stunden lang zum Strand gelaufen.‘ b. John ran towards the beach {*in two hours / for two hours}. ‚John ist in zwei Stunden / zwei Stunden lang in Richtung Strand gelaufen.‘ PFADE sind in der FPS immer das Komplement von proc, vgl. (71). Ramchands Ansatz stimmt hier mit anderen syntaktischen Modellen überein, in denen PFADoder Ziel-PPn als Komplement von V, also in der inneren VP, verortet werden (vgl. u. a. Hale & Keyser 1993, Harley 2011, Larson 1988). (71)
initP INITIATOR John
init' init
procP
run UNDERGOER
proc' proc
PFAD
to the beach
Eine Besonderheit bei Ramchand besteht darin, dass der PFAD-Begriff nicht nur auf räumliche Pfade und Bewegungsereignisse angewendet wird, sondern auf alle Arten von Konstituenten, die ein Ereignis begrenzen können, aber nicht
60
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
müssen. Wichtig sind vor allem sogenannte Konsumptions- und Kreationsverben wie eat, drink oder build, die seit Dowty (1991) häufig als „inkrementelle-ThemaVerben“ bezeichnet werden. Betrachten wir als Beispiel (72). Der Zeitadverbialtest zeigt, dass die a-Variante des Satzes atelisch und die b-Variante telisch ist. In (72)a ist das direkte Objekt ein Massennomen, das eine nicht begrenzte Substanz bezeichnet, und zu einer atelischen VP führt. In (72)b ist das direkte Objekt hingegen eine volle DP, die ein begrenztes Individuum benennt und eine telische VP ergibt. (72) a. Michael ate porridge {for ten minutes / ?in ten minutes}. ‚Michael hat zehn Minuten lang / in zehn Minuten Porridge gegessen.‘ b. Michael ate the apple {?for ten minutes / in ten minutes}. ‚Michael hat den Apfel zehn Minuten lang / in zehn Minuten gegessen.‘ Das Ereignis einen Apfel essen wird durch die Teil-Ganzes-Struktur des Apfels begrenzt. Das letzte Stück des Apfels stellt gewissermaßen die Begrenzung des Ereignisses dar. Das Ereignis Porridge essen hat hingegen keine Begrenzung, da porridge auf eine Substanz ohne mereologische Struktur verweist. Mit direkten Objekten von Verben wie essen kann man daher ähnlich wie bei PFADEN und Bewegungsereignissen von einem Homomorphismus zwischen der Struktur des Arguments und der Struktur des Ereignisses sprechen.21 Diese semantische Parallele wird von Ramchand berücksichtigt, indem direkte Objekte von Verben wie essen ebenfalls als Komplemente von proc repräsentiert werden, vgl. (73). (73)
initP INITIATOR Michael
init eat
procP UNDERGOER
proc
PFAD
porridge / the apple
21 Zum „Objekt-Ereignis-Homomorphismus“ existiert eine umfangreiche semantische Forschungsliteratur, auf die im Folgenden nicht genauer eingegangen wird (vgl. u. a. Dowty 1979, Krifka 1989, Verkuyl 1972).
3.4 Telizität
61
PFADE können folglich PPn wie in (70), DPn bzw. NPn wie in (72) (oder je nach Sprache auch APn) sein und sowohl „echte Argumente“ als auch fakultative „Adjunkte“ darstellen. In der FPS sind sie immer das Komplement von proc. Ihre semantische Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie festlegen, ob die VP atelisch oder telisch ist. Ramchand subsumiert alle Arten von XPn unter den PFAD-Begriff, deren Bedeutung eine Teil-Ganzes-Struktur enthält, die auf das Ereignis übertragbar ist: We define a thematic role path, which is the relation that holds between an entity and an event, if a monotonic property of that entity is monotonic with respect to the part-whole structure of the event as well. (Ramchand 2008: 50)
3.4.2 Zwei Arten direkter Objekte: PFADE vs. UNDERGOER Unter Berücksichtigung der PFAD-Definition lassen sich nun zwei Arten von Argumenten in der procP unterscheiden, die im Aktivsatz als direktes Objekt realisiert werden können. Zum einen kennen wir bereits den UNDERGOER, also die DP in Spec,procP, über deren Referenten prädiziert wird, dass sich an ihm der vom Verb bezeichnete Vorgang vollzieht, vgl. sand und the cart in (74)a und b. Während sand eine unbegrenzte Masse bezeichnet, benennt die DP the cart ein begrenztes Individuum. Die VP ist in beiden Fällen, also unabhängig von der (Un-)Begrenztheit der UNDERGOER-DP, atelisch. Anders gesagt, hat die Atelizität in (74)a und b nichts mit den Nominalreferenzeigenschaften des direkten Objekts zu tun. Das Ereignis kann ggf. nur durch eine andere Konstituente, nämlich eine PFAD-PP, begrenzt werden, vgl. (74)c und d. Die syntaktische Struktur ist in (75) illustriert. (74) a. John pushed sand {for ten minutes / ?in ten minutes}. ‚John hat zehn Minuten lang / in zehn Minuten Sand geschoben.‘ b. John pushed the cart {for ten minutes / ?in ten minutes}. ‚John hat zehn Minuten lang / in zehn Minuten den Wagen geschoben.‘ c. John pushed sand towards the store {for ten minutes / ?in ten minutes}. ‚John hat Sand zehn Minuten lang / in zehn Minuten in Richtung Geschäft geschoben.‘ d. John pushed the cart to the store {?for ten minutes / in ten minutes}. ‚John hat den Wagen zehn Minuten lang / in zehn Minuten zum Geschäft geschoben.‘
62
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(75)
initP INITIATOR Mary
init push
procP UNDERGOER the cart
proc
PFAD
towards / to the store
Ein anderes Verhalten im Hinblick auf Telizität zeigen direkte Objekte wie in (72), wiederholt als (76). Sie bestimmen durch ihre Nominalreferenzeigenschaften, ob die VP telisch oder atelisch ist, vgl. (76)a vs. b. Porridge und the apple werden von Ramchand daher nicht als UNDERGOER, sondern als PFADE klassifiziert und nicht in der Spezifizierer-, sondern in der Komplementposition der procP verortet, vgl. (73) oben. (76) a. Michael ate porridge {for ten minutes / ?in ten minutes}. Michael hat zehn Minuten lang / in zehn Minuten Porridge gegessen.‘ b. Michael ate the apple {?for ten minutes / in ten minutes}. ‚Michael hat den Apfel zehn Minuten lang / in zehn Minuten gegessen.‘ Dem tieferen Argument transitiver Verben werden damit verschiedene Positionen in der FPS zugeordnet. Das tiefere Argument von Verben wie push kann keine Telizität hervorrufen und ist in Ramchands Modell ein UNDERGOER in Spec, procP. Das tiefere Argument von Verben wie eat wird hingegen als Ereignis-PFAD und somit als Komplement von proc definiert, da es bestimmt, ob die VP atelisch oder telisch ist. Ramchand nimmt weiterhin an, dass alle Spezifizierer- bzw. Subjektpositionen besetzt sein müssen und ein dynamisches Verb somit immer eine UNDERGOER-DP selegiert. Ist das tiefere Argument allerdings wie in (76) ein PFAD, scheint die UNDERGOER-Position unbesetzt zu sein. Ramchand nimmt in diesen Fällen an, dass der INITIATOR –also in (76) Michael – gleichzeitig der UNDERGOER des Essen-Ereignisses ist und somit eine komplexe Argumentrolle zustande kommt, vgl. noch einmal (73). Einen empirischen Hinweis auf eine Referenzidentität von INITIATOR und UNDERGOER findet man evtl. im Spanischen. Wenn ein direktes Objekt einen PFAD darstellt, kann das Verbalklitikon se auftreten, das mit der INITIATOR-DP referenzidentisch ist, vgl. (77)a. Allerdings ist das Klitikon nicht generell mit
3.4 Telizität
63
direkten Objekten in Form von PFAD-Komplementen zulässig, sondern nur mit begrenzten PFADEN, also z. B. nicht mit einem Massennomen wie azúcar in (77)b (vgl. u. a de Miguel 2004, de Miguel & Fernández Lagunilla 2000). (77) a. Migueli sei comió una manzana. Miguel sich aß einen Apfel b. Migueli (*sei) comió azúcar. Miguel sich aß Zucker ‚Miguel hat einen Apfel/Zucker gegessen.‘ Weiterhin ergibt sich aus Ramchands Unterscheidung von direkten Objekten folgende Vorhersage: Ein direktes Objekt, das ein PFAD-Komplement ist, sollte nicht in Kombination mit einer PFAD-PP zulässig sein, da beide Konstituenten dieselbe Strukturposition besetzen würden, nämlich Komplemente von proc wären. Ob diese Vorhersage zutrifft, ist eine empirische Frage, die einzelsprachlich überprüft werden muss. (78) ist ein Beispiel aus dem Englischen, in dem sie nicht zutrifft. (78) I read the book (through) to the end. (Bruening 2010: 263) ‚Ich habe das Buch bis zum Ende (durch)gelesen.‘ Durch Ramchands Unterscheidung von PFAD- und UNDERGOER-Objekten wird dargestellt, dass nur bestimmte Verben direkte Objekte selegieren, die das Ereignis begrenzen können, während andere Verben direkte Objekte nehmen, die keine Auswirkungen auf Telizität haben. Allerdings differenziert Ramchand hier nicht auf lexikalischer Ebene. Sowohl Verben mit UNDERGOER-Objekt als auch solche mit PFAD-Objekt haben ihr zufolge Lexikoneinträge wie (79) und (80). (79) push: [init, proc] (80) eat: [init, proc] Eigentlich müssten das init- und das proc-Merkmal bei Verben wie eat in (80) jedoch koindiziert sein, da nur so ein komplexes INITIATOR-UNDERGOER-Argument zustandekommen kann und das zweite Argument nicht in die Spezifizierer-, sondern die Komplementposition der procP eingefügt werden muss und damit ein PFAD ist. Ich werde im Folgenden daher einen Lexikoneintrag mit Koindizierung annehmen, vgl. (81). Diese Modifizierung führt jedoch dazu, dass transitive Verben mit PFAD-Argument (inkrementelle-Thema-Verben) denselben Lexikoneintrag erhalten wie intransitive Verben, vgl. (82), was unter dem Aspekt problematisch
64
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
sein könnte, dass der PFAD eines intransitiven Verbs (meist) nicht als direktes Objekt realisiert werden kann, vgl. (83). (81) eat: [initi, proci] (modifizierter Lexikoneintrag) (82) jog: [initi, proci] (83) Karen jogged (*Michael / the whole marathon). ‚Karen joggte Michael / den ganzen Marathon.‘ Ramchands Modell beinhaltet wie viele chomskyanische Ansätze keine expliziten Linking-Regeln, die die Abbildung von syntaktisch-semantischen Argumenten auf grammatische Funktionen festlegen, was für die Fragestellungen dieser Arbeit jedoch nicht weiter relevant ist.
3.5 Verbklassen und Argumentrollen Die FPS dient der weiteren Diskussion als Modell für die Unterscheidung von Verbklassen und Argumenten sowie als Ausgangspunkt für die Frage, von welchen Ereignistypen im Spanischen NI gebildet werden können. Gemäß Ramchands Systematik werden die Verben danach unterschieden, für welches Merkmal bzw. welche Kombinationen der Merkmale init, proc und res sie im Lexikon spezifiziert sind, woraus zunächst fünf mögliche Klassen resultieren, vgl. Tabelle 2. Tabelle 2: Verbklassen nach Ramchand (2008). Lexikalische(s) Merkmal(e) der Verbwurzel
Beispiele
1)
[init, proc]
sleep ‚schlafen‘, push ‚schieben‘, eat ‚essen‘
2)
[init, proc, res]
arrive ‚ankommen‘, find ‚finden‘, kill ‚töten‘
3)
[proc, res]
break ‚zerbrechen‘, crash ‚knallen; abstürzen (lassen)‘, shatter ‚zerspringen/zertrümmern‘
4)
[proc]
roll ‚rollen‘, increase ‚ansteigen/anheben‘, lengthen ‚(sich) verlängern‘
5)
[init]
love ‚lieben‘, fear ‚fürchten‘, hate ‚hassen‘
Nach Anzahl und Art der Argumentpositionen werden die in Tabelle 2 aufgeführten Klassen in weitere Unterklassen gegliedert. Der weitere Abschnitt orien-
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
65
tiert sich dabei an Kapitel 4 aus Ramchand (2008). Der Klarheit halber sind die bisher besprochenen Argumentpositionen der FPS in Tabelle 3 noch einmal zusammengefasst (für eine ähnliche Übersicht vgl. Harley 2011). In der linken Spalte steht jeweils die Position in der Dekompositionsstruktur, in der mittleren Spalte das Label, das Ramchand für diese Position verwendet. In der rechten Spalte stehen alternative und zum Teil geläufigere Rollenlabel, soweit sie sich zu den Positionen in der FPS in Beziehung setzen lassen. Tabelle 3: Argumentpositionen in der geteilten VP.22 Syntaktische Position
Label
Alternative Bezeichnungen
Spec,initP
INITIATOR
≈ Agens, Verursacher; Instrument
Spec,procP
UNDERGOER
≈ Patiens, Thema
Spec,resP
RESULTEE
≈ Ziel, Rezipient
Komplement – procP
PFAD
≈ Ziel, Weg; inkrementelles Thema
Komplement – resP
RESULTAT-RHEMA
≈ Lokation; Ziel
In den folgenden Abschnitten werden die Verben und Argumente, die sich nach Ramchands Systematik unterscheiden lassen, im Einzelnen vorgestellt und an Beispielen aus dem Englischen und Spanischen illustriert. Für die Diskussion von NI werden insbesondere diejenigen Verben eine Rolle spielen, die für ein init- und ein proc-Merkmal spezifiziert sind. Verbklassen mit einer res-Komponente werden ebenfalls thematisiert, sind jedoch nicht Teil der experimentellen Untersuchung. Außerdem wird es im Folgenden nur um das einzige Argument intransitiver Verben sowie um das höhere und das tiefere Argument (mono-)transitiver Verben gehen, d. h. diejenigen Argumente, die dem Subjekt- und ggf. dem direkten Objekt im finiten Aktivsatz entsprechen. Kapitel 4 gibt im Anschluss einen Überblick über NI und behandelt die Frage, welche der hier behandelten Verbklassen als Nominalisierungsbasis in Frage kommen.
22 Nicht aufgeführt ist hier die Position Komplement – initP, die ausschließlich für stative Verben relevant ist, vgl. Abschnitt 3.5.5.
66
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
3.5.1 Initiation-process-Verben Init-proc-Verben bezeichnen immer sowohl Verursachung als auch einen Vorgang und sind daher im Lexikon für beide Merkmale spezifiziert. Innerhalb dieser Klasse lassen sich transitive und intransitive Verben unterscheiden, vgl. Tabelle 4. Tabelle 4: Init-proc-Verben. Lexikalische Merkmale Argumente der Verbwurzel
Beispiele
(i)
INITIATOR-UNDERGOER
jog/correr ‚rennen, joggen‘, cry/llorar ‚weinen‘
(ii) [init, proc]
INITIATOR, UNDERGOER
push/empujar ‚schieben‘, use/usar ‚benutzen‘
(iii) [initi, proci]
INITIATOR-UNDERGOER, eat/comer‚essen‘, PFAD read/leer ‚lesen‘
[initi, proci]
Gruppe (i) beinhaltet intransitive Verben, bei denen das Subjekt der initP zugleich das Subjekt der procP ist. Die Entität, die den Vorgang verursacht, ist also gleichzeitig die Entität, an der sich der Vorgang vollzieht. In diese Gruppe fallen z. B. Verben der Bewegungsart wie run/correr, vgl. (84), oder Geräuschäußerungsverben wie cry/llorar. Gruppe (ii) umfasst transitive Verben, bei denen das Subjekt der initP und das Subjekt der procP unterschiedliche DPn sind. Hierzu gehören u. a. Aktivitätsverben wie push/empujar oder use/usar, vgl. (85). Gruppe (iii) umfasst die init-proc-Verben, deren direktes Objekt das Ereignis begrenzen kann. Wie in 3.4.2 dargelegt, geht Ramchand davon aus, dass INITIATOR und UNDERGOER in diesem Fall referenzidentisch sind und das direkte Objekt ein PFADKomplement darstellt, vgl. eat/comer oder read/leer. Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass init-proc-Verben keine Kausativalternation erlauben. Die intransitiven Verben sind nicht kausativierbar, vgl. (84), und zu den transitiven Verben existieren keine intransitiven Entsprechungen, die nur den Vorgang an sich bezeichnen, vgl. (85) und (86). Die spanischen Varianten von (85)b und (86)b sind zwar keine ungrammatischen Sätze, können aber nicht als antikausative Verwendung eines alternierenden Verbs, sondern nur als Passiv- oder Medialkonstruktionen interpretiert werden. Die antikausativen Varianten alternierender Verben können auf Grund des Klitikons se mit Passiv- und Medialformen morphologisch identisch sein. Ein klarer semantischer Unterschied besteht aber darin, dass bei Passiv- und Medialkonstruktionen ein impliziter INITIATOR bzw. ein Agens mitver-
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
67
standen wird, was bei antikausativen Verben nicht der Fall ist (vgl. Schäfer (2009) für Unterscheidungstests, Mendikoetxea (1999, 2012) zum Spanischen). (84) a. en Anna jogged. sp. Ana corrió. ‚Anna joggte.‘ b. en. *Laura jogged Anna. sp. *Laura corrió a Ana. ‚Laura joggte Anna.‘ (85) a. en. John pushed the cart. sp. Juan empujó el carro. ‚John schob den Wagen.‘ b. en. *The cart pushed. sp. #El carro se empujó.‘ ‚Der Wagen schob sich.‘ (86) a. en. Anna read the book. sp. Ana leyó el libro. ‚Anna las das Buch.‘ b. en. The book read *(easily). sp. #El libro se leyó. ‚Das Buch hat sich gelesen.‘
3.5.2 Initiation-process-result-Verben Init-proc-res-Verben sind im Lexikon für alle drei Merkmale spezifiziert und können sowohl transitiv als auch intransitiv sein, vgl. Tabelle 5. Auch dreiwertige bzw. ditransitive Verben wie give/dar oder put/poner gehören in diese Klasse, bleiben im Folgenden aber unberücksichtigt. Betrachten wir zunächst Gruppe (i). Das direkte Objekt transitiver init-proc-resVerben ist sowohl das Subjekt des Vorgangs als auch das Subjekt des Resultats, vgl. (87). Bei intransitiven Verben aus Gruppe (ii) haben alle drei Teilereignisse dasselbe Subjekt, so dass INITIATOR, UNDERGOER und RESULTEE referenzidentisch sind, vgl. (88).
68
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
Tabelle 5: Init-proc-res-Verben.23 Lexikalische Merkmale der Verbwurzel
Argumente
Beispiele
(i)
[init, proci, resi]
INITIATOR, UNDERGOER-RESULTEE
find/encontrar ‚finden‘, defuse ‚entschärfen‘, apagar ‚ausschalten‘
(i)
[initi, proci, resi]
INITIATOR-UNDERGOERRESULTEE
arrive/llegar ‚ankommen‘, die/morir ‚sterben‘, explotar ‚explodieren‘
(87) en They found the treasure. sp. Encontraron el tesoro. ‚Sie fanden den Schatz.‘ (88) en. Michael arrived. sp. Miguel llegó. ‚Michael ist angekommen.‘ Kennzeichnend für init-proc-res-Verben ist, dass der Resultatzustand vom Verb selbst impliziert wird und nicht erst durch Hinzufügung von Argumenten hinzukommt. In Bezug auf die zeitliche Struktur nimmt Ramchand an, dass alle Verben dieser Klasse punktuelle Ereignisse bezeichnen: When a single lexical item identifies both proc and res, […], the event expressed is punctual. I claim that this is because when a single tense carrying verb identifies both an initiational state and the result state, all three subevents must be interpreted as overlapping. This means in turn that the process portion is reduced to a single instantaneous change. (Ramchand 2008: 77)
Die Unterscheidung zwischen durativen und punktuellen Ereignissen wird in der FPS damit folgendermaßen dargestellt: Wenn ein Verb selbst nur einen Vorgang bezeichnet, trägt es ein proc-Merkmal und es ergibt sich eine durative Ereignisstruktur. Wenn ein Verb hingegen ein telisches und punktuelles Ereignis bezeichnet, ist es lexikalisch sowohl für einen proc- als auch res-Merkmal
23 Wenn sich ein Verb im Englischen und seine Entsprechung im Spanischen gleich verhalten und dieselbe Merkmalsspezifizierung tragen, werden im Folgenden beide Formen genannt. In manchen Fällen wird allerdings nur ein spanisches oder ein englisches Beispiel angeführt, um eine bestimmte Verbklasse zu exemplifizieren. Beispielsweise ist sp. explotar ein Beispiel für ein [initi, proci, resi]-Verb, en. explode jedoch nicht, da das Verb im Englischen sowohl kausativ als auch antikausativ verwendet werden und daher kein [init]-Merkmal tragen kann.
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
69
spezifiziert. Zwingend telische und nicht-punktuelle Ereignisse sind in Ramchands Systematik damit nicht vorgesehen. Ein Verb ist ihr zufolge entweder durativ und im Hinblick auf Telizität flexibel oder punktuell und zwingend telisch. Möglicherweise ist dies eine Übergeneralisierung, da telische Verben zwar oft, aber nicht zwingend punktuell sind. Ich werde hierauf im Zusammenhang mit NI in Abschnitt 4.1.2 zurückkommen. Punktuelle und durative Verben unterscheiden sich grundsätzlich darin, dass sie verschiedene Interpretationen von Zeitrahmenadverbialen hervorrufen (vgl. Dowty 1979: 60). Mit durativen Verben bezieht sich ein Adverbial wie in sechs Stunden auf die Dauer des vom Verb bezeichneten Ereignisses, vgl. (89). Mit punktuellen Verben referiert es hingegen auf den Zeitraum, der dem vom Verb bezeichneten Ereignis vorausgeht, vgl. (90). (89) The group climbed the mountain in six hours. ‚Die Gruppe hat den Berg in sechs Stunden erklommen.‘ (90) The group reached the summit in six hours. (≈ after six hours) ‚Die Gruppe hat den Gipfel in sechs Stunden erreicht.‘ (≈ ‚nach sechs Stunden‘) Das Vorhandensein einer res-Komponente lässt sich daran erkennen, dass die Verben dieser Klasse in der Regel telisch sind, vgl. (91). Gemäß der zu Grunde liegenden Systematik müssen sie außerdem ein init-Merkmal tragen, da keine Kausativalternation vorhanden ist, vgl. (92) und (93). (91) en. They found gold / the treasure {*for two minutes / in two minutes}. sp. Encontraron oro / el tesoro {*durante dos minutos / en dos minutos}. ‚Sie haben (zwei Minuten lang / in zwei Minuten) Gold / den Schatz gefunden.‘ (92) en. *The treasure found. sp. #El tesoro se encontró. ‚Der Schatz hat sich gefunden.‘ (93) en. *Susan arrived Michael. sp. *Susana llegó a Miguel. ‚≈Susana hat Miguel angekommen.‘
70
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
3.5.3 Verben ohne initiation-Merkmal: Zu Kausativalternation und Unakkusativität Nicht berücksichtigt wurden bisher Verben ohne init-Merkmal. Wie bereits erwähnt, sind das in Ramchands Modell all diejenigen, die Kausativalternation erlauben. Die semantischen, syntaktischen und morphologischen Aspekte dieses Phänomenbereichs sind Gegenstand umfangreicher Forschung und kontroverser Diskussionen (vgl. Schäfer 2009 für einen Überblick). Sprachen unterscheiden sich unter anderem darin, wie sie die Varianten morphologisch markieren (vgl. Haspelmath 1993).24 Das Spanische ist eine Sprache, in denen ein Teil der antikausativen Verben morphologisch explizit markiert wird. Während z. B. die antikausative Variante des Verbs romper durch se gekennzeichnet ist, sind die kausative und die antikausative Variante des Verbs cambiar morphologisch identisch, vgl. (94) gegenüber (95). (94) a. Catarina rompió la pala. ‚Catarina hat den Stock zerbrochen.‘ b. La pala se rompió. ‚Der Stock ist zerbrochen.‘ (95) a. La comisión ha cambiado las condiciones de participación. ‚Die Kommission hat die Teilnahmebedingungen geändert.‘ b. Las condiciones de participación han cambiado. ‚Die Teilnahmebedingungen haben sich geändert.‘ In der theoretisch orientierten Forschungsliteratur wird die Kausativalternation unterschiedlich erklärt, wobei es stets um die Frage geht, ob die antikausative Variante von der kausativen abgeleitet wird oder umgekehrt.25 Die FPS gehört
24 In manchen Sprachen (z. B. Englisch) sind beide Varianten morphologisch identisch. In einigen Sprachen (z. B. Polnisch) wird die antikausative Verwendung morphologisch markiert, während in anderen (z. B. Hindi) die kausative Verwendung extra gekennzeichnet ist. In wiederum anderen Sprachen (z. B. Japanisch) erhalten beide Varianten eine eigene morphologische Markierung. 25 Dabei können drei Arten von Ansätzen unterschieden werden (vgl. Schäfer 2009: Kap. 3): 1) Dekausativierungsansätze, in denen die transitive Version als zu Grunde liegend angesehen wird (vgl. u.v.a. Levin & Rappaport Hovav 1995), 2) Kausativierungsansätze, in denen die intransitive Version als basal gilt (vgl. u.v.a. Dowty 1979, Hale & Keyser 1986, Ramchand 2008), sowie 3) Ansätze, in denen für beide Varianten dieselbe Basis angenommen wird (vgl. u. a. Alexiadou, Anagnostopoulou & Schäfer 2006).
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
71
zu den Kausativierungssansätzen, in denen die intransitive/antikausative Variante als basal angesehen wird. Alternierende Verben sind Ramchand zufolge im Lexikon nicht für ein init-Merkmal spezifiziert, sondern nur für ein proc-Merkmal oder ein proc- und ein res-Merkmal. Dementsprechend lexikalisieren diese Verben auch nur eine proc-(res)-Struktur und haben ein UNDERGOER-(RESULTEE-)Argument, vgl. (9) hier wiederholt als (96). (96)
procP UNDERGOER the stick
proc
resP
break RESULTEE
res
XP
Kausative Varianten kommen Ramchand zufolge zustande, wenn die proc-resStruktur unter einen init-Kopf eingebettet ist, der Verursachung ausdrückt und im Spezifizierer der initP die Argumentposition für den INITIATOR zur Verfügung stellt. Im Englischen ist dieser Kopf laut Ramchand zunächst leer, da die antikausative und die kausative Variante formal identisch sind. Das Verb, hier break, bewegt sich in der Derivation allerdings in den init-Kopf, vgl. (97). In Sprachen wie Hindi, in denen die kausative/transitive Variante morphologisch markiert wird, wird der init-Kopf hingegen durch ein entsprechendes Affix lexikalisiert.
72
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(97)
initP
INITIATOR John
init break
procP UNDERGOER the stick
resP
proc
RESULTEE
res
XP
Ramchands Ansatz kann die Kausativalternation unproblematisch erklären, wenn die antikausative und die kausative Variante identisch sind (Englisch) oder die kausative Variante extra markiert wird (Hindi). Für die romanischen Sprachen besteht allerdings das Problem, dass die antikausative/intransitive Variante morphologisch komplexer als die kausative Variante sein kann, was in Ramchands Modell nicht berücksichtigt wird (vgl. Schäfer 2009: 662 f. für eine Diskussion). Für die weitere Diskussion ist dieses Problem jedoch nicht erheblich. Für die Verbklassenunterscheidung wird im Folgenden lediglich berücksichtigt, dass die Wurzel eines alternierenden Verbs im Lexikon nie für ein init-Merkmal spezifiziert ist, vgl. (98) und (99). (98) break: [proci, resi] (99) increase: [proc] Eine wichtige Rolle spielt die Kausativalternation auch im Zusammenhang mit unakkusativen Verben. Nach der Unakkusativitäts-Hypothese (vgl. Perlmutter 1978) werden intransitive Verben in unergative und unakkusative Verben unterschieden und die antikausativen Varianten alternierender Verben üblicherweise als Subklasse unakkusativer Verben klassifiziert (vgl. Burzio 1986, Levin & Rappaport Hovav 1995). Die beiden Klassen unterscheiden sich durch eine Reihe distributioneller Eigenschaften. Allerdings ist die Abgrenzung auch ein notori-
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
73
sches Problem, da manche Verben Eigenschaften beider Klasse aufweisen.26 Unergative Verben werden üblicherweise als „agentiv“ beschrieben, vgl. (100). Unakkusative Verben haben hingegen Ähnlichkeit mit Passivformen transitiver Verben. Während unergative Verben häufig atelisch sind, sind unakkusative Verben oft telisch bzw. implizieren einen Resultatzustand. Als prototypische unakkusative Verben gelten die intransitiven Varianten von Verben mit Kausativalternation, vgl. (101)a. Daneben werden in der Regel aber auch Verben als unakkusativ klassifiziert, zu denen keine transitiven Varianten existieren, vgl. (101)b. (100) unergativ: gritar ‚schreien‘, dormir ‚schlafen‘, bailar ‚tanzen‘, trabajar ‚arbeiten‘ (101) a. unakkusativ: romperse ‚brechen, kaputt gehen‘, abrirse ‚sich öffnen‘, cambiar ‚sich verändern‘, mejorar ‚sich verbessern‘ b. unakkusativ: llegar ‚ankommen‘, caer ‚fallen‘, florecer ‚blühen‘, morir(se) ‚sterben‘, nacer ‚geboren werden‘ In der FPS können ebenfalls zwei Klassen intransitiver Verben unterschieden werden. Allerdings wird die Unterscheidung auf das Vorhandensein bzw. Fehlen des init-Merkmals bzw. eines INITIATORS reduziert: Although there have been various different definitions of ‘unaccusativity’ in the literature, I will call the verb class which lacks an initiational functional head in the eventive decomposition the ‘unaccusative’ type. (Ramchand 2008: 90)
Aus dieser Definition folgt, dass die antikausativen Varianten alternierender Verben nicht nur eine Subklasse unakkusativer Verben sind, sondern dass ausschließlich diese Verben als unakkusativ gelten. Verben wie llegar oder caer in (101)b, die in anderen Ansätzen als unakkusativ klassifiziert werden, gehören nach Ramchands Systematik also nicht in diese Klasse, da sie nicht kausativierbar sind, vgl. (102) und (103). Diese Definition hat den Vorteil, dass Unakkusativität unabhängig von Telizität erfasst wird, vgl. (104).
26 Grundsätzlich erlauben nur unergative Verben agentive Adverbialphrasen und die Bildung von Agensnominalisierungen. Von unakkusativen Verben können dafür adjektivische Partizipien und absolute Partizipialkonstruktionen gebildet werden. Außerdem erlauben letztere postverbale Subjekte in Form von bloßen Pluralnomen. Weitere bekannte distributionelle Tests wie Auxiliarverbselektion und Klitisierung stehen im Spanischen nicht zur Verfügung (vgl. u. a. Torrego 1989).
74
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(102) a. El tren llegó. ‚Der Zug kam an.‘ b. *El conductor llegó el tren. ‚≈Der Schaffner kam den Zug an.‘ (103) a. Las hojas cayeron. ‚Die Blätter fielen.‘ b. *La tormenta cayó las hojas. ‚≈Der Sturm hat die Blätter gefallen.‘ (104) La leche se enfrío {en veinte minutos / durante veinte minutos}. ‚Die Milch ist in zwanzig Minuten / zwanzig Minuten lang abgekühlt.‘ Ausgehend von Ramchands Definition können zwei Klassen von Verben ohne init-Merkmal identifiziert werden, reine proc-Verben (vgl. Abschnitt 3.5.3.1) und proc-res-Verben (vgl. Abschnitt 3.5.3.2).
3.5.3.1 Proc-Verben Verben, die nur ein proc-Merkmal tragen, sind nicht bzw. nicht zwingend telisch. In diese Klasse gehören Bewegungsverben wie die in (105) sowie zahlreiche deadjektivische Verben wie die in (106). (105) en. roll ‚rollen‘, move ‚(sich) bewegen‘, spin ‚(sich) drehen‘ sp. bajar ‚sinken/senken‘, subir ‚ansteigen/-heben‘, girar ‚(sich) drehen‘ (106) en. cool ‚(sich) abkühlen‘, widen ‚(sich) weiten‘, lengthen ‚(sich) verlängern‘ sp. enfriar(se) ‚(sich) abkühlen‘, mejorar ‚(sich) verbessern‘, empeorar ‚(sich) verschlechtern‘ Reine proc-Verben sind im Hinblick auf Telizität typischerweise variabel, vgl. (107) und (108) jeweils a und b. (107) a. The ball rolled {for five seconds / *in five seconds}. ‚Der Ball rollte fünf Sekunden lang / in fünf Sekunden.‘ b. The ball rolled to the goal {*for five seconds / in five seconds}. ‚Der Ball rollte fünf Sekunden lang / in fünf Sekunden zum Tor.‘
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
75
(108) a. Los precios subieron durante tres semanas. ‚Die Preise sind drei Wochen lang gestiegen.‘ b. Los precios subieron en solo tres semanas. ‚Die Preise sind in nur drei Wochen gestiegen.‘ Im Bereich der deadjektivischen Verben sind insbesondere die sogenannten degree-achievement-Verben relevant (vgl. Dowty 1979, Hay, Kennedy & Levin 1999). Die Adjektive, die diesen Verben als Derivationsbasis dienen, können danach unterschieden werden, ob die Eigenschaft, die sie bezeichnen, auf einer geschlossenen oder einer offenen Skala erfassbar ist, vgl. (109) vs. (110). (109) typische closed-scale Adjektive: dry ‚trocken‘, open ‚offen‘, empty ‚leer‘ (110) typische open-scale Adjektive: wide ‚weit‘, short ‚kurz‘, cool ‚kühl‘ Verben, die von open-scale-Adjektiven deriviert sind, ergeben typischerweise atelische Verben, während von closed-scale-Adjektiven abgeleitete Verben oft telisch sind, vgl. (111) gegenüber (112). (111)
The towel dried {?for ten minutes / in ten minutes}. ‚Das Handtuch ist zehn Minuten lang / in zehn Minuten getrocknet.‘
(112)
The beer cooled {for ten minutes / ?in ten minutes}. ‚Das Bier ist zehn Minuten lang / ?in zehn Minuten abgekühlt.‘
Allerdings sind die Korrespondenzen nicht immer eindeutig, denn auch bestimmte Verben, die von closed-scale-Adjektiven deriviert sind, können atelische Lesarten erlauben, und auch bestimmte Verben, denen ein open-scale-Adjektiv zu Grunde liegt, können telisch interpretiert werden, vgl. (113) und (114). (113) Los granos de cacao se secaron al sol durante dos horas. ‚Die Kakaobohnen sind zwei Stunden lang in der Sonne getrocknet.‘ (114) Tras las lluvias fuertes, la acequia se ensanchó en solo tres días. ‚Nach den starken Regenfällen hat sich der Graben in nur drei Tagen verbreitert.‘ In der FPS wird diese Variabilität wie folgt repräsentiert. Gemäß Ramchand ist die Skala, auf der die vom Adjektiv bezeichnete Eigenschaft erfassbar ist, ein impliziter Ereignis-PFAD, vgl. (115), der kontextuell bedingt als begrenzt oder unbegrenzt
76
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
interpretiert werden kann. Degree-achievement-Verben verhalten sich damit genauso wie andere Verben mit PFAD-Komplementen, denn in Abschnitt 3.4 haben wir gesehen, dass PFADE das Ereignis begrenzen können, aber nicht begrenzen müssen. Die Merkmale reiner proc-Verben sind in Tabelle 6 zusammengefasst. procP
(115) UNDERGOER
the cocoa beans proc
PFAD
dry (scale of dryness) Tabelle 6: Proc-Verben. Lexikalisches Merkmal der Verbwurzel
Argument
Beispiele
[proc]
UNDERGOER
roll ‚rollen‘, improve/mejorar ‚(sich) verbessern‘, lengthen/alargar(se) ‚(sich) verlängern‘, increase/subir ‚(sich) erhöhen, ansteigen/-heben‘ dry/secar(se) ‚trocknen‘
3.5.3.2 Process-result-Verben Proc-res-Verben kommen genauso wie reine proc-Verben sowohl transitiv/kausativ als auch intransitiv/antikausativ vor, vgl. (116)a vs. b und (117)a vs. b, unterscheiden sich von letzteren aber darin, dass sie punktuelle Ereignisse bezeichnen und einen Resultatzustand implizieren, vgl. (116)c und (117)c. (116) a. Miguel rompió el vaso. ‚Miguel hat die Vase zerbrochen.‘ b. El vaso se rompió. ‚Die Vase ist zerbrochen.‘ c. El vaso se rompió {en dos segundos / *durante dos segundos.} ‚Die Vase ist in zwei Sekunden / zwei Sekunden lang zerbrochen.‘
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
77
(117) a. Ana despertó a Jimena. ‚Ana hat Jimena geweckt.‘ b. Jimena se despertó. ‚Jimena ist aufgewacht.‘ c. Jimena se despertó {en dos segundos / *durante dos segundos.} ‚Jimena ist in zwei Sekunden / zwei Sekunden lang aufgewacht.‘ Proc-res-Verben selegieren ein komplexes UNDERGOER-RESULTEE-Argument, das gleichzeitig Subjekt des Vorgangs und Subjekt des Resultatzustands ist, vgl. Tabelle 7. Tabelle 7: Proc-res-Verben. Merkmale im Lexikon
Thematische Argumente
Beispiele
[proci, resi]
UNDERGOER- RESULTEE
break/romperse ‚zerbrechen‘, wake up/despertarse ‚aufwachen/-wecken‘
3.5.4 Initiation-process-(result)-Verben: Semelfaktiva Als letzte Klasse dynamischer Verben werden im Folgenden semelfaktive Verben wie cough/toser oder blink/parpadear betrachtet (vgl. Rothstein 2004, Smith 1991). Diese Verben lassen sich keiner der bisher besprochenen Verbklassen eindeutig zuordnen, da sie zwar grundsätzlich telische und punktuelle Ereignisse bezeichnen, daneben aber immer auch atelische und durative Lesarten erlauben, vgl. (118). Mit Vendlers Termini ausgedrückt, erlauben sie also sowohl achievement- als auch acitivity-Lesarten. (118) a. en. Laura blinked. sp. Laura parpadeó. ‚Laura hat geblinzelt.‘ b. en. Laura was blinking all evening. sp. Laura estaba parpadeando toda la noche. ‚Laura hat den ganzen Abend geblinzelt.‘ Von „gewöhnlichen“ achievements unterscheiden sich Semelfaktiva darin, dass sie nie ein Plural-Argument benötigen, um eine iterative Lesart zu erhalten, vgl. (119) gegenüber (120). Das Ereignis kann sich ohne zeitliche und räumliche Lücken und unbegrenzt häufig am selben Referenten vollziehen, so dass der Resultatzustand jeweils vollständig reversibel ist (vgl. Talmy 1985). Die iterative
78
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
Lesart wird in der Regel durch Zeitdaueradverbiale und/oder imperfektive bzw. progressive Aspektformen evoziert (vgl. auch Filip 2012: 727). (119) a. John was arriving (*for hours). ‚John ist stundenlang angekommen.‘ b. Guests were arriving (for hours). ‚Es sind stundenlang Gäste angekommen.‘ (120) a. The child was coughing for hours. ‚Das Kind hat stundenlang gehustet.‘ b. The beacon was flashing for two hours. ‚Das Leuchtfeuer hat zwei Stunden lang geblinkt.‘ Die Frage, ob Semelfaktiva eine eigene Verbklasse (vgl. Smith 1991) oder eine Subklasse telischer, punktueller Ereignisse darstellen (vgl. Rothstein 2004), wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet und auch bei Ramchand nicht abschließend entschieden: Pending further investigation, I tentatively assume that the special status of semelfactives is something noted in its lexical entry, i. e. that they are the only verbs we have seen so far which are ambiguous between being [init, proc, res] and [ init, proc].27 (Ramchand 2008: 81)
Tabelle 8 zeigt, dass semelfaktive Verben nach dieser Definition sowohl in initproc-res-Strukturen als auch in einfachere init-proc-Strukturen eingesetzt werden und prinzipiell sowohl transitiv, vgl. (i), als auch intransitiv sein können, vgl. (ii) Im Spanischen kommen Semelfaktiva meist als intransitive Verben vor, so dass INITIATOR, UNDERGOER sowie ggf. RESULTEE referenzidentisch sind (vgl. de Miguel 1999 zu Semelfaktiva im Spanischen). Tabelle 8: Init-proc-(res-)Verben. Lexikalische Merkmale Argumente der Verbwurzel
Beispiele
(i)
hit/golpear ‚schlagen‘, kick ‚treten‘
[init, proci, resi] [init, proc]
INITIATOR, UNDERGOER-RESULTEE INITIATOR, UNDERGOER
27 Dieser Definition ist hinzuzufügen, dass es zumindest im Englischen auch Semelfaktiva gibt, die Kausativalternation erlauben: The light flashed – Susan flashed the light {one time / all night long}. Semelfaktive Verben haben also nicht immer ein init-Merkmal, so dass der Lexikoneintrag semelfaktiver Verben offenbar auch zwischen [proc, res] und [proc] variieren kann.
3.5 Verbklassen und Argumentrollen
79
Tabelle 8 (fortgesetzt ) Lexikalische Merkmale Argumente der Verbwurzel
Beispiele
(ii) [initi, proci, resi] [initi, proci]
cough/toser ‚husten‘, jump ‚springen‘, blink ‚blinken‘, destellar ‚funkeln‘, parpadear ‚blinzeln‘
INITIATOR-UNDERGOER-RESULTEE INITIATOR-UNDERGOER
3.5.5 Initiation-Verben: Zustände In den vorangegangenen Abschnitten wurden alle Klassen dynamischer Verben berücksichtigt, die sich nach Ramchands Merkmalssystem unterscheiden lassen. In diesem Abschnitt geht es abschließend um stative Prädikate wie fear, love, be happy/tall etc (vgl. Fábregas & Marín 2017 zu Subklassen nicht-dynamischer Verben im Spanischen). Als zuverlässiger Test, der sich ausschließlich auf Stativität (und nicht wie viele andere Tests auf Agentivität) bezieht, gilt die Kombination mit Pseudo-Spaltsätzen. Dynamische Verben bezeichnen Ereignisse und Ereignisse können „stattfinden“. Stative Verben bezeichnen hingegen Zustände, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nichts „stattfindet“ oder „passiert“. Aus diesem Grund können Zustandsprädikate anders als Ereignisprädikate nicht durch Konstruktionen des Typs what happened was … / lo que ocurrió fue … eingeleitet werden, wie man an (121) gegenüber (122) sieht (vgl. u. a. Bosque & GutiérrezRexach 2009: 303, Dowty 1979: 55 f., de Miguel 1999). (121)
en. *What happened was (that) Susan hated Michael. sp. *Lo que ocurrió fue que Susana odió a Miguel. ‚Was passiert ist, ist, dass Susanne Michael hasste.‘
(122) en. What happened was (that) Paul wrote a book. sp. Lo que ocurrió fue que Pablo escribió un libro. ‚Was passiert ist, ist, dass Paul ein Buch geschrieben hat.‘ In Ramchands Modell werden stative Verben insbesondere aus Gründen der Systematik berücksichtigt (vgl. Ramchand 2008: 64). Da sie keine dynamische und somit auch keine resultative Bedeutungskomponente aufweisen, erhalten sie als Lexikoneintrag lediglich ein init-Merkmal:
80
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
(123) love, hate: [init] Die Verbwurzel wird in den Kopf einer initP eingesetzt, zu der kein weiteres Teilereignis hinzukommt. Der init-Kopf selegiert also keine proc- oder resP, kann aber ein rhematisches Komplement nehmen, das den Zustand näher spezifiziert, wie durch die Struktur in (124) zu Beispiel (125) deutlich wird. Wie in Abschnitt 3.3.2 beschrieben ist als rhematisches Komplement jede Art von XP möglich. Somit kann auch die Komplementposition der initP sowohl von einer DP als auch von einer PP oder einer AP besetzt werden, vgl. (125), (126) und (127). initP
(124) INITIATOR Katherine
init
RHEMA
fear nightmares
(125) Katherine fears nightmares. ‚Katherine hat Angst vor Alpträumen.‘ (126) Anna is in bed. ‚Anna ist im Bett.‘ (127) Parece cansado. ‚Er wirkt müde.‘ Ramchand zufolge kann die initP nicht als verursachendes Teilereignis interpretiert werden, wenn sie nicht mit einer procP kombiniert wird. Die INITIATOR in (125), (126) und (127) sind daher auch nicht als Verursacher zu verstehen, sondern als Träger eines Ausgangszustands, an dem sich nichts verändert (vgl. Ramchand 2008: 33). Die Annahme von init zur Repräsentation von Zustandsverben erfolgt aus zwei Gründen. Zum einen sollen alle Verbklassen, d. h. sowohl dynamische als auch stative Verben, durch dasselbe Merkmalsinventar erfasst werden. Zum anderen ist die Analyse theorieintern und syntaktisch motiviert und betrifft die Abbildung von Argumenten der FPS auf grammatische Funktionen. Auch Zustandsverben können wie in (125) ein direktes Objekt regieren, dem sie Akkusativ zuweisen. Ramchand folgt hier Burzios (1986) Generalisierung. Sie nimmt an, dass ein init-Kopf vorhanden sein muss, damit auch eine Position für ein externes Argument vorhanden ist, das als Subjekt realisiert wird, und ein zweites Argument als direktes
3.6 Zusammenfassung und Diskussion
81
Objekt realisiert werden und Akkusativkasus erhalten kann (vgl. Ramchand 2008: 56). Die wesentlichen Eigenschaften von stativen Verben und ihrer FPS sind in Tabelle 9 zusammengefasst. Tabelle 9: Init-Verben. Lexikalisches Merkmal der Verbwurzel
Thematisches Argument
Beispiele
[init]
Subjekt der initP = fear/temer ‚fürchten‘, hate/odiar ‚hassen‘, love/ INITIATOR querer ‚lieben‘
3.6 Zusammenfassung und Diskussion In diesem Kapitel wurde mit Ramchands FPS ein syntaktisches Dekompositionsmodell zur Repräsentation von verbaler Ereignisstruktur vorgestellt. Der Ansatz wird in der weiteren Arbeit genutzt, um der Frage nachzugehen, von welchen Verbklassen NI gebildet werden können. Die wichtigsten Aspekte des Modells sind in diesem Abschnitt daher noch einmal zusammengefasst. Ramchand stellt sprachlich relevante Bedeutungsbestandteile von Ereignissen als syntaktische Phrasen mit den Köpfen init, proc und res dar. Auf diese Weise kommt eine (je nach Anzahl der Phrasen) mehr oder weniger komplexe syntaktische Struktur zustande, die Ramchand First Phase nennt und die zunächst als abstrakte Struktur zu verstehen ist. Die First Phase kann (u. a. je nach Sprache) auf unterschiedliche Weise lexikalisiert werden, wobei die Einsetzbarkeit von Exponenten in die Struktur durch den Lexikoneintrag geregelt ist. Eine „verbale“ Wurzel oder ein Affix ist im Lexikon für eines oder mehrere der Merkmale init, proc und res spezifiziert, wodurch festgelegt ist, in welchen Kopf oder welche Köpfe der FPS der Exponent eingefügt werden kann. Da der Lexikoneintrag neben den kategorialen Merkmalen (und ggf. Indizes) keine weiteren Informationen enthält, ergibt sich die Argumentstruktur eines Verbs aus der syntaktischen Konfiguration, in die es eingesetzt wird. DPn in Spezifiziererposition werden Ramchand zufolge immer als semantische Subjekte interpretiert, während XPn in Komplementposition das jeweilige Teilereignis näher beschreiben. In den Abschnitten 3.4 und 3.4.2 wurde unter anderem thematisiert, dass ein Schwerpunkt des Modells darin besteht, den Homomorphismus zwischen der mereologischen Struktur bestimmter Konstituenten und des Ereignisses darzustellen, also einheitlich zu erfassen, dass z. B. bestimmte PPn und Objekt-DPn das vom Verb bezeichnete Ereignis begrenzen können. Alle Konstituenten, auf die diese Eigenschaft zutrifft, werden in der FPS als PFAD-Komplemente von proc eingefügt. Diese weite Auslegung des PFAD-Be-
82
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
griffs ermöglicht eine einheitliche strukturelle Repräsentation von aspektueller Variabilität, führt aber auch dazu, dass nicht zwischen echten Argumenten und optionalen Adjunkten unterschieden werden kann, vgl. Abschnitt 3.4. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Ansatz keine expliziten Regeln enthält, welche die Abbildung von Argumenten der FPS auf grammatische Funktionen bestimmen, und damit auch nicht festgelegt ist, dass bestimmte Argumente realisiert werden müssen, während andere implizit bleiben können, vgl. Abschnitt 3.4.2. Die Frage, welche Konsequenzen und möglichen Probleme hieraus resultieren, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Die FPS enthält verschiedene Aspekte, die – zumindest an romanischen Sprachen – noch nicht umfassend empirisch überprüft worden sind. Der wesentliche Vorteil des Modells ist darin zu sehen, dass semantische und zeitstrukturelle Eigenschaften von Verben und ihre Interaktion mit der Syntax relativ präzise durch ein kleines Inventar an Primitiva erfasst werden können. Für die vorliegende Arbeit bietet dieses Inventar eine geeignete Grundlage für die Beschreibung von Ereignisstrukturen. Da im nächsten Kapitel untersucht wird, welche Verbklassen als Basis für die Bildung verschiedener NI in Frage kommen, bietet Tabelle 10 eine Gesamtübersicht. Sie fasst zusammen, welche Verbklassen sich aus den möglichen Kombinationen der Merkmale init, proc und res ergeben. In der linken Spalte sind die Merkmale bzw. Merkmalskombinationen aufgeführt, für die eine Wurzel im Lexikon spezifiziert sein kann. Alle dynamischen Verben tragen in Ramchands Modell ein proc-Merkmal, während Zustandsverben nur für ein init-Merkmal spezifiziert sind. Das init-Merkmal dient des Weiteren dazu, dynamische Verben im Hinblick auf die Möglichkeit der Kausativalternation zu unterscheiden. Das res-Merkmal kennzeichnet Verben, die einen Resultatzustand implizieren. Verben, die punktuelle und telische Ereignisse, also achievements, bezeichnen, sind dadurch definiert, dass sie sowohl ein proc- als auch ein res-Merkmal tragen. Insgesamt sind daher fünf Oberklassen identifiziert worden: I. init-proc-Verben, II. init-proc-res-Verben, III. proc-Verben, IV. proc-res-Verben und V. init-Verben. Semelfaktive Verben wie parpadear oder golpear werden sowohl in der Klasse der init-proc-Verben (I) als auch in der Klasse der init-proc-res-Verben (II) aufgeführt, um zu berücksichtigen, dass sie als einzige Verbklasse keine eindeutige Merkmalsspezifizierung aufweisen. Verbklassen, deren Mitglieder mehr als ein kategoriales Merkmal tragen, können in weitere Subklassen unterteilt werden, je nachdem, welche Merkmale koindiziert sind. Intransitive Verben und inkrementelle-Thema-Verben sind z. B. teils daran erkennbar, dass das init- und das proc-Merkmal koindiziert sind. Auf diese Weise ist lexikalisch festgelegt, dass der INITIATOR gleichzeitig UNDERGOER des Vorgangs ist. Telische und punktuelle Ereignisse sind dadurch identifizierbar, dass das proc- und das res-Merkmal koindiziert sind, der UNDERGOER
V. [init]
[init]
[proci resi]
IV. [proc,
res]
[proc]
[init, proci, resi]
[initi, proci, resi]
III. [proc]
proc, res]
II. [init,
[init, proc]
[initi, proci,] INITIATOR-UNDERGOER,
llegar ‚ankommen‘, nacer ‚geboren
[initP]
[initP [procP [resP]]]
INITIATOR, RHEMA
UNDERGOER-RESULTEE
INITIATOR,
temer ‚fürchten‘, querer ‚lieben‘
achievements
achievements
unakkusative V.
romper(se) ‚zerbrechen‘, abrir(se) ‚(sich) öffnen‘
UNDERGOER-RESULTEE
degree-achievements
‚verbessern‘, alargar ‚verlängern‘
[procP [resP]]
unakkusative V., u. a.
subir ‚anheben‘, aumentar ‚erhöhen‘, mejorar
INITIATOR, UNDERGOER
alargarse ‚länger werden ‘
[initP, [procP]]
degree-achievements
zunehmen‘, mejorar ‚besser werden‘,
UNDERGOER
unakkusative V., u. a.
‚schlagen‘, martillear ‚hämmern‘
achievements
subir ‚ansteigen‘, aumentar ‚sich erhöhen,
encontrar ‚finden‘, matar ‚töten‘, golpear
INITIATOR,
werden‘, toser ‚husten‘, parpadear ‚blinzeln‘
UNDERGOER-RESULTEE
RESULTEE
INITIATOR-UNDERGOER-
Thema-V.
golpear ‚schlagen‘, martillear ‚klopfen, hämmern‘
inkrementelle-
usar ‚benutzen‘, buscar ‚suchen‘,
activities
INITIATOR,
comer ‚essen‘, leer ‚lesen‘
unergative V., activities
Bezeichnungen
Andere
UNDERGOER
PFAD
trabajar ‚arbeiten‘, ladrar ‚bellen‘
Beispiele
[procP]
[initP [procP [resP]]]
[initP [procP]]
INITIATOR-UNDERGOER
[init, proc]
I.
Argument(e) in der FPS
FPS
Verbwurzel
Lexikalische(s) Merkmal(e) der
Tabelle 10: Verbklassen – Gesamtübersicht.
stative Verben
Verben
dynamische
3.6 Zusammenfassung und Diskussion
83
84
3 Ramchands First Phase Syntax als Modell verbaler Ereignisstruktur
also zugleich der RESULTEE ist. In der zweiten Spalte von links ist die syntaktische Struktur dargestellt, welche durch das Verb lexikalisiert werden kann. In der Regel entsprechen die Merkmale der Verbwurzel den Köpfen der Struktur, die es lexikalisieren kann. Nur im Fall von Verben mit Kausativalternation kann noch eine initP hinzukommen, die nicht vom Verb selbst lexikalisiert wird. In der mittleren Spalte der Tabelle sind die jeweils vorhandenen Argumente aufgeführt, d. h. bei intransitiven Verben das einzige Argument und bei transitiven Verben das höhere sowie das tiefer in die Struktur eingebettete Argument. Die Rollenlabel stehen dabei stets für eine bestimmte syntaktische Position in der FPS, also eine Spezifizierer- oder Komplementposition. In der zweiten Spalte von rechts finden sich Beispielverben für die einzelnen Verbklassen und in der rechten Spalte sind – sofern vorhanden – alternative Termini zu ihrer Bezeichnung genannt.
