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German Pages 468 Year 2014
Gerda Ridler Privat gesammelt – öffentlich präsentiert Über den Erfolg eines neuen musealen Trends bei Kunstsammlungen
Gerda Ridler (Dr. phil.), Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin, war Gründungsdirektorin des privaten Museum Ritter und ist als freie Autorin, Kuratorin und Beraterin für private Kunstsammlungen tätig.
Gerda Ridler
Privat gesammelt – öffentlich präsentiert Über den Erfolg eines neuen musealen Trends bei Kunstsammlungen
Der Druck dieser Publikation wurde unterstützt von: Marli Hoppe-Ritter Stiftung zur Förderung der Kunst Sparkassenverband Baden-Württemberg Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2012 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: stapelberg&fritz, Stuttgart Umschlagabbildung: Beat Zoderer, Departement I-VII, 1993, Ausstellungsansicht »Neue Freunde. Aktuelle Positionen zum Quadrat«, 2007/2008, Museum Ritter, Waldenbuch, © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: Olaf Nagel, Ostfildern, Courtesy Museum Ritter Lektorat: Uta Nusser, Stuttgart Satz: Gerda Ridler, München Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2227-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
EINLEITUNG 1.
Hochkonjunktur der öffentlichen Privatsammlungen | 9
TEIL I: THEORETISCHE UND PRAKTISCHE RELEVANZ DES FORSCHUNGSTHEMAS 2.
Historische Entwicklung des privaten Kunstsammelns | 23
2.1
Privates Sammeln von Kunst: Ein historischer Rückblick von der Renaissance bis zum späten 19. Jahrhundert | 23 2.2 Privates Sammeln von Kunst im 20. Jahrhundert | 33 2.3 Wichtige internationale Vorläufer der heutigen Privatmuseen | 53 2.4 Hochkonjunktur der öffentlichen Privatsammlungen seit den 1990er Jahren | 61 2.5 Zusammenfassung | 69 Die öffentliche Privatsammlung | 79 3.1 Begriffsklärung | 79 3.2 Formen der Öffentlichmachung privater Sammlungen | 84 3.3 Trägerschaften öffentlicher und privater Sammlungen | 89 3.4 Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen | 92 3.5 Ableitung der Forschungsfrage | 100 3.
4.
Was macht ein Museum erfolgreich? Eine methodische Analyse öffentlicher Museen | 101
4.1
Erfolg aus der Sicht institutionalisierter Vertretungen der Museumsbranche | 105 4.2 Instrumentarien des Managements zur Bewertung von Qualität und Erfolg | 115 4.3 Museale Erfolgsfaktoren aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive | 125 4.4 Operationalisierung der untersuchungsrelevanten Erfolgskriterien öffentlicher Museen | 138 4.5 Zusammenfassung der Erfolgskriterien öffentlicher Museen | 168
TEIL II: KONZEPTION DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG 5.
Forschungsmethodik | 175
6.
Darstellung des Untersuchungsfeldes | 187 Auswahlkriterien der öffentlichen Privatsammlungen | 187
6.1
6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11
Sammlung Hoffmann, Berlin | 190 Essl Museum, Klosterneuburg, Österreich | 193 Daros Museum Zürich, Schweiz | 197 Langen Foundation, Insel Hombroich, Neuss | 201 Museum Frieder Burda, Baden-Baden | 205 Julia Stoschek Collection, Düsseldorf | 209 Sammlung Boros, Berlin | 213 Museum Biedermann, Donaueschingen | 217 Sammlung FER Collection, Ulm | 221 me Collectors Room Berlin | 225
TEIL III: ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG 7.
Öffentliche Privatsammlungen im Licht der empirischen Forschung | 231
7.1 Gründungsmotive | 231 7.2 Benennung | 274 7.3 Ziele und Leitbild | 280 7.4 Trägerschaft und Finanzen | 285 7.5 Museale Kernkompetenzen | 292 7.6 Management | 337 7.7 Personal | 345 7.8 Besucherorientierung | 352 7.9 Öffentlichkeitsarbeit und Marketing | 361 7.10 Flankierende Serviceeinrichtungen | 371 7.11 Netzwerk und Kooperation | 384 7.12 Dienstleistungsqualität | 387 7.13 Zusammenfassung der Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen | 392 7.14 Abgleich der Erfolgskriterien öffentlicher Museen mit Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen | 402 8.
Veränderungen in der zeitgenössischen Museumskultur | 407
8.1 Stellenwert der öffentlichen Privatsammlungen im Verhältnis zu öffentlichen Museen | 407 8.2 Zukunft öffentlicher Privatsammlungen | 416 8.3 Potenzielle Formen zukünftiger Zusammenarbeit zwischen privaten Sammlungen und öffentlichen Museen | 424 9.
Schlussbemerkung | 429
TEIL IV: VERZEICHNISSE UND ANHANG Literaturverzeichnis | 431 Detailliertes Inhaltsverzeichnis | 461
Danksagung
Diese Publikation basiert auf der Dissertation „Privates Glück und öffentlicher Segen. Untersuchung zu Erfolgsfaktoren privater Sammlungen im Vergleich mit öffentlichen Museen im deutschsprachigen Raum“. Ich möchte mich ganz herzlich bei meinen Professoren Dr. Thomas Knubben und Dr. Ludger Hünnekens vom Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg bedanken, die die Entwicklung meines Projekts stets konstruktiv und wohlwollend begleitet haben. Ich danke Uta Nusser für die kritische Durchsicht des Manuskripts und Herrn Prof. Dr. Armin Zweite für die kommunikative Validierung der Studienergebnisse. Der Druck dieser Publikation wurde freundlicherweise von der Marli Hoppe-Ritter Stiftung zur Förderung der Kunst, dem Sparkassenverband Baden-Württemberg und der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG unterstützt. Auch dafür sage ich ein herzliches Dankeschön. Mein wissenschaftliches Interesse an der Hochkonjunktur öffentlich zugänglicher Privatsammlungen wurde vor allem durch meine Funktion als Gründungsdirektorin des privaten Museum Ritter in Waldenbuch bei Stuttgart befördert. Das vorliegende Buch präsentiert die mehrjährige systematische Beschäftung mit diesem neuen musealen Trend und stellt ihn qualifiziert in einen größeren kulturpolitischen Kontext. Die empirische Untersuchung stützt sich neben einer Datenanalyse ganz wesentlich auf Interviews mit vier Sammlerinnen, fünf Sammlern und zwei Museumsdirektoren. Ihnen allen sei für ihre Bereitschaft, Einblicke in den Entstehungsprozess und die Organisation ihrer öffentlichen Privatsammlungen zu gewähren, zutiefst gedankt. Dieser Dank ist weit mehr als eine Geste der Höflichkeit. Meine große Wertschätzung gilt den Sammlerinnen und Sammlern, die ihre Leidenschaft für die Kunst in einzigartiger Weise mit der Öffentlichkeit teilen. Die Studie kann auch als Würdigung des bürgerschaftlichen Engagements von Margit Biedermann, Christian Boros, Frieder Burda, Sabine Langen-Crasemann, Prof. Karlheinz Essl, Erika Hoffmann, Dr. Thomas Olbricht, Ruth Schmidheiny, Julia Stoschek und Dr. Friedrich E. Rentschler verstanden werden. Widmen möchte ich diese Arbeit meinem Vater Franz Ridler (1933-1974), der früh verstorben ist und die unterschiedlichen Lebenswege seiner Kinder nicht mehr verfolgen konnte, sowie meinem Ehemann Andreas Zechner, der mir stets rückhaltlos zur Seite stand.
1.
Einleitung. Hochkonjunktur der öffentlichen Privatsammlungen
1.1
D ARSTELLUNG
DES
F ORSCHUNGSFELDES
Seit den 1990er Jahren sorgt die Gründung einer Vielzahl neuer und privatwirtschaftlich geführter Kunstmuseen in Deutschland für Aufsehen. In einer Zeit, in der öffentliche Museen für in Privatbesitz befindliche Kunstwerke nur noch bedingt aufnahmebereit1 sind, präsentieren Sammlerinnen und Sammler2 bildender Kunst ihre umfangreichen und mehrheitlich hoch qualitativen Kollektionen nun zunehmend in ihren eigenen Museen und privaten Ausstellungsräumen. Ohne Zweifel bereichern diese öffentlichen Privatsammlungen3 die Vielfalt und Qualität der Museumslandschaft und des kulturellen Angebots. Sie widmen sich vorrangig der aktuellen und zeitgenössischen Kunst und tragen mit ihren bemerkenswerten Ausstellungs- und Programmangeboten zur kulturellen Belebung und Profilierung der Orte und Regionen bei, in denen sie eröffnet wurden. Die Gründung privatwirtschaftlich geführter und von öffentlichen Mitteln völlig unabhängiger öffentlicher Privatsammlungen kann als neues Phänomen in der Museumslandschaft gewertet werden. Seit der Jahrtausendwende sind allein im deutschsprachigen Raum knapp vierzig international anerkannte private Initiativen mit ihrem 1
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„Bedingt aufnahmebereit“, betitelte der Sammler Harald Falckenberg einen seiner Essays über das Verhältnis von privaten Sammlern und öffentlichen Museen. Vgl. Falckenberg 2002: 13-29. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den folgenden Ausführungen überwiegend die männliche Form in der Bezeichnung von Personen verwendet. Im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes sind diese Bezeichnungen als nicht geschlechtsspezifisch zu betrachten. In Anlehnung an Grasskamp (2010a: 31), der den Begriff „öffentlicher Privatsammler“ im Unterschied zum traditionellen Privatsammler geprägt hat, wird hier der Terminus „öffentliche Privatsammlung“ verwendet. Es handelt sich dabei um Kunstsammlungen von Privatpersonen, die der Öffentlichkeit in eigenen Ausstellungsräumen zu regelmäßigen Besuchszeiten oder nach Voranmeldung zugänglich sind. Die an sich widersprüchliche Bezeichnung stellt dar, dass private Sammler öffentliche Kunstorte gründen, damit die Öffentlichkeit dort an privaten Kunstleidenschaften teilhaben kann. Begriffsklärungen sind in Kapitel 3 zu finden.
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hochkarätigen Kunstbesitz an die Öffentlichkeit getreten.4 Hier lässt sich eine Entwicklung erkennen, die in der rund 200jährigen Geschichte der Institution Museum 5 neu und einmalig ist: Noch nie zuvor wurden so viele Ausstellungshäuser von Privatpersonen gegründet wie heute. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dieses neue Phänomen, seine unterschiedlichen Erscheinungsformen und seine Wirkung auf die öffentliche Museumslandschaft zu untersuchen. Erforscht werden soll darüber hinaus, warum private Sammler gerade in den letzten zwanzig Jahren ein verstärktes Interesse an eigenen Museen und der öffentlichen Zugänglichkeit ihrer privaten Kollektionen zeigen. Welche Veränderungen in der Kunstlandschaft haben diese Tendenz begünstigt? Warum leisten sich Privatsammler eigene Kunst- und Ausstellungsräume? Welche Ziele verfolgen sie damit? Was macht den besonderen Reiz von privaten Sammlungen aus? Und worin liegt ihr Erfolg begründet? Diesen Fragen soll in der Arbeit nachgegangen werden. Im Fokus dieser Studie stehen ausschließlich öffentlich zugängliche Privatsammlungen, die sich vorrangig der bildenden Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts widmen und von Einzelpersonen oder Ehepaaren gegründet wurden.6 Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf private Initiativen, die zur Gänze autonom geführt werden, und forscht nach den spezifischen und maßgeblichen Faktoren, die ihren Erfolg ausmachen. Im deutschsprachigen Raum ist zu beobachten, dass die neu errichteten privaten Kunstsammlungen und ihre Ausstellungsprojekte hohe Wertschätzung und sehr positiven Zuspruch beim Publikum und bei Experten verbuchen können. Hinter den privaten Einrichtungen stehen meist erfolgreiche Unternehmer oder Persönlichkeiten, die ihren beruflichen Erfolg auch in ihrem privaten Kunstengagement weiterführen wollen. Ihre privaten Kunstdomizile arbeiten daher wirtschaftlich orientiert und sind besucherfreundlich ausgerichtet. Mit ihrem jungen und dynamischen Image, ihren gegenwartsbezogenen qualitätvollen Sammlungen und ihrer hohen Servicebereitschaft haben sie im öffentlichen Kulturleben und im Bewusstsein der Bevölkerung enorme Bedeutung erlangt. Für die öffentlichen Museen entsteht dadurch ein noch nie dagewesener Wettbewerb. Theoretische Grundlage dieser Arbeit bildet die Frage, wie Erfolg in Kunsteinrichtungen gemessen werden kann. Reflektionen über Erfolgsstrategien gibt es bislang nur für Kunstinstitutionen öffentlicher Prägung. In den letzten Jahren haben sowohl die institutionalisierten Vertretungen der deutschsprachigen Museumsbranche als auch die kulturmanageriale und kulturwissenschaftliche Forschung die Organisation und Führung von öffentlichen Museen zunehmend unter ökonomischen Aspek4 5
6
Eine tabellarische Übersicht über die wichtigsten privaten Museumsgründungen im deutschsprachigen Raum seit Beginn des 20. Jahrhunderts findet sich in Kapitel 2.5. Die Entstehung der Institution Museum als Einrichtung der bürgerlichen Öffentlichkeit wird in die Zeit der französischen Revolution datiert. 1793 wurde im Louvre das Musée des Arts eröffnet, dessen Kunstwerke Teil des politischen Enteignungsprozesses waren, der seit 1789 in Gang war. Vgl. Ridler 1996: 32. Kunstsammlungen von Unternehmen (Corporate Collections) oder öffentliche Privatsammlungen zur bildenden Kunst vergangener Jahrhunderte finden in dieser Untersuchung keine Berücksichtigung.
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ten betrachtet und Fragen der Professionalisierung, Qualitätssteigerung und Erfolgsorientierung thematisiert. Aus diesem Grund wird die aktuelle Fachdiskussion über Erfolgsstrategien musealer Arbeit gleichsam als Folie methodisch analysiert. Die Verfasserin hat sich zum Ziel gesetzt, einen Katalog an potenziellen Faktoren zu identifizieren, die den Erfolg öffentlicher Museen nachhaltig beeinflussen können. Ob diese Erfolgskriterien auch für private Kunsträume relevant sind oder ob andere Faktoren für ihre Attraktivität und ihr hohes Prestige in der öffentlichen Wahrnehmung bestimmend sind, soll mit dieser Studie überprüft werden.
1.2
A USGANGSLAGE
Zunächst soll der Kontext rund um das Thema öffentliche Privatsammlung soweit aufbereitet werden, dass ein hinreichend differenziertes Bild der Museumslandschaft als Grundlage für diese Untersuchung entstehen kann. Allgemein erfreuen sich die Kunstmuseen in Deutschland hohen Zuspruchs, sie gehören zu den erfolgreichsten Einrichtungen der kulturellen Landschaft. Mehr als 109 Millionen Besuche in deutschen Museen im Jahr 2010 belegen eindrucksvoll die Bedeutung der Museen als Bildungs- und Freizeitorte.7 Allein in Deutschland gibt es 6.281 Museen, davon 660 Kunstmuseen, die mit ihren Sammlungen, Wechselausstellungen und diversifizierten Programmen um das Interesse des Publikums wetteifern.8 In einer globalisierten, sich schnell verändernden Welt müssen sich öffentliche Museen nicht nur gestiegenen Ansprüchen des Publikums stellen, sondern auch auf die ständig steigende Konkurrenz im Kultur- und Freizeitbereich reagieren. Neben privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen, die eine Reihe neuer Geschäftsfelder im Kultursektor entdecken, sind es im Besonderen die öffentlich zugänglichen Privatsammlungen, die sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreuen und an deren Attraktivität sich öffentliche Kunstmuseen messen lassen müssen. Das zunehmende Interesse der Öffentlichkeit an Kunst sammelnden Persönlichkeiten und privater Kunstleidenschaft lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären. Kunst genießt in unserer Gesellschaft heute einen hohen Stellenwert, besonders die zeitgenössische Kunst wird in der Wahrnehmung und in ihrer Bedeutung immer relevanter. Das lässt sich vor allem anhand der stets steigenden Besuchszahlen von Kunstausstellungen nachweisen.9 Das Interesse an Sammlern hängt aber auch 7
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Während im Jahr 1990 100 Millionen Besucher in Museen und Ausstellungshäusern in Deutschland gezählt wurden, waren es im Jahr 2010 mehr als 109 Millionen Besucher. Vgl. Institut für Museumskunde 1991: 7 und Institut für Museumsforschung 2011: 7. Innerhalb der letzten 20 Jahre ist die Zahl der Museen in Deutschland von 4.034 auf 6.281 Museen, um mehr als 55% gestiegen. Vgl. Institut für Museumskunde 1991: 22 und Institut für Museumsforschung 2011: 15. Als Beispiel sei hier die „documenta“ genannt, eine der weltweit bedeutendsten, nichtkommerziellen Ausstellungs-Plattformen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre in Kassel statt. Im Jahr 2007 wurden 751.301 Besucher in der Ausstellung, die rund 100 Tage dauert, gezählt. Im Vergleich dazu: 1955, im ersten documenta-Jahr wurden 130.000 Besucher gezählt. Vgl. http://d13.documenta.de/start html (19.1.2012).
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mit dem beträchtlichen und „geradezu grotesk überzogenen“ – so Grasskamp (2010b: 62) – Marktwert der zeitgenössischen Kunst zusammen. Die hohen Summen, die für aktuelle Kunstwerke ausgegeben werden, schüren das Interesse an jenen Personen, die sich solch hohe Summen leisten können. Auf diese Weise erhalten private Sammler einen herausgehobenen Status und rücken ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Das Ansehen des Sammlers „zehrt ja nicht nur von seinem Besitz allein, sondern auch von seiner Konsumkompetenz, um die man ihn beneidet und deren eleganteste Form er präsentiert“, so Grasskamp (2010b: 62). Bereits zu Beginn der 1960er Jahre stellt Cabanne (1963: 162) fest: „Wenn Emil Georg Bührle bei dem großen Kunsthändler Wildenstein in New York an einem einzigen Abend zwölf Gemälde kauft, dann fragt kaum jemand, um was für Gemälde 10 es sich handelt, sondern: Wer ist dieser Herr Bührle?“
Der Kunstmarkt durchlebt seit einiger Zeit eine beeindruckende und ausgeprägte Hochkonjunktur. In spektakulären Auktionen werden Höchstpreise für zeitgenössische bildende Kunst erzielt, und die begehrtesten Werke haben seit Mitte der 1990er Jahre vornehmlich Eingang in private Sammlungen gefunden. Die öffentlichen Museen finden sich dabei oft nur in der Beobachterrolle wieder, denn aufgrund der drastischen Beschränkung der öffentlichen Mittel stehen die Ankaufsetats der staatlichen Institutionen in markantem Gegensatz zu den Mitteln privater Sammler. Das hat zur Folge, dass die Rezeption der Gegenwartskunst immer stärker in privaten Institutionen stattfindet, weil die finanzielle Ausstattung der öffentlich subventionierten Museen den Ankauf hochkarätiger Werke zeitgenössischer Kunst nicht erlaubt und die Privatsammler ihre Neuerwerbungen kaum mehr als Leihgaben in öffentlichen Häusern, sondern in ihren privaten Kunsträumen zeigen. „Der Sammler geht voran“, sagt Grasskamp (2002a: 65) und beschreibt damit die steigende Bedeutung der öffentlichen Privatsammlungen, die innerhalb weniger Jahre zu einem wesentlichen Kapitel in der jüngsten Museumsgeschichte geworden sind.11 Er äußert zudem den Verdacht, dass die Privatinitiativen den öffentlichen Museen die Kanonkompetenz im Hinblick auf Gegenwartskunst abgenommen haben.12
10 Der Kunstsammler Emil Georg Bührle wird in Kapitel 2.3.2 vorgestellt. 11 1969 prägte der ehemalige Museumsdirektor Gert von der Osten den Ausspruch „Der Sammler geht voran“ im Hinblick auf Peter Ludwig, der den Kölner Museen ein umfangreiches Sammlungskonvolut von Kunst der 1960er Jahre als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Seither gilt dieses Urteil als Leitmotiv des Verhältnisses von Privatsammler und öffentlichem Museum (von der Osten 1969: o.S.). 12 Dieses Thema wird seit längerem auch im Feuilleton diskutiert. So merkte Karlheinz Schmid (2008: 2/3) anlässlich der Ausstellung „Matthew Barney“ (5.11.2007-29.3.2008) in der Sammlung Goetz in München an, dass „so manches öffentliche Museum stolz sein könnte, eine solche Ausstellung präsentieren zu dürfen, wie sie Ingvild Goetz als Privatsammlerin mit größter Selbstverständlichkeit öffentlich zugänglich macht“, und schließt an, dass wir „umdenken müssen und eines Tages womöglich dort landen, wo wir schon mal waren: keine zeitgenössische Kunst im öffentlich finanzierten Museum. Die Prüfstände der Gegenwart werden dann in privater Obhut betrieben.“
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Die Sammler haben nicht nur großen Einfluss auf die Kunstrezeption, sondern auch auf die Kunstproduktion. Wimmer (2010: 10) ist überzeugt, dass für die Karrieren von Künstlern heute „die Erwerbungspolitik privater Sammlerinnen und Sammler entscheidender [ist, d.V.] als die kunsthistorische Anerkennung durch öffentliche Museen“. Die erworbene Kunst wird „möglichst unmediatisiert“ (Fleck 2010: 6) in den eigenen Museen und Ausstellungsräumen gezeigt, wodurch diese privaten Kunsträume eine Aktualität und Gegenwartsbezogenheit erhalten, die früher den Galerien vorbehalten war. Damit stellen private Sammler nicht nur einen großen Rückhalt für gegenwärtige Künstler dar, sondern sie übernehmen auch eine Leistung, der öffentliche Museen heute kaum mehr nachkommen: „Bildung, Sicherung und Schutz auch der Kunst, die nicht historisch abgesichert ist“ (Weibel 2007: 41). Dass private Sammler ihre hochkarätigen Kunstkollektionen verstärkt in eigenen und unabhängigen kunsthallen- oder museumsähnlichen Ausstellungsräumen öffentlich machen, ist ein internationales Phänomen. Als prominente Beispiele seien hier François Pinault, Charles Saatchi und Viktor Pinchuk mit ihren privaten Museen in Venedig, London und Kiew genannt.13 Überblickt man den globalisierten Kunstmarkt seit den 1990er Jahren, so lässt sich feststellen, dass „die Bundesrepublik Deutschland [...] bei den privaten Sammlungen die wesentliche ‚Großmacht‘ hinter den Vereinigten Staaten von Amerika bildet“, so Fleck (2010: 6). Doroshenko (2010: 4) konstatiert in diesem Zusammenhang „a new global phenomen, that is fast becoming a new institutional paradigm for art collections for the 21st century“. In seinem jüngst veröffentlichten Bildband stellt Doroshenko die fünfzig weltweit wichtigsten, von Privatsammlern gegründeten Kunsträume vor, die seiner Einschätzung nach über die international herausragendsten zeitgenössischen Kunstsammlungen verfügen.14 „No longer is the world looking to the public art venue to be educated about contemporary artists and ideas that surround contemporary art. Instead, the art enthusiast and the art world are turning their attention more and more to private collectors who have chosen to
13 Bei diesen drei Museumsgründern handelt es sich um sehr reiche und einflussreiche Persönlichkeiten: Der Milliardär François Pinault (*1936) ist im Luxusgüter- und Lebensmittel-Handel engagiert; der Werber und Kunsthändler Charles Saatchi (*1943) war für den Aufschwung der Brit Art verantwortlich; der Oligarch Viktor Pinchuk (*1960) zählt zu den 200 reichsten Menschen der Welt. Allerdings ist diese „mega-solvente transnational agierende Elite von Sammlern“ (Maak 2011: 39) nicht mit den Sammlern dieser Studie vergleichbar. Maak (2011: 49) konstatiert diesen Sammlern „oligarchischen Großsammlergeschmack“, der stets die gleichen Künstler favorisiert und eine globale Monokultur produziert. 14 Peter Doroshenko war Präsident und Künstlerischer Direktor des privaten Pinchuk Art Center in Kiew und ist aktuell Executive Director des „The Dallas Contemporary“. Knapp ein Viertel (12 Privatsammlungen) der in diesem Buch vorgestellten privaten Ausstellungsräume sind im deutschsprachigen Raum angesiedelt. Die Hälfte der in dieser Studie untersuchten öffentlichen Privatsammlungen (Sammlung Boros, Museum Frieder Burda, Essl Museum, Sammlung Hoffmann und Julia Stoschek Collection) werden in seinem Buch vorgestellt. Das manifestiert die Bedeutung und internationale Anerkennung dieser öffentlichen Privatsammlungen.
14
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT create their own private spaces to share with the world what has inspired them in their own interaction with contemporary art and in their own collecting“ (Doroshenko 2010: 4).
Doroshenko spricht von den öffentlichen Privatsammlungen als den aktuellen Orten der zeitgenössischen Kunstrezeption. Es ist offenkundig, dass die privaten Sammler gegenwärtig eine mitbestimmende und wesentliche Rolle in der Gegenwartskultur spielen. Allerdings wird diese Bedeutung von institutionalisierten Vertretern der öffentlichen Museumsbranche wie auch der Kunstkritik nicht nur positiv gesehen. Von der Macht der Sammler, ihrer Omnipräsenz in der Kunstwelt und ihrem Einfluss am Kunstmarkt ist die Rede (Kritische Berichte 2006, Lammert 2007, Jocks 2011a, Jocks 2011c). Die Kunstkritik stellt Sammler bisweilen als egoistische Persönlichkeiten und Spekulanten dar, die lediglich an gesellschaftlichem Renommee interessiert sind und Kunst nicht aus ästhetischen sondern aus ökonomischen Gründen erwerben.15 Dabei wird übersehen, dass eine Reihe von Sammlern fundierte Bildungsarbeit leistet und ihre Sammlungen und ihre privaten Ausstellungshäuser die öffentliche Kunstszene sinnvoll ergänzen. Es bedeutet für Sammler zudem großen finanziellen Aufwand, ihre Kollektionen in eigenen Räumen öffentlich zugänglich zu machen. Neben den Kosten der Gebäudeerrichtung oder des Umbaus einer bestehenden Immobilie fallen laufende Ausgaben für Betrieb, Personal, Ausstellungen, Publikationen, Kunstvermittlung und Werbung an. Dies alles leisten die Privatsammler aus eigener Tasche, völlig ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand. Nutznießer des Privatengagements ist das kunstinteressierte Publikum, das neben dem öffentlichen Museumsangebot in den Genuss kommt, subjektive Sammelleidenschaften kennen zu lernen. Viele Menschen können durch die privaten Initiativen mit Kunstwerken in Kontakt kommen, die ihnen sonst unzugänglich bleiben würden. Dadurch wird das Verständnis für Gegenwartskunst gefördert, und Kunstströmungen, die abseits des Kanons liegen, können auf diese Weise ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Denn Privatsammler haben aufgrund ihrer indiviuellen Vorlieben stets die Vielfalt gefördert. Das Vorhandensein privater Kunsträume ist grundsätzlich positiv zu werten, da ein großes Angebot an unterschiedlichen Museen und Ausstellungsthemen bei den Besuchern Lust und Interesse erzeugt, sich mit Kunst zu beschäftigen. Und dieses Interesse fragt zunächst nicht nach „öffentlich“ oder „privat“, sondern nach Vielfalt und Qualität in der Präsentation und Vermittlung von Kunst. Öffentliche Privatsammlungen können helfen, das Kunstpublikum zu vergrößern, wovon indirekt auch der institutionalisierte Museumsbetrieb profitiert. Folglich erscheint es mit den Worten von Willi Bongard (1967: 169) „durchaus wünschenswert, dass möglichst viele Sammler – aus welchen Motiven immer – möglichst große Kunsterwerbungen machen. Die kleine Eitelkeit und das kleinlichste Gewinnstreben (das im einen oder an-
15 Besonders Eduard Beaucamp, der von 1966-2002 Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war, verfolgt das Wirken der Sammler sei jeher mit großer Skepsis. Er idealisiert die Nachkriegssammler, die sich selbstlos am Gesellschaftsprojekt der öffentlichen Museen beteiligt haben, und verurteilt die „selbstgefällige und protzige Kunstpolitik“ der privaten Museumsgründer (Beaucamp 2011a). Das Wirken öffentlicher Privatsammler wird von Rezensenten aber auch positiv beurteilt. Siehe Fußnote 12.
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deren Fall nicht völlig ausgeschlossen werden darf) kommen letzten Endes der Kunst, den Künstlern und einem großen Publikum zugute. Ars longa, vita brevis.“
1.3
S TAND
DER
F ORSCHUNG
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Museum ist in den letzten Jahren stark angestiegen.16 Baur (2010: 7) nennt als Gründe für den Boom der Museumsliteratur und der Museumsforschung einerseits das allgemein steigende Interesse an den Museen, das sich an den jährlich wachsenden Besucherzahlen nachweisen lässt. Andererseits resultiert die intensive Auseinandersetzung „aus der Vielgestaltigkeit des Untersuchungsphänomens selbst“, das Fragestellungen aus unterschiedlichen sozial- und kulturwissenschaftlichen sowie kulturmanagerialen Bereichen erlaubt. Der Forschungsgegenstand Museum lässt sich keiner akademischen Disziplin eindeutig zuordnen und wird so zum „Experimentierfeld interdisziplinärer Betrachtung“. Für die vorliegende Untersuchung sind im Besonderen jene Publikationen von Interesse, die sich mit der Museumsgeschichte, dem privaten Sammeln von Kunst, dem Verhältnis von privaten Sammlern und öffentlichen Museen und dem Museumsmanagement beschäftigen. Da sich diese Studie auf private Kunstsammler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beschränkt, wird vorrangig die deutschsprachige Fachliteratur berücksichtigt. Seit die Institution Museum zunehmend unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet wird und sich die Disziplin des Kulturmanagements etabliert hat, ist die Literatur zum Museumsmanagement deutlich in den Vordergrund getreten. Neben allgemeinen Untersuchungen zu managementgeleiteten Formen der Organisation und Betriebsführung von Museen (Reicher 1988, Gutbrod 1994, Zimmer 1996, Kotler / Kotler 1998, Bendixen 2001, Drucker 2001, Dauschek 2001, Schmutzer 2005, Klein 2008) gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich einzelnen Aspekten des Museumsmanagements widmen. Eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten beschäftigt sich mit den Bereichen Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Publikumsforschung, Finanzierung und Controlling (Schuck-Wersig / Wersig 1992, Hausmann 2001, Rump 2002, Klein 2005, Beccarelli 2005, Gerlach 2007, Laukner 2008, Günter / Hausmann 2009, Reussner 2009). Ein genauerer Blick zeigt, dass vor allem die Literatur zum Museumsmarketing und zur Besucherorientierung überwiegt. Bei beiden Themenbereichen handelt es sich um Managementstrategien, die in amerikanischen Museen entwickelt und daraufhin für die deutsche Museumskultur adaptiert wurden. Die vielfältigen Beiträge in diesen Genres spiegeln eine Hauptlinie der Strukturreform deutscher Museen der letzten Jahre wider, nämlich die stärkere Öffnung der Institution in Richtung ihres Publikums. Der dadurch bedingte Paradigmenwechsel kann mit den
16 Grundlegende Standardwerke zur rund zweihundertjährigen Geschichte der Institution Museum sind Bazin 1967, Deneke / Kahsnitz 1977, Grasskamp 1981, Kemp 1987a, Kemp 1987b, Pomian 1988, Sheehan 2002. Im Zentrum dieser Abhandlungen stehen meist Fragen nach der Zugänglichkeit und Öffentlichmachung von Sammlungen sowie Präsentations- und Vermittlungsformen von Kunstwerken.
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Schlagworten „vom Elfenbeinturm zum Dienstleitungsbetrieb“ prägnant zusammengefasst werden. Dieser Thematik ist auch der Arbeitskreis Museumsmanagement im Freilichtmuseum am Kiekeberg verpflichtet. Seit Mitte der 1990er Jahre publiziert er Empfehlungen für ein integriertes Management, das bei der Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundlagen museale Besonderheiten berücksichtig. Hier werden überwiegend Themen, die als strategische Erfolgsfaktoren von Museen angesehen werden, behandelt. Als Beispiele seien die Bereiche Personalmanagement, Corporate Identity-Strategien, zielgruppenorientiertes Museumsmanagement, Zielfelder, Marktchancen und Qualitätsmanagement angeführt (Wiese 2000, John 2000, Dreyer / Wiese 2002, John 2003, Dreyer / Wiese 2004, Dreyer / Wiese 2006, Dreyer / Wiese 2008, John / Günter 2008). Dem allgemeinen Strukturwandel der Museen trägt auch das Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin Rechnung und veröffentlicht in seinen Mitteilungen und Berichten (Ebert 2005, Wittgens 2005, Leikam / Opitz / Sager / Wahl 2008, Bristot 2007, Bröckers 2007) sowie in seinen Schriften (Riebe 2007, von Chlebowski 2008) museumsrelevante Forschungen. Auch hier dominieren die Schwerpunkte Besucherforschung und Museumsmanagement, denen das Institut eigene Projektreihen widmet. Daneben behandelt die neuere Literatur zum Thema Kunstmuseum Fragen nach den heutigen Funktionen und Aufgaben dieser kulturellen Institution und sucht nach Perspektiven des Museums im 21. Jahrhundert (Wall 2006, John / Dauschek 2008). Diese aktuellen Problemstellungen stehen auch im Zentrum der Tagungen und Publikationen des Deutschen Museumsbundes. Tagungsthemen wie „Höhere Qualität?: Zur Bewertung musealer Arbeit“ (2004), „Museen gestalten Zukunft – Perspektiven im 21. Jahrhundert“ (2006), „Was macht ein Museum erfolgreich?“ (2007), „Museen in der Informationsgesellschaft“ (2008), „Chefsache Bildung“ (2009), „Kulturelles Erbe und Transformation“ (2010) belegen das entsprechende Engagement. Das steigende wissenschaftliche Interesse an der wirtschaftlichen Betriebsführung von Kultur- und Museumsbetrieben lässt sich im Zuge der angespannten Finanzsituation der öffentlichen Haushalte auch durch die Suche nach Bewertungsindikatoren für deren Erfolg belegen. Während sich Abfalter (2010) dem Erfolg im Musiktheater zuwendet, hat Fritsch (2007) Erfolgsfaktoren im Stiftungsmanagement untersucht. Für die Museumsbranche hat der Deutsche Museumsbund (2004b und 2007b) die Frage nach Qualität und Erfolg musealer Arbeit in die Fachdiskussion eingebracht. Seither bleibt die Forschung um die Evaluierung der Museumsarbeit allerdings vage, lediglich Wiese (2010a und 2010b) hat einige wichtige, allerdings sehr allgemein gehaltene Erfolgsfaktoren für Museen definiert. Die vorliegende Studie verfolgt daher das Ziel, zur Entwicklung und weiteren Diskussion um institutionalisierte und einheitliche Maßstäbe für erfolgreiche und qualitative Museumsarbeit einen Beitrag zu leisten. Genau wie zur Frage nach den Erfolgsfaktoren musealer Arbeit gibt es auch zum Thema Privatmuseen und öffentliche Privatsammlungen aus wissenschaftlicher Perspektive bislang nur punktuelle Forschungsbemühungen. Obwohl Kunstsammler in den letzten Jahren verstärkt ins Rampenlicht der Kunstöffentlichkeit gerückt sind und ihre Sammlungen und privaten Kunstinitiativen einen wichtigen Beitrag zur Gegenwartskultur darstellen, fehlen bis dato methodische Untersuchungen im Bereich des
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Kultur- und Museumsmanagements, die die spezifischen Bedingungen, Zielsetzungen und Gemeinsamkeiten dieses neuen Forschungsfeldes beleuchten. Die vorliegende Studie kann daher als grundlegender Beitrag zu diesem Themenbereich verstanden werden, der auch Anregungen für zukünftige weiterführende Untersuchungen bereithält. Das Interesse an den Persönlichkeiten, die hinter großen Sammlungen stehen, hat eine große Zahl an Publikationen unterschiedlichen wissenschaftlichen Anspruchs hervorgebracht (Cabanne 1963, Sachs 1972, Sager 1992, Reitz 1998, Adriani 1999, Herold 2001, Kuhrau 2005, Gudowacz / van Hagen / Chancel 2006, Wimmer / Feilchenfeldt / Tasch 2009, Doroshenko 2010, Jocks 2011a, Jocks 2011c). Diese Beiträge porträtieren berühmte Kunstsammler und Stifter von der Antike bis zur Moderne und beschränken sich meist auf allgemeine Darstellungen und Schilderungen biografischer, sozialer und gesellschaftlicher Beweggründe für das private Kunstengagement. Neben diesen persönlichen und exemplarischen Sammlerporträts ist das Phänomen des Sammelns von Kunst in zahlreichen Abhandlungen und Aufsätzen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden (Grote 1994, Münsterberger 1995, Assmann et. al. 1998, Groys 1997, Groys 2000, Sommer 2002, Sommer 2011, Holz 2011, Jocks 2011b). Das spannungsreiche Verhältnis von privaten Sammlern und öffentlichen Museen wurde gleichfalls mehrfach thematisiert (Mai / Paret 1993, Hermsen 1997, Breyhan 1997, Gohr 2000, Heil 2000, Grasskamp 2002a, Weibel 2007, Grasskamp 2010b, Fleck 2010). Zusätzlich sind in jüngster Zeit eine Reihe von Sammlungs- und Ausstellungskatalogen erschienen, die sich einzelnen privaten Museumsgründern und Sammlerpersönlichkeiten widmen.17 Darin werden hauptsächlich individuelle Strategien des Sammelns und spezifische Motivationen für die öffentliche Zugänglichkeit der privaten Kunstwerke beschrieben. Trotz der Fülle der Literatur, zu der in jüngster Zeit auch Ratgeber zum Thema Sammeln und Handlungsanleitungen für den Kunstmarkt gehören (Lindemann 2006, Herstatt 2007, Lindinger / Schmid 2007, Völcker 2007, Lindemann 2010), fehlen empirische Forschungsaktivitäten, die die Gründung, Zielsetzung und die managerialen Verfahrensweisen der privatwirtschaftlich geführten Kunsteinrichtungen untersuchen und die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten dieses neuen Phänomens deutlich machen. Das Dissertationsvorhaben möchte diese Lücke schließen.
1.4
Z IELSETZUNG , METHODISCHER DER A RBEIT
A NSATZ
UND
A UFBAU
Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine Annäherung an die Frage, warum private Sammler bildender Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts seit den 1990er Jahren verstärkt mit eigenen Ausstellungsräumen an die Öffentlichkeit treten, welche Besonderheiten die jungen Privatinitiativen auszeichnen und worin ihr großer Erfolg be17 Hier wird eine exemplarische Auswahl angeführt: Sammlung Essl 1999, Falckenberg 2002, Stiftung Frieder Burda 2004, Beyeler Museums AG 2007, Weishaupt 2007, Boros Foundation 2009, Adriani / Weibel 2009, Biedermann Foundation 2009, Adriani 2009, Fleck 2010, Ridler 2010, Schaufler / Bergmann 2010.
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gründet liegt. Die methodische Untersuchung fußt neben einer umfangreichen theoretischen Studie und Datenanalyse auf einer qualitativen Erhebung in Form von leitfadengestützten Experteninterviews. Nach allgemeinen Vorbemerkungen und einer Einführung in das Thema der Arbeit werden im ersten Teil (Kapitel 2 bis 4) die theoretischen Rahmenbedingungen für diese Studie gelegt. Ausgangsbasis der Untersuchung bildet ein Rückblick auf die Geschichte des privaten Sammelwesens, der zeigt, dass viele staatliche Museen und Sammlungen ohne private Schenkungen und Stiftungen in dieser Form nicht existieren würden. Kapitel 2 stellt bedeutende Sammlerpersönlichkeiten seit der Renaissance vor, die mit besonderen Sammlungskonzepten und der öffentlichen Zugänglichkeit ihrer privaten Kunstwerke oder privaten Museumsgründungen große Bekanntheit und Bedeutung erlangt haben. Aus der historischen Rückschau lassen sich fünf besondere Merkmale privaten Sammelns verstetigen, die in Kapitel 7.5.1 mit aktuellen Sammelstrategien verglichen werden. Kapitel 3 legt die begrifflichen und definitorischen Grundlagen des neuen Phänomens „öffentliche Privatsammlung“ und stellt in einem Exkurs die Sonderform des Sammlermuseums vor. Im Anschluss daran werden die Besonderheiten privater Kunstsammlungen und ihre Unterschiede zu staatlichen Institutionen aus der Sicht der aktuellen Fachliteratur und praktischer Erfahrungen vorgestellt. Aus den Erkenntnissen der ersten beiden Kapitel wird die zentrale Forschungsfrage nach dem Erfolg öffentlicher Privatsammlungen abgeleitet. Gegenstand von Kapitel 4 bildet die Frage, welche Faktoren für den Erfolg öffentlicher Kunstmuseen relevant sind. Hier wird ein aktuelles kulturmanageriales und kunstwissenschaftliches Thema aufgegriffen, das seit einigen Jahren verstärkt in öffentlichen Museumskreisen diskutiert wird. Was macht ein Museum erfolgreich?18 Mit drei unterschiedlichen Blickwinkeln wird der aktuelle Stand der Forschung beleuchtet und ein Fundus qualitativer Bewertungskriterien ermittelt. Die Darstellung potenzieller Erfolgskriterien öffentlicher Museen stellt die theoretische Grundlage für die empirische Untersuchung der privaten Kunsträume dar. Der zweite Teil der Arbeit (Kapitel 5 und 6) widmet sich der Methodik der empirischen Untersuchung. In Kapitel 5 werden die Auswahl der Erhebungsinstrumente begründet sowie die Methoden und der Ablauf des Forschungsdesigns beschrieben. Anschließend erfolgt in Kapitel 6 eine detaillierte Darstellung des Untersuchungsfeldes, das sich aus einer repräsentativen Stichprobe von zehn öffentlichen Privatsammlungen aus dem deutschsprachigen Raum zusammensetzt. Die Präsentation der Untersuchungsergebnisse erfolgt im dritten Teil (Kapitel 7 bis 9) dieser Arbeit. Kapitel 7 erläutert und interpretiert die Resultate der theoretischen Studie und der qualitativen Experteninterviews und diskutiert die erhobenen Ergebnisse mit den potenziellen Erfolgskriterien öffentlicher Museen. Nach der Erörterung möglicher Konsequenzen für die zeitgenössische Museumskultur, zu der erneut eine Expertenmeinung hinzugezogen wurde, folgt in Kapitel 8 ein Ausblick auf die Zukunft öffentlicher Privatsammlungen und mögliche künftige Kooperationsformen mit staatlichen Institutionen. Abgeschlossen wird diese Studie mit einer
18 „Was macht ein Museum erfolgreich?“ lautete der Titel der Fachtagung der Kulturstiftung der Länder und des Deutschen Museumsbundes, Frankfurt am Main, 3.-6. Juni 2007.
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Schlussbemerkung und Darstellung der wichtigsten Ergebnisse (Kapitel 9). Die nachfolgende tabellarische Abbildung fasst den Aufbau der vorliegenden Arbeit noch einmal übersichtsartig zusammen. Tabelle 1: Aufbau der vorliegenden Studie Aufbau der vorliegenden Studie Einleitung Vorbemerkung
Kap. 1
Darstellung des Themas, Stand der Forschung und Zielsetzung der Studie
Teil I: Theoretische und praktische Relevanz des Forschungsthemas Kap. 2 Theoretischer Rahmen Kap. 3
Theoretische Grundlage
Kap. 4
Historischer Rückblick auf privates Sammeln Begriffsklärungen, Darstellung der Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Sammlungen anhand der aktuellen Fachliteratur und Erfahrungen aus der Praxis Was macht ein Museum erfolgreich? Eine methodische Analyse öffentlicher Museen
Teil II: Konzeption der empirischen Untersuchung Darstellung des Forschungsdesigns Darstellung des Untersuchungsfeldes
Kap. 5
Kap. 6
Methode und Ablauf der empirischen Untersuchung Vorstellung von zehn Privatsammlungen aus dem deutschsprachigen Raum
Teil III: Ergebnisse der Untersuchung Ergebnisse der Untersuchung
Kap. 7
Öffentliche Privatsammlungen im Licht der empirischen Forschung
Zukunft der öffentlichen Privatsammlungen
Kap. 8
Veränderungen in der zeitgenössischen Museumskultur und Ausblick
Zusammenfassung
Kap. 9
Schlussbemerkung
Teil IV: Verzeichnisse und Anhang Verzeichnisse und Anhang Quelle: Eigene Darstellung
Literatur-, Tabellen- und Abbildungsverzeichnis. Brief an Sammler, Interview-Leitfaden
Teil I:
Theoretische und praktische Relevanz des Forschungsthemas
2.
Historische Entwicklung des privaten Kunstsammelns
Das Sammeln von Kunst zählt zu den Grundlagen und Voraussetzungen des heutigen Museumswesens. Der Grundstock zahlreicher Museen geht auf feudale und kirchliche Sammlungen unterschiedlicher Epochen zurück. Ein Gutteil der Bestände unserer heutigen Kunstmuseen gründet aber auch auf der Sammeltätigkeit von Privatpersonen und ihrem Mäzenatentum. Die nachfolgende historische Rückschau gibt einen Einblick in private Sammelaktivitäten der vergangenen Jahrhunderte. Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt ausgewählte markante Persönlichkeiten vor, deren Sammlungen in private oder öffentliche Museen übernommen wurden. Im Vordergrund dieser Betrachtung steht das Sammeln von Kunst im deutschsprachigen Raum. Dabei wird auch auf Besonderheiten von Sammlern und Sammlungsgebieten geachtet, um Vergleiche mit den Sammlern und Museumsgründern von heute ziehen zu können. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, ob sich anhand des geschichtlichen Rückblicks ab dem 20. Jahrhundert eine Typologie privater Museumsgründungswellen erkennen lässt.1
2.1
P RIVATES S AMMELN VON K UNST : E IN HISTORISCHER R ÜCKBLICK VON DER R ENAISSANCE BIS ZUM SPÄTEN 19. J AHRHUNDERT
Die Geschichte des privaten Kunstsammelns beginnt in der Neuzeit mit dem Humanismus, mit dem auch ein wieder erstarktes Interesse für Kunst einhergeht. Die großen Sammler der Renaissance lebten in urbanen Zentren, waren wirtschaftlich gut situiert und politisch aktiv. Die durch den wirtschaftlichen Aufschwung zu Reichtum gekommenen Patrizierfamilien zählen daher zu den ersten großen Sammlerpersönlichkeiten. Hier ist an erster Stelle die Familie der Medici zu nennen, die zahlreiche Aufträge an namhafte zeitgenössische Künstler vergab. Sie traten als Stifter
1
Diesem Kapitel liegt grundsätzlich folgende Literatur zugrunde: Donath 1923, Cabanne 1961, Hadamowsky 1965, Sachs 1971, Grasskamp 1981, Pomian 1988, Mai / Paret 1993, Reitz 1998, Pophanken / Billeter 2001, Sheehan 2002, Kuhrau 2005, Kuhrau 2006, Baur 2010.
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und Sammler auf und erhöhten damit das Ansehen der Familie und der Stadt Florenz. Über drei Generationen dominierten die Medici durch Cosimo (1389-1464), Pietro (1416-1469) und Lorenzo (1448-1492) das Kunstleben ihrer Stadt. Lorenzo Medici, genannt „Il Magnifico“ umgab sich gerne mit Künstlern und Gelehrten. Er gründete eine Art Privatmuseum und eine Kunstakademie, um junge Talente zu fördern. In seiner Kunstakademie wurde auch Michelangelo unterrichtet. Außerhalb von Florenz galten der Hof der Gonzaga in Mantua, der Este in Ferrara, der Montefeltre in Urbino und der Visconti und Sforza in Mailand als große Kunst- und Sammelzentren dieser Zeit. Erstmals treten auch Sammlerinnen ans Licht der Öffentlichkeit: neben Isabella und Elisabetta Gonzaga ist es vor allem Isabella d’Este (1474-1539), die mit ihrer Kunstkenntnis und Sammelleidenschaft den Hof in Mantua zu einem der kultiviertesten in ganz Europa machte. Mit dem 16. Jahrhundert setzt auch in Deutschland das Interesse am Sammeln von Kunst ein, und es entstehen bürgerliche Stiftungen und Sammlungen. In Nürnberg entstanden zwei außergewöhnliche private Kunstkabinette. Willibald Imhof (1529-1580) trug eine umfangreiche Sammlung von Münzen, Gemmen, Kleinbronzen, Statuetten, Reliefs sowie Gemälde, Zeichnungen und Kupferstiche zusammen. Er verpflichtete seine Erben, die Sammlung in ihrem Gesamtwert zu erhalten. Leider blieb sein Wunsch unerfüllt und schon kurz nach seinem Tod wurden die Kunstschätze veräußert. Es gab eine große Nachfrage, denn die Sammlung von Willibald Imhof verfügte über einen ausgezeichneten Ruf. Eine Generation später entstand das Kunstkabinett von Paul von Praun (1548-1616). Die Kunstsammlung blieb nur bis ins 18. Jahrhundert erhalten, war aber zur Zeit ihrer Entstehung sehr berühmt und in Nürnberg für Interessierte zugänglich. Paul von Praun kaufte alte Kunst, wie Münzen und Gemmen, war aber auch sehr interessiert an zeitgenössischer Kunst. Er pflegte regen Kontakt mit Künstlern seiner Zeit und schaffte es so, eine außergewöhnliche Gemäldesammlung aufzubauen, in der alle großen Meister der Renaissance und des Manierismus vertreten waren. Eine der wenigen bürgerlichen Kunstsammlungen aus dieser Zeit, die heute noch erhalten ist, ist das Kunstkabinett der Familie Amerbach. Drei Generationen waren am Aufbau dieser umfangreichen Kunstsammlung beteiligt. Der Jüngste, Basilius Amerbach (1533-1591) war der bedeutendste Sammler der Familie und ein ausgewiesener Kunstkenner. Er verfasste unterschiedliche Inventare seiner Sammlung, geordnet nach Ländern und Künstlernamen. So weiß man heute, dass seine Sammlung ein umfangreiches Konvolut an Zeichnungen und druckgrafischen Blättern sowie rund 50 Gemälde, darunter 15 von Hans Holbein d.J. umfasste. Im Jahr 1661 wurde das universalistisch angelegte Kabinett, das auch naturgeschichtliche und ethnografische Objekte sowie eine Bibliothek enthielt, von der Stadt und der Universität Basel von den Erben des Sammlers angekauft. Das sogenannte Amerbach-Kabinett gilt als das weltweit erste Museum in bürgerlichem Besitz, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Das war lange bevor in anderen Städten Europas fürstliche Sammlungen für das Publikum geöffnet wurden. Der Grundstock der Amerbach’schen Gemäldesammlung zählt noch heute zu den wichtigsten Beständen des Kunstmuseums Basel.2
2
Vgl. http://www.kunstmuseumbasel.ch/de/kunstmuseum (30.11.2009).
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Parallel zum bürgerlichen Engagement entwickelt sich an den fürstlichen Höfen eine noch nie dagewesene Sammelleidenschaft. Neben Werken der bildenden Kunst werden in den feudalen Kunst- und Kuriositätenkabinetten auch kostbare Materialien und Gegenstände aus Natur und Technik gesammelt. Die Kunstkammer von Kurfürst August von Dresden (1526-1586), die im Jahr 1560 gegründet wurde, zählt zu den ältesten und reichsten Sammlungen in Deutschland. Ein Großteil dieser Kollektion ist bis heute in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erhalten. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Habsburger Kaiser Rudolf II. (1552-1612), der zu den leidenschaftlichsten Sammlern seiner Zeit gehörte. An seinem Hof in Prag regierten nicht die Politik, sondern die Wissenschaft und Kunst. In seiner Kunstkammer nahm die bildende Kunst einen hohen Stellenwert ein, mehrere hundert erstrangige Gemälde von italienischen, deutschen und niederländischen Malern des 16. Jahrhunderts befanden sich in seinem Besitz. Leider blieb diese einzigartige Sammlung nicht erhalten. Teile der Rudolfinischen Sammlung sind heute im Kunsthistorischen Museum in Wien, in der Nationalgalerie in Prag und in vielen anderen bedeutenden Museen auf der ganzen Welt zu finden. Die berühmteste englische Kunstkammer wurde von Elias Ashmole zusammengetragen. Er vermachte seine Sammlung im Jahr 1677 der Universität von Oxford. Sechs Jahre später wurde das Ashmolean Museum in einem Neubau gegründet, das Studenten und Interessierten für Forschungszwecke offenstand. Heute gilt dieses Museum als ältestes Universitätsmuseum der Welt.3 Im 17. und 18. Jahrhundert wird das Sammeln von Kunst vom Adelsstand dominiert. In zahlreichen europäischen Fürsten- und Adelshäusern werden große Gemäldegalerien angelegt. Eine der schillerndsten Figuren höfischer Prachtentfaltung ist der Kurfürst August von Sachsen (1670-1733), genannt August der Starke. Er hat als absolutistischer Herrscher Dresden zur Kunstmetropole des 18. Jahrhunderts in Deutschland gemacht. Obwohl in dieser Zeit die französische Kultur in Europa dominierend war, orientierte sich der sächsische Herrscher an der italienischen Kultur. Venedig und Florenz waren seine Vorbilder. Seine rege Bautätigkeit und seine ausgeprägte Sammelleidenschaft prägten den Ruf Dresdens als prunkvolle barocke Metropole, der bis heute nachwirkt. Seine erstklassige Kunstsammlung blieb fast vollständig erhalten und ist noch heute in den Kunstsammlungen Dresdens zu besichtigen. Neben den aristokratischen Sammlern erwarben auch einzelne bürgerliche Sammler mit ihren Kollektionen beachtlichen Ruhm. Einer der gewichtigsten privaten Sammler dieser Zeit war der deutsche Bankier Everhard Jabach (1618-1695). In seinem Pariser Firmensitz baute er eine außergewöhnliche Sammlung von Handzeichnungen auf. Aus finanziellen Gründen war er gezwungen, diese Sammlung 1670 an den französischen König zu verkaufen. Die über 5.000 Zeichnungen der be-
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Das Ashmolean Museum hat bis heute Fakultätsstatus und war Hauptvorbild für das mehr als 70 Jahre später gegründete British Museum in London. Das Ashmolean Museum in Oxford wurde kürzlich renoviert (2004-2009) und ist seit November 2009 in neuen und außergewöhnlichen Räumlichkeiten wieder für das Publikum zugänglich. Vgl. Menden 2009: 16.
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rühmtesten Künstler seiner Zeit bilden heute das Fundament des „Cabinet des dessins“ im Louvre. Aber auch zahlreiche weitere Glanzstücke des heutigen Louvre von den italienischen Meistern Tintoretteo, Correggio und Caravaggio stammen aus der Sammlung von Everhard Jabach.4 Die einzige Frau im Kreis der großen Kunstsammler des 18. Jahrhunderts ist Katharina II. (1729-1796). Ihre Stellung gab ihr die finanziellen Möglichkeiten, Kunst in großem Stil zu erwerben. In dreißig Jahren Sammeltätigkeit hat die russische Zarin neben Zehntausenden von Grafiken, knapp 4.000 Gemälde von außerordentlicher Qualität zusammen getragen. Mit ihrer Sammlung begründete sie 1768 die Eremitage in St. Peterburg. Das heute als eines der bedeutendsten öffentlichen Kunstmuseen der Welt angesehene Haus war zur Zeit seiner Entstehung ein Ort privaten Rückzugs. Denn der Name ihrer Galerie „Eremitage“ (Einsiedelei) verdeutlicht die Einstellung der Fürsten dieser Zeit gegenüber der Kunst. Kunstwerke wurden ausschließlich für den privaten Genuss gesammelt, und Zutritt zur Galerie erhielten nur ausgewählte Besucher. „An all dem erfreuen sich nur die Mäuse und ich“, sagte die Zarin einst zu Diderot, der ihr als Vermittler zur französischen Kunstwelt diente (zit. nach Reitz 1998: 72). Nur kurze Zeit später sollte sich diese Einstellung ändern, denn gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfährt das Sammelwesen eine Verlagerung von der Aristokratie hin zum Bürgertum. Mit der Aufklärung und Romantik wird Kunstbesitz nun nicht mehr als Privileg des Adels angesehen. Der Kreis der Kunstsammler beginnt sich zu erweitern. Folgerichtig kommt es in dieser Zeit auch zur Gründung der ersten öffentlichen Museen. Kunstgenuss und Bildung sollten nun allen Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden. Die ersten öffentlichen Museen entstehen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1759 wird das British Museum in London eröffnet, das als staatliches Institut von der Idee her als das erste öffentliche Museum zu betrachten ist. Der Arzt und Wissenschaftler Sir Hans Sloane übereignete seine umfangreiche Bibliothek und naturwissenschaftliche Sammlung dem Staat. Das Parlament beschloss, diese Sammlung unter dem Namen British Museum zu erhalten und zu pflegen. In einem adaptierten Ausstellungsgebäude im ehemaligen Londoner Stadtteil Bloomsbury wurde die Sammlung, die später mit Kunstwerken ergänzt wurde, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Als erstes öffentliches Museum auf dem europäischen Festland und als erster öffentlicher Museumsneubau wurde das Fridericianum 1779 in Kassel gegründet. Als Museum für alle geplant, beherbergte der klassizistische Neubau die vom hessischen Landgraf Friedrich II. gesammelten Kunstgegenstände und die fürstliche Bibliothek. Die Sammlung wurde nach wissenschaftlichen Kriterien geordnet und präsentiert und diente dem allgemeinen Publikum der „Erbauung und Erinnerung“.5 Im letzen Drittel des 18. Jahrhunderts kam es auch in Italien, Österreich, Frankreich und Spanien zu weiteren Öffnungen feudaler Kunstsammlungen. So wurden im Jahr 1769 die Vatikanischen Sammlungen öffentlich zugänglich gemacht,
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In Erinnerung an den bedeutenden Kunstsammler Everhard Jabach, den gebürtigen Kölner, vergibt die Stadt Köln an bedeutende Personen und verdiente Mäzene der Stadt die JabachMedaille. Vgl. http://www.fridericianum-kassel.de/kunsthalle.html (17.11.2009).
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und ab 1781 entschloss man sich, die kaiserliche Sammlung in Wien an drei Tagen pro Woche für die Allgemeinheit zu öffnen.6 Als erstes öffentliches Museum Frankreichs wurde 1793 der Louvre gegründet. Seine Bestände waren Teil des politischen Enteignungsprozesses, der seit 1789 betrieben wurde. Hier kamen jene Kunstschätze zur Ausstellung, die vorher königliche Schlösser, fürstliche Residenzen oder Kirchen geschmückt hatten. Der Louvre diente folglich als Vorbild für staatliche Museumsgründungen in ganz Europa, die zum Wohl und zur Bildung der Allgemeinheit errichtet wurden. Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter der Museen und der bürgerlichen Sammlungen. Durch den politischen und geistigen Aufstieg zeigt nun auch das Bürgertum verstärkt Interesse an Kunst. Als erste bürgerliche Museumsstiftung in Deutschland wird das Städel Museum in Frankfurt am Main gegründet, das beispielhaft für das private Kunstengagement in dieser Epoche steht. Johann Friedrich Städel (17281816) legte mit der testamentarischen Verfügung das Fundament für das heutige Städelsche Kunstinstitut. Er verfügte, dass seine „beträchtliche Sammlung von Gemählden, Kupferstichen und Kunstsachen nebst [seinem, d.V.] gesamten dereinsten zurücklassenden Vermögen der Stiftung eines besonderen, für sich bestehenden und [seinen, d.V.] Namen führenden Kunstinstituts zum Besten hiesiger Stadt und Bürgerschaft zu widmen sei“.7 Den Vorgaben des Stifters entsprechend sollte das Kunstinstitut neben der öffentlich zugänglichen Sammlung auch eine Ausbildungsstätte für den künstlerischen Nachwuchs umfassen. Ganz im Geiste der Aufklärung wollte der Bankier und Kaufmann Städel mit seiner Stiftung den öffentlichen Zugang zur Kunst fördern. Die Stadt Köln hat im 18. und 19. Jahrhundert eine ganze Reihe wichtiger Sammler hervorgebracht. In chronologischer Reihenfolge ist an erster Stelle Adolf von Hüpsch, genannt Baron von Hüpsch (1730-1805), zu nennen. Er verfügte über eine bedeutende Kunst- und Naturaliensammlung, die er in seinem Wohnhaus gegen Eintritt für Besucher zugänglich machte. Das „Kabinett des Baron von Hüpsch“ war für damalige Verhältnisse eine richtige Touristen-Attraktion. Da die Stadt Köln an einer Schenkung der Sammlung nicht interessiert war, kam die umfangreiche Kollektion in den Besitz von Landgraf Ludewig I. von Hessen-Darmstadt. Die bedeutende Kölner Kunstsammlung wurde durch die testamentarische Übereignung an Ludewig I. zum Grundstock für das Hessische Landesmuseum in Darmstadt.8 Am Beginn der Museumsgeschichte des Wallraf-Richartz-Museum steht ein anderer bürgerlicher Sammler aus Köln. Seine Gründung verdankt sich der umfangreichen Hinterlassenschaft des Sammlers und Kölner Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824). Seine Stiftung wurde ab 1823 im Wallrafianium gezeigt und bezog 1861 einen eigens für die Sammlung errichteten öffentlichen Museumsbau. Der Kölner Kaufmann Johann Heinrich Richartz (1795-1861) hat den Bau
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Außer Kindern konnte jedermann das Museum unentgeltlich besuchen, aber nur ohne Stock und Degen und mit gesäuberten Schuhen. An Regentagen blieb die Galerie geschlossen. Vgl. Lothsky 1914/5: 449. Zit. nach http://www.staedelmuseum.de/sm/index.php?StoryID=79 (19.11.2009). Vgl. http://www.hlmd.de/w3.php?nodeId=343&page=1 (30.12.2009).
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finanziell entscheidend gefördert und wurde neben dem Stifter zum Namensgeber des Museums.9 Eine Generation später waren in Köln die Brüder Sulpice (1783-1854) und Melchior (1786-1851) Boisserée als bedeutende Kunstsammler aktiv. Ab 1804 begannen sie mit dem systematischen Sammeln altdeutscher und altniederländischer Tafelgemälde. Die Kunst des Mittelalters fand zu jener Zeit keine Wertschätzung. So konnten die Sammler viele Stücke sehr günstig erwerben und retteten damit zahlreiche kirchliche Kunstwerke vor dem unwiederbringlichen Verfall. 1827 verkauften die Brüder Boisserée ihre über 200 Werke umfassende Sammlung an König Ludwig I. von Bayern. Mit dieser Privatsammlung wurde das Fundament für die Eröffnung der Alten Pinakothek in München im Jahr 1836 gelegt. In adeliger Tradition wurde von Bernhard von Lindenau (1779-1854) eine umfangreiche Sammlung früher italienischer Tafelbilder in Altenburg zusammen getragen. Diese Kollektion ist eine der wenigen Sammlungen, die bis heute fast unverändert erhalten geblieben ist. Das liegt daran, dass der Sammler seinen gesamten Kunstbesitz seiner Heimatstadt Altenburg in Thüringen als Stiftung hinterlassen und die Bedingung der Unverkäuflichkeit und der Ortsgebundenheit damit verknüpft hat. So entstand daraus das Lindenau-Museum in Altenburg. Schon vor der Übereignung seiner Sammlung an die Stadt machte der engagierte Sammler seine Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich. Auf seinem eigenen Grundstück ließ er 1846/47 ein eigenes Museumsgebäude errichten und über dem Eingang folgenden Leitspruch anbringen: „Der Jugend zur Belehrung, dem Alter zur Erbauung.“ Bernhard von Lindenau verfolgte damit ein pädagogisches Ziel: die Wissensvermittlung und Geschmacksbildung für ein breites Publikum. Dem Museum fügte er eine Mal- und Zeichenschule hinzu, in der begabte junge Menschen kostenlosen Kunstunterricht erhielten. So fortschrittlich und führend er im Bereich der Präsentation und Vermittlung von Kunst war, so konsequent und vorausschauend wählte er auch sein Sammlungsgebiet. Denn ganz unabhängig vom Geschmack seiner Zeit baute er eine beachtliche Kollektion von Werken der italienischen Malerei von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis zur Frührenaissance auf. So besitzt das Museum heute die größte Sammlung früher italienischer Kunst außerhalb Italiens. Während sich das Interesse anderer privater Sammler wie auch öffentlicher Museen auf die renommierten italienischen Künstler des 16. und 17. Jahrhunderts – Raffael, Tizian und Correggio – konzentrierte, konnte Bernhard von Lindenau beinahe konkurrenzlos sein Sammlungsgebiet verfolgen. Eine Ausnahme stellt der in Berlin lebende englische Kaufmann Edward Solly (17761848) dar, ein bedeutender Kunstliebhaber des frühen 19. Jahrhunderts, dessen sammlerisches Interesse ähnlich ausgerichtet war. Er war im Besitz erstrangiger Meisterwerke, darunter viele Arbeiten des italienischen Trecento und Quattrocento. Diese Sammlung wurde von König Friedrich Wilhelm III. für seine geplante Museumsgründung in Berlin angekauft. 1815 erwarb der preußische König rund 150 Gemälde und antike Skulpturen aus der Sammlung Giustiniani. Als Ergänzung dieser
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Im Jahr 2001 übergab der Schweizer Sammler Gérard Corboud dem Museum zahlreiche impressionistische Gemälde als Dauerleihgabe. Als Dank wurde der Name des Museums erweitert und lautet seither Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud. Vgl. http:// www.museenkoeln.de/wallraf-richartz-museum (18.11.2009).
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italienischen Sammlung, die vorwiegend Werke des italienischen Frühbarocks enthielt, kam die Sammlung von Edward Solly hinzu. So bildeten diese beiden Privatsammlungen den Grundstock der Alten Galerie in Berlin. Ein Großteil dieser Werke befindet sich noch heute in der Berliner Gemäldegalerie. Das bürgerliche Kunstinteresse war aber nicht nur auf das Sammeln alter Kunst ausgerichtet, es gab auch reges Interesse an der zeitgenössischen Kunst. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden korporative Formen der Kunstförderung, die ersten Kunstvereine. Kunstinteressierte Bürger schlossen sich zu Gemeinschaften zusammen, um kollektiv Künstler zu fördern, Ausstellungen zu organisieren und Wettbewerbe auszuschreiben. In fast allen größeren Städten wurden vom aufstrebenden Bürgertum Kunstvereine gegründet. Zu den ältesten Vereinsgründungen zählen der Kunstverein Nürnberg (1792), der Badische Kunstverein in Karlsruhe (1818) und der Kunstverein Hamburg e.V. (1822). Während sich die Museen der Sammlung von Kunst widmeten, hatten sich die Kunstvereine ganz der Vermittlung der Gegenwartskunst verschrieben. Verbunden mit der Aufbruchstimmung der bürgerlichen Gesellschaft entstanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, meist in städtischen Ballungszentren, eine Reihe von Bürgersammlungen mit öffentlichem Charakter. In München trug der Literat Graf Adolf Friedrich von Schack (1815-1894) eine für damalige Verhältnisse avantgardistische Sammlung zusammen. Er unterstützte und förderte seine Zeitgenossen – die jungen Maler Böcklin, Marées, Feuerbach und Lenbach – und zeigte ihre Werke ab 1865 in seiner privaten Galerie. Er vermachte seine Sammlung dem deutschen Kaiser Wilhelm II., der die Sammlung in München beließ und dafür einen Galeriebau in der Prinzregentenstraße errichtete, der noch heute in dieser Form erhalten ist. 1939 wurde die Sammlung Schack Teil der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und stellt als eine der wenigen vollständig erhaltenen Privatsammlungen des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes Zeitdokument dar. In Berlin lassen sich um die Jahrhundertmitte drei Privatgalerien nachweisen: Heinrich Willhelm von Wagener (1782-1861), Louis Ravené (1783-1861) und Athanasius Raczynski (1788-1874) gründeten die ersten öffentlich zugänglichen privaten Kunstsammlungen der Stadt. Diese privaten Sammlermuseen unterschieden sich von den staatlichen Einrichtungen hauptsächlich durch ihre Präsentation zeitgenössischer Kunst und waren in dieser Hinsicht wesentlich innovativer und risikofreudiger als die öffentlichen Museumsverantwortlichen, die zu dieser Zeit kaum aktuelle Kunst sammelten oder ausstellten. Graf Raczynski zeigte ab dem Jahr 1839 in seinem Palais Unter den Linden 21 seine Bildersammlung. Ab 1847 wurde die Sammlung dann in das Palais Raczynski am Königsplatz verlegt. König Friedrich Wilhelm IV. hatte dem Sammler das Grundstück am Königsplatz mit der Bedingung geschenkt, dort seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.10 Im Jahr 1850 eröffnete die Ravené-Galerie, die sich auf zeitgenössische Kunst mit nazarenisch-romantischer Schwerpunktsetzung konzentrierte. Und Johann Heinrich Wagener übereignete seine gesamte Sammlung dem preußischen König mit der Auflage, sie als Grundstock für eine künftige Nationalgalerie für moderne Kunst zu verwenden. 1861 wird aus An-
10 Hier kann man von einer frühen Form von Public Private Partnership sprechen. Öffentliche und private Interessen schließen sich zum beiderseitigen Nutzen zusammen.
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lass dieser Schenkung die Nationalgalerie Berlin gegründet. Kuhrau (2005: 120) spricht im Falle der Berliner Sammler von „regelrecht alternativen Museumsentwürfen, da sie auf das Defizit in der Ausstellung zeitgenössischer Kunst in der Schinkelschen Gemäldegalerie reagierten“. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kommt in Berlin eine ganz neue Sammlerschicht auf. Im Gegensatz zu den Sammlern und Kunstförderern der vorangegangenen Generationen zeigt diese Gruppe kaum Interesse an aktueller und zeitgenössischer Kunst. Dennoch beherrschen und steuern sie den Kunstmarkt wie kaum eine Sammlergruppe vor ihnen. Die Rede ist vom neuen Wirtschaftsbürgertum, das überwiegend in der Reichshauptstadt ansässig ist. In der Zeit des Kaiserreichs wandelt sich Deutschland von einem landwirtschaftlich dominierten zu einem industriell ausgerichteten Staat. Berlin erlebt einen steilen Aufstieg als Wirtschafts- und Industriemetropole. Mit dem Ausbau von Industrie, Handel und Bankwesen etabliert sich einen neue Käuferschicht für Kunst: die Unternehmer aus Industrie und Finanzwirtschaft. Sowohl den bescheiden sammelnden Privatpersonen und dem Landadel wie auch den öffentlichen Museen erwuchs durch die finanziell hochgestellten Unternehmer neue und starke Konkurrenz. Diese Konkurrenz sollte sich noch steigern, als amerikanische Multimillionäre gegen Ende des Jahrhunderts auf den europäischen Kunstmarkt drängen. Viele bedeutende amerikanische Museen gehen auf private Sammlungen aus dieser Zeit zurück.11 Kunst zu sammeln, ist Ausdruck kulturellen Niveaus und Reichtums. Die neue Käuferschicht war bemüht, mit Hilfe der Kunst ihren Status in der Gesellschaft zu demonstrieren und zu heben. Im Zeichen des Historismus baute man neue Wohnpaläste im Stil der Renaissance und füllte sie mit Kunstschätzen. Die angekauften Kunstwerke waren aber meist nur Statussymbole, daher sammelte man dekorative Altertümer und repräsentative Gemälde der alten Meister. Da die zeitgenössischen Kunstströmungen wie die französischen Impressionisten keine entsprechende repräsentative Funktion innehatten, war die aktuelle Kunst für einen Großteil dieser Käuferschicht völlig uninteressant. Die Darbietung der Kunstschätze im privaten Umfeld orientierte sich meist an historischen Interieurs und wurde immer sehr ähnlich gestaltet: Neben Gemälden und Skulpturen fanden sich in diesen Wohn- und Repräsentationsräumen auch Objekte des Kunsthandwerks und antike Möbel. Oft wurden historisierende Rahmenarchitekturen, textile Wandbespannungen oder Vertäfelungen angebracht, um die Kunstgegenstände darin einzupassen. Zweifellos gab es in dieser Gruppe der Sammler auch echte Kenner und Kunstliebhaber, die Kunst um der Kunst willen sammelten und nicht ausschließlich als Folge des gesellschaftlichen Prestiges. Hier sei stellvertretend die Sammlung von Carl Roettgen (1837-1909) genannt, die im Jahr 1912 versteigert wurde und auf mittelalterliche Holzplastik spezialisiert war. Eine Pietà aus dem 14. Jahrhundert wurde nach dem Sammler benannt und befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Die deutsche Plastik der Spätgotik war zu dieser Zeit sehr wenig gefragt, so konnte Roettgen mit geringem finanziellen Einsatz eine großartige und umfangreiche Sammlung aufbauen. Zum Zeitpunkt der Versteigerung waren die Preise für mittelalterliche Skulpturen schon um ein Vielfaches gestiegen.
11 Der Beginn des Kapitels 2.2 widmet sich den amerikanischen Sammlern.
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In Berlin brachten die Jahre 1871-1914 den größten Aufschwung für das private Kunstsammeln. Im Jahr 1883 wurde anlässlich der Silberhochzeit des Kronprinzenpaares eine Ausstellung mit Gemälden älterer Meister aus privatem Kunstbesitz veranstaltet. Organisator dieser Ausstellung war Wilhelm von Bode, der dem öffentlichen Publikum mit 300 Kunstwerken von 50 Privatsammlern anschaulich vor Augen führte, welch hohe Qualität und Quantität die Berliner Sammlerkultur besaß. Wilhelm von Bode wurde später Generaldirektor der Berliner Museen und war die Galionsfigur der Berliner Museums- und Sammlerkultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er war neben seiner Beschäftigung im Museum auch als Ankaufsberater zahlreicher Sammler tätig. Er verstand es sehr gut, seine Interessen als Museumsmann mit denen der sammelnden Industriellen zu verbinden und für seine Zwecke zu nutzen. So baute er ein großes Netzwerk aus Sammlern, Mäzenen und Kunsthändlern auf und wurde dadurch zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten am Kunstmarkt. Wilhelm von Bode verfügte als Kunstkenner über das kulturelle Kapital, das er mit den finanziellen Ressourcen der Sammler geschickt verknüpfte. „Bis auf wenige Ausnahmen befanden sich die Sammler in Abhängigkeit vom Urteil des Kenners, ja, es war gerade die Autorität der Kenner, die für den ‚guten Geschmack‘ des Sammlers bürgte“ (Kuhrau 2006: 21). Zu den großen Sammlern, die Bode beriet, gehörten u.a. Adolph von Beckerath (1833-1915), Oscar Heinauer (1840-1994), Oskar Huldschinsky (1848-1931), Adolf Thiem (1832-1923), James (1851-1932) und Eduard (1864-1929) Simon. Wilhelm von Bode beriet und unterstützte die Sammler oft in der Absicht, dass die Werke später als Schenkung den Berliner Museen zugute kommen würden. Dieser Wunsch erfüllte sich nur selten. Einzelne Sammler stifteten zwar immer wieder einzelne Werke oder verkauften ihre besten Stücke den öffentlichen Museen. Nur im Ausnahmefall wurden ganze Sammlungen der Öffentlichkeit übergeben. Beispielhaft sei hier der Großkaufmann James Simon genannt, der seine gesamte Sammlung den staatlichen Museen zu Berlin übereignete. 1904 vermachte er seine umfangreiche Renaissance-Kollektion mit Kunstwerken und kunstgewerblichen Objekten dem Kaiser-Friedrich-Museum. Nach dieser Stiftung baute Simon eine Sammlung mittelalterlicher Kunst auf, die in seinem Wohnhaus repräsentativ und museal präsentiert wurde. Gegen Voranmeldung konnten interessierte Besucher diese private Sammlung besichtigen. Damit etablierte James Simon in der Tiergartenstraße 15a12 eines der wichtigsten Berliner Privatmuseen. Wiederholt stiftete der Unternehmer Simon Kunstwerke an unterschiedliche Abteilungen der Berliner Museen. Mit seinem Namen dauerhaft verbunden ist die Porträtplastik der Nofretete, die er dem Ägyptischen Museum vermachte. Bis heute gehört James Simon zu den bedeutendsten Mäzenen in der Geschichte der Staatlichen Museen zu Berlin.13
12 In der Tiergartenstraße 15 befindet sich heute die Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin. 13 Zum 150. Geburtstag des großen Mäzens und jüdischen Kaufmanns erwiesen die Staatlichen Museen zu Berlin James Simon mit einem großen Katalogbuch die Ehre. Vgl: Schuster, Peter-Klaus (2001): James Simon. Sammler und Mäzen für die Staatlichen Museen zu Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
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Im Jahr 1904 wurde das Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet, das maßgeblich von den Berliner Sammlern gefördert wurde. Interessant und bemerkenswert ist, dass Direktor Wilhelm von Bode die privaten Präsentationsformen von Kunst als Ausstellungsinszenierung für das öffentliche Museum übernommen hat. So gab es zum Beispiel das „Kabinett Simon“, in dem sich die gestifteten Kunstwerke von Eduard Simon, ähnlich wie zuvor in seinem Privathaus, gemeinsam in einem Raum präsentiert wurden. Unterschiedliche Kunstgattungen wurden zusammen mit Skulpturen und Möbeln zu einem stimmungsvollen Ganzen vereint. Dieses Leitmotiv wandte Bode im gesamten Museum an. „Indem sich das Museum die […] Privatsammlungen zum Vorbild nahm, repräsentierte es den Lebensstil der Sammler in der Öffentlichkeit und vermittelte diesen als geschmackliches Vorbild“ (Kuhrau 2006: 24). Man kann hier von einer frühen und eigenwilligen Form des Sponsorings sprechen, denn die Stiftungen der Sammler wurden nicht uneigennützig getätigt, das KaiserFriedrich-Museum bot entsprechende Gegenleistungen. Indem es den Stil der Sammler als allgemein gültig und die Kultur der Sammler als öffentlichen Maßstab präsentierte, wurde die Vorragstellung der Sammler betont. Die Inszenierung im Museum machte die Sammler zu Repräsentanten der kulturellen Elite. Die Gefälligkeiten, die Bode den Sammlern zukommen ließ, werden nicht nur aus heutiger Sicht kritisch betrachtet. Schon damals standen so manche Zeitgenossen der undurchsichtigen Vermengung privater und öffentlicher Kunstförderung eher skeptisch gegenüber. „Das Schlimmste ist, […] wenn man im Museum die Art der Aufstellung imitiert, welche die Werke oft in den mit Teppichen und Hausrath überladenen Wohnungen der Privatsammler gefunden haben“. So äußerte sich der Archäologe Adolf Furtwängler (1899: 25), der für die Autonomie der öffentlichen Museen eintrat und der Ansicht war, dass die wichtigsten Werke der Kunstgeschichte vom Staat verwaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Abgesehen von den musealen Stiftungen hatte die kulturelle Elite der Sammler, die Furtwängler kritisch im Blick hatte, wenig Interesse, sich in kulturpolitische Agenden einzumischen. Während die vorangegangenen Sammlergenerationen im 19. Jahrhunderts großes kulturelles Engagement zeigten und ihre Sammlungen öffentlich zugänglich machten, kam es in dieser Zeit kaum zu privaten Museumsgründungen. Die Sammler des späten 19. Jahrhunderts traten ausschließlich durch Schenkungen an öffentliche Museen auf. Darüber hinaus organisierten sie sich in Museumsfördervereinen und bündelten ihre unterstützenden Aktivitäten in kollektivem Mäzenatentum. Nach der Wende des 20. Jahrhunderts emanzipieren sich die Sammler und beginnen ihre Sammlungen in eigenen Privatmuseen zu zeigen. Die Vorstellung der wichtigsten privaten Sammlungen des 20. und frühen 21. Jahrhunderts und ihre unterschiedlichen Wege der Veröffentlichung ist Thema des nächsten Kapitels.
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2.2
P RIVATES S AMMELN VON K UNST IM 20. J AHRHUNDERT
Das frühe 20. Jahrhundert markiert den Beginn einer ausgeprägten privaten Sammeltätigkeit, die bis heute anhält. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Deutschen Kaiserreichs kamen zahlreiche Unternehmer zu großem Vermögen. Mit dem Aufbau von Kunstsammlungen war die Hoffnung verbunden, soziales Ansehen und Anerkennung zu erlangen. Diesen Wunsch hatten auch die amerikanischen SammlerMillionäre, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts den europäischen Kunstmarkt dominierten. Durch unterschiedliche Aktivitäten waren einige Unternehmer zu sehr großen Vermögen gekommen und strebten danach, ihren gesellschaftlichen Aufstieg durch Kunstbesitz zu nobilitieren. Ähnlich wie die Sammler im Deutschen Kaiserreich setzten sie daher hauptsächlich auf Objekte des Kunstgewerbes und die prestigeträchtigen alten Meister. Die Kaufkraft der amerikanischen Millionäre trieb die Preise in ungeahnte Höhen. Europäische Sammler hatten bei Auktionen oft das Nachsehen, auch die öffentlichen Museen konnten bei den enormen Summen, die für Kunstwerke geboten wurden, nicht mithalten.14 Eine der markantesten Sammlerpersönlichkeiten war John Pierpont Morgan (1837-1913). Er war der einflussreichste Bankier Amerikas seiner Zeit und gefürchteter Sammler, denn für ein begehrtes Kunstwerk zahlte er jeden Preis. Mit hohem finanziellen Einsatz stellte er eine außergewöhnliche Sammlung zusammen, die man heute im Metropolitan Museum bewundern kann.15 Viele bedeutende amerikanische Museen gehen auf die Sammlungen der kunstbegeisterten Millionäre dieser Zeit zurück: So ist die Sammlung des Großindustriellen Henry Clay Frick (1849-1919) heute in der Frick Collection in New York zu sehen. Der Bankier und amerikanische Finanzminister Andrew William Mellon (1855-1937) stiftete über 100 hochwertige europäische Kunstwerke und begründete damit die National Gallery in Washington. Um sicher zu stellen, dass sein Museum, 14 Eine ähnliche Situation prägt den heutigen Kunstmarkt. Rund 100 Jahre später sind es internationale Kunstsammler mit Wurzeln in Russland und Asien, die den europäischen Kunstmarkt dominieren. Tobias Meyer, Direktor der Abteilung für zeitgenössische Kunst bei Sotheby's erklärte 2007 gegenüber der FAZ, dass die neuen Kunstsammler aus Asien und Russland so reich seien, dass fünfzig Millionen Dollar für sie keinen Unterschied machen: „Sie jagen den großen Trophäen nach.“ Diese Käufer suchen nach Meisterwerken, egal ob von Warhol, Bacon oder Rothko. Waren es in den späten 1980er Jahren vorrangig Banken, die teure Werke erworben haben, so sind es nun fast ausschließlich die privaten Sammler (zit. nach Zeitz 2007). 15 Unter den amerikanischen Sammlern gab es auch Fanatiker, die alte europäische Kunst und Kultur unter allen Umständen ihr eigen nennen wollten und ganze Schiffsladungen voller Kunstgegenstände nach Amerika verfrachten ließen. So auch Henry Walters (1848-1931) aus Baltimore. Er kaufte frühmittelalterliche Kunst in großem Stil. Reitz (1998: 92) erwähnt, dass nach seinem Tod in den Kellern seiner Häuser eine große Anzahl von ungeöffneten Kisten mit Kunstwerken gefunden wurde. Der Zeitungsmagnat William Randolph Hearst (1863-1951) erwarb historische Innenräume und ganze Klöster, die zerlegt nach Amerika transportiert wurden, um dort wieder aufgebaut zu werden. Nach dem Zusammenbruch seines Unternehmens wurde ein spanisches Zisterzienserkloster aus dem 12. Jahrhundert, in über 10.000 Kisten verpackt, zum Verkauf angeboten.
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später gleichfalls nur hochwertige Kunstwerke sammeln würde, machte Mellon zur Bedingung, dass kein Kunstgegenstand jemals die Sammlung ergänzen sollte, „es sei denn, seine Qualität ist auf demselben hohen Niveau”.16 Samuel Henry Kress (18631955) folgte Mellons Appell und stiftete rund 400 Kunstwerke der italienischen Renaissance für die Gründung des nationalen Kunstmuseums. Joseph Early Widener (1872-1943) übernahm von seinem Vater Peter A. B. Widener eine umfangreiche Avantgardesammlung, darunter auch Werke von Manet und Renoir. Mit großer Kenntnis ergänzte er die Sammlung und machte sie am Familienwohnsitz in Philadelphia öffentlich zugänglich, bevor er im Jahr 1939 die gesamte Sammlung als Andenken an den Vater der National Gallery als Schenkung übereignete. Eine der wenigen Frauen, die sich auf dem Parkett der amerikanischen Sammler trittsicher bewegte, war Louise W. Havemeyer (1855-1929). Gemeinsam mit ihrem Ehemann Henry O. Havemeyer baute sie eine beachtliche Kunstsammlung mit Schwerpunkt französischer Impressionismus auf. Nach ihrem Tod im Jahr 1929 wurden über 2.000 Kunstwerke, die H.O. Havemeyer Collection, als Stiftung an das Metropolitan Museum in New York übergeben. Diese Stiftung stellt eine der größten Zuwendungen dar, die das Museum je erhalten hat.17 Eine weitere wichtige amerikanische Kunstsammlerin war Isabella Stewart Gardner (1840-1924). Sie engagierte sich in sozialen und kulturellen Dingen und war mit namhaften Künstlern ihrer Zeit, wie John Singer Sargent, James McNeill Whistler and Henry James, befreundet. Von ihr wurde eine bedeutende Kunstsammlung zusammen getragen, die sie bereits um die Jahrhundertwende öffentlich zugänglich machte. Ihr eigenes Museum wurde im Stil eines venezianischen Palazzos errichtet und nach der Sammlerin benannt. „C’est mon plaisir“ war ihr Leitspruch. Noch heute werden die Museumsbesucher mit diesem Satz über dem Eingangsportal begrüßt. Das Isabella Stewart Gardner Museum in Boston gilt als eines der wichtigsten Privatmuseen Amerikas.18 Die kaufkräftigen amerikanischen Sammler lösten in Europa allerdings nicht nur Begeisterung aus, denn der Ausverkauf europäischer Spitzenkunst wurde speziell von den europäischen Museumsleuten sehr kritisch betrachtet. Auch Willhelm von Bode veröffentlichte zwischen 1902 und 1910 mehrere Aufsätze über die amerikanischen Konkurrenz und ihre Gefahr für die europäische Kunst (vgl. Donath 1923: 187). Folglich kam in dieser Zeit in Deutschland die Diskussion um ein Exportverbot für Kunstwerke von nationaler Bedeutung auf.19 Es gab jedoch auch diverse Berufszweige, die von den Kunstkäufen in großem Stil, so wie es die amerikanischen Millionäre betrieben, profitierten. Dazu gehörten an erster Stelle natürlich Kunsthändler, Kunsthistoriker und Berater, die die Sammler beschäftigten. Ein Hauptprotagonist dieser Branche war der amerikanische Galerist Joseph Duveen (1870-1939). Er war der findigste Kunsthändler seiner Zeit und als Vermittler und Händler für die reichsten Sammler Amerikas tätig, die er davon überzeugen konnte, dass nur die besten und anerkanntesten Werke europäischer Kunst einerseits gesellschaftliches Prestige
16 Zit. nach Stiftungsgründer der National Gallery of Art. In: http://www.nga.gov/collection/ pdf/ggfrge.pdf (26.12.2009). 17 Vgl. http://www.metmuseum.org (26.12.2009). 18 Vgl. http://www.gardnermuseum.org (28.12.2009). 19 Heute ist dieses Exportverbot in vielen Ländern gesetzlich verankert.
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bedeuteten, andererseits aber auch Ruhm für die Ewigkeit bringen könnten, wenn diese an ein öffentliches Museum gestiftet würden. Auf diese Weise war Duveen indirekt dafür verantwortlich, dass in Amerika innerhalb weniger Jahrzehnte ein veritabler öffentlicher Kunstbesitz entstanden ist. 2.2.1
Privates Sammeln in Deutschland
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verändert sich auch in Deutschland die Sammlerkultur. Während die Sammler am Ende des 19. Jahrhunderts vorrangig Kooperationen mit öffentlichen Museen eingingen, kann man nach der Jahrhundertwende von einer Emanzipation der Sammler sprechen. Sie übereignen nun ihre Kunstwerke nicht mehr ausschließlich öffentlichen Museen, sondern beginnen selbst, Museen zu gründen. Einer der ersten Sammler, der seine eigenen Vorstellungen in einem privaten Museum umsetzte, war Karl Ernst Osthaus (1874-1921), der Gründer des FolkwangMuseums in Hagen. Er kann als einer der herausragenden Kunstsammler und Mäzene des beginnenden 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Mit dem Vermögen seiner Familie konnte er eine große Sammlung von Kunstgegenständen und naturwissenschaftlichen Objekten aufbauen. Schon 1898 entwickelte er die Idee eines eigenen Museums, das der Bildung und Verbesserung des öffentlichen Geschmacks dienen sollte. 1902 wurde das Folkwang-Museum in der westfälischen Industriestadt Hagen als erstes zeitgenössisches Museum seiner Zeit eröffnet. Als erste öffentliche Sammlung in Deutschland präsentierte das Folkwang-Museum Künstler der Moderne wie Cézanne, Gauguin, van Gogh oder Matisse. Der Museumsgründer strebte eine Verbindung von Kunst und Leben an und veranstaltete in Hagen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, die dem Folkwang-Museum in wenigen Jahrzehnten internationale Bekanntheit und Beachtung verschafften. Grasskamp (1981: 103) stellt in seiner Abhandlung „Museumsgründer und Museumsstürmer“ den Sammler Osthaus als bedeutenden und visionären Sammler heraus und als einen uneigennützigen Menschen, für den die Bezeichnung Mäzen wirklich zutrifft. „An Osthaus lässt sich demonstrieren, was einen reichen Industriellen […] erst zum Mäzen macht: die Bereitschaft, sein Geld nicht nur für Produkte sondern auch vor allem für Projekte auszugeben“. Osthaus war nicht an persönlichem Ruhm und posthumer Würdigung gelegen, seine Museumsgründung sollte ein geistiges und ästhetisches Gegengewicht zur Verödung der Kultur und der Landschaft darstellen, die die Industrialisierung des Ruhrgebiets mit sich brachte. Mit seinem Museum wollte er dem Verfall der Kultur entgegen wirken und für die Bewohner dieses Industriegebiets im Sinne des FolkwangGedankens eine „Volkshalle“ errichten.20 Auf der Überzeugung beruhend, dass die Errungenschaften der Künstler das alltägliche Leben der Menschen bereichern könnten, gründete Osthaus im Jahr 1909 ein zweites Museum, das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe. Neben seiner kulturellen Verpflichtung engagierte sich Osthaus auch für den Bau von menschenfreundlichen Arbeiterwohnsiedlungen und den Aufbau von Folkwang-Schulen, in denen der Unterricht künstlerischer Fächer und die musische Erziehung einen wichtigen Stellenwert haben sollten. Mit seinem frühen Tod fanden diese Bestrebungen 1921 ein jähes Ende. Im Todesjahr von
20 Folkwang – Folkvangar (altnordisch: Volkshalle, Volkswiese).
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Karl Ernst Osthaus wurden die Sammlung des Kunstmuseums und die Namensrechte vom Essener Folkwang-Museumsverein für die Stadt Essen erworben. Das Folkwang-Museum wurde mit dem städtischen Kunstmuseum vereint und 1922 in Essen wieder eröffnet.21 Auch Karl Ernst Osthaus setzte man mit der Eröffnung des Osthaus Museums in seiner Heimatstadt Hagen 1945 ein bleibendes Denkmal. Seit August 2009 erstrahlt das Osthaus Museum Hagen unter neuem Namen im historisch rekonstruierten und erweiterten ursprünglichen Folkwang-Bau in neuem Glanz und erinnert an seinen legendären Museumsgründer. Acht Jahre nach Eröffnung des Folkwang-Museums in Hagen wurde eine Kölner Privatsammlung Grundstein für eine öffentliche Museumsgründung. Der Theologe und Priester Alexander Schnütgen (1843-1918) war ein leidenschaftlicher Sammler christlicher Kunst. Seine Sammlung entstand aus dem Bedürfnis heraus, Kunstgegenstände über die Zeit hinweg zu retten, wenn sie keine Wertschätzung mehr erhalten. Sein Motto war „colligite fragmenta, ne pereant“ (Sammelt die übrig gebliebenen Stücke, damit sie nicht zugrunde gehen). Viele wertvolle Objekte fand er vernachlässigt auf Kirchenspeichern und in Sakristeien im Umland von Köln und rettete sie vor dem Verfall. Im Jahr 1906 teilte der in der Zwischenzeit zum Domkapitular ernannte Kirchenmann der Stadt Köln schriftlich die Absicht mit, seine Sammlung sakraler Kunst der Stadt zu übereignen. An die Schenkung knüpfte Alexander Schnütgen allerdings folgende Bedingung: „Die Stadt Köln verpflichtet sich [...] im Zeitraum von drei Jahren auf ihre Kosten an ihr Kunstgewerbemuseum einen Anbau zu errichten, der meine Stiftung alsbald unter dem Ti22 tel ‚Sammlung Schnütgen‘ als einheitliches Ganzes aufzunehmen hat [...].“
Die Stadt ging auf die Forderungen des Gönners ein und eröffnete im Jahr 1910 einen Museumsbau mit dem Namen des Stifters. Heute ist das Museum Schnütgen mit seinen weltweit herausragenden Sammlungen mittelalterlicher Kunst in der Romanischen Kirche St. Cäcilien in der Kölner Altstadt untergebracht. Alexander Schnütgen wurde dann zum großen Vorbild für einen jungen Kölner Sammler moderner Kunst. In den 1920er Jahren ermutigte Schnütgen Josef Haubrich (1889-1961), eine Sammlung mit dem Ziel aufzubauen, sie später der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und so wurde die Sammlung des Industrieanwalts Josef Haubrich nach dem 2. Weltkrieg zu einem der wichtigsten Bausteine der Kölner Museumslandschaft. Schon vor dem Krieg hatte Haubrich begonnen, eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst zusammenzutragen. In den 1930er Jahren war sein Privathaus in Köln ein Zentrum und Treffpunkt für Künstler und Kunstinteressierte. Noch während des Krieges gelang es ihm, auch unter großen persönlichen Gefahren, Bilder zu erwerben, die von den Nationalsozialisten aus deutschen Museen entfernt worden waren. Dass die Sammlung den Krieg und die Bombardierung der Stadt zur Gänze überdauert hat, ist ein Glücksfall, stellt das expressionistische Ensemble doch ein bedeutendes Zeitzeugnis für die Kunst der Zwischenkriegsjahre dar. Im Jahr 1946 übergibt Josef Haubrich seine Sammlung der Stadt Köln. Über seine Schenkung sagte der Stifter:
21 Vgl.http://www.museum-folkwang.de/de/sammlung/museum-folkwang/geschichte.html (28.12.2009). 22 Zir. nach http://www.museenkoeln.de/museum-schnuetgen (17.11.2009).
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„Meine Sammlung sprengt die Grenzen einer privaten Sammlung. Sie gehört aus sozialen Gründen der Öffentlichkeit. Eine besondere Verpflichtung empfinde ich gegenüber der Jugend. Unseren jungen Menschen, die der Freiheit entwöhnt sind […] will ich die Gelegenheit geben, in Ruhe selbst das zu sehen und zu prüfen, was ihnen in den letzten 12 Jahren unter Zwang vorenthalten wurde. […] unsere jungen Freunde bitte ich, sich von der Uniform, die ihnen der Nazismus auch in geistiger Erziehung aufgezwungen hat, endgültig frei zu machen und die Freiheit der Kunst zu nützen, die uns die Demokratie zurückgab, indem 23 sie die totale Herrschaft der Geistlosigkeit besiegte.“
Wie bei vielen Stiftern und Mäzenen vor ihm lag Haubrich die Erziehung der Jugend und die Bildung am Herzen. Die Werke der expressionistischen Künstler sollten den jungen Menschen helfen, ihren Blick zu schärfen. In der schweren Zeit nach Kriegsende nutzte die Stadt die Stiftung Haubrich als kulturpolitisches Instrument und als ein Zeichen der Hoffung in einer völlig zerstörten Umgebung. Die Sammlung, die zum großen Teil „entartete“ Kunstwerke umfasste, erinnerte an die Aufbruchsstimmung der Zeit vor dem Krieg, als Köln neben Berlin das wichtigste Zentrum für moderne Kunst in Deutschland war. An diese Tradition wollte die Stadt nun anknüpfen, die Stiftung Haubruch war das erste Zeichen kultureller Wiederbelebung. Obwohl diese großzügige Stiftung für die Stadt Köln so wichtig war, verwundert es, dass der Name Josef Haubrich heute nirgends auftaucht. Ein Grund mag sein, dass der Stifter mit seiner Schenkung an die Stadt kaum Bedingungen, wie eine Namensnennung oder ein Museumsgebäude, verknüpfte. 1957 wurde das zerstörte Wallraf-RichartzMuseum nach dem Wiederaufbau mit der Sammlung Josef Haubrich eröffnet. Durch die Expressionismus-Sammlung Haubrich war es möglich, Werke der Klassischen Moderne zu präsentieren, die vor dem Krieg von den Nationalsozialisten diffamiert wurden. Heute trägt das Museum, dessen Fundament die Sammlung Haubrich darstellt, den Namen eines anderen Sammlers: Museum Ludwig.24 Verwandt mit der Sammlung Haubrich ist die Sammlung eines anderen gebürtigen Kölners, Wilhelm Hack (1899-1985). Neben dem Sammeln mittelalterlicher Sakralkunst galt sein Engagement vor allem den Konstruktivisten als den Pionieren der abstrakten Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. „Die Ästhetik Mondrians ist die größte Erfindung meiner Generation“, schwärmte der Sammler (zit. nach Sager 1992: 384). Der Unternehmer Wilhelm Hack war einer der ersten, der sich für die russische Avantgarde interessierte, und konnte mit geringen finanziellen Mitteln, dafür aber mit großer Findigkeit eine außergewöhnliche Sammlung zusammentragen. In den 1960er Jahren bot Hack der Stadt Köln seine Kollektion an und erwartete im Gegenzug dafür den Bau eines eigenen Museums. Die Stadt lehnte zu Gunsten der Sammlung Ludwig ab, für die sie einige Jahre später ein Museum bauen ließ. Wilhelm Hack stiftete daher der Stadt Ludwigshafen seine Kunstsammlung, die sich im Jahr
23 Verhandlungen der Stadtverordneten-Versammlung in Köln, 6. Sitzung, 2. Mai 1946, Annahme von Stiftungen: Bau, Lindgens und Dr. Haubrich, S.77/78 WRF Archiv, zit. nach Severin 1993: 272. 24 Zur Entstehung der Sammlung Ludwig und der zahlreichen Ludwig-Museen siehe Kapitel 2.3.5.
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1979 mit einem eigenen Museumsgebäude dafür bedankte. „Es geht mir um die Schaffung eines Museums, nicht eines Mausoleums. Das Haus soll eine Stätte der Begegnung sein“, so der Stifter über seine Intention.25 Das Museum, das sich 30 Jahre nach seiner Gründung als wichtiges Ausstellungshaus für konstruktiv-konkrete Kunst etabliert hat, ist ein Denkmal für den Sammler und trägt bis heute seinen Namen: Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen. Das Sprengel Museum in Hannover verdankt seine Gründung der Schenkung einer umfangreichen Sammlung Klassischer Moderne durch Margit und Bernhard Sprengel. Im Jahr 1969, an seinem 70. Geburtstag, übereignete der Jurist Bernhard Sprengel (1899-1985) seine international bedeutende Kollektion der Stadt Hannover. Bemerkenswert ist, dass sowohl der Sammler Sprengel wie auch der Sammler Haubrich den Besuch derselben Ausstellung als entscheidendes Erlebnis für ihre Sammelmotivation nennen, und zwar die Ausstellung „Entartete Kunst“ im Jahr 1937 in München. Bernhard Sprengel beschreibt diesen Ausstellungsbesuch als die Geburtsstunde seiner Sammlung. Damit hat die Ausstellung im Grunde genau das Gegenteil von dem bewirkt, was deren Initiatoren erreichen wollten. „Trotz schlechter Hängung wirkte die ‚entartete Kunst‘ auf meine Frau und mich wie eine Fanfare. Für mich, der ich bisher nur Musik wirklich verhaftet war und bildende Kunst mehr im Vorübergehen, wenn auch immer mit Interesse, aber doch ohne eigentliche Passion betrachtet hatte, war dieses die erste wirklich zündende Begegnung“ (Sprengel 1979: 22/23).
Nach gut 30 Jahren intensiver Sammeltätigkeit übergab Bernhard Sprengel ein Konvolut von über 800 hochkarätigen Werken seiner Heimatstadt und verknüpfte damit folgende Verpflichtung: „Meine Sammlung bietet einen recht guten Ausschnitt wertvoller Kunst des 20. Jahrhunderts. In dem Geschenk sehe ich für die Stadt Hannover eine Verpflichtung, weiter zu sammeln, wirklich Wertvolles nach hohen Maßstäben und nicht vom Zufall beeinflusst zusammen zu tragen“ (Sprengel 1979: 24).
Bernhard Sprengel handelte bei seiner Stiftung vorausschauend und dachte auch an Museumsverantwortliche, die zukünftig mit seiner Sammlung arbeiten würden: „Ich gebe die Sammlung ausdrücklich nicht als Stiftung mit der einschränkenden Bestimmung, dass alles für die Ewigkeit auch zusammengehalten bleiben müsse; denn ich habe in den langen Jahren des freundschaftlichen Verkehrs mit Museumsleuten die Erfahrung gemacht, dass eine solche Bestimmung eher hemmend als fördernd wirkt […]“ (Sprengel 1979: 24).
Diese mit Weitblick getroffene Entscheidung lässt an zahlreiche Konflikte zwischen Museumsverantwortlichen und Sammlern, die ihre Kollektionen öffentlichen Museen übergeben haben, denken. Erfahrungsgemäß vertreten diese beiden Parteien bisweilen unterschiedliche Interessen: Während der Privatsammler seine Sammlung möglichst gesamt, umfangreich und permanent im Museum präsentiert sehen möch-
25 Zit. nach http://www.ludwigshafen.de/aktuell/die_neuelu/neuelu_maerzapril_2004/museu m_feiert_jubilaeum (18.12.2009).
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te, kann es für die Museumsleute auch andere Prioritäten in der Zusammenstellung geben. Vermutlich führten unterschiedliche Auffassungen dazu, dass sich die lang gepflegte Allianz zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen ab den 1990er Jahren zu lösen beginnt.26 Unabhängig von der Art der Öffentlichmachung ist allen Sammlern der Wunsch nach allgemeiner Zugänglichkeit ihrer gesammelten Werke gemein: „Seit vielen Jahren reisen meine Bilder und Plastiken der Sammlung im In- und Ausland von Ausstellung zu Ausstellung. Es war immer mein Wunsch, wichtige Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. […] Wir in Hannover leben zusammen mit einer die bildenden Kunst und gerade die der Gegenwart sehr freundlich fördernder Obrigkeit […]. Ihre Anteilnahme empfinde ich als tragendes Fundament, besonders für meinen immerlebendigen Wunsch, das Kunstleben unserer Stadt zu fördern und ihre Sammlungen nach Möglichkeit zu bereichern“, sagte Sprengel (zit. nach Severin 1993: 282).
In einem weiteren Punkt war Bernhard Sprengel großzügig und umsichtig. Neben der Übergabe seiner Sammlung stellte er der Stadt Hannover einen großen Geldbetrag zur Verfügung, um den Bau eines eigenen Museums zu finanzieren. Es sollte rund zehn Jahre dauern, bis das Museum eröffnet werden konnte. Aus Anlass des 85. Geburtstags seines Stifters erhielt das Museum den Namen Sprengel Museum Hannover. Neben Hannover und Köln ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in Hamburg ein öffentliches Museum aus einer privaten Sammlung hervorgegangen. Der Industrielle Hermann F. Reemtsma (1892-1961) sammelte über viele Jahre hinweg ausschließlich Werke von Ernst Barlach. Seit er den Künstler 1934 persönlich kennen lernte, unterstützte und förderte er den in dieser Zeit verfemten Zeichner und Bildhauer. Während die Nationalsozialisten Barlachs Werke aus Museen entfernten, sammelte Reemtsma unbeirrbar weiter. So gelang es dem Sammler, das Gesamtwerk Ernst Barlachs beinahe lückenlos zu dokumentieren. Ende der 1950er Jahre bringt Hermann F. Reemtsma seine umfangreiche Sammlung in eine Stiftung ein und beschließt, ein Museum für seine Sammlung zu bauen. Ein Jahr nach dem Tod des Stifters, im Jahr 1962 wird das Ernst-Barlach-Haus / Stiftung Hermann F. Reemtsma in Hamburg eröffnet. Es ist fraglich, ob ohne das Engagement dieses Sammlers, das Werk Barlachs heute in dieser Form rezipierbar wäre. Reemtsma war einer der ersten, der den Wert und die künstlerische Qualität von Barlachs Werken erkannte und diese vor den nationalsozialistischen Bilderstürmern schützte. Das Ernst-BarlachHaus ist ein wertvolles Zeugnis dafür, welch wichtige Rolle Privatsammler in der Erhaltung von Kunstwerken spielen können. Nur durch die Leidenschaft des Sammlers und die Verbundenheit mit dem Künstler konnte das Gesamtwerk in dieser Form der Nachwelt erhalten bleiben.27
26 Die Gründe, warum Privatsammler ab den 1990er Jahren weniger mit öffentlichen Museen kooperieren und vermehrt ihre eigenen Kunsträume gründen, wird in Kapitel 7.1 thematisiert. 27 Diese Meinung wird vom Leiter des Ernst-Barlach-Hauses, Dr. Karsten Müller in einer Email vom 7.1.2010 bestätigt.
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Die Geschicke zahlreicher Kunstinstitutionen in Deutschland und im benachbarten Ausland wurden maßgeblich von privater Initiative bestimmt. So auch das im Jahr 1902 gegründete Von der Heydt-Museum Wuppertal. Das Museum verfügt über eine der reichsten internationalen Sammlungen Deutschlands, die vor allem dem Mäzenatentum der Elberfelder Bankier- und Kunstsammlerfamilie August (1851-1929) und Eduard (1882-1964) von der Heydt zu verdanken ist. Seit 1961 trägt das Museum den Namen der Stifterfamilie.28 Im holländischen Otterlo wurde 1938 das Kröller-Müller-Museum eröffnet. Die deutsch-stämmige Sammlerin Helene KröllerMüller (1869-1939) hat in der Zeit von 1907 bis 1920 eine umfangreiche Kollektion zeitgenössischer Kunst zusammen getragen. Ab 1913 machte sie ihre „Sammlung zum Nutzen und Genuss des Gemeinwesens“ im Firmengebäude ihres Mannes in Den Haag interessierten Besuchern zugänglich (zit. nach Bokern 2009: 69). Henry van der Velde, der bereits für Karl Ernst Osthaus ein Museum geplant hatte, wurde für einen Museumsneubau auf den Ländereien der Familie Kröller engagiert. Die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre unterbrach sowohl den Fortgang des Museumbaus als auch die Sammeltätigkeit von Kröller-Müller. Um die Auflösung ihrer Kollektion zu vermeiden, überführte Helene Kröller-Müller 1928 alle Kunstwerke in eine Stiftung. In der Folge stiftete sie ihre Sammlung dem niederländischen Staat. An ihre Schenkung knüpfte sie zahlreiche Bedingungen, wie die Errichtung eines Museums und die Verpflichtung der permanenten Ausstellung ihrer Kunstwerke. Das KröllerMüller-Museum verfügt heute über die zweitgrößte Van-Gogh-Sammlung weltweit und gilt als eines der schönsten Museen der Niederlande. Es ist in eine weitläufige Naturlandschaft eingebettet, die mit Skulpturen von Auguste Rodin, Henry Moore, Barbara Hepworth, Richard Serra, Mario Merz, Jean Dubuffet und Claes Oldenburg seit mehr als 80 Jahren eine Oase für Kunst- und Naturfreunde darstellt. In der wechselhaften Museums- und Sammlungsgeschichte des 20. Jahrunderts hat es auch zahlreiche Situationen gegeben, in denen Stifterwünsche nicht in Erfüllung gingen, so geschehen bei dem Darmstädter Unternehmer und Besitzer eines Kosmetik-Konzerns Karl Ströher (1890-1977). Er sammelte nach dem 2. Weltkrieg expressionistische und abstrakte Kunst und konzentrierte sich bald auf internationale Gegenwartskunst. 1968 erwarb er in einer Aufsehen erregenden Transaktion die gesamte Pop Art Sammlung des amerikanischen Sammlers Leon Kraushar. Damit waren Karl Ströher und Peter Ludwig die ersten deutschen Sammler, die sich der aktuellen amerikanischen Kunst widmeten und die Pop und Minimal Art hierzulande be29 kannt machten. Karl Ströher’s Devise war: „Nicht Stehenblieben. Weitergehen!“ An sein Wohnhaus in Darmstadt ließ er einen eigenen Ausstellungsflügel anbauen und machte seine Sammlung öffentlich zugänglich. Einen Großteil seiner Kunstwerke stellte er dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt als Dauerleihgabe zur Verfügung. Er bemühte sich um eine Stiftung an dieses Museum, jedoch ohne Erfolg, denn seine Stiftungsbedingungen – der Neubau eines Museums für Moderne Kunst mit einem gut ausgestatteten Ankaufsetat – wurden vom hessischen Kultusministeri-
28 Vgl. http://www.von-der-heydt-museum.de/untermenus/geschichte/chronik.htm (5.1.2010). 29 Auf der documenta 4 des Jahres 1968 wurde die junge amerikanische Avantgarde-Kunst mit Schwerpunkt Pop Art und Minimal Art erstmals in großem Rahmen in Deutschland vorgestellt. Der Sammler Peter Ludwig wird in Kapitel 2.3.5 vorgestellt.