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI Im Folgenden wird das in Kapitel 3 vorgestellte Modell verbaler Ereignis- und Argumentstruktur auf NI angewendet und untersucht, von welchen Verbklassen diese Art von Nominalisierung gebildet werden kann und welche Argumente der verbalen Basis innerhalb der DP realisierbar sind. Die Darstellung fasst den Forschungstand zu diesen Fragen zusammen und versucht, einen Überblick über die distributionellen Beschränkungen zu geben, denen die Bildung von NI unterliegt. Da die wesentlichen Faktoren möglichst präzise herausgearbeitet werden sollen und Verbklassen und Argumentrollen in der Literatur zu NI auf unterschiedliche und zum Teil informale Weise unterschieden werden, werden alle relevanten Konzepte in Ramchands Systematik übersetzt. Der Schwerpunkt der Diskussion liegt auf Typ-A-NI wie (1), da nur die Bildung dieses Formtyps Beschränkungen unterliegt, die mit der Semantik des Basisverbs und der Realisierung von Argumenten zu tun haben, vgl. Abschnitt 4.1. Typ B und C, vgl. (2)a und b, können von allen Klassen transitiver Verben gebildet werden. Ihre ereignisstrukturellen Besonderheiten werden daher zum Abschluss in Abschnitt 4.2 kurz zusammengefasst. (1)
el cantar {de los pájaros / ?de las coplas} ‚das Singen der Vögel / der Lieder‘
(2)
a. el cantar coplas ‚das Liedersingen‘
b. el cantar las coplas ‚das Die-Lieder-Singen‘
Die Datengrundlage für dieses Kapitel bilden überwiegend Beispiele aus der Literatur, die um Korpusbelege ergänzt werden. Ein potenzieller Störfaktor ist darin zu sehen, dass die zu besprechenden Daten in unterschiedlichen Kontexten auftreten und Beispiele aus der Literatur zum Teil keinen Kontext haben. Das ist dahingehend problematisch, dass das Matrixprädikat und der Diskurskontext offenbar einen Einfluss auf die Akzeptabilität haben, worauf ich hier aber nur am Rande eingehen werde. Die Interaktion zwischen verschiedenen Formtypen und Lesarten ist Gegenstand von Kapitel 5 und der experimentellen Untersuchung in Kapitel 7 und 8.
https://doi.org/10.1515/9783110723359-004
86
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
4.1 Typ A Wie in Kapitel 2 angedeutet, können nur von bestimmten Verbklassen produktiv NI mit einem als PP realisierten Argument gebildet werden. In diesem Abschnitt sollen mögliche Bildungsbeschränkungen diskutiert und exemplarisch überprüft werden. Den Ausgangspunkt bilden die folgenden Generalisierungen über die Ereignis- und Argumentstruktur von Typ A, die aus der Forschungsliteratur bekannt sind: – Typ-A-NI werden vor allem von intransitiven Basisverben gebildet (vgl. Demonte & Varela 1998, Hernanz 1999: 2345). – Das Argument, das im finiten Aktivsatz dem direkten Objekt entspricht, das tiefere Argument in meiner Terminologie, wird in der Regel nicht als de-PP realisiert (vgl. Demonte & Varela 1997: 144, NGLE 2009: § 26.3j). – Typ-A-NI basieren auf atelischen Verben. (vgl. de Miguel 1996, Rodríguez Espiñeira 2008: 144). – Typ-A-NI bezeichnen typischerweise direkt wahrnehmbare Vorgänge (vgl. Fábregas & Varela 2006, NGLE 2009: § 26.3l). Nicht berücksichtigt werden im Folgenden bestimmte, zum Teil hochfrequente Verbindungen aus Determinierer, Infinitiv und de-PP, die in unterschiedlichem Maß lexikalisiert sind. Zum einen werden Typ-A-NI ausgeschlossen, die auch als lexikalisierte Formen vorkommen können (vgl. Abschnitt 2.5 und NGLE 2009: § 26.3d). Als Beispiel seien hier NI wie el cantar wiederholt, die sowohl ein syntaktisch gebildetes Ereignisnomen mit Argumentstruktur als auch ein lexikalisiertes Nomen ohne Ereignis- und Argumentstruktur sein können, vgl. (3)a gegenüber b. Zum anderen werden NI ausgeschlossen, die zwar keine Pluralmorphologie erlauben, aber als (semi-)lexikalisierte Formen angesehen werden können. Dazu zählen einige Formen, die Bewegung im übertragenen Sinn ausdrücken, vgl. (4)a und b, sowie Wendungen wie (5) (vgl. Bosque 1989: 158 f., NGLE 2009: § 26.3e & l). Des Weiteren wird es nur um dynamische Verben gehen, da Typ-A-NI nicht von Zustandsverben gebildet werden können, was an (6) und (7) illustriert ist (vgl. u. a. Fábregas & Varela 2006, de Miguel 1996, Pérez Vázquez 2002, 2007). (3)
a. El cantar de Juana ≈ el modo en el que Juana canta ‚das Singen von Juana / Juanas Singen‘ ≈ ‚die Art und Weise, auf die Juana singt‘ b. el cantar del Cid ≈ el canto / la canción sobre el Cid (PL. los cantares) ‚das Lied vom Cid‘ ≈ ‚das Lied / der Gesang über den Cid‘ (PL. die Gesänge)
4.1 Typ A
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(4)
a. el correr de los años ‚der Lauf der Jahre‘ b. con el pasar de los días ‚im Laufe der Tage‘
(5)
en un abrir y cerrar de ojos ‚im Nu, in Sekundenschnelle‘
(6)
*el estar de María (Pérez Vázquez 2007: 83) ‚das (Da)-sein von María‘
(7)
*el saber de inglés / *el saber inglés de María (Fábregas & Varela 2006: 24) ‚das Können von Englisch‘ / das Englischkönnen von Maria‘
4.1.1 Initiation-process-Verben In die Klasse der init-proc-Verben fallen alle dynamischen Verben, die weder Kausativalternation zulassen noch einen Resultatzustand implizieren. Nach Ramchands Systematik können das init- und das proc-Merkmal koindiziert sein oder nicht, vgl. (8) und (9) gegenüber (10). Intransitive Verben wie (8) und transitive Verben mit einem PFAD-Argument (inkrementelle-Thema-Verben) wie (9) sind dadurch gekennzeichnet, dass der INITIATOR zugleich der UNDERGOER des vom Verb bezeichneten Ereignisses ist. Bei transitiven Verben wie (10) sind die Subjektpositionen von initP und procP hingegen durch unterschiedliche DPn besetzt. (8)
llorar ‚weinen‘, correr ‚laufen‘
[initi, proci]
(9)
comer ‚essen‘, leer ‚lesen‘
[initi, proci]
(10) usar ‚benutzen‘, empujar ‚schieben‘ [init, proc]
4.1.1.1 Intransitive initiation-process-Verben Der Literatur zufolge werden Typ-A-NI typischerweise von intransitiven und atelischen Verben gebildet, deren einziges Argument als de-PP realisiert wird (vgl. u. a. Hernanz 1999: 2345, Rodríguez Espiñeira 2008: 144). Als besonders häufig gelten sogenannte Emissionsverben, insbesondere solche, die die Emission von Geräuschen oder Licht bezeichnen (vgl. Fábregas & Varela 2006,
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4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
Rodríguez Espiñeira 2008). Ein Großteil der Licht-Emissionsverben (z. B. destellar oder brillar) fällt in die Klasse der Semelfaktiva, vgl. Abschnitt 4.1.5. Für Typ-A-NI von Geräusch-Emissionsverben finden sich zahlreiche Belege, vgl. (11), (12) und (13). Ebenfalls als typisch gelten Bewegungsverben (vgl. NGLE 2009: § 26.3k). Dabei handelt es sich meistens um Verben der Bewegungsart, vgl. (14), (15) und (16), gelegentlich auch um Verben der Bewegungsrichtung, vgl. (17). Da Verben der Bewegungsrichtung (z. B. subir oder bajar) häufig sowohl kausativ als auch antikausativ verwendet werden können, werden sie in Abschnitt 4.1.3 noch genauer besprochen. Bewegungsverben bezeichnen in der Regel visuell wahrnehmbare Vorgänge oder Aktivitäten, weshalb die von ihnen gebildeten NI wie in (15), (16) und (17) als direktes Objekt von Verben des Sehens auftreten können. Darüber hinaus existieren Belege für Verben, die keine unmittelbar wahrnehmbaren Aktivitäten bezeichnen. Hierzu zählen z. B. (18), (19) und (20). (11) El lejano aullar del lobo no le dejaba dormir. (Varela 1979: 538) ‚Das ferne Heulen des Wolfes ließ ihn nicht schlafen.‘ (12) {Escuché/oí} el rezongar de tu madre. (Demonte & Varela 1998: 151) ‚Ich hörte das Murren deiner Mutter.‘ (13) Escuché el misterioso crujir de la madera. (Fábregas & Varela 2006: 25) ‚Ich lauschte dem geheimnisvollen Knacken des Holzes.‘ (14) el caminar pausado de la gente. (NGLE: § 26.3ñ) ‚das langsame Gehen der Leute‘ (15) […] mirando el tiritar del follaje. (Plann 1981: 221) ‚[…] das Zittern des Laubs betrachtend‘ (16) […] vio aparecer en sus calles y plazas un pulular de pícaros. (NGLE: § 26.3k) ‚[…] er sah auf ihren Straßen und Plätzen ein Wimmeln (Gewimmel) von Gaunern.‘ (17) Veo cada mañana el ascender del sol. (Demonte & Varela 1998: 153) ‚Ich sehe jeden Morgen das Aufgehen der Sonne.‘ (18) El sangrar del niño ya dura varias horas (Fábregas & Varela 2006: 26) ‚Das Bluten des Kindes dauert schon einige Stunden an.‘
4.1 Typ A
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(19) el crecer de las plantas (Demonte & Varela 1998: 166) ‚das Wachsen der Pflanzen‘ (20) el trabajar de Juan en el campo (Alexiadou 2010: 504) ‚Juans Auf-dem-Feld-Arbeiten / das Auf-dem-Feld-Arbeiten von Juan‘ Im Bereich intransitiver init-proc-Verben sind keine eindeutigen Bildungsbeschränkungen erkennbar, jedoch gewisse Präferenzen für Verben, die wahrnehmbare Vorgänge bezeichnen. Meines Wissens ist der Zusammenhang zwischen einzelnen lexikalischen Klassen und der Möglichkeit bzw. Produktivität der Bildung von Typ-A-NI bisher nicht im Detail untersucht worden. Eine Ausnahme ist die Arbeit von Fábregas & Varela (2006), in der es um die Ereignisstruktur von Emissionsverben geht, die die Autoren im Rahmen der Lexical Syntax von Hale & Keyser (1993, 1998) analysieren. Fábregas & Varela zeigen, dass nur bestimmte NI als direkte Objekte von Wahrnehmungsverben akzeptabel sind und bezeichnen diese Formen als perception event infinitives. Die Autoren unterscheiden zunächst emission-of-substance-Verben, welche die Emission von Licht, Geräuschen, Gerüchen oder Substanzen bezeichnen, vgl. (21)a, von manner-ofemission-Verben, welche die Art und Weise der Emission benennen und in deren Ereignisstruktur eine manner-Komponente angenommen wird, vgl. (22)a. Als Unterscheidungskriterium werden die nominalen Entsprechungen zu diesen Verben angeführt. Zu emission-of-substance-Verben existieren laut Fábregas & Varela Nominalisierungen mit einem nominalen Themavokal, die den Autoren zufolge die Substanz – also z. B. das Geräusch oder den Geruch – bezeichnen, vgl. (21)b, während es zu manner-of-emission-Verben Ereignis- und Resultatnomen mit Verbalmorphologie in Form der Partizipendung -ido oder des verbalen Themavokals -e- gibt, vgl. (22)b. (21) a. sangrar ‚bluten‘, estornudar ‚niesen‘, llorar ‚weinen‘, silbar ‚pfeifen‘ b. sangre ‚Blut‘, estornudo ‚Niesen/Nieser‘, lloro ‚Weinen‘, silbo ‚Pfiff‘ (22) a. crujir ‚knirschen‘, chillar ‚kreischen, schreien‘, bramar ‚brüllen‘, parpadear ‚zwinkern, flackern‘ b. cruj-ido ,Knirschen‘, chill-ido ‚Kreischen/Schrei‘, bram-ido ‚Gebrüll‘, parpad-e-o ‚Lidschlag, Flackern‘ Die zentrale These von Fábregas & Varela ist, dass nur von Manner-of EmissionVerben perception event infinitives gebildet werden können, vgl. (23) und (24), wohingegen emission-of-substance-Verben gemäß den Autoren als direkte Objekte von Wahrnehmungsverben keine akzeptablen Typ-A-NI ergeben, vgl. (25)
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4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
und (26). Fábregas & Varela gehen von unterschiedlichen Ereignisstrukturen der verbalen Basen aus und nehmen an, dass eine manner-Komponente vorhanden sein muss, damit ein Typ-A-NI als perception event infinitive akzeptabel ist. Allerdings lassen sich Gegenbeispiele wie (27) und (28) finden, die zeigen, dass auch Verben, die nach Fábregas & Varela emission-of-substance-Verben darstellen, als Perception Event Infinitives belegt sind. (23) Escuché el misterio crujir de la madera. ,Ich hörte dem geheimnisvollen Knacken des Holzes zu.‘ (24) Oí el constante tintinear de la moneda. ,Ich hörte das ständige Klimpern des Kleingelds.‘ (25) *Oí el constante silbar de aquellos niños. (Fábregas & Varela 2006: 25) ,Ich hörte das Pfeifen dieser Kinder.‘ (26) *Vi el constante sangrar del niño. (Fábregas & Varela 2006: 25) ,Ich sah das ständige Bluten des Kindes.‘ (27) Escuchábamos el silbar de los pájaros. (Pérez Vázquez 2002: 143) ,Wir hörten dem Pfeifen der Vögel zu.‘ (28) Se oía el llorar de un niño. (ESCOW16A) ,Man hörte das Weinen eines Kindes.‘ Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich von intransitiven initi-proci-Verben relativ uneingeschränkt Typ-A-NI bilden lassen und das UNDERGOER-INITIATORArgument als de-PP erscheinen kann. Die in der Verbwurzel enthaltenen konzeptuell-semantischen Informationen können dabei offenbar die Kompatibilität des NI mit bestimmten Matrixprädikaten, z. B. Wahrnehmungsverben, verbessern oder verschlechtern. 4.1.1.2 Transitive initiation-process-Verben Im Bereich transitiver Verben ist die Lage unübersichtlicher. Insgesamt gelten transitive Basisverben im Vergleich zu intransitiven als selten (vgl. NGLE 2009: § 26.3j, Rodríguez Espiñeira 2008: 144). Zu möglichen Bildungsbeschränkungen finden sich in der Literatur unterschiedliche Aussagen. Typ-A-NI werden meist als inakzeptabel betrachtet, wenn das tiefere Argument als de-PP realisiert wird (vgl. u. a. Demonte & Varela 1998: 166, Ramírez 2003: 129).
4.1 Typ A
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(29) *el declamar de la poesía (Ramírez 2003: 129)28 ,das Vortragen von Dichtung‘ (30) *el construir de la ciudad (Pérez Vázquez 2002: 149) ,das Bauen der Stadt‘ Hernanz (1999: 2345) hält transitive Basisverben prinzipiell für ausgeschlossen, unabhängig davon, welches Argument der Basis realisiert wird. Typ-A-NI sind ihr zufolge auch dann ungrammatisch, wenn das höhere Argument, das dem Subjekt entspricht, auf eine de-PP abgebildet wird. Die Beispiele (31)a und (32) a, die diese Annahme belegen sollen, sind jedoch nicht überzeugend, da bereits die Basisverben nicht erlauben, dass ihr zweites Argument (in nicht-generischer Lesart) unrealisiert bleibt, vgl. (31)b und (32)b. Destruir und ordenar sind, anders ausgedrückt, keine Verben, welche die „unspezifiziertes-Objekt-Alternation“ zulassen (vgl. Levin 1993: § 1.2.1, zum Spanischen Armstrong 2016). Die Inakzeptabilität von (31)a und (32)a kann daher auch nicht als Spezifikum der NI betrachtet werden. (31) a. *el destruir de los romanos (Hernanz 1999: 2345) ‚das Zerstören der Römer‘ b. ?/*Los romanos destruyen. ‚Die Römer zerstören.‘ (32) a. *un ordenar del general (Hernanz 1999: 2345) ‚ein Befehlen des Generals‘ b. ?/*El general ordena. ‚Der General befiehlt.‘ Verschiedentlich wird die Inakzeptabilität bzw. das geringe Vorkommen von transitiven Basisverben mit Telizität und Eigenschaften des tieferen Arguments in Verbindung gebracht (vgl. de Miguel 1996, NGLE 2009: § 26.3j, Pérez Vázquez 2002). Beispielsweise wird angenommen, dass Typ A immer dann inakzeptabel ist, wenn das vom Basisverb bezeichnete Ereignis durch ein inkrementelles Thema-Argument begrenzt wird (de Miguel 1996: 51; Pérez Vázquez 2002: 153), vgl. (30) wiederholt als (33) sowie (34) und (35).
28 Die Akzeptabilitätsurteile zu den NI, die im Folgenden besprochen werden, stammen aus den jeweils zu den Daten genannten Quellen.
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4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
(33) *el construir de la ciudad (Pérez Vázquez 2002: 149) ‚das Bauen der Stadt‘ (34) *el construir de una casa (Pérez Vázquez 2007: 84) ‚das Bauen eines Hauses‘ (35) *Vio el pintar de la casa (Plann 1981: 237) ‚Sie sah dem Anstreichen des Hauses zu.‘ Diese Generalisierung wäre aber nicht ausreichend, wenn alle Argumente transitiver Verben als de-PP inakzeptabel sind. Im Folgenden werden die möglichen Argumente transitiver Verben daher im Rahmen der FPS unterschieden. In Abschnitt 3.4.2 des vorherigen Kapitels wurde gezeigt, dass sich in Ramchands Modell zwei Arten von tieferen Argumenten identifizieren lassen. Zum einen gibt es das Subjekt der procP, das UNDERGOER-Argument, das keine Telizität hervorrufen kann, und zwar auch dann nicht, wenn es ein Individuum oder eine begrenzte Menge bezeichnet, vgl. (36)a gegenüber b. Zum anderen kann das tiefere Argument auch das Komplement von proc sein und damit ein PFAD, der je nach seinen Eigenschaften Telizität hervorruft oder nicht, vgl. (37)a und b. (36) a. Laura empujó el carrito {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Laura hat den Wagen zwei Stunden lang / in zwei Stunden geschoben.‘ b. Laura empujó arena {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Laura hat zwei Stunden lang / in zwei Stunden Sand geschoben.‘ (37) a. Laura escribió una novela {*durante dos años / en dos años}. ‚Laura hat zwei Jahre lang / in zwei Jahren einen Roman geschrieben.‘ b. Laura escribió poesía {durante dos años / *en dos años}. ‚Laura hat zwei Jahre lang / in zwei Jahren Dichtung geschrieben.‘ Um mögliche aspektuelle Beschränkungen zu überprüfen, betrachten wir zunächst PFAD-Argumente, die Telizität hervorrufen. Typ-A-NI mit solchen Argumenten als de-PP werden in der Regel als inakzeptabel beurteilt, vgl. (33) oben. In der Literatur und in Korpora finden sich nur vereinzelt Beispiele für transitive Basisverben und einem begrenzten PFAD als de-PP, vgl. (38), (39) und (40). (38) el distribuir del botín (Lapesa 1984: 75) ‚das Verteilen der Beute‘
4.1 Typ A
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(39) Es el primer paso de un proyecto […] y el escribir de una nueva historia de La Rioja. (ESCOW16A) ‚Das ist der erste Schritt eines neuen Projekts […] und das Schreiben einer neuen Geschichte der Rioja.‘ (40) En ambos casos, el comer de la víctima sacrificada lleva consigo una comunión con Dios. (ESCOW16A) ‚In beiden Fällen bringt das Essen des dargebrachten Opfers eine Vereinigung mit Gott mit sich.‘ PFAD-Argumente in Form von bloßen Pluralnomen treten nur sporadisch als dePPn auf, vgl. (41), (42), (43) und (44), und werden wie in (45) und (46) in der Literatur meist ebenfalls als inakzeptabel bewertet, obwohl sie keine Telizität auslösen (vgl. Abschnitt 3.4 und 8.2.2). (41) a causa de la barahúnda […] y del baldear de escaleras (Rodríguez Espiñeira 2008: 145) ‚wegen des Tumults […] und vom Reinigen der Treppen‘ (42) El comer de tapas representa compartir. (ESCOW16A) ‚Das Essen von Tapas bedeutet teilen.‘ (43) el fumar de opiatos (CEA) ‚das Rauchen von Opiaten‘ (44) ese afilar de cuchillos (Plann 1981) ‚dieses Schärfen von Messern‘ (45) *el leer de novelas románticas (NGLE 2009: § 26.3j) ‚das Lesen von Liebesromanen‘ (46) *ese leer de libros (de Miguel 1996: 49) ‚dieses Lesen von Büchern‘ Betrachten wir als Nächstes UNDERGOER-Argumente, die in der FPS eine andere Position als PFAD-Argumente besetzen. UNDERGOER sind Subjekte der procP und können nie Telizität hervorrufen. Es finden sich sowohl in der Literatur als auch in Korpora einige Belege, vgl. (47), (48) und (49), aber auch Bewertungen, denen zufolge UNDERGOER-Argumente als PP ebenfalls inakzeptabel sind, vgl. (50) und (51).
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4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
(47) El constante murmurar/susurrar de palabras obscenas es ofensivo. (Plann 1981: 229) ‚Das ständige Murmeln/Flüstern von obszönen Worten ist beleidigend.‘ (48) El
tocar de la guitarra (de María) es muy elegante ART spielen von ART Gitarre (von María) ist sehr elegant. (Yoon & Bonet-Farran 1991: 353) ‚Marías Gitarrenspiel ist sehr elegant.‘
(49) El torturar de prisioneros (CEA) ‚das Foltern von Gefangenen‘ (50) *el masticar de(l) chicle (Pérez Vázquez 2007: 84) ‚das Kauen von Kaugummi‘ (51) *el amasar de (la) harina (Pérez Vázquez 2007: 84) ‚das Kneten von Teig / des Teigs‘ Das tiefere Argument scheint also unabhängig von seiner Position in der FPS nur bedingt als de-PP realisiert werden zu können. Sowohl PFADE als auch UNDERGOER gelten als nicht akzeptabel bzw. sind nur in geringer, eher nicht repräsentativer Zahl belegt. Da UNDERGOER wie (47)–(51) und unbegrenzte PFADE wie (41)–(46) das Ereignis nicht begrenzen, scheint die Beschränkung darüber hinaus nicht rein aspektueller Natur zu sein. Ich komme daher auf die Frage zurück, ob von transitiven Verben grundsätzlich keine Typ-A-NI gebildet werden können oder nur dann nicht, wenn das tiefere Argument realisiert wird. Interessant sind somit die bereits erwähnten transitiven init-proc-Verben, bei denen das tiefere Argument unrealisiert bleiben darf und die immer auch als atelische Aktivitätsverben auftreten können, vgl. (52) und (53). (52) a. Ana comió {un helado / sopa/ ∅}. ‚Ana hat ein Eis / Suppe / ∅ gegessen.‘ b. Ana comió {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Ana hat zwei Stunden lang / in zwei Stunden gegessen.‘ (53) a. Los niños de un año ya mastican {los alimentos /galletas / ∅}. ‚Einjährige Kinder kauen schon die Nahrung / Kekse / ∅.‘ b. El niño estaba masticando {durante diez minutos / *en diez minutos}. ‚Das Kind war zehn Minuten lang / in zehn Minuten dabei zu kauen.‘
4.1 Typ A
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Da von intransitiven init-proc-Verben weitgehend uneingeschränkt Typ-A-NI gebildet werden können, ist zu erwarten, dass auch transitive Basisverben möglich sind, sofern das höhere und nicht das tiefere Argument als PP realisiert wird. Sowohl in der Literatur als auch in Korpora finden sich Belege für Typ-A-NI dieser Art, vgl. (54), (55), (56) und (57). (58)a ist ein potenzielles Gegenbeispiel, das darauf hinweisen könnte, dass transitive Basisverben auch dann nicht akzeptabel sind, wenn das höhere Argument als PP realisiert wird. Die Inakzeptabilität könnte jedoch auch dem Matrixprädikat ver geschuldet sein. El pintar del maestro ist vermutlich kein perception event infinitive, sondern eher mit einer Artund-Weise-Lesart vereinbar, vgl. (58)a gegenüber b (vgl. Abschnitt 5.2.6). (54) Aquel escribir de Gabriel explica su fama. (Ramírez 2003: 117) ‚Dieses Schreiben von Gabriel erklärt seine Berühmtheit.‘ ≈ ‚die Art, wie er schreibt‘ (55) El mirar de la mujer es agradable. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Das Schauen der Frau ist sehr freundlich.‘ ≈ ‚die Art, wie sie schaut‘ (56) […] madres que están preocupadas por el comer de sus hijos. (ESCOW16A) ‚[…] Mütter, die um das Essen ihrer Kinder besorgt sind.‘ ≈ ‚die Art, wie die Kinder essen‘ (57) […] influye el escribir de los alumnos. (ESCOW16A) ‚[…] beeinflusst das Schreiben der Schüler.‘ ≈ ‚die Art, wie die Schüler schreiben‘ (58) a. *Vio el pintar del maestro. (Plann 1981: 237) ‚Er/sie sah das Malen des Meisters.‘ b. ?El pintar del maestro intimidó a sus alumnos. (eigenes Beispiel) ‚Das Malen des Meisters schüchterte seine Schüler ein.‘ ≈ ‚die Art, wie er malte‘ Die Akzeptabilität von Typ A hängt zwar mit der Realisierung von Argumenten zusammen, wird offenbar aber auch von der Lesart beeinflusst, die u. a. durch das Matrixverb ausgelöst wird. Die in diesem Abschnitt präsentierten Beispiele können daher nur zu einem gewissen Grad Auskunft darüber geben, von welchen Strukturen Typ-A-NI gebildet werden können, und zeigen die Notwendigkeit, die Nominalisierungen in kontrollierten Kontexten zu betrachten. Vorläufig lässt sich festhalten, dass von intransitiven init-proc-Verben uneingeschränkt Typ-A-NI gebildet werden können, wohingegen transitive init-proc-Verben die
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4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
Abbildung von Argumenten auf eine PP nur bedingt zu erlauben scheinen. Zulässige Basisverben sind damit vor allem intransitive init-proc-Verben, deren INITIATOR-UNDERGOER-Argument als de-PP realisiert wird, sowie möglicherweise transitive init-proc-Verben, bei denen das höhere Argument realisiert wird.
4.1.2 Initiation-process-result-Verben Für die Merkmale init, proc und res sind alle Verben spezifiziert, die keine Kausativalternation erlauben und stets einen Resultatzustand implizieren. Die Verbwurzel lexikalisiert damit alle drei Köpfe einer maximal komplexen Ereignisstruktur. Verben mit dieser Eigenschaft bezeichnen Ramchand zufolge telische sowie punktuelle Ereignisse und fallen damit in die Vendler-Klasse der achievements, vgl. Abschnitt 3.5.2. Init-proc-res-Verben kommen sowohl in transitiver als auch intransitiver Form vor, vgl. (59)a und (60)a. Bei transitiven Verben ist der UNDERGOER zugleich der RESULTEE, vgl. (59)b. Bei intransitiven Verben ist das Subjekt aller drei Teilereignisse identisch, woraus sich ein komplexes INITIATOR-UNDERGOER-RESULTEE-Argument ergibt, vgl. (60)b. (59) a. apagar ‚ausschalten‘, encontrar ‚finden‘, matar ‚töten‘ [init, proci, resi] b. Pablo apagó la luz. ,Pablo hat das Licht ausgeschaltet.‘ (60) a. llegar ‚ankommen‘, nacer ‚geboren werden‘, explotar ‚explodieren‘ [initi, proci, resi] b. Juan llegó. ‚Juan ist angekommen.‘ In der Literatur wird meist angenommen, dass von achievements grundsätzlich keine Typ-A-NI gebildet werden können (vgl. u. a. Alexiadou 2010: 504, Demonte & Varela 1998: 150), wobei transitive Verben in der Regel unerwähnt bleiben. Das einzige mir bekannte Beispiel ist (61), an dem allerdings unklar bleibt, welche Argumentrolle el paciente hat. Für die Inakzeptabilität intransitiver achievements werden in der Literatur verschiedene Belege angeführt, vgl. (62), (63) und (64). (61) *Nos maravilló el reconocer del paciente. (Demonte & Varela 1998: 150) ‚Das Erkennen des Patienten hat uns erstaunt.‘
4.1 Typ A
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(62) *El llegar tardío de Juan nos preocupó a todos. (de Miguel 1996: 42) ‚Das Zuspätkommen von Juan hat uns alle besorgt.‘ (63) *el nacer de una familia (Pérez Vázquez 2007) ‚das Geborenwerden (Entstehen) einer Familie‘ (64) *El caer de Constantinopla se produjo en 1453. (Hernanz 1999: 2346) ‚Das Fallen (der Fall) Konstantinopels ereignete sich 1453.‘ Möglicherweise können Typ-A-NI aber von Verben gebildet werden, die zwar einen Resultatzustand implizieren, aber keine punktuellen Ereignisse bezeichnen und somit keine typischen achievements sind. Rosemeyer (2012) zeigt in einer auf dem CdE basierenden Korpusstudie, dass zu den zehn häufigsten Verben, von denen Typ-A-NI gebildet werden, renacer und resurgir gehören, vgl. (65) und (66). Gleichzeitig weist der Autor daraufhin, dass Typ-A-NI nur von atelischen Verben gebildet werden. Renacer ‚wiedergeboren werden‘ und resurgir ‚wiederaufleben‘ bezeichnen jedoch prinzipiell Ereignisse, die in einen Resultatzustand münden. Durch Hinzufügung des Präfixes re- wird ausgedrückt, dass sich der von der Verbwurzel bezeichnete Vorgang wiederholt und ebenfalls in einen Resultatzustand mündet (vgl. Varela & Martín García 1999: 5030). Die Beispiele aus dem CdE deuten also daraufhin, dass Typ-A-NI doch von telischen Verben gebildet werden können, zumindest dann, wenn das vom Verb bezeichnete Ereignis nicht unbedingt als punktuell interpretiert werden muss. Diese Beobachtung deckt sich nicht mit Ramchands Klassifizierung, der zufolge obligatorisch telische Verben immer punktuelle Ereignisse bezeichnen (vgl. Abschnitt 3.5.2). (65) […] presagiaban el renacer de su pueblo. (CdE) ‚[…] sie sagten das Wiedergeborenwerden (die Wiedergeburt) des Dorfes voraus.‘ (66) En España, el auténtico resurgir de la prensa ilustrada se dio durante la década de 1960. (CdE)29 ‚In Spanien hat sich das echte Wiederaufleben der Bildpresse in den 1960er Jahren ereignet.‘
29 Das Zeitadverbial durante la década de 1960 ‚während des Jahrzehnts der Sechziger‘ ist hier nicht als Zeitdaueradverbial und als Nachweis von Atelizität zu verstehen. Auch telische VPn erlauben derartige Adverbiale, die nicht zwingend die Dauer des vom Verb bezeichneten
98
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
In größerer Zahl finden sich Belege für Typ-A-NI von init-proc-res-Verben in iterativen Lesarten, vgl. (67), (68), (69) und (70). Das als de-PP realisierte Argument steht jeweils im Plural und/oder der Infinitiv wird durch ein aspektuelles Adjektiv modifiziert, woraus sich eine unbegrenzt-iterative Lesart ergibt. In (67), (68) und (69) kommt diese Lesart dadurch zustande, dass sich das vom Verb bezeichnete Ereignis an jedem Element der Pluralmenge vollzieht. Da die Anzahl der Elemente in der Menge nicht bestimmt ist, ist auch die Anzahl der Ereigniswiederholungen nicht begrenzt, vgl. Abschnitt 3.4. In (69) wird die unbegrenzte Lesart zusätzlich durch den aspektuellen Modifizierer continuo verstärkt. In (70) steht das Argument zwar im Singular, so dass sich das Ereignis am selben Referenten wiederholt. Die Iteration der Ankommen-Ereignisse kann aber auf Grund des Modifizierers constante auch in diesem Fall als unbegrenzt interpretiert werden. (67) el morir de los días (Pérez Vázquez 2007: 83) ‚das Sterben (Vergehen) der Tage‘ (68) Había presenciado el arracimado caer de las bombas. (nach Hernanz 1999: 2346) ‚Er hatte das dicht gedrängte Fallen der Bomben miterlebt.‘ (69) […] con el continuo resbalar de las bestias […] (NGLE 2009: § 26.3ñ) ‚[…] mit dem ständigen Stolpern der Tiere […]‘ (70) el constante llegar tarde de Juan durante seis años (Alexiadou 2010: 505) ‚Juans Sechs-Jahre-lang-ständig-Zuspätkommen‘ Von intransitiven init-proc-res-Verben werden offenbar nicht so produktiv TypA-NI gebildet wie von intransitiven init-proc-Verben. Allerdings ist die Bildung auch nicht vollständig blockiert. Vor allem wenn sich aus der Iteration einzelner Ereignisse eine unbegrenzte Lesart ergibt, sind auch init-proc-res-Verben als Typ-A-NI vertreten. Das als de-PP realisierte Argument, das zugleich INITIATOR, UNDERGOER und RESULTEE ist, steht in iterativen Lesarten dabei häufig, aber nicht zwingend im Plural.
Ereignisses angeben, sondern das Ereignis auch als Positionsadverbiale in einem Zeitrahmen situieren können, vgl. Das Camp wurde während des Krieges gebaut oder Sie aßen den Braten während der Feier.
4.1 Typ A
99
4.1.3 Process-Verben Proc-Verben bezeichnen reine Vorgänge und sind daran zu erkennen, dass sie sowohl kausativ/transitiv als auch intransitiv/antikausativ verwendet werden können und keinen Resultatzustand implizieren, vgl. (71)a und b sowie (72). In dieser Klasse finden sich neben nicht-derivierten Verben, die häufig Bewegungsverben sind, vgl. (73)a, auch zahlreiche deadjektivische Verben, vgl. (73) b (für einen Überblick über Verben ohne init-Merkmal siehe Abschnitt 3.5.3). (71) a. El sol madura los tomates. Die Sonne reift die Tomaten ‚Die Sonne lässt die Tomaten reifen.‘ b. Los tomates han madurado. ‚Die Tomaten sind gereift.‘ (72) Los tomates maduraron {durante tres semanas / en tres semanas}. ‚Die Tomaten sind drei Wochen lang / in drei Wochen gereift.‘ (73) a. subir ‚steigen/anheben‘, bajar ‚sinken/senken‘, cambiar ‚(sich) ändern‘, volar ‚fliegen‘ [proc] b. madurar ‚reifen (lassen)‘, mejorar ‚(sich) verbessern‘, empeorar ‚(sich) verschlechtern‘, alargar(se) ‚(sich) verlängern‘ [proc] Typ-A-NI mit deadjektivischen Basisverben sind meines Wissens in der Literatur bisher nicht beschrieben worden und in Korpora finden sich nur vereinzelte Belege. (74) De hecho, es reconocida la importancia que tuvo el mejorar de las habilidades visuales. (ESCOW16A) ‚De facto, wird die Wichtigkeit, die das Verbessern der visuellen Fähigkeiten hatte, anerkannt.‘ (75) […] con el alargar de una nota (ESCOW16A). ‚[…] mit dem Verlängern einer Note (eines Tons)‘ Häufig erwähnt werden hingegen Verben der Bewegungsrichtung, die üblicherweise als unakkusativ gelten und von denen produktiv Typ-A-NI gebildet werden können, vgl. (76)–(79) (vgl. NGLE 2009: § 26.3 m, Rodríguez Espiñeira 2008, Rosemeyer 2012).
100
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
(76) el oportuno arrimarse del galán (Rodríguez Espiñeira 2008: 144) ‚das opportune Sichnähern des Galans‘ (77) ese descender del Nilo (Rodríguez Espiñeira 2008: 144)30 ‚das Abwärtsfließen des Nils‘ (78) Le sorprendió el subir de los precios (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Das Steigen der Preise überraschte ihn.‘ (79) el hervir de la leche (Demonte & Varela 1998: 166) ‚das Kochen der Milch‘ Demonte & Varela (vgl. 1998: 166) nehmen an, dass das als PP realisierte Argument immer nur als Subjekt interpretierbar ist, was den Autorinnen zufolge bestätigt, dass Typ-A-NI nicht von transitiven Verben gebildet werden können, vgl. (78) und (79).31 Wenn die transitive und die intransitive Variante des Basisverbs morphologisch identisch sind, ist rein formal nicht erkennbar, ob das PPArgument dem tieferen oder dem höheren Argument entspricht. Dieser Fall ist mit Basen wie descender, subir und hervir gegeben, vgl. (77), (78) und (79). In vielen Fällen wird die intransitive Variante aber durch das Klitikon se gekennzeichnet. Ist dieses vorhanden, lässt sich das als PP realisierte Argument eindeutig als einziges Argument der intransitiven Variante, entsprechend dem Subjekt, identifizieren, vgl. (76).
30 Der Nil ist hier als UNDERGOER-Argument zu verstehen. Nicht gemeint ist die Lesart ‚den Nil hinunterfahren‘ (vgl. Rodríguez Espiñeira 2008: 144). 31 Als weitere Beispiele führen Demonte & Varela folgende Typ-A-NI an: (1)
el crecer de las plantas ‚das Wachsen der Pflanzen‘
(2)
el caer de la lluvia ‚das Fallen des Regens‘
Allerdings erlauben die Basisverben crecer und caer keine kausativen bzw. transitiven Verwendungen, vgl. (3)b und (4)b, und sind nach der hier verwendeten Systematik daher keine reinen proc-Verben, sondern init-proc-Verben, welche die Bildung von Typ-A-NI ohnehin zulassen, s. o. (3)
a. Las plantas crecen. b. *Jorge crece las plantas. ‚Die Pflanzen wachsen.‘ ‚Jorge wächst die Pflanzen.‘
(4)
a. La lluvia cae. ‚Der Regen fällt.‘
b. *La contaminación del aire cae la lluvia ácida. ‚Die Luftverschmutzung fällt den sauren Regen.‘
4.1 Typ A
101
4.1.4 Process-result-Verben Auch proc-res-Verben wie (80) können sowohl transitiv/kausativ als auch intransitiv/antikausativ verwendet werden, vgl. (81). Anders als reine proc-Verben bezeichnen sie jedoch Vorgänge, die in einen Resultatzustand münden. In Ramchands Modell wird angenommen, dass verbale Wurzeln, die sowohl ein proc- als auch ein res-Merkmal tragen, telische und punktuelle Lesarten hervorrufen, vgl. (82). Das Subjekt der procP ist gleichzeitig das Subjekt der resP, woraus sich ein komplexes UNDERGOER-RESULTEE Argument ergibt (vgl. Abschnitt 3.5.3.2). (80) romper(se) ‚zerbrechen‘, abrir(se) ‚(sich) öffnen‘, ocultar(se) ‚(sich) verstecken‘ [proci, resi] (81) a. Cristina abrió la puerta. ‚Cristina hat die Tür geöffnet.‘ b. La puerta se abrió. ‚Die Tür hat sich geöffnet.‘ (82) La puerta se abrió {*durante un instante / en un instante}. ‚Die Tür hat sich einen Moment lang / in einem Moment geöffnet.‘32 Wie init-proc-res-Verben sind auch proc-res-Verben daher typische achievements, die nach verbreiteter Annahme nicht als Nominalisierungsbasis für Typ-A-NI in Frage kommen (Demonte & Varela 1998: 150). In der Literatur und in Korpora existieren verschiedene Belege, die jeweils zeitstrukturelle Besonderheiten aufweisen, vgl. (83), (84), (85) und (86). (83) Oíamos el lejano abrir de una puerta. (Rodríguez Espiñeira 2008: 143) ‚Wir hörten das entfernte (Sich-)Öffnen einer Tür.‘ (84) Oigo un largo grito […] y el chocar de un cuerpo en tierra (Hernanz 1999: 2344) ‚Ich hörte einen langgezogenen Schrei […] und das Aufprallen eines Körpers auf den Boden.‘
32 Das Zeitadverbial durante un instante ist nur akzeptabel, wenn es sich nicht auf das vom Verb bezeichnete Ereignis, sondern den daraus folgenden Nachzustand bezieht: ‚Die Tür hat sich für einen Moment geöffnet.‘ bzw. ‚Die Tür stand einen Moment lang offen.‘
102
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
(85) el romper de vasos ‚das Zerbrechen von Vasen‘ (86) el romper de las olas (CdE) ‚das Brechen der Wellen‘ Die Ereignisse in (83) und (84) werden unter internem Blickwinkel als im Vorlauf befindlich perspektiviert, was in (83) insbesondere durch die imperfektive Aspektform des Matrixverbs deutlich wird. An (85) und (86) fällt jeweils die Pluralform des UNDERGOER-RESULTEE-Arguments auf, die eine unbegrenzt-iterative Lesart auslöst. Die NI bezeichnen folglich zwar jeweils achievements, die sich aber unbegrenzt wiederholen (vgl. Abschnitt 3.4). Aus morphologischer Sicht fällt wie bei reinen proc-Verben auf, dass nicht immer formal erkennbar ist, ob das als PP realisierte Argument das einzige Argument eines intransitiven oder das tiefere Argument eines transitiven Verbs ist. Die intransitiven Varianten von romper und abrir werden in der Regel durch se gekennzeichnet, was bei den Typ-A-NI in (83), (85) und (86) nicht der Fall ist. Vorläufig lässt sich festhalten, dass sich proc-res-Verben ähnlich wie init-procres-Verben verhalten. Von Verben mit res-Merkmal werden offenbar nicht produktiv Typ-A-NI gebildet. Andererseits sind Verben mit dieser Merkmalsspezifizierung als Nominalisierungsbasis auch nicht vollständig blockiert, zumindest dann nicht, wenn das Ereignis auf irgendeine Weise (z. B. durch Iteration oder imperfektiven Aspekt des Matrixverbs) als zeitlich unbegrenzt dargestellt wird.
4.1.5 Initiation-process-(result-)Verben: Semelfaktiva Semelfaktiva wurden in Abschnitt 3.5.4 als spezielle Verbklasse identifiziert, die sowohl achievement- als auch activity-Lesarten erlaubt, vgl. (87)a und b. Die Besonderheit von Semelfaktiva ist darin zu sehen, dass die unbegrenzte und durative Aktivitätslesart zustande kommt, indem sich das Ereignis ohne zeitliche und räumliche Lücken am selben Referenten wiederholt, vgl. (87)b. In Ramchands Modell sind Semelfaktiva Verben mit ambiger Merkmalsspezifizierung, die ein res-Merkmal tragen können, aber nicht müssen. Semelfaktive Verben können sowohl transitiv als auch intransitiv sein, vgl. (88)a und b. (87) a. La luz destelló (una vez). ‚Das Licht blinkte (einmal) (auf).‘ b. La luz estaba destellando toda la noche. ‚Das Licht blinkte die ganze Nacht.‘
4.1 Typ A
103
(88) a. tambalear(se) ‚schwanken‘, destellar ‚funkeln‘, parpadear ‚blinzeln‘, toser ‚husten‘ [initi, proci, (resi)] b. sacudir ‚schütteln‘, golpear ‚schlagen‘, martillear ‚hämmern, klopfen‘ [init, proci, (resi)] In der Literatur existieren zahlreiche Belege für Typ-A-NI mit semelfaktiven Basisverben, die jeweils als init-proc-Verben vorkommen, also unbegrenzt-iterative Lesarten aufweisen und keinen Resultatzustand implizieren. Die Unbegrenztheit wird häufig durch aspektuelle Modifizierer wie continuo, constante oder repetitivo vereindeutigt, vgl. (89), (90) und (91). Dies ist jedoch nicht zwingend, vgl. (92) und (93). Ein Beispiel für ein transitives Verb, dessen UNDERGOER-Argument als PP realisiert wird, ist (94). (89) Presencié el continuo destellar de la luz. (Fábregas & Varela 2006: 25) ‚Ich sah das ständige Funkeln des Lichts.‘ (90) Oí el constante tintinear de la moneda. (Fábregas & Varela 2006: 25) ‚Ich hörte das dauernde Klimpern des Gelds.‘ (91) Presencié el repetitivo tambalearse de aquel borracho. (Fábregas & Varela 2006: 31) ‚Ich war beim sich wiederholenden Taumeln dieses Betrunkenen dabei.‘ (92) Solo se sentía el espantoso gemir de los heridos. (Plann 1981: 221) ‚Man nahm nur das entsetzliche Stöhnen der Verletzten wahr.‘ (93) el sollozar de los afligidos. (Plann 1981: 221) ‚das Schluchzen der Betrübten‘ (94) […] a causa del sacudir de alfombras. (Rodríguez Espiñeira 2008: 145) ‚[…] wegen des Schüttelns von Teppichen‘
4.1.6 Zusammenfassung Der Abschnitt hat gezeigt, dass die Bildung von Typ-A-NI verschiedenen verbklassenbezogenen Beschränkungen unterliegt. Typ A wird produktiv von intransitiven Basisverben gebildet. Dabei handelt es sich zum einen um initi-proci- Verben, unter denen insbesondere Geräuschäußerungsverben (ladrar, rezongar) und Verben
104
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
der Bewegungsart (caminar, pulular) auffallen, sowie zum anderen um reine procVerben, insbesondere Verben der Bewegungsrichtung (subir, bajar). Eine Beschränkung auf atelische Verben ist nur insofern erkennbar, als TypA-NI von Verben ohne res-Merkmal produktiver gebildet werden als von Verben mit res-Merkmal. Allerdings sind Verben mit resultativer Bedeutungskomponente immer dann als Nominalisierungsbasis möglich, wenn das Ereignis – durch ein pluralisches Argument, imperfektiven Aspekt des Matrixverbs oder einen aspektuellen Modifizierer – eine unbegrenzt-iterative Lesart erhält. Aussagen aus der Literatur, denen zufolge Typ-A-NI nur von atelischen Verben gebildet werden können, kann somit nicht zugestimmt werden und die bisher formulierten Generalisierungen über die Bildung von Typ-A-NI sind nur partiell haltbar. Unbegrenzte Lesarten, die nichts mit der Ereignisstruktur im engeren Sinn zu tun haben, scheinen dazu zu führen, dass von telischen Verben gebildete Formen akzeptabel werden. Inwieweit transitive Verben mit Typ-A-NI kompatibel sind, ist nicht vollständig klar. Unabhängig von aspektuellen Eigenschaften scheint bei transitiven Basisverben das tiefere Argument nur selten als de-PP realisiert zu werden. Das höhere Argument ist bisher wenig beachtet worden und scheint die PP-Position eher besetzen zu können. Die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen Typ-A-NI von transitiven Basisverben gebildet werden können und welchen Einschränkungen die Argumentrealisierung unterliegt, wird in Kapitel 7 experimentell untersucht. Insgesamt deuten die in diesem Abschnitt analysierten Daten daraufhin, dass vor allem init-proc oder proc-Strukturen durch Typ-A-NI lexikalisiert werden und vielfach entweder das einzige oder das ranghöchste Argument als PP erscheint, vgl. (95) und (96). (95)
(96)
initP
procP UNDERGOER
INITIATOR init
proc
procP UNDERGOER proc
4.2 Typ B und Typ C
105
4.2 Typ B und Typ C Von transitiven Verben und ihrem tieferen Argument werden uneingeschränkt Typ-B- und Typ-C-NI gebildet, d. h. Formen, die aus der Folge Determinierer + Infinitiv + bloßes Nomen oder der Folge Determinierer + Infinitiv + volle DP bestehen (vgl. z. B. Fábregas & Varela 2006). Beide NI-Typen sind dadurch definiert, dass das tiefere Argument eines transitiven Basisverbs realisiert wird, vgl. (97), (98) und (99). (97) a. el usar armas ‚das Waffenbenutzen‘ b. el usar las armas ‚das Die-Waffen-Benutzen‘ (98) a. el comer manzanas ‚das Äpfelessen‘ b. el comer una manzana ‚das Einen-Apfel-Essen‘ (99) a. el buscar piso ‚das Wohnungsuchen‘ b. el buscar un piso ‚das Eine-Wohnung-Suchen‘ Anders als Typ-A-NI unterliegen sie keinen verbklassenbezogenen Beschränkungen, sondern können von allen Klassen transitiver Verben gebildet werden. In Tabelle 11 sind noch einmal alle fünf Verbklassen aufgeführt, die sich nach Ramchands Merkmalsystem unterscheiden lassen. Dabei werden hier nur die transitiven Vertreter und ihr tieferes Argument berücksichtigt. Die folgenden Beispiele aus dem ESCOW16A-Korpus illustrieren, dass sowohl Typ B als auch Typ C von allen der in Tabelle 11 aufgeführten Verben und ihrem tieferen Argument gebildet werden kann, d. h. nicht nur wie in (100)–(104) von dynamischen Verben, sondern auch wie z. B. in (105) von Zustandsprädikaten. Die a-Beispiele illustrieren jeweils Typ B, die b-Beispiele Typ C.
106
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
Tabelle 11: Klassen transitiver Verben nach Ramchand (2008). Lexikalische(s) Merkmal(e) der Verbwurzel
tieferes Argument
Beispiel
I.
[init, proc] [initi, proci]
UNDERGOER
usar ‚verwenden‘, empujar ‚schieben‘
PFAD
comer ‚essen‘, leer ‚lesen‘
II.
[init, proci, resi]
UNDERGOER-RESULTEE
encontrar ‚finden‘, matar ‚töten‘
III.
[proc]
UNDERGOER
subir ‚anheben‘, aumentar ‚erhöhen‘
IV. [proci, resi]
UNDERGOER-RESULTEE
romper ‚zerbrechen‘, abrir ‚öffnen‘
V.
RHEMA
temer ‚fürchten‘, querer ‚lieben‘
[init]
(Klasse I, bloßes Nomen / DP = UNDERGOER) (100) a. […] en un parque natural de Murcia se prohibió el usar das Benutzen bicis de montaña. Mountainbikes ‚In einem Naturschutzgebiet von Murcia wurde das Benutzen von Mountainbikes verboten.‘ b. […] evitan el usar el silicio que es muy costoso de das Benutzen das Silizium conseguir y de fabricar. ‚[…] sie vermeiden das Benutzen des Siliziums, da es schwer zu bekommen und herzustellen ist.‘ (Klasse I, bloßes Nomen / DP = PFAD) (101) a. [...] solamente el leer correos les ocupa a cada empleado alrededor das Lesen Emails de 20 horas semanales. ‚[…] allein das Lesen von Emails beschäftigt jeden Angestellten ungefähr zwanzig Wochenstunden.‘ b. Gracias por la esperanza que me ha dado el leer das Lesen vuestra página […]. eure Seite ‚Danke für die Hoffnung, die mir das Lesen eurer Seite gegeben hat […].‘
4.2 Typ B und Typ C
107
(Klasse II, bloßes Nomen / DP = UNDERGOER-RESULTEE) (102) a. Un requisito previo al comienzo de las actividades del proyecto es el encontrar socios. das Finden Teilhaber ‚Eine Voraussetzung vor Beginn der Projektaktivitäten ist das Finden von Teilhabern.‘ b. El encontrar un alojamiento adecuado es muy importante para el das Finden eine Unterkunft geeignet estudiante […]. ‚Das Finden einer geeigneten Unterkunft ist für den Studenten sehr wichtig […].‘ (Klasse III, bloßes Nomen / DP = UNDERGOER) (103) a. […] el subir niveles evoca el esfuerzo. das Anheben Niveaus ‚[…] das Anheben von Niveaus ruft Anstrengung hervor.‘ b. […] el subir los hombros es una respuesta instintiva de das Anheben die Schultern protegerse el cuello. ‚[…] das Anheben der Schultern ist eine instinktive Antwort, um den Hals zu schützen‘. (Klasse IV, bloßes Nomen / DP = UNDERGOER-RESULTEE) (104) a. […] ya que dicho nivel implica el romper barreras. das Brechen Grenzen ‚[…] denn das genannte Niveau beinhaltet das Überschreiten von Grenzen.‘ b. Las primeras conversaciones, el romper el hielo das Brechen das Eis es algo muy importante para el éxito […]. ‚Die ersten Gespräche, das Brechen des Eises, ist sehr wichtig für den Erfolg […].‘
108
4 Ereignis- und Argumentstruktur von NI
(Klasse V, bloßes Nomen / DP = RHEMA) (105) a. El tener pareja implica una responsabilidad. das Haben Partner ‚Einen Partner haben bringt Verantwortung mit sich.‘ b. Nuestros pacientes presentaron como característica común, el tener una pequeña herida epicraneal […] das Haben eine kleine Verletzung auf dem Schädel ‚Unsere Patienten weisen als gemeinsames Merkmal eine kleine Verletzung auf dem Schädeldach auf […].‘ Die Besonderheit von Typ B und C ist folglich nicht in einer Beschränkung auf bestimmte Verbklassen oder Argumentpositionen zu sehen. Die wesentliche Eigenschaft dieser Formen besteht vielmehr darin, dass sie auf Ereignistypreferenz spezialisiert sind, worauf in Abschnitt 5.3 näher eingegangen wird. NI mit einem bloßem Nomen adjazent zum Infinitiv (Typ B) treten im Vergleich zu Formen mit einer vollen DP (Typ C) häufiger auf (vgl. u. a. Fábregas & Varela 2006: 24). Die Frage, wie sich unterschiedliche Ereignislesarten auf die Akzeptabilität auswirken, wird daher für Typ B im Rahmen eines Experiments noch genauer untersucht (vgl. Abschnitt 8.3).
5 Denotationen und Lesarten von NI 5.1 Einleitung In den vorangegangenen Kapiteln wurde die syntaktische Struktur von NI diskutiert (Kapitel 2). Anschließend wurde basierend auf Ramchands FPS (Kapitel 3) danach gefragt, von welchen Verbklassen NI gebildet werden können und welche Argumente der verbalen Basis in der nominalisierten Struktur realisierbar sind (Kapitel 4). In diesem Kapitel geht es nun um die externe Distribution von NI und die Frage, welche Denotationen und Lesarten die unterschiedlichen Formtypen zulassen. Zu diesem Zweck werden zunächst einige sortensemantische Unterscheidungen und Lesarten eingeführt und voneinander abgegrenzt, um jeweils im Anschluss ihre Relevanz für NI zu diskutieren. Dieser Bereich ist bisher kaum untersucht worden (vgl. v. a. Demonte & Varela 1998, Di Tullio 2001, Fábregas & Varela 2006, Rosemeyer 2012 für die Diskussion einzelner Aspekte) und auch dieses Kapitel bietet keine exhaustive Analyse, sondern soll vor allem dazu dienen, konkrete Fragestellungen zu entwickeln, welche die Basis der experimentellen Untersuchung darstellen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die drei Formtypen A (el cantar de los pájaros), B (el cantar coplas) und C (el cantar las coplas) und ihr Auftreten in Ereignislesarten. Im Zusammenhang mit Ereignisdenotation erscheinen vor allem zwei Aspekte relevant. Erstens erlauben deverbale Nominalisierungen oft mehr als nur eine Denotation und können neben Ereignissen auch Resultate und Tatsachen bezeichnen, vgl. z. B. (1) und (2). In (1)a bezeichnet construcción ein Ereignis, in (1)b hingegen das Objekt, das aus dem von der Verbwurzel bezeichneten Ereignis resultiert. In (2)a ist subida als Ereignisnominalisierung anzusehen, in (2)b hingegen als Tatsachennominalisierung. Die vier Beispielsätze illustrieren, dass die Lexeme selbst mehrdeutig sind, die Lesart aber durch bestimmte Matrixprädikate desambiguiert werden kann. Ein Ziel dieses Kapitels besteht daher darin, Matrixprädikate vorzustellen, die bestimmte Lesarten hervorrufen, aber auch zu zeigen, dass die Denotation einer Nominalisierung ambig bleiben kann, wenn sich anders als in (1) und (2) durch den unmittelbaren Kontext keine semantischen Restriktionen ergeben. (1)
a. La construcción de la iglesia tuvo lugar en el siglo XV. ‚Der Bau der Kirche hat im 15. Jahrhundert stattgefunden.‘ b. La construcción es sólida. (Jaque Hidalgo & Martín García 2012: 131) ‚Der Bau ist stabil.‘
https://doi.org/10.1515/9783110723359-005
110
(2)
5 Denotationen und Lesarten von NI
a. La subida de los precios ha empezado a finales del último año. (Google) ‚Der Anstieg der Preise hat Ende letzten Jahres begonnen.‘ b. La subida de los precios es un hecho importante del último semestre. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Der Anstieg der Preise ist eine wichtige Tatsache des letzten Halbjahrs.‘
Zweitens spielt es eine Rolle, ob eine ereignisdenotierende Nominalisierung auf eine konkrete Ereignisepisode oder eine Ereignisart Bezug nimmt. Während sich z. B. nacimiento in (3)a auf ein konkretes Partikularereignis bezieht, verweist dieselbe Form in (4) auf den Ereignistyp im Allgemeinen. Die Unterscheidung zwischen episodischer und generischer Ereignisreferenz ist für NI deshalb interessant, weil die Vermutung besteht, dass zwar alle drei der hier betrachteten Formtypen Ereignisse bezeichnen können, aber auf unterschiedliche Arten von Ereignisreferenz spezialisiert sind. An den intern verbal(er) strukturierten Typen B und C fällt auf, dass sie wie z. B. in (4) und (5) vielfach in generischen Lesarten auftreten. (3)
a. El nacimiento del niño tuvo lugar en un hospital cercano. ‚Die Geburt des Kindes hat in einem nahegelegenen Krankenhaus stattgefunden.‘ b. El nacimiento de un hijo es un acontecimiento grande. ‚Die Geburt eines Kindes ist ein großes Ereignis.‘
(4)
Para mí, veinte años atrás, el observar pájaros das Beobachten Vögel era tarea de locos. (Google) ‚Für mich vor zwanzig Jahren war das Beobachten von Vögeln eine Tätigkeit für Verrückte.‘
(5)
Vemos que el construir una casa es en realidad un proceso algo largo das Bauen ein Haus y laborioso, aunque tampoco imposible. (Google) ‚Wir sehen, dass das Bauen eines Hauses in Wahrheit ein ziemlich langer und mühsamer, aber auch kein unmöglicher Prozess ist.‘
Das Kapitel gliedert sich im Einzelnen wie folgt: In Abschnitt 5.2 werden zunächst Kriterien zur Identifizierung von Ereignislesarten eingeführt (5.2.1) und Ereignislesarten von Resultat- und Tatsachenlesarten abgegrenzt (5.2.3 und 5.2.5). In den dazwischenliegenden Abschnitten (5.2.2, 5.2.4 und 5.2.6)
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
111
werden die vorgestellten Kriterien jeweils auf NI angewendet. Im Anschluss soll in Abschnitt 5.3 der Unterschied zwischen episodischer und generischer Ereignisreferenz geklärt werden. Hierfür werden zunächst einige Grundlagen zum Phänomenbereich Generizität eingeführt (5.3.1) sowie distributionelle Tests vorgestellt, anhand derer sich generisch und episodisch referierende Ereignisnominalisierungen unterscheiden lassen (5.3.2). Im Anschluss werden auf eher tentative Art zwei mögliche Zusammenhänge diskutiert: Zum einen geht es um die Frage, wie Lesartpräferenzen von NI mit der Realisierung bzw. Auslassung von Argumenten des Basisverbs zusammenhängen könnten (vgl. Abschnitt 5.3.3). Zum anderen wird danach gefragt, welche Rolle die syntaktische Struktur einer Nominalisierung, genauer gesagt ihr Nominalisierungsgrad für Lesartpräferenzen spielen könnte (vgl. Abschnitt 5.3.4). Dabei werden in den beiden letztgenannten Abschnitten überblicksartig auch Ereignisnominalisierungen aus dem Deutschen, Rumänischen und Englischen hinzugezogen. Die Fragestellungen und Beobachtungen, die in diesem Kapitel herausgearbeitet werden, dienen als Ausgangspunkt für die in Kapitel 7 und 8 vorzustellenden Akzeptabilitätstests.
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie sich Ereignisnominalisierungen identifizieren lassen und anhand welcher Kriterien sie von Resultat- und Tatsachennominalisierungen unterschieden werden können. Um zu ermitteln, welche Lesart(en) eine Nominalisierung erlaubt, wird die entsprechende Form mit bestimmten Matrixprädikaten oder Modifizierern kombiniert. Dieses Vorgehen basiert im Wesentlichen auf Vendlers (1967) sortensemantischer Diskussion englischer Gerundien, die nach wie vor als wichtiger Ausgangspunkt für semantische Untersuchungen zu deverbalen Nominalisierungen dient. Vendler hat Gerundien auf ihre Kompatibilität mit verschiedenen Matrixprädikaten, in seinen Worten „Containern“, getestet und dabei die Unterscheidung zwischen sogenannten „engen“ und „weiten“ Containern etabliert. Erstere selegieren nur ereignisdenotierende Ausdrücke, während letztere ihren Argumenten weniger enge semantische Beschränkungen auferlegen.
5.2.1 Ereignislesarten Matrixprädikate, die ausschließlich Ereignisnomen in Argumentposition erlauben, sind im Spanischen vor allem tener lugar ‚stattfinden, geschehen‘, llevarse
112
5 Denotationen und Lesarten von NI
a cabo ‚durchgeführt werden‘, presenciar ‚dabei sein‘, asistir en ‚beiwohnen‘ und ser testigo de ‚Zeuge sein von‘, vgl. (6), (7), (8), (9) und (10). (6)
La construcción de la iglesia tuvo lugar en el siglo XV. ‚Der Bau der Kirche fand im 15. Jahrhundert statt.‘
(7)
La fundación de Turquía se llevó a cabo en el Congreso de Sivas, el 4 de septiembre de 1919. (Wikipedia) ‚Die Gründung der Türkei wurde beim Kongress von Sivas durchgeführt, am 4. September 1919.‘
(8)
Miles de turistas […] presenciaron la ruptura del glaciar. (Google) ‚Tausende von Touristen […] waren beim Bruch des Gletschers dabei.‘
(9)
Citan a una juez y una secretaria que asistieron al interrogatorio de doña Cristina. (Google) ‚Es werden eine Richterin und eine Sekretärin zitiert, die bei der Befragung von Doña Cristina dabei waren.‘
(10)
[...] fue testigo del asesinato de una mujer por parte de su ex cónyuge. (Wikipedia) ‚[…] er war Zeuge des Mordes an einer Frau durch ihren Ex-Mann.‘
Auch Kopulastrukturen, in denen das Prädikatsnomen ein ereignisdenotierender Ausdruck ist, sind enge Container. Eine Form, die als Subjekt eines prädizierenden Kopulasatzes des Typs DP es un acontecimiento/proceso/suceso + Adjektiv auftreten kann, ist folglich eine Ereignisnominalisierung, vgl. z. B. (3)b wiederholt als (11) und (12). (11)
El nacimiento de un niño es un acontecimiento grande. ‚Die Geburt eines Kindes ist ein großes Ereignis.‘
(12)
El uso de sustancias agroquímicas es un proceso peligroso. (Wikipedia) ‚Die Benutzung von landwirtschaftlich-chemischen Substanzen ist ein gefährlicher Vorgang.‘
Da bestimmte Eigenschaften nur über ein Ereignis, (nicht aber über ein Resultat oder eine Tatsache) prädiziert werden können, dient außerdem die Kombinierbarkeit mit einigen modalen Adjektiven als Nachweis für Ereignisdenotation. Beispielsweise kann nur ein Ereignisnomen als Subjekt eines Kopulasatzes vor-
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
113
kommen, in dem das prädikative Adjektiv gradual ‚allmählich‘ lautet, vgl. (13). Adjektive, die sich prinzipiell auch auf Objekte oder Personen, nicht aber auf Resultate oder Tatsachen beziehen können, sind z. B. lento ‚langsam‘ oder rápido ‚schnell‘, vgl. (14) und (15). (13)
la destrucción gradual del tejido (Wikipedia) ‚die allmähliche Zerstörung des Gewebes‘
(14)
La reconstrucción de los barcos fue lenta. (Wikipedia) ‚Die Rekonstruktion der Schiffe verlief langsam.‘
(15)
Su ascensión fue rápida. (Wikipedia) ‚Sein Aufstieg ging schnell.‘
Da Ereignisse sensorisch wahrnehmbar sind und sich in (raum-)zeitlichen Dimensionen erfassen lassen, gelten auch Wahrnehmungsverben sowie zeit- und dauerbezogene Verben als typische Container von Ereignisnominalisierungen. Vendler (1967) hat diese Verben auch als enge Container klassifiziert, die nur mit Ereignisnomen, nicht aber mit Resultat- oder Tatsachennominalisierungen kombinierbar sind: It is events, processes and actions, and not facts and results, that […] begin, last and end. The former, and not the latter, can be watched, heard, followed and observed […]. (Vendler 1967: 141)
In späteren Arbeiten ist jedoch gezeigt worden, dass Wahrnehmungsverben sowie zeit- und dauerbezogene Verben auch Resultat- und/oder Tatsachennominalisierungen als Argumente erlauben und somit nicht als enge Container einzustufen sind (vgl. z. B. Ehrich & Rapp 2000). Beispielsweise kommt in beiden Varianten von (16) die Nominalisierung construcción als direktes Objekt von mirar vor, allerdings in unterschiedlichen Lesarten. In (16)a bezieht sich die Nominalisierung auf ein Ereignis, in (16)b auf das Objekt, das aus dem von der Verbwurzel bezeichneten Ereignis hervorgegangen ist. Auch durar in (17) ist semantisch flexibel. Während in (17)a eine bestimmte Dauer über ein Ereignis prädiziert wird, wird in (17)b auf die Dauer eines Resultatzustands verwiesen. (16) a. Miramos la construcción de campamiento ‚Wir sahen dem Aufbau des Lagers zu.‘ b. Miramos la sólida construcción de piedra. ‚Wir sahen den stabilen Bau aus Stein an.‘
114
5 Denotationen und Lesarten von NI
(17) a. La construcción de la iglesia duró cien años. ‚Der Bau der Kirche dauert hundert Jahre.‘ b. La desaparición de Juan duró varios años. (Jaque Hidalgo & Martín García 2012: 113) ‚Das Verschwinden von Juan dauerte mehrere Jahre.‘ ≈‚Juan war mehrere Jahre verschwunden.‘ Es gibt also einerseits Matrixprädikate und Modifizierer, die sich immer auf den Verlauf eines Ereignisses beziehen und mit denen sich testen lässt, ob eine Nominalisierung eine Ereignislesart erlaubt, sowie andererseits Container, die zwar auch, aber nicht ausschließlich mit Ereignisnomen kombinierbar sind. Im experimentellen Teil der Arbeit werden die zu untersuchenden NI nach Möglichkeit mit engen Containern kombiniert. In bestimmten Fällen müssen jedoch auch Matrixprädikate wie zeitbezogene Verben oder Wahrnehmungsverben verwendet werden, die Ereignislesarten erlauben, aber nicht erzwingen. Diese Fälle sind entsprechend dokumentiert.