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um nie eingelöst. Daher wurden nach dem Tod des Sammlers die Kunstwerke aus dem Darmstädter Museum abgezogen und von der Erbengemeinschaft verkauft. Das neue Museum für Moderne Kunst in Frankfurt hat einen Teil der Sammlung Ströher erworben, die seither den Sammlungs-Grundstock des Museums bildet. Somit konnte ein großes Konvolut dieser wichtigen und internationalen Privatsammlung zusammengehalten werden. Eine Großnichte von Karl Ströher ist die Kunstsammlerin Sylvia Ströher (*1955). Als eine der Mitbesitzerinnen des Wella-Imperiums zählt sie nach dem Verkauf der Firma zu den reichsten Frauen Deutschlands.30 Gemeinsam mit ihrem Mann Ulrich Ströher hat sie in aller Stille und Zurückgezogenheit eine große Sammlung von vorrangig informeller Kunst zusammengetragen. Im Jahr 2005 hat das Ehepaar Ströher die Sammlung des Immobilienmillionärs Hans Grothe (*1930) angekauft. Es handelte sich dabei um einen der größten privaten Kunstankäufe, die es je in Deutschland gegeben hat. Aus der bis dahin unbekannten Privatsammlung wurde mit der Eingliederung der Sammlung Grothe eine der wichtigsten privaten Kollektionen deutscher Kunst nach 1945. Für einen Teil der über 600 Werke umfassenden Sammlung Grothe wurde 1999 das Museum Küppersmühle in Duisburg eröffnet. Der bis 2025 mit der Stadt Duisburg vereinbarte Leihvertrag wurde von den neuen Besitzern übernommen. Mit dem Kunstmuseum Bonn, das seit vielen Jahren Werke der Sammlung Grothe öffentlich zugänglich machte, konnte allerdings keine Einigung erzielt werden. Im Jahr 2007 wurden daher alle Leihgaben abgezogen.31 Aktuell wird in Duisburg von den Architekten Herzog & de Meuron ein spektakulärer Erweiterungsbau des Museum Küppersmühle für Moderne Kunst realisiert. Dort wird die gesamte Sammlung Ströher, die mit rund 1.500 Werken zentrale Positionen der Kunstentwicklung in Deutschland von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart versammelt, in größerem Zusammenhang präsentiert.32 Bevor Hans Grothe (*1930) seine Sammlung an die Familie Ströher verkaufte, hatte er selber hochtrabende Pläne für ein privates Museum geschmiedet. In Bremerhaven sollte eine neue Form von Künstlermuseum für die Sammlung Grothe entstehen: „Ich hätte Bremerhaven gern zu etwas Elitärem, zu einem Bayreuth der Bilder und Skulpturen gemacht, doch sind wir weder mit den Finanzen noch mit der Architektur klargekommen“ (zit. nach Mazzoni 1995).
Vier Jahre zogen sich die Verhandlungen hin, bis sich der Stadtrat von Bremerhaven 1994 gegen das private Grothe-Museum aussprach. Nach dem Scheitern der Ver-
30 Das US-Magazin Forbes veröffentlicht jährlich die Liste der weltweiten Milliardäre, unter denen im Jahr 2007 auch 55 Deutsche zu finden sind. Sylvia Ströher rangiert auf Rang 40. Vgl. Die Top 50 der deutschen Milliardaere. In: http://www.welt.de/wirtschaft/art icle754090/ DieTop50_der_deutschen_ Milliardaere.html (29.1.2010). 31 Im Kapitel 7.1.1 werden die Gründe der Nichteinigung zwischen Museum und Sammlerin dargestellt. 32 Vgl. http://www.museum-kueppersmuehle.de/index.php?id=122&L=0 (29.1.2010). Der Spatenstich für den Neubau erfolgte im Mai 2009, im Juni 2011 wurde der Umbau wegen explodierender Kosten gestoppt.
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handlungen erörterte Grothe seine Museumspläne mit der Stadt Bonn. Zwischen Bundeskunsthalle und Kunstmuseum, das seit Jahren einen Großteil der Sammlung Grothe in seiner Obhut hatte, sollte eine fensterlose „Kunstkiste“ mit 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche entstehen. Die nur mit Oberlicht geplante Halle sollte ein von Künstlern gestaltetes Museum werden. „Bei mir ist jeder Raum eine von Künstlern gestaltete Skulptur“, jeder Raum ist ein Kunstwerk, sagt der Sammler (Mazzoni 1995), der anstelle loser Bilderfolgen, komplette Werkblöcke und ganze Künstlerräume gesammelt hat. Doch auf seine Bedingungen, einen Teil der Bausumme der Halle zu übernehmen und die Sammlung für 20 Jahre als Dauerleihgabe einzubringen, wollte sich schlussendlich auch die Stadt Bonn nicht einlassen. 1999 wurden Grothe’s Wünsche dann schließlich im Museum Küppersmühle in Duisburg erfüllt. Neun Jahre lang dauerte der Verhandlungsprozess, bis sich Hans Grothe mit einer Stadt und einer öffentlichen Institution einig wurde, seine Kunstsammlung aufzunehmen. Nach Bremerhaven und Bonn machte schließlich Duisburg das Rennen. An diesem Beispiel lassen sich die Problemlagen und Schwierigkeiten erahnen, die sich bei Übernahmeverhandlungen zwischen privaten Sammlern und der öffentlichen Hand ergeben können. Auch die Stadt Weimar verhandelte mit einem privaten Sammler über dessen Kollektion als Dauerausstellung für das Neue Museum Weimar. Im Vergleich zur Agenda Grothe waren sich die Stadt Weimar und der ehemalige Galerist Paul Maenz (*1939) sehr schnell einig. Paul Maenz erinnert sich: „Es kam so: Ich hatte in den Ferien am Strand in der FAZ gelesen, dass in Weimar mehrere Cranach-Bilder gestohlen worden waren. Der Direktor des Schlossmuseums klagte nun nicht nur über den Verlust der kostbaren Cranachs, sondern erinnerte auch daran, dass durch die politischen Zeitläufe ja schon fast die ganze Kunst des 20. Jahrhunderts verlorengegangen sei. Ich teilte ihm mit, ich besäße zwar kein ganzes Jahrhundert, aber Kunstwerke der letzten dreißig, vierzig Jahre, die ich Weimar gerne zur Verfügung stellen würde. Mit der Ernennung Weimars zur "Kulturhauptstadt Europas 1999" und der Wiederherstellung eines während der DDR-Zeit verfallenen Gebäudes, dem früheren Großherzoglichen Museum, nahm die Sache schnell konkrete Formen an. Zu Silvester 1998/99 wurde das Neue Museum Weimar als Haus für die Kunst unserer Zeit eröffnet. Dass das alles auch ein kulturelles Politikum darstellte, kann man sich denken“ (zit. nach Jocks 2002).
Am Aufbau des Neuen Museums Weimar hat Paul Maenz intensiv mitgearbeitet. Durch seine Kontakte konnte er bedeutende Künstler wie Sol LeWitt, Daniel Buren oder Robert Barry animieren, sich mit permanenten Installationen am Aufbau des Museums zu beteiligen. Was glanzvoll begonnen hat, nahm ein jähes Ende. Schon nach fünf Jahren kündigte Paul Maenz seine Verträge mit der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen. „Das Problem beim Neuen Museum war ja sehr schnell, dass es die Hauptaufgabe dieser Vermittlung – das Heranführen, das Begeisterung-Schüren – in einem solchen Trockengebiet wie der Ex-DDR, nicht wahrgenommen, unterschätzt und eigentlich, ich wage diese Behauptung, nicht geliebt hat. Im Gegenteil, das Neue Museum wurde mit großer Antipathie in dem Verbund der Museen behandelt, so wie ein Kind eben, das als ungeliebtes Kind zur Welt kam […]. Das war der Grund für meinen Entschluss, mich und meine Sammlung zurückzuziehen. Ich glaube auch nicht, dass das in Weimar großes Bedauern
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ausgelöst hat, sondern eher als Befreiung empfunden wurde“, so der Sammler (zit. nach Schuster 2004).
Die Vermittlung von Kunst, das Heranführen eines kunstfernen Publikums, so wie das in Weimar kurz nach der Deutschen Wiedervereinigung vorübergehend der Fall war, ist für den ehemaligen Galeristen schon immer eine wichtige Sache gewesen. Aus diesem Grund war Paul Maenz auch einer der ersten Privatsammler, der sich nach der Wende den neuen Bundesländer zugewandt hat. 33 Zu den Sammlern, die an einer Vermittlung von Kunst und Bildung für die Allgemeinheit interessiert sind, gehört auch der Museumsgründer Henri Nannen (19131996). Der Herausgeber und jahrelange Chefredakteur der Zeitschrift „Stern“ gründete zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1983 die Stiftung Henri Nannen „Zur Förderung des Verständnisses für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart“. Im gleichen Jahr stiftete er seiner Heimatstadt Emden eine Malschule mit dem Ziel, Fantasie, Kreativität und Vertrauen von Kindern in ihre eigene schöpferische Kraft zu fördern. Mit dieser Geste hoffte er, das Vertrauen der Bevölkerung und der Stadtverwaltung zu gewinnen, um seinen Traum, in Emden ein Museum für seine Bildersammlung zu bauen, realisieren zu können. Unter Einsatz seines gesamten Vermögens und mit Hilfe zahlreicher Spenden und Förderer wurde 1986 die Kunsthalle Emden eröffnet. Die Architektur der Kunsthalle nimmt sich im Vergleich zu den großen öffentlichen Museumsgründungen dieser Jahre in Frankfurt, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, München oder Mönchengladbach relativ bescheiden aus. Mit ihrer rustikalen Schlichtheit und der Verwendung der für die Region typischen roten Ziegel für die Fassade fügt sich die Kunsthalle städtebaulich gut in ihre Umgebung ein. In vier Bauabschnitten wurde die Kunsthalle kontinuierlich erweitert und verfügt heute über eine Ausstellungsfläche von 1.600 Quadratmetern. Die Sammlung von Henri Nannen wurde über viele Jahre aufgebaut. Der Sammler hatte dabei kein konsequentes Konzept vor Augen, sondern folgte einzig seiner Leidenschaft und seiner Liebe zur Kunst. Er formulierte das so: „Ich habe immer nur gesammelt, was Lust in mir erweckt hat – oder, was mich bis unter die Haut schmerzte – was mich freute, aber auch wütend machte. Wie könnte Lust entstehen ohne den Rausch der Farben, wie könnte etwas Gefühls- und Denkanstöße vermitteln, 34 was nicht auch ‚anstößig‘ ist?"
Das Herzstück der Sammlung bilden der deutsche Expressionismus und die Malerei der Neuen Sachlichkeit. Mit der Schenkung des Münchner Galeristen und Sammlers Otto van de Loo wurde die Sammlung des Museums um wichtige Werkgruppen der Kunst nach 1945, wie Künstler der Gruppe Cobra und des internationalen Informels, erweitert. Dank ihrer qualitativen Ausstellungen und ihrer vielfältigen Aktivitäten zählt die private Kunsthalle Emden heute zu den wichtigsten Ausstellungshäusern im Norden Deutschlands. Die öffentliche Präsentation seiner Sammlung stellte der Museumsgründer Nannen gerne wie folgt dar:
33 Das Sammlerpaar Erika und Rolf Hoffmann plante mit der Kunsthalle für Dresden gleichfalls einen kulturellen Beitrag für die Wiedervereinigung. Siehe Kapitel 6.2. 34 http://kunsthalle.conne.net/index.php3?hid=00214 (12.3.2010).
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT „Juristisch gehört mir die Sammlung zwar nicht mehr, aber ich kann sie mir jeden Tag ansehen, viel besser sogar als früher, wo alles zwischen Betten, unter Betten, in Schränken, über Schränken, hinter Schränken, im Keller und auf dem Boden verborgen war. Und innerlich gehören mir die Bilder immer noch, und dazu gehören mir nun auch noch die Besucher“ (zit. nach Sager 1992: 236).
Wenn die Bestände in den Depots der Privatsammler wachsen und viele der mit Leidenschaft erworbenen Kunstwerke dort ungesehen und unbeachtet ruhen, entsteht bei vielen Sammlern der Wunsch, der gesammelten Kunst Raum und Öffentlichkeit zu verschaffen. Diesen Wunsch verspürte auch der Kunsthändler Heinz Berggruen (1914-2007), der seine hochkarätige Sammlung viele Jahre lang in der National Gallery in London präsentierte, bevor diese in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz überging. Heinz Berggruen führte von 1949 bis 1980 in Paris eine Galerie und avancierte rasch zu einem der wichtigsten Händler für die Kunst der Klassischen Moderne. Mit 65 Jahren zog sich Berggruen aus dem Galeriegeschäft zurück und konzentrierte sich auf den Ausbau seiner Sammlung, deren Schwerpunkte die Werke von Picasso, Klee, Matisse und Giacometti bildeten. 1996 wurde mit der Stadt Berlin ein Leihvertrag für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen, um die Werke im westlichen Stüler-Bau gegenüber dem Schloss Charlottenburg zu zeigen. Nur vier Jahre später wurde der dauerhafte Verbleib der Sammlung für Berlin mit einem symbolischen Ankauf der Sammlung besiegelt.35 Zum 90. Geburtstag des Sammlers wurde die „Sammlung Berggruen“ in „Museum Berggruen“ umbenannt, das im StülerBau sein festes Domizil gefunden hat.36 „Welch ein großes Ereignis die öffentliche Präsentation bisher still gehüteter, privater Kunstschätze sein kann, hat die Ausstellung der Sammlung Berggruen in Berlin bewiesen. Wenn wir auch noch so viele Werke von Picasso und Paul Klee, von Giacometti und Braques bereits anderswo sehen haben können, so ist doch die Ausstellung der Sammlung Berggruen zu einer Offenbarung geworden, zu einer Offenbarung des kaum Bekannten und zu einer Offenbarung einer Sammlungsindividualität“ (Klotz 1999: 19).
Man kann sagen, dass Heinz Berggruen die Tradition der jüdischen Sammler wiederbelebte, die vor rund 100 Jahren den Reichtum der Berliner Museen begründet hatten. Heinz Berggruen musste als junger Mann aus Berlin fliehen, kam aber trotz des Nationalsozialismus später wieder in seine Heimatstadt zurück und überließ der Stadt Berlin seine erstklassige Kunstsammlung. Damit wurde Berggruen zu einem Vorbild für andere Sammler, denn er bestärkte Friedrich Christian Flick (*1944) und auch den gebürtigen Berliner Helmut Newton (1920-2004) ihre Sammlungen ebenfalls nach Berlin zu geben. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz konnte sowohl mit der Helmut-NewtonStiftung als auch mit dem Flick-Erben Friedrich Christian Verträge schließen. Seit dem Jahr 2004 stehen der Helmut-Newton-Stiftung großzügige Ausstellungsräume
35 Seine auf 750 Millionen Euro geschätzte Sammlung wurde für 126 Millionen Euro angekauft (vgl. Baier 2000). 36 Vgl. http://www.smb.museum/smb/sammlungen/details.php?lang=de&objectId=22&n=1& r=12 (6. 1. 2010).
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im ehemaligen Landwehrkasino in Berlin zur Verfügung. Die Sammlung Flick ist ebenfalls seit 2004 in den neu adaptierten Rieck-Hallen direkt neben dem Hamburger Bahnhof, in dem auch die Sammlungen Marx und Marzona ihre Heimstätte gefunden haben, als Dauerleihgabe zu sehen.37 Mit Friedrich Christian Flick wurde vertraglich festgelegt, dass die Sammlung für sieben Jahre in Berlin öffentlich präsentiert wird. Während der Sammler den Umbau der Speditionshalle in ein Ausstellungsgebäude finanzierte, verpflichtete sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die laufenden Kosten der neuen Ausstellungsstätte zu tragen.38 Der Präsentation der Sammlung Flick ging eine lange Diskussion voraus, ob sich der Enkel von Friedrich Flick, in dessen Rüstungsfirma nachweislich tausende Sklavenarbeiter als Kriegsgefangene arbeiten mussten, mit seiner Kunstsammlung öffentlich positionieren dürfe. Sogar von „Blutgeld-Wäsche“ war die Rede. Thomas Ramge brachte die Diskussion mit folgendem Statement abschließend auf den Punkt: „Künstler schaffen Kunst, um sie zu zeigen. Die Bilder tragen keine Schuld“ (zit. nach Schoeps 2004).39 Zu Beginn des Jahres 2008 schenkte Friedrich Christian Flick der Berliner Nationalgalerie 166 Werke aus seiner Sammlung, darunter bedeutende Werke von Baselitz, Nauman, McCarthy, Artschwager, Douglas, Rodney Graham, Rist und Büchel. Diese Zueignung stellt bislang die umfangreichste Schenkung eines privaten Sammlers an die Berliner Nationalgalerie seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert dar. Damit hat der Sammler anfängliche Befürchtungen, er suche lediglich nach einem image- und wertfördernden Aufbewahrungsort für seine Kunstwerke, widerlegt. 2.2.2
Privates Sammeln in der Schweiz und in Österreich
Die Schweiz verfügt nicht nur, gerechnet auf die Einwohnerzahl, über die meisten Museen der Welt, sondern in diesem kleinen Land sind auch sehr viele herausragende private Sammlungen angesiedelt. Dass die Schweiz im 20. Jahrhundert an keinen Kriegen beteiligt war und daher dauerhaft stabile wirtschaftliche Verhältnisse herrschten, mag der Grund für die Beständigkeit und die Bewahrung privater Sammlungen sein. Das Sammeln von Kunst in größerem Maßstab setzte um 1900 ein, als Handel und Industrie beachtlichen Wohlstand mit sich brachten. Eine überragende Sammlerpersönlichkeit des frühen 20. Jahrhunderts ist Hedy Hahnloser (1873-1952). Sie
37 Der Erwerb der Sammlung von Erich Marx war auslösendes Moment für die aufwändige Umgestaltung und Sanierung des Hamburger Bahnhofs. Das Museum wurde 1996 mit dieser Privatsammlung eröffnet, in deren Fokus fünf große Künstlerpersönlichkeiten des ausgehenden 20. Jahrhunderts stehen: Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Robert Rauschenberg, Cy Twombly und Andy Warhol. Weiterhin gibt es einen großen Schwerpunkt auf amerikanische Künstler und die Genres Malerei und Fotografie. Im Jahr 2002 konnte die Sammlung des Hamburger Bahnhofs durch den Erwerb der Studiensammlung zur Konzeptkunst und Arte Povera von Egidio Marzona wesentlich erweitert werden. 38 Vgl. http://www.smb.museum/smb/sammlungen/details.php?lang=de&objID=7201&typ-e Id=1 (6.1.2010). 39 Thomas Ramge ist Autor des Buches: Die Flicks. Eine deutsche Familiengeschichte über Geld, Macht und Politik, Frankfurt 2004.
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hat gemeinsam mit ihrem Mann Arthur Hahnloser zwischen 1907 und 1930 eine Sammlung mit Schweizer und französischer Kunst von außergewöhnlicher Qualität aufgebaut. Die Sammlerin hat darüber hinaus auch zahlreiche Zeitgenossen, private Sammler wie Museumsleute, für das aktuelle Kunstschaffen begeistert und kann daher als Wegbereiterin der Moderne in der Schweiz bezeichnet werden. 1907 wurde in der familiären Villa Flora ein Salon eingerichtet und die private Sammlung öffentlich zugänglich gemacht. Die Werke der Künstlergruppen Nabis und Fauves erregten allerdings Aufsehen und Unverständnis. Selbst als Künstlerin ausgebildet, besaß Hedy Hahnloser ein ausgeprägtes Gespür für künstlerische Qualität und hat junge, unbekannte Künstler stets gefördert und unterstützt. 42 Jahre nach dem Tod von Hedy Hahnloser machte ihre Enkelin im Jahr 1995 die Villa Flora in Winterthur mit der Sammlung Hahnloser zu einem öffentlichen Museum. Bei diesem privaten Museum handelt es sich um ein Sammlermuseum der besonderen Art: Das authentische Ambiente der Villa, die Architektur samt dem erhaltenen Interieur, geben mit der Kunst der damaligen Zeit einen imposanten Eindruck der bürgerlichen Wohn- und Sammelkultur des frühen 20. Jahrhunderts.40 Den Lebensstil einer kultivierten Sammler- und Industriellenfamilie der ersten Hälfte des letzen Jahrhunderts kann man in der Schweiz neben der Villa Flora auch in der Villa Langmatt in Baden erleben. Seit 1990 wird dort die Sammlung im ehemaligen Anwesen des Ehepaars Jenny und Sidney Brown (1865-1941) der Öffentlichkeit als Impressionisten- und Wohnmuseum zugänglich gemacht. Zu sehen sind in diesem Privatmuseum, das mit originalem französischen Mobiliar des 18. Jahrhunderts ausgestattet ist, Werke der Hauptvertreter des Impressionismus und ihrer Vorläufer.41 Einer der wichtigsten Sammler und frühen Museumsgründer im deutschsprachigen Raum ist der Schweizer Oskar Reinhart (1885-1965). Er war der festen Überzeugung, dass „Kunstwerke zwar rechtlich dem Einzelnen gehören, dass sie in einem höheren Sinne jedoch Allgemeingut seien und ihr Besitzer sich letztlich nur als ihr Sachwalter auf Zeit betrachten dürfe“.42 Diesem Bestreben getreu vermachte er später seinen gesamten Kunstbesitz der Allgemeinheit. Schon sein Vater Theodor Reinhart (1849-1919) unterstützte Künstler und vertrat die Ansicht, dass ein kleines Land wie die Schweiz seine kulturellen Aufgaben nur durch intensives privates Engagement erfüllen könne. Oskar Reinhart wurde in der väterlichen Firma zum Kaufmann ausgebildet, der eigentliche Inhalt seines Lebens sollte aber die bildende Kunst werden. Im Alter von 39 Jahren stieg er aus dem Berufsleben aus, um sich ganz dem Aufbau seiner Kunstsammlung zu widmen. Im gleichen Jahr erwarb er die Villa „Am Römerholz“ und ließ an seinen neuen Wohnsitz einen Galerietrakt anbauen, in dem seine Kunstsammlung Platz finden sollte. Bereits als junger Mann verfügte er über ein großes Wissen auf dem Gebiet der Kunst und wurde für seine treffsichere Beurteilung künstlerischer Qualität geschätzt. 1930 gab Oskar Reinhart der Stadt Winterthur
40 Vgl. http://www.villaflora.ch (5.1.2010). 41 Vgl. http://www.langmatt.ch (5.1.2010). 42 Der Sammler Oskar Reinhart hat diesen Satz im Rahmen seiner Rede zur Eröffnung der ersten Gesamtausstellung seiner Sammlung im Kunstmuseum Bern am 16. Dezember 1939 formuliert (zit. nach Koella 2009: 82).
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bekannt, dass er einen Teil seiner Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich machen wolle. 1951 wurde das Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten mit dem Legat von Werken deutscher, schweizerischer und österreichischer Künstler des 18. bis 20. Jahrhunderts eröffnet.43 Den im Wohnhaus „Am Römerholz“ verbliebenen Teil der Sammlung samt Anwesen vermachte er 1958 testamentarisch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 1970 wurde das ehemalige Wohnhaus als Museum eröffnet, das viel von der ursprünglichen privaten Atmosphäre seines früheren Besitzers bewahrt hat.44 Zu sehen sind hier Gemälde der europäischen Kunst von der Spätgotik bis zur Klassischen Moderne, mit Schwerpunkten auf Alte Meister und französische Malerei des 19. Jahrhunderts. Die Sammlung von Oskar Reinhart besitzt einen ausgezeichneten Ruf, und schon 1935 hat Paul Valéry in das Gästebuch des Museums geschrieben: „Tout le monde m’avait parlé de cette merveilleuse collection mais elle parle par soi-même cent fois plus fort que tout le monde“ (zit. nach Frehner 1993:5). Im letzten Jahr fanden umfangreiche Renovierungsarbeiten statt. Die Infrastruktur wurde verbessert, die technischen Einrichtungen erneuert und ein Kulturgüterschutzraum für die Sammlung gebaut. Seit Oktober 2010 ist das ehemalige Wohnhaus als exquisites Privatmuseum wieder geöffnet. Die Sammlung der Schweizer Galeristin Angela Rosengart (*1932) könnte als thematische Weiterführung der Sammlung Reinhart bezeichnet werden. Während Oskar Reinhart bis zur Schwelle der Klassischen Moderne gesammelt hat, verfügt Angela Rosengart über eine der gewichtigsten Sammlungen zur Kunst der Klassischen Moderne mit den Schwerpunkten Paul Klee und Pablo Picasso. Angela Rosengart übernahm von ihrem Vater Siegfried Rosengart (1894-1985) eine gut eingeführte und anerkannte Galerie, zu deren Kunden viele renommierte Privatsammler und Museumsdirektoren gehörten.45 Seit 2002 macht die Sammlerin und Kunsthändlerin ihre umfangreiche Kollektion in Luzern der Öffentlichkeit zugänglich. Zehn Jahre davor gründete sie eine Stiftung, die Trägerin des Museums ist. Die Sammlung Rosengart hat in den Räumen der ehemaligen Schweizerischen Nationalbank eine neue Heimstatt gefunden. Das neuklassizistische Gebäude aus dem Jahr 1924 wurde von Roger Diener umgebaut und modernisiert und bietet der Präsentation der Kunst ein ganz besonderes Ambiente.46 Eine weitere überaus bedeutende Sammlung Klassischer Moderne wurde von dem Baseler Galeristenpaar Hildy (1922-2008) und Ernst Beyeler (1921-2010) zusammengestellt. Parallel zu ihrer erfolgreichen Galeristentätigkeit haben sie über fünfzig Jahre lang ausgesuchte Werke der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesammelt. Ernst Beyeler gilt als einer der wichtigsten Protagonisten der internationalen Kunstszene und des Kunsthandels im 20. Jahrhundert. Zahlreiche hochkarätige Kunstwerke, die heute die Eckpfeiler von Sammlungen auf der ganzen Welt bilden, gingen durch seine Hände. William Rubin, ehemals Chefkurator am Museum of Mo-
43 Vgl. http://www.museumoskarreinhart.ch (6.1.2010). 44 Vgl. http://www.roemerholz.ch (6.1.2010). 45 Eduard von der Heydt und Emil G. Bührle waren ebenso Kunden der Galerie wie Bernhard Sprengel und Peter Ludwig. Der Kölner Sammler erwarb rund ein Drittel seiner großen Picasso-Sammlung in der Galerie Rosengart (vgl. Mack 2002: 48). 46 Vgl. http:// www.rosengart.ch (5.1.2010).
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dern Art in New York sagte, dass er niemanden kenne, der so sehr hochprofessionelles Auge wäre wie sein Freund Ernst Beyeler (vgl. Müller 2001: 10). In der Tat hatte der Baseler Galerist einen unfehlbaren Blick für Qualität, seine exquisite Kunstsammlung legt Zeugnis davon ab. Nachdem die Sammlung des Ehepaars Beyeler in Spanien, Deutschland, Australien und Japan gezeigt worden war, entstand der Wusch einer permanenten öffentlichen Präsentation. 1982 wurde die Sammlung in eine Stiftung überführt, um die Werke für zukünftige Generationen zu bewahren. Über seine Pläne der öffentlichen Zugänglichkeit sagte Ernst Beyeler: „Gegen eine Integration meiner Bilder in die Bestände des Kunstmuseum [Basel, d. V.] hätte ich im Prinzip nichts gehabt, aber es war absehbar, dass mindestens vierzig Prozent meiner Kollektion ständig im Depot verblieben wären. Und so steuerte alles immer mehr in Richtung Riehen, in einen Neubau von einem erstklassigen Architekten, in einem schönen Park, sozusagen an der Dreiländerecke – eine Symbiose von Kunst, Architektur und Natur“ (zit. nach Müller 2001: 60).
Der Heimatort von Ernst Beyeler, Riehen nahe Basel, bekam gegenüber anderen und prominenteren Standorten den Vorzug. Allerdings gab es zuvor eine Abstimmung der Bürger von Riehen, die sich mit 61 Prozent für den Museumsbau ausgesprochen haben.47 1997 wurde die Fondation Beyeler als öffentliches Privatmuseum eröffnet. Das von Renzo Piano erbaute Museum besticht durch seine Verbindung von sensibler Architektur, idyllischer Landschaft und der kunstgerechten Präsentation der Werke im Innen- und Außenraum. Nicht ohne Grund wird die Fondation Beyeler als eines der schönsten Museen weltweit bezeichnet.48 Der Künstler und Sammler Urs Raussmüller (*1940) hat im schweizerischen Schaffhausen in den frühen 1980er Jahren in einem ehemaligen Fabrikgebäude einen besonderen Ort für neue Kunst geschaffen. Während zu dieser Zeit in vielen Städten Deutschlands ambitionierte neue Kunstmuseen errichtet werden, bei denen ein vorrangiger Aspekt die architektonische Gestaltung ist, setzte Raussmüller auf eine Architektur, die sich klar hinter die Kunst zurückstellt und lediglich als funktionaler Rahmen für die Kunst fungiert. Eine stillgelegte Textilfabrik wurde auf diese Weise zu einem Ausstellungsort für raumgreifende und raumbezogene Installationen. Im Rückblick stellt sich die behutsame bauliche Veränderung als eine der ersten konsequenten Umgestaltungen eines Industriegebäudes in ein Kunstmuseum dar. Auch in der Präsentation der Kunst ging Raussmüller neue Wege: Auf rund 5.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert er nur zwölf Künstler. Carl Andre, Joseph Beuys, Dan Flavin, Donald Judd, Jannis Kounellis, Sol LeWitt, Richard Long, Robert Mangold, Mario Merz, Bruce Neumann, Robert Ryman und Lawrence Weiner
47 Die Abstimmung in Riehen erinnert an den von Generation zu Generation übertragenen Kunstsinn der Baseler Bürger. Denn bereits 1661 hatten sie sich für den Verbleib des Kabinetts Amerbach ausgesprochen, das nach Amsterdam verkauft werden sollte (siehe Kapitel 2.1). 1967 sicherte eine positive Volksabstimmung den Ankauf und Verbleib zweier Gemälde von Picasso im Kunstmuseum Basel, die als Dauerleihgaben lange im Kunstmuseum zu sehen waren und abgezogen werden sollten. 48 Vgl. http://www.beyeler.com (6.1.2010).
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haben zum Teil nach ihren eigenen Vorstellungen die Räume selbst mit Werken und Werkgruppen gestaltet. „Bei der Planung und Realisierung der Hallen für Neue Kunst gingen alle Entscheidungen von der Kunst aus. Die Bedingungen ihrer Wirkung waren die Grundlagen der verschiedenen Maßnahmen. Es war mein Ziel, Kunstwerken, die den Stellenwert authentischer Künstler-Statements besitzen, ein räumliches Umfeld zu geben, das – einfach und in sich stimmig – den spezifischen Eigenheiten ihrer Konzeption und Erscheinung entgegenkommt. Die Zeit hat gezeigt, dass, was für die Künstler stimmt, auch für die Besucher richtig ist. Vielleicht ist dies der Schlüssel zu der überzeugenden ganzheitlichen Wirkung der Hallen 49 für Neue Kunst“, so ihr Gründer.
Die Hallen für Neue Kunst sind eine privat geführte Institution, die vom Ehepaar Raussmüller 1984 gegründet wurde. Vom Kanton Schaffhausen und der Stadt Schaffhausen gibt es jährliche Zuschüsse zur Betriebsführung, mit denen Stadt und Land das große Engagement des Sammlers und die internationale Ausstrahlung der Hallen für Neue Kunst würdigen. Über das Ziel seiner Einrichtung sagt Urs Raussmüller: „Die Wirkung von Kreativität ist Veränderung und nicht das Festhalten an Bestehendem. [...] Diese Kunst steht für Entwicklung, für Fortschritt und Innovation. Auf einen größeren Nenner gebracht heißt das: Kreativität, wie sie in Werken wie diesen erfahrbar wird, ist 50 das, was unsere Gesellschaft in höchstem Maß für ihre Entwicklung braucht.“
„Wenn Kunst nicht gesehen wird, dann lebt sie nicht. Wenn Kunst nicht gehütet wird, verfällt sie.“51 Das ist das Motto des Schaulagers in Basel, das ein in der Museumstradition völlig neues Konzept der Kunstpräsentation initiiert hat. Die Kunstmuseen sehen sich am Beginn des neuen Jahrtausends mit neuen Herausforderungen konfrontiert: der Präsentation und Bewahrung von Kunstwerken, deren Material vergänglich ist oder deren Ausmaße und Dimensionen alle herkömmlichen Ausstellungsund Lagermöglichkeiten sprengen. Das privat geführte Schaulager hat sich dieses Problems angenommen und mit der Kombination eines öffentlichen Kunstdepots und einer Ausstellungshalle ein zukunftsweisendes Modell geschaffen. Gegründet wurde das Schaulager von Maja Oeri (*1955), deren Laurenz-Stiftung Trägerin des Museums ist. Im Schaulager wird die Sammlung der Emanuel-Hoffmann-Stiftung fachgerecht gelagert und entsprechend den Statuten der Stiftung permanent öffentlich zugänglich gemacht. Die Sammlung wurde von Maja Oeri’s Großmutter, Maja Hoffmann-Stehlin, spätere Maja Sacher (1898-1989) gegründet und hat sich seit jeher der Kunst der Gegenwart samt ihren ungewohnten Formaten, Materialien und Rauminstallationen gewidmet. Im Schaulager werden alle Kunstwerke der Stiftung in eigenen Depoträumen gelagert, die von Fachleuten und der interessierten Öffentlichkeit nach Voranmeldung besichtigt werden können. Das Schweizer Architekturbüro
49 Zit. nach http://www.raussmueller-collection.ch (6.3.2010). 50 Urs Raussmüller in einer Rede anlässlich der Übergabe des Georg Fischer-Preises 2010 der Stadt Schaffhausen am 24.2.2010, zit. nach.http://www.modern-art.ch/index.cfm?ArtikelID =0A94E9D9-0F34-113A-0108A8E31070A9D4 (6.3.2010). 51 Zit. nach http://www.schaulager.org (25.11.2010).
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Herzog & de Meuron zeichnet für den Museumsbau verantwortlich, der sich inmitten eines Industriegebietes auf einem ehemaligen Lagerhausgelände befindet. Der Erfinderin und Gründerin des Schaulagers Maja Oeri war es wichtig, kein weiteres Museum für Gegenwartskunst zu gründen, sondern ein aktiviertes Kunstdepot, das der Forschung und Vermittlung der Kunst dient. Die im Jahr 2001 gegründete Daros Collection in Zürich setzt ebenso einen Schwerpunkt auf Kunstvermittlung. Jedoch anders als das Schaulager Basel, das sich vorwiegend an ein Fachpublikum wendet, sind in der Daros Collection Kinder, Jugendliche und Studierende das Zielpublikum. Im Zürcher Löwenbräu-Areal, in unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle und dem Migros Museum, hat Stephan Schmidheiny (*1947) seine international bedeutende Sammlung öffentlich zugänglich gemacht. Der ehemalige Gärkeller der Brauerei wurde von Walter Rüegg umgebaut. Seit 2009 hat die Daros Latinamerica AG die Leitung des Daros Museum Zürich übernommen und zeigt wechselnde Präsentationen der Sammlung und Wechselausstellungen. Herausragende Qualität und ein niveauvolles Kunsterziehungsprogramm zeichnen diese private Institution aus.52 Das 2005 eröffnete Zentrum Paul Klee in Bern entstand aus einem Zusammenschluss der öffentlichen Hand und dem großzügigen Engagement der Gründerfamilien Klee und Müller. Die Nachkommen des Künstlers haben große Werkbestände als Schenkungen zur Verfügung gestellt, so dass das Zentrum Paul Klee heute mit über 4.000 Werken über die weltweit größte Sammlung des Künstlers verfügt. Die privatrechtliche Maurice E. und Martha Müller Foundation hat das Grundstück und den Bau des außergewöhnlichen Kulturzentrums finanziert. Aus dem ursprünglich geplanten Paul Klee-Museum ist durch privates Engagement und Sponsoren aus der Wirtschaft ein Kultur-, Wissenschafts- und Forschungszentrum entstanden, das dem interdisziplinären Schaffen Paul Klees gerecht wird. Erbaut wurde das Zentrum von dem renommierten italienischen Architekten Renzo Piano, der auf das sanft geschwungene Baugelände am Ostrand der Stadt Bern Bezug genommen und drei wellenförmige Baukörper in die Landschaft gesetzt hat. Die drei Hügel aus Stahl und Glas sind zum markanten Wahrzeichen eines Zentrums geworden, das bildende Kunst, Musik, Theater, Tanz und Literatur unter einem Dach beherbergt. Im Vergleich zur Schweiz ist die Republik Österreich nicht als Sammlerland bekannt. Doch auch in Österreich gibt es eine Reihe privater Sammelinitiativen auf internationalem Niveau. Anders jedoch als beispielsweise in Deutschland, agieren die meisten österreichischen Privatsammler im Verborgenen und pflegen keine bekanntheitsfördernden Kontakte und Kooperationen mit öffentlichen Museen.53 Das mag ein Grund dafür sein, warum für das in Österreich wichtigste staatliche Museum für Gegenwartskunst (mumok) die Kollektionen zweier deutscher Sammler zum zentralen Grundstock seiner Sammlungsbestände geworden sind. Die beiden Kölner Peter
52 Das Daros Museum Zürich ist Teil der Studie und wird in Kapitel 6.4 umfassend vorgestellt. 53 Um Einblicke in das private Sammelwesen zu geben, präsentierte das mumok Wien in der Zeit vom 7.10.-27.11.2005 die Ausstellung „Entdecken und Besitzen“ und stellte zehn private österreichische Sammlungen der Öffentlichkeit im musealen Rahmen vor.
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Ludwig (1925-1996) und Wolfgang Hahn (1924-1987) haben mit ihren Privatsammlungen die Erweiterung des Museums maßgeblich geprägt. Der Restaurator Wolfgang Hahn54 hat ab den 1960er Jahren eine international bedeutende Sammlung des Nouveau Réalisme aufgebaut, die 1978 vom österreichischem Staat für das Museum Moderner Kunst erworben wurde. Die rund 400 Objekte umfassende Sammlung internationaler Kunst der 1960er und 1970er Jahre bildet seither einen Schwerpunkt der Wiener Museumssammlung. Peter Ludwig stiftete 120 hochkarätige Werke amerikanischer und europäischer Künstler aus der Zeit nach 1945. Mit dieser Schenkung ging die Gründung der „Österreichischen Ludwig-Stiftung für Kunst und Wissenschaft“ und 1979 die Neueröffnung des „Museum Moderner Kunst“ im Palais Liechtenstein einher. 1991 erfolgte eine weitere Ludwig’sche Schenkung von west- und osteuropäischen Werken. Als Dank an den Stifter wurde das Museum in „Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig“ umbenannt. Im Jahr 2003 wurden weitere 44 Werke aus der Sammlung Hahn erworben, die die Witwe des inzwischen verstorbenen Sammlers, Hildegard Hahn, angeboten hatte. Somit konnte die gesamte Sammlung Hahn zusammen gehalten werden und ist heute zur Gänze in österreichischem Besitz und wird der Öffentlichkeit seither im mumok zugänglich gemacht.55 Österreichs größte und bekannteste Privatsammlung zur Kunst der Gegenwart steht seit 1999 der Öffentlichkeit in Klosterneuburg bei Wien offen. Das Essl Museum wurde von Agnes (*1937) und Karlheinz (*1939) Essl gegründet, um ihre in 40 Jahren zusammengetragene Sammlung zeitgenössischer Kunst in einem eigenen Museum zu präsentieren. Das Sammlerpaar nennt als Ziel ihrer umfänglichen privaten Museumsaktivitäten: „Wir wollen dazu beitragen, Kunst als gesellschaftsrelevanten Faktor stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern und damit eine Möglichkeit bieten, sich mit Fragen unseres Lebens und unserer Zeit kritisch und zugleich kreativ auseinanderzusetzen“ (Sammlung Essl 2007: 49).
Heinz Tesar hat den Museumsneubau am Rand der Donauauen in Klosterneuburg entworfen, dessen Betrieb bis heute ausschließlich privat finanziert wird. Die gesellschaftliche Verantwortung der Sammler und die positive Entwicklung der Essl Unternehmensgruppe hat in den letzten zehn Jahren zu vielfältigen Museumsaktivitäten geführt, welche die Kunstszene rund um Wien enorm bereichert haben.56 „Unsere Visionen für die Zukunft sind damit nicht erschöpft. Ich träume von neuen Möglichkeiten der Präsentation unserer Werke und davon, weite Teile der Bevölkerung für die
54 Nach dem Sammler wurde der Kölner Wolfgang-Hahn-Preis benannt, der jährlich vergeben wird und mit 100.000 Euro dotiert ist. Auslober ist die Gesellschaft für Moderne Kunst am Ludwig Museum, deren Gründungsmitglied Wolfgang Hahn war. Der Preis wird seit 1994 vergeben. 55 Nach der Umbenennung des Museum Moderner Kunst in „Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig“ im Jahr 1991 erfolgte 2001 eine weitere Namensänderung. Seit 2001 ist das Museum im „Wiener Museumsquartier“ untergebracht und hat seither eine neue Bezeichnung: mumok – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Vgl. http://www. mumok.at (5.1.2010). 56 Das Essl Museum ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.3 umfassend vorgestellt.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Kunst zu begeistern. Dies sind Aufgaben, denen wir uns in Zukunft verstärkt widmen wol57 len“, sagt der Museumsgründer Karlheinz Essl.
Eine andere Privatinitiative, die zur positiven Ausstrahlung des Wiener Kunst- und Kulturlebens wesentlich beiträgt, ist der von Francesca von Habsburg (*1958) gegründete Kunstraum Thyssen-Bornemisza Art Contemporary im Zentrum der Bundeshauptstadt. Gewidmet ist diese Kunstinitiative der Unterstützung zeitgenössischer Kunstproduktion und der Förderung von Projekten, die sich der Einordnung in herkömmliche Kunstdisziplinen entziehen. Der Kunstraum TBA 21 wurde 2002 gegründet. Mit ihrem Kunstengagement führt Francesca von Habsburg die Tradition ihrer Familie Thyssen-Bornemisza nun in vierter Generation fort, privaten Kunstbesitz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.58 Das im Jahr 2005 eröffnete Leopold Museum im Wiener Museumsquartier gründet auf der Privatsammlung des Wiener Augenarztes Rudolf Leopold (1925-2010). 1994 hat der Sammler seine gesamte Kollektion, die zu den bedeutendsten Sammlungen moderner österreichischer Kunst zählt und über das weltweit größte zusammenhängende Werk Egon Schieles verfügt, in eine gemeinnützige Privatstiftung eingebracht, für die die Republik Österreich rund 160 Millionen Euro zu zahlen hatte. Die Stiftung hat den Zweck, die Sammlung Leopold dauerhaft zu erhalten und sie der Öffentlichkeit durch den Betrieb eines Museums zugänglich zu machen. Der Sammler wurde zum Museumsdirektor auf Lebenszeit bestellt. Während das Wiener Leopold Museum eine öffentliche Einrichtung darstellt, wurde das im Jahr 2008 in Neuhaus in Kärnten eröffnete Museum Liaunig vollumfänglich privat finanziert. Das private Museum wurde für die Sammlung von Herbert W. Liaunig gegründet, die österreichische Kunst nach 1945 und eine Kollektion afrikanischer Goldobjekte umfasst. Der Museumsgründer sagt über sein neues Kunstdomizil: „Damit erfüllt sich ein lang gehegter Wunsch unserer Familie, ein adäquates Ambiente für unsere Sammlungen zu schaffen. Als derzeit einziger Ort, der in einer permanenten Ausstellung einen Überblick an österreichischer Nachkriegskunst zeigt, schließt das Museum 59 Liaunig eine der großen Lücken in der österreichischen Museumslandschaft.“
In ländlicher Gegend, unweit der slowenischen Grenze, hat das Wiener Architekturbüro querkraft einen markanten Baukörper konzipiert, der sich stark an der Landschaft orientiert. Ein 160 Meter langer und 13 Meter breiter Riegel bietet der rund 2.200 Werke umfassenden Sammlung repräsentative Entfaltungsmöglichkeiten. Eine Besonderheit dieses Museums ist ein Schaulager, ein öffentlich einsichtiges Museumsdepot, das den Besuchern neben den Exponaten der Ausstellung umfassenden Einblick in die Sammlung Liaunig gewährt. Aktuell ist in Österreich ein weiteres Privatmuseum in Planung. Im oberösterreichischen Thalheim wird der Industrielle Heinz J. Angerlehner im Jahr 2013 ein privates Haus für seine Kunstsammlung er-
57 Zit. nach http://www.sammlung-essl.at/museum/sammler.html (7.1.2010). 58 Ein anderes Beispiel des Kunstengagements der Familie ist das Museum ThyssenBornemisza in Madrid, das in unmittelbarer Nähe zum Prado-Nationalmuseum situiert ist. 59 Zit. nach http://www.museumliaunig.at (7.1.2010).
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öffnen. Dieses Museum wird eine weitere Bereicherung der deutschsprachigen Museumslandschaft und einen Zugewinn für die heimische Kunstszene darstellen.60
2.3
W ICHTIGE
INTERNATIONALE HEUTIGEN P RIVATMUSEEN
V ORLÄUFER
DER
Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre entstanden in Dänemark, der Schweiz und in Frankreich drei außergewöhnliche private Museen: 1958 gründete Knud W. Jensen das Louisiana Museum of Modern Art in Humlebæk, 1960 machten die Erben die exquisite Kunstsammlung von Emil G. Bührle der Öffentlichkeit in Zürich zugänglich und im südfranzösischen Saint-Paul-de-Vence gründete das Galeristenpaar Aimé and Marguerite Maeght 1964 die Fondation Maeght. Im Kontext der damaligen Zeit betrachtet, können diese drei privaten Museumsgründungen als herausragende Initiativen mit weitreichenden Folgen und Vorbildwirkung für die kommenden Sammlergenerationen angesehen werden. Eine wichtige Vorbildfunktion für die nachfolgenden privaten Museumsgründer hatte auch das 1987 eröffnete Museum Insel Hombroich. Der Sammler Karl-Heinrich Müller schuf dort eine außergewöhnliche Begegnungsstätte mit Kunst unterschiedlicher Gattungen fern aller traditionellen Museumskonventionen. Im folgenden Abschnitt werden die Gründungsgeschichten und Sammlerpersönlichkeiten dieser vier Pioniermuseen vorgestellt. Abgeschlossen wird dieses Kapitels mit einem Porträt des Sammlerpaars Irene und Peter Ludwig, die mit ihrer umfangreichen Sammlungs- und Stiftungstätigkeit ebenfalls vorbildhaft und beeinflussend auf die nachfolgende Sammlergeneration gewirkt haben. 2.3.1
Fondation Maeght, Saint-Paul-de-Vence, Frankreich
Die Fondation Maeght wurde 1964 von Marguerite (1909-1977) and Aimé Maeght (1906-1981) gegründet. Das Sammlerehepaar führte seit 1945 in Paris eine Galerie, zu der namhafte Künstler wie Matisse, Picasso, Léger, Chagall, Calder, Kandinsky, Giacometti und Miró gehörten. Neben bildenden Künstlern war die Galerie Maeght auch eine Heimstätte für Literaten. 1946 gründet Aimé Maeght die großformatige Zeitschrift „Derrière le Miroir“, die mit Originallithografien und Texten von Schriftstellern, Philosophen und Kritikern anstelle von Ausstellungskatalogen erschien. Im Laufe ihrer Galerietätigkeit behielt das Ehepaar Maeght eine Vielzahl von Gemälden für ihre Sammlung zurück, die heute zu den wichtigsten Kollektionen Europas mit bedeutenden Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Grafiken des 20. Jahrhunderts zählt. 1953 erlitt die Familie Maeght einen schweren Schicksalsschlag. Aimé Maght stellte seine Situation so dar: „Ich besaß sechs Hektare auf einem Hügel der Gardettes. Dort habe ich mein Haus gebaut. Aber einer meiner Söhne starb und ich hatte zu nichts mehr Lust. Zum ersten Mal in meinem Leben ließ ich mich gehen. Ich kann sagen, die Maler waren es, die mich noch einmal auf den richtigen Weg setzten. Georges Braques regte mich an, etwas zu unternehmen, das
60 Vgl. http://www.museum-angerlehner.at (1.3.2012).
54
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT helfen würde, meinen Schmerz zu lindern: dort wo wir uns befinden, zwischen Thymian und Rosmarin, eine der modernen Kunst gewidmete Stätte zu errichten. Und Fernand Léger sagte mir: Wenn du das machst, bringe ich dir meine Kleckserei. Ich bin bereit, selbst Felsen zu bemalen“ (Maeght Éditeur 1993: 29).
Der spanische Architekt Josep Lluis Sert, der für Joan Miró in Palma de Mallorca ein Atelier errichtet hat, plante in Südfrankreich ein Zentrum für zeitgenössische Kunst, das als Begegnungs- und Arbeitsort für Künstler dienen sollte. Architekt und Bauherr waren sich einig, dass sich die Architektur sowohl hinter die Kunst als auch die Natur zurückstellen muss. Im Juli 1964 wird der weitläufige Gebäudekomplex der Stiftung Maeght in Saint-Paul-de-Vence eröffnet, der moderne und zeitgenössische Kunst in allen ihren Ausprägungen präsentiert. Zahlreiche Künstler der Galerie haben sich an diesem Projekt beteiligt und großformatige Werke sowohl für das Museum als auch die Gartenanlage geschaffen. So gibt es den Giacometti Garten, das Miró Labyrinth, das mit Skulpturen sowie Keramiken und Mosaiken von Chagall und TalCoat bestückt ist. Man trifft auf einen Swimming-Pool samt Bleiglasfenster von Georges Braques oder einen Brunnen von Pol Bury. Das architektonische Ensemble wurde zur Gänze von Aimé and Marguerite Maeght geplant und privat finanziert. Es handelt sich bei dieser Initiative um ein einzigartiges Beispiel einer privaten europäischen Kunststiftung, die bis heute ohne öffentliche Mittel betrieben wird. Über diese einmalige Unternehmung sagt sein Gründer: „Ich schuf diese Stiftung auf egoistische Weise und zu meinem Vergnügen, indem ich hoffte, einen Teil dieses Vergnügens, dieser Freude an viele Menschen weitergeben zu können“ (Maeght Éditeur 1993: 1).
Nach dem Tod von Marguerite Maeght im Jahr 1977 wurde das gesamte Museum in eine Stiftung eingebracht. Gegenwärtig wird die Stiftung von der Familie weitergeführt. 2.3.2
Stiftung Sammlung Emil G. Bührle, Zürich, Schweiz
Der gebürtige Deutsche Emil G. Bührle (1890-1956) studierte Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte, bevor er als Industrieller und Waffenproduzent zu großem Vermögen kommt. Über seinen Erfolg sagt Emil G. Bührle: „Die industrielle Macht […] habe ich nur deshalb geschmiedet, um desto sicherer mein Schicksal als Kunstliebhaber erfüllen zu können, das ich schon seit langem in mir fühle. Der Technik gegenüber, dieser vergänglichen Form menschlichen Tuns, stellt die Kunst ein Stück Ewigkeit dar“ (zit. nach Cabanne 1961: 170).
Die Leidenschaft Emil G. Bührles für die Kunst wurde bei einem Ausstellungsbesuch im Jahr 1913 in Berlin geweckt. Hugo von Tschudi zeigte in der Nationalgalerie eine Ausstellung impressionistischer Bilder, die in den traditionellen Berliner Kunstkreisen einen Skandal auslöste. Für Emil G. Bührle hingegen war die Begegnung mit der französischen Kunst eine Offenbarung.
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„Da stand es für mich fest, dass ich mir einmal, sofern ich es vermöchte, solche Manet-, Monet- Renoir-, Degas- und Cézannebilder an die Wand hängen wollte“, erklärte er später (zit. nach Cabanne 1961:167).
Es sollte 20 Jahre dauern, bis er seine ersten beiden Kunstwerke, eine Zeichnung von Degas und ein Stillleben von Renoir, erwerben konnte. Diese Werke sind Ausgangspunkt für eine der beachtlichsten privaten Gemäldesammlungen Europas, die sich den französischen Impressionisten und Postimpressionisten des 19. Jahrhunderts widmet. In 25 Jahren Sammeltätigkeit hat Bührle mehr als 300 Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten zusammen getragen. „Ich sammle nur zu meinem Vergnügen“, sagte er. „Mein einziges Kriterium ist die Qualität. Ich strebe danach, möglichst viele Bilder zu besitzen, aber ich verlasse mich dabei einzig und allein auf meinen Geschmack. Weder Atteste noch Hinweise in Büchern oder Zeitschriften oder Ratschläge können mich dazu bewegen, ein Bild zu erwerben, das mir nicht gefällt. Ich lege Wert darauf, meine Gemälde selber anzusehen und auszuwählen. Meiner Sammlung widme ich täglich mindestens eine Stunde meiner Zeit. Ich liebe es, unter meinen Bildern zu verweilen; sie sind meine Erholung, meine Gefährten“ (zit. nach Cabanne 1961: 175).
Für seine Sammlung erwarb Emil G. Bührle eine Villa neben seinem Wohnhaus am Ufer des Zürichsees. Dort wurden alle Möbel entfernt, denn das Haus wurde ausschließlich als private Galerie benutzt. Der Sammler betrachtete seine Galerie als Rückzugsgebiet und privates Refugium, in das nur wenige auserwählte Menschen Zutritt erhielten. Bührle selbst hatte nie beabsichtigt, seine Kunstschätze mit anderen zu teilen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vier Jahre nach seinem Tod überführten seine Erben einen Großteil der Sammlung in eine Stiftung und eröffneten im Jahr 1960 in der Privatgalerie des Sammlers ein kleines, feines, öffentliches Museum. In den intimen Präsentationsräumen kann man den spezifischen Charakter der Sammlung authentisch erleben. Emil G. Bührle war es immer wichtig, seine Sammlung konzentriert zu präsentieren. Aus diesem Grund lehnte er es immer ab, die Sammlung einem Museum zu übergeben mit der Begründung, „dass bei einem solchen Legat die Kunstwerke auf die verschiedenen Abteilungen eines Museums verteilt würden und die Sammlung dadurch ihren individuellen Charakter verlöre“ (zit. nach Meisterwerke 1990: 35). Im Februar 2008 kam es zu einem spektakulären Raubüberfall auf das Museum der Stiftung Emil G. Bührle. Vier wertvolle Gemälde wurden aus dem Museum gestohlen.61 Nach diesem Vorfall und dem rückläufigen Besucherinteresse der letzten Jahre hat die Stiftung beschlossen, ihre Sammlung zur unbefristeten Präsentation dem Kunsthaus Zürich zu übergeben. Ab dem Jahr 2015 werden rund 180 impressio-
61 Am 10. Februar 2008 erbeuteten drei bewaffnete Männer vier Gemälde im Wert von 113 Millionen Euro, darunter Paul Cézanne „Der Knabe mit der roten Weste“, Edgar Degas „Graf Lepic und seine Töchter“, Vincent van Gogh „Blühende Kastanienzweige“ und Claude Monet „Mohnblumen bei Vétheuil“. Die Bilder von van Gogh und Monet wurden eine Woche später wieder sichergestellt (vgl. Flammer 2008). Die beiden anderen Werke wurden 2012 aufgefunden und die Täter verhaftet (vgl. NZZ vom 27.4.2012).
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nistische Gemälde in einem Erweiterungsbau von David Chipperfield zu sehen sein. Im Gegenzug verpflichtet sich das Kunsthaus, die Sammlung zu pflegen und permanent als Einheit zu zeigen, um dem ursprünglichen Wunsch des Sammlers nach Zusammenhalt der Bilder zu entsprechen.62 2.3.3
Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark
1958 eröffnete Knud W. Jensen (1916-2000) 25 Kilometer nördlich von Kopenhagen an der Ostseeküste ein privates Kunstmuseum. Auch 50 Jahre nach seiner Gründung genießt dieses Museum einen hervorragenden Ruf und wird oft als eines der schönsten Museen Europas bezeichnet (vgl. Holtmann 1999: 35). Die Verbindung von Kunst und Landschaft machen die einmalige Atmosphäre und das Besondere dieses Ortes aus. Der Museumsgründer Jensen beabsichtigte Kunsthistoriker zu werden. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1944 musste er seine Studien beenden und das Familienunternehmen übernehmen. Er entwickelte Dänemarks größte Exportfirma für Käse und Molkereiprodukte zu einem florierenden Unternehmen. Zusammen mit anderen dänischen Firmen gründete er den Verein „Kunst am Arbeitsplatz“ und erwarb für diesen Zweck zeitgenössische dänische Kunst, die in Wanderausstellungen in verschiedenen Fabriken im ganzen Land gezeigt wurde. Als er 1956 ein Übernahmeangebot einer amerikanischen Firma erhielt, verkaufte er seine gesamte Firma. „Ich war frei, erst vierzig Jahre alt und voll unbändiger Lust, mich den Rest meines Lebens mit Kunst zu befassen, der seit der Schulzeit mein besonderes Interesse gegolten hat“ (Jensen 1991: 22).
Fortan widmete sich Knud W. Jensen der Kunst und spielte mit dem Gedanken, ein eigenes Museum für seine Sammlung zu gründen. In der Nähe seines Sommerferiendomizils entdeckte er einen großen verwilderten Park samt einer leeren Villa und zahlreichen Nebengebäuden direkt am Meer gelegen. „Hier also war der Ort, von dem ich immer geträumt hatte und nach dem ich seit einem Jahr Ausschau hielt“ (Jensen 1991: 10). Das Louisiana Museum,63 wie es sich heute präsentiert, ist in mehreren Etappen entstanden. Nach dem Umbau der alten Villa im Jahr 1958 folgten 1966, 1971 und 1982 neue Säle für Wechselausstellungen, 1976 kam eine große Konzerthalle hinzu. In den 1990er Jahren wurde das Museum um ein unterirdisches Grafikkabinett und einen Ausstellungsflügel speziell für Kinder erweitert. Heute bietet das Museum eine Ausstellungsfläche von rund 7.500 Quadratmetern. Die Architektur des Museumsgebäudes ist sehr zurückhaltend. Genau so wie der Bauherr Jen-
62 Ein Abzug der Bilder im Ganzen oder in einzelnen Teilen durch die Stiftung wird so lange nicht möglich sein, wie das Kunsthaus Zürich der Vereinbarung zur integralen Ausstellung in den für die Stiftung eingerichteten Räumen nachkommt. Eine Veräußerung von Stiftungsgut ist ausgeschlossen (vgl. http://www.kunsthaus.ch/buehrle/zukunft.php (12.3. 2010). 63 Die Bezeichnung Louisiana hat Jensen vom Vorbesitzer des Anwesens übernommen, der das Areal nach den Vornamen seiner drei Ehefrauen benannt hatte. Alle drei hatten den Vornamen Louisa.
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sen, wollte sich das dänische Architektenteam Jørgen Bo und Vilhelm Wohlert kein Denkmal setzen. Keine auffällige und extravagante Museumsarchitektur wurde hier inszeniert, sondern „ein Museum auf dem Land, wie ein großes Einfamilienhaus, in einem menschlichen Maß“, sagte der Museumsgründer (zit. nach Sager 1992: 161). Beim Bau des Museums haben wir uns „verpflichtet gefühlt, so viel Tageslicht zu den Bildern zu holen, wie möglich. Ein Museum auf dem Land mit Kunstlicht verstößt gegen die Ordnung der Natur“, erklärte Jensen (Jensen 1991: 148). Während seiner Zeit als erfolgreicher Geschäftsmann sammelte Jensen ausschließlich zeitgenössische dänische Kunst. Ein Jahr nach der Eröffnung des Museums sollte sich seine Sammlungs- und Ausstellungsstrategie grundlegend ändern, denn Jensen besuchte die documenta 2 in Kassel und sah dort die Protagonisten der europäischen und amerikanischen Avantgarde. Er nannte das den „DocumentaSchock“ und bekannte sofort seinen Fehler, nicht international gesammelt zu haben. „Denn was wir in Dänemark brauchten, war der internationale Ausblick, nicht die Wiederholung dänischer Kunst, die andere Museen unseres Landes auch hatten“ (zit. nach Sager 1992: 162).
Die Sammlung wurde daraufhin international ausgerichtet und bewegt sich zwischen den gegensätzlichen künstlerischen Polen expressiv-gestischer Malerei und konstruktiv-konkreter Kunst. Wichtige plastische Werke von Giacometti, Calder oder Moore kamen auch durch Schenkungen und Zustiftungen in die Sammlung. Überhaupt bildet der Skulpturenpark am Öresund eine der grundlegenden Säulen der Sammlung und des Museums. Rund dreißig große Objekte sind über das Gelände verteilt alle in entsprechendem Respektabstand zueinander und in Bedacht auf die Natur platziert. Der Dreiklang aus Natur, Kunst und Architektur macht das Besondere von Louisiana aus. Das Louisiana Museum wurde von Knud W. Jensen zur Gänze privat finanziert. Heute sind sowohl Gebäude als auch die Sammlung in eine Stiftung überführt, die den weiteren Fortbestand der Institution sichert. Louisiana kann als Vorbild für das Museum Insel Hombroich gesehen werden, das als Gegenstück zum industriell verdichteten, urbanen Leben konzipiert wurde. In der Nähe der Ballungsräume an Rhein und Ruhr gelegen, stellt es einen Ort der Ruhe dar, an dem Kunst und Natur – genau wie im dänischen Humlebæk – in harmonischem Einklang stehen. 2.3.4
Museum Insel Hombroich, Neuss
Der Sammler Karl-Heinrich Müller (1936-2007) kam als Immobilienunternehmer zu großem Vermögen. Reich wurde Müller nach eigenen Angaben aber erst, als er begann, sich von materiellen Dingen und dem Profit seines Berufslebens zu trennen und sein Leben der Kunst zu widmen. Als eine der wichtigsten Begegnungen in seinem Leben nannte Müller den Chinesen Gia Fu Feng. Dieser Tao-Mönch habe ihm geraten, allen Besitz abzugeben und dafür Kunst zu kaufen, denn nur das gebe ihm geistige Befriedigung (vgl. Sager 1992: 220). Durch seinen Pariser Kunsthändler Sami Tarica sammelte Müller antizyklisch, immer das, was gerade nicht in Mode war. So erwarb er Werke von Fautrier zu einer Zeit, als die Kunst des Franzosen noch völlig unterbewertet war. In den 1970er Jahren kaufte er eine gesamte Werk-
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gruppe von Schwitters, der ebenfalls vom Kunsthandel und von Sammlern zu dieser Zeit wenig geschätzt wurde. Neben der westeuropäischen Kunst des 20. Jahrhunderts sammelte Müller auch Kunstwerke außereuropäischer Kulturen, wie Plastiken der Khmer-Kultur Kambodschas, chinesische Vasen der Han-Zeit, Möbel der Ming-Zeit sowie Masken und Objekte aus dem südost-asiatischen Raum. Über seinen Galeristen sagte Karl-Heinrich Müller: „Ein Händler hat nur einen Wert, wenn er auch dein Lehrer ist; wenn er dir klarmacht, was falsch ist, wie gefälscht wird, was Qualität ist. Ist der Händler gut, wirst du ein guter Sammler. […] Große Kunsthändler sind genauso selten wie große Künstler“ (zit. nach Sager 1992: 211).
Neben Sami Tacira begleiteten der Maler Gotthard Graubner und der Bildhauer Erwin Heerich den Weg des Sammlers zum Museumsgründer. „Von wem kann man mehr lernen über die Kunst als von den Künstlern? Von Kunsthistorikern kann man doch nichts lernen, zumindest nichts über Kunst“, pflegte Müller zu sagen (zit. nach Sager 1992: 213). Beide Künstler waren beim weiteren Ausbau der Sammlung wie auch beim Aufbau und der Einrichtung des Museum Insel Hombroich wichtige Partner. Die Insel Hombroich ist eine etwa 170.000 Quadratmeter große Auenlandschaft in Nordrhein-Westfalen, westlich von Neuss gelegen. In dieser idyllischen Landschaft machte Karl-Heinrich Müller seine Kunstschätze im Jahr 1987 der Öffentlichkeit zugänglich. „Die Wohnung war überfüllt, dann war das Büro überfüllt, dann musste etwas geschehen“, so der Sammler (zit. nach Sager 1992:2 13), der für seine Sammlung völlig neue Präsentationsformen fand. Auf dem weitläufigen Gelände hat Erwin Heerich unterschiedliche Pavillons als begehbare Skulpturen konzipiert, die als Ausstellungsräume dienen und von den Besuchern „erwandert“ werden müssen. Wie kaum an einem anderen Ort gehen auf der Insel Hombroich Kunst, Architektur und Natur eine besondere Synthese ein. Nicht nur die bildende Kunst hat hier ein einzigartiges Zuhause gefunden, sondern Hombroich hat auch Musikgeschichte geschrieben. Jährlich finden Konzerte und Uraufführungen Neuer Musik statt. Für jeden Kunst- und Musikliebhaber ist der Besuch dieses weitläufigen Kunst- und Landschaftsparks ein besonderes Erlebnis. „Vielleicht ist die Insel nur zu erleben, nicht zu beschreiben“, meint dazu ihr Gründer.64 Seit seiner Gründung ist das Museum Insel Hombroich stetig gewachsen. Im Jahr 1992 wurde das Areal um 50.000 Quadratmeter Fläche erweitert. Seit 1994 gehört auch die in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Raketenstation zur Insel Hombroich, die zum Kulturraum umgestaltet wurde. Neubauten von Erwin Heerich und dem dänischen Künstler Per Kirkeby ergänzen seither das bestehende Ensemble ebenso wie Skulpturen von Heinz Baumüller und Eduardo Chillida.65 Das Museum Insel Hombroich und die Raketenstation gingen 1996 in die Stiftung Insel Hombroich ein. Somit wurde die ursprünglich private Initiative in eine gemeinnützige öffentliche Kulturstiftung umgewandelt. Mit dieser neuen Rechtsform soll der Erhalt der Museumsinsel Hombroich mit ihrer einzigartigen Naturlandschaft, ihren beson-
64 Zit. nach http://www.inselhombroich.de/mueller_text.htm (1.3.2010). 65 Vgl. http://www.inselhombroich.de (2.3.2010).
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deren Gebäuden, Ateliers, Kunst- und Kulturobjekten langfristig sichergestellt werden. Seit dem Jahr 2004 gehört weiterhin die „Langen Foundation“ zu diesem einmaligen Kunst- und Naturraum. Genau wie sich das gesamte Inselprojekt der privaten Initiative von Karl-Heinz Müller verdankt, ist auch die „Langen Foundation“ ausschließlich privat finanziert. Die Sammlung von Marianne (1912-2004) und Viktor Langen (1909-1990) nahm ihren Anfang in den 1950er Jahren und umfasst heute rund 300 Werke der Klassischen Moderne und 500 Kunstwerke aus Japan. In Umfang und Qualität ist speziell die Japansammlung einzigartig in Europa und repräsentativ für die japanische Kunst des 12.-19. Jahrhunderts. Der Japaner Tadao Ando, weltweit als „Poet des Lichts“ unter den Architekten gerühmt, hat für die Sammlung des Ehepaars Langen ein kubisches Ausstellungshaus aus Sichtbeton und Glas entworfen, das harmonisch in die Landschaft eingebettet ist. Die Familie des Stifterpaars setzt in diesem Museum das Erbe von Marianne und Viktor Langen fort.66 2.3.5
Sammlung Ludwig, Aachen
Das Sammlerehepaar Irene (1927-2010) und Peter (1925-1996) Ludwig studierte Kunstgeschichte in Mainz und heiratete nach dem Examen. Peter Ludwig promovierte über Picasso und stieg anschließend in die Schokoladenfabrik seines Schwiegervaters ein. Aus dem mittelständischen Unternehmen machte er einen internationalen Schokoladenkonzern. Die großen Gewinne aus ihrem Schokoladenimperium ermöglichten dem Sammlerpaar Kunstankäufe in großem Stil. In knapp 40 Jahren Sammeltätigkeit wurde eine Sammlung von außerordentlichem Ausmaß zusammengetragen, die mehrere Tausend verschiedene Objekte unterschiedlicher Genres und Gattungen umfasst. Am Beginn der Sammlung stehen sakrale Kunstwerke, mittelalterliche Objekte, präkolumbianische Kunst, Kunst aus Afrika, China und Indien. Kunstgewerbliche Arbeiten, Porzellane und Keramik bilden einen eigenen Sammlungsblock. Ab 1968 tritt eine Wende in der sammlerischen Ausrichtung statt, und der Fokus wird deutlich auf die aktuelle Kunst gelegt. Große Werkgruppen der amerikanischen Pop Art, von Pablo Picasso, Kunst der Klassischen Moderne, des russischen Konstruktivismus und zeitgenössische Arbeiten aus Ost und West vereint der Sammler zu seinem Ensemble von „Weltkunst“, die keinen Unterschied zwischen einzelnen Objekten macht und alle gleichrangig nebeneinander reiht. Diese Gleichschaltung von unterschiedlicher Kunst hat viele Kritiker auf den Plan gerufen. Werner Schmalenbach ist einer von ihnen. Er war lange Jahre Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Peter Ludwigs Antipode sowie sein kritischster Weggefährte. „Ich bin ein permanenter Stachel in seinem Fleisch, weil ich die Position Qualität so radikal vertrete, während er das Gegenprinzip vertritt, nämlich Quantität. […] Wenn ich auf etwas stolz bin, dann darauf, dass ich mit dem größten Etat, den ein Museum in Deutschland hatte, in 28 Jahren nicht mehr als 200 Bilder gekauft habe. Ich glaube, Ludwig hat allein in Bulgarien 250 gekauft, innerhalb von zwei Wochen“ (zit. nach Sager 1992: 196).
66 Vgl. http://www.langenfoundation.de (2.3.2010). Die Langen Foundation ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.5 umfassend vorgestellt.
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Objektiv betrachtet, kann weder die eine noch die andere Sammelpraxis als ideal angesehen werden. Die massenhafte Aneignung von Kunst, so wie sie Peter Ludwig praktiziert hat, steht zweifelsohne in starkem Gegensatz zur sehr konzentrierten Sammeltätigkeit von Schmalenbach. Der Museumsmann kritisiert daher auch die Nivellierung der Kunst, die seines Erachtens durch die Anhäufung von Kunstobjekten stattfindet. Der unbekannte Künstler aus der bulgarischen Provinz erhält den gleichen Stellenwert wie ein Jasper Johns. Diese Gleichmachung „ist bei Ludwig vielleicht sogar das Schlimmste“ (zit. nach Sager 1992: 196). Der Sammler sieht das naturgemäß anders. Er verteidigt seine Haltung, denn ihn interessiert die Massenwirkung von Kunst. Von der Fülle der Kunstankäufe profitierten zahlreiche Museen in ganz Europa. Denn seit 1957 sammelt das Ehepaar Ludwig zu Gunsten öffentlicher Museen. Die Kunstwerke der Sammlung Ludwig sind heute auf über 20 Museen auf der ganzen Welt verteilt, zahlreiche Museen haben durch die Ludwig-Stiftungen überregionale und internationale Bedeutung erreicht und tragen allesamt den Namen ihres Stifterpaares. Ludwig Museen gibt es heute in Aachen, Bamberg, Basel, Budapest, Koblenz, Köln, Oberhausen, Peking, Saarlouis, Sankt Petersburg und Wien.67 Mit einer großen Schenkung von 300 Werken der Pop Art und zahlreichen zeitgenössischen Kunstwerken an die Kölner Museen wurde der Sammler Peter Ludwig international bekannt. 1969 wurden diese privaten Kunstwerke in einer großen Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum gezeigt und stellten die amerikanische zeitgenössische Kunst erstmals in größerem Rahmen in Deutschland vor. Die generöse Stiftung wurde 1976 an die Stadt Köln übergeben, die sich dafür zehn Jahre später mit dem Bau des Museum Ludwig bedankte.68 In seinem Vorwort zum Katalog der Sammlung Ludwig aus dem Jahr 1969 beschreibt der Generaldirektor der Kölner Museen Gert von der Osten (1969), was Peter Ludwig in den Verhandlungen zugesichert hatte: „An gesonderte Ausstellung sei nicht zu denken, an offizielle Eröffnungen möglichst auch nicht. Er wünsche keine besondere Hervorhebung, und vielmehr sei die Sammlung, wenn ich einverstanden wäre, in die vorhandenen Bestände des Museums zu integrieren. Etwas Derartiges war mir, nachdem das Museum sowohl von privater Seite wie von der öffentlichen Hand viele und bedeutende Förderungen erhalten hat, noch niemals passiert. […] Dies war eine einmalige Großzügigkeit.“
Das Bild des großzügigen Mäzens wurde im Laufe der Jahre getrübt, vor allem durch den Verkauf von Ludwigs bedeutender Handschriften-Sammlung an das GettyMuseum in Los Angeles. Diese Handlung zog Verärgerung der Kulturpolitik nach sich, denn die mittelalterlichen Handschriften waren zuvor jahrelang mit öffentlichen Mitteln im Kölner Schnütgen Museum wissenschaftlich bearbeitet worden. Doch jeder Sammler und Privatmann kann mit seinem Besitz tun, was er möchte, solange er sich an die vertraglichen Vereinbarungen hält. Die Ludwig’schen Handschriften waren dem Museum juristisch nie bindend zugesagt.
67 Vgl. http://www.ludwigstiftung.de (29.12. 2009). 68 Bei der Namensgebung für das neue Museum Ludwig in Köln gab es viel Kritik, vor allem für die Nichtnennung der wichtigen Sammlung Haubrich, die den Grundstock der Sammlungen des Museum Ludwig bildet. Siehe Kapitel 2.2.1.
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Mit seinen vielfältigen Aktivitäten und Kunstlegaten hat der Privatsammler Peter Ludwig ohne Zweifel die europäische Kunst- und Kulturszene der Nachkriegszeit entscheidend mitgeprägt. Mit seinem öffentlichkeitsbezogenen Wirken übte er großen Einfluss auf die Galerienlandschaft rund um Köln, den Kunstmarkt und die nachfolgende Sammlergeneration aus. Durch seine zahlreichen Stiftungsaktivitäten wurden die öffentlichen Kulturverwaltungen in ganz Deutschland auf das private Sammlertum aufmerksam und öffneten sich verstärkt für private Initiativen. Es ist unbestritten, dass Peter Ludwig auch zur Popularisierung der Kunst und der Institution Museum maßgeblich beigetragen hat. Seine zahlreichen Museen in ganz Europa wurden immerzu mit neuen Kunstwerken beliefert, so dass die jeweiligen Museen kontinuierlich über einen hohen Aktualitätsgrad verfügten. Auf diese Weise hat Peter Ludwig auf das kulturelle und kulturpolitische Leben dieser Städte indirekt eingewirkt. „Kunst für alle“ war sein Postulat, ähnlich dem demokratischen Leitspruch „Kultur für alle“, den der legendäre Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (1979) für seine Kulturpolitik propagierte. Peter Ludwig, zu seinem kulturpolitischen Auftrag befragt, sagte selbst: „Nur im Rückblick scheint alles logisch. Wir wollten nicht Schätze horten, sondern Dinge tun, die ohne uns nicht gehen würden. […] Uns trieb, etwas zu tun, was über das Leben hinausgeht“ (zit. nach Speck 1986: 108).
2.4
H OCHKONJUNKTUR
P RIVAT 1990 ER J AHREN
DER ÖFFENTLICHEN
SAMMLUNGEN SEIT DEN
Ab den 1990er Jahren lässt sich beobachten, dass Privatsammler vermehrt eigene Ausstellungsräume gründen. Bis dahin konnten die öffentlichen Museen auf die Sammler zählen. Wer seine privaten Kunstschätze einem öffentlichen Publikum zugänglich machen wollte, präsentierte seine Sammlung größtenteils im institutionellen Rahmen der staatlichen Museen. Als Schenkung, Leihgabe oder als Kooperation in Form einer Public-Private-Partnership69 wurde private Kunst in öffentlichen Museen gezeigt. Die unterschiedlichen Profile und verschiedenen Konzepte der Privatsammlungen bereicherten nicht nur den öffentlichen Museumsbestand, sondern gaben den Besuchern auch Einblicke in private Sammelleidenschaft und subjektiv geprägte Sammelstrategien. Kooperationen zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen sind ab den 1990er Jahren merklich zurückgegangen. Zunehmend zeigen private Sammler nun selber, was sie besitzen, und eröffnen eigens dafür private Kunsträume. Die Zunahme öffentlicher Privatsammlungen und privater Museen ist besonders in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends signifikant. Eine der ersten Museumsgründungen, die die Hochkonjunktur der Privatinitiativen einleitete, verwirklichte der Unternehmer Reinhold Würth (*1935), dessen Firma als Weltmarktführer für Montage- und Befestigungssysteme gilt. Für den engagierten Kunstsammler stellte die Beschäftigung mit Kunst stets den Kontrapunkt 69 Public Private Partnership bezeichnet die privatwirtschaftliche Förderung öffentlichen Kunst- und Kulturengagements. Dabei handelt es sich um einen Interessenszusammenschluss öffentlicher wie privater Förderer zum beiderseitigen Vorteil.
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zu seinem Beruf dar. Seine in der Zwischenzeit auf rund 14.000 Kunstwerke angewachsene Corporate Collection macht er seit 1991 am Firmensitz in Künzelsau zugänglich. Seit 2001 wird die Ausstellungsplattform durch die Kunsthalle Würth, die Johanniterhalle und die Hirschwirtscheuer in Schwäbisch Hall kontinuierlich erweitert. Der Sammler ist überzeugt, dass die Begegnung mit Kunst sowohl für die Mitarbeiter seines Unternehmens als auch die kunstinteressierte Öffentlichkeit eine große Lebensbereicherung darstellt. Seine frühe Museumsgründung hatte – vor allem für die nachfolgende baden-württembergische Unternehmer- und Sammlergeneration – hohen Vorbildcharakter. Neben Reinhard Würth kann Ingvild Goetz (*1941) als die Pionierin der neuen Sammlergeneration angesehen werden. 1993 eröffnete die ehemalige Galeristin für ihre bedeutende Kunstsammlung ein eigenes Ausstellungsgebäude in München und wurde damit Auftraggeberin einer Ikone der zeitgenössischen Architektur. Das von den heute zur Weltspitze zählenden Schweizer Architekten Herzog & de Meuron konzipierte Gebäude wurde im Jahr 2003 um einen unterirdischen Präsentationsraum für Medienkunst erweitert. Als Gegenmodell zum hektischen Museums- und Kunstbetrieb widmet sich Ingvild Goetz seit beinahe zwanzig Jahren der profunden und professionellen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und erntet dafür Wertschätzung der internationalen Fachwelt. Im Süden Deutschlands, in einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen, im Bundesland Baden-Württemberg, lässt sich deutschlandweit die größte Dichte an Privatmuseen nachweisen. Hier gibt es die meisten aus privater Initiative entstandenen und von öffentlichen Geldern völlig unabhängig geführten Museen mit qualitätvollen Sammlungen. In keinem anderen deutschen Bundesland sind die Sammlerkultur und die öffentliche Präsentation privater Kunstschätze so ausgeprägt wie hier. Nach Reinhold Würth wurden im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends eine Reihe weiterer öffentlicher Privatsammlungen gegründet. In einem von Richard Meier geplanten Museumsgebäude macht der Verleger Frieder Burda (*1936) seit Oktober 2004 seine hochkarätige Sammlung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden öffentlich zugänglich.70 Im September 2005 eröffnete die Miteigentümerin der Firma Ritter Sport, Marli Hoppe-Ritter (*1948), in Waldenbuch, südlich von Stuttgart, das privat geführte Museum Ritter. Hier präsentiert die Sammlerin ihre umfangreiche Kollektion zum Thema Quadrat. Während der Aufbau einer Kunstsammlung im Zeichen des Quadrats auf den ersten Blick wie ein Diktat des Marketings und die Fortsetzung der Erfolgsidee des Unternehmens erscheint, so hat sich das konzentrierte Sammlungsgebiet über die Jahre als kunsthistorisch relevante Spezialsammlung im Bereich der Geometrischen Abstraktion etabliert. Seit März 2004 engagiert sich die Alexander Bürkle Gruppe im privaten Kunstraum Alexander Bürkle in Freiburg auf dem Gebiet der öffentlichen Vermittlung internationaler zeitgenössischer Kunst. Schon davor wurde die Firmensammlung in unterschiedlichen Ausstellungen im Verwaltungsgebäude am Unternehmenssitz präsentiert. Im eignes für die Sammlung errichteten Ausstellungsgebäude steht die
70 Das Museum Frieder Burda ist Teil der Studie und wird in Kapitel 6.6 umfassend vorgestellt.
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Sammlung Rosskopf, die sich auf radikale monochrome Malerei seit den 1980er Jahren konzentriert, nun nicht nur Mitarbeitern und Firmenkunden, sondern ebenso der interessierten Öffentlichkeit offen. Auch die Sammlerfamilie Grässlin aus St. Georgen im Schwarzwald hat ihre umfangreiche Privatkollektion öffentlich gemacht und dafür eine ungewöhnliche und unkonventionelle Präsentation gefunden. Neben dem im Juni 2006 gegründeten Kunstraum Grässlin nutzt die Familie seit 1995 leer stehende Ladenlokale, das Rathaus und Privathäuser in St. Georgen als Ausstellungsorte. Die Sammlung, deren Schwerpunkt auf Gegenwartskunst und ausgewählten Positionen der 1980er, 1990er und 2000er Jahre liegt, kann man so bei einem Stadtspaziergang kennen lernen. Darüber hinaus schafft die Kunst eine Vernetzung der lokalen Stadtstruktur. Das Sammlerkollektiv, bestehend aus den fünf Geschwistern der Familie Grässlin, wünscht sich: „Jenseits der pittoresken Schwarzwaldidylle sollen von dem Kunstraumensemble Impulse für die Gemeinde ausgehen. Wir erhoffen uns ein lebendiges Haus, das Gäste auch von auswärts in die Stadt lockt“ (zit. nach Adriani 2009: 109).
Seit Oktober 2007 lockt eine neue Kunsthalle zahlreiche Gäste in den kleinen schwäbischen Ort Eberdingen-Nussdorf. Das Unternehmerpaar Alison und Peter W. Klein (*1941) hat dort ein großes Ausstellungsgebäude mit dem Titel „Kunstwerk“ für ihre seit den 1980er Jahren aufgebaute und international ausgerichtete Sammlung erbaut. Schon viele Jahre zuvor wurden Kunstwerke in den Verwaltungsräumen der eigenen Firma präsentiert. Das neu errichtete „Kunstwerk“ befindet sich direkt neben dem Unternehmen und bietet nun auch interessierten Besuchern Einblick in die Sammelaktivitäten, die der Museumsgründer Peter W. Klein, wie folgt beschreibt: „Wir kaufen nur, was uns gefällt. Eine Arbeit muss uns unmittelbar berühren; das ist uns wichtiger als ein berühmter Name oder aktuelle Trends auf dem Kunstmarkt“ (zit. nach Scheuermann 2009: 368).
Der Unternehmer Siegfried Weishaupt (*1939) sammelt seit den 1970er Jahren vornehmlich geometrisch abstrakte Kunstwerke. „Abstraktion gibt mir die Freiheit, je nach Stimmung und Gedanken eigene Vorstellungen oder Empfindungen wahrzunehmen. Ich werde beim Betrachten abstrakter Bildwelten in keine bestimmte Richtung gezwungen“, sagt der Museumsgründer (Weishaupt 2007: 36).
Der Fokus der gegenwartsorientierten Sammlung wurde von Siegfried Weishaupt später um gegenständliche amerikanische Kunst erweitert. Seit November 2007 wird die mehrere Hundert Werke umfassende qualitätvolle Kollektion in der eigens dafür errichteten „kunsthalle weishaupt“ in der Ulmer Mitte präsentiert. Das private Museum wird in Form einer Public-Private-Partnership mit der öffentlichen Hand betrieben. Die Stadt Ulm hat dem Sammler das Grundstück als Erbpachtvertrag überlassen, das nach einer Laufzeit von 66 Jahren an sie zurückfällt. Zu diesem Zeitpunkt geht auch das von Siegfried Weishaupt privat finanzierte Museumsgebäude als Geschenk an die Stadt über. Die öffentliche Hand organisiert und finanziert das Personal und die Kunstvermittlung und erhält dafür alle Einnahmen aus den Eintrittsgeldern.
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Zwei Jahre später, im Oktober 2009, wird ein weiteres privates Kunstdomizil in Ulm eröffnet. Friedrich E. Rentschler (*1932) hat für seine Kunstsammlung die Sammlung FER Collection gegründet. In einem Neubau im Stadtregal Ulm findet die Sammlung, deren Grundstock Konzeptkunst und Minimalismus bilden, eine großzügige Präsentationsbühne. Während die Kunsthalle Weishaupt als Museum mit regulären Öffnungszeiten geführt wird, kann man die Sammlung FER Collection nur nach Voranmeldung besuchen.71 Seit 2010 kann die Region Ulm auf eine dritte private Kunstinitiative verweisen, die ebenfalls nur nach Voranmeldung zu besichtigen ist. Der in New York lebende Investmentbanker Artur Walther (*1949) hat sein Elternhaus und angrenzende Einfamilienhäuser in Burlafingen zu einem imposanten und ungewöhnlichen Kunstforum umgebaut. Inmitten einer ländlichen Wohngegend hat die internationale Walther Collection, die sich auf das Sammeln und Ausstellen zeitgenössischer Fotografie und Videokunst konzentriert, eine reizvolle Heimstatt gefunden. Die gemeinnützige Walther Family Foundation mit Sitz in den USA will das Interesse an zeitgenössischer Kunst und Fotografie fördern und betreibt neben den Aktivitäten in Burlafingen auch einen Showroom in New York. Der Emmendinger Unternehmer Jürgen A. Messmer (*1942) eröffnete im Juni 2009 die Kunsthalle Messmer in Riegel, nachdem sein Vorhaben, in Freiburg eine Kunsthalle zu stiften, auf großen Widerstand der Kulturschaffenden der Stadt gestoßen war. Nun zeigt er in einer ehemaligen und neu adaptierten Brauerei in Riegel, in der Nähe von Freiburg, seine private Sammlung mit rund 800 Werken der Klassischen Moderne und zeitgenössischen Kunst. Ein Schwerpunkt der Sammlung ist dem eher unbekannten Schweizer Künstler André Evard gewidmet. Der Museumsgründer möchte mit seiner privaten Kunsthalle einen Ort der Begegnung schaffen und neue Liebhaber für die Kunst gewinnen. Das ist auch der Wunsch von Margit Biedermann (*1948), die im September 2009 das Museum Biedermann in Donaueschingen gründete. Die Sammlerin macht in einem adaptierten klassizistischen Gebäude, das in einer großzügigen Parklandschaft liegt, ihre über 900 Werke umfassende Sammlung für das öffentliche Publikum zugänglich. Die Sammlung umfasst Werke internationaler zeitgenössischer Kunst seit den 1980er Jahren, darunter figurative und abstrakte Malerei sowie zahlreiche Skulpturen. Auf die Frage, warum sie sich für ein eigenes Museum entschieden hat, antwortet die Sammlerin: „Seit etwa zehn Jahren denke ich darüber nach, die Sammlung Biedermann an einem festen Standort zu präsentieren […] aber im eigenen Haus lässt sich eben selbstbestimmt ausstellen und in anderen Dimensionen sammeln. […] Ich möchte mich nicht mit der Tate Modern oder dem Museum Brandhorst messen, aber es soll nicht provinziell zugehen, wir 72 wollen mit neuen Impulsen einen Beitrag zur aktuellen Kunstbetrachtung leisten.“
71 Die Sammlung FER Collection ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.10 umfassend vorgestellt. 72 Zit. nach http://www.museum-biedermann.de/deutsch/sammlung/die-sammlerin/index.ht ml (29. 3. 2010). Das Museum Biedermann ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.9 umfassend vorgestellt.
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Auf den Firmengeländen zweier international agierender Firmen im Umland von Stuttgart entstanden in jüngster Zeit zwei neue Museumsgebäude. Josef Froehlich (*1935), Gründer einer Maschinenfabrik in Leinfelden, sammelt seit den 1980er Jahren zeitgenössische Kunst. Mit Josef Beuys und vielen anderen Künstlern seiner Generation verband ihn eine lange Freundschaft. Seine Sammlung von rund 300 Werken konzentriert sich auf wichtige deutsche und amerikanische Künstler, von denen er umfangreiche Werkblöcke besitzt. Zu seiner Sammlungsstrategie befragt, sagt Josef Froehlich, der zu den wichtigen Sammlern der internationalen Kunstszene gehört: „Es leuchtete mit schon sehr früh ein, dass man mit nur einem Baselitz, nur einer Arbeit, von wem auch immer, einen Künstler einfach nicht repräsentieren kann. Man tut viel besser daran, die Arbeit eines Künstlers über einen gewissen Zeitraum zu sammeln“ (zit. nach Steinert 2009).
Die Sammlung Froehlich wurde in zahlreichen internationalen Museen und Ausstellungen präsentiert. Seit Sommer 2009 hat sie in einem Stiftungsgebäude in Leinfelden eine neue Heimstatt gefunden. Dem Sammler ist allerdings nicht an einem traditionellen Museumsbetrieb gelegen, interessierte Besucher können die Kunstwerke daher nur nach vorheriger Anmeldung besichtigen. Im Juni 2010 öffnete in Sindelfingen eine weitere private Kunstinitiative ihre Pforten: das Schauwerk Sindelfingen mit der Sammlung von Christiane SchauflerMünch und Peter Schaufler (*1940). Seit den 1980er Jahren sammelt das Unternehmer-Ehepaar Kunst mit den Schwerpunkten Konkrete und Konzeptkunst sowie Minimal Art. Eine ehemalige Fertigungs- und Lagerhalle seiner Firma ließ Peter Schaufler zum großzügigen Ausstellungsgebäude umgestalten. Die hochkarätige Sammlung, die bisher kaum gezeigt wurde, erhielt in Sindelfingen nun erstmals Öffentlichkeit und das Land Baden-Württemberg ein weiteres privat errichtetes Kunstmuseum von hoher Qualität. Außerhalb von Baden-Württemberg sind in Deutschland seit 1990 eine Reihe privater Museumsinitiativen meist in eindrucksvollen neuen Architekturen entstanden. Diese privaten und öffentlich zugänglichen Kunsteinrichtungen wurden nicht nur von Sammlerpersönlichkeiten, sondern auch Unternehmen und Firmen, die sich im Bereich der Kunstförderung engagieren, gegründet. 1989 erbaute Frank O. Gehry das Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Der Firmeninhaber von Vitra, Rolf Fehlbaum (*1941), sammelt seit den 1980er Jahren Möbelentwürfe von führenden Designern der letzten 100 Jahre. Mit dem Anwachsen der Sammlung entstand der Wunsch nach einem repräsentativen Gebäude als Ausstellungsort für seine Objekte. Heute ist das Privatmuseum in Weil am Rhein als weltweit agierende Kulturinstitution tätig und trägt maßgeblich zur Erforschung und Popularisierung von Design bei.73 Seit dem Jahr 1999 ist die Kunstsammlung der Firma Daimler neben ihrem Heimatdomizil in Stuttgart in eigenen Ausstellungsräumen im aufwändig renovierten Haus Huth am Potsdamer Platz in Berlin öffentlich zugänglich. Auf einer Fläche von rund 600 Quadratmetern werden im Daimler Contemporary Neuerwerbungen der Sammlung und wechselnde Ausstellungen präsentiert. Für das Unternehmen Daimler stellt
73 Vgl. http://www.design-museum.de/museum/ueberuns (17.11.2007).
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das Kunstengagement einen gewachsenen Teil ihres gesellschaftlichen Selbstverständnisses und ihres kulturellen Profil dar.74 Auch für die Deutsche Bank ist kulturelles Engagement Teil der unternehmerischen und gesellschaftlichen Verantwortung. Seit 1997 kooperiert der Betrieb mit der Solomon R. Guggenheim Foundation in einem einzigartigen Joint Venture und eröffnete die Ausstellungsinstitution Deutsche Guggenheim. In zentraler Lage sind in Berlin seither hochkarätige Ausstellungen zu sehen, deren Organisation und Finanzierung in gemeinschaftlicher Verantwortung der beiden Institutionen liegt.75 In Frankfurt wird die umfangreiche Kunstsammlung der Deutschen Bank, die auf allen Etagen der beiden Bürotürme präsentiert wird, dem Publikum in Form von kostenfreien Führungen zugänglich gemacht. In Bayern sind zwei außergewöhnliche, in öffentlicher Trägerschaft befindliche Museen aus privaten Initiativen entstanden. In Bernried, direkt am Ufer des Starnberger Sees, wurde 2001 das Buchheim Museum der Phantasie gegründet. In einer spektakulären Architektur von Günter Behnisch zeigt das Museum die umfangreichen Sammlungen des vielseitig engagierten Lothar-Günther Buchheim (1918-2007). 2009 wurde das Museum Brandhorst im Münchner Kunstareal eröffnet. Im Auftrag des Freistaats Bayern errichteten Sauerbruch Hutton Architekten ein eigenes Museumsgebäude für die rund 700 bedeutende Werke wegweisender Künstler des 20. Jahrhunderts umfassende Sammlung Brandhorst, nachdem die Anette (1936-1999) und Udo (*1939) Brandhorst Stiftung, deren Bestandteil die Sammlung ist, dauerhaft für Bayern gesichert werden konnte. Mit dem Ertrag des Stiftungskapitals ist der kontinuierliche Ausbau der Sammlungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in einem Maße möglich, wie das mit öffentlichen Mitteln heute kaum mehr denkbar ist.76 Einigen Privatsammlern gelingt eine beachtenswerte Weiterentwicklung des Museumsbegriffs, sie leben mit der Kunst und stellen ihre Sammlungen in diesem privaten Umfeld auch aus: Christian Boros (*1964) präsentiert seine angesehene Sammlung seit 2008 in einem aufwändig adaptierten Hochbunker in Berlin und wohnt im Penthaus darüber.77 Julia Stoschek (*1975) hat seit 2007 ihre Wohnung und ihre internationale Sammlung zeitbasierter Medienkunst in einer ehemaligen Rahmenfabrik in Düsseldorf untergebracht.78 Ihre Sammelleidenschaft wurde durch den Besuch der
74 Vgl. http://www.sammlung.daimler.com/sammlung/sammlung_profil_g.htm (22.11. 2007). 75 Vgl. http://www.deutsche-guggenheim.de (2.11.2007). ). Im Februar 2012 wurde offiziell mitgeteilt, dass die 14-jährige Partnerschaft Ende des Jahres 2012 beendet wird. Die Bundeshauptstadt Berlin verliert mit der Deutschen Guggenheim eine der führenden Adressen für zeitgenössische Kunst, in der seit der Eröffnung rund 1,8 Millionen Besucher gezählt wurden. Gründe für die Schließung dieser privaten Kunsteinrichtung wurden nicht bekannt gegeben. 76 Vgl. http://www.museum-brandhorst.de (28.12.2009). 77 Vgl. http://www.sammlung-boros.de (28.12.2009). Die Sammlung Boros ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.8 umfassend vorgestellt. 78 Vgl. http://www.julia-stoschek-collection.net (18.12.2009). Die Julia Stoschek Collection ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.7 umfassend vorgestellt.
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Privatsammlung von Harald Falckenberg in Hamburg-Harburg im Sommer 2001 nachhaltig geprägt: „Dieser Nachmittag in der Sammlung Falckenberg hat mich so begeistert, dass mir von diesem Moment an klar war, was meine Zukunft bestimmen würde“, so die Sammlerin.79
Die Sammlung von Harald Falckenberg (*1943) umfasst etwa 2.000 Arbeiten zeitgenössischer Kunst der letzten 35 Jahre und wird von dem New Yorker Kunstmagazin ArtNews seit 2001 zu den 200 weltweit besten Kollektionen gezählt. Von 2001 bis 2010 machte Harald Falckenberg seine private Sammlung, zuletzt in den erweiterten Phoenix-Hallen in Hamburg-Harburg, öffentlich zugänglich. Das „größte Privatmuseum der Welt“80 wird seit Beginn des Jahres 2011 von den Deichtorhallen Hamburg betrieben, denn Harald Falckenberg hat seine Sammlung und sein Ausstellungsgebäude für zwölf Jahre in die Verantwortung der öffentlichen Hand übergeben. In Berlin sind in den letzten Jahren eine Reihe kleinerer privater Kunstinitiativen, sogenannte private „Showrooms“, entstanden, die mit nichtkommerziellen Galerien vergleichbar sind. Anstelle von Schenkungen oder Dauerleihgaben an öffentliche Museen und die Gründung eigener Privatmuseen betreiben Sammler kleinere Ausstellungsräume, in denen sie ihre Sammlungen in unterschiedlichen Ausstellungen selbst in Szene setzen. Die Öffnungszeiten dieser Einrichtungen sind meist auf das Wochenende beschränkt. Oft benötigt man auch eine persönliche Anmeldung. Der Index, Berlins Führer durch die Welt der zeitgenössischen Kunstausstellungen, reagierte zu Beginn des Jahres 2008 auf diese neuen Ausstellungsräume und führte in seiner Auflistung der wichtigen Berliner Orte für Kunst eine neue Rubrik ein. Unter dem Schlagwort „Privatsammlungen“ sind aktuell sieben private Räume gelistet. Einer davon ist „schürmann berlin“, wo von 2006-2010 ausgewählte Werke der zeitgenössischen Kunstsammlung von Willhelm Schürmann (*1946) zu sehen waren. Fünf bis sechs Ausstellungen wurden in diesem Schauraum pro Jahr vom Sammler veranstaltet.81 „Ich war und bin überzeugt, dass Kunst auch auf kleinem Raum große Wirkung erzeugen kann. Kammerkonzert statt Stadionauftritt. Einschaltquote durch ‚word by mouth‘“, sagte der Sammler über seinen Raum, in dem er seine privaten Wertvorstellungen öffentlich zugänglich machte (zit. nach Schumacher 2010a: 185). Der französische Sammler Arthur de Ganay (*1968) hatte Ähnliches im Sinn, als er sich in einer ehemaligen Marmeladenfabrik in Berlin-Kreuzberg einen Traum erfüllte. Dort stellt der Architekt seine umfangreiche private Fotografie-Kollektion der Öffentlichkeit vor. Dass die Sammlung in dieser Form allgemein zugänglich ist, sei „das Ergebnis eines mehrfachen Zufalls“, sagt de Ganay. Denn die Präsentation wurde nicht von langer Hand geplant, sondern es waren „noch ein paar Wohnungen im Hinter-
79 Zit. nach http://www.deichtorhallen.de/656.html (5.12.2010). 80 Zit. nach Informationsdienst Kunst, Nr. 398, S. 6. 81 Vgl. http://www.schuermann-berlin.de (1.3.2010) . Der Ausstellungsraum wurde Mitte des Jahres 2010 geschlossen. „Die Präsentation wurde mir zu konventionell, ich suche nach neuen Möglichkeiten“, so der Sammler in einem Gespräch mit der Verfasserin am 24.2.2011 in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT haus zu haben, und die Räume schienen mir geeignet […]. Wenn ich den Raum nicht gehabt hätte, hätte ich das bestimmt nicht gemacht“ (zit. nach Buhr 2009).
Ganz anders verhält sich die Situation bei Thomas Olbricht (*1948). Die öffentliche Präsentation seiner Sammlung wurde lange vorbereitet. Nach dreijähriger Bau- und Verhandlungsphase wurde im Mai 2010 direkt neben den Berliner „Kunstwerken“ der "me Collectors Room Berlin" eröffnet, der flächenmäßig eine der größten Privatinitiativen dieser Art in Berlin darstellt. Auch die Sammlung kann mit einem Superlativ beschrieben werden, zählt sie doch mit über 2.500 Kunstwerken zu den umfangreichsten Privatsammlungen Europas. Der Ausstellungsraum soll den Besuchern Schwellenängste nehmen und neue Erfahrungen abseits musealer Einrichtungen ermöglichen.82 Dieses Ziel verfolgt auch der Düsseldorfer Finanzanalyst Axel Haubrok (*1951), der im Jahr 2007 seinen Ausstellungsraum „haubrokshows” in Berlin eröffnete.83 Schon zuvor wurde die Sammlung Haubrok zwei Jahre lang in der Berliner Privatwohnung öffentlich zugänglich gemacht. Vier Ausstellungen im Jahr geben dem Publikum Einblicke in die umfangreiche Sammlung, deren Kern in eine Stiftung eingebracht wurde. „Ich möchte […] die wichtigsten und größten Werke in einer Stiftung zusammenhalten. Aber ich möchte bewusst nur den Kern zusammenhalten. Wer weiß, was noch alles in den nächsten Jahren passiert? Die Sammlung muss ja weiter entwickelt werden“ (zit. nach Schumacher 2010b: 168).
Der Sammer fühlt eine Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit. In seinem Ausstellungsraum möchte er den Besuchern zeigen, dass „kleine und preiswerte Arbeiten genau so wichtig sein können wie große teure, dass die Beziehungen der Arbeiten untereinander hoch interessant sind und mit jeder Neuerwerbung neue Verbindungen entstehen“ (zit. nach Schumacher 2010b: 168). Nach der Motivation der Gründung eines privaten Ausstellungsraums befragt, antwortet der Sammler: „Ich möchte meine Begeisterung für die Kunst mit anderen teilen. Es ist ein sehr interessantes Umfeld, wir kennen sehr viele Künstler. Einen Treffpunkt zu schaffen, wo Ideen 84 über Kunst ausgetauscht werden – das finde ich, ist Lebensqualität.“
Die Veränderungen, die Kunst auslösen kann und die an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Welten entstehen, interessieren auch die Sammlerin Christiane zu Salm (*1966). Die Medienmanagerin und Unternehmerin hat im November 2007 gegenüber der Berliner Museumsinsel ihren Showroom „About change, Collection“ eröffnet. Das Thema der Sammlung ist die Collage in der zeitgenössischen Kunst. Der Begriff der Collage spielt für die Sammlerin nicht nur in der bildenden Kunst eine wichtige Rolle, sondern er spiegelt sich auch in Bereichen der neuen Medienrea-
82 Der me Collectors Room Berlin ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.11 umfassend vorgestellt. 83 Vgl. http://www.sammlung-haubrok.de (1.3.2010). 84 Aus einem Interview mit der Autorin am 12.3.2011 in Berlin.
H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DES PRIVATEN K UNSTSAMMELNS | 69
lität wider. Daher dient der Ausstellungsraum auch als Ausgangspunkt für einen interdisziplinären Dialog.85 Eine besondere Spielart der privaten Präsentation von Kunst ist die Berliner Sammlung Hoffmann. Seit 1997 öffnet die Unternehmerin Erika Hoffmann (*1938) ihre Wohn- und Arbeitsräume, in denen sie mit ihren Kunstwerken lebt. Um die eigenen täglichen Erfahrungen mit der Kunst zeitweise auch anderen zu ermöglichen, wird die in einer umgebauten Nähmaschinenfabrik in der Mitte Berlins ansässige Sammlung Hoffmann einmal pro Woche für ein kunstinteressiertes Publikum geöffnet. Bevor die Sammlung Hoffmann in Berlin gegründet wurde, engagierten sich das Unternehmerpaar Erika und Rolf Hoffmann für eine Kunsthalle in Dresden, denn sie wollten die gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen nach dem Mauerfall im Osten Deutschlands aktiv mitbestimmen. Das innovative Projekt, für das der amerikanische Künstler Frank Stella einen Gebäudeentwurf entwickelte, scheiterte zuletzt an Schwierigkeiten mit der öffentlichen Hand. In der Folge entstand die Idee des privaten Wohn- und Kunstprojekts in Berlin, in das die Besucher mit geführten Rundgängen Einblick bekommen können.86 Diese privaten Ausstellungsräume, die in Berlin in den letzten Jahren gegründet wurden, stellen eine Alternative zu den großen Privatmuseen dar, die im Grunde ähnlich wie öffentliche Museen arbeiten. Für den Betrieb eines großen Privatmuseums ist ein erheblicher finanzieller Aufwand notwendig, den sich nicht alle Sammler leisten können und wollen. Auch kleinere Ausstellungsräume mit eingeschränkten Öffnungszeiten bieten den Sammlern eine Bühne für individuelle Präsentationen und Ausstellungen ihrer Sammlungen und haben dabei den Vorteil wesentlich niedrigerer Unterhalts- und Personalkosten. In dieser Kurzdarstellung zeichnet sich bereits ein Phänomen privater Kunstinitiativen ab: Es lassen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen und Spielarten nachweisen. Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die heterogenen Formen öffentlicher Privatsammlungen darzustellen, ihre Gründungsmotive und ihren Erfolg zu erforschen und ihre Gemeinsamkeiten und Besonderheiten herauszustellen.
2.5
Z USAMMENFASSUNG
Der Rückblick auf die Geschichte des Kunstsammelns macht deutlich, dass private Kollektionen das stete und unerschöpfliche Reservoir für Museen waren. Obwohl bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts das Sammeln von Kunst fast ausschließlich feudales Vorrecht war, zeigt die historische Rückschau, dass es zu allen Zeiten Privatpersonen gegeben hat, die aus Interesse und Leidenschaft Kunstwerke gesammelt und mit besonderen Sammlungsideen und Sammlungskonzepten Aufmerksamkeit und überregionale Bekanntheit erlangt haben. Betrachtet man die rege Sammeltätigkeit von 85 Vgl. http://www.about-change-collection.de (1.3.2010). Die öffentliche Präsentation der Sammlung wurde Mitte des Jahres 2010 aus privaten Gründen eingestellt. 86 Vgl. http://www.sammlung-hoffmann.de (29.3.2010). Die Sammlung Hoffmann ist Teil dieser Studie und wird in Kapitel 6.2 umfassend vorgestellt.
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Einzelnen über die letzten Jahrhunderte hinweg, so darf mit Recht behauptet werden, dass privates Engagement zahlreiche Kunstwerke vor dem Verfall gerettet hat und dass viele staatliche Museen und Sammlungen ohne die privaten Zuwendungen und Stiftungen nicht in ihrer heutigen Form existieren würden. Im Rückblick lassen sich unterschiedliche Formen der Öffentlichmachung privater Kunstsammlungen erkennen, die von halböffentlichen Präsentationen im privaten Kontext über Ausstellungen von privaten Kunstwerken in öffentlichen Museen bis zur Gründung eigener Museen und Kunsträume reichen. Darüber hinaus konnten fünf besondere Merkmale nicht-öffentlichen Sammelns ermittelt werden, die in Kapitel 7.5.1.3 mit aktuellen Sammelstrategien verglichen und auf ihre Aktualität hin überprüft werden. • An erster Stelle steht der Wunsch vieler Sammler, ihre privaten Kunstkollektionen der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die Praxis, einem interessierten Publikum Einblick in private Wohnräume zu gewähren oder die gesammelte Kunst in öffentlichen Museen oder in eigenen Ausstellungsräumen zu präsentieren, lässt sich über die Jahrhunderte hinweg nachweisen. • Einem Großteil der Sammler war darüber hinaus die Wissensvermittlung und Geschmacksbildung eines breiten Publikums wichtig. Das Anliegen privater Sammler, ästhetische Erziehung zu vermitteln, rückt ab dem 19. Jahrhundert in den Vordergrund. Ganz im Geist der Aufklärung wollten Sammler mit ihren Museen und ihren Kunstschulen den allgemeinen Zugang zur Kunst fördern. „Der Jugend zur Belehrung, dem Alter zur Erbauung“, so lautete beispielsweise der Leitspruch von Bernhard von Lindenau (vgl. Kapitel 2.1). • Allen Sammlergenerationen lag überdies die Förderung der Künstler ihrer Zeit am Herzen. Privatsammler haben die zeitgenössische Kunst nicht nur unterstützt, sondern sie haben auch in der Vermittlung immer eine wichtige Rolle gespielt. Es gibt eine Reihe bedeutender Sammler, die als Wegbereiter neuer Kunstströmungen gelten können. Vor allem die privaten Museumsgründer der 1960er Jahre haben zur Rezeption und Vermittlung zeitgenössischer Kunst enorm viel beigetragen. Gerade in der Nachkriegszeit, in der die Kluft zwischen zeitgenössischer Kunst und der Öffentlichkeit besonders groß war, haben die privaten Sammlungen das Publikum mit neuen Formen der Kunstpräsentation überrascht und ihren Blick für die aktuelle Kunst geschärft. • Als weiteres Merkmal privaten Sammelns können antizyklische Sammelstrategien genannt werden. Oftmals orientierten sich Privatsammler nicht am Kunstgeschmack ihrer Zeit und bauten entsprechend ihrem eigenen Kunstverständnis Spezialsammlungen auf. Der Blick auf die Geschichte des Kunstsammelns macht deutlich, dass außergewöhnliche Sammelgebiete meist von Privatpersonen erschlossen wurden. Allerdings hat sich gezeigt, dass Sammler mit der Konzentration auf abseits liegende Kunstgebiete zwar immer einen besonderen Status erhalten haben, ihre Vorreiterrolle aber meist erst posthum gewürdigt wurde.
H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DES PRIVATEN K UNSTSAMMELNS | 71
• Viele Sammler fühlen sich der Gesellschaft verpflichtet, wollen der Allgemeinheit etwas zurückgeben und ihre Freude an der Kunst mit anderen teilen. So wie Oskar Reinhart der Ansicht war, dass Kunstwerke zwar rechtlich dem Einzelnen gehören, in einem höheren Sinne jedoch Allgemeingut seien (vgl. Kapitel 2.2.2), verspüren viele Sammler das Bedürfnis, die kunstinteressierte Öffentlichkeit an ihrem Vergnügen und ihrer Begeisterung für die Kunst teilhaben zu lassen. Im Vordergrund stehen dabei nicht Prestige und Renommee, sondern der Wunsch, eine private Leidenschaft öffentlich zur Disposition zu stellen. Das in dieser Studie untersuchte Phänomen der privaten Museumsgründungen tritt in wachsendem Maße ab Beginn des 20. Jahrhunderts auf. In der Rückschau auf private Sammelinitiativen im deutschsprachigen Raum lassen sich seitdem drei Gründungswellen erkennen. Private Museumsgründungen entstehen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in der Nachkriegszeit und zur Jahrtausendwende. Mit Karl Ernst Osthaus startet zu Beginn des 20. Jahrhunderts die erste Gründungsphase. Der Unternehmer aus Hagen gründet neben seinem umfangreichen kulturpolitischen Engagement 1902 das Folkwang-Museum, das erste zeitgenössische Privatmuseum seiner Zeit. In den 1950er und 1960er Jahren sind es die Schweizer Unternehmer und Sammler Oskar Reinhart und Emil Bührle, die ihre Kollektionen in öffentlich zugänglichen Privatmuseen zeigen. In eigens errichteten Museumsbauten, die oftmals auch in Naturlandschaften eingepasst wurden, entstehen an unterschiedlichen Orten in ganz Europa privat finanzierte und privat geführte Kunstmuseen. Das Louisiana Museum of Modern Art in Humblebaek in Dänemark, die Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence in Südfrankreich oder das Ernst-Barlach-Haus in Hamburg sind Beispiele für innovatives privates Kunstengagement zur Mitte des Jahrhunderts. In den 1980er und Anfang der 1990er Jahre startet die dritte Gründungswelle von privaten Kunstinitiativen, die im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Mit enormem persönlichem Engagement werden 1984 die Neuen Hallen für Kunst in Schaffhausen, 1986 die Kunsthalle Emden und 1987 das Museum Insel Hombroich in Neuss von privaten Kunstsammlern gegründet. Mit dem Museum Würth in Künzelsau (1991) und der Sammlung Ingvild Goetz in München (1993) beginnt die Hochkonjunktur der privaten Kunstinitiativen, die bis heute ungebrochen anhält. Die nachfolgende Tabelle bietet als Abschluss von Kapitel 2 eine übersichtliche Darstellung der Gründungsdaten ausgewählter öffentlicher Privatsammlungen im deutschsprachigen Raum seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie veranschaulicht, dass speziell in den letzten zwanzig Jahren die Zahl der öffentlich zugänglichen Privatsammlungen stetig gewachsen ist, und belegt damit die Relevanz einer wissenschaftlichen Untersuchung dieses neuen musealen Trends.
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Tabelle 2: Gründungsdaten von Privatmuseen und privaten Ausstellungsräumen im deutschsprachigen Raum seit Beginn des 20. Jahrhunderts Gründungsdaten von Privatmuseen und öffentlichen Privatsammlungen im 20. und 21. Jahrhundert (bis 2010) Jahr
Museum und Sammlung
Museumsgründer
1902
Folkwang Museum Hagen
1951
Museum Oskar Reinhart am Stadt- Oskar Reinhart (1885-1965) Unternehmer (Handel), der sich ab garten, Winterthur, CH dem 40. Lebensjahr nur noch dem Sammeln widmete. Bereits 1940 Sammlung 18.-20. Jahrhundert stiftet er einen Teil seiner SammDeutsche, österreichische und lung der Stadt Winterthur. Schweizer Kunst
1958
Louisiana Museum of Modern Art, Knud W. Jensen (1916-2000) Unternehmer (Familienbetrieb, Humblebaek, DK Milchprodukte) Sammlung dänischer und internationaler Avantgarde-Kunst
1960
Stiftung Sammlung Emil G. Bührle, Zürich, CH
Karl Ernst Osthaus (1874-1921) Sohn einer Industriellenfamilie, Erstes privat gegründetes zeitge- studierte Kunstgeschichte und Philosophie. nössisches Museum seiner Zeit; Verbindung von Kunst und Leben
Emil G. Bührle (1890 – 1956) Unternehmer (Waffenindustrie)
Sammlung Impressionismus und frühes 20. Jahrhundert 1962
Ernst-Barlach-Haus / Stiftung Hermann F. Reemtsma, Hamburg
Hermann F. Reemtsma (1892-1961) Industrieller
Sammlung von Werken Ernst Barlachs 1964
Foudation Maeght, Saint-Paul-de-Vence, F
Marguerite (1909-1977) und Aimé Maeght (1906-1981) Galeristen
Sammlung Klassische Moderne 1970
Villa am Römerholz, Winterthur, CH
Oskar Reinhart (1885-1965) Unternehmer (Handel)
Privates Wohnhaus von Oskar Reinhart als Museum Sammlung mit Werken der Gotik bis 20. Jahrhundert
Im Jahr 1958 stiftet er seine Sammlung und sein Wohnhaus „Am Römerholz“ an die Stadt Winterthur, die sie1970 öffentlich macht.
H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DES PRIVATEN K UNSTSAMMELNS | 73
1984
Neue Hallen für Kunst Schaffhausen, CH
Urs Raussmüller (*1940) Künstler
Sammlung 12 ausgewählter internationaler Künstler 1986
Kunsthalle Emden
Henri Nannen (1913-1996) Unternehmer (Medien, Presse)
Sammlung expressionistischer Kunst und Neue Sachlichkeit 1987
Museum Insel Hombroich, Neuss
Karl-Heinrich Müller (1936-2007) Unternehmer (Immobilien)
Sammlung Dadaismus, Informel, außereuropäische Kunst 1990
1991
Villa Langmatt, Stiftung Sidney und Jenny Brown, Winterthur, CH
John Alfred Brown (1900-1987) Jurist, Kunsthistoriker
Sammlung impressionistischer Kunst
Er stiftete das Wohnhaus und die Sammlung seiner Eltern Jenny und Sidney Brown (1865-1941) als privates Museum.
Museum Würth, Künzelsau
Reinhold Würth (*1935) Unternehmer (Montage- und Befestigungsmaterial)
Sammlung von Werken des späten 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart 1991
Ursula Blickle Stiftung, Kraichtal
Ursula (*1944) und Rainer Blickle Unternehmer (Motoren)
Keine Sammlung, privates Ausstellungshaus für Gegenwartskunst 1992
1993
Museum Villa Rot, Burgrieden-Rot Sammlung euro-asiatischer Kunst
Feodora (1902-1983) und Hermann Hoenes (1900-1978) Gründer der Hoenes-Stiftung Musiker und Dirigent
Sammlung Ingvild Goetz, München
Ingvild Goetz (*1941) Galeristin
Sammlung zeitgenössischer Kunst mit Schwerpunkt Film und Video 1995
Villa Flora, Sammlung Hahnloser, Winterthur, CH Sammlung französischer und Schweizer Kunst an der Wende zum 20. Jahrhundert, Schwerpunkt Künstlergruppen Nabis und Fauves
Die Nachkommen des Sammlerpaars Arthur und Hedy Hahnloser (1873-1952) öffneten das Wohnhaus der Sammler als Museum. Das Wohnhaus war bereits 1907 erstmals öffentlich zugänglich.
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1997
Fondation Beyeler, Riehen, CH Sammlung Klassischer Moderne
1997
1999
Sammlung Hoffmann, Berlin
Hildy (1922-2008) und Ernst Beyeler (1921-2010) Galeristen
Sammlung zeitgenössischer Kunst verschiedener Medien
Rolf (1935-2001) und Erika Hoffmann (*1938) Kunsthistorikerin und Unternehmerin (Van Laack)
Sammlung Essl / später Essl Museum, Klosterneuburg bei Wien, A
Agnes (*1937) und Karlheinz (*1939) Essl Unternehmer (Baumärkte)
Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Europa, den USA, Australien, Mexiko und China 2001
Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
Reinhold Würth (*1935) Unternehmer (Montage- und Befestigungsmaterial)
Sammlung von Werken des späten 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart 2001 bis 2010
Phönix Kulturstiftung, Sammlung Harald Falkenberg, Hamburg
Harald Falckenberg (*1943) Jurist, Unternehmer (Industrie)
Sammlung zeitgenössischer Kunst 2001
Leopold Museum, Wien, A
Rudolf Leopold (1925-2010) Augenarzt
Weltweit größte SchieleSammlung und österreichische Kunst der Jahrhundertwende 2001
Buchheim Museum, Bernried Deutscher Expressionismus und volks- und völkerkundliche Sammlung
2001 bis 2010
Daros Exhibitions, Zürich, CH später Daros Museum Zürich Sammlung europäischer und nordamerikanischer Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und unabhängig davon Sammlung zeitgenössischer südamerikanischer Kunst der Daros Latinameria AG
Lothar-Günther Buchheim (1918-2007) Maler, Fotograf, Verleger, Kunstbuch- und Romanautor, Filmemacher Alexander Schmidheiny (19541993), in der Folge Stephan Schmidheiny (*1948) Unternehmer (Schweizer Eternit Gruppe, Beteiligungsgesellschaft) Seit 2009 führt die Daros Latinamerica AG unter Ruth Schmidheiny (*1950) das Daros Museum Zürich.
H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DES PRIVATEN K UNSTSAMMELNS | 75
2002
TBA 21, Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien, A Sammlung internationaler Gegenwartskunst
2002
Sammlung Rosengart, Luzern, CH
Francesca von Habsburg (*1958) Künstlerin, Kunsthistorikerin, Kuratorin, Vorstand der ThyssenBornemisza Art Contemporary Foundation Angela Rosengart (*1932) Galeristin
Sammlung Klassischer Moderne 2002
Museum Kulturspeicher Würzburg mit Sammlung Peter C. Ruppert
Peter C. Ruppert (*1934) Unternehmer (Vermögensverwaltung)
Sammlung konkrete Kunst nach 1945 2003
Schaulager, Basel, CH Sammlung von Bildern, großformatigen Skulpturen und Installationen der letzten 100 Jahre
2004
Museum Frieder Burda, Baden-Baden
Maja Sacher (1898-1989) und Maja Oeri (*1955) Kunsthistorikerin und Präsidentin der Emanuel Hoffmann-Stiftung Frieder Burda (*1936) Unternehmer (Medien, Beteiligungsgesellschaft)
Sammlung Klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst 2004
Langen Foundation, Neuss Sammlung Viktor und Marianne Langen
Viktor (1909-1990) und Marianne (1911-2004) Langen Unternehmerehepaar (Automobilzulieferer)
Sammlung japanischer Kunst und Klassischer Moderne 2004
Kunstraum Alexander Bürkle, Freiburg (Sammlung Rosskopf)
Paul Ege (*1936) Unternehmer (Alexander Bürkle Gruppe - Elektrogroßhandel)
Sammlung monochromer zeitgenössischer Malerei 2005
Museum Ritter, Waldenbuch Sammlung zum Thema Quadrat (20. und 21. Jahrhundert)
2005
Zentrum Paul Klee, Bern, CH
Weltweit größte Sammlung von Werken Paul Klees
Marli Hoppe-Ritter (*1948) Unternehmerin (Familienunternehmen Schokolade) Familie Klee und Maurice E. (1928-2009) und Martha Müller Foundation (MMMF) Chirurg (Pionier der orthopädischen Chirurgie)
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2006
Kunstraum Grässlin und Räume für Kunst, St. Georgen Sammlung von Gegenwartskunst Konzentration auf ausgewählte Künstler der 1980er, 1990er und 2000er Jahre
2006 bis 2010
schürmann berlin, Berlin
2006
Sammlung Arthur de Ganay, Berlin
Sammlerfamilie Grässlin: Anna, Bärbel (Galeristin), Thomas, Sabine und Karola (*1961, Museumsdirektorin) Grässlin Unternehmerfamilie (Zeitschaltsystme, Licht- und Temperatursteuerung) Friedrich Schürmann (*1946) Galerist
Sammlung zeitgenössischer Kunst Arthur de Ganay (*1968) Architekt
Fotografiesammlung 2007
Julia Stoschek Collection, Düsseldorf Sammlung Medienkunst, Film, Fotografie
2007
Kunsthalle Weishaupt, Ulm Sammlung mit Schwerpunkt Geometrische Abstraktion und gegenständliche amerikanische Malerei
2007
Kunstwerk, Sammlung Alison und Peter W. Klein, Eberdingen-Nussdorf
Julia Stoschek (*1975) Betriebswirtin, Gesellschafterin der Brose-Unternehmensgruppe (Familienbetrieb) Siegfried Weishaupt (*1939) Unternehmer (Feuerungstechnik, Familienunternehmen)
Peter W. Klein (*1947) Unternehmer (SchnellverschlussKupplungen)
Zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt Malerei und Fotografie 2007 bis 2010
About Change, Collection, Stiftung, Berlin
Christiane zu Salm (*1966) Unternehmerin (Werbung, Medien, Marketing)
Sammlung zum Thema Collage 2007
Museum Gunzenhauser, Chemnitz
Alfred Gunzenhauser (* 1926) Volkswirt, Galerist
Sammlung von Kunst des 20. Jahrhunderts mit einer der weltweit größten Dix-Sammlungen 2007 bis 2009
El Sourdog Hex e.V., Berlin Sammlung Fluxus, Minimal Art, Colorfield Painting bis Environment
Reinhard Onnasch (*1939) Galerist
H ISTORISCHE E NTWICKLUNG DES PRIVATEN K UNSTSAMMELNS | 77
2008
haubrokshows, Berlin
Axel Haubrok (*1951) Unternehmer (Finanzdienstleistung)
Sammlung seit den 1980er Jahren, Schwerpunkt Konzeptkunst 2008
Sammlung Boros, Berlin
Christian Boros (*1964) Unternehmer (Werbefachmann)
Sammlung zeitgenössischer Kunst 2008
Museum Liaunig, Neuhaus, A
Herbert W. Liaunig (*1946) Unternehmer (Industrie)
Zeitgenössische österreichische Kunst nach 1945 und Sammlung von Goldobjekten der Akan 2009
Museum Biedermann, Donaueschingen Sammlung internationaler, zeitgenössischer Kunst seit den 1980er Jahren, Schwerpunkt Italien
2009
Sammlung Froehlich, Leinfelden
Lutz und Margit (*1948) Biedermann Unternehmer (Medizintechnik, Familienbetrieb)
Josef Froehlich (*1935) Unternehmer (Maschinenbau)
Sammlung zeitgenössischer Kunst 2009
Sammlung FER Collection, Ulm Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst, Schwerpunkt Konzeptkunst und Minimalismus
2009
Messmer Foundation, Kunsthalle in Riegel
Friedrich E. Rentschler (*1932) Unternehmer (Biotechnologie, Familienunternehmen)
Jürgen A. Messmer (*1942) Unternehmer (Schreibgeräte)
Sammlung Klassischer Moderne und zeitgenössischer Kunst 2009
Museum Brandhorst, München Sammlung wichtiger Künstler des 20. Jahrhunderts
2010
me Collectors Room Berlin / Stiftung Olbricht Sammlung vom 16. Jahrhundert bis zur zeitgenössischen Kunst, Schwerpunkte Eros, Vanitas, Tod
Anette (1936-1999) und Udo Brandhorst (*1939) Erbin der Henkel-Dynastie und Unternehmer Thomas Olbricht (*1948) Wissenschaftler, Arzt, Endokrinologe, ehem. Vorsitzender des Aufsichtsrates und Erbe der Wella AG
78
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2010
Schauwerk Sindelfingen Zeitgenössische Kunst seit den 1960er Jahren, Schwerpunkt konkrete Kunst und Minimal Art
2010
Museum für Aktuelle Kunst Sammlung Hurrle Durbach
Peter Schaufler (*1940) Unternehmer (Familienbetrieb Bitzer Kühlmaschinenbau)
Rüdiger Hurrle (*1937) Unternehmer (Privatkliniken)
Sammlung deutscher Kunst nach 1945 und südwestdeutsche Vorläufer der 1920er Jahre 2010
Walther Collection, Burlafingen Sammlung moderner und zeitgenössischer Fotografie und Videokunst
Quelle: Eigene Darstellung
Artur Walther (*1949) Investmentbanker
3.
Die öffentliche Privatsammlung
Die historische Kontextualisierung privater Kunstsammlungen und ihrer öffentlichen Präsentation in Kapitel 2 stellt eine notwendige Folie dar, vor deren Hintergrund die zahlreichen privaten Museumsgründungen als neue Entwicklung in der Museumslandschaft beurteilt werden können. Kapitel 3 widmet sich nun dem neuen Phänomen „öffentliche Privatsammlung“. Die Auseinandersetzung erfordert zunächst eine Abgrenzung und Spezifizierung des Untersuchungsgegenstandes. Die erste Annäherung (Kapitel 3.1) erfolgt durch eine Klärung der begrifflichen und definitorischen Grundlagen öffentlicher Privatsammlungen und öffentlicher Museen. Danach werden mögliche Formen der Öffentlichmachung privater Kunstsammlungen vorgestellt (Kapitel 3.2) und in einem Exkurs die Sonderform des Sammlermuseums beschrieben. Während sich Kapitel 3.3 den Trägerschaften von öffentlichen und privaten Sammlungen widmet, werden in weiterer Folge die Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen und ihre Unterschiede zu staatlichen Institutionen aus der Sicht der aktuellen Fachliteratur und Erfahrungen aus der Praxis vorgestellt (Kapitel 3.4). Aus den Erkenntnissen der bisher dargestellten Theorien wird die zentrale Forschungsfrage nach dem Erfolg privater Kunsträume abgeleitet (Kapitel 3.5).
3.1
B EGRIFFSKLÄRUNG
3.1.1
Museum
Der Begriff „Museum“ ist in Deutschland nicht geschützt. Jede kulturelle oder auch kommerzielle Einrichtung kann sich als Museum bezeichnen. Obwohl es in Deutschland aktuell über 6.000 Museen gibt, ist es bisher nicht gelungen, den Begriff zu schützen und die Aufgaben und den Auftrag von Museen gesetzlich zu verankern.1 Die institutionalisierte Vertretung der Branche, der Deutsche Museumsbund, bemüht sich seit vielen Jahren um eine legitime Begriffsfestlegung, eine klare Aufgabenbeschreibung und genau formulierte Standardwerte. Solange es keine Rechtsverbindlichkeit und gesetzliche Museumsdefinition gibt, gilt in der deutschsprachigen Muse-
1
Das Berliner Institut für Museumsforschung veröffentlicht jährlich die „Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland“. Vgl. http://www.smb. museum/ifm (10.5.2010).
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umslandschaft die Festlegung des Internationalen Museumsrates ICOM (International Council of Museums) als verbindlich. Zudem werden die grundlegenden Regeln für eine professionelle Arbeit von Museen und Museumsfachleuten von den weltweit gültigen „Ethischen Richtlinien für Museen“ (ICOM Code of Ethics for Museums) vorgegeben.2 In den ICOM-Statuten wird ein Museum wie folgt charakterisiert: „A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of 3 education, study and enjoyment.”
Die maßgeblichen Faktoren, die ein Museum ausmachen, sind demnach eine Sammlung von kultur- oder naturhistorischem Wert, Gemeinnützigkeit, Dauerhaftigkeit und Öffentlichkeit. Die Aufgaben des Museums sind Sammeln, Bewahren, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln des materiellen und immateriellen Kulturerbes der Menschheit und der Umwelt zum gesellschaftlichen Wohl und zum Zweck der Bildung, des Studiums und der Unterhaltung (Freude, Spaß, Genuss).4 Auf die Frage, was ein Museum ist,5 antwortet der Philosoph und Historiker Krzysztof Pomian (2007: 16) mit einer Gegenfrage: „Das erste Problem ist der Begriff Museum an sich. Können wir ihn sinnvoll im Singular verwenden oder müssen wir im Sinne der Klarheit zwischen verschiedenen Museumstypen nach Größe, Lage, Status, Trägerschaft und Funktion differenzieren?“
Auch das Institut für Museumsforschung unterscheidet zwischen Arten von Museen und verwendet dabei eine an die Unesco-Klassifikation angeglichene Einteilung. Entsprechend ihrer Hauptsammelgebiete werden die Museen in neun Gruppen eingeteilt:
2
3
4
5
Vgl. http://www.icom-deutschland.de/schwerpunkte-ethische-richtlinien-fuer-museen.p hp (Zugriff am 19.5.2010). Der erste vollständige "ICOM Code of Professional Ethics" wurde am 4. November 1986 in Buenos Aires einstimmig angenommen, am 6. Juli 2001 in Barcelona unter dem neuen Titel "ICOM Code of Ethics for Museums" ergänzt und am 8. Oktober 2004 in Seoul revidiert. Vgl. http://icom.museum/statutes.html (19.5.2010). Die Begriffsdefinition wurde am 24.8. 2007 in Wien beschlossen. In der deutschen Übersetzung lautet die Definition wie folgt: „Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.“ Im Unterschied zur offiziellen deutschen Übersetzung der ICOM-Nationalkomitees von Deutschland, Österreich und der Schweiz wird in letzter Zeit die englische Version „for purposes of ... enjoyment“ nicht mit „Unterhaltungszwecken“, sondern mit „Freude“, „Spaß“ und „Genuss“ übersetzt. Der Deutsche Museumsbund hat auf diese treffendere Übersetzung von „enjoyment“ hingewiesen (vgl. Deutscher Museumsbund 2006b: 22, Anm. 1). Zur aktuellen Darstellung der Frage „Was ist ein Museum?“ siehe auch Baur 2010b.
D IE ÖFFENTLICHE P RIVATSAMMLUNG
| 81
1. Museen mit volkskundlichem, heimatkundlichem oder regionalgeschichtlichem Sammlungsschwerpunkt 2. Kunstmuseen 3. Schloss- und Burgmuseen 4. Naturkundliche Museen 5. Naturwissenschaftliche und technische Museen 6. Historische und archäologische Museen 7. Sammelmuseen mit komplexen Beständen 8. Kulturgeschichtliche Spezialmuseen 9. Mehrere Museen in einem Gebäude (Museumskomplexe)6 Die vorliegende Studie befasst sich ausschließlich mit der zweiten Kategorie – den Kunstmuseen. Das Institut für Museumsforschung unterscheidet in dieser Museumsart ferner zwischen Gattungen und Sammelgebieten: Zu den Kunstmuseen zählen Museen der Bereiche Kunst und Architektur, Kunsthandwerk, Keramik, Kirchenschätze und kirchliche Kunst, Film, Fotografie. Wird im Folgenden allgemein von Museen gesprochen, sind explizit immer Kunstmuseen mit dem Sammlungsschwerpunkt bildende Kunst gemeint. 3.1.2
Sammlung
Als Sammlung wird eine Ansammlung von ähnlichen Objekten verstanden, die mit einem logischen und nachvollziehbaren Konzept verbunden sind. Nach Stagl (1998: 37) bedeutet Sammeln „Zerstreutes von gleicher oder ähnlicher Beschaffenheit am selben Ort zusammentragen. [...] Der Vorgang erfolgt erstens stückweise, allmählich, und erbringt, zweitens, eine geordnete Menge, eine ‚Sammlung‘ eben und nicht bloß eine ungeordnete Masse oder ‚Ansammlung‘.“ Auch Weibel (2011) versteht unter einer Sammlung eine „Versammlung von Gegenständen beziehungsweise von Kunstwerken an einem Ort. [...] Die Tätigkeit des Sammelns garantiert aber noch nicht, dass dadurch eine Zusammenstellung entsteht, die den Begriff der Sammlung rechtfertigt.“ Damit eine Ansammlung von Kunstwerken als Sammlung bezeichnet werden kann, ist nach Adriani (1999: 14) eine programmatische Ausrichtung erforderlich. „Das Prinzip der Schwerpunktbildung, also die Konzentration auf bestimmte Künstler, Gruppen oder Themen und der Versuch, den gewählten Bereich repräsentativ oder unter
6
Den größten Anteil nehmen die Volkskunde- und Heimatmuseen mit 44,8% ein, gefolgt von den kulturgeschichtlichen Spezialmuseen (14,7%) und den naturwissenschaftlichen und technischen Museen (12,1%). An vierter Stelle rangieren die Kunstmuseen (10,5%), danach folgen die historischen und archäologischen Museen (7,1%), die naturkundlichen Museen (4,9%), die Schloss- und Burgmuseen (4,3%), die Museumskomplexe (1,2%) und die Sammelmuseen mit 0,4%. Interessant zu erwähnen ist, dass die kleine Gruppe der Kunstmuseen im Vergleich zu den anderen Museumsarten die größte Anzahl von Besuchen im Jahr 2010 vorweisen kann, nämlich 19.270.693 Besucher. Vgl. Institut für Museumsforschung 2011: 15 und 20.
82
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT einem anderen Aspekt ausschnitthaft zu sammeln, liegt eigentlich jeder Sammlung zugrunde, wäre sie doch anderenfalls nur eine bloße Ansammlung.“
Für diese Studie folgen wir der Definition von Pomian (1998: 16), der eine Sammlung wie folgt beschreibt: „Eine Sammlung ist jede Zusammenstellung natürlicher oder künstlicher Gegenstände, die zeitweise oder endgültig aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten werden, und zwar an einem abgeschlossenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Ort, an dem die Gegenstände ausgestellt werden und angesehen werden können.“
Wird im Folgenden der Begriff Sammlung verwendet, sind immer Kunstsammlungen gemeint. Diese können entweder von Privatpersonen (Privatsammlungen), Unternehmen (Corporate Collections) oder von öffentlichen Institutionen (öffentliche Sammlungen) aufgebaut worden sein. 3.1.3
Öffentlich
„Der Sprachgebrauch von ‚öffentlich‘ und ‚Öffentlichkeit‘ verrät eine Mannigfaltigkeit konkurrierender Bedeutungen“, die aus verschiedenen geschichtlichen Phasen stammen, so Habermas (1995: 54). Als öffentlich werden für gewöhnlich Veranstaltungen bezeichnet, die – im Gegensatz zu privaten Veranstaltungen – allen zugänglich sind. Öffentliche Gebäude tragen hingegen ihren Namen nicht notwendigerweise aufgrund ihrer allgemeinen Zugänglichkeit. Sie können eine staatliche Einrichtung beherbergen und insofern öffentlich sein, als sie Aufgaben für das allgemeine Wohl übernehmen. Wenn wir von öffentlicher Gewalt sprechen, meinen wir den Staat. Wenn wir uns für die öffentliche Meinung interessieren, dann richten wir unseren Blick auf eine Auffassung, die von den meisten Menschen vertreten wird. Im Zusammenhang dieser Studie wird der Begriff „öffentlich“ mit staatlich und allgemein zugänglich gleichgesetzt. Eine öffentliche Sammlung definiert daher eine Kunstsammlung, die mit öffentlichen Mitteln aufgebaut wurde und in öffentlicher Trägerschaft verwaltet wird. Ein öffentliches Museum wird gleichfalls von öffentlichen Mitteln unterhalten, es arbeitet im öffentlichen Interesse und ist für alle öffentlich zugänglich. 3.1.4
Privat
Privat bedeutet das Gegenteil von öffentlich. Im Unterschied zu öffentlich und allgemein zugänglich, definiert „privat“ das Persönliche und das Eigentum eines Einzelnen oder einer Gruppe von Personen, die in einem Vertrauensverhältnis miteinander verbunden sind. Im Unterschied zu öffentlichen Sammlungen, die der Allgemeinheit gehören und von ihr verwaltet werden, sprechen wir von Privatsammlungen, wenn diese nur mit privaten Mitteln finanziert und aufgebaut wurden und nicht öffentlich zugänglich sind.
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3.1.5
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Öffentliche Privatsammlung
Wenn „öffentlich“ allgemein zugänglich bedeutet und der Begriff „privat“ die öffentliche Zugänglichkeit a priori ausschließt, dann scheint die Bezeichnung der öffentlichen Privatsammlung ein Paradoxon zu sein. Walter Grasskamp (2010a: 31) hat den Terminus „öffentlicher Privatsammler“ im Unterschied zum „traditionellen Privatsammler“ geprägt. Der traditionelle Privatsammler erwirbt Kunstwerke mit privaten Mitteln zu seinem privaten Vergnügen. Die Sammlung verbleibt unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorrangig im privaten Kontext. Der öffentliche Privatsammler hingegen hat den Wunsch, seine privat finanzierte Kunstsammlung zu einer öffentlichen Angelegenheit zu machen. In Anlehnung an Grasskamp wird für die vorliegende Studie daher der Begriff „öffentliche Privatsammlung“ verwendet. Mit dieser Definition werden private Kunstsammlungen bezeichnet, die der Allgemeinheit offen stehen. Die Formen der Zugänglichkeit können variieren und von öffentlichen Besuchszeiten wie bei staatlichen Museen bis zu eingeschränktem Zutritt nach Voranmeldung reichen. Maßgebend dabei ist weder der Umfang noch die räumliche Form der Zugänglichkeit, sondern die Tatsache, dass die Privatsammlung überhaupt öffentlich gemacht wird. Private Sammler schaffen demnach öffentliche Kunstorte und lassen die Öffentlichkeit dort an ihren privaten Erfahrungen und Leidenschaften teilhaben. Folgt man der ICOM-Definition eines öffentlichen Museums – „Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“ – so kann eine öffentliche Privatsammlung wie folgt charakterisiert werden: „Eine öffentliche Privatsammlung ist eine von privater Seite finanzierte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, die private Kunstwerke zu Bildungs- und Unterhaltungszwecken und zur Freude des Sammlers bekannt macht und ausstellt.“ Die Definition einer öffentlichen Privatsammlung unterscheidet sich von der eines öffentlichen Museums in folgenden Punkten: • Gemeinnützigkeit Eine öffentliche Privatsammlung kann auch auf Gewinn ausgerichtet sein. • Permananz Eine öffentliche Privatsammlung muss nicht auf Dauer angelegt sein. • Im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung Eine öffentliche Privatsammlung dient vorrangig den Interessen des Sammlers. • Studienzwecke Eine öffentliche Privatsammlung muss keinen wissenschaftlichen Anspruch verfolgen. • Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln und Ausstellen Eine öffentliche Privatsammlung hat keine Verpflichtung, die klassischen Kernaufgaben eines Museums zu erfüllen.
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3.2
F ORMEN DER Ö FFENTLICHMACHUNG S AMMLUNGEN
PRIVATER
Wie in Kapitel 2 gezeigt werden konnte, haben die letzten Jahrhunderte erfolgreiche und einflussreiche Privatsammler hervorgebracht, die als Mäzene, als Leihgeber für staatliche Museen oder als Gründer öffentlicher Privatsammlungen bekannt geworden sind. Das Spektrum der Persönlichkeiten und ihrer Motive des Sammelns ist dabei so vielfältig wie die unterschiedlichen Bereiche der Kunst, die gesammelt werden. Es gibt bescheidene Sammler, die ganz im Stillen agieren und kein Aufhebens von ihrem öffentlichen Engagement machen. Ihre Kunstwerke werden meist bedingungslos an öffentliche Museen übergeben. Andere Sammler erwarten für ihr Gönnertum an öffentliche Museen eine Gegenleistung. Eine dritte Gruppe möchte über die Gegenleistung hinaus auch über die Präsentation ihrer Sammlungen in den öffentlichen Museen Einfluss nehmen. Die vierte Gruppe verfügt über die finanziellen Möglichkeiten und den nötigen Enthusiasmus, unabhängig von Zuschüssen der öffentlichen Hand eigene Museen oder private Ausstellungsinstitute zu errichten. Analog zu diesen Sammlerprofilen lassen sich im letzten Jahrhundert unterschiedliche Wege der Öffentlichmachung privaten Kunstbesitzes identifizieren: •
Privater Kunstbesitz wird staatlichen Museen als bedingungslose Schenkung überlassen: An die Schenkung einer ganzen Sammlung oder einzelner Kunstwerke an öffentliche Museen sind keinerlei Bedingungen geknüpft. Bei dieser Form altruistischen Handelns spricht man von Mäzenatentum.
•
Privater Kunstbesitz wird staatlichen Museen im Gegenzug für eine Leistung übereignet: Im Unterschied zum Mäzen erwartet der Sammler eine Gegenleistung für seine Zuwendung. Die Schenkung einer ganzen Sammlung oder einzelner Kunstwerke an öffentliche Museen ist mit Auflagen verbunden (z. B. die Namensnennung des Stifters, der Bau eines eigenen Museums oder der Anbau an ein bestehendes Gebäude).
•
Privater Kunstbesitz wird staatlichen Museen als (Dauer-)Leihgabe übertragen: Leihgaben werden einem öffentlichen Museum für eine vertraglich vereinbarte Dauer zur Präsentation, Bewahrung und Forschung übergeben. Die Überlassung privater Kunstwerke kann bedingungslos erfolgen oder mit einer Gegenleistung verbunden sein. Bei Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und privater Förderung spricht man von Public Private Partnership.
•
Privater Kunstbesitz wird in öffentlichen Sammlermuseen ausgestellt: Ein Sammlermuseum ist eine öffentliche Institution, meist ohne eigene Sammlung, die primär Kunstwerke aus privaten Sammlungen präsentiert. Private Leihgaben werden dem Museum für eine bestimmte Dauer zur Verfügung gestellt
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oder das Sammlermuseum hat Zugriff auf die Werke der kooperierenden Privatsammlungen.7 •
Privater Kunstbesitz ist an öffentliche Museen partiell angebunden: Bei dieser Sonderform einer öffentlich-privaten Partnerschaft geht die Zusammenarbeit über die Stiftung oder Leihgabe von privaten Kunstwerken hinaus. Ein Beispiel ist die private Kunsthalle Weishaupt in Ulm, die vom Sammler mit privaten Mitteln erbaut wurde, deren Betrieb aber zum Großteil von der öffentlichen Hand getragen wird.
•
Privater Kunstbesitz wird unabhängig von staatlichen Subventionen in Privatmuseen oder privaten Ausstellungsräumen öffentlich zugänglich gemacht. Dabei lassen sich zwei Grundtypen unterscheiden: 1. Firmensammlungen und Unternehmensmuseen: Diese Sammlungen sind zumeist Teil des Marketings und der Promotion einer Unternehmensmarke. Die Sammlungen können entweder Kunstwerke oder Produkte des eigenen Unternehmens umfassen. Kunstsammlungen von Unternehmen bezeichnet man als Corporate Collections (vgl. Ebert 2005). Historische und aktuelle Firmenprodukte werden in Unternehmensmuseen präsentiert und inszeniert (vgl. Hölschen 2005). Corporate Collections stellen ein wirksames Kommunikationsinstrument für die Corporate Identity und ein „Good Corporate Citizenship“ dar. 2. Mit Persönlichkeiten verbundene Sammlungen oder Museen: Sammler bildender Kunst gründen eigene Ausstellungsräume und bieten dem Publikum in Form von regelmäßigen Öffnungszeiten oder nach Voranmeldung Zutritt zu ihren Privatkollektionen. Im Unterschied zum unternehmerischen bildet dieses private Kunstengagement den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie.
Die unterschiedlichen Formen der Veröffentlichung von privatem Kunstbesitz lassen sich auch zeitlich kategorisieren. Schenkungen und uneigennützige Übereignungen von einzelnen Kunstwerken oder ganzen Sammlungen waren bis in die Nachkriegszeit die Regel. Vielen Stiftern genügten ein symbolischer Dank und das Bewusstsein, gesellschaftlich verantwortungsvoll gehandelt zu haben. Ab den 1960er Jahren lässt sich die Tendenz erkennen, dass aus nicht widerruflichen Schenkungen Dauerleihgaben8 und an die Übereignung von Kunstwerken Auflagen gebunden werden. In den 1970er Jahren setzt eine museumskundliche Diskussion ein, mit der eine Forderung nach Öffnung der Museumsarbeit für eine breite Öffentlichkeit einhergeht. Aus historischer Sicht lässt sich seit den späten 1970er Jahren bis heute der jüngste globale Museumsboom feststellen. 90-95% der Museen weltweit sind nicht älter als 50 Jahre (vgl. Baur 2010b: 27). An dieser Entwicklung haben auch die privaten Kunstsammler großen Anteil. Namhafte öffentliche Museen wurden ab dieser Zeit für private
7 8
Als neuer Museumstypus entsteht in den 1990er Jahren das Sammlermuseum als öffentliche Einrichtung. Im nachfolgenden Exkurs wird diese museale Sonderform vorgestellt. Eine Dauerleihgabe ist in der Regel 30 Jahre an ein Museum gebunden.
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Kunstsammlungen umgebaut, erweitert oder neu errichtet. Beispielhaft seien hier die ersten wichtigen Museumsgründungen genannt: Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen (1979), Kunstmuseum Hannover / Sprengel Museum (1979), Museum Moderner Kunst im Palais Liechtenstein in Wien (1979, Sammlung Ludwig). Im Gegensatz dazu ist die Kunst- und Kulturszene der 1980er Jahre von zahlreichen neuen öffentlichen Museumsgründungen geprägt. Das Städtische Museum Abteiberg, Mönchengladbach (1982) von Hans Hollein, die Staatsgalerie Stuttgart (1984), erbaut von James Stirling, das Museum für Kunsthandwerk (1985) von Richard Meier in Frankfurt/Main und die 1992 eröffnete Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, erbaut von Gustav Peichl, charakterisieren den Aufschwung des öffentlichen Museumsbaus ab den 1980er Jahren. Während in dieser Zeit die öffentliche Hand über ausreichend finanzielle Mittel verfügte und die Kommunen durch Museumsneubauten aufgewertet wurden, fand der Gründerboom in den frühen 1990er Jahren ein jähes Ende. Dauschek (2001: 36) macht für die neu aufkommende Finanznot der Städte und Gemeinden in Deutschland vor allem die Kosten der Wiedervereinigung verantwortlich. „Die Kulturhaushalte und insbesondere die Museen waren davon stark betroffen, denn Museen sind eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen.“ Durch die gekürzten Ankaufsetats staatlicher Museen und die hohen Preise für zeitgenössische Kunst entstanden ab den 1990er Jahren in vielen Museen große Lücken in der Dokumentation und Präsentation aktueller Kunst. Die Kulturpolitik hoffte, dieses Ungleichgewicht durch Kooperationen mit privaten Sammlern auszugleichen. Auf diese Weise fanden ab den 1990er Jahren erneut zahlreiche Privatsammlungen Einlass in die staatlichen Tempel der Kunst. Vielerorts entstanden Neubauten und Erweiterungsbauten für gestiftete oder als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellte Kunst aus Privatbesitz. Beispiele hierfür sind das MMK Frankfurt (gegründet 1991 für den Ankauf der Sammlung Ströher), der Umbau des Hamburger Bahnhofs für die Sammlung Marx und das Museum Berggruen in Berlin (beide 1996), das Neue Museum in Weimar (1999) für die Sammlung von Paul Maenz und das Museum Küppersmühle in Duisburg (1999) für die Sammlung Grothe. Parallel zur Entstehung unterschiedlicher Formen von Public Private Partnerships werden ab den 1990er Jahren zahlreiche Sammler selbst zu Museumsgründern. „Der auf das Museum erzogene Sammler emanzipiert sich völlig von seinem Vorbild“ und eröffnet sein eigenes Museum, sagt Grasskamp (2002a: 67). Zu Beginn des neuen Jahrtausends erreicht diese Entwicklung eine Hochkonjunktur. Im ersten Jahrzehnt ist die Zahl der von staatlicher Subvention unabhängigen öffentlichen Privatsammlungen stark angestiegen. Allein im deutschsprachigen Raum sind rund vierzig international anerkannte private Initiativen mit ihrem hochkarätigen Kunstbesitz an die Öffentlichkeit getreten. Hier wird eine Entwicklung erkennbar, die in der rund 200jährigen Geschichte der Institution Museum neu und einmalig ist: Noch nie zuvor wurden so viele öffentlichen Privatsammlungen gegründet wie heute. Exkurs: Das Sammlermuseum Von den zahlreichen, in den 1980er Jahren erfolgreich praktizierten Public-PrivatePartnership-Modellen ging eine Vorbildwirkung aus, die Anfang der 1990er Jahre zur Entwicklung eines neuen Musemstyps beigetragen hat: dem Sammlermuseum. Es handelt sich dabei um ein neuartiges Modell der Zusammenarbeit von Privatsamm-
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lern und Öffentlichkeit. In einem von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Bauwerk werden private Sammlungen der Allgemeinheit zugänglich gemacht. „Das Museum wird zunehmend zum Tempel der Städte. Sein faszinierendster neuer Typ ist das Sammlermuseum, das sich der Verarmung der öffentlichen Kassen wie dem Ehrgeiz, der Phantasie und den finanziellen Ressourcen privater Kunstsammler verdankt“,
schreibt Christine Breyhan über das Neue Museum Weserburg Bremen (Breyhan 1997: 367). Die Entstehung dieser neuen Museumsform kann auch als Folgewirkung auf die prekäre finanzielle Situation der öffentlichen Hand gesehen werden. Im Sammlermuseum wird der Versuch unternommen, ein öffentliches Museum für Gegenwartskunst mit geringem Budget und ohne eigene Sammlung zu führen. Die öffentliche Hand finanziert die Hülle und den Unterhalt, der Inhalt beruht auf privatem Engagement. „Es ist ungewöhnlich, dass ein Museum […] seine Existenz Leihgaben von Sammlern verdankt und seine Ausstellungen ausschließlich mit Exponaten aus Privatsammlungen bestreitet. In Deutschland ist das ein Novum“, sagt Breyhan (1997: 18). Der Gründungsdirektor des Neuen Museum Weserburg Bremen, Thomas Deecke, würdigte die staatliche Verantwortung und den Enthusiasmus der privaten Kunstsammler für eine „in Europa noch an keiner Stelle praktizierte Idee eines Sammlermuseums“ (Deecke 1996: 469). Neues Museum Weserburg Bremen 1991 wird das Neue Museum Weserburg Bremen als erstes Sammlermuseum Europas in einem ehemaligen Fabrikgebäude mit 6.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche gegründet. Als Gründungssammler und Partner des Museums konnten die Sammlungen Lenz aus München, Onnasch aus Berlin, Grothe aus Duisburg, Dobermann aus Münster, Lafranz aus Hamburg, Gerstner aus Basel sowie die Berliner Sammler Ackermeier, Stober, Böckmann und Pohl gewonnen werden. Die Hansestadt hatte die starke gesellschaftspolitische Bedeutung von Kunst und Kultur erkannt, wollte mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ein modernes Kunstmuseum errichten und damit einen überregional bedeutenden kulturpolitischen Akzent setzen. Allerdings war „von vornherein klar, dass die Stadt und das Land den Inhalt eines Museums für zeitgenössische Kunst nicht finanzieren konnten. […] Der Staat sollte im Sinne seiner kulturellen Verpflichtung die Mittel aufbringen und sich dann von Privatleuten oder Unternehmen unterstützen lassen“, erklärt Gründungsdirektor Deecke (1992: 46). Der damals amtierende Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, Klaus Wedemeier, benennt das so: „Die zeitgenössische Kunst [wird, d.V.] mit zahlreichen Werken bedeutender Künstler aus Europa, den USA und Japan in der Hansestadt ihren Platz finden. [...] Bremischer Tradition folgend, arbeiten Privatsammler und Stadtgemeinde in einer Stiftung zusammen, mit dem Ziel einen lebendigen Ort der Auseinandersetzung mit und über Kunst für Bremen und den 9 norddeutschen Raum zu schaffen.“
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Broschüre der Freien Hansestadt Bremen anlässlich der Eröffnung des Neuen Museums Weserburg am 7. September 1991, S. 2.
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Etwas kritischer beurteilt die Kunsttheoretikerin Christine Breyhan die Bremer Kulturpolitik: „Die Rotstift-Kulturpolitik rechnet mit dem Sammler, der das Ergebnis seiner Sammeltätigkeit dem Urteil der Öffentlichkeit vorstellen möchte. Der Sammler rechnet mit dem Museum, wenn der Umfang seiner Sammlung Depots und privaten Raum zu sprengen droht. Niedrige Ankaufsetats von Museen und ein Standort ohne Haus für zeitgenössische Kunst wie es in Bremen der Fall war, begünstigen die Verwirklichung des Sammlermuseums“ (Breyhan 1997: 10).
Die Idee und das Konzept des Sammlermuseums sind auf den ersten Blick sehr schlüssig. Eine Stadt kann sich trotz ökonomischer Schwierigkeiten ein Museum für zeitgenössische Kunst leisten. Durch wechselnde Präsentationen von Gegenwartskunst aus unterschiedlichen privaten Sammlungen hat das Museum einen sehr hohen Bezug an Aktualität. Kein öffentliches Museum kann aufgrund der niedrigen Ankaufsetats und der hohen Kunstmarktpreise einen derart breiten Überblick über das zeitgenössische Kunstschaffen bieten. So zählt das Neue Museum Weserburg auch heute zu den bedeutenden Ausstellungsorten für internationale Gegenwartskunst in Deutschland. Jedoch birgt ein Museum der Sammlungen auch einen großen Unsicherheitsfaktor: Die geliehenen Kunstwerke können von den Sammlern jederzeit abgezogen und veräußert werden. Diese Tatsache kann das Museum vor große Schwierigkeiten stellen, wenn plötzlich sein Inhalt verloren geht. Museum für Neue Kunst Karlsruhe 1999 wird das Museum für Neue Kunst in Karlsruhe mit dem Ziel gegründet, die wichtigsten privaten Kunstsammlungen des Landes Baden-Württemberg der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Museumsgründung ging eine lange Geschichte voraus. Ursprünglich war ein Sammlermuseum der Gegenwartskunst in einem Neubau in Stuttgart geplant. Aufgrund der sehr hoch projektierten Kosten für Bau und Unterhalt fiel die Entscheidung schließlich auf eine finanziell günstigere Variante in Karlsruhe.10 Trotz der für die öffentliche Hand niedrigeren Kosten gab es zahlreiche kritische Stimmen zu diesem Projekt. „Von Seiten der Kritik ist eingewendet worden, Steuergelder zum Bau und zum Unterhalt einer Einrichtung zu verwenden, wo die reichen Bürger des Landes ihre Sammlungen unterbringen und zur Schau stellen“. Heinrich Klotz (1999: 19ff.), Initiator des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie, führt weiter an, dass diese Kritik allerdings sehr kurzsichtig sei und dass „der Öffentlichkeit daran gelegen sein müsse, große Kunstschätze, die in privaten Bereichen, häufig in dunklen Depots, gelagert sind, aus dem für den Bürger unerreichbaren Abseits ans Licht zu holen und allgemein zugänglich zu machen, ja buchstäblich sichtbar werden zu lassen“. Klotz geht auch soweit zu behaupten, dass die „Museumsdirektoren wissen, dass sie im Grunde auf die Sammler angewiesen sind, wenn sie überhaupt noch einen angemessenen Überblick über die Kunst der Gegenwart geben wollen“.
10 Das Museum für Neue Kunst ist Teil des ZKM – Zentrum für Kunst und Medinentechnologie, und konnte mit weniger als einem Sechstel des für Stuttgart benötigten Budgets realisiert werden (vgl. Adriani 1999: 11).
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Das Museum für Neue Kunst bezieht also die Rechtfertigung seiner Existenz aus der Präsentation privater Sammlungen des Landes. In der Eröffnungsausstellung wurden fünf verschiedene zeitgenössische Sammlungen aus Baden-Württemberg vorgestellt: die Sammlung Siegfried Weishaupt, die Sammlung Froehlich, die Sammlung Frieder Burda, die Sammlung FER11 und die Sammlung Grässlin. Im Jahr 2004 erweiterte sich der Kreis um die Sammlung Boros, 2005 kamen die Kollektionen der VAF-Stiftung/MART, der Landesbank Baden-Württemberg sowie die Sammlung von Francesca von Habsburg, Thyssen-Bornemisza Art Contemporary hinzu. Das Karlsruher Sammlermuseum kann nicht wie das Neue Museum Weserburg Bremen auf eine stringente Entwicklung zurück- und auf vielversprechende Zukunftsperspektiven vorausblicken. Aus unterschiedlichen Gründen haben Sammler ihre Kollektionen abgezogen. Alle fünf Gründungssammlungen verfügen heute über ihre eigenen Museums- und Ausstellungsräume: Auch die später hinzugekommenen, nicht aus Baden-Württemberg stammenden Sammlungen haben inzwischen allesamt ihre eigenen Schauräume. Von der ursprünglichen Idee und landespolitischen Absicht, die privaten Sammlungen in Karlsruhe zu konzentrieren, ist nicht viel geblieben.12 Zudem hat sich die Stimmung in der Kunstszene seither verändert: „Heute stößt man inzwischen kaum noch auf Verständnis, wenn private Schätze mit öffentlichen Geldern gepflegt und präsentiert werden“, so die Kulturjournalistin Adrienne Braun (2003).
3.3
T RÄGERSCHAFTEN S AMMLUNGEN
ÖFFENTLICHER UND PRIVATER
Im deutschsprachigen Raum sind staatliche Sammlungen und Museen traditionell Teil des öffentlichen Kulturbetriebs. Im Jahr 2010 sind in Deutschland 55 % der gesamten Museumsarten in öffentlicher Rechtsträgerschaft. Dazu zählen staatliche Träger, Kommunen, Landkreise oder andere Formen des öffentlichen Rechts wie z.B. öffentlich-rechtliche Stiftungen. 41,7 % befinden sich in privater Rechtsträgerschaft. Sie werden von Privatpersonen, privaten Stiftungen, Firmen und vor allem von Vereinen getragen. 3,4 % der Museen befinden sich in gemischter, also öffentlicher und privater Trägerschaft. Hier sind häufig Kooperationen zwischen Gebietskörperschaften und Vereinen anzutreffen (vgl. Institut für Museumsforschung 2011: 33). Diese Zahlen machen deutlich, dass neben der öffentlichen Hand das private und bürgerliche Engagement die zweite treibende Kraft für die Gründung und den Unterhalt von Museen und Sammlungen ist. Betrachtet man die Berichte des Instituts für Museumsforschung der letzten 18 Jahre, so zeigt ein Vergleich der statistischen Werte von 1993 und 2010, dass sich 11 FER steht für den Sammler Friedrich Emil Rentschler. 12 Der Sammler Friedrich E. Rentschler sagt, dass das Sammlermuseum in Karlsruhe heute ein Leihgeber-Museum geworden ist. Das MNK (Museum für Neue Kunst am ZKM) zeigt nun Themenausstellungen mit Leihgaben von den verschiedenen privaten Sammlungen. „Diese Entwicklung haben wir im Sammlerbeirat besprochen“, so der Sammler in einem Interview mit der Autorin am 2.4.2011 in Ulm.
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neben dem steten Wachstum musealer Einrichtungen besonders die private Rechtsträgerschaft im Bereich der Museen und Sammlungen stark erhöht hat. Wurden 1993 4.682 Museen, davon 506 Kunstmuseen, gezählt, so waren es im Vergleichsjahr 2008 bereits 6.281, davon 660 Kunstmuseen (vgl. Institut für Museumskunde 1994: 30 und Institut für Museumsforschung 2011: 20). Das bedeutet eine Steigerung von 34,2%, die Zahl der Kunstmuseen hat sich dabei um 30,4% erhöht. Interessant ist der Vergleich der privaten Trägerschaft: 1993 waren 33,3% der Museen in privater Trägerschaft, 2010 waren es 41,5%. Innerhalb der letzten 18 Jahre ist der Anteil der privaten Trägerschaft um 8,4 % gestiegen. Untersucht man die Zusammensetzung der nicht öffentlichen Rechtsträgerschaft im Detail, so zeigt sich, dass Privatpersonen (+ 23,4%) und im Speziellen die Stiftungen privaten Rechts mit 147 % außerordentlich zugenommen haben.13 Die nachfolgende Tabelle stellt diese Tendenz, die alle Museumsarten umfasst, übersichtlich dar: Tabelle 3: Vergleich der statistischen Werte von 1993 und 2010 Museen in privater Trägerschaft (alle Museumsarten) Vergleich der statistischen Werte von 1993 und 2010
Jahr
Museen
Kunstmuseen
Museen gesamt: Anteil privater Trägerschaft
Stiftungen privaten Rechts
Privatpersonen
1993
4682
506
33,3 %
51
372
2010
6281
660
41,7 %
126
459
Entwicklung (%)
+ 34,2
+ 30,4
+ 8,4
+ 147
+ 23,4
Quelle: Eigene Darstellung nach Institut für Museumskunde 1994 und Institut für Museumsforschung 2011
Rechtliche und finanzielle Grundlage zahlreicher privater Museumsgründungen und öffentlicher Privatsammlungen stellt die steuerbegünstigte gemeinnützige Stiftung dar (Mecking 2002, John / Kopp-Sievers 2003, Maurer 2004, Bundesverband Deutscher Stiftungen 2001, 2008). Im Stiftungswesen unterscheidet man zwischen Stiftungen bürgerlichen Rechts, die den Bestimmungen des im BGB geregelten Privatrechts unterliegen, und Stiftungen öffentlichen Rechts, die in staatliche Organisationen eingegliedert sind. In der Praxis dominieren Stiftungen bürgerlichen Rechts. Zentrale juristische Merkmale einer Stiftung sind der Stifterwille, der auf Dauer an-
13 Verteilung nach privater Trägerschaft im Jahr 1993: Vereine: 965, Gesellschaften: 169, Stiftungen privaten Rechts: 51, Privatpersonen: 372. Im Jahr 2010: Vereine: 1749, Gesellschaften: 274, Stiftungen privaten Rechts: 136, Privatpersonen: 459. Daraus ergibt sich eine prozentuale Erhöhung: Vereine: plus 81,2%, Gesellschaften: plus 62,1%, Stiftungen privaten Rechts: plus 166%, Privatpersonen: plus 23,4%. Vgl. Institut für Museumskunde 1994: 40 und Institut für Museumsforschung 2011: 30.
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gelegte Stiftungszweck, die Vermögensausstattung, die in angemessener Relation zum vorgesehenen Stiftungszweck stehen muss, und eine selbständige Stiftungsorganisation. In der vergangenen Dekade hat die Organisations- und Rechtsform der Stiftung einen nachhaltigen Bedeutungszuwachs erfahren. Der Gesetzgeber hat mit sukzessiven Verbesserungen der steuerlichen und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen eine Reihe von Anreizen für die Gründung neuer Stiftungen geschaffen. So haben sich die Reformen des deutschen Stiftungsrechts der letzten Jahre positiv auf das private bürgerschaftliche Engagement ausgewirkt.14 Angesichts zunehmender finanzieller Engpässe der öffentlichen Hand15 unterstützen private Stiftungen den Staat in seiner traditionellen Aufgabe der Versorgung der Menschen auf den Gebieten Gesundheit, Sport, Wissenschaft und vor allem im Bereich Kunst und Kultur. Das belegen nach einer Mitteilung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen auch die Neugründungen im Jahr 2010: Von rund 800 neuen Stiftungen widmen sich 20% der Kunst und Kultur (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2011: 92). In der Kunstförderung kommt somit Einzelpersonen eine stetig steigende Bedeutung zu. Es lässt sich beobachten, dass immer mehr engagierte und wohlhabende Bürger den Staat in seinem öffentlichen Kulturauftrag unterstützen. Ein Blick auf die historische Rückschau in Kapitel 2 erlaubt die Vermutung, dass sich das bürgerliche Kunstengagement von kollektiven Formen des 19. Jahrhunderts hin zu individuellen Initiativen verschoben hat. Sowohl die Zunahme öffentlicher Privatsammlungen als auch der stete Zuwachs von Stiftungsgründungen sind Beleg dafür.16 Schon Hermsen (2002: 222) hat in Bezug auf die Kunstförderung festgestellt, dass weder die selbstlosen Mäzene noch das Mäzenatentum ausgestorben sind, sondern sich durch veränderte Gesellschaftsstrukturen neue und veränderte Varianten des Kunstengagements ergeben haben. „Es wird ein Potenzial an Einsatzvielfalt und Variabilität [...] erschlossen, das in älteren Gesellschaften undenkbar gewesen wäre.“ Die Sammler und Stifter von heute legen Wert auf Autonomie und Souveränität. Sie wollen ihre private
14 Bundestagspräsident Norbert Lammert wies in seiner Rede im Rahmen der Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes 2006 darauf hin, dass eine politische Initiative selten so schnell und in einem so hohen Ausmaß die erhofften Veränderungen erzeugt hat, wie das für die Änderungen des Stiftungssteuerrechts nachweisbar ist (vgl. Lammert 2007: 11). 15 Es muss festgehalten werden, dass die Kürzungen der Kulturhaushalte nicht ausschließlich der angespannten Haushaltslage und dem allgemeinen Sparzwang zu schulden sind. Der Rückgang der Kulturausgaben ist Folge einer Prioritätensetzung und eine faktische Entscheidung der Politik gegen die Förderung von Kultur. Der Anteil der Kulturausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist von 2001 bis 2004 von 0,41 % auf 0,36 % um mehr als 10 % gesunken (vgl. Otto 2006). 16 Während in der Dekade von 1951-1960 im Bereich Kunst und Kultur 22,6 Stiftungen gegründet wurden, waren es in der vergangenen Dekade 839,6 Stiftungen. Vgl. dazu: Bundesverband Deutscher Stiftungen 2011: 102. Die Statistik der gewichteten Hauptgruppen der Stiftungszwecke in Dekaden seit 1951 zeigt für den Bereich Kunst und Kultur folgende Entwicklung: 1951-1960: 22,6 / Gesamt: 266; 1961-1970: 36,9 / Gesamt: 417; 1971-1980: 93,3 / Gesamt: 611; 1981-1990: 244,1 / Gesamt: 1.308; 1991-2000: 590,2 / Gesamt: 3.070; 2001-2010: 839,6 / Gesamt: 4.975.
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Kunstförderung ohne Verbindlichkeiten gegenüber Dritten verfolgen und nur jene Projekte und Künstler unterstützen, die ausschließlich ihrem persönlichen Geschmack und ihren ästhetischen Vorstellungen entsprechen. Mit den neuen gesetzlichen Grundlagen schafft die öffentliche Hand im Gegenzug monetäre Vorteile für beide Seiten. Mit ihrem Kapital erhöhen die Stifter das gemeinnützige Vermögen und erhalten dafür „aus gutem Grund Steuerbegünstigungen“ (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2007: 27). Mit der Errichtung einer Stiftung als Trägerin einer öffentlichen Privatsammlung werden private Kunstwerke der Allgemeinheit zugänglich gemacht und erweitern so das staatlich geförderte kulturelle Angebot. Die persönliche Bereicherung, die jeder Besucher einer privaten Kunstinitiative dadurch erhält, ist Folge eines ausschließlich privaten Engagements. Privatsammler, die ihren qualitätvollen Kunstbesitz und ihre finanziellen Ressourcen für das Gemeinwohl nutzbar machen, lassen die Allgemeinheit an ihrer persönlichen Begeisterung für und ihrer Freude an der Kunst teilhaben. Frieder Burda formuliert das so: „Es ist mir wichtig, meine [...] Leidenschaft, die ich für die Kunst empfinde und ebenso aus ihr beziehe, mit den Menschen teilen zu können, und ihnen – auch wenn es nur für einen Moment ist – das Glück, das mir widerfahren ist, weitergeben zu können“ (zit. nach Adriani 2009: 22)
3.4
B ESONDERHEITEN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
Im folgenden Abschnitt wird auf die Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen eingegangen. Am deutlichsten lassen sich die spezifischen Merkmale als Unterschiede zu öffentlichen Museen beschreiben. Neben Thesen und Einschätzungen der einschlägigen Fachliteratur wird hier auch auf Erfahrungen aus der Praxis Bezug genommen. Öffentliche Privatsammlungen und öffentliche Museen werden von gegensätzlichen Ausrichtungen geprägt: Staatliche Museen vertreten das Objektive, private Sammlungen leisten sich Subjektivität. Der Sammler Axel Haubrok sagt dazu: „Sammler können sich etwas leisten, was die öffentliche Hand sich nicht mehr leisten kann, nämlich Subjektivität. Öffentliche Sammlungen werden dagegen immer gleicher. Kunstgeschichtlich abgesicherte Positionen dominieren“ (zit. nach Kreibohm 2004).
Im Vergleich zu öffentlichen Museen folgen private Sammlungen anderen Gesetzmäßigkeiten. Während ein kommunales oder staatliches Museum einen klaren öffentlichen Auftrag zu erfüllen hat, sind Privatsammler nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Öffentliche Privatsammlungen sind nicht verpflichtet, die traditionellen Kernaufgaben eines staatlichen Museums – Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln – wahrzunehmen. Allerdings orientieren sich die meisten privaten Kunstinitiativen dennoch an den klassischen Museumsaufgaben und den weltweit anerkannten „Ethischen Richtlinien für Museen des Internationalen Museumsrates ICOM“. Das mag der Anlass sein, warum Karlheinz Schmid zum Schluss kommt, dass viele Privatmuseen im Grunde „wie öffentliche funktionieren“ (Lindinger / Schmid 2008: 125).
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Die Basis eines jeden Museums ist seine Sammlung. Das Sammeln von Kunst bedeutet kulturelles und soziales Handeln, unabhängig davon, ob privat oder öffentlich gesammelt wird. Mit dem Erwerb von Kulturgütern entsteht gleichzeitig auch eine Verpflichtung und Verantwortung gegenüber dem Kunstwerk, dem Künstler und der Allgemeinheit. Selbstverständlich kann ein Sammler mit seinem persönlich erworbenen Kunstbesitz tun, was er möchte. Es gilt jedoch das ungeschriebene Gesetz, dass zentrale Werke der Kunstgeschichte ein gewisses Recht auf Öffentlichkeit haben.17 Öffentliche Privatsammlungen nehmen diese Verantwortung ernst und führen das Bekenntnis der staatlichen Museen der öffentlichen Zugänglichkeit von Kunst fort. Der Sammler teilt und gibt damit das Vorrecht der alleinigen Betrachtung seiner Kunstwerke auf. Um seine Sammlung anzuschauen, muss er in seine öffentlichen Kunsträume gehen. Die Kunstwerke, die im privaten Umfeld keinerlei Hierarchie und Bewertung unterliegen, verlieren mit der öffentlichen Präsentation ihre private Intimität und erhalten einen öffentlichen Status. Mit der allgemeinen Präsentation wird eine Privatsammlung zugleich auf den öffentlichen Prüfstand gestellt. Die öffentliche Rezeption kann auch zu Kritik, Neid und Missgunst führen. Denn privates Sammeln von Kunst ist ursprünglich eine von persönlichen Neigungen und Interessen bestimmte Tätigkeit, die im Licht der Öffentlichkeit diskutiert und mit neuen und differenzierten und objektiveren Maßstäben bewertet wird. Der Sammler Paul Maenz sagt dazu: „Angenehmerweise hat der sammelnde Privatmensch keinerlei Pflichten; er hat keine Chronistenpflicht, muss nichts beweisen oder vor der Geschichte Recht behalten. Wenn er will, darf er mit der Kunst sogar Unfug treiben. Einzig seine Vorlieben, sein Erkenntnishorizont und die verfügbaren Mittel bestimmen Natur und Format privater Sammlungen. Alle Verstiegenheiten und Ambitionen sind erlaubt. Macht sich eine Sammlung öffentlich, so verlässt sie die Sphäre privater Intimität, wird Gegenstand kritischer, vergleichender Betrachtung und ist, jenseits der Eigentumsverhältnisse, eben nicht mehr privat. Die inneren Kriterien stellen sich äußeren, und die Immunität der Sammlung ist aufgehoben“ (zit. nach Lindinger / Schmid 2007: hinteres Cover).
Im Bereich des Sammelns zeigt sich einer der deutlichsten Unterschiede zu öffentlichen Museen. Eine öffentliche Privatsammlung hat einen persönlichen Charakter und zeugt von der Handschrift ihres Besitzers. Die Sammlung ist Ausdruck seines individuellen künstlerischen Geschmacks und seiner Vorlieben. Öffentliche Sammlungen hingegen müssen sachlich definierte Sammlungsstrategien verfolgen: Sie haben den Auftrag, bestimmte Epochen und Sammlungsgebiete wissenschaftlich fundiert und umfassend zu dokumentieren. Während Museumsdirektoren öffentlicher Häuser der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet sind, haben private Sammler ihre Ankäufe vor niemandem zu rechtfertigen. Motive und Methoden beruhen ausschließ-
17 Man sei an jene Situation im Jahr 1990 erinnert, als der japanische Sammler Ryoei Saito das „Bildnis des Dr. Gachet“ von Vincent van Gogh für 82,5 Millionen Dollar erwarb. Der Besitzer sorgte mit seiner Aussage, das damals teuerste Gemälde der Welt solle nach seinem Tod mit ihm eingeäschert werden, für internationales Aufsehen und erzürnte Proteste der Kunstwelt. Der Sammler verstarb 1996. Wo sich das Kunstwerk heute befindet, konnte nicht eruiert werden.
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lich auf persönlichen Entscheidungen, unabhängig davon, ob Kunstwerke mit Leidenschaft erworben werden oder ob Profitdenken im Vordergrund steht. Anders als öffentliches Sammeln wird privates Sammeln stärker vom Gefühl geleitet, sagt Harald Falckenberg (2007: 125), einer der bekanntesten Privatsammler Deutschlands: „Sammeln hat viel mit Emotion und Leidenschaft zu tun, und das verstellt bekanntlich den klaren Blick.“ Im öffentlichen Museum hingegen wird „mehrhändig gesammelt [...], neutral, verantwortungsbewusst und [...] mit Distanz zum unruhigen Marktgeschehen“, so Grasskamp (2002a: 68). Diese Distanz zum unruhigen Marktgeschehen und folglich dem aktuellen Kunstschaffen scheint die öffentlichen Museen aktuell vor große Schwierigkeiten zu stellen. Denn die Lücke in der musealen Präsentation zeitgenössischer Kunst wurde von den öffentlichen Privatsammlungen, die sich zum Großteil der Kunst der Gegenwart widmen, rasch geschlossen. Wenn den staatlichen Häusern „nun auch der Glamour der Moderne verloren geht [...] und anderswo aktuellere Sammlungen in übersichtlichen und angenehm zu konsumierenden Kontexten geboten werden, wie soll sich das [öffentliche, d.V.] Museum mit seinem spröden Charme dagegen noch behaupten?“ fragt Grasskamp (2002a: 67). Während öffentliche Privatsammlungen unbekümmert auf junge Künstler setzen dürfen und aufgrund ihrer Unabhängigkeit und ihrer ungleich größeren finanziellen Möglichkeiten zeitgenössische Kunstwerke spontan ankaufen können, muss ein öffentliches Museum „eine gewisse zeitliche Distanz [...] [wahren, d.V.], um einschätzen zu können, welche Künstler in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum ein wichtiges oder gar ein bedeutendes Werk zu schaffen“, so der Deutsche Museumsbund (2010: 33). Die zeitversetzte Erwerbungspolitik der staatlich subventionierten Museen bringt aber in der Regel den Nachteil sehr hoher Preise mit sich. „Die Magersucht der öffentlichen Kassen“ (Staeck 2002: 93) führt dann oft dazu, dass staatliche Museen kaum noch in der Lage sind, hochkarätige Werke zeitgenössischer Kunst anzukaufen.18 Öffentliche Privatsammlungen profitieren davon, dass die staatlichen Museen nicht in demselben Ausmaß zu sammeln vermögen. Oft fehlen dazu nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch der Rückhalt der Politik und der Kulturverwaltungen. Entscheidungen über Ankäufe können lange dauern. Direktoren öffentlicher Museen müssen für gewöhnlich auf Ankaufsgremien und bürokratische Verwaltungsabteilungen Rücksicht nehmen. Aus diesem Grund haben Privatsammler und ihre öffentlichen Kunstinitiativen großen Einfluss am Kunstmarkt erhalten und sind heute zu gewichtigen Partnern der Künstler und der Galerien geworden. So ist Wimmer (2009: 10/11) davon überzeugt, dass „für die Karrieren von Künstlerinnen und Künstlern […] die Vermarktung der eigenen Kunst im Hinblick auf die Erwerbungspolitik privater Sammlerinnen und Sammler entscheidender ist als die kunsthistorische Anerkennung durch öffentliche Museen“. Damit manifestiert sich auch die Be-
18 Als Beispiel sei hier folgender Vergleich angeführt: Im Jahr 2002 wurde bei Christie's in London eine Fotoarbeit von Andreas Gursky für knapp 550 000 Dollar verkauft. „Das sind rund 100.000 Euro mehr als den drei Münchner Pinakotheken zusammen als Jahresankaufsetat zur Verfügung steht“ (Kipphoff 2003).
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deutung der öffentlichen Privatsammlungen für die Kunstproduktion und Kunstpräsentation der Gegenwart. Die Privatsammler und ihre öffentlichen Kunsträume haben sich als Trendmacher des aktuellen Kunstgeschehens etabliert. Peter Weibel (2007: 40) erklärt dazu: „Der Kunstmarkt besteht heute hauptsächlich aus Privatsammler(innen) und Privatinstitutionen. Sie sind die einzigen Global Players im Spiel der Märkte. Sie treiben die Preise hoch und bestimmen damit den Wert der Künstler(innen). Da die Kennerschaft der Privatsammler(innen) sehr schwankend ist, werden oft private Vorlieben zu öffentlichen Werten.“
Neuerwerbungen von Privatmuseen haben daher enorme Signalwirkung. Die Präsentation neu angekaufter Kunstwerke im öffentlich zugänglichen Privatmuseum nobilitiert die Exponate und lässt ihren Wert steigen. Das freut die Künstler, die Galeristen und auch die Sammler. Diese Entwicklung lässt sich durchaus mit Szenarien an der Börse vergleichen. Steigt ein Trendsetter in ein neues Produkt ein, erhöht sich die Attraktivität und die Nachfrage dieses Produkts. Folglich steigen die Preise und die Notierungen werden höher. Das opportunistische Agieren am Kunstmarkt hat Peter Raue (2010: 49) kritisch beleuchtet. Genau wie Weibel ist auch er davon überzeugt, dass der Kunstmarkt von einigen wenigen Akteuren bestimmt und dominiert wird. „In wenigen Wochen“, so Raue, können Galeristen und große Kunstsammler „Künstlerinnen und Künstler zu höchstbezahlten Weltstars“ machen. Haben die Werke dieser Künstler ein hohes Preisniveau erreicht, dann wird über Qualität nicht mehr diskutiert. Denn „was teuer ist, ist gut“. Auf diese Weise entsteht nach Raue eine Markthörigkeit, die jede Auseinandersetzung über den Kunstwert der hoch gehandelten Kunstwerke im Keim erstickt. Sein Fazit lautet: „Mangels nachprüfbarer Qualitätskriterien definiert der Markt den Rang der Kunst und nicht die Kunst den Preis der Werke.“ Im Jahr 2002 hat der Privatsammler Axel Haubrok diese Marktmechanismen im institutionellen Museumsrahmen öffentlich vorgeführt. Im Museum Abteiberg Mönchengladbach wurde seine Sammlung unter dem Titel „No Return“ gezeigt. Eine Ausstellung in einem renommierten öffentlichen Museum ist nicht nur für die beteiligten Künstler, sondern auch für die Galerien, die die Künstler vertreten, von hohem Wert. Diesen roten Faden aufnehmend, lud der Sammler seine Galeristen ein, im begleitenden Ausstellungskatalog über die Bedeutung ihrer Künstler zu schreiben und Vorschläge für neue Ankäufe für die Sammlung Haubrok zu unterbreiten. Durch diesen Schachzug thematisierte der Sammler die Strategien und Strukturen des Marktes und machte den Katalog eines öffentlichen Museums zu einem Werbemittel für seine Galeristen und die Künstler seiner Sammlung (vgl. Haubrok 2002). Die Thematisierung des Kunstmarktes und seiner spekulativen Mechanismen der Wertsteigerung von Kunst macht einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen öffentlichen Privatsammlungen und öffentlichem Museen deutlich: die Veräußerlichkeit von Sammlungsobjekten. Eine private Einrichtung kann aus seiner Sammlung jederzeit Kunstwerke veräußern. Der private Museumsgründer ist in seiner Entscheidung völlig frei, sich von Exponaten wieder zu trennen, unabhängig davon, ob Werke aus persönlichen, sammlungsspezifischen oder spekulativen Gründen verkauft werden. Für ein öffentliches Museum ist der Verkauf von Kunstwerken selbst bei
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einer grundlegenden Änderung des Sammlungskonzeptes undenkbar. Denn staatliche „Museen sind Schatzhäuser des unveräußerlichen Kulturbesitzes der zivilen Gesellschaft“ (Deutscher Museumsbund 2007a: 42). Indes fordern politische Mandatsträger und Teile der kunstinteressierten Öffentlichkeit immer wieder den Verkauf von Kunstwerken aus den übervollen öffentlichen Depots. So wie Privatsammler Teile ihrer Sammlung verkaufen und den Erlös in Neuerwerbungen investieren, so könnte die Abgabe von Kulturgut auch für die öffentlichen Museen eine Chance bieten, ihr niedriges Ankaufsbudget zu erhöhen.19 Roland Nachtigäller (2010: 5), Leiter des Marta Herford, wehrt sich vehement gegen diese Forderung: „Die derzeit noch vorhandene moralische Hemmung in Deutschland, Werke aus dem Museum zur eigenen Existenzsicherung zu verkaufen, ist eine wichtige Versicherung dagegen, zum Spielball finanzieller Abenteuer in den Kommunen zu werden.“
Während private Museumsgründer Kunstwerke veräußern und damit durchaus hohe Gewinne erzielen können, müssen bei staatlichen Museen „musealer Auftrag und die Dynamik des spekulativen Kunstmarkts [...] größtmögliche Distanz wahren“, meint Nachtigäller. Neben subjektiven Sammelstrategien und der Veräußerlichkeit von Sammlungsobjekten verfügen öffentliche Privatsammlungen auch über die Freiheit, Kunstwerke nach den persönlichen Vorstellungen und Vorlieben des Sammlers zu präsentieren. Udo Kittelmann (2001), ehemals Direktor des Museums für Moderne Kunst, Frankfurt am Main stellt dazu fest: ”Es sind vorzugsweise private Kunsträume, die Möglichkeiten zu experimentellen Ausstellungen bieten, weil sie gänzlich frei sind von institutionellen Bedingungen und Zwängen.“
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts herrscht im institutionellen Museumskontext Konsens über Methoden kunsthistorischer Hängepraxis.20 Als verbindliche Form der Präsentation von Kunst wird ein neutraler Untergrund, eine einheitliche Beleuchtung, eine Positionierung in Augenhöhe eines erwachsenen Betrachters und ein „ästhetischer Sicherheitsabstand“ (Grasskamp 1981: 25) zwischen den Werken angesehen. Um Beziehungen zwischen einzelnen Werken aufzuzeigen, werden die Exponate nach chronologischen Aspekten, nach Zugehörigkeit zu Schulen oder künstlerischen Gruppierungen sowie nach formalen oder inhaltlichen Bezügen geordnet.21 Während
19 Im Zuge dieser Diskussion hat der Deutsche Museumsbund ein Positionspapier zur Abgabe von öffentlichem Museumsgut herausgegeben (vgl. Deutscher Museumsbund 2010). Vgl. auch Boll 2010. 20 Während im 19. Jahrhundert noch wandfüllende und flächendeckende Präsentationsformen von Gemälden üblich waren, hat das frühe 20. Jahrhundert das Kunstwerk von störenden Kontextmarkierungen befreit und die Einzelpräsentation durchgesetzt (vgl. O’Doherty 1996). Mit der isolierten Präsentation der Werke wurde die Wahrnehmungsmöglichkeit der Objekte entscheidend verändert. Wolfgang Kemp (1987b: 223) hat diese neuen Prinzipien als die letzte große Revolution im Bereich der musealen Gestaltung genannt. 21 Die Gliederung nach Schulen ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Im Louvre wurde bereits ab etwa 1750 eine historische Hängung praktiziert. „Dieses auch als rationale Hängung bekannte Prinzip setzte die einzelnen Bilder in den Ablauf der historischen Chro-
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sich staatliche Museen allgemein an diese tradierten Formen der Präsentation von Kunstwerken halten, sind in öffentlichen Privatsammlungen oftmals gänzlich andere Ausstellungsgestaltungen anzutreffen. Karl-Heinrich Müller hat beispielsweise auf der Insel Hombroich Kunstwerke verschiedener Stile, Genres und Epochen in spannungsreiche Gegenüberstellungen gebracht. Bauhaus-Möbel finden sich neben Stühlen der Ming-Zeit oder afrikanische Masken neben Radierungen von Rembrandt. So wie der Sammler und Museumsgründer in der Auswahl der Kunstwerke aus der Sicht eines Kunsthistorikers eines staatlichen Museums eher unorthodox vorgeht, so wählt er auch in der Präsentation seiner Kollektion völlig neue Wege: Die Kunstwerke werden in unterschiedlichen offenen Pavillons gezeigt, in denen es keine „Aufseher“, keine Klimatisierung, kein elektrisches Licht, keine Beschriftung und keine Erklärungen gibt. Um die gesamte Ausstellung zu sehen, müssen die Besucher durch eine idyllische Auenlandschaft zu den von Erwin Heerich erbauten Pavillons wandern. Wie kaum an einem anderen Ort gehen in der Stiftung Insel Hombroich Kunst, Architektur und Natur eine ganz spezielle Synthese ein. Der Besuch dieser privaten Kunsteinrichtung ist daher ein besonderes Erlebnis und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von klassischen Museumsbesuchen. Genauso wenig wie Müller denkt auch der Berliner Sammler Axel Haubrok in strengen kunsthistorischen Kategorien und traditionellen Präsentationskontexten. In seiner Ausstellung „B Sharp“ zeigte er beispielsweise ausschließlich Künstler seiner Sammlung, deren Namen mit dem Buchstaben B beginnen. Ein anderes Projekt trug den Titel „1,82“. Die Körpergröße des Sammlers war hier das Maß aller Dinge: Alle Werke wurden genau auf dieser Höhe angebracht (vgl. Kuhn 2010). Diese unkonventionellen Darbietungen machen mitunter auch das Spezifische von privaten Einrichtungen aus. Für das Publikum stellen diese neuartigen Ausstellungsformen eine willkommene Abwechslung zu den oftmals sehr akademischen Präsentationen staatlicher Museen dar. Öffentliche Privatsammlungen bieten individuelle Blicke auf die Gegenwartskunst und öffnen die gängige museale Ausstellungspraxis. Neben ihrer Souveränität in der Art und Weise der Ausstellungsgestaltung genießen öffentliche Privatsammlungen auch finanzielle und politische Unabhängigkeit. Gijs van Tuyl (1997: 100), Gründungsdirektor des von einer privaten Stiftung getragenen Kunstmuseums Wolfsburg, unterstreicht, „dass ein Stiftermuseum eine wunderbare Konstellation ist. Es ist eine unabhängige Institution, die sich ohne politische oder direkte wirtschaftliche Einflüsse für die Kunst einsetzen kann.“
Anders als staatliche Museen, die der öffentlichen Hand, ihren Sparzwängen und oftmals auch politischer Einflussnahme unterliegen, sind private Sammlungen frei von allen bürokratischen Zwängen. Die finanzielle und organisatorische Souveränität bringt den Vorteil mit sich, dass Ausstellungsprogramme nicht von kaufmännischen
nologie und den Kontext der jeweiligen Malerschulen und lieferte somit eine frühe Vorform kunstgeschichtlichen Denkens.“ Walter Grasskamp (1981: 25) hat gezeigt, dass diese Präsentationsform als expliziter Bildungsauftrag verstanden wurde und auf die Besucher belehrende Wirkung ausüben sollte.
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Interessen abhängig sind. Fern der Notwendigkeit, kommerziellen Gewinn oder spektakuläre Besuchszahlen erzielen zu müssen, können Privatsammler in ihren Kunstrefugien Inhalte und Themen allein nach eigenen Vorlieben und ihren finanziellen Möglichkeiten ausrichten. Private Museumsgründer sind oftmals erfolgreiche Unternehmer. Das Management ihrer Kunsthäuser orientiert sich ganz selbstverständlich an den Strategien und Instrumentarien der Betriebswirtschaft ihres Unternehmens und passt diese den spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen ihres Museums an. Öffentliche Privatsammlungen sind demnach stärker in der Tradition amerikanischer Museen mit ihrer wirtschaftlich ausgerichteten Organisationsstruktur und ihrer ausgeprägten Besucherorientierung zu sehen. Eine weitere Besonderheit von privaten Sammlungen liegt daher in der Unternehmensführung, der Selbstverständlichkeit, managementgeleitete Formen der Führung und Verwaltung in ihren Museen zu praktizieren. Ähnlich wie in ihren erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen sehen die Sammler die Museumsbesucher als Kunden und Umsatzträger, die zur Finanzierung der Kosten beitragen und durch außergewöhnliche Dienstleistungen und hohe Servicequalität gebunden werden. Öffentliche Museen hingegen scheinen sich erst seit der Knappheit der öffentlichen Kassen und der damit einhergehenden Notwendigkeit, eigene Finanzmittel zu akquirieren, auf ihr Publikum zu konzentrieren. In Zeiten hoher Konkurrenz am Freizeitmarkt und gestiegener Publikumsansprüche passt das moderne und serviceorientierte Privatmuseum, so die Meinung von Grasskamp (2002a: 67), „viel besser in den Wahrnehmungshorizont der Konsumgesellschaft als das [öffentliche, d.V.] Museum mit seiner Jugendherbergsatmosphäre des historischen Bewusstseins“. Zwei weitere typische Merkmale öffentlicher Privatsammlungen sind ihre häufig aufsehenerregenden Architekturen und ihre Standorte. Es lässt sich die Tendenz erkennen, dass zahlreiche Privatsammlungen außerhalb urbaner Zentren gegründet werden und durch zeitgenössische, extravagante Neubauten auffallen. Hofmann (2007: 5) beschreibt, dass in der Museumsszene allgemeiner Konsens darüber herrscht, dass „zur Erhaltung der positiven Grundstimmung in der Bevölkerung das äußere Erscheinungsbild der einzelnen Häuser so positiv wie möglich sein sollte“. Gründer von öffentlichen Privatsammlungen beherzigen diese Tatsache, denn sie erwarten für die von ihnen gesammelte Kunst einen adäquaten und außergewöhnlichen Rahmen. Daher haben eine Reihe international renommierter Architekten in den letzten Jahren privat finanzierte Ausstellungshäuser gebaut. Eines der ersten Privatmuseen wurde von der ehemaligen Galeristin Ingvild Goetz im Jahr 1993 in München ins Leben gerufen. Die Sammlerin engagierte das damals noch völlig unbekannte Schweizer Architektenteam Jaques Herzog und Pierre de Meuron und wurde damit Auftraggeberin einer Ikone der zeitgenössischen minimalistischen Architektur. Das Münchner Privatmuseum hatte Vorbildcharakter, woraufhin eine Reihe weiterer Privatsammler spektakuläre Museumsneubauten errichtete: Frieder Burda engagierte den amerikanischen Stararchitekten Richard Meier für seinen Museumsbau in BadenBaden, Renzo Piano entwarf die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel und Tadao Ando zeichnet für die Langen Foundation auf der Museumsinsel Hombroich verantwortlich. Alle diese Beispiele sind architektonische und kulturelle Landmarks, die sich durch ihre Positionierung und ihre Standorte auszeichnen. Dass die Einbettung in Na-
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turlandschaften ein weiteres Kennzeichen von öffentlichen Privatsammlungen darstellt, beweist die Fülle international angesehener privater Kunstinitiativen, die in den letzten Jahren in der Provinz gegründet wurden. So scheint Paul Cézannes’ oft zitierte Devise „Kunst – eine Harmonie parallel zur Natur?“ selbst nach 100 Jahren noch immer ihre Gültigkeit zu haben. Überdies scheint auch das Publikum begeistert zu sein, wenn sich Kunst und Natur harmonisch verbinden. Das wusste auch schon Knud W. Jenson, der 1958 das Louisiana Museum 35 km nördlich von Kopenhagen eröffnete. „In Kopenhagen gab es schon zwanzig Museen, ich wollte nicht das einundzwanzigste werden. […] Ich wollte ein Ausflugsmuseum machen, [denn, d.V.] jeder hasst am Wochenende die Großstadt, die Leute wollen raus aufs Land“ (zit. nach Sager 1991: 159).
Zur gelungenen Verbindung von Kunst und Natur sagte der Museumsgründer Jensen: „Natürlich macht die Atmosphäre hier offener, aufnahmebereiter. Immer ein Ausgang in der Nähe, ein Stück Rasen, ein sicherer Hafen für die Augen. Man muss nicht unbedingt mit den wilden Tieren im Museum kämpfen“ (zit. nach Sager 1992: 173). Genau wie Jensen sind auch die heutigen öffentlichen Privatsammler bemüht, internationale Avantgarde in qualitätvollen Ausstellungen fernab der großen urbanen Zentren zu zeigen. ”Wer sich wirklich für eine Ausstellung interessiert, nimmt auch eine längere Anreise in Kauf. Es kann nicht sein, dass Gegenwartskunst immer nur in den Metropolen stattfindet“, meint dazu Kunstmäzenin Ursula Blickle (2001), die seit zwanzig Jahren einen engagierten Kunstraum für zeitgenössische Projekte in Kraichtal im Landkreis Karlsruhe betreibt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich öffentliche Privatsammlungen aufgrund einer Reihe markanter Merkmale von öffentlichen Museen unterscheiden. Ob diese theoretisch herausgebildeten Besonderheiten auch als potenzielle Erfolgsfaktoren privater Sammlungen identifiziert werden können, soll mit dieser empirischen Erhebung überprüft werden. Wie die Darstellung in diesem Kapitel gezeigt hat, liegen grundsätzliche Unterschiede von öffentlichen Privatsammlungen zu öffentlichen Museen in folgenden Punkten: • in ihrer Subjektivität • im persönlichen Format ihrer Sammlungen • in ihrer wirtschaftlichen und politischen Autonomie • in ihrer Unabhängigkeit von institutionellen Zwängen und bürokratischen Strukturen • in ihren ungleich höheren finanziellen Mitteln und der daraus resultierenden Vorrangstellung am Kunstmarkt • in der Veräußerlichkeit von Sammlungsobjekten • in ihren unkonventionellen Ausstellungs- und Präsentationsformen • in ihren modernen Managementstrukturen • in der stärkeren Hinwendung zum Besucher und • in ihren außergewöhnlichen Architekturen und Standorten. Öffentliche Privatsammlungen genießen dadurch zahlreiche Vorteile, die auch in der Publikumsgunst zum Tragen kommen. Im Vergleich ergeben sich für staatliche Mu-
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seen daraus zwangsläufig etliche Defizite, die der ehemalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, Uwe Schneede, wie folgt beschreibt: „Weitgehend veraltete Strukturen, zu viel Verwaltung, zu viel Mitsprache von Politik und Administration, zu starres Haushaltssystem, zu wenig aktive Öffnung zum Publikum, zu wenig Selbständigkeit, zu wenig Leistungskontrolle und zu wenig Selbstbewusstsein im Umgang mit Mäzenen, Sponsoren und Privatsammlern“ (Deutscher Bundestag 2006: 9). Obzwar diese nüchterne Bilanz eines verdienten Museumsfachmannes für viele öffentlichen Museen nicht in vollem Umfang zutrifft, lassen sich daraus eine Reihe struktureller Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Sammlungen erkennen. Diese Tatsache wirft eine Reihe von unterschiedlichen kulturmanagerialen Themen auf, die im nächsten Kapitel zu einer zentralen Forschungsfrage zusammengefasst werden.
3.5
A BLEITUNG
DER
F ORSCHUNGSFRAGE
Es lässt sich beobachten, dass öffentliche Privatsammlungen mit ihren qualitätvollen Sammlungen und Ausstellungsprogrammen, ihrem jungen und dynamischen Image und ihrer hohen Servicebereitschaft außerordentlich große Erfolge und Anerkennung beim Publikum verbuchen können. Die Studie geht von der Annahme aus, dass private Museen und private Kunsträume aufgrund ihrer von öffentlichen Museen unterschiedlichen Erscheinungsformen erfolgreich sind. Darüber hinaus wird angenommen, dass der Erfolg öffentlicher Privatsammlungen neben ihren Besonderheiten in ihrer ökonomischen und publikumsorientierten Führung begründet liegt. Diese Untersuchung macht es sich zur Aufgabe, die spezifischen und maßgeblichen Faktoren zu bestimmen, die den Erfolg öffentlicher Privatsammlungen ausmachen. Es soll versucht werden, das Überindividuelle und das Gemeinsame zu erfassen, um zu erklären, worauf die Popularität der privaten Kunstinitiativen beruht. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich eine zentrale Forschungsfrage: •
Von welchen Faktoren ist der Erfolg öffentlicher Privatsammlungen abhängig?
Um diese Frage zu klären, steht zunächst die Analyse potenzieller Erfolgskriterien öffentlicher Museen gleichsam als Folie im Zentrum des nächsten Kapitels. Mit dieser Auseinandersetzung wird ein aktuelles kulturmanageriales und kunstwissenschaftliches Thema aufgegriffen, das seit einigen Jahren verstärkt in öffentlichen Museumskreisen diskutiert wird. Die nachfolgende Untersuchung beleuchtet den aktuellen Stand der Forschung und ermittelt einen Fundus qualitativer Bewertungskriterien öffentlicher Museen, die als theoretische und vergleichende Grundlage für die empirische Untersuchung der öffentlichen Privatsammlungen dienen.
4.
Was macht ein Museum erfolgreich? Eine methodische Analyse öffentlicher Museen
Neckel (2004: 63) definiert Erfolg als „eine positive Wirkung oder Folge von Handlungen und Entscheidungen“. Erfolg ist eine objektive oder subjektive Bewertung, die zumeist als Vergleich mit früheren Ergebnissen oder mit Leistungen von Mitbewerbern festgelegt wird. In der Betriebswirtschaft wird Erfolg allgemein mit dem Erreichen von wirtschaftlichen Zielen definiert. Bendixen (2001: 266) reduziert den Erfolg eines Unternehmens auf den Gewinn. Der Erfolg eines Betriebes „entscheidet sich auf der monetären Ebene“. Wirtschaftlichkeit und Produktivität sind seines Erachtens die maßgeblichen Erfolgsfaktoren. Im Museum lässt sich die Frage des Erfolgs allerdings nicht auf Gewinnmaximierung beschränken. Als Non-ProfitEinrichtung verfolgt das Museum qualitativ definierte, „mehrdimensionale und komplexe Zielsysteme“ (Horak 1997: 131). Als Sammlungs- und Ausstellungsinstitution, Forschungseinrichtung und Ort kultureller und ästhetischer Bildung verfügt das Museum über ein breit angelegtes Aufgabenspektrum. So reichhaltig die Aufgaben eines Museums sind, so vielfältig sind auch die Qualitäts- und Erfolgsparameter, mit denen diese Aufgaben bewertet werden können. Der Erfolg eines Museum ergibt sich daher aus der Summe unterschiedlicher Faktoren. Bis dato gibt es für die Beurteilung, wie Erfolg in einem öffentlichen Museum gemessen werden kann, keine objektiven und einheitlichen Maßstäbe. Ziel dieses Kapitels ist es, anhand der aktuellen Fachdiskussion und einschlägigen Literatur einen Fundus an Faktoren zu erarbeiten, die aus der Innensicht eines Kunstmuseums Relevanz für seinen Erfolg haben. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass Erfolg ein „mehrdimensionales Konstrukt“ (Abfalter 2008) ist, das von unterschiedlichen Anspruchsgruppen geprägt wird, denn ein öffentliches Museum hat mehrere Interessensgruppen (Stakeholder) zu bedienen. Als Stakeholder können die Trägerschaft (Eigentümer, Politik, kommunale oder staatliche Verwaltungen, Fördervereine, Sponsoren), die Mitarbeiter (vom Aufsichtspersonal bis zur Museumsleitung), die Museumsbesucher (heterogene Gruppe der Besucher, Noch-nicht-Besucher, Multiplikatoren, Schulen, Presse), die Lieferanten (Künstler, Galerien, Universitäten, Kunstakademien, Kooperations- und Geschäftspartner, institutionalisierte Vertretungen, andere Museen) und die Gesellschaft angesehen werden. Der Erfolg eines öffentlichen Museums ist von der Zufriedenheit der jeweiligen Anspruchsgruppen abhängig. Ein erfolgreiches Museum wird daher versuchen, die Bedürfnisse der unterschiedlichen Interessensgruppen in Einklang zu bringen und Ergebnisse zu erzielen,
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die alle Stakeholder begeistern. Die nachfolgende Darstellung fasst die verschiedenen Anspruchsgruppen eines öffentlichen Museums übersichtlich zusammen und definiert beispielhaft mögliche Faktoren, die für die Zufriedenheit der jeweiligen Gruppe ausschlaggebend sein könnten. Tabelle 4: Stakeholdergruppen eines öffentlichen Museums und mögliche Faktoren für ihre Zufriedenheit mit der Leistung eines Museums Erfolgreiches Museum
↓ Trägerschaft
Besucher
Lieferanten
Mitarbeiter
Gesellschaft
↓ Von welchen Faktoren ist die Zufriedenheit der jeweiligen Gruppe abhängig? ↓ - Hohe Besuchszahlen - Ausgeglichenes Budget - Sponsoren & Kooperationen - Image, Bedeutung - Hohe Medienpräsenz - Professionelle Wahrnehmung der Museumsaufgaben - Positionierung - Relevanz - Qualität - Gesamterfolg
- Qualitätvolle Ausstellungsund Begleitprogramme - Diversifiziertes Kunstvermittlungsangebot - Publikationen - Atmosphäre - Freundlichkeit des Personals - Zusätzliche Angebote (Architektur, Café, Shop) - Eintrittspreise, Ermäßigungen - Öffnungszeiten - Externe Kommunikation (Werbung, Website) - Infrastruktur,
Erreichbarkeit - Service
Quelle: Eigene Darstellung
- Professionelle Arbeitsbedingungen - respektvoller Umgang - Zuverlässigkeit - Liquidität - Renommee
- Gutes Arbeitsklima - Gute Entlohnung - Arbeitsbedingungen - Herausforderung - Eigenständigkeit und kreatives Arbeiten - Gestaltungsmöglichkeiten - Sicherer Arbeitsplatz - Interne Kommunikation - Leistungsbeurteilung - Klare Zielvorgaben - Akzeptanz, Anerkennung
- Bewahrung des kulturellen Erbes - Bildung - Innovation
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Diese schlagwortartige Aufstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigt, dass die Zufriedenheit der unterschiedlichen Interessengruppen und somit der Erfolg eines Museums von einer Reihe unterschiedlicher Determinanten abhängig ist, die aus einem Bündel verschiedener Leistungen und Angebote des Museums bestehen. Dass für die Beurteilung dieser Leistungen betriebswirtschaftliche Methoden der rein quantitativen Erfolgsmessung zu kurz greifen, soll im Folgenden dargestellt werden. Die Betriebswirtschaftslehre verwendet zur Messung ihrer Erfolgsfaktoren und zur Kontrolle der Erreichung von vereinbarten Zielen Kennzahlen oder Key Performance Indicators. Key Performance Indicators sind Schlüsselkennzahlen, die einen Überblick über die unternehmerische Leistung geben. Alle in einem Unternehmen ablaufenden Prozesse können anhand dieser Kennzahlen bewertet werden und lassen Abweichungen von den Zielvorgaben sofort erkennen. Das Management und Controlling eines Unternehmens kann auf diese Weise einzelne Projekte oder Abteilungen auf ihre Effektivität und Wirtschaftlichkeit hin untersuchen. Der Vorteil der Reduzierung von komplexen betriebswirtschaftlichen Prozessen auf einfache Indikatoren liegt in deren Vergleichbarkeit als Zahlenmaterial. Dennoch können die für den For-Profit-Sektor entwickelten Management-Instrumente und betriebswirtschaftlichen Bemessungsgrundlagen für den Non-Profit-Sektor im Bereich der Kultur nicht exakt übernommen werden. Die Messfaktoren im Bereich Wirtschaft – Zahlen, Gewinn, Return on Investment – sind mit denen der Kultur – Qualität, Innovation, Bildungsauftrag – nicht oder nur schwer vergleichbar. Am Beispiel von Besuchszahlen einer Ausstellung soll die Wichtigkeit zusätzlicher qualitativer Bewertung verdeutlicht werden: Werner Heinrichs (1997) hat anlässlich eines Symposions zum Thema „Macht Kultur Gewinn“ auf zwei konträre Standpunkte in der Auswertung von Besuchszahlen hingewiesen und damit die Schwierigkeiten in der erfolgreichen Beurteilung von Kunst zur Diskussion gestellt. Während für die Einen Erfolg mit hohen Besuchszahlen gleichgesetzt und somit quantitativ bewertet wird (Zahlen), wird Erfolg von Anderen mit der Zufriedenheit der Besucher gleichgesetzt und folglich qualitativ beurteilt (Qualität). Die erste Position geht von der Annahme aus, dass der finanzielle Erfolg direkt mit der Quantität der Rezeption zusammenhängt. Eine entsprechend gute Ausstellung führt zu entsprechend guter Resonanz und wird von einem breiten Publikum angenommen. Der Erfolg reduziert sich somit auf Publikumszahlen und Eintrittserlöse. Die zweite Position wehrt sich gegen die Verknüpfung von Quantität und Erfolg. Eine qualitativ hochwertige Ausstellung mit einem spezifischen Thema kann sich an eine kleine Schicht von Rezipienten wenden. Trotz niedriger Besuchszahlen und Einnahmen durch Eintrittsgelder kann diese Schau aber in ihrem Genre wegweisend und somit erfolgreich sein. Das quantitativ Messbare ist zumeist das Naheliegende. Daher greifen Kulturpolitiker oder Kuratoren publikumswirksamer Ausstellungen gerne auf diesen Faktor zurück. Selbstverständlich stellt die Zählung der Besucher einen wichtigen Indikator für Erfolg dar, denn diese Zahlen verdeutlichen, in welchem Umfang die Angebote eines Museums angenommen werden. „Sie können aber niemals das einzige Kriterium für die Bewertung der Qualität von Museumsarbeit oder gar das einzige Ziel dieser Arbeit sein“. So definiert die Fachgruppe „Kulturgeschichtliche Museen und Kunstmuseen im Deutschen Museumsbund“ den Umgang mit Besuchszahlen und hat
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dazu auf ihrer Herbsttagung 2005 in Braunschweig eine eigene Resolution verabschiedet.1 Auch Günter (2004: 20) fordert die Museen mit Nachdruck auf, sich gegen das „immer wieder von außen verwendete und vielfach missbrauchte Kriterium, Museen müssten sich an Besuchszahlen messen lassen“ zu wehren und „dringend andere Kataloge von Qualitätsmaßstäben und Leistungskriterien auf[zu]stellen, mit denen die Museen ihre wirkliche Leistung besser nach außen darstellen und damit zeigen können, warum und worin sie unverzichtbar sind“. Neben der Betrachtung von quantitativ formulierten Kennzahlen sind im Museum zusätzliche qualitative Maßstäbe als Leistungs- und Erfolgskriterien zu analysieren. Dafür scheint eine mulitperspektivische Sichtweise auf das komplexe Konstrukt Erfolg notwendig. Aus diesem Grund werden für die folgende methodische Analyse drei unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema Erfolg im Museum gerichtet: An erster Stelle stehen die institutionalisierten Vertretungen der deutschsprachigen Museumsbranche, die sich in jüngster Zeit verstärkt der Frage nach Qualität und Erfolg im Museum gewidmet haben. Danach werden die betriebswirtschaftlichen Instrumentarien Qualitätsmanagement und Benchmarking, die zur Erfolgsmessung und Qualitätssteigerung eingesetzt werden, vorgestellt. Der dritte Blick richtet sich auf die Bereiche des Kultur- und Museumsmanagements und die Frage, welche Faktoren für den Erfolg eines Museums maßgebend sind. Aus den Erkenntnissen dieser systematischen Untersuchung werden die zu vergleichenden Erfolgskriterien für die vorliegende Studie generiert. Die methodische Betrachtung ist in der anschließenden Tabelle schematisch zusammengefasst: Tabelle 5: Multiperspektivische Sichtweise auf „Erfolg im Museum“, Ablauf der Untersuchung Mulitperspektivische Sichtweise auf „Erfolg im Museum“
1 2
A: Sichtweise der institutionalisierten Vertretungen der deutschsprachigen Museumsbranche
B: Instrumentarien der Betriebswirtschaft zur Erfolgsmessung und Qualitätssteigerung
C: Perspektive des Kulturund Museumsmanagements
1. Deutscher Museumsbund
1. EFQM-Modell für Excellenz
1. Erfolgsfaktorenforschung
2. Museumsbund Österreich
2. Der exzellente Kulturbetrieb nach Klein (2007)2
2. Zehn Arbeitshypothesen des Museumsmanagements nach Dauschek (2001)
Vgl. http://www.museumsbund.de/fileadmin/fg_kultur/dokumente/Resolution_der_Herbsttagung.pdf (Zugriff 30.5.2010). Armin Klein ist Vorstand des Instituts für Kulturmanagement in Ludwigsburg. Seine Abhandlung „Der exzellente Kulturbetrieb“ bezieht sich in wesentlichen Punkten auf das EFQM-Modell für Excellenz. Daher wird diese Studie der betriebswirtschaftlichen Be-
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
3. Verband der Schweizer Museen
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3. Benchmarking
3. Erfolgsfaktoren für die Museumsarbeit nach Wiese (2010)
4. Erfolgsfaktoren für die touristische Internationalisierung von Museen nach WeberKainz (2005)
4. Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008)
5. Erfolgsfaktoren der Ausstellung „Das Moma in Berlin“ nach Chlebowski (2008) Quelle: Eigene Darstellung
4.1
E RFOLG AUS DER S ICHT INSTITUTIONALISIERTER V ERTRETUNGEN DER M USEUMSBRANCHE
Die institutionalisierten Vertretungen der deutschsprachigen Museumslandschaft haben sich in jüngster Zeit in unterschiedlichen Fachtagungen der wichtigen Frage gewidmet, wie Qualität und Erfolg im Museum bemessen werden können. Im Folgenden werden die aktuellen Debatten und Bewertungssysteme des Deutschen, des Österreichischen und des Schweizer Museumsbundes vorgestellt und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. 4.1.1
Der Deutsche Museumsbund
Der Deutsche Museumsbund wurde 1917 gegründet und ist der bundesweite Interessenverband aller Museen und der Mitarbeiter dieser Institutionen. In regelmäßiger Folge gibt der Deutsche Museumsbund die Publikation "Museumskunde" heraus, die jährlich als Schwerpunktthemenheft in zwei Ausgaben erscheint. Seit mehreren Jahren lässt sich eine intensive Beschäftigung des Interessenverbandes mit dem Thema Qualität und Erfolg von Museumsarbeit nachweisen. Die auf breiter Basis geführte Diskussion, die 1999 mit der Tagung „Qualitätsmanagement im Museum?!“3 begann, erreichte in den letzten Jahren einen Höhepunkt. In diversen Arbeits- und Jahrestagungen wurden methodische Aspekte des Managements und ihre Anwendbarkeit für Museen diskutiert, um institutionelle Standards für eine qualifizierte Museumsarbeit zu formulieren. Denn angesichts der zunehmenden Mittelknappheit äußert auch der
3
trachtungsweise zur Erfolgsmessung und Qualitätssteigerung und nicht der kulturmangerialen Perspektive zugeordnet. Als eines der ersten Museen in Deutschland lud das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum 1999 zu einer Tagung ein mit dem Titel „Qualitätsmanagement im Museum!?“.
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Deutsche Museumsbund die Besorgnis, dass kulturpolitische Entscheidungsträger einseitige und fachfremde Kriterien und Beurteilungsmaßstäbe für die museale Arbeit und somit für die Verteilung von Subventionen aufstellen könnten. Die Jahrestagung 2003 war der Frage „Benchmarking im Museum. Kontrollinstrument oder Entwicklungschance?“4 gewidmet. Die unterschiedlichen Autoren, die dieses Managementinstrument aus verschiedenen Perspektiven betrachtet haben, kommen zu dem Schluss, dass Benchmarking5 die Chance bietet, das Leistungsniveau musealer Aufgaben abzubilden, die nicht quantifizierbar sind. So entsteht durch die Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten nicht nur ein Bewusstsein für die eigene Leistung und Qualität, sondern es werden auch Instrumentarien geschaffen, die museale Arbeit nach außen hin besser zu vermitteln und zu legitimieren. Die Autoren stellen weiterhin fest, dass Benchmarking und Qualitätsmanagement unumgängliche Management-Werkzeuge sind, ohne die ein Museum heute nicht mehr auskommt.6 Sie können helfen, die zum Teil widersprüchlichen Aufgaben, die von der Gesellschaft an das Museum herangetragen werden, strukturell zu erledigen und die Museumsarbeit insgesamt zu professionalisieren. Die Diskussion um Qualitätskriterien musealer Arbeit bringt auch die Frage mit sich, wie Qualität gemessen und bewertet werden kann. Das zentrale Motto der Jahrestagung 2004 lautete daher „Worin besteht die Qualität von Museumsarbeit, wie kann sie dokumentiert werden, und wer definiert sie?“7 (Deutscher Museumsbund 2004b: 5). Der ehemalige Präsident des Museumsbundes, Michael Eissenhauer, macht dabei auf einen Konflikt zwischen langfristigen und weniger publikumswirksamen Aufgaben des Museums, wie Sammeln, Bewahren und Forschen, und den kurzfristigen Zwängen, wie unterhaltsame und medienwirksame Veranstaltungen, die der Erlebnisorientierung der Besucher Rechnung tragen, aufmerksam. Im Deutschen Museumsbund scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass den dauerhaften Aufgaben wie dem Erhalt und der Erweiterung der Sammlung Vorrang gegenüber den temporären Unterhaltungen mit Eventcharakter zu geben sind. Diese Haltung ist grundsätzlich zu akzeptieren, dennoch ist auffallend, dass diese beiden Faktoren immer als Gegenpole betrachtet werden, die sich wechselseitig ausschließen. Aus der Literatur gewinnt man den Eindruck, dass der Museumsbund die Annahme vertritt, Veranstaltungen mit Erlebnisorientierung würden dem institutionellen Bildungsauftrag des Museums entgegen stehen. Bröckers (2007) hat nachdrücklich gezeigt, dass Unterhaltung, Ereignis und Event helfen können, Image und Profil eines Museums zu stärken, neue Besucher zu gewinnen und Besucher an ein Museum zu binden.
4 5
6 7
„Benchmarking im Museum. Kontrollinstrument oder Entwicklungschance?“, Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes in Kassel, Dezember 2003. Benchmarking ist ein strategisches Managementinstrument, das Vergleiche zwischen dem eigenen Unternehmen und Mitbewerbern unternimmt, um aus diesen Erkenntnissen die eigenen Leistungen zu verbessern. Kapitel 4.2.1 und Kapitel 4.2.2 sind den Themen Qualitätsmanagement und Benchmarking gewidmet. „Höhere Qualität? Zur Bewertung musealer Arbeit.“ Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes in Osnabrück, Mai 2004.
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Wenn Veranstaltungen und Events museumsspezifisch gestaltet werden, besteht auch keine Gefahr, dass „ein Verlust der originären Aufgaben damit einhergeht“ (Bröckers 2007: 83). Die originären Aufgaben eines Museums und vor allem das einzigartige Profil einer jeden Sammlung stellen für die Tagungsteilnehmer die zentralen Bewertungskriterien dar. Museen sollen sich wieder stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und die museale Arbeit der Pflege und Präsentation des eigenen Sammlungsbestandes langfristig anlegen, so der einhellige Tenor. Dennoch, so mahnt Eissenhauer an, müssen Museen ihren Blick verstärkt auf das Publikum richten. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes fordert, dass „die permanente Verbesserung der Besucherbetreuung [...] eine immerwährende Herausforderung bleiben“ muss (Deutscher Museumsbund 2004b: 5). Um zu Bewertungskriterien für eine qualitätvolle Museumsarbeit zu kommen, wurden auf dieser Tagung auch Pro und Contra von Zertifizierungs- und Registrierungsverfahren für Museen diskutiert. Resümee dieser Erörterung war die Feststellung, dass die heterogene deutsche Museumslandschaft mit schematisierten Qualitätskriterien schwer in Einklang zu bringen ist. Daher beschloss der Vorstand, keine standardisierten Kriterien für Erfolg und Qualität musealer Arbeit zu formulieren, sondern neue und aktualisierte Standards für Museen zu entwickeln, die der Vielfalt der Museen in Deutschland entsprechen. Im Februar 2006 wurden die „Standards für Museen“ vom Deutschen Museumsbund und ICOM Deutschland als Leitfaden publiziert, um als Orientierung für qualifizierte Museumsarbeit in Deutschland zu dienen. Damit wurde ein wichtiger Schritt für die nachhaltige Verbesserung der Museumsarbeit vollzogen. Die Verfasser richten folgenden Appell an die deutschen Museen: „Jedes Museum im Sinne der ICOM-Definition muss sich künftig am Erreichen dieser Standards messen lassen“ (Deutscher Museumsbund 2006b: 7). Die klassischen Kernaufgaben des Museums – Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln – wurden um den museumsspezifischen Hauptaspekt Ausstellen und vier weitere Managementperspektiven ergänzt. Zur besseren Übersicht werden die Standards für Museen tabellarisch aufgeführt und erläutert: Tabelle 6: Standards für Museen (Deutscher Museumsbund und ICOM Deutschland) Standards für Museen (Deutscher Museumsbund und ICOM Deutschland) 1. Dauerhafte institutionelle und finanzielle Basis
2. Leitbild und Museumskonzept
Die Trägerschaft ist Garant für die Kontinuität des Museums und seiner Arbeit. Der dauerhafte Betrieb des Museums muss durch die Trägerschaft abgesichert werden. Das gilt auch für die Finanzierung. Der Träger stellt sicher, dass der Betrieb des Museums durch ausreichende finanzielle Mittel gewährleistet ist. Der Zweck und der Auftrag des Museums bestimmen die Grundlage für die Arbeit im Museum. Alle wichtigen Mitarbeiter sind über das Leitbild informiert, das schriftlich vorliegt.
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3. Museumsmanagement
4. Qualifiziertes Personal
5. Sammeln
6. Bewahren
7. Forschen und Dokumentieren
8. Ausstellen und Vermitteln
Die Leitung des Museums muss über Kenntnisse des Kulturmanagements und der Betriebswirtschaft verfügen, um das Museum kostenund kundenorientiert führen zu können. Die strategische Planung, der Einsatz des Personals und die wirtschaftliche Einsetzung der vorhandenen Ressourcen sind dabei wichtige Aspekte. Die museumsspezifischen Qualifikationen des Personals garantieren die professionelle Erreichung der Museumsziele. Die unterschiedlichen Mitarbeiter der einzelnen Abteilungen verfügen über Kenntnisse und Querschnittskompetenzen, um ihr Aufgabengebiet kompetent zu erledigen. Das Museum hat eine eigene Sammlungsstrategie mit einem klaren Profil. Das Sammlungskonzept bestimmt die Perspektiven der Weiterentwicklung. Das Museum bewahrt Zeugnisse der Vergangenheit und der Gegenwart. Daher ist die Sicherheit im Museum von zentraler Bedeutung. Konservatorische Betreuung und fachkundige Handhabung der Kunstobjekte bewahren die Objekte vor Schäden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlungsbestände hat für das Museum zentrale Bedeutung. Neben der fachgerechten Inventarisierung und der objektorientierten Forschung gehören Publikationen zu den wesentlichen Aufgaben des Museums. Das Museum zeigt in seinen Ausstellungen originale Kunstwerke, die themenspezifisch oder chronologisch zusammengestellt werden. Jede Ausstellung wird von einem Vermittlungskonzept begleitet, das auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Besuchergruppen zugeschnitten ist.
Quelle: Eigene Darstellung nach Deutscher Museumsbund 2006a: 8-21
Die Standards für Museen stellen ausdrücklich Mindest-Standards dar. Sie dienen als Richtschnur und als Orientierungspunkte, mit deren Hilfe jedes Museum einen weiteren Entwicklungsprozess anstreben soll. Die einzelnen Punkte sind bewusst offen gehalten, um die vielen verschiedenartigen Museen in Deutschland anzusprechen. Der Deutsche Museumsbund sieht diese Standards am Beginn einer Diskussion, die auf Weiterentwicklung angelegt ist und als Grundlage für weitere Debatten über Registrierungs- und Akkreditierungsverfahren dient.