5.2.2 Ereignislesarten von NI Dieser Abschnitt bietet einen ersten Überblick zu der Frage, ob und, wenn ja, in welchem Umfang NI als Ereignisnominalisierungen auftreten können. Wir betrachten dabei zunächst Typ A, der im Hinblick auf Ereignisdenotation besser untersucht ist als Typ B und Typ C (vgl. v. a. Demonte & Varela 1997, 1998, Fábregas & Varela 2006). Typ-A-NI lassen sich anhand ihres kombinatorischen Verhaltens eindeutig als Ereignisnominalisierungen identifizieren. Sie treten beispielsweise als Objekt von presenciar auf, vgl. (18), werden durch modale Adjektive wie pausado ‚langsam, bedächtig‘ modifiziert, vgl. (19), oder kommen als Subjekt eines prädizierenden Kopulasatzes vor, in dem das Prädikatsnomen ein ereignisdenotierender Ausdruck ist, vgl. (20). (18)
Presencié el repetitivo tambalearse de aquel borracho. (Fábregas & Varela 2006: 31) ‚Ich war beim sich wiederholenden Taumeln dieses Betrunkenen dabei.‘
(19)
el pausado caminar de las tortugas (Rodríguez Espiñeira 2008: 143) ‚das langsame Gehen der Schildkröten‘
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
(20)
115
El subir de los precios es un acontecimiento importante. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Das Ansteigen der Preise ist ein wichtiges Ereignis.‘
Allerdings sind Typ-A-NI möglicherweise nicht mit allen Arten von Matrixprädikaten kompatibel, die ein ereignisdenotierendes Argument verlangen oder erlauben. Laut Demonte & Varela (1998: 142) können NI anders als viele deverbale Nomen insbesondere nicht als Subjekt von zeit- und dauerbezogenen Verben vorkommen, die auf den Anfangs- oder Endpunkt des Ereignisses verweisen oder das Ereignis als zeitlich abgeschlossenes Ganzes darstellen, vgl. (21) gegenüber (22). Demontes & Varelas Vergleich ist allerdings problematisch, da die jeweiligen NI unterschiedliche Ereignistypen bezeichnen und in (21) eine atelische Aktivität vorliegt, während in (22) ein telisches accomplishment gegeben ist. Ehrich (1991: 452 f.) beobachtet eine ähnliche Einschränkung auch an NI (≈ Typ A) im Deutschen, die anders als die entsprechenden deverbalen Nomen nicht mit terminativen Verben kombinierbar sind, vgl. (23)a vs. b. (21)
Aquel corretear majestuoso de su tía {*duró toda la tarde / *comenzó hace muy poco / *ya ha finalizado}. (Demonte & Varela 1998: 149) ‚Dieses majestätische Umherlaufen ihrer Tante dauerte den ganzen Nachmittag / hat vor Kurzem angefangen / hat schon aufgehört.‘
(22)
La preparación del pastel por su tía {duró toda la tarde / comenzó hace muy poco / ya ha finalizado}. ‚Die Vorbereitung des Kuchens durch ihre Tante hat den ganzen Nachmittag gedauert / hat vor Kurzem angefangen / ist schon abgeschlossen.‘
(23)
a. {Das Belagern der Stadt / das Verfolgen der Beute} *ist beendet worden. b. {Die Belagerung der Stadt / die Verfolgung der Beute} ist beendet worden. (Ehrich 1991: 452 f.)
Ausschlaggebend für diese Einschränkung ist den jeweiligen Autorinnen zufolge die Opposition zwischen perfektivem und imperfektivem Aspekt. Laut Demonte & Varela (1998) sowie de Miguel (1996) können Typ-A-NI das von der Verbwurzel bezeichnete Ereignis nur wie z. B. in (24) unter internem Blickwinkel ohne zeitliche Eingrenzung darstellen, nicht aber wie in (21) aus externer Perspektive. Allerdings widerlegen Demonte & Varela (1997) diese Generalisierung selbst mit Beispielen wie (25), in denen das vom NI
116
5 Denotationen und Lesarten von NI
bezeichnete Ereignis zeitlich eingegrenzt und als abgeschlossenes Ganzes betrachtet wird. (24)
Aún dura ese continuo y molesto piar de los pájaros. (de Miguel 1996: 40) ‚Dieses ständige und nervige Zwitschern der Vögel dauert immer noch an.‘
(25)
El odioso rechinar de la máquina duró toda la noche. (Demonte & Varela 1997: 163) ‚Das entsetzliche Knarren der Maschine hat die ganze Nacht angedauert.‘
Welche Rolle die perfektiv-imperfektiv-Opposition im Bereich von NI spielt, erscheint insgesamt unklar und wird im Folgenden nicht weiter diskutiert (zur imperfektiv-perfektiv-Opposition bei deverbalen Nomen im Französischen vgl. z. B. Ferret, Soare & Villoing 2010, Ferret & Villoing 2012). Mögliche aspektuelle Einschränkungen wurden aber bei der Konzeption der experimentellen Stimuli berücksichtigt, indem Typ-A-NI nur unter imperfektive oder aspektneutrale Matrixprädikate eingebettet wurden. Typ B (el cantar coplas) und Typ C (el cantas las coplas) sind, wie oben bemerkt, im Hinblick auf Ereignisdenotation bisher nur wenig beachtet worden. Grundsätzlich erlauben auch sie Ereignislesarten und können beispielsweise das Subjekt eines Kopulasatzes sein, in dem das Prädikatsnomen ein ereignisdenotierender Ausdruck ist, vgl. (26) und (27) sowie (28) und (29). Typ B (26) El utilizar herramientas es una tarea de supervivencia. (Google) das Benutzen Werkzeuge ‚Das Benutzen von Werkzeugen ist eine Überlebensstrategie.‘ (27) Su gran pasión fue el construir puentes. (Wikipedia) das Bauen Brücken ‚Seine große Leidenschaft war das Bauen von Brücken.‘ Typ C (28) Le tomo 6 meses el preparar la aplicación. (Wikipedia) das Vorbereiten die Anwendung ‚Die Vorbereitung der Anwendung hat ihn sechs Monate gekostet.‘ (29) El plantar un árbol es un acto de amor a la vida. (Google) das Pflanzen ein Baum ‚Das Pflanzen eines Baums ist ein Akt der Liebe zum Leben.‘
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
117
Allerdings scheint das Auftreten von Typ B und C in Ereignislesarten stärker restringiert zu sein als das von Typ A. Insbesondere ist unklar, ob die Formen wie in (26)–(29) nur auf Ereignistypen referieren oder ob sie wie in (30) auch auf konkrete Ereignisepisoden verweisen können.33 (30) Presencié ese afanoso barrer toda la habitación. dieses mühsam Fegen das ganze Zimmer (Fábregas & Varela 2006: 31) ‚Ich war bei diesem mühsamen Fegen des ganzen Zimmers dabei.‘ Vorläufig hat dieser Abschnitt gezeigt, dass alle drei hier betrachteten Formtypen prinzipiell als Ereignisnominalisierungen verwendet werden können, wenn auch vermutlich nicht in denselben Kontexten und Lesarten, worauf in Abschnitt 5.3 genauer eingegangen wird. Im Folgenden soll zunächst diskutiert werden, wie sich Ereignislesarten von Resultat- und Tatsachenlesarten unterscheiden lassen und inwieweit die beiden letztgenannten Lesarten für NI verfügbar sind.
5.2.3 Ereignis- und Resultatlesarten Viele deverbale Nominalisierungen können nicht nur Ereignisse, sondern auch Resultate bezeichnen, wobei zwischen Resultatzustand- und Resultatobjektlesarten zu unterscheiden ist (vgl. u. a. Ehrich & Rapp 2000, Jaque Hidalgo & Martín García 2012, Melloni 2011). Ein Beispiel für eine Nominalisierung, die sowohl ein Ereignis als auch ein Resultatobjekt bezeichnen kann, ist construcción, vgl. (1)a gegenüber b wiederholt als (31)a vs. b, Ein Beispiel für eine Nominalisierung mit Ereignis- und Resultatzustandlesart ist desaparición, vgl. (32)a vs. (17)b wiederholt als (32)b. (31) a. La construcción de la iglesia tuvo lugar en el siglo XV. ‚Der Bau der Kirche fand im 15. Jahrhundert statt.‘ b. La construcción (*de la iglesia) es sólida. ‚Der Bau (der Kirche) ist stabil.‘
33 Beispiel (30) wurde von vier befragten Sprecherinnen als inakzeptabel bewertet.
118
5 Denotationen und Lesarten von NI
(32) a. La desaparición de Juan tuvo lugar anoche. ‚Juans Verschwinden hat sich gestern Abend ereignet.‘ b. La desaparición de Juan duró varios años. Das Verschwinden von Juan dauerte mehrere Jahre. ≈‚Juan war mehrere Jahre verschwunden.‘ (Beispiele aus Jaque Hidalgo & Martín García 2012: 113 f.) Resultatnominalisierungen lassen sich anhand verschiedener Tests von Ereignisnominalisierungen abgrenzen (vgl. z. B. Ehrich & Rapp 2000: 252–254 für einen Überblick). Da Objekte anders als Ereignisse eine physische Dimension haben, erlauben Nominalisierungen mit Resultatobjektlesarten Modifizierer wie sólido ‚stabil‘ oder abundante ‚reichlich‘, vgl. (31)b und (33), und können als Argumente von Verben auftreten, die eine physische Veränderung ausdrücken, vgl. (34). (33)
La pesca era abundante. (Wikipedia) ‚Der Fang war reichlich.‘
(34)
La construcción {se rompió / se desmontó}. ‚Der Bau ist kaputtgegangen / wurde abgerissen.‘
Resultatzustandsnominalisierungen sind anders als Ereignisnominalisierungen mit bestimmten stativen Prädikaten kombinierbar, da nur Zustände, nicht aber Ereignisse z. B. fortbestehen oder minimal sein können, vgl. (35) und (36). (35)
La destrucción se mantuvo durante dos años. ‚Die Zerstörung bestand zwei Jahre fort.‘
(36)
La destrucción era mínima en ese piso. (Google) ‚Die Zerstörung war minimal in dieser Wohnung.‘
In der Literatur zu Resultatnominalisierungen werden insbesondere zwei Fragen diskutiert: 1) Unter welchen Bedingungen erlauben nicht nur Ereignis-, sondern auch Resultatnominalisierungen die Realisierung von Argumenten der verbalen Basis, vgl. z. B. (31)a gegenüber b (vgl. Ehrich & Rapp 2000, Sleeman & Brito 2010b)? 2) Inwieweit lässt sich die Verfügbarkeit von Resultatlesarten durch die Ereignisstruktur des Basisverbs vorhersagen (vgl. u. a. Bisetto & Melloni 2007, Jaque Hidalgo & Martín García 2012, Melloni 2010)? Da vorliegend vor allem von Interesse ist, auf welche Ereignislesarten NI spezialisiert sind, wird Frage 1 nicht weiterverfolgt. Frage 2 wird im nächsten Abschnitt im Zusammenhang mit NI thematisiert.
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
119
5.2.4 Resultatlesarten von NI Die Frage, ob NI neben Ereignis- auch Resultatlesarten zulassen, scheint sich nach eingehender Betrachtung von Korpusdaten nur für Typ-A-NI zu stellen. Für Typ B (el cantar coplas) und Typ C (el cantar las coplas) sind Resultatlesarten prinzipiell ausgeschlossen. Beide Formtypen erscheinen in reinen Resultatlesarten inakzeptabel, vgl. (37). (37)
?/*El romper (las) ventanas era {abundante/mínimo}. ‚Das (die-)Fenster-Zerschlagen war reichlich/minimal.‘
Die in Kapitel 4 dargelegten Beobachtungen deuten darauf hin, dass Typ-A-NI überwiegend von initi-proci-Verben gebildet werden, also von intransitiven und zunächst atelischen Verben, deren Bedeutung weder die Entstehung eines Resultatobjekts noch den Übergang in einen Resultatzustand impliziert. Bei von diesen Verben gebildeten Nominalisierungen sind somit auch keine Resultatlesarten zu erwarten. Außerdem wurde erwähnt, dass Typ-A-NI besonders häufig von initi-proci-Verben gebildet werden, welche die Emission von Geräuschen, Licht oder Substanzen bezeichnen (vgl. Abschnitt 4.1.5). Diese Verben sind vor dem Hintergrund relevant, dass die von ihnen gebildeten Nominalisierungen häufig sowohl Ereignis- als auch Resultatobjektlesarten erlauben: An emission event can be understood as a type of creation to the extent that the emitted entity can be interpreted as an effected object. The nominals derived from these predicates can ambiguously express the emission event and the entity which is released. (Melloni 2011: 216)
Die Frage, wie sich Typ A verhält, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Fábregas & Varela (2006: 26) nehmen an, dass von Substanzemissionsverben gebildete Typ-A-NI sowohl Ereignis- als auch Resultatobjektlesarten zulassen, vgl. (38)a und b. Allerdings wurde (38)b von vier befragten Sprechern als völlig inakzeptabel bewertet.34
34 Eine Resultatlesart wurde nur für die Partizipnominalisierung sangrado akzeptiert: (1) {*El sangrar / ✓el sangrado} del niño es abundante. ‚Das Bluten / die Blutung des Kindes ist stark.‘
120
(38)
5 Denotationen und Lesarten von NI
a. El sangrar del niño ya dura varias horas. ‚Das Bluten des Kindes dauert schon mehrere Stunden an.‘ b. El sangrar del niño es abundante. Das Bluten / die Blutung des Kindes ist stark.‘ (Fábregas & Varela 2006: 26)
In anderen Fällen scheinen Resultatlesarten gleichzeitig mit Ereignislesarten aufzutreten. Dies ist vor allem dann möglich, wenn ein von einem Lautemissionsverb gebildeter Typ-A-NI als direktes Objekt eines Geräuschwahrnehmungsverbs auftritt. In diesen Fällen kann sich die durch das Matrixprädikat bezeichnete Wahrnehmung sowohl auf das Ereignis als auch auf das ausgestoßene Geräusch beziehen, welches als Resultat zu interpretieren ist, vgl. (39) und (40). (39)
Escuchábamos el pacífico murmurar de las fuentes. (Plann 1981: 221) ‚Wir hörten das friedliche Plätschern der Quellen.‘
(40) Se oía a lo lejos el monótono zumbir de las abejas. (Hernanz 1999: 2343) ‚Man hörte in der Ferne das monotone Summen der Bienen.‘ In Verbindung mit Wahrnehmungsverben sind Resultatlesarten aber nicht nur für Typ-A-NI verfügbar, die von Lautemissionsverben gebildet sind. Auch Typ-ANI, die von Verben anderer Klassen gebildet sind, können als direkte Objekte von Verben des Hörens als Geräuschäußerungen interpretiert werden und auf diese Weise eine Resultatlesart erhalten, vgl. (41), (42) und (43). Cojear ‚humpeln‘, arrastrar ‚ziehen‘ und abrir ‚öffnen‘ sind Verben, die Bewegungen bzw. Zustandswechsel, aber keine Geräuschäußerungen bezeichnen. Als Komplemente von oír können sie aber als geräuschproduzierende Ereignisse interpretiert werden. (41)
{Oí/?observé} el cojear del marinero por el puerto. (Fábregas & Varela 2006: 31) ‚Ich hörte/beobachtete das Hinken des Matrosen durch den Hafen.‘
(42)
{Oí/?observé} el arrastrar de los muebles por la puerta. (Fábregas & Varela 2006: 31) ‚Ich hörte/beobachtete das Schleifen der Möbel durch die Tür.‘
(43)
Oíamos el lejano abrir de una puerta. (Rodríguez Espiñeira 2008: 143) ‚Wir hörten das entfernte Öffnen/Aufgehen einer Tür.‘
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
121
Fábregas & Varela (2006: 31) beobachten, dass die Lesart als Geräuschäußerungsereignis die Akzeptanz ansonsten inakzeptabler Typ-A-NI bewirken kann. Beispielsweise werden von transitiven Verben gebildete Typ-A-NI mit UNDERGOER-Argument als PP oft als inakzeptabel betrachtet, vgl. (42) sowie Abschnitt 4.1.1.2. Dasselbe gilt für von proc-res-Verben gebildete Typ-A-NI, die telische Ereignisse bezeichnen, vgl. (43) sowie Abschnitt 4.1.4. Fábregas & Varela zufolge sind diese Formen nur dann akzeptabel, wenn sie durch Einbettung unter ein Verb des Hörens als geräuschproduzierendes Ereignis interpretiert werden können. Dieser Feststellung wäre hinzuzufügen, dass die durch das Matrixprädikat ausgelöste Reinterpretation nicht nur eine „andere“ Ereignislesart, sondern auch eine Resultatlesart ermöglicht. Typ-A-NI werden also zwar in der Regel nicht von Verben gebildet, von denen sich systematisch Resultatnominalisierungen bilden lassen, aber sie erlauben Resultatlesarten zumindest unter bestimmten Bedingungen, nämlich dann, wenn sie von Geräuschemissionsverben gebildet werden und/oder als Komplemente von Verben des Hörens auftreten. In diesen Fällen bezieht sich die Wahrnehmung nicht auf das von der Verbwurzel bezeichnete Ereignis, sondern auf ein Geräusch, das in Folge einer Bewegung oder eines Zustandswechsels entsteht und als Resultat verstanden werden kann. Auf allgemeinerer Ebene zeigt sich, dass sich die (In-)Akzeptabilität von Typ-A-NI nicht allein aus der Semantik des Basisverbs und dem als PP realisierten Argument ergibt, sondern aus der Interaktion zwischen Verbsemantik, Argumentabbildung und der durch das Matrixprädikat ausgelösten Lesart.
5.2.5 Tatsachenlesarten und modale Ereignislesarten Neben Resultatlesarten lassen Ereignisnominalisierungen häufig auch Tatsachenlesarten zu. Zu Ereignissen und Tatsachen (sowie Sachverhalten) sowie der Versprachlichung dieser ontologischen Entitäten existiert eine umfangreiche linguistische und philosophische Forschungsliteratur, auf die im Folgenden nicht genauer eingegangen werden soll (vgl. u. a. Asher 1993, Lees 1966, Peterson 1997, 2000, Vendler 1967, Zucchi 1993). In diesem Abschnitt wird primär diskutiert, wie getestet werden kann, ob sich eine deverbale Nominalisierung als Ereignis oder als Tatsache interpretieren lässt. Dabei wird sich zeigen, dass die Verfügbarkeit von Tatsachenlesarten (anders als die Verfügbarkeit von Resultatlesarten) nichts mit der Semantik des Basisverbs zu tun hat, sondern ausschließlich vom Prädikat abhängt, unter das die Nominalisierung eingebettet wird. Außerdem werden wir sehen, dass viele Matrixprädikate sowohl Tatsachen- als auch sogenannte modale Ereignislesarten erlauben.
122
5 Denotationen und Lesarten von NI
Betrachten wir die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Ereignissen zunächst am Beispiel der Partizipnominalisierung subida. Eine Ereignislesart ergibt sich, wenn subida z. B. wie in (44) und (45) als Subjekt von tuvo lugar oder fue rápida auftritt. Eine Tatsachenlesart kommt zustande, wenn die Nominalisierung das Subjekt eines Kopulasatzes ist, in dem das Prädikatsnomen un hecho importante lautet oder als direktes Objekt eines Verbs wie negar vorkommt, vgl. (46) und (47). (44)
La subida de los precios tuvo lugar en un momento crítico. ‚Der Anstieg der Preise fand zu einem kritischen Zeitpunkt statt.‘
(45)
La subida de los precios fue rápida. ‚Der Anstieg der Preise ging schnell.‘
(46)
La subida de los precios es un hecho importante del último semestre. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Der Anstieg der Preise ist eine wichtige Tatsache des letzten Halbjahrs.‘
(47)
Negaron la subida de los precios. (nach Demonte & Varela 1998: 152) ‚Sie leugneten den Anstieg der Preise.‘
Allerdings sind Ereignis- und Tatsachenlesarten ohne eindeutige Kontexte wie in (44)–(47) nicht immer unterscheidbar. Dies gilt vor allem im Zusammenhang mit sogenannten evaluativ-faktiven Prädikaten wie bedauern, überraschen, beunruhigen oder freuen, durch die eine subjektive Einstellung über den Referenten des Subjekt- oder Objektarguments prädiziert wird.35 Vendler (1967) hat gezeigt, dass diese Prädikate weite Container darstellen, die sowohl Tatsachenals auch Ereignislesarten erlauben, wie an (48) erkennbar ist. Das intern nominal strukturierte Gerundium lässt sich zum einen als (48)a paraphrasieren, also als Tatsache interpretieren, zum anderen ist aber auch eine Lesart möglich, in der sich die vom Matrixprädikat ausgedrückte Einstellung auf die Art und Weise des Singen-Ereignisses bezieht, vgl. (48)b. In diesem Fall ergibt sich eine modal-eventive Lesart, die sich auf die Art des Ereignisablaufs bezieht. Dieselbe Ambiguität kann auch an der zu Beginn des Abschnitts erwähnten Nominalisierung subida beobachtet werden, vgl. (49)a gegenüber b.
35 Zu faktiven (und nicht-faktiven) Prädikaten vgl. u. a. Kiparsky & Kiparsky (1971) und Swanson (2011).
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
123
(48)
John’s singing of the Marseillaise surprised me. a. ≈That he sang the Marseillaise surprised me. Tatsachenlesart b. ≈That he did it in a pleasant voice surprised me. modale Ereignislesart (Vendler 1967: 140)
(49)
La (rápida) subida de los precios me sorprende. ‚Der (schnelle) Anstieg der Preise überrascht mich.‘ a. ≈Me sorprende que subieran los precios. Tatsachenlesart ‚Mich überrascht, dass die Preise gestiegen sind.‘ b. ≈Me sorprende la manera en la que subieran los precios. modale Ereignislesart ‚Mich überrascht die Weise, auf die die Preise gestiegen sind.‘
Neben semantisch flexiblen Nominalisierungstypen wie denen in (48) und (49) gibt es auch solche, die nur Tatsachen und keine Ereignisse denotieren können. Das Standardbeispiel sind intern verbal strukturierte Gerundien im Englischen (vgl. z. B. Ehrich 1991: 446, Vendler 1967: 144 f.). Da sich Tatsachen anders als Ereignisse nicht in raumzeitlichen Dimensionen erfassen oder sensorisch wahrnehmen lassen, können diese Formen z. B. nicht unter Container wie stattfinden, dauern/beginnen oder langsam sein eingebettet werden, vgl. (50), (51) und (52). (50) *John’s kicking the cat occurred at noon. (Vendler 1967: 139) Johns tret-GER die Katze ‚Johns Auf-die-Katze-Treten ist mittags passiert.‘ (51) *Mary’s mowing the lawn {took an hour / began an hour ago}. Marys mäh-GER den Rasen (Asher 2000: 125) ‚Marys Rasenmähen hat eine Stunde gedauert / hat vor einer Stunde begonnen.‘ (52) *John’s singing the Marseillaise was slow. (Vendler 1967: 139) Johns sing-GER die Marseillaise ‚Johns Singen der Marseillaise war langsam.‘ Ein entsprechendes Beispiel aus dem Spanischen sind die maximal verbal strukturierten Satzinfinitive (vgl. Abschnitt 2.2). Wie man an (53) und (54) sieht, erlauben diese Formen ebenfalls keine Ereignislesarten. Sie können aber unter evaluativ-faktive Prädikate eingebettet werden und lassen dann Paraphrasen zu, die ihren Tatsachencharakter verdeutlichen, vgl. (55) und (56) jeweils a und b.
124
5 Denotationen und Lesarten von NI
Da sich die vorliegende Arbeit auf NI in Ereignislesarten konzentriert, werden Satzinfinitive im Folgenden nicht weiter thematisiert. (53) *El escribir el hombre la carta ART Brief Das Schreiben der Mann tuvo lugar en Atenas. (Rosemeyer 2012: 186) fand in Athen statt. ‚Das Schreiben der Karte durch den Mann fand in Athen statt.‘ (54) *El escribir el hombre la carta ART Brief Das Schreiben der Mann duró toda la tarde. (Rosemeyer 2012: 186) dauerte den ganzen Nachmittag ‚Das Schreiben der Karte durch den Mann dauerte den ganzen Nachmittag.‘ (55) a. Lamento el haber andado el niño por allí. das AUX.INF gegangen das Kind ‚Ich bedauere, dass das Kind dort entlang gegangen ist.‘ b. ≈Lamento el hecho de que el niño anduviera por allí. ‚Ich bedauere die Tatsache, dass das Kind dort entlang gegangen ist‘ (56) a. Nos favorece el pertenecer nosotros al municipio. (CdE) das gehören wir zur Gemeinde ‚Es hilft uns, dass wir zur Gemeinde gehören.‘ b. ≈Nos favorece el hecho de que pertenezcamos al municipio. ‚Uns hilft die Tatsache, dass wir zur Gemeinde gehören.‘
5.2.6 Tatsachenlesarten und modale Ereignislesarten von NI Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, ob Typ-A-NI neben Ereignissen auch Tatsachen bezeichnen können. Demonte & Varela (1998) nehmen an, dass dies nicht der Fall ist, da Typ-A-NI ihnen zufolge z. B. nicht als direktes Objekt von negar ‚bestreiten‘ vorkommen oder das Subjekt eines prädizierenden Kopulasatzes sein können, in dem das Prädikatsnomen un hecho importante lautet, vgl. (57) und (58). (57)
*Negó el subir de los precios. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Er leugnete das Ansteigen der Preise.‘
5.2 Ereignisse, Resultate und Tatsachen
(58)
125
*El subir de los precios es un hecho importante del último semestre. (Demonte & Varela 1998: 152) ‚Das Ansteigen der Preise ist eine wichtige Tatsache des letzten Halbjahrs.‘
Allerdings kommen Typ-A-NI oft wie in (59) und (60) als Argumente von evaluativfaktiven Prädikaten vor (vgl. Demonte & Varela 1998, Di Tullio 2001, Hernanz 1999), die, wie oben bemerkt, weite Container darstellen und sowohl Tatsachenlesarten als auch modale Ereignislesarten evozieren können. In der Literatur werden die Interpretationsmöglichkeiten von NI in diesen Kontexten kontrovers diskutiert (vgl. Di Tullio 2001, Hernanz 1999, Rosemeyer 2012, Varela 1979). Einige Autoren meinen, dass Typ-A-NI in der Regel modal-eventiv interpretiert werden. Als Begründung dienen dabei Beispiele wie (61) und die Annahme, dass der Satz nur als (61)a und nicht als (61)b paraphrasiert werden kann. Auch Hernanz (1999: 2346) nimmt an, dass ein Typ-A-NI als Argument eines evaluativ-faktiven Verbs stets durch Hinzufügung von el modo de spezifizierbar ist und folglich mit einer modaleventiven Lesart einhergeht, vgl. (62). (59)
Me molestaba el roncar de mi marido. (Di Tullio 2001: 102) ‚Mich störte das Schnarchen meines Manns.‘
(60) Nos desesperaba el cantar desafinado de esa mujer. (Di Tullio 2001: 98) ‚Uns nervte das falsche Singen dieser Frau.‘ (61)
Me molestó el cantar de Juana. ‚Mich störte Juanas Singen.‘ a. ≈el modo en el que cantara ‚die Art, in der sie gesungen hat‘ b. #el hecho de que cantara ‚die Tatsache, dass sie gesungen hat‘
(62)
Me inquietaba ‚Mich beunruhigte a. el (modo de) sonar de los truenos ‚das Krachen / die Art des Krachens der Donner‘ b. el (modo de) aullar de los lobos. (Hernanz 1999: 2346) ‚das Heulen / die Art des Heulens der Wölfe‘
Di Tullio (2001) stellt diese Generalisierung jedoch in Frage und vertritt die Ansicht, dass die modale Ereignislesart eine sekundäre Lesart ist, die immer nur durch bestimmte Faktoren ausgelöst wird. Hauptauslöser sind der Autorin zu-
126
5 Denotationen und Lesarten von NI
folge die Semantik des Basisverbs sowie das Vorhandensein bestimmter Modifizierer in der DP. In (63) wird das von der Verbwurzel bezeichnete Ereignis beispielsweise durch das Adjektiv desafinado ‚falsch, verstimmt‘ modifiziert, wodurch eine modale Ereignislesart gegenüber einer reinen Tatsachenlesart salienter wird. Der Modifizierer begünstigt die Interpretation, in der sich die von desesperar ‚nerven‘ ausgedrückte Einstellung auf die Art und Weise bezieht, in der die Frau singt, und nicht auf die Tatsache, dass sie singt, vgl. (63)a gegenüber b. (63)
Nos desesperaba el cantar desafinado de esa mujer. (Di Tullio 2001: 98) ‚Uns nervte das falsche Singen dieser Frau.‘ a. ≈el modo en el que cantara ‚die Art, in der sie gesungen hat‘ b. #el hecho de que cantara ‚die Tatsache, dass sie gesungen hat‘
Ein Beispiel für den Einfluss des Basisverbs bieten Verben, die auf -ear enden.36 Ihre Struktur enthält häufig zwischen Wurzel und Endung ein Evaluativsuffix wie -ot- oder -urr-, durch das spezifiziert wird, auf welche Weise sich das von der Wurzel bezeichnete Ereignis vollzieht, vgl. (64) und (65). Auf Grund des Suffixes erscheint für Typ-A-NI, die von diesen Verben gebildet sind, eine modale Ereignislesart meist salienter als eine reine Tatsachenlesart, wie an (66) und der Akzeptabilität der Paraphrase (66)a im Vergleich zu (66)b deutlich wird. (64)
pis-ot-ear ≈ pisar repetidamente, maltratando o ajando algo ‚herumtrampeln ≈ wiederholt trampeln und dabei etwas beschädigen oder abnutzen‘
(65)
cant-urr-ear ≈ cantar a media voz ‚trällern ≈ halblaut (vor sich hin) singen‘
(66)
Nunca olvidaré el canturrear de esta mujer. ‚Das Trällern dieser Frau werde ich nie vergessen.‘ a. ≈el modo en el que cantara ‚die Art, in der sie gesungen hat‘ b. ?el hecho de que canturreara ‚die Tatsache, dass sie geträllert hat‘
36 Die besondere Kompatibilität von Typ-A-NI mit Verben auf -ear hängt auch damit zusammen, dass Verben auf -ear oft in atelischen und/oder iterativen Lesarten auftreten (vgl. z. B. Oltra-Massuet & Castroviejo 2014 für eine Analyse von -ear-Verben).
5.3 Generische Ereignisreferenz
127
Reine Tatsachenlesarten sind gemäß Di Tullio immer dann möglich, wenn wie in (67) Auslöser für eine modal-eventive Lesart fehlen. Die Paraphrasen (67)a vs. b zeigen, dass der Typ-A-NI in diesem Fall nicht modal-eventiv, sondern nur als Tatsache interpretiert werden kann.37 (67)
A esa pobre gente le aterrorizaba el avanzar de las tropas. (Di Tullio 2001: 102) ‚Das Vorrücken der Truppen hat diese armen Menschen in Angst und Schrecken versetzt.‘ a. #/?el modo en el que avanzaran las tropas ‚die Art, in der die Truppen vorgerückt sind‘ b. ≈el hecho de que avanzaran las tropas ‚die Tatsache, dass die Truppen vorgerückt sind‘
Typ-A-NI treten also (vermutlich) nicht in Umgebungen auf, in denen sie nur als Tatsache interpretiert werden können, vgl. (57) und (58), kommen aber in Argumentposition von evaluativ-faktiven Prädikaten vor, wo sie sowohl Tatsachenlesarten als auch modal-eventive Lesarten erhalten können. Möglicherweise können auch beide Lesarten gleichzeitig verfügbar sein, wobei von der Verbsemantik oder dem Vorhandensein bzw. Fehlen von Modifizierern abzuhängen scheint, welche Interpretation salienter ist.
5.3 Generische Ereignisreferenz Im ersten Teil dieses Kapitels wurden Kriterien zur Identifizierung von Ereignisnominalisierungen und ihrer Abgrenzung zu Resultat- sowie Tatsachennominalisierungen eingeführt, wobei insbesondere der bisher besser untersuchte Typ A im Mittelpunkt stand. Für Typ B (el cantar coplas) und C (el cantar las coplas) wurde lediglich festgestellt, dass auch sie Ereignislesarten erlauben, ihr Auftreten aber anderen Beschränkungen zu unterliegen scheint als das von Typ A. Diese Beobachtung stellt den Ausgangspunkt für die weitere Diskussion dar. Im experimentellen Teil dieser Arbeit wird unter anderem untersucht, inwieweit die verschiedenen Formtypen auf unterschiedliche Arten von Ereignisreferenz spezialisiert sind, was vorläufig an den Beispielen (68)–(71) illustriert werden soll. Während die intern nominal strukturierten Typ-A-NI prinzipiell sowohl
37 In einem Kontext, in dem das Vorrücken der Truppen miterlebt bzw. gesehen wird, erscheint darüber hinaus auch eine rein eventive (nicht modale) Lesart verfügbar.
128
5 Denotationen und Lesarten von NI
auf Ereignistypen als auch auf konkrete Ereignisepisoden verweisen können, vgl. (68) und (69), scheinen die mutmaßlich verbaleren Typ-B-NI sowie die eindeutig verbaleren Typ-C-NI einen engeren Anwendungsbereich zu haben. Sie sind auf den ersten Blick vor allem in generischen Ereignislesarten zu finden, vgl. (26)–(28) oben sowie (70) und (71). (68)
El sueño o el dormir de los niños es un proceso del desarrollo […]. (Google) ‚Der Schlaf oder das Schlafen von Kindern ist ein Entwicklungsprozess […].‘
(69)
El trinar de los pájaros se prolongaba hasta las siete. (Demonte & Varela 1998: 151) ‚Das Tirilieren der Vögel hat sich bis sieben hingezogen.‘
(70)
Estas actividades incluyen el proveer agua potable y [...] (Google) das Vergeben Trinkwasser ‚Diese Aktivitäten beinhalten das Vergeben von Trinkwasser.‘
(71)
[…] generalmente es considerado inapropiado el rechazar das Ablehnen un apretón de manos. (Google) ein Handschlag ‚[…] im Allgemeinen gilt das Ablehnen eines Handschlags als unangemessen.‘
Um die Formtypen möglichst systematisch im Hinblick auf ihre Lesartpräferenzen vergleichen zu können, werden in den folgenden zwei Abschnitten zuerst einige Grundlagen zum Thema Generizität geklärt sowie distributionelle Tests vorgestellt, anhand derer generisch und episodisch referierende Ereignisnominalisierungen unterschieden werden können.
5.3.1 Einleitung: Arten generischer Referenz Der Phänomenbereich Generizität ist Gegenstand umfangreicher semantischer Forschung (vgl. Carlson 2011, Krifka et al. 1995, Mari, Beyssade & Del Prete 2013). Dieser Abschnitt beschränkt sich darauf, einige notwendige Grundbegriffe und Unterscheidungen einzuführen. Der Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass sprachliche Formen sowohl auf Individuen (Token) als auch auf Arten (Typen) referieren können und dass dieser semantische Unterschied Objekte genauso wie Ereignisse oder Propositionen betrifft. Seit Krifka & Gerstner (1987) bzw. Krifka et al. (1995) werden mindestens zwei Arten von Generizität unter-
5.3 Generische Ereignisreferenz
129
schieden, generische Referenz auf DP-Ebene („D-Generizität“) und generische Referenz auf Satzebene („I-Generizität“), was an den folgenden Beispielen illustriert werden soll.38 (72)
John drives to his office via Elm Street. (Carlson 2011: 1154) ‚John fährt über Elm Street ins Büro.‘
(73)
The potato was first cultivated in South America. (Krifka et al. 1995: 2) ‚Die Kartoffel wurde zuerst in Südamerika angebaut.‘
(74)
The potato contains vitamin C. (Krifka et al. 1995: 74) ‚Die Kartoffel enthält Vitamin C.‘
(72) stellt ein Beispiel für Generizität auf Satzebene dar. Alle DPn in (72) – John, his office und Elm Street – referieren auf spezifische Individuen. Der Satz als Ganzer bezieht sich jedoch nicht auf eine spezifische Situation oder ein konkretes Ereignis, sondern drückt eine Generalisierung aus und kann daher als generischer oder – in Worten von Krifka et al. – als charakterisierender Satz klassifiziert werden. (73) drückt keine Generalisierung aus, sondern verweist auf eine konkrete Ereignisepisode. Der Satz enthält aber mit the potato eine generisch referierende DP. Während in (72) Generizität also auf Satzebene, nicht aber auf DP-Ebene auftritt, verhält es sich in (73) umgekehrt. Hier referiert der Satz auf eine Ereignisepisode, die im Satz enthaltene Subjekt-DP hingegen auf eine Art. Generizität kann aber auch gleichzeitig sowohl auf DP- als auch auf Satzebene auftreten, wie man an (74) sieht. Hier referiert die Subjekt-DP generisch und der Satz, in denen die DP eingebettet ist, drückt eine Charakterisierung aus. Im Folgenden geht es um Generizität auf DP-Ebene, genauer gesagt, die Referenz von unterschiedlichen Formtypen von NI, die syntaktisch DPn darstellen. Die Beispiele (73) und (74) haben gezeigt, dass generisch referierende DPn prinzipiell sowohl in episodischen als auch in generischen Sätzen auftreten können. Allerdings existieren durchaus Kontexte, die als typische Umgebungen für generische DPn gelten können, sowie Kontexte, in denen eine DP nicht generisch referieren kann, wie anhand von Tabelle 12 erläutert werden soll.
38 Generizität kann sich durch bestimmte Verbformen auch auf VP-Ebene manifestieren. Ich werde auf diese genauere Differenzierung hier nicht eingehen (vgl. z. B. Mari et al. 2013: 33–66 für einen Überblick).
130
5 Denotationen und Lesarten von NI
Tabelle 12: Stative und dynamische Prädikate und die Referenz von Sätzen. Prädikat
Referenz des Satzes
Referenz der Subjekt-DP
Beispiel
stativ
generisch
generisch oder spezifisch
()
episodisch
nicht-generisch
() Los bomberos están disponibles. ‚Die Feuerwehrmänner sind verfügbar.‘
dynamisch
Los bomberos son inteligentes. ‚(Die) Feuerwehrmänner sind intelligent.‘
generisch oder generisch (habituell) spezifisch
()
Los osos comen salmón. ‚Bären essen Lachs.‘
episodisch
()
Los osos están comiendo salmón. ‚Die Bären sind dabei, Lachs zu essen.‘
spezifisch
Die Tabelle zeigt, dass sowohl von stativen als auch von dynamischen Prädikaten sowohl episodische als auch generische Sätze gebildet werden können. Stative Prädikate werden seit Carlson (1977b) üblicherweise in Individuenprädikate und Stadienprädikate eingeteilt (vgl. auch Chierchia 1998, Kratzer 1995). Erstere prädizieren charakterisierende Eigenschaften über ihr Subjekt, referieren also generisch, letztere drücken eher akzidentelle Eigenschaften aus, referieren also episodisch, vgl. (75) gegenüber (76).40 In Bezug auf die Referenz von DPn ist diese Unterscheidung aus folgendem Grund relevant: Individuenprädikate erlauben stets, dass ihr Subjekt generisch referiert, Stadienprädikate jedoch nicht. So kann beispielsweise die Subjekt-DP in (75) sowohl generisch als auch spezifisch interpretiert werden, die Subjekt-DP in (76) kann sich hingegen nur auf spezifische Feuerwehrmänner beziehen, nicht auf Feuerwehrmänner als Art (vgl. Bosque & Gutiérrez-Rexach 2009: 315). Dasselbe lässt sich für generisch und episodisch refe-
39 Die Begriffe „Generizität“ und „Habitualität“ werden in der Literatur nicht einheitlich verwendet (vgl. Carlson 2006, 2011 für einen terminologischen Überblick). Der Begriff „habituell“ wird im Folgenden nur für einen bestimmten Typ von Generizität auf Satzebene verwendet, nämlich für von dynamischen Prädikaten gebildete generische Sätze wie (77), die eine Generalisierung über wiederholt stattfindende Ereignisse beinhalten und in denen eine Eigenschaft über den Subjektreferenten prädiziert wird (vgl. Krifka et al. 1995: 17). Habituelle Sätze sind im Folgenden als Containersätze von Interesse, um generische Lesarten von NI zu elizitieren (vgl. weiter unten in diesem Kapitel). 40 Im Spanischen wird der semantische Unterschied zwischen Individuen- und Stadienprädikaten zum Teil wie in (75) und (76) durch die Distribution der Kopulae ser vs. estar versprachlicht. Es handelt sich dabei aber um keine vollständige Übereinstimmung, vgl. z. B. Bosque & Gutiérrez Rexach (2009: 313–317) oder Leonetti, Pérez-Jiménez & Gumiel-Molina (2015) für einen Überblick.
5.3 Generische Ereignisreferenz
131
rierende Sätze beobachten, die von dynamischen Verben gebildet werden. In (77), der habituellen Variante des Satzes, kann das Subjekt los osos sowohl generisch als auch spezifisch interpretiert werden, während in (78), der episodischen Variante des Satzes, nur eine spezifische Lesart der Subjekt-DP möglich ist. Die Frage, wie die Lesart einer DP durch die Referenz des Matrixsatzes beeinflusst wird, wird im folgenden Abschnitt genauer diskutiert und auf DPn angewendet, die Ereignisnominalisierungen darstellen.
5.3.2 Unterscheidung von generischer und episodischer Ereignisreferenz Im Folgenden sollen einige Kriterien aufgeführt werden, anhand derer generisch referierende von episodisch referierenden Ereignisnominalisierungen unterschieden werden können. Die Abgrenzung ist aus zwei Gründen schwierig. Zum einen wird generische Referenz auf DP-Ebene nicht durch besondere morphosyntaktische Mittel kenntlich gemacht. Insbesondere gibt es keinen Determinierer, dessen Anwendungsbereich darauf beschränkt ist, Generizität auszudrücken (vgl. Mari et al. 2013: 26 f.). Zum anderen bieten bestimmte kontextuelle Bedingungen oft nur Hinweise, jedoch keine eindeutige Evidenz dafür, dass eine DP generisch oder episodisch referiert. Im Folgenden stehen DPn mit definitem Artikel im Vordergrund. Mit dem definiten Artikel kann immer sowohl auf Ereignisepisoden als auch auf Ereignistypen referiert werden, vgl. (3) hier wiederholt als (79). (79)
a. El nacimiento del niño tuvo lugar en un hospital cercano. ‚Die Geburt des Kindes hat in einem nahegelegenen Krankenhaus stattgefunden.‘ b. El nacimiento de un niño es un acontecimiento grande. ‚Die Geburt eines Kindes ist ein großes Ereignis.‘
Auch anhand des Kontextes, in dem eine Ereignisnominalisierung auftritt, ist nicht zwingend erkennbar, ob die Form auf einen Ereignistyp oder eine Ereignisepisode verweist. Beispielsweise kann (80) bedeuten, dass ein konkretes Bellen-Ereignis als störend empfunden wird, die Einstellung kann sich aber auch auf den Ereignistyp das Bellen der Hunde / Hundegebell beziehen. Genauso kann sich (81) sowohl auf die Dauer eines konkreten Ereignisses als auch auf die Dauer des Ereignisses im Allgemeinen beziehen. Da die Containersätze sowohl episodisch als auch generisch interpretierbar sind, ist auch für das von der eingebetteten Nominalisierung bezeichnete Ereignis jeweils sowohl eine generische als auch eine episodische Lesart verfügbar.
132
5 Denotationen und Lesarten von NI
(80) El ladrar de los perros me molesta. ‚Das Bellen der Hunde / von Hunden stört mich.‘ (81)
La limpieza de las aulas dura. ‚Das Putzen der Klassenzimmer dauert.‘
Es existieren aber auch Kontexte, in denen die eine oder andere Art von Ereignisreferenz vorgegeben oder zumindest wahrscheinlicher ist. Eindeutige Evidenz für generische Referenz bieten artenselegierende Prädikate (kind-level predicates), die nie über konkrete Individuen, sondern immer nur über Arten prädizieren können, vgl. z. B. (82)a gegenüber b. (vgl. u. a. Carlson 2011, Mari et al. 2013). (82) a. The grizzly bear is {common/rare/widespread}. ‚Der Grizzlybär/Grizzlybären ist/sind verbreitet/selten.‘ b. *My neighbor’s pet bear is {common/rare/widespread}. (Carlson 2011: 1170) ‚Der Hausbär meines Nachbarn ist verbreitet/selten.‘ Weitere Beispiele für artenselegierende Prädikate sind Verben wie inventar ‚erfinden‘ oder extinguirse ‚aussterben‘, vgl. (83) und (84), oder auch Kopulastrukturen wie DP un tipo de X ‚DP ist eine Art von X‘, vgl. (85). (83)
Alexander Fleming inventó la penicilina. (Borik & Espinal 2015: 194) ‚Alexander Fleming hat das Penizillin erfunden.‘
(84)
En la India se están extinguiendo los tigres. (Borik & Espinal 2015: 171) ‚In Indien werden die Tiger ausgerottet.‘
(85)
El búho es un tipo de ave rapaz nocturna. ‚Der Uhu gehört zum Typ Nachtraubvogel.‘
Unter artenselegierenden Prädikaten gibt es auch solche, die verlangen, dass ihr Argument eine Ereignisart bezeichnet. Hierzu gehören Kopulastrukturen wie ser una mala costumbre / un tipo de suceso / un evento común ‚eine schlechte Angewohnheit / eine Art von Geschehnis / ein verbreitetes Ereignis sein‘, vgl. (86) und (87) (vgl. Krifka et al. 1995: 102). (86)
El abandono de viviendas es una mala costumbre. (Google) ‚Das Verlassen von Wohnhäusern ist eine schlechte Angewohnheit.‘
5.3 Generische Ereignisreferenz
(87)
133
La ingestión de una sustancia potencialmente venenosa es un evento común en la edad pediátrica. (Google) ‚Die Einnahme einer möglicherweise giftigen Substanz ist ein verbreitetes Ereignis im Kindesalter.‘
Kann eine Nominalisierung in derartigen Strukturen vorkommen, zeigt dies, dass sie a) als Ereignisnominalisierung verwendbar ist und b) generisch referieren kann. Allerdings sind artenselegierende Prädikate sprachübergreifend eher selten (vgl. Carlson 2006: 17). Betrachten wir daher, in welchen weiteren Kontexten eine DP generisch referieren kann. Die im vorherigen Abschnitt erläuterte Beobachtung, dass in bestimmten Fällen nur generische, nicht aber episodische Sätze eine generische Lesart der Subjekt-DP erlauben, lässt sich auch auf ereignisdenotierende DPn übertragen, wie an (88) illustriert wird. (80) wiederholt als (88)a ist ambig und sowohl der Containersatz als auch der NI in Subjektposition können ebenso generisch wie episodisch interpretiert werden. Fügt man dem Container aber ein Adverb wie normalmente oder eine Verbalperiphrase wie soler ‚gewohnt sein, etwas zu tun‘ hinzu, erhält der Satz eine habituelle Lesart (vgl. Krifka et al. 1995: 9 f.). Auf diese Weise wird auch die Lesart des Subjekts desambiguiert, denn in (88)b und c kann sich der NI nur noch auf einen Ereignistyp und nicht mehr auf eine konkrete Ereignisepisode beziehen. Das Beispiel zeigt somit, dass eine habituelle Lesart des Containersatzes eine Ereignistyplesart des eingebetteten Arguments erzwingen kann. (88)
El ladrar de los perros ‚Das Bellen der Hunde‘ a. me molesta. ‚stört mich.‘ b. normalmente me molesta. ‚stört mich normalerweise.‘ c. suele molestarme. ‚pflegt mich zu stören.‘
Umgekehrt existieren aber auch Kontexte, in denen das Gegenteil der Fall ist und eine Ereignisnominalisierung nur eine episodische Lesart erhalten kann. Ist das Prädikat im Containersatz eine Verbalperiphrase des Typs estar + Gerundium, kann der Satz immer nur episodisch interpretiert werden und erlaubt keine generisch-charakterisierende Lesart (vgl. Krifka et al. 1995: 12). Auf DP-Ebene fällt auf, dass auch für den NI in Argumentposition in dem Fall nur eine episodische Lesart verfügbar ist, vgl. (89), (90) und (91).
134
(89)
5 Denotationen und Lesarten von NI
El ladrar de los perros me está molestando. ‚Das Bellen der Hunde stört mich.‘
(90) Estábamos observando el jugar de los niños. ‚Wir waren dabei, das Spielen der Kinder zu beobachten.‘ (91)
El avanzar de las tropas se está prolongando. ‚Das Vorrücken der Truppen zieht sich hin.‘
Des Weiteren werden eindeutig episodische Ereignislesarten ausgelöst, in dem das von der Nominalisierung bezeichnete Ereignis durch einen DP-internen oder DP-externen Modifizierer zeitlich verankert wird. Wird eine Ereignisnominalisierung z. B. durch einen definiten Temporalausdruck wie gestrig modifiziert, ist nur eine episodische und keine generische Lesart möglich, vgl. (92)a gegenüber b (vgl. Ehrich 1991). Ein Beispiel für eine DP-externe Verankerung ist (93). Hier kann der Containersatz bedingt durch das Temporaladverb ya nur episodisch interpretiert werden, weshalb auch für den NI in Subjektposition nur eine episodische Ereignislesart verfügbar ist. Grundsätzlich besteht eine wesentliche Eigenschaft von generischer Ereignisreferenz darin, dass das vom Verb bezeichnete Ereignis zeitlich nicht genau eingegrenzt wird, weswegen generische Sätze und Ereignisnominalisierungen meist nicht mit definiten Temporalausdrücken kompatibel sind, vgl. auch (94). (92)
Die gestrige Räumung von Häusern a. war mühsam. b. *ist weit verbreitet. (Ehrich 1991: 450)
(93)
El sangrar del niño ya dura varias horas. (Fábregas und Varela 2006: 24) ‚Das Bluten des Kindes dauert schon mehrere Stunden.‘
(94)
? Dogs bark today. (Mari et al. 2013: 42) ‚Hunde bellen heute.‘
In Bezug auf die Unterscheidung zwischen generischen und episodischen Ereignislesarten von Nominalisierungen lässt sich damit vorläufig Folgendes festhalten: Ohne entsprechenden Kontext ist nicht immer erkennbar, ob eine Nominalisierung auf einen Ereignistyp oder auf eine konkrete Ereignisepisode referiert. Durch bestimmte Containersätze kann die Lesart aber desambiguiert werden. Ereignisnominalisierungen, die als Argumente von artenselegierenden Prädikaten oder in habituellen Sätzen vorkommen, können nur generisch
5.3 Generische Ereignisreferenz
135
interpretiert werden. In episodischen Sätzen und in Kombination mit bestimmten Temporalausdrücken sind hingegen nur episodische Interpretationen der Nominalisierung möglich. Die genannten Kriterien werden im experimentellen Teil der Arbeit verwendet, um generische bzw. episodische Ereignislesarten von NI zu elizitieren und ambige Lesarten auszuschließen. Die genauen Kontexte, in denen die NI im Rahmen der Akzeptabilitätstests eingebettet wurden, werden in Kapitel 7 und 8 jeweils im Abschnitt „Testmaterial“ erläutert.
5.3.3 Generische Ereignisreferenz und Argumentrealisierung Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, wie die referentiellen Eigenschaften des Containersatzes die Ereignislesart(en) einer deverbalen Nominalisierung beeinflussen können. Dieser Abschnitt ist der Frage gewidmet, auf welche Weise die Ereignislesart einer Nominalisierung und die Lesart eines in der Nominalisierung enthaltenen Arguments miteinander interagieren können. Gegenstand der Akzeptabilitätsstudien, die für diese Arbeit durchgeführt wurden, sind ausschließlich NI mit einem realisierten Argument, genauer gesagt, Typ A (el cantar de los pájaros) und Typ B (el cantar coplas). Die Lesart des NI und die Lesart eines realisierten Arguments stehen zunächst in keinem direkten Zusammenhang, wie z. B. an (95) erkennbar ist. Der NI ist unter ein artenselegierendes Prädikat eingebettet und referiert damit generisch. Das auf die PP abgebildete Argument los alumnos erlaubt aber zwei Lesarten und kann sich sowohl auf die Art Schüler als auch auf spezifische Schüler beziehen. Ohne weitere kontextuelle Spezifikation sind beide Lesarten verfügbar. (95)
El murmurar de los alumnos durante la clase es una mala costumbre. ‚Das Tuscheln der Schüler / von Schülern während des Unterrichts ist eine schlechte Angewohnheit.‘
Dennoch scheinen Ereignisreferenz und Argumentrealisierung miteinander zu interagieren und die Akzeptabilität einer Nominalisierung beeinflussen zu können. Es gibt hierzu zwar bisher wenig gesicherte Erkenntnisse und meines Wissens keine Arbeiten zum Spanischen, in Studien zu NI und deverbalen Nomen im Deutschen sowie Supinen im Rumänischen werden aber die folgenden Fragen diskutiert: – Können generische Lesarten die Auslassung des ansonsten obligatorischen tieferen Arguments ermöglichen (vgl. Blume 2004, Bücking 2010, Ehrich 2002)?
136
5 Denotationen und Lesarten von NI
– Begünstigen generische Lesarten bei von transitiven Verben gebildeten NI, dass das höhere und nicht das tiefere Argument realisiert wird (vgl. Bücking 2010)? – Auf welche Weise beeinflussen die Eigenschaften eines Arguments in der DP die Akzeptabilität einer Nominalisierung in einer bestimmten Lesart (vgl. Bücking 2009, Soare 2017)? Die Beantwortung dieser Fragen erscheint aus mindestens zwei Gründen schwierig. Zum einen fehlt es in der Literatur an einem einheitlichen, d. h. theorieübergreifend gültigen Argumentbegriff, zum anderen sind Argumentrealisierungsmöglichkeiten seit Grimshaw (1990) bereits unabhängig von Lesarten eines der meistdiskutierten Themen in der Nominalisierungsforschung (vgl. Meinschaefer 2016: 405–410 für einen Überblick). Die Hauptaussagen der oben genannten Studien sollen daher im Folgenden nur kurz zusammengefasst und im Hinblick auf ihre Relevanz für spanische NI geprüft werden. Wie an (96) und (97) illustriert ist, sind eigentlich obligatorische tiefere Argumente in generisch referierenden Sätzen mitunter fakultativ sind bzw. können dort eher ausgelassen werden als in episodisch referierenden Sätzen (vgl. Mittwoch 2005). Laut Blume (2004), Bücking (2010) und Ehrich (2002) lässt sich die Weglassbarkeit des Arguments auch für NI feststellen. (98)a und (99)a sind jeweils generisch referierende NI, die auch ohne Realisierung des tieferen Arguments akzeptabel zu sein scheinen. Die Varianten (98)b und (99)b deuten darauf hin, dass die Auslassung des tieferen Arguments in episodischer Lesart weniger akzeptabel ist. (96)
a. Er stört und unterbricht ständig. (Bücking 2010: 69) b. ?Er hat gestern gestört und unterbrochen.
(97)
a. Pfälzer genießen gern. (Blume 2004: 43) b. ?Sie haben gestern genossen.
(98)
a. In der Kunst des Störens und Unterbrechens ist er ein Großmeister. (Bücking 2010: 69) b. ?Das Stören gestern war lästig. (eigenes Beispiel)
(99)
a. Kluges Befragen will gelernt sein. (Ehrich 2002: 72) b. ?Das Befragen wurde unterbrochen. (Ehrich 2002: 73)
5.3 Generische Ereignisreferenz
137
Bückings (2010) Studie zu intern nominal strukturierten NI (≈ Typ A) geht der Frage nach, welches Argument eines transitiven Basisverbs als postnominaler Genitiv realisiert werden kann. Der Autor gelangt unter anderem zu dem Ergebnis, dass generische Lesarten begünstigen könnten, dass das höhere und nicht das tiefere Argument auf die postnominale Genitivposition abgebildet wird, was an Korpusbelegen wie (100) und (101) illustriert wird. (100) Das blinde Zerstören von Armeen ist jedem Pazifisten ein Dorn im Auge. (101) Gegen fehlerhaftes Behandeln der Ärzte kann man sich nicht versichern. (Beispiele aus Bücking 2010: 70) Diese Beobachtung lässt sich nicht direkt auf das Spanische übertragen, da Typ-A-NI unabhängig von der Lesart ohnehin nur eingeschränkt die Realisierung des tieferen Arguments erlauben, vgl. Abschnitt 4.1 sowie (102) und (103). (102) *el declamar de la poesía (Ramírez 2003: 129) ‚das Vortragen von Dichtung‘ (103) *el construir de la ciudad (Pérez Vázquez 2002: 149) ‚das Bauen einer Stadt‘ Für das Spanische stellt sich vielmehr die Frage, ob von transitiven Verben gebildete Typ-A-NI überhaupt Argumentrealisierung erlauben. Potenziell interessant sind dabei vor allem Verben wie schreiben oder essen, die, wie in Abschnitt 4.1 erwähnt, grundsätzlich die Auslassung des tieferen Arguments erlauben. Von diesen Verben gebildete Typ-A-NI treten mitunter mit dem höheren statt mit dem tieferen Argument als de-PP auf, vgl. (104) und (105). Die Akzeptabilität dieser Formen könnte auch in diesem Fall dadurch begünstigt sein, dass die NI generisch referieren. Der Zusammenhang zwischen generischen Ereignislesarten und der Realisierung des höheren Arguments der Ereignisstruktur wird weiter unten im Rahmen von Experiment 2 (vgl. Abschnitt 7.3) noch systematisch untersucht. (104) Aquel escribir de Gabriel explica su fama. (Ramírez 2003: 117) ‚Dieses Schreiben von Gabriel erklärt seine Berühmtheit.‘ (105) […] madres que están preocupadas por el comer de sus hijos. (ESCOW16A) ‚[…] Mütter, die um das Essen ihrer Kinder besorgt sind.‘
138
5 Denotationen und Lesarten von NI
Vorerst lässt sich festhalten, dass generisch referierende Ereignisnominalisierungen die Auslassung des tieferen Arguments bzw. die Realisierung des höheren statt des tieferen Arguments möglicherweise eher begünstigen als Formen, die auf konkrete Ereignisepisoden verweisen. Die Frage nach der Interaktion von Ereignisreferenz und Argumentrealisierung stellt sich noch in einer anderen Hinsicht, da die Lesart einer Nominalisierung auch von den referentiellen Eigenschaften des eingebetteten Arguments beeinflusst werden kann (vgl. Bücking 2009 zu NI im Deutschen, Soare 2017 zu Supinen im Rumänischen). Betrachten wir im Folgenden Bückings Ausführungen zu nominal strukturierten NI im Deutschen anhand von Beispiel (106).41 (106) Kontext: Bello hat zum wiederholten Mal seine Hundehütte zerstört. a. i. Das Zerstören der Hundehütte gestern hat mir den letzten Nerv geraubt. ii. Das Zerstören von Hundehütten gestern hat mir den letzten Nerv geraubt. b. i. Das Zerstören von Hundehütten ist eine schlechte Angewohnheit. ii. Das Zerstören der Hundehütte ist eine schlechte Angewohnheit. (Bücking 2009: 88) Bücking beurteilt (106)a i im Vergleich zu (106)a ii als akzeptabler und nimmt an, dass ein DP-internes Argument, das auf ein spezifisches Individuum referiert, zur raumzeitlichen Individualisierung des Ereignisses beiträgt und auf diese Weise eine episodische Lesart verbessert. In generischer Lesart ist der NI dem Autor zufolge akzeptabler, wenn das eingebettete Argument nicht spezifisch referiert, vgl. (106)b i gegenüber ii. In (106)b i ist das Argument ein bloßes Nomen, das auf keinen individualisierbaren Referenten verweist, in (106)b ii ist es eine definite DP, die auf ein spezifisches Individuum referiert. Laut Bücking (2009: 92 f.) wird die generische Ereignislesart durch die unspezifische Lesart des Arguments in (106)b i begünstigt. Die genannten Akzeptabilitätsunterschiede werden von anderen Sprechern des Deutschen (der Verfasserin dieser Arbeit eingeschlossen) jedoch nicht vollständig bestätigt und können ohne empirische Kontrolle zunächst nur als Hinweis darauf gewertet werden, dass die referentiellen Eigenschaften
41 Beispiel (106) ist unter zwei Aspekten unglücklich. Erstens variiert nicht nur die Lesart, sondern auch der Numerus des Arguments. Zweitens impliziert die Bedeutung des Basisverbs zerstören einen Resultatzustand, der ohne entsprechenden Kontext nicht ohne Weiteres als reversibel betrachtet werden kann.
5.3 Generische Ereignisreferenz
139
von eingebetteten Argumenten im Zusammenhang mit (der) Lesart(en) einer Nominalisierung mitberücksichtigt werden müssen. Dieser Abschnitt hat versucht, anhand einiger Beobachtungen zum Deutschen Fragen und mögliche Forschungslücken aufzuzeigen, welche die Interaktion von Ereignisreferenz und Argumentrealisierung betreffen. In der weiteren Diskussion werden vor allem die Realisierung des höheren Arguments (el escribir de este poeta) sowie die referentiellen Eigenschaften von bloßen Nomen in Objektposition (el cantar coplas) noch eine Rolle spielen, vgl. Kapitel 7 und 8.