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Registrierungsprogramme für Museen sind schon in mehreren europäischen Ländern eingeführt worden.8 Großbritannien etablierte ein solches Verfahren bereits 1988. Seither konnte ein höheres Vertrauen seitens der Öffentlichkeit in die Museen als kulturelle Träger festgestellt sowie eine permanente Entwicklung und Erhöhung der Qualität verzeichnet werden (vgl. Lane 2004). Auch andere Länder haben gute Erfahrungen mit Museumsregistrierungssystemen gemacht: So gibt es beispielsweise in den Niederlanden seit 1999 ein Registrierungssystem, und in Österreich wird seit 2002 das Museumsgütesiegel verliehen. In Deutschland werden erst seit einigen Jahren intensive Diskussionen um das Für und Wider von Registrierungs- und Akkreditierungsverfahren für Museen geführt. Da es bisher kein nationales Qualitätssicherungs- und Bewertungsverfahren gibt, haben einzelne Länder wie Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Bremen ihre eigenen Qualitätsbewertungen entwickelt. Jedes Land hat dazu individuelle Fragebögen erarbeitet, deren Grundlage die Standards für Museen bilden. Ziel dieser länderspezifischen Bemühungen ist die Wahrung und Steigerung der Qualität der Museumsarbeit, die den Museen helfen soll, ihren komplexen Aufgaben auch in Zukunft gerecht zu werden.9 Ist ein Museum, das qualitätvolle Arbeit leistet, auch erfolgreich? Bringt eine Qualitätsbestimmung und -steigerung den Museen auch den gewünschten Erfolg? Diese Fragen wurden auf der Tagung unter dem Titel „Was macht ein Museum erfolgreich?“ diskutiert, die die Kulturstiftung der Länder und der Deutsche Museumsbund im Jahr 2007 gemeinsam veranstaltet haben.10 Ziel dieser Tagung war es, im Zuge der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Museen qualitative Kriterien für erfolgreiche Museumsarbeit zu entwickeln. Obwohl in der Branche Konsens darüber herrscht, dass Erfolg im Museum messbar ist und messbar sein muss, so blieb auch nach der Tagung weiterhin die Aufgabe offen, „einen Fundus qualitativer Bewertungskriterien zu ermitteln“ (Deutscher Museumsbund 2007: 5). Einigkeit herrschte unter den Fachleuten darüber, dass sich erfolgreiche Museumsarbeit an den Originalobjekten der eigenen Sammlung und am öffentlichen Bildungsauftrag orientieren muss. Weder die Besuchszahlen noch der finanzielle Deckungsgrad können geeignete Kriterien sein, um den Erfolg einer Ausstellung oder eines Museums zu definieren. Für Hollein (2007: 28) liegt der Erfolg der Museen in Zukunft in einer diversifizierten Kommunikation. Nicht Besuchermaximierung nennt er als Ziel, sondern den Besucher zu einem „glücklichen und wissenden Besucher“ zu machen. Die Kooperation mit starken Partnern aus der Wirtschaft und einer engagierten Bürgerschaft stellt Hollein als zukunftsträchtigste Finanz- und Organisationsstruktur eines Museums dar. Das setzt Managementerfahrung und wirtschaftliches Denken und Handeln voraus. Mit diesem Statement gab der Direktor des Städelschen Kunstinstituts und der Schirn Kunsthalle Frankfurt auf die zweite Frage der Tagung,
8
Einen Überblick über die aktuelle Diskussion und Registrierungsverfahren in europäischen Ländern gibt Hofmann 2007. 9 Eine Bestandsaufnahme zur Diskussion um Qualitätskontrollen und -kriterien für Museen geben Leikam / Opitz / Sager / Wahl 2008. Vgl. auch Rump 2004, Dreyer / Wiese 2008. 10 „Was macht ein Museum erfolgreich?“ Fachtagung der Kulturstiftung der Länder und des Deutschen Museumsbundes, Frankfurt am Main, 3.-6. Juni 2007.
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„ob und inwiefern für den Erfolg einer kulturellen Einrichtung eine unternehmerische Sicht hilfreich oder gar unabdingbar ist“, eine klare Antwort. 4.1.2
Museumsbund Österreich
Der Museumsbund Österreich wurde 1981 gegründet und versteht sich als Interessensgemeinschaft aller österreichischen Museen, unabhängig von Ausrichtung, Größe oder regionaler Positionierung. Sprachrohr des Vereins ist die Zeitschrift „neues museum“, die mehrmals jährlich erscheint und jeweils einem Sonderthema gewidmet ist. Die Ausgabe 07/3 widmete sich dem Thema „Qualität im Museum – Was ist ein gutes Museum?“ und fasste die Beiträge der gleichnamigen Tagung zusammen.11 Die Frage, wie Erfolg und Qualität von Museumsarbeit bewertet werden kann, stand im Mittelpunkt, denn „die Frage, was ein gutes Museum ausmacht, ist auch zum zentralen Thema von Museumsorganisationen geworden, weil sich Funktion und Wahrnehmung von Museen verändert haben“ (Landesmuseum Joanneum 2007: 2). Die Veranstaltung reflektierte Verfahren, Standards und Kriterien und diskutierte darüber, welche gute Museumsarbeit wünschenswert wäre. Als Grundtenor der Tagung lässt sich feststellen, dass standardisierte Erfolgs- und Qualitätskriterien, die sich am Messbaren orientieren, als „Effekt der Ökonomisierung der Kultur“ gesehen und daher abgelehnt werden. Anders als in Deutschland gibt es in Österreich seit 2002 ein Akkreditierungsverfahren für Museen. Das Österreichische Museumsgütesiegel wurde mit dem Ziel eingeführt, Museen eine deutliche Qualitätsabgrenzung von jenen Institutionen zu ermöglichen, die sich aufgrund der Ungeschütztheit des Wortes ebenfalls als Museum bezeichnen dürfen. Darüber hinaus stellt die Errichtung von Mindeststandards im Museumswesen ein Instrument zur Qualitätskontrolle und Qualitätsverbesserung dar. Der Leitfaden baut auf den von ICOM definierten „Ethischen Richtlinien für Museen“ auf und wurde den österreichischen Gegebenheiten im Museumswesen angepasst. Der Kriterienkatalog repräsentiert allgemeine Standards, die für Museen jeder Art und Größe angewendet werden können. Ähnlich wie bei den Deutschen Standards für Museen wird dabei betont, dass es sich um Richtlinien handelt, bei denen der institutionelle Rahmen des jeweiligen Museums berücksichtigt wird. Bei der Bewertung wird besonderes Augenmerk auf Langfristigkeit und eine stabile Struktur des Museums gelegt. Bis zum Jahr 2009 wurden 184 österreichische Museen akkreditiert. Bewertet werden dabei folgende Basisdaten: Tabelle 7: Kriterienkatalog des Österreichischen Museumsgütesiegels Kriterienkatalog des Österreichischen Museumsgütesiegels 1. Träger und Rechtsform
Es ist ein Nachweis der rechtlichen Grundlage zu erbringen.
11 „Was ist ein gutes Museum? Qualität im Museum“, Linz (A), 4.-5.5.2007. Tagung und Workshop in Kooperation mit dem Österreichischen Museumsbund und den Oberösterreichischen Landesmuseen.
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2. Museumskonzept- und Museumsleitbild
3. Sammlungspolitik 4. Finanzielle Voraussetzungen und laufende Finanzierung
5. Dokumentation der Sammlung 6. Lagerung der Sammlung
7. Ausstellung
8. Forschung
9. Angebote für Besucher
10. Personalsituation
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Welche Aufgaben hat das Museum? Welche Ausstellungs- und Sammlungsstrategie verfolgt das Museum? Was sind die Zielsetzungen und Zielgruppen? Was sind die Schwerpunkte der Sammlung und die Zahl der Objekte? Wie setzt sich das Budget des Museums zusammen? (In Prozentangaben: Eintrittserlöse, Spenden, Sponsoren, Mitgliedsbeiträge, öffentliche Subventionen, sonstige Einkünfte, wie Vermietung oder Shoperlöse) Wie wird die Sammlung dokumentiert und welche Daten werden verzeichnet? Ort und Art der Lagerung der Sammlung, klimatische Voraussetzungen des Lagers und Angaben zur Konservierung und Restaurierung. Fragen zur Ausstellungsfläche und zum Ausstellungsprogramm. Konservatorische Gegebenheiten der Ausstellungsräume. Stand der wissenschaftlichen Erforschung der Sammlung, Zugänglichkeit der wissenschaftlichen Forschung. Frage nach professioneller Beratung in den Bereichen: Organisation, Ausstellungsgestaltung, Konservierung/Restaurierung, Sicherheit, Öffentlichkeitsarbeit, Vermittlung. Hier werden die Vermittlungsaktivitäten dokumentiert (Führungen, Medien, Museumspädagogik, Informationsmaterial zu Ausstellungen, fremdsprachige Informationen, eigene Publikationen), Infrastruktur des Museums (Cafe, Shop, Ruhezonen, Garderoben, etc.), Barrierefreiheit, Öffnungszeiten, Besucherstatistik, Erreichbarkeit des Museums. Frage nach der Bewerbung dieser Aktivitäten. Anzahl der festen, ehrenamtlichen und projektbezogenen Mitarbeiter des Museums in jedem Arbeitsbereich.
Quelle: Eigene Darstellung nach www.museumsguetesiegel.at (14.6.2010)
Der Bewerbung muss eine Selbsteinschätzung der Museumseinrichtung beigelegt werden, aus der die Museumsverantwortlichen ersehen können, ob ihr Museum die notwendigen Anforderungen erfüllt. Dabei werden Fragen zum Thema des Museums (Leitbild, Ziele, strategische Ausrichtung), zur Sammlung (Sammlungskonzept, In-
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ventarisierung, Lagerung), zur Trägerschaft (Gewährung der Kontinuität der Arbeit, Gemeinnützigkeit), zur Einordnung in die österreichische Museumslandschaft (Spezialmuseum, Geschichtsmuseum, etc.), zur Ausstellung (Grundanforderung ist eine Ausstellung mit regelmäßigen Öffnungszeiten und die Beantwortung von Anfragen wissenschaftlicher und inhaltlicher Natur) und zur Museumsarbeit (personelle Ressourcen im wissenschaftlichen Bereich) gestellt. Mit dem Österreichischen Museumsgütesiegel soll eine allgemeine Hebung des Niveaus im österreichischen Museumswesen erreicht werden. 4.1.3
Verband der Museen der Schweiz
Der Verband der Museen der Schweiz (VMS) wurde 1966 als Zusammenschluss der Museen der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein gegründet. Mit mehr als 670 institutionellen Mitgliedern vertritt der VMS die Interessen der gesamten Schweizer Museumslandschaft gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit. Er fördert die Kontakte zwischen Museen, setzt Standards und dient als Forum für Ideen- und Erfahrungsaustausch. Das Thema Qualität und Erfolg beschäftigt auch die Schweizer Museumskollegen. Um sich der komplexen Fragestellung, wie die Qualität und der Erfolg eines Museums gemessen werden können, zu stellen, veranstaltete der Verband der Schweizer Museen im Oktober 2009 eine Tagung unter dem Motto „Was ist ein gutes Museum? Qualität und Erfolg“.12 Die Zeitschrift des Verbandes „museums.ch“ fasste die Ergebnisse der Tagung unter dem Titel „Erfolg“ zusammen (Verband der Schweizer Museen 2009). Diskutiert wurde unter anderem die Frage, wer entscheiden darf, was ein gutes Museum ist: das Museum oder die Besucher? Unterschiedliche Referenten kommen zu dem Schluss, dass Effizienz und Effektivität, eine zukunftsorientierte Perspektive und eine klare Vision neben der Erfüllung der klassischen Kernaufgaben eines Museums zu den Erfolgsfaktoren zählen. Darüber hinaus wird die zentrale Rolle eines integrierten Qualitätsmanagements, der strategischen Planung und des Aufbaus von Netzwerken betont. Um Mitglied im Verband der Museen der Schweiz zu werden, muss jedes Museum ein Aufnahmeverfahren durchlaufen. Voraussetzung für die Bewerbung ist die Anerkennung der ICOM-Definition und die Verpflichtung, die ethischen Richtlinien von ICOM zu respektieren. Im Jahr 2009 hat der Verband neue Qualitäts- und Aufnahmekriterien entwickelt. Ab dem Jahr 2010 werden die neuen Richtlinien, die sich an den Vorgaben des Internationalen Museumsrates (ICOM) orientieren, für zukünftige Mitglieder angewendet. Ziel dieser Neuerung ist es, die Qualität bei den Mitgliedern des Verbandes zu sichern und nachhaltig zu steigern. Die überarbeiteten Aufnahmekriterien des Verbandes der Museen der Schweiz werden nachfolgend in einer Tabelle zusammengefasst:
12 „Was ist ein gutes Museum? Qualität und Erfolg“. Arbeitstagung des vms/ams Verband der Museen Schweiz, Baden (CH), 19. Oktober 2009.
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Tabelle 8: Aufnahmekriterien des Verbandes der Museen der Schweiz Selbstbewertungsformular des Schweizer Museumsverbandes 1. Organisation
Die Institution steht im Dienste der Gesellschaft und deren Entwicklung. Es besteht eine dauerhafte institutionelle und eine dauerhafte finanzielle Basis. Die finanziellen Mittel werden für Museumszwecke eingesetzt. Die Institution ist grundsätzlich nicht gewinnorientiert. Es besteht eine Trägerschaft, welche für die Unterbringung, Bewahrung und Dokumentation der Sammlung verantwortlich ist. Es besteht ein schriftliches Leitbild und/oder ein schriftliches Museumskonzept. Die Museumsleitung verfügt über die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausführung ihrer Aufgabe. Die Mitarbeiter verfügen über die fachliche Kompetenz zur Ausführung ihrer Aufgabe. Die Mitarbeiter werden regelmäßig aus- und weitergebildet. Es besteht eine Buchführung mit einer Kontrollstelle. Die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Zugänglichkeit für Behinderte werden beachtet. Es besteht ein Notfallkonzept.
2. Sammeln
Es besteht eine Sammlung von kulturellem und/oder gesellschaftlichem Wert. Es gibt ein Sammlungskonzept. Die Sammlung ist repräsentativ für die Zielsetzungen des Museums. Sie wird fachgerecht betreut, und es gibt ein fachgerechtes Inventar. Die Objekte wurden gemäß den Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM rechtmäßig erworben. Es bestehen schriftliche Aussonderungsrichtlinien. Es wird kein gewinnorientierter Handel mit Sammlungsobjekten betrieben. Der Ertrag aus Verkäufen wird in die Erhaltung und Vermehrung der Sammlung investiert.
3. Bewahren
Die Sammlungsobjekte werden sicher und in geeigneten Räumlichkeiten aufbewahrt (Depot). Die Objekte werden in geeigneten Räumlichkeiten gezeigt (Ausstellung). Die Sammlung wird konservatorisch und restauratorisch betreut.
4. Forschen und Dokumentieren
Die Sammlung wird durch Forschungstätigkeit erschlossen. Es besteht eine Dokumentation zu
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT den Sammlungen (Bestandsbuch, EDV etc.). Die Objekte und Forschungsergebnisse werden publiziert. Die Sammlung ist zu Forschungszwecken zugänglich. Die Objekte stehen für Leihgaben an andere Institutionen zur Verfügung.
5. Vermitteln
Die Institution nimmt den Bildungsauftrag gegenüber der Gesellschaft wahr und richtet sich an ein definiertes Publikum. Die Inhalte werden für das Publikum verständlich vermittelt. Es bestehen Dauer- und/oder Sonderausstellungen. Die Ausstellungsräume sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Es gibt regelmäßige Öffnungszeiten. Die Ausstellungsräume entsprechen den Sicherheitsanforderungen für die Besucher und für die Sammelobjekte. Es gibt ein schriftliches Vermittlungskonzept.
Quelle: Eigene Darstellung nach www.museums.ch/vms (18.6.2010)
4.1.4
Zwischenfazit
Keine der institutionalisierten Vertretungen der Museen im deutschsprachigen Raum hat bisher klare und eindeutig festgelegte Erfolgsfaktoren für Museen definiert. „Resümee des Sammelns und Abwägens der verschiedenen Argumente war es bislang, dass unsere heterogene Museumslandschaft einer individuellen Betreuung bedarf, die sich mit der schematisierten Festlegung standardisierter [Erfolgs- und, d.V.] Qualitätskriterien nur schwer in Einklang bringen lässt“. So fasst York Langenstein (2004: 14), ehemals Leiter der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern, die Situation zusammen. Jedoch haben sowohl der Deutsche, der Österreichische als auch der Schweizer Museumsbund Richtlinien für eine qualitätvolle und erfolgreiche museale Arbeit vorgelegt. Diese Kriterienkataloge orientieren sich alle an den Grundsätzen und der Definition des Internationalen Museumsrates ICOM und ergänzen die klassischen Kernaufgaben eines Museums um sehr allgemein gehaltene Aspekte des Managements. Die einzelnen Indikatoren für eine Aufnahme in den Verband der Museen der Schweiz, für die Verleihung des Österreichischen Museumsgütesiegels und der Deutschen Standards für Museen sind beinahe deckungsgleich. Da der Deutsche Museumsbund mit den „Standards für Museen“ die ausführlichste Version vorgelegt hat, werden diese Richtlinien als Basis der Erfolgsfaktoren dieser Studie herangezogen. Somit können hier die ersten fünf Erfolgskategorien bestimmt werden, die in den folgenden Kapiteln (4.2 und 4.3) durch neue Erkenntnisse erweitert und ergänzt werden. In Abschnitt 4.4 werden alle Erkenntnisse zusammengefasst, die Kategorien in untersuchungsrelevante Faktoren gegliedert und in messbare Indikatoren operationalisiert.
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Die ersten fünf Erfolgskategorien sind: 1. Ziele und Leitbild 2. Trägerschaft und Finanzen 3. Kernkompetenz des Museums - Sammeln und Bewahren - Forschen und Dokumentieren - Ausstellen - Vermitteln 4. Museumsmanagement 5. Qualifiziertes Personal
4.2
I NSTRUMENTARIEN DES M ANAGEMENTS ZUR B EWERTUNG VON Q UALITÄT UND E RFOLG
Seit der Einführung des Kulturmanagements und der Übernahme betriebswirtschaftlicher Strategien in den Non-Profit-Bereich wird immer wieder die Frage der Anwendbarkeit von Managementkonzepten, die ursprünglich für erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen entwickelt wurden, diskutiert (Reicher 1988, Schuck-Wersig / Wersig 1992, Gutbrod 1994, Zimmer 1996, Heinrichs 1997, Kotler / Kotler 1998, Bendixen 2001, Brüggerhoff / Tschäpe 2001, Dauschek 2001, John 2003, Klein 2007, John / Günter 2008).13 Im Kultur- und Museumsbereich stehen finanzielle und gewinnorientierte Unternehmensziele nicht im Vordergrund. Daher betont auch Beccarelli (2005: 62), dass sich „die Erfolgskontrolle in Museen [...] aufgrund nicht-monetärer Ziele außerordentlich schwierig [gestaltet, d.V.]. Die üblichen betriebswirtschaftlichen Kennziffern sind im Museumsbereich weitgehend nutzlos.“ Um den Erfolg einer Kultureinrichtung und eines Museums zu bewerten, bedarf es außer möglichen quantitativen Kennzahlen noch qualitativer Indikatoren, die zusätzlich sowohl interne als auch externe Qualitätsbewertungen berücksichtigen. Im Vergleich zu For-Profit-Unternehmen werden Non-Profit-Unternehmen auch danach beurteilt, ob sie ihren Kernauftrag erfüllen. Dieser ist für ein Museum durch den „Internationalen Museumsrat“ (ICOM) eindeutig formuliert. Allerdings sind manche dieser Aufgaben nicht publikumswirksam und „ertragreich“, aber für das langfristige und nachhaltige Bestehen der Institution Museum essenziell. Die musealen Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln sind Grundlage für das Museum als Hort des kulturellen Erbes und als Ort des kulturellen Gedächtnisses.
13 Vgl. auch die Schriften des Arbeitskreises Museumsmanagement im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Seit 1994 publiziert der Arbeitskreis Empfehlungen für ein integriertes Museumsmanagement, das bei der Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundlagen museale Besonderheiten berücksichtigt.
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Dennoch wird heute ein Museum auch als moderner Dienstleistungsbetrieb verstanden, der nicht nur das kulturelle Erbe bewahrt, sondern sich im kritischen Dialog mit den gesellschaftlichen Entwicklungen ständig erneuern und aktiv auf neues Besucherverhalten reagieren muss. Darüber hinaus muss von jedem Museum erwartet werden, dass es in Zeiten begrenzter finanzieller Ressourcen seine Mittel schonend, gezielt und effizient einsetzt. Hier sind die Museumsverantwortlichen gefordert, Strategien zu entwickeln und Maßnahmen zu konzipieren, mit denen die Ziele des Museums nicht nur effektiv erreicht werden, sondern der Weg dahin auch effizient umgesetzt wird. Neben den programmatischen und inhaltlichen Themen erscheint das eine der wichtigsten Aufgaben eines zeitgemäßen Museumsmanagements. Aus diesem Grund sind auch für Museen jene Konzepte der Betriebswirtschaft interessant, die sich mit Leistungssteigerung, Verbesserungen in Ablaufprozessen, Effizienz und Erfolg beschäftigen. Nachfolgend werden mit dem EFQM-Modell und dem Managementinstrument Benchmarking zwei Verfahren vorgestellt, die systematische Verbesserungsmaßnahmen in der Organisation und Steuerung der Museumsarbeit und der Führung eines Museumsbetriebs zum Ziel haben. 4.2.1
EFQM-Modell für Excellence
Die European Foundation for Quality Management wurde 1988 von vierzehn führenden europäischen Unternehmen gegründet. Die deutsche Partnerorganisation hat das Ziel, das Know-how und die Methoden auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements branchenunabhängig weiterzuentwickeln. Das EFQM-Modell ist flexibel und kann für Organisationen unterschiedlicher Größe sowie im öffentlichen als auch im privatwirtschaftlichen Bereich angewendet werden. Es beruht auf folgender Prämisse: „Exzellente Ergebnisse im Hinblick auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft werden durch eine Führung erzielt, die Politik und Strategie mit Hilfe der Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie der Prozesse umsetzt“ (EFQM 19992003: 5). Das EFQM-Modell basiert auf neun Kriterien, die eine unverbindliche Rahmenstruktur zur Beurteilung aller relevanten Bereiche eines Unternehmens darstellt: Leistung, Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft und Prozesse. Somit ist eine ganzheitliche Betrachtung einer Organisation gewährleistet. Die nachfolgende Grafik stellt die neun Kriterien dar, die in Ergebnis-Kriterien und Befähiger-Kriterien unterteilt sind und die Grundpfeiler des Modells darstellen. Die Ergebnis-Kriterien visualisieren die Ergebnisse, die eine Organisation tatsächlich erzielt, und machen mitarbeiterbezogene, kundenbezogene und gesellschaftsbezogene Ergebnisse sowie Schlüsselergebnisse vergleichbar. Die Befähiger-Kriterien zeigen, wie eine Organisation in den Bereichen Führung, Politik und Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie bei Prozessen handelt. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Befähiger zu, und die Befähiger können aufgrund der Ergebnisse verbessert werden. Der Regelkreis wird durch Innovation und Lernen geschlossen, der die kontinuierliche Weiterentwicklung der Organisation gewährleistet.
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Abbildung 1: Neun Kriterien des EFQM-Modells für Exzellenz
Politik und Strategie Ressourcen und Partner
Ergebnisse
Mitarbeiter
Ergebnisse Mitarbeiter
Prozesse
Führung
Befähiger
Kunden
Gesellschaft
Innovation und Lernen
Quelle: Eigene Darstellung nach EFQM 1999-2003a: 5
Dieses Modell erscheint für Museen deshalb relevant, weil Mitarbeiter, Besucher, und Gesellschaft in derselben Weise berücksichtigt und sowohl Prozesse als auch Produkte begutachtet werden. Für Non-Profit-Organisationen wie Museen, die einen ideellen Mehrwert für die Gesellschaft erbringen, ist darüber hinaus die Philosophie des Modells entscheidend: Sie hat einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, Nachhaltigkeit und eine lernende Organisation im Blick. Grün / Dauschek (2007) haben in Anlehnung an den Kriterienkatalog des EFQM-Modells für Exzellenz ein „Modell für ein exzellentes Museum“ entwickelt. Die nachfolgende Darstellung ist eine beispielhafte Version, die jedes Museum entsprechend seiner spezifischen Gegebenheiten selbst adaptieren kann. Abbildung 2: Das Modell exzellentes Museum Befähiger
Führung z. B. – Leitbild – QM – Führungssysteme – Führungsinstrumente – Kommunikation mit dem Träger – Definition der Kernprozesse
Mitarbeiterorientierung – Fortbildung der MitarbeiterInnen
Politik und Strategie – Marketingstrategie – Sammlungskonzept – Langfristiger Ausstellungsplan
Ergebnisse
Prozesse – Ausstellungsentwicklung – Integration der Museumspädagogik in die Ausstellungsplanung – EDV-Inventarisierung – Präventive Konservierung – Vernetzung der Bereiche
Mitarbeiterergebnisse – Zufriedenheit der MitarbeiterInnen
Kundenergebnisse – Zufriedenheit relevanter Kundengruppen: Besucher, Mitglieder, Träger etc.
Ressourcen und Partnerschaften
Gesellschaftliche Verantwortung
– Finanzen – Sponsoring – Leihgeber
– Erfüllung des Kulturauftrages, der im Leitbild formuliert ist
Ergebnisse in den Schlüsselleistungen z. B. – Besuchszahlen – Anteil selbst erwirtschafteter Mittel am Budget – Lernerfolge durch Ausstellungen – Auslastung von Programmen – Prozentsatz der inventarisierten Objekte – Anzahl wissenschaftlicher Publikationen
Innovation und Lernen
Quelle: Eigene Darstellung nach Grün / Dauschek 2007: 36
Innerhalb der offen gehaltenen Rahmenstruktur des EFQM-Modells für Exzellenz stützen festgelegte Grundkonzepte das Modell. Die Grundkonzepte der Exzellenz
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sind: Ergebnisorientierung, Ausrichtung auf den Kunden, Führung und Zielkonsequenz, Management mittels Prozessen und Fakten, Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeiterbeteiligung, kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung, Entwicklung von Partnerschaften und soziale Verantwortung. Zur besseren Übersicht werden die acht Grundkonzepte nachfolgend tabellarisch dargestellt: Tabelle 9: Grundkonzepte der Exzellenz Grundkonzepte der Exzellenz 1. Ergebnisorientierung
Exzellenz erzielt Ergebnisse, die alle Interessengruppen der Organisation begeistern.
2. Ausrichtung auf den Kunden
Exzellenz schafft nachhaltigen Kundennutzen.
3. Führung und Zielkonsequenz
Exzellenz bedeutet visionäre und begeisternde Führung, gekoppelt mit Beständigkeit hinsichtlich der Zielsetzung.
4. Management mittels Prozessen und Fakten
Exzellenz bedeutet, die Organisation durch ein Netzwerk untereinander abhängiger und miteinander verbundener Systeme, Prozesse und Fakten zu steuern.
5. Mitarbeiterentwicklung und Exzellenz maximiert den Beitrag der Mitarbeiter Mitarbeiterbeteiligung durch ihre Weiterentwicklung und Beteiligung. 6. Kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung
Exzellenz nutzt Lernen zur Schaffung von Innovation und Verbesserungsmöglichkeiten, um den status quo in Frage zu stellen und Änderungen zu bewirken.
7. Entwicklung von Partnerschaften
Exzellenz entwickelt und erhält wertschöpfende Partnerschaften.
8. Soziale Verantwortung
Exzellenz bedeutet, die Mindestforderungen der gültigen Gesetze und Regeln zu übertreffen, die die Organisation bei ihrer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen hat, und sie bedeutet das Bemühen, die Erwartungen des gesellschaftlichen Umfeldes zu verstehen und darauf einzugehen.
Quelle: Eigene Darstellung nach EQFM 1999-2003: 5-7
Beim EFQM-Modell stehen nicht primär wirtschaftliche und ökonomische Faktoren an erster Stelle, sondern das Modell ist sehr auf den Menschen bezogen und gewährt eine ganzheitliche Sicht auf Organisationen. „Wirklich exzellente Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie um die Zufriedenheit ihrer Interessengruppen bemüht sind, und zwar bezogen auf das, was sie erreichen, wie sie es erreichen und
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was sie wahrscheinlich erreichen werden“ (EQFM 1999-2003b: 3). Kunden, Mitarbeiter, Partner und Lieferanten stehen daher im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eines exzellenten Betriebs. Zu den Interessengruppen zählen weiterhin das Umfeld, in dem die Organisation tätig ist, die Stakeholder, die an der Organisation finanziell beteiligt sind, und die Gesellschaft. Gesellschaftliche Veränderungen werden gerade für Museen künftig mehr Gewicht haben, denn sie müssen für Neuerungen offen sein, wenn sie für ihr Publikum auch in Zukunft relevant bleiben möchten. 4.2.2
Der exzellente Kulturbetrieb nach Klein (2007)
Armin Klein (2007) plädiert in seiner Abhandlung „Der exzellente Kulturbetrieb“ dafür, den Herausforderungen, die Modernisierung und Globalisierung mit sich bringen, offensiv zu begegnen. Er untersucht Möglichkeiten, wie sich Kulturbetriebe langfristig strategisch ausrichten können, um sich den neuen ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen aktiv zu stellen und im Wettbewerb mit anderen Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen auch zukünftig zu bestehen. Er nimmt die öffentlich geförderten Kultureinrichtungen unter die Lupe und fordert sie auf, sich an den Kriterien der Exzellenz zu orientieren. Denn Ziel muss es sein, zu mehr Qualität und Innovationskraft zu gelangen. „Um als öffentlich getragene oder finanzierte Non-Profit-Kultureinrichtung auch in Zukunft bestehen zu können, ist es nötig, sich an den Kriterien der Exzellenz zu orientieren. Aufgrund der immer stärker werdenden Konkurrenz im Kultur- und Freizeitsektor wird es auf die Dauer nicht genügen, einfach nur ‚da‘ zu sein“ (Klein 2007: 319). Als Faktoren für zukünftigen Erfolg nennt Klein eine zukunftsorientierte Ausrichtung, konsequente Aufmerksamkeit auf die Besucher, eine lernende Kulturorganisation, Wissens-Mitarbeiter, mehrdimensionale Kulturfinanzierung, kreative Allianzen, Controlling und Evaluation. Diese Handlungsempfehlungen, die auf der Basis der Grundkonzepte für Exzellenz entwickelt wurden (vgl. Kapitel 4.2.1), werden im Folgenden übersichtlich dargestellt und ausführlich erläutert: Tabelle 10: Kriterien des Erfolgs nach Klein (2007) Kriterien des Erfolgs nach Klein (2007) 1. Grundorientierung Zukunft
Eine klar formulierte Mission definiert den Handlungsrahmen der Organisation. Die Vision definiert die Zukunft und bestimmt die Marschrichtung. Das strategische Leitbild definiert die grundlegenden Richtlinien und Zielvereinbarung als zentrales Steuerungselement.
2. Konsequente Besucherorientierung
Das Publikum muss stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Museen rücken. Der Vermittlung der musealen Angebote an die Besucher muss mehr Augenmerk zugewandt werden.
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3. Lernende Kulturorganisation
Es gibt flache Hierarchien, anstelle eines bürokratischen Dienstwegs gibt es flexible Kommunikationsformen, aus Fehlern wird gelernt.
4. Die Wissens-Mitarbeiter
„Nur durch zufriedene Mitarbeiter können zufriedene Kunden gewonnen werden.“ Klare Zielvereinbarungen, Freiraum zur eigenen kreativen Leistung und regelmäßige Feedbacks geben den Mitarbeitern Richtlinien vor und bieten Möglichkeiten der Entwicklung.
5. Mehrdimensionale Kulturfinanzierung
Aufgrund der stagnierenden oder sinkenden Zuschüsse der öffentlichen Hand müssen sich Kultureinrichtungen um mehrdimensionale Förderungen bemühen, um langfristig Bestand zu haben. Das Finden neuer Erlösfelder, Einnahmen aus betriebsnahen Strukturen und die Akquisition privater Drittmittel gehören dazu. Voraussetzung ist ein strategisches und marketingorientiertes Vorgehen, das von der Leitung vorgegeben und umgesetzt werden muss.
6. Kreative Allianzen
Partnerschaften mit der Kreativwirtschaft, dem Kulturtourismus und ein gutes Netzwerk stärken auch die Museen.
7. Controlling und Evaluation
Die Erreichung der Ziele muss durch ein prozessbegleitendes Controlling überprüft werden. Die Evaluation muss die Faktoren Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness und Genauigkeit berücksichtigen.
Quelle: Eigene Darstellung nach Klein 2007
Orientieren sich Non-Profit-Kulturbetriebe an diesen Kriterien, können sie sich zu exzellenten Unternehmen entwickeln. Ein exzellenter Kulturbetrieb wird allerdings zweifellos an erster Stelle an der inhaltlichen Qualität seiner Produkte gemessen, denn die optimale Realisierung der künstlerischen, ästhetischen und bildungspolitischen Zielsetzungen legitimiert den öffentlich subventionierten Kulturbetrieb. „Deshalb ist der Grad der inhaltlichen bzw. ästhetischen Zielerreichung das entscheidende (wenn häufig auch nicht leicht zu fassende) Beurteilungskriterium für den Erfolg bzw. Misserfolg einer Kultureinrichtung“, sagt Klein (2006: 112). Er betont aber auch, dass durch die höheren Ansprüche der Kunden und eines ständig steigenden Wettbewerbs die inhaltliche Qualität allein nicht mehr ausreicht. Daher wird der konsequenten Besucherorientierung hohe Bedeutung beigemessen. Für ein öffentliches Museum scheint es besonders wichtig zu sein, viele Menschen für seine Angebote zu interessieren, denn nur so kann das Museum seinen Kulturauftrag erfüllen.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
4.2.3
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Benchmarking
Die Notwendigkeit, die von Museen erbrachten Leistungen zu bewerten, hat in den letzten Jahren zu einer Debatte über das betriebswirtschaftliche Verfahren des Benchmarking geführt. Benchmarking ist ein strategisches Managementinstrument, das Vergleiche zwischen dem eigenen Unternehmen und Mitbewerbern anstellt, um aus diesen Erkenntnissen heraus die eigenen Leistungen zu verbessern. Benchmarking setzt darauf, durch quantitative und qualitative Vergleiche mit anderen Einrichtungen herauszufinden, wo innerhalb der eigenen Organisation Verbesserungspotenziale bestehen und wie diese ausgeschöpft werden können. Bekanntermaßen erkennt man im Vergleich seine Stärken und Schwächen leichter als in der Einzelbetrachtung. In jüngster Zeit wurde diese Methode auch in Museumskreisen vielfach diskutiert (Hausmann 2001, John 2003, Berens / Fritsch 2003, Günter 2003, Günter 2004, Deutscher Museumsbund 2004a, Riebe 2007), und alle Autoren kommen zu dem Schluss, dass ein auf die Gegebenheiten eines Museums angepasstes Benchmarking einen wertvollen Beitrag zur Qualitätssicherung eines Museums leisten kann. Als Management-Tool kann Benchmarking in jedem Geschäftsbereich eingesetzt werden und schärft den Blick für notwendige betriebliche oder strukturelle Veränderungen. Damit kann es helfen, die Zukunft eines Museums zu sichern. Bedeutsam scheint dieses aus dem Controlling-Bereich entstammende ManagementInstrument für Museen auch deshalb zu sein, weil Benchmarking ein beständiger Prozess und keine einmalige Angelegenheit ist. „Benchmarking soll ein Vergleichen sein, das immer wieder stattfindet und deswegen auch zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeit beiträgt“ (Günter 2004: 16). Gerade diese permanente Beschäftigung mit Veränderungen und möglichen Verbesserungen ist für Museen wichtig. Sie müssen sich immer wieder neu orientieren, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein. Ein weiterer Aspekt des Benchmarking erscheint für Museen, die sich erst am Beginn eines Erneuerungsprozesses befinden, wesentlich: Nicht die gesamte Organisationsstruktur eines Museums muss auf den Prüfstand gestellt werden, sondern es können auch einzelne Abteilungen oder ausgewählte Arbeitsabläufe geprüft werden. Durch eine vergleichende Analyse bereits existierender guter bzw. exzellenter und vorbildlicher Praktiken („good practices“ bzw. „best practices“) soll gelernt werden. Durch die Orientierung an daraus abgeleiteten Zielvorgaben soll eine Basis geschaffen werden, auf der eigene Ideen für Verbesserungsmöglichkeiten entwickelt werden können. Welche inhaltlichen Benchmarking-Felder lassen sich nun im Museum ausmachen? Bernhard Graf (2003: 54ff.) schlägt dazu zwei Gruppen von Merkmalen vor – die inhaltlichen Benchmarking-Felder auf der Angebotsseite und jene auf der Nachfrageseite. In der nachfolgenden Grafik werden die Kriterien übersichtlich dargestellt.
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Tabelle 11: Typische Benchmarking-Kriterien nach Graf (2003) Typische Benchmarking-Kriterien nach Graf (2003) Angebotsseite:
Museumsart Art und Bedeutung der Sammlung Aktualität, Rang und Erscheinungsbild der Dauerausstellungen Art, Bedeutung und Häufigkeit von Sonderausstellungen Art und Qualität der Öffentlichkeitsarbeit Art und Qualität der Serviceangebote Kommunikationsfähigkeit des Personals Form und Besonderheit der Museumsarchitektur Lage des Museums Verkehrsanbindung / Erreichbarkeit
Nachfrageseite:
Klassische Besucherstrukturen Inhaltliche Interessen der Besucher Aktivitätsgrad der Besucher Freizeitinteressen, Freizeit- und Reiseverhalten Persönliches Budget für Kulturausgaben Informationsgewohnheiten Berufliche und private Mediennutzung
Quelle: Eigene Darstellung nach Graf 2003: 54ff.
Ziel des Benchmarking ist es, Transparenz zu schaffen, Verbesserungen zu erreichen und Motivationen und Anreizsysteme zu schaffen (vgl. Günter 2004: 17). Das hat zur Folge, dass die interne Effizienz gesteigert werden kann und dadurch mehr Systematik und ein wirtschaftlicher Einsatz von Ressourcen möglich sind. Kriterien, die als Benchmarking-Vergleiche herangezogen werden und somit eine Qualitätssteigerung zur Folge haben, können auch als allgemeine Erfolgsfaktoren für die museale Arbeit angesehen werden.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
4.2.4
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Erfolgsfaktoren für die touristische Internationalisierung von Museen nach Weber-Kainz (2005)
Im Rahmen einer Benchmarking-Analyse hat Barbara Weber-Kainz (2005) „Touristische Internationalisierungsstrategien für Museen“ erforscht. Die Erfolgsmuster von national und international profilierten Museen waren Ausgangspunkt der Studie. Zehn europäische Museen und Kunsthallen14 wurden auf ihre Dienstleistungsqualität, Marketingstrategien, Kundenbindung und Kooperationen hin untersucht. Diese Studie entstand aus einem touristischen Blickwinkel auf Museen mit der Frage, welche Erfolgsfaktoren für den Fremdenverkehr wichtig sind. Auftraggeber war das Österreichische Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, das mit Hilfe dieser Studie eine Internationalisierung des österreichischen Kulturtourismus anstrebte. Aus den „Good-Practice-Beispielen“ wurden eine Reihe von Erfolgsfaktoren abgeleitet, die als Handlungsempfehlungen für Qualifizierungsstrategien der österreichischen Museumslandschaft dienen sollten, um die Attraktivität für den internationalen Tourismus zu steigern. Als Ergebnis der Studie wurden, basierend auf der Selbsteinschätzung der Museen, folgende Erfolgsfaktoren genannt: Neben attraktiven Ausstellungen und Sammlungen werden eine Aufsehen erregende Architektur, Kundenorientierung, die Kombination mit Landschaft, regionale Kooperationen und das Museum als Marke als wichtige Faktoren genannt. Unterschiedliche Vermittlungsangebote, eine positive Medienberichterstattung, gute Mundpropaganda, hohe Mitarbeiterqualität und das Museum als Gesamterlebnis werden als weitere zentrale Erfolgsindikatoren angegeben. Weiterhin werden ein Alleinstellungsmerkmal im internationalen Umfeld, die Anerkennung durch die internationale Fachcommunity, Besucherbefragungen und Qualitätsmanagement als essenziell für den Erfolg eines Museums angesehen. Obwohl der Ansatz dieser Studie die Interessen des Kulturtourismus in den Mittelpunkt stellt, lassen sich dennoch verschiedene Faktoren herausfiltern, die als generelle Erfolgskategorien eines Museums angesehen werden können. Zur besseren Übersicht werden im Folgenden die detaillierten Ergebnisse und Analysen in einer Tabelle zusammengestellt und erklärt: Tabelle 12: Erfolgsfaktoren nach Weber-Kainz (2005) Erfolgsfaktoren nach Weber-Kainz (2005) 1. Attraktive Ausstellungstätigkeit
Ausstellungen können Besucherströme bewegen.
14 Folgende Museen wurden untersucht: Fondation Beyeler, Basel/Riehen (CH), Groninger Museum, Groningen (NL), Guggenheim Bilbao, Bilbao (E), Louisiana Museum for Moderne Kunst, Humlebaek (DK), Neues Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design, Nürnberg (D), Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Winterthur (CH), Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main (D), Tate Gallery of Modern Art, London (GB), Vitra Design Museum, Weil am Rhein (D), Vulcania – Parc Naturel des Volcans d’Auvergne, Saint Ours-les-Roches (F).
124
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2. Museumsarchitektur
Eine neue, innovative und Aufsehen erregende Museumsarchitektur bringt zusätzliches öffentliches Interesse.
3. Alleinstellungsmerkmal im internationalen Umfeld
Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, muss ein Museum für sein Haus und seine Sammlungen eine „unique selling proposition“ (USP) schaffen.
4. Anerkennung durch die internationale Fachcommunity
Die Wertschätzung von Experten erhöht das Ansehen und das Interesse am Museum.
5. Standort außerhalb kulturtouristischer Zentren
Vorteile können sich hier durch die Einbettung in eine Naturlandschaft ergeben und durch geringere direkte Konkurrenz.
6. Genaue Kenntnis der Besucher
Hohe Besucherzufriedenheit führt zu positiven Weiterempfehlungen und zum Wiederkehren der Besucher.
7. Angebot prägt die Marke – Qualitätsmanagement
Ein ausgeprägter Servicegedanke und ein breites Angebot im Shop und in der Gastronomie sorgen für nachhaltigen Besuchererfolg.
8. Strategische Marketingplanung
Unterschiedliche Produkte für unterschiedliche Zielgruppen anbieten. Ein eigener MarketingPlan berücksichtigt aktuelle und zukünftige Nachfragesituationen.
9. Kundendatenbanken – One to Eine gute und gut verwaltete Adressdatei ist One Marketing auch für ein Museum eine Unerlässlichkeit. 10. Virtuelles Museum
Die Website eines Museums ist ihre Visitenkarte und muss als aktuelles Informationsmedium genutzt werden.
11. Internationale Pressearbeit
Das ist eine Grundvoraussetzung für den internationalen Kulturtourismus.
12. Cross-Over-Produkte
Das Museum als Gesamterlebnis präsentieren und mit anderen touristischen Aktivitäten verbinden, z.B. Naturerlebnis, Sterneküche, etc.
13. Kooperation mit Tourismusverbänden
Die Zusammenarbeit mit professionellen Partnern kann neue Märkte erschließen.
14. Kooperation mit anderen Kulturanbietern
Angebote können für internationale Touristen interessant sein.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
15. Funktionierende lokale Infrastruktur
| 125
Neben dem Museumsbesuch muss für Touristen auch eine gute lokale Infrastruktur zur Verfügung stehen.
Quelle: Eigene Darstellung nach Weber-Kainz 2005
4.2.5
Zwischenfazit
Der zweite Blick auf das Thema Erfolg aus der Perspektive des Managements erweitert eine Reihe möglicher Erfolgskriterien, denn die Instrumentarien des Managements konzentrieren sich stärker auf das Produkt, die Leistung, den Kunden, die Mitarbeiter und die Führung mit dem Ziel, Prozesse und Ergebnisse zu verbessern. Während die institutionalisierten Vertretungen der Museumsbranche ihr Hauptaugenmerk auf die Kernkompetenzen des Museums gelegt haben, wird nun stärker auf das Museumsmanagement fokussiert. Vier der ersten fünf Erfolgskategorien, die in Kapitel 4.1.4 abgeleitet werden konnten, werden daher mit neuen Erkenntnissen ergänzt. Vier weitere Kategorien werden hinzugefügt. Als neue Erfolgskategorien kommen hinzu: 6. Konsequente Besucherorientierung 7. Öffentlichkeitsarbeit und Marketing 8. Flankierende Serviceangebote 9. Netzwerk und Kooperation
4.3 4.3.1
M USEALE E RFOLGSFAKTOREN
AUS DER
KULTURWISSENSCHAFTLICHEN
P ERSPEKTIVE
Erfolgsfaktorenforschung
Als Erfolgsfaktoren werden jene Parameter bezeichnet, die für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens ursächlich sind. Seit einigen Jahrzehnten widmen sich die Wirtschaftswissenschaften der Erfolgsfaktorenforschung. Vor dem Hintergrund einer sich rasch verändernden wirtschaftlichen Welt, in der immer mehr Bedeutung auf schnelle und effiziente Prozesse gelegt wird, ist die Auseinandersetzung mit potenziellen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft gleichermaßen interessant. In Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren eine empirisch ausgerichtete Erfolgsfaktorenforschung etabliert.15 Albers und Hildebrandt 15 Eine Übersicht über den Stand der Forschung bieten Albers / Hildebrandt 2006: 2. Der Beginn der Erfolgsfaktorenforschung wird häufig mit der Einführung des PIMS-Programmes
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(2006: 2) führen an, dass dieser Forschungszweig besonders in jenen Teildisziplinen der Betriebswirtschaftslehre verbreitet ist, in denen der Erfolg auf das komplexe Verhalten von Mitarbeitern und Kunden zurückzuführen ist. Hier hat vor allem das strategische Management einen besonderen Stellenwert erlangt, denn in dieser Disziplin werden speziell die Bereiche Marketing (Wirkung nach außen) und Organisationsforschung (Wirkung nach innen) untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind allerdings sehr widersprüchlich. Nicolai und Kieser (2002) weisen ausdrücklich darauf hin, dass es bislang nicht gelungen ist, konsistente und verlässliche Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens hervorzubringen. Auch Woywode (2004: 22) bestätigt, dass zwischen Forschern oft Uneinigkeit bezüglich der Operationalisierung des Unternehmenserfolgs besteht. Die unterschiedlichen Maße, die für die Bestimmung von Erfolg verwendet werden (Gewinnentwicklung, Umsatzentwicklung, Marktanteil, ROI, Shareholder Value, etc.) erschweren die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Schon kleine inhaltliche Unterschiede zwischen Erfolgsmaßen kann eine „Inkonsistenz der Ergebnisse“ zur Folge haben. Da eine Erstellung von Faktoren für eine allgemein gültige Erfolgsmessung offensichtlich sehr diffizil ist, rücken jüngere Studien von allgemeinen Kriterien ab und konzentrieren sich auf spezifische Merkmale einzelner Branchen. Abfalter (2010: 245ff.) hat eine aktuelle Übersicht über multidimensionale Studien zusammengestellt, die sich mit den verschiedenen Facetten von Erfolg bzw. Leistung in Kulturorganisationen beschäftigt. An solchen ausgewählten Erfolgs- und Einflussfaktoren können sich auch Museen orientieren. Obwohl der Bereich der Kunst und Kultur lange Zeit von einer Legitimation durch Kennzahlen befreit war, entstand durch die Knappheit der öffentlichen Kassen und den Konkurrenzkampf um die Verteilung dieser Mittel der Ruf und die Forderung nach Bewertung von kulturellen Leistungen. So hat die britische Regierung in den 1990er Jahren Leistungsindikatoren für öffentliche Kultureinrichtungen eingeführt, um Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Effektivität der staatlich unterstützten Institutionen zu prüfen. Der Kulturminister Chris Smith formulierte das so: „Quality and excellence demand efficient and effective delivery and high and consistent standards of performance. To achieve this we need an agreed basis against which to measure performance, to define what we are measuring and how we measure it and models of 16 good practise to help deliver measurable improvements.“
Auf diesem Modell beruhend hat Ian Gilhespy 1999 ein Erfolgsmessungssystem für Kulturorganisationen entwickelt, um sie „vor der externen Leistungsevaluierung der britischen Regierung zu schützen, welche die Besonderheit von Kulturorganisationen
(Profit Impact of Market Strategies) im Jahr 1972 gleichgesetzt. Das Programm, das heute nicht mehr angewendet wird, verfolgte das Ziel, Beziehungen zwischen Unternehmensstrategie und Unternehmenserfolg zu identifizieren. Einen ausführlichen Überblick über die Erfolgsfaktorenforschung in Kulturinstitutionen im Bereich der Darstellenden Kunst gibt Abfalter (210: 239ff). 16 Department for Culture, Media and Sport – Museums, Galleries and Cultural Property Division (Hrsg.), Efficiency and Effectiveness of Government-sponsored Museums and Galleries, London 1999, S. 5.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
| 127
nicht in Betracht ziehen würde“ (Abfalter 2010: 200). Die nachfolgende Übersicht stellt die Leistungsindikatoren nach Gilhespy dar: Tabelle 13: Leistungsindikatoren für Kulturorganisationen nach Gilhespy (1999) Leistungsindikatoren für Kulturorganisationen nach Gilhespy (1999) 1. Zugangsmaximierung 2. Besuchermaximierung 3. Diversität / Multikulturalismus 4. Maximierung der Wirtschaftlichkeit 5. Bildung 6. Qualität (Exzellenz) 7. Innovation 8. Einkommensmaximierung 9. Maximierung der Dienstleistungsqualität 10. sozialer Zusammenhalt (Kohäsion) 11. wirtschaftliche Bedeutung und Einfluss 12. Prestige 13. Lebensqualität Quelle: Eigene Darstellung nach Abfalter 2010: 200ff.
Dass heute die Messung von Erfolg in Kulturbetrieben einen so hohen Stellenwert hat, verbindet Abfalter (2010: 236) mit drei aufkommenden Trends: erstens einem gestiegenen akademischen Interesse an der Leistung von Kultur- und Non-ProfitBetrieben, zweitens der Übernahme von Managementpraktiken aus dem For-ProfitBereich und schließlich der Tatsache, dass immer mehr For-Profit-Unternehmen in Bereichen aktiv werden, die ursprünglich Non-Profit-Unternehmen vorbehalten waren. Da privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen eine Reihe neuer Geschäftsfelder im Kultur- und Freizeitbereich entdecken, entstehen für Kulturbetriebe und Museen noch nie dagewesene und unerwartete Konkurrenzsituationen. Damit einher geht auch ein verändertes Besucherverhalten, denn in einer zunehmend multimedial strukturierten Welt hat die interessierte Öffentlichkeit eine viel größere Wahlmöglichkeit der Freizeitgestaltung. So müssen Museen um die Gunst des Publikums werben und sich auf die zunehmende Erlebnisorientierung der Gesellschaft einstellen.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT
4.3.2
Zehn Arbeitshypothesen für das Museumsmanagement nach Dauschek (2001)
Die stete Gewinnung neuer Publikumsschichten und die nachhaltige Besucherbindung werden in amerikanischen Museen unter dem Begriff „Audience Development“ schon lange praktiziert. Diese Feststellung stammt von Anja Dauschek (2001), die Managementmethoden aus kulturwissenschaftlicher Perspektive untersucht hat. Thema ihrer Studie waren Managementstrukturen amerikanischer Museen. Anhand einer Reihe von „Best-Practice-Museen“ wurde der Frage nachgegangen, inwieweit wirtschaftlich orientiertes Denken und Handeln die Museumsarbeit verändert. Die Autorin betont die enge Verbindung zwischen dem Selbstverständnis und der gesellschaftlichen Rolle von Museen und ihrem Management. „Das Verhältnis eines Museums zu seiner Öffentlichkeit bestimmt die Diskussion über die Strategien seines Managements, und umgekehrt hat die Einführung eines wirtschaftlich orientierten Managements eine Veränderung der gesellschaftlichen Position eines Museums zur Folge“ (Dauschek 2001: 11). Mit dem Einsatz neuer Methoden des Museumsmanagements wandelten sich die amerikanischen Museen im Hinblick auf ihre Arbeitskultur und ihr Verhältnis zum Publikum. Dauschek nennt das einen Perspektivenwechsel von einer nach innen gewandten Verwaltungsperspektive zu einer auf das äußere Umfeld gewandten Managementperspektive. Als wesentliche Aspekte des neuen Managements bezeichnet die Autorin die Überarbeitung des Mission Statements, die Einführung strategischer Planungsprozesse, die Verflachung der Hierarchien, mehr Teamarbeit in einer funktional ausgerichteten Organisationsstruktur, eine gezielte Personalentwicklung in neuen Arbeitsbereichen und verbesserte Kommunikationsstrukturen (vgl. Dauschek 2001: 8). Die Frage, ob amerikanische Erfahrungen aus dem Bereich Reorganisation auf Museen in Deutschland übertragbar sind, beantwortet Dauschek mit zehn Arbeitshypothesen. Sie berücksichtigt dabei die unterschiedlichen gesellschaftlichen und landesspezifischen Gegebenheiten und kommt zu dem Schluss, dass Prozesse und Techniken, die amerikanische Museen erfolgreich einsetzen, prinzipiell auch in deutschen Museen anwendbar sind. Diese Thesen werden hier tabellarisch aufgelistet und mit ergänzenden Erläuterungen beschrieben: Tabelle 14: Arbeitshypothesen – Management für Museen nach Dauschek (2001) Arbeitshypothesen – Management für Museen nach Dauschek (2001) These 1: Eine Aufgabe des Museums wird als Oberziel, als Mission, definiert. Ihm werden alle anderen Aufgaben nachgeordnet. Das Organisationsziel bestimmt die Planungsstrategie, ihre Struktur und ihre Positionierung auf dem Markt.
Museen zeichnen sich durch ein breites Aufgabenspektrum aus. Oft werden die klassischen Aufgaben eines Museums, Sammeln, Bewahren, Forschen, Präsentieren und Vermitteln, als gleichrangige Aufgabenbereiche neben einander gereiht. Mit der Definition eines Ziels wird eine Aufgabe herausgehoben, der
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
| 129
sich alle anderen Aufgaben unterordnen müssen. Strategische Planung und der gezielte Einsatz von Ressourcen ist nur im Hinblick auf ein präzise definiertes Ziel möglich. These 2: Wirtschaftliches Management im Sinne eines bewussten Umgangs mit den vorhandenen Ressourcen eines Museums ist nur im Rahmen einer längerfristigen Personal- und Finanzstrategie möglich, die auf das Organisationsziel ausgerichtet ist. These 3: Ein wirtschaftlich orientiertes Museumsmanagement muss ein Regelsystem zur Kontrolle und Bewertung der Zielerreichung einrichten, das die Leistung der Beschäftigten sichtbar und das Organisationsziel und die strategischen Ziele überprüfbar macht.
Hier ist es wichtig, dass die strategische Planung auf einen längeren Zeitraum hin ausgerichtet ist. Mit einer finanziellen und personellen Sicherheit können diese Ressourcen entsprechend verplant werden.
Erfolgskontrollen und Leistungsbeurteilungen sind wichtiger Teil eines allgemeinen Informationssystems.
These 4: Ein Museum muss sich auf einem von ihm Museen können sich in einer Nische ökonomisch und inhaltlich zu definierenden zwischen dem Freizeitmarkt und Markt positionieren, der seinen Möglichdem Bildungsmarkt ansiedeln. keiten und Bedürfnissen gerecht wird. These 5: Museen müssen als aktive „local players“ die Nachfrage nach ihren Angeboten steuern.
These 6: Die Funktionen in der „Peripherie“ der fachwissenschaftlichen Aufgaben eines Museums müssen entwickelt werden, um ein ressourcenbewusstes Handeln überhaupt erst zu ermöglichen: Personal- und Finanzkompetenzen, Öffentlichkeitsarbeit, Spendenakquisition.
Das Museumsmanagement muss zwischen den von außen erwarteten Leistungen und den eigenen Möglichkeiten vermitteln. Als publikumsorientierte Einrichtung kann sich das Museum als Einrichtung der kulturellen Öffentlichkeit etablieren.
Wirtschaftliche Stabilität ist oberstes Ziel. Eine Veränderung der Organisationsstruktur kann für neue Aufgaben Ressourcen freimachen.
130
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These 7: Das Museumsmanagement muss eine funktionale Organisationsstruktur schaffen, in der fachwissenschaftliche, pädagogische und administrative Abteilungen gleichgestellt sind. These 8: Die Delegation von Verantwortung, Projektmanagement und Teamarbeit in allen Aufgabenbereichen ist Grundlage effizienter Arbeitsabläufe.
Im Museum sind zur Erreichung der Ziele alle Abteilungen gleich wichtig.
Neue Ziele bedingen neue Strukturen. Teamarbeit ist in allen Ebenen wichtig.
These 9: Die Diversifikation des Angebots, der Zielgruppen und die Diversifikation der finanziellen Quellen sind eine Überlebensstrategie für Museen.
Wie immer gilt, nicht auf ein Pferd setzen. Unterschiedliche Angebote sprechen unterschiedliche Besuchergruppen an.
These 10: Mit der Einführung von Managementstrategien kann sich die Rolle der fachwissenschaftlichen Aufgaben im Museum ebenso verändern wie die Beziehung des Museums zur Öffentlichkeit.
Es steht nicht mehr nur die eigene Forschungsleistung im Vordergrund, sondern die Arbeit muss auch an das Publikum / die Öffentlichkeit vermittelt werden.
Quelle: Eigene Darstellung nach Dauschek 2001: 201ff.
Eine Einbindung amerikanischer Managementstrategien stößt laut Dauschek in deutschen Museen auf große Zurückhaltung. Eine konsequente Besucherorientierung nach amerikanischem Vorbild wird von deutschen Museumsdirektoren durchwegs kritisch diskutiert. Kunstvermittlung und die Konzentration auf die Nutzer des Museumsangebotes sind keineswegs die obersten Ziele deutscher Museen. Den Bereichen des Sammelns und Bewahrens wird in Deutschland ein höherer Stellenwert beigemessen. Weiterhin wird das Instrument der strategischen Planung „als Verbindung von inhaltlichen und wirtschaftlichen Zielen, das in den amerikanischen Museen das Herzstück des wirtschaftlichen Denkens und Handelns darstellt“, in deutschen Museen nicht in demselben Maße angewandt. Dauschek (2001: 211) führt das auf die Rechtsform deutscher Museen zurück. Die Autorin nennt den strategischen Einsatz von Personal und Finanzen als ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg eines Museums. Sie ist allerdings der Ansicht, dass ein effizienter Einsatz dieses Managementinstruments nur in Museen möglich ist, deren Rechtsform außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehen.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
4.3.3
| 131
Erfolgsfaktoren für die Museumsarbeit nach Wiese (2010)
Die Herauslösung der öffentlichen Museen aus dem staatlichen oder kommunalen Verwaltungsapparat stellt auch für Rolf Wiese (2010) das wichtigste Kriterium für Erfolg dar. Im Monatsmagazin von Kulturmanagement Network (2010) skizziert der Autor seine Erfolgskriterien für Museen. Die Ausgabe vom März 2010 widmet sich der Frage, ob sich die Institution Museum in einer Krise befindet. Auf den ersten Blick verwundert diese Fragestellung, denn ständig steigende Besucherzahlen in Museen und Ausstellungen belegen deutlich das nach wie vor große Interesse an den Museen. Doch die Frage ist in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise und schwindender öffentlicher Kulturetats berechtigt. Das Augenmerk der Autoren und Experten richtet sich auch auf die Zukunft der Museen. Wichtige Weichenstellungen müssen jetzt getroffen werden, um deren gesellschaftliche Bedeutung zu bewahren. In seinem Beitrag nennt Wiese aus der Sicht der öffentlichen Museen eine Reihe von allgemeinen Erfolgsfaktoren, die an die jeweiligen Ausgangs- und Rahmenbedingungen jedes Museums anzupassen und weiter zu konkretisieren sind. Tabelle 15: Erfolgsfaktoren nach Wiese (2010) Erfolgsfaktoren nach Wiese (2010) 1. Lösung aus dem staatlichen Verwaltungsapparat
Das Problem staatlicher Strukturen ist die Schwerfälligkeit der Reaktion bei Veränderungen im Umfeld. Das kann nur durch neue Rechtsformen verändert werden.
2 . Übertragung von Steuerungsinstrumenten
Methoden des Museumsmanagements sind für die effektive Umsetzung der Kernaufgaben eines Museums unerlässlich.
3. Verständnis des Museums Museen müssen dem Vergleich mit anderen als Dienstleistungsunternehmen Dienstleistungsunternehmen standhalten. Denn Service und Dienstleistung entscheiden mit über Besucherzufriedenheit und Publikumsakzeptanz. 4. Auf Zielorientierung, Akzeptanz, Integration und Fairness ausgerichtete Mitarbeiterpolitik
Zufriedene Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource eines Museums. Dafür sind wichtig: entsprechende Entlohnung, gute und offene Planung der Arbeitsabläufe, gute und schnelle Kommunikations- und Entscheidungswege, Entwicklungsmöglichkeiten.
5. Attraktives Angebot
Ausgehend von der Sammlung ist es eine der zentralen Aufgaben des Museums, attraktive Angebote für Zielgruppen zu entwickeln. Die Qualität des Angebotes ist für den Besucherzuspruch wichtig.
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6. Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
Eine ansprechende externe Kommunikation, professionelles Marketing und kreative Kooperationen sind in einer Zeit der Informationsüberflutung mitentscheidend für den Erfolg.
7. Generierung zusätzlicher Unterstützung / Finanzen
Die Akquisition zusätzlicher Finanzmittel und eigene wirtschaftliche Aktivitäten sind für jedes Museum lebenswichtig. Dabei sind vor allem langfristige Partner (z.B. Fördervereine, ehrenamtliches Engagement, langfristige Partner aus Wirtschaft) von Bedeutung.
8. Zielgerichtete Forschung
Die Forschung ist eine Kernaufgabe des Museums, die langfristig eine erfolgreiche wirtschaftliche Kette zwischen der inhaltlichen Ausrichtung und der Objekt-Präsentation und -Dokumentation sichert.
9. Erfolg durch Konzept
Anhand der Leitlinie des Museums erfolgt die strategische Ausrichtung und Planung des Museums. Eine Überprüfung der Richtlinien sollte alle fünf bis sieben Jahre erfolgen und eventuell auf neue Entwicklungen und Trends reagieren.
Quelle: Eigene Darstellung nach Wiese 2010b
Die oben genannten Erfolgsfaktoren wurden von Wiese aus der Innenperspektive, der Sichtweise des Museums entwickelt. Sie berücksichtigen daher keine Einflüsse von außen wie zukünftige Trends und gesellschaftliche Veränderungen, die sich auf die Arbeit eines Museums positiv oder negativ auswirken können. Aus diesem Grund fordert Wiese die Einbeziehung zukünftiger Entwicklungen in die Museumskonzepte, um auf Veränderungen im Umfeld des Museums reagieren zu können und auch in Zukunft aktuell zu bleiben. Wiese nennt die folgenden vier Trends als wichtige Einflussfaktoren: Tabelle 16: Vier Trends nach Wiese (2010) Vier Trends nach Wiese (2010) 1. Integration von gesellschaft- Zu berücksichtigen sind demografische Verlichen Trends änderungen. Ältere Menschen haben ein höheres Interesse an Kunst und Kultur, was sich auf die Nutzung der Angebote, mögliches Erbschaftspotenzial und auf das Ehrenamt positiv auswirken könnte.
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
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2. Integration von Trends im Freizeitmarkt
Studien belegen, dass der Museumsbereich als Teilbereich des Freizeitmarktes angesehen wird und daher dessen Regeln für das Museum in Zukunft relevant sein werden Wichtig sind Kundenbindungsprogramme, Service, unterschiedliche Angebote.
3. Integration von Trends im Kulturmarkt
Der Kulturtourismus wird sich in Zukunft noch verstärken und die Museen sollen darauf reagieren.
4. Integration von Trends im Museumsmarkt
Museen werden als die Gewinner der Kulturindustrie angesehen. Das Interesse und die Besucherzahlen werden noch steigen. Das fördert das bürgerliche Engagement. In Zeiten der schnellen Informationsflut werden originale Kunstwerke mehr geschätzt werden, in Zeiten der Globalisierung stehen inhaltliche Schwerpunkte und die Bewahrung des Kulturerbes im Vordergrund.
Quelle: Eigene Darstellung nach Wiese 2010b
Der Autor zählt neben den Kernaufgaben des Museums das Instrument des Museumsmanagements zu den wichtigsten Faktoren für eine positive Entwicklung der Museen. Deren Zukunftsfähigkeit wird sich daran messen, wie flexibel kulturelle Institutionen auf wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Trends reagieren. Wiese rät, schon heute bekannte Trends in die gegenwärtige Museumsarbeit zu integrieren, um für die Zukunft gut gerüstet zu sein. 4.3.4
Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008)
Ein auf die Zukunft ausgerichtetes Museumsmanagement muss seine aktuellen und besonders seine zukünftigen Besucher im Blick haben. Eine genaue Kenntnis seiner Kunden, das Wissen um ihre Bedürfnisse und Erwartungen an das Museum können daher wesentliche Triebkräfte für den aktuellen und zukünftigen Erfolg sein. Reussner (2009) hat gezeigt, dass wirksame Publikumsforschung ein Erfolgsfaktor für die Institution Museum sein kann. Die Erhöhung der Besuchsfrequenz kann durch das Ansprechen neuer Zielgruppen erfolgen. Damit können Kunden gewonnen werden, die das Museum erstmals besuchen. Ein zweiter Weg ist die Besuchsaktivität von bereits vorhandenen Kunden zu erhöhen. Diese Form der Kundenbindung hat Laukner (2008) in Kunstmuseen untersucht und Gründe für das Wiederbesuchsverhalten von Museumsbesuchern erforscht. Dabei hat sie zehn Faktoren herausgestellt, die dafür verantwortlich sind, dass Besucher ein Museum wiederholt besuchen. Diese „Bindungs-Klebstoffe“ werden nachfolgend tabellarisch aufgelistet:
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Tabelle 17: Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008) Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008) 1. Attraktivität und Unverwechselbarkeit der Exponate und deren Inszenierung
Interessante und ansprechende Präsentation und Aufbereitung der Dauer- und Sonderausstellungen; Einzigartigkeit und Abwechslungsreichtum der Ausstellung
2. Umfang und Vielfalt der Ausstellung
Vertiefen einer bereits bekannten Ausstellung, wenn beim Vorbesuch nicht alle Objekte gesehen werden konnten
3. Verbundangebote
Zusatzangebote: Museumscafé, Restaurant und Museumsshop; Teilnahme an Führungen oder Veranstaltungen
4. Innen- und Außenarchitektur
Gestaltung des Museumsgebäudes und positive Gestaltung der Innen- und Ausstellungsräume
5. Vergünstigungen
Finanzielle Anreize wie ermäßigte oder freie Eintritte; Besitz von Jahreskarten oder KombiTickets; Kostenlose Vermittlungsprogramme
6. Personale Elemente
Serviceorientierte und besucherfreundliche Museumsmitarbeiter, die Auswirkungen auf das subjektive und objektive Wohlfühlen des Besuchers haben, Erhalt von persönlichen Informationen
7. Regionale Identifikationen
Nähe zum Museum, gute Anbindung und Erreichbarkeit des Museums, Identifikation mit dem Museum, Stolz auf das Museum in der Region
8. Externe Anlässe
Gemeinsame Besuche mit Freunden, besondere Anlässe im Museum
9. Positiver Erlebniswert
Angenehme und erlebnisreiche Erfahrungen beim vorherigen Besuch, regelmäßige Beschäftigung mit Kunst, Wunsch „in“ sein zu wollen
10. Direkt gerichtete Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit durch Plakate, Flyer und positive Berichterstattung in den Medien, Zugänglichkeit durch Öffnungszeiten; andere Attraktionen in der Nähe des Museums
Quelle: Eigene Darstellung nach Laukner 2008: 270ff.
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Ein Wiederbesucher hat nach Günter und Helm (2006: 11) für ein Museum einen höheren Wert als ein Erstbesucher, denn „je länger ein Kunde gehalten werden kann, desto wertvoller wird er damit für den Anbieter“. Das verdeutlicht die Wichtigkeit eines gezielten Besuchermanagements für Museen. Der Aufbau, der Erhalt und die Verstärkung der Beziehungen zu den Besuchern sind die belangreichsten Aufgaben eines dienstleistungsorientierten Museumsmarketings. Aus der Perspektive der Museumsbesucher stehen attraktive Ausstellungen an erster Stelle. Die Unverwechselbarkeit von Exponaten und deren Inszenierung sind der Hauptgrund für einen Wiederbesuch. Die weiteren Gründe fokussieren auf einer persönlichen Affinität zu den Museumsleistungen und zeigen, dass finanzielle und personale Aspekte eine große Rolle spielen. Neben den Verbundangeboten, wie einem Museumscafé oder einem Museumsshop, zählen die Atmosphäre im Museum, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter und monetäre Anreize zu den Gründen, warum Besucher ein Museum erneut aufsuchen. Diese positiven emotionalen Empfindungen stellen eine Verbundenheit des Besuchers mit dem Museum dar und führen auch dazu, dass der Besucher das Museum weiterempfiehlt. Von dieser positiven Ausstrahlungswirkung kann die Institution enorm profitieren. Eine Wurzel des musealen Erfolgs liegt daher mit Sicherheit in der Berücksichtigung der Gründe für einen Wiederbesuch. Die Bindungsfaktoren nach Laukner stellen somit eine wichtige Ressource für die Generierung der Erfolgskriterien dieser Studie dar. 4.3.5
Erfolgsfaktoren der Ausstellung „Das Moma in Berlin“ nach von Chlebowski (2008)
Katharina von Chlebowski (2008) hat in ihrer Studie die Branchenkultur deutscher Kunstmuseen und ihre Wandelfähigkeit im Bereich des Organisations- und Führungssystems untersucht. Im Kapitel „Implikationen für die Praxis“ stellt die Autorin die Erfolgskriterien der Ausstellung „Das Moma in Berlin“ vor, an der sie als Projektleiterin maßgeblich mitgearbeitet hat. Chlebowski hat die für den Erfolg verantwortlichen Faktoren zu Kernaussagen verdichtet: Tabelle 18: Erfolgsfaktoren der Ausstellung „Das MOMA in Berlin“ nach Chlebowski (2008) Erfolgsfaktoren nach von Chlebowski (2008) 1. Geld ist ein wichtiges Thema!
Das hohe Budget erforderte Risikobereitschaft. Der Verein der Freunde der Nationalgalerie übernahm die Finanzierung, weil der privatwirtschaftlich organisierte Verein flexibler und ökonomischer handeln kann als die Nationalgalerie. Alle Beteiligten kommen aus der Wirtschaft, ihr Denken ist output-orientiert.
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2. Schnelligkeit als oberstes Credo
Auf unvorhergesehene Dinge muss immer schnell reagiert werden. Als Beispiel wird eine zusätzliche Klimaanlage angeführt, die innerhalb von 14 Tagen realisiert werden konnte. Auf den großen Besucheransturm wurde mit neuen Angeboten sofort reagiert.
3. Wissen, wofür man arbeitet: ein klares Zielsystem
Alle Beteiligten kannten die Vorgabe: 700.000 Besucher in sieben Monaten. Das gesamte Team hat sich an diesem Ziel und der Vision orientiert, Berlin für diese Zeit zum Ort der modernen Kunst in Europa zu machen.
4. Die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten
Große Teile der Ausstellungsfläche wurden zu einem Museumsshop umfunktioniert. 10 % des Gesamtbudgets wurden für das Corporate Design ausgegeben. Eine umfangreiche MarketingKampagne machte die Ausstellung zu einem Event. Der Ausstellungsbesuch und vor allem die langen Warteschlagen wurden inszeniert.
Quelle: Eigene Darstellung nach von Chlebowski 2008: 196ff.
Als wichtigstes Erfolgskriterium nennt die Autorin ein wirtschaftliches und strategieorientiertes Handeln. Neben der hohen künstlerischen Qualität des Ausstellungsprojektes wurde darauf geachtet, unterschiedliche Stakeholder-Gruppen durch differenzierte Angebote zufrieden zu stellen. Aus der Erfahrung dieses in allen Bereichen (Finanzen, Besucher, Resonanz) sehr erfolgreichen Ausstellungsprojektes entwickelt von Chlebowski allgemein gültige Empfehlungen für die Handlungspraxis von Kunstmuseen. Diese werden nachfolgend übersichtlich dargestellt: Tabelle 19: Handlungsempfehlungen für Kunstmuseen nach von Chlebowski (2008) Handlungsempfehlungen für die Praxis nach von Chlebowski (2008) 1. Trennung in hoheitliche und nichthoheitliche Aufgaben
Hoheitliche Aufgaben sind die wissenschaftlichen Tätigkeiten, die sich auf Inhalt und Qualität des Sammelns, Ausstellens und Vermittelns beziehen (durch den gesellschaftlichen Auftrag definierte Aufgaben). Nichthoheitliche Aufgaben sind organisatorische und finanzielle Tätigkeiten.
2. Aufgabenadäquate Organisa- Von Kunsthistorikern muss heute neben hohem tions- und Personalstruktur Fachwissen auch eine hohe Organisations- und Führungskompetenz erwartet werden.
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3. Positive Ansätze durch wirtschaftlich-strategisches Handeln verstetigen
Wirtschaftliches und strategisches Handeln muss in allen Bereichen eines Museums Grundlage der Arbeit sein.
4. Insourcing durch Modelle öffentlich-rechtlicher Partnerschaften
Personal mit entsprechenden Qualifikationen soll temporär die Personalstruktur ergänzen und in die Museumsstruktur integriert werden.
5. Unterschiedliche kulturelle Prägungen sozialkompetent integrieren
Die konstruktive, fruchtbare und kreative Zusammenarbeit von unterschiedlichen Projektleitern und der respektvolle Umgang mit den jeweiligen Projektergebnissen ist Basis einer erfolgreichen Zusammenarbeit.
Quelle: Eigene Darstellung nach von Chlebowski 2008: 198ff.
4.3.6
Zwischenfazit
Die dritte Perspektive auf mögliche Faktoren des Erfolgs entstammt unterschiedlichen Analysen aus dem Bereich des Kultur- und Museumsmanagements. Alle Betrachtungen berücksichtigen die spezifischen Bedingungen eines Museums als NonProfit-Institution, die einen kulturellen Auftrag zu erfüllen hat und gleichwohl ökonomisch geführt werden muss. Fazit aller Untersuchungen ist die Forderung, Effektivität und Effizienz betrieblicher Abläufe zu steigern und höheres Augenmerk auf Personal- und Besuchermanagement zu legen. Die Erfolgskategorien werden daher hauptsächlich in den Bereichen „Leitbild und Museumskonzept“, „Museumsmanagement“, und „Konsequente Besucherorientierung“ ergänzt. Als neue Erfolgskategorie kommt hinzu: 10. Hohe Dienstleistungsqualität
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4.4
O PERATIONALISIERUNG DER UNTERSUCHUNGS RELEVANTEN E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
Nachdem unterschiedliche Blickwinkel auf die Frage nach Erfolg im Museum gerichtet wurden, konnten aus den Erkenntnissen dieser Analyse zehn Kategorien benannt werden, die den Erfolg von Museen nachhaltig beeinflussen: Ziele und Leitbild, Trägerschaft und Finanzen, Kernkompetenz eines Kunstmuseums, Museumsmanagement, qualifiziertes Personal, konsequente Besucherorientierung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Netzwerk und Kooperation sowie hohe Dienstleistungsqualität. Bei allen Erfolgskriterien handelt es sich ausschließlich um interne Faktoren, die das Museum selbst steuern kann. Das vorliegende Kapitel widmet sich der ausführlichen Beschreibung dieser zehn Erfolgskategorien und ihrer Unterteilung in 28 untersuchungsrelevante Erfolgskriterien (EK 1 – EK 28). Im Anschluss daran erfolgt eine Operationalisierung17 in messbare Indikatoren. 4.4.1
Ziele und Leitbild
Jede Kultureinrichtung muss sich die Frage nach ihrem Organisationszweck und ihrem Auftrag stellen. Wo stehen wir (Mission), wo wollen wir hin (Vision) und wie erreichen wir unser Ziel (strategisches Leitbild)? Die Mission bestimmt das Gegenwärtige, sie bestimmt den Handlungsrahmen und die Leistungsfähigkeit der Organisation. Die Vision definiert die Zukunft und dient der langfristigen Orientierung. Das strategische Leitbild formuliert die grundsätzliche Ausrichtung der Organisation und definiert als zentrales Steuerungselement die Zielvereinbarungen für die Mitarbeiter. Die Ausrichtung der Zielvereinbarung ist zukunfts- und ergebnisorientiert und von sozialer Verantwortung geprägt. „Das Leitbild des Museums reagiert dynamisch auf gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen und ist diesen anzupassen. Leitbilder richten sich ebenso nach außen an die Öffentlichkeit wie nach innen an die Beschäftigten, Träger, Freunde und Förderer“ (Deutscher Museumsbund 2008b: 9).
Aus den Kernaufgaben des Museums muss ein Oberziel bestimmt werden, dem sich alle anderen Aufgaben unterordnen. Das präzise definierte Ziel ermöglicht den gezielten Einsatz der Ressourcen. Das Museum positioniert sich im kulturellen und künstlerischen Kontext entsprechend seiner Ausrichtung und seiner Möglichkeiten. Die Qualität des Museumsmanagements wird „entscheidend daran zu messen sein, inwieweit es gelingt, übergreifende Visionen, Missionen und Rahmenziele zu erläutern und durch geeignete Übersetzung in die Sprache der Menschen mit Leben zu erfüllen“ (zit. nach Klein 2007: 96).
17 Als Operationalisierung wird die Entwicklung von Methoden zur Messung eines theoretischen Konstrukts (hier Erfolg) bezeichnet.
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Potenzielles Erfolgskriterium 1 (EK 1): Leitbild und Museumskonzept Indikatoren Klar formulierte Vision, Mission und ein strategisches Leitbild Alle Mitarbeiter sind über das Leitbild informiert. Alle strategischen Maßnahmen und zentralen Steuerungs-, Planungs- und Kontrollinstrumente sind auf die Zieldefinition ausgerichtet. Aus dem Leitbild sind klare organisatorische Vorgaben definiert, die den Handlungsrahmen der Mitarbeiter definieren. Den Kernaufgaben gemäß ICOM-Definition werden Prioritäten zugeordnet. Ein klares Museumskonzept hat doppelte Orientierungsfunktion: es definiert die Handlungsrichtung der Mitarbeiter und verbessert die Legitimation des Museums in der Öffentlichkeit und gegenüber potenziellen Sponsoren. 4.4.2
Trägerschaft und Finanzen
Die Trägerschaft eines Museums stellt sicher, dass ein qualifizierter Betrieb durch ausreichende finanzielle Mittel und Ressourcen gewährleistet ist. Eine mehrdimensionale Finanzierung des Museumsbetriebs scheint zweckmäßig und zielführend. Nach Beccarelli (2005) sind in einem Museum als Non-Profit-Organisation drei Finanzierungsarten zu unterscheiden: öffentliche Zuschussfinanzierung, private Zuschussfinanzierung und selbsterwirtschaftete Einnahmen. Die Finanzierung erfolgt nicht nur in Form monetärer Mittel, sondern als Einnahmen müssen auch Finanzmittelsurrogate angesehen werden. Darunter fallen Sachleistungen, unentgeltliche Dienstleistungen, Steuererleichterungen und Zeitspenden von Einzelpersonen oder von Organisationen. Nachweislich gibt es in den meisten öffentlichen Museen in Deutschland erhebliche Disproportionen zwischen den fixen Kosten für Personal, Betriebskosten und Bestandserhalt und den Mitteln für operative Zwecke und Sammlungsankäufe. Um den Aktionsradius und den Spielraum eines Museums zu erhöhen und Museumsarbeit erfolgreich zu leisten, sind daher ein verstärktes Bemühen um privatwirtschaftliche Förderung und bürgerschaftliches Engagement notwendig.18
18 Nach Angaben der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ liegt der Anteil privater Finanzierung durch Stiftungen, Mäzene und Sponsoren am Gesamtbudget aller deutschen Museen unter fünf Prozent (vgl. schriftliche Stellungnahme des Deutschen Museumsbundes zum Arbeitsprogramm der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, S. 4, Kommissionsmaterialien 15/142). Im Jahr 2008 hat der Deutsche Museumsbund einen Leitfaden für Bürgerschaftliches Engagement im Museum herausgegeben (Deutscher Museumsbund 2008d).
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Hier treten die Bereiche Fundraising und Sponsoring auf den Plan, deren erfolgreiche Aktivierung von der Museumsdirektion und ihrem qualifizierten Personal abhängig sind. Neue Erlösfelder zu finden und Einnahmen aus dem Museumsbetrieb und seinen betriebsnahen Strukturen zu generieren, stellt eine wichtige Aufgabe des Museumsmanagements dar. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass das Museum eine gemeinnützige Einrichtung ist, die ihre Sammlung zu Bildungs- und Unterhaltungszwecken ausstellt und ein möglichst großes Publikum ansprechen soll. In der Kostengestaltung der Eintrittsgelder ist daher auf eine Kostendifferenzierung zu achten, die keine finanziellen Hürden für sozial schwächere Gruppen aufbaut. Laukner (2005: 118) hat gezeigt, dass der Faktor „Vergünstigungen“ einen wichtigen Beweggrund darstellt, warum Besucher ein Museum erneut besuchen. Zu den „Erleichterungen des Besuchs – finanzieller Art oder andere Zugangserleichterungen“ zählen u.a. Ermäßigungen wie Gruppeneintritte und Familienkarten, freie Eintritte an bestimmten Tagen oder Preisnachlässe auf die Eintrittskarte durch Verbundangebote, die z.B. Tourismus- oder Museumsverbände vertreiben. Trotz der Notwendigkeit, wirtschaftlich zu agieren, steht die Gewinnorientierung nicht im Mittelpunkt des Museumsinteresses, sondern der Wunsch nach Besuchermaximierung. Je mehr Gäste ein Museum besuchen, desto höher können Einnahmen aus betriebsnahen Strukturen ausfallen. So stehen geringere Erlöse im Bereich der Eintrittsgelder oft höheren Einnahmen im Museums-Shop gegenüber. Obwohl Vergünstigungen auf Eintrittskarten zu geringeren Erlösen führen, tragen sie in hohem Maße zur Zufriedenheit der Kunden bei. Das wiederum kann zu positiven Weiterempfehlungen führen, die „unbezahlbar“ sind. Denn Mundpropaganda ist eines der wichtigsten Werbevehikel im Kulturbereich. Potenzielles Erfolgskriterium 2 (EK 2): Ausreichende und gesicherte finanzielle Ressourcen für den Museumsbetrieb Indikatoren Höhe des jährlichen Gesamtbudgets Budgetsicherheit in den nächsten fünf Jahren Verhältnis der fixen Kosten wie beispielsweise Betriebskosten und Personalkosten im Vergleich zu den variablen Kosten wie Ankaufsetat, Ausstellungsetat, externe Kommunikation Höhe der Einnahmen durch Eintrittstickets und Veranstaltungen Höhe der Einnahmen aus betriebsnahen Strukturen Höhe der Einnahmen aus Drittmittelakquise Vergleich des Gesamtetats mit anderen öffentlichen / privaten Museen
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Potenzielles Erfolgskriterium 3 (EK 3): Mehrdimensionale Finanzierung Indikatoren Budgetverteilung: Verhältnis von öffentlicher Zuschussfinanzierung, privater Zuschussfinanzierung und selbsterwirtschafteter Einnahmen Aktivitäten zur Steigerung der Eigeneinnahmen Aktivitäten der Drittmittelakquise Langfristig angelegte Partnerschaften (Fördervereine, ehrenamtliches Engagement, dauerhafte Kooperationen aus der Wirtschaft) Qualifiziertes Personal und eine feste Stelle für den Bereich Fundraising und Sponsoring Erschließung neuer Finanzquellen ist Chefsache.
Potenzielles Erfolgskriterium 4 (EK 4): Diversifikation der Eintrittspreisgestaltung Indikatoren Eintrittspreisdifferenzierungen (Gruppen, Familien, Verbundkarten, etc.) Ermäßigungen / freier Eintritt für sozial schwache Besucher Kostenloser Eintritt für Kinder und Jugendliche Finanzielle Anreizsysteme für einen Museumsbesuch Kosten für Begleitprogramme, Führungen, Veranstaltungen 4.4.3
Kernkompetenz des Kunstmuseums
Sammeln und Bewahren Die Existenz eines Museums rechtfertigt sich durch seine Sammlung. Das Museum sammelt Kunstwerke der Vergangenheit und der Gegenwart, um sie für die Zukunft zu bewahren. Museen tragen daher eine große Verantwortung für die künstlerische und kulturelle Hinterlassenschaft einer Gesellschaft. Die Arbeit an und mit der Sammlung zählt zu den primären langfristigen Kernaufgaben eines Museums, auch wenn das nach außen keine sofort sichtbare und erfolgversprechende Aktivität des Museums darstellt. Im Unterschied zu Programmen von Kunsthallen werden Inhalte und Themen von Ausstellungen im Museum aus der Sammlung heraus entwickelt. Die Sammlung und die inhaltliche Ausrichtung bestimmen daher das Profil des Museums. Die Einzigartigkeit der Sammlung ermöglicht es dem Museum, sich in einem
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bestimmten kunsthistorischen und musealen Kontext zu positionieren. Aus diesen institutionsspezifischen Eigenschaften kann, gepaart mit unverwechselbaren Angeboten des Museums, eine „Marke“ entstehen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein Sammlungskonzept mit einer eigenen Sammlungsstrategie und einer zukunftsorientierten Ausrichtung unerlässlich ist. Damit jedes einzelne Museum sein eigenes und unverwechselbares Profil entwickeln kann, empfiehlt die EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ die „Erarbeitung von Museumskonzepten [...] zur regionalen und nationalen Abstimmung von Sammlungsschwerpunkten und Museumsprofilen“ (Deutscher Bundestag 2007: 128). Der Notwendigkeit des Sammelns muss durch die Bereitstellung eines angemessenen Etats Rechung getragen werden. Neben den notwendigen Erwerbungsmitteln für den Ausbau und die Weiterentwicklung der Sammlung hat das Museum für die Konservierung und langfristige Pflege der Kunstwerke Sorge zu tragen. Die Objekte werden sicher in adäquaten Depots gelagert, restauratorische Betreuung sowie fachgerechte Handhabung schützen die Sammlung vor Schäden. Potenzielles Erfolgskriterium 5 (EK 5): Einzigartigkeit der Sammlung und klares Sammlungskonzept Indikatoren Thema der Sammlung, Besonderheiten der Sammlung Ikonen der Kunstgeschichte / einzigartige Werke oder Werkkomplexe, die nur in diesem Museum erlebt werden können Vergleichbarkeit von Sammlungen im regionalen / nationalen / internationalen Kontext Unverkennbares Sammlungsprofil Langfristiges Sammlungskonzept Formen der Sammlungserweiterung und -ergänzung Perspektiven der Sammlungsweiterentwicklung Regelmäßige Überprüfung der Sammelstrategie Die Einzigartigkeit der Sammlung dient der qualifizierten Differenzierung und Profilierung des Museums (Alleinstellungsmerkmal). Durch ein Alleinstellungsmerkmal kann das Museum einen besonderen Stellenwert in der Museumsszene erlangen und sich grundsätzlich von anderen Museen unterscheiden.
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Potenzielles Erfolgskriterium 6 (EK 6): Angemessener Etat zur Sammlungserweiterung Indikatoren Höhe des jährlichen Erwerbungsetats für Sammlungsankäufe Verhältnis von Erwerbungsetat im Vergleich zum Gesamtbudget Vergleich der Erwerbungsetats mit anderen öffentlichen / privaten Museen
Potenzielles Erfolgskriterium 7 (EK 7): Fachgerechte Bewahrung der Sammlung Indikatoren Fachgerechte Lagerung der Sammlung (Depot: Klima, konservatorische Anforderungen, etc.) Funktionales Museumsgebäude auf dem Stand der Technik Ausstellungsräume: Klimatisierung, Lichtverhältnisse (Luxzahlen) Lagerflächen: Handling von Klimakisten, Verpackung von Kunstwerken Ausreichende Sicherung der Depoträume (Umwelteinflüsse, Vandalismus, Diebstahl) Notfallpläne für die Rettung von Kunstwerken im Fall von Feuer / Wassereinbruch, etc. Spezifische Kenntnisse der Museumsmitarbeiter in den Bereichen Sicherheit, Klima, Materialeigenschaften, Schadensprozesse, Konservierungs- und Restaurierungsverfahren, etc. Vorhandensein einer Restauratorenstelle Sorgsames Umgehen bei Verpackung und Transporten Forschen und Dokumentieren Die Inventarisierung der Sammlung und ein klares Bekenntnis zum Forschen sind Merkmale für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem kulturellen Erbe der Vergangenheit und der Gegenwart. „Deshalb sind die Erforschung und Dokumentation der Objekte eine notwendige Grundaufgabe jeden Museums und ein Qualitätsmerkmal guter Museumssammlungen“, sagt die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und benennt damit nachdrücklich die Bedeutung dieser Kernaufgabe (Deutscher Bundestag 2007: 121). Die qualifizierte Erschließung der Sammlung ist ein in der Öffentlichkeit wenig beachtetes Aufgabengebiet, denn der öffentlichkeitswirksame Beitrag der Museen lässt sich nun einmal kulturpolitisch gewinnbringender vermarkten als die qualifizierte Wahrnehmung der professionellen Aufgaben hinter
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den Kulissen. Allerdings unterscheidet gerade die wissenschaftliche Arbeit mit den originalen Kunstwerken das Museum von anderen Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Die Forschungen zur Sammlung werden in wissenschaftlichen Aufsätzen vertieft und in museumseigenen Herausgaben oder Fachzeitschriften publiziert. Für eine professionelle und qualifizierte Vermittlungsarbeit ist zudem die fachgerechte Dokumentation und Erforschung der Museumsbestände unumgänglich. Potenzielles Erfolgskriterium 8 (EK 8): Fachkundige Dokumentation der Sammlungsbestände und hohes Niveau der Forschungsarbeit Indikatoren Fachgerechte und vollständige Inventarisierung des gesamten Museumsbestandes Öffentliche Zugänglichkeit zum Sammlungsbestand Existenz einer Fachbibliothek Vorhandensein von qualifiziertem Personal und ausreichendem Zeitbudget für Dokumentation und musealen Forschungsauftrag Quantität und Qualität der wissenschaftlichen Publikationen Anzahl der Ausstellungsprogramme, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse präsentieren Anzahl der Kooperationen oder regionale / nationale / internationale Netzwerke wissenschaftlicher Forschungsarbeit Nutzung der Forschungsergebnisse für die Bildungsarbeit Ausstellen Das Museum tritt in erster Linie durch seine Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Daher ist der Erfolg eines Museums weitgehend von der Aktualität, dem Erscheinungsbild und der Häufigkeit von Dauer- und Sonderausstellungen abhängig, denn attraktive und interessante Ausstellungen können Besucherströme bewegen. Laukner (2008: 145) hat beschrieben, dass die „Attraktivität und Unverwechselbarkeit der Exponate und deren Inszenierung“ an erster Stelle für den Wiederbesuch eines Museums stehen. Unter diesem Bindungsfaktor nennen die Teilnehmer der Studie den Abwechslungsreichtum, die Einzigartigkeit und den Umfangreichtum der Dauer- und der Sonderausstellungen. Die Planung, inhaltliche Ausarbeitung, Organisation und Umsetzung einer Ausstellung machen einen Großteil der Aktivitäten eines Museums aus. Dafür ist qualifiziertes Personal und ausreichendes Budget notwendig. Die Anzahl der jährlichen Ausstellungen und Begleitprogramme bestimmen Medien- und Publikumsresonanz. Qualitativ hochwertige Ausstellungsprojekte und flankierende Veranstaltungsprogramme führen zu mehr Beachtung in der Presse und erhöhen das Interesse möglicher Besucher. Die Wertschätzung internationaler Fachleute und die
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Anerkennung der wissenschaftlichen Forschung und ihrer Präsentation durch Museumskollegen hebt das Ansehen der Institution. Das alles kann sich positiv auf Künstlerkontakte auswirken und langfristig zu einem guten Image führen. Potenzielles Erfolgskriterium 9 (EK 9): Attraktivität und Anzahl der jährlichen Ausstellungen Indikatoren Einzigartigkeit, Abwechslungsreichtum, Besonderheit der Ausstellungsthemen, der Exponate und ihrer Darbietung Roter Faden im Ausstellungsprogramm / Orientierung an der Sammlung Aktualisierung, Konzepte und Themen von Dauerausstellungen Anzahl der jährlichen Ausstellungen und Laufzeiten Höhe der Besuchszahlen Höhe der Teilnahme an Begleitprogrammen zu den Ausstellungen Anzahl der verkauften Ausstellungskataloge Anzahl der positiven Besucherrückmeldungen (z.B. Feedback im Besucherbuch) Feedback in Form von persönlichen Kommentaren (z.B. Emails, etc.) Umfang und Inhalt der Medienresonanz Nationale und internationale Presseberichterstattung über Ausstellungen und wissenschaftliche Arbeiten erhöhen das Renommee des Museums. Wertschätzung durch Fachkollegen in Form von Angeboten zu Ausstellungskooperationen Anerkennung durch internationale Preise und Auszeichnungen Ein guter Ruf des Museums und seiner Ausstellungen erhöht die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit namhaften Künstlern. Vermitteln Die Kunst- und Kulturvermittlung wurde in den letzten Jahren als zentrale Aufgabe eines Museums neu bewertet. Bemühungen, alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten für die Angebote des Museums zu interessieren, sind mehr ins Zentrum der musealen Aufmerksamkeit gerückt. Das dafür geschaffene Berufsbild des Kunstvermittlers trägt dieser Entwicklung Rechnung (vgl. Deutscher Museumsbund 2008c: 28/29). Der Deutsche Museumsbund hat in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Verband der Kulturvermittler und dem Schweizerischen Verband der Fachleute für Bildung und Vermittlung im Museum im Jahr 2008 Richtlinien für qualitätvol-
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le Bildungs- und Vermittlungsarbeit in Museen herausgegeben (Deutscher Museumsbund 2008b: 8). Darin heißt es: „Vermittlungsarbeit im Museum gestaltet den Dialog zwischen den Besuchern und den Objekten und Inhalten in Museen und Ausstellungen. Sie veranschaulicht Inhalte, wirft Fragen auf, provoziert, stimuliert und eröffnet neue Horizonte. Sie richtet sich an alle Besucher/innen und versetzt sie in die Lage, in vielfältiger Weise vom Museum und seinen Inhalten zu profitieren, das Museum als Wissensspeicher und Erlebnisort selbständig zu nutzen und zu reflektieren. Vermittlungsarbeit ist integraler Bestandteil der Institution Museum und realisiert maßgeblich und nachhaltig ihren Bildungsauftrag.“
Die Ausstellungsinhalte werden einem heterogenen Publikum in diversifizierten Angeboten verständlich vermittelt. Grundlage professioneller und nachhaltiger Vermittlungsarbeit ist ein schriftliches Vermittlungskonzept. Das Museum hat einen Bildungsauftrag, der in Zeiten einer sich ständig verändernden, pluralistischen Gesellschaft besondere Bedeutung erlangt. Ziel ist es, möglichst vielen Menschen die Teilhabe an kultureller Bildung zu ermöglichen. In dieser Hinsicht kommt dem Museum auch eine integrative Rolle zu, die neue Konzepte des interkulturellen Lernens erfordert. Hollein (2007: 29) ist davon überzeugt, dass „die Zukunft und der Erfolg der Museen [...] mehr denn je abhängig von der breiten gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Arbeit [sind, d.V.]. Das Museum darf nicht nur als integraler Bestandteil des Hochkonjunkturangebots der Stadt aufgefasst werden, sondern es ist auch und insbesondere ein Ort der Begegnung, Vermittlung und gerade auch der Aus- und Weiterbildung. Es muss heute so integrativ wie nur möglich sein.“
Diese Haltung erfordert von der Direktion ein kompromissloses Bekenntnis zu besucherorientierter Museumsarbeit. Die Museumsleitung trägt mit einem ausreichenden Budget dafür Sorge, dass gute Rahmenbedingungen für museale Bildungsarbeit geschaffen werden und dass der Vermittlungsgedanke im gesamten Museum etabliert ist. Ein differenziertes Veranstaltungsangebot schafft Anlässe zum Wiederbesuch eines Museums. So können komplexe Inhalte nachhaltig vermittelt, Interessen geweckt, neue Zielgruppen angesprochen und an das Museum gebunden werden. Dies unterstützt die Marketing-Aktivitäten im Sinne einer konsequenten Besucherorientierung. Potenzielles Erfolgskriterium 10 (EK 10): Klares Bekenntnis zu Kunstvermittlung und visueller Bildung Indikatoren Die Museumsleitung sieht in der Kunstvermittlung einen integralen Bestandteil der Museumsarbeit. Ein schriftliches Vermittlungskonzept ist vorhanden und definiert die Ziele der visuellen Bildung.
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Die Verantwortlichen des Bereichs Kunstvermittlung sind frühzeitig in die Ausstellungsplanungen miteinbezogen. Vermittlungsangebote für Besucher machen die Themen der Ausstellungen auf unterschiedliche Weise zugänglich. Gesellschaftliche und soziale Veränderungen beeinflussen die Programmgestaltung.
Potenzielles Erfolgskriterium 11 (EK 11): Diversifikation des Kunstvermittlungsangebots Indikatoren Differenzierung des Publikums (Kinder, Erwachsene, Familien, Singles, Paare, Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, Mitarbeiter/innen von Firmen, Touristen, Internet-Nutzer, Noch-Nicht-Besucher, etc.) Zielgruppenspezifische Angebote Diversifikation und Multikulturalismus in den Programmangeboten Unterschiedliche Formen personaler Vermittlung (Führungen, Vorträge, Diskussionsforen, Künstler- und Expertengespräche, etc.) Unterschiedliche Formen medialer Vermittlung (Audio- und Multimedia-Guides, PC-Stationen, etc.) Unterschiedliche Themen bei Audioführungen Balance zwischen erlebnisreicher und akademischer Vermittlung Museale Programme, die auch Spaß und Erlebnis vermitteln Integrative Angebote und interdisziplinäre Projekte für Museumsbesucher Angebot an Kreativ- und Mitmach-Programmen (kreative Betätigung der Besucher) Diversifikation der Publikationen (Kataloge für Erwachsene, Kataloge für Kinder, Broschüren, Kurzführer, etc.) Förderung junger Besucher, als Publikum von morgen
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4.4.4
Museumsmanagement
„Kein gut geführtes Museum kann heute auf systematisches [...] Handeln in der Museumsarbeit verzichten. Das erfordert – bei allem Vorrang der inhaltlichen [...] Arbeit – geplantes und gut organisiertes Museums- und Ausstellungsmanagement“ (Günter 2008: 49).
Zu den typischen Aufgaben des Managements in Unternehmen und Organisationen gehören Planung, Organisation, Führung und Steuerung (Controlling) betriebswirtschaftlicher Prozesse und ein zielgerichteter Personaleinsatz. Das Museumsmanagement nutzt diese Strategien und Instrumentarien der Betriebswirtschaft und passt sie den spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen der Institution Museum an. Vorrangiges Ziel des Museumsmanagements muss es sein, die Erreichung des übergeordneten Zwecks und Auftrags des Museums sicher zu stellen. Um die Effektivität und Effizienz des Museumsbetriebs zu gewährleisten, sind Managementfähigkeiten der Museumsleitung unabdingbar. Wurden seinerzeit die Künstler von den Kunsthistorikern als Museumsdirektoren abgelöst, so erfolgt in jüngster Zeit eine Verlagerung von den Kunsthistorikern zu den Kulturmanagern. Im Rahmen der Verselbständigung öffentlicher Museen wird auch häufig eine Doppelspitze aus gleichberechtigter kaufmännischer und künstlerischer Leitung eingesetzt. In einem modern gemanagten Museumsbetrieb spielen die strategische Planung und der wirtschaftliche Einsatz aller Ressourcen eine entscheidende Rolle. Das Museum versteht sich als lernende Organisation mit flachen Hierarchien und flexiblen Kommunikationsformen. Aus Fehlern wird gelernt. Durch Innovation wird der Status quo ständig verbessert. Die Erreichung der Ziele muss durch ein prozessbegleitendes Controlling überprüft werden. Wirtschaftliches Management setzt eine langfristige strategische Personal- und Finanzstrategie voraus. Das Museumsmanagement schafft eine funktionale und gleichrangige Organisationsstruktur, denn zur Erreichung der Museumsziele sind alle Abteilungen (Fachwissenschaft, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Personal, Kunstvermittlung) gleich wichtig. Projektmanagement und Teamarbeit sind die Grundlage effizienter Arbeitsabläufe. Das gesamte Team hat klare Zielvorgaben. Auf unvorhergesehene Dinge wird schnell reagiert, Neuerungen steht das Management positiv gegenüber. Potenzielles Erfolgskriterium 12 (EK 12): Managementqualifikation der Museumsleitung Indikatoren Hohe formale Qualifikationen der künstlerischen Leitung Die Museumsleitung verfügt neben der fachlichen Qualifikation über Kenntnisse in den Bereichen Betriebswirtschaft, Finanzwirtschaft, Personalplanung und Personalführung, Projektmanagement und Drittmittelakquise. Die Museumsleitung muss visionär, charismatisch und kommunikativ sein. Ihr Handeln zeichnet sich durch Beharrlichkeit und Transparenz aus.
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Die Museumsleitung definiert eine Corporate Philosophy, die die Gesamtphilosophie des Museums beschreibt. Sie bildet die Grundlage für die Corporate Communication, das Corporate Behaviour und das Corporate Design. Eine Führungspersönlichkeit sollte vier Anforderungen erfüllen (vgl. Klein 2007: 180): Sie soll mit Visionen Aufmerksamkeit wecken, durch Kommunikation Sinn vermitteln, einen klaren Standpunkt einnehmen, Position beziehen und die Entfaltung der Persönlichkeit der Mitarbeiter vorantreiben. Die Museumsleitung definiert die Wertvorstellungen der Organisations- und Museumskultur. Die Museumsleitung verfügt über ausgezeichnete Kontakte. Die Museumsleitung wird vom gesamten Team als Autorität respektiert. Die Museumsleitung ist eine lernende Führungspersönlichkeit.
Potenzielles Erfolgskriterium 13 (EK 13): Lernende und wirtschaftlich orientierte Organisationskultur Indikatoren Es besteht eine Entbündelung der Organisation, eine Dezentralisierung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen. Das Museum hat flache Organisationsstrukturen. Es gibt eine funktionale und gleichrangige Organisationsstruktur, in der alle Abteilungen (Fachwissenschaft, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Kunstvermittlung) gleichgestellt und nicht hierarchisch organisiert sind. Es gibt eine offene Organisationskultur, in der Probleme kommuniziert und konstruktiv gelöst werden. Im Museum herrscht eine hohe Wertschätzung der Mitarbeiter, es gibt eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens und Helfens. Es gibt flexible Kommunikationsformen und schnelle Informationsweitergabe. Entscheidungen werden rasch getroffen, es gibt wenig Bürokratie. Wirtschaftliches Agieren, ziel- und strategieorientiertes Handeln bildet die Grundlage der Arbeit in allen Abteilungen. Es gibt Teamarbeit, Projektmanagement ist eine Selbstverständlichkeit.
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Arbeitsabläufe sind effizient organisiert. Ziel der Organisation ist die Beibehaltung und Sicherung von Flexibilität. Auf unvorhergesehene Dinge wird schnell und flexibel reagiert. Aus Fehlern wird gelernt. Es wird versucht, Probleme so früh wie möglich zu erkennen und schnelle Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Idealerweise werden die Grundprinzipien einer guten Organisationsstruktur nach der Orpheus Methode angewandt (vgl. Klein 2007: 167): Denen Macht geben, die Arbeit erledigen Ermutigung zu persönlicher Verantwortlichkeit Rollen klar definieren Führungsbefugnis aufteilen und rotierend zuteilen Zusammenarbeit auf einzelnen Ebenen fördern Zuhören lernen und reden lernen Konsens suchen und ein kreatives Umfeld schaffen, das Konsens fördert Leidenschaftliche Hingabe an die Arbeit Die Museumsleitung schafft einen verlässlichen Rahmen, in dem jeder Mitarbeiter seine Kreativität und sein Potenzial optimal entfalten kann.
Potenzielles Erfolgskriterium 14 (EK 14): Förderung von Kreativität, Innovation und Verbesserung Indikatoren Das Museum verfügt über eine Kultur des kontinuierlichen Lernens, der kontinuierlichen Innovation und Verbesserung. Die Unternehmenskultur ist zukunftsorientiert, kreativ und umfeldbewusst. Alle Interessengruppen werden als mögliche Quellen für Kreativität und Innovation einbezogen. Die Entwicklung von Netzwerken trägt zur Verbesserung und Innovation bei. Wandel ist eine generelle Kompetenz der Organisation. Vorraussetzung für Kreativität und Innovation ist ein permanenter Wissenstransfer. Das Museum nutzt das Managementinstrument des Benchmarking, um Verbesserungen in einzelnen Bereichen zu erzielen. Das Management steht Neuerungen offen gegenüber. Es gibt die Möglichkeit, neue Wege zu beschreiten.
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Die Suche nach erfolgreichen Innovationen und Verbesserungen ist eine wichtige Antriebsmotivation für die Mitarbeiter. Das Museum hat den Mut zu Veränderungen und permanenter Reflektion.
Potenzielles Erfolgskriterium 15 (EK 15): Führen mit Zielen, Controlling und Evaluation Indikatoren Es gibt eine klare Festlegung der Ziele der Organisation. Zukunftsgerichtete Ziele geben dem Museum und den Mitarbeitern eine konkrete Richtung und eine strategische Orientierung. Klar definierte, abgestimmte Ziele sind elementar für die Steuerung eines Unternehmens. Mit einer transparenten und regelmäßigen Verfolgung der Ziele wird die Leistungsfähigkeit der gesamten Organisation sichtbar und messbar. Der Einsatz strategischer Planung gestaltet die Arbeit des Museums zielgerichtet, effizient und kontrollierbar. Durch strategische Planung können erforderliche Korrekturen rechtzeitig und zielorientiert vorgenommen werden. Es gibt konkrete Handlungsstrategien zur Erreichung der Ziele und der gewünschten Standards in allen Abteilungen. Es gibt gemeinsame Werte und entsprechende ethische Orientierungen hinsichtlich der zu erreichenden Ziele. Handlungsstrukturen und Handlungsabläufe sind festgelegt, die Weisungs- und Kompetenzausstattung ist klar kommuniziert. Es gibt eine langfristige Finanzstrategie und Personalstrategie in Abstimmung mit dem Organisationsziel. Alle Ressourcen des Museums (Finanzen, Personal, Sammlung) werden effizient eingesetzt. Die Zielerreichung steht im Vordergrund und nicht der Machterhalt von einzelnen Mitgliedern der Organisation. Im Museum gibt es ein Regelsystem zur Kontrolle und Bewertung der Erreichung der Ziele. Erfolgskontrollen und Evaluationen nach bestimmten Qualitätskriterien sind Teil des allgemeinen Informationssystems.
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Es gibt ein einheitliches Berichtswesen, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang abgeliefert werden müssen. Soll-Ist-Vergleiche werden durchgeführt. Evaluationsergebnisse beeinflussen die Planung. 4.4.5
Qualifiziertes Personal
Personal ist ein strategischer Erfolgsfaktor für Museen. Die Aufwendungen für das Personal machen in der Regel den größten Teil des Budgets eines Museums aus. Engagierte und qualifizierte Mitarbeiter haben daher nicht nur ein wichtiges Wirtschaftlichkeitspotenzial, sondern sind auch Vorraussetzung dafür, dass ein Museum die neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen bewältigen kann. Dazu ist es notwendig, dass im Besondern die wissenschaftlichen Mitarbeiter über Querschnittskompetenzen verfügen, um ihr erweitertes Aufgabengebiet umfassend erledigen zu können. Alle Mitarbeiter werden regelmäßig geschult, weitergebildet und immer umfänglich informiert. Jene Mitarbeiter, die in direktem Kontakt mit dem Publikum stehen, werden vor allem in der Besucherinteraktion trainiert. Freundlichkeit, Höflichkeit, hohe Kommunikationsfähigkeit und Serviceorientiertheit zeichnen die Mitarbeiter des Besucherservice aus. Durch Weiterentwicklung und Beteiligung wird die Leistung des Personals maximiert und ihre Motivation gestärkt. Zukunftsgerichtete Ziele geben dem Team und der Institution eine konkrete Richtung und eine strategische Orientierung. Potenzielles Erfolgskriterium 16 (EK 16): Zielgerichteter Personaleinsatz und faire Mitarbeiterpolitik Indikatoren Einstellung gut ausgebildeter Mitarbeiter Die Qualifikation des Personals stellt sicher, dass die Ziele der Organisation auf allen Ebenen effizient erreicht werden können. Das wissenschaftliche Personal verfügt über Querschnittskompetenzen (hohe Organisations-, Vermittlungs- und Führungskompetenz). Die Mitarbeiter sind Spezialisten auf ihrem Gebiet, haben aber immer die Gesamtziele der Organisation im Blick. Die Mitarbeiter übernehmen Verantwortung nicht nur für ihr eigenes Handeln sondern auch für die Gesamtleistung des Museums. Die Mitarbeiter arbeiten im Team und teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen offen miteinander.
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Das Management befördert und stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter haben Entwicklungsperspektiven und erhalten die Möglichkeit, sich weiter zu bilden. Die Mitarbeiter im Bereich Besucherservice und Kunstvermittlung werden regelmäßig in der Besucherinteraktion geschult. Es gibt eine langfristige Personalstrategie in Abstimmung mit dem Organisationsziel. Es gibt eine aufgabenadäquate Personalstruktur und gezielte Personalentwicklung in den Arbeitsbereichen, die nicht die Kernkompetenz des Museums betreffen. Ein Organigramm definiert die Organisations- und Personalstruktur. Stellenbeschreibungen für die einzelnen Positionen sind vorhanden. Die Entlohnung entspricht den üblichen Standards. Den Mitarbeitern werden weite Handlungsspielräume zugestanden. Individuelle und transparente Anreizsysteme werden geschaffen, um die Mitarbeiter zu Engagement und hoher Leistungsbereitschaft zu motivieren. Die Motivation der Mitarbeiter zur eigenständigen Entwicklung neuer Ideen und Initiativen wird permanent gefördert. Mit Blick auf die Ziele des Museums werden wirtschaftliches Handeln und der unternehmerische Geist der Mitarbeiter geweckt. Durch ein offenes und teamorientiertes Arbeitsklima wird eine emotionale Bindung mit dem Museum erreicht. Ein kooperatives Führungssystem integriert den „Faktor Mensch“. Durch die Vermittlung eines positiven Selbstwertgefühls werden die Stärken der Mitarbeiter gefördert, ihre Schwächen kompensiert und ihre Talente entwickelt. Fehler werden nicht vertuscht oder einzelnen Personen angelastet, sondern reflektiert und wenn möglich beseitigt. Konflikte entstehen nur aus sachlichen Kontroversen und zielen auf die Verbesserung von Arbeitsabläufen; Konflikte entstehen nicht aus persönlichen Machtspielen. Konflikte und Probleme werden offen angesprochen. Es herrscht eine offene und konstruktive Diskussionskultur. Es gibt regelmäßig Mitarbeitergespräche, in denen die jeweiligen Leistungen beurteilt und neue Ziele besprochen werden.
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Gute Leistungen werden honoriert und es wird Dank ausgesprochen. Es gibt konstruktive und fruchtbare Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen. Die Leistungen und Ergebnisse der anderen Projektpartner werden respektiert. Bei Sonderprojekten ergänzen externe Mitarbeiter mit besonderen Qualifikationen die Personalstruktur. 4.4.6
Konsequente Besucherorientierung
Das Publikum muss ins Zentrum der Aufmerksamkeit des Museums rücken. Die Konzeption des Ausstellungsprogramms einschließlich der begleitenden Veranstaltungen und deren Orientierung an den Erwartungen und Bedürfnissen der Besucher gewinnen dadurch an Bedeutung. „Konsequente Besucherorientierung heißt dabei nicht – wie oft böswillig unterstellt – das anzubieten, was sich das Publikum wünscht. Konsequente Besucherorientierung bedeutet vielmehr, dass die jeweilige Kulturinstitution tatsächlich alle Anstrengungen unternimmt, das, was sie künstlerisch-ästhetisch produziert, einem größtmöglichen Kreis von Interessenten nahe zu bringen“ (Klein 2007: 100).
Strategisches Besuchermanagement wird somit zur neuen zentralen Aufgabe. Eine genaue Kenntnis der Besucher trägt zur Verbesserung publikumsorientierter Museumsarbeit bei. Um ein möglichst vielfältiges Publikum für das Museum zu interessieren, wird in den Besucherangeboten auf Diversifikation, Multikulturalismus und Unterhaltung geachtet. Ein strategisches Besuchermanagement berücksichtigt zudem gesellschaftliche Veränderungen, wie zum Beispiel den demografischen Wandel. Voraussetzung für guten Besucherzuspruch ist künstlerische Spitzenqualität und ein hohes Niveau aller musealen Angebote. Konsequente Besucherorientierung bedeutet aber auch, den Aufenthalt des Besuchers im Museum so angenehm und erlebnisgerecht wie möglich zu gestalten. So weist unter anderem Bröckers (2007) darauf hin, dass die Besucher in ihrer Freizeit auch Spaß und Vergnügen suchen und dass die Museen diese Trends berücksichtigen müssen, ohne jedoch dabei ihre verpflichtende Tradition und ihre Werte aufzugeben. Das Museum kann sich als Freizeiteinrichtung mit Bildungsfunktion positionieren und auf diese Weise dem Bedürfnis nach Unterhaltung gerecht werden. Besonderes Augenmerk soll dabei dem jungen Publikum und seiner zielgerichteten Entwicklung gewidmet werden. Im Sinne einer nachhaltigen Besucherentwicklung ist es wichtig, in die Besucher von morgen zu investieren. Ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für ein Museum ist eine angenehme und ansprechende Atmosphäre. Zu einer positiven Stimmung im Museum tragen die Gebäudearchitektur, die Gestaltung der Räume, die Lichtführung, die Farbgebung, Geräusche, Gerüche und vor allem auch positive Begegnungen mit den Menschen, die das Museum repräsentieren, bei. Ein erfreulicher Kontakt mit Museumsmitarbeitern hat maßgeblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Besucher, denn das Museum kommuniziert nicht nur über seine Ausstellungen und seine Angebote mit den
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Besuchern, sondern besonders über sein Personal. Daher muss die Höflichkeit, Freundlichkeit und Kompetenz eines jeden Mitarbeiters, der in direktem Kontakt mit den Besuchern steht, oberste Priorität haben. Aus einer Besucherbefragung in einem Unternehmensmuseum (Krauter 2005) geht hervor, dass die Freundlichkeit und Höflichkeit sowie das Erscheinungsbild der Mitarbeiter für viele Besucher einen sehr hohen Stellenwert haben. „Besucherfreundliche Museumsmitarbeiter“ und ein „angenehmer vorheriger Besuch des Museums“ gehören auch zu den wichtigsten Wiederbesuchsgründen nach Laukner (2008: 183). „Wie ein geschultes Personal auf Fragen der Besucher eingeht (mögen sie auch noch so trivial erscheinen), wie das Aufsichtspersonal auf eventuelle Regelverstöße reagiert, wie mit den Fragen nach Infrastrukturen, wie Toilette, Café oder Shop umgegangen wird, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Gesamterlebnis. Negative Einzelerlebnisse werden wesentlich öfter weitererzählt als positive. Deshalb sollte jeder im Kontakt mit dem Publikum stehende Museumsmitarbeiter in der Besucherinteraktion trainiert werden“ (Weber-Kainz 2005: 88).
Auch Kirchberg (2003: 104) weist darauf hin, dass das Image und die externe Wahrnehmung eines Museums im Wesentlichen von den dort arbeitenden Menschen geprägt werden. Er stellt dar, dass Museen auf drei Servicekategorien besonderen Wert legen sollten: „die Freundlichkeit und Höflichkeit des Personals [...], die Initialerfahrung mit dem Museum (Orientierung) beim Eintritt in das Museum [...] und die frühzeitige Bereitstellung und gute Qualität einer kleinen Broschüre zur Information über das Museumsangebot [...]“. Ein besucherorientiertes Museumsmanagement trägt daher Sorge dafür, dass die Besucher als Gäste willkommen geheißen werden, sich ihr Aufenthalt im Museum angenehm, erlebnisreich und informativ gestaltet, sie das Haus zufrieden verlassen, als Besucher wiederkommen und das Museum weiterempfehlen. Ein positiver Museumsbesuch schafft eine emotionale Beziehung des Besuchers zum Museum. Anonymität wird aufgehoben und Vertrautheit und Verbundenheit erzeugt. Auch Laukner (vgl. 2008: 56) ist davon überzeugt, dass Besucherorientierung, Besucherzufriedenheit und Besucherbindung unmittelbaren Einfluss auf den Erfolg eines Museums haben. Um dem verstärkten Anspruch nach kundengerechter Museumsarbeit gerecht werden zu können, müssen ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Potenzielles Erfolgskriterium 17 (EK 17): Strategisches Besuchermanagement Indikatoren Besucherorientierung: Welche Anstrengungen werden unternommen, ein möglichst großes Publikum anzusprechen? Welche Strategien werden angewandt, um neue Besucher zu gewinnen? Wie werden mögliche Hemmschwellen abgebaut? Werden Besucherbefragungen durchgeführt, um die Wünsche und Erwartungen des Publikums genauer kennen zu lernen?
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Wird in eine konsequente Besucherentwicklung investiert? Gibt es Programme und Angebote für das junge Publikum? Wird auf die unterschiedlichen Bedürfnisse des Publikums reflektiert? (Kinder, Mütter, ältere Menschen, gehbehinderte Menschen, Rollstuhlfahrer, etc.) Besucherzufriedenheit: Wie wird eine positive Beziehung zum Besucher erzeugt? Was wird getan, damit sich der Besucher im Museum wohl fühlt? Gibt es ein diversifizertes Kunstvermittlungsangebot? Sind hohe Dienstleistungsmentalität und hohe Serviceorientiertheit anerkannte Werte im Museum? Besucherbindung: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Besucher zu binden? Gibt es eine aktuelle Kundendatenbank mit Zuordnung nach Interessensgebieten? Werden Einladungen personalisiert versandt? Welche Kundenbindungsprogramme gibt es? (Mitgliederclub, Mitgliederzeitung, Kinderclub, Vergünstigungen für Mitglieder) Existiert ein Freundes- oder Förderverein? Gibt es eine Jahreskarte des Museums? Welche finanziellen Anreize bietet das Museum bei wiederholten Besuchen?
Potenzielles Erfolgskriterium 18 (EK 18): Erster Eindruck vom Museum und positive Atmosphäre Indikatoren Gestaltung des Außenbereichs des Museums: Findet sich der Besucher zurecht? Wie wird beim Besucher Neugier und Erwartung auf einen Besuch geweckt? Hinweisschilder im Außenbereich: Ist der Museumseingang klar erkennbar? Gestaltung der Museumslobby: Gibt es im Eingangsbereich eine gute Sicht zur Museumskasse? Ist der Eingangsbereich übersichtlich, so dass der Weg zum Shop, zum Café, zur Garderobe und zu den Toiletten schnell gefunden werden kann? Atmosphäre: Wie wird dem Besucher das Gefühl des Willkommenseins vermittelt? Wie erhält der Besucher Aufmerksamkeit, wenn er das Museum betritt? Information: In welcher Form werden dem Erstbesucher Informationen über das Museum (Ausstellungsprogramm, Eintrittspreise, Öffnungszeiten) und seine Veranstaltungen (Führungen, etc.) vermittelt? Gibt es im Foyer Informationen über das tägliche Vermittlungsprogramm? Sind die Audioguide-Stationen für den Besucher schnell und einfach ersichtlich? Persönliche Ansprache: Ist eine Informationsstelle und ratgebendes Personal vorhanden?
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Persönliche Ansprache: Werden Stammgäste an der Kasse persönlich begrüßt? Persönliche Ansprache: Werden VIP-Gruppen von der Leitung empfangen? Persönliche Ansprache: Erhalten Besucher kleine Give-Aways? Ambiente: Wird auf ein gutes und gehobenes Ambiente im Museum geachtet? Ambiente: Ist die Anmutung der öffentlichen Bereiche des Museums angenehm, hell und freundlich? Sind die sanitären Anlagen auf einem entsprechenden Niveau?
Potenzielles Erfolgskriterium 19 (EK 19): Freundlichkeit und Kommunikationsfähigkeit des Personals, das in direktem Kontakt mit den Besuchern steht Indikatoren Das gesamte Personal vertritt eine besucherorientierte Haltung. Den Mitarbeitern liegt das körperliche, emotionale und geistige Wohlbefinden der Besucher am Herzen. Das Aufsichtspersonal muss zwischen Kontrolle und Diskretion abwägen. Die Mitarbeiter des Museums hinterlassen einen positiven Eindruck beim Besucher (sie sind freundlich, höflich, gehen auf Besucher zu). Auf das äußere Erscheinungsbild der Mitarbeiter wird geachtet. Alle Mitarbeiter tragen Namensschilder. Es finden regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter des Besucherservice in der Besucherinteraktion statt. Im Vorfeld des Besuchs (telefonische Auskunft, Anmeldung für Führungen) wird auf positive Kontakte Wert gelegt. Im Bereich Kunstvermittlung und Publikumsbetreuung stehen Professionalität und Kompetenz der Mitarbeiter an erster Stelle. Die Mitarbeiter des Bereichs Kunstvermittlung werden im Umgang mit Besuchergruppen geschult. Es finden regelmäßige Überprüfungen der vorgegebenen Qualitätsstandards und des Erscheinungsbildes des Personals statt. Das Personal wird permanent über Neuerungen informiert, um den Besuchern kompetent Auskunft geben zu können.
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4.4.7
Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
Systematisches Marketing umfasst die Konzeption eines eigenen Museumsprofils und einer entsprechenden Positionierung im künstlerischen und kulturellen Kontext. Die daraus folgenden Maßnahmen bewirken, dass das Museum als einzigartig, einmalig und unverwechselbar wahrgenommen wird. Marketingstrategien dienen dazu, das Interesse des Publikums zu generieren und dem Museum gegenüber anderen kulturellen und freizeitorientierten Einrichtungen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Das Publikum eines Museums entstammt allen Altersstufen und Bevölkerungsgruppen. Diese Vielfalt verlangt eine Differenzierung nach Zielgruppen, sowohl bei der konkreten Programmgestaltung als auch bei der Werbung. Daher sind Kenntnisse über diese Zielgruppen, über ihre Interessen und Erwartungen, ihren kulturellen Hintergrund sowie ihre emotionalen und physischen Bedürfnisse Grundlage marketingstrategischer Aktivitäten. Die strategische Marketingplanung berücksichtigt die aktuelle und zukünftige Nachfragesituation und definiert ein entsprechendes Angebot. Eine stets aktuelle Kundendatenbank ist unerlässlich, um gezielte Werbeaktivitäten durchzuführen. Weiterhin sind eine gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entscheidend, um den Bekanntheitsgrad des Museums zu steigern und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erreichen. Denn auch über Medienberichte wird ein Kontakt mit dem Besucher hergestellt. Cross-Over-Produkte, die das Museum als Gesamterlebnis präsentieren und die Angebote des Museums mit anderen touristischen und freizeitorientierten Produkten verbinden, können die Attraktivität des Museums erhöhen. Durch Kooperationen mit anderen Kulturanbietern oder Museen können Synergieeffekte genutzt und größere Besucherschichten angesprochen werden. Das Museum muss zeitgemäße Formen der Kommunikation nutzen. Eine permanent aktualisierte Website gilt heute als erste Visitenkarte eines Museums. Informationen in Form von Newslettern und die Nutzung sozialer Netzwerke gehören zum Standard. Ein erfolgversprechender Faktor ist ein klares Markenprofil, ein Alleinstellungsmerkmal im nationalen und internationalen Umfeld. Ein Museum soll für seine Institution und seine Sammlung eine „unique selling proposition“ schaffen – eine Marke, die von den Besuchern sofort erkannt und mit Qualität verbunden wird. Die Marke kann als strategisches Marketinginstrument eingesetzt werden und hilft, Qualitätsund Erfolgsvorstellungen und Vertrauen bei den aktuellen und zukünftigen Besuchern zu verankern. Zur raschen Wiedererkennung des Museums und zur Sicherung einer hohen Kontinuität in der Wahrnehmung der Institution zählen darüber hinaus eine durchgängige Corporate Identity und ein einheitliches Corporate Design. Alle öffentlichen Auftritte und Publikationen des Museums sind einheitlich und wieder erkennbar gestaltet. Die Marke schafft Orientierung und Unterscheidung von anderen Museen und Kulturanbietern, denn Aufmerksamkeit und Zuspruch des Publikums und ihre positive Weiterempfehlung hängen in hohem Maße davon ab, wie tief und nachhaltig das Museum im Bewusstsein und im Gedächtnis der Zielgruppen verankert ist.
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Potenzielles Erfolgskriterium 20 (EK 20): Langfristiges Marketingleitbild und Marketinginstrumentarium Indikatoren Vorhandensein eines Marketing-Leitbildes Inhalte der langfristigen Marketing-Ziele Inhalte der kurzfristigen Marketing-Ziele Klare Formulierung der Marketingziele, damit Planung und Erfolgskontrolle möglich sind Qualifiziertes Personal für den Bereich Marketing Publikumsforschung: Das Erkennen und Verstehen der Wünsche und Bedürfnisse der Besucher dient als Grundlage für Management- und Marketingentscheidungen. Publikumsforschung: Das Wissen um inhaltliche Interessen der Besucher dient der Umsetzung in entsprechende Maßnahmen und Angebote. Publikumsforschung: Die Kenntnis von Freizeitinteressen, dem persönlichen Budget für Kulturausgaben, den Informationsgewohnheiten und der beruflichen und privaten Mediennutzung erleichtert Marketingentscheidungen. Publikumsforschung: Eine immer aktuelle Kundendatenbank mit Zuordnung nach Interessensgebieten ist unerlässlich. Ausgewogener Marketing-Mix: Produktbezogene Marketingaktivitäten: Verfügt das Museum über einen ausgewogenen Produkt-Mix? (Ausstellungen und vielfältiges, zielgruppenspezifisches Begleitprogramm, Bildung & Unterhaltung) Preisbezogene Marketingaktivitäten: Wie werden Preise im Museum festgelegt? Wie sieht die vermutliche Nachfragereaktion auf höhere oder niedrigere Preise aus? Gibt es Preisreduktionen für sozial schwache Gruppen? Gibt es Preisanreizsysteme? Distributionspolitische Marketingaktivitäten: Wie werden die Angebote des Museums beworben? Wie werden Informationsfolder verteilt? Kommunikationspolitische Marketingaktivitäten: Wie wird das Angebot kommuniziert? Gibt es zielgruppenspezifische Werbung? Servicepolitische Marketingaktivitäten: Welchen Service bietet das Museum seinen Besuchern vor dem Besuch, im Museum und nach dem Besuch?
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Potenzielles Erfolgskriterium 21 (EK 21): Umfang und Qualität der externen Kommunikation Indikatoren Umfang und Qualität der Werbemaßnahmen Umfang und Qualität der Öffentlichkeitsarbeit Umfang und Qualität der Internetpräsenz / Virtuelles Museum Ausreichendes Personal für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Internet-ContentManagement Anzahl und Regelmäßigkeit von Werbekampagnen und Inseraten Umfang und Art des Medienechos Höhe der Auflage und Art der Versendung von Einladungen zu Ausstellungseröffnungen und Veranstaltungen (postalisch, Newsletter) Qualität und Häufigkeit der Aussendungen an Museums-Verteiler Differenzierung der Werbemaßnahmen nach Zielgruppen Effektive Verteilung der Werbemittel, um das Museum und sein Angebot immer wieder in Erinnerung zu rufen Presse: Permanente Bemühung, gute und persönliche Kontakte zur Presse herzustellen Presse: Perfekter Service für die Journalisten (Downloads von Texten, Bildern) Presse: Kooperationen im Bereich der Pressearbeit mit lokalen Tourismusverbänden Presse: Kooperationen in Form von medialen Partnerschaften Presse: Professionelle Gestaltung der Presseaussendungen und Pressekonferenzen Umfang der Presseresonanz lokal / national / international Corporate Design: Die externe Kommunikation verfügt über ein einheitliches Corporate Design. Es gibt einheitliche Designmerkmale, die für das Publikum leicht wiedererkennbar sind (Logo, Farbe, Schrift, etc.). Alle Veröffentlichungen des Museums sind diesem Design untergeordnet (Mailings, Ausstellungsbroschüren, Plakate, Inserate, etc.)
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Allen Museumspublikationen (Katalogen) liegt eine einheitliche grafische Linie / ein zuordenbares Gestaltungselement zugrunde. Digitales Museum: Das Museum verfügt über eine informative und ansprechende Homepage. Digitales Museum: Das Internet wird als neue Form der Kontaktgestaltung mit Besuchern genutzt. Digitales Museum: Nutzung von Social Media
Potenzielles Erfolgskriterium 22 (EK 22): Virtuelles Museum Indikatoren Anzahl der monatlichen Zugriffe auf Website Die Internetpräsenz des Museums ist die erste Informationsquelle für Besucher. Die Website ist informativ und wird permanent aktualisiert. Die Gestaltung ist übersichtlich und einprägsam. Die wichtigsten Informationen sind schnell auffindbar. Die Website bietet eine erweiterte Zugänglichkeit zum Museum. Das virtuelle Museum macht Lust auf einen reellen Besuch. Es gibt den Service eines regelmäßigen Newsletters. Besucher können den Newsletter real und virtuell unkompliziert bestellen. Es gibt die Möglichkeit, Anfragen zu senden, sich für Führungen anzumelden, mit dem Museum in Kontakt zu treten, etc. Anfragen über die Homepage werden schnell beantwortet.
Potenzielles Erfolgskriterium 23 (EK 23): Das Museum als Marke Indikatoren (vgl. Klein 2007: 177ff.): Kommunikations- und Inklusionsfunktion: Das Museum verfügt über ausgezeichnete Reputation in seinem Themenfeld. Die Marke wird allgemein als Garant für gute Leistung gesehen und repräsentiert das gesamte Angebot des Museums.
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Unterscheidungs- und Identifizierungsfunktion: Mit einem Alleinstellungsmerkmal positioniert sich das Museum im nationalen und internationalen Umfeld. Durch Logo, Farbe, Schriftzug ist eine rasche und eindeutige Wiederkennung und Unterscheidung von der Konkurrenz gegeben. Das Museum wird durch die Marke unverwechselbar. Entlastungs- und Orientierungsfunktion: Die Wiedererkennung und ein positives Bild der Marke sind Grund, sich für die Marke wieder zu entscheiden. Garantie- und Vertrauensfunktion: Die Marke ist ein Qualitätsversprechen, man weiß, was man bekommt. Prestige- und Identitätsfunktion: Für den Besucher entsteht symbolischer Zusatznutzen, wie Image und Prestige, wenn er die Marke nutzt. 4.4.8
Flankierende Serviceangebote
Neben dem originären Ausstellungsbesuch gibt es eine Reihe von zusätzlichen Faktoren, die als positive Katalysatoren für einen Museumsbesuch gewertet werden können. Ein besonderes Museumserlebnis gewährleisten Museen, die nicht nur mit hochkarätigen Ausstellungen, sondern auch mit einer eindrucksvollen Museumsarchitektur aufwarten können. Ein innovatives und Aufsehen erregendes Gebäude fungiert als wichtiges Kommunikationsmittel nach außen und kann die Erwartungshaltung des Publikums positiv beeinflussen. Auch die Lage des Museums kann für den Erfolg von Bedeutung sein. Eine Einbettung in eine Naturlandschaft kann genau so attraktiv sein wie ein Standort in einem lebendigen urbanen Umfeld. Wichtig bei einer Lage außerhalb kulturtouristischer Zentren ist die leichte Erreichbarkeit durch Straßenanbindung und öffentliche Verkehrsmittel. Weiterhin können eine gute lokale Infrastruktur und andere kulturelle oder freizeitorientierte Angebote im näheren Umfeld von Nutzen sein. Attraktivität erhält das Museum, wenn es von den Besuchern als Ausflugsziel für die Wochenendgestaltung wahrgenommen wird (vgl. Laukner 2008: 147). Ein Museum, das sich als Dienstleistungsbetrieb versteht, wird auf die Interessen des Gastes fokussieren und ihm vielfältige zusätzliche Anreize für einen Besuch bieten. Dazu zählen neben der besucherfreundlichen Ausstellungsgestaltung und vielfältigen Vermittlungsangeboten auch eine hervorragende Bewirtung und besondere Angebote im Museumscafé sowie ein auffälliges und einmaliges Sortiment im Museumsshop. Da ein Großteil des Publikums diese Angebote wahrnimmt, haben sie auch wesentlichen Einfluss auf das Gesamterlebnis Museumsbesuch. Aus diesem Grund ist es „gefährlich, zwischen Rand- und Kernleistung zu unterscheiden und die Beurteilung von Nebenleistungen durch die Besucher zu unterschätzen“ (Günther 2000: 74). Auch Klein (2007: 110) weist auf die Tatsache hin, dass sich „in gesättigten Märkten mit hoher Konkurrenz [...] kaum mehr ein Produkt ausschließlich über den ‚Kernnutzen‘ vermarkten lässt.“ So hat der Besuch des Museums neben der Kunstbetrachtung auch noch einen sozialen Nutzen (man trifft interessante Men-
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schen, hält sich in einem intellektuellen Milieu auf), einen symbolischen Nutzen (der Besuch einer angesagten Ausstellung ist prestige- und imagefördernd) und einen Servicenutzen (man fühlt sich wohl und persönlich betreut). Klein (2007: 109) meint dazu, dass „das ‚ganze Drumherum‘ (oft mindestens) genau so wichtig“ ist. Potenzielles Erfolgskriterium 24 (EK 24): Besondere Museumsarchitektur Indikatoren Die Attraktivität der Museumsarchitektur stimmt auf ein besonderes Kunsterlebnis ein. Durch die Gebäudearchitektur werden an architekturinteressierte Besucher für die Inhalte des Museums interessiert. Die äußere Hülle macht neugierig auf den Inhalt. Attraktive Ausstellungsräume bringen die Kunst zur Geltung. Interner Faktor: Gut funktionierendes Gebäudemanagement Interner Faktor: Gut funktionierende Haustechnik Interner Faktor: Funktionalität des Museumsgebäudes wie geschützte Anlieferung, Klimasicherung, Lichtverhältnisse, genügend Lagerfläche
Potenzielles Erfolgskriterium 25 (EK 25): Standort, lokale Infrastruktur und Erreichbarkeit Indikatoren Die Lage des Museums bietet eine Reihe von Standortvorteilen. Ein spezielles Standortmarketing macht auf die Besonderheiten aufmerksam. Der Standort bietet zusätzliche Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für unterschiedliche Publikumsgruppen. Der Standort ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Der Standort ist mit einem PKW gut erreichbar. Es gibt Richtungshinweise, Straßenschilder, die zum Museum führen. Es stehen ausreichende Parkplätze zur Verfügung. Der Eingang des Museums ist klar ersichtlich.
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Das Umfeld des Museums ist attraktiv gestaltet. Es gibt Sitzgelegenheiten und Erholungsflächen. In der näheren Umgebung befinden sich weitere Attraktionen kultureller oder touristischer Art. Im Museum oder in der näheren Umgebung gibt es ein attraktives Gastronomieangebot.
Potenzielles Erfolgskriterium 26 (EK 26): Ansprechendes Museumscafé und exklusiver Museumsshop Indikatoren Das Museumscafé ist einfach zu finden. Das Museumscafé ist auch von außen und außerhalb der Öffnungszeiten des Museums zugänglich. Umfang und Qualität des Angebots sind exzellent. Es gibt ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis. Das Servicepersonal ist freundlich und aufmerksam. Der Gastraum ist attraktiv gestaltet. Das Museumscafé etabliert sich als Treffpunk auch außerhalb der Öffnungszeiten des Museums. Der Museumsshop ist leicht auffindbar und gut erreichbar. Idealerweise liegt der Shop im Hauptverkehrsweg der Besucher. Die Zugänglichkeit zum Shop muss auch ohne Museumseintritt möglich sein. Das Sortiment des Shops ist umfangreich, qualitätvoll und exklusiv. Die Produkte müssen unverwechselbar sein und auf die emotionale Situation des Besuchers ansprechen (ausstellungsbezogene Artikel). Gute Ausschilderung der Preise und unterschiedliche Preisgestaltungen sind wichtig. In einem Museumsshop werden viele spontane Käufe getätigt. Das Preisniveau berücksichtigt diese Tatsache. Das Verkaufspersonal ist freundlich und kompetent. Die Besucher werden gut beraten.
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Der Shop bietet unterschiedliche Zahlungsmöglichkeiten. Es gibt wenig Wartezeit an der Kasse. Ausgewählte Artikel des Shops können online bestellt werden. 4.4.9
Netzwerk und Kooperation
Wertschöpfende Partnerschaften mit der Kreativwirtschaft, dem Kulturtourismus, lokalen Partnern und ein gutes Netzwerk auf musealer, künstlerischer, kuratorischer und wirtschaftlicher Ebene stärken die Museen. Durch standortbezogenes und trägerübergreifendes Marketing mit regionalen Partnern können Synergien genutzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, neue Besucher anzusprechen, die durch mehrere Angebote in einer Region zu einem Besuch veranlasst werden können. Bei Kooperationen ist immer darauf zu achten, dass die Identität des Museums gewahrt und das Profil des Museums betont wird. Im Museumsbereich ist ein Netzwerk von Partnermuseen zu empfehlen. Im Sinne von Kooperation anstatt Konkurrenz kann ein nationales und internationales Netzwerk helfen, große Ausstellungsprojekte gemeinsam zu planen und umzusetzen und damit Kosteneinsparungen zu erzielen. Werden für Sonderprojekte zusätzliche Finanzmittel benötigt, so halten viele Museen langfristige Kooperationen mit der Wirtschaft für sehr zukunftsträchtig. Genau wie die Museen von monetären oder materiellen Zuwendungen profitieren, so profitiert auch die Wirtschaft vom imagefördernden Faktor der Kunst. Ein Unternehmen, das Kunst und Kultur fördert und unterstützt, kann dadurch sein Ansehen in der Öffentlichkeit profilieren und stärken. Potenzielles Erfolgskriterium 27 (EK 27): Kreative Allianzen Indikatoren Partnerschaften im lokalen Umfeld Gemeinsame Angebote mit anderen Kulturanbietern Kooperationen mit lokalen Tourismusverbänden Angebot von Cross-Over-Produkten, die für nicht einheimisches Publikum interessant sein könnten Langfristige wirtschaftliche Partnerschaften Nationale und internationale Vernetzung Sehr gute Kontakte zu anderen Museen Museumsübergreifende Kooperationen
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Ausstellungskooperationen, Leihabkommen, Schriftentausch mit anderen Museen und Ausstellungshäusern Aktive Teilnahme an organisierten Netzwerken Hohe Kontaktintensität mit relevanten Akteuren Nutzung von sozialen Netzwerken (Social Media) 4.4.10 Hohe Dienstleistungsqualität „Der Service [nimmt, d.V.] eine immer stärkere Rolle bei der Beurteilung der Gesamtleistung des Museums durch den Besucher ein [...] und [ist, d.V.] als kritischer Erfolgsfaktor einzuordnen“ (Rump 2004:38).
Museen können als Service- und Dienstleistungsbetriebe angesehen werden. In den letzten Jahren haben sich Museen von angebotsorientierten zu nachfrageorientierten Einrichtungen entwickelt und die Wichtigkeit von Kundenorientierung und hoher Servicequalität erkannt. Nicht nur die Ausstellungen, mit denen ein Museum in erster Linie an die Öffentlichkeit tritt, sind für die Wertschätzung der Besucher wichtig, sondern für ihre Zufriedenheit als Kunden sind eine Reihe von unterschiedlichen und emotionalen Faktoren von hoher Bedeutung. Dazu zählen neben der persönlichen Ansprache und Freundlichkeit der Mitarbeiter auch besucherfreundliche Öffnungszeiten, das Vermeiden von Warteschlangen an der Kasse oder der Garderobe, ansprechende Räumlichkeiten oder auch saubere Toiletten. „Qualität wird heute in der Dienstleistungsbranche als ganzheitliche Leistung verstanden. In diesem Sinn wird ein Museumsbesuch nicht nur danach beurteilt, ob die Ausstellung so spektakulär ist wie angekündigt, sondern auch danach, wie man als Besucher an der Kasse behandelt wird und in welchem Zustand das Haus als solches ist“ (Boijens 2004: 38).
Museen müssen Vergleichen mit anderen Dienstleistungsunternehmen standhalten können. Service und Dienstleistung entscheiden über Publikumsakzeptanz, denn über eine positive emotionale Empfindung des Museumsbesuchers kann ein Zustand der Verbundenheit mit dem Museum hergestellt werden, der zu wiederholten Besuchen und Weiterempfehlung führt. Wichtig sind daher Kundenbindungsprogramme und eine hohe Serviceorientierung, die sämtliche Bereiche des Museums umfasst. Potenzielles Erfolgskriterium 28 (EK 28): Hohe Dienstleistungsorientierung und hohe Servicebereitschaft Indikatoren Hohe Dienstleistungsqualität und hohe Serviceorientierung sind im Leitbild verankert. Alle Mitarbeiter tragen den Servicegedanken mit.
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Es gibt besucherfreundliche Öffnungszeiten, z.B. eine lange Abendöffnung. An besucherstarken Tagen (z.B. Wochenenden) kommt ein höherer Personaleinsatz zum Tragen. Das Personal wird im Umgang mit den Kunden geschult. Es gibt eine verantwortliche Abteilung für Service und Sauberkeit im Museum, die regelmäßige Kontrollen durchführt. Wohlfühlfaktor im Museum: Was wird getan, damit sich der Besucher im Museum wohl fühlt? Es gibt besondere Einrichtungen für Besucher mit speziellen Anforderungen (Menschen mit Behinderung, Familien mit Kleinkindern, ältere Besucher, Rollstuhlfahrer). Das Museum verfügt über ausreichend Sitzgelegenheiten in den Ausstellungsräumen. Die Sanitäranlagen sind sauber und die Einrichtung ist auf einem ansprechenden Niveau. Alle Mitarbeiter im Besucherservice sind über aktuelle und zukünftige Programme informiert, so dass sie auf Fragen kompetent antworten können. Die Wegführung im Museum ist einfach und klar gestaltet. Die Orientierung muss für den Besucher schnell und deutlich erkennbar sein. Für Garderobe gibt es keine extra Gebühr. Die Besucher erhalten an der Kasse kleine Infobroschüren. Ein Gästebuch für Kommentare der Besucher liegt auf. Die Besucher sollen ihrer Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem Museumsbesuch anonym Ausdruck verleihen können. Es gibt ein Beschwerdemanagement, das sich negativer Kritiken annimmt.
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4.5
Z USAMMENFASSUNG DER E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
Auf der Tagung „Was macht ein Museum erfolgreich?“ im Jahr 2007 stellte der damalige Präsident des Deutschen Museumsbundes Michael Eissenhauer die Aufgabe, einen Fundus qualitativer Kriterien für Erfolg im Museum zu ermitteln (vgl. Deutscher Museumsbund 2007: 5). Schon drei Jahre zuvor bekannte sich Eissenhauer dazu: „Wir müssen der Öffentlichkeit deutlich machen, worin die uns gesellschaftlich übertragenen Aufgaben bestehen, wie sie bewertet werden können und wie weit wir sie erfüllen. [...] Es ist unsere Aufgabe, geeignete qualitative Wertmaßstäbe zu benennen und ihre Beachtung durchzusetzen“ (Deutscher Museumsbund 2004a: 6). Bis dato ist es dem Verband nicht gelungen, Bewertungsindizien für musealen Erfolg zu definieren. Die Schwierigkeit, einen einheitlichen und auf alle Museen anwendbaren Kriterienkatalog zu erstellen, beschreibt Kilger (2008: 12) wie folgt: „Gegenwärtig würde aber niemand für sich in Anspruch nehmen, einen allgemein verbindlichen Maßstab als ‚Messlatte‘ der Qualitätskriterien von Ausstellungen und Museen zu definieren.“
Die Tatsache, dass es bisher keine institutionalisierten und einheitlichen Maßstäbe für erfolgreiche und qualitative Museumsarbeit gibt, mag auch der Grund dafür sein, warum immer mehr privatwirtschaftliche Anbieter dieses Feld für sich entdecken.19 So kann es geschehen, dass Richtlinien für eine Evaluierung der Museumsarbeit von außen an die Museen herangetragen werden. Um so ein Szenario zu verhindern, fordert die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ verbindliche Ziel- und Leistungsvereinbarungen zur Qualitäts- und Erfolgssicherung für Museen (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 124). Willi Xylander (2006: 14) stellt dazu fest: „Die Diskussion über Erfolgskriterien für Museen ist in der Vergangenheit viel zu selten von den Museen und viel zu häufig von externen ‚Kriterienbildnern‘ geführt worden. Nicht alle dabei vorgeschlagenen ‚Erfolgs‘-Kriterien sind sinnvoll, und es steht den Museen an, die Diskussion um vernünftige Erfolgskriterien selbst zu führen.“
Die vorliegende Untersuchung nimmt dieses Desiderat zum Anlass und hat drei unterschiedliche Blickwinkel auf die Frage nach Erfolg im Museum gerichtet. Der erste Zugang (Kapitel 4.1) führte über die Richtlinien für qualitätvolle und erfolgreiche Museumsarbeit der institutionalisierten Vertretungen der deutschsprachigen Museumsbranche. Mit den deutschen „Standards für Museen“ konnten die ersten fünf Erfolgskategorien ermittelt werden: 1. Ziele und Leitbild, 2. Trägerschaft und Finanzen, 3. Kernaufgaben des Kunstmuseums (Sammeln und Bewahren, Forschen und Dokumentieren, Ausstellen, Vermitteln), 4. Museumsmanagement und 5. Qualifiziertes Personal. Zweitens konnten aus der Perspektive der Betriebswirtschaft (Kapitel 4.2) die Erfolgskriterien (1., 2., 4. und 5.) ergänzt und vier weitere Kategorien herausgebildet werden: 6. Konsequente Besucherorientierung, 7. Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, 8. Flankierende Serviceangebote sowie 9. Netzwerk und Kooperation. 19 Als Beispiel sei hier das Wiener Marktforschungsinstitut MANOVA genannt, das anhand von Besucherbefragungen kritische Erfolgsfaktoren für Museen ableitet.
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Der dritte Blick aus den Bereichen Kultur- und Museumsmanagement (Kapitel 4.3) erweitere die Erfolgskriterien (1., 4. und 6.) und verstetigte die letzte Erfolgskategorie: 10. Hohe Dienstleistungsorientierung. Die übergeordneten Erfolgskategorien konnten nach einer ausführlichen Beschreibung und Analyse in 28 untersuchungsrelevante Erfolgskriterien aufgeschlüsselt werden. Die anschließende Operationalisierung definiert mögliche Indikatoren zur Bewertung dieser Kriterien. Im Folgenden werden die 28 Erfolgskriterien öffentlicher Museen, die für die vergleichende Analyse mit öffentlichen Privatsammlungen als Basis dienen, nochmals übersichtlich zusammengefasst. Um eine bessere Vergleichbarkeit öffentlicher Museen und öffentlicher Privatsammlungen zu gewährleisten, stellen die zehn Erfolgskategorien den maßgeblichen Anteil des Kategoriensystems der Auswertung der qualitativen Daten der Experteninterviews dar (vgl. Kapitel 7.3 bis 7.12). Tabelle 20: Zusammenfassung der potenziellen Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen Potenzielle Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen
Ziele und Leitbild
EK 1:
Leitbild und Museumskonzept
EK 2:
Ausreichende und gesicherte finanzielle Ressourcen für den Museumsbetrieb
EK 3:
Mehrdimensionale Finanzierung
EK 4:
Diversifikation der Eintrittspreisgestaltung
EK 5:
Einzigartigkeit der Sammlung und klares Sammlungskonzept
EK 6:
Angemessener Etat zur Sammlungserweiterung
EK 7:
Fachgerechte Bewahrung der Sammlung
2. Forschen und Dokumentieren
EK 8:
Fachkundige Dokumentation der Sammlungsbestände und hohes Niveau der Forschungsarbeit
3. Ausstellen
EK 9:
Attraktivität und Anzahl der jährlichen Ausstellungen
Trägerschaft und Finanzen
Kernkompetenz des Museums: 1. Sammeln und Bewahren
170
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT
4. Vermitteln
Museumsmanagement
Qualifiziertes Personal
Konsequente Besucherorientierung
Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
Flankierende Serviceangebote
EK 10:
Klares Bekenntnis zu Kunstvermittlung und visueller Bildung
EK 11:
Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote
EK 12:
Managementqualifikation der Museumsleitung
EK 13:
Lernende und wirtschaftlich organisierte Organisationskultur
EK 14:
Fördern von Kreativität, Innovation und Verbesserung
EK 15:
Führung mit Zielen, Controlling und Evaluation
EK 16:
Zielgerichteter Personaleinsatz und faire Mitarbeiterpolitik
EK 17:
Strategisches Besuchermanagement
EK 18:
Erster Eindruck vom Museum und positive Atmosphäre
EK 19:
Freundlichkeit und Kommunikationsfähigkeit des Personals, das in direktem Kontakt mit den Besuchern steht
EK 20:
Langfristiges Marketingleitbild und Marketinginstrumentarium
EK 21:
Umfang und Qualität der externen Kommunikation
EK 22:
Virtuelles Museum
EK 23:
Das Museum als Marke
EK 24:
Besondere Museumsarchitektur
EK 25:
Standort, lokale Infrastruktur und Erreichbarkeit
EK 26:
Ansprechendes Museumscafé und exklusiver Museumsshop
E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN
Netzwerk und Kooperation
Hohe Dienstleistungsqualität
EK 27:
Kreative Allianzen
EK 28:
Hohe Dienstleistungsorientierung und hohe Servicebereitschaft
| 171
Quelle: Eigene Darstellung
Die Konzeption dieser Erfolgskriterien versteht sich nicht als globale Empfehlung für alle Museumstypen. Sie wurden speziell für Kunstmuseen einer bestimmten Größe erarbeitet und dienen als Grundlage für diese Untersuchung. Bei der allgemeinen Benennung des Erfolgs von Museen sind die Besonderheiten der heterogenen Museumslandschaft und die individuelle Struktur, die organisationalen Merkmale, die spezifische Ausrichtung, die Leitziele und die individuelle Lage eines jeden Museums zu berücksichtigen. Dennoch sollen die hier erarbeiteten 28 potenziellen Erfolgskriterien als Anregung dienen und einen Beitrag für weitere Diskussionen um qualitätvolle und erfolgreiche Führung von Kunstmuseen leisten.
Teil II:
Konzeption der empirischen Untersuchung
5.
Forschungsmethodik
Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel 1 bis 4) das Untersuchungsthema, seine Relevanz und seine theoretischen Rahmenbedingungen und Grundlagen erläutert wurden, widmet sich nun der zweite Teil (Kapitel 5 und 6) der Darstellung und Begründung des empirischen Forschungsdesigns (Kapitel 5) sowie der ausführlichen Beschreibung des Untersuchungsfeldes (Kapitel 6). Der empirische Teil dieser Arbeit beruht auf einem qualitativen Forschungsansatz, der den Regeln der empirischen Sozialforschung unterliegt. In der empirischen Sozialforschung werden soziale Tatbestände systematisch erfasst und gedeutet. „Empirisch bedeutet, dass theoretisch formulierte Annahmen an spezifischen Wirklichkeiten überprüft werden. Systematisch weist darauf hin, dass dies nach Regeln vor sich gehen muss. Theoretische Annahmen und die Beschaffenheit der zu untersuchenden sozialen Realität sowie die zur Verfügung stehenden Mittel bedingen den Forschungsablauf“ (Atteslander 2008: 5/6).
Die qualitative Forschung zeichnet sich durch „ein methodisches Spektrum unterschiedlicher Ansätze, die je nach Fragestellung und Forschungstradition ausgewählt werden können“, aus (Flick 2000: 22). Daraus kann die Gegenstandsangemessenheit von Methoden als wesentliche Komponente dieses Forschungszweiges abgeleitet werden, die Atteslander (2008: 56) neben der wissenschaftlichen Qualität der theoretischen Annahmen und der systematischen Kontrolle des Forschungsablaufes als Grundbedingung der empirischen Sozialforschung anführt. Gegenstand und Fragestellung bedingen die Wahl und Bewertung der Methode. In der qualitativen Forschung ist die Befragung das am häufigsten angewendete Instrument der Datenerhebung, das neben der Dokumentenanalyse auch in dieser Untersuchung zum Einsatz kommt. Im Vergleich zu quantitativen Methoden spielen hier das Gespräch und der verbale Zugang eine besondere Rolle. Während es sich bei quantitativen Methoden vorrangig um die zahlenmäßige Darstellung empirischer Sachverhalte mittels standardisierter Erhebungs- und Auswahlverfahren handelt, zeichnet sich der qualitative Ansatz durch wesentlich größere Offenheit und Flexibilität aus. Denn Ziel der qualitativen Forschung ist es, die Wirklichkeit anhand der subjektiven Sicht der relevanten Gesprächspersonen abzubilden. „Man muss hier die Subjekte selbst zur Sprache kommen lassen; sie selbst sind zunächst die Experten für ihre eigenen Bedeutungsinhalte“, stellt Mayring (2002: 66) fest. Atteslander (2008: 101) weist allerdings darauf hin, dass „mit dem Mittel der Befragung [...] nicht soziales Verhalten insgesamt,
176
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sondern lediglich verbales Verhalten erfasst“ wird. Dabei ist auf ein Grundproblem der Sprache als Instrument der Informationsbeschaffung hinzuweisen, denn bei einer Aussage kann es zu unterschiedlichen Verständnissen und Auffassungen zwischen den Interviewpartnern kommen. Denn verbale Daten stellen keine objektiv darstellbaren Indikatoren, sondern subjektive Maßstäbe und Empfindungen dar. Gerade dadurch erscheint der qualitative Forschungsansatz für die der Untersuchung zugrunde liegenden Fragestellungen besonders geeignet. Wesentlichstes Argument hierfür ist, dass die Frage nach Erfolg oder Motivationen für private Museumsgründungen nicht mit numerischen Daten oder auf statistischer Basis erklärt werden kann. Darüber hinaus verhilft der „relativ offene Zugang qualitativer Forschung [...] zu einer möglichst authentischen Erfassung der Lebenswelt der Betroffenen sowie deren Sichtweisen und liefert Informationen, die bei einer quantitativen Vorgehensweise auf Grund ihrer Standardisierung oft verloren gehen“, so Mayer (2009: 25).
Die nachfolgende Übersicht fasst den Ablauf der empirischen Studie zusammen: Tabelle 21: Ablauf der vorliegenden empirischen Untersuchung Beobachtungen aus der Praxis & theoretischer Rahmen Forschungsfrage Empirische Studie: Auswahl der Stichprobe Erhebungsmethode Leitfaden-Interview Dokumentenanalyse Auswertungsmethode Bericht Quelle: Eigene Darstellung
5.1
M ETHODE
UND
A BLAUF
DER
U NTERSUCHUNG
In der vorliegenden Untersuchung kommt neben der Dokumentenanalyse die Befragung in Form von Experteninterviews mittels Leitfaden als zentrale Forschungsmethode zur Anwendung. Diese Befragungsform lehnt sich methodisch an das auf Witzel (1985) zurückgehende problemzentrierte Interview an. Unter einem problemzentrierten Interview versteht man eine offene, halbstrukturierte, qualitative Befra-
M ETHODIK DER EMPIRISCHEN U NTERSUCHUNG
| 177
gung, die den Befragten möglichst frei zu Wort kommen lässt. Das Interview ist auf eine bestimmte Problemstellung ausgerichtet, auf die der Interviewer im Gesprächsverlauf immer wieder zurückkommt (Mayring 2002: 67). Dazu dient der InterviewLeitfaden, der anhand der Problemstellung und mit Blick auf die zu befragende Zielgruppe erarbeitet wurde. Der Leitfaden gibt die Richtung und die Themen vor, nach denen das Gespräch geführt wird. Nach König / Vollmer (1997: 106) gilt als Interview-Standardform die Festlegung von drei bis sechs Leitfragen, die mit Nachfragekategorien für die Klärung wichtiger Bereiche ergänzt werden können. Die Methode der teilweisen Standardisierung durch einen Leitfaden bringt den Vorteil der Vergleichbarkeit mehrerer Interviews mit sich. Das verbale Material bekommt durch die Fragen eine Struktur und kann im Hinblick auf die jeweiligen Leitfragen leicht ausgewertet werden. Mayring (2002: 70) stellt dazu fest, dass sich das problemzentrierte Interview hervorragend für eine theoriegeleitete Forschung eignet, „da es keinen rein explorativen Charakter hat, sondern die Aspekte der vorrangigen Problemanalyse in das Interview Eingang finden“. Diese Methode bietet sich gerade bei Untersuchungen an, bei denen über den Forschungsgegenstand schon einiges bekannt ist und demzufolge dezidierte, spezifische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Auch Mayer (2009: 37) nennt das Leitfadeninterview eine ökonomische und zweckdienliche Methode, wenn „konkrete Aussagen über einen Gegenstand Ziel der Datenerhebung sind“, wie es auch in der vorliegenden Untersuchung der Fall ist. Das folgende Ablaufmodell stellt die Erhebungsmethode des Leitfadeninterviews dieser Untersuchung vor: Tabelle 22: Phasen des Ablaufs eines problemzentrierten Interviews Problemanalyse Leitfadenkonstruktion Pretest Interviewdurchführung Aufzeichnung Kategorienbildung und Auswertung Bericht Quelle: Eigene Darstellung nach Mayring 2002: 71
178
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5.2
V ORBEREITUNG
DER
D ATENERHEBUNG
Die Methode des Interviews setzt ein umfangreiches Vorverständnis des Untersuchungsgegenstandes und eine umfassende Kenntnis über die zu interviewenden Personen voraus. Daher wurden zur Vorbereitung der Fragestellungen nicht nur alle relevanten Daten und Informationen zu den privaten Sammlungen recherchiert, sondern auch frühere Interviews und Publikationen über die einzelnen Sammlerpersönlichkeiten gelesen. Der Erstellung des Interviews und der Leitfragen gingen darüber hinaus intensive Literaturrecherchen und ausführliche Studien unterschiedlicher Quellen voraus. Die Erkenntnisse der vergleichenden Untersuchung der Träger- und Rechtsform, der Architektur, der Lage und des Umfeldes, der Sammlungskonzepte, der Ausstellungsprogramme und der Ausstellungsflächen, des Vermittlungs- und Publikationsangebotes, des Besucherservices, der Aktivitäten in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing sowie der Personalstruktur und Organisationsform der öffentlichen Privatsammlungen fanden in den Fragenkatalog Eingang. Neben dem umfangreichen Studium der Literatur und der Websites, stellte vor allem ein dem Interview vorausgehender Besuch aller Privatsammlungen sowie die Kenntnis der Örtlichkeiten und aktuell gezeigten Ausstellungen sicher, dass sich die Autorin als kompetente Gesprächspartnerin präsentierte. Das teilstandardisierte Leitfaden-Interview wurde nach König / Volmer (1997) entwickelt. Die Autoren erachten es als zweckmäßig, „mit einer Frage zu beginnen, die für den Gesprächspartner leicht und unproblematisch zu beantworten ist“ (König / Volmer 1997: 106). So wurde eine allgemeine Einstiegsfrage gewählt, mit der sich der Gesprächspartner in das Thema einfinden konnte. Die Leitfragen wurden offen formuliert, um den Experten die Möglichkeit zu geben, frei zu antworten und ihre persönlichen Sichtweisen darzustellen. Manche Fragen wurden auf die Individualität des Experten zugeschnitten, um den Interviews den Charakter persönlicher und vertrauensvoller Gespräche zu geben. Für den Interviewer ist es wichtig, ein vertrautes Terrain zu schaffen und eine persönliche Beziehung aufzubauen, damit der Befragte zwanglos antwortet und auch über Aspekte und Details spricht, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind. Der Leitfaden stellt im Gesprächsverlauf lediglich ein Grundgerüst und eine Orientierung dar, um sicherzustellen, dass keine wesentlichen Aspekte der Forschungsfrage im Interview übersehen werden. Die Abfolge der Fragen ist dabei offen, um auf neue Themen, die sich aus dem Gespräch ergeben, eingehen zu können. Die Anzahl der Fragen des Leitfadeninterviews ergibt sich aus der theoretischen Problemstellung. König / Volmer (1997) raten an, sich auf sechs Leitfragen zu beschränken. Für die Dauer des Interviews nennt Atteslander (2008: 125) eine Zeitspanne von 30 – 60 Minuten als zumutbar. „Der Dauer eines Interviews [sind, d.V.] durch die nachlassende Aufnahmefähigkeit des Befragten und dessen Bereitschaft, überhaupt auf Fragen zu antworten, natürliche Grenzen gesetzt.“ Der auf das Forschungsdesign hin konzipierte Leitfaden wurde im Vorfeld zweimal getestet. Die Testperson ist Kunsthistorikerin und Journalistin und daher sowohl mit den inhaltlichen Themen der Untersuchung sowie mit journalistischen Fragetechniken vertraut.1 Im ersten Probedurchgang wurde das Leitfadeninterview vor al1
Herzlichen Dank an Astrid Mayerle, München.
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| 179
lem auf seine Verständlichkeit, seine Zielgerichtetheit und seine Dauer hin überprüft. Es stellte sich heraus, dass manche Fragestellungen zu komplex formuliert waren und der Fragebogen insgesamt zu umfangreich angelegt war. Mit den Erfahrungen und Kenntnissen des ersten Probeinterviews wurde der Leitfaden gekürzt und sprachlich geringfügig überarbeitet. Nach dem zweiten Testinterview, das am 9. Februar 2011 stattfand, ergab sich kein weiterer Änderungsbedarf.2 Vor den Interviews wurden alle Sammler und Gründer von privat geführten Museen und Kunsträumen schriftlich um einen Interview-Termin gebeten. In einem per Post zugeschickten Informationspaket wurden das Thema der Untersuchung mit einem Exposé und die eigene Person mit einer Kurzvita vorgestellt. Ein persönliches Anschreiben erläuterte die Inhalte und Fragestellungen des Interviews und betonte die Wichtigkeit des Gesprächs für den Ausgang der Arbeit.3 Weiterhin wurde in diesem Schreiben die telefonische Kontaktaufnahme mit der Interviewerin avisiert. In anschließenden Telefongesprächen, die ausnahmslos mit den Assistenten oder Sekretariaten der Sammler geführt wurden, konnten persönliche Besuchstermine vereinbart werden. Bei diesen Gesprächen wurde ein Zeitrahmen von maximal eineinhalb Stunden vereinbart und auf die Notwendigkeit der Aufzeichnung des Gesprächs hingewiesen. Für viele Sammler war es wichtig zu wissen, dass die Transkription des aufgezeichneten Interviews vor Veröffentlichung und weiteren Verwendung zur Autorisierung vorgelegt werden würde. Von dreizehn angefragten Privatsammlungen haben drei Einrichtungen das Interview abgelehnt. Das Schaulager Basel hat die Anfrage mit der Begründung, dass deren Präsidentin, Frau Dr. Maya Oeri prinzipiell keine Interviews gibt, zurückgewiesen. Die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz wurde in jüngster Zeit mit Anfragen zum Thema Privatsammlungen überhäuft und hat sich aus diesem Grund gegen das Interview entschieden. Herr Prof. Reinhold Würth hat die Anfrage an seine Museumsleiterin, Frau Sylvia Weber, delegiert, die sich bereit erklärte, die Fragen schriftlich zu beantworten. Leider wurde die Beantwortung des Fragenkataloges fünf Wochen nach Einreichung aus „Kapazitätsgründen“ abgelehnt.4 Somit fanden zehn öffentliche Privatsammlungen aus dem deutschsprachigen Raum in diese Untersuchung Eingang, die in der Folge tabellarisch aufgeführt sind. Die Begründung der Auswahl und eine umfängliche Vorstellung dieser privaten Initiativen erfolgt in Kapitel 6. Tabelle 23: Auflistung der Interviews Durchführung der Interviews
2 3 4
Name
Privatinitiative, Ort
Datum und Ort
KR Prof. Karlheinz Essl
Essl Museum, Klosterneuburg, A
10. Februar 2011, München
Der Interview-Leitfaden befindet sich im Anhang. Als Beispiel findet sich das Anschreiben an Herrn Frieder Burda im Anhang. Aus einer Email von Maria Theresia Heitlinger, Pressereferentin, vom 5.4.2011.
180
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Frieder Burda
Museum Frieder Burda, Baden-Baden, D
17. Februar 2011, Baden-Baden
Margit Biedermann
Museum Biedermann, Donaueschingen, D
22. Februar 2011, Donaueschingen
Sabine Crasemann
Langen Foundation, Neuss, D
1. März 2011, Neuss
Julia Stoschek
Julia Stoschek Collection, Düsseldorf, D
2. März 2011, Düsseldorf
Dr. Thomas Olbricht
me collectors Room Berlin Stiftung Olbricht, D
3. März 2011, München
Erika Hoffmann
Sammlung Hoffmann, Berlin, D
10. März 2011, Berlin
Christian Boros
Sammlung Boros, Berlin, D
28. März 2011, München und Telefoninterview
Dr. Friedrich E. Rentschler
Sammlung FER Collection, Ulm, D
2. April 2011, Ulm
Dr. Hans-Michael Herzog
Daros Museum Zürich, CH
24. Mai 2011, Zürich
Dr. Ludger Hünnekens
Museum Frieder Burda, Baden-Baden, D
7. Juni 2011, Telefoninterview
Quelle: Eigene Darstellung
5.3
D URCHFÜHRUNG
DER I NTERVIEWS
Mit vier Sammlerinnen, fünf Sammlern und zwei Museumsleitern wurden in der Zeit vom 10. Februar bis 7. Juni 2011 qualitative Experteninterviews geführt. Nach Mayer (2009: 41) gilt jemand als Experte, der auf einem begrenzten Gebiet klare und abgrenzbare Kenntnisse besitzt und über besondere Zugänge zu Informationen und Entscheidungsprozessen verfügt. Es wurde durchweg versucht, die Sammler und Museumsgründer als primäre Quellen für die Interviews zu gewinnen, da ihnen das exklusive Wissen über Handlungs- und Motivationsstrukturen eigen ist und sie einen konkurrenzlos dichten Weg der Datengewinnung darstellen. Lediglich in einem Fall (Daros Museum Zürich) wurde das Gespräch mit dem Generaldirektor der Einrichtung geführt, da die Sammlerin (Ruth Schmidheiny) alle Entscheidungsprozesse über Sammlungs- und Museumsagenden ihrem Mitarbeiter überlässt. Daher kann Herr Dr. Hans-Michael Herzog als Experte im oben beschriebenen Sinn gewertet werden. Das
M ETHODIK DER EMPIRISCHEN U NTERSUCHUNG
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Interview mit Herrn Dr. Ludger Hünnekens, dem Leiter des Museum Frieder Burda in Baden-Baden, wurde ergänzend zum Gespräch mit dem Museumsgründer geführt, um einige Fragen sachlich zu präzisieren. Bei allen interviewten Personen handelt es sich um Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die einer kunst- und kulturinteressierten Öffentlichkeit bekannt sind. Von den elf geführten Interviews fanden sieben in Büros oder Besprechungsräumen der privaten Museen jeweils vor Ort statt. Zwei Interviews wurden an der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München durchgeführt. Das Institut veranstaltete im Zeitraum von Februar bis März 2011 eine Vortrags- und Gesprächsreihe zum Thema „Kunstsammler“. Für die Interviews mit Prof. Karlheinz Essl und Dr. Thomas Olbricht, die vor den jeweiligen Vorträgen stattfanden, stellte die Akademie ihren Sitzungssaal zur Verfügung.5 Das Interview mit Herrn Christian Boros wurde telefonisch durchgeführt, da sich der vereinbarte Termin an der Akademie der Schönen Künste in München als zeitlich zu kurz herausstellte. Durch das persönliche Kennenlernen, das dem Telefoninterview vorausging, hatte auch dieses Gespräch eine persönliche Note und unterschied sich kaum von den anderen Interviews, die face to face durchgeführt wurden. Zuletzt wurde auch das Kurzinterview mit Herrn Dr. Ludger Hünnekens telefonisch durchgeführt. Nach Atteslander (2008: 104) stellt jede Befragung eine soziale Situation dar. Wahrnehmungen unterschiedlicher Art, gegenseitige Erwartungen oder äußere Umstände können das Verhalten und die verbale Reaktion des Gesprächspartners beeinflussen. Faktoren, die sich auf den Gesprächsverlauf negativ auswirken können, sind persönliche Situationen wie Krankheit oder eine Gemütsverfassung, äußere Bedingungen wie Zeitdruck, ungünstige Raumverhältnisse, ein hoher Lautstärke-Pegel oder ständige Unterbrechungen. Durch mögliche unvorhergesehene Ereignisse können sowohl Interviewer als auch Befragter in einen ungewollten Leistungsdruck kommen, der Stress erzeugt. Dieser Stress kann durch das Wissen, dass alles Gesagte veröffentlicht wird, noch verstärkt werden. Hingegen kann durch eine positive menschliche Begegnung eine Stresssituation abgebaut werden. Ein entspanntes Gesprächsklima ist die beste Voraussetzung für ein gelungenes Interview. Eine positive Triebkraft für ein gutes Gespräch ist darüber hinaus Sympathie zwischen den Gesprächspartnern. Alle elf durchgeführten Interviews waren von einer sehr angenehmen und wohlwollenden Stimmung geprägt. Der berufliche Background der Interviewerin und die genaue Kenntnis der privaten Sammlungen sorgten für eine fachwissenschaftliche und kundige Atmosphäre. Nach einer kurzen Kennenlern-Phase wurde immer direkt ins Gespräch eingestiegen. Die Sammler sind in der Regel Geschäftsleute und Unternehmer, und ihre Zeit ist kostbar. Daher sollte die vorher vereinbarte Zeit nicht vergeudet werden. Es hat sich aber herausgestellt, dass sich alle Gesprächspartner für das Interview ausreichend Zeit genommen haben und manche Unterredungen bis zu zwei Stunden dauerten. In einem Interview verfolgen beide Parteien ihre eigenen Interessen. Der Interviewer ist an der umfassenden Beantwortung seiner Fragen interessiert und hofft, im
5
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bayerischen Akademie der Schönen Künste München sei an dieser Stelle nochmals sehr herzlich gedankt.
182
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persönlichen Gespräch neue und noch nicht bekannte Informationen zu erhalten. Der Interviewte wird immer abwägen, welche Informationen positive oder negative Reaktionen in der Öffentlichkeit auslösen können, und daher nicht immer ganz spontan sein. Wenn der Interviewer stärker daran interessiert ist, Antworten zu erhalten, als der Befragte solche zu geben, spricht Atteslander (2008: 119) von einer asymmetrischen Motivation. Ziel der Befragung sollte es daher sein, eine möglichst hohe Gemeinsamkeit in der Kommunikation zu erreichen. Diese „verhindert ein Ungleichgewicht der Motivation und erhöht die Gültigkeit einer Meinungsäußerung“. In den Befragungen hat sich gezeigt, dass eine hohe Übereinstimmung in der Kommunikation erreicht werden konnte. Da sich beide Parteien auf dieses Treffen eingelassen haben, gab es eine gemeinsame Motivation und ein beiderseitiges Interesse an einem guten und erfolgreichen Ablauf des Interviews. Alle Befragungen wurden von gegenseitigem Vertrauen getragen, und es herrschte stets ein sehr gutes Gesprächsklima auf Augenhöhe. Sämtliche Interviews wurden mit Einverständnis der Gesprächspartner aufgezeichnet. Diese Dokumentationsform stellt eine schnelle und vor allem genaue Möglichkeit der Informationserfassung dar. Anschließend wurden die Gespräche in eine schriftliche Fassung gebracht und den Befragten zur Autorisierung vorgelegt.
5.4
A USWERTUNG
DER I NTERVIEWS
„Die Auswertung qualitativer Daten erfolgt durch interpretative Verfahren“ (Mayer 2009: 25). Grundlage dafür stellen die Transkriptionen der Gespräche dar. Durch eine wörtliche Transkription wird eine umfassende Textfassung der verbalen Daten hergestellt, „die Basis für eine ausführliche interpretative Auswertung bietet“, so Mayring (2002: 89). Alle elf Interviews wurden mittels eines digitalen Aufnahmegeräts aufgezeichnet und, soweit möglich, direkt im Anschluss an die Gespräche in schriftliche Form gebracht. Dabei wurde ein hoher Genauigkeitsgrad und das Vermeiden von Übertragungsfehlern angestrebt. Nach Mayring (2002: 91) ist die Übertragung in normales Schriftdeutsch die am häufigsten angewendete Methode der Transkription. „Um mehr Lesbarkeit zu erreichen, muss man sich jedoch stärker vom gesprochenen Wort weg entfernen.“ In Anlehnung an diese Praxis wurden manche Aussagen sprachlich angepasst, stilistisch geglättet oder Satzbaufehler korrigiert. Es wurde allerdings strikt darauf geachtet, inhaltlich nichts zu verändern oder hinzuzufügen. Mayring (2002: 91) bezeichnet diese Protokolltechnik als vorteilhaft, wenn die inhaltlich-thematische Ebene im Vordergrund steht und die Befragten als Experten auftreten, wie das auch in dieser Untersuchung der Fall ist. Die transkribierten Interviews wurden den Gesprächspartnern zum Gegenlesen und zur Freigabe zugeschickt. Die Hälfte der Interviews wurde ohne Korrekturen autorisiert. Bei den anderen fünf Transkriptionen wurden geringfügige Änderungen und Streichungen von vornehmlich emotionalen oder wertenden Interview-Passagen vorgenommen. Die genehmigten Fassungen6 bildeten die Ausgangsbasis für die Bear6
Die vollständigen Interviews können in der Bibliothek der PH Ludwigsburg eingesehen werden.
M ETHODIK DER EMPIRISCHEN U NTERSUCHUNG
| 183
beitung der Interviews, die sich am pragmatischen Auswertungsverfahren nach Mühlfeld / Windolf / Lampert / Krüger (1981) orientiert. Das pragmatische Auswertungsverfahren ist ein sechsstufiger Ablauf, der Schritt für Schritt durchgeführt werden muss. Die Autoren weisen darauf hin, „dass sich eine Interpretation nicht mit einem Durchgang durch das Material [...] begnügen kann [...]. Die Konstruktion von Mustern aus Gemeinsamkeiten, Unterschieden, tendenziellen Analogien erfordert weitere theoretische und textgebundene Arbeitsschritte, um zu einer theoretisch wie empirisch abgesicherten Darstellung und Interpretation der Ergebnisse zu gelangen“ (Mühlfeld et al. 1981: 334).
Aus diesem Grund und wegen der Fülle des Materials hat die Verfasserin das Verfahren erweitert. Für den Schritt der Zuordnung der Textpassagen zu den einzelnen Kategorien wurde das Datenverarbeitungsprogramm Excel zu Hilfe genommen, das in Anlehnung an das wissenschaftliche Auswertungsprogramm Atlas.ti eingesetzt wurde. In einem ersten Schritt werden alle Textstellen ausgewählt, die als konkrete Antworten auf die entsprechenden Fragen im Leitfaden gewertet werden können. Der zweite Schritt ordnet einzelne Textpassagen und relevante Aussagen einem vorliegenden Kategorienschema unter. In dieser Untersuchung wurden die Kategorien aus theoretischen Konzepten und den in Kapitel 4 abgeleiteten 28 Erfolgskriterien öffentlicher Museen festgelegt (vgl. König / Volmer 1994: 122). Die Bildung eines Kategoriensystems ist der entscheidende Schritt für die Auswertung, denn durch die Festlegung der Kategorien werden diejenigen Aspekte bestimmt, die aus dem Textmaterial herausgefiltert werden sollen. Dafür muss das Material streng methodisch kontrolliert und schrittweise analysiert werden. In dieser Studie konnten 58 Kategorien herausgebildet werden. Die Zuordnung der einzelnen Textstellen erfolgte mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung. Als erster Schritt wurden alle Interviews in drei Spalten einer ExcelTabelle übertragen: Die Spalten wurden mit „Name des Experten“, „Fragestellung“ und „Antwort“ bezeichnet. Die Spalten 4 bis 62 repräsentierten die 58 Auswertungskategorien. Danach wurde jede Antwort oder Teile einer Antwort, die mit einer oder mehreren Kategorien in Übereinstimmung gebracht werden konnten, in der Matrix mit Eins bewertet. Aus dieser Bewertung wurden in weiterer Folge 58 Dateien generiert. Jede dieser Dateien trug die Überschrift der jeweiligen Kategorie und fasste alle Antworten der elf Interviews mit der Bewertung Eins zusammen. Diese 58 Dateien bildeten die Arbeitsgrundlage für die weitere Verarbeitung der Daten, die schließlich zu dreizehn finalen Auswertungskategorien verdichtet wurden (Kapitel 7.1 bis 7.13). Während der zweite Schritt auf die Extraktion von Einzelinformationen abzielt, wird in der dritten Stufe eine innere Logik zwischen diesen Einzelinformationen hergestellt. Dabei werden sowohl übereinstimmende als auch widersprüchliche Passagen berücksichtigt. Als nächste Maßnahme des Auswertungsverfahrens wird ein Text zur inneren Logik verfasst, der im fünften Schritt mit Interviewausschnitten komplettiert wird. Die sechste und letzte Stufe schließt mit der Herstellung eines vollständigen Berichts der analysierten Ergebnisse und der Auswertung der Untersuchung ab.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT „Befragung bedeutet Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen. Durch verbale Stimuli (Fragen) werden verbale Reaktionen (Antworten) hervorgerufen. [...] Die Antworten beziehen sich auf erlebte und erinnerte soziale Ereignisse, stellen Meinungen und Bewertungen dar“ (Atteslander 2008: 101).
Ziel der Auswertung ist es, diese subjektiven Meinungen und Bewertungen systematisch zu analysieren, um das Überindividuelle und Gemeinsame herauszustellen, damit allgemeine Aussagen getroffen werden können. Der Ablauf des pragmatischen Auswertungsverfahrens stellt sich folgendermaßen dar: Tabelle 24: Pragmatisches Auswertungsverfahren nach Mühlfeld et al. (1981) Erstellung einer Excel-Datei mit allen transkribierten und autorisierten Interviewtexte Markierung der Antworten in Bezug auf Leitfragen und Zuordnung der Textstellen entsprechend dem vorgegebenen Kategorienschema Sortierung der Excel-Datei, so dass für jede Kategorie eine eigene Datei entsteht Herstellung der inneren Logik zwischen den Einzelinformationen und Erstellung eines Textes Vervollständigung des Textes mit Interviewausschnitten Bericht Quelle: Eigene Darstellung
5.5
D OKUMENTENANALYSE
Neben den qualitativen Interviews kommt als zweite Methode die Dokumentenanalyse zum Einsatz, die im Sinne der Methoden-Triangulation als Ergänzung zur Befragung gesehen werden kann. Im Unterschied zu den in den Leitfaden-Interviews gewonnenen Daten will „Dokumentenanalyse [...] Material erschließen, das nicht erst vom Forscher durch die Datenerhebung geschaffen werden muss. Dokumentenanalyse zeichnet sich durch die Vielfalt des Materials aus. Die qualitative Interpretation hat einen entscheidenen Stellenwert“ (Mayring 2002: 47).
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Bei der Dokumentenanalyse – auch Inhaltsanalyse genannt – handelt es sich um ein empirisches Datenerhebungsverfahren, das auf vorhandene Dokumente zurückgreift. Mittels Inhaltsanalyse werden Kommunikationsinhalte wie Texte, Bilder oder textbasierte Medienträger wie Filme untersucht. In dieser Studie wurde der Schwerpunkt auf die Analyse von Texten gelegt. Neben einer systematischen Untersuchung der Websites aller Privatsammlungen kamen Dokumente zum Einsatz, die größtenteils von den privaten Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, wie Presseartikel, wissenschaftliche Publikationen, Imagebroschüren, Informationsmaterialien und Werbefolder von Ausstellungen und Veranstaltungsprogrammen sowie Stiftungsdokumente und Ausstellungskataloge. Als empirisches Datenerhebungsverfahren muss auch die Dokumentenanalyse nach einem festgelegten Ablauf erfolgen. Im Hinblick auf die Forschungsfrage wird zunächst die Auswahl der Dokumente genau definiert, bevor ihr „Aussagewert eingeschätzt werden kann und sein Gehalt interpretativ und eventuell quantitativ erschlossen werden kann“ (Mayring 2002: 49). Im nächsten Schritt wird das Kategoriensystem entwickelt, das sich in dieser Untersuchung an das Kategoriensystem für die Analyse und Interpretation der Interviews anlehnt. Danach erfolgt die systematische Zuordnung und Deutung der Dokumente. Zu den Inhaltsanalysen auf Dokumentenbasis fanden persönliche Erfahrungen der Verfasserin im Umgang mit privaten Sammlern und privaten Kunsteinrichtungen außerhalb des Forschungsdesigns als weitere Datenquelle strukturiert in die Datensammlung und den Interpretationsprozess Eingang.
5.6
G ÜTEKRITERIEN
DES
F ORSCHUNGSPROZESSES
„Gütekriterien dienen als Zielvorgabe und zur Überprüfung der Forschungsmethoden“ (Mayer 2009: 55), denn am Ende eines jeden Forschungsprozesses steht die Beurteilung der Qualität der Ergebnisse. Die beiden klassischen Kriterien der qualitativen Forschung sind die Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Zuverlässigkeit) der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung. Die Gültigkeit überprüft, ob das gemessen wurde, was gemessen werden wollte. Die Zuverlässigkeit kontrolliert, ob das, was gemessen wurde, genau und exakt gemessen wurde. Allerdings wird in der qualitativen Forschung nach neuen und am Vorgehen und an den Zielen der Untersuchung orientierten Gütekriterien gesucht. Nach Ansicht von Mayring (2002: 141) sind die beiden klassischen Kriterien „oft wenig tragfähig“, weil die Geltungsbegründung der Ergebnisse viel flexibler sein muss. „Man kann nicht einfach ein paar Kennwerte errechnen, man muss mehr argumentativ vorgehen. Es müssen Belege angeführt und diskutiert werden, die die Qualität der Forschung erweisen können“ (Mayring 2002: 140).
Daher sollen nach Mayring (2002: 144ff.) in einem Forschungsablauf sechs allgemeine Gütekriterien erfüllt werden: Verfahrensdokumentation, argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe zum Gegenstand, kommunikative Validierung und Triangulation. Unter Verfahrensdokumentation versteht man die detaillierte Beschreibung des Forschungsprozesses. Der Ablauf muss umfänglich doku-
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mentiert werden, damit er für andere zur Gänze nachvollziehbar wird. Dazu gehören insbesondere die Explikation des Vorverständnisses, die Zusammenstellung des Analyseinstrumentariums und die Durchführung und Auswertung der Datenerhebung. Die Ausführungen in den Kapiteln 5.1 bis 5.5 belegen, dass dieses Kriterium in der vorliegenden Untersuchung erfüllt wurde. Die argumentative Interpretationsabsicherung stellt als zweites Gütekriterium sicher, dass der Forscher seine Vorannahmen offenlegt und die von ihm aufgestellten Interpretationen nicht einfach behauptet werden, sondern argumentativ begründet sein müssen. Auch dieses Kriterium wurde eingehalten. Regelgeleitetheit bedeutet, dass bei aller Offenheit des Forschungsprozesses bestimmte Ablaufmodelle zu beachten sind. Dazu gehört die Einteilung der Untersuchung in sinnvolle Einheiten, die in einer festgelegten Reihenfolge abgearbeitet werden müssen. Das bietet die Voraussetzung für ein systematisches Vorgehen. Der Ablauf dieses Forschungsprozesses wurde in Kapitel 5.1 vorgestellt und verstetigt dieses Gütekriterium. Ein wichtiges Merkmal qualitativ-interpretativer Forschung ist die Nähe zum Gegenstand. Diese Nähe wird erreicht, indem der Forscher ins „Feld“ geht und unmittelbar an die Alltagswelt der beforschten Subjekte anknüpft. Da die überwiegende Mehrzahl der Interviews im Lebens- oder Arbeitsumfeld der Interviewpartner stattgefunden haben, ist auch dieses Gütekriterium erfüllt worden. Das fünfte Kriterium ist die Triangulation. Darunter versteht man die Verbindung verschiedener Forschungsperspektiven, Messinstrumente, Analysegänge und Datenquellen. Neben der für diese Untersuchung adäquaten Forschungsmethode des teilstandardisierte Leitfaden-Interviews kam auch die Dokumentenanalyse als weitere Datenquelle zum Einsatz (Kapitel 5.5). Schließlich folgt als letzter Maßstab die kommunikative Validierung, die die Gültigkeit der Ergebnisse prüft, indem man diese den Befragten präsentiert und mit ihnen diskutiert. In der vorliegenden Untersuchung erfolgte die Ergebnisreflektion nicht mit den Beforschten, sondern die ausgewerteten und interpretierten Daten wurden mit einem Experten diskutiert. Als Experte wird in diesem Zusammenhang eine Persönlichkeit bezeichnet, die über umfassende Kenntnisse privater und öffentlicher Museen verfügt sowie als fundierter Kenner der Kunstszene und des Kunstmarkts gilt. Für die Erörterung der analysierten Ergebnisse wurde mit Prof. Dr. Armin Zweite bewusst der Dialog mit einem ausgewählten Interviewpartner und anerkannten Experten der Branche gesucht. Mit der Erfüllung dieses letzten Kriteriums kann abschließend festgestellt werden, dass die vorliegende Studie den sechs Gütekriterien nach Mayring entspricht. Experteninterview mit Prof. Dr. Armin Zweite Armin Zweite (*1941) war von 1974 bis 1990 Direktor der Städtischen Galerie am Lenbachhaus in München. 1990 übernahm er in der Nachfolge von Werner Schmalenbach die Leitung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Seit 2009 ist er geschäftsführender Direktor der Anette und Udo Brandhorst Stiftung. Armin Zweite gilt als Autorität in der deutschen Museumslandschaft. Mit dem Experten wurden neben der kommunikativen Validierung der Studienergebnisse auch Fragen der Deutungshoheit von Kunst diskutiert und mögliche zukünftige Formen der Zusammenarbeit zwischen privaten Sammlungen und öffentlichen Museen erörtert (siehe Kapitel 8).
6. Darstellung des Untersuchungsfeldes
6.1
A USWAHLKRITERIEN DER P RIVATSAMMLUNGEN
ÖFFENTLICHEN
Um eine empirische Untersuchung durchzuführen, wird aus der Grundgesamtheit des Forschungsfeldes eine repräsentative Auswahl, eine sogenannte Stichprobe, ausgewählt. Die Grundgesamtheit, die für diese Studie herangezogen wird, sind alle deutschen Kunstmuseen in privater Rechtsträgerschaft, zu der Vereine, Gesellschaften, Stiftungen und Privatpersonen zählen.1 Für das Jahr 2009 konnten 218 Museen basierend auf den statistischen Auswertungen des Instituts für Museumsforschung (2010: 32) ermittelt werden. Davon werden 99 Einrichtungen von Privatpersonen und privat-rechtlichen Stiftungen getragen. Die Tabelle zeigt die exakte Zuordnung.2 Tabelle 25: Museen in privater Rechtsträgerschaft nach Deutschem Städtetag Deutsche Museen in privater Rechtsträgerschaft
Häufigkeit
Prozent
Verein
86
39,4
Gesellschaft / Genossenschaft
33
15,1
Privat-rechtliche Stiftung
56
25,8
Privatpersonen
43
19,7
Gesamt
218
100,0
Quelle: Institut für Museumsforschung
1
2
Obwohl diese Studie den deutschsprachigen Raum betrifft, liegen exakte statistische Werte für Trägerschaften von Museen nur für Deutschland vor. Weder der Verband der Museen der Schweiz VMS noch der Österreichische Museumsbund führen Statistiken über Trägerschaften von Museen (Mail von David Vuillaume, Generalsekretär des Verbandes der Museen der Schweiz VMS vom 10.10.2007 und Dr. Stefan Traxler, Geschäftsführer des Museumsbundes Österreich vom 16.12.2011). Diese Detailaufstellung wurde vom Institut für Museumsforschung zur Verfügung gestellt. Mail von Sebastian Fehrenbach vom 23.5.2011.
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Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, sollten mindestens 10 % der Grundgesamtheit als Stichprobe ausgewählt werden. Für die Entscheidung der Stichprobenbildung ist in der qualitativen Forschung darüber hinaus die inhaltliche Relevanz der zu untersuchenden Subjekte ausschlaggebend. Interviews mit Experten werden „mit dem Ziel durchgeführt, Erkenntnisse zu gewinnen, die über den untersuchten Fall hinausreichen. Dies soll erreicht werden, indem die Auswahl so erfolgt, dass die Ergebnisse auf andere Fälle übertragbar sind bzw. dass sie exemplarisch und in diesem Sinne generalisierbar sind“ (Mayer 2009: 39).
Für diese Studie erfolgte die Auswahl der Stichprobe mit der Methode der „VorabFestlegung“ (vgl. Mayer 2009: 39). Die Entscheidung über die Auswahl wurde vor der Durchführung der Untersuchung bewusst und gezielt getroffen. Die Stichprobe wurde im Hinblick auf die Fragestellung der Untersuchung nach Relevanzgründen, geografischen Aspekten und den folgenden Kriterien ausgesucht: 1. Die öffentliche Privatsammlung wurde von einer Kunst sammelnden Persönlichkeit für die eigene Kollektion gegründet. 1. Die öffentliche Privatsammlung widmet sich ausschließlich der Sammlung, Förderung, Präsentation und Vermittlung vorrangig bildender Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. 2. Die Kunstsammlung genießt internationale Reputation. 3. Träger der Einrichtung ist der Sammler selbst, das Unternehmen des Sammlers oder eine von ihm gegründete Stiftung oder andere Gesellschaftsform. 4. Die öffentliche Privatsammlung ist in einem eigenen Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich. 5. Es besteht wirtschaftliche und institutionelle Unabhängigkeit. Die öffentliche Privatsammlung wird ausschließlich privat finanziert und erhält keine Förderungen oder Zuschüsse von der öffentlichen Hand. Der Definition der Kriterien gingen theoretische Vorüberlegungen und eigene Felderkundungen voraus. Aufgrund der Größe der Grundgesamtheit und der für dieses Forschungsprojekt zur Verfügung stehenden Mittel wurden zehn öffentliche Privatsammlungen als Samplestruktur ausgewählt. Um eine Vergleichbarkeit innerhalb der Samplestruktur zu gewährleisten, wurden vornehmlich private Einrichtungen gewählt, die über eine bestimmte Größe und ein gewisses Maß an Aktivitäten verfügen. So wurde eine Ausstellungsfläche von mindestens 500 Quadratmetern als Vorgabe gewählt, die mit einer regelmäßigen Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit verbunden ist. Die Besuchsmöglichkeit muss an mindestens einem Tag pro Woche zu festgesetzten Öffnungszeiten oder nach Voranmeldung gegeben sein. Um eine größere Transparenz zu gewährleisten, wurde der deutschsprachige Raum als Basis dieser Untersuchung gewählt. In die enge Auswahl kommen daher
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
| 189
eine österreichische, eine Schweizer und acht deutsche Privatinitiativen. Bei den deutschen Kunstsammlungen wurde darauf geachtet, eine Ausgewogenheit nach Bundesländern zu erhalten. Die Auswahl fiel auf drei Privatsammlungen aus BadenWürttemberg, drei aus Berlin und zwei aus Nordrhein-Westfalen. Die nachfolgende Tabelle fasst die Stichprobe übersichtlich zusammen. Tabelle 24: Auflistung der Stichprobe Auswahl der Stichprobe Gründungsjahr Name
Ort
1997
Sammlung Hoffmann
Berlin, D
1999
Essl Museum
Klosterneuburg, A
2001
Daros Museum Zürich
Zürich, CH
2004
Langen Foundation
Neuss, D
2004
Museum Frieder Burda
Baden-Baden, D
2007
Julia Stoschek Collection
Düsseldorf, D
2008
Sammlung Boros
Berlin, D
2009
Museum Biedermann
Donaueschingen, D
2009
Sammlung FER Collection
Ulm, D
2010
me Collectors Room Berlin
Berlin, D
Quelle: Eigene Darstellung
Im Folgenden wird die Stichprobe umfassend vorgestellt. Die Kurzdarstellung der privaten Institutionen umfasst die Vorstellung des Sammlers oder der Sammlerin, die Gründungsgeschichte und Architektur der Einrichtung. Alle museumsspezifischen und organisatorischen Merkmale werden tabellarisch aufgelistet. Verglichen werden Träger- und Rechtsform, Architektur, Lage und Umfeld, Sammlungskonzeption, Ausstellungsfläche, Ausstellungen, wissenschaftliche Publikationen, Besuchszahlen, Öffnungszeiten, Eintrittspreise, Kosten für Begleitprogramme, flankierende Serviceangebote und Serviceeinrichtungen, Angebote der Kunstvermittlung und Mitarbeiterstruktur. Alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010. Die Vorstellung der einzelnen öffentlichen Privatsammlungen erfolgt chronologisch nach dem Gründungsdatum.
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6.2
S AMMLUNG H OFFMANN , B ERLIN
Abbildung 3: Sammlung Hoffmann, Berlin: Außenansicht, Fassade 1. Hof, Ausstellungsansicht, Saal 4. OG, Porträt Erika Hoffmann
Quelle: Courtesy Sammlung Hoffmann
Kurzpräsentation Sammlung Hoffmann (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Rolf (1934-2001) und Erika (*1938) Hoffmann
Profession der Sammler
Unternehmer (Bekleidungsbranche, van Laack), Erika Hoffmann ist Kunsthistorikerin.
Eröffnung der privaten Kunsträume
September 1997
Leitung der Einrichtung
Dr. Heike Fuhlbrügge Kunsthistorikerin
Träger- und Rechtsform
Die Einrichtung wird von Erika Hoffmann privat getragen.
Architektur
Eine Fabrik für medizinische Geräte in der Sophienstraße in Berlin Mitte wurde zu einem Wohn- und Ausstellungsloft umgebaut.
Lage und Umfeld
Zentral in Berlin Mitte
Sammlung
Die Sammlung repräsentiert einen Querschnitt der Kunst der letzten 40 Jahre. Über die Werkanzahl macht die Sammlerin keine Angaben.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
| 191
Ausstellungsfläche
1.400 m²
Ausstellungen
Eine Ausstellung pro Jahr. Leitmotiv der Einrichtung 2010/11: Grenzen – Abgrenzen, Ausgrenzen und Entgrenzen.
Wissenschaftliche Publikationen
Es gibt keine Kataloge zu den Ausstellungen.
Besucherzahlen
4.500
Öffnungszeiten
Sa 11 – 16 Uhr Der Besuch ist nur nach Voranmeldung möglich.
Eintrittspreise
€ 8,- inklusive Führung
Kosten für Begleitprogramme
Obligatorische Führung im Preis inbegriffen
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Besonderes Ambiente, da man sich in privaten Wohnräumen befindet. Große Bibliothek, die nach Voranmeldung benutzt werden kann. Konzerte, Performances, Dialoge und Videoabende auf Einladung.
Kunstvermittlung
Die Sammlung kann nur mit Führung besucht werden. Gespräche über Kunst stehen im Zentrum der Auseinandersetzung.
Mitarbeiterstruktur
1 festangestellte Leiterin 11 freie Mitarbeiter in der Kunstvermittlung
Homepage
www.sammlung-hoffmann.de
Die Sammler Erika und Rolf Hoffmann Erika Hoffmann absolvierte ein Studium der Kunstgeschichte, bevor Sie Rolf Hoffmann heiratete, der das familieneigene Bekleidungsunternehmen van Laack zu einer internationalen Marke ausbaute. Erika Hoffmann war als Designerin tätig und für die Damenkollektion von van Laack verantwortlich. Erste Begegnungen mit Kunst und Künstlern machte das Ehepaar Hoffmann in den 1960er Jahren und war begeistert von der intellektuellen und emotionalen Herausforderung zeitgenössischer Kunst, die auch zur kreativen Inspiration im Berufsleben führte. Ihre Sammelleidenschaft wurde geweckt und führte zu ersten Ankäufen, die nur dem persönlichen Geschmack und dem eigenen Interesse folgten. Der Verkauf ihres Unternehmens van Laack ermöglichte es dem Sammlerpaar, sich ab Mitte der 1980er Jahre verstärkt der Kunst zu widmen. Mehr Freizeit und finanzielle Mittel erlaubten von nun an, ihrer Passion größeren Raum zu geben; das Sammeln wurde aber immer nur als rein privates Anliegen betrachtet. Die jahrzehntelange Begeisterung und Auseinandersetzung mit ak-
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tuellen künstlerischen Strömungen führten zu einer umfangreichen zeitgenössischen Sammlung unterschiedlicher Medien, darunter Malerei, Skulptur, Fotografie und Video. In der Sammlung sind zahlreiche international renommierte Künstler vertreten. Neben Werken von Mitgliedern der Gruppe Zero zählen die Arbeiten wichtiger amerikanischer Künstler wie Frank Stella, Bruce Nauman, Mike Kelley und Fred Sandback zur Sammlung. Künstlernamen wie Marcel Broodthaers, Günther Förg, Felix Gonzalez-Torres, François Morellet, Ernesto Neto, Gerhard Richter und Andy Warhol belegen und prägen den vielfältigen Charakter der Sammlung. Seit der Eröffnung der Sammlung richtet sich das Kunstinteresse auch nach Osteuropa und Asien. Gründungsgeschichte der Sammlung Hoffmann Die Gründung der Sammlung Hoffmann in Berlin erfolgte nach einem gescheiterten Versuch, für die Stadt Dresden eine Kunsthalle zu errichten. Mit einer Institution für zeitgenössische Kunst wollten Erika und Rolf Hoffmann nach dem Fall der Berliner Mauer einen gesellschaftlichen und kulturellen Beitrag für die Wiedervereinigung leisten. In diesem als Public-Private-Partnership konzipierten Projekt sollten sich private Kunstsammler und Investoren aus der Wirtschaft bürgerschaftlich gemeinsam mit der öffentlichen Hand engagieren. Der amerikanische Künstler Frank Stella steuerte einen kühnen architektonischen Entwurf für ein zeitgenössisch-barockes Ensemble von Pavillons bei, das gegenüber dem Zwinger auf einem ehemaligen Gartengrundstück errichtet werden sollte. Das von Rolf und Erika Hoffmann geplante Projekt scheiterte nach vier Jahren am Veto des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf. „Bis heute ist der damals vorgesehene Bauplatz [...] eine Brache“ (van der Ley 2009: 211). Danach plante das Ehepaar Hoffmann ein unabhängiges Projekt, ausschließlich für die eigene Sammlung, und schuf mit den Berliner Sophie-GipsHöfen großzügige Ausstellungsräume, die zugleich als Wohn- und Arbeitsräume dienen. Das Konzept „Leben mit Kunst“, in das die Öffentlichkeit einmal pro Woche Einblick bekommen sollte, war in dieser Form völlig neu in Deutschland. Seit 1997 wird man in kleinen Gruppen durch bewohnte Sammlung Hoffmann geführt. Die Kunstbegegnung kann in diesem privaten Ambiente viel unmittelbarer sein als in einem Museum, ist die Sammlerin überzeugt. Die Architektur der Sammlung Hoffmann Aufgrund einer Zeitungsanzeige entdeckten Erika und Rolf Hoffmann die leerstehenden gelben Backsteingebäude in der Sophienstraße in Berlin Mitte. Die ursprünglich als Nähmaschinenfabrik genutzten Gebäude erschienen dem Ehepaar geeignet, mit ihren gesammelten Kunstwerken zu leben und diese zeitweilig für ein interessiertes Publikum zu öffnen. Sie konnten das Areal erwerben und unterzogen die Klinkerfabrik der Jahrhundertwende einer behutsamen Sanierung. Neben vermietbaren Wohnungen und Gewerbeflächen entstanden für die Sammlung Hoffmann auf diese Weise loftartige, lichtdurchflutete Räumlichkeiten über zwei Etagen mit insgesamt 1.400 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Einmal jährlich wird die Sammlung umgebaut und neu gehängt. Erika Hoffmann ist es ein Anliegen, die inspirierende Erfahrung, was täglicher Umgang mit Kunst bedeuten kann, ihren Besuchern zu vermitteln. Seit dem Tod ihres Gatten Rolf Hoffmann im Jahr 2001 führt Erika Hoffmann das gemeinsame Werk und die Erweiterung der Sammlung alleine fort.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.3
| 193
E SSL M USEUM , K LOSTERNEUBURG , Ö STERREICH
Abb. 4: Essl Museum, Klosterneuburg: Außenansicht, Ausstellungsansicht „figur / skulptur“, 2006, Porträt Karlheinz und Agnes Essl, 2009
Quelle: Courtesy Essl Museum
Kurzpräsentation Essl Museum (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Prof. Agnes (*1937) und Prof. KR Karlheinz (*1939) Essl
Profession der Museumsgründer
Unternehmer, Vorstand der Schömer Gruppe, Aufsichtsratsvorsitzender der bauMax AG
Eröffnung des Museums
November 1999
Leitung der Einrichtung
Agnes und Karlheinz Essl
Träger- und Rechtsform
Sammlung Essl Privatstiftung (1996)
Architektur
Museumsneubau von Heinz Tesar, A
Lage und Umfeld
In ländlicher Umgebung in Klosterneuburg (15 km von Wien), 600 Meter von der Firmenzentrale der bauMax / Schömer-Gruppe entfernt; Das Schömer-Haus dient als zusätzliche Ausstellungsräumlichkeit des Essl Museums.
Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 7.000 Werke der Kunst der Gegenwart ab 1945 mit Schwerpunkt österreichische Kunst sowie wichtige Positionen internationaler Kunst.
Ausstellungsfläche
3.200 m²
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Ausstellungen
10 Ausstellungen pro Jahr India awakens. Under the Banyan Tree: 26.11.10 – 27.02.11 Einschließlich / Ausschliesslich: 11.11. – 12.12.10 Private Wurm: 20.10.10 – 30.01.11 Schönes Klosterneuburg. Albert Oehlen als Kurator: 10.09.10 – 30.01.11 Niki de Saint Phalle. Im Garten der Fantasie: 21.05. – 26.09.10 Weggefährten. Der Beginn der Sammlung: 22.04.2010 – 18.02.11 Max Weiler: (1910 – 2001). Die Natur der Malerei 19.03. – 29.08.10 Bruno Gironcoli. Ein Gedächtnisraum: 27.02. – 07.11.10 Corso. Werke der Sammlung Essl im Dialog: 29.01. – 07.11.10 Hubert Scheibl. Fat Ducks: 29.01. – 09.05.10
Wissenschaftliche Publikationen
10 Publikationen Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.
Besucherzahlen
Über Besucherzahlen wird keine Auskunft gegeben. An besucherstarken Tagen werden bis zu 3.000 Besucher gezählt.
Öffnungszeiten
Di – So 10 – 19 Uhr Mi 10 – 21 Uhr
Eintrittspreise
€ 7- / 5,- ermäßigt Kinder, Jugendliche bis 19 Jahre sowie Studenten: freier Eintritt Familienkarte: 10,- (2 Erw., 2 Kinder) Jahreskarte: 20,-
Kosten für Begleitprogramme
Führung: je nach Thema: 2,-/3,-/5,Gruppenführung: 65,Workshop: Kinder 6,- / Erwachsene: 17,-/21,Workshop Gruppe: Kinder: 130,-/240,Workshop Gruppe: Erwachsene: 190,-/270,-/350,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Museumsshop Museumscafé Öffentliche Bibliothek
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Viermal täglicher, kostenloser Bus-ShuttleService von Wien nach Klosterneuburg Kunstvermittlung
Umfangreiches Kunstvermittlungsangebot: täglich werden mehrere Programme geboten. Kreativateliers, Workshops für Groß und Klein Schwerpunkt Musikreihe „Neue Musik“ Öffentliche Führungen: Mi 19 Uhr, So 11, 13 und 15 Uhr Workshop für Erwachsene: jeden Mi und Sa Workshop für Kinder: jeden Do
Mitarbeiterstruktur
55 Mitarbeiter Kuratoren: 4; Kunstvermittlung: 8; Presse/ÖA und Marketing/Sponsoring: 7, Bibliothek: 4, Technik: 7; Administration und Aufsicht: 27
Homepage
www.essl.museum
Die Sammler und Museumsgründer Agnes und Karlheinz Essl Agnes und Karlheinz Essl lernten sich in den späten 1950er Jahren in New York kennen. Dort entstand auch die gemeinsame Passion für zeitgenössische Kunst. Mit der Heirat und dem Einstieg von Karlheinz Essl in das Unternehmen seines Schwiegervaters begann eine erfolgreiche Unternehmerkarriere, die mit der Gründung der Baumarktkette bauMax ihren Anfang nahm. Heute ist die Unternehmensgruppe bauMax in 9 Ländern mit 160 Märkten vertreten, beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 1,5 Mrd. Euro (2011). Die Prosperität des Unternehmens erlaubte den Sammlern großzügige Mittel für den Kunstankauf zur Verfügung zu stellen und eine bedeutende Kunstsammlung aufzubauen. Aktuell umfasst die Sammlung Essl rund 7.000 Kunstwerke, die einen unvergleichlichen Blick auf die Kunst ab 1945 erlauben. Den Kern der Sammlung bildet die österreichische Kunst. Alle wichtigen österreichischen Künstler der Nachkriegszeit sind mit Hauptwerken in der Sammlung vertreten. Daneben stellen zeitgenössische Positionen aus Europa, den USA, Australien, Mexiko, China und Indien die Sammlung in einen internationalen Kontext. „Wenn wir sammeln, dann wollen wir die bestehende Lücke in der Gegenwartskunst in unserem Land ausfüllen, um vielen Menschen die Kunst unserer Zeit näher zu bringen“ (zit. nach Kreuzmayr / Rennhofer 1999: 32).
Gründungsgeschichte des Essl Museum Im November 1999 wurde das Essl Museum in Klosterneuburg bei Wien eröffnet. Vor der Museumsgründung gab es Überlegungen, die Sammlung Essl in das damals neu gegründete Wiener Museumsquartier zu integrieren. Das Angebot Karlheinz Essls, seine Sammlung in einem von der öffentlichen Hand errichteten Gebäude autonom zu betreiben, konnte nicht realisiert werden. Schon vor der Museumsgründung machte das Sammlerpaar seine Kunstwerke öffentlich. Die 1987 errichtete Firmen-
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zentrale des Unternehmens in Klosterneuburg diente bis zur Museumsgründung als Ort der Sammlungspräsentation für die Mitarbeiter des Unternehmens und für ein interessiertes Publikum. Auch heute stellt das Schömer-Haus neben dem Essl Museum einen zentralen Ort für Ausstellungen der Sammlung dar, der für alle frei zugänglich ist. Das Essl Museum hat sich seit seiner Gründung als wichtiges Zentrum für die Begegnung mit zeitgenössischer Kunst etabliert. Es zählt zu den größten Museen der Gegenwartskunst in Europa und leistet mit seinem vielfältigen und qualitätvollen Programm einen wichtigen Beitrag für die Vielfalt der kulturellen Landschaft. Karlheinz Essl ist überzeugt: „Besitz bedeutet Verantwortung. Das kommt aus meiner protestantischen Überzeugung heraus. Ein Teil von dem, was wir im Leben erwirtschaften konnten, soll wieder einer breiten Öffentlichkeit zugute kommen“ (Trenkler 1999: 39).
Die Architektur des Essl Museum Der österreichische Architekt Heinz Tesar hat die Firmenzentrale der SchömerGruppe und das Essl Museum entworfen. Ursprünglich wollte Karlheinz Essl lediglich ein großes Depot errichten, daher nehmen die auf einem hohen technischen Niveau ausgestatteten Lagerbereiche mit einer Fläche von 2.500 Quadratmetern einen zentralen Platz im neuen Museumsgebäude ein. Während sich die Architektur von außen eher schlicht ausnimmt, entfaltet sie im Inneren des Gebäudes eine feinfühlig abgestimmte Atmosphäre. Das Museum bietet unterschiedliche Raumtypologien, die mit natürlichem Tageslicht adäquate Präsentationsmöglichkeiten für die vielfältigen Ausdrucksformen zeitgenössischer Kunst bieten. Das großzügig gestaltete Haus verfügt über Kreativ-Ateliers, eine große Bibliothek, einen Museumsshop und ein einladendes Museumscafé. Den Bauherren war es wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem eine kreative und offene Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst möglich ist und der den „Geist der Unabhängigkeit und Flexibilität“ verkörpert (Essl 2011). Agnes und Karlheinz Essl erklären ihre Beweggründe wie folgt: „Wir wollen dazu beitragen, Kunst als gesellschaftsrelevanten Faktor stärker im Bewusstsein der Menschen zu verankern und damit eine Möglichkeit bieten, sich mit Fragen unseres Lebens und unserer Zeit kritisch und zugleich kreativ auseinander zu setzen “ (Essl 2007a: 2).
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.4
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D AROS M USEUM Z ÜRICH , S CHWEIZ
Abb. 5: Daros Museum Zürich: Außenansicht Löwenbräu-Areal, Installationsansicht "Carlos Amorales. Dark Mirror", 2007, Porträt Ruth Schmidheiny
Quelle: Courtesy Daros Latinamerica AG
Kurzpräsentation Daros Museum Zürich (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Stephan (*1947) und Ruth Schmidheiny (*1950)
Profession der Sammler
Unternehmer (Schweizer Eternit Gruppe, Beteiligungsgesellschaft)
Eröffnung des Museums Schließung des Museums
Mai 2001 2010 wegen Umbau / 2011 endgültig
Ansprechpartner und Leiter der Einrichtung
Dr. Hans-Michael Herzog Generaldirektor der Daros Latinamerica AG Kunsthistoriker
Träger- und Rechtsform
AG (2000). Die Daros Lateinamerica AG ist seit 2009 Trägerin des Daros Museum Zürich.
Architektur
Der ehemalige Gärkeller des Löwenbräu-Areals wurde durch Walter Rüegg, CH umgebaut. Die Möblierung und Gestaltung der Eingangshalle erfolgte durch das Atelier van Lieshout.
Lage und Umfeld
Zentral in Zürich im Löwenbräu-Areal in unmittelbarer Nähe der Kunsthalle und des Migros Museums für Gegenwartskunst gelegen.
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Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 1.000 Werke südamerikanischer Kunst seit den 1960er Jahren und ist europaweit die umfassendste Sammlung südamerikanischer Gegenwartskunst außerhalb Lateinamerikas.
Ausstellungsfläche
Ca. 800 m²
Ausstellungen
Es finden jährlich zwei Ausstellungsprojekte statt. Antonio Dias. Anywhere is my Land: 17.10.09 – 7.2.10 Luis Camnitzer: 11.3. – 4.7.10 Von 2010–2012 erfolgt der Umbau des Löwenbräu-Areals. In dieser Zeit ist die Sammlung der Daros Latinamerica AG zu Gast im Migros Museum im Areal von Hubertus Exhibitions.
Wissenschaftliche Publikationen
2 Publikationen Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet. 5.500 (aufgerundet wegen Umbau ab Mitte des Jahres)
Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr 12 – 18 Uhr, Do 12 – 20 Uhr Sa, So 11 – 17 Uhr
Eintrittspreise
CHF 8,- / 4,- ermäßigt Jugendliche bis 16 Jahren kostenlos Die Eintrittsgelder kommen einem Ausbildungsprojekt in Südamerika zugute.
Kosten für Begleitprogramme
Alle Programme sind kostenlos.
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Große Fachbibliothek zur lateinamerikanischen Gegenwartskunst. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich Galerien und öffentliche Kunstinstitutionen.
Kunstvermittlung
Umfangreiche Programme, die das Verständnis von Gegenwartskunst nachhaltig fördern wollen. Führungen, Familienprogramme, Kreativworkshops für Schulen. Die Kunstvermittlung gibt eigene Publikationen heraus. Öffentliche Führungen: Do 18.30 Uhr
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Mitarbeiterstruktur
14 Mitarbeiter Leitung: 1, Sammlung & Wissenschaft: 5, Administration: 3, Bibliothek: 2, Presse und Öffentlichkeitsarbeit: 2, Technik: 1 Ausgelagert ist der Bereich Besucherdienst im Museum.
Homepage
www.daros-latinamerica.net
Die Sammler und Museumsgründer Stephan und Ruth Schmidheiny Stephan Schmidheiny entstammt einer prominenten Schweizer Industriellenfamilie und gilt als einer der reichsten Männer weltweit.3 Schon aus seiner Familie stammt die Überzeugung, dass Wohlstand eine gesellschaftliche Verantwortung bedeutet. Dieser Überzeugung folgend widmete der Unternehmer einen großen Teil seines Reichtums sozialen, kulturellen und ökologischen Projekten. Sein Engagement gilt dabei insbesondere Lateinamerika, dort spendet er jährlich Millionen für Entwicklungsprojekte. Im Jahr 2000 gründeten Stephan Schmidheiny und seine damalige Frau Ruth Schmidheiny die Daros Latinamerica AG. Ihren Zweck definiert die Aktiengesellschaft durch den Aufbau und die Pflege einer Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Zentral- und Südamerika. Sie umfasst rund 1.000 Werke von etwa hundert Künstlern und deckt die gesamte Breite zeitgenössischer Medien und Materialien ab. Seit 2007 ist Ruth Schmidheiny alleine für die Aktivitäten der Daros Latinamerica AG verantwortlich, sie ist Mitglied des Verwaltungsrates. Die Mäzenin bleibt aber völlig im Hintergrund und überlässt ihrem Generaldirektor, Dr. Hans-Michael Herzog den Auf- und Ausbau der Sammlung. Aktuell plant die Daros Latinamerica AG in Rio de Janeiro ein Ausstellungshaus mit 12.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, das die Sammlung präsentieren und Raum für unterschiedliche künstlerische Aktivitäten bieten wird. Die „Casa Daros“ wird im Jahr 2012 eröffnet. Gründungsgeschichte des Daros Museum Zürich Unter dem Titel Daros sind alle Kunstaktivitäten von Stephan Schmidheiny und seiner Unternehmen zusammengefasst. Als er 1995 die Kunstsammlung seines jung verstorbenen Bruders Alexander Schmidheiny (1952-1993) erbte, beschloss er, die Sammlung zu erhalten und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.4 Im Jahr 2000 wurde die Daros Latinamerica AG als eigenständige Firma mit dem Ziel gegründet, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aus Zentral- und Südamerika aufzubauen und diese im europäischen Kunstkontext bekannt zu machen. Heute gilt die 3 4
Vgl. The Worlds Billionaires. In: http://www.forbes.com/wealth/ billionaires#p_1_s_arank -1__202 (11.5.2011). Alexander Schmidheiny hat mit seinem Jugendfreund, dem Kunsthändler Thomas Ammann (1950-1993), in den 1970er und 1980er Jahren eine umfangreiche und exquisite Sammlung aufgebaut, die vornehmlich künstlerische Positionen der internationalen und nordamerikanischen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vereint und mit großen Künstlernamen wie Louise Bourgeois, Bruce Nauman, Barnett Newman oder Andy Warhol aufwarten kann.
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Kollektion, zu der Künstler wie Tania Bruguera, Antonio Dias, Fabian Marcaccio, Vik Muniz oder Doris Salcedo gehören, als umfassendste Sammlung zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst in Europa. Seit 2001 betreibt Daros ein ambitioniertes Ausstellungsinstitut in Zürich, das im halbjährlichen Wechsel thematische oder monografische Ausstellungen aus den Daros-Sammlungen zeigt. Seit 2009 ist die Daros Latinamerica AG Trägerin des Museums. In professioneller Nachbarschaft zur Kunsthalle und dem Migros Museum sowie hochrangigen Galerien hat das private Museum mit seinen international rezipierten Ausstellungen große Ausstrahlungskraft. Die Architektur des Daros Museum Zürich Die Stadt Zürich verfügt mit dem ehemaligen Areal der Brauerei Löwenbräu, das für Kunst- und Kulturzwecke adaptiert wurde, über einen herausragenden Begegnungsort für zeitgenössische Kunst. Von Kritikern wird es als eines der spannendsten Laboratorien für Gegenwartskunst in Europa bezeichnet (Karcher 2004). Für diesen Ruf ist auch maßgeblich das Daros Museum mit verantwortlich, das sich mit ambitionierten Projekten für die nachhaltige Vermittlung von Gegenwartskunst einsetzt. Der ehemalige Gärkeller der Brauerei wurde vom Schweizer Architekten Walter Rüegg zu einem repräsentativen Museum mit drei großzügigen Sälen und insgesamt 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche umgebaut. Trotz des Einbaus von shedartigen Oberlichtern und großen Seitenfenstern wurde der Charakter der Fabrikanlage beibehalten. Für den Eingangsbereich hat das Atelier van Lieshout eine organische Möblierung entworfen, die den Besucher empfängt und auf ein außergewöhnliches Kunsterlebnis einstimmt. Aktuell wird das gesamte Löwenbräu-Areal umgebaut und im Jahr 2012 wieder eröffnet. Überraschender Weise hat die Daros Latinamerica AG Ende des Jahres 2011 mitgeteilt, dass das Daros Museum Zürich nach zehnjähriger erfolgreicher Ausstellungstätigkeit geschlossen bleibt. Die Schweiz verliert damit eine ihrer innovativsten privaten Kunstinstitutionen. Das Hauptaugenmerk liegt fortan auf dem neuen Kunstzentrum in Rio de Janeiro. Jedoch werden alle Sammlungsaktivitäten, weltweiten Ausstellungsprogramme sowie der Leihverkehr von Zürich aus weitergeführt.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.5
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L ANGEN F OUNDATION , I NSEL H OMBROICH , N EUSS
Abb. 6: Langen Foundation, Neuss: Außenansicht, Ausstellungsansicht „Hommage an Marianne Langen, 2011-2012, Porträt Sabine Langen-Crasemann neben Andy Warhol, Marianne Langen, (Begründerin der Sammlung und des Museums), 1986
Quelle: Courtesy Langen Foundation
Kurzpräsentation Langen Foundation (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammlerin und Gründerin der Privatinitiative
Marianne Langen (1911-2004)
Profession der Museumsgründerin
Unternehmerin (Autozulieferung)
Ansprechpartner/in
Sabine Langen-Crasemann Stiftungsvorstand und Tochter der Museumsgründerin
Eröffnung des Museums
September 2004
Leitung der Einrichtung
Christiane Marie Schneider, Künstlerische Leitung, Kunsthistorikerin Karl Bretschneider, Geschäftsführer
Träger- und Rechtsform
Viktor und Marianne Langen Stiftung (2002)
Architektur
Tadao Ando hat den Museumsneubau geplant.
Lage und Umfeld
Das Museumsgebäude liegt auf der ehemaligen NATO-Raketenstation der Museumsinsel Hombroich, einem einmaligen Kunst- und Naturraum in Neuss.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Die Langen Foundation ist am besten mit dem Auto erreichbar.
Sammlung
Die Sammlung wurde von Viktor und Marianne Langen gemeinsam zusammen getragen und umfasst rund 300 Werke der Klassischen Moderne sowie eine der bedeutendsten Kollektionen japanischer Kunst vom 12. – 19. Jahrhundert in Europa (ca. 500 Werke). Die Sammlung gilt als abgeschlossen.
Ausstellungsfläche
1.300 m²
Ausstellungen
3 Ausstellungen jährlich Xiaobai Su – Die Dynastie der Farben: 17.01. – 24.5.10 An die Natur: 30.5. – 5.9.2010 Jef Verheyen and Friends: 11.9.10 – 16.1.11
Wissenschaftliche Publikationen
3 Publikationen Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.
Besucherzahlen
32.000
Öffnungszeiten
Täglich 10 – 18 Uhr
Eintrittspreise
€ 7,50 / 5,- ermäßigtGruppen: 6,Schüler: 2,Familienticket: 19,-
Kosten für Begleitprogramme
Öffentliche Führungen: 6,Gruppenführungen: 90,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Kombitickets mit der Insel Hombroich Einmalige Verbindung von Kunst und Natur
Kunstvermittlung
Erster So im Monat: öffentliche Führung um 15 Uhr Die Führungen werden von Künstlern abgehalten.