5.3.4 Generische Ereignisreferenz und Nominalisierungsgrad: DP- vs. NP-Nominalisierungen In einigen neueren Arbeiten wird diskutiert, ob DP-Nominalisierungen, d. h. solche, die intern verbal strukturiert sind und nur durch einen Determinierer nominalisiert werden, eine stärkere Affinität zu generischen Lesarten haben als NP-Nominalisierungen (vgl. Bücking 2009 zum Deutschen, Grimm & McNally 2015, 2016 zum Englischen, Iordăchioaia & Soare 2015 zum Rumänischen). Diese Arbeiten liefern zwar noch keine gesicherten Erkenntnisse, es scheint aber interessant, dass in unterschiedlichen Sprachen ähnliche Tendenzen beobachtet werden, die auch im Spanischen vorhanden sein könnten und daher im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Bücking (2009) diskutiert Lesarten von NI im Deutschen und gelangt zu folgenden (introspektiven) Einschätzungen: Während intern nominal strukturierte NI mit dem tieferen Argument in postnominaler Genitivposition (≈ Typ A) sowohl generisch als auch episodisch referieren können, s. o. und vgl. (107)a i und ii, sind intern verbal strukturierte Formen mit direktem Objekt (≈ Typ C) hauptsächlich in generischer Lesart akzeptabel, vgl. (107)b i gegenüber ii. (107) Kontext: Bello hat gestern zum wiederholten Mal seine Hundehütte zerstört. a. Das Zerstören der Hundehütte i. wird zu einer schlechten Angewohnheit. ii. gestern hat mir den letzten Nerv geraubt. b. Das Die-Hundehütte-Zerstören i. wird zu einer schlechten Angewohnheit. ii. ?hat mir gestern den letzten Nerv geraubt. (Bücking 2009: 88)
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5 Denotationen und Lesarten von NI
Iordăchioaia & Soare (2015) vergleichen NI und nominale Supine als die beiden produktivsten Verfahren zur Bildung von Ereignisnomen im Rumänischen. NI sind im Vergleich die nominaleren Formen. Sie enthalten im Rumänischen (anders als im Spanischen) immer eine NP-Schicht, was unter anderem daran erkennbar ist, dass sie für feminines Genus spezifiziert (und pluralisierbar) sind sowie durch Adjektive modifiziert werden können, vgl. (108). Des Weiteren tritt das Suffix -re nur mit nominalisierten, nicht jedoch mit verbalen Formen des Infinitivs auf, weshalb es den Autorinnen zufolge ein echtes Nominalisierungssuffix darstellt, das einen N-Kopf lexikalisiert (vgl. Iordăchioaia & Soare 2008: 198, 2015: 226). (108) spăla-re-a bun-ă a rufelor wasch-INF-ART.F.SG gut-ADJ.F GEN Wäsche ‚das gute Waschen von Wäsche‘ Das nominale Supin ist hingegen intern verbal strukturiert, was z. B. daran sichtbar ist, dass es nur durch Adverbien, nicht aber durch Adjektive modifiziert werden kann, vgl. (109).42 Iordăchioaia & Soare analysieren es als (erweiterte) VP, die direkt von einem Determinierer regiert wird und ansonsten keine nominalen Eigenschaften aufweist. (109) spăla-tu-l (bine/ *bun) al rufelor wasch-SUP-ART.M ADV.gut ADJ-gut GEN Wäsche ‚das gute Waschen von Wäsche‘ Interessant sind die referentiellen Unterscheide zwischen den beiden Formen: Der NI, also die NP-Nominalisierung, kann im Rumänischen nicht als Subjekt eines artenselegierenden Prädikats wie ist weit verbreitet vorkommen, vgl. (110) a, wohingegen das nominale Supin, also die verbalere Form, in dieser Position zulässig ist und offenbar generisch referieren kann, vgl. (110)b.43
42 Morphologisch ist das rumänische Supin eine Partizip-Perfekt-Form (vgl. Iordăchioaia & Soare 2008: 194). 43 Ein weiteres Beispiel für intern nominal strukturierte Ereignisnominalisierungen, die nicht generisch referieren können, bieten auf -ata endende Formen im Italienischen, z. B. la guardata ‚der Blick‘ oder la mangiata ‚das Essen, der Schmaus‘ (vgl. Tovena 2017: 302)
5.3 Generische Ereignisreferenz
141
(110) a. *Citire acestui roman b. Cititul acestui roman este foarte răspândit(ă/e) printre studenţi. (Iordăchioaia & Soare 2015: 232) ‚Das Lesen dieses Romans ist sehr verbreitet unter Studenten.‘ Grimm & McNally (2016) zeigen, dass auch im Englischen intern verbal strukturierte Gerundien mit Determinierer („the-VP-ing-Formen“) in der Regel generisch referieren. Die verbale Struktur dieser Formen ist z. B. daran erkennbar, dass sie ein direktes (und indirektes) Objekt regieren können und passivierbar sind, vgl. (111) und (112). Syntaktisch werden auch diese Formen daher als (ggf. erweiterte) VPn analysiert, die unmittelbar von einer DP dominiert werden (vgl. Grimm & McNally 2016: 171). (111) It wasn’t just the knowing the answer […]. das wiss-GER die Antwort ‚Es war nicht nur das Wissen der Antwort […].‘ (112) the being born in a workhouse das AUX-GER geboren ‚das In-einem-Armenhaus-Geboren-Werden‘ The-VP-ing-Formen werden in der Literatur zum Teil als ungrammatisch oder inakzeptabel betrachtet, was Grimm & McNally jedoch unter anderem anhand von Korpusdaten zu widerlegen versuchen. Gemäß den Autoren ist das Vorkommen von the-VP-ing-Formen lediglich engen kontextuellen Bedingungen unterworfen, da die Formen immer anaphorisch referieren und/oder auf Ereignistypen verweisen, vgl. (113) und (114) (Beispiele aus Grimm & McNally 2016: 169). (113) I think the best solution is that your mom doesn’t just drop in. I agree with the giving him the heads up […]. das geb-GER ihm eine Warnung ‚Ich denke, die beste Lösung ist, dass deine Mutter nicht einfach vorbeikommt. Ich bin auch dafür, ihn zu warnen.‘ (114) Anne doesn’t like the getting up at 6AM. das aufsteh-GER ‚Anne mag das Um-sechs-Uhr-Aufstehen nicht.‘
142
5 Denotationen und Lesarten von NI
5.3.5 Generische Ereignisreferenz von NI Betrachten wir nun abschließend die NI des Spanischen im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Nominalisierungsgrad und Lesartpräferenzen. In Kapitel 2 wurde anhand der Ergebnisse vorhandener Arbeiten nachgezeichnet, dass sich die unterschiedlichen Formtypen syntaktisch darin unterscheiden, auf welcher Ebene eine zunächst verbale Struktur von einem nominalen Kopf selegiert wird. Typ-C-NI (el cantar las coplas) sind sogenannte DPNominalisierungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine verbale Struktur allein durch einen Determinierer nominalisiert wird, ohne dass eine nominale Projektion zwischen dem verbalen Bereich und der DP-Schicht vorhanden ist. Typ-A-NI (el cantar de los pájaros) sind hingegen NP-Nominalisierungen. Diese Formen macht aus, dass eine verbale Projektion – hier V0 – von einem N-Kopf selegiert wird und die DP somit zwar die höchste, aber nicht die einzige nominale Projektion in der Struktur darstellt. Typ-B-NI (el cantar coplas) wurden als Formen identifiziert, für die nicht ohne Weiteres beantwortet werden kann, ob die syntaktische Struktur eine NP-Projektion enthält oder nicht und ob der Infinitiv auf V0- oder erst auf VP-Ebene nominalisiert wird, vgl. hierzu insbesondere Abschnitt 2.4 und 2.6 sowie die in Abbildung 2 dargestellte Nominalisierungsskala auf S. 38. Die unterschiedlichen Formtypen sind zwar bisher nicht systematisch auf ihre semantischen Unterschiede untersucht worden. Die bisher betrachteten Daten deuten aber daraufhin, dass nur die intern nominal strukturierten Typ-A-NI eindeutig sowohl episodisch als auch generisch referieren können, während die (mutmaßlich) verbaleren Formen einen engeren Anwendungsbereich haben könnten. Typ-B- und Typ-C-NI teilen offenbar mit intern verbal strukturierten NI im Deutschen (≈ Typ C), nominalen Supinen im Rumänischen sowie englischen Gerundien des Typs the-VP-ing die Eigenschaft, v. a. oder ausschließlich auf Ereignistypen referieren zu können, vgl. (115) und (116). (115) Es maltrato el entrenar perros para peleas clandestinas. (Google) das Trainieren Hunde ‚Das Trainieren von Hunden für heimliche Kämpfe ist Misshandlung.‘ (116) El mandato también incluye el reformar la ley de armas. (CEA) das Reformieren das Waffengesetz ‚Das Mandat beinhaltet auch das Reformieren des Waffengesetzes.‘
5.4 Zusammenfassung
143
Diese Gemeinsamkeiten zeigen möglicherweise, dass zwischen syntaktisch ähnlich strukturierten Ereignisnominalisierungen auch referentielle Parallelen bestehen. DP-Nominalisierungen, also Strukturen des Typs [DP [VP [V]]], scheinen eher oder sogar ausschließlich für Ereignistypreferenz geeignet zu sein. NP-Nominalisierungen des Typs [DP[NP[N[V]]]] sind hingegen auf episodische Lesarten spezialisiert (NI im Rumänischen) oder haben einen weiteren Anwendungsbereich und können sowohl generisch als auch episodisch referieren (NI im Deutschen). Die Ergebnisse, die sich diesbezüglich in den Akzeptabilitätstests zu spanischen NI zeigen, werden in Kapitel 7 und 8 vorgestellt.
5.4 Zusammenfassung Um NI nicht nur auf syntaktischer, sondern auch auf semantischer Basis voneinander zu unterscheiden, wurde in diesem Kapitel eine vorläufige Typologie von Denotationen und Lesarten eingeführt. Im ersten Teil des Kapitels (5.2) wurde zwischen Ereignissen, Resultatobjekten bzw. -zuständen und Tatsachen unterschieden, wobei vor allem Typ-A-NI betrachtet wurden. Der Abschnitt hat gezeigt, dass Typ-A-NI nicht nur rein eventive, sondern auch resultative, faktive und modal-eventive Lesarten erlauben können. Typ-B- und Typ-C-NI wurden verstärkt im zweiten Teil dieses Kapitels (5.3) behandelt, in dem gezeigt wurde, dass für NI nicht nur die Abgrenzung zwischen Ereignissen und anderen semantischen Sorten relevant ist, sondern dass innerhalb der Klasse der Ereignisnominalisierungen auch zwischen generischer und episodischer Referenz unterschieden werden muss. Neben den hierfür relevanten Abgrenzungskriterien wurde in Abschnitt 5.3 tentativ diskutiert, auf welche Weise Argumentrealisierung und generische Referenz interagieren und ob ein geringerer Nominalisierungsgrad mit einer Präferenz für generische Lesarten einhergehen könnte. In der weiteren Diskussion werden insbesondere die folgenden Fragen verfolgt: Weisen spanische NI allgemein eine Präferenz für generische Lesarten auf oder ist dies nur für die intern (mutmaßlich) verbal strukturierten Typ-B- und Typ-C-NI der Fall? Sind die beiden letztgenannten Formtypen ausschließlich in generischen Lesarten akzeptabel oder können sie auch episodisch referieren? Da die sortensemantische Unterscheidung zwischen Ereignissen, Resultaten und Tatsachen die Unterscheidung zwischen episodischer und generischer Referenz kreuzt, sind die Bedingungen, die im Folgenden eine Rolle spielen, in Tabelle 13 noch einmal zusammengefasst.
144
5 Denotationen und Lesarten von NI
Tabelle 13: Lesarten von NI – vorläufige Generalisierung zur Entsprechung von Form und Denotation. Formtyp
Syntaktische Struktur
Typ A
[DP [NP [N [V]]]]
Denotation
Lesart ✓episodisch ✓generisch
Typ B
Typ C
[DP[NP [N [V]]]] [DP [VP [V]]] [DP [VP [V]]]
?episodisch Ereignis ?/✓generisch ?episodisch ?/✓generisch
6 Methodisches Vorgehen 6.1 Einleitung Für die vorliegende Arbeit wurde ein experimenteller Ansatz zur Datengewinnung gewählt. Durch die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen im Rahmen von vier Studien soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen das Spanische NI erlaubt bzw. Sprecher dieses Nominalisierungsverfahren mehr oder weniger akzeptieren. Dieses Vorgehen erscheint vor allem deshalb zielführend, als die bisher besprochenen Urteile über NI ein sehr heterogenes Bild ergeben. Außerdem hat die Diskussion in den vorangegangenen Kapiteln nahelegt, dass die Bildung dieser Nominalisierungen durch das Zusammenspiel verschiedener semantischer und syntaktischer Restriktionen bestimmt wird. Der nominale Typ A kann nicht uneingeschränkt von allen Verbklassen gebildet werden und nur bestimmte Argumente der verbalen Basis als PP realisieren. Alle Formtypen scheinen zudem kontextuellen Beschränkungen zu unterliegen und auf bestimmte Lesarten spezialisiert zu sein. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen optimal dafür geeignet ist, die als relevant erachteten Faktoren zu isolieren und ihren Einfluss unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen. Abschnitt 6.2 bietet zunächst eine Einführung in den methodischen Ansatz, um einige grundsätzliche Fragen zu klären, die sich im Zusammenhang mit der Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen stellen. Nach einem kurzen Überblick über die Verwendung von Urteilsdaten in der Linguistik in Abschnitt 6.2.1 wird in Abschnitt 6.2.2 versucht, eine Definition von Akzeptabilitätsurteilen zu geben. In Abschnitt 6.2.3 wird Akzeptabilität von Grammatikalität abgegrenzt und in Abschnitt 6.2.4 werden die Eigenschaften von Akzeptabilitätsdaten und Korpusdaten gegenüberstellt und im Hinblick auf ihre Vor- und Nachteile für die Untersuchung spanischer NI diskutiert. Im zweiten Teil des Kapitels, Abschnitt 6.3, werden anschließend die konkreten Anforderungen erläutert, die Akzeptabilitätsstudien nach derzeitigem Kenntnisstand der Forschung erfüllen sollten, und die methodischen Entscheidungen erläutert, die für die Experimentdesigns dieser Arbeit getroffen worden sind.
https://doi.org/10.1515/9783110723359-006
146
6 Methodisches Vorgehen
6.2 Überlegungen zur Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen 6.2.1 Forschungsstand: Urteilsdaten als Quelle linguistischer Evidenz Wie in anderen Wissenschaften auch lassen sich in der Linguistik Daten sowohl durch naturalistische Beobachtungen als auch durch kontrollierte Experimente gewinnen (vgl. z. B. Gibson & Fedorenko 2010). Während die Erhebung von Korpusdaten eine lange Tradition aufweist, handelt es sich bei der Erhebung experimenteller Daten um einen vergleichsweise jungen Ansatz in der Linguistik. Traditionell haben vor allem in der generativen Syntaxforschung introspektive Urteile über die Wohlgeformtheit sprachlicher Ausdrücke als Grundlage für Generalisierungen bzw. als Überprüfung theoretischer Annahmen gedient, wodurch Linguisten in der Regel gleichzeitig als Forscher und Testpersonen fungiert haben. Seit ca. Mitte der neunziger Jahre ist dieses Vorgehen zunehmend in die Kritik geraten (vgl. Cowart 1997, Featherston 2007a, Gibson & Fedorenko 2010, Schütze 1996). Ausgehend von der Annahme, dass Sprecherintuitionen durchaus empirisch adäquate und quantifizierbare Daten liefern können, wenn sie unter kontrollierten Bedingungen erfasst werden (vgl. Featherston 2008), hat sich die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen inzwischen als experimentelle Methode in der Linguistik etabliert. Aus praktischer Sicht haben ebenfalls ab den neunziger Jahren die Möglichkeiten des Internets dazu beigetragen, dass Akzeptabilitätsdaten auf einfache und zeitsparende Weise erhoben werden, wofür auf Online-Umfragen und Crowdsourcing-Methoden – etwa den OnlineMarktplatz Amazon Mechanical Turk – zurückgegriffen wird (vgl. Ortega-Santos 2019, Sprouse 2011b). Kontrovers diskutiert wird unter anderem, für welche sprachlichen Phänomene bzw. Fragestellungen Akzeptabilitätsdaten Vorteile gegenüber Korpusdaten bieten und in welchem Ausmaß die formale Erhebung von Akzeptabilitätsdaten traditionellen nicht-formalen Herangehensweisen überlegen ist (vgl. u. a. Gibson & Fedorenko 2010, Gibson, Piantadosi & Fedorenko 2013, Sprouse & Almeida 2013).
6.2.2 Was sind Akzeptabilitätsurteile? Durch Akzeptabilitätsurteile bewerten Personen sprachliche Stimuli im Hinblick auf ihre Wohlgeformtheit. Akzeptabilität stellt dabei genauso wie Lautstärke oder Temperatur eine wahrnehmungsbezogene Größe dar, die nicht direkt messbar ist. Die Urteile, die Personen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung abgeben, geben jedoch indirekt Auskunft und stellen beobachtbare Sachverhalte dar. Es ist inzwischen weitgehend anerkannt, dass neben eindeutig akzeptablen und klar inakzeptablen
6.2 Überlegungen zur Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen
147
sprachlichen Äußerungen ein breites Spektrum an Zwischenstufen und Zweifelsfällen existiert, weshalb Akzeptabilität in der Regel als Kontinuum aufgefasst wird (vgl. u. a. Sprouse 2007: 123). Akzeptabilitätsurteile können auf unterschiedliche Weise zustande kommen. Ein explizites Urteil kann etwa durch Bewertung eines sprachlichen Stimulus auf einer vorgegebenen Skala abgegeben werden. Ein implizites Urteil ergibt sich z. B. aus der Auswahl einer von mehreren möglichen Antworten oder der „Verbesserung“ bzw. Umformulierung eines Stimulus. Eine wesentliche Gemeinsamkeit aller Arten von Akzeptabilitätstests besteht darin, dass die abhängige Variable – Akzeptabilität – offline gemessen wird, d. h. nachdem die Sprachverarbeitung ganz oder zum Teil abgeschlossen ist. Damit unterscheiden sich Akzeptabilitätsurteile grundsätzlich von experimentellen Verfahren mit online-Messungen, im Rahmen derer bestimmte Reaktionen in Echtzeit gemessen werden, also während die Sprachverarbeitung (oder Sprachproduktion) abläuft. Zu online-Methoden zählen z. B. selbstbestimmtes Lesen (self-paced reading), Blickbewegungsmessung (eye tracking) oder die Messung ereigniskorrelierter Potentiale durch EEG-Messungen (vgl. Vorwerg 2012, Warren 2013 für einen Überblick). Akzeptabilitätsurteile geben also anders als online-Methoden keine Auskunft über kognitive Vorgänge und Mechanismen der Sprachverarbeitung und des Sprachverstehens, sondern testen die Übereinstimmung sprachlicher Äußerungen mit bestimmten Regeln. Viel diskutiert wird diesbezüglich, wie genau die abgegebenen Urteile zustande kommen und welche Faktoren in Sprecherurteile einfließen können (vgl. Abschnitt 6.3.1). Ein zentraler Bestandteil dieser Diskussion ist die Unterscheidung zwischen Akzeptabilität und Grammatikalität, auf die im folgenden Abschnitt kurz eingegangen werden soll.
6.2.3 Akzeptabilität vs. Grammatikalität In den Experimenten dieser Arbeit wird die Auswirkung verschiedener Faktoren auf die Akzeptabilität von NI untersucht. Unter anderem geht es um die Fragen, welche Argumente der verbalen Basis auf die nominalisierte Struktur abgebildet werden können (Experiment 1, 2 und 3) und durch welche Arten von Anaphern NI pronominalisierbar sind (Experiment 4). Vor dem Hintergrund dieser (teils) syntaktischen Fragestellungen soll im Folgenden eine Abgrenzung zwischen Grammatikalität und Akzeptabilität vorgenommen und gezeigt werden, dass die beiden Kategorien nicht als äquivalent angesehen werden können. Grammatikalität wird meist als Übereinstimmung eines sprachlichen Outputs mit den Regeln der mentalen Grammatik verstanden. Beispielsweise können die Sätze (1) und (2) als ungrammatisch bezeichnet werden, da sie syntaktisch
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6 Methodisches Vorgehen
nicht wohlgeformt sind bzw. gegen Grammatikregeln des Deutschen verstoßen. In (1) ist die Verbzweitregel verletzt, in (2) kongruiert das Verb nicht mit dem Subjekt. (1)
*Gestern ich habe diesen neuen Film gesehen.
(2)
*Anna essen gern Meeresfrüchte.
Es ist davon auszugehen, dass Grammatikalität der Wahrnehmung und Beurteilung nicht direkt und isoliert zugänglich ist. Zum einen ist das Wissen über die Regeln der mentalen Grammatik in der Regel nur implizit vorhanden, zum anderen ist die Übereinstimmung mit den Regeln der Grammatik immer nur einer von vielen Faktoren, die bestimmen, ob ein Stimulus als wohlgeformt eingeschätzt wird oder nicht (vgl. Fanselow 2007: 363). Aus diesem Grund wird oft angenommen, dass auch bei rein syntaktischen Fragestellungen von Akzeptabilitätsurteilen und nicht von Grammatikalitätsurteilen die Rede sein sollte und dass Urteilsdaten immer nur indirekt und begrenzt Rückschlüsse auf die Regeln der mentalen Grammatik zulassen (vgl. z. B. Bader & Häussler 2010: 277, Schütze & Sprouse 2013: 28). Im Folgenden wird daher für alle Arten von Urteilen ausschließlich der Begriff „Akzeptabilität“ verwendet, und zwar unabhängig von der konkreten Fragestellung und unabhängig davon, ob die Daten ein eher dichotomisches oder ein eher abgestuftes Bild von Wohlgeformtheit ergeben (vgl. Bard, Robertson & Sorace 1996, Fanselow 2007).
6.2.4 Korpus- vs. Urteilsdaten In diesem Abschnitt wird erläutert, aus welchen Gründen für diese Arbeit die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen als methodischer Ansatz gewählt wurde, wobei auch einige grundsätzliche Unterschiede zwischen Urteils- und Korpusdaten angesprochen werden sollen. Korpora bieten den Vorteil naturalistischer Sprachdaten, die allerdings immer nur beobachtet werden können. Urteilsdaten sind hingegen immer zu einem gewissen Grad artifiziell, erlauben es jedoch, Daten nicht nur zu beobachten, sondern auch gezielt zu manipulieren. Für NI scheinen sich gerade aus den artifiziellen Bedingungen, unter denen Daten experimentell erhoben werden, Vorteile zu ergeben. Beispielsweise ist in der Literatur explizit bemängelt worden, dass die unterschiedlichen NI meist nicht klar und ohne Kontext präsentiert werden (vgl. Demonte & Varela 1998: 147). Im Rahmen eines Experiments können die Strukturen in eindeutige Kontexte eingebettet, die Variablen, die für eine
6.2 Überlegungen zur Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen
149
Fragestellung relevant sind, gezielt manipuliert und die anderen konstant gehalten werden. (vgl. z. B. Featherston 2007b: 7). Auf diese Weise erscheint es am ehesten möglich, Hypothesen über die Interaktion von Syntax und Semantik – wie das Zusammenspiel von Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen – unter kontrollierten Bedingungen zu testen. Bei der Untersuchung von Korpusdaten lassen sich teils unklare oder unerwünschte Variablen nicht ausschalten. Die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen gilt außerdem als die leistungsfähigere Methode, um eher marginale Phänomene der Sprache zu untersuchen (vgl. z. B. Gibson & Fedorenko 2010: 3, Schütze & Sprouse 2013: 29). Hierin ist ein weiterer Vorteil in Bezug auf die zu klärenden Fragen zu sehen, denn, wie bereits erwähnt, stellen NI im Spanischen nur eines von vielen Verfahren zur Bildung von Ereignisnomen dar und unterliegen verschiedenen Verwendungsbeschränkungen. Angaben über ihre Frequenz finden sich unter anderem in einer Korpusstudie von Torres Cacoullos (2009). In einer Analyse des mündlichen Korpus El habla de la ciudad de Madrid von 1981 wird festgestellt, dass auf 10 000 Wörter im Schnitt nur ca. sechs NI kommen. Allerdings scheinen NI auch in geschriebener Sprache nicht hochfrequent zu sein. Eine weitere Auswertung in Torres Cacoullos‘ Analyse zeigt für Texte aus dem 19. und 20. Jahrhundert, dass über 70% der belegten NI lexikalisierte Formen wie el placer ‚die Freude‘ oder el poder ‚die Macht‘ sind und keine syntaktisch gebildeten Formen wie Typ A und Typ B, um die es in der vorliegenden Arbeit geht. Syntaktisch gebildete NI treten häufig in formalen Registern und in geschriebener, teils literarischer Sprache auf und können im Vergleich zu deverbalen Nomen als weniger produktiv angesehen werden (vgl. z. B. Mighetto 1994: 73). Diese Beobachtungen sind für die Wahl der Methode erheblich, denn in der Literatur ist verschiedentlich festgestellt worden, dass Korpusdaten und Akzeptabilitätsurteile meist nur dann ähnliche Ergebnisse liefern, wenn es darum geht, die optimale Variante aus einer Reihe von Strukturen zu identifizieren (vgl. u. a. Featherston 2008: 80 f.). Strukturen, die in Korpora häufig belegt sind, erhalten in Experimenten in der Regel auch hohe Akzeptabilitätswerte. Interessiert man sich jedoch auch für „suboptimale“ Strukturen und Grenzfälle, helfen Korpora meist nur eingeschränkt weiter, da diese Varianten oft nicht oder nicht in ausreichender Zahl produziert werden, um Generalisierungen bilden zu können. Dass eine bestimmte Struktur in einem Korpus nur selten oder gar nicht vorkommt, heißt jedoch weder, dass sie nie produziert wurde, noch, dass sie völlig inakzeptabel ist (vgl. z. B. Gibson & Fedorenko 2010: 3). Experimente ermöglichen es hier, auch zwischen nicht oder selten produzierten Strukturen zu differenzieren und diese im Hinblick auf ihre Akzeptabilität zu unterscheiden (vgl. Schütze und Sprouse 2013: 29).
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6 Methodisches Vorgehen
In Bezug auf NI erscheinen vor allem zwei Beobachtungen relevant. Erstens hat die bisherige Diskussion gezeigt, dass nicht eindeutig ist, welche Argumente Typ-A-NI als PP erlauben, wie hier noch einmal an (3) illustriert ist. Derartige Fragestellungen lassen sich laut Featherston (2008) nur dann klären, wenn man auch die „schlechtere“ Variante eines Minimalpaars – hier (3)b – hinzuzieht, die im Korpus evtl. nicht oder nur in zu geringer Zahl belegt ist, um Aussagen über die Unterschiede zwischen den Ausprägungen eines Faktors zu treffen. (3)
a. ?/✓el masticar del niño ‚das Kauen des Kindes‘ b. ?/*el masticar del chicle ‚das Kauen des Kaugummis‘
Zweitens wurde festgestellt, dass sowohl Typ A als auch Typ B und C als Ereignisnominalisierungen fungieren können, jedoch unklar ist, in welchen Lesarten. Um diese Frage zu klären, erscheint es unerlässlich, die Kontexte, in denen die NI vorkommen, gezielt zu manipulieren, da nur auf diese Weise z. B. eindeutig generische oder episodische Lesarten evoziert werden können.
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen Im Folgenden werden die wichtigsten Anforderungen formuliert, die nach derzeitigem Stand der Forschung bei der Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen erfüllt sein sollten, sowie die wesentlichen methodischen Entscheidungen erläutert, die für die Experimente der vorliegenden Arbeit getroffen werden. In Abschnitt 6.3.1 wird zunächst diskutiert, durch welche stimulusbezogenen Faktoren Akzeptabilität beeinflusst werden kann und wie sich unerwünschte Faktoren kontrollieren lassen. Abschnitt 6.3.2 widmet sich der Frage, welche personenbezogenen Faktoren bei Urteilsdaten zu berücksichtigen sind und nach welchen Kriterien die Testpersonen für die Experimente ausgewählt werden. Im Anschluss werden einige Aspekte diskutiert, die das konkrete Experimentdesign betreffen. Insbesondere geht es dabei um die Wahl der Skala (vgl. Abschnitt 6.3.3), die Formulierung der Arbeitsanweisung (6.3.4), die Notwendigkeit von Kontroll- und Füllmaterial (6.3.5), die Verteilung und Anordnung der Stimuli (6.3.6) sowie schließlich die statistische Auswertung der Akzeptabilitätsurteile (6.3.7).
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
151
6.3.1 Stimulusbezogene Faktoren Zu Beginn des Kapitels, in Abschnitt 6.2.3, wurde festgestellt, dass Grammatikalität immer nur einer von mehreren Faktoren ist, die sich auf die Akzeptabilität eines sprachlichen Stimulus auswirken. In diesem Abschnitt wird exemplarisch gezeigt, welche nicht-grammatischen Faktoren die Akzeptabilität beeinflussen können und wie sich unerwünschte Faktoren durch das Experimentdesign kontrollieren lassen. Die folgende Darstellung ist dabei als Überblick über einige, für meine Fragestellung relevante Faktoren, nicht jedoch als ausführliche Diskussion zu verstehen (vgl. Cowart 1997, Schütze 1996 für umfassendere Darstellungen). Da im Zusammenhang mit NI nicht einzelne Formen, sondern Typen von Formen und Lesarten von Interesse sind, ist es wichtig, jede experimentelle Bedingung anhand mehrerer Instanziierungen zu testen, in denen das lexikalische Material variiert wird (vgl. z. B. Featherston 2007a: 291 ). In den Experimenten dieser Arbeit wird jede Bedingung anhand von mindestens acht Lexikalisierungen untersucht (vgl. Gries 2013 zu diesem Richtwert). Die Frequenz der für die unter den einzelnen Bedingungen verwendeten Lexeme wird dabei konstant gehalten. Ist dies nicht möglich, werden Frequenzunterschiede bei der Auswertung der Daten berücksichtigt (vgl. Featherston 2007a, Schütze 1996: 164 f.). Neben dem lexikalischen Material spielt auch die syntaktische Struktur, in welche die Stimuli eingebettet werden, eine Rolle für die Bewertungen. Grundsätzlich gilt, dass die präsentierten Strukturen so einfach und eindeutig wie möglich sein sollten, da lange, komplexe und/oder ambige Strukturen einen höheren Verarbeitungsaufwand und/oder eine hohe Beanspruchung des Kurzzeitgedächtnisses mit sich bringen, was die Akzeptabilität negativ beeinflussen kann (vgl. u. a. Schütze 1996: 186). Typische Beispiele für vollständig grammatische, aber nur gering akzeptable Stimuli sind Sätze mit Holzwegeffekten wie (4) oder auch lange Sätze mit mehrfacher Einbettung von Argumentsätzen wie (5). Die NI werden im Folgenden immer in identischen oder zumindest ähnlichen syntaktischen Strukturen präsentiert, welche problemlos zu verarbeiten sein sollten. (4)
The horse raced past the barn fell. (verkürzter Relativsatz) ≈The horse that was raced past the barn fell. (nicht verkürzter Relativsatz) ‚Das Pferd, das an der Scheune vorbeigeritten wurde, stürzte.‘
(5)
Me parece que algunos de ustedes no creen que ciertos alumnos hayan dicho que determinados profesores lamentan que los planes de estudio no hayan sido modificados. (Bosque & Gutiérrez-Rexach 2009: 33)
152
6 Methodisches Vorgehen
‚Mir scheint, dass einige von Ihnen nicht glauben, dass bestimmte Schüler gesagt haben, dass gewisse Lehrer beklagen, dass die Lehrpläne nicht geändert worden sind.‘ Der Kontext sollte grundsätzlich derart gestaltet sein, dass er semantisch wohlgeformt und pragmatisch plausibel ist. Beispielsweise kann ein Spaltsatz in Isolation wie in (6) völlig inakzeptabel sein, in einem Kontext, der die passende Informationsstruktur liefert, jedoch vollständig akzeptabel, vgl. (7). (6)
?It’s a lawyer that he is. ‚Es ist Anwalt, was er ist.‘
(7)
It wasn’t a lawyer that he wanted to be but a doctor. (Schütze 1996: 151) ‚Es war nicht Anwalt, was er werden wollte, sondern Arzt.‘
Ist der Kontext keine Untersuchungsvariable, sollte er immer so gestaltet sein, dass er die Akzeptabilität der experimentellen Stimuli unterstützt. Kontextfaktoren können aber natürlich auch als Untersuchungsvariablen gezielt manipuliert werden. Durch das Testen desselben NI in unterschiedlichen Kontexten wird in dieser Arbeit untersucht, in welcher Lesart ein NI mehr oder weniger akzeptabel ist. In diesem Fall ist entscheidend, dass der Kontext keinen Raum für Ambiguitäten lässt, also nur die jeweils intendierte Lesart erlaubt. Für meine Fragestellung ergibt sich damit die Anforderung, stets eindeutig zwischen generischen und episodischen Lesarten zu differenzieren. Eine weitgehend ungeklärte Frage lautet, wie sich konkurrierende Strukturen auf die Akzeptabilität eines Stimulus auswirken (vgl. Fanselow 2007: 363). In Bezug auf NI ist dabei vor allem folgende Beobachtung relevant. Das Spanische kennt eine Vielzahl von Verfahren zur Bildung deverbaler Ereignisnomen, so dass die Beurteilung eines NI immer davon beeinflusst werden könnte, welche anderen Nominalisierungsverfahren zur Verfügung stehen und wie produktiv diese Verfahren sind. Betrachten wir zwei Beispiele für Typ-B-NI. Zu der Form (8)a existiert keine akzeptable Entsprechung in Form eines deverbalen Nomens, die es erlauben würde, das tiefere Argument zu realisieren, vgl. (8)b. Zu dem NI in (9)a gibt es hingegen eine Entsprechung in Form einer Nominalisierung, die mit dem Affix -ción gebildet wird, das im Spanischen äußert produktiv ist (vgl. z. B. Fábregas 2010, Rainer 1993). In diesen Fällen ist unklar, welche Konsequenzen sich aus dem Fehlen bzw. Vorhandensein von alternativen Nominalisierungsverfahren für die Akzeptabilität der NI ergeben.
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
(8)
a. el comer carne ‚das Fleischessen‘ b. la comida (*de carne) ‚das Essen (≈ die Essung) von Fleisch‘
(9)
a. el narrar historias ‚das Geschichtenerzählen‘ b. la narración de historias ‚die Erzählung von Geschichten‘
153
Insgesamt lässt sich Folgendes festhalten. Welche Faktoren in welchem Ausmaß die Akzeptabilität eines Stimulus beeinflussen und was genau Testpersonen bewerten, wenn sie ein Urteil abgeben, ist trotz erheblicher Fortschritte im Bereich der Forschung zu Urteilsdaten nach wie vor nicht umfassend geklärt (vgl. z. B. Fanselow 2007, Featherston, 2008). Zu einem gewissen Grad kann diesem Problem allerdings durch einen kontrollierten Experimentaufbau, die Eliminierung bekannter Störvariablen und die statistische Auswertung entgegengewirkt werden, wie die noch folgenden Abschnitte zeigen sollen.
6.3.2 Personenbezogene Faktoren In diesem Abschnitt geht es um die Frage, durch welche Faktoren Testpersonen in ihrem Urteilsverhalten beeinflusst werden können bzw. welche Kriterien Personen erfüllen sollten, um geeignete Testpersonen für Akzeptabilitätsstudien zu sein. Nach Schütze (1996) ist zunächst zwischen Faktoren zu unterscheiden, die zumindest zum Teil biologischer Natur ist, und solchen, die rein erfahrungsbezogen sind. Zu den erstgenannten Faktoren gehören vor allem Geschlecht, Alter oder Händigkeit. Durch psycholinguistische Experimente sind z. B. Korrelationen zwischen Unterschieden in der Händigkeit und Unterschieden in der Sprachverarbeitung nachgewiesen worden, die darauf hindeuten könnten, dass Rechtshänder eher auf strukturelle Unterschiede achten und Linkshänder eher kontextuelle Faktoren berücksichtigen. Faktoren wie Geschlecht und Alter scheinen vor allem im Vergleich zu stimulusbezogenen Faktoren einen eher geringen Einfluss auf Akzeptabilität zu haben (vgl. Schütze 1996), werden aber im Rahmen der Experimente dieser Arbeit jeweils berücksichtigt (vgl. Abschnitt A.7 und A.8 im Anhang). Erfahrungsbezogene Faktoren sind vor allem Bildungsgrad und berufliche Tätigkeit, wobei insbesondere linguistische Expertise der Testpersonen relevant sein könnte (Schütze 1996). Die Frage, ob sich die Urteile von Linguisten von denen
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6 Methodisches Vorgehen
linguistischer Laien unterscheiden, wird dabei in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. Culbertson & Gross 2009, Dąbrowska 2010, Fanselow 2007, Featherston 2007a). Fanselow (2007) und Featherston (2007) stellen in ihren Studien keine Unterschiede zwischen den Bewertungen von Linguisten und denen von NichtLinguisten fest und halten die Unterscheidung für irrelevant. Dąbrowska (2010) kommt in einer Studie zur Bewegung von Fragepronomen (W-Wörtern) zu anderen Ergebnissen. Sie zeigt, dass linguistische Laien Strukturen mit aus dem Basissatz herausbewegten W-Wörtern deutlich eher akzeptieren, wenn es sich dabei um prototypische Wortsequenzen wie (10) handelt. In Fällen, in denen die Strukturen zwar grammatisch waren, aber wie in (11) nicht mit gängigen lexikalischen Templates gebildet wurden und somit möglicherweise einen höheren Verarbeitungsaufwand mit sich brachten, sind die Bewertungen signifikant schlechter ausgefallen. Linguisten waren gegenüber Unterschieden wie solchen zwischen (10) und (11) weniger sensibel, haben laut Dąbrowska jedoch schärfer zwischen grammatischen und ungrammatischen Stimuli unterschieden. (10) What do you think you’re doing? ‚Was glaubst du, machst du da?‘ (11) What might she think that they will do? ‚Was könnte sie denken, dass sie tun werden?‘ Culbertson & Gross (2009) vertreten die Annahme, dass nicht die Unterscheidung zwischen Linguisten und linguistischen Laien entscheidend ist, sondern die Unterscheidung zwischen Testpersonen, die Erfahrung mit kognitionswissenschaftlichen Experimenten haben, und solchen, die diesbezüglich Laien sind. Experimenterfahrene Testpersonen scheinen eher in der Lage zu sein, Anweisungen exakt umzusetzen und ausschließlich die fraglichen Strukturen und nicht etwa andere Faktoren zu beurteilen. Auf die Frage, ob sich die Urteile von Linguisten und Nicht-Linguisten unterscheiden und ob man Testpersonen nach bestimmten erfahrungsbasierten Kriterien auswählen sollte, gibt es also unterschiedliche Antworten. Für die Experimente dieser Arbeit wird die Auswahl von Testpersonen nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Allerdings enthalten die Experimente jeweils die in (12)–(17) aufgeführten Fragen zu den oben genannten Faktoren. Um die Teilnahmebereitschaft der Testpersonen zu erhöhen, ist die Beantwortung der Fragen allerdings nicht obligatorisch. (12) Edad ‚Alter‘: ______
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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(13) Sexo ‚Geschlecht‘: ______ (14) ¿Con qué mano escribes? □ la derecha □ la izquierda ‚Mit welcher Hand schreibst du? □ der rechten □ der linken‘ (15) Si eres estudiante, ¿qué estudios estás realizando? ‚Wenn Du Student_in bist, was studierst du?‘ (16) Si no eres estudiante, ¿cuál es tu ocupación? ‚Wenn du kein_e Student_in bist, welcher Beschäftigung gehst du nach?‘ (17) Marca los estudios finalizados. ‚Kreuze die Abschlüsse an, die du erworben hast.‘ □ primarios □ bachillerato □ máster □ secundarios □ grado (licenciatura) □ doctorado Eine Herausforderung für die Experimentdurchführung besteht darin, einen sprachlich möglichst homogenen Personenkreis zu rekrutieren, der idealerweise nur aus L1-Sprechern derselben Varietät bestehen sollte. Als Testpersonen für die Experimente dieser Arbeit werden ausschließlich L1-Sprecher europäischen Spanischs ohne bilingualen Hintergrund zugelassen, die einen Großteil ihres bisherigen Lebens in Spanien verbracht haben. Die in (18)–(21) aufgeführten Fragen dienen dazu, die notwendigen Informationen zu ermitteln. Die Beantwortung dieser Fragen ist jeweils obligatorisch. (18) ¿Cuál es tu primer idioma? □ castellano □ otro: ________ ‚Was ist deine Erstsprache?‘ (19) ¿En qué país creciste? ‚In welchem Land bist du aufgewachsen?‘ (20) ¿Qué lengua usas en casa? ‚Welche Sprache verwendest du zu Hause?‘ (21) En tu día a día, ¿en qué porcentaje estimas que usas el castellano? ‚Was glaubt du, zu wie viel Prozent du in deinem Alltag Kastilisch verwendest?‘ □ 100% □ entre 75% y 50% □ menos de 25% □ entre 100 y 75% □ entre 50 y 25%
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6 Methodisches Vorgehen
(22) ¿Has vivido fuera de España más de tres años consecutivos? □ sí □ no ‚Hast du mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre außerhalb Spaniens gelebt?‘
6.3.3 Die Wahl der Skala Dieser Abschnitt bietet eine Übersicht über die Aufgaben- bzw. die Skalentypen, mit denen Akzeptabilität gemessen werden kann und erklärt, welches Vorgehen für die Experimente in dieser Arbeit gewählt wird (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 33). Nicht-numerische, rein qualitative Urteile kommen durch die Beantwortung von Ja-/Nein-Fragen oder Entscheidungsaufgaben (forced-choice tasks) zustande. Bei Ja-/Nein Fragen besteht das Urteil der Testpersonen darin, auf einer binären Nominalskala anzugeben, ob ein Stimulus akzeptabel ist oder nicht. Bei beschleunigten Akzeptabilitätsurteilen (speeded grammaticality judgments) wird dabei zusätzlich die Reaktionszeit gemessen und die Testpersonen müssen ihre Entscheidung innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Millisekunden treffen. Durch dieses Vorgehen sollen spontanere Reaktionen erzwungen werden, die keinen Rückgriff auf die Regeln der präskriptiven Grammatik erlauben. Bei Entscheidungsaufgaben besteht das Urteil der Testpersonen darin, unter zwei oder mehreren Stimuli den (in)akzeptabelsten auszuwählen. Die Methode unterscheidet sich von Ja-/Nein-Fragen dahingehend, dass nur relative Urteile abgegeben werden und die Stimuli nicht in eine Kategorie eingeordnet werden müssen. Sowohl durch Ja-/Nein-Fragen als auch durch Entscheidungsaufgaben lassen sich vermutete Akzeptabilitätsunterschiede auf einfache und schnelle Weise nachweisen. Allerdings lassen sich Unterschiede zwischen Bedingungen nur indirekt quantifizieren, indem z. B. berechnet wird, dass ein bestimmter prozentualer Anteil der Testpersonen Bedingung A gegenüber Bedingung B bevorzugt. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass auch Ja-Nein-Fragen und Entscheidungsaufgaben erlauben, Akzeptabilität als gradientes Merkmal zu erfassen, und relative Unterschiede zwischen den Bedingungen ermittelt werden können, indem für jede Bedingung der Anteil der Antworten bzw. Entscheidungen berechnet wird (vgl. Bader & Häussler 2010: 276). Entscheidungsaufgaben bieten gegenüber Ja-Nein-Fragen den wesentlichen Vorteil, dass Testpersonen nicht gezwungen werden, zu entscheiden, ob ein Stimulus akzeptabel oder inakzeptabel ist. Ohne Referenzitems und klare Vorgaben ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung je nach Individuum stark variieren kann, weshalb Entscheidungsaufgaben im Vergleich zu Ja-Nein-Fragen oft als etwas leistungsfähiger angesehen werden (vgl. Schütze & Sprouse 2013). In dieser Arbeit wird eine
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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Entscheidungsaufgabe in Experiment 4 verwendet, um zu testen, welche Anapher (Maskulinum oder genuslos) Testpersonen bevorzugen, um Typ A und Typ B zu pronominalisieren, und so Hinweise darauf zu erhalten, ob die jeweiligen NI eher nominal oder eher verbal sind (vgl. Abschnitt 8.4). Eine Entscheidungsaufgabe ist in diesem Fall ein adäquates Mittel, da es nicht darum geht, die NI auf ihre Akzeptabilität zu testen, sondern lediglich ein Unterschied zwischen zwei Formtypen nachgewiesen werden soll. Quantitative Messungen bzw. numerische Urteile sind in der Regel das Mittel der Wahl, um Formen auf ihre Gesamtakzeptabilität zu testen und granulare Unterschiede zwischen Bedingungen nachzuweisen, von denen möglicherweise keine uneingeschränkt akzeptabel ist. Das einfachste Messinstrument bieten Ordinalskalen (Likertskalen) mit fünf oder sieben, also einer ungeraden und geschlossenen Anzahl an Stufen, bei denen nur die Endpunkte ein Label wie akzeptabel oder inakzeptabel erhalten (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 33). Derartige Experimente sind einfach zu konzipieren und zu erklären und für die Testpersonen sind die Anweisungen leicht verständlich und umsetzbar. Eine kompliziertere Methode, die in der Linguistik allerdings viel Beachtung erfahren hat und daher kurz vorgestellt werden soll, ist Magnitude Estimation. Ursprünglich handelt es sich dabei um einen experimentellen Ansatz zur Messung der Wahrnehmung von physikalischen Reizen wie Lautstärke oder Helligkeit (vgl. Stevens 1975). Vor allem durch Bard, Robertson & Sorace (1996) und Cowart (1997) hat die Methode auch in die experimentelle Linguistik Eingang gefunden. Durch Magnitude Estimation beurteilen die Testpersonen die Akzeptabilität aller Teststimuli im Verhältnis zu einem Referenzstimulus, dem vor Beginn des Experiments ein Referenzwert zugewiesen wird. Beträgt der Referenzwert z. B. 50 und hält die Testperson einen gegebenen Stimulus für doppelt so akzeptabel wie den Referenzstimulus, sollte sie ihn mit 100 bewerten. Die Aufgabe besteht also darin, zu beurteilen, wie (in)akzeptabel ein Experimentstimulus im Verhältnis zum Referenzstimulus ist, der stets als Vergleichswert dient (Bard, Robertson & Sorace 1996: 41). Magnitude Estimation unterscheidet sich von einer vorgegebenen Ordinalskala daher durch verschiedene Eigenschaften: Die Akzeptabilitätsurteile sind relativ, d. h. relativ zum Referenzstimulus sowie zu den eigenen zuvor abgegebenen Urteilen. Außerdem enthält die Skala weder Endpunkte noch Mindestabstände zwischen den Akzeptabilitätswerten (vgl. Featherston 2008: 75). Laut Bard, Robertson & Sorace (vgl. 1996: 60) werden den Testpersonen auf diese Weise feinere Differenzierungen ermöglicht, bei denen sie nicht durch eine vordefinierte und geschlossene Skala eingeschränkt sind. Von Kritikern wird in Frage gestellt, ob die Methode gegenüber deutlich einfacheren Experimenttypen tatsächlich einen Mehrwert bietet und inwieweit sie überhaupt für linguistische Fragestellungen geeignet ist. In Bezug auf die zweite Frage hat z. B. Sprouse
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6 Methodisches Vorgehen
(2011) gezeigt, dass Testpersonen Magnitude Estimation in linguistischen Experimenten weniger gewachsen sind als in psychophysikalischen Experimenten. So sind die abgegebenen Urteile z. B. nicht kommutativ und multiplizierbar, da die Testpersonen unterschiedliche Werte vergeben, je nachdem in welcher Reihenfolge sie dieselben Stimuli beurteilen. Sie scheinen also nicht einschätzen zu können, ob ein Stimulus „doppelt“ oder „halb so akzeptabel“ wie ein Referenzstimulus ist, sondern vielmehr eine Ordinalskala zu benutzen, obwohl sie eine Verhältnisskala bilden sollten (vgl. Featherston 2008: 75). Ein Problem könnte darin bestehen, dass für Multiplikation und Division ein Nullwert notwendig ist, der bei der Akzeptabilität sprachlicher Stimuli nicht gegeben ist (vgl. Sprouse 2011a: 285). Weskott & Fanselow (2011: 271) halten es letztendlich für unklar, was genau Testpersonen bei Magnitude Estimation tun, und Schütze & Sprouse (2013) weisen darauf hin, dass die potenziell feinere Granularität, die Magnitude Estimation bietet, meist ungenutzt bleibt, da sich die Testpersonen auf die Verwendung ganzer Zahlen beschränken. Die Frage, ob Magnitude Estimation informativer als eine herkömmliche Ordinalskala ist, muss daher als ungeklärt angesehen werden.44 Insgesamt scheinen zwischen unterschiedlichen Akzeptabilitätsmessungen keine großen Unterschiede zu bestehen. Weskott & Fanselow (2011) haben z. B. gezeigt, dass sich die Ergebnisse von Experimenten mit Ordinalskalen und solche, die auf Magnitude Estimation basieren, nicht signifikant unterscheiden. Bader & Häussler (2010) haben Magnitude Estimation mit binären Urteilen verglichen und nachgewiesen, dass auch diese zwei Methoden ähnliche Ergebnisse liefern können. Da es also vor allem auf die Datenerhebung unter kontrollierten Bedingungen und weniger auf die genaue Art der Messung ankommt, ist es naheliegend, eine Methode zu wählen, die sowohl für die Studienleitung als auch die Testpersonen einfach zu handhaben ist. Dies spricht für binäre Entscheidungen und Likertskalen. Gegen binäre Urteile kann allerdings folgender Einwand hervorgebracht werden. Wenn sich die Bedingungen, die miteinander verglichen werden, alle in einem Bereich eingeschränkter Akzeptabilität befinden, erschei-
44 Als Kompromiss zwischen einer vorgegebenen Skala und Magnitude Estimation hat Featherston (2007b, 2008) die sogenannte „Thermometer-Skala“ vorgeschlagen. Die Testpersonen erhalten hier statt nur einem Referenzstimulus zwei Referenzstimuli, deren Werte von der Studienleitung vorgegeben werden. Ein Stimulus ist eher inakzeptabel und erhält den Wert 20, während der andere eher akzeptabel ist und mit 30 bewertet wird. Auf diese Weise wird der Zahlenbereich der Skala so vorgegeben, dass sich die Testpersonen nicht dem Nullpunkt nähern müssen. Die zwei Referenzpunkte definieren die Skala ähnlich wie der Gefrier- und der Siedepunkt mit 0° und 100° die Celsiusskala definieren. Die Skala ähnelt also einer Ordinalskala, kommt aber wie Magnitude Estimation ohne Begrenzungen und Mindestabstände aus.
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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nen Ja-/Nein-Fragen nicht differenziert genug, da verschiedene Strukturen zusammen in die Kategorie „inakzeptabel“ eingeordnet werden können. Beispielsweise ist denkbar, dass Typ-A-NI, die von einem transitiven Basisverb gebildet werden und das UNDERGOER-Argument als PP realisieren, insgesamt kaum akzeptiert werden, in generischen Lesarten jedoch etwas besser abschneiden als in episodischen Lesarten, vgl. (23) gegenüber (24). (23) Para los niños pequeños, el celebrar del cumpleaños es un acontecimiento importante en su vida social. ‚Für kleine Kinder ist das Feiern des Geburtstags ein wichtiges Ereignis in ihrem gesellschaftlichen Leben.‘ (24) Han llegado más amigos de Ana y el celebrar del cumpleaños se está prolongando ahora más de lo habitual. ‚Es sind noch mehr Freunde von Ana angekommen und das Feiern des Geburtstags dauert länger als normal.‘ Um eher subtile Unterschiede zwischen Strukturen nachzuweisen, die möglicherweise alle im Bereich eingeschränkter Akzeptabilität angesiedelt sind, scheinen Likertskalen daher geeigneter. Sie bieten einerseits die notwendige Granularität und sind andererseits Aufgaben, die auf einfache Weise durchgeführt werden können. Für die Experimente 1, 2 und 3 dieser Arbeit, in denen es darum geht, feine Akzeptabilitätsunterschiede zwischen verschiedenen NI in unterschiedlichen Ereignislesarten zu ermitteln, wird Akzeptabilität daher auf einer siebenstufigen Likertskala gemessen. Da die einzelnen Skalenpunkte je nach Testperson unterschiedlich interpretiert werden können, werden zu Experimentbeginn sogenannte Ankerbeispiele dargeboten, die der Illustration der Endpunkte der Skala dienen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Testpersonen die Skala auf dieselbe oder zumindest ähnliche Weise verwenden (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 33). Die Ankerbeispiele zu den Likertskalenexperimenten sind in (25) und (26) aufgeführt (vgl. außerdem Abschnitt A.3 im Anhang zur genauen Darbietung im Rahmen der Arbeitsanweisung und zu Ankerbeispielen für Entscheidungsaufgaben). (25) El caballero se murió porque comió un vaso de vino que tenía veneno. ‚Der Ritter ist gestorben, weil er ein Glas Wein gegessen hat, das Gift enthielt.‘ no encaja en absoluto 1 2 3 4 5 6 7 encaja perfectamente ‚passt perfekt‘ ‚passt überhaupt nicht‘ ⊠□ □ □ □ □ □
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(26) El caballero se murió porque se bebió un vaso de vino que tenía veneno. ‚Der Ritter ist gestorben, weil er ein Glas Wein getrunken hat, das Gift enthielt.‘ no encaja en absoluto 1 2 3 4 5 6 7 encaja perfectamente ‚passt perfekt‘ ‚passt überhaupt nicht‘ □ □ □ □ □ □ ⊠
6.3.4 Arbeitsanweisung Urteilsaufgaben sollten für die Testpersonen immer problemlos verständlich und intuitiv zugänglich sein. In der Literatur ist zwar immer wieder festgestellt worden, dass die genaue Formulierung der Arbeitsanweisung die Testpersonen nicht oder nur geringfügig in ihrem Urteilsverhalten beeinflusst (vgl. Cowart 1997), dennoch ist es üblich, eine Arbeitsanweisung zu präsentieren. Idealerweise stellt sie klar, was für ein Akzeptabilitätsbegriff vorausgesetzt wird und welche Kriterien nicht in die Beurteilung einfließen sollten (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 36 f.). In den Studien der vorliegenden Arbeit wird ein rezeptionsbezogener Akzeptabilitätsbegriff verwendet, d. h. die Testpersonen werden gebeten, die präsentierten Stimuli danach zu bewerten, ob sie im gegebenen Kontext passend erscheinen (Experiment 1, 2 und 3) oder welche von zwei angebotenen Möglichkeiten adäquater ist (Experiment 4). Die Testpersonen sollen weder bewerten, ob sie die präsentierten Stimuli selbst verwenden würden, noch berücksichtigen, ob sie andere Möglichkeiten für angemessener halten. Die Arbeitsanweisung zu den Likertskalen (Experiment 1, 2 und 3) ist in (27) dargestellt, die Aufgabenstellung zur Entscheidungsaufgabe lautet wie in (28). (vgl. Abschnitt A.3 im Anhang für den vollständigen Wortlaut und die genaue Darbietung der Arbeitsanweisungen). (27) Juzga cada secuencia justo después de leer el párrafo correspondiente mediante una escala del 1 al 7, donde 1 significa que la secuencia de palabras no encaja en absoluto en el contexto y 7 significa que encaja perfectamente en el contexto. Por favor, evalúa las secuencias subrayadas solo teniendo en cuenta los contextos dados y no valores si las usarías tú mismo/a, ni si se te ocurren alternativas estilísticamente mejores. ‚Bewerte jede Wortfolge, direkt nachdem du den entsprechenden Abschnitt gelesen hast, auf einer Skala von 1 bis 7, auf der 1 bedeutet, dass die Wortfolge überhaupt nicht in den Kontext passt, und 7 bedeutet, dass sie perfekt in den Kontext passt. Bitte bewerte die unterstrichenen Wortfolgen nur in Bezug auf den gegebenen Kontext und beurteile nicht, ob du sie selbst verwenden würdest oder ob dir stilistisch bessere Alternativen einfallen.‘
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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(28) Escoge la opción que, según tú, sea mejor para referirse a la parte en negrita y cursiva. Toma tú decisión justo después de leer el párrafo correspondiente. No es relevante si usarías las expresiones tú mismo/a, ni si se te ocurren alternativas estilísticamente mejores. ‚Wähle die Option, die deiner Meinung nach besser ist, um dich auf die unterstrichene und kursive Wortfolge zu beziehen. Entscheide, direkt nachdem du den entsprechenden Abschnitt gelesen hast. Es spielt keine Rolle, ob du den Ausdruck selber verwenden würdest oder dir stilistisch bessere Alternativen einfallen.‘
6.3.5 Füll- und Kontrollmaterial In Abschnitt 6.3.1 wurde bereits erwähnt, dass jede Bedingung mehrfach bzw. durch mindestens acht Lexikalisierungen getestet wird. Das Testmaterial wird außerdem durch Füll- und Kontrollmaterial ergänzt, welches nicht die experimentellen Bedingungen instanziieren darf und mehrere Funktionen erfüllt (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 39). Füller helfen dabei, das Untersuchungsziel zu verschleiern und zu verhindern, dass die Testpersonen bewusste Antwortstrategien entwickeln. Des Weiteren dienen sie als Übungsmaterial zu Beginn des Experiments und zu Kontrollzwecken im Hinblick auf die Benutzung der Skala. Idealerweise veranlasst das Füllmaterial die Testpersonen dazu, die vorgegebene Skala voll auszuschöpfen bzw. alle Antwortmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Auf diese Weise kann der einseitigen Benutzung bzw. Komprimierung von Skalen vorgebeugt werden. Klar akzeptable und klar inakzeptable Füller dienen außerdem als Kontrollitems, mit denen überprüft werden kann, ob die Antworten der Testpersonen plausibel sind oder ob rein willkürliche Bewertungen abgegeben wurden. In den Experimenten dieser Arbeit wird den Testpersonen Test- und Füllmaterial in einem Verhältnis von 1: 1,5 präsentiert, so dass in jeder Studie mehr Füll- bzw. Kontrollstimuli als Teststimuli zu bewerten sind (vgl. Abschnitt 7.2.2 und 8.4.4 sowie Abschnitt A.5).
6.3.6 Within-subject-Design, Gegenbalancierung und Pseudorandomisierung Dieser Abschnitt gibt einen Überblick darüber, nach welchen Kriterien die Stimuli auf die Testpersonen aufgeteilt und in welcher Reihenfolge sie dargeboten werden. Durch die Einhaltung bestimmter Regeln wird zu verhindern versucht, dass die Art der Darbietung der Stimuli die Testpersonen in ihrem Urteilsverhal-
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ten beeinflusst. So ist z. B. bekannt, dass Reihenfolgeeffekte daraus resultieren können, dass sich Unsicherheiten zu Experimentbeginn oder Ermüdungserscheinungen gegen Experimentende auf die Beurteilung auswirken. Des Weiteren können Erinnerungseffekte durch sogenanntes priming eintreten, was bedeutet, dass ein vorausgehender Stimulus die Bewertung eines Folgestimulus beeinflusst (vgl. u. a. Featherston 2007a). Auch Unterschiede zwischen einzelnen Testpersonen können dazu führen, dass Bewertungen voneinander abweichen. Um derartige Störvariablen nach Möglichkeit auszuschließen, sind die Akzeptabilitätsstudien dieser Arbeit wie folgt konzipiert. Allen Experimenten liegt ein within-subject-Design zu Grunde. Das bedeutet, dass jede Testperson jede experimentelle Bedingung bewertet. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, dass etwaige Akzeptabilitätsunterschiede zwischen den experimentellen Bedingungen nicht auf Unterschiede zwischen den Testpersonen zurückgeführt werden können (vgl. z. B. Abbuhl, Gass & Mackey 2013). Da also alle Bedingungen von allen Testpersonen bewertet werden, sind die entsprechenden Stichproben immer als verbunden anzusehen, was in der statistischen Auswertung Berücksichtigung findet (vgl. Abschnitt 6.3.7). Um zu illustrieren, nach welchen Regeln die Stimuli unter den Testpersonen aufgeteilt wurden, betrachten wir im Folgenden als Beispiel Experiment 3 dieser Arbeit. Das Experiment testet die Auswirkungen von zwei Faktoren mit je zwei Ausprägungen, Formtyp NI (A vs. B) sowie Lesart (episodisch vs. generisch). Auf diese Weise kommen vier experimentelle Bedingungen bzw. Merkmalsausprägungskombinationen zustande, die durch das Tokenset in (29) veranschaulicht sind. (29) La distancia es enorme, pero los responsables han asegurado que a. el transportar de alimentos (Typ A, episodisch) b. el transportar alimentos (Typ B, episodisch) ya está en marcha. ‚Die Entfernung ist enorm, aber die Verantwortlichen haben versichert, dass das Transportieren von Lebensmitteln / das Lebensmitteltransportieren schon im Gang ist.‘ A largas distancias, c. el transportar de alimentos (Typ A, generisch) d. el transportar alimentos (Typ B, generisch) siempre es un reto. Lo más importante es una refrigeración suficiente y fiable. ‚Auf lange Distanzen ist das Transportieren von Lebensmitteln / das Lebensmitteltransportieren immer eine Herausforderung. Das Wichtigste ist eine ausreichende und zuverlässige Kühlung.‘
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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Die experimentellen Stimuli werden nach dem Prinzip der Gegenbalancierung (counterbalancing) auf mehrere Listen verteilt. Alle Experimente dieser Arbeit enthalten jeweils vier experimentelle Bedingungen. Somit können die Stimuli nach dem lateinischen Quadrat, vgl. Tabelle 14, auf vier Listen verteilt werden, um die Regeln der Gegenbalancierung einzuhalten (vgl. Abbuhl, Gass & Mackey 2013: 118–121, Cowart 1997: 92–95). Tabelle 14: Gegenbalancierung durch Anwendung des lateinischen Quadrats. Tokenset
Tokenset
Tokenset
Tokenset
Liste
(a)
(b)
(c)
(d)
Liste
(b)
(c)
(d)
(a)
Liste
(c)
(d)
(a)
(b)
Liste
(d)
(a)
(b)
(c)
Die in Tabelle 13 in abstrakter Form dargestellte Aufteilung beinhaltet konkret Folgendes: – Jede Testperson bewertet jede Bedingung. – Jede Testperson erhält aber nur eine Bedingung pro Tokenset, also z. B. nur einen Satz aus dem in (29) exemplifizierten Set. – Jede Testperson bewertet dieselbe Anzahl an Stimuli pro Bedingung. Experiment 3 enthält für jede Bedingung acht Lexikalisierungen, d. h. acht Tokensets wie das in (29). Jede Testperson beurteilt also zwei Stimuli pro Bedingung (hier zwei Typ-A-NI in episodischer Lesart, zwei-Typ-A-NI in generischer Lesart, zwei Typ-B-NI in episodischer Lesart und zwei Typ-B-NI in generischer Lesart). – Jeder Stimulus wird von derselben Anzahl an Testpersonen beurteilt. Nach Aufteilung des Materials auf verschiedene Listen wird die Reihenfolge der Stimuli für jede Liste pseudorandomisiert. Hierfür wird zunächst eine echte Randomisierung durchgeführt.45 Im Anschluss wird die Reihenfolge der Stimuli auf bestimmte Aspekte überprüft, ggf. geändert und somit pseudo-randomisiert. Dabei werden insbesondere die folgenden Regeln eingehalten (vgl. Gries 2008: 58 f.).