Mitarbeiterstruktur
6 festangestellte Mitarbeiter Künstlerische Leitung: 1, Kaufmännische Leitung: 1, Assistenz der Künstlerischen Leitung / Presse: 1, Kasse und Aufsicht: 3.
Homepage
www.langenfoundation.de
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
| 203
Das Sammlerehepaar Viktor und Marianne Langen „Kunst ist kein Luxus sondern ein Bedürfnis“, war das Credo des Sammlerehepaares Viktor (1909-1990) und Marianne Langen (1911-2004). Die Inhaber einer Lenkgestänge-Fabrik in Düsseldorf haben in den 1950er Jahren ihre Liebe und Leidenschaft für die Kunst entdeckt und eine gemeinsame, international renommierte Sammlung aufgebaut. Waren es vorerst Werke der westlichen Moderne, für die sich das Paar interessierte, so traten ab den 1960er Jahren auch verschiedene Kulturen Ostasiens in den Fokus. Insbesondere die Sammlung japanischer Kunst kann an Umfang und Qualität als einzigartig in Europa bezeichnet werden. Die Sammlung von Viktor und Marianne Langen verkörpert ein leidenschaftliches Verhältnis zur Kunst und kein stringentes Sammlungskonzept. Das spiegelt sich auch im Charakter dieser Privatsammlung wider. Das Ehepaar reiste viel, war kunsthistorisch gebildet und beschäftigte sich intensiv mit unterschiedlichen Fragen der Kunst. Am liebsten sammelten sie aktuelle Kunst, ohne dabei auf große Namen zu achten. Ihr eigenes Urteil und die spontane Begeisterung für ein Werk standen immer an erster Stelle. Vom kennerhaften Sammeln des Ehepaares Langen zeugt die Zusammenstellung der Sammlung, zu der alle wichtigen und berühmten Künstler des vergangenen Jahrhunderts zählen. In ihr sind Werke von Paul Cézanne, Claude Monet, Paul Klee, Max Ernst, Fernand Léger, Mark Tobey, Salvador Dali, Piet Mondrian, Henry Moore, Max Beckmann, Pablo Picasso, Andy Warhol, Francis Bacon und Fernando Botero vertreten. Besondere Bedeutung für die Sammler hatte das Werk des französischen Künstlers Jean Dubuffet, den sie als einen der wichtigsten Künstler nach Picasso einstuften. Aus der engen Freundschaft mit dem Künstler entstand eine der weltweit umfangreichsten Kollektionen von Werken Dubuffets. Die Sammlung Langen gilt heute als abgeschlossen und wird von den Erben nicht weiter fortgeführt. Die Entstehungsgeschichte der Langen Foundation Im Jahr 1999 erfuhr Marianne Langen von den Plänen des japanischen Architekten Tadao Ando, am Rande der Museumsinsel Hombroich ein Gebäude zu errichten. Auf der Suche nach einer Heimstatt für ihre Sammlung erschien ihr diese Architektur geradezu prädestiniert, vorrangig die Werke der umfangreichen Japan-Sammlung aufzunehmen. Den Wunsch, ihre Sammlung öffentlich zu zeigen, hatte Marianne Langen bereits vor ihrer Museumsgründung. So war eine Auswahl der japanischen Sammlung in Köln, Hamburg und Tübingen sowie in unterschiedlichen Museen in Japan zu sehen. Das eigene Museum war dazu bestimmt, Kunstwerke aus zwei unterschiedlichen Kulturen – der japanischen und der westlichen – gemeinsam zu präsentieren und einen Dialog mit der Kunst anzuregen. „Das war ganz im Sinne meiner Mutter, die mit den Bildern gelebt hat und wollte, dass auch andere daran teilhaben“, sagt Tochter Sabine Langen-Crasemann (Meister 2005).
Um die Baukosten in Höhe von zehn Millionen Euro zu finanzieren, verkaufte die Mutter, Marianne Langen, ein Kunstwerk von Jackson Pollock. „Macht nichts“, sagte sie, „das Museum ist doch das größte Kunstwerk, das ich jemals gekauft habe“ (zit. nach Engesser 2007).
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Die Architektur der Langen Foundation Der renommierte japanische Architekt Tadao Ando hat mit seinem vierten Bauwerk in Europa ein Gebäude der besonderen Art geschaffen. Der Pritzker-Preisträger ist für seine puristische Ästhetik bekannt, die Beton, Glas, Licht, Raum und Natur vereint. So ist das Museumsgebäude der Langen Foundation ein Ensemble aus Sichtbeton, Glas und Stahlträgern, das auf seine örtlichen Gegebenheiten reagiert. Der Bau ist von Erdwällen und einer geschwungenen Betonmauer umgeben und nimmt auf die Geschichte des Ortes als ehemalige NATO-Basis Bezug. Tritt man durch ein großes Tor, öffnet sich der Blick auf das Gebäude, und der Besucher taucht in eine ruhige und besinnliche Atmosphäre ein. Ganz in japanischer Tradition wird der Eingangsbereich von einer zen-artigen Wasserfläche bestimmt, der Weg zum Museum wird von Kirschbäumen gesäumt. „Ich glaube nicht, dass Architektur zu viel sprechen sollte. Sie sollte schweigen und die Natur in Gestalt des Sonnenlichtes und des Windes sprechen lassen“, so der Architekt (zit. nach Reindl 2005).
Der Gebäudekomplex besteht aus drei Teilen, einem mit Glas ummantelten langen Betonriegel und zwei schräg dazu versetzten Baukörpern, die sechs Meter tief in die Erde ragen. Im Erdgeschoss bietet ein langer schmaler Raum mit beinahe sakraler Ausstrahlung die Heimstatt der bedeutenden Japan-Sammlung. Die Werke der Klassischen Moderne und Wechselausstellungen werden in den großzügig konstruierten Räumlichkeiten im Tiefgeschoss, die acht Meter hoch und natürlich beleuchtet sind, präsentiert. Tadao Ando hat ein meisterliches Forum für die Kunstleidenschaft der Familie Langen und einen beeindruckenden Dreiklang aus Architektur, Natur und Kunst geschaffen. Die Fertigstellung und Einweihung des Museums konnte die Museumsgründerin Marianne Langen nicht mehr erleben. Sie starb sechs Monate vor der Eröffnung des Museums im Alter von 92 Jahren. Ihre Kinder führen das Museum im Sinne der Stifterin fort.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.6
| 205
M USEUM F RIEDER B URDA , B ADEN -B ADEN
Abb. 7: Museum Frieder Burda, Baden-Baden: Außenansicht, Ausstellungsansicht „Polke – Eine Retrospektive“, 2007, Porträt Frieder Burda
Quelle: Courtesy Museum Frieder Burda
Kurzpräsentation Museum Frieder Burda (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Frieder Burda (*1936)
Profession des Museumsgründers
Unternehmer (Medien, Beteiligungsgesellschaft)
Eröffnung des Museums
Oktober 2004
Leitung der Einrichtung
Prof. Dr. Ludger Hünnekens (seit 2010) Kulturmanager
Träger- und Rechtsform
Stiftung Frieder Burda (1998)
Architektur
Der Museumsneubau wurde vom New Yorker Architekten Richard Meier geplant.
Lage und Umfeld
Das Museum liegt inmitten der Lichtentaler Allee von Baden-Baden. Durch eine gläserne Brücke ist es mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden verbunden. Sehr gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
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Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 1.000 Werke der Klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst.
Ausstellungsfläche
ca. 1.000 m²
Ausstellungen
3 – 4 Ausstellungen pro Jahr Baselitz. 50 Jahre Malerei: 21.11.09 – 14.3.10 Die Bilder tun was mit mir: 25.3. – 20.6.10 Miro. Die Farben der Poesie: 2.7. – 14. 11. 10 Duane Hanson / Gregory Crewdson: 27.11.10 – 6.3.11 Galerie: Aya Takano: 23.9. – 14.11.10
Wissenschaftliche Publikationen
4 Publikationen Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.
Besucherzahlen
202.000
Öffnungszeiten
Di – So 10 – 18 Uhr
Eintrittspreise
€ 9,- / 7,- ermäßigt Kinder: 4,- / Schüler: 2,Familienkarte: 20,Jahreskarte: 60,-
Kosten für Begleitprogramme
Öffentliche Führungen: 3,Audioführungen: 4,Gruppenführungen: 75,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Besondere Architektur inmitten eines Parks Museumsshop Kombiticket mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden erhältlich. Beide Institutionen sind mit einer Glasbrücke verbunden. In der Kunsthalle befindet sich eine Café. Angegliederte Kinderkunstwerkstatt
Kunstvermittlung
Öffentliche Führungen: Mi 16 Uhr, Sa, So und feiertags 11 und 15 Uhr Erster So im Monat: Architekturführung Umfangreiche Programme in der Kinderkunstwerkstatt
Mitarbeiterstruktur
18 Mitarbeiter Wissenschaft: 2 und ein Direktor, Verwaltung/ Finanzen/Sekretariat: 4, Technik: 3, Kasse: 3,
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
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Shop: 2, Reinigung: 3 24 freie Mitarbeiter in der Kunstvermittlung 5 Aushilfen: Garderobe / Shop / Besucherdienst Externes Personal: 24 Mitarbeiter in der Aufsicht Ausgelagert sind weiterhin die Bereiche Presse, Restauratoren und Gast-Kuratoren. Homepage
www.museum-frieder-burda.de
Der Sammler und Museumsgründer Frieder Burda Frieder Burda wurde in Baden geboren. Sein beruflicher Werdegang führte ihn mehrere Jahre ins Ausland, bevor er im familiären Verlagsunternehmen tätig wurde. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1986 und dem Verkauf von Erbanteilen konzentrierte sich Frieder Burda neben seiner unternehmerischen Tätigkeit auf den konsequenten inhaltlichen Aufbau seiner Kunstsammlung. Sein erstes Kunstwerk hatte er im Jahr 1968 spontan erworben: „ ...Ein geschlitztes rotes Bild von Fontana [...]. Damals wusste ich nicht, wer Fontana war, ich wollte dieses Bild besitzen, weil ich es aufregend fand. Das war der Beginn meiner Sammelleidenschaft und der Anfang meiner Sammlung. Heute weiß ich: Als Sammler wird man nicht geboren, aber Sammeln kommt von innen heraus. Man kann nie damit aufhören“ (Burda 2004: 7).
Heute umfasst die international angesehene Sammlung 1.000 Werke – Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier. Die Schwerpunkte liegen in Werkkomplexen einzelner Positionen der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart. An Ernst Ludwig Kirchner, Wilhelm Lehmbruck, August Macke und Max Beckmann schließt sich eine Werkgruppe des späten Pablo Picasso an. Der amerikanische Expressionismus ist mit Arbeiten von Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko vertreten. Die deutsche Nachkriegszeit wird mit Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Gerhard Richter und Sigmar Polke sowie dem Österreicher Arnulf Rainer umfänglich repräsentiert. In den letzten Jahren wurde die Sammlung mit Positionen der jüngeren Malergeneration erweitert. Gründungsgeschichte des Museums Vor seiner Museumsgründung in Baden-Baden überlegte Frieder Burda die Errichtung eines Museums in dem kleinen südfranzösisichen Ort Mougins, in dem der Sammler seinen zweiten Wohnsitz hatte und in dem auch Picasso seine letzten Lebensjahre verbrachte. Die Pläne änderten sich, nachdem Frieder Burda nach Jahren des unbeobachteten Sammelns 1996 eine Auswahl seiner Kollektion erstmals in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden ausstellte und dafür hohe Anerkennung der Fachwelt erntete. Der erfolgreichen Ausstellung folgte die Idee, die Sammlung in Baden-Baden dauerhaft anzusiedeln und einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Zum Standort, inmitten der idyllischen Parkanlage und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kunsthalle, sagt der Museumsgründer:
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT „In Baden bin ich geboren, hier lebe ich, hier sind meine Wurzeln. Ich bin froh, dass das Museum hier entstanden ist. [...] Kunstwerke in einem Museum zu zeigen, ist das Schönste, was einem Sammler passieren kann. Mir liegt aber auch daran, die Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“ (Burda 2004: 8).
Der Baugrund war ursprünglich für einen Erweiterungsbau der Kunsthalle vorgesehen. Heute verbindet ein Glassteg das Museum Frieder Burda und die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden und bildet „ein zukunftsweisendes Miteinander von staatlichem Kulturauftrag und privatem Kunstengagement“ (Burda 2004: 8). Architektur des Museum Frieder Burda Der renommierte amerikanische Architekt Richard Meier wurde von Frieder Burda direkt beauftragt. Der Pritzker-Preisträger hat einen klar strukturierten Kubus in die einzigartige Parklandschaft des Kurorts Baden-Baden gesetzt, der sich durch ein Wechselspiel aus Offenheit und Geschlossenheit auszeichnet. Weiße Fassadenflächen wechseln sich mit großzügigen Glaspartien ab und erlauben sowohl von außen als auch von innen spannungsreiche Durchblicke und ein harmonisches Miteinander von Kunst und Natur. Im Inneren ist eine tageslichtdurchflutete und großzügige Raumatmosphäre entstanden, die der Kunst auf vier Ausstellungsebenen und rund 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ideale Präsentationsmöglichkeiten bietet. Das Museum Frieder Burda präsentiert sich als „elegantes Gesamtkunstwerk“ (Maier-Solgk 2008: 18) und begegnet der spätklassizistischen Architektur der Staatlichen Kunsthalle auf Augenhöhe. Die Kosten des Museumsbaus beliefen sich auf rund 20 Millionen Euro.
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6.7
| 209
J ULIA S TOSCHEK C OLLECTION , D ÜSSELDORF
Abb. 8: Julia Stoschek Collection, Düsseldorf: Außenansicht, Installationsansicht „NUMBER ONE: DESTROY, SHE SAID“, 2007-2008, Porträt Julia Stoschek
Quelle: Courtesy Julia-Stoschek-Collection
Kurzpräsentation Julia Stoschek Collection (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammlerin und Gründerin der Privatinitiative
Julia Stoschek (*1975)
Profession der Sammlerin
Betriebswirtin, Gesellschafterin der BroseUnternehmensgruppe (Autozulieferung, Familienbetrieb)
Eröffnung der privaten Kunsträume
Juni 2007
Leitung der Einrichtung
Julia Stoschek
Träger- und Rechtsform
Julia Stoschek Foundation e.V. (2007)
Architektur
Die Julia Stoschek Collection befindet sich in einer denkmalgeschützten Fabrik aus dem Jahr 1907. Den Umbau des Industriegebäudes in ein Ausstellungshaus für Medienkunst konzipierte das Berliner Architekturbüro Kühn Malvezzi. Das Wohnloft der Sammlerin befindet sich im Dachgeschoss.
Lage und Umfeld
Die Einrichtung liegt in Düsseldorf-Oberkassel und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
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Sammlung
Die Sammlung umfasst über 500 zeitgenössische Arbeiten aus den Bereichen Medien- und Videokunst, Fotografie und Installation.
Ausstellungsfläche
2.500 m²
Ausstellungen
Regulär eine Ausstellung pro Jahr Ab 2012 wird sich die Frequenz erhöhen. Number three: Here and Now: 27.10.09 – 29.7.10 Number Four: Derek Jarman: 11.09.2010 – 26.02.2011
Wissenschaftliche Publikationen
1 Publikation Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.
Besucherzahlen
4.000
Öffnungszeiten
Sa 11 – 18 Uhr Sonderführungen für Studenten und Schülergruppen werden zusätzlich auch während der Woche angeboten.
Eintrittspreise
Der Eintritt ist kostenlos. Kooperative Projekte, die nicht die Sammlung dokumentieren: € 4,-, Studenten, Rentner und Jugendliche haben freien Eintritt
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Freier Eintritt und besucherfreundliche Präsentation zeitbasierter Medienkunst.
Kunstvermittlung
Öffentliche Führungen: Sa um 11 und 14 Uhr (14tägig). Eine Anmeldung ist erforderlich. Parallel zur Ausstellung gibt es ein ergänzendes Filmprogramm mit dem Titel Studio 54.
Mitarbeiterstruktur
11 Mitarbeiter (5 feste und 6 freie Mitarbeiter) Wissenschaft und Presse: 4, Haustechniker: 1, Buchhaltung: 1, Kunstvermittler: 2, Empfang an Samstagen: 1, 1 Reinigung; Technik, Dokumentation, Modellbau: 1 (Künstler)
Homepage
www.julia-stoschek-collection.net
Die Sammlerin Julia Stoschek „Mit Kunst zu sein, ist das Einzige, was ich will.“ So lautet das Lebens- und Sammelmotto der jungen Kunstförderin. Julia Stoschek ist Gesellschafterin des Familien-
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| 211
unternehmens Brose. Diese Position ermöglichte es ihr, sich nach dem Studium der Betriebswirtschaft ganz der Kunst zu widmen. „Ein Geschenk“, wie sie selbst sagt. Ihr erstes Werk hat sie auf dem Artforum 2002 in Berlin, die erste Videoarbeit 2004 erworben. In der Zwischenzeit ist die Sammlung auf über 500 zeitgenössische Werke der Medienkunst, der Fotografie und der Installation angewachsen. Das Spektrum reicht dabei von den frühen Performancevideos von Bill Viola oder Bruce Nauman bis hin zu experimentellen Arbeiten der Neuzeit. Julia Stoschek sammelt Kunst ihrer Generation. "Ich bin mit Video groß geworden. [...] Von klein auf sind alle großen Ereignisse meines Leben auf Video aufgezeichnet worden“ (zit. nach Thon 2007b). So erklärt sie ihre Neigung und ihre Leidenschaft für dieses Genre. Mit der Sammlung und Präsentation des jungen Mediums Videokunst hat Julia Stoschek eine Lücke in der Kunstlandschaft geschlossen, die international Anerkennung findet. Die Entstehungsgeschichte der Julia Stoschek Collection Von einem Besuch der privaten Sammlung Falckenberg in Hamburg-Harburg im Jahr 2002 war Julia Stoschek so beeindruckt, dass der Wunsch entstand, eine eigene Sammlung und ein repräsentatives Ausstellungshaus zu errichten. Davor führte Julia Stosckek eine Galerie in Düsseldorf, aus der sich das Künstlerförderprogramm „Just“ entwickelte. Auch heute unterstützt sie noch junge Künstler und bietet ihnen, neben der finanziellen Unterstützung im Vorderhaus ihrer Sammlung in einem Wohnatelier temporär zu wohnen. Der persönliche Austausch mit den Künstlern ihrer Sammlung ist Julia Stoschek sehr wichtig. Zu den meisten hat sie ein sehr gutes Verhältnis, ist mit vielen eng befreundet. So fühlt sie sich auch verantwortlich dafür, „dass mediale Kunst, die ein Zeichen meiner Generation ist, nicht nur produziert, sondern auch ausgestellt wird. Dafür benötigt man entsprechende Räumlichkeiten“ (zit. nach Jocks 2010).
Julia Stoschek sagt, sie sammle nicht für den Keller. Wenn sie Arbeiten besitzt, möchte sie diese sehen und auch zeigen. Der Wunsch der Sammlerin, ihre Kunstwerke sichtbar zu machen, führte daher zur Adaption eines alten Industriegebäudes in ein Wohnloft und Showroom für ihre Sammlung. „Der Raum in Düsseldorf war anfangs auch eher egoistisch initiiert. Erst in der Folge habe ich überlegt, die Räume öffentlich zu machen, sagt Stoschek (2010). „Ich will die Kunst ihrer Bestimmung zuführen, nämlich sie auszustellen und einem Publikum zugänglich zu machen" (zit. nach Thon 2007b).
Die Architektur der Julia Stoschek Collection Das renommierte Berliner Architektur-Büro Kühn Malvezzi hat ein Industriedenkmal zu einem Medienmuseum umgestaltet. Die Fabrik aus dem Jahr 1907 im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel hat im Laufe des letzten Jahrhunderts unterschiedliche gewerbliche Nutzungen erfahren und erlebt nun als bewohnbarer Kunstspeicher eine kulturelle Aufwertung. Das Gebäude wurde in seiner äußeren, historischen Form belassen, lediglich durch einen zeitgenössischen Dachaufbau, der als Wohnung der Sammlerin fungiert, architektonisch modernisiert. Im Inneren des Gebäudes wurden durch Deckendurchbrüche großzügige und variabel nutzbare Ausstellungssäle geschaffen, die den hohen Anforderungen der Präsentation zeitbasierter Medienarbeiten
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auf über 2.000 Quadratmetern ideal entsprechen. Die wechselnde Lichtführung ermöglicht helle und dunkle Räume, die über zwei Ausstellungsgeschosse führen und in einem lichtdurchfluteten 12 Meter hohen Dachgeschoss enden, der an seine ursprüngliche Nutzung als Malersaal für Theaterdekorationen mit Oberlicht erinnert. Die Anforderung von Julia Stoschek, dass das Haus die bestmögliche Präsentationsplattform für ihre Kunst sein sollte, wurde mit der behutsamen Adaption des Gebäudes eindrucksvoll erfüllt.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.8
| 213
S AMMLUNG B OROS , B ERLIN
Abb. 9: Sammlung Boros, Berlin: Außenansicht, Installationsansicht Eröffnungsausstellung, 2008, (Ausschnitt), Porträt Christian Boros
Quelle: Courtesy Sammlung Boros
Kurzpräsentation Sammlung Boros (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Christian Boros (*1964)
Profession des Sammlers
Unternehmer (Werbeagentur mit Standorten in Wuppertal und Berlin)
Eröffnung der privaten Kunsträume
Juni 2008
Leiter der Einrichtung
Christian Boros
Träger- und Rechtsform
Boros Foundation gemeinnützige GmbH
Architektur
Die Sammlung wird in einem aufwändig umgebauten Hochbunker aus dem Jahr 1942 gezeigt. Für den vierjährigen Umbau zeichnet Jens Casper vom Berliner Büro Realarchitektur verantwortlich. Auf dem Hochbunker befindet sich die Privatwohnung des Sammlers.
Lage und Umfeld
Der Hochbunker befindet sich zentral in Berlin Mitte, unweit des Friedrichstadtpalastes.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT
Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 600 Werke zeitgenössischer Kunst von ca. 70 Künstlern.
Ausstellungsfläche
3.000 m² Außergewöhnliche Räumlichkeiten mit Raumhöhen von 2,30 bis 13,00 Metern
Ausstellungen
Die Eröffnungsausstellung ist seit Juni 2008 zu sehen. Es werden ausschließlich Arbeiten gezeigt, die den Raum einbeziehen.
Wissenschaftliche Publikationen
Zur Eröffnung erschien ein umfassender Sammlungskatalog.
Besucherzahlen
25.500
Öffnungszeiten
Fr, Sa und So 10 – 18 Uhr nur nach Voranmeldung per Online-Buchungssystem
Eintrittspreise
€ 10,- inklusive Führung ermäßigt: 6,- (Jugendliche und Kinder)
Kosten für Begleitprogramme
Obligatorische Führung im Preis inbegriffen Kinder-Programm 1,5 Std.: 6,- / 2 Std.: 10,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Die Architektur und Präsentationsform der Kunst macht den Besuch der Sammlung zu einem besonderen Erlebnis.
Kunstvermittlung
Die Sammlung Boros kann nur mit einer Führung besucht werden. Zwei Jahre nach der Eröffnung werden Programme für Kinder und Jugendliche angeboten (Führungen, Workshops).
Mitarbeiterstruktur
21 freie Mitarbeiter Organisation: 1, Kunstvermittlung: 20
Homepage
www.sammlung-boros.de
Der Sammler und Museumsgründer Christian Boros Werbung und Kunst bestimmen das Leben von Christian Boros. Der Inhaber einer Werbeagentur mit Dependancen in Wuppertal und Berlin sammelt seit den frühen 1990er Jahren Kunst seiner Generation. „Ich sammle Kunst, die ich nicht verstehe“, sagt der Medienfachmann und stellt diese programmatische Aussage auf die Frontseite seiner Homepage. Kunst muss geistig bereichern, das Potenzial haben, ihn zu überraschen, so der Sammler. „Kunst hält mich neugierig, und das hält mich jung“ (Kleine 2010: 154).
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
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Christian und seine Ehefrau Frau Karen Boros sammeln ausschließlich Werke, die zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht älter als ein Jahr sind. Sie konzentrieren sich dabei nicht auf ein bestimmtes Genre, neben Malerei finden sich Video, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen in der umfangreichen Kollektion. Heute umfasst die Sammlung rund 600 Werke international renommierter zeitgenössischer Künstler wie Damien Hirst, Olafur Eliasson, Elizabeth Peyton, Wolfgang Tillmans, Anselm Reyle, Manfred Pernice, Tobias Rehberger oder John Bock. Ein besonderes Kennzeichen der Sammlung ist es, dass die Künstler mit umfangreichen Werkblöcken vertreten sind. Die Entstehungsgeschichte der Sammlung Boros Den Traum vom eigenen Museum erfüllte sich Christian Boros im Jahr 2003 mit dem Kauf eines ehemaligen Reichsbahnbunkers in Berlin Mitte und dem anschließenden Umbau zu einem unkonventionellen Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst. Von Liebe auf den ersten Blick spricht der Sammler, wenn er gefragt wird, warum er sich für diese Immobilie entschieden hat. „In einem Anflug von Naivität haben wir vor fünf Jahren das Gebäude gekauft, denkend, dass wir in einem oder anderthalb Jahren eröffnen können. Um das, was wir sammeln, mit anderen teilen zu können“ (Meister 2008: 391).
In einem Jahr Planung und vier Jahren Umbau entstanden ein spektakulärer Präsentationsort für die Sammlung und ein Penthouse auf der Dachfläche, das der Sammler mit seiner Familie bewohnt. Die Kriegsruine, die lange Zeit leer gestanden war, hatte vor ihrer Wandlung zum Kunstbunker unterschiedliche Nutzungen: Nach Kriegsende diente der Bunker den Alliierten als Gefängnis. In den 1950er Jahren nutzte die DDR das Gebäude als Lager für Obst und Gemüse, weil die dicken Betonwände eine gleichbleibend kühle Temperatur garantierten. Nach der Wende waren die niedrigen und dunklen Räumlichkeiten Treffpunkt für die Berliner Techno- und Fetischszene. Heute bietet das Privatmuseum durch die spektakuläre Architektur räumliche Herausforderungen für Künstler und Besucher gleichermaßen. Die Architektur der Sammlung Boros Das Gebäude wurde nach den Plänen von Paul Bonatz im Jahr 1942 errichtet, um 1.200 Zivilisten bei Luftangriffen als Schutzraum dienen. Seine bis zu zwei Meter dicken Betonwände sollten allen Bombenattacken standhalten. Die Fassade wurde mit Renaissance-Elementen aufgewertet, denn Berlin sollte damals architektonisch zur faschistischen Welthauptstadt umgestaltet werden. Jens Casper vom Berliner Architekturbüro Realarchitektur beließ die äußere Gestaltung in seiner ursprünglichen Form und entfernte auch keine Einschusslöcher und Kriegsschäden, um die Erinnerung an den Krieg wach zu halten. Auch im Inneren des Gebäudes wurde versucht, den Denkmal-Charakter durch Spuren der Vergangenheit zu erhalten. So erinnern alte Türen, rostige Einbauten, Wandbemalungen und Graffiti an die verschiedenen Nutzungen des Gebäudes. In einem aufwändigen Umbau wurde der innere Schutzraum, der aus 120 kleinen Räumen auf fünf Etagen bestand, zu einem Privatmuseum mit 80 unterschiedlichen Ausstellungssälen und 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche umgestaltet. Viele niedrige Zwischendecken und Innenwände wurden mit auf-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT
wändiger Diamantschneidetechnik entfernt, sodass neue Räume mit bis zu 13 Metern Höhe entstehen konnten. Dem Engagement von Karen und Christian Boros ist es zu verdanken, dass dieses trutzige, leerstehende Gebäude in der Mitte Berlins zu einem Ort für zeitgenössische Kunst umfunktioniert wurde. Das Sammlerpaar hat das Relikt der Kriegszeit einer neuen Bestimmung zugeführt. Heute ist der Bunker „eine Stätte für das höchste Gut: für geistige Freiheit“, so der Museumsgründer (zit. nach Dankow 2010).
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
6.9
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M USEUM B IEDERMANN , D ONAUESCHINGEN
Abb. 10: Museum Biedermann, Donaueschingen: Außenansicht, Ausstellungsansicht „Auf:bruch – 4 Positionen zeitgenössischer Kunst“, 2010, Porträt Margit Biedermann
Quelle: Courtesy Museum Biedermann
Kurzpräsentation Museum Biedermann (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammlerin und Museumsgründerin
Margit Biedermann (*1948)
Profession der Museumsgründerin
Unternehmerin (Familienunternehmen Biedermann Motech, Medizintechnik)
Eröffnung des Museums
September 2009
Leitung der Einrichtung
Simone Jung Kunstwissenschaftlerin
Träger- und Rechtsform
Margit Biedermann Foundation (2008)
Architektur
Das Museum befindet sich in einem klassizistischen Gebäude, das 1841 im Auftrag der Donaueschinger Museumsgesellschaft erbaut wurde. Das Schweizer Architekten-Team Lukas Gäbele und Tanja Raufer hat das Gebäude restauriert und um einen Anbau erweitert.
Lage und Umfeld
Das Museum liegt an einer weitläufigen Parkanlage in Donaueschingen, direkt an dem kleinen Fluss Brigach und gegenüber der Donauquelle.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel: zum Bahnhof sind es fünf Gehminunten.
Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 900 Werke internationaler zeitgenössischer Kunst seit den 1980er Jahren. Schwerpunkte liegen auf der figurativen expressiven Malerei und auf Randgebiete der Abstraktion wie der römischen Schule.
Ausstellungsfläche
ca. 800 m²
Ausstellungen
2 Ausstellungen jährlich Selection – Einblicke in die Sammlung Biedermann: 20.9.09 – 10.2.10 Auf:bruch – 4 Positionen zeitgenössischer Kunst: 7.3. – 22.8.10 Metall:Werke: 19.9.10 – 13.3.11
Wissenschaftliche Publikationen
3 Publikationen Zu jeder Ausstellung erscheint ein Katalog.
Besucherzahlen
12.417
Öffnungszeiten
Di – So 11 – 17 Uhr
Eintrittspreise
€ 4,50 / 2,50 ermäßigt Gruppen: 3,50 Schüler: 2,50 / Kinder bis 12 Jahren frei Familienticket: 9,Jahreskarte: 20,- / 12,- ermäßigt / Familien 35,-
Kosten für Begleitprogramme
Führungen: 2,- / 1,- ermäßigt Kinderführung: 1,Mittags-Kurzführung: 1,50 / 0,75 ermäßigt Gruppenführungen: 55,- / Wochenende 65,Schulklassen-Führungen: 35,- / Wochenende 45,KinderKunstProgramm: Dauer 3 Stunden: 78,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Eindrucksvolle Architektur inmitten eines Parks. Verschiedene Veranstaltungen im historischen Spiegelsaal (Musik und Lesungen).
Kunstvermittlung
Öffentliche Führungen: So 15 Uhr Kinderführungen: 1. So im Monat Mittags-Kurzführung: 1. und 3. Do im Monat KinderKunstProgramm in Kooperation mit der Städtischen Kunstschule Donaueschingen
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
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Mitarbeiterstruktur
7 Mitarbeiter 2 volle Stellen: Museumsleitung und Verwaltung 2 halbe Stellen: Infotheke, 3 Aushilfen: Infotheke / Aufsicht am Wochenende, 6 freie Mitarbeiter für Führungen
Homepage
www.museum-biedermann.de
Die Sammlerin und Museumsgründerin Margit Biedermann Seit den 1980er Jahren bauen Margit und Lutz Biedermann ihre Kunstsammlung auf und haben sich dabei auf Randgebiete der zeitgenössischen Kunst spezialisiert. In der Sammlung dominieren zwei Stilrichtungen: figurativ expressive Tendenzen sowie abstrakte Werke und Materialbilder. Die Sammlung trägt die Handschrift von Margit Biedermann, die den persönlichen Kontakt zu den Künstlern sucht und diese oft über Jahre begleitet. Margit Biedermann sagt dazu: „Manche meiner Künstler sind zwar noch nicht so bekannt, einige durchaus kompliziert, aber es geht immer um Vertrauen, und ihre Arbeiten spiegeln ein hohes Maß an Ästhetik, Qualität und neuen Impulsen. Viele Sammlungen ähneln einander, ich nehme mir die Freiheit, individuell zu sammeln. [...] Ich will nicht irgendeine kleine Skizze besitzen, nur weil sie von einem bedeutenden Künstler stammt. Ich mag auf keine Wartelisten, mich interessiert Kunst nicht als Investment“ (Biedermann 2009).
Finanzielle Grundlage der Sammeltätigkeit bildet das weltweit agierende Unternehmen Biedermann Motech. Der Familienbetrieb beschäftigt rund 120 Mitarbeiter und stellt in Villingen-Schwenningen Implantate und Instrumente für die Wirbelsäulen- und Unfallchirurgie her. Ein kleiner Raum im Museum Biedermann ist daher den Produkten gewidmet, die Sammlung und Museum erst möglich gemacht haben. Gründungsgeschichte des Museums Die Sammlung von Margit und Lutz Biedermann wurde vor der Museumsgründung bereits öffentlich präsentiert. Im Kunstmuseum Heidenheim und der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen wurden in vier thematischen Ausstellungen Werke der Sammlung vorgestellt. Auch im Firmenhaus des Unternehmens wurde die Sammlung gezeigt. Die Idee, ein festes Domizil für ihre Kollektion zu finden, beschäftigte die Sammlerin schon seit längerem. Im Jahr 2006 konnte die Familie Biedermann ein 1.500 Quadratmeter großes, historisches Baudenkmal an der Fürstlich Fürstenbergischen Parkanlage in Donaueschingen erwerben. 1841 wurde das Gebäude im Auftrag der Donaueschinger Museumsgesellschaft errichtet und diente bis zum zweiten Weltkrieg als deren Treffpunkt. Mit der Präsentation ihrer Kunstsammlung will Margit Biedermann das klassizistische Gebäude wieder seiner ursprünglichen Nutzung zuführen und die Tradition, an diesem Ort Lesungen und Konzerte zu veranstalten, fortschreiben. Die Architektur des Museum Biedermann Ein sensibles Nebeneinander von historischer und zeitgemäßer Architektur zeichnet das Museum Biedermann aus. Das Schweizer Architekten-Team Lukas Gäbele und
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Tanja Raufer haben das klassizistische Gebäude umsichtig renoviert und so viel wie möglich von der originalen Bausubstanz gesichert. Im gesamten Gebäude wurden emblematische Spuren der Vergangenheit und diverser Zwischennutzungen erhalten. An der Rückseite des Gebäudes sorgt ein kubischer Anbau für eine Vergrößerung der Ausstellungsfläche. Der schwarze Block aus Sichtbeton steht in auffälligem Kontrast zur weißen Bausubstanz, ordnet sich aber dem denkmalgeschützten Ensemble unter. Das gesamte Haus erstrahlt in strenger Schlichtheit und architektonischer Klarheit. Denn das Konzept der Familie Biedermann gab vor, dass die Architektur der Kunst untergeordnet wird. „Kein Prunk- und Prachtbau, sondern ein Ort der Stille, der Besinnung und des kulturellen Austausches zwischen Künstlern und Publikum sollte entstehen“, so Lutz Biedermann (2009: 7).
Im Inneren wartet das Museum mit unterschiedlichen Raumstrukturen und Stimmungen auf, die sowohl die Kunstbetrachtung als auch den Aufenthalt im Museum Biedermann zu einem eindrucksvollen Erlebnis machen.
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
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6.10 S AMMLUNG FER C OLLECTION , U LM Abb. 11: Sammlung FER Collection, Ulm: Außenansicht, Installationsansicht Sylvie Fleuy, 2009, Sammlerporträt Friedrich E. Rentschler und Maria Schlumberger
Quelle: Courtesy Sammlung FER Collection
Kurzpräsentation Sammlung FER Collection (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Dr. Friedrich E. Rentschler (*1932)
Profession des Sammlers
Unternehmer (Biotechnologie, Familienbetrieb), Pharmazeut
Eröffnung der privaten Kunsträume
Oktober 2009
Leitung der Einrichtung
Friedrich E. Rentschler und Maria Schlumberger (Frau des Sammlers und selbst Sammlerin)
Träger- und Rechtsform
Die Sammlung FER Collection wird privat getragen.
Architektur
Die Präsentationsräume befinden sich im sanierten ehemaligen Fabrikationsgebäude von Magirus-Deutz in Ulm. Für den Umbau des gesamten Areals zeichnet die PEG (Projektentwicklungsgesellschaft der Stadt Ulm) und das Ulmer Büro Rapp Architekten verantwortlich.
Lage und Umfeld
Die Kunstsammlung befindet sich im Ulmer Stadtregal, wenige Minuten von der Innenstadt entfernt.
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Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 600 Werke der Konzeptkunst, Minimal Art und Arte Povera sowie Op Art, Junge Wilde und Arte Cifra.
Ausstellungsfläche
ca. 900 m2
Ausstellungen
Die Eröffnungsausstellung ist seit Oktober 2009 zu sehen. Ein Raum mit Wechselausstellungen.
Wissenschaftliche Publikationen
Zur Eröffnung erschien ein erweiterbares Booklet mit Kurzbeschreibungen der ausgestellten Kunstwerke.
Besucherzahlen
2.764
Öffnungszeiten
Der Besuch ist nur nach Anmeldung möglich.
Eintrittspreise
€ 15,- inklusive Führung Der Sammler führt die Besucher selbst.
Kosten für Begleitprogramme
Obligatorische Führung im Preis inbegriffen
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Besonderes Ambiente, da man den Sammler und seine Frau persönlich kennenlernt.
Kunstvermittlung
Die Sammlung kann nur mit einer Führung besucht werden. Es gibt keine weiteren Begleitprogramme.
Mitarbeiterstruktur
Friedrich E. Rentschler und Maria Schlumberger betreiben die Sammlung alleine. Es gibt 2 Kunsthistorikerinnen als Aushilfe bei großen Besuchergruppen.
Homepage
www.fer-collection.de
Der Sammler Friedrich Erwin Rentschler Friedrich E. Rentschler wuchs in einem kunst- und kulturinteressierten Elternhaus auf und lernte daher schon sehr früh das schöpferische Potenzial von Kunst kennen und schätzen. Das bestätigt auch jene Anekdote, die gerne über den jugendlichen Rentschler berichtet wird (vgl. Kaufmann 2009). Als Anerkennung für das bestandene Abitur verspricht der Vater ein Geschenk seiner Wahl. Friedrich E. Rentschler schwankt zwischen einer gotischen Barbara und einem Motorrad und wählt schließlich die Heiligenfigur, die als Initiation seiner Sammelleidenschaft gewertet werden kann. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt der promovierte Pharmazeut im Alter von 27 Jahren die familieneigene Arzneimittelfirma in Laupheim und entwickelt den Betrieb zu einem weltweit führenden Unternehmen der Biotech-
D ARSTELLUNG DES U NTERSUCHUNGSFELDES
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nologie. Seit Anfang der 1960er Jahre sammelt der süddeutsche Unternehmer Kunst seiner Zeit. Schon sehr früh hat er sich für Kunstwerke und Künstler interessiert, die noch keine musealen Weihen empfangen haben. „Die meisten neigen zu eher bestätigten Werken“, sagt der Sammler, „mich hat immer das Neue interessiert“ (zit. nach Händler 2001). Ihn faszinieren künstlerische Positionen, die eine kritische Auseinandersetzung mit dem System Kunst erfordern und immer den denkenden Betrachter im Blick haben. Friedrich E. Rentschler ist es gelungen, eine stringente Sammlung von Konzeptkunst, Minimal Art und Arte Povera aufzubauen, die als Maßstab für die gesamte Kunstentwicklung einer bestimmten Zeitspanne angesehen werden kann. „Meine Sammlung ist ein Kaleidoskop unseres Lebensgefühls, und ich bin davon überzeugt, dass diese Werke auch für die Kunstgeschichte einmal wichtig werden“, so Friedrich E. Rentschler (zit. nach Kaufmann 2009).
Die Gründungsgeschichte der Sammlung FER Collection „Die Beschäftigung mit Kunst ist einer meiner Lebensinhalte, weil sie auch das Gehirn trainiert“, sagt der Sammler (Ruhrberg 2009: 62). Friedrich E. Rentschler versteht sein Sammeln als einen geistigen Raum, in dem sich seine Vorstellung von Welt wie in einem Spiegelkabinett vielfältig widerspiegelt. Kunst ist für ihn ein Schlüssel, die Welt frei und mit offenen Augen zu betrachten. In seiner Sammlung, deren Leitmotiv die Hinterfragung des Kunstbegriffs ist, sind wichtige Werke von Künstlern wie Donald Judd, Sol LeWitt, Joseph Kosuth, Peter Roehr, Robert Barry, Daniel Buren, On Kawara, Giulio Paolini, Jannis Kounellis, Sylvie Fleury, Mathieu Mercier, John Armleder, Liam Gillick oder Hans-Peter Feldmann vertreten. Für den Sammler steht die intensive Beschäftigung und Auseinandersetzung mit seinen ausgestellten Werken im Mittelpunkt seines Interesses. Daher verfolgt Friedrich E. Rentschler im Vergleich zu vielen anderen Sammlern, die mit ihren Kollektionen in eigenen Museen publikumswirksam an die Öffentlichkeit treten, ein wesentlich intimeres Konzept. Wer die Sammlung FER Collection besuchen will, muss sich anmelden und kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit in den besonderen Genuss, vom Hausherrn selbst durch seine privaten Ausstellungsräume geführt zu werden. Friedrich E. Rentschler ist ein begnadeter Kunst-Vermittler und tritt bewusst hinter seine Sammlung zurück. Das zeigt auch der Name seiner Kollektion, der sich aus den Initialen seiner Vor- und seines Familiennamens zusammensetzt. Die Architektur der Sammlung FER Collection Am Beginn der öffentlichen Präsentation der Sammlung FER Collection stand die Suche nach neuen Depoträumlichkeiten. Durch eine Umstrukturierung des firmeneigenen Unternehmens in Laupheim waren frühere Lagerräumlichkeiten weggefallen. Der Ulmer Baubürgermeister, der den Sammler schon seit längerem nach Ulm holen wollte, machte ihn auf ein Projekt im neu entwickelten „Stadtregal“ aufmerksam. Aus einer ehemaligen Industriebrache, von der nur das Stahlskelett stehenblieb, haben die Projektentwicklungsgesellschaft der Stadt Ulm und das Ulmer Architekturbüro Rapp ein neues Stadtquartier entwickelt. Friedrich E. Rentschler suchte nicht nach einem großen Auftritt, sondern nach einer ruhigen, aber erstklassigen Präsentationsform, die seiner Persönlichkeit entspricht. In dem rund 300 Meter langen, 30 Meter breiten und vier Etagen hohen, ehemaligen Fabrikgebäude aus den 1950er
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Jahren, das für unterschiedliche Nutzungszwecke (Lofts, Gewerbe, Dienstleistung, Sport und Wellness, Kunst und Kultur) zeitgemäß adaptiert wurde, hat der Sammler geeignete Räume für seine halböffentliche Präsentation gefunden und rund 1.200 Quadratmeter für Depot- und Ausstellungs- und Wohnzwecke erworben. Um das großzügige Depot, das den pragmatischen Grund für die öffentliche Zugänglichkeit der Sammlung darstellte, gruppieren sich die hellen und neutralen Ausstellungsräume, die dem Sammler eine Vielfalt variabler Gestaltungsmöglichkeiten für die Präsentation seiner Sammlung bieten. Denn, so Friedrich E. Rentschler, „Gestalten macht mir große Freunde“ (Ruhrberg 200: 63).
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6.11
ME C OLLECTORS R OOM S TIFTUNG O LBRICHT
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B ERLIN /
Abb. 12: me Collectors Room Berlin: Außenansicht, Ausstellungsansicht „Gerhard Richter – Editionen 1965-2011“, 2012, Porträt Thomas Olbricht
Quelle: Courtesy me Collectors Room Berlin
Kurzpräsentation me Collectors Room Berlin (alle Angaben beziehen sich auf das Jahr 2010) Sammler und Gründer der Privatinitiative
Prof. Dr. Dr. Thomas Olbricht (*1948)
Profession des Sammlers
Chemiker, Arzt und Endokrinologe
Eröffnung des Museums
Mai 2010
Leitung der Einrichtung
Julia Rust Betriebswirtin, Kunsthistorikerin
Träger- und Rechtsform
Stiftung Olbricht (2011)
Architektur
Der Museumsneubau wurde vom Berliner Architekturbüro Düttmann + Kleymann realisiert.
Lage und Umfeld
Das Ausstellungshaus befindet sich in Berlin Mitte direkt neben den Kunstwerken Berlin.
Sammlung
Die Sammlung umfasst rund 2.500 Werke von Beginn des 16. Jahrhunderts bis zur jüngsten Gegenwart. Programmatische Schwerpunkte bilden die zentralen Themen des Menschseins: Leben, Liebe, Eros, Vergänglichkeit und Tod.
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Ausstellungsfläche
1.300 m²
Ausstellungen
Drei Ausstellungen jährlich Passion Fruits (Eröffnungsausstellung): 1.5. – 12.9.10 Ouyang Chun – Painting the King: 2.10.10 – 9.1.11
Wissenschaftliche Publikationen
2 Publikationen Jede Ausstellung wird von einem Katalog begleitet.
Besucherzahlen
Seit Mai 2010: 30.000
Öffnungszeiten
Di – So 12 – 18 Uhr
Eintrittspreise
€ 6,- / 4,- ermäßigt Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren: freier Eintritt
Kosten für Begleitprogramme
Führungen: 10,Gruppen: 110,-
Flankierende Serviceangebote und -einrichtungen
Einladendes Museumscafé, Museumsshop Im gesamten Gebäude gibt es viele Verweilzonen für das Publikum.
Kunstvermittlung
Öffentliche Führungen: Sa 15 Uhr Umfangreiche Kinderprogramme Genreübergreifende Veranstaltungsprogramme
Mitarbeiterstruktur
19 Mitarbeiter (11 feste und 8 freie Mitarbeiter) Leitung: 1, Wissenschaft: 2, Kunstvermittlung: 1, Projektmanagement: 1, Volontäre: 2, Praktikant: 1, Gastrobereich und Vermietung: 3; Freie Mitarbeiter: Chefkurator: 1, Besucherservice: 7; Ausgelagerte Bereiche: artpress / Pressearbeit und Museumsshop
Homepage
www.me-berlin.com
Der Sammler Thomas Olbricht Thomas Olbricht hat in den vergangenen 25 Jahren mit über 2.500 Objekten eine der umfangreichsten und international renommiertesten Privatsammlungen Europas zusammengetragen. Die Sammlung umfasst Werke aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, der klassischen Moderne, ausgewählte Jugendstilobjekte und Arbeiten der Gegenwarts-
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kunst. Einen Sammlungsschwerpunkt bildet die Wunderkammer, die im neuen Berliner Ausstellungshaus eine permanente Präsentation erfährt. Die skurrilen Objekte der Wunderkammer will der Museumsgründer assoziativ mit zeitgenössischer Kunst verknüpfen. Im Gegensatz zu anderen Sammlern ist Olbricht nicht an persönlichen Kontakten mit den Künstlern gelegen. Das Werk solle für sich sprechen und zu enge Bekanntschaften könnten den Blick trüben, ist der Sammler überzeugt. Quelle der Inspiration für seine Sammlertätigkeit war vor allem sein Großonkel Karl Ströher (vgl. Kapitel 2.2.1). Thomas Olbricht sagt dazu: „Ich spüre mehr und mehr, dass es so etwas wie das Familien-Sammel-Gen gibt, das Karl Ströher und andere Familienmitglieder mir eingepflanzt haben“ (zit. nach Hoffmans 2007).
Seine Sammlung ist aber keine Fortsetzung familiärer Sammeltraditionen, sondern trägt eine unverwechselbare Handschrift. In der sowohl genre- als auch epochenübergreifenden Sammlung spielen existenzielle Themen wie Eros, Vergänglichkeit und Tod programmatische Rollen. Das mag auch mit seinem Beruf als Arzt zu tun haben, der die ständige Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper fordert. „Liebe, Leben und Tod sind die Themen, die Künstler seit rund 500 Jahren beschäftigen. Diese Themen habe ich aufgegriffen und sie sind die Hauptlinien in meiner Sammlung“, so Olbricht (2010). Die Gründungsgeschichte des me Collectors Room Berlin Vor der Eröffnung des eigenen Ausstellungshauses wurden Werke der Sammlung Olbricht bereits mehrmals in öffentlichen Museen, wie dem Museum Folkwang, dem Museum Morsbroich und der Weserburg in Bremen, gezeigt. Nachdem jahrelange Bemühungen, die Sammlung in der Heimatstadt des Sammlers, in Essen anzusiedeln, gescheitert waren, hat sich Thomas Olbricht für ein permanentes Zuhause seiner Sammlung in Berlin entschieden. Wie der programmatische Titel „me Collectors Room Berlin“ besagt, soll das Haus ein Raum für Sammler sein. Daher beabsichtigt der Museumsgründer nicht nur seine eigene Sammlung in unterschiedlichen Ausstellungszusammenhängen zu präsentieren, sondern wird auch andere internationale Sammler einladen, sein Kunstlaboratorium als Präsentationsplattform zu nutzen. Das programmatische „me“ steht für „moving energies“, eine Bezeichnung, die einem Ausstellungstitel entlehnt wurde und für ein Ausstellungshaus steht, das ständig in Bewegung bleiben will. Die Architektur des me Collectors Room Berlin Dem Sammler war es wichtig, offene Ausstellungsräume für Austausch und Auseinandersetzung zu schaffen. Das mag wohl auch ein Grund dafür sein, warum sich Thomas Olbricht für den Standort in Berlin Mitte in unmittelbarer Nähe zu den Kunstwerken Berlin entschieden hat. Das Wohn- und Ausstellungsgebäude wurde vom Architekturbüro Düttmann + Kleymann in Zusammenarbeit mit Thomas Olbricht konzipiert und im Vorfeld der Eröffnung stark kritisiert. Die Größe des Gebäudes und die Massivität der Architektur wurden bemängelt. Doch schon kurz nach der Eröffnung ließ die Kritik nach, und das neue private Ausstellungshaus wurde als der „aufregendste Neuzugang der Berliner Kunstszene“ bezeichnet, so ein Berliner Stadtmagazin (Niklaus 2010). Das neue Privatmuseum stellt flächenmäßig eine der
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größten Privatinitiativen dieser Art in Berlin dar und bietet auf 1.300 Quadratmetern Ausstellungsfläche großzügige Präsentationsmöglichkeiten für Kunst und flexible Freiräume für Besucher. Der Museumsgründer freut sich, dass seine Kunstwerke einen offenen Ort in der Mitte Berlins gefunden haben, wo sie auf ein großes kunstinteressiertes Publikum treffen. Der leidenschaftliche Sammler begeistert sich für Werke, die ihn überraschen und ins Staunen bringen. Diese Erfahrung macht er nun auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Teil III:
Ergebnisse der Untersuchung
7.
Öffentliche Privatsammlungen im Licht der empirischen Forschung
Nachdem im ersten Teil dieser Untersuchung die theoretische und praktische Klärung des Untersuchungsgegenstandes erfolgte (Kapitel 2 bis 4) und im zweiten Teil das entwickelte Forschungsdesign und das Untersuchungsfeld vorgestellt wurde (Kapitel 5 und 6), werden nun im dritten Teil die Ergebnisse der empirischen Erhebung ausführlich dargestellt und interpretiert (Kapitel 7). Die empirische Untersuchung wurde mittels Experten-Interviews durchgeführt. Für die nachfolgende Auswertung werden Zitate aus diesen Interviews verwendet. Dabei ist zu beachten, dass diese den Charakter der mündlichen Rede besitzen. Neben den verbalen Aussagen der Expertengespräche werden Erkenntnisse der fachspezifischen Literatur und eigene Felderkundungen herangezogen, um wesentliche Erfolgsmuster der öffentlichen Privatsammlungen zu identifizieren und diese mit den Erfolgskriterien öffentlicher Museen zu diskutieren. Zunächst soll aber die Frage erörtert werden, was private Sammler dazu bewegt, ihre Kollektionen in autonom geführten Museen und Kunsträumen öffentlich zugänglich zu machen und warum dieses Phänomen in den letzten zwanzig Jahren verstärkt auftritt.
7.1
G RÜNDUNGSMOTIVE
Private Kunstsammlungen waren für die Gründung und Erweiterung öffentlicher Museen immer von grundlegender Bedeutung. In Kapitel 2 konnte gezeigt werden, dass zahlreiche Privatsammlungen den Grundstock vieler wichtiger europäischer Museen bilden. Auf die langjährige Tradition und gute Kooperation von privaten Sammlern und staatlichen Museen verweist auch der Deutsche Städtetag und nennt folgende beeindruckende Zahl: „Mindestens 75 Prozent der Objekte in kommunalen Museen, insbesondere der Kunstmuseen, sind [...] Schenkungen, Überlassungen, Stiftungen oder echte Dauerleihgaben“ (Deutscher Bundestag 2007: 121). Das bewährte Miteinander von privaten Sammlern und öffentlichen Museen scheint in den letzten Jahren aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Immer weniger Sammler stellen ihre Kollektionen staatlichen Museen dauerhaft zur Verfügung, und mäzenatische Übereignungen von Kunstwerken sind selten geworden. Während früher vielen Stiftern ein symbolischer Dank genügte, so werden – seit die öffentlichen Museen auf eine Zusammenarbeit mit privaten Sammlern angewiesen sind – an die Übereignung
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von Kunstwerken eine Reihe von Auflagen geknüpft. Die Ansprüche und Wünsche, die Sammler mit einem Legat oder einer Dauerleihgabe verbinden, sind von der einschlägigen Fachliteratur und der feuilletonistischen Berichterstattung immer wieder kritisiert worden. Die Motive der Sammler werden dabei oftmals einseitig und undifferenziert beurteilt. Erika Hoffmann sagt dazu: Ich glaube, die Sammler haben ein ziemlich schlechtes Image. Gerade im letzten Jahrzehnt oder in den letzten 20 Jahren wurde in der Presse immer negativ berichtet. Man nimmt an, dass die Sammler allgemein aus Eigenliebe und Eigennutz handeln, um die Künstler bekannt zu machen und den Wert der eigenen Sammlung zu erhöhen. [...] In der deutschen Presse ist immer wieder von Eduard Beaucamp betont worden, wie habgierig und listig die Sammler die Museumsdirektoren über den Tisch ziehen und nur an ihr eigenes Wohl denken. Eduard Beaucamp ist ein prominenter Vertreter der Kunstkritik, der seit vielen Jahren beständig gegen die privaten Sammler polemisiert.1 Zu Beginn des Jahres 2011 schreibt er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Schließlich wünschte man sich weniger egozentrische und monomane Sammler, die nicht wie die kleinen Bürgerfürsten einer neuen Feudalzeit mit Denkmalanspruch auftreten, die sich vielmehr ins Geschichts- und Gemeinschaftswerk der Museen einfügen und hier auf ihre künftigen Spuren bedacht sind“ (Beaucamp 2011a).2 Beaucamp unterstellt den Sammlern Egoismus, spekulatives Denken, gesellschaftlichen Ehrgeiz und das Bemühen, mit Hilfe der Kunst einen gehobenen Status in der Gesellschaft demonstrieren zu wollen. Kunstwerke wären dann keine Liebhaberobjekte, sondern ästhetische Versatzstücke, die nur aufgrund ihres kulturellen Wertes erworben werden. Auch wenn es wenige Sammler geben mag, für die solche Gründe zutreffen, so diskreditiert der Kritiker mit derartigen Äußerungen auch jene Sammler, die sich mit Leidenschaft und Engagement für die öffentliche Präsentation ihrer Kunst einsetzen. Erika Hoffmann schließt an: Allerdings übersieht man dabei, dass es unter den Sammlern auch viele gibt, die wirklich Bildungsarbeit leisten und neue Konzepte im Vermitteln von Kunst erproben. Ich kenne einige Sammler, die diese Aufgabe ernst nehmen – das braucht
1
2
Dr. Eduard Beaucamp (*1937) war von 1966 bis 2002 Kunstkritiker der F.A.Z. Er studierte deutsche Literaturgeschichte, Kunstgeschichte und Philosophie. Er setzte sich früh für die Avantgarde um Joseph Beuys ein und äußerte als einer der Ersten Zweifel an der fortdauernden Vitalität der Moderne. Seine besondere Wertschätzung gilt der Kunst der ehemaligen DDR, vor allem der Leipziger Schule. Seit jeher verfolgte er das Wirken privater Sammler mit Argwohn und forderte stets mehr Bescheidenheit (vgl. Jocks 2011b). In diesem Artikel kritisiert Beaucamp die „eigene, selbstbewusste, bisweilen auch selbstgefällige und protzige Kunstpolitik“ der privaten Sammler. Er fordert sie auf, wieder am Gesellschaftsprojekt der Museen mitzuarbeiten, wie das einst die Gründerfiguren der Sprengel, Ludwig oder Ströher getan haben.
G RÜNDUNGSMOTIVE ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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man jetzt gar nicht Auftrag zu nennen – aber sie fühlen sich verantwortlich und finden zu eigenen Formen, ihre Ideen zu realisieren. Private Kunsterlebnisse, wie sie die Sammler dieser Studie ohne jegliche finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand bieten, kamen im Jahr 2010 immerhin etwa 370.000 interessierten Menschen zugute.3 Diese Zahl zeigt die Bedeutung und das Gewicht dieser privaten Initiativen, die durch ihre freiwilligen Aktivitäten den öffentlichen Auftrag kultureller Grundversorgung bereichern. Dieses kulturelle und ökonomische Engagement der Privatsammler gewinnt besonders in wirtschaftlich angespannten Zeiten zunehmend an Bedeutung, aber nicht um die staatliche Verpflichtung zu substituieren, sondern um sie zu bereichern. Aus diesem Grund scheint es mit den Worten von Willi Bongard (1967: 169) doch „durchaus wünschenswert, dass möglichst viele Sammler – aus welchen Motiven immer – möglichst große Kunsterwerbungen machen“. Auch wenn Eitelkeit und Gewinnstreben im Spiel sind, kommt das Engagement der Sammler „letzten Endes der Kunst, den Künstlern und einem großen Publikum zugute“. Es ist erstaunlich, dass Eduard Beaucamp die Verdienste einer Vielzahl privater Sammler, die ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand vielfältige Kunstaktivitäten entfalten, wenig würdigt. „Es scheint bei ihm eine Art Vermutung für Geltungs- und Profilsucht zu bestehen, die der Sammler durch wohlfeiles Verhalten widerlegen möge“, so Harald Falckenberg (2002: 14), der sich von der Einschätzung des wertkonservativen Kritikers ebenfalls falsch beurteilt fühlt. Interessanter Weise richtet sich die Kritik Beaucamps immer gegen die Menschen. Selten berichtet er über die inhaltliche Relevanz der jeweiligen Kollektionen oder über den bedeutenden Stellenwert, den die öffentlichen Privatsammler und ihre Kunsträume für die heutige Kunstproduktion und Kunstrezeption einnehmen. Daher ist auch Falckenberg (2002: 15) der Ansicht: „Der erhobene Zeigefinger muss herunter. Sammler sind heute nicht schlechter als früher. Bei der hitzigen Diskussion ist auf der Strecke geblieben, dass es doch eigentlich um die Kunst in diesen Sammlungen gehen sollte. Auf diese richtet sich das presseöffentliche Interesse im Sinne einer inhaltlichen Auseinandersetzung kaum.“ Dass sich Sammler für ihre über viele Jahre aufgebauten, umfangreichen und qualitätvollen Kunstsammlungen wünschen, sie mögen als ein Stück Kunstgeschichte und Zeugnis ihrer persönlicher Leistung erhalten bleiben, ist verständlich und legitim. Es hat vielfältige Gründe, warum Sammler diesen Wunsch heute in eigenen Museen und Ausstellungsräumen umsetzen und nicht, wie Beaucamp (2011a) das fordert, uneigennützig „am Gesellschaftsprojekt der Museen“ mitarbeiten, wie das Sammler vor fünfzig Jahren getan haben. Ein wesentlicher Grund ist, dass staatliche Museen für private Sammlungen aufgrund von Platzproblemen und fehlenden Ausstellungsflächen nur noch bedingt aufnahmebereit sind. Wenn beispielsweise die Dauerausstellung einer Museumssammlung mit Leihgaben aus Privatbesitz aus Man-
3
Eine detaillierte Aufstellung der Besuchszahlen der einzelnen Privatsammlungen findet sich in Kapitel 6 (Darstellung der Stichprobe) und in Kapitel 7.8 (Besucherorientierung).
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gel an Ausstellungsfläche für eine temporäre Sonderausstellung abgehängt werden muss, so „entsteht bei Sammlern, die über die Dauerleihgabe an das Haus oft mit dem Vorgänger oder den politisch Verantwortlichen der Stadt verhandelt haben, bisweilen der Eindruck einer mutwilligen Zurücksetzung“, so Fleck (2010: 7). Bei solchen Konstellationen sind Konflikte vorprogrammiert. Es lässt sich beobachten, dass nicht nur die Kunstkritik sondern auch die Kulturpolitik diese Konflikte oft zu Lasten der Sammler auslegt, auch wenn diese lediglich auf ihre vertraglich vereinbarten Rechte verweisen. Norbert Lammert (2007: 13), Präsident des Deutschen Bundestages, betrachtet das stetig steigende Angebot, private Sammlungen öffentlichen Museen zur Verfügung zu stellen, prinzipiell positiv. Doch gleichzeitig bemängelt er, dass es seit den 1990er Jahren bei den öffentlichen Einrichtungen „einen zunehmenden Trend der Selbstentfesselung und Selbstentmündigung durch private Sammler“ gegeben hat. Denn teilweise haben ehrgeizige Sammler den Museen erstaunliche Bedingungen diktiert, die an der Verbindung von Kulturstaat und Bürgergesellschaft zweifeln lassen. So ist nach Lammert beispielsweise die Forderung von Sammlern, dass ihre privaten Leihgaben wenn nicht zur Gänze dann doch dauerhaft gezeigt werden müssen, durchaus rücksichtslos. Diese Verpflichtung ist für ein öffentliches Museum eine große Belastung, da angesichts der oft knappen Ausstellungsmöglichkeiten die eigenen Museumsbestände im Depot bleiben müssen. „Im Übrigen“, führt Lammert weiter an, „sind die wenigsten privaten Sammlungen so wertvoll, dass sie den Bau eigener Häuser rechtfertigen, und schon gar nicht den Einsatz von Steuermitteln für den Bau solcher Häuser“.4 Auch unter den Sammlern dieser Studie gibt es durchaus kritische Stimmen zu Forderungen mancher Sammlerkollegen. Sabine Crasemann, Tochter der Museumsgründerin Marianne Langen findet: Es ist eine Unverschämtheit, was manche Sammler dem Staat heute aufbürden. Jeder kann sammeln, was er will, aber dass dann die Forderung an die öffentliche Hand herangetragen wird – „jetzt musst du, lieber Staat, mir ein Museum für meine Sammlung bauen“ – finde ich eine ziemliche Chuzpe. Wir hingegen mussten einige Bilder verkaufen, um diesen Bau finanzieren.
4
Eine der wenigen privaten Sammlungen, für die in den letzten Jahren ein öffentliches Museum errichtet wurde, ist die Sammlung von Annette und Udo Brandhorst. Der Freistaat Bayern hat in München für die Sammlung Brandhorst ein eigenes Museumsgebäude auf dem an die Pinakothek der Moderne angrenzenden Baugelände errichtet, das im Mai 2009 eröffnet wurde. Das Museum trägt den Namen des Sammlerpaars und agiert mit einem eigenen Sammlungsdirektor unter der Flagge der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Im Jahr 1999 übertrug Udo Brandhorst seine Sammlung, die auf rund 100 Millionen Euro geschätzt wird, dem Freistaat Bayern mit der Bedingung, ein eigenes Haus für seine Kunstschätze zu bauen. Ein Grund für die bayerische Landesregierung, sich auf dieses Geschäft einzulassen, mag auch der zu erwartende jährliche Ertrag des Stiftungskapitals gewesen sein, der den kontinuierlichen Ausbau der Sammlung in so großem Umfang gewährleistet, wie er derzeit mit öffentlichen Mitteln kaum mehr denkbar ist. Vgl. http://www.museumbrandhorst.de/ de/stiftung.html (19.5.2010).
G RÜNDUNGSMOTIVE ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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Auch Margit Biedermann sieht Bedenken: Aber es ist auch so, dass nicht jede Sammlung, die einem Sammler wichtig ist, auch museumswürdig und zeigenswert ist. Das ist ein großes Problem, denn dann könnten sich in Museen auch Qualitätsverluste ergeben. Die Sammler geben dann vielleicht Geld, um ihre Sammlungen in Museen zu zeigen und sie berühmt zu machen. Das heißt aber nicht, dass die Sammlungen internationalen Standards genügen. Darin sehe ich ein Problem. In den letzten zwanzig Jahren haben Wünsche privater Sammler und Hoffnungen kommunaler Politiker, Lücken in ihren musealen Beständen mit privaten Sammlungen zu schließen, zu Verträgen geführt, die später oft in Frage gestellt wurden. „Zu verlockend ist die Aussicht, gegen vergleichsweise geringe Investitionen bereits vorsortierte Mengen teurer Kunst einzuhandeln; zu hoch ist das Ansehen der Kunst, als dass sich am Sinn solcher Mengen zweifeln ließe; zu groß sind die Mengen, als dass man im Einzelfall genau hinschauen könnte“, sagt Grasskamp (1992: 78). Grasskamp beschreibt damit das „Geklüngel aus privaten, politischen und öffentlichen Interessen“, das zu durchaus fragwürdigen Vertragskonstrukten führen kann. Aus solchen Gründen appelliert die Enquete-Kommission an die Kulturpolitiker und Museumsdirektoren, finanzielle und inhaltliche Motive genau abzuwägen und Verträge zu schließen, die für beide Parteien eine Win-win-Situation ergeben und bei der alle Beteiligten einen akzeptablen Nutzen erzielen. „Beim Engagement der öffentlichen Hand für private Sammlungen [müssen, d.V.] die Interessen der öffentlichen Einrichtungen Vorrang haben [...] und dieses [darf, d.V.] in der Regel nicht auf Kosten der Museen in öffentlicher Trägerschaft gehen. [...] Privaten Sammlern und Leihgebern dürfen aber keine auf Dauer unerfüllbaren Zugeständnisse in sachlicher und finanzieller Hinsicht eingeräumt werden, die die Handlungsspielräume der Museen einengen“ (Deutscher Bundestag 2007: 121). Lammert (2007: 13) fordert daher einen „Klärungs- und Bereinigungsprozess“, der angesichts der sinkenden Legate an Museen und der steigenden Gründung von Privatmuseen und privaten Ausstellungsräumen unbestreitbar längst eingesetzt hat. 7.1.1
Ein Ungenügen in der Zusammenarbeit mit öffentlichen Museen
Der einseitige Vorwurf, private Sammler würden staatliche Museen unter Druck setzen und Bedingungen stellen, die der Öffentlichkeit nicht zumutbar wären, konnte durch die Experteninterviews nicht bestätigt werden. Allerdings wurde deutlich, dass Privatsammler und öffentliche Museen unterschiedliche Ziele und Interessen verfolgen, die in einer Zusammenarbeit zu Unstimmigkeiten führen können. Während das staatlich subventionierte Museum der allgemeinen und objektiven Wissensvermittlung dient, leistet sich der private Kunstsammler den Luxus von Subjektivität und Individualität. Aus diesem Spannungsverhältnis können Forderungen an das Museum entstehen, die aus der Sicht des Sammlers legitim, mit den Zielen und Aufgaben ei-
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nes öffentlichen Museums aber schwer vereinbar sind. Das vielzitierte Platzproblem der öffentlichen Häuser erkennen auch die Sammler. Karlheinz Essl führt dazu an: Am Ende ihres Lebens haben manche Sammler den Wunsch, ihre Sammlungen an öffentliche Museen zu übergeben, was sehr schwierig ist. Denn öffentliche Museen können oder wollen ganze Sammlungen meist nicht übernehmen, denn häufig gibt es keine ausreichenden Depotmöglichkeiten. Öffentliche Museen wollen sich oft gern nur die „Zuckerln“ heraussuchen, und das ist für Sammler nicht befriedigend. Dann versucht man eben eigene Museen zu errichten. Mit dem österreichischen Ausdruck „Zuckerl“ sind die besten Kunstwerke einer Sammlung gemeint. Aus Sicht des Sammlers ist es durchaus verständlich, dass er nicht daran interessiert ist, nur jene Highlights aus seiner Sammlung einem Museum zu übereignen, die sich nach Ermessen der Sammlungskuratoren in deren Bestand einfügen oder ihn ergänzen. Eine über viele Jahre mit Leidenschaft, Engagement und großem finanziellen Einsatz zusammengetragene Sammlung will auch zusammengehalten werden. Auch Erika Hoffmann ist der Ansicht, dass öffentliche Museen keine zusätzlichen Sammlungen mehr benötigen. Sie wollen sich auch nicht belasten mit noch mehr Sammlungen. Stattdessen sind sie auf enge Zusammenarbeit mit privaten Sammlungen angewiesen. Wenn diese scheitert, erfinden die Sammler selbst etwas. Sabine Crasemann sagt dazu: Natürlich gab es eine Reihe von Museen, die sich für unsere Sammlung interessiert haben, aber da die Museen alle keinen Platz haben, haben wir Kinder davor gewarnt, dass die Sammlung dann ins Depot wandert. Das passiert ja sehr häufig mit Privatsammlungen in öffentlichen Museen. Die Übernahme von kompletten Privatsammlungen in öffentliche Museen findet heute kaum mehr statt. Während noch in den 1980er und 1990er Jahren eigens für Privatsammlungen öffentliche Ausstellungshäuser gegründet wurden, können Sammler ihre Kollektionen gegenwärtig in Museen nur noch dann unterbringen, wenn sie keinerlei Bedingungen stellen. Öffentliche Museen sind heute überdies wählerisch geworden und akzeptieren teilweise nur noch ausgesuchte Ensembles aus Privatsammlungen. Das stellt für Sammler, die ihre gesamte Kollektion dauerhaft für die Nachwelt erhalten wollen, keine befriedigende Situation dar. Fünf der zehn befragten Sammler dieser Studie haben vor der eigenen Museumsgründung versucht, mit der öffentlichen Hand zu kooperieren. Allerdings hat kein Sammler mit seinem Angebot hohe Forderungen verknüpft. Karlheinz Essl verfolgte Mitte der 1990er Jahre den Plan, seine Sammlung in einem Gebäude ohne Nutzungskonzept im neu errichteten Wiener Museumsquartier unterzubringen. Die öffentliche Hand sollte den Bau finanzieren, der Sammler hätte sich eigenständig um den Betrieb gekümmert. Das Projekt wurde, so Karlheinz Essl,
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von Presse und Politik gekippt. Aber es war nie die Idee, dass wir unsere Kunstwerke den öffentlichen Museen nur zur Verfügung stellen, wir wollten das Museum autonom ohne Kosten für die Öffentlichkeit betreiben. Thomas Olbricht verhandelte jahrelang mit seiner Heimatstadt Essen über eine Integration seiner umfangreichen Sammlung in das Folkwang Museum. Das Angebot einer vorübergehenden Präsentation seiner Kollektion auf dem Areal der stillgelegten Zeche Zollverein lehnte der Sammler wegen fehlender nachhaltiger Nutzungskonzepte und der abgelegenen Lage ab. Die Entscheidung gegen Essen sei zustande gekommen, „weil die Entscheidungsträger dort nix von Kunst verstehen“, sagt Wolfgang Schoppmann, Chefkurator der Sammlung Olbricht (zit. nach Schröer 2010). Der Sammler fügt hinzu: Wie sagt man – der Prophet im eigenen Land gilt nichts. Man wollte, dass ich sämtliche Kosten übernehme, das hätte ich auch gemacht, ist ja in Berlin auch so. Soweit kam es dann aber gar nicht. Frieder Burda wollte ursprünglich die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden pachten, bevor er das Angebot erhielt, sein Museum auf dem angrenzenden Grundstück zu bauen. Ich wollte die Kunsthalle Baden-Baden pachten, die damals in einem ziemlich schlechten Zustand war. Stuttgart hatte die Mittel gekürzt, und ich habe den Vorschlag gemacht, dort meine Sammlung zu zeigen, die ja schon bekannt war. Der damalige Ministerpräsident willigte ein, doch die Idee konnte aufgrund vieler Widerstände nicht realisiert werden. Auch Margit Biedermann hatte die Idee, ein öffentliches Haus – das städtische Museum in Villingen-Schwennigen – mit ihrer Sammlung zu bespielen. Aber da gab es viele Anfeindungen, dass wir uns an einer öffentlichen Institution bereichern wollten. Es gab einen hohen Neidfaktor, deshalb haben wir diese Idee sofort wieder fallen gelassen, so die Sammlerin. Erika und Rolf Hoffmann wollten 1993 auf Grundlage eines Stiftungsmodells in Dresden ein privat geführtes Museum nach einem Entwurf von Frank Stella erbauen. Sie wollten ein Zeichen der Moderne nach der Wiedervereinigung setzen, doch das Projekt scheiterte an Schwierigkeiten mit der öffentlichen Hand. Erika Hoffmann sagt dazu: Ja, diese große Enttäuschung in den Verhandlungen mit der öffentlichen Hand hat dann eben dazu geführt, dass wir etwas in Angriff genommen haben, das wir ganz alleine stemmen konnten. Deswegen ein nicht zu ehrgeiziges Projekt, sondern etwas, das wir als Paar gerade schaffen konnten. Es stimmt, vieles ist in der Presse ausführlich diskutiert worden, also ein Ungenügen an der Zusammenarbeit. Ich denke, dass sich da beide Seiten ändern müssen. Die Aussagen der Privatsammler machen deutlich, dass die gescheiterten Kooperationsversuche mit der öffentlichen Hand die Verwirklichung eigener Kunsträume befördert haben. Zudem hat sich die Stimmung den Sammlern gegenüber und das
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Gesprächs- und Verhandlungsklima zwischen der öffentlichen Hand und den Sammlern verändert. Grund dafür sind die zahlreichen spektakulären Meinungsverschiedenheiten in den Partnerschaften zwischen Museen und privaten Sammlern, die häufig im Abzug von Dauerleihgaben mündeten. Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind der Rückzug der Sammlung Paul Maenz aus dem Neuen Museum Weimar oder der Abzug der Sammlung Grothe / Ströher aus dem Kunstmuseum Bonn im Jahr 2007 (vgl. Kapitel 2.2.1). Obwohl der Weggang der umfangreichen Privatsammlung einen großen Verlust für das Bonner Museum bedeutet, spricht der ehemalige Museumsdirektor Ronte (2007) von den Chancen einer neu gewonnen Freiheit: „Wir haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was für ein Museum wichtig ist. Das geht von der Betreuung der Sammlung über die konservatorische Behandlung einzelner Werke bis hin zu Museumsaktivitäten. Im Laufe der langen Verhandlungszeit ist uns gegenüber ein solches Misstrauen entstanden, dass es besser war, sich zu trennen.“ Der Konflikt gipfelte im Wunsch der Sammlerin Sylvia Ströher als Kuratorin im Museum mitarbeiten zu wollen. Diese Forderung wurde von Seiten des Museums entschieden abgelehnt. Ronte (2001) führt dazu weiter an: „Das ist eine Bedingung, die das Kunstmuseum Bonn nicht akzeptieren kann. Ein Museum muss nach allen Seiten frei sein. Es darf keine Abhängigkeiten geben. Sammler können ja ein eigenes Museum bauen und dort alles selber machen, so wie es Frieder Burda in Baden-Baden getan hat.“ Solche Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Museen und privaten Sammlern werden stets von großem Medieninteresse begleitetet. Das Engagement privater Sammler wird dabei auch in ein negatives Licht gerückt. Die Diskussion dreht sich selten um die Vorteile von Museen und der kunstinteressierten Öffentlichkeit, sondern meist nur um vermeintliche Vorteile der privaten Sammler. Exemplarisch sei die Journalistin Adrienne Braun (2003) zitiert, die dazu feststellt: „Heute stößt man inzwischen kaum noch auf Verständnis, wenn private Schätze mit öffentlichen Geldern gepflegt und präsentiert werden.“ Folglich haben nicht nur eigene negative Erfahrungen der Sammler auf die Entscheidung, eigene Ausstellungsräume zu gründen, eingewirkt, sondern die latent kritische mediale Berichterstattung hat das bereits ambivalente Verhältnis zwischen Privatsammlern und öffentlichen Museen zusätzlich verschärft. Erika Hoffmann möchte sich solchen Vorwürfen nicht aussetzen und zieht daraus den Schluss: Ich würde meine Sammlung keinem Museum anbieten, weil ich da nicht durchmöchte. Eher wird sie versteigert und verteilt, so einem Szenario möchte ich mich nicht aussetzen. Mit der Übergabe einer privaten Sammlung an ein öffentliches Museum, sei es als Dauerleihgabe oder als Schenkung, endet in der Regel der Einflussbereich des Sammlers. Leiten Sammler aufgrund ihres Engagements dennoch ein Mitgestaltungsrecht in kuratorischen Fragen oder operativen Belangen ab, kann dies zu erheblichen Konflikten und zu Misstrauen führen. Die gezielte Einflussnahme von Sammlern in öffentliche Museumsagenden lehnen die befragten Experten einheitlich
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ab. Alle betonen, dass sie die Verantwortung abgeben, wenn ihre Sammlungen in öffentlichen Museen gezeigt werden. Für Christian Boros steht fest: Wenn Sammler sich permanent einmischen, ist das für ein öffentliches Museum doch unerträglich. Entweder man gibt ab, schenkt oder gewährt Freiheit – oder man macht es selber. Alle anderen Zwitterformen sind ganz schwierig. In ihren eigenen Museen und Ausstellungsräumen sind die Sammler völlig unabhängig und können ihre Vorstellungen von der Präsentation und Vermittlung ihrer Kunstwerke ohne Einflussnahme von außen verwirklichen. Das autonome Agieren beurteilen alle Sammler als einen der größten Vorzüge ihrer privaten Kunsträume. „Ganz unabhängig entscheiden zu können“ (Christian Boros), „Niemandem Rechenschaft schuldig zu sein“ (Frieder Burda und Friedrich E. Rentschler) und „machen zu können, was wir wollen“ (Sabine Crasemann) – so lautet der einhellige Tenor der Sammler. Das Ungenügen in der Zusammenarbeit zwischen Privatsammlern und öffentlichen Museen lässt sich nach Fleck (2010) auch noch auf weitere Gründe zurückführen. Der Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn benennt unterschiedliche Kritikpunkte der Sammler an den Museen, die zur Gründung privater Museen und Ausstellungsräumen führen. Mit den Schlagworten Kritik, Misstrauen und Distanz fasst er diese untergründigen Leitmotive zusammen.5 Zum einen sind es unterschiedliche Zeitvorstellungen, in denen manche Museumsleute und Privatsammler denken und handeln: „Die besondere, außerhalb der Institutionen bisweilen unverständlich wirkende Behutsamkeit der Museumsleute im Umgang mit Leihanfragen und anderen Gelegenheiten, Teile der Sammlung einer neuen Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, hat in der Vergangenheit häufig zur Empörung vieler Sammler geführt“ (Fleck 2010: 7). Private Sammler sind in der Regel wirtschaftlich erfolgreiche Persönlichkeiten. Als Unternehmer und Entscheidungsträger sind sie es gewohnt, schnell, strategisch und wirtschaftlich zu agieren. Es ist evident, dass der Umgang mit großen, zum Teil schwerfälligen staatlichen Institutionen und die damit verbundenen langen Entscheidungsvorgänge sowie deren teils wenig profitorientierten Arbeitsweisen bei Sammlern Misstrauen hervorrufen. Margit Biedermann bekräftigt diese Vermutung: Die Probleme, die sich in einem öffentlichen Museum ergeben, sind, dass es für alles Gremien gibt, alles muss genehmigt werden und dauert ewig lange. [...] Wir sind Unternehmer und wir sind entscheidungsfreudig. Wir sind gewohnt, selbständig zu denken und zu arbeiten und deshalb ist es schwierig. Ich bin gerne bereit, meine Sammlung auszuleihen, aber das, was in einer Ausstellung passiert, dem möchte man eigentlich seinen eigenen Duft geben.
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Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn veranstaltete vom 29.1. bis 5. 5. 2010 die Ausstellung „Neugierig? Kunst des 21. Jahrhunderts aus privaten Sammlungen“. Fleck misst den privaten Sammlern in der künstlerischen Entwicklung der Gegenwart eine höhere Rolle zu als den öffentlichen Kunstinstitutionen (vgl. Fleck 2010: 6-8).
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Zum anderen kritisieren die Sammler nach Fleck (2010: 7) den „mangelnden Einsatz, Risiko und Mut der Museumsleute und Kunstvermittler [...] [gegenüber, d.V.] der aktuellen Kunst“. Sammler haben den Wunsch, die „erworbene Kunst möglichst umgehend und unmediatisiert in die öffentliche Diskussion um die zeitgenössische Kunst einzubringen, diese Öffentlichkeit damit zu dynamisieren und auf diese Weise die innere Notwendigkeit der wichtigen künstlerischen Positionen im zeitgenössischen Kunstschaffen zu unterstreichen“ (Fleck 2010: 6). Öffentliche Museen sind darum bemüht, eine unabhängige Experten- und Beobachterrolle einzunehmen. Daher wird meist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen und in Fachkreisen anerkannten Kunsturteil gesammelt. Die aktuelle Kunst von nicht arrivierten und jungen Künstlern stellt somit ein Wagnis dar, das viele Museumsdirektoren nicht eingehen wollen. Die von Sammlern erworbene zeitgenössische Kunst darf erst ins Museum Einzug halten, wenn die Experten der Branche das Urteil des Sammlers bestätigt haben.6 Daher nehmen Sammler die staatlichen Museen nach Ansicht von Fleck (2010: 7) als „pragmatische Verwaltungsapparate der Kunst“ und nicht als flexible und für junge, nicht arrivierte Kunst offene Kunstfördereinrichtungen wahr. Christian Boros bestätigt diese These: Öffentliche Museen haben noch nie „ganz frische Ware“ gekauft. Aber zeitgenössische Kunst wird immer relevanter in der Wahrnehmung, auch in der Bedeutung. Aber sie hat wenig Heimat. Die Ankaufetats der öffentlichen Museen sind niedrig, darüber hinaus sind die Museen auch nicht sehr schnell – mit wenigen Ausnahmen. In diesem Zusammenhang wagt Christian Boros einen Blick in die Vergangenheit und erinnert daran, dass die öffentlichen Museen im Bereich des Ankaufs und der Präsentation aktueller und zeitgenössischer Kunst immer zurückhaltend waren (vgl. Kapitel 2.1). Er verweist auf einige Berliner Sammler um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die ihre privaten Kunstwerke öffentlich zugänglich machten und als Gegenentwürfe zu den staatlichen Museen explizit die zeitgenössische Kunst förderten. Sehr oft wurde aktuelle Kunst zuerst von Privaten erworben, bevor sich Museen dafür interessierten. Als ich vor ca. zwölf bis fünfzehn Jahren Olafur Eliasson entdeckte, war ich einer der Ersten, der diesen Künstler gesammelt hat. [...] Kein Museum oder öffentliche Institution hat sich ganz zu Beginn für Eliasson begeistert. [...] Es gab in öffentlichen Häusern einfach nicht die Sensorik dafür.
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Hier scheint allerdings die Frage berechtigt, ob das öffentliche Museum grundsätzlich die Aufgabe hat, die aktuelle Kunstproduktion mittels seiner Sammlung abzubilden. Manche Museen folgten früher der strikten Regel, keine Werke von lebenden Künstlern zu erwerben oder als Schenkung anzunehmen, um einerseits den Verdacht der Begünstigung zu vermeiden und andererseits dauerhafte und objektive Urteile über Kunst fällen zu können. Heute scheinen sich viele Museen aus Gründen des Wettbewerbs und zur Erfüllung von Besucherquoten auf die Ausstellung zeitgenössischer Kunst konzentrieren zu wollen.
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Die „fehlende Sensorik“ mag ein weiterer Grund sein, warum private Sammler für die Präsentation ihrer Kollektionen fortan auf das Gütesiegel des öffentlichen Museums verzichten. Neben gescheiterten Kooperationsversuchen und der Tatsache, dass sich staatliche Institutionen mit eigenen Sammlungsbeständen heute außerstande fühlen, umfangreiche Privatsammlungen in ihre Bestände zu integrieren, haben unterschiedliche Interessen, die sich aus dem Zusammentreffen von öffentlicher und privater Sphäre zwangsläufig ergeben, die Gründung eigener Ausstellungsräume befördert. In ihren privaten Sammlungshäusern widmen sie sich der Präsentation und engagierten Vermittlung zeitgenössischer Kunst und gewinnen damit an Aktualität und Gegenwartsbezogenheit, die früher das Privileg der Galerien ausmachten. Private Sammler stellen damit einen großen Rückhalt für zeitgenössische Künstler dar, und schaffen eine öffentliche Plattform für junge, aktuelle und vom institutionalisierten Museumsbetrieb noch nicht kodifizierte Kunst. 7.1.2
Schaufenster für zeitgenössische Kunst
Christian Boros antwortet auf die Frage, was seines Erachtens die Gründe für die zahlreichen privaten Museumsgründungen der letzten Jahre sind: Ich glaube, es ist eine verstärkte Wahrnehmung von zeitgenössischer Kunst, die das getrieben hat. Ich kenne wenige private Sammlungen älterer Kunst. Ältere Kunstwerke werden gerne in die Obhut öffentlicher Museen gegeben, um sie in einen Kontext anderer älterer Werke einzugliedern. „Generell denke ich, dass es zu keiner Zeit so viel Interesse für zeitgenössische Kunst gab wie heute“, ist auch Julia Stoschek überzeugt. Zweifellos begeistert die Kunst der Gegenwart heute nicht nur eine Vielzahl von Sammlern, sie hat auch ein interessiertes Massenpublikum erobert. 19,2 Millionen Besucher wurden allein in Deutschlands Kunstmuseen im Jahr 2010 gezählt (Institut für Museumsforschung 2011: 20). Die Privatsammler zählen heute als direkte Partner der Künstler neben Galerien und Museen zu den wichtigsten Protagonisten des künstlerischen Geschehens. Sammler kaufen nicht nur aktuelle Kunstwerke, sie tragen mit ihren Aktivitäten ganz wesentlich zu ihrer Entstehung bei. Somit haben die Existenz und die Entwicklung privater Sammlungen zweifellos prägende Wirkung auf das zeitgenössische Kunstgeschehen. Mit ihren privaten Ausstellungsräumen haben sie zudem in der öffentlichen Rezeption von Gegenwartskunst einen maßgeblichen Stellenwert eingenommen. Auch am Kunstmarkt ist die Rolle der Privatsammler aktuell gewiss höher zu bewerten als jene der öffentlichen Museen. Der Kunstmarkt erlebt seit einigen Jahren eine beeindruckende und ausgeprägte Hochkonjunktur. In spektakulären Auktionen werden Höchstpreise für zeitgenössische Kunstwerke erzielt. Kaum ein staatliches Museum ist bei der drastischen Beschränkung der öffentlichen Mittel in der Lage bei den hohen Preisen mitzuhalten und am Kunstmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Den öffentlichen Häusern bleibt somit oft nur die Beobachterrolle, denn die gefragtesten und begehrtesten Kunstwerke der letzten zwei Jahrzehnte haben vorrangig Eingang in private Sammlungen gefunden. Die Präsentation, Vermittlung und Rezeption von Gegenwartskunst findet somit immer stärker in privaten Institutionen statt. Die aktive und vorherrschende
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Rolle, die Privatsammler am Kunstmarkt einnehmen, macht sie zu Meinungsbildnern und einflussreichen Strategen im Betriebssystem Kunst. Mit einem Beispiel aus England soll das verdeutlicht werden: Der britische Sammler und Inhaber von Europas größter Werbeagentur Charles Saatchi (*1943) hat eindrücklich bewiesen, dass Sammler eine bestimmende Rolle für den künstlerischen Erfolg von Kunstschaffenden sowie für die Etablierung von Kunstströmungen spielen können. Saatchi hat sich in den 1990er Jahren als Kunstpromotor der „Young British Art“ einen Namen und Künstler wie Damian Hirst, Sarah Lucas oder Rachel Whiteread zu internationalen Stars gemacht. Sein kluges Vermarktungspotenzial hat zudem erheblichen finanziellen Erfolg für alle Beteiligten mit sich gebracht.7 Denn „Saatchis Sammeltätigkeit, verstanden als Ankauf junger Kunst, ihrer Präsentation und Vermarktung, ist [...] nicht auf Dauer angelegt, sondern schließt den späteren gewinnbringenden Verkauf mit ein. [...] Sammeln bedeutet für ihn nicht ein Bewahren von Kultur in ihrem Eigenwert, sondern eine Spekulation mit ihrem Marktwert“, so Wimmer (2006: 12).8 Dass Spekulationen dieser Art bei Museumsleuten, deren oberstes Ziel es ist, Kunstschätze zu bewahren, zu erforschen und zu vermitteln, keinen Zuspruch finden, ist naheliegend. Das öffentliche Sammeln von Kunstwerken ist langfristig angelegt und dient dazu, die künstlerischen Zeugnisse der Epoche für die Nachwelt zu erhalten. Gewinnstreben und Gewinnmaximierung stellen Kategorien dar, die für Museumsleute nicht relevant sind. Das Beispiel von Charles Saatchi zeigt, dass Sammler den Einfluss besitzen, Kunstströmungen zu definieren, positive wie negative Marktwerte von Künstlern mitzubestimmen, den öffentlichen Diskurs und den Geschmack des Publikums zu beeinflussen. Für die in dieser Studie vorgestellten Sammler können vordergründige finanzielle oder manipulative Motivationen mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden. Die Sammler zielen auf ideelle und kulturelle Erträge ab und nicht auf monetäre. Dennoch sind Sammler stolz, wenn sich Mut und Risiko in der Beurteilung junger Kunst durch Wertsteigerung bezahlt macht. Hans-Michael Herzog sagt dazu: Aber gleichzeitig ist es auch eine Freude für den Sammler, den Unternehmer oder den Investor zu sehen, dass sich sein Investment bezahlt macht. Ein wichtiger Faktor für den unternehmerischen Geist ist sicherlich auch, dass man sieht, dass etwas an Wert zulegt. Wenn beispielsweise Kunstwerke innerhalb weniger Jahre im Wert um das Doppelte steigen.
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Charles Saatchi hat aber auch genau das Gegenteil bewirkt. An ihm lässt sich gleichfalls zeigen, dass Sammler im negativen Fall auf einzelne Maler ruinöse Auswirkungen haben können. Ein Beispiel ist der italienische Transavanguardia-Künstler Sandro Chia, von dem Saatchi ganze Werkblöcke aufgekauft und diese später gesamt verauktioniert hat. Das hatte zur Folge, dass die Preise von Chias Werken plötzlich drastisch fielen und sich jahrelang nicht von diesem Ausverkauf erholten. Charles Saatchi gründete 1985 in einer ehemaligen Fabrik die „Saatchi Gallery“, in der er seine private Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machte. Diese Privatinstitution wurde jährlich von rund 600.000 Personen besucht. Seit Oktober 2008 residiert die „Saatchi Collection“ in einer ehemaligen und für Ausstellungszwecke eigens adaptierten Kaserne in der noblen Londoner Kings Road. Vgl. http://www.saatchi-gallery.co.uk (28.3.2010).
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Friedrich E. Rentschler gehört zu jenen Sammlern, die nie nach Künstlernamen gekauft, sondern immer die Qualität des einzelnen Kunstwerks in den zentralen Blickpunkt gestellt haben. Viele Künstler hat er sehr früh gesammelt, noch bevor sie museal geadelt wurden. Der Sammler stellt fest: Durch den frühzeitigen Kauf von Kunstwerken, welche noch nicht kunsthistorisch abgesegnet sind, besteht ein nicht zu unterschätzendes materielles Risiko. Der Erfolg besteht deshalb sowohl darin, dass Kunstwerke von der Fachwelt und damit später auch kunsthistorisch akzeptiert und werthaltig sind, wie auch, dass der Kunstmarkt dies honoriert. Dass Sammler und die privaten Ausstellungsräume aufgrund ihrer Präsenz am Kunstmarkt und ihres Kenntnisreichtums in der Kunstlandschaft eine immer größere kulturpolitische Bedeutung erlangen, wird in der Fachwelt nicht nur positiv bewertet. Von der Macht der Sammler und ihrer Omnipräsenz in der Gegenwartskultur ist die Rede (vgl. Kritische Berichte 2006, Jocks 2011a, Jocks 2011b, Graw 2011). Vor dem Hintergrund sinkender öffentlicher Gelder für Kunst und Kultur dreht sich die aktuelle Diskussion um die Frage nach dem Einfluss und der Vorrangstellung von privaten Sammlern und ihrer Rolle im Betriebssystem Kunst. Schon 1996 haben Klaus Staeck und Hans Haacke aus diesem Grund die „Düsseldorfer Erklärung“ verfasst, deren zentrale Aussage wie folgt zusammengefasst werden kann: „Jede private Mark, die zusätzlich in die Kultur fließt, ist zu begrüßen. Jede private Mark jedoch, die eine öffentliche ablöst, bringt Gefahr der einseitigen Einflussnahme von Privatpersonen [...] auf öffentliche Institutionen“ (zit. nach Hermsen 1997: 219). Die Sammler wehren sich allerdings gegen die latenten Vorwürfe und Polarisierungen, sie würden die öffentliche Meinung absichtsvoll beeinflussen und wollten mit den öffentlichen Museen in einen Wettbewerb treten. Mich stört, dass die Privatsammler oft als Konkurrenten des institutionellen Sammelns gesehen werden. Das ist meiner Meinung nach völlig falsch. Ich habe das private Sammeln und Ausstellen immer als Ergänzung gesehen. Als subjektive und mit Fehlern behaftete und deswegen vielleicht interessante Ergänzung. Ein weiterer Mosaikstein im großen Gefüge des Sammelns, sagt Christian Boros. Die Sammler selbst sehen sich keineswegs als mächtige und treibende Kräfte im Betriebssystem Kunst. Alle Sammler betonen, dass sie ihre Einrichtungen als Ergänzung des öffentlichen Kulturbetriebes sehen und keine Rivalität aufbauen wollen. Karl Heinz Essl: Wir haben überhaupt keine Probleme mit öffentlichen Museen. Wir haben eine sehr gute Gesprächsbasis mit den öffentlichen Häusern und haben immer versucht, gute Beziehungen und keine Konkurrenz aufzubauen. Denn private Museen können die öffentlichen Museen nicht ersetzen. Es entsteht durch die privaten Häuser eine Vielfalt im Museumsgeschehen, es entstehen spannende, interessante und bunte Punkte – aber es heißt nicht, dass man die öffentlichen Museen dadurch substituiert.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Julia Stoschek sieht private Einrichtungen keinesfalls als Konkurrenz zu öffentlichen Museen, sondern als Bereicherung der Museumslandschaft. Ich schätze die Arbeit von öffentlichen Museen sehr. Ich würde mir sogar wünschen, dass die Museen noch viel mehr finanzielle Unterstützung durch den Staat bekämen. Friedrich E. Rentschler weist auf den Pluralismus hin: Die Ausstellung privater Sammlungen ist eine Bereicherung der gesamten Kunstszene. Auch Thomas Olbricht ist der Ansicht, dass wir [...] keineswegs auf die großen Häuser und Schatzkisten der öffentlichen Museen verzichten [können, d.V.]. Das ist ja unser Zeitwissen, unser kulturelles Gedächtnis, das dort gespeichert wird. Das sind zwei Welten. Ich freue mich daher immer, wenn diese beiden Welten sich treffen und über alle Konventionen hinweg Kooperationen entstehen. Denn im Normalfall sind es ja eher die öffentlichen Museen, die Vorurteile gegenüber den Privatsammlungen haben.
Diese Äußerungen belegen sehr deutlich, dass private Sammler ihre Aktivitäten nicht als Gegnerschaft zu staatlichen Institutionen sehen, sondern als subjektiv geprägte Ergänzung der Kunstlandschaft. Sie wollen für ihre gesammelte Kunst und Künstler ein öffentliches Forum schaffen und auch Positionen fördern, die außerhalb des institutionalisierten Kunstbetriebs stehen. Das Feld der aktuellen Kunst ist dabei das Gebiet, auf dem Sammler sich profilieren können. Der Marktwert der zeitgenössischen Kunst reduziert den Kreis der möglichen Käufer auf finanziell potente Persönlichkeiten oder Unternehmen. Öffentliche Museen haben hier kaum Chancen, aktiv mit zu gestalten. Durch die Kaufkraft, Publizität und das Fachwissen der privaten Sammler wird die Vorrangstellung von Kunsthistorikern und Vertretern öffentlicher Museen im Diskurs über zeitgenössische Kunst in Frage gestellt. Waren sie früher die unangefochtenen Experten in der Beurteilung der Kunst, so sind ihnen die Sammler heute ebenbürtig, wenn nicht sogar einen Schritt voraus. Der legendäre Satz „der Sammler geht voran“, den der Kölner Museumsdirektor Gert von der Osten (1969) im Jahr 1969 im Hinblick auf den einflussreichen Sammler Peter Ludwig geprägt hat, hat heute mehr Gültigkeit denn je. Individueller Geschmack und die persönliche Meinung des Privatsammlers münden in ein allgemeines Urteil, das auf die Kunstgeschichtsschreibung und die Sammelstrategien der staatlichen Museen Einfluss haben kann. Auch nach Jocks (2011a: 34) „scheinen sich heute die Gesetze des Kunstmarkts so verselbständigt zu haben, dass die Galeristen, Kunsthändler und private Sammler die Aktualität und damit die Geschichte von morgen bestimmen“. Dieses Thema und seine Konsequenzen für die zeitgenössische Museumskultur wird in Kapitel 8.1 kritisch in den Blick genommen. Dass zeitgenössische Kunst in öffentlichen Museen wenig Heimat hat, davon ist auch Erika Hoffmann überzeugt. Ihrer Meinung nach war es seit jeher privates Engagement, das die aktuelle Kunst gefördert und vorangebracht hat. War es nicht immer so? Schon in den siebziger Jahren haben wir in den Kunstvereinen und Kunsthallen – nicht in den Museen – die interessanten oder für uns anregenden Ausstellungen gesehen. Die Kunstvereine werden auch getragen von bürgerschaftlichem Engagement. Jetzt, nachdem der allgemeine Wohlstand so
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gewachsen ist und die privaten Sammlungen vorhanden sind, machen eben einige Private ihre eigenen Kunsträume. Thomas Olbricht (2011) nennt es gar die Pflicht eines Sammlers, die zeitgenössische und noch nicht etablierte Kunst zu fördern: „Die Schöpfer der Kunstwerke leben noch und schaffen weiterhin Werke, so dass es irgendwann zur Notwendigkeit oder gar Pflicht des Sammlers wird, diese Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Grund, warum ich sie nicht in einem Museum, sondern in den eigenen Räumen zeige, ist der, dass viel des von mir Gesammelten eben noch keine ‚anerkannte Kunst‘ ist.“ Ohne Zweifel bereichern die Sammler mit ihren privaten Ausstellungshäusern die Vielfalt und den Facettenreichtum der Museumslandschaft und tragen zur Förderung und Anerkennung gegenwärtiger Kunst bei. Die interessierte Öffentlichkeit profitiert davon, dass eine Vielzahl von Privatsammlern ihren zeitgenössischen Kunstwerken eine öffentlich zugängliche Heimstatt schenkt und ihre privaten Kunsträume Schaufenster für zeitgenössische Kunst darstellen. Es scheint gerade die im Gegensatz zu staatlichen Museen individuelle und exklusive Auswahl der Privaten zu sein, die beim Publikum auf besonderes Interesse stößt. Die Sammler betonen, dass Private seit jeher die zeitgenössische Kunst konsequenter als öffentliche Museen gefördert haben. Diese Meinung kann durch den historischen Rückblick und die Ausführungen in Kapitel 2 bestätigt werden. Die stärkere öffentliche Präsenz der privaten Sammler und ihrer kulturellen Aktivitäten macht diese Tatsache heute nur deutlicher sichtbar als früher. 7.1.3
Emanzipation der Sammler
Schenkungen und uneigennützige Übereignungen von privaten Kunstwerken an öffentliche Museen waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Regel. In Kapitel 2.6. konnte gezeigt werden, dass sich die unterschiedlichen Formen der Veröffentlichung von privatem Kunstbesitz auch zeitlich kategorisieren lassen. Bis weit in die Nachkriegszeit hinein genügte vielen Stiftern das Bewusstsein, gesellschaftlich verantwortungsvoll gehandelt zu haben. Ab den 1960er Jahren lässt sich die Tendenz erkennen, dass aus Schenkungen zeitlich befristete Leihgaben werden und an die Übereignung von Kunstwerken Auflagen gebunden sind. Heute gibt es kaum noch unwiderrufliche private Stiftungen und mäzenatische Übereignungen von Kunstwerken an öffentliche Kunsteinrichtungen. Die gegenwärtig übliche Praxis sind Dauerleihgaben. „Der Sammler, der ein Museum mit mehr oder weniger langfristigen, jedoch stets nur provisorischen ‚Dauerleihgaben‘ von Teilen seiner Sammlung beglückt, verwendet das Museum – teils in unbewusster, gleichwohl aber realer Weise – nicht mehr wie den der Zeit enthobenen Ort der Bewahrung, Aufarbeitung und Ausstellung des von ihm erworbenen Kunstwerks, sondern als einen Ausstellungsort seiner Sammlung, der in ähnlicher Weise stets in Bewegung zu bleiben hat wie das per se flexible Sammlermuseum“, so Fleck (2010: 7).
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Das öffentliche Museum wird nicht mehr als permanenter Ort der institutionalisierten Autorität im Bereich der Kunst wahrgenommen. Für einzelne Sammler ist das Museum sogar lediglich eine „Durchgangsstation“ geworden, in der private Kunstwerke aufbewahrt, ausgestellt, wissenschaftlich bearbeitet und auch im Wert gesteigert werden. Ein Aufsehen erregendes Beispiel dafür ist die rund 500 Werke zeitgenössischer Kunst umfassende Sammlung von Dieter Bock (1939-2010), die dem MMK – Museum Moderner Kunst in Frankfurt als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Nach Ablauf der Leihfrist im Jahr 2005 wurde das gesamte Konvolut vom Sammler abgezogen und gewinnbringend veräußert. Werden private Kunstwerke in renommierten Häusern öffentlicher Trägerschaft ausgestellt, dann steigt ihr Wert. Dem Sammler wurde vorgeworfen, die Wertsteigerung bewusst kalkuliert und als Spekulant das Museum nur als Ort der Nobilitierung seiner Kunst genutzt zu haben. Das MMK Frankfurt hatte zweifach das Nachsehen: Es musste nicht nur einen wichtigen Sammlungsteil entbehren, es hat sich auch unfreiwillig zum „Wertschöpfungsagenten“ (Grasskamp 2010a: 32) privater Kunstwerke gemacht. Auch wenn Dieter Bock sich an vertragliche Regelungen gehalten hat, schüren solche oder ähnliche Vorfälle Misstrauen und Vorurteile gegenüber anderen Sammlern, selbst wenn ihre Motive ausschließlich altruistischer Natur sind. Die Sammler stehen solchen Praktiken gleichfalls kritisch gegenüber. Julia Stoschek tadelt derartige Vorgehensweisen: Was ich allerdings auch nicht gutheiße ist, wenn ein Sammler, der kein eigenes Haus hat, ein Museum als Durchlauferhitzer benutzt, insofern als das Museum während der Leihzeit alle restauratorischen, konservatorischen und wissenschaftlichen Belange der Sammlung übernimmt und der Sammler nach 15 Jahren die Werke einfach abzieht und zur Auktion gibt. Das ist verwerflich. Aber ich erlebe einen sehr guten und kollegialen Umgang anderer Sammler, die viel für öffentliche Institutionen leisten, und ich sehe daher dem Verhältnis privater Sammlungen und öffentlicher Museen in der Zukunft positiv entgegen. Hans-Michael Herzog weist solche Kritik ebenfalls von sich: Wir sind keine Privatsammlung, die ihre Kunst in öffentlichen Museen nobilitiert und dann wieder abzieht. Oder wie andere Sammler mit ihrer teilweise widerlichen Einflussnahme auf die öffentliche Museumspolitik – so etwas liegt uns völlig fern. Die in dieser Studie vorgestellten Sammler wollen sich bewusst von solchen Praktiken distanzieren. In ihren Privatmuseen präsentieren sie ihre Kollektionen nach eigenen Vorstellungen, ohne dafür öffentliches Wissen oder öffentliche Gelder in Anspruch zu nehmen. Daher sind sie auch über Kritik, wie jener von Klaus Staeck (2002: 91), erhaben: „Es kann nicht angehen, dass künftig der Staat nur noch die Hüllen zur Verfügung stellt und organisatorisch unterhält, während private Geldgeber nach ihren Vorlieben und Abneigungen über die inhaltliche Ausgestaltung entscheiden, so ehrenwert jede private finanzielle und materielle Zuwendung auch sein mag, soweit sie nicht aus rein steuerrechtlichen Gründen erfolgt“, so Staeck.
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Die Gründung öffentlicher Privatsammlungen ist Ausdruck eines höheren Selbstbewusstseins der Sammler. Anstatt ihre Kollektionen in die Obhut staatlicher Einrichtungen zu geben, werden private Kunstwerke heute unabhängig und selbstbestimmt in eigenen Ausstellungsräumen präsentiert. Zwar betonen alle Sammler die Bedeutung sowie ihren Respekt gegenüber den staatlichen Kunstinstituten, wollen aber für die Ausstellung ihrer Kunst von den öffentlichen Museen nicht mehr abhängig sein. Karlheinz Essl: Das öffentliche Museum ist ja ein über die Jahrhunderte gewachsener Wissenspool, das darf man nicht unterschätzen. Davor habe ich eine große Hochachtung. Für die Präsentation seiner umfassenden Sammlung hat der Unternehmer in Klosterneuburg bei Wien seine eigenen Vorstellungen von einem Museum für zeitgenössische Kunst verwirklicht und unterstreicht dabei die Professionalität und Ernsthaftigkeit seiner Aktivitäten: Ein Museum, wie wir es führen, ist ein Kompetenzzentrum. Denn wir haben zehn Kunsthistoriker in unserem Haus angestellt, davon vier Kuratoren. Da ist ein großer Wissensstand vorhanden, was die zeitgenössische Kunst betrifft, das manifestiert sich in unserem Bereich. Aus dieser Haltung und der spürbaren Distanz, die öffentliche Privatsammler durch die Gründung eigener Kunsträume gegenüber der Institution Museum einnehmen, erkennt Peter Weibel (2007: 40) eine Emanzipation des Sammlers: „Diese Entwicklung ist das letzte Glied einer Reihe von Emanzipationen, welche die Bewegung der Kunstgeschichte in den letzten Jahrhunderten vorangetrieben hat.“ Weibel argumentiert, dass unterschiedliche Aufgaben des Kunstsystems, die früher auf eine Person konzentriert waren, sich im Verlauf der Entwicklung des Kunstsystems auf mehrere Personen verteilt haben. Jeder Aspekt aus diesem System hat einen eigenen Beruf generiert. „Schließlich ist nach dem Künstler, dem Händler, dem Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler, dem Galeristen und Museumsdirektor der Sammler zu einem eigenen Beruf geworden.“ Die These, dass die Emanzipation des Sammlers als Motiv für die zahlreichen Gründungen von privaten Kunstmuseen gesehen werden kann, wird auch von Beaucamp (2011a) geteilt: „Der Boom der Privatmuseen [...] illustriert die Verschiebungen: Die Sammler haben sich emanzipiert, sie arbeiten nicht mehr, wie die Gründerfiguren der Sprengel, Ludwig oder Ströher, am Gesellschaftsprojekt der Museen, sondern entwickeln ihre eigene [...] Kunstpolitik.“ Die Sammler haben sich durch ihre wachsende Kenntnis und Kompetenz aus der Abhängigkeit der öffentlichen Kunsteinrichtungen losgelöst. Nach Weibel (2007: 41) braucht der Sammler, der früher als „Amateur“ eingestuft wurde, heute das Urteil der Museumsexperten, der sogenannten Kenner, nicht mehr. Er ist selbst zum „Connaisseur“, zum Experten geworden und übernimmt in seinen eigenen Kunsträumen die
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Funktion von Kurator und Museumsdirektor. Diese These von Weibel erhält von den Sammlern weitgehend Zustimmung. Thomas Olbricht sagt: Die Entwicklung vom Amateur zum Connaisseur – das könnte sein, denn in der Tat, wir sind heute Connaisseure. Die öffentlichen Museen sind einfach zu langsam, sicherlich bedingt durch ihre Strukturen. In der zeitgenössischen Kunst geht es aber wahnsinnig schnell. Wahrscheinlich hat das insgesamt auch mit der weltweiten Vernetzung zu tun. [...] Heute sind wir nicht mehr von lokalen Geschehnissen abhängig, sondern wir schauen jetzt auch plötzlich die zeitgenössische Kunst weltweit an. Das gibt es in dieser geballten Form erst seit zwanzig Jahren. Ich glaube, das hängt auch damit zusammen. [...] Dadurch ist es auch für die Privatsammler einfacher geworden, wir sind selbständiger geworden und brauchen die institutionalisierten Wege über die Museen heute nicht mehr. Margit Biedermann erklärt: Ob die Sammler jetzt emanzipiert sind, weiß ich nicht. Ich denke, man ist mutiger, man traut sich was. Auch auf die Gefahr hin, dass man belächelt und das eigene Sammlungskonzept nicht verstanden wird. Aber wenn man als Sammler dazu steht, dann ist man über Kritik erhaben. Karlheinz Essl zeigt sich kritisch: Man muss aufpassen, dass man sich nicht selbst überschätzt. Bei allem Engagement, das man hat, muss auch die Demut im Vordergrund stehen. [...] Aber es stimmt schon, dass sich die privaten Sammler emanzipiert haben, denn wenn man sich 40 Jahre so intensiv mit der Kunst beschäftigt, wie wir das machen, wenn man viel reist und mit Museumsleuten, Sammlern und Künstlern zahlreiche Gespräche führt, dann bekommt man sicherlich einen guten Überblick, ein großes Wissen und hat viel Erfahrung, das ist keine Frage. In langjähriger Sammeltätigkeit – Friedrich E. Rentschler und Karlheinz Essl sammeln seit rund 40 Jahren, Frieder Burda seit 35 Jahren, Erika Hoffmann und Margit Biedermann seit 30 Jahren, Thomas Olbricht seit 25 Jahren, Christian Boros seit 20 Jahren, Hans-Michael Herzog seit elf Jahren, Julia Stoschek seit zehn Jahren – haben sich alle Sammler dieser Studie umfangreiche Kenntnisse in ihren Sammelgebieten angeeignet und dank hoher Seherfahrung einen Blick für Qualität entwickelt. Durch jahrzehntelange Beschäftigung verfügen alle Sammler über sehr gute Kontakte zu Künstlern, Galeristen und Vertretern öffentlicher Institutionen und sind mit den Mechanismen des Museumsbetriebs und des Kunstmarkts bestens vertraut. Aus diesem Grund vermutet auch Hans-Michael Herzog, dass „ein größeres Selbstbewusstsein“ der Privatsammler ein untergründiges Leitmotiv für die Gründung eigener Museen und privater Ausstellungsräume sein könnte. 7.1.4
Eigenes Gestaltungsbedürfnis
Mit dem größeren Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der Sammler wächst auch der Wunsch, das Gesammelte persönlich auszuwählen und zu präsentieren. Friedrich E. Rentschler erklärt:
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Nachdem ich die Kunstwerke fast 40 Jahre lang an internationale Museen ausgeliehen habe, wollte ich in eigenen Räumen mein Konzept des Sammelns darstellen. [...] Selber Gestalten war mir ein Bedürfnis. Der Sammler verspürte schon lange den Wunsch, seine Sammlung nach seinen eigenen Vorstellungen zu inszenieren und zu präsentieren. „Gestaltungswille ist sicher ein Hauptmotiv, auch für den Ausbau der Räume im Ulmer Stadtregal. Gestalten macht mir große Freunde“ (zit. nach Ruhrberg 2009: 63). Auf die Frage nach möglichen Gründen, warum viele Sammler in den letzten Jahren eigene Ausstellungsräume eröffnen, antwortet Friedrich E. Rentschler: Ich gehe davon aus, dass auch andere Sammler ihr Sammlungskonzept durch die Gestaltung in eigenen Räumen deutlich machen wollen. Diese Vermutung konnte durch die weiteren Interviews bestätigt werden. In ihren eigenen Museen können die Sammler unabhängig und nach eigenen Vorstellungen gestalten. Christian Boros führt aus: Bevor ich mit meiner Sammlung selbst den Weg in die Öffentlichkeit gegangen bin, habe ich meine Kunstwerke in staatlichen Museen gezeigt. Da wäre ich nie auf die Idee gekommen, selber Hand anzulegen. Ich habe die Verantwortung an die Kuratoren abgegeben. [...] Das ist durchaus spannend, aber letztendlich wollte ich es doch selbst machen. Dabei war mir klar, dass das in einem öffentlichen Haus nicht möglich ist. Thomas Olbricht schließt an: Wenn ich eine Kooperation mit einem Museum eingehe, dann möchte ich gar nicht führen, dann soll das Museum die Führung übernehmen. Dafür ist das öffentliche Haus ja auch da. Aber wenn ich ein eigenes Haus habe, brauche ich das alles nicht mehr, das macht es natürlich einfacher. Margit Biedermann erklärt: Ich bin gerne bereit, meine Sammlung auszuleihen, aber das, was in einer Ausstellung passiert, dem möchte man eigentlich seinen eigenen Duft geben. Wenn man über viele Jahre eine Sammlung aufgebaut hat, dann ist der Wunsch, diese Sammlung auch kuratorisch zu betreuen, mehr als verständlich, kennt doch niemand die Sammlung so gut wie der Sammler selbst. Während bei der Ausstellung privater Sammlungen in öffentlichen Museen die Kuratoren entscheiden und das letzte Wort haben, so können Sammler in ihren Häusern unabhängig von musealen Traditionen und Mechanismen ihre eigenen Vorstellungen von der Präsentation und Zusammenstellung von Kunstwerken realisieren. In ihren eigenen Ausstellungsräumen werden die Sammler selbst zu Künstlern, wie Marcel Duchamp das einst formulierte: „Der wahre Sammler ist, meiner Meinung nach, ein Künstler – im Quadrat. Er wählt Bilder aus und hängt sie an seine Wände; mit anderen Worten, ‚er malt sich selbst eine Sammlung‘“ (zit. nach Stauffer 1973: 45). Friedrich E. Rentschler (2008) merkt dazu an:
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT „Kunstwerke wirken auch im Zusammenklang miteinander, je nachdem wie man sie zusammen positioniert im Raum. Was passiert da [...] an geistiger Veränderung? Ich rede jetzt nicht von kunstgeschichtlichem Wissen, sondern von kunstgeschichtlicher Empfindung. Insofern bin ich wohl ein Sammler, sehe mich dabei aber auch selbst als Künstler und Interpret. Sammeln bedeutet für mich auch Gestalten mittels der Spannung zwischen den Werken.“
„Ein echter Sammler ist ein verhinderter Künstler“, sagte einst der Schweizer Emil G. Bührle. „Wie sich ein gewisser Stil entwickelt, [...] so führt auch den Sammler sein persönliches Temperament [...] zu einer Art Stil, der den Charakter der Sammlung bestimmt. Je deutlicher ein solcher Stil sich in einer Sammlung ausprägt, desto mehr stellt sie eine Art Schöpfung dar“ (zit. nach Cabanne 1961: 172). Die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz (2008: 44) sieht das Formulieren einer eigenen Aussage durch „das Zusammentragen und Positionieren verschiedener künstlerischer Wahrnehmungen dieser Welt“ ebenfalls als eine „nicht unerheblich [...] schöpferische Aufgabe“. „Es ist doch ganz normal, dass man sich durch das Sammeln [und das Gestalten, d.V.] auch intellektuell Sachen aneignet und erarbeitet“, ist Christian Boros überzeugt. „Es ist eine Näherung an das geistige Eigentum anderer Menschen“ (zit. nach Kleine 2010: 151). Die Zitate offenbaren den Wunsch der Privatsammler, die Präsentationsweise der von ihnen gesammelten Kunst selbst zu bestimmen. Bei Kooperationen mit öffentlichen Museen kann der Sammler auf die Ausstellungsgestaltung in der Regel nicht einwirken. Sein Einflussbereich endet mit der Übergabe seiner Kunstwerke, denn die Macht der Entscheidung obliegt dem öffentlichen Institut. Wie in Kapitel 7.1.1 gezeigt wurde, erhöht der Wunsch nach einem Mitspracherecht die Häufigkeit von Irritationen zwischen öffentlichen Museen und privaten Sammlern. Daher bieten sich mit der Gründung von privat finanzierten Kunsträumen den Sammlern erstmals faszinierende Gestaltungsmöglichkeiten. In ihren eigenen Ausstellungsräumen können sie ihre Ideen und Wünsche von der Präsentation und Vermittlung der Kunstwerke ihrer Kollektionen kompromisslos verfolgen. Das Kuratieren und Gestalten einer Ausstellung ist ein kreativer Akt, der die Sicht des Sammlers auf die Kunst und seine Sammlung vertieft und bereichert. Die Aneignung der Kunstwerke erfolgt damit nicht nur über Kauf und Besitz, sondern auch durch deren geistige Durchdringung. Die Sammler vertrauen ihrer eigenen Meinung und ihren Auswahlkriterien und treten als Experten auf die Stufe von Kuratoren und Museumsdirektoren. Dabei wollen sie nicht mit Wissen und kuratorischer Sensibilität beeindrucken, sondern authentische Orte schaffen, an denen ihre private Passion für Kunst gepflegt wird. 7.1.5
Liebe zu den schönen Dingen
Auf die Frage, welche Motive für die häufige Gründung öffentlicher Privatsammlungen ausschlaggebend sein könnten, antwortet Hans-Michael Herzog: Ich glaube nicht, dass es nur profilsüchtige Neurosen sind, sondern dass Private auch wirkliche Freude am Sammeln haben und was Schönes tun wollen.
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Diese Vermutung kann durch Aussagen und Kommentare der Sammler bestätigt werden. Es sind zwei Aspekte, die den öffentlichen Privatsammler kennzeichnen: Zunächst bereitet es dem Sammler Freude, sich mit Kunstwerken zu umgeben. Er begeistert sich entweder für deren visuellen Reize und ästhetische Wirkung oder er sucht intellektuelle und schöpferische Herausforderungen. Schließlich möchte er die Bereicherung, die eine Auseinandersetzung mit Kunst mit sich bringt, und seine Freude auch mit anderen Menschen teilen und sie zum künstlerischen Diskurs einladen. Für mich ist es befriedigend, mit anderen Menschen etwas zu teilen, etwas zu geben, ihnen die Augen für etwas zu öffnen – und sie auf diese Weise vielleicht zu einer anderen Art des Umgangs mit ihrem eigenen Leben, mit den Entscheidungen für ihr Leben zu inspirieren. Das wäre schön, so Erika Hoffmann. Wenn zufriedene Menschen aus dem Museum gehen, im Museum etwas Schönes erlebt haben und sich draußen auf die Bank setzen und zufrieden sind, bin ich auch zufrieden, sagt Margit Biedermann. Frieder Burda (2004: 8) schreibt im Vorwort des Katalogs seiner Eröffnungsausstellung: „Kunstwerke in einem Museum zu zeigen, ist das Schönste, was einem Sammler passieren kann. Mir liegt aber auch daran, die Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit geht für mich ein Traum in Erfüllung. [...] Die Sammlung soll möglichst vielen Menschen Freude bereiten.“ Der österreichische Museumsgründer Karlheinz Essl (2007a: 13) ist der Ansicht, dass, „wenn Kunst tatsächlich in der Lage ist, Menschen zu bewegen und ihnen einen neuen Blick in die Welt zu vermitteln [...] und Toleranz zu fördern, dann sind jedes persönliche Engagement und jeder finanzielle Aufwand gerechtfertigt“. „Wenngleich Kunst die Welt nicht grundlegend verändern kann, vermag sie doch einen Beitrag zum Besseren und zur Verständigung der Menschen untereinander zu leisten. Dafür lohnt sich jeder Einsatz, und in diesem Licht ist unser Engagement für die Kunst zu verstehen. Darüber hinaus gibt es aber auch die ganz banale Freude am Betrachten eines Kunstwerks, das Spüren der Kreativität, die sich in Energie manifestiert und unser Leben in jeder Phase der Existenz inspiriert und beflügelt.“ Der Philosoph Manfred Sommer (2011: 46) nennt den Kunstsammler den „Sammler par excellence“, weil er „ästhetische Objekte auf ästhetische Weise sammelt, rein Sehenswertes um der dauerhaften Ausstellung willen“. Werke der bildenden Kunst zeichnen sich gegenüber anderen sehenswerten oder sammelbaren Objekten dadurch aus, dass sie, so Sommer, „eigens und ausschließlich zum Zwecke des Anschauens hervorgebracht wurden“. Das Besitzen solcher sehenswerten Objekte bringt für den Sammler den Vorteil, dass er sie jederzeit betrachten kann. Auch Grasskamp (2010a: 30) erkennt in der permanenten Verfügbarkeit der sehenswerten Objekte ein Privileg des Privatsammlers. Die eigenen Ausstellungsräume bieten dem Sammler die Möglichkeit, einen Großteil seiner Erwerbungen nicht nur beziehungsreich anzuordnen,
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sondern sich auch in ständigem Dialog mit ihnen zu bewegen. Anstatt die Kunstwerke in Depots zu lagern und in Kisten zu verbergen, können die sehenswerten Objekte in den persönlichen Präsentationsräumen ihre Sichtbarkeit repräsentativ entfalten. „Wer etwas Sehenswertes hat, will es nicht nur selber sehen, sondern es auch andere sehen lassen, es ihnen zeigen“, so Sommer (2011: 46). In seinen Ausstellungsräumen hat der öffentliche Privatsammler das Vorrecht der alleinigen Betrachtung seiner Kunst aufgegeben und macht sie allgemein zugänglich. Er will seine Kunstwerke nicht „dem allgemeinen Genuss entziehen“ und „nach Art des Geizhalses dem eigenen Genuss reservieren“, wie Brieger (1931: 1) den Sammler einst charakterisierte, sondern lässt nun die Öffentlichkeit daran partizipieren. Wenn man die Resonanz bekommt, dass Menschen glücklich sind, dass sie ihre Sorgen und Probleme im Museum vergessen und sich öffnen können für die Kunst, wenn sie dann aus dem Museum wieder hinausgehen und die Welt durch die Kunst ein neues Gesicht bekommt, dann ist das für uns ein Zeichen dafür, dass es wichtig ist, was wir tun. Und solche Äußerungen gibt es häufig, so Karlheinz Essl. Die Besucher sind insofern wichtig für mich, als es mich mit großem Glück erfüllt, wenn ich sehe, wie begeistert meine Aktivitäten aufgenommen werden, erklärt Julia Stoschek. Sie kennen ja den Spruch: Kunst ist schön, aber macht viel Arbeit. [...] Der Dank für all die Mühe sind die Besucher. Wenn die Besucher auf mich zukommen und mir sagen, dass das Haus schön ist und dass die Ausstellungen gut sind, dann ist das mein Dank für die Mühe, die ich mir gemacht habe.[...] Ich finde, mehr kann man nicht verlangen, resümiert Frieder Burda. Als Keim des Sammelns nennt Holz (2011: 31) die „Freude am schönen Objekt“. Die Sammler wollen sich mit schönen Dingen umgeben, sie schätzen ihre Besonderheit, ihre Einzigartigkeit, ihren Zauber und die Fähigkeit, den Betrachter emotional anzuregen. Im Erleben dieser Dinge erkennt Holz (2011: 36) „ein Bewusstwerden von Welt. Das Leben mit Kunstwerken ist ein dauernder Anstoß zu diesem Bewusstwerden. Kunstwerke um sich zu haben, bedeutet eine Vertiefung der Welterfahrung.“ Solch tiefe Erfahrungen machen vier Sammler dieser Studie, da sie in ihren Ausstellungsgebäuden leben. Es gibt nichts Schöneres, als in der Kunst, die man gesammelt hat, auch zu wohnen“, sagt Julia Stoschek (zit. nach Lindinger / Schmid 2007: 63). Außer ihr bewohnen Christian Boros, Friedrich E. Rentschler und Erika Hoffmann ihr privates Kunstrefugium. Erika und Rolf Hoffmann, die zu den Pionieren der öffentlichen Privatsammler zählen, waren die Ersten, die diese ungewöhnliche Lebensform 1997 in Berlin praktiziert haben. In der Sammlung Hoffmann findet auch die engste Verschränkung von Kunst und Privatsphäre statt. Erika Hoffmann erläutert: Hier ist die Kunst mit dem Privaten eng verschränkt, hier stehen Möbel, Arbeitsgeräte in den Büros, es liegen Zeitungen herum, häufen sich Papiere und Kataloge. In manchen Räumen sieht man Spuren des täglichen Lebens, und das macht natürlich einen besonders großen Unterschied. Jedenfalls wird mir das von vie-
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len Besuchern mitgeteilt, dass es so ungewohnt sei, etwas zu sehen, dass jemand ausgewählt hat, um damit zu leben – die meisten Menschen können sich das gar nicht vorstellen. Aber darum ging es meinem Mann und mir, eine Idee davon zu vermitteln, wie bereichernd und anregend ein Leben mit Kunst sein kann. Julia Stoschek und Christian Boros leben zwar auch in ihren Ausstellungsgebäuden, aber in separaten Penthäusern mit eigenen Eingängen. Erika Hoffmann unterscheidet: Sowohl bei Frau Stoschek als auch bei Herrn Boros ist die Sammlung vom Zuhause abgetrennt. Das ist aber das wirklich Wichtige für mich, dass ich in und mit der Kunst lebe und nicht über die Straße oder ein Stockwerk tiefer gehen muss. Für Julia Stoschek ist das Stockwerk oberhalb ihrer Ausstellungsräume als Wohnraum nah genug an der Kunst. Ihre Sammlung zeitbasierter Medienkunst ist im Vergleich zu statischen Kunstwerken im täglichen Umgang auch wesentlich komplizierter. Die Sammlerin schätzt gleichfalls die Nähe und die Möglichkeit, Videoarbeiten immer wieder und zu unterschiedlichen Tageszeiten und Seelenlagen betrachten zu können. Ich bin ganz nah dran, denn ich wohne ja auch in diesem Haus, mit allen Vorund Nachteilen, die ein öffentliches Gebäude mit sich bringt. [...] Noch geht’s mir damit ganz gut. Aber mögen muss man das schon. Viele Menschen haben eine sehr romantische Vorstellung von dieser Lebensform. Sie denken, die Sammlerin steht früh auf und geht gleich im Bademantel durch die Ausstellung, etc. So romantisch ist das aber nicht. Aber ich habe das große Glück, dass ich Arbeiten oft und in unterschiedlichen Stimmungen sehen kann. [...] Ich gehe auch oft an Samstagen in die Ausstellung, oft mit einer Kappe, um unerkannt zu bleiben, und dann erfüllt es mich mit großem Glück, wenn ich sehe, dass Menschen sich Zeit nehmen und lange Wege in Kauf nehmen, um hierher zu kommen und meine Sammlung zu sehen. Auch Friedrich E. Rentschler hat sich im Ulmer Stadtregal einen neuen Lebensbereich, ganz nahe an seiner Kunst, geschaffen. Er könnte, wenn er wollte, im Bademantel durch seine Sammlung flanieren. Die Kunst gehöre zu seinem Leben, sagt der Sammler. Die eigenen Räume bieten dem Sammler die Möglichkeit, seine Kunstwerke ständig um sich zu haben, aber auch andere an diesem Erleben teilhaben zu lassen. Das Besondere und Einmalige an der Sammlung FER Collection ist nicht die Verschränkung von Privatsphäre und Kunst, die bei den anderen Sammlern genauso zum Tragen kommt, sondern dass die Besucher in den meisten Fällen vom Sammler persönlich durch die Ausstellungsräume geführt werden. Sammler wie Friedrich E. Rentschler sind Kunst-Aficionados und sie wollen etwas Schönes tun. Sie verspüren ein gewisses Sendungsbewusstsein und wenden sich mit ihrer ästhetischen Botschaft an die Öffentlichkeit, indem sie sich und ihre Sammlungen exponieren. Christian Boros bezeichnet sich gar als Zwangsbeglücker. „Kunst hat mein Leben verbessert. Kunst hält mich neugierig, und das hält mich jung. Kunst ist für mich Nahrung und Medizin zugleich“, sagt Christian Boros (zit. nach Kleine 2010: 154).
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Thomas Olbricht (2010b) ergänzt: „Mit der Eröffnung des me Collectors Room Berlin habe ich mir einen großen Wunsch erfüllt und der Sammlung, einer gefühlten Notwendigkeit folgend, mit Freude Raum gegeben. [...] Nicht allein dieser Wunsch nach Öffentlichkeit war es, der mich dazu gebracht hat, die Türen zu öffnen, sondern die Hoffnung, dass ich mit der Vielfalt meiner Kollektion Menschen dazu bringen kann, Kunst in einem anderen Kontext zu betrachten. Es wäre schön, bei den Besuchern dadurch weiteres Interesse für Kunst zu wecken, sie anzuregen und sie in Staunen zu versetzen.“
Andere Menschen an ihrem Sammelvergnügen teilhaben zu lassen, betrachten alle Sammler als gesellschaftliche Verantwortung und als Freude. Thomas Olbricht sagt: Es ist Leidenschaft, es ist Freude, es ist Sammellust und die Freude, es anderen Menschen zu zeigen – mit allen auch negativen Folgen, die damit verbunden sind.9 Mit der Präsentation ihrer Kunstsammlungen in öffentlich zugänglichen Einrichtungen möchten sich die Sammler eine erfüllende Aufgabe schaffen und ihre Zufriedenheit steigern. Ihr Enthusiasmus für die Kunst soll andere Menschen in kreativer und produktiver Weise inspirieren. Die Motivation, öffentliche Privatsammlungen zu gründen, lässt sich mit den Beweggründen vergleichen, die Menschen dazu veranlassen, ihr Vermögen wohltätig zu stiften. Die Bertelsmann Stiftung hat im Jahr 2005 mögliche Motive für Stiftungsgründungen untersucht. Am häufigsten wurde der Wunsch, etwas zu bewegen, genannt (68%), gefolgt von Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mitmenschen (66%), dem Willen, eine bestimmte Einrichtung langfristig zu unterstützen (49%), und der Gesellschaft etwas zurück geben zu wollen (41%).10 7.1.6
Verantwortungsbewusstsein der Sammler
Den Wunsch der Sammler, ihre private Kunst mit der Allgemeinheit zu teilen, hat es seit jeher gegeben. Der historische Rückblick in Kapitel 2 hat gezeigt, dass gesellschaftliche Verantwortung, bürgerschaftliches Engagement und das Interesse am Gemeinwohl zur Öffentlichmachung privater Kunstschätze geführt haben. Zahlreiche Sammler wollen ihre Begeisterung, ihre Leidenschaft und ihre Freude an der Kunst anderen Kunstfreunden zugänglich machen und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Die in Kapitel 2 verstetigten besonderen Merkmale privaten Sammelns, nämlich der Wunsch, die eigenen Sammlungen zu zeigen und damit die allgemeine Bildung und ästhetische Erziehung der Öffentlichkeit zu fördern, trifft vollumfänglich auch auf die heutige Sammlergeneration zu (siehe dazu Kapitel 7.5.1.3).
9
Auf die negativen Folgen, die mit der öffentlichen Präsentation einer privaten Sammlung auch zwangsläufig verbunden sind, wird in Kapitel 7.5.1.1 eingegangen. 10 Vgl. http://www.stiftungen.org/de/news-wissen/stiftungsgruendung/motivation.html (1.10. 2011).
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Das Anliegen vieler privater Sammler, ihre Kunst mit der Öffentlichkeit zu teilen, lässt sich mit einem Grundsatz von Oskar Reinhart trefflich beschreiben. Er erklärt das Kunstwerk zwar zum Besitz von Einzelnen, den Besitzer aber lediglich zum Sachwalter auf Zeit. Denn in einem höheren Sinne ist die Kunst immer Allgemeingut (vgl. Kapitel 2.2.3). In diesem Sinn antwortet auch Karlheinz Essl auf die Frage, was ihn und seine Gattin dazu bewogen hat, die eigene Kunstsammlung öffentlich zu machen. Als stärkste Motivation seiner Museumsgründung nennt er seinen kulturellen Auftrag: Es geht uns nicht darum, Kunst zu sammeln und Kunst zu besitzen. Denn Kunst kann man nicht besitzen, Kunst ist für die Ewigkeit, für die Öffentlichkeit gemacht, auch wenn wir zurzeit rein rechtlich die Eigentümer sind. Aber wir meinen einfach, dass Kunst für die breite Öffentlichkeit da sein muss. Aus diesem Grunde haben wir dann auch eine Stiftung ins Leben gerufen, die über unser zeitliches Leben hinausgeht und dazu dient, dass die Kunst über weitere Generationen hinweg öffentlich sein wird. Wir sehen hier eindeutig einen kulturellen Auftrag für uns. Darüber hinaus sieht Karlheinz Essl auch eine durch seine religiöse Einstellung bedingte soziale Verpflichtung: Mir und meiner Familie war klar, dass wir so wichtige Kunstschätze beherbergen und beschützen und dass diese Schätze eigentlich der Gesellschaft gehören. Ich fühle mich auch nicht als Besitzer, mehr als Verwalter – obwohl das sehr bürokratisch klingt. Ich bin jemand, dem es gegeben ist, Kunst zu sammeln, aber auch zu vermitteln und viele Menschen mit Kunst in Verbindung zu bringen. Der Antrieb ist bei uns auch ein religiös-ethischer. Wir sind Protestanten und sehen eine Verantwortung in dieser Welt, um auch positiv in der Öffentlichkeit zu wirken. In gleicher Weise fühlt Margit Biedermann eine soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern ihrer Firma, die als Angestellte zum Wachstum des Unternehmens beigetragen haben. Da die Kunstsammlung ohne das Unternehmen nicht existieren würde, haben auch die Mitarbeiter ihren Anteil daran. Als Museumsgründer kann man kein Geld verdienen – weder mit den Eintrittsgeldern noch mit den Veranstaltungen können wir Geld verdienen. Wir können sagen, wir leisten uns das und geben unserer Bevölkerung etwas zurück. Viele unserer Mitarbeiter, die ja auch den Wert der Firma mit erarbeitet haben, wohnen in Donaueschingen. Wir sehen das auch als soziale Verpflichtung. Christian Boros nennt gleichfalls eine gesellschaftliche Verantwortung als Motivation: Wenn man rund 600 Werke besitzt und diese im privaten Kontext gar nicht zeigen kann, hat man auch eine Verantwortung. Man muss die Kunst nicht nur sorgsam lagern, sondern muss sie auch zeigen und teilen. Erika Hoffmann nennt den Fall der Berliner Mauer und den Beginn eines neuen Zeitalters nach der Wiedervereinigung als wichtigsten Beweggrund, ihre Sammlung mit der Öffentlichkeit zu teilen:
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Für uns war das die Wende, der Fall der Mauer. Wir fühlten uns aufgerufen und verpflichtet, irgend etwas zu tun. Etwas beizutragen, was für uns als „Westler“ ganz selbstverständlich, im Osten aber unbekannt war. Die für uns wesentlichsten Erfahrungen machten wir über die Kunst. Wir fanden das zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung besonders interessant, weil wir der Ansicht waren, dass man gerade in der zeitgenössischen westlichen Kunst beispielhaft sehen konnte, wie Künstler mit Freiheit umgehen. Künstler nehmen sich ihre Freiheit und verteidigen sie gegenüber den Zwängen der Gesellschaft. Außerhalb von deren Reglement sind sie für sich selbst verantwortlich. Dass also Freiheit ein Risiko einschließt – das schien uns – und mir scheint das heute noch so zu sein – ein wesentliches Charakteristikum der zeitgenössischen Kunst oder von Kunst überhaupt. Denn jeder Künstler ist auch in gewisser Weise ein Regelbrecher, sonst wäre seine Arbeit nicht originär, nicht authentisch, sondern Wiederholung. Für uns war das im übertragenen Sinn immer ein Beispiel, wie man sein Leben führt. Dass größere persönliche Freiheit auch ein größeres persönliches Risiko mit sich bringt, dem man mit eigener Initiative begegnen muss, das ist niemandem östlich des eisernen Vorhangs klar gewesen.
Die Sammler wollen „eine Idee davon vermitteln, wie bereichernd und anregend ein Leben mit Kunst sein kann“ (Erika Hoffmann), und wollen ihr Bedürfnis, gesellschaftliche Prozesse durch die aktuelle Kunstproduktion zu analysieren, mit anderen teilen. Anregung und Begeisterung zu schaffen, war auch für den legendären Galerist, Sammler und Museumsgründer Ernst Beyeler eine Maxime: „Es gilt Begeisterung zu wecken, denn Begeisterung ist das, was wir am meisten benötigen – für uns und für die jüngere Generation“ (Hohl 2007: 25). Demgemäß liegt die Erziehung und Bildung der Jugend und deren Förderung von Kreativität einer Reihe von Sammlern am Herzen. Sie haben den Wunsch, mit ihren privaten Kunsträumen die ästhetische Erziehung und visuelle Schulung der Allgemeinheit zu fördern und damit den öffent11 lichen Bildungsauftrag von privater Seite her zu unterstützen. Frieder Burda hat bereits vor seiner Museumsgründung eine Kinderkunstwerkstatt ins Leben gerufen, deren besonderes Anliegen es ist, die eigenständige und kreative Ausdruckskraft von Kindern zu fördern. Sowohl das Essl Museum, das seit mehr als zehn Jahren sehr aktiv im Bereich der Vermittlung von Kunst tätig ist, als auch das Daros Museum Zürich, das Museum Biedermann, die Sammlung Boros und der me Collectors Room Berlin bieten spezielle Programme und Workshops für das junge Publikum an.
11 In dieser Tradition stehen heute auch andere private Kunstmuseen wie die Kunsthalle Emden oder der vom Schweizer Künstler Gottfried Honegger in Südfrankreich gegründete Espace de l’Art Concret, ein privates Museum für Konkrete Kunst. Beide Museen widmen sich intensiv der schöpferischen und künstlerischen Förderung der jüngeren Generation. Zu diesem Zweck wurden den Museen eigene Malschulen und Ateliers angegliedert, die die individuelle und ganzheitliche Förderung von Kreativität und Fantasie der Kinder zum Ziel haben.
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Die privaten Sammler dieser Studie verstehen die öffentliche Zugänglichkeit ihrer Sammlungen als kulturellen Auftrag und soziale Verpflichtung. Dieses uneigennützige und großzügige Handeln, auch als Altruismus oder Philanthropie bezeichnet, wird in unserer heutigen Gesellschaft oftmals skeptisch betrachtet. Privaten Aktivitäten mit negativen Kosten-Nutzen-Relationen wird gerne unterstellt, dass sie aus Motiven der Selbstdarstellung oder aus rein steuerlichen Gründen getätigt werden und sich so auf lange Sicht doch zum Vorteil des Wohltäters entwickeln. Pomian (1998: 18) führt an, dass „der Besitz von Sammlungsstücken Prestige verleiht, da sie vom Geschmack dessen zeugen, der sie erworben hat, oder von seiner starken intellektuellen Neugier, oder seinem Reichtum, oder seiner Großzügigkeit, oder gar von allen diesen Qualitäten“. Ohne Zweifel zeichnet die Sammler dieser Studie eine großzügige Haltung und ihr Engagement im Dienste der Öffentlichkeit aus, das gesellschaftliche Anerkennung und die Nobilitierung des öffentlichen Privatsammlers rechtfertigt (siehe auch Kapitel 7.1.9). 7.1.7
Freundschaft mit Künstlern
Neben ihrem bürgerschaftlichen Engagement und dem Wusch, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen, empfinden Sammler eine große Verantwortung der Kunst und den Künstlern gegenüber. Die „Zufriedenheit der Künstler ist mir wichtiger als die Zufriedenheit der Besucher“, sagt Julia Stoschek, die mit der Errichtung ihres privaten Ausstellungshauses primär den Wunsch verfolgte, die Werke ihrer Sammlung sichtbar zu machen und für die Künstler ideale Präsentationsbedingungen zu schaffen. Ich habe das oft erlebt, wie unglücklich Künstler sind, wenn ihre Arbeiten falsch installiert sind. Das hat mich sehr getroffen und auch geprägt. Das ist sicherlich der Ansporn. [...] Die Arbeiten, die oft über Jahre mit großer Intensität und viel Herzblut entwickelt wurden, so zu präsentieren, wie die Künstler sich das wünschen – das ist auch eine Hauptaufgabe dieses Hauses. Julia Stoschek erfährt für ihr Bemühen, „den Wünschen der Künstler gerecht zu werden“, nicht nur hohe Anerkennung von den Kunstschaffenden, sondern ihre großzügigen und besucherfreundlichen Präsentationsformen von Medienkunst haben auch in der Fachwelt einen sehr guten Ruf. Neben der großen Leidenschaft für die Kunst engagiert sich Julia Stoschek für künstlerische Entstehungsprozesse. Die junge Sammlerin fördert Produktionsbedingungen medienbasierter Kunst, die ohne ihre Unterstützung nicht realisiert werden könnten. Darüber hinaus wirkt sie auch selber in Performances mit. Julia Stoschek hat damit eine neue Form des Sammelns und Förderns etabliert, die es in dieser Ausprägung bis dato nicht gegeben hat. Auf die Frage, ob ihre umfangreichen Aktivitäten eine neue Form des Sammelns begründen, sagt Julia Stoschek: Das müssen andere beurteilen. Aber ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Jedenfalls sind Kunst und Leben bei mir ganz eng miteinander verbunden, das betrifft das Haus und das betrifft auch meine Person.
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Die einschlägige Literatur zum Thema Sammeln betont immer wieder den Wunsch der Sammler, an der Kreativität der Künstler zu partizipieren. Die Partizipation vollzieht sich im Fall von Julia Stoschek über die persönlichen Bekanntschaften und Freundschaften mit den Künstlern ihrer Sammlung, aber auch durch das Finanzieren künstlerischer Arbeiten und ihr Mitwirken in Performances oder in Filmen. Dass Sammler durch die Teilhabe am künstlerischen Schaffensprozess und den direkten Kontakt mit den Künstlern zu tieferen Einsichten über die Kunst gelangen können, das bestätigen sowohl Christian Boros als auch Karlheinz Essl. Für Karlheinz Essl geht es beim Sammeln um starke Gefühle, Neugier, Interesse und den Wunsch, neue Entwicklungen in der Kunst aufzuspüren und rätselhafte künstlerische Symbole zu entschlüsseln. „Aus diesem Grund war und ist es für meine Frau und für mich wichtig, den direkten Kontakt mit den KünstlerInnen zu suchen, um im persönlichen Gespräch in den Gral ihrer Fantasien vorzudringen und neben der vordergründigen Ästhetik des Kunstwerkes seinen tiefer liegenden Inhalt zu ergründen.“12 Christian Boros führt als wichtigsten Beweggrund für die Gründung eigener Ausstellungsräume seine freundschaftliche Beziehung zu den Künstlern seiner Sammlung an. Meine Freundschaft mit den Künstlern, [hat, d.V.] vorerst dazu geführt, dass ich Werke gekauft habe. Dann habe ich gemerkt, dass die Künstler die Arbeit nicht in Kisten wissen wollten. Dafür wurden die Werke nicht produziert. Natürlich habe ich gekauft und dafür Geld gegeben und die Künstler hatten dadurch die Möglichkeit, weiter zu arbeiten. Der Verkaufsakt bringt nicht die wirkliche Befriedigung für die Künstler. Die wirkliche Freude für die Künstler kam erst dadurch, dass ich die Werke öffentlich gemacht habe. „Beim Sammeln geht es mir weniger um Besitz als um Kontakt zu Künstlern,“ ergänzt Christian Boros (2011): „Ich kenne alle in meiner Sammlung vertretenen Künstler. [...] Mich interessieren neben dem Werk auch das Wort und das Denken des Künstlers. Fast jeder Künstler meiner Sammlung ist auch ein Gesprächspartner.“ Wie viele andere Sammler schätzt auch er die persönliche und kreative Auseinandersetzung mit den Künstlern und deren kritische Analyse unserer Gesellschaft durch die Kunst. Sich durch zeitgenössische Kunst der eigenen Gegenwart zu versichern, ist dem Wuppertaler Medienunternehmer ein Anliegen. Daher käme er auch niemals auf die Idee, Picasso zu sammeln, so Boros: "Mit dem kann ich ja nicht reden" (zit. nach Lösel 2008). Auf Zeitgenossen konzentriert sich ebenfalls die Kollektion der Daros Latinamerica AG aus Zürich. Die professionell aufgebaute private Kunstsammlung gilt heute als die europaweit umfassendste Sammlung zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst. Neben der methodischen Erschließung und der kontinuierlichen wissenschaftliche Aufarbeitung der Werke stehen eine hohe Verantwortung für die Künstler und
12 Zit. nach http://www.sammlung-essl.at/museum/sammler.html (2.9.2011).
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die Wertschätzung ihrer künstlerischen Leistungen im Zentrum des Sammlungsaufbaus. Eine wesentliche Motivation für die Gründung und Öffentlichmachung der Sammlung besteht in der Rückführung der Kunst nach Lateinamerika. Hans-Michael Herzog erklärt das so: Bei Ruth Schmidheiny und bei mir bestanden von Anfang an der Wunsch und der Wille, die Sammlung einem Publikum zu präsentieren. [...] Das ist auch das Besondere an uns, dass die Sammlung von Anfang an mit einem Konzept verbunden war und vor allem auch der Plan der Rückführung der Kunst nach Lateinamerika, um dort ein Zentrum zu bilden. Weil die Menschen dort immer noch hauptsächlich nach amerikanischer oder europäischer Kunst schielen. Es ist ein Ziel, den Künstlern auch zu zeigen, wie gut sie sind. Damit kann man das Bewusstsein und das Rückgrat stärken und Identität stiften. Das ist eine der wichtigen kunstpolitischen Faktoren. Wir hoffen, dass viele Menschen künftig in Rio Halt machen, um das Casa Daros zu besuchen. Die Daros Latinamerica AG eröffnet im Jahr 2012 in Rio der Janeiro das Casa Daros als privat finanziertes Kulturzentrum. Aus einem ehemaligen Waisenhaus wird eine neue interdisziplinäre Plattform für zeitgenössische Kunst, Kulturaustausch und Debatten entstehen. Den Unterschied zum Daros Museum Zürich erläutert der Generaldirektor wie folgt: Während wir hier [in Zürich, d.V.] ein kleines Glied an der Kette der vielen spezialisierten Museen sind, in einer europäischen Welt, die ziemlich saturiert ist, ist Rio das genaue Gegenteil. Dort sind wir ein großes Glied innerhalb weniger Mitspieler. Und auch die Einzigen, die aufgrund unserer finanziellen Basis Kontinuität gewährleisten können. Und auf uns warten ein potenzielles Millionenpublikum und sehr viel mehr öffentliches Interesse. In Rio de Janeiro will die Daros Latinamerica AG „mit Künstlern, an der Kunst und gemeinsam mit unterschiedlichen Publikumsschichten erlernen, was Kunst sein kann und was die Produktion von Kunst bedeuten kann“. Dass sich durch die Begegnung mit dem Künstler in der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk „häufig noch zusätzliche Bedeutungsebenen und vertiefte persönliche Beziehungen zum Objekt“ ergeben können, davon ist auch Erika Hoffmann (2011) überzeugt. Die Begeisterung für Kunst und die Leidenschaft für das Sammeln entwickelten sich sowohl bei ihr als auch Margit Biedermann über Freundschaften mit Künstlern. Margit Biedermann berichtet: Die Künstler suche ich persönlich aus und habe auch Freundschaften mit ihnen. [...] Mit manchen Künstlern verbindet mich eine jahrelange Freundschaft wie mit Jimmo Kang. Durch ihn habe ich über die Jahre sehr viel über Kunst gelernt. [...] Für mich ist die Entwicklung eines Künstlers spannend, die Atelierbesuche und auch mit den Künstlern Kontakt zu haben, mit ihnen zu diskutieren – da entsteht eine besondere Bindung. [...] Diese Art der Auseinandersetzung bedarf aber eines intensiven persönlichen Engagements, denn Künstler sind auch anstrengend und sehr fordernd.
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Bei Erika und Rolf Hofmann hat sich durch „den engen Kontakt mit Künstlern allmählich das Sammeln entwickelt“. „Wir suchten den Kontakt mit Künstlern, deren unabhängige Weltsicht uns interessierte, deren Mut, sich gesellschaftlichen Normen nicht anzupassen. Wir bewunderten, dass sie das Risiko eingingen, kompromisslos ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Diesen Freundschaften verdankten wir Impulse für unser intellektuelles wie auch für unser berufliches Leben, das sich sonst vermutlich streng nach Plan gerichtet und in Arbeit erschöpft hätte“ (Hoffmann 2011). „Ohne das Beispiel von Künstlern hätte ich nie diese Unabhängigkeit gewonnen“, sagt Erika Hoffmann (2011). Mit der öffentlichen Präsentation ihrer Sammlung möchte sie „diese Erfahrung [...] gern weitergeben“. Private Sammler zeigen häufig ein sehr großes Engagement für die Künstler ihrer Sammlung, mit denen sie in vielen Fällen in freundschaftliche Beziehungen verbunden sind. Sie begleiten die Künstler oft über Jahre, sie stellen durch Ankäufe oder die Finanzierung von künstlerischen Projekten ihren Lebensunterhalt sicher und bieten in ihren privaten Kunsträumen erstklassige Ausstellungsbedingungen. Dieses Engagement wird oftmals leidenschaftlicher und intensiver verfolgt als in öffentlichen Häusern. Auch Fleck (2010: 7) macht auf die Bedeutung der Sammler für das aktuelle Kunstschaffen aufmerksam, wenn er sagt: „Eine sehr große Anzahl von Künstlern hat in den letzten beiden Jahrzehnten erlebt, wie sehr sich diese aktuellen Sammlergenerationen für sie spezifisch eingesetzt haben [...]. Diese öffentliche Rolle bedeutender Sammlerinnen und Sammler ist umso anerkennenswerter, als sie häufig entschiedener eingenommen wird als vom Durchschnitt der Museumsleute und Kunstvermittler.“ 7.1.8
Sinnlosigkeit, nur für das Lager zu sammeln
Für die Gründung öffentlicher Privatsammlungen gibt es oft auch ganz pragmatische Gründe. Wenn Wohnräume und Depots voll von Kunst sind, dann beginnen viele Sammler zu überlegen, wie sie ihren Kunstwerken Raum und dadurch Öffentlichkeit verschaffen können. „Irgendwann macht es keinen Sinn mehr, nur für das Lager zu sammeln“, sagt Thomas Olbricht (2011). „Sobald die Wände vollgehängt waren, überlegte ich mir, wie und warum es weitergehen sollte.“ Margit Biedermann antwortet auf die Frage, welche Faktoren für die Gründung von privaten Ausstellungsräumen ausschlaggebend sein könnten: Ich denke, es ist einmal ein ganz pragmatischer Grund. Die Leute sammeln, und irgendwann ist das Haus zu klein. Man möchte die Sachen auch zeigen oder gut aufheben und dann sucht man zwangsläufig nach Räumen. Zwei der zehn befragten Sammler nennen die Suche und den Bau eines neuen Kunstdepots als Initialzündung für die Öffentlichmachung ihrer Sammlungen. Friedrich E. Rentschler musste sein Kunstlager in Laupheim aufgeben. Im Rahmen der Suche nach neuen Depoträumlichkeiten entstand die Idee einer halböffentlichen Prä-
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sentation in eigenen Räumen, die dem Wunsch des Sammlers, immer einen Teil seiner Sammlung präsent zu haben, ideal entsprach. Wir haben ein Lager für unsere Werke gesucht und im Stadtregal Ulm entsprechend große Räume gefunden, die auch die Möglichkeit boten, nicht nur ein Lager einzurichten, sondern auch noch eine Ausstellung von Teilen der Sammlung zu ermöglichen. Nachdem ich die Kunstwerke fast 40 Jahre lang an internationale Museen ausgeliehen habe, wollte ich in eigenen Räumen mein Konzept des Sammelns darstellen. Darauf folgte die Entscheidung, einem interessierten Kunstpublikum die Besichtigung der Sammlung zu ermöglichen. Äußerst positive Reaktionen der Besucher sind unsere Erfahrungen. Für den österreichischen Museumsgründer Karlheinz Essl stand gleichfalls die Suche oder der Neubau eines großen Kunstdepots an erster Stelle. Erst im zweiten Schritt entwickelte sich die Idee der öffentlichen Präsentation seiner Privatsammlung. Die Geschichte des Museums ist eine sehr eigentümliche. Eigentlich wollte ich zu Beginn kein Museum bauen, sondern ein Depot. Für mich ist das Depot nach wie vor das Wichtigste. Die Kunstwerke brauchen einen guten Platz, sie müssen geschützt werden, gute Klimaverhältnisse haben. Das bin ich der Kunst schuldig. Dann haben wir überlegt, wo wir bauen sollen. Nachdem wir den Grund in Klosterneuburg bekommen hatten, hat sich alles evolutionär entwickelt. Deswegen war der Bau eines Museums nicht vordergründig. Bei den meisten Sammlern hat sich der Prozess von der ersten Idee bis zur Eröffnung privater Kunsträume über einen längeren Zeitraum hingezogen. Die Sammler beschreiben daher die Entwicklung von der privaten Sammlung zur öffentlichen Privatsammlung als einen evolutionären Prozess. Anerkennung von externen Fachleuten und die öffentliche Wertschätzung für das private Kunstengagement nennen einzelne Sammler als ersten Impuls, über eine Öffentlichmachung nachzudenken. Thomas Olbricht: Bei mir war das ein langer Vorlauf, der zu dieser Entscheidung geführt hat, die sicherlich am Anfang überhaupt nicht da war. Die Sammlung ist gewachsen, hat sich entwickelt. Dann gab es Anfragen für Leihgaben. Das war für den Schritt der Öffentlichmachung sehr wichtig. Diese Anfragen waren insofern wichtig für mich, als sie mir ein Signal gegeben haben, dass das, was ich sammle, nicht nur für mich von Relevanz ist. Es schien ein allgemeines Interesse – zumindest da und dort – zu bestehen. [...] Das gab mir Energie, weiter zu sammeln. Dabei genügte es dem Sammler nicht mehr, einzelne Werke nur auszuleihen. Die Anfragen von öffentlichen Museen, Kunstwerke seiner Sammlung als Leihgaben für Ausstellungen zu erhalten, waren für Thomas Olbricht Beleg und Beweis für die Richtigkeit seiner Einschätzung beim Kauf junger Kunst. Dass seine Bilder in der ganzen Welt gefragt und willkommen waren, war für den Sammler Bestätigung und Verpflichtung, nun selber etwas zu tun. Ich selber habe zwar alles im Kopf und kenne die Werke. Aber manche habe ich außer beim Kauf noch nie gesehen. Das wollte ich brechen. [...] Die Entscheidung, ein eigenes Haus zu bauen, hatte – wie ich vorher schon erwähnt habe –
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT eine Initialzündung: Eben, dass Kunstwerke meiner Sammlung interessierten, weil sie nachgefragt wurden. Aber ich wollte eigentlich eher eigene Konzepte entwickeln. Und so wie es jetzt angefangen hat, scheint es auch anzukommen. Unser Haus ist ja noch nicht mal ein Jahr alt.
Auch bei Frieder Burda waren es die positiven Reaktionen der Öffentlichkeit und der Medien auf die erste Ausstellung seiner Sammlung, die seine Idee einer permanenten öffentlichen Präsentation seiner Kunstwerke reifen ließ: Im MMK Frankfurt [habe ich, d.V.] eine nicht unbedeutende Polke-Ausstellung mit Leihgaben aus meiner Sammlung bestückt, denn ich habe eine Reihe wichtiger Arbeiten von Sigmar Polke in der Sammlung. Und ich war erstaunt, wie positiv die Kritiker darauf reagierten. Das macht einen natürlich auch stolz. So ging es dann weiter und, als die Sammlung immer größer wurde, überlegte ich, was zu tun sei. Zwischen der ersten Ausstellung seiner Sammlung und der Genehmigung und Fertigstellung des Museumsbaus in Baden-Baden vergingen mehrere Jahre. Solch lange und teilweise widrige Prozesse einer Museumsgründung verlangen dem Sammler Durchhaltevermögen, Motivation und innere Überzeugung der eigenen Mission ab. Frieder Burda berichtet: Dann fragte der Ministerpräsident, ob ich mir vorstellen könnte, an die Kunsthalle anzubauen. Denn das Grundstück gehörte dem Land. Das fand ich eine riesige Chance. [...] Ich hatte dann auch zwei Jahre einen Kampf und musste mich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass das Museum realisiert werden konnte. Ich habe mit allen Stadträten gesprochen, und bei der Abstimmung über das Museum gab es dann nur eine Gegenstimme. Das war für mich ein sehr schöner Erfolg. Julia Stosckek antwortet auf die Frage nach den wichtigsten Triebfedern für die Gründung ihres Ausstellungshauses: Der wichtigste Beweggrund war der, dass ich das Haus erstmals gar nicht öffentlich machen wollte. Aufgrund dessen, was ich sammle – Videokunst, große Installationen und ortsspezifische Arbeiten, war primär der Wunsch – und das mag durchaus ein egoistischer Grund sein – die Arbeiten erstmal für mich sichtbar zu machen. Im zweiten Schnitt – der sich übrigens über Jahre hingezogen hat, bis ich dieses historische Gebäude gefunden habe – habe ich über ein mögliches öffentliches Interesse nachgedacht. Im Zuge der Renovierung, der Restaurierung und Wiederherstellung des Gebäudes kam dann diese Überlegung. Aber es war ein Prozess, es gab keineswegs die Idee „ich baue jetzt ein Museum“. [...] Es war eine persönliche Entscheidung, ein Raum für das Sichtbarmachen meiner Sammlung, die öffentliche Zugänglichkeit kam erst im zweiten Schritt hinzu. Sabine Crasemann beschreibt die Suche nach einer geeigneten Heimstatt für die Sammlung ihrer Eltern gleichfalls als evolutionären Prozess. Marianne Langen wollte die Sammlung japanischer Kunst gerne auf der Insel Hombroich unterbringen und war auf der Suche nach Kooperationspartnern.
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Dazu muss man sagen, dass das Haus eigentlich nur für die Japan-Sammlung geplant war. Die Sammlung ist vorher schon gezeigt worden, in Japan und in unterschiedlichen Museen in Deutschland. In einem Gespräch ergab sich dann eher zufällig, dass das Angebot an uns herangetragen wurde, ein Haus mit Tadao Ando zu bauen. So ist das alles entstanden. Durch die Größe des Museumsbaus von Tadao Ando wurde schließlich – was ursprünglich nicht beabsichtigt war – auch die Sammlung der Klassischen Moderne öffentlich zugänglich gemacht, so dass sich die Langen Foundation heute durch eine einmalige Sammlungskombination auszeichnet. Für die öffentliche Präsentation privater Sammlungen sind neben pragmatischen Gründen auch evolutionäre Prozesse verantwortlich. In den meisten Fällen kam erst nach langjähriger Sammeltätigkeit die Idee einer allgemeinen Zugänglichkeit auf. Vielen Sammlern erschien der Wunsch einer öffentlichen Privatsammlung vorerst als eine schwer realisierbare Vision. Aber Visionen und Ziele sind eine wichtige Antriebskraft im Leben. Verliert man seine Ziele nicht aus den Augen und verfolgt diese konsequent, können sie Realität werden, sagte sinngemäß einmal Karlheinz Essl. Für den Schritt in die Öffentlichkeit hatten in manchen Fällen auch andere Sammler vorbildhaften Charakter. Erika Hoffmann kann im Verbund der Sammler dieser Studie auf die längste öffentliche Präsentation ihrer Sammlung verweisen. Sie antwortet auf die Frage nach möglichen Vorbildern: Das große Vorbild für alle – oder sagen wir ein Sammler, den alle wahrgenommen haben – war Peter Ludwig. Er zeigte, dass man etwas tun konnte, was einem alle möglichen intellektuellen und auch ästhetischen Abenteuer versprach, die im normalen Unternehmerleben fehlten. Und die man auch suchte, um sich zu inspirieren – so war das zumindest bei uns. „Ich könnte noch Panza di Biumo nennen, dessen der zeitgenössischen Kunst gewidmetes Landgut in Varese uns bei jedem Besuch verzauberte, oder KarlHeinrich Müller, der die Insel Hombroich bei Neuss schuf, wo wir uns oft wie auf einer Insel der Seligen fühlten. Beide waren insofern Vorbilder für uns, als sie wagten, ihre je eigene Vision zu verwirklichen“ (Hoffmann 2011). Schon seit 1997 macht Erika Hoffmann ihre Sammlung in einer sehr persönlichen Art und Weise der Öffentlichkeit zugänglich und wird daher gern die „Grande Dame“ der Berliner Kunstszene genannt. „Ihre jährlich wechselnden Sammlungspräsentationen gehören zum Besten, was Berlin in dieser Hinsicht zu bieten hat“, so Winkelmann (2008). Daher verwundert es nicht, dass die zwei jüngsten Sammler dieser Studie, Christian Boros und Julia Stoschek, Erika Hoffman als eine ihrer wichtigsten Vorbilder anführen. Die Sammlerin weiß, dass ihre öffentliche Privatsammlung Anregungen für zukünftige Sammler bereithält: Oft kommen auch Menschen, die sich inspirieren oder orientieren wollen. Wir werden häufig gefragt, wie wir zum Sammeln gekommen sind, was wir als erstes gekauft haben, wo wir uns informieren und was man tun muss, um sich in die Kunst einzuarbeiten.
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Christian Boros nennt neben Erika Hoffman zwei weitere Einrichtungen als Inspirationsquellen für seine spektakuläre Sammlungspräsentation in einem Berliner Hochbunker. Es verwundert nicht, dass ihn weniger die klassischen musealen Präsentationsformen interessierten, sondern eher unkonventionelle und individuelle Ausstellungskonzepte. Als sich meine Frau und ich vor vielen Jahren Berlin angenähert haben, haben wir viele Museen besucht. Irgendwann kamen wir dann zu Erika und Rolf Hoffmann. Wir fühlten, dass dort etwas Besonderes stattfindet. Letztlich kann man sagen, dass wir von der Art der Vermittlung sehr beeinflusst und beeindruckt waren. Daher habe ich Erika Hoffmann gefragt, ob ich sie als Vorbild nehmen darf, weil ich die Vermittlungsform außergewöhnlich und im besten Sinne „merkwürdig“ empfunden habe. [...] Inspiriert hat uns neben der Sammlung Hoffmann noch die Dia Art Foundation [...]. Alle anderen Privatsammlungen haben uns nicht angesprochen, weil sie öffentlichen Museen zu ähnlich waren oder versucht haben, die Mechanismen einer öffentlichen Institution zu simulieren. Das hat mich nie interessiert. [...] Von der Idee der Präsentation als Raumkonzept war uns auch die Judd Foundation in Marfa sehr wichtig. Das ist [...] ein glänzendes Beispiel, wie großartig man mit Kunst Räume vereinnahmen und verändern kann. Julia Stoschek nennt drei deutsche Sammlungen als prägend und anregend: Bei mir ist es so, dass die Sammelleidenschaft von Harald Falckenberg mich unwahrscheinlich geprägt hat. Von den Frauenvorbildern auf jeden Fall Ingvild Goetz, die seit Jahrzehnten eine phantastische Aufbauarbeit innerhalb ihrer Sammlung leistet und sicherlich total wichtig war. Bei Erika Hoffmann habe ich zum ersten Mal erlebt, wie das ist, wenn man in der Sammlung lebt. Bei ihr ist das Leben und die Sammlung ja wirklich am engsten verwoben. Also diese Vorbilder haben mich unglaublich geprägt und waren für mich sehr wichtig. Aber auch Künstlerinnen und Künstler, wie Marina Abramovic, die ich zum Glück sehr früh kennen lernen durfte und die auch für den Aufbau meiner Sammlung sehr wichtig war. [...] Mein Leben hat sich in den letzten zehn Jahren so radikal verändert, in jeder Hinsicht und es wurde geprägt von vielen Begegnungen. Daher wäre es völlig absurd zu sagen, ich hätte mich nie beeinflussen lassen. Im Gegenteil, ich lasse mich gerne inspirieren. Ich brauche auch Menschen, die mich inspirieren. Und ich habe das Glück, dass es welche für mich gibt. Der österreichische Sammler Karlheinz Essl konnte zum Zeitpunkt seiner Museumsgründung bereits auf eine 30jährige Sammeltätigkeit zurückblicken und entgegnet auf die Frage nach möglichen Vorbildern: Wenn man sich so intensiv mit der Kunst beschäftigt, dann kennt man auch die internationale Szene sehr gut. Unsere Reisen haben uns viel gezeigt, die Menil Collection in Houston hat uns beispielsweise sehr beeindruckt. Aber unsere Museumsgründung entstand nicht, weil andere Sammler auch Museen gegründet haben, sondern aus einer inneren Notwendigkeit heraus, aus einer evolutionären Entwicklung.
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Neben den architektonischen Gegebenheiten, der programmatischen Ausrichtung und der organisatorischen Führung, die vorbildhaften Charakter haben können, ist es vor allem die Tatsache, dass Sammler den Mut hatten, eigene Vorstellungen in eigenen Kunsträumen zu verwirklichen, die wiederum andere Sammler beflügeln kann. Die Entschiedenheit, wie ein Weg verfolgt wird, die Leidenschaft, mit der eine Idee umgesetzt wird, die Großzügigkeit, wie die Öffentlichkeit an der privaten Kunstbegeisterung teilhaben darf – und im Besonderen die damit verbundene hohe Anerkennung und der große Erfolg – können motivierend und bestärkend wirken. Es ist davon auszugehen, dass neben der Sammlung Hoffmann auch die anderen hier vorgestellten Privatsammlungen der nächsten Sammlergeneration Inspiration, Ansporn und Vorbild auf dem Weg zur öffentlichen Privatsammlung sein werden. 7.1.9
Museumsgründung als Lebenswerk
Frieder Burda betrachtet seine Museumsgründung als „Lebenswerk“. Letzten Endes ist es mein Lebenswerk. Es ist etwas, das ich vollenden will. [...] Aber man will auch für das, was man getan hat, Anerkennung und einen Erfolg spüren, man möchte spüren, dass die Menschen sagen, das ist gut gemacht, die Bilder sind gut, und das ist sicherlich auch der Hauptgrund. Letzten Endes sicherlich auch ein Lebenswerk zu hinterlassen, das bleibt. In der Literatur wird als Motivation für die Gründung privater Kunsträume und Museen immer wieder das vordergründig intendierte Weiterleben nach dem Tod, das Überleben des Stifters in Form eines Denkmals als Motivation genannt (Bott 1981, Münsterberger 1995, Herchenröder 2000, Assmann / Gomille / Rippl 1998). „Die Übertragung des Eigennamens auf die Institution Museum zielt darauf ab, aus ihr für die genannte Person ein ‚Denkmal‘ zu schaffen“ (Bott 1981: 352). Bott führt aus, dass man aus den Formulierungen verschiedener Stiftungsbriefe und Testamente erkennen kann, dass es dem Stifter neben dem selbstlosen Akt einer Sach- und Vermögensstiftung darauf ankommt, mit diesen Stiftungen der Nachwelt im Gedächtnis zu bleiben. Eine Reihe solcher Beispiele finden sich in Kapitel 2. In den 1970er Jahren kam mit Peter Ludwig der Wunsch nach der Namensnennung des Stifters in Verruf. Als Dank für seine Schenkung von Kunstwerken an Museen forderte Ludwig im Gegenzug die Nennung seines Namens im Museumsnamen. „Do ut des – ich gebe, damit Du gibst“ war des Sammlers Credo. Wenn Verhandlungen mit Museen nicht nach den zielgerichteten Vorgaben des Sammlers verliefen, dann verlangte der Sammler seine Leihgaben zurück. „Er gibt nur, wo er auch bekommt“, erklärt Sager und resümiert: „Ludwigs Lebensweg als Sammler ist eine imponierende, delikate Gratwanderung zwischen Eigennutz und öffentlichem Interesse“ (Sager 1992: 192 und 206). Reiner Speck (1986: 2), selbst Kunstsammler und Ludwig-Biograf, stellt dazu fest, dass „jede Geste seiner Sammeltätigkeit postum intendiert ist“. Christine Breyhan (1997: 140) unterstreicht das Fortexistieren-Wollen über den Tod hinaus: „In […] der Großzügigkeit seines Stiftens bei gleichzeitiger Namensgebung liegt eine Form von Todesverdrängung, durch die sich der Sammler zumindest in seinen Museen ein Weiterleben nach dem Tode sichern möchte. Der Vergänglich-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT keit des Menschen werden die ‚unvergänglichen‘ Werke der Kunst gegenüber gestellt.“
In diesem Sinne könnte auch der Wunsch von Frieder Burda interpretiert werden, mit seiner Stiftung und seinem privat finanzierten Museum etwas Bleibendes zu schaffen, wenn er sagt: „Der Bau eines eigenen Museums hat den einzigen Hintergrund, ein Lebenswerk zu hinterlassen, was für die Bürger der Stadt und darüber hinaus eine Bedeutung hat. Ich habe eine gemeinnützige Stiftung öffentlichen Rechts gegründet, die mein Erbe übernimmt und verantwortlich ist für das Museum. Zudem wollte ich meiner Wahlheimatstadt Baden-Baden etwas zurückgeben, weil ich viel von ihr bekommen habe. Es soll von mir etwas bleiben, was mich überdauert.“13 Gerhard Bott (1981: 356) ist allerdings der Ansicht, dass „etwas Merkwürdiges mit dem Andenken an die Museumsnamen manifestierten Stifter [geschieht, d.V.]. Museen tragen zwar unübersehbar und unüberhörbar Stifternamen, aber kaum jemand, der diese nach Personen benannten Museen betritt, kann sich etwas von den so in Erinnerung gehaltenen Menschen vorstellen und kann sich den Umfang einer Stiftung rekonstruieren.“ Dieser These ist zuzustimmen, denn heute kennt wahrscheinlich kaum jemand die Entstehungsgeschichte des Kröller-Müller-Museums oder weiß, dass für die Existenz des Wallraf-Richartz-Museums zwei Stifter verantwortlich zeichnen: Ferdinand Franz Wallraf für die Sammlung und Johann Heinrich Richartz für den Bau des Museums (vgl. Kapitel 2.1). Bott (1981: 356) kommt daher zu dem Schluss, dass „die Institution Museum [...] die erdachte und erhoffte Wirkung aufgezehrt [hat, d.V.], denn wichtiger als die Stiftungstat und die Erinnerung daran ist der Inhalt der Museen geworden. Allein dieser Inhalt ist Anziehungspunkt und zugleich Gedächtnisstütze zur Identifikation des einzelnen Museums.“ Diese vor knapp 30 Jahren getroffene Feststellung ist heute eine Selbstverständlichkeit. Fast alle seit der Jahrtausendwende gegründeten privaten Kunsteinrichtungen tragen den Namen ihres Stifters oder ihrer Stifterin. Doch mit dem Museumsnamen wird heute auch das inhaltliche Programm verbunden. Die Museen haben sich als Marken etabliert, die mit ihrem Namen ihre Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale transportieren (vgl. Kapitel 4.4.7). So wird das Museum Frieder Burda mit der Architektur von Richard Meier und exquisiter Kunst der Klassischen Moderne assoziiert, die Sammlung Boros mit einer spektakulären Präsentation zeitgenössischer Kunst in einem Hochbunker oder die Sammlung Hoffmann mit der besonderen Verbindung der Kunstpräsentation in privaten Wohnräumen. Die Sammler werden für ihre Leistung und ihre Öffentlichmachung privater Kunstsammlungen geschätzt, sie ernten Ruhm, Lob und Anerkennung – mehr als das mit Leihgaben an öffentliche Museen je der Fall sein könnte. Jeder Sammler und Museumsgründer wird sich freuen, wenn er für seine Leistungen Anerkennung und Lob erhält. Dass der Austausch von Kunstbesitz gegen öffentliches Ansehen Tradition hat, konnte bereits in Kapitel 2 gezeigt werden. Beson-
13 Zit. nach http://www.museum-frieder-burda.de/Ein-Gespraech-mit-Frieder-Burd.724.0.ht ml (20.5.2011).
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ders deutlich ist diese Tendenz im kaiserzeitlichen Berlin zu beobachten, als das Wirtschaftsbürgertum die soziale Funktion von Kunst erkannte und nutzte. Auch die amerikanischen Multimillionäre, die etwa zur gleichen Zeit auf den europäischen Kunstmarkt drängten, sammelten vornehmlich aus Prestigegründen. „Mancher Millionär wurde nicht durch sein enormes Vermögen, sondern durch seine Kunstsammlung bekannt. Eine Kunstsammlung kann somit eine höhere Anerkennung als Reichtum vermitteln“, betont Reitz (1998: 9). Das bestätigt auch der Sammler und vielfache Millionär Hans Grothe: „Wer früher aus einfachen Verhältnissen plötzlich zu Wohlstand kam, hielt sich ein Gestüt, um in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Heute beschäftigt man sich mit Kunst. Als Sammler werde ich behandelt wie ein Professor, nach dem Motto: das ist ein kultureller Mensch, nicht ein Kaufmann!“ (zit. nach Sager 1992: 108/109). Dass eine Kunstsammlung einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert als erfolgreiches Unternehmertum mit sich bringen kann, lässt sich am Beispiel von Hans Grothe zeigen. Die soziale Anerkennung, die ihm als Kunstsammler zuteil wird, ist wesentlich höher als der gesellschaftliche Rang, den er jemals in seinem Metier als erfolgreicher Architekt und Immobilienkaufmann hätte erreichen können. Daher gilt, dass genau wie in der Vergangenheit auch heute mit dem Erwerb von Kunst der Gewinn von Prestige verbunden ist. In unserer Gesellschaft hat das Sammeln von Kunst einen hohen Stellenwert, und die Sammler genießen zu Lebzeiten große Reputation und beachtliches Renommee. Kunst zeichnet sich eben dadurch aus, so Jocks (2011b), „keine Massenware, sondern Unikat oder Original zu sein, wodurch das Habenwollen zu einem Zeichen von Extravaganz wird, gerade weil nur eine kleine Minderheit finanziell dazu in der Lage ist“. Auf diese Weise erhalten private Sammler einen herausgehobenen Status und rücken ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Durch die öffentliche Zurschaustellung ihrer Kunstsammlungen – und damit auch ihrer Persönlichkeiten – machen sich die Sammler darüber hinaus zu Personen des öffentlichen Lebens. In den letzten Jahren ist das Interesse an den Sammlern enorm gestiegen, die große Anzahl an Sammlerporträts in Hochglanzmagazinen und die stets neuen opulenten Sammler-Bildbände sind Beweis dafür. Es steht außer Frage, dass öffentliches Ansehen den Sammlern schmeichelt. Für manche Sammler mag der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung auch einen bedeutenden Faktor darstellen, denn als Sammler steht man im Rampenlicht der Öffentlichkeit und wird aufgrund seiner intellektuellen Neugier, seines kultivierten Lebensstils und seines Reichtums bewundert. Der persönliche und finanzielle Einsatz für die bildende Kunst macht den Sammler zum Mitglied der kulturellen Elite und lässt ihn ebenbürtig mit Künstlern und Museumsdirektoren erscheinen. Die öffentlichen Privatsammler haben eine sehr wichtige Rolle für die Kunstpräsentation und Kunstproduktion der Gegenwart übernommen. Die Kunstöffentlichkeit profitiert von diesen privaten Ausstellungsräumen, die die Rezeption und das Verständnis von zeitgenössischer Kunst fördern und bereichern. Frieder Burda sagt dazu: Lob und Anerkennung braucht jeder. Vor allem Anerkennung, ohne das geht es nicht im Leben. Das bekomme ich, wenn ich durch das Haus gehe. Manche Besucher erkennen mich, manche nicht – das ist mir auch Recht – da bekomme ich
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT den Dank für das, was ich gemacht habe, und für die Opfer, die ich gebracht habe. Denn es sind ja auch Opfer.
„Natürlich ist auch ein Sammler eitel und genießt das große Rampenlicht. Dadurch, dass ich ein Ausstellungshaus in Berlin habe, muss ich mich der Öffentlichkeit stellen“, so Thomas Olbricht (2011). Der Sammler genießt seit der Eröffnung seines me Collectors Room Berlin wesentlich mehr Aufmerksamkeit als zuvor, als er seine Sammlung im Museum Folkwang in Essen gezeigt hat: Ich persönlich bin seit einem dreiviertel Jahr plötzlich vernetzt. Obwohl ich gar nichts dazu beigetragen habe. Ich bin in Kontakt mit Sammlern aus London, aus Istanbul, mit chinesischen Sammlern und mit Antoine de Galbert aus Paris. Das ist auch nur durch die neuen Kommunikationsformen möglich, alles geht einfacher und schneller. Dadurch ist es auch für die Privatsammler einfacher geworden, wir sind selbständiger geworden und brauchen die institutionalisierten Wege über die Museen heute nicht mehr. Dass Sammeln auch etwas mit Eitelkeit und Exhibitionismus zu tun hat, davon ist Julia Stoschek ebenfalls überzeugt. "Wenn ein Sammler sagt, er sei nicht eitel, dann lügt er wahrscheinlich“ (zit. nach Thon 2007b). Auch Frieder Burda räumt ein: Es soll mir ja kein Sammler sagen, er macht das nur, um den Menschen einen Gefallen zu machen. Das hat schon mit dem eigenen Ego zu tun – aber in meinem Falle war es doch ganz weit zurückgenommen. Denn ich bin jemand, der nicht so gern in die Öffentlichkeit geht. Ich lege keinen Wert auf Orden und Titel und nehme auch keine an. [...] Aber der Hauptgrund vieler Sammler ist, dass sie glauben, dass sie mit einem Museum einen anderen Stellenwert erhalten. Sei es im Geschäftlichen, sei es in der Gesellschaft. Das stelle ich immer wieder fest – denn das bringt Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit mit sich und natürlich auch die Presse. Es gibt kaum eine andere Möglichkeit, sich so viel Aufmerksamkeit zu verschaffen wie mit einem Museum. Und es mag mit ein Grund sein, warum sehr viele Sammler jetzt Museen bauen. Jedem Kunstsammler wird Ansehen und Ehre zuteil, wenn er Kunstwerke erwirbt und vor allem dann, wenn er diese Kunstwerke auch öffentlich zugänglich macht. Für die einen ist das wichtiger als für andere, aber jeder wird die Anerkennung wohlwollend für sich in Anspruch nehmen. Prestigesteigerung als oberstes Ziel des Sammelns trifft gleichwohl für die in dieser Studie versammelten öffentlichen Privatsammler nicht zu. 7.1.10 Fazit Die Interviewzitate lassen eine Reihe unterschiedlicher Faktoren und Beweggründe erkennen, die dafür verantwortlich sind, dass Kunstsammler eigene Museen und private Ausstellungsräume gründen. Oberflächlich betrachtet, wird den Sammlern gerne unterstellt, dass der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung das wichtigste Motiv für die Gründung öffentlicher Privatsammlungen darstellt. Auch für Armin Zweite, Geschäftsführer und Sammlungsdirektor der Annette und Udo Brandhorst-
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Stiftung, der für diese Studie als Experte befragt wurde, stellt neben der „ästhetischen Faszination“ der Wunsch nach Anerkennung die entscheidende Rolle für die Gründung einer privaten Kunsteinrichtung dar: Vermutlich sind viele Sammler, eingestanden oder uneingestanden, [...] vom Wunsch nach Anerkennung motiviert. Für die meisten Menschen sind nämlich Statusfragen von enormer Bedeutung, und deren wichtigste Indikatoren manifestieren sich in sozialer Anerkennung. [...] Ich will jedoch nicht behaupten, dass das für alle Sammler gilt. Immerhin gibt es etliche, die von wissenschaftlicher Neugier getrieben sind, die vergessene Bereiche wieder ins Bewusstsein rücken, die eine Mission haben und den Blick auf künstlerische Erscheinungen richten, die ihrer Auffassung nach unterbewertet sind. Wie auch Zweite feststellt, vernachlässigt die allgemeine Kritik allerdings die Tatsache, dass eine Reihe von Sammlern tatsächlich fundierte Bildungsarbeit leistet und ihre Sammlungen und ihre privaten Ausstellungshäuser die öffentliche Kunstszene enorm bereichern. Es bedeutet für Sammler zudem großen finanziellen Aufwand, ihre Kollektionen in eigenen Räumen öffentlich zu präsentieren. Neben den Kosten der Gebäudeerrichtung oder des Umbaus einer bestehenden Immobilie fallen laufende Ausgaben für Betrieb, Personal, Ausstellungen, Publikationen, Kunstvermittlung und Werbung an. Dies alles leisten die Privatsammler aus eigener Tasche, völlig ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand. Auch wenn es nur wenige Beispiele vollkommener Philanthropie gibt, so diskreditiert die latent kritische Stimmung auch jene öffentlichen Privatsammler, die vorrangig auf ideelle und kulturelle Erträge abzielen. Im historischen Rückblick konnte gezeigt werden, dass der Austausch von Kunstbesitz gegen öffentliches Ansehen Tradition hat. Auch heute ist mit dem Erwerb von Kunst der Gewinn von Image verbunden, und alle Sammler genießen zu Lebzeiten hohe Reputation und beachtliches Renommee. Ohne Zweifel zeichnet die Sammler dieser Studie eine großzügige Haltung und ihr Engagement im Dienste der Öffentlichkeit aus, das gesellschaftliche Anerkennung und die Nobilitierung des Sammlers rechtfertigt. Der Wunsch der Sammler, ihre über Jahrzehnte mit großem Aufwand aufgebauten umfangreichen und qualitätvollen Kunstsammlungen mögen als ein Stück Kunstgeschichte und Zeugnis ihrer persönlichen Leistung erhalten bleiben, ist verständlich und legitim. Es hat vielfältige Gründe, warum Sammler diesen Wunsch heute in eigenen Museen und Ausstellungsräumen umsetzen und nicht, wie bis in die 1990er Jahre üblich, Kooperationen mit öffentlichen Museen eingehen. Warum diese Tendenz in den letzten zwanzig Jahren gesteigert auftritt, hat mit veränderten Rahmenbedingungen zu tun. Nach Jahrzehnten des öffentlichen Museumsbooms tritt ab Beginn der 1990er Jahre in Deutschland ein massiver Wandel in der Finanzsituation öffentlicher Museumsträger als Folge der deutschen Wiedervereinigung ein. Im Zuge der Finanznot der öffentlichen Hand und verstärkt durch die Rezession der 1990er Jahre müssen öffentliche Museen erhebliche Budgetkürzungen hinnehmen. Aufgrund dieser Einsparungsmaßnahmen sind die Museen weder in der Lage, teure zeitgenössische Kunst anzukaufen, noch Lücken im historischen Bestand zu schließen. Daher wird die Zusammenarbeit mit privaten Sammlern gesucht, die aufgrund ihrer ungleich höheren finanziellen Ressourcen über umfangreiche gegenwartsorientierte
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Kollektionen verfügen. Waren historisch gesehen mit der Überlassung privater Kunstschätze an öffentliche Museen keine oder nur wenige Auflagen und Bedingungen gebunden, so knüpfen Sammler heute diverse Forderungen an eine Zusammenarbeit oder wollen aktiv in die Museumspolitik einwirken. Hieraus können Konflikte entstehen, die sich aus dem Zusammentreffen unterschiedlicher Interessen von beinahe zwangsläufig ergeben. Die erhöhte Häufigkeit von Irritationen zwischen öffentlichen Museen und privaten Sammlern hat die bewährten Kooperationen aus dem Gleichgewicht gebracht. Die unzulängliche Bearbeitung mancher Konflikte hat einerseits dazu geführt, dass man privaten Sammlern grundsätzlich mit Ressentiments begegnet, und hat andererseits das Vertrauen der Privatsammler in öffentliche Institutionen getrübt. Diese Grundstimmung hat, gepaart mit einer Reihe weiterer Motive, die persönlich, philanthropisch, pragmatisch oder prestigeorientiert begründet sind, zur Gründung öffentlicher Privatsammlungen geführt. Der Erfolg und das positive Image anderer Privatsammlungen mag das Vorhaben einzelner Sammler, die eigene Kollektion öffentlich zu machen, bekräftigt haben. Überdies fühlen sich Sammler durch eine Gesellschaft ermutigt, die Unternehmergeist, bürgerschaftliches Engagement und die Förderung von Kunst honoriert. Aus den Interviews mit den Sammlern konnten neun intrinsische Motive für den Aufbau eigener Sammlungshäuser verstetigt werden, die nachfolgend nochmals übersichtlich zusammengefasst werden. Extrinsische Motive wie beispielsweise finanzielle Vorteile aufgrund der Reformierung des Stiftungssteuerrechts sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung (vgl. Kapitel 3.3). Philanthropische Gründe: 1. Verantwortungsbewusstsein der Sammler • Die Freude an der Kunst mit der Allgemeinheit zu teilen, betrachten die Sammler als gesellschaftliche Verantwortung wie auch als Vergnügen. • Bürgerschaftliches Engagement, das Interesse am Gemeinwohl und der Wunsch, Bildung und ästhetische Erziehung der Öffentlichkeit zu fördern, führt zur Öffentlichmachung privater Kunstschätze. • Sammler verstehen die öffentliche Zugänglichkeit ihrer Kunstwerke als kulturellen Auftrag und soziale Verpflichtung gegenüber ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft. 2. Liebe zu den schönen Dingen • Private Sammler haben Freude am Sammeln von Kunst und wollen sich mit schönen Dingen umgeben. An der Bereicherung, die aus der Beschäftigung mit Kunst resultiert, lassen sie die Öffentlichkeit teilhaben. • Vier Sammler dieser Studie wohnen in ihren Ausstellungsgebäuden. Die enge Verschränkung von Kunst und Privatsphäre bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Kunstwerke ständig um sich zu haben und andere an diesem privaten Erleben Anteil nehmen zu lassen.
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3. Schaufenster für zeitgenössische Kunst • Zeitgenössische Kunst kann aus Mangel an finanziellen Mitteln von öffentlichen Museen kaum noch angekauft werden. Das Feld der aktuellen Kunst ist daher das Gebiet, auf dem sich private Sammler profilieren können. In ihren eigenen Kunsthäusern widmen sie sich der engagierten Präsentation und Vermittlung von Gegenwartskunst und erreichen damit eine Aktualität, die früher den Galerien vorbehalten war. • Privatsammler prägen das aktuelle Kunstgeschehen als Käufer, aber auch als Förderer und Auftraggeber. Mit ihren vielfältigen Aktivitäten tragen sie ganz wesentlich zur Entstehung von aktueller Kunst bei. Ihre vorherrschende Rolle am Kunstmarkt macht sie zu einflussreichen Strategen im Betriebssystem Kunst. Vordergründige finanzielle oder manipulative Motivationen können für die Sammler dieser Studie ausgeschlossen werden. • Privatsammler wollen mit ihren Kunsträumen die Museumsszene um subjektive Blicke erweitern und ergänzen. Keineswegs sehen sie sich als Konkurrenten des öffentlichen Museumsbetriebs. Sie wollen der von ihnen gesammelten Kunst und den Künstlern ein öffentliches Präsentationsforum bieten und auch Positionen fördern, die entweder außerhalb oder noch nicht im Zentrum des Kunstbetriebs stehen. • Privatsammler betonen, dass die aktuelle Kunst seit jeher von den Privatpersonen konsequenter gefördert wurde als von den öffentlichen Einrichtungen. Diese Tatschache ist aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und der öffentlichen Präsenz der Sammler heute sichtbarer als früher. Persönliche Gründe: 4. Emanzipation der Sammler • Private Kunstsammler sind selbstbewusst geworden und haben sich durch ihren Kenntnisreichtum und ihre Kompetenz von der Abhängigkeit öffentlicher Museen gelöst. Wurde der Sammler früher als Amateur gesehen, so gilt er heute als Connaisseur, der seinem eigenen Urteil vertraut. • Die Sammler nehmen das öffentliche Museum nicht mehr als alleinigen und permanenten Ort der institutionalisierten Autorität im Bereich der Kunst wahr. 5. Eigenes Gestaltungsbedürfnis • Die Sammler haben den Wunsch und das Bedürfnis, ihr Konzept des Sammelns in eigenen Räumen darzustellen. • Der Sammler wird in seinem eigenen Museum selbst zum Kurator und bestimmt über Auswahl, Kombination und Präsentation seiner Sammlung autonom und nach persönlichen Vorlieben. • Die inhaltliche Beschäftigung des Sammlers mit seinen Werken vertieft und bereichert seine Kenntnis und Sichtweise auf seine Kollektion.
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6. Freundschaft mit Künstlern • Zahlreiche Sammler haben freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern ihrer Sammlung. Mit der öffentlichen Präsentation ihrer Kunstwerke wollen sie den Künstlern Anerkennung, Resonanz und Publizität verschaffen. • Durch die Freundschaft mit den Künstlern verstärken sich persönliche Beziehungen zu den Werken. Die Sammler können zu tieferen Einsichten über die Kunst gelangen und durch die kreative Auseinandersetzung Impulse für ihr intellektuelles und berufliches Leben erhalten. • Sammler haben den Wunsch, den Künstlern ihrer Sammlung eine ideale öffentliche Präsentationsplattform und erstklassige Ausstellungsbedingungen zu bieten. Ihr Engagement für Künstler wird zum Teil entschiedener eingenommen als in öffentlichen Museen. • Sammler treten als Förderer und Finanziers von zeitgenössischen Kunstprojekten auf und partizipieren dadurch an der Kreativität der Künstler. Mit Julia Stoschek kommt ein neuer Typus von Sammler auf, der neben dem Erwerb und der Förderung auch selbst in künstlerischen Projekten mitwirkt. Pragmatische Gründe: 7. Ein Ungenügen in der Zusammenarbeit mit öffentlichen Museen • Wegen des Platzproblems und des finanziellen Engpasses in vielen öffentlichen Institutionen können private Sammlungen heute nicht mehr zur Gänze übernommen werden. Sammler verfolgen den Wunsch, ihre über viele Jahre aufgebauten Sammlungen gesamt zu erhalten. In dieser Zurückhaltung der staatlichen Institutionen liegt ein wesentlicher Grund für die Entstehung von öffentlichen Privatsammlungen. • Mit der Übergabe einer Privatsammlung an ein öffentliches Museum endet in der Regel der Einflussbereich des Sammlers. Die Sammler haben aber den Wunsch, ihre eigenen Vorstellungen von der Präsentation und Vermittlung von Kunst einzubringen. • Fünf von zehn Sammlern dieser Studie wollten vor der Gründung ihrer eigenen Kunsträume mit der öffentlichen Hand kooperieren. Scharfe Proteste und Kritik von Presse und Öffentlichkeit sowie mangelnde Unterstützung auf politischer und musealer Ebene brachten alle Bemühungen zum Scheitern. Die erfolglosen Versuche, mit öffentlichen Museen zusammen zu arbeiten, haben die Gründung eigener Kunstinitiativen befördert. • Sammler sind zumeist erfolgreiche Unternehmer und daher gewohnt, schnell und eigenständig zu entscheiden. Sie kritisieren langwierige Entscheidungsprozesse und mangelnde Risikobereitschaft der öffentlichen Museen im Umgang mit zeitgenössischer Kunst. 8. Sinnlosigkeit, nur für das Lager zu sammeln • Wenn Wohnräume und Depots mit Kunst gefüllt sind, beginnen viele Sammler zu überlegen, wie sie ihrer mit Leidenschaft erworbenen Kunst Raum und dadurch Öffentlichkeit verschaffen können.
G RÜNDUNGSMOTIVE ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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Öffentliches Interesse an privaten Kunstwerken durch temporäre Ausstellungen und Leihgaben ließ den Wunsch nach einer permanenten öffentlichen Präsentation der Sammlung reifen. Bei zwei Sammlern standen die Suche und der Bau eines neuen Kunstdepots an erster Stelle, aus der sich die Idee einer öffentlichen Präsentation der Sammlung evolutionär entwickelte. Alle Sammler beschreiben den Weg von der privaten Sammlung zur öffentlichen Privatsammlung als evolutionären Prozess, der sich in den meisten Fällen über viele Jahre hingezogen hat.
Prestigeorientierte Gründe: 9. Museumsgründung als Lebenswerk • Die Gründung einer öffentlichen Privatsammlung stellt für manche Sammler ein Lebenswerk dar, das über ihren Tod hinaus Bestand haben soll. • Privatsammler ernten Lob und Anerkennung für die öffentliche Präsentation ihrer Kunstsammlungen. Die Kritik, dass Sammler ihre Kunstwerke ausschließlich zum Zweck der Selbstdarstellung öffentlich machen, trifft auf die in dieser Studie versammelten Sammler, die einen repräsentativen Querschnitt der Szene darstellen, nicht zu.
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7.2
B ENENNUNG
Analysiert man die Benennungen öffentlicher Privatsammlungen, so lässt sich feststellen, dass seit den 1990er Jahren im deutschsprachigen Raum vier Bezeichnungen verwendet werden. Neben dem klassischen Begriff Museum kommen die Bezeichnungen Sammlung und Stiftung vor. Beide Titel werden auch in der englischen Übersetzung als Collection und Foundation gebraucht. Als vierter Bezeichnungstypus treten programmatische Titel in deutscher und englischer Sprache auf. Als erste private Institution nutzte das 2003 gegründete Schaulager Basel, eine in vielfältiger Hinsicht vorbildliche Institution für Gegenwartskunst, so eine Bezeichnungsform. Der Name der Kunsteinrichtung verweist auf das Programm und den Zweck als öffentliches Kunstdepot, das für die Kunstwerke der Sammlung optimale räumliche und klimatische Bedingungen schafft.1 In der Folge werden private Einrichtungen als Kunstraum, Kunsthalle, Kunstwerk, Schauwerk oder Collectors Room bezeichnet.2 Daneben kommen auch Titel wie About Change, Collection oder El Sourdox Hex e.V. auf, die keinen eindeutigen Hinweis auf Bestimmung und Programm geben und Freiraum für Interpretationen bieten.3 Vier der öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie tragen den Titel Museum. Weitere vier Einrichtungen nennen sich Sammlung, zwei davon nutzen die englische Bezeichnung Collection. Jeweils einmal wird das englische Foundation und der programmatische Titel me Collectors Room Berlin verwendet. Vier von zehn Privatsammlungen nutzen daher englische Bezeichnungen. Zählt man auch den Begriff Museum hinzu, der global verstanden und eingesetzt werden kann, legen 80% der Interviewpartner Wert auf eine internationale Titulierung. Zur näheren Präzisierung tragen neun Privatsammlungen ihren Namen im Titel, wobei ein Sammler nur seine Initialien verwendet. Eine Sammlung nutzt einen Phantasienamen und zweimal wird eine Ortsbezeichnung verwendet. Vier der befragten Privatsammlungen haben sich gezielt für die Bezeichnung Museum entschieden. Es handelt sich dabei um Einrichtungen, die in den charakteristischen Merkmalen einem öffentlichen Museum sehr ähnlich sind. Genau wie staatliche Institutionen sind sie jeweils von dienstags bis sonntags für das Publikum geöffnet und mehrmals jährlich werden wechselnde Ausstellungen gezeigt, die von wissenschaftlichen Katalogbüchern und einem regelmäßigen Veranstaltungs- und 1
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Das Schaulager Basel ist eine Kombination aus Kunstdepot und Ausstellungshalle und hat sich erstmals des Problems der Musealisierung schwer ausstellbarer zeitgenössischer Kunst angenommen. Kunstwerke mit empfindlichen Materialien und große Installationen werden in zugänglichen Kunstmagazinen gelagert. Als Beispiele seien hier der Kunstraum Grässlin (2006), die Kunsthalle Weishaupt (2007), das Kunstwerk Eberdingen-Nussdorf (2007) und das Schauwerk Sindelfingen (2010) genannt. About Change, Collection ist eine Sammlung, die ihren Schwerpunkt im Bereich Collage hat. El Surdog Hex e.V. ist der Titel des privaten Ausstellungsraumes von Reinhard Onnasch, der von 2007-2009 einen Ausstellungszyklus von 19 Künstlern seiner Sammlung in Berlin veranstaltete. Der Vereinsname bezieht sich auf eine Ausstellung des bedeutenden Fluxus-Künstlers George Brecht im Jahr 1973 in New York.
B ENENNUNG ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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Vermittlungsprogramm flankiert werden. Auf die Frage, ob der Name Museum bewusst gewählt wurde, um eine Nähe zu einem öffentlichen Museumsbetrieb herzustellen, antwortet Karlheinz Essl: Selbstverständlich. Wir sind ein absoluter Museumsbetrieb. Das Essl Museum trug ursprünglich den Namen Sammlung Essl. Nach einigen Jahren erfolgte die Umbenennung in Essl Museum. Die Gründe für die Umbenennung erläutert der Museumsgründer wie folgt: Wir wollten dokumentieren, dass wir ein Museum sind. Denn Sammlung Essl kann alles sein. Eine ähnliche Vorgehensweise lässt sich beim Daros Museum Zürich erkennen. Der Ausstellungsraum trug ursprünglich den Titel Daros Exhibitions. Sein Leiter HansMichael Herzog erklärt die neue Benennung wie folgt: Ich fand den Terminus Exhibitions nicht gut. Das, was wir tun – unsere Programme, unsere Didaktik, unser Netzwerk, das wir flechten, unsere Sammlung, die wir weltweit zeigen, unsere Kataloge und unsere Ausstellungen – das sind museale Aspekte. Intern haben wir uns immer schon Museum genannt, außen stand aber noch das Wort Exhibitions. Mit der Neueröffnung im nächsten Jahr gibt es die neue Benennung. Auch Margit Biedermann hat sich nach intensiver Namenssuche für die Bezeichnung Museum entschieden. Das für Ausstellungszwecke adaptierte klassizistische Gebäude wurde im 19. Jahrhundert von der Donaueschinger Museumsgesellschaft errichtet. Der Name des Privatmuseums nimmt auf diese ursprüngliche Funktion Bezug. 4 Wir haben ganz viele Namen überlegt – Museum an der Donauquelle, Sammlung für zeitgenössische Kunst – waren beispielsweise Ideen. Aber da dieses Haus schon mal Museum hieß, war uns der Begriff Museum als Synonym für Kulturbegegnungsstätte wichtig. Wichtig war auch der Name Biedermann, um unsere Werte zu kommunizieren. [...] Eigentlich wollte ich ursprünglich unseren persönlichen Namen nicht so in den Vordergrund stellen. Dann haben wir ein Symposion über das Museum veranstaltet, seine Ziele und unsere Vorstellungen präsentiert. Da haben die Leute gesagt, dass sie es wichtig finden zu wissen, wer hinter dem Museum steht. Dann haben wir uns so entschieden, und das hat sich auch bestens bewährt. Frieder Burda bringt noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion mit ein. Für ihn hat die Bezeichnung Museum auch im Hinblick auf internationale Kooperationen große Bedeutung.
4
Um 1800 wurde mit dem Begriff „Museum“ ein „Ort der Geselligkeit“ definiert. Darunter wurden viele unterschiedliche Funktionen subsumiert: Ein Museum konnte ein Verkaufsort mit wechselnden Ausstellungen, ein Kulturzentrum, ein Konzert- oder Ballhaus, eine Akademie, eine Leihbibliothek oder ein Kaffeehaus sein. Das Museum war ein Ort des Diskurses, meist allerdings nur für Männer.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Ich habe mich deswegen für die Bezeichnung Museum entschieden, weil es leichter ist, Leihgaben zu bekommen. Wenn Sie heute in Amerika Leihgaben beantragen, werden Sie mit einer Sammlung nicht weit kommen. Mit dem Wort Museum wird es einfacher, da ist man auf Augenhöhe. Daher habe ich mich aus taktischen Gründen für die Bezeichnung Museum entschieden. Sammlung sagt zu wenig. Museum ist eindeutig.
Der Begriff Museum suggeriert Seriosität, Professionalität und steht für Glaubwürdigkeit. Ein Museum wird allgemein als Ort einer öffentlichen Sammlung und als Institution von gesellschaftlicher Relevanz abseits kommerzieller Interessen wahrgenommen.5 Während Frieder Burda die Analogie zu einem öffentlichen Museum sucht und daher die Bezeichnung Sammlung für eine öffentliche Kunsteinrichtung zu wenig markant findet, haben sich vier andere Sammler bewusst für diesen Titel entschieden. Uns schien der Name Sammlung der nächstliegende, sagt Erika Hoffmann. Wir fanden nicht, dass unsere Sammlung bedeutend genug wäre, um sie als Museum zu bezeichnen. Das erscheint mir auch heute noch so. Wenn ich sie nicht kuratierte, wäre sie heute noch eine Ansammlung und keine Sammlung. Auch Christian Boros lehnt die Bezeichnung Museum explizit ab: Wenn jemand zu mir sagt: „Ich besuche Sie in Ihrem Museum“, dann berichtige ich ihn und sage: „Sie kommen nicht in ein Museum, Sie kommen in eine private Sammlung.“ [...] Wir sind kein Museum, sondern ein Ort, an dem eine ganz private und sehr leidenschaftliche Passion für die Kunst gepflegt wird. Diese Sammler wollen vorrangig den privaten Charakter ihrer Ausstellungsräume akzentuieren. Einen Vergleich mit einem öffentlichen Museum lehnen sie bewusst ab. Dass die Bezeichnung Sammlung a priori keine öffentliche Zugänglichkeit impliziert, ist von den Sammlern ausdrücklich gewünscht. Alle privaten Initiativen, die den Titel Sammlung tragen, sind für das interessierte Publikum nur eingeschränkt zugänglich. Sie stehen der Öffentlichkeit lediglich an ausgewählten Tagen und meist nur nach Voranmeldung offen. Erika Hoffmann formuliert das so: Der Öffentlichkeitscharakter war uns nicht so wichtig wie der Charakter eines Privathauses, das zeitweise für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Auch Christian Bors betont die Privatheit seiner Sammlung. Seinen Bunker sieht er als eine Metapher für die Unzugänglichkeit. Doch an drei Tagen pro Woche öffnet sich die schwere Tür und bietet exklusiven Zutritt zu einer nach subjektiven Kriterien ausgewählten Kunstsammlung. Die Sammlung Boros ist ja auch beides: zugänglich und unzugänglich. Der Bunker ist ein sehr hermetisches Gebäude, er wirkt sehr geschlossen. [...] Er ist gleichermaßen aber auch offen, denn ich freue mich über jeden, der kommt.
5
Aus diesem Grund bemüht sich der Deutsche Museumsbund seit vielen Jahren, den Begriff „Museum“ zu schützen. Solange das nicht gelinkt, kann jede Einrichtung, egal ob kulturell oder kommerziell ausgerichtet, den Titel „Museum“ verwenden.
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Julia Stoschek hat für ihre privaten Ausstellungsräumlichkeiten, die immer samstags für das Publikum geöffnet sind, ebenfalls den Titel Sammlung gewählt. Allerdings hat sie sich für die englische Übersetzung entschieden. Julia Stoschek verweist auf die Internationalität des Titels Collection: Der Schwerpunkt meiner Sammlung liegt im US-amerikanischen Bereich. Da war es eine ganz einfache Überlegung – angefangen vom Briefpapier bis zur Visitenkarte – sich für das Wort Collection zu entscheiden. [...] Natürlich kann man fragen, ob es immer diese Anglizismen braucht, aber für uns im Sprachgebrauch ist es einfacher und internationaler. Einen Anglizismus verwendet auch die Langen Foundation. Sabine Crasemann erklärt die Wahl wie folgt: Es gibt die Viktor und Marianne Langen Stiftung, und wir sind eine Art Untereinrichtung dieser Stiftung. Wir fanden Foundation einfach internationaler, damit können sowohl die Amerikaner als auch die Franzosen etwas anfangen. Friedrich E. Rentschler hat das Thema der Zweisprachigkeit elegant gelöst, denn er hat seine nur nach Anmeldung zugängliche Kollektion „Sammlung FER Collection“ genannt. Der Name FER setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der beiden Vornamen und des Nachnamens des Sammlers zusammen. „Ich möchte selbst nicht so im Vordergrund stehen. Deshalb habe ich meine Sammlung auch FER genannt. Das steht für die Anfangsbuchstaben meines Namens und ist dennoch neutral, gibt der Sammlung eine eigene Identität“, so Rentschler (2009). Während Friedrich E. Rentschler hinter seine Sammlung zurücktreten will und die Bezeichnung FER nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Person des Sammlers zulässt, tragen acht öffentliche Sammlungen dieser Studie den Familiennamen ihres Gründers im Titel. Dass ihre privaten Ausstellungsräume auch ihren Eigennamen tragen, ist für diese Sammler eine Selbstverständlichkeit. Mit ihren Namen stehen sie für die subjektive Auswahl und individuellen Ausprägungen ihrer Kollektionen. Ihr Name verweist auf das private Engagement und die Trägerschaft ihrer Einrichtung. Julia Stoschek und Frieder Burda nennen auch ihre Vornamen im Titel, um sich von anderen Familienmitgliedern abzugrenzen. Julia Stoschek erläutert: Mit der Familie hat die Sammlung nichts zu tun, also eine Stoschek-Collection gibt es nicht. Daher war mir der Vorname Julia wichtig. Auch Erika Hoffmann denkt darüber nach, ob der Name Sammlung Hoffmann nicht eine genauere Charakterisierung gebraucht hätte: Der Name Hoffmann ist ja so häufig wie Sand am Meer. Deshalb habe ich später gedacht, dass man das vielleicht hätte präzisieren müssen. Dass die Sammlung Hoffmann eben nicht die Sammlung Hoffmann-La Roche ist. Aber es sind ja zwei unterschiedliche Städte. Das Daros Museum Zürich und der me Collectors Room Berlin sind die beiden einzigen Privatsammlungen, die ihren persönlichen Namen nicht preisgeben. Sie haben
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sich im Gegenzug für eine geographische Präzisierung entschieden. Die Daros Latinamerica AG engagiert sich neben Zürich auch in Rio de Janeiro und nutzt die Angabe des Ortes, um die jeweiligen Aktivitäten voneinander abzugrenzen und zuzuordnen. Thomas Olbricht macht sich das positive Image seines Standortes zunutze. Berlin gilt weltweit als Kunststadt und als Zentrum der Gegenwartskunst. Mit dem Zusatz Berlin positioniert der Sammler seinen me Collectors Room in einem international anerkannten Kunstumfeld. Auf die Frage, warum er seinen Namen nicht im Titel seiner privaten Kunstinitiative trägt, antwortet Thomas Olbricht: Ich wollte meinen Namen auf keinen Fall in den Titel bringen. Ein Grund dafür war, dass ich in meinem Haus auch Sammlungen anderer Privatsammler zeigen will, und wenn das Haus dann „Olbricht Collection“ heißt, wäre das vielleicht ein Hinderungsgrund. „me Collectors Room“ passt dann eigentlich auch sehr gut für andere Sammlungen. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung hat Thomas Olbricht die Bezeichnung seines me Collectors Room Berlin präzisiert und dem Titel den Zusatz „Stiftung Olbricht“ angefügt. Die Stiftung fungiert seither als Betreiber des Museums. Als einziger Sammler dieser Studie hat Thomas Olbricht einen programmatischen Titel für seine öffentliche Privatsammlung gewählt. Die zielsetzende und internationale Ausrichtung des Ausstellungshauses vermittelt also bereits die Bezeichnung me Collectors Room: ein Ort für die Präsentation unterschiedlicher privater Sammlungen. Allerdings hat das kleine Wort „me“ für große Verwirrung gesorgt und viele Kritiker auf den Plan gerufen. „me“ wurde schlicht mit „ich“ übersetzt und dem Sammler wurde Egoismus und Egozentrik vorgeworfen. Dabei steht „me“ für „moving energies“. „Moving energies“ war der Titel einer dreiteiligen Ausstellungsserie, in der Werke aus meiner Sammlung über zwei Jahre im Folkwang Museum Essen gezeigt wurden. Zeitgenössisches wurde da mit historischen Kunstwerken kombiniert, daher der Titel „moving energies“. Wir haben uns natürlich überlegt, ob wir diesen Anglizismus wirklich wollen, auch die Länge fanden wir problematisch. Dann war es klar, wir kürzen es einfach ab. So enstand „me“. Da hat vorerst niemand an „ich“ gedacht, aber den Gedanken fand ich dann als Doppeldeutung gar nicht schlecht. [...] Dass dieser Titel dann so negativ in der Presse aufgenommen werden könnte, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. [...] Ich finde, wenn man seinen Namen in den Titel bringt, ist das doch viel egozentrischer als „me“. Das Daros Museum Zürich verwendet einen Namen, aus dem sich keine Folgerungen auf den Sammler ableiten lassen. Die Bezeichnung Daros hat keine Bedeutung oder einen tieferen Sinn. „Es ist ein Phantasiename für unsere Firma“, erklärt HansMichael Herzog, Generaldirektor der Daros Latinamerica AG. Ruth Schmidheiny, die als Sammlerin, Finanzier und als Mitglied des Verwaltungsrates hinter den Aktivitäten der Daros Lateinamerica AG steht, kann dadurch im Hintergrund bleiben. In Fachkreisen ist allerdings bekannt, dass hinter den unterschiedlichen Wirkungsbereichen der Schweizer Daros Gruppe die philanthropischen Aktivitäten der Familie Schmidheiny stehen.
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Ein internationaler Vergleich von Benennungen öffentlicher Privatsammlungen zeigt, dass die Bezeichnungen Collection und Foundation in Verbindung mit dem Namen des Sammlers am häufigsten auftreten. Als Vergleich wurden fünfzig internationale private Ausstellungsräume herangezogen, die Doroshenko (2010) in seinem jüngst veröffentlichten Sammler-Bildband „Private Spaces for Contemporary Art“ vorstellt. Davon verwenden siebzehn Einrichtungen (34 %) den Titel Collection, fünfzehnmal (30%) wird Foundation gewählt und nur dreimal (6%) wird der Name Museum eingesetzt. Zwei dieser drei privaten Museen sind das Museum Frieder Burda und das Essl Museum. Da sich alle Räume der zeitgenössischen Kunst widmen, taucht auch mehrmals die Bezeichnung „Contemporary“ auf. Beispiele hierfür sind Center for Contemporary Art, Center for Contemporary Culture oder Contemporary Art Space. Weiterhin kommen auch programmatische Titel wie The Girls’ Club, the Suburban oder Initial Acces zum Einsatz. 6 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mit dem Namen der Einrichtung auch das Selbstverständnis der öffentlichen Privatsammlung transportiert wird. Vier der untersuchten privaten Kunsträume tragen den Titel Museum – ein Begriff der Authentizität vermittelt und allgemein als öffentlicher Kunstort mit wissenschaftlicher Zielsetzung verstanden wird. Die privaten Sammlungen, die den Titel Museum tragen, haben institutionellen Charakter und sind vom Betrieb her mit öffentlichen Museen vergleichbar. Eine Analogie mit den staatlichen Instituten ist diesen Sammlern überdies wichtig. In den meisten Fällen identifizieren sich diese Privatmuseen auch mit den Aufgaben und dem gesellschaftlichen Image einer öffentlichen Museumsinstitution (vgl. Kapitel 7.5). Das gilt auch für jene Privatsammlungen, die die Benennung Foundation oder einen programmatischen Titel gewählt haben. Ihre Öffnungszeiten und musealen Angebote entsprechen in der Regel einem staatlichen Museumsbetrieb. Während sechs öffentliche Privatsammlungen dieser Studie die Nähe und Vergleichbarkeit mit dem öffentlichen Museumsbetrieb anstreben, wollen sich die weiteren vier Privatsammler von dieser Affinität bewusst distanzieren. Für sie schließt der Begriff Museum eine gewisse Systemträgheit mit ein, mit der sich diese privaten Sammler nicht identifizieren wollen. Als Benennung verwenden diese öffentlichen Privatsammlungen die Bezeichnung Sammlung oder Collection. Der Begriff Privatsammlung definiert zuallererst eine Ansammlung von Kunstgegenständen, die von einer Privatperson zusammengetragen wurden, und bedingt im Unterschied zu einem Museum keine öffentliche Zugänglichkeit. Diese Ausführungen lassen eine deutliche Unterscheidung und charakteristische Zweiteilung des Studienfeldes erkennen, die sich im Laufe der Untersuchung noch mehrfach manifestieren wird. Des weiteren lässt sich eine Übereinstimmung der Bezeichnung der öffentlichen Privatsammlungen mit ihrer Zugänglichkeit bzw. den Öffnungszeiten erkennen. Jene
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The Girl’s Club in Fort Lauderdale (US) widmet sich ausschließlich zeitgenössischer Kunst von Künstlerinnen. The Suburban in Illinois (US) wird von einem Künstlerpaar in einer Vorstadt betrieben und bietet Künstlern unkonventionelle Ausstellungsmöglichkeiten. Initial Access bietet in Wolverhampton (UK) Zugang zu zeitgenössischer Kunst.
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sechs privaten Sammlungen, die den Titel Museum, Stiftung / Foundation oder einen programmatischen Namen gewählt haben (me Collectors Room Berlin), verfügen über eine publikumsorientierte Infrastruktur und haben ihre Öffnungszeiten (vorwiegend Dienstag bis Sonntag) den staatlichen Museen angeglichen. Die vier privaten Einrichtungen mit der Bezeichnung Sammlung können hingegen nur an ausgewählten Wochentagen oder nach Voranmeldung besucht werden. Der private Charakter ist in diesen Sammlungen durch die eingeschränkte Zugänglichkeit und persönlich geprägte Ausstellungs- und Vermittlungsformen stärker ausgebildet. Neun der untersuchten öffentlichen Privatsammlungen tragen den Namen des Sammlers im Titel. Der Name bürgt für die subjektiv zusammengestellte Kollektion und verweist auf die private Trägerschaft. Da in vielen Fällen Unternehmerfamilien hinter den privaten Sammlungen stehen, werden mit dem eigenen Namen auch die Werte der jeweiligen Firmen und Familien transportiert. Alle Sammler legen Wert auf Internationalität. Das verdeutlichen sowohl die Sammlungskonzepte (Kapitel 7.5.1) als auch die öffentlichen Auftritte (Kapitel 7.9). 80% der öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie unterstreichen diese Internationalität auch in ihrer Namensgebung.
7.3
Z IELE
UND
L EITBILD „Meine Person ist von der Sammlung nicht zu trennen.“ JULIA STOSCHEK
Fast jedes Wirtschaftsunternehmen verfügt über ein Leitbild, in dem das Selbstverständnis der Organisation und die Grundprinzipien seiner Unternehmenskultur schriftlich festgehalten werden. Nach innen wirkt das Leitbild handlungsleitend und motivierend, nach außen vermittelt es die grundlegenden Ziele der Organisation. Während der Auftrag und das Ziel eines Wirtschaftsbetriebes vorrangig von ökonomischen Faktoren bestimmt werden, orientiert sich ein Kulturbetrieb nicht an Parametern wie Gewinnmaximierung und quantitativer Erfolgsmessung. Umso wichtiger ist es für Kulturbetriebe daher, ihren Organisationszweck und ihre Ziele genau zu definieren und mit einem Leitbild den Orientierungsrahmen für die Mitarbeiter zu schaffen. Staatliche Museen haben als Einrichtungen der öffentlichen Hand in der Regel einen gesellschaftlichen Zweck und einen kulturpolitischen Auftrag zu erfüllen. Öffentliche Privatsammlungen hingegen haben keinen obligatorischen Auftrag, sie sind reiner Selbstzweck. Freilich verbindet jeder Sammler mit der Veröffentlichung seiner Kunstkollektion in eigenen Ausstellungsräumen unterschiedliche Wünsche und persönliche Vorstellungen. Daher verwundert es, dass nur zwei von zehn Privatsammlungen der Studie ihre privaten Visionen und individuellen Ziele in einem Mission Statement schriftlich dargelegt haben. Es handelt sich dabei um zwei Privatsammlungen mit musealem Charakter: das Essl Museum und das Daros Museum Zürich. In ihrem Mission Statement beschreiben Agnes und Karlheinz Essl die Ausrichtung ihrer Sammlung, ihre Ausstellungsprogrammatik, ihren Schwerpunkt auf Kunstvermittlung und die Pflege der zeitgenössischen Musik. Ein wesentliches Ziel
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für das Essl Museum ist es, die Werke der Sammlung im eigenen Ausstellungshaus einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Leitbild schließt mit einem Zitat der Museumsgründer: „Seit Beginn unserer Sammlertätigkeit ist es unser Wunsch, möglichst viele Menschen mit Kunst in Berührung zu bringen und von dieser inspirieren zu lassen. Kunst bereichert das Leben und setzt innovative Kräfte frei. Kunst ist ein Lebenselixier, das vertiefende Einblicke in die Zusammenhänge des Lebens und der Existenz ermöglicht. In diesem Sinne möchten wir einen Beitrag zur positiven Entwicklung der Gesellschaft leisten“ (Essl 2007a: 17). Die Daros Latinamerica AG sieht ihren Auftrag im Aufbau und der Pflege seiner Sammlung, in einer umfassenden Ausstellungs- und Publikationstätigkeit, die den Facettenreichtum der Kunstproduktion Lateinamerikas darstellt sowie in einer nachhaltigen Kunstvermittlung. Betont wird darüber hinaus auch der respektvolle Umgang mit Künstlern und ihren Werken. „Kulturpolitisches Ziel ist es, der zeitgenössischen Kunst Lateinamerikas international zu dem Stellenwert zu verhelfen, der ihr gebührt. So gilt es, diese Kunst einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ihre Qualität ins Bewusstsein zu rücken. Mit einer regen Ausstellungstätigkeit, zahlreichen Publikationen, Europas größter Fachbibliothek zum Thema, einem umfassenden Kunstvermittlungsprogramm sowie einem expandierenden internationalen Netzwerk schafft Daros Latinamerica die Voraussetzungen für einen dauerhaften Dialog zwischen Kunst, Künstlerinnen, Künstlern und Publikum. Ihre Unabhängigkeit erlaubt es Daros Latinamerica, ihre Aufgaben auf globaler Ebene konsequent und kompromisslos zu realisieren“ (Daros Latinamerica AG 2011: 1). Die restlichen acht öffentlichen Privatsammlungen haben ihre Ziele nicht schriftlich fixiert und konkretisiert. Auf die Frage nach dem Auftrag und dem Ziel ihrer privaten Kunsträume nennen die Sammler den vorrangigen Wunsch, ihre private Leidenschaft und ihre persönlichen Wertvorstellungen öffentlich zur Disposition zu stellen und die Kunstöffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Frieder Burda formuliert es so: „Es ist mir wichtig, meine Begeisterung, die Freude und Leidenschaft, die ich für die Kunst empfinde und ebenso aus ihr beziehe, mit den Menschen teilen zu können, und ihnen – auch wenn es nur für einen Moment ist – das Glück, das mir widerfahren ist, weitergeben zu können“ (zit. nach Adriani 2009: 22). Auch Margit Biedermann äußert sich ähnlich: Ich möchte den Menschen – ganz simpel gesagt – eine Freude machen. Und ich möchte gute Qualität bieten. Gute Qualität bedeutet, dass die Besucher sagen, es lohnt sich, eine Reise nach Donaueschingen zu machen, im Museum Biedermann wird gute Kunst geboten. [...] Ich würde mich freuen, wenn die Besucher angeregt aus dem Museum gehen und von hier etwas im Kopf mitnehmen. Mehr Anspruch haben wir eigentlich nicht. Wenn zufriedene Menschen aus dem Museum gehen, im Museum etwas Schönes erlebt haben und sich draußen auf die Bank setzen und zufrieden sind, bin ich auch zufrieden. Einen höheren Anspruch – der kann sich noch entwickeln – haben wir im Moment nicht.