45 vgl. http://wwww.random.org/lists/ (09.01.2019).
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6 Methodisches Vorgehen
– Keine Liste beginnt mit einem Teststimulus. In allen Akzeptabilitätstests ist frühestens der dritte Stimulus ein Testitem, d. h. ein Satz mit NI. – Testitems folgen nie direkt aufeinander. – Testitems, welche dieselbe Bedingung instanziieren, folgen auch dann nicht aufeinander, wenn sie durch Füll- oder Kontrollitems unterbrochen werden.
6.3.7 Statistische Auswertung Im Folgenden wird zusammengefasst, mit welchen Verfahren der analytischen Statistik die für diese Arbeit erhobenen Akzeptabilitätsurteile ausgewertet werden und nach welchen Kriterien die jeweiligen Verfahren ausgewählt werden. Der Abschnitt ist dabei als knapper Überblick zu verstehen. Einzelheiten sind in den jeweiligen Experimentbeschreibungen bzw. der Experimentdokumentation im Anhang dokumentiert (vgl. Abschnitt A.7). Die folgende Darstellung basiert überwiegend auf Angaben aus Eddington (2015), Field (2013), Field & Hole (2003), Gries (2013) und Levshina (2015). Die Anwendbarkeit statistischer Tests richtet sich nach der Fragestellung, der Art der Stichprobe, der Verteilung der Daten und der Messung der abhängigen Variablen. Wie wir im vorherigen Abschnitt gesehen haben, wird für diese Arbeit jeweils ein within-subject-Design verwendet, so dass stets verbundene Stichproben gegeben sind. In Experiment 1, 2, und 3 wird die abhängige Variable (Akzeptabilität) auf einer siebenstufigen Likertskala, also einer Ordinalskala, gemessen. Eine wesentliche Eigenschaft von ordinalskalierten Daten besteht darin, dass die Intervalle zwischen den Skalenpunkten nicht als gleich groß angesehen werden können und es daher nicht sinnvoll ist, Mittelwerte zu bilden. Für diese Art von Daten sind nicht-parametrische Tests das sichere Mittel der Wahl. Durch Anwendung dieser Tests werden die Daten durch ein Ranking umgeformt, was bedeutet, dass der niedrigste Wert eine 1 erhält, der zweitniedrigste eine 2 etc. Niedrige Werte erhalten also niedrige Ränge und hohe Werte hohe Ränge. Der Unterschied zwischen zwei Bedingungen wird dann anhand der ermittelten Ränge und nicht anhand der eigentlichen Daten bzw. Mittelwerte errechnet. Die wesentlichen Vorteile sind darin zu sehen, dass nicht-parametrische Tests unempfindlich gegenüber Ausreißern und nicht auf normalverteilte Daten angewiesen sind. Der Nachteil besteht darin, dass durch eine Analyse, die allein auf dem Ranking der Daten basiert, Informationen über die Größe zwischen den Unterschieden verloren gehen. Aus diesem Grund sind nicht-parametrische Tests im Vergleich zu parametrischen Tests etwas anfälliger für β-Fehler. Damit ist der Fall gemeint, dass die Nullhypothese beibehalten wird, obwohl eigentlich ein si-
6.3 Das experimentelle Design: Anforderungen und Entscheidungen
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gnifikanter Unterschied zwischen zwei Bedingungen besteht. Im Folgenden wird für Experiment 1, 2 und 3 als nicht-parametrischer Signifikanztest der WilcoxonVorzeichen-Rang-Test für verbundene Stichproben verwendet (vgl. Field & Hole 2003: 234–240, Gries 2013: 334). In Experiment 4 werden anders als in Experiment 1, 2 und 3 indirekte Akzeptabilitätsurteile elizitiert, die darin bestehen, dass sich die Testpersonen für einen von zwei vorgegebenen Stimuli entscheiden. In diesem Fall ist der Signifikanztest der Wahl der McNemar-χ2-Test, der verbundene Stichproben im Hinblick auf ein Merkmal mit zwei Ausprägungen (hier Wahlmöglichkeiten) vergleicht (vgl. Field 2013: 232). Signifikanztests zeigen lediglich, ob zwischen zwei Datenreihen ein überzufälliger Unterschied besteht oder nicht. Ergänzend zu den oben beschriebenen Tests werden gemischte Modelle (mixed effects models) verwendet, um zusätzliche Varianz zu berücksichtigen und zu ermitteln, anhand welcher Variablen die Akzeptabilität der getesteten Stimuli am besten geschätzt werden kann. Gemischte Modelle sind auf Fälle ausgelegt, in denen verbundene Stichproben vorliegen und jede Testperson jede Bedingung mehrfach bewertet (repeated measure designs). Die Bezeichnung „gemischtes“ Modell bezieht sich darauf, dass zwei Arten von Variablen berücksichtigt werden (vgl. Eddington 2015: 110). Auf der einen Seite gibt es zufällige Effekte wie z. B. einzelne Stimuli, die unabhängig von den manipulierten Faktoren in ihrer Akzeptabilität variieren können. Die Variable experimenteller Stimulus ist als Zufallseffekt zu sehen, weil der Faktor unendlich viele mögliche Ausprägungen hat und die im Experiment vorkommenden Ausprägungen nur eine zufällige Submenge einer unendlichen Gesamtmenge darstellen. Die Faktorausprägungen, also hier die konkreten experimentellen Stimuli, wären außerdem nicht zwingend dieselben, wenn man das Experiment replizieren würde. Auf der anderen Seite gibt es feste Effekte oder Prädiktoren. Das sind die Faktoren, die sich im Fall einer Experimentwiederholung nicht ändern würden. Sie haben nur eine begrenzte Anzahl von Ausprägungen, die alle Teil des Experiments sind. Ein Beispiel für einen festen Effekt wäre der Formtyp des NI mit den Ausprägungen Typ A und B. In der vorliegenden Arbeit kommen zwei Arten gemischter Modelle zur Anwendung. Für die Daten aus den Experimenten 1, 2 und 3, in denen Akzeptabilitätsurteile auf einer siebenstufigen Likertskala abgegeben werden, wird jeweils ein lineares gemischtes Modell angepasst. Es wird zwar kontrovers diskutiert, ob dieses Modell auf ordinalskalierte Daten angewendet werden darf, allerdings hat sich die Anwendung zur Auswertung von Akzeptabilitätsurteilen auf Likertskalen inzwischen etabliert (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 44 f. für einen Überblick). Vor Anpassung des Modells werden die Akzeptabilitätswerte pro Testperson zunächst durch Umformung in z-Werte normalisiert. Auf diese Weise wird verhindert, dass
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es eine Rolle spielt, wenn Testpersonen die vorgegebene Skala unterschiedlich ausschöpfen (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 43 zur Berechnung von z-Werten). Anschließend werden Ausreißer entfernt, die vorliegend als z-Werte definiert sind, welche mehr als 2,5 Standardabweichungen vom Mittelwert der jeweiligen Testperson abweichen (vgl. Staum Casasanto, Hofmeister & Sag 2010: 226). Auf der Basis der verbleibenden z-Werte wird das jeweilige Modell angepasst. Für die Daten aus Experiment 4 (die Entscheidungsaufgabe mit zwei Wahlmöglichkeiten) wird ein verallgemeinertes lineares gemischtes Modell angepasst. Dieses Modell ist passend, wenn die abhängige Variable auf einer zweistufigen Nominalskala gemessen wird (vgl. Eddington 2015: 141). Als feste Effekte werden jeweils ausschließlich die experimentell manipulierten Variablen sowie maximal eine weitere Variable berücksichtigt, um eine ausreichende Teststärke für die vorhandenen Stichprobengrößen zu gewährleisten. Untergruppenanalysen werden nicht vorgenommen (vgl. Brysbaert & Stevens 2018 zur Teststärke in gemischten Modellen). Um das finale bzw. optimierte Modell zu ermitteln, wird in allen Experimenten das Modell mit einem bestimmten festen Effekt einem Modell ohne diesen Effekt gegenübergestellt. Geprüft werden dabei auch mögliche Interaktionen zwischen festen Faktoren. Nicht signifikante Prädiktoren werden schrittweise entfernt und p-Werte durch ANOVAs ermittelt. Das finale Modell enthält jeweils nur diejenigen Prädiktoren, die sich signifikant auf die Schätzung auswirken (vgl. Abschnitt A.8 im Anhang zur Modelldokumentation). Alle statistischen Analysen dieser Arbeit werden mit der Statistiksoftware R-Studio in der Version 3.3.1 (vgl. R Core Team 2016) durchgeführt, zur Erstellung der Modelle wird das Softwarepaket lme4 von Bates et al. (2015) verwendet.
6.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde der methodische Ansatz vorgestellt, der in der vorliegenden Arbeit zur Datenerhebung genutzt wird. Dabei wurde versucht zu zeigen, dass die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen unter kontrollierten Bedingungen eine leistungsfähige Methode bietet, um NI als einen Nominalisierungstyp zu untersuchen, der häufig nur bedingt akzeptabel ist und dessen Verwendung verschiedenen syntaktischen und semantischen Beschränkungen unterliegt. Die Erhebung von Urteilsdaten auf mehrstufigen Skalen bietet ein präzises Messinstrument, um teils „suboptimale“ Strukturen zu untersuchen, die nicht dichotomisch als akzeptabel oder inakzeptabel klassifiziert werden können, sondern deren Vorkommen durch eine Reihe interagierender Faktoren eingeschränkt wird. Die Faktoren, die im ersten Teil dieser Arbeit, d. h. den Kapiteln 2, 4 und 5, als potenziell rele-
6.4 Zusammenfassung
167
vant identifiziert worden sind, werden durch experimentelle Untersuchungen gezielt manipuliert und von unerwünschten Variablen isoliert. Die im zweiten Teil dieses Kapitels vorgestellten methodischen Überlegungen und Entscheidungen werden in Form von vier Akzeptabilitätstests umgesetzt, die in den folgenden Kapiteln 7 und 8 vorgestellt und diskutiert werden sollen.
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen 7.1 Einleitung Dieses Kapitel behandelt die nominalsten der hier betrachteten NI, also Typ-A-NI wie el cantar de los pájaros ‚das Singen der Vögel‘, die zu Beginn der Arbeit als Folge aus Determinierer + Infinitiv + eine durch de eingeleitete PP definiert worden sind. Anhand von zwei Experimenten wird untersucht, inwieweit sich a) Argumentrealisierung sowie b) die Ereignislesart auf die Akzeptabilität dieses Formtyps auswirken. In Kapitel 4 haben wir gesehen, dass Typ A überwiegend von Verben gebildet wird, die nicht zwingend telisch sind und nach Ramchands Systematik kein res-Merkmal tragen. Aus diesem Grund konzentriere ich mich im Folgenden auf Verben, die im Lexikon nur für die Merkmale init und proc spezifiziert sind, und gehe der Frage nach, welche Argumente dieser Verben als postnominale de-PP realisiert werden können. Darüber hinaus wird getestet, ob die Akzeptabilität der Formen allein durch das Basisverb und Argumentrealisierung bestimmt wird oder erst durch die Interaktion von Verbsemantik, Argumentabbildung und Ereignislesart zustande kommt. Nach Ramchands Modell lassen sich nach Art und Anzahl von Argumenten, die möglicherweise als PP realisiert werden können, drei Klassen von init-procVerben identifizieren, vgl. Tabelle 15. Intransitive initi-proci-Verben – Gruppe (i) – besitzen nur ein Argument, den INITIATOR-UNDERGOER, der wie in (1) als de-PP realisiert werden kann. Transitive init-proc-Verben bieten mehrere Möglichkeiten und es ist nicht klar, ob ein Argument der verbalen Basis als PP realisiert werden kann und, wenn ja, welches (vgl. Abschnitt 4.1.1.2). Es können zwei Klassen transitiver Verben unterschieden werden: solche wie (ii), die ein INITIATOR- und ein UNDERGOER-Argument haben und solche wie (iii), die ein komplexes INITIATOR-UNDERGOER-Argument und ein PFAD-Argument haben (vgl. Abschnitt 3.4.2). Für Typ-A-NI beider Klassen ist unklar, ob eher das höhere Argument als PP erscheinen kann oder ob auch das tiefere Argument unter bestimmten Bedingungen als PP akzeptiert wird, vgl. (2) und (4) gegenüber (3) und (5). Im Folgenden soll geklärt werden, ob Typ-A-NI wie (1)–(5) unterschiedlich akzeptabel sind und welche Rolle dabei der Interaktion von Argumentrealisierung und Ereignislesarten zukommt. Abschnitt 4.1 hat z. B. die Frage aufgeworfen, ob generische Lesarten die Akzeptabilität von grundsätzlich dispräferierten NI-Formen erhöhen, während in Abschnitt 5.3.3 diskutiert wurde, ob generische Lesarten die Realisierung des höheren statt des tieferen Arguments begünstigen.
https://doi.org/10.1515/9783110723359-007
7.1 Einleitung
169
Tabelle 15: Init-proc-Verben und Typ-A-NI. Lexikalische Merkmale der Verbwurzel
als PP realisiertes Argument
Beispiel
(i)
INITIATOR-UNDERGOER
(1)
INITIATOR
(2) ?el masticar del niño ‚das Kauen des Kindes‘
UNDERGOER
(3) ?/*el masticar de(l) chicle ‚das Kauen des/von Kaugummi(s)‘
INITIATOR-UNDERGOER
(4) ?el comer del niño ‚das Essen des Kindes‘
PFAD
(5)
[initi, proci]
(ii) [init, proc]
(iii) [initi, proci]
✓el anidar de las cigüeñas ‚das Nisten der Störche‘
?/*el comer de (la) sopa ‚das Essen von/der Suppe‘
Außerdem soll anhand der folgenden Experimente ermittelt werden, ob spanische NI allgemein eine Präferenz für generische Lesarten aufweisen oder ob sich eine solche Präferenz nur für intern verbal(er) strukturierte Formen wie TypB-NI nachweisen lässt (vgl. hierzu Experiment 3 / Abschnitt 8.3). Der Zusammenhang zwischen generischen Lesarten und Nominalisierungsgrad wurde bereits in Abschnitt 5.3.4 diskutiert, wobei die Beobachtung im Vordergrund stand, dass DP-Nominalisierungen in verschiedenen Sprachen eine Präferenz für generische Lesarten aufweisen, während sich NP-Nominalisierungen oft flexibel verhalten oder vor allem episodisch referieren. Typ-A-NI wie (1)–(5) gehören in die letztgenannte Klasse der NP-Nominalisierungen und können prinzipiell sowohl auf Ereignisepisoden als auch auf Ereignistypen verweisen. Allerdings haben wir in Abschnitt 4.1 gesehen, dass Typ-A-NI stark dazu tendieren, Ereignisse als unbegrenzte Entitäten darzustellen. Da generische Lesarten immer mit einer zeitlich unbegrenzten Ereignisperspektivierung verbunden sind, ist denkbar, dass Lesartunterschiede im Fall von Typ-A-NI subtile Akzeptabilitätsunterschiede hervorrufen können. Das weitere Kapitel beinhaltet die Darstellung von zwei Experimenten: In Abschnitt 7.2 (Experiment 1) werden Typ-A-NI wie (1) solchen wie (3) gegenübergestellt. Es geht also um einen Vergleich zwischen intransitiven und transitiven Basisverben bzw. die Realisierung des einzigen Arguments vs. des tieferen Arguments in episodischen und generischen Lesarten. Abschnitt 7.3 bzw. Experiment 2 konzentriert sich ausschließlich auf Typ-A-NI, die von transitiven init-
170
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
proc-Verben gebildet sind, d. h. Gruppe (ii) und (iii). Das Experiment untersucht die Frage, ob das höhere Argument eher in PP-Position akzeptiert wird als das tiefere Argument bzw. ob Formen wie (2) und (4) akzeptabler sind als Formen wie (3) und (5). Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Akzeptabilität von Formen wie (2) und (4) durch Ereignistypreferenz verbessert wird.
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben 7.2.1 Hypothesen und Experimentdesign Im Folgenden wird die Akzeptabilität von Typ-A-NI verglichen, die unterschiedliche Ereignisstrukturen lexikalisieren. Erstens geht es um Formen, die von intransitiven initi-proci-Verben gebildet sind und das INITIATOR-UNDERGOER-Argument auf die de-PP abbilden (vgl. Gruppe (i)). Zweitens geht es um Formen, die von transitiven init-proc-Verben gebildet sind und den UNDERGOER realisieren (vgl. Gruppe (ii)). Im ersten Fall wird das einzige Argument auf die nominalisierte Struktur abgebildet, im zweiten Fall das tiefere Argument. Die Akzeptabilität beider Formtypen wird sowohl in episodischen als auch in generischen Lesarten getestet, um zu ermitteln, ob allein die Semantik des Basisverbs und Argumentrealisierung ausschlaggebend dafür sind, wie die Formen bewertet werden, oder ob Akzeptabilität durch das Zusammenspiel von Verbsemantik, Argumentabbildung und Ereignislesart bedingt wird. Das Experiment untersucht also den Einfluss von zwei Faktoren mit je zwei Ausprägungen: – Verbklasse/Argumentrealisierung: intransitives initi-proci-Verb, INITIATOR-UNDERGOER als PP – Gruppe (i) vs. transitives init-proc-Verb, UNDERGOER-Argument als PP – Gruppe (ii) – Ereignislesart: episodisch vs. generisch Es wird erwartet, dass von intransitiven Verben gebildete Typ-A-NI, deren einziges Argument als PP erscheint, akzeptabler sind als Typ-A-NI mit transitiven Basen, deren tieferes Argument die PP-Position besetzt. Von intransitiven Verben gebildete Typ-A-NI sollten unabhängig von der Ereignislesart grundsätzlich akzeptabel ausfallen. Bei den vermutlich dispräferierten Formen mit transitivem Basisverb und UNDERGOER-Argument ist denkbar, dass die Akzeptabilität durch generische Lesarten verbessert wird. Die vier experimentellen Bedingungen und die jeweils erwartete Akzeptabilität sind in Tabelle 16 zusammengefasst. Die Beispiele (6), (7), (8) und (9) exemplifizieren ein konkretes Tokenset.
171
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
Tabelle 16: Experiment 1 – Design und erwartete Akzeptabilität.
Ereignisstruktur Typ-A-NI
Ereignislesart
episodisch
generisch
(transitives) init-proc-Verb, UNDERGOER-Argument als PP
?/*
?
intransitives initi-proci-Verb, INITIATOR-UNDERGOER als PP
✓
✓
(6)
La isla es un paraíso natural y uno de los mejores lugares para observar el anidar de los pájaros. ‚Die Insel ist ein Naturparadies und einer der besten Orte, um das Nisten der Vögel zu beobachten.‘
(7)
Esta temporada, a causa de las temperaturas bajas, el anidar de los pájaros está durando más de lo normal. ‚Wegen der niedrigen Temperaturen dauert das Nisten der Vögel diese Saison länger als normal.‘
(8)
Entre las tareas de los voluntarios figura el vigilar de los niños cuando cruzan la calle o bajan del autobús. ‚Zu den Aufgaben der Freiwilligen gehört das Beaufsichtigen der Kinder, wenn sie die Straße überqueren oder aus dem Bus steigen.‘
(9)
No cuentan con daños permanentes, pero el vigilar de los niños continúa aún unos días para estar bien seguros. ‚Es wird nicht mit bleibenden Schäden gerechnet, aber das Beaufsichtigen der Kinder wird noch ein paar Tage fortgesetzt, um sicherzugehen.‘
7.2.2 Material Im Folgenden wird anhand von Tabelle 17 erläutert, wie sich das Testmaterial zusammensetzt und nach welchen Kriterien es gebildet wurde. Die NI beider Verbklassen wurden jeweils durch acht Lexikalisierungen getestet. Außerdem wurden sie in unterschiedliche Kontexte eingebettet, um episodische und generische Lesarten zu elizitieren. Auf diese Weise sind insgesamt 32 Testsätze verteilt auf sechszehn Tokenpaare zustande gekommen. Acht NI-Paare wurden wie in (6) und (7) mit intransitiven initi-proci-Verben und einem INITIATOR-UNDERGOER gebildet (Gruppe (i)). Dies waren zum einen die Geräuschäußerungsverben gritar, toser, ladrar und reír sowie zum anderen die vier Verben trabajar, dormir,
172
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
Tabelle 17: Experiment 1 – Infinitiv- und Argumentlexeme. Gruppe (i): Intransitive initi-proci-Verben Gruppe (ii): Transitive init-proc-Verben Infinitiv (Freq.)
INITIATOR-UNDERGOER
Infinitiv (Freq.)
UNDERGOER
. trabajar () policías ‚Polizisten‘ . buscar () ‚arbeiten‘ elefantes ‚Elefanten‘ ‚suchen‘
soluciones ‚Lösungen‘
. dormir () ‚schlafen‘
bébe ‚Baby‘
. tocar () ‚spielen‘
piano ‚Klavier‘
. bailar () ‚tanzen‘
invitados ‚Gäste‘
. observar () ‚beobachten‘
pájaros ‚Vögel‘
. gritar () ‚schreien‘
niños ‚Klavier‘
. manejar () ‚bedienen‘
máquinas ‚Maschinen‘
. toser () ‚husten‘
paciente ‚Patient‘
. transportar () ‚transportieren‘
cargas ‚Lasten‘ drogas ‚Drogen‘
. ladrar () ‚bellen‘
perros ‚Hunde‘
. vigilar () ‚beaufsichtigen‘
niños ‚Kinder‘
. anidar () ‚nisten‘
pájaros ‚Vögel‘
. empujar () ‚schieben‘
cochecito ‚Kinderwagen‘
. reír () ‚lachen‘
público ‚Publikum‘
. interrogar () ‚befragen‘
testigo ‚Zeuge‘
bailar und anidar, die ich im Folgenden nicht weiter unterscheide und der Einfachheit halber unter dem Begriff „Aktivitätsverben“ zusammenfasse. Da Geräuschäußerungsverben als besonders typische Basen für Typ-A-NI gelten (vgl. Abschnitt 4.1.1.1), erscheint es sinnvoll, innerhalb der intransitiven Basisverben genauer zu differenzieren und in der Auswertung zu berücksichtigen, ob sich hieraus Akzeptabilitätsunterschiede ergeben. Schließlich wurden acht weitere Paare gebildet, die wie in (8) und (9) auf transitiven init-proc-Verben basieren und das UNDERGOER-Argument als PP abbilden (vgl. Gruppe (ii)). Um nach Möglichkeit miteinander kollokierende Basisverben und Argumentlexeme zu finden, wurde für die Zusammenstellung des Materials das Wortschatzportal der Universität Leipzig genutzt.46 Da im Rahmen von Experiment 1 unterschiedliche Verbklassen in verschiedenen Lesarten verglichen wurden, musste das lexikalische Material entsprechend variiert werden. Die Basisverben wurden basierend auf Frequenzangaben aus
46 vgl. http://corpora.uni-leipzig.de/de?corpusId=spa_newscrawl_2011 (01.08.2020).
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
173
dem CdE ausgewählt. Dabei wurde sichergestellt, dass keine signifikanten Frequenzunterschiede zwischen den intransitiven (M = 539, 8) und den transitiven Infinitivlexemen (M = 538, 1) bestehen. Die VPn, die den jeweiligen NI entsprechen, sind immer atelisch, wie in (10) und (11) jeweils durch den Zeitadverbialtest deutlich wird. (10) Los pájaros anidaron {durante tres meses / *en tres meses}. ‚Die Vögel nisteten drei Monate lang / in drei Monaten.‘ (11) Vigilaron a los niños {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Sie beaufsichtigten die Kinder zwei Stunden lang / in zwei Stunden.‘ Generische Lesarten wurden durch Einbettung der NI unter artenselegierende Prädikate wie solche in (12) ausgelöst. In einem Fall, nämlich (6), wurde der NI als direktes Objekt mit dem Wahrnehmungsverb escuchar kombiniert, wodurch eine dispositionell-generische Lesart entstanden ist (vgl. hierzu z. B. Mari et al. 2013: 59–66). Um episodische Lesarten zu elizitieren, wurden Wahrnehmungsverben wie in (13), zeit- und dauerbezogene Verben wie in (14) sowie Zustandsänderungsverben wie in (15) in imperfektiven oder aspektneutralen Formen verwendet. Beide Ereignistypen kamen dreizehnmal in Subjektfunktion und dreimal in Objektfunktion vor. Die syntaktische Funktion der getesteten Formen wurde also variiert, die Häufigkeit zwischen den Gruppen aber konstant gehalten. (12) X es una tradición ‚X ist eine Tradition‘, X es un proceso importante ‚X ist ein wichtiger Vorgang‘, X figura entre las tareas de […] ‚X gehört zu den Aufgaben von […]‘ (13) mirar ‚ansehen‘, escuchar ‚(zu-)hören‘ (14) durar ‚dauern‘, continuar ‚weitergehen, fortgesetzt werden‘ (15) incrementarse ‚sich steigern‘, mejorarse ‚besser werden‘ In der Mehrheit der Fälle wurden die lexikalische Basis sowie die Numerusund Definitheitseigenschaften des Arguments in PP-Position konstant gehalten, vgl. z. B. (6)–(9). In einigen Fällen wurden die Eigenschaften des PP-Arguments jedoch variiert, um die jeweils intendierte Lesart zu vereindeutigen. Beispielsweise wurde das Verb observar in episodischer Lesart mit einer definiten DP in
174
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
Argumentposition kombiniert, in generischer Lesart hingegen mit einer indefiniten DP, vgl. (16) gegenüber (17). (16) Tal vez sea hora de dejarlo. El observar del sospechoso va para largo y no hay cambios aparentes. ‚Vielleicht ist es an der Zeit aufzugeben. Das Beobachten des Verdächtigen zieht sich hin und es gibt keine sichtbaren Veränderungen.‘ (17) Los turnos de noche son lo peor y, encima, el observar de un sospechoso siempre es una tarea tediosa. ‚Die Nachtschichten sind am schlimmsten und obendrein ist das Beobachten eines Verdächtigen immer eine langweilige Aufgabe.‘ Das Testmaterial wurde um Füll- und Kontrollmaterial ergänzt. Um innerhalb der Fragebögen möglichst verschiedenartige Stimuli abwechseln zu können, wurden zwei verschiedene Sets gebildet, die nicht nur in diesem Experiment, sondern auch in den noch zu besprechenden Experimenten 2 und 3 zum Einsatz kamen. Für das erste Set wurden Sätze kreiert, in denen die Faktoren Tempus (pretérito perfecto compuesto vs. pretérito perfecto simple) sowie Zeitadverbial (sprechvorzeitig vs. sprechnachzeitig bzw. ambig) manipuliert wurden. Auf diese Weise haben sich vier Bedingungen ergeben, die unterschiedliche Akzeptabilitätswerte auslösen sollten, vgl. Tabelle 18. Sätze wie (18) dienen als vollständig akzeptable Kontrollsätze. Sätze wie (19) sind in der Regel nur eingeschränkt akzeptabel und gelten als Füllsätze. Sätze wie (20) und (21) waren schließlich klar inakzeptable Kontrollsätze. Für einige Tokensets wurde das Design abgewandelt und ambige Zeitadverbiale verwendet, die auch als Zeitrahmenadverbiale interpretierbar waren, vgl. (22). Tabelle 18: Füllmaterial – Tempussemantik. Tempus: pretérito perfecto
simple
compuesto
sprechvorzeitig (sprechzeitexklusiv)
✓
?/✓
sprechnachzeitig oder ambig
*/✓
*/✓
Zeitadverbial
(18) Desde que hace dos años se jubiló el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos.
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
175
(19) Desde que hace dos años se ha jubilado el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. ‚Seit der Direktor vor zwei Jahren in Rente ging / gegangen ist, ist sein Posten auf Grund von Knappheit an Mitteln unbesetzt.‘ (20) Desde que dentro de dos años se jubiló el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. (21) Desde que dentro de dos años se ha jubilado el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. ‚Seit der Direktor in zwei Jahren in Rente ging / gegangen ist, ist sein Posten auf Grund von Knappheit an Mitteln unbesetzt.‘ (22) Esta vez se espera una participación electoral más alta. En dos años {acudieron / han acudido} a las urnas solo el 30% de los ciudadanos. ‚Dieses Mal wird eine höhere Wahlbeteiligung erwartet. In zwei Jahren ( ≈ in einem Zweitraum von zwei Jahren} sind nur 30% der Bürger zur Wahl gegangen / gingen nur 30% der Bürger zu Wahl.‘ Für das zweite Füllmaterialset wurden die Faktoren differenzielle Objektmarkierung (ja oder nein) sowie Belebtheit des direkten Objekts (ja oder nein) manipuliert, woraus sich wiederum vier Bedingungen ergeben haben, vgl. Tabelle 19. Tabelle 19: Füllmaterial – Differenzielle Objektmarkierung. Referent
belebt
unbelebt
ja
?/✓
?/*
nein
?/✓
✓
DOM
Alle direkten Objekte waren indefinit und die Semantik des regierenden Verbs konnte sich darauf auswirken, ob das Auftreten der Präposition a begünstigt wurde oder nicht (vgl. u. a. von Heusinger & Kaiser 2007, Leonetti 2004). Formen mit belebtem Referenten konnten prinzipiell sowohl mit als auch ohne Präposition mehr oder weniger akzeptiert werden. Sätze wie (23) und (24) haben daher als in unterschiedlichem Maße akzeptable Füllsätze gedient. Mit unbelebten direkten Objekten sollte die Präposition dispräferiert sein, vgl. (25). Als klar akzeptable Kontrollsätze wurden Stimuli wie (26) verwendet, in denen das di-
176
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
rekte Objekt unbelebt war und nicht durch die Präposition a markiert wurde. Alle Füll- und Kontrollsätze sind im Anhang unter A.5 zu finden. (23) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado a una persona herida bajo los escombros. (24) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado una persona herida bajo los escombros. (25) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado a un bidón de gasolina bajo los escombros. (26) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado un bidón de gasolina bajo los escombros. ‚Die Explosion hat sich im Keller ereignet, wo {eine verletzte Person / eine Gasflasche} unter den Trümmern gefunden wurde.‘
7.2.3 Testpersonen An Experiment 1 haben 44 Testpersonen teilgenommen. Da das Experiment offline durchgeführt wurde, bestand die Möglichkeit, Fragen unbeantwortet zu lassen. In Fällen, in denen der sprachliche Hintergrund eines Testpersonen auf Grund unbeantworteter Fragen nicht eindeutig ermittelt werden konnte, wurde der entsprechende Fragebogen nicht ausgewertet. 38 der 44 Testpersonen waren Studierende der Universität Salamanca. 10 davon haben spanische Philologie studiert. Die anderen sechs Testpersonen gehörten zum nicht-wissenschaftlichen Personal der Universität Salamanca oder waren Studierende der Universidad Autónoma de Madrid. Es ist anzunehmen, dass keine der Testpersonen Erfahrung mit linguistischen oder anderen kognitionswissenschaftlichen Experimenten hatte. Die Testpersonen waren nicht über das Studienziel informiert und wurden für die Teilnahme am Experiment nicht bezahlt. Alle personenbezogenen Informationen zu Experiment 1 können Abschnitt A.7 im Anhang entnommen werden.
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
177
7.2.4 Durchführung Die Daten wurden im Dezember 2013 in Salamanca sowie im Februar 2014 in Madrid erhoben. In Salamanca wurden im Rahmen von zwei Lehrveranstaltungen an der Universität Papierfragebögen verteilt. Da ein within-subject-Design verwendet wurde, hat jede Testperson alle 16 NI bewertet (vgl. Tabelle 17 oben), wurde jedoch mit jedem NI nur in einer der beiden Lesarten konfrontiert. Es waren also sowohl aus Gruppe (i) als auch aus Gruppe (ii) vier NI in episodischen und vier NI in generischen Lesarten zu bewerten. Die Stimuli wurden um 32 Füllbzw. Kontrollsätze ergänzt, so dass insgesamt 40 Stimuli zu bewerten waren und sich eine Bearbeitungszeit von ca. 30 Minuten ergeben hat. Das Material wurde nach dem lateinischen Quadrat gegenbalanciert, pseudorandomisiert und auf vier Gruppen à elf Personen aufgeteilt (vgl. Abschnitt 6.3.6). Die Akzeptabilität der Stimuli wurde auf einer siebenstufigen Likertskala bewertet. Die Testpersonen wurden gebeten, die NI ausschließlich auf ihre Angemessenheit im gegebenen Kontext zu bewerten und nicht zu beurteilen, ob sie die jeweiligen Formen selbst verwenden würden oder eine andere Form bevorzugen würden. Die Arbeitsanweisung zum Experiment sowie eine Übersicht über die Verteilung und Positionierung der Stimuli ist im Anhang zu finden (vgl. Abschnitt A.3 und A.6). Die in Salamanca ausgeteilten Fragebögen wurden durch handschriftliche Markierungen bewertet. Die Testpersonen aus Madrid haben den Fragebogen als bearbeitbare pdf-Datei erhalten, am Bildschirm ausgefüllt und zurückgesendet.
7.2.5 Auswertung und Ergebnisse Da Experiment 1 mit 44 Testpersonen durchgeführt wurde und jede Testperson 16 NI bewerten sollte, hätte eine Grundgesamtheit von 704 Stimuli bewertet werden müssen. Da in einem Fragebogen ein Testsatz übersehen wurde, hat sich eine Grundgesamtheit von 703 Token ergeben (n = 703). Pro Bedingung wurden 176 (bzw. 175) Bewertungen abgegeben. Alle Bewertungen der vier getesteten Bedingungen sind in Tabelle 20 zusammengefasst. Um die Unterschiede zwischen den experimentellen Bedingungen graphisch darzustellen, werden in diesem und in den folgenden skalenbasierten Experimenten Boxplots verwendet.47 Die Bewertungen wurden paarweise durch Anwen47 Boxplots veranschaulichen die Verteilung von ordinalskalierten Daten folgendermaßen: Die Box zeigt den Bereich, in dem sich die mittleren 50% der Daten befinden. Die Länge der Box wird als Interquartilsabstand bezeichnet. Die horizontale Linie innerhalb der Box repräsentiert den Median. An der Lage des Medians innerhalb der Box kann man erkennen, ob die
178
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
Tabelle 20: Experiment 1 – Bewertungen (numerisch). Bewertungen
Bedingungen
Gesamtsummen
transitiv, episodisch
transitiv, generisch
intransitiv, episodisch
intransitiv, generisch
≈ völlig inakzeptabel
Gesamtsumme
SD
,
,
,
,
≈ perfekt akzeptabel
dung des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests und der Bonferroni-Korrektur auf Unterschiede verglichen. Die Bonferroni-Korrektur dient dazu, α-Fehler zu vermeiden. Ein solcher Fehler liegt vor, wenn die Nullhypothese zurückgewiesen wird, obwohl sie beibehalten werden müsste, oder, anders formuliert, ein signifikanter Unterschied ermittelt wird, der in Wahrheit nicht vorhanden ist. Bilden dieselben Daten die Grundlage für mehrere Signifikanztests, muss sichergestellt werden, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit insgesamt = 0,05 ist. Die Bonferroni-Korrektur besteht darin, den p-Wert durch die Anzahl der Tests zu teilen, die mit demselben Datenset durchgeführt wurden. Im vorliegenden Fall wird eine Bedingung immer zweimal mit einer anderen Bedingung verglichen. Der p-Wert 0,05 wird
Verteilung der Daten symmetrisch oder schief ist. Das untere Ende der Box zeigt das untere Quartil. Die kleinsten 25% der Werte sind kleiner oder gleich diesem Wert. Das obere Ende der Box zeigt das obere Quartil. Die kleinsten 75% der Werte sind kleiner oder gleich diesem Wert. Die Antennen unter- und oberhalb der Box zeigen maximal den 1,5-fachen Interquartilsabstand. Die Antennen repräsentieren genau die kleinsten bzw. größten 25% der Werte, wenn keine Ausreißer vorhanden sind. Sie repräsentieren ungefähr die kleinsten bzw. größten 25% der Werte, wenn Ausreißer vorhanden sind, weil diese Werte ausgenommen sind. Alle Werte, die sich ober- oder unterhalb der Antennen befinden, gelten als potenzielle Ausreißer und werden in den folgenden Graphiken als Kreise angezeigt. (vgl. z. B. Field 2013: 25, Field & Hole 2003: 135, 237 f.). Als Rangtest ist der Wilcoxon-Test gegenüber Ausreißern unempfindlich (vgl. Abschnitt 6.3.7).
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
179
daher durch 2 geteilt, woraus sich ein neues Signifikanzniveau von p = 0,025 ergibt. Ein Unterschied zwischen zwei Bedingungen wird im Folgenden also nur dann als signifikant angesehen, wenn er diesen Wert unterschreitet (vgl. Field & Hole 2003: 173). Wir betrachten zunächst die Akzeptabilitätsunterschiede zwischen episodischen und generischen Lesarten. Abbildung 3 zeigt, dass von transitiven initproc-Verben gebildete NI mit UNDERGOER als PP sowohl in episodischen als auch in generischen Lesarten als eher inakzeptabel bewertet wurden. Formen, die auf Ereignistypen verweisen, wurden zwar etwas besser bewertet als Formen, die auf Ereignisepisoden referieren, allerdings ist der Unterschied nicht signifikant (episodisch Mdn = 1, generisch Mdn = 2, W = 14105, p > 0,025). Für von intransitiven initi-proci-Verben gebildete Typ-A-NI mit INITIATOR-UNDERGOER zeigt sich ein vergleichbares Ergebnis, wie man an Abbildung 4 sieht. Auch hier sind generische Lesarten geringfügig akzeptabler, ohne dass der Unterschied signifikant ist (episodisch Mdn = 3, generisch Mdn = 4, W = 14138, p > 0,025). Wie bei der Vorstellung des Testmaterials dargelegt, lassen sich die von intransitiven Verben gebildeten NI in zwei gleich große Gruppen bestehend aus Geräuschäußerungsverben und reinen Aktivitätsverben unterteilen. Auch die Unterscheidung dieser zwei Subklassen hat keinen Unterschied bewirkt. Weder mit Geräuschäußerungsverben noch mit Aktvitätsverben hat sich die Lesart signifikant auf die Akzeptabilität ausgewirkt, weshalb hier auf eine weitere
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 transitiv, episodisch
transitiv, generisch
Abbildung 3: Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten bei transitiven Basisverben.
180
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 intransitiv, episodisch
intransitiv, generisch
Abbildung 4: Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten bei intransitiven Basisverben.
Illustration durch Boxplots verzichtet wird (Geräuschäußerungen: episodisch Mdn = 5 generisch Mdn = 5, W = 3665, p > 0,025; Aktivitäten: episodisch Mdn = 2, generisch Mdn = 3, W = 3368, p > 0,025). Deutliche Unterschiede zeigen sich allerdings zwischen den NI-Gruppen. Abbildung 5 präsentiert die Bewertungen der Gruppen in episodischen Lesarten. Von intransitiven initi-proci-Verben gebildeten Formen, die den INITIATOR-UNDERGOER als PP realisieren, sind signifikant akzeptabler als von transitiven init-procVerben gebildete Typ-A-NI mit einem UNDERGOER als PP. Dies gilt sowohl für reine Aktivitätsverben (transitiv Mdn = 1, Aktivität Mdn = 2, W = 9785, p < 0,001) als auch für Geräuschäußerungsverben (transitiv Mdn = 1, intransitiv/Geräuschäußerung Mdn = 5, W = 3763, p < 0,001). Als drittes Ergebnis ist außerdem erwähnenswert, dass sich auch innerhalb der Klasse der intransitiven initi-proci-Verben ein deutlicher Unterschied zeigt. Typ-A-NI, die von Geräuschäußerungsverben gebildet wurden, haben signifikant besser abgeschnitten als Formen, denen ein Aktivitätsverb als Basis diente (Aktivität Mdn = 2, Geräuschäußerung Mdn= 5, W = 2844, p < 0,01). Ein ähnliches Bild ergibt sich in den Fällen, in denen die entsprechenden NI nicht auf Ereignisepisoden, sondern auf Ereignistypen referieren, vgl. Abbildung 6. Auch in generischen Lesarten sind Typ-A-NI mit intransitiven initi-proci-Verben und INITIATOR-UNDERGOER-Argument als PP signifikant akzeptabler als von transitiven Basen gebildete Formen mit UNDERGOER. Dies gilt erneut sowohl für Aktivitätsverben (transitiv Mdn = 2, intransitiv/Aktivität Mdn = 3, W = 5412, p < 0,001)
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
181
***
***
7
*
o
6
Bewertung
5
4
3
2
1 transitiv, episodisch
intransitiv (Aktivität), episodisch
intransitiv (Geräuschäuϐerung), episodisch
Abbildung 5: Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A mit transitiven vs. intransitiven Basisverben (Aktivitäten vs. Geräuschäußerungen) in episodischen Lesarten.48
48 Die Asterisken oberhalb der Boxplots dienen der Kennzeichnung der Irrtumswahrscheinlichkeiten. Es werden drei Schwellenwerte unterschieden: *** illustriert, dass p < 0,001 ist, ** bedeutet, dass p bei < 0,01 liegt, und * zeigt an, dass p < 0,05 bzw. hier 0, 025 ist. Sind zwei Boxplots nicht mit einer geschweiften Klammer und Asterisk(en) versehen, heißt das, dass der Akzeptabilitätsunterschied zwischen den entsprechenden Bedingungen nicht signifikant ist (vgl. Baayen 2008: 73 f.).
182
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
***
***
*
7
6
Bewertung
5
4
3
2
1 transitiv, generisch
intransitiv (Aktivität), generisch
intransitiv (Geräuschäuϐerung), generisch
Abbildung 6: Experiment 1 – Akzeptabilität von Typ A mit transitiven vs. intransitiven Verben (Aktivitäten vs. Geräuschäußerungen) in generischen Lesarten.
als auch für Geräuschäußerungsverben (transitiv Mdn = 2, intransitiv/Geräuschäußerung Mdn = 5, W = 4164, p < 0,001). Innerhalb der Klasse der intransitiven initi-proci-Verben lässt sich auch hier feststellen, dass Typ-A-NI, die Geräuschäußerungsereignisse bezeichnen, signifikant besser bewertet werden als solche, die Aktivitäten benennen. Der Unterschied fällt in generischen Lesarten lediglich etwas geringer als in episodischen Lesarten aus (intransitiv/Aktivität Mdn = 3, intransitiv/Geräuschäußerung Mdn = 5, W = 3156, p < 0,025).
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
183
Um die Effekte der manipulierten Faktoren zu schätzen, wurde außerdem ein gemischtes Modell angepasst, in dem Verbklasse (intransitiv-Aktivitätsverb, intransitiv-Geräuschäußerungsverb, transitiv) und Lesart (generisch vs. episodisch) als feste Effekte sowie ein zufälliger intercept-Effekt für jeden Stimulus berücksichtigt wurden. Das finale Modell enthält Verbklasse als einzigen signifikanten Prädiktor (χ2 (1) = 30,647, p < 0,001).
7.2.6 Diskussion Experiment 1 hat gezeigt, dass die Akzeptabilität von Typ-A-NI stark davon abhängt, welches Argument eines init-proc-Verbs als PP realisiert wird, und es keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle spielt, ob der NI auf einen abstrakten Ereignistyp oder eine konkrete Ereignisepisode referiert. Dieses Ergebnis führt zu verschiedenen Anschlussfragen, die das Verhältnis von Typ-A-NI zu anderen Nominalisierungsverfahren und den Zusammenhang zwischen Nominalisierungsgrad und Lesartpräferenzen betreffen. Typ-A-NI und andere Verfahren zur Bildung deverbaler Ereignisnomen unterscheiden sich unter anderem darin, welches Argument der verbalen Basis als postnominale de-PP realisiert werden kann, wie durch einen tentativen Vergleich von Typ A und Nominalisierungen auf -ción illustriert werden soll. Nominalisierungen, die mit dem Affix -ción gebildet werden, gelten als äußert produktiv und können von einer Vielzahl verbaler Basen gebildet werden (vgl. Fábregas 2010 für Bildungsbeschränkungen, Rainer 1993 für einen Überblick). Stellt man Typ-A-NI diesen Formen gegenüber, zeigen sich folgende Unterschiede bzw. Parallelen. Gemäß den Ergebnissen von Experiment 1 werden von transitiven init-proc-Verben gebildete Typ-A-NI kaum akzeptiert, wenn der UNDERGOER als PP erscheint, wohingegen Nominalisierungen auf -ción den UNDERGOER als de-PP realisieren können bzw. müssen und sich somit weitgehend komplementär zu Typ-A-NI verhalten, vgl. (27) und (28) jeweils a gegenüber b. Anders ist die Situation mit intransitiven initi-proci-Verben als Nominalisierungsbasis. Hier erlauben beide Nominalisierungstypen, dass das einzige Argument des Basisverbs auf die postnominale de-PP abgebildet wird, vgl. (29) und (30). (27) Los turnos de noche son lo peor y, encima, a. *el observar de un sospechoso b. ✓ la observación de un sospechoso siempre es una tarea tediosa. ‚Die Nachtschichten sind am schlimmsten, und obendrein ist das Beobachten / die Beobachtung eines Verdächtigen immer eine langweilige Aufgabe.‘
184
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
(28) Tal vez sea hora de dejarlo. a. *El observar del sospechoso b. ✓ La observación del sospechoso va para largo y no hay cambios aparentes. ‚Vielleicht ist es an der Zeit aufzuhören. Das Beobachten / die Beobachtung des Verdächtigen zieht sich hin und es gibt keine sichtbaren Veränderungen.‘ (29) La isla es un paraíso natural y uno de los mejores lugares para observar a. el anidar de los pájaros b. la anidación de los pájaros ‚Die Insel ist ein Naturparadies und einer der besten Orte, um das Nisten / ≈ die Nistung von Vögeln zu beobachten.‘ (30) Esta temporada, a causa de las temperaturas bajas, a. el anidar de los pájaros b. la anidación de los pájaros está durando más de lo normal. ‚Wegen der niedrigen Temperaturen dauert das Nisten / ≈ die Nistung der Vögel diese Saison länger als normal.‘ Zur Abbildung von UNDERGOER-Argumenten transitiver Basisverben konkurrieren Typ-A-NI also nicht wirklich mit deverbalen Nomen wie solchen auf -ción. Wenn es um die Abbildung des einzigen Arguments von intransitiven initi-proci-Verben geht, alternieren Typ-A-NI mit anderen Nominalisierungstypen. Die Konkurrenz zwischen Typ-A-NI und anderen Verfahren könnte auch dafür verantwortlich sein, dass die hier getesteten NI nur in wenigen Fällen als uneingeschränkt akzeptabel beurteilt worden sind, sondern überwiegend mittlere Bewertungen erhalten haben. Auf allgemeinerer Ebene stellt sich die Frage, welche Faktoren die Selektion von Typ-A-NI bedingen könnten. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass NI (im Gegensatz zu echten Nominalisierungen) eher darauf spezialisiert sind, das vom Verb bezeichnete Ereignis ohne zeitliche Eingrenzung, also z. B. generisch oder unter imperfektivem Aspekt, darzustellen (vgl. Abschnitt 5.2.2). Hieraus könnten kontextuelle Beschränkungen resultieren, auf Grund derer Typ-A-NI möglicherweise nicht in allen Umgebungen mit deverbalen Nomen alternieren. Beispielsweise scheinen Typ-A-NI nicht oder nur eingeschränkt mit terminativen Matrixprädikaten kompatibel zu sein,
7.2 Experiment 1: Intransitive vs. transitive Basisverben
185
was für entsprechende Nominalisierungen auf -ción nicht anzunehmen ist, vgl. (31) gegenüber (32). (31) El anidar de los pájaros {aún dura / ?ya está terminado}. ‚Das Nisten der Vögel dauert noch an / ist schon beendet.‘ (32) La anidación de los pájaros {aún dura / ya está terminada}. ‚≈Die Nistung der Vögel dauert noch an / ist schon beendet.‘ Die Tatsache, dass NI nicht den Ereignisabschluss bzw. das Ereignis in seiner Gesamtheit fokussieren, könnte auch im Hinblick auf Argumentrealisierung relevant sein. Wenn ein bestimmtes Subereignis bzw. ein Ereignisabschnitt durch eine Nominalisierung lexikalisiert wird, ist anzunehmen, dass auch vorrangig der am entsprechenden Subereignis beteiligte Partizipant auf die nominalisierte Struktur abgebildet wird. Für Typ-A-NI kann daher vermutet werden, dass sie entweder das einzige Argument der Basis realisieren oder bei transitivem Basisverb das höhere Argument, das vor allem für den Ereignisverlauf, nicht aber für die Ereignisvollendung relevant ist. Die Frage, inwieweit Ereignisperspektivierung und Argumentabbildung zusammenhängen, wird im nächsten Abschnitt im Rahmen von Experiment 2 noch genauer untersucht. In Bezug auf Lesartpräferenzen lässt sich außerdem Folgendes festhalten. Typ-A-NI sind NP-Nominalisierungen, die gemäß den Ergebnissen dieses Experiments keine eindeutige Präferenz für generische gegenüber episodischen Lesarten zeigen. Dies könnte die Generalisierung bekräftigen, dass nur intern verbal strukturierte DP-Nominalisierungen eine klare Affinität zu Ereignistypreferenz aufweisen (vgl. auch Experiment 3 / Abschnitt 8.3). Als zusätzliches Ergebnis lässt sich außerdem Folgendes feststellen: Von intransitiven initi-proci-Verben und ihrem einzigen Argument, dem INITIATORUNDERGOER, können prinzipiell Ereignisnominalisierungen in Form von Typ-A-NI gebildet werden. Allerdings muss innerhalb dieser Klasse noch weiter differenziert werden, da Formen, die Geräuschäußerungsereignisse wie gritar ‚schreien‘ bezeichnen, in beiden untersuchten Lesarten akzeptabler ausgefallen sind als Formen, die Aktivitäten wie trabajar ‚arbeiten‘ benennen. Die Akzeptabilität von Typ-A-NI hängt also nicht ausschließlich von Ereignisstruktur und Argumentrealisierung ab, sondern wird auch durch lexikalische Subklassen beeinflusst.
186
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
7.3 Experiment 2: Transitive Basisverben und Realisierung des höheren Arguments Der Ausgangspunkt für die folgende Darstellung ist das Ergebnis des im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Experiments, in dem gezeigt wurde, dass von transitiven init-proc-Verben gebildete Typ-A-NI weitgehend inakzeptabel sind, wenn der UNDERGOER als das tiefere Argument auf die PP abgebildet wird. An dieses Resultat schließt sich die Frage an, ob Typ A nur von intransitiven Basisverben, also initi-proci-Verben und reinen proc-Verben gebildet werden kann, oder ob auch transitive Basen in Frage kommen, wenn nicht das tiefere Argument, sondern wie in (33) und (34) das höhere Argument realisiert wird. (33) el cazar de las leonas ‚das Jagen der Löwinnen‘ (34) el pintar del niño ‚das Malen des Kindes‘ Experiment 2 untersucht also Verben wie cazar und pintar, die es erlauben, dass ihr tieferes Argument unrealisiert bleibt (vgl. Levin 1993: § 1.2.1), und geht der Frage nach, ob Typ-A-NI mit transitiven Basen es erlauben, dass das höhere Argument als PP erscheint. Basierend auf der FPS sind in Kapitel 3 zwei Klassen transitiver Verben unterschieden worden: init-proc-Verben wie cazar, bei denen das ranghöchste Argument ein INITIATOR und das tiefer eingebettete ein UNDERGOER ist, sowie initiproci-Verben wie comer, bei denen das höhere Argument ein INITIATOR-UNDERGOER und das tiefere Argument ein PFAD ist (vgl. auch Tabelle 15 in Abschnitt 7.1). Der Unterschied zwischen diesen zwei Klassen ist vorliegend allerdings nicht von Interesse, da anzunehmen ist, dass das tiefere Argument als de-PP ohnehin inakzeptabel ist, d. h. unabhängig davon, ob es einen UNDERGOER oder einen PFAD darstellt. Für Experiment 1 wurden als transitive Basen ausschließlich init-procVerben mit einem UNDERGOER-Argument verwendet, welches das Ereignis nicht begrenzen kann. Obwohl das tiefere Argument also keine telische Lesart ausgelöst hat, sind die getesteten NI inakzeptabel ausgefallen. Bei transitiven Verben, deren tieferes Argument nicht realisiert wird, entsteht immer eine atelische VP und das transitive Verb verhält sich wie ein intransitives Aktivitätsverb, vgl. (35) und (36), und nimmt somit Eigenschaften an, die für Typ-A-NI als typisch angesehen werden können.
7.3 Experiment 2
187
(35) Ana pintó ∅ {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Ana hat zwei Stunden lang / in zwei Stunden gemalt.‘ (36) Ana comió ∅ {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Ana hat zwei Stunden lang / in zwei Stunden gegessen.‘ In Abschnitt 4.1.1.2 haben wir gesehen, dass verschiedene Belege für Typ-A-NI mit transitiven Basen existieren, die das höhere Argument als PP realisieren, wie hier noch einmal an (37) und (38) illustriert ist. (37) Aquel escribir de Gabriel explica su fama. (Ramírez 2003: 117) ‚Dieses Schreiben von Gabriel erklärt seine Berühmtheit.‘ ≈ ‚die Art, wie er schreibt‘ (38) […] madres que están preocupadas por el comer de sus hijos. (ESCOW16A) ‚[…] Mütter, die um das Essen ihrer Kinder besorgt sind.‘ ≈ ,die Art, wie die Kinder essen‘ Die interessante Eigenschaft dieser Beispiele besteht in der Lesart der Formen, die jeweils nicht auf konkrete Ereignisepisoden referieren, sondern eine generisch-modale Lesart haben, die sich darauf bezieht, auf welche Weise das Ereignis typischerweise abläuft bzw. vom logischen Subjekt ausgeführt wird (vgl. hierzu auch Abschnitt 5.2.6). In Abschnitt 5.3.3 wurde anhand von NI des Deutschen diskutiert, dass generische Lesarten begünstigen können, dass das höhere statt des tieferen Arguments realisiert wird. Eine Motivation für diesen Umstand könnte darin bestehen, dass Typ-A-NI dazu tendieren, Ereignisse ohne zeitliche Eingrenzung darzustellen. In dieser Konstellation könnte das höhere Argument, von dem abhängt, wie sich das Ereignis vollzieht, im Vergleich zum tieferen Argument, das für die Ereignisvollendung relevant ist, im Vordergrund stehen.
7.3.1 Hypothesen und Experimentdesign Experiment 2 testet von transitiven Basen gebildete Typ-A-NI, die entweder das höhere Argument – also den INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER – oder das tiefere Argument – also einen UNDERGOER oder PFAD – als de-PP realisieren. Die Akzeptabilität beider Argumentrealisierungsvarianten wird sowohl in generischen als auch in episodischen Ereignislesarten untersucht. Das
188
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
Experiment untersucht somit den Einfluss von zwei Faktoren mit je zwei Ausprägungen: – Argumentrealisierung: höheres Argument (INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER) vs. tieferes Argument (UNDERGOER oder PFAD) – Ereignislesart: episodisch vs. generisch Ausgehend von den oben dargelegten Beobachtungen wird erwartet, dass Typ-A-NI mit dem höheren Argument in PP-Position akzeptabler sind, als Typ-A-NI, die das tiefere Argument eines transitiven Basisverbs auf die PP abbilden. In Bezug auf die episodisch-generisch-Unterscheidung lautet die Hypothese, dass bei Realisierung des tieferen Arguments die Akzeptabilität nicht von der Lesart beeinflusst wird und die entsprechenden Typ-A-NI wie in Experiment 1 überwiegend inakzeptabel sind. Bei Realisierung des höheren Arguments wird hingegen erwartet, dass die Formen in generischer Lesart besser bewertet werden als in episodischer Lesart. Inwieweit Formen mit realisiertem höheren Argument auch auf konkrete Ereignisepisoden referieren können, muss als unklar angesehen werden, weshalb diese Bedingung mit einem Fragezeichen versehen ist. Alle vier experimentellen Bedingungen und die jeweils vermutete Akzeptabilität sind in Tabelle 21 zusammengefasst. Beispiel (39) exemplifiziert ein konkretes Tokenset. Tabelle 21: Experiment 2 – Design und erwartete Akzeptabilität. episodisch
generisch
UNDERGOER/PFAD (tieferes Argument)
*
*
INITIATOR/INITIATOR-UNDERGOER (höheres Argument)
?
?/✓
realisiertes Argument
Ereignislesart
(39) a. En la Antártida, el cazar de ballenas está continuando durante toda la temporada porque las ballenas grises ya no se consideran como animales en peligro de extinción. (tieferes Argument, episodisch) ‚In der Antarktis dauert das Jagen von Walen gerade die ganze Saison an, da die Grauwale nicht mehr als vom Aussterben bedrohte Tiere gelten.‘
7.3 Experiment 2
189
b. Japón ha recibido fuertes críticas de varias organizaciones medioambientales que consideran el cazar de ballenas como un negocio cruel. (tieferes Argument, generisch) ‚Japan wurde von verschiedenen Umweltschutzorganisationen, die das Jagen von Walen für ein grausames Geschäft halten, scharf kritisiert.‘ c. Todavía continúa el cazar de las leonas. Están intentando separar una cebra de su manada. (höheres Argument, episodisch) ‚Das Jagen der Löwinnen geht noch weiter. Sie versuchen (gerade), ein Zebra von seiner Herde zu trennen.‘ d. El cazar de las leonas es rápido y eficaz. Atrapan a su víctima con una aceleración enorme y un salto final. (höheres Argument, generisch) ‚Das Jagen der Löwinnen ist schnell und effizient. Sie fassen ihr Opfer durch eine enorme Beschleunigung und einen Sprung zum Schluss.‘
7.3.2 Material Im Folgenden wird zusammengefasst, wie sich das in Experiment 2 verwendete Testmaterial zusammensetzt und nach welchen Kriterien es gebildet wurde. Insgesamt wurden zwölf Tokensets, also 48 Testsätze, gebildet. Als Basisverben wurden ausschließlich solche verwendet, die es zulassen, dass ihr tieferes Argument implizit bleibt. Es geht also nur um Verben, die nach Levins (1993) Verbklassifikation die „unspezifiziertes-Objekt-Alternation“ erlauben. Im Diccionario de uso del español von Moliner (2001) sind spanische Verben mit dieser Eigenschaft als transitivos absolutos gekennzeichnet und wurden entsprechend dieser Kennzeichnung ausgewählt. Dabei wurden sowohl init-proc-Verben wie in (40) als auch initi-proci-Verben wie in (41) berücksichtigt. (40) cazar ‚jagen‘, celebrar ‚feiern‘, masticar ‚kauen‘ (41) beber ‚trinken‘, comer ‚essen‘, escribir ‚schreiben‘ Für das Argument in PP‑Position wurden die Lexeme im Hinblick auf ihre Definitheits- und Numeruseigenschaften so gewählt, dass sie jeweils eindeutig als höheres oder tieferes Argument interpretiert werden konnten und zudem die jeweils intendierte Lesart (episodisch oder generisch) desambiguiert wurde. Beispielsweise muss das höhere Argument, das dem Subjekt entspricht, in der Regel eine volle DP darstellen und kann nicht als bloßes Nomen realisiert werden
190
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
(vgl. Abschnitt 8.2. zu bloßen Nomen). Um zu vereindeutigen, welche Rolle das jeweils als PP realisierte Argument z. B. bei einem Verb wie cazar hat, wurde daher als UNDERGOER ein bloßes Nomen verwendet, als INITIATOR hingegen eine volle DP, vgl. (42)a gegenüber b. (42) a. el cazar de leonas ‚das Jagen von Löwinnen‘ (i) Die Löwinnen werden gejagt. b. el cazar de las leonas ‚das Jagen der Löwinnen‘ (i) Die Löwinnen werden gejagt. (ii) Die Löwinnen jagen. In einigen Fällen wurde der Determinierer variiert, um episodische und generische Lesarten besser voneinander abgrenzen zu können. So wird beispielsweise in (43)a auf eine konkrete Ereignisepisode verwiesen. Diese Lesart wird durch ein definites und spezifisch referierendes Argument unterstützt. In (43)b bezieht sich der NI hingegen auf einen abstrakten Ereignistyp, so dass im gegebenen Kontext ein indefinites Argument am plausibelsten ist. (43) a. Al profesor le habría gustado pasar ya a otro tema, pero el leer del capítulo se está prolongando, ya que algunos de los alumnos ya andan muy distraídos. ‚Der Lehrer wäre gern schon zum nächsten Thema übergegangen, aber das Lesen des Kapitels zieht sich hin, weil einige Schüler sehr abgelenkt sind.‘ b. Muchos alumnos prefieren relatos cortos. Como el leer de una novela puede durar varias semanas, tienden a perder el interés. ‚Viele Schüler bevorzugen Kurzgeschichten. Da das Lesen eines Romans mehrere Wochen dauern kann, neigen sie dazu, das Interesse zu verlieren.‘ Alle Basisverben sowie die Argumentlexeme und ihre Numerus- und Definitheitseigenschaften sind in Tabelle 22 zusammengefasst. Das lexikalische Material ist nach der Frequenz der Infinitivlexeme, vgl. CdE, in absteigender Reihenfolge aufgeführt. In mehreren Fällen wurde das Wortschatzportal der Universität Leipzig genutzt, um nach Möglichkeit miteinander kollokierende Basisverben und Argumentlexeme zu verwenden.
7.3 Experiment 2
191
Tabelle 22: Experiment 2 – lexikalisches Material. Infinitiv
UNDERGOER oder PFAD (tieferes Argument)
INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER (höheres Argument)
1.
estudiar ‚lernen‘ (1776)
el vocabulario ‚Vokabeln‘
Juan
2.
escribir ‚schreiben‘ (1498)
un guión ‚ein Drehbuch‘
los niños ‚die Kinder‘ este autor ‚dieser Schriftsteller‘
3.
comer ‚essen‘ (1414)
kikos ‚gerösteter Mais‘ la verdura ‚das Gemüse‘
el niño ‚das Kind‘ sus hijos ‚ihre Kinder‘
4.
leer ‚lesen‘ (1237)
el capítulo ‚das Kapitel‘ una novela ‚ein Roman‘
Pablo el niño ‚das Kind‘
5.
celebrar ‚feiern‘ (337)
los músicos ‚die Musiker‘
el cumpleaños ‚der Geburtstag‘
6.
pintar ‚malen, zeichnen‘ (334)
el/un cuadro ‚das/ein Bild‘
el artista ‚der Künstler‘
7.
beber ‚trinken‘ (327)
agua embotellada ‚Wasser aus der Flasche‘
Iván
8.
limpiar ‚putzen‘ (205)
el baño ‚das Bad‘
Clara
9.
cocinar ‚kochen‘ (154)
las/estas setas ‚die/diese Pilze‘
el/este jefe ‚der/dieser Koch‘
10. cazar ‚jagen‘ (150)
ballenas ‚Wale‘
las leonas ‚die Löwinnen‘
11. masticar ‚kauen‘ (32)
chicle ‚Kaugummi‘
Ramón
12. saquear ‚plündern‘ (20)
casas ‚Häuser‘
los militares ‚die Soldaten‘
Die NI wurden jeweils unter Matrixprädikate eingebettet, durch die sie eindeutig episodische oder generische Ereignislesarten erhalten haben. In der Mehrheit der Fälle (d. h. in 44 von 48 Testsätzen) waren die NI das Subjekt des Matrixsatzes. In zwei Fällen wurde der Typ-A-NI wie z. B. in (44) von einer Präposition regiert, in den anderen zwei Fällen hat er wie in (45) die Objektposition eines Wahrnehmungsverbs besetzt. Auf diesen Fall werde ich in der Diskussion genauer eingehen.
192
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
(44) [...] los hábitos en el comer de sus hijos. ‚[…] die Gewohnheiten beim Essen ihrer Kinder.‘ (45) [...] escuchando el masticar de Ramón. ‚[…] hörte das Kauen von Ramón.‘ Für die Elizitierung von episodischen Lesarten wurden insbesondere Verben verwendet, die einen bestimmten zeitlichen Ablauf über das vom NI bezeichnete Ereignis prädiziert haben, vgl. (46). Für generische Lesarten wurden die NI als Subjekte in Kopulasätze mit einem Ereignisnomen als Prädikativ wie in (47) oder in Kopulasätze des Typs ser + Adjektiv wie in (48) eingefügt. Auf diese Weise sind generische und zum Teil generisch-modale Lesarten zustande gekommen. Wie zuvor wurde auch in Experiment 2 die jeweils intendierte Lesart durch zusätzliches Kontextmaterial vereindeutigt (vgl. Abschnitt A.4). (46) X se está prolongando ‚X zieht sich in die Länge‘, X continúa ‚X wird fortgesetzt / geht weiter‘, X va para largo ‚X zieht sich hin‘ (47) X es un acontecimiento importante‚X ist ein wichtiges Ereignis‘, X debería ser una medida de precaución ‚X sollte eine Vorsichtsmaßnahme sein‘, X es la actividad preferida ‚X ist die Lieblingstätigkeit‘ (48) X suele ser tedioso ‚X ist für gewöhnlich mühsam‘, X es compulsivo ‚X ist zwanghaft‘, X suele ser ruidoso ‚X ist für gewöhnlich laut‘
7.3.3 Testpersonen Experiment 2 wurde mit 16 Testpersonen durchgeführt. Auf der ersten Seite des Fragebogens wurden personenbezogene Daten abgefragt, wobei insbesondere die Fragen zur sprachlichen Herkunft und potenzieller Mehrsprachigkeit obligatorisch zu beantworten waren, damit bi- und multilinguale Personen sowie Sprecher nicht-europäischer Varietäten ausgeschlossen werden konnten. (Dieses Vorgehen wurde für Experiment 3 und 4 übernommen.) Fünf der Testpersonen waren Studierende der Universidad Autónoma de Madrid, drei davon haben spanische Philologie studiert. Elf Testpersonen haben in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. (vgl. Abschnitt A.7 im Anhang für alle personenbezogenen Informationen) und keine von ihnen hatte Erfahrung mit linguistischen oder anderen kognitionswissenschaftlichen Experimenten. Das Ziel der Studie war ebenfalls keinem der Testpersonen bekannt. Als Anreiz zur Teilnahme wurde ein Gutschein im Wert von 25€ verlost.
7.3 Experiment 2
193
7.3.4 Durchführung Die Daten wurden im März 2015 und im Juli 2016 mit der online-Umfragesoftware surveygizmo erhoben, die auch für die in Kapitel 8 zu besprechenden Experimenten verwendet wurde.49 Wie alle Experimente dieser Arbeit basiert auch Experiment 2 auf einem within-subject-Design. Das Material wurde auch für dieses Experiment nach dem lateinischen Quadrat gegenbalanciert, pseudorandomisiert und auf vier Gruppen à vier Personen aufgeteilt (vgl. Abschnitt 6.3.6). In diesem Fall hat jede Testperson jede Bedingung dreimal bewertet und somit zwölf Testsätze erhalten, die durch 16 Füll- bzw. Kontrollsätze ergänzt wurden. Damit war eine Gesamtheit von 30 Stimuli zu bewerten, die Bearbeitungszeit hat etwa 25 Minuten betragen. Als Füll- und Kontrollmaterial wurden die dieselben Stimuli wie in Experiment 1 verwendet (vgl. Abschnitt 7.2.2). Die abhängige Variable Akzeptabilität wurde erneut auf einer siebenstufigen Likertskala gemessen und die Testpersonen wurden gebeten, die NI ausschließlich auf ihre Angemessenheit im gegebenen Kontext zu bewerten. Die Arbeitsanweisung zum Experiment sowie eine Übersicht über die Verteilung und Positionierung der Stimuli ist im Anhang zu finden (vgl. Abschnitt A.3 und A.6).
7.3.5 Auswertung und Ergebnisse Da Experiment 2 mit 16 Testpersonen durchgeführt wurde und jede Testperson 12 NI bewertet hat, ist eine Grundgesamtheit von 192 Stimuli zustande gekommen (n = 192). Pro Bedingung wurden 48 Bewertungen abgegeben. Alle Bewertungen der vier getesteten Bedingungen sind in Tabelle 23 zusammengefasst. Die Bewertungen wurden paarweise durch Anwendung des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests und der Bonferroni-Korrektur auf Unterschiede verglichen. Wir betrachten zunächst die Akzeptabilitätsunterschiede zwischen episodischen und generischen Lesarten jeweils pro Argumentrealisierungsvariante. Abbildung 7 zeigt, dass sich die Unterscheidung von episodischen (Mdn = 3) und generischen Lesarten (Mdn = 2,5) nicht signifikant auf die Akzeptabilität ausgewirkt hat, wenn der UNDERGOER oder PFAD, also das tiefere Argument, als PP realisiert wurde (W = 985,5, p > 0,025). Dieses Ergebnis deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen von Experiment 1. Insgesamt fällt jedoch auf, dass die in diesem Experiment verwendeten Typ-A-NI nicht als völlig inakzeptabel abgelehnt worden sind (s. u. zum Einfluss einzelner Infinitivlexeme). Der Vergleich von episodi-
49 https://www.surveygizmo.com/ (01.08.2020).
194
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
Tabelle 23: Experiment 2 – Bewertungen (numerisch). Bewertung
Bedingungen tieferes Argument (UNDERGOER oder PFAD)
Gesamtsumme
höheres Argument (INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER)
episodisch
generisch
episodisch
generisch
≈ perfekt akzeptabel
,
,
,
,
≈ völlig inakzeptabel
Gesamtsumme SD
schen und generischen Lesarten von Typ-A-NI, deren höheres Argument als PP realisiert wurde, zeigt Folgendes, vgl. Abbildung 8: Typ-A-NI mit höherem Argument (INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER) wurden in generischer Lesart (Mdn = 4) erwartungsgemäß zwar besser bewertet als in episodischer Lesart (Mdn = 3). Der Unterschied ist jedoch nicht signifikant ausgefallen (W = 1414,5, p > 0,025). Betrachten wir im Folgenden die Unterschiede zwischen den Argumentrealisierungsvarianten jeweils in episodischer und in generischer Lesart. Abbildung 9 zeigt für episodische Lesarten, dass Typ-A-NI mit einem INITIATOR oder INITIATORUNDERGOER als PP nicht signifikant akzeptabler waren als Formen, die das UNDERGOER- oder PFAD-Argument realisiert haben (höheres und tieferes Argument jeweils Mdn = 3, W = 1100, p > 0,025). In generischen Lesarten ist die Situation jedoch anders, wie wir in Abbildung 10 sehen. Typ A wurde in diesem Fall signifikant besser bewertet, wenn das höhere Argument auf die PP abgebildet war (tieferes Argument Mdn = 2,5, höheres Argument Mdn = 5, W = 713, p < 0,001). Um die Effekte der manipulierten Faktoren zu schätzen, wurde ein gemischtes Modell angepasst, in dem Argumentrealisierung (tieferes vs. höheres Argument) und Lesart (generisch vs. episodisch) als feste Effekte sowie ein zufälliger intercept-Effekt für jeden Stimulus berücksichtigt wurden. Das finale Modell enthält die
7.3 Experiment 2
195
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 tieferes Argument episodisch
tieferes Argument generisch
Abbildung 7: Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem Argument in episodischen vs. generischen Lesarten.
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 höheres Argument episodisch
höheres Argument generisch
Abbildung 8: Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit höherem Argument in episodischen vs. generischen Lesarten.
196
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 tieferes Argument episodisch
höheres Argument episodisch
Abbildung 9: Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem vs. höherem Argument in episodischen Lesarten.
***
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 tieferes Argument generisch
höheres Argument generisch
Abbildung 10: Experiment 2 – Akzeptabilität von Typ A mit tieferem vs. höherem Argument in generischen Lesarten.
7.3 Experiment 2
197
Interaktion von Argumentrealisierung und Lesart als signifikanten Prädiktor (χ2 (3) = 12,853, p < 0,01). Die Überprüfung der Daten zeigt ein erhebliches Maß an Streuung. Insbesondere fällt auf, dass mit dem Basisverb masticar ‚kauen‘ gebildete NI vergleichsweise gut bewertet wurden. Hierauf werde ich in der Diskussion im nächsten Abschnitt zurückkommen.
7.3.6 Diskussion Experiment 2 hat von transitiven Basen gebildete Typ-A-NI untersucht, die entweder das tiefere Argument – d. h. den UNDERGOER oder PFAD – oder das höhere Argument – den INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER – als de-PP realisiert haben. Die Akzeptabilität beider Argumentrealisierungsvarianten wurde sowohl in generischen als auch in episodischen Ereignislesarten ermittelt. Die Haupthypothese lautete, dass Typ-A-NI mit transitiven Basisverben zumindest dann akzeptable Ereignisnominalisierungen ergeben, wenn das ranghöchste Argument der Ereignisstruktur als PP erscheint. Diese Hypothese konnte insoweit bestätigt werden, als Typ-A-NI in generischen Lesarten signifikant besser abgeschnitten haben, wenn das höhere und nicht das tiefere Argument als PP realisiert wurde. Bei der Gegenüberstellung von Typ-A-NI mit höherem Argument als PP in episodischen und generischen Lesarten hat sich zwar eine Präferenz für generische Lesarten gezeigt, der Unterschied ist allerdings nicht signifikant ausgefallen. Das Experiment konnte somit zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen generischer Ereignisreferenz und Argumentrealisierung insofern besteht, als Typ-A-NI mit realisiertem höheren Argument in generischer Lesart vergleichsweise hohe Akzeptabilitätswerte erzielen (vgl. Abschnitt 5.3.3 zur Interaktion von Lesarten und Argumentrealisierung). Wenn ein transitives Basisverb grundsätzlich zulässt, dass sein tieferes Argument unrealisiert bleibt, präferieren Typ-A-NI offenbar diese Variante und bilden eher das höhere Argument auf die postnominale PP ab. Auf diese Weise wird das vom Verb bezeichnete Ereignis stets als unbegrenzte Aktivität dargestellt. Die Affinität zu generischer Ereignisinterpretation könnte darin zu sehen sein, dass NI dazu tendieren, das Ereignis nicht in seiner Gesamtheit zu präsentieren, sondern in seinem Verlauf oder als abstrakten Typ, so dass das tiefere Argument, das für die Ereignisvollendung verantwortlich ist, durch diese Art von Nominalisierung nicht fokussiert wird. Hinzu kommt, dass ein generischer Kontext grundsätzlich, also auch unabhängig von der Verbklasse der Basis, die Auslassung des tieferen Arguments ermöglichen oder vereinfachen kann (vgl. Mittwoch 2005). Deverbale Nomen verhalten sich in Bezug auf Argumentrealisierung anders. Einige erlauben die Realisierung sowohl des tieferen als auch des
198
7 Typ A: Argumentrealisierung und Lesartpräferenzen
höheren Arguments, vgl. (49)a und b. Bei anderen hat allerdings die Realisierung des tieferen Arguments Vorrang oder stellt sogar die einzige akzeptable Argumentrealisierungsvariante dar, vgl. (50)a vs. b. Die Argumentrealisierung deverbaler Nomen wird von einer ganzen Reihe von Faktoren bestimmt, zu denen u. a. die Semantik des Basisverbs, Telizität und das Nominalisierungsaffix gehören (vgl. Meinschaefer 2016: 405–410 für einen Überblick, Schirakowski 2020 für einen Vergleich zwischen Typ-A-NI und deverbalen Nomen). (49) a. la caza de las leonas ‚die Jagd der Löwinnen‘ b. la caza de leonas ‚die Jagd auf/nach Löwinnen‘ (50) a. ?la cocción del jefe ‚das Kochen (≈die Kochung) des Chefkochs‘ b. la cocción de las setas ‚das Kochen (≈die Kochung) der Pilze‘ Eine zusätzliche Erkenntnis, die aus diesem Experiment hervorgegangen ist, betrifft den Einfluss, den einzelne Verben auf die Akzeptabilität der NI ausüben. NI, die vom Basisverb masticar gebildet wurden, sind in Experiment 2 überdurchschnittlich hoch bewertet worden. Die Beispiele (51) und (52) zeigen, dass diese NI kontextuell bedingt jeweils als Geräuschäußerungsereignisse interpretiert werden konnten. Damit bestätigt sich zum einen das Ergebnis von Experiment 1, dem zufolge NI, die Geräuschäußerungsereignisse bezeichnen, besonders akzeptabel sind. Zum anderen zeigt dieser Befund, dass sich die Akzeptabilität von Typ-A-NI erst aus der Interaktion der Semantik des Basisverbs und des Kontexts ergibt und auch ansonsten eher dispräferierte NI mit realisiertem tieferen Argument wie (51) vergleichsweise hohe Bewertungen erhalten können (vgl. hierzu auch Abschnitt 5.2.4). (51) Todo estaba muy tranquilo en la sala de lectura. El único sonido que se oía era el masticar de chicle. ‚Alles war sehr ruhig im Lesesaal. Das einzige Geräusch, das man hörte, war das Kauen von Kaugummi.‘ (52) Escuchando el masticar de Ramón, se nota que todavía no se ha acostumbrado a su aparato dental tras la operación. ‚Wenn man das Kauen von Ramón hört, merkt man, dass er sich nach dem Eingriff noch nicht an die Zahnspange gewöhnt hat.‘
7.3 Experiment 2
199
Da sowohl Experiment 1 als auch Experiment 2 gezeigt haben, dass von transitiven Basen und ihren tieferen Argumenten gebildete Typ-A-NI eher inakzeptabel sind, wird im folgenden Kapitel untersucht, unter welchen Bedingungen Typ-B-NI in Ereignislesarten auftreten können.
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B 8.1 Einleitung Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen Typ-B-NI, also NI mit einem bloßen Nomen in Objektposition wie el cantar coplas ‚das Liedersingen‘ oder el observar pájaros ‚das Vögelbeobachten‘. Dieser Formtyp wird im Folgenden anhand von zwei Experimenten mit dem bisher besser untersuchten Typ A verglichen. Auf diese Weise soll untersucht werden, ob Typ-B-NI in Ereignislesarten akzeptabler als Typ-A-NI sind oder ob NI prinzipiell kein akzeptables Verfahren darstellen, um von transitiven Verben und ihrem tieferen Argument Ereignisnominalisierungen zu bilden. Des Weiteren sollen strukturelle Unterschiede zwischen Typ A und Typ B sichtbar gemacht werden, indem getestet wird, wie die verschiedenen Formtypen pronominalisiert werden und welche Hinweise die Pronominalisierung der NI auf ihre DP-interne Struktur und etwaige Genusspezifizierung liefern könnte. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Da Typ B durch das bloße Nomen definiert ist, das adjazent zum Infinitiv steht, gibt Abschnitt 8.2 zunächst einen kurzen Überblick über die distributionellen und semantischen Eigenschaften von bloßen Nomen in Objektposition. Anschließend wird im Rahmen in Abschnitt 8.3 / Experiment 3 die Frage behandelt, in welchen Lesarten Typ-B-NI mehr oder weniger akzeptabel sind und inwiefern sie sich diesbezüglich von Typ-A-NI unterscheiden. Abschnitt 8.4 / Experiment 4 widmet sich anschließend der Frage nach möglichen strukturellen Unterschieden zwischen den beiden Formtypen und untersucht, ob Typ A und Typ B unterschiedlich pronominalisiert werden und ob sich dadurch zeigen lässt, dass Typ B einen anderen, nämlich verbal strukturierten Nominalisierungstyp darstellt.
8.2 Bloße Nomen in Objektposition Bloße Nomen (BN) sind indefinite und artikellose Nominalausdrücke, deren Interpretationsmöglichkeiten in der Semantikforschung seit Langem kontrovers diskutiert werden. Im Spanischen können BN sowohl Prädikatsnomen als auch Argumente sein, vgl. (1) und (2). Ihr Auftreten in Argumentposition unterliegt allerdings Einschränkungen. Beispielsweise können BN nicht bzw. nur unter sehr engen Voraussetzungen als Subjekt auftreten, vgl. (3) (vgl. z. B. Leonetti 2012 für einen Überblick). https://doi.org/10.1515/9783110723359-008
8.2 Bloße Nomen in Objektposition
(1)
Susana es médica. ‚Susana ist Ärztin.‘
(2)
Susana comió manzanas. ‚Susana hat Äpfel gegessen.‘
(3)
?Manzanas estaban en la cesta. ‚Äpfel waren im Korb.‘
201
Für bloße Pluralnomen (im Folgenden BPN) wie manzanas wird unter anderem danach gefragt, welchem semantischen Typ sich die Formen zuordnen lassen. In einigen Arbeiten wird angenommen, dass BPN prädikative Ausdrücke sind, die wie in (2) trotzdem in bestimmten Argumentpositionen erscheinen dürfen und die Domäne der Argumentvariablen einschränken (vgl. u. a. Dobrovie-Sorin & Laca 2003, McNally 2004). In anderen Arbeiten wird die Ansicht vertreten, dass BPN quantifizierende Ausdrücke darstellen (Beyssade & Dobrovie-Sorin 2012, Dobrovie-Sorin & Giurgea 2015). Aus syntaktischer Sicht schließt sich die Frage an, ob BPN als NPn oder als DPn mit leerem Determinierer zu beurteilen sind (vgl. z. B. Alexiadou, Haegeman & Stavrou 2007: 172–180 für einen Überblick). Im Zusammenhang mit den hier betrachteten Typ-B-NI sind nur BN in Objektposition dynamischer Verben von Interesse, weshalb ich mich im Folgenden auf eine informale Darstellung dieser Formen beschränke. Abschnitt 8.2.1 gibt zunächst einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen Typen von BN-Objekten, die im Spanischen zulässig sind. Anschließend werden BPN wie manzanas einer näheren Betrachtung unterzogen, da (bis auf eine Ausnahme) nur diese in Experiment 3 und 4 verwendet wurden. Dabei sollen vor allem einige interpretative und distributionelle Unterschiede zwischen BPN (manzanas) und indefiniten vollen DPn (una manzana, unas manzanas) aufgezeigt werden. Die Darstellung konzentriert sich auf diejenigen Charakteristika, die die Akzeptabilität von Typ-B-NI tangieren könnten, weshalb die Formen vor allem im Hinblick auf Begrenztheit, vgl. Abschnitt 8.2.2, sowie ihr Auftreten in unterschiedlichen Lesarten betrachtet werden, vgl. Abschnitt 8.2.3.
8.2.1 Drei Arten von bloßen Nomen Rein morphologisch gibt es im Spanischen drei Arten von BN, die in Objektposition auftreten können: erstens BPN, zweitens Massennomen, die morphologisch im Singular stehen und in der Regel nicht nach Numerus flektieren, sowie drittens Individuennomen, die morphologisch im Singular stehen, denen aber in
202
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
manchen Arbeiten (z. B. Espinal & McNally 2011) eine numerusneutrale Interpretation nachgesagt wird, vgl. (4)a, b und c. (4)
Ana compró a. manzanas. b. agua. c. coche. ‚Ana hat Äpfel / Wasser / [ein] Auto gekauft.‘
Bloße Singularnomen wie (4)c sind im Spanischen eher die Ausnahme (vgl. z. B. Bosque 1996: 35–49 für einen deskriptiven Überblick, Espinal & McNally 2011 für eine semantische Analyse). Lässt man Idiome (sentar cabeza ‚sich in geordnete Bahnen begeben‘) und Funktionsverben (dar lugar ‚hervorrufen‘) außer Acht, sind sie nur mit einer begrenzten Zahl von Verben und in speziellen Lesarten zulässig. Verben, die ein bloßes Singularnomen als Komplement erlauben, sind vor allem Verben, die eine Besitzbeziehung im weiteren Sinn ausdrücken, vgl. (5), Zustandswechselverben, die das Erlangen von Besitz bezeichnen, vgl. (6), sowie intensionale Verben, die so etwas wie voraussichtlichen oder angestrebten Besitz denotieren, vgl. (7). Des Weiteren können das Verb und das bloße Singularnomen in Komplementposition ein charakterisierendes Prädikat ergeben (vgl. Bosque 1996: 43–45). Laut Espinal & McNally (2011: 98–104) muss von der VP eine nicht rein episodische Eigenschaft über das Subjekt prädiziert werden, womit sich z. B. Akzeptabilitätskontraste wie zwischen (5) und (8) sowie (7) und (9) erklären lassen. (5)
Pablo lleva sombrero. Pablo trägt Hut
(6)
Ana compró coche. Ana kaufte Auto
(7)
Juan está buscando apartamento. Juan sucht Wohnung
(8)
*Pedro lleva lápiz. Pedro trägt Bleistift
(9)
*Está pintando apartamento. Er/Sie streicht Wohnung
8.2 Bloße Nomen in Objektposition
203
Erwartungsgemäß können bloße Singularnomen auch in Typ-B-NI-Strukturen auftreten, wenn sich das Basisverb einer der oben genannten Verbklassen zuordnen lässt, vgl. (10). Da sich NI in Bezug auf die Zulässigkeit von bloßen Singularnomen nicht anders zu verhalten scheinen als finite Verben, sind die Formen nicht Bestandteil der Akzeptabilitätstests und werden im Folgenden nicht weiter diskutiert. In Experiment 3 kommen mit buscar ‚suchen‘ und llevar ‚tragen‘ zwei Basisverben vor, die prinzipiell sowohl ein bloßes Singularnomen als auch ein BPN in Objektposition erlauben, vgl. (10) gegenüber (11) (vgl. u. a. Espinal & McNally 2011 für einen Überblick über die semantischen Unterschiede zwischen bloßen Singularnomen und BPN). (10) El llevar anillo de castidad va unido al voto religioso. (Wikipedia) das Tragen Keuschheitsring ‚Das Tragen eines Keuschheitsrings geht mit dem religiösen Gelübde einher.‘ (11) Estas características pueden incluir el llevar uniformes de alto rango. (Wikipedia) das Tragen Uniformen ‚Diese Merkmale können das Tragen von Uniformen hohen Rangs beinhalten.‘ Anders als bloße Singularnomen können BPN wie manzanas ‚Äpfel‘ (und Massennomen wie agua ‚Wasser‘) uneingeschränkt als direkte Objekte dynamischer Verben verwendet werden (vgl. u. a. Dobrovie-Sorin & Laca 2003, Laca 1996). Die semantischen Eigenschaften von BPN und die Unterschiede zwischen BPN und indefiniten vollen DPn sind in Carlsons (1977a) Arbeit zum Englischen erstmals systematisch behandelt worden. Carlson hat gezeigt, dass BPN wie apples keine pluralischen Pendants zu indefiniten vollen Singular-DPn wie an apple darstellen und dementsprechend eine andere semantische Analyse verlangen. In verschiedenen von Carlson (1977a, 1977b) inspirierten Arbeiten wurde gezeigt, dass BPN auch in den romanischen Sprachen andere Eigenschaften als indefinite volle Singular-DPn aufweisen (vgl. u. a. Beyssade & Dobrovie-Sorin 2012, Dobrovie-Sorin & Laca 2003, Laca 1996 zum Spanischen). Im Folgenden werden einige Unterschiede aufgezeigt, die für die weitere Diskussion von Typ-B-NI relevant erscheinen.
8.2.2 Bloße Nomen und Begrenztheit In der Literatur ist häufig bemerkt worden, dass BPN weder individualisierte noch begrenzte Mengen bezeichnen (vgl. Beyssade & Dobrovie-Sorin 2012,
204
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
Dobrovie-Sorin & Laca 2003, Laca 1996). Dies ist unter anderem daran erkennbar, dass BPN nur eingeschränkt für pronominale Anaphern zugänglich sind. So können BPN z. B. nicht als Antezedens für Pronomen wie otros ‚andere‘ fungieren, vgl. (12)a. Geht man davon aus, dass das Antezedens libros eine Vielzahl denotiert, die sich weder individualisieren noch begrenzen lässt, ist es auch nicht möglich, eine Menge zu benennen, die nicht Teil dieser Vielzahl ist. (12)b zeigt, dass indefinite volle DPn hingegen als Antezedens für otros zulässig sind. Hier kann angenommen werden, dass die Menge, die die DP bezeichnet, begrenzt (und möglicherweise auch individualisiert) ist. (12) a. *Juan recomendó libros y María recomendó otros. ‚Juan hat Bücher empfohlen und María hat andere empfohlen.‘ b. Juan recomendó unos libros y María recomendó otros. (Dobrovie-Sorin & Laca 2003: 244) ‚Juan hat einige Bücher empfohlen und María hat andere empfohlen.‘ Auf der Ebene der VP lässt sich beobachten, dass Verben mit einem BPN in Objektposition immer auf ein zeitlich unbegrenztes Ereignis verweisen und nur mit Zeitdaueradverbialen wie durante dos horas, nicht aber mit Zeitrahmenadverbialen wie en dos horas kompatibel sind, wie die Beispiele (16), (17) und (18) weiter unten illustrieren (vgl. u. a. Beyssade & Dobrovie-Sorin 2012: 39 f., Dobrovie-Sorin & Laca 2003: 243, Laca 1996: 244). Diese Generalisierung gilt unabhängig von der Semantik des Basisverbs, was im Folgenden anhand der in Kapitel 3 identifizierten Verbklassen gezeigt wird. (13) comer ‚essen‘: [initi, proci] (14) matar ‚töten‘: [init, proci, resi] (15) romper ‚zerbrechen‘: [proci, resi] Verben wie (13) gelten als aspektuell unterspezifiziert. Telizität hängt von den Nominalreferenzeigenschaften des tieferen Arguments ab, das in der FPS daher als PFAD gilt und die Komplementposition der procP besetzt (vgl. Abschnitt 3.4.2). Ist das PFAD-Komplement wie in (16) ein BPN, ergibt sich eine atelische Lesart. Verben wie matar in (14) und romper in (15) bezeichnen anders als comer zwar grundsätzlich telische und punktuelle Ereignisse und sind daher in Ramchands Modell sowohl für ein proc- als auch für ein res-Merkmal spezifiziert, durch ein Objekt in Form eines BPNs erhalten aber auch sie eine durativ-unbegrenzte Lesart, wie man an (17) und (18) sieht. Alle drei Sätze (16), (17) und (18) drücken aus,
8.2 Bloße Nomen in Objektposition
205
dass sich das vom Verb bezeichnete Ereignis an jedem Element der vom BPN bezeichneten Menge vollzieht. Da die Anzahl der Elemente in den jeweiligen Mengen nicht begrenzt ist, ergeben sich (iterativ-)unbegrenzte Lesarten. Beispielsweise ist in (16) die Anzahl der gegessenen Kekse nicht begrenzt, so dass das von der VP bezeichnete Ereignis nicht in einen bestimmten Zeitrahmen dargestellt werden kann. (16) Ana comió galletas {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Ana hat zwei Stunden lang / in zwei Stunden Kekse gegessen.‘ (17) Los cazadores furtivos mataron elefantes {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Die Wilderer haben zwei Stunden lang / in zwei Stunden Elefanten getötet.‘ (18) Los vándalos rompieron ventanas {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Die Randalierer haben zwei Stunden lang / in zwei Stunden Fenster eingeschlagen.‘ Indefinite volle DPn verhalten sich diesbezüglich anders und können nur mit Zeitrahmenadverbialen, nicht aber mit Zeitdaueradverbialen kombiniert werden, vgl. (19), (20) und (21). Die Mengen, auf die die jeweiligen DPn verweisen, sind zwar nicht zwingend individualisiert, jedoch in jedem Fall begrenzt, wodurch auch das Gesamtereignis eine begrenzte Lesart erhält. Die Lesart von (19) ist telisch, die Lesart von (20) und (21) iterativ-begrenzt. (19) Ana comió {una galleta / unas galletas} {*durante dos horas / en dos horas}. ‚Ana hat einen Keks / einige Kekse zwei Stunden lang / in zwei Stunden gegessen.‘ (20) Los cazadores mataron unos elefantes {*durante dos horas / en dos horas}. ‚Die Jäger haben zwei Stunden lang / in zwei Stunden einige Elefanten getötet.‘ (21) Los vándalos rompieron unas ventanas {*durante dos horas / en dos horas}. ‚Die Randalierer haben zwei Stunden lang / in zwei Stunden einige Fenster eingeschlagen.‘
206
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
8.2.3 Bloße Nomen in episodischen und generischen Kontexten Der folgende Abschnitt behandelt das Vorkommen von BPN in episodischen und generischen Sätzen und geht darauf ein, welche Lesarten die Formen in den jeweiligen Kontexten erhalten können. In Bezug auf episodische Sätze ist häufig bemerkt worden, dass BPN wie in (22) existenziell interpretierbar sind und in dieser Lesart z. B. auch wie in (23) das Antezedens für eine pronominale Anapher (hier das Nullsubjekt) sein können (vgl. u. a. Laca 1996, McNally 2004). (22) Ana compró manzanas. ‚Ana hat Äpfel gekauft.‘ (23) Ayer compré aceitunasi, pero ∅i no me gustan porque son demasiado amargas. (McNally 2004: 171) ‚Gestern habe ich Oliven gekauft, aber sie schmecken mir nicht, weil sie zu bitter sind.‘ Es ist aber auch bemerkt worden, dass nur indefinite volle DPn eigene existenzielle Kraft besitzen, während BPN eine existenzielle Interpretation nur durch ihr Matrixprädikat erlangen können. Dieser Unterschied soll im Folgenden anhand von Skopus illustriert werden (vgl. Dobrovie-Sorin & Laca 2003: 239–244, Laca 1996: 251–258, McNally 2004: 119 f. für einen Überblick). BPN erhalten anders als indefinite volle DPn immer engen Skopus, was sich z. B. an ihrem Verhalten in Bezug auf epistemische Operatoren illustrieren lässt, vgl. (24). Das BPN libros in (24)a kann nur Lesart (i) erhalten, steht also im Skopus von creer, während (24)b skopusambig ist bzw. zwei Lesarten erlaubt. Unos libros kann im Skopus von creer stehen, vgl. (i). (24)b lässt aber auch eine Lesart zu, in der sich die DP außerhalb des Skopus des epistemischen Operators befindet und mit einer Existenzpräsupposition verknüpft ist, vgl. (ii). Das Beispiel zeigt somit, dass BPN anders als indefinite volle DPn nicht von sich aus über eine existenzielle Lesart verfügen. (24) a. María cree que Sara ha robado libros. (i) ≈‚María glaubt, dass Sara Bücher gestohlen hat.‘ b. María cree que Sara ha robado unos libros. (i) ≈‚María glaubt, dass Sara Bücher gestohlen hat.‘ (ii) ≈‚Es gibt Bücher, von denen María glaubt, dass Sara sie gestohlen hat.‘ (McNally 2004: 120)
8.2 Bloße Nomen in Objektposition
207
BPN sind auch im Zusammenhang mit Generizität viel diskutiert worden. Dabei ist zunächst zu beachten, dass BPN selbst nicht generisch referieren können, was man unter anderem daran sieht, dass sie weder mit artenselegierenden Prädikaten wie in (25) und (26) noch mit Individuenprädikaten wie in (27) akzeptabel sind. (vgl. u. a. Dobrovie-Sorin & Laca 2003: 245). (25) *En la India, están exterminando tigres. ‚In Indien rotten sie Tiger aus.‘ (26) *¿Quién inventó ordenadores? ‚Wer hat Computer erfunden?‘ (27) *Odia gatos. ‚Er hasst Katzen.‘ Allerdings können BPN als direktes Objekt in generisch referierenden Sätzen vorkommen, die von dynamischen Verben gebildet sind, vgl. (28)a, (29)a und (30)a (Beispiele aus Laca 1996: 246 f.).50 Eine indefinite volle DP ist dagegen nicht als direktes Objekt in generisch referierenden Sätzen akzeptabel, wie man an (28)b, (29)b und (30)b sieht. (28) a. Pedro se ganaba la vida lavando coches. ‚Pedro verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er Autos wusch.‘ b. #Pedro se ganaba la vida lavando unos coches. ‚Pedro verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er einige Autos wusch.‘ (29) a. Pedro fuma puros. ‚Pedro raucht Zigarren.‘ b. #Pedro fuma unos puros. ‚Pedro raucht einige Zigarren.‘ (30) a. Pedro sabe arreglar coches. ‚Pedro kann Autos reparieren.‘ b. #Pedro sabe arreglar unos coches.‘ ‚Pedro kann einige Autos reparieren.‘
50 Dispositionelle Lesarten wie in (30) werden von Krifka et al. (1995) ebenfalls als generisch analysiert.
208
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
8.2.4 Zwischenfazit Dieser Abschnitt hat einige ausgewählte Eigenschaften von BN in Objektposition erörtert, die im Zusammenhang mit NI relevant erscheinen. Abschnitt 8.2.2 hat gezeigt, dass BPN nicht auf begrenzte Mengen verweisen können und Verben mit einem BPN in Objektposition immer zeitlich unbegrenzte (und teilweise iterative) Lesarten erhalten. Diese Eigenschaft trifft auch auf Typ-B-NI zu, wie man an (31), (32) und (33) sieht. Im Hinblick auf zeitstrukturelle Begrenztheit lassen sich damit Gemeinsamkeiten zwischen den im Folgenden zu vergleichenden Formtypen feststellen. In Kapitel 5 wurde anhand von Erkenntnissen aus der Literatur nachgezeichnet, dass Typ-A-NI am wenigstens Einschränkungen unterliegen, wenn sie von initi-proci-Verben in atelischen Lesarten gebildet werden, vgl. (34), und dass von telischen initi-proci-resi-Verben gebildete TypA-NI meist eine unbegrenzt-iterative Lesart erhalten, vgl. (35). Typ A und Typ B teilen somit die Eigenschaft, vorwiegend bzw. ausschließlich auf zeitlich unbegrenzte Ereignisse zu verweisen. (31) el comer galletas {durante dos horas / *en dos horas} ‚das zwei Stunden lang / in zwei Stunden Kekseessen‘ (32) el matar elefantes {durante dos horas / *en dos horas} ‚das zwei Stunden lang / in zwei Stunden Elefantentöten‘ (33) el romper ventanas {durante dos horas / *en dos horas} ‚das zwei Stunden lang / in zwei Stunden Fenstereinschlagen‘ (34) el caminar pausado de la gente (NGLE 2009: §26.3ñ) ‚das langsame Gehen der Leute‘ (35) Había presenciado el arracimado caer de las bombas (Hernanz 1999: 2344) ‚Er hatte das dicht gedrängte Fallen der Bomben miterlebt.‘ In Abschnitt 8.2.3 haben wir gesehen, dass BPN in Sätzen mit episodischen Lesarten vorkommen können, eine existenzielle Interpretation aber nur von ihrem Matrixprädikat erhalten und selbst nicht über eine Existenzpräsupposition verfügen. Des Weiteren wurde gezeigt, dass Objekte in Form von BPN auch in generischen Sätzen auftreten können, was sie von indefiniten vollen DPn unterscheidet. Die Frage, ob und, wenn ja, auf welche Weise BPN-Objekte die Interpretationsmöglichkeiten von Typ-B-NI beeinflussen könnten, ist Gegenstand der Diskussion zu Experiment 3 im folgenden Abschnitt.
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
209
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten Experiment 3 behandelt die Frage, unter welchen Bedingungen Typ B als Ereignisnominalisierung auftreten kann. Insbesondere soll untersucht werden, ob dieser Formtyp eher in generischen Lesarten als in episodischen Ereignislesarten akzeptiert wird. Als Vergleich dienen dabei von transitiven init-proc-Verben gebildete Typ-A-NI, die in Experiment 1 und 2 überwiegend als inakzeptabel beurteilt wurden, wenn das UNDERGOER- oder PFAD-Argument als de-PP erschienen ist. An die bisher gewonnenen Erkenntnisse schießt sich damit die Frage an, ob mutmaßlich verbal(er) strukturierte NI eher als eventive Nominalisierungen akzeptiert werden und, wenn ja, in welchen Lesarten. Eine systematische Untersuchung von Typ B erscheint vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass der Formtyp in der Literatur zwar häufig erwähnt wird (vgl. u. a. Demonte & Varela 1998, Fábregas & Varela 2006), gleichzeitig aber kaum etwas über die Lesarten bekannt ist, in denen er auftritt. Anhaltspunkte gibt es bisher vor allem in Form von Korpusbelegen, die darauf hindeuten, dass Typ-B-NI, sofern sie als Ereignisnominalisierungen identifizierbar sind, in der Regel auf Ereignistypen referieren, wie hier noch einmal an (36) und (37) illustriert ist. (36) Su gran pasión fue el construir puentes. (Wikipedia) das Bauen Brücken ‚Seine große Leidenschaft war das Bauen von Brücken.‘ (37) […] la regla que prohibía el comer carne. (Wikipedia) das Essen Fleisch ‚[…] die Regel, die das Fleischessen verbot.‘ Experiment 3 testet daher die Hypothese, dass Typ-B-NI vor allem auf Ereignistypen und weniger auf konkrete Ereignistoken referieren können. Die Frage, wodurch die vermutete Präferenz für generische Lesarten motiviert sein könnte, ist allerdings schwierig zu beantworten. In Abschnitt 5.3.4 wurde gezeigt, dass für verschiedene Nominalisierungsverfahren ein Zusammenhang zwischen intern verbaler Struktur und einer Affinität zu generischer Referenz beobachtet wird. Im Fall von Typ-B-NI stehen wir allerdings vor dem Problem, dass nicht einmal klar ist, ob die Formen intern rein verbal strukturiert sind, da sich der Formtyp offenbar syntaktisch flexibel verhalten kann. In der Regel weisen Typ-B-NI verbale Distributionsmerkmale auf und sind somit als DP-Nominalisierungen identifizierbar. In manchen Fällen scheint ihnen jedoch eine nominale Struktur zu Grunde zu liegen, vgl. (38)a gegenüber b. Die Distributionsmerkmale
210
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
von Typ-A-NI sind dagegen vergleichsweise klar und zeigen, dass die Formen NP-Nominalisierungen darstellen, vgl. (39)a vs. b. (38) a. el cantar continuamente coplas [DP[VP[V]]] Lieder das singen ständig-ADV ‚das ständig-Liedersingen‘ b. el continuo cantar coplas [DP[NP[N[V]]]] das ständig-ADJ singen Lieder ‚das ständige Liedersingen‘ (39) a. el continuo cantar de los pájaros [DP[NP[N[V]]]] ‚das ständige Singen der Vögel‘ b. *el cantar continuamente de los pájaros PRÄP ART Vögel das singen ständig-ADV ≈‚das ständig Singen der Vögel‘ Iordăchioaia & Soare (2015) argumentieren anhand des Rumänischen, dass die Unterscheidung zwischen DP- und NP-Nominalisierungen eine zentrale Rolle für die Art der Ereignislesart spielen könnte. Der Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist die Beobachtung, dass DP-Nominalisierungen dadurch gekennzeichnet sind, dass der Determinierer als alleiniger Nominalisierer einer verbalen Struktur fungiert. Den Autorinnen zufolge liegt daher die Vermutung nahe, dass die Semantik des Determinierers entscheidend für die Interpretationsmöglichkeiten der Nominalisierung ist. Ihre Argumentation basiert des Weiteren darauf, dass DP-Nominalisierungen (nicht nur im Rumänischen) ausschließlich mit dem definiten Artikel kombinierbar sind und somit die Semantik des definiten Artikels ausschlaggebend für die Verfügbarkeit von Lesarten ist. NP-Nominalisierungen können in Verbindung mit dem definiten Artikel sowohl episodisch als auch generisch referieren, vgl. hier noch einmal (40). Somit stellt sich ausgehend von Iordăchioaias & Soares Determinierer-Analyse die Frage, warum in Verbindung mit einer reinen VP-Struktur möglicherweise nur eine Artenbezeichnung möglich ist. (40) a. El nacimiento del niño tuvo lugar en un hospital cercano. ‚Die Geburt des Kindes hat in einem nahegelegenen Krankenhaus stattgefunden.‘ b. El nacimiento de un niño es un acontecimiento grande. ‚Die Geburt eines Kindes ist ein großes Ereignis.‘
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
211
Für das Spanische ergeben sich daneben noch weitere Fragen. Erstens ist ohne Hinweise wie z. B. einen Modifizierer in (38) nicht einmal klar, ob Typ-B-NI reine DP-Nominalisierungen sind. Zweitens wissen wir nicht, ob intern verbal strukturierte NI nur den definiten Artikel oder auch andere Determinierer zulassen (vgl. Kap. 2) und drittens ist unabhängig von den genannten empirischen Fragen denkbar, dass eine mögliche Präferenz für generische Lesarten auch anderweitig motiviert sein könnte. Eine Affinität zu Ereignistypreferenz könnte auch darauf zurückführbar sein, dass NI vorwiegend auf zeitlich unbegrenzte Ereignisse verweisen (vgl. Abschnitt 5.3.2). Ich beschränke mich daher zunächst auf die Vermutung, dass eine Präferenz für generische Lesarten sowohl mit der Semantik des Determinierers als auch mit der Perspektivierung von Ereignissen als zeitstrukturell unbegrenzt zu tun haben könnte, und wende mich den folgenden empirischen Fragen zu. Sind Typ-B-NI in Ereignislesarten akzeptabel und, wenn ja, kann ihnen eine Präferenz für Ereignistypreferenz nachgewiesen werden oder existiert sogar eine kategoriale Beschränkung, die Typ-B-NI zur Benennung von Ereignisepisoden inakzeptabel macht?
8.3.1 Hypothesen und Experimentdesign Experiment 3 testet von transitiven Basen gebildete NI, deren UNDERGOERArgument als de-PP realisiert wird (Typ A) oder als BN adjazent zum Infinitiv steht (Typ B). Die Akzeptabilität beider Formtypen wird sowohl in generischen als auch in episodischen Ereignislesarten untersucht. Experiment 3 basiert somit wie Experiment 1 und 2 auf einem zweifaktoriellen Design mit je zwei Faktorausprägungen: – Formtyp: Typ A vs. Typ B – Ereignislesart: episodisch vs. generisch Ausgehend von den Ergebnissen des ersten und zweiten Experiments wird erwartet, dass Typ-B-NI akzeptabler als Typ-A-NI sind. Typ A sollte weder in episodischen noch in generischen Lesarten als Ereignisnominalisierung akzeptiert werden. Für Typ B ist hingegen damit zu rechnen, dass sich die Art der Ereignisreferenz signifikant auf die Akzeptabilität auswirkt. Insbesondere in generischen Lesarten sollte dieser Formtyp gut funktionieren. Unklar ist jedoch, wie Typ B in episodischen Lesarten abschneidet, die für verbal(er) strukturierte Nominalisierungen als eher atypisch angesehen werden können. Da zur Verwendung von Typ-B-NI in Ereignislesarten bisher kaum Daten vorliegen, ist diese Bedingung mit einem Fragezeichen versehen. Alle vier experimentellen Bedingungen
212
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
und die jeweils erwartete Akzeptabilität sind in Tabelle 24 zusammengefasst. Die Beispiele (41) und (42) exemplifizieren ein konkretes Tokenset. Tabelle 24: Experiment 3 – Design und erwartete Akzeptabilität. episodisch
generisch
A
*
*
B
?
✓
Ereignislesart Formtyp NI
(41) Aún no han vuelto a poner la producción en servicio y a. *el buscar de soluciones (Typ A, episodisch) das Suchen von Lösungen b. ?el buscar soluciones (Typ B, episodisch) das Suchen Lösungen todavía continúa. ‚Die Produktion ist noch nicht wieder in Betrieb genommen worden und das Suchen nach Lösungen geht weiter.‘ (42) Durante un divorcio, los niños son los que más sufren y a. *el buscar de soluciones (Typ A, generisch) das Suchen von Lösungen b. ✓el buscar soluciones (Typ B, generisch) das Suchen Lösungen es un proceso que a menudo requiere ayuda externa. ‚Während einer Scheidung sind die Kinder diejenigen, die am meisten leiden, und das Suchen nach Lösungen ist ein Prozess, der oft Hilfe von außen erfordert.‘
8.3.2 Material Im Folgenden wird anhand von Tabelle 25 erläutert, wie sich das für Experiment 4 verwendete Testmaterial zusammensetzt und nach welchen Kriterien es gebildet wurde.
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
213
Tabelle 25: Experiment 3 – Infinitiv- und UNDERGOER-Lexeme. Infinitivlexem
UNDERGOER-Lexem
1.
llevar ‚tragen‘
mascarillas ‚Mundschutze‘
2.
buscar ‚suchen‘
soluciones ‚Lösungen‘
3.
utilizar ‚verwenden, benutzen‘
productos químicos ‚Chemikalien‘
4.
usar ‚verwenden, benutzen‘52
protección ‚Schutz‘
5.
observar ‚beobachten‘
pájaros ‚Vögel‘
6.
transportar ‚befördern, transportieren‘
alimentos ‚Lebensmittel‘
7.
vigilar ‚beaufsichtigen, bewachen‘
maletas ‚Koffer‘
8.
empujar ‚schieben‘
carritos ‚Einkaufswägen‘
Als Basisverben für die NI wurden ausschließlich Verben verwendet, die nach Ramchands Systematik für die Merkmale [init, proc] spezifiziert sind und somit transitive Verben darstellen, deren zweites Argument ein UNDERGOER ist. In Abschnitt 8.2.2 wurde gezeigt, dass durch ein BPN in Objektposition immer, d. h. unabhängig von der Klasse des Basisverbs, unbegrenzte Ereignislesarten entstehen. Init-proc-Verben ergeben aber auch dann atelische VPn, wenn die Objektposition z. B. durch eine definite Singular-DP besetzt, wie in (43) durch den Zeitadverbialtest sichtbar wird (vgl. Kapitel 3, insb. Abschnitt 3.4.2 und 3.5.1). (43) a. Buscaron soluciones {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Sie suchten zwei Stunden lang / in zwei Stunden Lösungen.‘ b. Buscaron la solución {durante dos horas / *en dos horas}. ‚Sie suchten die Lösung zwei Stunden lang / in zwei Stunden.‘ Die morphosyntaktischen Eigenschaften des UNDERGOER-Arguments wurden in Bezug auf Numerus und Determiniertheit konstant gehalten. Bis auf eine Ausnahme in Form des Massennomens protección waren alle UNDERGOER bloße Pluralnomen wie soluciones in (41) und (42), die entweder in eine PP eingebettet
51 3. ist der einzige Fall, in dem das UNDOERGOER-Lexem durch ein Adjektiv modifiziert wurde. Dadurch konnten in beiden Lesarten plausiblere Kontexte geschaffen werden, außerdem kollokiert productos mit químicos. 52 Da die Verben usar und utilizar (partielle) Synonyme darstellen, wurde bei der Pseudorandomisierung darauf geachtet, dass zwischen den beiden Stimuli abgesehen von den ohnehin erforderlichen Distraktoren stets mindestens ein weiteres Item platziert wurde.
214
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
wurden (Typ A) oder adjazent zum Infinitiv erschienen sind (Typ B). Des Weiteren wurden (bis auf pájaros) nur unbelebte, in jedem Fall aber nicht-menschliche UNDERGOER gewählt, um differenzielle Objektmarkierung als potenzielle Störvariable auszuschließen (vgl. z. B. Bleam 1999 zu BPN und differenzieller Objektmarkierung). Insgesamt wurden acht Tokensets gebildet, wobei auch in diesem Experiment mit Hilfe des Wortschatzportals der Universität Leipzig nach Möglichkeit miteinander kollokierende Verben und Nomen ausgewählt wurden. Anders als in den Vorgängerexperimenten konnten in Experiment 3 die NI in allen vier Bedingungen mit demselben lexikalischen Material gebildet werden. Die NI waren jeweils Subjekte von Matrixprädikaten, die eindeutig episodische oder generische Ereignislesarten ausgelöst haben. Für die Elizitierung von episodischen Lesarten wurden insbesondere Verben verwendet, die einen bestimmten zeitlichen Ablauf oder eine Veränderung über das vom NI bezeichnete Ereignis prädiziert haben, vgl. (44). Für generische Lesarten wurden die NI mit Individuenprädikaten wie solchen in (45) kombiniert. Wie in den anderen Experimenten wurde auch in Experiment 3 die jeweils intendierte Lesart durch zusätzliches Kontextmaterial vereindeutigt (vgl. Abschnitt A.4 für eine Übersicht über das vollständige Material). (44) X ya está en marcha ‚X ist schon im Gang‘, X continúa ‚X wird fortgesetzt / geht weiter‘, X está avanzando ‚X nimmt zu, verbreitet sich‘ (45) X es una actividad popular ‚X ist eine beliebte Aktivität‘, X puede ser una tarea fatigosa ‚X kann eine anstrengende Tätigkeit sein‘, X es un proceso que […] ‚X ist ein Vorgang, der […]‘ Wie oben dargelegt, soll durch Experiment 3 unter anderem getestet werden, ob Typ-B-NI insbesondere in generischen Ereignislesarten akzeptabel sind. Ein Problem bei der Überprüfung dieser Hypothese könnte darin bestehen, dass eine etwaige Präferenz für Ereignistypreferenz durch das BPN in Objektposition begünstigt werden könnte. In Abschnitt 8.2 haben wir gesehen, dass BPN auf nicht-individualisierte und nicht-begrenzte Mengen referieren. Sie tragen somit semantische Eigenschaften, die nicht dazu beitragen, das vom Infinitiv bezeichnete Ereignis raumzeitlich zu verankern und könnten daher insbesondere mit generischen Lesarten kompatibel sein (vgl. Abschnitt 5.3.3 und Bücking (2009)). Evidenz dafür, dass die vermutete Präferenz für generische Lesarten von der Struktur des NI und nicht (allein) den referentiellen Eigenschaften des Arguments abhängt, könnten jedoch Typ-C-NI wie (46) liefern, d. h. verbal strukturierte NI mit einer vollen DP in Objektposition.
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
215
(46) a. ?/✓En el sur de la región hay un parque nacional. Entre los turistas el visitar la reserva es una actividad muy popular. ‚Im Süden der Region gibt es einen Nationalpark. Unter den Touristen ist das Besuchen dieses Reservats eine sehr beliebte Aktivität.‘ b. ?/*En el sur de la región hay un parque nacional que el grupo quería ver, pero ahora el visitar la reserva se está prolongando demasiado por las malas condiciones del camino. ‚Im Süden der Region gibt es einen Nationalpark, den die Gruppe sehen wollte, aber jetzt zieht sich das Besuchen des Reservats wegen der schlechten Straßenverhältnisse zu lange hin.‘ Eine Objekt-DP, die wie in (46) spezifisch referiert, trägt dazu bei, das Ereignis zu konkretisieren und könnte somit eine episodische Ereignisinterpretation begünstigen. Dennoch weisen Korpusbelege und informelle Befragungen zu Satzpaaren wie dem in (46) darauf hin, dass die generische Lesart im Vergleich zur episodischen akzeptabler ist, vgl. (46)a vs. b. Diese Beobachtung unterstützt die Vermutung, dass bestimmte Formtypen von NI – nämlich Typ B und C – per Struktur für Ereignistypreferenz prädestiniert sind und Lesartpräferenzen nicht (nur) durch die referentiellen Eigenschaften des realisierten Arguments zustande kommen. Außerdem sei hinzugefügt, dass BPN zwar mit generischen Lesarten besonders kompatibel zu sein scheinen, aber die Akzeptabilität von episodisch referierenden Äußerungen nicht prinzipiell schmälern, vgl. (47) und (48) (vgl. auch Abschnitt 8.2.3). (47) los coches […] que ayer transportaron pasajeros por última vez (Google) ‚die Autos, die gestern zum letzten Mal Passagiere transportiert haben‘ (48) En la búsqueda de soluciones se realizó un análisis […]. (Google) ‚Bei der Suche nach Lösungen wurde eine Analyse […] durchgeführt.‘
8.3.3 Testpersonen An Experiment 3 haben 28 Personen teilgenommen. 21 der 28 Testpersonen waren Studierende der Universidad Autónoma de Madrid, 12 davon haben spanische Philologie studiert. Die anderen sieben Testpersonen gehörten unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern an und es ist anzunehmen, dass keine der Testpersonen Erfahrung mit linguistischen oder anderen kognitionswissenschaftlichen Experimenten hatte. Die Testpersonen waren nicht über das Studienziel informiert und haben
216
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
keine Aufwandsentschädigung erhalten. Alle personenbezogenen Informationen zu Experiment 3 können Abschnitt A.7 entnommen werden.
8.3.4 Durchführung Die Daten wurden zwischen März und Mai 2015 mit surveygizmo erhoben. Das Material wurde nach dem lateinischen Quadrat gegenbalanciert, pseudorandomisiert und auf vier Gruppen à sieben Personen aufgeteilt. Auch dieses Experiment basiert auf einem within-subject-Design. In diesem Fall hat jede Testperson jede Bedingung zweimal bewertet und somit acht Testsätze erhalten, die durch zwölf Füll- bzw. Kontrollsätze ergänzt wurden. Jede Testperson hat somit insgesamt 20 Stimuli bewertet, wodurch sich eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von knapp 20 Minuten ergeben hat. Als Füll- und Kontrollmaterial wurden dieselben Stimuli wie in Experiment 1 und 2 verwendet (vgl. Abschnitt 7.2.2). Die abhängige Variable Akzeptabilität wurde erneut auf einer siebenstufigen Likertskala gemessen und die Testpersonen wurden gebeten, die NI ausschließlich auf ihre Angemessenheit im gegebenen Kontext zu bewerten und nicht danach zu urteilen, ob sie die jeweiligen Formen selbst verwenden würden. Die Arbeitsanweisung zum Experiment sowie eine Übersicht über die Verteilung und Positionierung der Stimuli ist im Anhang zu finden (vgl. Abschnitt A.3 und A.6).
8.3.5 Auswertung und Ergebnisse Da Experiment 3 mit 28 Testpersonen durchgeführt wurde und jede Testperson acht Teststimuli bewertet hat, ergibt sich eine Grundgesamtheit von 224 Token (n = 224). Für jede Bedingung wurden 56 Bewertungen abgegeben. Die pro Bedingung abgegebenen Bewertungen sind in Tabelle 26 zusammengefasst. Die Bewertungen wurden paarweise durch Anwendung des Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Tests und der Bonferroni-Korrektur auf Unterschiede verglichen. Wir betrachten zunächst Typ A im Vergleich zu Typ B jeweils in episodischen und generischen Lesarten, vgl. Abbildung 11 und Abbildung 12. Die Auswertung zeigt, dass Typ B in beiden Lesarten signifikant akzeptabler ist als Typ A, wobei der Unterschied in generischer Lesart besonders deutlich ausfällt (episodische Lesart: Typ A (Mdn = 1, Typ B Mdn = 3, W = 827, p < 0,001; generische Lesart: Typ A Mdn = 1, Typ B Mdn = 6, W = 478, 5, p < 0,001).
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
217
Tabelle 26: Experiment 3 – Bewertungen (numerisch). Bewertungen
Bedingungen
Gesamtsummen
Typ A episodisch
Typ B episodisch
Typ A generisch
Typ B generisch
≈ perfekt akzeptabel
,
,
,
,
≈ völlig inakzeptabel
Gesamtsumme SD
***
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 Typ A, episodisch
Typ B, episodisch
Abbildung 11: Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A vs. Typ B in episodischen Lesarten.
218
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
***
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 Typ A, generisch
Typ B, generisch
Abbildung 12: Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A vs. Typ B in generischen Lesarten.
Im nächsten Schritt wurden jeweils innerhalb desselben Formtyps Akzeptabilitätsunterschiede in Abhängigkeit von der Lesart betrachtet, vgl. Abbildung 13 und Abbildung 14. Abbildung 13 zeigt, dass Typ A sowohl in episodischen als auch in generischen Lesarten als überwiegend inakzeptabel beurteilt wurde. Dieses Ergebnis entspricht den Erwartungen und bestätigt die Ergebnisse des ersten Experiments. Das eigentlich interessante Resultat sehen wir in Abbildung 14, denn im Fall von Typ B ist ein deutlicher Einfluss der Lesart auf die Akzeptabilität erkennbar. Typ-B-NI haben in generischen Lesarten überwiegend hohe Akzeptabilitätswerte erhalten (Mdn = 6), in episodischen Lesarten hingegen meist mittlere oder niedrige Bewertungen (Mdn = 3). Der Unterschied zwischen den Bedingungen ist signifikant (W = 944, p < 0, 01). Um die Effekte der manipulierten Faktoren zu schätzen, wurde ein gemischtes Modell angepasst, in dem NI-Typ (A vs. B) und Lesart (episodisch vs. generisch) als feste Effekte sowie ein zufälliger intercept-Effekt für jeden Stimulus berücksichtigt wurden. Das finale Modell enthält die Interaktion von Nominalisierungstyp und Lesart als signifikanten Prädiktor (χ2 (3) = 55,122, p < 0,001).
8.3 Experiment 3: Generische vs. episodische Lesarten
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 Typ A, episodisch
Typ A, generisch
Abbildung 13: Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ A in episodischen vs. generischen Lesarten.
**
7 6
Bewertung
5 4 3 2 1 Typ B, episodisch
Typ B, generisch
Abbildung 14: Experiment 3 – Akzeptabilität von Typ B in episodischen vs. generischen Lesarten.
219
220
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
8.3.6 Diskussion Experiment 3 hat die Akzeptabilität von Typ A und Typ B in episodischen und generischen Ereignislesarten getestet. Als Basis wurden hierfür ausschließlich transitive Verben mit der Merkmalspezifizierung [init, proc] verwendet, deren UNDERGOER-Argument als PP (Typ A) bzw. als BN adjazent zum Infinitiv (Typ B) realisiert wurde. Typ B hat im Vergleich zu Typ A in beiden untersuchten Lesarten deutlich höhere Akzeptabilitätswerte erhalten. Für Typ A konnten die Ergebnisse von Experiment 1 repliziert werden und es hat sich bestätigt, dass von transitiven [init, proc]-Verben gebildete Typ-A-NI mit einem UNDERGOER-Argument unabhängig von der Lesart weitgehend inakzeptabel sind. Für Typ B hat sich hingegen ein völlig anderes Bild gezeigt. Typ-B-NI sind in generischen Lesarten signifikant akzeptabler ausgefallen als in episodischen Lesarten, aber auch in letztgenannter Interpretation waren sie zumindest mittelmäßig akzeptabel. Aus diesem Ergebnis ergeben sich unter anderem folgende Überlegungen. Ausgehend von der Annahme, dass Typ B anders als Typ A eine reine DP-Nominalisierung ist oder zumindest sein kann, zeigt sich für spanische NI – ähnlich wie für bestimmte Nominalisierungstypen in anderen Sprachen (vgl. Abschnitt 5.3.4) – ein Zusammenhang zwischen Nominalisierungsgrad und Lesartpräferenz. Typ-B-NI sind im Vergleich zu Typ-A-NI verbal(er) strukturierter Nominalisierungen, denen durch Experiment 3 eine deutliche Präferenz für generische Lesarten nachgewiesen werden konnte. Wichtig ist auch die Beobachtung, dass die eindeutig nominal strukturierten Typ-A-NI eine solche Tendenz nur bei transitiven Basisverben und realisiertem höheren Argument zeigen (vgl. Experiment 2). Von intransitiven Verben gebildete Typ-A-NI waren in generischen und episodischen Lesarten etwa gleich akzeptabel (vgl. Experiment 1). Der nominale Typ A weist demnach anders als Typ B keine generelle Affinität zu Ereignistypreferenz auf. Die Akzeptabilitätswerte von Typ B zeigen des Weiteren, dass zwar eine klare Präferenz für generische Lesarten existiert, die Formen aber in episodischen Lesarten nicht völlig inakzeptabel sind. Es ist also keine kategoriale Beschränkung erkennbar, die es verbieten würde, Typ B als Ereignistoken zu interpretieren. Die Unterschiede zwischen episodischen und generischen Lesarten lassen sich somit eher als Fälle abgestufter Akzeptabilität und nicht in Form von absoluter (Un)Grammatikalität darstellen. Die Feststellung, dass Typ B als Ereignisnominalisierung verwendet werden kann und in episodischen Lesarten mittelmäßig und in generischen Lesarten sehr akzeptabel ist, wirft auch die Frage auf, wie NI im Vergleich zu anderen ereignisdenotierenden Nominalisierungen distribuiert sind. Ein solcher Vergleich erscheint problematisch, da bereits die semantischen Unterschiede zwischen
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
221
verschiedenen Nominalisierungsaffixen nicht genau bekannt sind (vgl. aber Fábregas 2010) und Bedeutungskomponenten von einzelnen Ereignisnominalisierungen zudem mehr oder weniger stark lexikalisiert sein können. An dieser Stelle soll daher lediglich die Vermutung formuliert werden, dass die Distribution von NI im Vergleich zu deverbalen Nomen durch Lesartpräferenzen mitbestimmt wird. Die Ergebnisse von Experiment 3 könnten darauf hindeuten, dass in episodischen Lesarten vor allem deverbale Nomen auftreten, während in generischen Lesarten NI im Vergleich mindestens genauso akzeptabel zu sein scheinen, wie hier durch eine Abwandlung des in (41) und (42) gezeigten Tokensets und die entsprechenden Akzeptabilitätsurteile von zwei Sprechern illustriert ist. (49) Aún no han vuelto a poner la producción en servicio y a. (✓) el buscar soluciones b. ✓ la búsqueda de soluciones todavía continúa. ‚Die Produktion ist noch nicht wieder in Betrieb genommen worden und das Suchen / die Suche wird fortgesetzt.‘ (50) Durante un divorcio, los niños son los que más sufren y a. ✓ el buscar soluciones b. ✓ la búsqueda de soluciones es un proceso que a menudo requiere ayuda externa. ‚Während einer Scheidung sind die Kinder diejenigen, die am meisten leiden, und das Suchen / die Suche nach Lösungen ist ein Prozess, der oft Hilfe von außen erfordert.‘ Experiment 3 hat insgesamt gezeigt, dass Typ-B-NI ein Verfahren zur Bildung von Ereignisnominalisierungen repräsentieren, dessen besondere Eigenschaft in einer deutlichen Affinität zu generischer Referenz zu sehen ist.
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz Experiment 4 stellt ebenso wie Experiment 3 einen Vergleich zwischen Typ A und Typ B dar. In diesem Fall steht die Frage im Mittelpunkt, durch welche Anaphern die NI pronominalisiert werden können und welche Hinweise das Pronominalisierungsverhalten der Formen auf ihre DP-interne Struktur liefern könnte. Der Ausgangspunkt für dieses Vorgehen ist folgender: Da Nomen im Spanischen immer für grammatisches Genus spezifiziert sind, werden sie in der Regel durch maskuline oder feminine Anaphern pronominalisiert, während nicht-nominale Struktu-
222
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
ren wie CPn keine Genusspezifizierung aufweisen und durch genuslose Anaphern wiederaufgenommen werden (vgl. Picallo 2005, 2008, 2012). Dieser Unterschied ist in verschiedenen syntaktisch orientierten Arbeiten auch an deverbalen Nominalisierungen beobachtet worden (vgl. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, Iordăchioaia 2014, Iordăchioaia & Soare 2008). Dabei ist festgestellt worden, dass bestimmte Nominalisierungen durch maskuline oder feminine Anaphern pronominalisiert werden, während andere nur durch genuslose Formen wiederaufgenommen werden können. Das Pronominalisierungsverhalten macht den genannten Arbeiten zufolge strukturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Nominalisierungstypen sichtbar. Pronominalisierung durch maskuline oder feminine Anaphern zeigt demnach, dass eine nominale Struktur vorliegt, die Genuskongruenz auslöst, während Pronominalisierung durch genuslose Anaphern darauf hinweist, dass das Antezedens intern verbal strukturiert ist und kein Genusmerkmal besitzt. Betrachten wir diesen Unterschied an einem bereits bekannten Beispiel aus dem Rumänischen. In Abschnitt 5.3.4 haben wir gesehen, dass NI in dieser Sprache stets NP-Nominalisierungen darstellen, während nominale Supine intern verbal strukturiert sind und als DP-Nominalisierungen gelten. In Bezug auf Genuskongruenz fällt auf, dass der NI nur durch eine feminine Anapher pronominalisiert werden kann, wohingegen das nominale Supin nur eine genuslose Anapher erlaubt, vgl. (51) gegenüber (52) (Beispiele aus Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011: 30). (51) Am vorbit despre interpreta-re-a lui Hamlet. Se pare ca intepret-INF-ART.F von Hamlet {aceasta / ?asta} dies/es diese-F îi consacră pe actorii tineri. ‚Wir haben über die Interpretation von Hamlet gesprochen. Offenbar ist sie eine Bewährungsprobe für die jungen Schauspieler.‘ (52) Am vorbit despre interpreta-tu-l lui Hamlet. Se pare ca intepret-SUP-ART.M von Hamlet {*acesta / asta dies/es dies.M îi atrage pe toţi actorii tineri. ‚Wir haben über die Interpretation von Hamlet gesprochen. Offenbar reizt sie alle jungen Schauspieler.‘ Auch spanische NI sind in der Literatur im Hinblick auf pronominale Kongruenz erwähnt worden. So nehmen beispielsweise de Miguel (1996) und Plann
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
223
(1981) an, dass Typ-A-NI wie (53) und (54) nur durch maskuline Anaphern wie él oder el que pronominalisiert werden können, wohingegen Satzinfinitive wie (55) und (56) als eindeutig NP-lose Strukturen nur genuslose Anaphern wie lo que oder eso erlauben. (53) No puede dormir con ese tiritar de las hojas, pero tampoco puede dormir sin {él/*ello}. (Plann 1981: 233) ‚Er kann mit diesem Rascheln der Blätter nicht schlafen, aber er kann auch nicht ohne es schlafen.‘ (54) El deambular del jugador, {el/*lo} que me preocupa, es el que ha tenido lugar últimamente. (de Miguel 1996: 39) ‚Dieses [ziellose] Herumlaufen des Spielers, das mich beunruhigt, ist das, was in letzter Zeit passiert ist.‘ (55) El mirarle tan dulcemente la amada, das ansehen=ihn so zärtlich die Geliebte {*ése / eso} es lo que le mantiene DEM-M DEM ilusionado. (de Miguel 1996: 38) ‚Dass ihn die Geliebte so zärtlich ansieht, dies ist es, was seine Hoffnung aufrechterhält.‘ (56) El deambular el jugador, {*el / lo} das herumlaufen der Spieler ART-M ART cual ha tenido lugar últimamente, es lo que REL
me preocupa (de Miguel 1996: 39) ‚Dass der Spieler (ziellos) herumläuft, was in letzter Zeit passiert ist, ist es, was mich beunruhigt.‘ Nicht klar ist das Verhalten von verbal(er)en NI im Mittelbereich der Nominalisierungsskala. Für Typ-B-NI stellt sich also die Frage, ob sie durch maskuline oder durch genuslose Anaphern pronominalisiert werden. In Kapitel 2 und in Abschnitt 8.2.4 haben wir gesehen, dass die Formen syntaktisch flexibel sind, meistens allerdings ein verbales Distributionsverhalten zeigen. Ausgehend von diesen Beobachtungen ist zu erwarten, dass Typ B sich im Hinblick auf Pronominalisierung anders verhält als Typ A und zumindest überwiegend durch genuslose Anaphern pronominalisiert wird. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde eine Entscheidungsaufgabe mit zwei Wahlmöglichkeiten (two-alternative
224
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
forced-choice task) konzipiert (vgl. Schütze & Sprouse 2013: 31 f.). Als Stimuli wurden Typ-A-NI und Typ-B-NI verwendet und die Aufgabe der Testpersonen bestand darin, zwischen einer maskulinen und einer genuslosen Anapher zu entscheiden, um den jeweils als Antezedens vorkommenden NI zu pronominalisieren. Das Experiment verfolgt damit das Ziel, durch Genusspezifizierung Hinweise auf das Vorhandensein oder Fehlen einer nominalen Struktur innerhalb der DP zu erhalten. Die folgende Diskussion wird allerdings auch zeigen, dass die Pronominalisierbarkeit der NI nicht ausschließlich unter morphosyntaktischen Gesichtspunkten interpretiert werden kann, sondern dass aller Wahrscheinlichkeit nach auch konzeptuell-semantische Faktoren eine Auswirkung darauf haben, wie ein NI pronominalisiert wird. Bevor Experiment 4 besprochen wird, werden in Abschnitt 8.4.1 zunächst einige Grundannahmen zu Genus im Zusammenhang mit NI eingeführt. Anschließend wird in Abschnitt 8.4.2 ein kurzer Überblick darüber gegeben, welche grammatischen und nicht-grammatischen Faktoren pronominale Kongruenz beeinflussen können.
8.4.1 Genus Für die weitere Diskussion wird eine auf Hockett (1958: 231) zurückgehende Definition von Genus verwendet, die nicht nur in der typologischen (vgl. Corbett 1991, Velupillai 2012), sondern auch in der syntaxtheoretischen Literatur (vgl. Kramer 2015) häufig als Ausgangspunkt verwendet wird. Ich beziehe mich im Folgenden auf die Version von Kramer (2015: 70). Genus is (i) the sorting of nouns into two or more classes (ii) assigned depending on biological sex, animacy, and/or humanness, for at least some animate nouns (iii) reflected by agreement patterns on other elements (e.g. adjectives, determiners, verbs, auxiliaries).
Für die Fragestellung von Experiment 4 sind vor allem der erste und dritte Bestandteil der Definition relevant. Aus Teil (i) geht hervor, dass sich Nomen in zwei oder mehr Klassen einteilen lassen müssen, damit von einem Genussystem gesprochen werden kann. Im Spanischen liegt durch Wegfall des lateinischen Neutrums ein (überwiegend) zweiteiliges System vor (vgl. Loporcaro 2018 zu zwei- und dreiteiligen Genussystemen in den romanischen Sprachen). Nomen sind also entweder Maskulina oder Feminina. Dreiteilige Unterscheidungen und Relikte lateinischer Neutrummorphologie zeigen sich allerdings im Determinierer- und Pronominalsystem sowie bei der dialektal auftretenden soge-
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
225
nannten „Massennomenkongruenz“ (vgl. Abschnitt 8.4.2 und 8.4.2.1, Loporcaro 2016, Pomino 2017 als Überblick). Des Weiteren folgt aus (i), dass nur Nomen für Genus spezifiziert sind und somit angenommen werden kann, dass intern verbal strukturierte DP-Nominalisierungen kein Genusmerkmal tragen.53 Bestandteil (iii) der Definition ist wichtig, weil er zeigt, dass sich Genus auf morphosyntaktischer Ebene in Form von Kongruenz manifestiert. Kongruenz ist außerdem das Kriterium, anhand dessen Genus von anderen nominalen Sortierungsverfahren, insbesondere Nominalklassenmarkierung, unterschieden werden kann. Im Spanischen kongruieren Determinierer, Pronomen, Quantifizierer, Adjektive und Passivpartizipien mit einem nominalen Regens in Bezug auf Genus. Typ-A-NI sind NP-Nominalisierungen, enthalten aber weder ein eindeutiges Nominalisierungssuffix, das lexikalisch für Genus spezifiziert sein könnte,54 noch einen nominalen Formklassenmarkierer, der in irgendeiner Weise für Genuszuweisung relevant sein könnte. In der Literatur wird angenommen, dass die Genusspezifizierung von NI des nominalen Typs (Typ A) ausschließlich durch pronominale Kongruenz sichtbar wird (vgl. u. a. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, de Miguel 1996). Dabei ist davon auszugehen, dass der Infinitiv durch die Umkategorisierung von V zu N Maskulinum als Defaultgenus erhält. Dass Maskulinum im Spanischen das Defaultgenus darstellt, gilt als unstrittig, denn sofern ein nominales Regens keine (eindeutige) Genusspezifizierung besitzt, kongruieren die regierten Elemente im Maskulinum (vgl. u. a. Harris 1991, Roca 1989). So sieht man beispielsweise an (57), dass eine Konjunktion von Nomen mit verschiedenen Genera maskuline Kongruenz auslöst, und (58) zeigt, dass die genuslose Präposition para durch Verwendung als Nomen in einem metasprachlichen Kontext ebenfalls Kongruenz im Maskulinum evoziert. (57) Los tomates y las berenjenas ya están maduros. Aubergine-F-PL reif-M-PL Tomate-M-PL ‚Die Tomaten und Auberginen sind schon reif.‘
53 Die Frage, in welcher funktionalen nominalen Projektion Genus zu verorten ist, wird im Folgenden mangels Relevanz für meine Fragestellung nicht thematisiert (vgl. hierzu u. a. Kramer 2015, Picallo 1991, 2008, Ritter 1993). 54 In manchen Studien wird davon ausgegangen, dass dem Infinitivmorphem (im Spanischen -r) zwei Lexikoneinträge entsprechen. Zum verbalen Flexionsaffix gibt es demnach ein homonymes Nominalisierungsaffix (vgl. z. B. Bierwisch 2008: 317 f. zu NI im Deutschen, de Miguel 1996: 44 f. zum Spanischen). Unter dieser Sichtweise ist ein für Maskulinum spezifiziertes Affix -r natürlich denkbar.
226
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
(58) Hay demasiados “paras” en este párrafo, por ejemplo: mira, zu viel-M-PL para-PL este “para” está de más. dies-M (Harris 1991: 43) ‚In diesem Absatz stehen zu viele „paras“, zum Beispiel: Sieh mal, dieses „para“ ist überflüssig.‘
8.4.2 Pronominale Kongruenz Im vorherigen Abschnitt haben wir gesehen, dass sich grammatisches Genus durch Kongruenz manifestieren kann. Im weiteren Sinn fällt darunter jede Art von Übereinstimmung zwischen einem Regens und seinen regierten Elementen in morphosyntaktischen Merkmalen wie Genus, Numerus oder Person (vgl. Pesetzky & Torrego 2007 für eine formalsyntaktische Definition). Im Folgenden ist vor allem pronominale Genuskongruenz von Interesse, d. h. die Übereinstimmung einer Anapher mit einem vorausgehenden Nomen oder einer Nominalisierung in Bezug auf grammatisches Genus. Genauer gesagt geht es um Szenarien wie (53)–(56), in denen ein NI das Antezedens darstellt, das durch eine Anapher pronominalisiert wird. Wir betrachten hierfür zunächst unter Berücksichtigung des definiten Artikels, der mit den Relativpronomen que und cual zu sogenannten „komplexen Relativpronomen“ kombiniert werden kann, das Pronominalsystem des Spanischen. Tabelle 27 zeigt, dass der definite Artikel, die Personalpronomen der 3. Person sowie die Demonstrativpronomen neben einer maskulinen und einer femininen Form jeweils noch über eine numerusinvariable dritte Form verfügen (vgl. Eguren Gutiérrez 1999, Fernández Soriano 1999, Leonetti 1999). Tabelle 27: Genus und Numerus von Pronomen und Determinierern im Spanischen. Maskulinum
Femininum
genuslos
SG.
PL.
SG.
PL.
definiter Artikel
el
los
la
las
lo
Personalpronomen
él
ellos
ella
ellas
ello
Demonstrativpronomen
este
estos
esta
estas
esto
ese
esos
esa
esas
eso
aquel
aquellos
aquella
aquellas
aquello
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
227
Die in der rechten Spalte dargestellten Pronomen werden in der Literatur oft als Neutrumpronomen bezeichnet, da sie auf lateinische Neutra zurückgehen (vgl. Penny 2002). Anders als diese flektieren die spanischen Formen allerdings nicht nach Numerus und das Nominalparadigma des heutigen Spanisch enthält kein drittes Genus bzw. Neutrum (vgl. Pomino 2017: 701–703 für einen Überblick), weshalb lo, ello, esto, eso und aquello oft auch als genuslose Pronomen bezeichnet werden (vgl. z. B. Picallo 2005). Diese Terminologie wird hier u. a. deshalb übernommen, weil die genannten Pronomen in der Regel als Anaphern auftreten, mit denen auf nicht-nominale Antezedenten verwiesen wird (vgl. Fernández-Ordoñez 2007a, Picallo 2005: 108), während nominale Antezedenten in der Regel eine für Maskulinum oder Femininum spezifizierte Anapher erfordern, vgl. (59)a vs. b sowie (60)a vs. b. (59) a. [Desde hace unos días mi hija de doce años se pintai], {*eli/loi} que no me gusta de todo. ‚Seit einigen Tagen schminkt sich meine zwölfjährige Tochter, was mir gar nicht gefällt.‘ (nach Reumuth & Winkelmann 2006: 156) b. Mañana tengo [una reunióni], a {lai / *loi} que no quiero renunciar. ‚Morgen habe ich eine Besprechung, auf die ich nicht verzichten will.‘ (60) a. Antes me gustaba Pedroi, pero {éli / *elloi / *esoi} ya no me interesa. ‚Früher gefiel mir Pedro, aber er interessiert mich nicht mehr.‘ b. [Antes me gustaba ir al cinei], pero {*éli / *esei / esoi} ya no me interesa. ‚Früher ging ich gern ins Kino, aber das interessiert mich nicht mehr.‘ (nach Fernández-Ordóñez 2007a: 55) Diese Beobachtung ist für meine Fragestellung von zentralem Interesse, da sie die Vermutung legitimiert, dass NI mit einer NP-Projektion durch maskuline Anaphern pronominalisiert werden oder zumindest pronominalisiert werden können, während verbal strukturierte NI durch genuslose Anaphern pronominalisiert werden sollten. Die Hypothese ist allerdings insofern problematisch, als Kongruenz keineswegs allein durch syntaktische Merkmale gesteuert wird (vgl. Schmitt 2008 für einen Überblick über pronominale Kongruenz), worauf in den folgenden Abschnitten eingegangen wird. 8.4.2.1 Semantisch-konzeptuelle Faktoren Sowohl anhand von Numerus als auch von Genus kann man sehen, dass pronominale Anaphern nicht immer in syntaktischen Merkmalen mit ihrem Antezedens
228
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
übereinstimmen müssen und dass zwischen syntaktischer Kongruenz und semantisch-konzeptueller Kongruenz (oder auch Koreferenz) unterschieden werden muss (vgl. u. a. Corbett 1991, 2006, Wiese 1983). So stellt beispielsweise in (61) das Antezedens a Harley zwar im Singular. Die Anapher it, die im Numerus mit dem Antezedens kongruiert, scheint jedoch weniger akzeptabel als eine Plural-Anapher, die sich konzeptuell auf die Klasse der Motorräder bezieht, vgl. (61)a gegenüber b. Ähnlich verhält es sich in (62). Das Antezedens Mädchen ist für Neutrum spezifiziert, in (61)a kongruiert die Anapher mit dem Antezedens auch im Neutrum, während in (61)b semantische Kongruenz vorliegt, die auf dem Sexus des Referenten beruht (vgl. z.B. Ihsane & Sleeman 2016 zu syntaktischer und semantischer Kongruenz mit belebten Nomen im Französischen). (61) I want a new Harley. a. ?It is really huge, but it is gas-efficient. b. They are really huge, but they are gas-efficient. ‚Ich möchte eine neue Harley. Sie ist/sind wirklich riesig, aber sparsam.‘ (Gernsbacher 1991: 82) (62) Ich habe das Mädchen gesehen, a. wie es das Haus verließ. b. wie sie das Haus verließ. (Wiese 1983: 381) Da uns im Hinblick auf Experiment 4 syntaktisches Genus interessiert, stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen syntaktische Kongruenz begünstigt wird. Die Arbeiten von Corbett (1979, 1991, 2006) haben gezeigt, dass syntaktische Kongruenz umso wahrscheinlicher ist, desto geringer die sogenannte „syntaktische Distanz“ zwischen Antezedens und pronominaler Anapher ausfällt, vgl. (63) und (64). In (63) muss das Relativpronomen mit seinem Antezedens rein syntaktisch kongruieren. Rein semantisch-konzeptuelle Kongruenz erscheint hier inakzeptabel. Anders verhält es sich mit einem Personalpronomen wie in (64). Hier ist eine Anapher, die rein konzeptuell mit dem Sexus des Antezedens übereinstimmt, akzeptabler oder mindestens genauso akzeptabel wie eine Anapher, die syntaktisch kongruiert. Entscheidend ist hier, dass das Relativpronomen in (63) in derselben DP steht wie das Antezedens. In diesen Fällen ist syntaktische Kongruenz oft obligatorisch. In (64) ist die syntaktische Distanz zwischen Anapher und Antezedens hingegen größer. Das Personalpronomen steht außerhalb der Rektionsdomäne des Antezedens, wodurch rein semantischkonzeptuelle Kongruenz begünstigt wird.
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
229
(63) das Mädchen, {das/*die} das Haus verlassen hat […]. (64) Das Mädchen hatte das Haus verlassen. {Sie/?Es} behauptet, nichts vom Streit der Nachbarn mitbekommen zu haben. Corbett (1979: 204) hat die oben exemplifizierte Generalisierung in Form einer Kongruenzhierarchie erfasst, vgl. Abbildung 15. Sofern ein Regens Abweichungen von morphosyntaktischer Kongruenz zulässt, steigt ihm zufolge die Wahrscheinlichkeit für semantische Kongruenz von links nach rechts (vgl. Corbett 2006: 207).
attributiv > prädikativ > Relativpronomen > Personalpronomen Abbildung 15: Kongruenzhierarchie nach Corbett.
Da meine Fragestellung syntaktische Genuskongruenz betrifft und semantischkonzeptuelle Faktoren nach Möglichkeit keine Rolle spielen sollten, ergibt sich für Experiment 4 die Anforderung, die syntaktische Distanz zwischen Antezedens und Anapher gering zu halten. Wie oben erwähnt, kann sich Genusspezifizierung von NI, wenn überhaupt, nur durch pronominale Kongruenz zeigen. Für die Entscheidungsaufgabe werden folglich keine Personal- oder Demonstrativpronomen, sondern Relativpronomen verwendet, so dass Antezedens und Anapher innerhalb derselben DP vorkommen. Darüber hinaus ist unter semantischer Perspektive zu beachten, dass sich auch Eigenschaften der NI selbst auf die Art der Kongruenz auswirken können. NI perspektivieren Ereignisse als unbegrenzte Entitäten und weisen eine Reihe von distributionellen Gemeinsamkeiten mit Massennomen auf (vgl. Krifka 1991 als Überblick über Massennomen). Beispielsweise sind sie genauso wie genuine Massennomen nicht pluralisierbar, vgl. (65). Typ A kann außerdem durch bestimmte Singularformen wie tanto ‚so viel‘ quantifiziert werden, vgl. (66). (65) a. el azúcar / *lo-s azúcar-es ‚der Zucker‘ / ART-PL Zucker-PL b. el trinar de los pájaros / *los trinar-es de los pájaros ‚das Tirilieren der Vögel‘ / ART-PL tirilieren-PL der Vögel c. el observar pájaros / *los observar-es pájaros ‚das Vögelbeobachten‘ / ART-PL beobachten-PL Vögel
230
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
(66) a. tanto azúcar ‚so viel Zucker‘ b. con tanto gritar de los chiquillos (Demonte & Varela 1998: 147) ‚bei so viel Schreien der Kleinen‘ Der Massennomencharakter von NI ist aus folgendem Grund relevant: Die genuslosen Determinierer- und Pronominalformen weisen anders als ihre maskulinen und femininen Entsprechungen keine Numerusdistinktion auf, vgl. Tabelle 27 oben, und es bekannt, dass sie häufig, wie z. B. der Determinierer lo in (67), auf nicht-zählbare Entitäten verweisen (vgl. u. a. Leonetti 1999: § 12.1.3, Pomino & Stark 2009 zum Demonstrativpronomen esto). (67) lo bueno ‚das Gute‘ Des Weiteren erscheint beachtenswert, dass Massennomen in einer Reihe von ibero- und italoromanischen Varietäten andere Kongruenzmarkierungen auslösen als Individuennomen, so dass sich dialektal dreiteilige Systeme ergeben, in denen zwischen maskulinen Individuennomen, femininen Individuennomen und Massennomen unterschieden wird.55 So werden in Ostasturien, Kantabrien sowie teilweise auch in Kastilien und León z. B. das klitische Objektpronomen lo oder die numerusinvariablen Demonstrativpronomen esto/eso/aquello verwendet, um Massennomen wie leche in (68) und (69) zu pronominalisieren (vgl. z. B. Fernández-Ordóñez 2009, 2019). se loi comprábamos a un vecino. (NGLE 2009: §12.2ñ) (68) La lechei die Milch-F DAT=MASS ‚Die Milch kauften wir einem Nachbarn ab.‘ mancha el vaso, no (69) La lechei die Milch-F estoi que echamos ahora que no mancha el vaso, aquelloi dieses-MASS jenes-MASS manchaba el vaso. (COSER zitiert aus Fernández-Ordóñez 2019: 65).
55 Das sogenannte neutro de/di materia kann sich auf unterschiedliche Weise manifestieren und sich nicht nur an kongruierenden Wortarten, sondern auch am Nomen selbst zeigen. Die betreffenden italo- und iberoromanischen Varietäten variieren hier untereinander beträchtlich (vgl. Loporcaro 2016: 933 f., Pomino 2017: 695–697 als Überblick, Bonet & Mascaró 2012, Fernández-Ordóñez 2007b, 2009, 2019 zu den nordspanischen Varietäten).
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
231
‚Die Milch macht das Glas schmutzig, nicht die, die wir jetzt ausschenken, die das Glas nicht schmutzig macht, die [andere] machte das Glas schmutzig.‘ Im Hinblick auf das zu besprechende Experiment lässt sich Folgendes festhalten: Die Tatsache, dass NI nicht pluralisierbar sind und Ereignisse typischerweise als unbegrenzte, nicht-zählbare Entitäten perspektivieren, könnte dazu beitragen, dass sie durch genuslose Pronomen wie lo que / lo cual wiederaufgenommen werden (können). Da die oben genannten Eigenschaften auf beide NI-Typen zutreffen, sollten etwaige Unterschiede in der Pronominalisierung zwischen Typ A und Typ B hierdurch jedoch nicht bedingt sein. 8.4.2.2 Experimentbezogene Faktoren Ein weiterer Faktor, der die Wahl einer Anapher beeinflussen könnte, ist in der Art des Experiments zu sehen. Eine Entscheidungsaufgabe stellt ein offline-Experiment dar, das Auskunft über die Interpretation der Anaphern im Diskurskontext gibt (vgl. Abschnitt 6.2.2 zur Unterscheidung von online- und offline-Methoden). Aus psycholinguistischen Studien ist jedoch bekannt, dass rein syntaktische Kongruenz vor allem bei der Sprachverarbeitung relevant ist, bei der Interpretation von pronominalen Anaphern im Diskurskontext aber nur bedingt eine Rolle spielt. Der Unterschied soll anhand einer Studie zum Spanischen von Garnham et al. (1995) illustriert werden, in der die Testpersonen mit Sätzen konfrontiert wurden, in denen jeweils die pronominale Anapher lo vorkam, vgl. (70) und (71). (70) a. Alicia arrestó a Pabloi porque loi descubrió robando un coche. ‚Alicia hat Pablo verhaftet, weil sie entdeckt hat, wie er ein Auto gestohlen hat.‘ b. Ricardo arrestó a Pabloi porque loi descubrió robando un coche. ‚Ricardo hat Pablo verhaftet, weil er entdeckt hat, wie er ein Auto gestohlen hat.‘ (71) a. La grúa remolcó al autobúsi porque loi inmovilizó la nieve. ‚Der Abschleppwagen hat den Bus abgeschleppt, weil ihn der Schnee lahmgelegt hat.‘ b. El camión remolcó al autobúsi porque loi inmovilizó la nieve. ‚Der LKW hat den Bus abgeschleppt, weil ihn der Schnee lahmgelegt hat.‘ (Garnham et al. 1995: 45)
232
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
In allen Sätzen waren lo zwei Nominalausdrücke vorangestellt, von denen jeweils einer das Antezedens war. In den a-Varianten der Sätze standen jeweils zwei NPn, von denen eine Femininum und die andere Maskulinum war, vgl. Alicia und Pablo in (70)a sowie la grúa und el autobús in (71)a. In diesen Satzvarianten hat lo nur mit einer der NPn im Hinblick auf Genus übereingestimmt, nämlich mit Pablo in (70)a und el autobús in (71)a. In den b-Varianten wurden jeweils zwei maskuline NPn im vorausgehenden Kontext verwendet, vgl. Ricardo und Pablo in (70)b sowie el camión und el autobús in (71)b. In diesen Fällen hat das Genus der Antezedenten nicht zur Auflösung der Anapher beigetragen, da lo diesbezüglich mit beiden NPn übereingestimmt hat. Entscheidend ist nun folgender Unterschied: Beim selbstbestimmten Lesen wurden jeweils signifikant kürzere Lesezeiten gemessen, wenn die Interpretation der Anapher durch Genus desambiguiert wurde, unabhängig davon, ob der Referent belebt oder unbelebt war. Bei einem Frage-Antwort-Test mit denselben Stimuli war der Einfluss von syntaktischer Kongruenz viel weniger deutlich. Die Testpersonen haben zwar schneller geantwortet, wenn die Anapher durch das Genus des Antezedens desambiguiert wurde, vgl. (70)a und (71)a. Allerdings war der Effekt nur gering, wenn es um die Interpretation von nicht-belebten Entitäten ging, vgl. bei (71)a gegenüber (70)a. Die Experimentreihe von Garnham et al. weist somit darauf hin, dass rein morphosyntaktische Information zwar auf Verarbeitungsebene eine wichtige Rolle spielt, bei der Interpretation von pronominalen Anaphern im Diskurskontext jedoch weniger prominent ist und vermutlich zu Gunsten von konzeptueller Information in den Hintergrund tritt. Hierin ist ein methodisches Problem zu sehen, da der im Folgenden zu besprechende Entscheidungstest genauso wie der oben beschriebene Frage-Antwort-Test eine offline-Methode darstellt, durch welche lediglich die Interpretation von Anaphern im Diskurskontext getestet werden kann. Trotz minimaler syntaktischer Distanz zwischen Antezedens und Anapher bzw. Beschränkung auf die Domäne der DP muss also davon ausgegangen werden, dass die Pronominalisierung der NI keine rein syntaktische Operation darstellt.
8.4.3 Hypothesen und Experimentdesign Ausgehend von den oben dargelegten Beobachtungen lassen sich die Hypothesen für Experiment 4 wie folgt präzisieren. Es wird erwartet, dass zwischen Typ A und Typ B keine völlig eindeutigen Unterschiede bestehen, sich jedoch verschiedene Tendenzen zeigen. Typ A sollte als NP-Nominalisierung für Maskulinum spezifiziert sein und daher überwiegend durch maskuline Anaphern pronominalisiert werden. Typ-B-NI, die in der Regel [DP[VP]]-Strukturen darstellen und somit kein Genusmerkmal tragen, sollten vor allem genuslose Anaphern erlauben.
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
233
Durch die im Folgenden vorzustellende Entscheidungsaufgabe wird der Einfluss des Faktors Formtyp des NI (A vs. B) auf die Wahl der Anapher (Maskulinum oder genuslos) untersucht. Die Testpersonen geben somit indirekte Akzeptabilitätsurteile ab, indem sie aus zwei vorgegebenen Anaphern die für sie akzeptablere ausgewählt haben, vgl. Tabelle 28. Das Satzpaar in (72) exemplifiziert ein konkretes Tokenpaar mit den Antwortoptionen jeweils in beiden möglichen Reihenfolgen (vgl. Abschnitt 8.4.6 zur Präsentation der Antwortmöglichkeiten im Fragebogen). Tabelle 28: Experiment 4 – Design und erwartete Akzeptabilität.
Formtyp NI
Wahl bzw. Akzeptabilität der pronominalen Anapher (Maskulinum vs. genuslos)
A
überwiegend Maskulinum (el que / el cual)
B
überwiegend genuslos (lo que / lo cual)
(72) a. A la condesa le consolaba el trajinar de las criadas, sin __________ no soportaría la soledad en su mansión. □ el que / el cual □ lo que / lo cual (Reihenfolge 1) □ lo que / lo cual □ el que / el cual (Reihenfolge 2) ‚Die Gräfin tröstete das Hantieren ihrer Dienstmädchen, ohne das sie die Einsamkeit in ihrem Anwesen nicht aushielte.‘ b. A la condesa le consolaba el comer golosinas, sin __________ no soportaría la soledad en su mansión. □ el que / el cual □ lo que / lo cual (Reihenfolge 1) □ lo que / lo cual □ el que / el cual (Reihenfolge 2) ‚Die Gräfin tröstete das Süßigkeitenessen, ohne das sie die Einsamkeit in ihrem Anwesen nicht aushielte.‘
8.4.4 Material Im Folgenden wird anhand von Tabelle 29 die Zusammensetzung des Testmaterials erläutert, das insgesamt aus sechszehn Stimuli besteht, die auf acht Tokenpaare aufgeteilt wurden. Jedes Paar besteht aus einem Testsatz mit Typ A und einem Testsatz mit Typ B. In der Regel haben sich diese Paare wie in (72) nur durch den NI, nicht aber durch das sonstige lexikalische Material unterschieden. In wenigen Fällen
234
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
Tabelle 29: Experiment 4 – lexikalisches Material. Typ-A-NI
Typ-B-NI
. a. el patinar de los alumnos b. el hacer pasteles ‚das Schlittschuhlaufen der Schüler‘ ‚das Kuchenbacken‘ . a. el patrullar de las brigadas ‚das Patrouillieren der Truppen‘
b. el organizar redadas ‚das Razzienorganisieren‘
. a. el deambular de los yonquis ‚das Herumlaufen der Junkies‘
b. el discutir disparates ‚das Unsinnigkeitendiskutieren‘
. a. el anidar de las cigüeñas ‚das Nisten der Störche‘
b. el observar cigüeñas ‚das Störchebeobachten‘
. a. el pulular de las libélulas ‚das Sichtummeln der Libellen‘
b. el reparar cosas ‚das Sachenreparieren‘
. a. el trajinar de las criadas ‚das Hantieren der Dienstmädchen‘
b. el comer golosinas ‚das Süßigkeitenessen‘
. a. el caminar de los pelegrinos ‚das Wandern der Pilger‘
b. el mover bancos ‚das Bänkeverrücken‘
. a. el trotar de los potros ‚das Trotten der Ponys‘
b. el colorear libros ‚das Bücherausmalen‘
wurde das Material innerhalb eines Tokenpaars leicht variiert, um plausiblere Kontexte zu schaffen, vgl. (73)a gegenüber b. Um die pronominale Kongruenz auf die Domäne der DP zu beschränken und die syntaktische Distanz zwischen NI und Anapher so gering wie möglich zu halten, wurde das Experiment mit Relativpronomen durchgeführt. Daher wurde jedes Mal eine maskuline bzw. genuslose Form des definiten Artikels el oder lo in Kombination mit dem Relativpronomen que bzw. cual verwendet. Alle Relativsätze des Experiments beginnen mit einer Präposition wie z. B. con in (73), da komplexe Relativpronomen in dieser Konstellation als besonders typisch gelten (vgl. z. B. Peregrín Otero 1999). (73) a. A los residentes les calmaba el patrullar de las brigadas, con __________ el gobierno municipal intentaba prevenir más saqueos en el barrio. □ el que / el cual □ lo que / lo cual (Reihenfolge 1) □ lo que / lo cual □ el que / el cual (Reihenfolge 2) ‚Die Anwohner beruhigte das Patrouillieren der Truppen, mit dem die Regierung weitere Plünderungen im Viertel zu verhindern versuchte.‘
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
235
b. Al comisario le calmaba el organizar redadas, con __________ intentaban prevenir más saqueos en el barrio. □ el que / el cual □ lo que / lo cual (Reihenfolge 1) □ lo que / lo cual □ el que / el cual (Reihenfolge 2) ‚Den Kommissar beruhigte das Organisieren von Razzien, mit dem versucht wurde, weitere Plünderungen im Viertel zu verhindern.‘ Lexikalische und syntaktische Faktoren, welche die Wahl der pronominalen Anapher beeinflussen konnten, wurden durchgängig kontrolliert. Die Matrixverben – sowohl diejenigen im Hauptsatz als auch die diejenigen im Relativsatz – waren innerhalb eines Paars stets identisch. Die NI hatten außerdem stets dieselbe syntaktische Funktion und kamen als postverbales Subjekt eines evaluativ-faktiven Prädikats vor. Auf diese Weise konnten zwei potenzielle Probleme vermieden werden: Lo ist nicht nur die genuslose Form des definiten Artikels, sondern auch die Akkusativform des klitischen Personalpronomens. Ein NI in Objektfunktion hätte somit evtl. die Wahl von lo begünstigen können. Obwohl lo nicht vom Prädikat des Matrixsatzes, sondern von der Präposition im Relativsatz regiert wird, sollte dieser Faktor eliminiert werden. Die postverbale Stellung des NI hat es zudem ermöglicht, den Relativsatz als letzten Teil des Stimulus anzuschließen und einen möglicherweise höheren Verarbeitungsaufwand durch mittige Relativsatzeinbettung zu vermeiden. Um sicherzustellen, dass nur der NI als Ganzer (und nicht das Argument innerhalb der DP) als Antezedens interpretiert werden konnte, waren alle Argumentlexeme Pluralformen. Auf diese Weise konnte z. B. in (73)a nur der NI el patrullar de las brigadas und nicht nur das Argument las brigadas als Antezedens fungieren. Des Weiteren wurde das Genus der Argumente innerhalb eines Tokenpaars konstant gehalten, wie man ebenfalls in (73) an las brigadas und las redadas sieht. Tabelle 29 zeigt, dass insgesamt vier Paare mit Argumenten im Maskulinum und vier Paare mit Argumenten im Femininum verwendet wurden. Das Genus des Nomens wurde im gemischten Modell als möglicher Einflussfaktor berücksichtigt, vgl. Abschnitt 8.4.7. Die Basisverben für die jeweiligen NI wurden mit dem Ziel ausgewählt, die Akzeptabilität der NI nicht negativ zu beeinflussen. Für Typ-A-NI wurden daher intransitive initi-proci- Verben verwendet. Mit Ausnahme von anidar ‚nisten‘ handelt es sich in allen Fällen um Verben der Bewegungsart (vgl. Abschnitt 4.1.1.1). Für Typ-B-NI wurden transitive Basisverben ausgewählt, d. h. init-proc-Verben mit einem UNDERGOER-Argument (z. B. el discutir disparates) oder initi-prociVerben mit einem PFAD-Argument (z. B. el comer golosinas). Wie in Abschnitt 4.2 erläutert können Typ-B-NI uneingeschränkt von allen (transitiven) Verbklassen gebildet werden, so dass in diesem Fall keine Einschränkungen auf eine Klasse
236
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
notwendig waren. Alle NI haben zeitlich unbegrenzte, d. h. atelische (Typ A) oder unbegrenzt-iterative (Typ B) Ereignisse bezeichnet. Unerwünschte Variation zwischen den Basisverben kommt höchstens dadurch zustande, dass die intransitiven Verben im Vergleich zu den transitiven deutlich niedriger frequent sind und speziellere Bedeutungen aufweisen, vgl. z. B. trajinar vs. comer (vgl. Tabelle 29). Dieser Unterschied konnte jedoch in Experiment 4 anders als in den Vorgängerexperimenten in Kauf genommen werden, denn das Ziel bestand nicht darin, die Akzeptabilität von Typ A im Vergleich zu Typ B zu testen, sondern darin, die Akzeptabilität einer pronominalen Anapher in Abhängigkeit von einem bestimmten NI zu ermitteln. Mit Hilfe des Wortschatzportals der Universität Leipzig wurde auch für dieses Experiment nach möglichst miteinander kollokierenden Verben und Nomen gesucht. Die NI wurden zudem in Kontexte eingebettet, in denen sie jeweils plausible Lesarten erhalten haben. Alle Testsätze sind im Anhang in Abschnitt A.4 aufgeführt. Füll- und Kontrollsätze wurden parallel zum Testmaterial aufgebaut, so dass alle Stimuli unter dieselbe Arbeitsanweisung subsumiert werden konnten. Die Testpersonen mussten sich daher auch bei den Füllern für eine von zwei pronominalen Anaphern entscheiden, um ein bestimmtes Antezedens zu pronominalisieren. Während in einigen Fällen nur eine der beiden Anaphern akzeptabel war (Kontrollsätze), waren in anderen Fällen beide Anaphern akzeptabel, wenn auch nicht immer im gleichen Ausmaß (Füllsätze), vgl. (74) und (75). Die Sätze wurden in unveränderter oder abgewandelter Form aus der GDLE entnommen (vgl. Eguren Gutiérrez 1999, Peregrín Otero 1999). (74) Cuando, por fin, conseguimos forzar el armario, {*él/este} se abrió de golpe. (nach Eguren Gutiérrez 1999: 945) ‚Als wir es endlich schafften den Schrank mit Gewalt zu öffnen, ist er mit einem Schlag aufgesprungen.‘ (75) Al final, Teresa abandonó a su marido porque {este/él} la había estado engañando con una colega durante años. (nach Eguren Gutiérrez 1999: 945) ‚Letztendlich hat Teresa ihren Mann verlassen, weil er sie jahrelang mit einer Kollegin betrogen hatte.‘
8.4.5 Testpersonen An Experiment 4 haben 56 Personen teilgenommen. Der Link zum Fragebogen wurde an ausgewählte Personen gesendet und außerdem über Facebook geteilt. 18 der 56 Testpersonen waren Studierende, 3 davon haben spanische Philologie
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
237
studiert. Die Mehrheit der Testpersonen gehörte unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern an und es ist anzunehmen, dass keine von ihnen Erfahrung mit linguistischen oder anderen kognitionswissenschaftlichen Experimente hatte. Das Ziel der Studie war keinem der Testpersonen bekannt. Als Anreiz zur Teilnahme wurden zwei Gutscheine im Wert von je 25€ verlost. Alle personenbezogenen Informationen können Abschnitt A.7 entnommen werden.
8.4.6 Durchführung Experiment 4 unterscheidet sich von den anderen Experimenten dieser Arbeit darin, dass keine expliziten Akzeptabilitätsbewertungen auf einer Skala abgegeben werden, sondern eine von zwei angebotenen Antwortoptionen ausgewählt werden muss. Bei einer solchen Entscheidungsaufgabe können Reihenfolgeeffekte auf zwei Ebenen eine Rolle spielen. Wie immer kann die Position des Stimulus im Fragebogen seine Bewertung beeinflussen, außerdem kann sich auch die Reihenfolge der Nennung der Anaphern auf die Auswahl auswirken. Beispielsweise könnten Testpersonen der Einfachheit halber stets die erstgenannte Anapher auswählen. Das ist insbesondere in Fällen denkbar, in denen beide Anaphern für prinzipiell akzeptabel erachtet werden. Um Reihenfolgeeffekten bei der Auswahl der Anaphern vorzubeugen, wurden acht Listen erstellt. Das Material wurde zunächst nach den Regeln der Gegenbalancierung auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die Testpersonen haben aus einem Testsatzpaar jeweils nur einen Stimulus erhalten und insgesamt acht Teststimuli bewertet, vier Typ-A-NI und vier Typ-B-NI. Es wurde also erneut ein within-subject-Design verwendet. Die erste Gruppe hat durch randomisierte Zuweisung die Stimuli 1A, 2B, 3A, 4B, 5A, 6B, 7B und 8A erhalten, die zweite Gruppe entsprechend die übrigen Stimuli 1B, 2A, 3B, 4A, 5B, 6A, 7A und 8B. Auch die Reihenfolge der angebotenen Anaphern wurde ausbalanciert. Den Testpersonen wurde viermal als erste Option die Anapher angeboten, die als präferiert erwartet wurde, in den anderen vier Fällen wurde zuerst die Anapher genannt, die dispräferiert sein sollte. Beide NI-Typen wurden also je zweimal zuerst mit el que / el cual (Maskulinum) und je zweimal zuerst mit lo que / lo cual (genuslos) präsentiert. Durch dieses Vorgehen wurden Reihenfolgeeffekte sowohl in Bezug auf die Stimuli als auch in Bezug auf die jeweils möglichen Antworten minimiert (vgl. Abschnitt A.6 zu Reihenfolge und Anaphern). Die Daten wurden zwischen Dezember 2015 und Januar 2016 mit surveygizmo erhoben. Zur Eliminierung der oben betrachteten Reihenfolgeeffekte wurde das Material auf 8 Gruppen à sieben Personen aufgeteilt.
238
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
8.4.7 Auswertung und Ergebnisse Da 56 Testpersonen am Experiment teilgenommen haben und jede Testperson acht Stimuli erhalten hat, wurden insgesamt 448 NI getestet, davon 224 Typ A-NI und 224 Typ-B-NI. Die jeweilige Anzahl der gewählten Anaphern ist in Tabelle 30 dargestellt. Tabelle 30: Experiment 4 – Auswahl (numerisch). Pronominale Anapher
Maskulinum el que / el cual
Genuslos lo que / lo cual
Gesamt
Typ A
/%
/%
Typ B
/%
/%
/%
/%
Formtyp NI
Gesamt
Zunächst fällt auf, dass sich für Typ A keine eindeutige Tendenz zeigt. In 52% der Fälle wurde el que / el cual gewählt, in 48% der Fälle lo que / lo cual. Maskuline Anaphern waren also im Vergleich zu genuslosen nur geringfügig häufiger. Deutlicher fällt der Unterschied für Typ B aus. Die Testpersonen haben sich in 89% der Fälle für die genuslose Form (lo que / lo cual) entschieden, die maskuline Form (el que / el cual) wurde in nur 11% der Fälle gewählt. Dieses Ergebnis wurde zunächst auf signifikante Unterschiede überprüft. Hierfür wurde der McNemar-χ2-Test verwendet, der erstens auf nominale Daten sowie zweitens verbundene Stichproben ausgelegt ist (vgl. Field 2013: 232 und Abschnitt 6.3.7). Das Ergebnis zeigt, dass es einen signifikanten Unterschied in der Verteilung von maskulinen und genuslosen Pronomen zwischen Typ A und Typ B gibt (χ2 (1) = 50,94 bei χ2crit = 3,84, p < 0,05). Um den Effekt des manipulierten Faktors zu schätzen, wurde ein verallgemeinertes lineares gemischtes Modell angepasst, in dem der NI-Typ (A vs. B) sowie das Genus des bloßen Nomens (Maskulinum vs. Femininum) als feste Effekte sowie ein zufälliger intercept-Effekt für jeden Stimulus und jede Testperson berücksichtigt wurden. Der NI-Typ hat sich dabei als einziger signifikanter Prädiktor erwiesen (χ2 (1) = 25,769, p < 0,001). Die Überprüfung der Daten zeigt erhebliche Bewertungsunterschiede zwischen unterschiedlichen Stimuli sowie Testpersonen. Im Folgenden werden daher zunächst die einzelnen Stimuli in Abbildung 16 und Abbildung 17 getrennt aufgeführt, um den Einfluss des lexikalischen Materials auf die Ergebnisse sichtbar zu machen. Jeder Stimulus wurde 28mal bewertet.
239
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
Für Typ B bestätigt sich die Tendenz, die sich bei der Gesamtauswertung gezeigt hat, denn alle Instanziierungen dieses Formtyps wurden mehrheitlich durch eine genuslose Anapher pronominalisiert, so dass das lexikalische Material die Auswahl der Anapher offenkundig nicht beeinflusst hat. 30
27
26
25
25
25
24
25
25
22
20 15 10 6 5 0
2
3
4
3
3
3
1
el observar el colorear el comer cigüeñas libros golosinas
el discutir disparates Maskulinum
el hacer pasteles
el mover el organizar el reparar bancos redadas cosas
Genuslos
Abbildung 16: Experiment 4 – Anapherauswahl pro Stimulus (Typ B).
Für Typ-A-NI zeigt die Betrachtung der in Abhängigkeit vom lexikalischen Material gewählten Anaphern ein uneinheitliches Bild und es wird deutlich, dass unterschiedliche Stimuli unterschiedliche Antworttendenzen hervorgerufen haben, vgl. Abbildung 17. Nur bei zwei Stimuli, nämlich el patinar de los alumnos und el pulular de las libélulas, zeigen die Testpersonen die erwartet klare Präferenz für die maskuline Anapher. Für das Antezedens el trotar de los potros wird das maskuline Pronomen geringfügig häufiger gewählt. In allen anderen Fällen überwiegt wider Erwarten die genuslose Form lo que / lo cual. Die Unterschiede sind allerdings gering. Nur bei el anidar de las cigüeñas wird lo que / lo cual deutlich häufiger gewählt als el que / el cual. Des Weiteren zeigen sich folgende Unterschiede zwischen den Testpersonen. Zehn von 56 Personen wählen in allen Fällen – also sowohl für Typ A als auch für Typ B – die genuslose Anapher lo que / lo cual. Neun der 56 Testpersonen entscheiden kategorisch und wählen für Typ A immer Maskulinum und Typ B stets die genuslose Form. Die Mehrheit der Testpersonen verhält sich unter mindestens einer Bedingung uneinheitlich: Fünf Testpersonen wählen für Typ A immer Maskulinum, variieren aber bei Typ B. 21 Testpersonen verhalten sich umgekehrt, indem sie für Typ B immer die genuslose Form wählen, aber bei Typ A
240
8 Semantische und syntaktische Unterschiede zwischen Typ A und Typ B
25
23 20
19
20
16
15 15 10
13
16
15 13
12
12
9
15 13
8 5
5 0 el anidar de las cigüeñas
el el caminar deambular de los de los pelegrinos yonquis
el patinar de los alumnos Maskulinum
el patrullar de las brigadas
el pulular de las libélulas
el trajinar de las criadas
el trotar de los potros
Genuslos
Abbildung 17: Experiment 4 – Anapherauswahl pro Stimulus (Typ A).
variieren. Elf Testpersonen wählen schließlich unter beiden Bedingungen beide Pronomen (in unterschiedlicher Häufigkeit).
8.4.8 Diskussion In Experiment 4 wurden Typ A und Typ B daraufhin verglichen, ob sie eher durch genuslose Anaphern wie lo que / lo cual oder durch maskuline Anaphern wie el que / el cual pronominalisiert werden. Für Typ-A-NI als NP-Nominalisierungen wurde eine Präferenz für die maskuline Form el que / el cual erwartet. Für Typ-B-NI, die in der Regel allein durch einen Determinierer nominalisiert werden und keine NP enthalten, wurde mit einer Pronominalisierung durch lo que / lo cual gerechnet. Die Ergebnisse der Entscheidungsaufgabe haben gezeigt, dass sich die NI im Hinblick auf Pronominalisierung signifikant unterscheiden und Typ B anders als Typ A tatsächlich in der Mehrheit der Fälle durch genuslose Anaphern pronominalisiert wird. Allerdings kann dieses Ergebnis nicht als eindeutiger Hinweis oder gar Evidenz dafür gewertet werden, dass Typ-B-NI verbalere Nominalisierungen sind, die keine NP-Projektion und damit auch kein Genusmerkmal aufweisen. Trotz minimaler syntaktischer Distanz zwischen Antezedens und Anapher und der Tatsache, dass Typ-A-NI NP-Nominalisierungen sind, wurden auch sie in knapp der Hälfte der Fälle durch die genuslose Form lo que / lo cual prono-
8.4 Experiment 4: Genus und pronominale Kongruenz
241
minalisiert. Dieses Ergebnis deckt sich nicht mit den Annahmen der genannten syntaktischen Literatur, in der davon ausgegangen wird, dass NP-Nominalisierungen für Genus spezifiziert sind und dementsprechend stets durch eine für Genus spezifizierte Anapher pronominalisiert werden müssen (vgl. Alexiadou, Iordăchioaia & Schäfer 2011, de Miguel 1996, Plann 1981). Semantische Eigenschaften, die im Zusammenhang mit Zählbarkeit und Begrenztheit stehen, könnten die Wahl von lo im Fall beider NI-Typen begünstigt und dazu beigetragen haben, dass auch Typ A in einer beträchtlichen Anzahl der Fälle durch lo que / lo cual pronominalisiert worden ist. Zu Beginn des Kapitels wurde zwar aufgezeigt, dass beide hier untersuchten NI-Typen Eigenschaften aufweisen, die typisch für Massennomen sind, letztlich verlangt dieser Bereich aber genauere Untersuchungen und die Frage nach dem Einfluss von Zählbarkeit und Begrenztheit auf die Auswahl von Anaphern muss hier offengelassen werden. Vorläufig kann an dieser Stelle nur Folgendes konstatiert werden. Der signifikante Unterschied zwischen Typ-ANI und Typ-B-NI deutet darauf hin, dass Typ-B-NI verbalere Nominalisierungen sind, allerdings ist die Auswahl pronominaler Anaphern zur Klärung dieser Frage nur begrenzt aussagekräftig. Die Entscheidungsaufgabe hat als offline-Experiment zwar erste Hinweise geliefert, für belastbare Generalisierungen erscheint allerdings der Einsatz von online-Methoden wie selbstbestimmtem Lesen oder Blickbewegungsmessung unerlässlich, da sich hierdurch der Einfluss konzeptuell-semantischer Faktoren reduzieren ließe.
9 Fazit und Ausblick In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, welche semantischen und syntaktischen Faktoren die Akzeptabilität von spanischen NI bedingen. Hierfür wurden im Rahmen von vier Experimenten Akzeptabilitätsurteile unter kontrollierten Bedingungen erhoben. Der Ausgangspunkt war dabei vor allem die Beobachtung, dass NI zwar ein syntaktisches Verfahren zur Bildung von Ereignisbezeichnungen darstellen, ihre Verwendung jedoch verschiedenen Beschränkungen unterliegt. Den empirischen Kern der Arbeit haben daher vier Untersuchungen gebildet, in denen anhand skalenbasierter Bewertungsstudien ermittelt wurde, wie die Interaktion von Verbsemantik, Argumentrealisierung und Lesarten die Akzeptabilität von NI beeinflusst. Dabei wurden ausschließlich solche Formen untersucht, die ein Argument der verbalen Basis realisieren. Nach dem Kriterium, auf welche syntaktische Position das Argument abgebildet wird, wurden in Kapitel 2 mit Typ A (el cantar de los pájaros ‚das Singen der Vögel‘), Typ B (el cantar coplas ‚das Liedersingen‘) sowie Typ C (el cantar las coplas ‚das Die-Lieder-Singen‘) drei Formen unterschieden, die Ereignislesarten erlauben. In Kapitel 2 wurde auf der Basis des Forschungsstandes nachgezeichnet, dass Typ A einen intern nominal strukturierten Formtyp darstellt, der Argumente des Basisverbs als PP eingeleitet durch die Präposition de realisieren kann, während Typ C zu einer VP expandiert und ein direktes Objekt regieren kann. Typ B wurde als eine Zwischenform klassifiziert, die sich syntaktisch flexibel verhalten und entweder nominale oder verbale Distributionseigenschaften aufweisen kann. Dabei ist deutlich geworden, dass nicht immer sichtbar ist, auf welcher Ebene sich der Übergang von einer verbalen in eine nominale Struktur vollzieht. Insbesondere lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten, ob das bloße Nomen, das adjazent zum Infinitiv steht, ein direktes Objekt oder ein in den V-Kopf inkorporiertes Nomen darstellt, weshalb die DP-interne Syntax von Typ B in Zukunft noch genauer aufgeschlüsselt werden sollte. Die experimentelle Untersuchung hat zwei der genannten Formtypen behandelt, erstens den eindeutig nominal strukturierten Typ A sowie zweitens den syntaktisch variablen Typ B, die in der Literatur beide mit Ereignisdenotation in Verbindung gebracht werden (vgl. z. B. Fábregas & Varela 2006). Basierend auf einer Klassifizierung von Verbklassen und Argumentrollen im Rahmen von Ramchands (2008) FPS in Kapitel 3 wurde in Kapitel 4 anhand der Erkenntnisse bisheriger Arbeiten dargelegt, dass die Bildung des nominalen Typs A verbklassenbezogenen Beschränkungen unterliegt und nur bestimmte Ereignispartizipanten als postnominale PP realisiert werden können. Typ-A-NI werden vor allem von init-proc-Verben gebildet, während Verben, die für eine Resultatkomponente spezifiziert sind, eher atypisch sind. In Bezug auf Argumentabbildung https://doi.org/10.1515/9783110723359-009
9 Fazit und Ausblick
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haben wir gesehen, dass in der Regel das einzige Argument eines intransitiven init-proc-Verbs als PP erscheint und es unklar ist, welches Argument eines transitiven init-proc-Verbs auf die nominalisierte Struktur abgebildet werden kann. Für Typ B ließ sich feststellen, dass seine Bildung nicht von bestimmten Basisverben abhängt, sondern er von allen Klassen transitiver Verben gebildet werden kann. Ausgehend von der Annahme, dass die Semantik des Basisverbs und Argumentrealisierung nur zwei relevante Faktoren sind, wurden in Kapitel 5 unterschiedliche Lesarten deverbaler Nominalisierungen identifiziert und es wurde danach gefragt, in welchen Lesarten NI auftreten können. Im Zentrum des Interesses standen die Fragen, ob bestimmte NI-Typen mit verschiedenen Lesartpräferenzen korrelieren und ob die Unterscheidung zwischen episodischer und generischer Ereignisreferenz ausschlaggebend ist. Dabei wurde vor allem auf zwei mögliche Zusammenhänge eingegangen: erstens die Beobachtung, dass generische Lesarten begünstigen können, dass innerhalb einer Ereignisnominalisierung das höhere und nicht das tiefere Argument realisiert wird, sowie zweitens die Generalisierung, dass intern verbal strukturierte Nominalisierungen anders als nominal strukturierte Formen eine Affinität für generische Lesarten aufweisen können. Die in Kapitel 4 und 5 erarbeiteten Beobachtungen und Fragestellungen haben den Anknüpfungspunkt für die experimentellen Untersuchungen dargestellt, die in Kapitel 7 und 8 besprochen wurden. In Kapitel 7 wurde anhand von zwei Experimenten der nominalere Typ A untersucht. Experiment 1 hat gezeigt, dass Typ-A-NI vor allem dann akzeptabel sind, wenn sie von intransitiven init-proc-Verben gebildet werden, deren einziges Argument als PP erscheint. Von transitiven init-proc-Verben gebildete Formen sind inakzeptabel ausgefallen, und zwar unabhängig davon, ob sie episodisch oder generisch referiert haben. Dieses Ergebnis wurde durch Experiment 2, in dem ausschließlich Typ-A-NI mit transitiven Basisverben untersucht wurden, genauer hinterfragt. Die zweite Studie hat nachgewiesen, dass die Interaktion von Lesarten und Argumentrealisierung einen signifikanten Einfluss auf die Akzeptabilität dieses Formtyps hat. Damit hat sich gezeigt, dass von transitiven Basisverben zumindest dann akzeptable Typ-A-NI gebildet werden können, wenn sie generisch referieren und nicht das tiefere, sondern das höhere Argument der zu Grunde liegenden Ereignisstruktur auf die PP abbilden. Insgesamt ergeben die Ergebnisse von Experiment 1 und 2 folgendes Bild: Typ-A-NI sind als Ereignisnominalisierungen vor allem dann akzeptabel, wenn sie einen verursachten Vorgang ohne Resultat bezeichnen und das einzige oder das ranghöchste Argument der verbalen Basis realisieren. Die Ereignisstrukturen, die bevorzugt durch Typ A lexikalisiert werden, lassen sich im Rahmen von Ramchands FPS somit wie in (1) und (2) darstellen.
244
9 Fazit und Ausblick
(1)
initP
INITIATOR–UNDERGOER init
procP
proc
(2)
initP INITIATOR init
procP UNDERGOER proc
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass die Akzeptabilität von NI mit realisiertem höheren Argument nicht allein auf die verbale Ereignisstruktur zurückgeführt werden kann, da z. B. von Strukturen wie (2) gebildete Typ-A-NI vor allem in generischen Lesarten von den Testpersonen akzeptiert wurden. In Kapitel 8 wurde anhand von zwei weiteren Experimenten Typ B untersucht und dem zuvor untersuchten nominalen Typ A gegenübergestellt. Durch beide Experimente konnten semantische und syntaktische Unterschiede zwischen den Formtypen nachgewiesen werden. In Experiment 3 wurde gezeigt, dass Typ B in generischen Ereignislesarten überwiegend sehr akzeptabel ist. Der Unterschied zwischen generischer und episodischer Ereignisreferenz war hochsignifikant, dennoch waren Typ-B-NI auch in episodischen Lesarten nicht völlig inakzeptabel, sondern haben überwiegend mittlere Akzeptabilitätswerte erzielt. Somit wird deutlich, dass die Akzeptabilität dieser NI kein dichotomisches Bild ergibt, sondern nur in Form eines Kontinuums erfasst werden kann. Der Einfluss des Zusammenspiels von Formtypen und Lesarten auf die Akzeptabilität der in dieser Arbeit untersuchten NI lässt sich insgesamt wie folgt zusam-
9 Fazit und Ausblick
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menfassen (vgl. Tabelle 31 als Gesamtübersicht). Der intern eindeutig nominal strukturierte Typ A kann prinzipiell sowohl episodisch als auch generisch referieren. Bei intransitivem Basisverb und Realisierung des einzigen Arguments beeinflussen Lesartunterschiede die Akzeptabilität der Formen nicht signifikant. Eine andere Situation entsteht in Verbindung mit transitiven Basisverben. Hier erhalten die Formen ausschließlich dann mittlere bis hohe Bewertungen, wenn das höhere Argument realisiert wird und der NI auf einen Ereignistyp referiert. Typ-B-NI stellen anders als Typ-A-NI ein Verfahren dar, um akzeptable Nominalisierungen mit realisiertem tieferen Argument zu bilden. Bei diesen Formen ist eine klare Präferenz für generische gegenüber episodischen Lesarten erkennbar. Hier könnte eine Interpretationsrestriktion vorliegen, welcher Nominalisierungen mit einer (teils) verbalen Struktur sprachübergreifend unterliegen. Tabelle 31: Gesamtübersicht – untersuchte Formtypen, Argumentrealisierungsvarianten, Lesarten und Akzeptabilität. Formtyp Syntaktische Struktur
Basisverb und realisiertes Argument
Lesart
Akzeptabilität
Typ A
intransitiv, einziges Argument (INITIATOR-UNDERGOER)
episodisch
✓
generisch
✓
transitiv, höheres Argument (INITIATOR oder INITIATOR-UNDERGOER)
episodisch
*
generisch
(✓)
transitiv, tieferes Argument (UNDERGOER oder PFAD)
episodisch
*
generisch
*
transitiv, tieferes Argument (UNDERGOER)
episodisch
(✓)
generisch
✓
Typ B
[DP [NP [N [V]]]]
[DP [NP [N [V]]]] oder [DP [VP [V]]]
Da mit Typ B ein Formtyp untersucht wurde, für den nicht immer klar erkennbar ist, ob er intern nominal oder verbal strukturiert ist, wurde zum Abschluss dieser Arbeit als viertes Experiment ein Entscheidungstest durchgeführt. Der Ausgangspunkt war die Annahme, dass NP-Strukturen im Spanischen immer für grammatisches Genus spezifiziert sind und durch maskuline oder feminine Anaphern pronominalisiert werden, wohingegen Strukturen ohne nominale Projektion keine Genusspezifizierung aufweisen und durch genuslose Anaphern wiederaufgenommen werden. Im Rahmen einer Entscheidungsaufgabe mit zwei
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9 Fazit und Ausblick
Wahlmöglichkeiten wurde daher ermittelt, durch welche Anaphern (Maskulinum oder genuslos) Typ A und Typ B pronominalisiert werden können und welche Hinweise das Pronominalisierungsverhalten der Formen auf die DP-interne Struktur von Typ B liefern könnte. Experiment 4 hat gezeigt, dass Typ B eine klare Präferenz für genuslose Anaphern wie lo que bzw. lo cual aufweist. Das Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass diese Art von NI eine verbalere Nominalisierung ist, die keine NP-Struktur enthält. Allerdings wurde auch berücksichtigt, dass Anapherinterpretation nicht allein durch syntaktische, sondern auch durch konzeptuell-semantische sowie experimentbezogene Faktoren beeinflusst wird, weshalb der Pronominalisierungstest nur eingeschränkt Auskunft über die DP-interne Struktur von Typ B geben konnte und weitere Untersuchungen notwendig erscheinen. Insgesamt konnten von den in dieser Arbeit herausgearbeiteten Fragen nur einige experimentell untersucht werden. Zahlreiche Fragen sind offengeblieben, von denen die meines Erachtens interessantesten hier noch einmal aufgegriffen werden sollen. Im Verlauf der Arbeit wurde wiederholt beobachtet, dass NI dazu tendieren, Ereignisse als unbegrenzte Entitäten darzustellen. Die Versprachlichung von unterschiedlichen ontologischen Entitäten als begrenzt bzw. unbegrenzt ist ein Thema, das in dieser Arbeit nur gestreift wurde, das die linguistische Forschung jedoch seit Langem beschäftigt und bereits in vielen Arbeiten unterschiedlicher theoretischer Ausrichtung behandelt worden ist (vgl. u. a. Brinton 1998, Jackendoff 1991, Krifka 1989, Mourelatos 1978). Im Verbalbereich wird zeitstrukturelle Unbegrenztheit vor allem durch atelische VPn und imperfektiven Aspekt ausgedrückt. Daneben werden aber auch Iterativität, Generizität und Habitualität üblicherweise mit unbegrenzter Ereignisdarstellung in Verbindung gebracht. So ist beispielsweise bekannt, dass imperfektive Formen häufig verwendet werden, um generische oder habituelle Ereignisse auszudrücken (vgl. u. a. Carlson 2012, Krifka et al. 1995, Mari et al. 2013). In der vorliegenden Arbeit wurde Unbegrenztheit lediglich auf der Ebene der Ereignisstruktur genauer behandelt (vgl. Abschnitt 3.4). Die in Kapitel 4 vorgestellten Daten haben Hinweise darauf geliefert, dass NI bevorzugt, wenn auch nicht ausschließlich, von atelischen Basisverben gebildet werden. Nicht geklärt ist, ob auch von telischen Basen gebildete NI akzeptabel sind, sofern das Ereignis als zeitlich unbegrenzt perspektiviert wird. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, liefern Belege wie (3) und (4), also NI, bei denen z. B. die Pluralform des Arguments oder ein aspektueller Modifizierer eine iterativ-unbegrenzte Lesart auslösen. (3)
el caer de las hojas ‚das Fallen der Blätter‘
9 Fazit und Ausblick
(4)
247
el constante llegar tarde de Juan ‚Juans ständiges Zuspätkommen‘
Die Frage, unter welchen Bedingungen NI auch von telischen Basen gebildet werden können und welche Rolle dabei die Eigenschaften des realisierten Arguments, bestimmte Modifizierer und natürlich auch Matrixprädikate spielen, bedarf jedoch genauerer Untersuchungen. Im Nominalbereich können Entitäten durch Massennomen und bloße Pluralnomen als unbegrenzte Mengen dargestellt werden. Für NI wurden vor allem in Kapitel 8 einige Gemeinsamkeiten mit Massennomen festgestellt. Eine genauere Untersuchung der Akzeptabilität von NI in typischen Massennomenkontexten könnte weitere Erkenntnisse über ihr distributionelles Verhalten und damit auch ihre semantischen Eigenschaften liefern. Unbegrenztheit im Nominalbereich spielt auch auf anderer Ebene eine Rolle, denn in Bezug auf die in NI realisierten Argumente wurde in dieser Arbeit verschiedentlich die Frage aufgeworfen, inwieweit der Unterschied zwischen Individuen- und Massennomen bzw. Singular- und Pluralformen die Akzeptabilität der NI beeinflusst. Genauer untersucht wurden neben Typ-A-NI ausschließlich Typ-B-NI, d. h. Infinitive, deren Objektposition durch ein bloßes Nomen und nicht durch eine volle DP besetzt wird. In Kapitel 8 wurde erläutert, dass bloße Nomen immer bewirken, dass das vom Verb bezeichnete Ereignis als unbegrenzt, d. h. als atelisch oder iterativ, dargestellt wird. Die Frage, welchen Einfluss die Nominalreferenzeigenschaften von Komplementen auf die Akzeptabilität von NI ausüben, lässt sich allerdings nur beantworten, indem man neben NI des Typs B wie (5)a auch verbale Formen mit einer vollen Objekt-DP wie (5)b, also Typ C, hinzuzieht und testet, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß auch diese Formen als Ereignisbezeichnungen akzeptiert werden. (5)
a. el cantar coplas ‚das Liedersingen‘ b. el cantar {una copla / las coplas} ‚das Ein-Lied-Singen / das Die-Lieder-Singen‘
Für Typ B ist des Weiteren die Frage nach seiner DP-internen Struktur offengeblieben. Hier wären für künftige Arbeiten weitere Distributionstests wünschenswert. So könnte beispielweise durch die Kombination mit Modifizierern untersucht werden, ob Typ B nur adverbiale Modifizierer erlaubt, vgl. (6)a, und somit eine intern verbal strukturierte DP-Nominalisierung darstellt oder ob er wie in (6)b ebenfalls mit adjektivischen Modifizierern akzeptiert wird und somit auch eine NP innerhalb der DP enthalten kann.
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(6)
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a. el cantar coplas frecuentemente ‚das häufig Liedersingen‘ b. ?el frecuente cantar coplas ‚das häufige Liedersingen‘
Schließlich bergen nicht nur die Unterschiede zwischen den einzelnen NI-Typen ungelöste Probleme, auch das Verhältnis von NI und deverbalen Nomen wirft im Hinblick auf Argumentrealisierungsmöglichkeiten, Basisverben und Lesartpräferenzen zahlreiche offene Fragen auf. Da das Spanische nicht nur über syntaktische, sondern auch über eine Vielzahl von morphologischen Möglichkeiten verfügt, deverbale Ereignisnominalisierungen zu bilden (vgl. z. B. Rainer 1993, Santiago Lacuesta & Bustos Gisbert 1999), erscheint die Annahme naheliegend, dass diese Verfahren nicht nur eine Umkategorisierung bewirken, sondern auch darauf spezialisiert sind, unterschiedliche Ereigniskomponenten und -partizipanten zu fokussieren. Während beispielsweise durch einen Typ-A-NI wie el subir de los precios ‚das Steigen der Preise‘ das Ereignis in seinem Verlauf dargestellt wird, scheint eine Partizipnominalisierung wie la subida de los precios ‚der Anstieg der Preise‘ eher das Gesamtereignis bzw. den Ereignisabschluss in den Vordergrund zu stellen. Auch die Präferenz für die Realisierung des höheren Arguments unterscheidet Typ-A-NI von vielen Arten deverbaler Nomen, welche die Realisierung des tieferen Arguments bevorzugen (la cocción de las setas / ? del jefe ‚das Kochen der Pilze / des Küchenchefs‘) (vgl. Schirakowski 2020). Typ B und deverbale Nomen gleichen sich zwar in punkto Argumentrealisierung (el cocinar setas ‚das Pilzekochen‘ – la cocción de setas ‚das Kochen / ≈ die Kochung von Pilzen‘), sind jedoch mutmaßlich nicht auf dieselben Kontexte spezialisiert. Typ B wurde in dieser Arbeit eine klare Präferenz für generische Lesarten nachgewiesen, die für deverbale Nomen nicht zu erwarten ist. Allerdings ist die Frage, wie genau sich NI und andere Nominalisierungstypen unterscheiden, nicht trivial, da viele deverbale Nomen anders als NI nicht immer vollständig transparente Bedeutungen aufweisen und der Beitrag unterschiedlicher Nominalisierungsaffixe berücksichtigt werden muss. Ein weiteres Desideratum besteht daher darin, die relevanten Faktoren zu identifizieren und zu klären, unter welchen Bedingungen NI und deverbale Nomen miteinander konkurrieren oder komplementär verteilt sind. Für einen erheblichen Teil der hier thematisierten Fragen könnte die Erhebung von Akzeptabilitätsurteilen ein geeignetes Mittel bieten, um weitere syntaktische und semantische Unterschiede zwischen NI untereinander sowie das Verhältnis zwischen NI und deverbalen Nomen noch genauer zu beleuchten.
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A. Anhang A.1 Einleitungstext zu den Experimenten Te invitamos a participar en un experimento lingüístico que pretende ampliar nuestro conocimiento sobre cómo funciona el castellano. La tarea consiste en evaluar 30 secuencias de palabras y tiene una duración aproximada de 30 minutos (Experiment 1 + 4) / 25 minutos (Experiment 2) / 20 minutos (Experiment 3). Entre los participantes sortearemos un vale por valor de 25€. Por favor, ten en cuenta que el cuestionario sólo puede rellenarse una vez, y déjanos tu correo electrónico si quieres participar en el sorteo (Verlosung eines Gutscheins nur im Rahmen von Experiment 2 und 4 / nicht in Experiment 1 und 3). Si tienes alguna pregunta o duda sobre este estudio, puedes ponerte en contacto con Barbara Schirakowski: […].
A.2 Fragen an Testpersonen Antes de nada, te agradeceríamos que nos aportaras algunos datos personales que se tratarán confidencialmente. (1)
Edad: ______
(2)
Sexo: ______
(3)
¿Con qué mano escribes? □ la derecha □ la izquierda
(4)
Si eres estudiante, ¿qué estudios estás realizando?
(5)
Si no eres estudiante, ¿cuál es tu ocupación?
(6)
Marca los estudios finalizados. □ primarios □ bachillerato □ máster □ secundarios □ grado (licenciatura) □ doctorado
(7)
¿Cuál es tu primer idioma? □ castellano □ otro: ________
(8)
¿En qué país creciste?
(9)
¿Qué lengua usas en casa?
(10) ¿Viviste fuera de España más de tres años consecutivos? □ sí □ no
https://doi.org/10.1515/9783110723359-011
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(11) En tu día a día, ¿en qué porcentaje estimas que usas el castellano? □ 100% □ entre 75% y 50% □ menos de 25% □ entre 100 y 75% □ entre 50 y 25% □ Al pulsar el botón, indicas que decides voluntariamente rellenar el cuestionario y que autorizas a la investigadora (Barbara Schirakowski) a publicar los resultados del cuestionario en el que participas de forma anónima y con finalidad exclusiva de investigación y sin ánimo de lucro. Por favor, introduce las iniciales de tu/s nombre/s y apellido/s. ________
A.3 Arbeitsanweisungen Arbeitsanweisung zu Experiment 1–3 Por favor, lee los siguientes párrafos y evalúa solo las secuencias de palabras que están subrayadas. Juzga cada secuencia justo después de leer el párrafo correspondiente mediante una escala del 1 al 7, donde 1 significa que la secuencia de palabras no encaja en absoluto en el contexto y 7 significa que encaja perfectamente en el contexto. Por favor, evalúa las secuencias subrayadas solo teniendo en cuenta los contextos dados y no valores si las usarías tú mismo/a, ni si se te ocurren alternativas estilísticamente mejores. Importante: Todas las respuestas son obligatorias. Si olvidas responder alguna pregunta, aparecerá el siguiente mensaje en inglés: «There was an error on your page. Please correct any required fields and submit again.» En este caso, tendrás que responder la pregunta olvidada y continuar con el experimento (nur für die online durchgeführten Experimente 2 und 3). (12) El caballero se murió porque comió un vaso de vino que tenía veneno. no encaja en absoluto 1 2 3 4 5 6 7 encaja perfectamente ⊠⊠ □ □ □ □ □ □ (13) El caballero se murió porque se bebió un vaso de vino que tenía veneno. no encaja en absoluto 1 2 3 4 5 6 7 encaja perfectamente □ □ □ □ □ □ ⊠
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Arbeitsanweisung zu Experiment 4 Por favor, lee los siguientes párrafos. En cada párrafo, hay una palabra o una secuencia de palabras que aparece en negrita y cursiva. Escoge la opción que, según tú, sea mejor para referirse a la parte en negrita y cursiva. Toma tú decisión justo después de leer el párrafo correspondiente. No es relevante si usarías las expresiones tú mismo/a, ni si se te ocurren alternativas estilísticamente mejores. En cada caso, decide solamente entre las dos opciones ofrecidas. Todas las respuestas son obligatorias. Si olvidas responder alguna pregunta, aparecerá el siguiente mensaje en inglés: «There was an error on your page. Please correct any required fields and submit again.» En este caso, tendrás que responder la pregunta olvidada y continuar con el experimento. (14) Al intentar matar al mosquito, ________ me picó. ⊠ este □ él (15) Ana ganó a María porque ________ había jugado mejor. ⊠ ella □ esta
A.4 Testsätze Testsätze zu Experiment 1 (16) En la industria de madera de Tailandia el trabajar de los elefantes es una tradición. (1a) (17) El delito ha causado consternación entre los residentes, muchos de los cuales están observando el trabajar de los policías desde sus casas. (1b) (18) En los primeros meses, el dormir de los bebés es un proceso importante que ayuda a su desarrollo cerebral. (2a) (19) La fiebre está bajando y el dormir del bebé se está calmando, ya no es tan agitado como ayer por la noche. (2b) (20) Suele ser una fiesta a lo grande y la mejor tradición es el bailar de los invitados. (3a) (21) No puede participar por la lesión que tiene, pero observa el bailar de los invitados desde su sitio. (3b)
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(22) En los edificios comunitarios hay que respetar los reglamentos, pero el gritar de los niños es un ruido que hay que tolerar. (4a) (23) No se puede oír ni a sí mismo. El gritar de los niños se está haciendo cada vez más alto y sus padres no están en casa. (4b) (24) En las habitaciones del hospital hay demasiado ruido como para dormir bien. Muchas veces, el toser de un paciente quita el sueño a todos los demás. (5a) (25) Esta noche, parece que el toser del paciente se está agravando. Volverán a examinarlo por la mañana. (5a) (26) Su vecino aprovecha cualquier oportunidad para quejarse y el ladrar de los perros es un ruido que odia en particular. (6a) (27) La caza está en plena marcha y el ladrar de los perros de repente se vuelve ensordecedor. Deben haber olfateado algunas liebres. (6b) (28) Para un comediante, el reír del público es el reconocimiento sin el cual no se puede seguir. (7a) (29) Las mejores escenas aún están por llegar y aún así el reír del público ya se está incrementando. (7b) (30) La isla es un paraíso natural y uno de los mejores lugares para observar el anidar de los pájaros. (8a) (31) De momento, a causa de las temperaturas bajas, el anidar de los pájaros está durando más de lo normal. (8b) (32) Durante un divorcio, los niños son los que más sufren y el buscar de soluciones es un proceso que a menudo requiere ayuda externa.(9a) (33) Aún no han vuelto a poner la producción en servicio, pero el buscar de soluciones está continuando. (9b) (34) No se aprende de un día para otro. El tocar del piano es un arte que requiere mucha práctica y persistencia. (10a) (35) Desde su habitación, escucha el tocar del piano en el salón y siente cómo la música le está calmando. (10b) (36) Los turnos de noche son lo peor y, encima, el observar de un sospechoso siempre es una tarea tediosa. (11a)
A.4 Testsätze
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(37) Tal vez sea hora de dejarlo. El observar del sospechoso va para largo y no hay cambios aparentes. (11b) (38) Tradicionalmente, el transportar de cargas es un trabajo para el que se emplean los burros. (12a) (39) Se observa el transportar de las drogas desde hace un rato, pero sigue sin estar claro quién está detrás de las operaciones. (12b) (40) Entre las tareas de los voluntarios figura el vigilar de los niños cuando cruzan la calle o bajan del autobús. (13a) (41) No cuentan con daños permanentes, pero el vigilar de los niños continúa aún unos días para estar bien seguros. (13b) (42) Los policías necesitan una formación psicológica, ya que el interrogar de un testigo es una tarea que requiere mucho tacto. (14a) (43) Está presenciando el interrogar del testigo y le da la sensación de que no está diciendo la verdad. (14b) (44) Para recuperar la forma, es ya suficiente ir andando, pero el empujar del cochecito también es buen ejercicio. (15a) (45) Lleva una hora caminando y el empujar del cochecito le está costando cada vez más. Si hubiera sabido cómo era el camino, habría ido en coche. (15b) (46) Debería pensárselo bien. El manejar de las máquinas no es tarea para alguien que toma medicamentos tan fuertes. (16a) (47) Tiene sueño y el manejar de las máquinas le cuesta cada vez más. Debería parar antes de que ocurra algo. (16b)
Testsätze zu Experiment 2 (48) El psicólogo piensa que el limpiar de Clara es compulsivo. Como está tan preocupada por los gérmenes, friega e incluso desinfecta el piso cada día. (1a) (49) Como tiene mal la espalda, el limpiar de Clara va para largo. Le quedan cuatro habitaciones por delante, pero ya no puede inclinarse más. (1b) (50) Como el agua contiene tanta cal, el limpiar del baño suele ser tedioso. Hay que usar mucho vinagre y fregar las superficies a menudo. (1c)
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(51) El piso entero tiene mal aspecto y el limpiar del baño va para largo. No solo hay depósitos de cal, sino también de moho. (1d) (52) Muchos padres no tienen control sobre los hábitos en el comer de sus hijos. Comen frente a la televisión y, sobre todo, consumen demasiada comida rápida. (2a) (53) Hoy, el comer del niño dura más de lo normal. Se nota que le duelen las muelas. (2b) (54) Para los niños pequeños, el comer de kikos puede ser peligroso porque pueden atragantarse. (2c) (55) Esta mañana recogieron las hortalizas del huerto y, ahora, Ana está disfrutando con el comer de la verdura para comprobar su calidad. (2d) (56) Estos niños carecen de modales en la mesa. A Ana le molesta en particular el masticar de Ramón. Siempre tiene la boca abierta y hace mucho ruido al comer. (3a) (57) Escuchando el masticar de Ramón, se nota que todavía no se ha acostumbrado a su aparato dental tras la operación. (3b) (58) No se puede llevar comida dentro de la biblioteca y tampoco se permite el masticar de chicle, aunque sea bueno para la concentración. (3c) (59) Todo estaba muy tranquilo en la sala de lectura. El único sonido que se oía era el masticar de chicle. (3d) (60) Al trabajar en una novela nueva, Mario suele aislarse completamente, incluso pierde el contacto con su familia. El escribir de este autor realmente es obsesivo. (4a) (61) El profesor les pidió a los alumnos que redactaran una carta a mano. El escribir de los niños va para largo. Como es después de la hora de comer, ya no pueden concentrarse. (4b) (62) Como dicen varios autores, el escribir de un guión es tedioso. Se tienen que describir todos los detalles que deben aparecer en la película. (4c) (63) Como dijo el productor, el escribir del guión va para largo. Todavía no se han incorporado los detalles que son indispensables para poder comenzar con el rodaje. (4d) (64) Como han observado, el cazar de las leonas es rápido y eficaz. Atrapan a su víctima con una aceleración enorme y un salto final. (5a)
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(65) Todavía continúa el cazar de las leonas. Están intentando separar una cebra de su manada. (5b) (66) Japón ha recibido fuertes críticas de varias organizaciones medioambientales que consideran el cazar de ballenas como un negocio cruel. (5c) (67) En la Antártida, el cazar de ballenas esta continuando durante toda la temporada. Las ballenas grises ya no se consideran como animales en peligro de extinción. (5d) (68) Antes de que surgieran los problemas, el beber de Iván no les preocupaba, pero desde el accidente con el coche están constantemente inquietos. (6a) (69) El bar está a punto de cerrar, pero el beber de Iván está continuando. Ni siquiera se da cuenta de que es el único cliente. (6b) (70) Cuando viajas por un país desconocido, el beber de agua embotellada debería ser una medida de precaución. (6c) (71) Tras el aviso de la contaminación del embalse, el beber de agua embotellada continúa en toda la ciudad como medida de precaución. (6d) (72) La gente sabe que el saquear de los militares es extremadamente violento y destructivo. Por eso, la mayoría ha huido con lo poco que tiene. (7a) (73) La mayoría de la población ya ha huido a otras regiones. Aún así, el saquear de los militares está continuando. (7b) (74) Desgraciadamente, el saquear de casas es un crimen habitual durante las guerras. (7c) (75) A pesar de la presencia policial, el saquear de casas está continuando con la misma violencia que en los días anteriores. (7d) (76) Les gusta ver el programa, porque el cocinar de este jefe siempre es un espectáculo. Es algo caótico, pero divertido y se aprende mucho. (8a) (77) Los clientes ya llevan bastante tiempo esperando, pero el cocinar del jefe se está prolongando. Todavía no está contento ni con el sabor ni con la textura de su creación. (8b) (78) Tienen un sabor muy bueno, pero el cocinar de estas setas es algo complicado. Solo se debe usar poca agua para que no se pongan blandas. (8c) (79) El ayudante está vigilando el cocinar de las setas, ya que tienen que estar en su punto para los clientes que acaban de llegar al restaurante. (8d)
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(80) Como el celebrar de los músicos suele ser muy ruidoso, muchos hoteles ya no quieren admitirlos. (9a) (81) Ya está amaneciendo, pero el celebrar de los músicos continúa con mucho ruido. Incluso acaban de llegar más invitados. (9b) (82) Para los niños pequeños, el celebrar del cumpleaños es un acontecimiento importante en su vida social. (9c) (83) Han llegado más amigos de Ana y el celebrar del cumpleaños se está prolongando ahora más de lo habitual. (9d) (84) La madre confirma que el estudiar de Juan parece algo obstinado. Debería preocuparse menos y jugar más con sus compañeros. (10a) (85) Ya son las ocho y el estudiar de Juan va para largo. Todavía le quedan tres temas. (10b) (86) Para aprender alemán, el estudiar del vocabulario debería convertirse en un hábito diario. (10c) (87) Esta mañana, el estudiar del vocabulario se está haciendo muy pesado, porque hay demasiadas palabras para el examen. (10d) (88) Según dicen el pintar del artista es muy peculiar. Sobre todo utiliza el rojo y el negro y suele trabajar solo durante la noche. (11a) (89) Ya está amaneciendo, pero el pintar del artista va para largo. Quiere finalizar su nueva pieza a tiempo para la próxima exposición. (11b) (90) Para muchos niños, el pintar de un cuadro es la actividad preferida en el colegio. (11c) (91) El niño está muy concentrado en el pintar del cuadro. Por lo visto, le apetece mucho esta tarea. (11d) (92) Aunque su rendimiento escolar ha mejorado, el leer de Pablo sigue siendo muy pausado. Por eso, el profesor recomienda más horas de práctica. (12a) (93) Tiene que terminar el libro para el día siguiente, pero el leer del niño va para largo. Ya son las ocho y no puede concentrarse más. (12b) (94) Muchos alumnos prefieren relatos cortos. Como el leer de una novela puede durar varias semanas, tienden a perder el interés. (12c)
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(95)
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Al profesor le habría gustado pasar ya a otro tema, pero el leer del capítulo se está prolongando, ya que los alumnos andan muy distraídos. (12d)
Testsätze zu Experiment 3 (96)
Todavía no han conseguido controlar la plaga y, de momento, a. el utilizar de productos químicos b. el utilizar productos químicos está avanzando por toda la ciudad.
(97)
Al cuidar un huerto, a. el utilizar de productos químicos b. el utilizar productos químicos debería ser siempre el último remedio.
(98)
Todavía es temprano y hasta ahora no han podido recoger muchos datos. Por eso, a. el observar de pájaros b. el observar pájaros se prolongará, ya que el alba sigue siendo la mejor hora.
(99)
Dentro del ámbito del turismo ecológico, a. el observar de pájaros b. el observar pájaros es una actividad muy popular para muchos aficionados a la naturaleza.
(100) Aún no han vuelto a poner la producción en servicio y a. el buscar de soluciones b. el buscar soluciones todavía continúa. (101) Durante un divorcio, los niños son los que más sufren y a. el buscar de soluciones b. el buscar soluciones es un proceso que a menudo requiere ayuda externa. (102) Como el aire está muy contaminado, a. el llevar de mascarillas b. el llevar mascarillas continúa por toda la ciudad.
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(103) Cuando el aire está muy contaminado, a. el llevar de mascarillas. b. el llevar mascarillas. es obligatorio para personas con problemas en las vías respiratorias. (104) La epidemia todavía no está bajo control. Por eso, a. el usar de protección b. el usar protección continúa en todo el hospital. (105) Al trabajar con sustancias peligrosas, a. el usar de protección b. el usar protección es la medida de precaución más importante. (106) La distancia es enorme, pero los responsables han asegurado que a. el transportar de alimentos b. el transportar alimentos ya está en marcha. (107) A largas distancias, a. el transportar de alimentos b. el transportar alimentos siempre es un reto. Lo más importante es una refrigeración suficiente y fiable. (108) Hay tanta gente en el supermercado esta mañana, que a. el empujar de carritos b. el empujar carritos se está volviendo peligroso (109) En los supermercados, a. el empujar de carritos b. el empujar carritos puede ser una tarea fatigosa, si las compras son muy grandes. (110) Esta mañana en el aeropuerto, se está aumentando a. el vigilar de maletas b. el vigilar maletas. Tras la amenaza de bomba de ayer, todo el mundo está con cuidado.
A.4 Testsätze
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(111) Entre las tareas del personal del aeropuerto, figura también a. el vigilar de maletas b. el vigilar maletas Sobre todo, tienen que encargarse del equipaje que no tiene dueño. Testsätze zu Experiment 4 Entscheidungsaufgabe mit zwei Wahlmöglichkeiten: □ el que / el cual / □ lo que / lo cual (112) A los profesores les divertía el patinar de los alumnos, en __________ participaban niños y adolescentes. (1a) (113) A la repostera le alegraba el hacer pasteles, en __________ sus empleados no tenían que participar. (1b) (114) A los residentes les calmaba el patrullar de las brigadas, con __________ el gobierno municipal intentaba prevenir más saqueos en el barrio. (2a) (115) Al comisario le calmaba el organizar redadas, con __________ intentaban prevenir más saqueos en el barrio. (2b) (116) A los vecinos les molestaba el deambular de los yonquis, con ______ intentaban acabar. (3a) (117) A los vecinos les molestaba el discutir disparates, con __________ intentaban acabar. (3b) (118) Al ornitólogo le interesaba el anidar de las cigüeñas, con __________ se obsesionaba durante sus excursiones por los pueblos extremeños. (4a) (119) Al ornitólogo le interesaba el observar cigüeñas, con __________ se obsesionaba durante sus excursiones por los pueblos extremeños. (4b) (120) Al hada le entretiene el pulular de las libélulas, sin __________ se sentiría sola en el bosque. (5a) (121) Durante los días festivos, le entretiene el reparar cosas, sin __________ él y sus hermanos se aburrirían en casa. (5b) (122) A la condesa le consolaba el trajinar de las criadas, sin __________ no soportaría la soledad en su mansión. (6a) (123) A la condesa le consolaba el comer golosinas, sin __________ no soportaría la soledad en su mansión. (6b)
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(124) A los lugareños les molestaba el caminar de los pelegrinos, con _______ siempre se removía mucho polvo en el pueblo. (7a) (125) A los lugareños les molestaba el mover bancos, con _________ siempre se removía mucho serrín en la iglesia. (7b) (126) De niño, le aburría el trotar de los potros, con __________ siempre se dormía de inmediato. (8a) (127) De niño, le aburría el colorear libros, con __________ siempre se dormía de inmediato. (8b)
A.5 Füll- und Kontrollsätze Füll- und Kontrollsätze zu Experiment 1–3 Tabelle 32: Füllmaterial – Tempussemantik (wiederholt). Tempus
pretérito perfecto simple
pretérito perfecto compuesto
sprechvorzeitig, sprechzeitexklusiv
✓(a)
?(b)
sprechnachzeitig
*(c)
*(d)
Zeitadverbial
(128) Está preocupado por su marido. Hace unos días se desmayó sin motivo aparente y todavía no ha ido al médico. (1a) (129) Está preocupado por su marido. Hace unos días se ha desmayado sin motivo aparente y todavía no ha ido al médico. (1b) (130) Está preocupado por su marido. Dentro de unos días se desmayó sin motivo aparente y todavía no ha ido al médico. (1c) (131) Está preocupado por su marido. Dentro de unos días se ha desmayado sin motivo aparente y todavía no ha ido al médico. (1d) (132) Viajan mucho. El año pasado fueron a Canadá y este año pasan sus vacaciones en Latinoamérica. (2a) (133) Viajan mucho. El año pasado han ido a Canadá y este año pasan sus vacaciones en Latinoamérica. (2b)
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(134) Viajan mucho. El año que viene fueron a Canadá y este año pasan sus vacaciones en Latinoamérica. (2c) (135) Viajan mucho. El año que viene han ido a Canadá y este año pasan sus vacaciones en Latinoamérica. (2d) (136) Lo recuerda perfectamente. Aquel día supo que estaba embarazada y ahora ya tiene dos hijos. (3a) (137) Lo recuerda perfectamente. Aquel día ha sabido que estaba embarazada por primera vez y ahora ya tiene dos hijos. (3b) (138) Lo recuerda perfectamente. Dentro de poco supo que estaba embarazada por primera vez y ahora ya tiene dos hijos. (3c) (139) Lo recuerda perfectamente. Dentro de poco ha sabido que estaba embarazada por primera vez y ahora ya tiene dos hijos. (3d) (140) Parece bien preparado para el examen. Anoche se acostó pronto y ahora está repasando sus apuntes. (4a) (141) Parece bien preparado para el examen. Anoche se ha acostado pronto y ahora está repasando sus apuntes. (4b) (142) Parece bien preparado para el examen. Mañana se acostó pronto y ahora está repasando sus apuntes. (4c) (143) Parece bien preparado para el examen. Mañana se ha acostado pronto y ahora está repasando sus apuntes. (4d) (144) Ha vuelto a estar muy solicitado como actor, pero hace algunos años pasó por un bache profesional. (5a) (145) Ha vuelto a estar muy solicitado como actor, pero hace algunos años ha pasado por un bache profesional. (5b) (146) Ha vuelto a estar muy solicitado como actor, pero en los próximos años pasó por un bache profesional. (5c) (147) Ha vuelto a estar muy solicitado como actor, pero en los próximos años ha pasado por un bache profesional. (5d) (148) Ya no tiene dolores. El otoño pasado se sometió a una operación y desde entonces está mejor. (6a) (149) Ya no tiene dolores. El otoño pasado se ha sometido a una operación y desde entonces está mejor. (6b)
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(150) Ya no tiene dolores. El próximo otoño se sometió a una operación y desde entonces está mejor. (6c) (151) Ya no tiene dolores. El próximo otoño se ha sometido a una operación y desde entonces está mejor. (6d) (152) Está en Granada disfrutando del fin de semana. Ayer dio un paseo por el Albaicín y hoy va a la Alhambra. (7a) (153) Está en Granada disfrutando del fin de semana. Ayer ha dado un paseo por el Albaicín y hoy va a la Alhambra. (7b) (154) Está en Granada disfrutando del fin de semana. Mañana dio un paseo por el Albaicín y hoy va a la Alhambra. (7c) (155) Está en Granada disfrutando de sus vacaciones. Mañana ha dado un paseo por el Albaicín y hoy va a la Alhambra. (7d) (156) Desde que hace dos años se jubiló el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. (8a) (157) Desde que hace dos años se ha jubilado el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. (8b) (158) Desde que dentro de dos años se jubiló el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. (8c) (159) Desde que dentro de dos años se ha jubilado el director, su puesto sigue sin cubrir por falta de recursos. (8d) (160) Es demasiado ambicioso. El año pasado compitió en los 5000 metros a pesar de tener la gripe. (9a) (161) Es demasiado ambicioso. El año pasado ha competido en los 5000 metros a pesar de tener la gripe. (9b) (162) Es demasiado ambicioso. El año que viene compitió en los 5000 metros a pesar de tener la gripe. (9c) (163) Es demasiado ambicioso. El año que viene ha competido en los 5000 metros a pesar de tener la gripe. (9d) (164) No se sabe con quién anda actualmente. Hace algunos años se casó con un empresario suizo, pero ya no está con él. (10a) (165) No se sabe con quién anda actualmente. Hace algunos años se ha casado con un empresario suizo, pero ya no está con él. (10b)
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(166) No se sabe con quién anda actualmente. Dentro de algunos años se casó con un empresario suizo, pero ya no está con él. (10c) (167) No se sabe con quién anda actualmente. Dentro de algunos años se ha casado con un empresario suizo, pero ya no está con él. (10d) (168) Los arqueólogos llevan mucho tiempo trabajando allí y hace algún tiempo descubrieron un templo pagano. (11a) (169) Los arqueólogos llevan mucho tiempo trabajando allí y hace algún tiempo han descubierto un templo pagano. (11b) (170) Los arqueólogos llevan mucho tiempo trabajando allí y dentro de algún tiempo descubrieron un templo pagano. (11c) (171) Los arqueólogos llevan mucho tiempo trabajando allí y dentro de algún tiempo han descubierto un templo pagano. (11d) (172) Es excelente como cocinero. El sábado pasado preparó un menú exquisito para un grupo de doce invitados. (12a) (173) Es excelente como cocinero. El sábado pasado ha preparado un menú exquisito para un grupo de doce invitados. (12b) (174) Es excelente como cocinero. El próximo sábado preparó un menú exquisito para un grupo de doce invitados. (12c) (175) Es excelente como cocinero. El próximo sábado ha preparado un menú exquisito para un grupo de doce invitados. (12d) (176) Pasa mucho tiempo con su familia desde que el año pasado optó por terminar su carrera deportiva. (13a) (177) Pasa mucho tiempo con su familia desde que el año pasado ha optado por terminar su carrera deportiva. (13b) (178) Pasa mucho tiempo con su familia desde que el año que viene optó por terminar su carrera deportiva. (13c) (179) Pasa mucho tiempo con su familia desde que el año que viene ha optado por terminar su carrera deportiva. (13d) (180) Normalmente, no le gusta presentarse en público, pero el verano pasado asistió a la boda real. (14a) (181) Normalmente, no le gusta presentarse en público, pero el verano pasado ha asistido a la boda real. (14b)
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(182) Normalmente, no le gusta presentarse en público, pero el próximo verano asistió a la boda real. (14c) (183) Normalmente, no le gusta presentarse en público, pero el próximo verano ha asistido a la boda real. (14d) (184) Los clientes no están contentos en absoluto. Anoche se quejaron sobre las habitaciones y el servicio. (15a) (185) Los clientes no están contentos en absolutos. Anoche se han quejado sobre las habitaciones y el servicio. (15b) (186) Los clientes no están contentos en absoluto. Mañana se quejaron sobre las habitaciones y el servicio. (15c) (187) Los clientes no están contentos en absoluto. Mañana se han quejado sobre las habitaciones y el servicio. (15d) (188) Tras meses de trabajo duro los actores por fin pueden descansar. La semana pasada acabó el rodaje. (16a) (189) Tras meses de trabajo duro los actores por fin pueden descansar. La semana pasada ha acabado el rodaje. (16b) (190) Tras meses de trabajo duro los actores por fin pueden descansar. La semana que viene acabó el rodaje. (16c) (191) Tras meses de trabajo duro los actores por fin pueden descansar. La semana que viene ha acabado el rodaje. (16d) (192) Hace tiempo que no lo ven. El año pasado no pudo ir a la reunión familiar porque estaba enfermo. (17a) (193) Hace tiempo que no lo ven. El año pasado no ha podido ir a la reunión familiar porque estaba enfermo. (17b) (194) Hace tiempo que no lo ven. El año que viene no pudo ir a la reunión familiar porque estaba enfermo. (17c) (195) Hace tiempo que no lo ven. El año que viene no ha podido ir a la reunión familiar porque estaba enfermo. (17d) (196) Cada año eligen un lugar diferente para el congreso. La última vez tuvo lugar en Roma y esta vez se celebra en Madrid. (18a) (197) Cada año eligen un lugar diferente para el congreso. La última vez ha tenido lugar en Roma y esta vez se celebra en Madrid. (18b)
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(198) Cada año eligen un lugar diferente para el congreso. La próxima vez tuvo lugar en Roma y esta vez se celebra en Madrid. (18c) (199) Cada año eligen un lugar diferente para el congreso. La próxima vez ha tenido lugar en Roma y esta vez se celebra en Madrid. (18d) (200) Esta vez se espera una participación electoral más alta. Hace dos años acudieron a las urnas solo el 30% de los ciudadanos con derecho a voto. (19a) (201) Esta vez se espera una participación electoral más alta. Hace dos años han acudido a las urnas solo el 30% de los ciudadanos con derecho a voto. (19b) (202) Esta vez se espera una participación electoral más alta. En dos años acudieron a las urnas solo el 30% de los ciudadanos con derecho a voto. (19c) (203) Esta vez se espera una participación electoral más alta. En dos años han acudido a las urnas solo el 30% de los ciudadanos con derecho a voto. (19d) (204) Tiene pesadillas y se despierta a menudo a media noche. El otro día soñó que le robaron en su casa. (20a) (205) Tiene pesadillas y se despierta a menudo a media noche. El otro día ha soñado que le robaron en su casa. (20b) (206) Tiene pesadillas y se despierta a menudo a media noche. Dentro de poco soñó que le robaron en su casa. (20c) (207) Tiene pesadillas y se despierta a menudo a media noche. Dentro de poco ha soñado que le robaron en su casa. (20d) Tabelle 33: Füllmaterial – Differenzielle Objektmarkierung (wiederholt). Belebtheit
belebt
unbelebt
mit a
✓/?(a)
*(c)
ohne a
✓(b)
✓(d)
direktes Objekt
(208) No estaba previsto que los delegados llevaran a un asistente con ellos. Hay que cambiar la distribución de asientos. (1a) (209) No estaba previsto que los delegados llevaran un asistente con ellos. Hay que cambiar la distribución de asientos. (1b)
280
A. Anhang
(210) Había espacio suficiente, pero no estaba previsto que llevaran a una maleta para un viaje de solo dos días. (1c) (211) Había espacio suficiente, pero no estaba previsto que llevaran una maleta para un viaje de solo dos días. (1d) (212) Tras largas negociaciones devolvieron a un prisionero. Sin embargo, no se ve a la vista una mejora de la situación. (2a) (213) Tras largas negociaciones devolvieron un prisionero. Sin embargo, no se ve a la vista una mejora la situación. (2b) (214) Ayer un cliente devolvió a una llave, pero no saben cuál sea la habitación a la que corresponde. (2c) (215) Ayer un cliente devolvió una llave, pero no saben cuál sea la habitación a la que corresponde. (2d) (216) Carmen ya no puede cuidarse por sí misma. Por lo menos, necesita a una asistenta, pero le cuesta aceptarlo. (3a) (217) Carmen ya no puede cuidarse por sí misma. Por lo menos, necesita una asistenta, pero le cuesta aceptarlo. (3b) (218) Tiene que reformar su casa para que sea más accesible. Entre otras cosas, necesita a un ascensor. (3c) (219) Tiene que reformar su casa para que sea más accesible. Entre otras cosas, necesita un ascensor. (3d) (220) Todavía no han elegido a una niñera para su hijo, porque hasta ahora ninguna de las candidatas los ha convencido. (4a) (221) Todavía no han elegido una niñera para su hijo, porque hasta ahora ninguna de las candidatas los ha convencido. (4b) (222) Su novia parece incapaz de tomar decisiones. Ayer tardó una hora en elegir a un plato en el restaurante. (4c) (223) Su novia parece incapaz de tomar decisiones. Ayer tardó una hora en elegir un plato en el restaurante. (4d) (224) Según el informe policial, tenían escondido a un delincuente en su casa sin que nadie lo notara. (5a) (225) Según el informe policial, tenían escondido un delincuente en su casa sin que nadie lo notara. (5b)
A.5 Füll- und Kontrollsätze
281
(226) Según el informe policial, tenía escondida a una pistola en la guantera sin que su mujer lo notara. (5c) (227) Según el informe policial tenía escondida una pistola en la guantera sin que su mujer lo notara. (5d) (228) Nunca ha traído a un novio a casa y sus padres siempre son algo sobreprotectores con ella. (6a) (229) Nunca ha traído un novio a casa y sus padres siempre son algo sobreprotectores con ella. (6b) (230) Aunque le dijeron que no hacía falta, trajo a un pastel y participó en los preparativos para la fiesta. (6c) (231) Aunque le dijeron que no hacía falta, trajo un pastel y participó en los preparativos para la fiesta. (6d) (232) No se debería abrir una reunión criticando a un superior, incluso cuando haya buenos razones para hacerlo. (7a) (233) No se debería abrir una reunión criticando un superior, incluso si haya buenas razones para hacerlo. (7b) (234) En ese país, cuando se critica a un artículo oficialista, hay que atenerse a las consecuencias. (7c) (235) En ese país, cuando se critica un artículo oficialista, hay que atenerse a las consecuencias. (7d) (236) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado a una persona herida bajo los escombros. (8a) (237) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado una persona herida con heridas graves bajo los escombros. (8b) (238) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado a un bidón de gasolina bajo los escombros. (8c) (239) La explosión se produjo en el sótano donde han localizado un bidón de gasolina bajo los escombros. (8d)
282
A. Anhang
Füll- und Kontrollsätze zu Experiment 4 (in unveränderter oder abgewandelter Form aus Eguren Gutiérrez 1999 und Peregrín Otero 1999 entnommen) (240) El médico ha comprobado que no es necesario escayolar este hueso. Se soldará él mismo/él solo. (F1) (241) Siempre comparan a Luisa con Belén, aunque a ella/esta no le gustan nada las comparaciones. (F2) (242) Al final, Teresa abandonó a su marido porque este/él la había estado engañando con una colega durante años. (F3) (243) Ana se enteró por Luis de que un trabajo provocador supuestamente escrito por él mismo/ sí mismo estaba circulando por las redes sociales. (F4) (244) Durante la competición, Daniel y Antonio tiraron de la cuerda hacia ellos/sí mismos. (F5) (245) Marta ha sufrido mucho últimamente. Todavía quiere a su novio, pero él/este ya no la quiere a ella. (F6) (246) Los pavos reales son fastuosos y se admiran a sí / ellos mismos. (F7) (247) Cuando Pedro se encuentra con Juan, él/este siempre lo saluda. (F8) (248) Cuando, por fin, conseguimos forzar el armario, él/*este se abrió de golpe. (F9) (249) Desde muy jóvenes los amigos se/les escriben los unos a los otros con regularidad. (F10) (250) Antes de que yo viera a Alejandro, él/?este ya me había visto a mí.(F11) (251) Al parecer, el rey de Malasia está en paz con el de Tailandia y consigo/ con él mismo. (F12)
A.6 Verteilung und Anordnung der Teststimuli
283
A.6 Verteilung und Anordnung der Teststimuli Tabelle 34: Experiment 1 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials. Lexikalisches Material Verb / Argument
Bedingungen trans, epis
trans, gen
intrans, epis
intrans, gen
. trabajar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. dormir
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. bailar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. gritar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. toser
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. ladrar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. anidar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. reír
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. buscar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos
. tocar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. observar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. manejar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. transportar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. vigilar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
284
A. Anhang
Tabelle 34 (fortgesetzt) Lexikalisches Material
Bedingungen
Verb / Argument
trans, epis
trans, gen
intrans, epis
. empujar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
. interrogar
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
Liste ; Pos. Liste ; Pos.
intrans, gen
Tabelle 35: Experiment 2 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials. Lexikalisches Material
Bedingungen
Verb
höheres Arg, epis
höheres Arg, gen
tieferes Arg, epis
tieferes Arg, gen
estudiar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
escribir
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
comer
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
leer
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
celebrar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
pintar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
beber
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
limpiar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
cocinar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
cazar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
285
A.6 Verteilung und Anordnung der Teststimuli
Tabelle 35 (fortgesetzt) Lexikalisches Material
Bedingungen
Verb
höheres Arg, epis
höheres Arg, gen
tieferes Arg, epis
tieferes Arg, gen
masticar
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
saquear
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Tabelle 36: Experiment 3 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials. Lexikalisches Material
Bedingungen
Verb/Argument
Typ A, gen
Typ B, gen
Typ A, epis
Typ B, epis
llevar/mascarillas
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
buscar/ soluciones
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
utilizar/ productos químicos
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
usar/ protección
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
observar/ pájaros
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
transportar/ alimentos
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
vigilar/ maletas
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
empujar/ carritos
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
Liste Pos.
286
A. Anhang
Tabelle 37: Experiment 4 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials und der pronominalen Anaphern (Gruppe 1). A
B
C
D
(a) el patinar de los alumnos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
(b) el organizar redadas
Pos. . mask
Pos. . genuslos
Pos. . mask
Pos. . genuslos
(a) el deambular de los yonquis
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(b) el observar cigüeñas
Pos. . mask
Pos. . genuslos
Pos. . mask
Pos. . genuslos
(a) el pulular de las libélulas
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(b) el comer golosinas
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(b) el mover bancos
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(a) el trotar de los potros
Pos. . mask
Pos. . genuslos
Pos. . mask
Pos. . genuslos
Liste Stimulus
Tabelle 38: Experiment 4 – Verteilung und Anordnung des Testmaterials und der pronominalen Anaphern (Gruppe 2). A
B
C
D
(b) el hacer pasteles
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
(a) el patrullar de las brigadas
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
(b) el discutir disparates
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(a) el anidar de las cigüeñas
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
(b) el reparar cosas
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Liste Stimulus
287
A.7 Personenbezogene Informationen
Tabelle 38 (fortgesetzt) A
B
C
D
(a) el trajinar de las criadas
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(a) el caminar de los pelegrinos
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
(b) el colorear libros
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Pos. . mask.
Pos. . genuslos
Liste Stimulus
A.7 Personenbezogene Informationen Tabelle 39: Experiment 1 – Testpersonen. Testpersonen insgesamt
Alter
–
Geschlecht
weiblich männlich
Händigkeit
rechts links
L
Kastilisch
Anteil des Kastilischen im Alltag
mit % mit –%
Bildungsabschluss
primarios bachillerato grado/licenciatura máster doctorado
56 Die Testpersonen, deren Alltagskommunikation zwischen 75 und 100% auf Kastilisch stattfindet, sprechen bedingt durch ihren Beruf oder ihr Studium im Alltag zum Teil auch Englisch.
288
A. Anhang
Tabelle 39 (fortgesetzt)
Tätigkeitsfeld
Studierende, davon: Hispanistik sonstige Philologie (englisch) nicht-philologisch (Tourismus, Verwaltungswesen) Nicht-Studierende (nicht-wissenschaftliches Personal der Universität)
Tabelle 40: Experiment 2 – Testpersonen. Testpersonen insgesamt
Alter
–
Geschlecht
weiblich männlich
Händigkeit
rechts links
L
Kastilisch
Anteil des Kastilischen im Alltag
mit % mit –%
Bildungsabschluss
secundarios bachillerato grado/licenciatura máster doctorado
Tätigkeitsfeld
Studierende, davon: Hispanistik unklar Nicht-Studierende, davon: Lehrende Reiseführer Informatiker Schaffner Kellner Steuerfachangestellte Verwaltungsangestellte unklar
57 Die Testpersonen, deren Alltagskommunikation zwischen 75 und 100% auf Kastilisch stattfindet, sprechen lediglich am Arbeitsplatz teilweise Englisch.
A.7 Personenbezogene Informationen
289
Tabelle 41: Experiment 3 – Testpersonen. Testpersonen insgesamt
Alter
–
Geschlecht
weiblich männlich
Händigkeit
rechts links
L
Kastilisch
Anteil des Kastilischen im Alltag
mit % mit –% mit –%
Bildungsabschluss
primarios secundarios bachillerato grado/licenciatura máster doctorado
Tätigkeitsfeld
Studierende, davon: Hispanistik sonstige Philologie nicht-philologisch unklar Nicht-Studierende, davon: Lehrende Arbeitssuchender Hausfrau Drehbuchautor Musiker Tänzerin unklar
58 Testpersonen aus Experiment 3 und 4, deren Alltagskommunikation zwischen 75 und 100% auf Kastilisch stattfindet, sprechen bedingt durch ihren Beruf oder ihr Studium im Alltag zum Teil auch Englisch. Dasselbe gilt für die Sprecherin, die 50–75% angegeben hat. Sie ist Madrilenin, aber Tänzerin in einem internationalen Ensemble.
290
A. Anhang
Tabelle 42: Experiment 4 – Testpersonen. Testpersonen insgesamt
Alter
–
Geschlecht
weiblich männlich
Händigkeit
Nicht erhoben (keine mehrstufige Skala)
L
Kastilisch
Anteil des Kastilischen im Alltag
mit % mit –%
Bildungsabschluss
primarios secundarios bachillerato grado/licenciatura máster doctorado unklar
Tätigkeitsfeld
Studierende, davon: Hispanistik nicht-philologisch Nicht-Studierende, davon: Lehrende verschiedene/arbeitssuchend
A.8 Statistische Auswertungen Experiment 1 R-Syntax des finalen Modells: Exp1-Modell = lmer (z_scores_p_id ~ Verbklasse + (1|Stimulus), data = Exp, REML=FALSE)59 n = 690 (703 Bewertungen abzüglich 13 Ausreißer)
59 In Experiment 1, 2 und 3 werden random intercepts für jeden Stimulus berücksichtigt. Testpersonen werden nicht als zufälliger Effekt berücksichtigt, da die Akzeptabilitätsbewertungen vor der Modellanpassung für jede Testperson normalisiert wurden und Modelle mit random intercepts für Testpersonen daher erwartungsgemäß dieselben Resultate ergeben haben wie Modelle ohne diesen zufälligen Effekt. Random intercepts für Testpersonen wurden nur in Experiment 4 berücksichtigt, in dem Daten auf einer zweistufigen Nominalskala erhoben wurden.
A.8 Statistische Auswertungen
291
Tabelle 43: Modellvergleich – Experiment 1. AIC
BIC
Nullmodell
,
,
Finales Modell
,
,
χ
df
,
p
,e-
Tabelle 44: Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 1. Feste Effekte
Estimate
SE
t-Wert
(Intercept)
−,
,
−,
Verbklasse
,
,
,
Zufällige Effekte
Varianz
SD
Stimulus
,
,
Residuen
,
,
Experiment 2 R-Syntax des finalen Modells: Exp2.Modell = lmer (z_scores_p_id ~ Argumentrealisierung*Lesart (1|Stimulus), data = Exp2, REML=FALSE) n = 192 (192 Bewertungen – keine Ausreißer) Tabelle 45: Modellvergleich – Experiment 2. AIC
BIC
Nullmodell
,
,
Finales Modell
,
,
χ
,
df
p
,
60 Im Rahmen von linearen gemischten Modellen werden keine p-Werte berechnet. Es wird aber angenommen, dass t-Werte > 2 und < −2 (grob) auf einen signifikanten Effekt hinweisen (vgl. Baayen 2008: 75). Die Entsprechung beim verallgemeinerten linearen gemischten Modell für nominalskalierte Daten ist der z-Wert.
292
A. Anhang
Tabelle 46: Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 2. Feste Effekte
Estimate
SE
t-Wert
(Intercept)
−,
,
−,
Interaktion: Argumentrealisierung – Lesart
,
,
,
Zufällige Effekte
Varianz
SD
Stimulus
,
,
Residuen
,
,
Experiment 3 R-Syntax des finalen Modells: Exp3.Modell = lmer (z_scores_p_id ~ NI-Typ*Lesart+ (1|Stimulus), data = Exp3, REML=FALSE) n = 223 (224 Bewertungen abzüglich ein Ausreißer) Tabelle 47: Modellvergleich – Experiment 3. AIC
BIC
Nullmodell
,
,
Finales Modell
,
,
χ
df
p
,
,e-
Tabelle 48: Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 3. Feste Effekte
Estimate
SE
t-Wert
(Intercept)
−,
,
,
Interaktion: NI-Typ – Lesart
,
,
,
Zufällige Effekte
Varianz
SD
Stimulus
,
,
Residuen
,
,
A.8 Statistische Auswertungen
293
Experiment 4 R-Syntax des finalen Modells: Exp4.Modell = glmer (Anapher~ NI-Typ + (1|Testperson) + (1|Infinitiv), data= Exp4, family = binominal) n = 448 Tabelle 49: Modellvergleich – Experiment 4. AIC
BIC
Nullmodell
,
,
Finales Modell
,
,
χ
df
p
,
,e-
Tabelle 50: Zusammenfassung des finalen Modells – Experiment 4. Feste Effekte
Estimate
SE
z-Wert
(Intercept)
−,
,
−,
NI-Typ
,
,
,
Zufällige Effekte
Varianz
SD
Stimulus
,
,
Testperson
,
,
Register achievement 48, 77f., 82f., 96–102 Agens siehe Initiator Aktivitätsverb 66, 88, 171f., 185 Akzeptabilität 4, 146–148 – Akzeptabilitätsbegriff 160 – Akzeptabilitätsurteil 146, 156f. analytische Form 19–21, 24, 28f. Anapher siehe Pronominalisierung Argument – Argumentposition/-rolle 50–55, 65 – Argumentrealisierung 8, 10–12 – höheres Argument 95, 136–138, 185, 197f., 245 – tieferes Argument 62, 65, 104–107, 138f., 197–199, 245 Atelizität/atelisch 55–62, 86f., 104, 186f., 204f., 208, 246f., siehe auch Unbegrenztheit/unbegrenzt Bewegungsereignis/-verb 58f., 74, 88, 99f., 103f. bloßes Nomen 2, 22, 25–32, 189f., 200–208, 242, 247 Container siehe Matrixprädikat definiter Artikel 19, 131 degree achievement 75f., 83 Dekomposition 40–46 Determinierer 21, 25, 29f. Deutsch 2, 115, 135–139 deverbales Nomen 20, 183–185, 197–199, 248 direktes Objekt 11, 15f., 24–32, 61–64, 214f., 247f. DP 8–11, 30–32, 37f., 143f. DP-Nominalisierung 10f., 139–143, 209–211, 220 dynamisches Verb 47f., 82f. Emissionsverb 88–90 siehe auch Geräuschäußerungsereignis/-verb Englisch 8, 123, 141 Entscheidungsaufgabe 156–159, 231f., 237 https://doi.org/10.1515/9783110723359-012
Episodizität/episodisch 110, 131–139, 142–144, 185, 197, 211f., 220f., 245 Ereignisnominalisierung/-nomen 86, 109–117, 152, 183–185 First Phase Syntax (FPS) 41f. Französisch 2 Füller/Füllmaterial 161, 174–176 funktionale Kategorie 9, 21 gemischtes Modell 165f. Generizität/generisch 128–131, 135f., 143f., 197, 220f., 245 Genus 140, 224–226 – genuslos 226f., 230f., 240f. Geräuschäußerungsereignis/-verb 103f., 120f., 185, 198 geteilte VP 41–42, 45–49 Grammatikalität 147f. Habitualität/habituell 130f. imperfektiv 102, 104, 115f., 146 indefinite (volle) DP 203–208 Individuennomen 201, 230 Individuenprädikat 130, 214 Initiator 41f., 46, 51–53 initP 41, 44, 46, 70–74 intern gemischte Form/Struktur 10–12, 24–30 intransitives Verb 72–74, 82–84, 86–90, 98, 103f., 183–185, 245 Italienisch 140 Iterativität/iterativ 56–58, 77f., 98, 102–104 Kausativalternation 70–74 Klitikon 15, 22f., 25, 100 Kongruenz 226–231 – Kongruenzhierarchie 229 – Massennomenkongruenz 230f. Latein 224, 227 lexikalische Kategorie siehe Wortart lexikalisch-konzeptuelle Struktur (LCS) 43f.
296
Register
Lexikoneintrag 42–44 Likertskala 159, 164f. Maskulinum 225f., 246 Massennomen 60, 201f., 229–231 Matrixprädikat 111–114, 131–135 – artenselegierend 132f. – evaluativ-faktiv 122–127 – Wahrnehmungsverb 89f., 113f., 120 – zeit- und dauerbezogenes Verb 113–115 modal-eventive Lesart 122–127 Modifizierer – adjektivisch vs. adverbial 19–21, 26–30, 247f. – aspektuell 103f., 246 – modal 112f. Negation / negiert 19, 22 Nominalisierungsaffix 198, 220f., 228 – -ción 183–185 Nominalisierungsskala 8, 37–39 Nominalskala 156, 166 NP-Nominalisierung 11, 139–143, 210, 240f. Numerus 226f., 230, siehe auch Plural offline- vs. online-Methode 147, 231f. perfektiv 19, 115f. Pfad 53–56, 58–64, 92–94, 245 Plural 33f., 229–231 PP 11f., 20f., 27, 34f., 38
procP 41, 47f., 61f. Pronominalisierung 204, 221–224, 226–232, 239–241 resP 41, 48–50 Resultatlesart 117–121 Resultee 41f., 49, 51–53 Rumänisch 140f., 222 semelfaktives Verb 77–79, 102f. Signifikanztest 165 Stadienprädikat 130 statives Verb 79–81, 86f. Subjekt 12f., 18 Tatsachenlesart 121–127 Telizität/telisch 55–62, 69, 91–94, 104, siehe auch Unbegrenztheit/unbegrenzt Thema siehe Undergoer TP 17f. transitives Verb 63f., 87, 91–96, 104–106, 183–186, 197–199, 245 unakkusativ vs. unergativ 72f., 83 Unbegrenztheit/unbegrenzt 56–58, 98, 102–104, 246f. Undergoer 41f., 48, 51–53, 61f., 93f., 244f. Verbklasse 64, 82–84 VP 17f., 24, 30–32, 37 siehe auch geteilte VP Wahrnehmungsverb 89, 120 Wortart 8–12, 43, 45