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Seine Ziele beschreibt Thomas Olbricht wie folgt: Ich möchte meine Sammelleidenschaft vermitteln, auch mit meinen Vorlieben. Ich höre wahnsinnig gerne, was die Leute darüber denken und sagen, und das ist nur möglich, in dem ich meine Sammlung ausstelle. Das gibt mir wieder neue Energie, das ist das Elixier, das überhaupt zu machen. Ich kann mir heute gar nicht mehr vorstellen, nur mehr für mich zu sammeln. Friedrich E. Rentschler sagt: Nachdem ich die Kunstwerke fast 40 Jahre lang an internationale Museen ausgeliehen habe, will ich in eigenen Räumen mein Konzept des Sammelns darstellen und einem interessierten Kunstpublikum die Besichtigung ermöglichen. Christian Boros sieht seinen Auftrag in der Schaffung eines neuen und einmaligen Begegnungsortes für zeitgenössische Kunst in Berlin. Berlin ist eine Stadt, in die sehr viele Menschen kommen, die neugierig und an Kunst interessiert sind. Hier bieten wir ein Angebot von höchster Subjektivität. Zwei Menschen – meine Frau und ich – sprechen eine Einladung aus und teilen mit anderen Menschen das, was uns bewegt. Es ist ein ganz spezieller Ort, sowohl von den Räumlichkeiten, der Vornutzung als auch von der subjektiven Selektion der Kunst her. Die Langen Foundation und Julia Stoschek Collection verknüpfen ihre Ziele mit ihrer Sammlung und ihrer Ausstellungstätigkeit. Auf die Frage nach dem Auftrag antwortet Sabine Crasemann: Ja, gibt es einen Auftrag? – gute Frage! Wir haben jetzt eine sehr kompetente neue Kuratorin. Sie geht jetzt auch mehr in die zeitgenössische Kunst, etwas, was wir schon seit Anfang an machen wollten. Das haben ja auch meine Eltern praktiziert, sie haben nach vorne gesammelt. Das ist ganz sicher im Sinne meiner Eltern, mehr Zeitgenössisches zu zeigen und dabei den Bogen zu spannen zwischen Alt und Neu. Julia Stoschek formuliert ihr Ziel als Vision für die Zukunft: Mein größter Wunsch für die Zukunft wäre, dass die Sammlung in meinem Besitz bleibt. Das zweite wäre, dass die Sammlung weltweit verstreut ist. [...] Ich finde die Arbeiten müssen sichtbar sein, auch an anderen Orten. Hier in Düsseldorf habe ich gar nicht den Platz, alles permanent zu zeigen. Weiters wäre mir eine Kooperation mit externen Institutionen und Museen weltweit wichtig. Und zuletzt natürlich, dass die Sammlung weiter wächst. Schließlich verfolgt auch Erika Hoffmann mit ihrer privaten Form der halböffentlichen Kunstpräsentation keine geplante Zielsetzung: Nein, ein Ziel gibt es nicht. Solange wir Unternehmer waren, wollten mein Mann und ich beim Sammeln spontan sein. [...] Wir wollten für unsere Kunsterfahrungen so offen wie möglich bleiben und so weit wie möglich entfernt vom gewohnten Planen. Und ich habe auch heute noch kein anderes Ziel als das, die Sammlung Hoffmann noch einige Jahre weiter zu betreiben, bis es mir zuviel wird.
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Aus diesen Zitaten wird deutlich, dass 80% der untersuchten Privatsammlungen über kein verbindliches Leitbild oder schriftlich formuliertes Konzept verfügen. Ihre Ziele sehen die Sammler in der Vermittlung und öffentlichen Darstellung ihrer Sammelleidenschaft und ihrer subjektiven Sicht auf die aktuelle Kunstproduktion. Ihr Anliegen, andere Menschen an dieser Freude teilhaben zu lassen, betrachten alle Sammler als gesellschaftliche Verantwortung, als gefühlte Notwendigkeit und als Vergnügen. Alle Sammler verbinden persönliche Erwartungen und Wünsche mit der öffentlichen Präsentation ihrer Kunstsammlungen. Darüber hinaus möchten sie sich eine erfüllende Aufgabe schaffen und ihre Zufriedenheit steigern. Stellvertretend sei hier Frieder Burda zitiert: Der Dank für all die Mühe sind die Besucher. Wenn die Besucher auf mich zukommen und mir sagen, dass das Haus schön ist und dass die Ausstellungen gut sind, dann ist das mein Dank für die Mühe, die ich mir gemacht habe. Vielleicht auch ein wenig für die finanziellen Opfer. Das gehört mit dazu. Ich finde, mehr kann man nicht verlangen. Der Zweck und das Selbstverständnis einer öffentlichen Privatsammlung werden daher einzig durch die Person des Sammlers und seine Vorstellungen definiert. Er ist in höchst persönlicher Weise in seine Sammlung und die Art ihrer Öffentlichmachung involviert. Auf diese Weise stiftet der Sammler Identität und gibt durch seine inhaltlichen und finanziellen Vorgaben das Ziel und die Richtung vor. Julia Stoschek bringt es auf den Punkt: Man kann meine Person sicherlich nicht von der Sammlung trennen und die Sammlung nicht von meiner Person. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Wurden in der Erfolgskategorie „Ziele eines Museums“ ein Leitbild und Museumskonzept (EK 1) als Kriterien des Erfolgs für öffentliche Museen genannt, so kann dieser Punkt für die privaten Einrichtungen nur bedingt als Erfolgsfaktor gewertet werden. Nur zwei Sammlungen haben ein klar definiertes Ziel und schriftliches Mission Statement. Während ein staatlicher Museumsbetrieb von unterschiedlichen Direktoren geleitet wird, die nicht notwendiger Weise die gleichen inhaltlichen Ziele verfolgen, so muss von der Politik oder den öffentlichen Trägern ein klarer Auftrag und eine Vision vorgegeben werden, um für das Museum und seine Mitarbeiter Kontinuität und beständige Weiterentwicklung zu gewährleisten. Im privaten Kontext hingegen steht die Person des Sammlers für das Ziel. Seine Wünsche, seine Vision und seine Zufriedenheit definieren den Auftrag und die Ausrichtung der öffentlichen Privatsammlung. Daher kann die Persönlichkeit des Sammlers und seine subjektive Sicht auf die Kunst als ein Garant für den Erfolg einer öffentlichen Privatsammlung gewertet werden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Persönlichkeit und Authentizität des/r Sammlers/in
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Die Ausrichtung und die Aufgaben einer öffentlichen Privatsammlung werden einzig durch die Vorlieben des Sammlers und seine persönlichen Schwerpunktsetzungen bestimmt. Wenn die Persönlichkeit des Sammlers das Ziel definiert und der Erfolg einer Einrichtung grundsätzlich vom Grad seiner Zielerreichung abhängig ist, dann ist daraus zu schließen, dass der Erfolg einer öffentlichen Privatsammlung auch von der Befindlichkeit des Sammlers und dem Grad, in dem seine Wünsche und Vorstellungen erfüllt werden, abhängig ist. Als zweiter Erfolgsfaktor öffentlicher Privatsammlungen kann daher die Zufriedenheit des Sammlers verstetigt werden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Zufriedenheit des/r Sammlers/in Wie im nächsten Kapitel (7.4) gezeigt werden wird, sind fast alle Sammler erfolgreiche Unternehmer, die Mut zur eigenen Idee bewiesen haben. Ihre Entwicklungen haben auf dem internationalen Markt reüssiert und sich gegen Mitbewerber durchgesetzt. Auf ihren Gebieten sind die Unternehmer Pioniere, die ihren Gewinn und Erfolg auf individuellen Wegen gefunden haben. Genau wie ihre subjektiven Entscheidungen die Wirtschaft voranbringen, so bereichern die Individualität und Subjektivität der öffentlichen Privatsammlungen die Kunst- und Museumslandschaft. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Subjektive Prägung
T RÄGERSCHAFT UND F INANZEN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
7.4
T RÄGERSCHAFT
UND
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F INANZEN
„Es gibt nichts Schöneres als die eigene Unabhängigkeit.“ FRIEDER BURDA
Das Zitat von Frieder Burda fasst trefflich zusammen, was alle Sammler als den größten Vorteil ihrer autonom geführten Kunsträume definieren – ihre Unabhängigkeit. Alle Einrichtungen werden vollumfänglich privat getragen und agieren ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand. Die Vorteile der finanziellen und institutionellen Unabhängigkeit sehen die Sammler darin, keinerlei Verpflichtungen oder Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu haben, keiner politischen Einflussnahme ausgesetzt zu sein sowie allein und bedingungslos über alle Aktivitäten in ihren Häusern entscheiden zu können. Im Vergleich zu öffentlichen Museen erlaubt ihre Unabhängigkeit eine ungleich größere Lebendigkeit und Beweglichkeit, flexibel und schnell auf Veränderungen am Kunstmarkt oder in der Kulturlandschaft zu reagieren. Die öffentlichen Privatsammlungen sind in ihrer Programmgestaltung völlig frei, sie müssen keinen Moden, Trends oder Vorgaben folgen, nicht nach hohen Besucherzahlen streben und sie können sich auf Inhalte konzentrieren. Die Vorlieben der Sammler, ihre persönlichen Schwerpunktsetzungen und ihre finanziellen Möglichkeiten bestimmen die Ausrichtung und die Aufgaben ihrer öffentlichen Privatsammlungen. Die Vorzüge dieser Eigenständigkeit erläutern die Sammler wie folgt: Unsere Position ist eindeutig, wir sind privat und niemandem Rechenschaft schuldig, sagt Friedrich E. Rentschler. Wir können ohne politische Einflussnahme – was ja bei öffentlichen Museen immer der Fall ist – arbeiten. Sie kennen das, wenn es um Geld geht, reden alle gerne mit. Bei uns ist das anders, uns kann niemand angreifen. Und wenn jemand angreift, dann hat das keine Basis. Weil wir vom Staat nicht abhängig sind. [...] Wir sind auch unabhängiger in Bezug auf die Themen der Ausstellungen und können als Privatmuseum Ausstellungen zeigen, die in öffentlichen Häusern nicht ohne weiteres möglich wären, ist Karlheinz Essl überzeugt. Wir müssen nicht auf Zahlen schauen und immer im Hinterkopf haben, ob sich das alles rechnet. Ich kann ganz subjektiv und mit meiner Frau entscheiden und das präsentieren, was uns wichtig ist. Wir haben das große Glück – solange es geht – dass wir lediglich über unser Qualitätsverständnis nachdenken und zeigen, was wir als erörterungswürdig einschätzen, erläutert Christian Boros. Es hat den Vorteil, dass ich niemand fragen muss „Darf ich das machen?“ „Reicht das Budget?“ Ich weiß sofort, ob ich alle finanziellen Hürden sprengen will oder ob ich mich dagegen entscheide. So eine Entscheidung geht sehr schnell. Ich brauche kein Gremium, erklärt Thomas Olbricht. Es ist ein großes Glück, dass wir hier Ausstellungen generieren können, nach meinen Vorstellungen und den Vorstellungen der Künstler. [...] Wenn ich mor-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT gen entscheide, das Haus wird geschlossen, dann wird das Haus geschlossen. In jedem Fall ist es toll, so frei und so unbürokratisch agieren zu können. Ich habe keinerlei Verpflichtungen, außer natürlich meinen Mitarbeitern [...] und den Künstlern gegenüber, äußert Julia Stoschek. Das non plus ultra ist – und das ist nicht vergleichbar mit irgendeinem öffentlichen Museum – dass wir uns zu einem enormen Prozentsatz unserer Arbeitszeit inhaltlichen Dingen widmen können. Der Verwaltungsanteil ist bei uns sehr gering. Bei staatlichen Museen ist es diametral entgegengesetzt, so Hans-Michael Herzog. Ursprünglich wollte das Land die Hälfte der Baukosten übernehmen. Aber dann hat man immer jemand vom Land im Vorstand, der bei der Führung des Hauses mitredet. [...] Insofern hat man mit einem autonom geführten Privatmuseum schon Vorteile. Wir können hier machen, was wir wollen. Wir haben keine Verpflichtung, dass unsere Ausstellungen kunsthistorisch wichtig sein müssen, und das gibt uns viele Freiheiten, betont Sabine Crasemann. Die Unabhängigkeit hat große Vorteile, zum Beispiel, dass nicht ständig jemand vom Ministerium kommt und permanent Untersuchungen macht. [...] Ich bin niemanden Rechenschaft schuldig, auch nicht dem Staat. Ich möchte auch, dass es so bleibt, erklärt Frieder Burda. Zum Glück haben wir vorher genug Geld verdient, dass ich mir das so leisten kann. [...] Mir war immer sehr wichtig, dass ich hier so frei und so unabhängig schalten kann, wie ich will, unterstreicht Erika Hoffmann. Die Probleme, die sich in einem öffentlichen Museum ergeben, sind, dass es für alles Gremien gibt, alles muss genehmigt werden und dauert ewig lange. Ein Gremium beschließt, welche Künstler ausgestellt werden. In einem Privatmuseum bestimme ich, welche Menschen mir wichtig sind und für welche Künstler ich etwas tun möchte und wen ich zeigen möchte, bekräftigt Margit Biedermann.
Die Kommentare zeigen sehr deutlich, dass die Sammler einhellig in der Unabhängigkeit den größten Unterschied zu öffentlichen Museen sehen. Die Gründer öffentlicher Privatsammlungen wollen niemanden Rechenschaft schuldig sein und keine Verpflichtungen übernehmen, außer für ihre Institutionen, ihre Mitarbeiter und die Künstler ihrer Sammlungen. Für sie zählt einzig das eigene Kunst- und Qualitätsverständnis. Ihre Ausstellungen orientieren sich daher nicht notwendiger Weise an wissenschaftlichen oder kunsthistorischen Kriterien, sondern lediglich den Vorstellungen und den Vorlieben des Sammlers. Öffentliche Privatsammlungen verstehen sich als flexible, offene und entscheidungsfreudige Einrichtungen, in der die Sammler über Künstler, Projekte und Finanzen selbst entscheiden. Margit Biedermann fügt hinzu:
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Das alles kann man natürlich nur dann machen, wenn man persönlich dahinter steht und keine Komitees zu bedienen hat. Wenn man sagt: „Das möchte ich so und das leiste ich mir.“ Sonst wäre das alles wahrscheinlich gar nicht möglich. Die Museumsgründerin Margit Biedermann weist hier auf die Voraussetzungen und Grundlagen dieser Unabhängigkeit hin. Enorme finanzielle Mittel, ein starker Wille und große Leidenschaft sind notwenig, um eine fundierte Kollektion aufzubauen und ein öffentlich zugängliches Ausstellungsinstitut zu gründen. Auch Thomas Olbricht beschreibt die Voraussetzungen der Gründung einer öffentlichen Privatsammlung wie folgt: Letztlich hat das auch mit Geld zu tun. Man muss ein gewisses Vermögen haben, um das bewerkstelligen zu können. Dann kommt immer der Spruch: „Ja, der kann das ja, der ist vermögend.“ Aber das ist nicht alles, das muss ich wirklich betonen! [...] Es gehört auch etwas ganz anderes dazu: Mut und Ausdauer und man muss sich selber immer wieder überzeugen können. Dass öffentliche Privatsammlungen hohe mediale Aufmerksamkeit genießen und erfolgreich sind, reduzieren Kritiker gerne auf die finanzielle Ausstattung der Sammler. Aus diesem Grund wurde der Bereich der Finanzen aus dieser Untersuchung völlig ausgeklammert. Ohne Zweifel stellt das Kapital das ökonomische Fundament einer bedeutenden internationalen Kunstkollektion dar. Ziel dieser Studie ist es zu zeigen, dass für die hohe Wertschätzung und steigende Bedeutung der öffentlichen Privatsammlungen auch andere Faktoren verantwortlich sind. Überdies sprechen die Privatsammler ungern über ihre finanziellen Mittel, die sie für ihre Kunstleidenschaft aufwenden. Stellvertretend sei hier Karlheinz Essl zitiert, der auf die Frage „Darf ich Sie fragen, wie viele Kunstwerke Sie im Jahr 2010 erworben haben?“ antwortet: Nein, das dürfen Sie nicht. Aber grob geschätzt würde ich meinen, dass unser Ankaufetat so hoch ist wie der Etat aller österreichischen Museen zusammen. Auch wenn hier keine Zahlen genannt werden, bestätigt diese Aussage die Tatsache, dass Privatsammler wesentlich höhere Summen für ihre Sammlungsankäufe einsetzen. Die prekäre finanzielle Lage vieler Museen und die immer geringer werdenden öffentlichen Ankaufsbudgets haben als Folge den privaten Sammlern großen Einfluss am Kunstmarkt beschert. Jeder Galerist und Künstler weiß, dass sich die Begleichung von Rechnungen durch die öffentliche Hand verzögern kann, und gibt den zahlungskräftigen öffentlichen Privatsammlern häufig den Vorzug, wenn es um den Verkauf von Schlüsselwerken geht. Werden doch die Neuankäufe nicht nur umgehend in privaten Ausstellungsräumen öffentlich gezeigt, sondern auch finanzielle Forderungen prompt ausgeglichen. Alle zehn hier vorgestellten Sammler sind sehr vermögend, meist bilden ihre international agierenden Firmen das finanzielle Fundament für ihre Kunstaktivitäten. Sieben Sammler sind erfolgreiche Unternehmer und haben mit ihren Firmen großen Reichtum erwirtschaftet, drei sind durch Familienbesitz und Erbe zu beträchtlichem Vermögen gekommen. Es ist erfreulich, dass diese vermögenden Menschen ihren Besitz in Kunst investieren und die Allgemeinheit daran teilhaben lassen. Max J. Friedländer bemerkte schon in den 1920er Jahren, dass „Kunstbesitz [...] so ziemlich
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die einzig anständige und vom guten Geschmack erlaubte Art [ist, d.V.], Reichtum zu präsentieren“ (zit. nach Donath 1923:16/17). So unterschiedlich wie die einzelnen Sammlerpersönlichkeiten, ihre Motivationen und ihre Sammlungsstrategien sind auch die Professionen der Sammler. Erika und Rolf Hoffmann bauten die Firma van Laack auf, Karlheinz Essl hat die österreichische Baumarktkette „baumax“ zum Marktführer in Osteuropa gemacht, Stephan Schmidheiny führte die Eternit AG Schweiz zu großem Erfolg, Frieder Burda kommt aus dem Medienbereich und engagiert sich in Beteiligungsgesellschaften, Christian Boros ist Inhaber einer gefragten Werbeagentur, die Familie Langen war in der Autozulieferindustrie tätig, Julia Stoschek ist Gesellschafterin der BroseUnternehmensgruppe, die Firma Biedermann arbeitet im Bereich Medizintechnik, die Firma Rentschler ist führend im Bereich der Biotechnologie und Thomas Olbricht ist Chemiker, Arzt, Endokrinologe und ehemaliger Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wella AG. Alle Sammlungen sind Privatkollektionen und keine Corporate Collections. Dennoch strahlen Kunstsammlungen, wenn sie von Unternehmern aufgebaut und museal präsentiert werden, nicht nur positiv auf die Gründerpersönlichkeiten sondern auch auf das Erscheinungsbild der jeweiligen Firma aus. Das trifft in dieser Studie allerdings lediglich auf drei Sammler zu, da nur Karlheinz Essl, Margit Biedermann und Christian Boros noch unternehmerisch tätig sind. Für die Finanzierung ihrer privaten Kunstvergnügen haben die Sammler unterschiedliche Rechtsformen und Trägerschaften gewählt. Jeweils eine Einrichtung ist als Verein (Julia Stoschek Foundation e.V.), eine als gemeinnützige GmbH (Sammlung Boros) und eine als Aktiengesellschaft (Daros Latinamerica AG) organisiert. Zwei Sammlungen werden privat getragen (Sammlung Hoffmann und Sammlung FER Collection). Die restlichen fünf Ausstellungshäuser werden von gemeinnützigen und rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts getragen (Stiftung Frieder Burda, Margit Biedermann Foundation, Viktor und Marianne Langen Stiftung, Stiftung Olbricht, Karlheinz und Agnes Essl Privatstiftung). Zwei Sammlungen beabsichtigen, zukünftig Stiftungen zu gründen (Julia Stoschek Foundation e.V. und Daros Latinamerica AG). Somit haben 70% der Sammler ein Interesse an einem fortwährenden Bestand ihrer Einrichtungen und der dauerhaften Einhaltung ihres Stifterwillens. Bei der Errichtung einer Stiftung trennt sich der Stifter von einem Teil seines Vermögens. Aus den jährlichen Erträgen, die sich aus der Verwaltung dieses Kapitals ergeben, werden die Ausstellungsbetriebe und Ziele des Stifters verfolgt. Als Beispiel sei hier der Zweck der Stiftung Frieder Burda vorgestellt: „Zweck der Stiftung ist die Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Der Zweck der Stiftung wird in erster Linie verwirklicht durch Errichtung und Betreiben eines Museums moderner Kunst, in welchem die Kunstsammlung des Stifters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.“1 Die staatliche Stiftungsaufsicht überprüft die Einhaltung des Stiftungszwecks und garantiert, dass das Vermögen auch nach dem Ableben des Stifters entsprechend seinem Willen eingesetzt wird. Die hier vorgestellten Stiftungen sind fast ausnahmslos
1
Vgl. http://www.suche.stiftungen.org/index.php (28.5.2011).
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mit Vermögen ausgestattet. Die Kunstsammlungen und Gebäude befinden sich größtenteils weiterhin in privatem Besitz der Sammler. Der Betrieb der öffentlichen Privatsammlungen wird aus den Erlösen des Stiftungskapitals und von den Sammlern privat getragen. Thomas Olbricht nennt seinen me Collectors Room Berlin ironisch „ein großes tiefes Loch, in das man laufend Euros hineinschütten muss, damit der Betrieb und das Management läuft“. Es war von Anfang an klar, dass dieser Betrieb Geld kosten wird. Und dass alles, was man erwirtschaftet, bei weitem nicht ausreicht, um die Kosten zu decken. Nichtsdestotrotz ist meine Chefin Frau Rust in Betriebswirtschaft und in Kunst ausgebildet. Daher fällt es ihr besonders schwer, wenn sie als Ziel hat, möglichst wenig Verlust und nicht möglichst viel Gewinn zu erzielen. Erika Hoffmann sagt zur Finanzierung ihres halböffentlichen Kunstortes: Wir haben keine Stiftung, der einzige Träger der Einrichtung bin ich. [...] Wenn ich es mir nicht mehr leisten kann, dann ist es das eben gewesen. Wenn ich mich nicht mehr darum kümmern kann, dann legt mich auch keine Stiftung fest. Christian Boros antwortet auf die Fragen nach der Trägerschaft seines Bunkers: Es ist weder eine Stiftung, noch ist es ein reines Privatvergnügen. Es ist eine dritte Form, der als Rechtsform die gemeinnützige GmbH zugrunde liegt. Wenn die Gesellschaft Verluste macht, kann ich in diese Gesellschaft hineinstiften. Wenn es gut läuft, kann ich den Profit nicht ausschütten, sondern muss ihn wieder der Kunst zugute kommen lassen. Es ist eine Non-Profit-Organisation zur die Förderung der Kunst. Für die öffentlichen Privatsammlungen ist es in der Regel nicht notwendig, neue Erlösfelder und zusätzliche Einnahmequellen zu generieren, um ihre Betriebe qualifiziert zu führen. Im Gegensatz zu öffentlichen Museen hat die Akquise von Sponsoringgeldern oder zusätzlichen privatwirtschaftlichen Förderungen kaum Relevanz. Manche Einrichtungen sind auf der Suche nach Kooperationspartnern und manche arbeiten mit Sponsoren zusammen. Beispielsweise kooperiert das Museum Frieder Burda seit Jahren mit einer Privatbank. Eigene Einnahmen lukrieren die Privatsammlungen aus Einkünften ihrer Museumsshops und aus Vermietungen sowie insbesondere aus Erlösen durch Eintrittsgelder. Bis auf die Julia Stoschek Collection verlangen alle anderen neun Privatsammlungen eine Eintrittsgebühr. Die privaten Häuser sind keine gemeinnützigen Einrichtungen und müssen daher in ihrer Eintrittspreisgestaltung nicht auf soziale Aspekte achten. Dennoch sind die Eintrittspreise moderat strukturiert und liegen zwischen € 4,50 und 15,- für einen erwachsenen Besucher.2 Der Eintritt in die Sammlung Hoffmann kostet € 8,- inklusive Führung, ins Essl Museum € 7- / erm. 5,-, ins Daros Museum Zürich € 6,60 / erm. 3,30, ins Museum Frieder Burda € 9,- / erm. 7,-, in die Sammlung Boros € 10,- inklusive Führung, in die Langen Foundation € 7,50 / erm. 5,-, in das Museum Biedermann € 4,50 / erm. 2,50, in die Sammlung FER Collection Euro 15,- inklusive Führung und in den me Collectors Room Berlin € 6,- / erm. 4,-.
2
Die nachfolgend angeführten Eintrittspreise beziehen sich auf das Jahr 2010.
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Sieben private Einrichtungen gewähren Senioren und diversen Gruppen ermäßigten Eintritt. Das gilt nicht für die Sammlungen Hoffmann, Boros und FER, die nur nach Anmeldung und ausschließlich mit einer Führung besucht werden können, die im Eintrittspreis inkludiert ist. Vier Einrichtungen gestatten Kindern und Jugendlichen freien Eintritt. Das betrifft das Essl Museum (bis 19 Jahre), das Daros Museum Zürich (bis 16 Jahre), das Museum Biedermann (bis 12 Jahre) und den me Collectors Room Berlin (bis 18 Jahre). Vier Einrichtungen bieten günstige Familieneintritte: das Essl Museum (€ 10,-), das Museum Frieder Burda (€ 20,-), die Langen Foundation (€ 19,-) und das Museum Biedermann (€ 9,-). Drei Einrichtungen offerieren preisgünstige Jahreskarten, die auch dazu dienen, die Besucher an das Haus zu binden. Diese kann man im Essl Museum (€ 20,-), im Museum Frieder Burda (€ 60,-) und im Museum Biedermann (€ 20,-) erwerben. Bis auf das Daros Museum Zürich, das seine Eintrittsgelder einem Ausbildungsprojekt in Südamerika zugute kommen lässt, sehen alle privaten Einrichtungen den Eintritt als Möglichkeit, einen Teil ihrer Kosten zu refinanzieren. Hans-Michael Herzog sagt dazu: Wir wollten ganz bewusst nicht auf den Eintritt verzichten, weil wir der Meinung waren und sind, dass die Leute das, was sie gratis erhalten, weniger zu schätzen wissen. Bedürftige Gruppen erhalten selbstverständlich kostenlosen Eintritt. Aber prinzipiell sind wir davon überzeugt, dass es richtig ist, Eintritt zu verlangen. Darüber hinaus kommen die Gelder ja einem guten Zweck zugute. Die Meinung, dass eine kostenlose Leistung wenig wertgeschätzt wird, teilen alle Sammler. Eine mögliche Geringschätzung ihres Angebotes stellt daher für den Großteil der Sammler die wichtigste Motivation dar, Eintrittgelder zu verlangen. Außerdem bin ich der Ansicht, dass, wenn etwas nichts kostet, es nicht geschätzt wird. Für gute Kunst kann man auch Eintritt verlangen. [...] Ich halte eigentlich nichts davon, dass man Kunst so verschleudert. Kunst ist etwas Wertvolles und dafür kann man einen kleinen Obolus bezahlen, sagt Frieder Burda dazu. Wir haben auch überlegt, freien Eintritt zu gewähren. Wenn wir neue Ausstellungen eröffnen, machen wir immer einen Tag der offenen Tür. [...] Aber lieber ein etwas niedrigerer Eintritt, denn einen kleinen Obolus können die Leute auch leisten. Wir haben die Preise so gestaltet, dass auch Familien sich den Eintritt leisten können. Wenn man alles umsonst macht, weiß ich nicht, wie es dann geschätzt wird – das ist meine private Anschauung, so Margit Biedermann. Thomas Obricht sagt: Der Eintritt kostet bei uns sechs Euro. Wir haben uns da an die „Kunst-Werke“ [KW Institut for Contemporary Art in Berlin, d.V.] angeglichen und das abgesprochen. Ursprünglich wollten wir gar keinen Eintritt verlangen. Aber ich denke, beides wäre falsch: wenn wir zuviel nehmen würden oder wenn wir gar nichts nehmen würden.
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Auch Erika Hoffmann hat den Eindruck, dass nicht wertgeschätzt wird, was nichts kostet. [...] Wir machen keine Ausnahmen, weder für meine Bekannten, noch für Museumsleute – jeder muss diese acht Euro bezahlen, wie eine Kinokarte. Außer natürlich die Künstler, deren Werke in der Sammlung sind, die gehören zur Familie. Selbstverständlich auch die Angehörigen unserer Mitarbeiter und jeder Handwerker, der hier mal gearbeitet hat. Mit dem Sinnspruch „Über Geld spricht man nicht, Geld hat man“ könnte man dieses Kapitel abschließend zusammenfassen. Neben Leidenschaft, einer Vision und einem starken Willen bildet vor allem das private Vermögen der Sammler die Voraussetzung für den Aufbau einer öffentlichen Privatsammlung von internationalem Niveau. Als Unternehmer sind die Sammler gewohnt, eigenständig und flexibel zu agieren. Diese Souveränität wollen sie auch in ihrem privaten Kunstengagement verfolgen und ohne Verbindlichkeiten gegenüber Dritten nur jene Projekte fördern und Künstler zeigen, die ausschließlich ihrem persönlichen Geschmack und ihren ästhetischen Vorstellungen entsprechen. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Wurden in der Erfolgskategorie „Trägerschaft und Finanzen“ ausreichende und gesicherte finanzielle Ressourcen für den Museumsbetrieb (EK 2), mehrdimensionale Finanzierung (EK 3) und die Diversifikation der Eintrittspreisgestaltung (EK 4) genannt, so lässt sich feststellen, dass diese Kriterien für den Erfolg öffentlicher Privatsammlungen keine Relevanz haben. Die Sammler und Museumsgründer sind ausnahmslos sehr wohlhabende Persönlichkeiten, und ihre finanziellen Mittel bilden die Voraussetzung und Grundlage für den Betrieb ihrer Ausstellungsräume und den Ausbau ihrer Kunstsammlungen. Da den privaten Einrichtungen in der Regel genügend eigene finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, haben die Bereiche Sponsoring, Fundraising und Drittmittelakquise im privaten Kontext nur wenig Bedeutung. Eine öffentliche Privatsammlung hat keine Verpflichtung der sozialen Eintrittspreisgestaltung. Finanzielle Anreizsysteme für einen Museumsbesuch oder freien Eintritt für Kinder und Jugendliche bieten daher auch nur jene öffentlichen Privatsammlungen, die ähnlich wie staatliche Museumsbetriebe ausgerichtet sind. Alle privaten Kunstinitiativen dieser Studie werden ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert und erhalten keine Zuschüsse der öffentlichen Hand. Es ist vor allem die sich daraus ergebende finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit, die alle Sammler als großes Privileg verstehen und die als Erfolgsfaktor gewertet werden kann. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit
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7.5
M USEALE K ERNKOMPETENZEN „Der private Sammler ist von den klassischen Museumsaufgaben nicht zwangsläufig betroffen.“ FRIEDRICH E. RENTSCHLER
Öffentliche Museen haben durch ihren gesellschaftlichen Auftrag die Verpflichtung, die traditionellen Kernaufgaben – Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln – zu erfüllen (vgl. Kapitel 3.1.1). In Zeiten knapper öffentlicher Budgets ist die erforderliche finanzielle Ausstattung indes nicht immer gegeben, um diese Aufgaben qualitativ und quantitativ zu erledigen. Privatmuseen oder öffentliche Privatsammlungen haben keinen offiziellen Auftrag und daher auch keine Verpflichtung, den historisch gewachsenen musealen Kernaufgaben nachzukommen. Friedrich E. Rentschler bringt es kurz und knapp auf den Punkt: Sicher sind die vom Internationalen Museumsrat aufgestellten klassischen Aufgaben wichtig, der private Sammler ist hiervon jedoch nicht zwangsläufig betroffen. Alle öffentlichen Privatsammler erfüllen durch ihre Sammellust und Sammelleidenschaft die erste Aufgabe. In heutigen Zeiten sind es überdies die privaten Sammler, die diese Aufgabe aufgrund ihrer ungleich größeren finanziellen Möglichkeiten umfänglicher wahrnehmen können als staatliche Museen. Auf diese Weise verschieben sich Gewichtung und Bedeutung im Kunstbetrieb und am Kunstmarkt. Der daraus resultierenden möglichen Vorrangstellung in der Präsentation und Vermittlung von Gegenwartskunst, die private Einrichtungen durch ihre höheren Ankaufetats und ihr Engagement erlangen können, widmet sich Kapitel 8.1. Neben dem Sammeln spielt das Bewahren für die öffentlichen Privatsammlungen eine wichtige Rolle. Alle bewahren und schützen ihre Kunstwerke auf einem technisch und konservatorisch sehr hohen Niveau. Im Zuge der Neu- und Umbauten ihrer Ausstellungshäuser haben alle Sammler auf adäquate interne oder externe Depoträume geachtet. „Man muss die Kunst nicht nur sorgsam lagern, sondern auch zeigen und teilen“, sagt Christian Boros. Alle öffentlichen Privatsammlungen präsentieren ihre Kunstwerke in wechselnden Ausstellungen. Das Konzept des Sammelns in eigenen Räumen darzustellen und damit die Kunstwerke sichtbar zu machen, stellt in vielen Fällen die höchste Motivation für die Sammler dar, ihre Kollektionen öffentlich zugänglich zu machen. Die Sammler wollen „selber gestalten“ (Friedrich E. Rentschler) oder „einer Ausstellung ihren eigenen Duft geben“ (Margit Biedermann). Ihre subjektive Sicht der Dinge zu verdeutlichen, bereitet den Sammlern zudem große Freude und Vergnügen. Auch der Bereich Kunstvermittlung wird von den privaten Einrichtungen engagiert verfolgt. Das Reden über Kunst und der Austausch darüber, „was die Begegnung mit Kunst für jeden individuell bedeutet“ (Erika Hoffmann), nimmt in manchen öffentlichen Privatsammlungen einen besonders hohen Stellenwert ein. Von Wichtigkeit für alle Einrichtungen ist darüber hinaus auch die Dokumentation und Archivierung ihrer Sammlungen. Für weitreichende wissenschaftliche Forschungen gibt es allerdings nur bedingt Interesse und Zeit.
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Vier öffentliche Privatsammlungen bekennen sich zu den spezifischen Kernaufgaben eines Museums (Essl Museum, Daros Museum Zürich, Sammlung Boros, Museum Frieder Burda). Drei Sammler stützen sich teilweise auf diese Aufgaben (Sammlung Hoffmann, me Collectors Room Berlin, Julia Stoschek Collection) und drei Privatsammlungen lehnen diese Verpflichtung ab (Sammlung FER Collection, Museum Biedermann, Langen Foundation). Der Gründer des Essl Museums Karlheinz Essl versteht die klassischen Museumsaufgaben für sein privates Haus als obligatorischen Auftrag: Wir haben diesen Auftrag, absolut. [...] Denn eine Sammlung, eine öffentliche wie private, ist das kulturelle Gedächtnis eines Volkes. Wir sehen zurzeit bei öffentlichen Museen das Problem, dass die Ankaufetats fehlen und dass das kollektive Gedächtnis Lücken bekommt und durchlässiger wird. [...] Das, was wir machen, ist absolut mit dem Auftrag eines öffentlichen Museums zu vergleichen. Zu jeder Ausstellung publizieren wir einen Katalog und wir engagieren uns sehr stark im Bereich Kunstvermittlung. Sieben festangestellte Kunstvermittler belegen diese Wichtigkeit. [...] Ein zweiter Schwerpunkt ist die Neue Musik, gleichberechtigt zur bildenden Kunst finden Konzerte, Workshops und Performances statt. Hans-Michael Herzog antwortet auf die Frage, ob er die musealen Kernaufgaben für seine Einrichtung als verpflichtende Aufgaben sieht, wie folgt: Ja, wir sehen diese als verpflichtend. Das Rückgrat unserer Aktivitäten ist die Sammlung, und damit ist das Bewahren selbstverständlich. Die Bewahrung und die Restaurierung sind bei uns auf einem sehr hohen Niveau. Die Vermittlung hatte bei uns von Anfang an einen hohen Stellenwert. Zur Forschung kommt es meist nur dann, wenn wir wieder ein neues Ausstellungsprojekt machen. Das Forschen kommt leider etwas zu kurz, was sehr bedauerlich ist. Christian Boros entgegnet: Verpflichtend klingt wie eine schwere Bürde. Aber mir macht es eine unglaubliche Freude, alle diese Aufgaben zu erfüllen und zu leben. Ich forsche gerne, ich hinterfrage gerne. Ich bewahre, weil ich einen großen Respekt vor der Kunst habe. Ich vermittle gerne. [...] Mir machen natürlich das Sammeln und das Präsentieren großen Spaß, und ich sehe Bewahren, Forschen und Vermitteln nicht als Bürde und oder Last, sondern es ist pure Freude. Frieder Burda sieht das Sammeln als seine prioritäre Aufgabe: Für uns ist die wichtigste Aufgabe Sammeln. [...] Wir haben eine ganze Reihe von Kunsthistorikern, die sich vorrangig um die Sammlung und deren Weiterentwicklung kümmern. Ludger Hünnekens, Leiter des Museums Frieder Burda, ergänzt: Wir haben im Übrigen keinen öffentlichen sondern einen privaten Auftrag, der allerdings kunsthistorische und kunstkritische Relevanz haben muss. [...] Für Frieder Burda stellen das Sammeln und Präsentieren die wichtigsten Aufgaben dar. Aus Sicht des Museums verfolgen wir neben dem Sammeln auch die musealen Kernaufgaben Bewahren, Erschließen und Vermitteln. Der Aspekt des For-
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Neben Friedrich E. Rentschler lehnen Margit Biedermann und Sabine Crasemann verpflichtende und von außen oktroyierte Aufgaben rundweg ab: Die einzige Verpflichtung, die ich habe, ist die, dass wir gute Ausstellungen machen und Qualität zeigen, sagt Margit Biedermann. [...] Die historischen Museumsaufgaben können wir nicht bewältigen, z.B. Forschen können wir nicht. Auch Sabine Crasemann ist überzeugt: Nein, das brauchen wir alles nicht. Wir sind nicht gemeinnützig. [...] Wir verstehen uns nicht als Museum, eher als Ausstellungshaus. Erika Hoffmann und Thomas Olbricht heben den Kunstvermittlungsbereich heraus: Bei uns hat das Vermitteln den höchsten Stellenwert, das Forschen den geringsten. Das dringt zumindest nicht an die Öffentlichkeit, sagt Erika Hoffmann. Kunstvermittlung auf jeden Fall, also Kunst gedanklich vermitteln durch Sehen und Auseinandersetzung. Aber nicht in der Form von Lehren, die Besucher müssen sich selber damit auseinander setzen. Forschen zählt sicher nicht zu meinen Aufgaben, das sollen und müssen andere machen, ist Thomas Olbricht überzeugt. Für Julia Stoschek bedeutet Sammeln auch Bewahren und Beschützen: Für uns ganz wichtig ist das Thema Archivierung und Konservierung. Das sind sicherlich die wichtigsten Bausteine hier im Haus. In diesem Bereich ist die Medienkunst fast ein Stiefkind. Daher legen wir auf diesen Bereich ein großes Augenmerk, aber auch auf den Bereich Vermittlung. Wie diesen kurzen Statements zu entnehmen ist, widmen sich die öffentlichen Privatsammlungen den klassischen Kernaufgaben der öffentlichen Museen mit unterschiedlicher Gewichtung. Das Ausstellen und Vermitteln hat die höchste Priorität und ist in vielen Fällen auch wesentlicher Grund für die Öffentlichmachung der privaten Kollektion. Die eigenen Kunstwerke zu bewahren und zu dokumentieren, verstehen die Sammler überdies nicht als Auftrag sondern als eine Verantwortung, die sie mit dem Erwerb von Kulturgütern fakultativ übernommen haben. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Kernbereiche nochmals eingehend beleuchtet. Kapitel 7.5.1 widmet sich den unterschiedlichen Sammelgebieten, vergleicht aktuelle mit historischen Sammelstrategien und zeigt, dass öffentliches Sammeln auch Kritik nach sich ziehen kann. Während die Themen Bewahren und Forschen in den Kapiteln 7.5.2 und 7.5.3 behandelt werden, beschäftigen sich die darauf folgenden Abschnitte mit zwei Bereichen, die öffentliche Privatsammler mit großer Begeisterung und Faszination verfolgen: Ausstellen (7.5.4) und Vermitteln (7.5.5). Am Ende jedes Kapitels wird ermittelt, ob die Erfolgskriterien öffentlicher Museen in der Kategorie „Kernkompetenz eines Museums“ auch für private Einrichtungen Relevanz haben.
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7.5.1
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Sammeln „Sammeln ist eine Leidenschaft, man kommt davon nicht mehr los.“ FRIEDER BURDA
Im Bereich der Kulturwissenschaften wurde der Sammler in den letzten Jahren vermehrt als Forschungsfeld entdeckt. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit dem Thema Sammeln (Münsterberger 1995, Groys 1997, Reitz 1998, Assmann / Gomille / Rippl 1998, Heil 2000, Herold 2001, Sommer 2002, kritische berichte 2006, Schmid 2007, Lindemann 2010, Doroshenko 2010, Jocks 2011a, Jocks 2011c) und versuchen am Beispiel bedeutender Sammler, die Passion des Sammelns zu ergründen und die Menschen hinter den Sammlungen zu analysieren. Eine Sammlung ist „Grund, Subjekt einer Leidenschaft“ schreibt Jean Baudrillard in seinem Buch „Das System der Dinge“, einen Lexikonartikel zitierend. Baudrillard (2007: 16) ist überzeugt, dass jedes Stück der Sammlung dazu dient, stellvertretend für den Sammler zu stehen und seine Einzigartigkeit zu betonen, „denn im Endergebnis sammelt man immer nur sich selbst“. Auf diese Weise kann die Sammlung zum Spiegelbild des Sammlers werden. „Zeige mir Deine Sammlung und ich sage Dir, wer Du bist“, merkt Heil (2000: 34) dazu an und behauptet, dass jedes Stück einer Sammlung bereitwillig über seinen Eigentümer Auskunft geben kann und sich diese Überzeugung in jeder Sammlerbiografie einlösen lässt. Auch für Jocks (2011b) ist der Blick auf eine Kunstsammlung mit dem Blick vergleichbar, „den man auf eine private Bibliothek wirft, die Aufschlüsse über innere Reisen, Gedanken und Bedürfnisse des [...] Sammlers liefert“. Und Harald Falckenberg (2011b) ergänzt: „Natürlich verraten Sammlungen viel über den Sammler. Manchmal mehr, als ihm lieb ist.“ Die Analogie von Sammler und Sammlung zu überprüfen und die unterschiedlichen Motive des Sammelns zu hinterfragen, ist nicht Aufgabe dieser Studie. Dennoch, so ist die Verfasserin überzeugt, können über die Sammlungsgebiete gewisse Rückschlüsse auf die Person des Sammlers gezogen werden. Genau so wie jeder Sammler über einen eigenen Antrieb zum Sammeln verfügt, so verfolgt jeder Sammler sein individuelles Sammlungskonzept. Auf die spezifischen Themen und Sammlungsgebiete wurde in Kapitel 6 fokussiert. Im Folgenden werden Besonderheiten und Gemeinsamkeiten dieser Sammlungen herausgestellt. Als markanter Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Sammlungen wurde in Kapitel 3.4 die Subjektivität der privaten Kollektion betont. Diesen Gegensatz und dieses Merkmal betonen auch die Sammler: Eine Sammlung wird immer subjektiv sein, egal ob eine Gruppe von Kuratoren auswählt oder ein privater Sammler. Die Subjektivität ist auch wichtig für mich, denn ich will ja nicht den Mainstream abbilden und das sammeln, was alle anderen auch haben. Mir geht es eher darum, Positionen, die mir und meiner Ehefrau wichtig sind und die in den Kontext mit unserer Sammlung zu bringen sind, zu sammeln, betont Karlheinz Essl.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT In einem Privatmuseum handelt es sich um eine Privatperson, die eine Sammlung zusammengetragen hat, somit um keine objektive und für die Kunstgeschichte notwendigerweise relevante Sammlung. Es ist etwas Persönliches, das ganz eng mit dem Sammler oder dem Sammlerpaar verbunden ist, ist Julia Stoschek überzeugt. Ich habe das private Sammeln und Ausstellen immer als Ergänzung [zum institutionellen Sammeln, d.V.] gesehen. Als subjektive und mit Fehlern behaftete und deswegen vielleicht interessante Ergänzung. Ein weiterer Mosaikstein im großen Gefüge des Sammelns, erklärt Christian Boros.
Die subjektive Prägung kann als erste Gemeinsamkeit der privaten Sammlungen angesehen werden. Das zweite Kriterium sind gegenwartsorientierte Kollektionen, denn sieben von zehn Sammlungen widmen sich ausschließlich der Kunst der Gegenwart. Die privaten Kollektionen umfassen Werke unterschiedlichster Stilrichtungen der europäischen und amerikanischen Kunst der 1960er Jahre bis hin zu aktuellen Positionen internationaler zeitgenössischer Kunst (Sammlung Hoffmann, Sammlung Essl, Daros Latinamerica Collection, Julia Stoschek Collection, Sammlung Boros, Sammlung Margit Biedermann, Sammlung FER Collection). Zwei Sammlungen haben neben der zeitgenössischen Kunst auch noch einen weiteren Sammlungsschwerpunkt. Die Sammlung Frieder Burda verfügt über ein großes Konvolut der Klassischen Moderne, und die Olbricht Collection umfasst eine Wunderkammer mit Werken der Renaissance- und Barockzeit. Einzig die Sammlung von Viktor und Marianne Langen hat ihre Sammlungsschwerpunkte im Bereich der Klassischen Moderne und der japanischen Kunst des 12. bis 19. Jahrhunderts. Während die Sammlung der Langen Foundation als abgeschlossen gilt, widmen sich alle anderen Sammler dem kontinuierlichen Ausbau ihrer Kollektionen. 90 % der öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie sammeln und präsentieren aktuelle Kunsttendenzen. Zählt man auch die Langen Foundation hinzu, die zwar in ihrer Sammlung über keine zeitgenössischen Kunstwerke verfügt, sich aber in ihrem Ausstellungsprogramm verstärkt der Gegenwartskunst zuwendet, so widmen sich alle privaten Kunstinitiativen der zeitgenössischen Kunst. Sabine Crasemann erläutert: Wir haben jetzt eine sehr kompetente neue Kuratorin. Sie geht jetzt auch mehr in die zeitgenössische Kunst, etwas, was wir schon seit Anfang an machen wollten. Das haben ja auch meine Eltern praktiziert, sie haben nach vorne gesammelt. Das ist ganz sicher im Sinne meiner Eltern, mehr Zeitgenössisches zu zeigen und dabei den Bogen zu spannen zwischen Alt und Neu. Zeitgenössische Kunst hat in unserer derzeitigen Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Das unterscheidet sich maßgeblich von früheren Zeiten. Noch bis vor fünfzig Jahren waren Sammlungen, die sich ausschließlich der Gegenwartskunst gewidmet haben, eine Besonderheit (vgl. Kapitel 2.2). Die Sammler von heute wollen sich durch die Kunst der Gegenwart versichern. Die Haltung eines Künstlers soll helfen, gesellschaftliche Prozesse zu analysieren und zur Auseinandersetzung mit Fragen unserer Zeit beitragen und anregen.
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Das weite Feld der Gegenwartskunst bietet Sammlern genügend Spielraum für subjektiv gewählte Sammlungsschwerpunkte. Vier von zehn privaten Kollektionen können mit ihren Spezialgebieten auf ein Alleinstellungsmerkmal verweisen, das ihnen im europäischen Museumskontext einen besonderen Stellenwert zuweist. Die Daros Latinamerica Collection wurde mit dem Ziel gegründet, die aktuelle lateinamerikanische Kunst umfänglich zu dokumentieren. Nach zehnjähriger Sammeltätigkeit gehören über 1.000 Werke aller Medien und Gattungen von mehr als hundert Künstlern zu ihrem Bestand, so dass die Kollektion heute als die umfassendste Sammlung zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst in Europa gilt. Keine institutionelle oder private Sammlung verfügt in diesem Themengebiet über eine vergleichbare Dichte, Vielfalt und Qualität an Kunstwerken. Die Daros Latinamerica Collection ist die einzige Sammlung dieser Studie, die sich nicht kontinuierlich aus privater Sammelleidenschaft einer einzelnen Persönlichkeit entwickelt hat. Ein professionelles Team unter der Leitung des Kunsthistorikers Hans-Michael Herzog wurde im Jahr 2000 damit beauftragt, eine Sammlung lateinamerikanischer Kunst aufzubauen. Hans-Michael Herzog sagt dazu: Wir unterscheiden uns von den anderen privaten Sammlern eigentlich dadurch, dass wir keine Sammler sind. Frau Schmidheiny ist kein Sammlertyp. [...] Das ist das Besondere an uns, dass die Sammlung von Anfang an mit einem Konzept verbunden war und vor allem auch der Plan der Rückführung der Kunst nach Lateinamerika bestand, um dort ein Zentrum zu bilden. Weil die Menschen dort immer noch hauptsächlich nach amerikanischer oder europäischer Kunst schielen. Es ist ein Ziel, den Künstlern auch zu zeigen, wie gut sie sind. Damit kann man das Bewusstsein und das Rückgrat stärken und Identität stiften. Das sind wichtige kunst- und kulturpolitische Faktoren. Auch Julia Stoschek ist es gelungen, innerhalb weniger Jahre eine europaweit einzigartige und international renommierte Sammlung aufzubauen. Die jüngste Sammlerin Deutschlands konzentriert sich schwerpunktmäßig auf Videoarbeiten, Installationen und Fotografien und hat mit ihrem privaten Ausstellungshaus in Düsseldorf ein bedeutendes Forum mit idealen Präsentationsbedingungen für dieses Genre geschaffen. Julia Stoschek hat sich für ein Sammlungsthema entschieden, das in dieser Konsequenz von keiner öffentlichen Einrichtung gesammelt wird. Das Medium Video ist aufgrund des großen technischen Aufwands, der mit der Präsentation der Arbeiten verbunden ist, auch bei privaten Sammlern nicht sehr beliebt. Im Übrigen sind Video- und Filmarbeiten als Auflagenobjekte nicht so repräsentativ wie Unikate. Der Erwerb stellt für Sammler daher auch keinen so großen Reiz wie der Besitz eines weltweit einzigartigen Bildes eines bekannten Künstlers dar. Eine Ausnahme bildet die Münchner Museumsgründerin Ingvild Goetz, die einen Schwerpunkt ihrer privaten Sammeltätigkeit auf Video- und Filmarbeiten und raumbezogene Installationen gelegt hat. Auf die Frage, ob und wie Julia Stoschek mit diesem spezifischen Sammlungsschwerpunkt eine Nische gefunden hat, antwortet sie: Das werde ich auch ganz gerne gefragt. Die Leute sagen dann: „Das ist toll, dass Sie so strategisch vorgegangen sind und den letzten Bereich für sich erobert haben.“ So war das gar nicht geplant. Man muss vielleicht sagen, dass ich mit ein wenig Naivität mir einfach den Bereich herausgesucht habe, der mir am
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT nächsten war. Meine Familie ist sehr technik-affin, und das Medium Film und Video war in unserer Familie immer präsent. Da meine Familie nicht sammelte, gab es im familiären Umfeld keine Begegnungen mit der bildenden Kunst. Und da sucht man sich dann doch eher einen Bereich, der einem am meisten liegt und das war in meinem Fall das bewegte Bild. [...] Dass das einer der letzten eigenständigen und noch nicht besetzten Bereiche war, freut mich natürlich auch.
Einmalig in Europa ist weiterhin die bedeutende japanische Sammlung von Marianne und Viktor Langen. Weder in europäischen Museen noch in privaten Sammlungen lassen sich an Umfang und Qualität vergleichbare Kollektionen finden. Zur Sammlung gehören Rollbilder, Stellschirme und Skulpturen, die repräsentativ für die japanische Kunst vom 12.-19. Jahrhundert stehen. Viktor Lagen hat in den frühen 1960er Jahren auf seinen Geschäftsreisen seine Liebe zur Kunst Japans entdeckt. Der leidenschaftliche Sammler war von den Hochkulturen fasziniert und hat auf abenteuerliche Weise eine außergewöhnliche Sammlung zusammengetragen, zu der vorrangig religiöse Kunst, Tuschezeichnungen und narrative Malerei gehören. Sabine LangenCrasemann, Tochter des Sammlerehepaars und Verwalterin des bedeutenden Erbes erklärt: Meine Eltern waren beide künstlerisch sehr geprägt und haben sich für alte und aktuelle Kunst interessiert. Wenn ich gefragt werde, wie eine Japan-Sammlung und eine Sammlung Klassischer Moderne zusammen passen, dann ist es eben genau das: das Interesse meiner Eltern für unterschiedliche Kulturen. Interesse an der Verbindung von unterschiedlichen Kulturen und Kunst verschiedener Epochen zeigt auch Thomas Olbricht, dessen Ansporn zum Sammeln der Wunsch nach Entdecken des Menschseins bildet. Diese Vorlieben machen seine Sammlung außergewöhnlich und einzigartig. „Das von mir bevorzugte thematische Sammeln entsprang der Idee der Wunderkammer, die es mir erlaubt, alte Objekte, Kunsthandwerk, Mineralia, Scientifica und dergleichen als Gegenpart zur zeitgenössischen Kunst in meine Sammlung aufzunehmen. Es hat sich so entwickelt, ohne dass ich darüber nachgedacht hätte. Ich halte dies noch heute für eine genialische Kombination, die mir viel Mut für die Umsetzung neuer Ideen macht. Ich war sicherlich nicht der Erste, der Altes und Neues kombinierte, gehöre aber durchaus zu den Vorreitern“ (Olbricht 2011). Mit über 2.500 Exponaten und seiner speziellen Ausrichtung hat sich die Olbricht Collection international qualitativ positioniert. Die fest installierte Wunderkammer mit außergewöhnlichen Exponaten des 16. bis 18. Jahrhunderts verspricht im Zusammenspiel mit zeitgenössischer Kunst im Berliner Ausstellungshaus ungewöhnliche Kunstbegegnungen. Der Sammler kommentiert: Dann ist da noch meine Leidenschaft, alles zu mischen, die Wunderkammer und Alt mit Neu zu verbinden. Und plötzlich erfahre ich – so scheint es zumindest zu sein – dass die Besucher diese Kombination als etwas ganz Tolles und Besonderes wahrnehmen. Zuerst trifft man auf die Basis und die Wurzeln und dann sieht
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man sich plötzlich mit der ganz neuen Kunst konfrontiert. Das würde ich gerne weitermachen, das hat mich auch beflügelt. Neben den vier Sammlungen, die mit außergewöhnlichen Sammelschwerpunkten ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen können, zeichnen sich auch die restlichen sechs Kollektionen durch individuelle Zugänge und spezifische Vorlieben aus. Eine herausragende Kollektion, die von leidenschaftlicher Entdeckerlust zeugt, ist die Sammlung von Friedrich E. Rentschler. Mit Konzeptkunst und Minimalismus der 1960er bis 1990er Jahre besitzt die Sammlung FER Collection ebenfalls einen Schwerpunkt, der sie unvergleichlich macht. Neugier ist das oberste Sammelprinzip von Friedrich E. Rentschler. Ihn interessiert, wie Künstler das Lebensgefühl ihrer Zeit ausdrücken. "Das ist es, was ich auch in der heutigen Kunst suche. Ich will unsere Zeit kennenlernen, will wissen, was los ist. Deshalb habe ich mich schon früh nach vorne gewagt" (zit. nach Händler 2001). Friedrich E. Rentschler hat Kunstwerke sehr früh gekauft, viele Arbeiten hat er erworben, als sie von der Fachwelt noch nicht akzeptiert waren. Die spätere Wertsteigerung stellt für den Sammler ein Indiz für die richtige Kaufentscheidung dar. Erfolg bedeutet für ihn, wenn Kunstwerke, für die sich zum Zeitpunkt seines Ankaufs keine öffentliche Institution interessiert hat, später reüssieren und von der Fachwelt anerkannt werden. Ich habe eigentlich immer sehr früh gekauft. Einen Donald Judd würde ich heute nicht mehr kaufen, denn das würde mein gesamtes Budget durcheinander bringen. [...] Durch den frühzeitigen Kauf von Kunstwerken, welche noch nicht kunsthistorisch abgesegnet sind, besteht ein nicht zu unterschätzendes materielles Risiko. Der Erfolg besteht deshalb sowohl darin, dass Kunstwerke von der Fachwelt und damit später auch kunsthistorisch akzeptiert und werthaltig sind, wie auch, dass der Kunstmarkt dies honoriert. Ein Beispiel ist die Installation „One and three doors“ von Joseph Kosuth aus dem Jahr 1965, die der Sammler 1971 erworben hat. Damals gab es weder für den Künstler noch für seine Arbeiten eine Nachfrage. Heute allerdings gilt dieses Kunstwerk als ein Meilenstein der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die materielle Wertsteigerung, die damit impliziert ist, freut den Sammler natürlich. Jedoch ist es eher die späte Anerkennung der Fachwelt für die Qualität, die er schon früh entdeckt und erkannt hat, die ihm Bestätigung wie Ansporn sind. Das ist auch der Grund, warum der Sammler „der Kolumbus der Kunst“ (Händler 2001) genannt wird. Friedrich E. Rentschler betont aber stets, dass der Markterfolg nicht der absolute Qualitätsmaßstab sein darf. Denn „Namen sind nur Schall und Rauch“, so der Sammler. Auch Peter Raue (2010) weist auf die Tatsache hin, dass bei hochbezahlten Künstler-Stars nur noch der Name zählt und über die Qualität der einzelnen Werke nicht mehr diskutiert wird. „Mangels nachprüfbarer Qualitätskriterien definiert der Markt den Rang der Kunst und nicht die Kunst den Preis der Werke“, so der Kunstexperte. Friedrich E. Rentschler sagt dazu: Das ist ein Beispiel, wie manche Sammlungen zustande kommen. Kein Künstler kann ein Leben lang nur erstklassige Arbeiten produzieren, deshalb darf man nicht nur nach dem Namen kaufen, sondern man muss auf die Qualität der ein-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT zelnen Arbeiten achten. So entsteht dann eine qualitativ hochwertige persönliche Sammlung.
Auch Christian Boros (2011) zählt zu jenen Sammlern, die keineswegs „statistisch richtig und alles gerade Angesagte“ kaufen. Er hat seine Künstler früh entdeckt und ihre Werke erworben, noch ehe sie museale Weihen durch Vertreter öffentlicher Institutionen erhalten haben. Sehr oft wurde aktuelle Kunst zuerst von Privaten erworben, bevor sich Museen dafür interessierten. Als ich vor ca. zwölf bis fünfzehn Jahren Olafur Eliasson entdeckte, war ich einer der Ersten, der diesen Künstler gesammelt hat. Ich fand das extrem wichtig. Aber ich war fast alleine, es gab nur zwei, drei Galerien und einige Private, die Interesse zeigten. Und kein Museum oder öffentliche Institution hat sich ganz zu Beginn für Eliasson begeistert. Aber ich habe an die Bedeutung dieses Künstlers geglaubt und ich musste diese Werke kaufen, auch wenn sie zu groß waren, um sie jemals zu Hause aufstellen zu können. [...]. Es gab in öffentlichen Häusern einfach nicht die Sensorik dafür. Vielleicht kann man sagen, dass Privatsammler im Aufspüren neuer Kunstrichtungen schneller als öffentliche Museen sind und sie Kunsttendenzen früher erkennen. Sie interessieren sich auch oftmals für künstlerische Randbereiche, die im institutionalisierten Museumsbetrieb, aus welchen Gründen auch immer, kein Gehör gefunden haben. Mit ihrem eigenen Geld können sie aber auch höhere Risiken eingehen als Vertreter staatlicher Häuser, die öffentliche Gelder zu verwalten haben. Für Christian Boros trifft diese Annahme in jedem Fall zu. „In Kennerkreisen [wird er, d.V.] längst respekt- und neidvoll ein ‚Trüffelschwein‘ genannt“, so Lüddemann (2004: 199). Der Sammler und seine Frau erwerben Kunst ihrer Generation. Konsequenter Weise kommen nur Kunstwerke in die Sammlung, die nicht älter als ein Jahr sind. „Sie dienen mir als Tools zum besseren Verstehen der Gegenwart und sind eine Hilfe bei meinen Entscheidungen für morgen. Priorität haben also Gegenwart und Zukunft“, so der Sammler (Boros 2011). Christian Boros erbringt wie viele andere Sammler damit eine wichtige authentische Leistung, nämlich die Bewahrung von kunsthistorisch noch nicht anerkannter Kunst. Auf die Frage, wie der Sammler mit dem Risiko umgeht, dass aktuelle Kunst, die heute wichtig erscheint, morgen schon bedeutungslos sein könnte, antwortet Boros (2011): „Das ist systembedingt und muss mir egal sein. Einiges wird womöglich in zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr relevant sein. Ich bin ja kein Hellseher. Keine Ahnung, ob Damien Hirst oder Anselm Reyle die Weihen der Ewigkeit empfangen werden. Nun rechne ich nicht schlechte gegen gute Käufe auf und frage auch nicht, ob ich ein Plus gemacht habe. Das würde ich eh erst nach einem Verkauf realisieren.“ Den Sammlern geht es nicht um eine Anhäufung wertvoller Einzelobjekte, sondern darum, eine große Bandbreite unterschiedlicher kultureller Äußerungen im selbst gewählten Sammelgebiet abzudecken. So betonen sowohl Karlheinz Essl als auch Margit Biedermann das Sammeln in die Tiefe. Das „Sammeln in die Tiefe“ ist bei Karlheinz Essl sogar zum Leitmotiv geworden.
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Mir geht es eher darum, Positionen, die mir und meiner Ehefrau wichtig sind, und die in den Kontext mit unserer Sammlung zu bringen sind, zu sammeln. Es muss ein roter Faden durch die Sammlung gehen, denn bei einer Museumssammlung, so wie sie sich heute darstellt, müssen wichtige Positionen vorkommen und es kann sich um keine beliebige Sammlung handeln. Wir sammeln in die Tiefe, unsere Sammlung ist kein „Fleckerlteppich“ mit vielen einzelnen Positionen. Als Beispiel nenne ich Georg Baselitz, hier können wir den Karriereweg von Beginn bis heute in der Sammlung nachzeichnen, gleichfalls bei Arnulf Rainer oder Maria Lassnig. Die Sammlung Essl stellt mit ihrem Schwerpunkt Kunst der Gegenwart ab 1945 mit Konzentration auf österreichische Malerei im internationalen Kontext eine der größten privaten Sammlungen in Europa dar. In ihrer systematischen Dokumentation der österreichischen Nachkriegskunst ist sie einzigartig. Neben dem Erwerb ganzer Werkgruppen einzelner Künstler widmet sich das Essl Museum auch der aktuellen Kunst. In der seit einigen Jahren etablierten Ausstellungsreihe „emerging artists“ wird junger, noch nicht am Markt etablierter Kunst ein Forum geboten. Darüber hinaus gibt es seit 2005 den Essl Award, der alle zwei Jahre für junge Künstler aus Zentral- und Südosteuropa ausgeschrieben wird. „Wir nahmen uns die Freiheit, das zu sammeln, was uns begeistert, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit. Es interessiert uns nicht, von einem Künstler nur ein Werk zu erwerben, wir stellen Werkblöcke zusammen. In die Tiefe gehend, umfassen sie verschiedene Werkphasen. Deshalb begleiten wir unsere Künstler über mehrere Jahre hinweg“ (Essl 2011b). Während sich in Sammlungen öffentlicher Museen von einem Künstler oftmals nur Einzelpositionen befinden, verfügen Privatsammlungen häufig über größere Werkkomplexe. Auch Margit Biedermann ist es ein besonderes Anliegen, Künstler langfristig zu begleiten und sie mit mehreren Arbeiten tiefgreifender und fundierter vorzustellen. Mich interessiert auch der Werdegang eines Künstlers. Das ist vielleicht in unserem Museum das Besondere, dass man von einem Künstler nicht nur ein oder zwei Bilder oder eine kleine Serie sehen, sondern die Entwicklung eines Künstlers über Jahre hinweg verfolgen kann. Dadurch kann die Arbeit eines Künstlers auch besser verstanden werden. Wenn die Menschen die Kunst verstehen, sind sie immer positiver gestimmt, als wenn sie Werke sehen, die nicht verstanden werden. Das wirkt sich meist negativ aus. Dass private Kollektionen eine sehr individuelle Note haben, zeigt die Sammlung von Margit Biedermann. Beim nicht-öffentlichen Sammeln spielen persönliche Motivationen und subjektive Beweggründe eine wesentliche Rolle, wie die Museumsgründerin aus Donaueschingen freimütig zugibt: Die Künstler müssen mir auch menschlich liegen. Wenn ein Künstler mir persönlich nicht zusagt, dann kann er noch so ein guter Maler sein, ich würde von ihm nichts kaufen. Damit habe ich ein Problem. Das ist vielleicht albern, aber dieses Recht nehme ich mir.
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Dieses Recht steht dem privaten Sammler auch zu. Er muss keine vollständige, nach wissenschaftlichen Kriterien angelegte Sammlung aufbauen. Einzig sein künstlerischer Geschmack, seine Interessen und die finanziellen Mittel bestimmen die Ausrichtung und den Umfang der Sammlung. Die Kollektion von Margit Biedermann, die sich auf figurativ expressive Malerei und auf Randgebiete der Abstraktion seit den 1980er Jahren konzentriert, ist unvergleichlich in ihrer Art. So findet man in der Sammlung Biedermann durchweg Namen, die in anderen Sammlungen nicht vorkommen. Das sind alles keine Mainstream-Künstler. [...] Ich brauche kein Name-Dropping und muss keinen Gerhard Richter in meinem Museum hängen haben. Die Leute sollen bei uns Kunst entdecken, die sie in anderen Museen nicht finden können. Mit vielen Künstlern ihrer Sammlung ist Margit Biedermann auch freundschaftlich verbunden. Der Kontakt bringt eine intensive Auseinandersetzung mit sich, den die Sammlerin schätzt und bereichernd findet. Sie bevorzugt profunde Gespräche mit den Künstlern in Ateliers anstatt Smalltalk auf Galerie-Vernissagen. Ich finde, das ist eine andere Art des Sammelns, ins Atelier zu gehen, sich intensiv mit der Kunst und dem Menschen dahinter auseinander zu setzen und vielleicht auch ältere Arbeiten eines Künstlers im Atelier zu entdecken. Das ist anders, als in einer Galerie zu kaufen. Dort ist es meist nur eine Frage des Geldes – kaufe ich das oder kaufe ich das nicht. Das interessiert mich gar nicht.[...] Dieses isolierte „Irgendwohin-Gehen“ und ein Bild kaufen, ist nichts für mich. Mich interessieren auch die Hintergründe, aber natürlich ist das wesentlich intensiver und zeitaufwändiger. Oftmals sind es private Sammler, die künstlerische Positionen in ein öffentliches Licht rücken, die der etablierte Kunstbetrieb vernachlässigt oder vergessen hat. Auch dafür ist die Sammlung Biedermann ein gutes Beispiel.1 Ich finde, dass man sich heute um die Künstler kümmern muss, die älter sind. Denn die jungen Künstler werden gut gefördert. Man muss sich um die Künstler kümmern, die es vielleicht nicht in die erste Reihe geschafft haben. Solche Leistungen können nicht genug gewürdigt werden. Darüber hinaus macht es anschaulich, dass Privatsammler durchaus eine Mission verfolgen und mit der dezidierten Förderung und Unterstützung ausgewählter Künstler auch soziales Engagement beweisen. Die Freundschaft und der Kontakt mit Künstlern sind ebenfalls für Erika Hoffmann sehr wichtig. Besonders zu Beginn ihrer Sammeltätigkeit in den 1960er Jahren waren Treffen und Gespräche mit Künstlern prägend und brachten Abwechslung in den routinierten Berufsalltag. Der enge Kontakt zu Künstlern, aus denen sich allmählich das Sammeln entwickelte, hat uns begeistert.
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Als Beispiel kann auch der amerikanische Künstler Paul Thek genannt werden, den der Privatsammler Harald Falckenberg in einer großen Ausstellung „wiederentdeckt“ hat. Siehe Falckenberg, Harald / Peter Weibel (Hrsg.) (2009): Paul Thek. Artist’s Artist, London.
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„Wir waren damals nicht so sehr an Objekten interessiert, sondern an Ideen“, erinnert sich die Sammlerin (zit. nach Hellmich 2009). Die Kollektion fußt auf Werken der russischen Avantgarde, der Zero-Bewegung und des Minimalismus und reicht bis in die aktuelle Kunstproduktion. Auswahlkriterien sind keine stilistischen oder formalen Merkmale, sondern einzig der Innovationsgrad eines Kunstwerkes. Für Erika Hoffmann geht es beim Sammeln „um den Gewinn an Lust und Erkenntnis“. So folgt die Sammlung Hoffmann keiner bestimmten Strategie, sondern lediglich dem persönlichem Kunstverständnis und dem eigenen Interesse. Daraus ist eine Sammlung besonderen Zuschnitts erwachsen, die einen repräsentativen Querschnitt der Kunst der letzten 40 Jahre bietet. Erika Hoffmann bekennt sich zu den eigenen Vorlieben, denn sie hat kein Interesse daran, Werke anzuhäufen, die in aller Munde sind und dem Geschmack der Mehrheit entsprechen. Dennoch findet man große Namen wie Gerhard Richter, Andy Warhol, Marcel Broodthaers, Bruce Nauman oder Mike Kelley in der Sammlung, die mit weniger bekannten und jüngeren Positionen aus Osteuropa und Asien in Beziehung gesetzt werden. Genau darin liegt die Besonderheit der Sammlung Hoffmann: im Aufeinandertreffen von etablierter und experimenteller Kunst, die sich in einem persönlichen Format fernab des Mainstreams bewegt. Auch Kritiker schätzen das Resultat: „Die Süddeutsche Zeitung nennt die Sammlung einen stark gegenwartsbezogenen Kunstschatz, der Tagesspiegel spricht von einer Gleichung, in der Leben und Kunst aufgeht, und Peter Raue [...] bezeichnet das Privatmuseum einen Glücksfall für Berlin“ (zit. nach Brors 2005). Die Sammlung Hoffmann ist „Zeugnis eines selbstbewussten Sammlerlebens, in dem nur die eigenen Regeln gelten“, so Hellmich (2009). „Als private Expedition, die von der Lust des Sammlers bestimmt wird“, bezeichnet Klaus Gallwitz (2004: 12) die Kollektion von Frieder Burda. Die Routen verdeutlichen „auf anschauliche Weise die inneren Beweggründe des Sammelns“. Als Hauptweg lässt sich die Klassische Moderne erkennen, die über Nebenwege zur zeitgenössischen Kunst führt. In diesem weit verzweigten Wegenetz hat der Sammler eine Fokussierung auf einige wenige deutsche und österreichische Künstler vorgenommen, die er über viele Jahre begleitet und in Werkblöcken gesammelt hat. Neben Arnulf Rainer bilden Werke der international bedeutendsten deutschen Künstler unserer Zeit, Gerhard Richter, Sigmar Polke und Georg Baselitz, den Kern der Sammlung. Einen weiteren Schwerpunkt der umfangreichen Kollektion stellt der amerikanische Abstrakte Expressionismus mit Werken von Willem de Kooning, Jackson Pollock, Mark Rothko und Clyfford Still dar. Ein großer Werkkomplex ist darüber hinaus dem Spätwerk von Pablo Picasso gewidmet. Das von Karlheinz Essl gern zitierte „Sammeln in die Tiefe“ trifft daher auch auf den Museumsgründer aus Baden-Baden zu. Im Zentrum seines Interesses stehen die Begeisterung für Farbe und die emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten von Malerei. Das Expressionistische, das sich wie ein roter Faden durch die Sammlung zieht, findet Frieder Burda in den letzten Jahren auch häufig bei jüngeren Künstlern, denn sein Sammlerinteresse gilt aktuell jüngeren Malereipositionen. Über den Beginn seiner Sammlung sagt er: 1968 hat alles begonnen, da habe ich mein erstes Bild gekauft. Einen Fontana, einen Künstler, den ich nicht kannte. Aber ich war begeistert von diesem minima-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT listischen Bild mit den Schlitzen. So fing meine Sammlung an. Und dann wurde es immer mehr und mehr. Sammeln ist eine Leidenschaft und man kommt davon nicht mehr los. Man muss sich ein wenig hüten vor der Obsession.
Die qualitätvolle Sammlung Frieder Burda genießt hohes internationales Renommee und gilt weltweit als eine der wichtigsten privaten Sammlungen mit Werken von Gerhard Richter. Diese Darstellung zeigt, dass alle Sammler dieser Studie mit Leidenschaft, Weitsicht und Gespür ihre eigenständigen Themen und Ziele verfolgen und Sammlungen von unverwechselbaren Charakteren aufgebaut haben. Vorrangige Kriterien der privaten Sammlungen sind künstlerische Qualität und persönliche Neigung. Eine Sammlung ist immer mehr als die Summe ihrer Teile. Neben dem spezifischen Sammelgebiet sind es die Persönlichkeit des Sammlers, seine Antriebskraft und seine gelebte Intuition, die die Kollektionen einzigartig machen. Der latente Vorwurf, alle privaten Sammlungen würden sich ähneln und sich nur auf einen begrenzten Kreis von Künstlern beschränken, kann an dieser Stelle entkräftet werden. Diese Feststellung trifft womöglich auf die großen internationalen Sammlerstars zu, aber nicht auf die öffentlichen Privatsammler dieser Studie (vgl. Kapitel 8.1). Daher ist Grasskamp (2010b: 65) vehement zu widersprechen, wenn er provokant anführt: „Wenn alle Privatsammlungen zeitgenössischer Kunst gleichzeitig in die öffentlichen Museen drängten, müsste ein Zustand der Entropie die Folge sein, ein Wärmetod des Interesses durch Gleichheit im Übermaß.“ Auch der Sammler Wilhelm Schürmann, der von 2006 bis 2010 selbst in Berlin einen öffentlichen Showroom für seine Kollektion betrieben hat, mahnt die Eintönigkeit privater Sammlungen an. „Eine gewisse Gleichförmigkeit [der Sammelaktivitäten, d.V.] herrscht vor, allerdings nicht nur bei den Museen sondern auch bei privaten Sammlungen. Ich stelle fest, dass man sich nicht traut, die Trampelpfade des Mainstreams zu verlassen. Man hat Angst, Fehler zu machen. Man orientiert sich gerne an bekannten Namen. Sicherheitsdenken jedoch ist der große Gleichmacher“ (Hieber / Schürmann 2005: 123). Von einer Monotonie kann angesichts der Vielfalt und des Facettenreichtums der einzelnen Sammlungen mit Sicherheit nicht gesprochen werden. Während vier Sammlungen dieser Studie mit ihren spezifischen Konzepten sogar auf ein europäisches Alleinstellungsmerkmal verweisen können, zeichnen sich auch die restlichen sechs Sammlungen durch einzigartige Leitmotive und persönliche Zugänge aus. Da sich beinahe alle Sammlungen der zeitgenössischen Kunst widmen, lässt es sich kaum vermeiden, dass sich bekannte Namen wiederholen. Doch nicht die Liste der Künstlernamen sollte ausschlaggebend für eine Bewertung sein, sondern die Kontextualisierung der Sammlung und die Art und Weise, wie durch die Auswahl und dramaturgische Zusammenstellung einzelner Werke in einer Ausstellung eine eigene Aussage getroffen werden kann, die von öffentlichem Interesse ist. Neben den individuellen Sammlungsthemen hat sich gezeigt, dass alle privaten Sammler ihre Aufmerksamkeit auf ein begrenztes Sammlungsgebiet richten. Das
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Sammlungsthema kann geografischer Natur (zeitgenössische Kunst aus Lateinamerika, österreichische Nachkriegskunst) oder stilistischer Ausprägung sein (Konzentration auf eine Stilrichtung, beispielsweise Minimalismus und Konzeptkunst), eine Gattung umfassen (Schwerpunkt auf Medienkunst oder Malerei), inhaltlich in die Tiefe führen (Sammeln von Werkblöcken), auf ein Thema konzentriert sein (Sammlungsmotiv Liebe, Leben, Tod) oder eine zeitliche Begrenzung haben (Erwerb von Kunstwerken, die nicht älter als ein Jahr sind). Ein allzu breit angelegtes Sammlungsspektrum im Bereich der bildenden Kunst könnte leicht zu Beliebigkeit führen und wäre auf alle Fälle wesentlich schwieriger in der praktischen Realisierung. Sich auf einen engeren Bereich zu konzentrieren, macht das Sammeln überschaubar und den Sammler eher zum Spezialisten und Kenner. Öffentliche Privatsammlungen sind vom künstlerischen Geschmack des Sammlers und seinen verfügbaren Mitteln geprägt. Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihr Sammlungskonzept, sondern auch durch bestimmte Zeitbedingungen, sie sind abhängig von zufälligen Begegnungen und individuellen Möglichkeiten. „Der Aufbau einer Sammlung ist ein Erfahrungsprozess, in dem sich spontane, intuitive, ästhetische, aber auch theoretische Überlegungen bündeln“, so Harald Falckenberg (2011b). Beim Sammeln von zeitgenössischer Kunst betreten die Sammler oft ungesichertes Terrain. In diesem Fall ist das „Vertrauen auf das eigene Auge“ wichtig, wie das Thomas Olbricht (2001: 33) einmal formuliert hat. Kunstbesitz bringt im Laufe der Zeit Sicherheit in der Urteilskraft mit sich, und alle Sammler dieser Studie verfügen über jahrzehntelange Seherfahrung und haben einen Qualitätsblick entwickelt, der freilich immer persönlich geprägt ist. Denn Geschmack ist etwas Subjektives, „auch der geschulte bleibt in seinen Vorlieben subjektiv“, so Holz (2011: 33). Eine der Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen scheint eben genau darin zu liegen, dass der individuelle Sammlergeschmack nicht mit dem kollektiven Kunstverständnis übereinstimmt. Am Ende ergeben sich daraus reizvolle und unkonventionelle Blicke auf die Gegenwartskunst. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Öffentliche Privatsammlungen orientieren sich mit unterschiedlicher Gewichtung ihrer Aktivitäten am historisch gewachsenen Auftrag öffentlicher Museen – Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Sie führen das Bekenntnis staatlicher Institutionen zur öffentlichen Zugänglichkeit von Kunst fort und stellen eine sinnvolle Ergänzung des öffentlichen Auftrags kultureller Grundversorgung dar. In wirtschaftlich angespannten Zeiten gewinnt dieses bürgerschaftliche und ökonomische Engagement der Privatsammler zunehmend an Bedeutung. Im Bereich „Sammeln“ wurden die Einzigartigkeit der Sammlung und ein klares Sammlungskonzept (EK 5) sowie ein angemessener Etat zur Sammlungserweiterung (EK 6) als jene Kriterien identifiziert, die potenziell zum Erfolg beitragen können. Während ausreichende finanzielle Mittel die Grundlage und das Fundament einer öffentlichen Privatsammlung darstellen und somit kein Erfolgskriterium sind, haben die Einzigartigkeit und Originalität einer privaten Sammlung hingegen höchste Bedeutung. Im individuellen Profil der Kollektion und dem persönlichen Blickwinkel
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des Sammlers, der sich möglicherweise vom allgemeinen Kunstverständnis unterscheidet, liegt unzweifelhaft ein Erfolgsfaktor begründet. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Einzigartigkeit und Originalität der Privatsammlung 7.5.1.1 Privates Sammlen in der Öffentlichkeit Mit der öffentlichen Präsentation einer privaten Sammlung verändert sich die Betrachtungsweise. Das private Sammeln von Kunst ist eine von persönlichen Neigungen und Interessen bestimmte Tätigkeit, die im Licht der Öffentlichkeit mit neuen und anderen Maßstäben bewertet wird. Die private Intimität geht verloren, und die Sammlung wird auf einen öffentlichen Prüfstand gestellt. Neben der öffentlichen Zurschaustellung ihrer Kunstsammlungen exponieren sich auch die Sammler selbst und werden zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Dabei ist nicht nur mit positiven Reaktionen zu rechnen, auch Kritik und Missgunst können die Sammler treffen. Julia Stoschek sagt dazu: Keiner wird gezwungen, seine Sammlung öffentlich zu machen, aber es stimmt, dass man sich damit Kritik aussetzt. Es gab sicherlich Menschen, die sich an meiner Person und meinem Alter gestört haben. [...] Dann kamen oft Fragen nach der Finanzierung und der Ernsthaftigkeit meiner Unternehmung. Ich gehe damit offensiv um. Ich bin Gesellschafterin eines Familienunternehmens und bin wahnsinnig glücklich, dass ich einen Großteil meines Vermögens in die Kunst investieren kann. „Sammler [sehen, d. V.] sich [...] häufig vulgärpsychologischen Spekulationen über ihre Motive preisgegeben“, so Grasskamp (1992: 80). Auch wenn Jocks (2011b) der Ansicht ist, dass „die Kunstkritik und erst recht die Kunstmarktberichterstattung nur noch geringen Einfluss auf das Getriebe des Kunstmarktes auszuüben vermag“, so haben die „Repräsentanten der Zeitungsmacht“ dennoch so viel Gewicht, Sammler zu diskreditieren, wenn sie ihnen Geltungssucht und das ausschließliche Streben nach gesellschaftlichem Renommee vorwerfen. Häufig richtet sich die Kritik gegen jüngere Sammler und greift sie persönlich an. Julia Stoschek kann das bestätigen, denn sie hat zu Beginn ihrer Sammeltätigkeit sehr viel ablehnende Kritik geerntet. Die negative Berichterstattung drehte sich kaum um inhaltliche Komponenten der Sammlung, sondern vorrangig um die Person der Sammlerin. Vier Jahre nach der Eröffnung ihres Düsseldorfer Ausstellungshauses ist Julia Stoschek im Kunstbetrieb akzeptiert. Die Qualität der Sammlung, die Professionalität der öffentlichen Präsentationen und die Tatsache, dass die junge Sammlerin inzwischen Mitglied in zahlreichen Kuratorien öffentlicher Kunstbetriebe ist und in die Ankaufskommission des MOMA gewählt wurde, haben das Image der Sammlerin verändert. Besonders was meine Person betrifft, liest man immer wieder, „die Industriellentochter macht jetzt Kunst“. Also ich erfahre nicht nur positive Resonanz. Aber das macht nichts, denn ich sammle und stelle nicht wegen der positiven Resonanz aus. So wichtig ist mir die öffentliche Meinung nun auch wieder nicht. Aber man
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muss unterscheiden – in der Kunstszene erfahren wir unheimlich große Anerkennung. Dafür machen wir das ja auch. Ähnlich wie Julia Stoschek sah sich auch Thomas Olbricht zu Beginn seiner privaten Museumsaktivitäten in Berlin Anfeindungen der Presse ausgesetzt. Sein Museumsgebäude wurde im besonderen Maße kritisiert. Das hat mich zutiefst getroffen. Ich musste lernen, damit umzugehen. [...] Niemand hat hinterfragt, welche Kriterien vorhanden waren und warum der Bau so ist, wie er ist. [...] Niemand hat beachtet, dass das Haus nicht nur ein Ausstellungshaus, sondern auch ein Gebäude mit Wohnungen ist, das war die Auflage der Stadt. [...] Ich bin davon überzeugt, dass bei einem bekannteren Architekten alle begeistert gewesen wären. So gab es seitens der Presse nur Kritik. [...] Aber mich interessiert das überhaupt nicht, mir geht’s um die Kunst. Ich habe ja kein Architekturhaus gemacht, sondern ein Kunsthaus. Deswegen war ich wirklich sehr überrascht über diese Kritiken. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Thomas Olbricht kann der negativen Kritik auch positive Seiten abgewinnen, denn seit seiner Museumsgründung ist der in Essen ansässige Sammler in ganz Berlin bekannt. Im letzten Jahr wurde ich in der Zeitschrift Tip zu einem der peinlichsten Berliner gekürt. Ich finde das phänomenal. Denn mein Name ist erst seit Mai letzten Jahres in Berlin bekannt, und ich wohne nicht mal in Berlin. Daher finde ich das super, denn das kommt nur durch die Kunst und die negative Kritik vom Anfang. Privatsammler bereichern mit ihrem Engagement und ihren öffentlichen Kunsteinrichtungen die Breite und Vielfalt der kulturellen Landschaft und leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Alle Häuser werden privat finanziert, sie belasten keine staatlichen Budgets und stellen somit eine generöse Geste für die kunstinteressierte Öffentlichkeit dar. Dass sie dennoch kritisiert werden, macht die Sammler ratlos, und sie fragen sich, was sie noch alles tun müssen, damit ihre Leistungen auch nur annähernd anerkannt werden. „Immerhin“, so Jocks (2011b) hegt ein Sammler „die Erwartung, dass das, was er doch auch der Allgemeinheit zuliebe riskiert, mindestens wohlwollend aufgenommen wird. Also ein bisschen Chapeau vor dem von ihm Geleisteten“. Auf die Frage, wie Sammler trotz allem mit negativer Kritik umgehen, sagt Christian Boros: Es schmerzt, aber ich lerne. Im Bereich des privaten Sammelns empfinde ich Kritik nicht als eine andere Meinung, sondern sie bereitet mir Schmerz. Ich habe ein Gästebuch, und da stehen nicht nur nette Dinge darin. Ich lese es und nehme es mir zu Herzen, was die Gäste schreiben, und denke darüber nach. Das bereichert mich wiederum in gewisser Weise. Auch Karlheinz Essl haben zu Beginn seiner Museumsgründung eine Reihe negativer Berichterstattungen getroffen. Am Anfang gab es Kritik, aber heute sieht jeder, wie wir das Museum führen und welche Werke in der Sammlung sind. Die anfänglichen Kritikpunkte haben sich längst verflüchtigt, und ich habe mich in meinem Weg von Kritik nie beirren las-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT sen. Ich sage immer „The future will prove it.“ Was heute kritisiert wird, wird morgen anders bewertet. [...] Wenn es Kritik gibt, muss man das aushalten können. Alle Museen werden kritisiert, auch öffentliche. Man muss selbst eine Meinung haben und diese auch vertreten, aber auch immer wieder hinterfragen. Man ist ja nicht perfekt und lernt ständig dazu, auch aus Kritik.
Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden zählt heute zu den meistbesuchten Museen Deutschlands. Nachdem das Land Baden-Württemberg ein an die Staatliche Kunsthalle angrenzendes Grundstück für 99 Jahre als Erbpacht zur Verfügung gestellt hatte, musste sich Frieder Burda über Jahre mit Kritik und massiver Gegenwehr auseinander setzen. Die Lichtentaler Allee ist ein Heiligtum für die Baden-Badener. Ich hatte dann auch zwei Jahre einen Kampf und musste mich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass das Museum realisiert werden konnte. Ich habe mit allen Stadträten gesprochen, und bei der Abstimmung über das Museum gab es dann nur eine Gegenstimme, so Frieder Burda. An dieser Stelle muss aber auch betont werden, dass einige Privatinitiativen von der Presse und Kunstkritik sehr anerkennend aufgenommen wurden. Das Museum Biedermann gehört dazu. Die Museumsgründerin sagt: Wir hatten bis dato das Glück, nicht negativ kritisiert zu werden. Ich hatte keine großen Erwartungen an das Museum. Ich war offen und wollte mal sehen, was passiert. Wir wurden bisher in unserer Arbeit immer nur bestärkt. Vielleicht haben wir Glück, wir haben bisher nichts Negatives gehört. [...] Wir haben von städtischer Seite und von der Bevölkerung großen Rückhalt und Unterstützung. Dann hat man das Gefühl, man wird getragen und hat auch Lust, das weiter zu führen. Wenn ich nun angefeindet würde und alle würden sagen, dass das Museum und die Ausstellungen schlecht sind, dann wäre ich konsequent und würde das Museum schließen. [...] Das wäre auch ok. Sowohl die Langen Foundation als auch die Sammlung Hoffmann haben nie schlechte Nachrede erfahren. Erika Hoffmann merkt an: Merkwürdigere Weise gibt es hier überhaupt keine Kritik. Offensichtlich werden wir nicht als Kunstexperiment, sondern nur als gesellschaftliches Experiment wahrgenommen. Ich habe nie irgendeine Kritik bekommen, weder positive noch negative. Ganz am Anfang sind wir kritisiert worden für die Gentrifizierung dieses Areals. Aber inzwischen haben auch alle gemerkt, dass es nicht nur darum geht. Auch wenn die Leute die Ausstellungen vielleicht nicht so besonders finden, so haben wir dennoch nie schlechte Nachrede oder schlechte Kritik. [...] Wir müssen uns ja auch nicht verstecken, sagt Sabine Crasemann. Seit jeher erregen private Sammlungen sowohl Bewunderung als auch Geringschätzung. Sie werden unterschiedlich kommentiert, positiv beschrieben oder ab-
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lehnend beurteilt. Dabei lässt sich beobachten, dass die Kunstkritik generell kritischer eingestellt ist als das Kunstpublikum. Als Unternehmer sind die Sammler indessen gewohnt, ihre Ziele trotz „Gegenwind“ konsequent zu verfolgen. Daher ist Margit Biedermann überzeugt, dass Kritik einem selbstbewussten Sammler nichts anhaben kann: Auch auf die Gefahr hin, dass man belächelt wird und das eigene Sammlungskonzept nicht verstanden wird. Aber wenn man als Sammler dazu steht, dann ist man über Kritik erhaben. 7.5.1.2 Vergleich mit historischen Sammelstrategien In Kapitel 2.5 wurden im Rückblick auf historische Sammelstrategien fünf Besonderheiten privaten Sammelns herausgestellt: • • • • •
Private Sammler haben den Wunsch, ihre Sammlungen zu zeigen. Private Sammler wollen Bildung und ästhetische Erziehung der Öffentlichkeit fördern. Private Sammler fördern die Kunst ihrer Zeit. Private Sammler verfolgen antizyklische Sammelstrategien. Private Sammler wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben und die interessierte Öffentlichkeit an ihrer Leidenschaft teilhaben lassen.
Es kann festgestellt werden, dass diese Besonderheiten auch auf die aktuellen Sammler vollumfänglich zutreffen. Der Wunsch vieler Sammler, ihre Kollektionen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist heute aktueller denn je. Während bis in die 1990er Jahre die Zusammenarbeit mit öffentlichen Museen die Regel war, treten in den letzten zwanzig Jahren private Sammler eigenständig als Museumsgründer an die Öffentlichkeit. Diese Tendenz verzeichnet besonders ab dem Jahr 2000 eine Hochkonjunktur. Fast alle Sammler verstehen ihre öffentlichen Privatsammlungen als Bildungseinrichtungen. Sie legen besonderen Wert auf Vermittlung, fördern Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Der subjektive Blick der Sammler steht dabei im Vordergrund. Die Sammler wollen ihre privaten Erfahrungen im Umgang mit Kunst vermitteln und keine allgemeingültigen Rezepte anbieten oder formale Probleme lösen. Heute ist es besonders augenfällig: Alle Sammler fördern durch Ankäufe oder Ausstellungen in ihren privaten Häusern die zeitgenössische Kunst. Wichtige Triebfeder dafür ist neben der gesellschaftlichen Verantwortung, die Sammler gegenüber der Kunstproduktion ihrer Zeit empfinden, die Freundschaft mit den Künstlern. Genau wie früher werden auch heute antizyklische Sammelstrategien verfolgt, die nicht den allgemeinen Mainstream abbilden. Allerdings könnte man gegenwärtig eher von Spezialsammlungen sprechen, denn viele Sammler konzentrieren sich auf einen Ausschnitt des aktuellen Kunstgeschehens und verfolgen das Interesse, diese Bereiche umfassend zu sammeln. Alle Sammler verbindet darüber hinaus eine leidenschaftliche Passion für die Kunst und der Wunsch, eine private Leidenschaft zu einem öffentlichen Anliegen zu machen. Der Großteil der Sammler empfindet soziale Verantwortung und will mit dem bürgerschaftlichen Engagement der Gesellschaft etwas zurückgeben. „Freude, die man gibt, kehrt ins eigene Herz zurück“, sagt Reinhold Würth dazu (zit. nach Adriani 2009: 22).
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7.5.1.3 Besonderheiten der aktuellen Sammlergeneration Was alle Sammler dieser Studie verbindet, ist die Tatsache, dass sie vermögende Menschen sind. Ihr Reichtum ermöglicht es ihnen, international beachtete Sammlungen aufzubauen und die Öffentlichkeit in generöser Weise daran teilhaben zu lassen. Das Feld der zeitgenössischer Kunst ist das Gebiet, auf dem sich die privaten Sammler heute profilieren können. Im Aufspüren neuer Kunstrichtungen sind sie schneller als öffentliche Museen und häufig wenden sie sich mit mehr Entdeckerlust und Risikobereitschaft der zeitgenössischen Kunstproduktion zu. Dass daraus neue, unkonventionelle und noch unbesetzte Sammlungsgebiete und Themen entstehen können, zeigt die Tatsache, dass alle Sammlungen dieser Studie ein individuelles Profil entwickelt haben und vier Kollektionen auf ein europäisches Alleinstellungsmerkmal verweisen können. Den meisten Sammlern ist an einem persönlichen Kontakt mit den Künstlern gelegen, in vielen Fällen verbinden sie Freundschaften. Dabei geht es den Sammlern aber nicht nur darum, „in eine andere Lebenswelt einzutauchen“ und „Zugang zu neuen und exklusiven Erlebnissen“ zu finden, wie Wolfgang Ullrich (2006b: 16) unterstellt, sondern viele Künstler werden über Jahre hinweg begleitet und in ihrer künstlerischen Entwicklung unterstützt und gefördert. Einigen Privatsammlern gelingt eine beachtenswerte Weiterentwicklung des Museumsbegriffs, sie leben mit der Kunst und stellen ihre Sammlungen in diesem privaten Umfeld auch aus. Während Erika Hoffmann ihre privaten Wohnräume als Ausstellungsräume nutzt, leben drei weitere Sammler in ihren Kunstgebäuden. Ihre Erfahrungen, wie bereichernd und anregend ein Leben mit Kunst sein kann, wollen sie an die Besucher weitergeben. Neben diesen Gemeinsamkeiten können im Vergleich zu den historisch verstetigten Sammelstrategien zwei weitere Besonderheiten der aktuellen Sammlergeneration hervorgehoben werden: • •
Sammlerinnen gewinnen in der Kunstlandschaft größere Bedeutung. Jüngere Menschen treten als öffentliche Privatsammler auf.
In der Regel stehen Sammler, die mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit treten, am Ende einer langen Berufskarriere. Über Jahrzehnte haben sie Sammlungen aufgebaut, und oft hat sich aus einem anfänglichen Hobby ein systematisches und thematisches Sammeln entwickelt. Mit besseren finanziellen Verhältnissen, die viele Sammler erst in einem höheren Lebensalter erlangen, steigt auch der Wunsch, die in vielen Jahren angehäuften Kunstwerke an einem Ort zu versammeln und das persönliche Lebenswerk öffentlich zu zeigen. Selbst Erika Hoffmann mutmaßt: Ich vermute, dass alle ab einem bestimmten Alter überlegen, was sie mit ihrer Sammlung, mit ihrer Kunst tun können. Es lässt sich allerdings beobachten, dass sich mit Julia Stoschek und Christian Boros ein Feld jüngerer Sammler entwickelt. Christian Bors sagt dazu: Ich sammle nun ja schon einige Jahre. Ich bin jetzt Mitte 40 und habe mit 25 Jahren begonnen zu sammeln. Eine Weile wurde ich als der jüngste deutsche Sammler gehandelt. Inzwischen gibt es eine Reihe noch jüngerer Sammler. Aber es stimmt, ich gehöre dem Feld der jüngeren Sammler an. Ich glaube, es hat damit
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zu tun, dass ich das große Glück hatte, schon sehr früh erfolgreich zu sein. Und ich habe immer Freude daran gehabt, mein Geld nicht für Sportwagen auszugeben, sondern für Kunst. Meistens passiert das erst in späteren Jahren, wenn man eben die Sportwagen und Segelboote schon besitzt. Dann beginnen viele über Kunst nachzudenken. Bei mir kam das schon sehr früh. Die derzeit jüngste Sammlerin Deutschlands, Julia Stoschek, ergänzt: Generell denke ich, dass es zu keiner Zeit so viel Interesse für zeitgenössische Kunst gab wie heute. Ich denke, es wächst eine neue Generation, auch von Sammlern, heran. Ich werde sicherlich nicht die einzige jüngere Sammlerin bleiben – obwohl, das wird dann komisch sein! Das Beispiel von Julia Stoschek zeigt, dass junge Menschen konsequent und zielstrebig innerhalb von kurzer Zeit profilierte Sammlungen aufbauen können.2 Nur vier Jahre Sammeltätigkeit liegen zwischen dem Ankauf des ersten Kunstwerks und der Eröffnung ihres privaten Ausstellungshauses in Düsseldorf. Die Tatsache, dass sich Julia Stoschek ganz der Kunst widmen kann, bezeichnet sie als „großes Glück“. Ich bin Gesellschafterin eines Familienunternehmens und bin wahnsinnig glücklich, dass ich einen Großteil meines Vermögens in die Kunst investieren kann. [...] Ich versuche das Beste daraus zu machen, ich versuche inhaltlich zu arbeiten, mit einem Team von Kunsthistorikern fundierte Arbeit zu leisten. [...] Den Rest bringt die Zeit mit sich. Ob die Sammlung jemals wichtig und von Bedeutung sein wird, ob das alles richtig ist, was wir hier machen, kann jetzt niemand beurteilen, das wird sich zeigen. Mit Julia Stoschek tritt ein neuer Typus von Sammler hervor, der neben dem Erwerb, der Förderung und öffentlichen Präsentation von Kunst auch in künstlerischen Projekten selbst mitwirkt. Nicht nur das Alter der Sammler verändert sich, und jüngere Menschen werden zu öffentlichen Privatsammlern, sondern auch immer mehr Frauen treten eigenständig als Sammlerinnen in das Blickfeld der Kunstöffentlichkeit. Im Rückblick auf die letzten Jahrhunderte scheint das Sammeln von Kunst eine männliche Domäne zu sein (vgl. Kapitel 2). Wenige Ausnahmen wie Isabella d’Este oder Katharina II. konnten, privilegiert durch ihre gesellschaftliche Stellung, unabhängig von geschlechterspezifischen Rollenzuschreibungen und finanziellen Zwängen ihrer Sammelleidenschaft nachgehen. Der soziale Status der Frauen und ihr restriktiver Einsatzbereich im häuslichen Umfeld machten es sowohl für bürgerliche als auch für adelige Frauen beinahe unmöglich, als eigenständige Sammlerinnen aufzutreten. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ändert sich diese Situation, als sich im Zuge des bürgerlichen Emanzipationsprozesses Frauen Zugang zu Bildung und Politik erkämpften.3 Wenn man schon zwischen Sammlerinnen und Sammlern differenziert, dann
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Weitere Beispiele junger öffentlicher Privatsammler sind Francesca von Habsburg (*1958), Arthur de Ganay (*1968), Christiane zu Salm (*1966) oder Rik Reinking (*1976). In Amerika stellte sich die Situation für Sammlerinnen anders dar. Hier gab es bereits vor gut 100 Jahren eine Vielzahl von Sammlerinnen und Museumsgründerinnen. Isabella Ste-
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stellt sich die Frage, ob Kunstsammeln geschlechterspezifisch gegliedert werden kann. Zu diesem Thema fand im Jahr 2004 im Neuen Museum Weserburg Bremen eine Tagung statt. Der Tagungsband stellt das Kunstengagement von fünfzehn Sammlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts vor (Wimmer / Feilchenfeldt / Tasch 2009). Dorothee Wimmer (2009: 10) weist in ihrer Einleitung darauf hin, dass im Zuge der Recherchen weder ein weibliches noch männliches Prinzip des Sammelns ausgemacht werden konnte und dass „demnach auch keine vermeintlich allgemeingültigen Kriterien der geschlechtlichen Differenzierung privater Sammlungsinitiativen entwickelt werden [können, d.V.]“. Die Einschätzung, dass sich private Sammlungen geschlechterspezifisch nicht differenzieren lassen, kann aufgrund der Interviews und der Analyse der Sammlungsthemen geteilt werden. Positiv zu werten ist, dass sich der Anteil der öffentlichen Privatsammlerinnen erhöht hat und im vorliegenden Fall 70% des Untersuchungsfeldes aus Frauen besteht. Drei von zehn privaten Initiativen werden ausschließlich von Sammlerinnen betrieben (Julia Stoschek Collection, Museum Biedermann, Daros Latinamerica AG). Vier Sammlungen werden bzw. wurden von Ehepaaren gemeinsam aufgebaut (Rolf und Erika Hoffmann, Christian und Karen Boros, Karlheinz und Agnes Essl und Viktor und Marianne Langen). Das Sammeln von Kunst scheint daher heute kein männlich dominiertes Gebiet mehr zu sein. Diese Schlussfolgerung wird durch eine Studie von Wuggenig (2011: 67) bekräftigt, der im Jahr 2010 die alljährlich publizierte Liste von ARTnews der weltweiten Top 200 Sammer auf ihren Sammlerinnen-Anteil hin untersucht hat. „Bereits die große Zahl von ca. 50% (Ehe)Paaren [...] lässt die Vorstellung vom ‚typischen Sammler‘, der ‚männlich und über 40 [ist, d.V.]‘ (Baudrillard) obsolet erscheinen.“ Diese Zahlen belegen eine historische Verschiebung und verdeutlichen, dass Sammlerinnen ein immer stärkeres Gewicht im Kunstbetrieb und auf dem Kunstmarkt erhalten.
wart Gardner gründete in Boston ein Museum, das dank einer großzügigen Stiftung noch heute als privates Kunstmuseum geführt wird. Die Gründung des New Yorker Museum of Modern Art geht auf die Initiative von drei Sammlerinnen zurück: Abby Aldrich Rockefeller (1874-1958), Lillie Bliss (1864-1931) und Mary Quinn Sullivan (1877-1939) legten den Grundstein für das heute wohl bedeutendste Museum der Welt. Lillie Bliss vermachte ihre gesamte Sammlung dem Museum und verfügte testamentarisch, dass ihre Stiftungen veräußerbar und gegen andere Werke eintauschbar wären. Mit dieser uneigennützigen und weitsichtigen Entscheidung ermöglichte sie dem Museum posthum die Erwerbung eines der wichtigsten Werke der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts – „Les Demoiselles d’Avignon“ von Pablo Picasso (vgl. Wimmer 2009: 18). Eine der größten Schenkungen, die das Metropolitan Museum je erhalten hat, verdankt es der Sammlerin Louise W. Havemeyer. In heutiger Rezeption taucht ihr Name allerdings selten auf, der Nachruhm gilt ihrem Ehemann Henry O. Havemeyer mit dessen Namen die Stiftung verbunden wird. Wenn die Rede von amerikanischen Sammlerinnen ist, dann fällt der Blick auch immer auf Peggy Guggenheim (1898-1979), die gewiss die berühmteste Sammlerin des 20. Jahrhunderts genannt werden darf. Seit 1947 ist die umfangreiche zeitgenössische Kunstsammlung im Palazzo Venier dei Leoni in Venedig für die Öffentlichkeit zugänglich.
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Bewahren „Sammeln bedeutet auch Bewahren.“ JULIA STOSCHEK
Ein öffentliches Museum hat die Verpflichtung, alle ihm anvertrauten Zeugnisse der Vergangenheit und der Gegenwart dauerhaft zu erhalten und für die Zukunft zu sichern. Genau wie die staatlichen Hüter kultureller Schätze verstehen auch die privaten Sammler die Bewahrung ihrer Kunst als Auftrag. Es ist allerdings ein selbstauferlegter Auftrag, der für einen verantwortungsvollen Sammler mit dem Erwerb von Kunstwerken zwangsläufig verbunden ist. Für Julia Stoschek bedeutet Sammeln auch Beschützen und Bewahren: Mit jedem Werk, das ich erwerbe, wächst die Verantwortung, dass mit den Kunstwerken etwas Sinnvolles geschieht. [...] Das große Thema für mich ist sicherlich Beschützen und Bewahren. Denn ich möchte meine Sammlung an die nächste Generation weitergeben, daher müssen wir die Dinge so lange erhalten wie möglich. Hans-Michael Herzog stellt dazu fest: „Das Rückgrat unserer Aktivitäten ist die Sammlung, und damit ist das Bewahren selbstverständlich.“ Und Karlheinz Essl führt an: Für mich ist das Depot nach wie vor das Wichtigste. Die Kunstwerke brauchen einen guten Platz, sie müssen geschützt werden, gute Klimaverhältnisse haben. Das bin ich der Kunst schuldig. Karlheinz Essl wollte ursprünglich lediglich ein neues und professionelles Lager für seine Sammlung bauen und entschied sich im Laufe dieses Prozesses für den Bau eines privaten Museums. Heute verfügt das Essl Museum über 2.500 Quadratmeter optimal klimatisierte Depoträume. Die Geschichte des Museums ist eine sehr eigentümliche. Eigentlich wollte ich zu Beginn kein Museum bauen, sondern ein Depot. Im Rahmen der öffentlichen Präsentation seiner Sammlung stand auch für Friedrich E. Rentschler „die Suche nach neuen Lagerräumen an erster Stelle“. Alle Sammler sind sich darüber bewusst, dass sie Kulturgüter in ihrer Obhut haben, die für die Nachwelt geschützt werden müssen, und diese Verantwortung nimmt jeder ernst. Sie scheuen keine Kosten und Mühen und errichten eigene und gut ausgestattete Aufbewahrungsorte für ihre Kunstwerke. Alle öffentlichen Privatsammlungen verfügen über adäquate Depots, die die Sicherheit und die langfristige Erhaltung ihrer Sammlungen gewährleisten. Besonderes Augenmerk auf den Bereich Konservierung legt die Düsseldorfer Sammlerin Julia Stoschek. Ihre Sammlung zeitbasierter Medienkunst stellt ein komplexes Themenfeld dar, das spezielle Fachkenntnisse erfordert, die weit über die traditionelle Konservierung und Restaurierung hinausreichen. Im Bereich der Medienund Computerkunst gibt es eine rasante Entwicklung, und die eingesetzten Medien wandeln sich sehr schnell. Neben der Konservierungsproblematik von Medienkunst
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kommen oft zusätzliche Schwierigkeiten aufgrund schnell veralternder Präsentationstechniken und Wiedergabetechnologien hinzu. Julia Stoschek hat es sich selbst zur Aufgabe gemacht, im Bereich Konservierung digitaler Bild- und Tonmaterialien neue Standards zu setzen. „Wir tun viel dafür“, sagt die junge Sammlerin. Wir haben zwei Depots und ein klimatisiertes Depot, das normalen Museumsanforderungen entspricht. Aber darüber hinaus haben wir das europaweit einzige Mediendepot, das 24 Stunden alle Tapes über eine Schleuse angleicht, bevor sie herausgenommen werden. Wir treiben hohen restauratorischen Aufwand. Wir haben eine Restauratorin und überlegen nun auch Langzeitstrategien. Man muss immer aktuell bleiben, denn die Technik ist so schnell in diesem Bereich, das sehe ich als Hauptaufgabe. Man kann sagen, dass die Julia Stoschek Collection ein Kompetenzzentrum darstellt und im Bereich der Langzeitarchivierung von Medienkunst und der Sicherung von analogen und digitalen Datenträgern Pionierarbeit leistet. Ja, das stimmt, wir leisten Pionierarbeit. Wir orientieren uns an den Standards und Maßstäben, die für das Fernsehen relevant sind. Unter Konservierung und Restaurierung versteht man grundsätzlich die schonungsvolle Handhabung und fachgerechte Lagerung sowie ein Spektrum von Maßnahmen und direkten Eingriffen am Kunstwerk, die seiner Erhaltung dienen. Während die Konservierung das Objekt schützt und bestrebt ist, seinen aktuellen Zustand zu stabilisieren, behebt die Restaurierung Schäden. Dabei wird allgemein das Ziel verfolgt, lediglich minimale Eingriffe am Kunstwerk vorzunehmen und es nicht zu verändern. In der modernen Restaurierung gelten die Grundsätze der Achtung des Originals und der Reversibilität. Im Zentrum der Bereiche Konservierung und Restaurierung stehen der Respekt vor der ästhetischen und historischen Bedeutung des Kulturgutes und die Wahrung seiner materiellen Unversehrtheit. Während acht der untersuchten Privatsammlungen zur restauratorischen Betreuung externe Spezialisten hinzuziehen, verfügen lediglich die Daros Latinamerica AG und das Essl Museum über feste Stellen für Restauratoren in ihrem Mitarbeiterstamm. Die Bewahrung und die Restaurierung sind bei uns auf einem sehr hohen Niveau. Wir haben sogar eine eigene technische Kuratorin, so Hans-Michael Herzog. Das Essl Museum besitzt eine eigene Fachabteilung, die mit drei fest angestellten Mitarbeitern eine optimale Pflege des Sammlungsbestandes gewährleistet. Die Restaurierungsabteilung steht in regem wissenschaftlichen Austausch mit anderen Institutionen, vergibt Diplomprojekte und engagiert sich in fachspezifischen Symposien und Forschungsprojekten. Wie in den Bereichen Forschen und Dokumentieren (Kapitel 7.5.3), Ausstellen (Kapitel 7.5.4) und Vermitteln (Kapitel 7.5.5) leistet das Essl Museum auch auf dem Gebiet der Konservierung und Restaurierung vorbildliche Arbeit. Dieses Engagement ist nicht nur mit dem Auftrag eines öffentlichen Museums vergleichbar, sondern reicht oftmals weit darüber hinaus. Karlheinz Essl sagt dazu: Dabei stellt sich auch die Frage, was ich mit dem Museum bezwecke. Wenn ich nur ein Sammlermuseum mache, dann stelle ich die Kunst lediglich aus. Aber wir
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verstehen uns als viel mehr. Das, was wir machen, ist absolut mit dem Auftrag eines öffentlichen Museums zu vergleichen. Und ein Museum, wie wir es führen, ist ein Kompetenzzentrum. Da ist ein großer Wissensstand vorhanden, was die zeitgenössische Kunst betrifft, das manifestiert sich in unserem Bereich. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Im Bereich „Bewahren“ wurde die fachgerechte Bewahrung der Sammlung (EK 7) als Erfolgskriterium verstetigt. Dieser Faktor trifft auch auf die öffentlichen Privatsammlungen zu. Für alle Sammler stellt das Bewahren ihrer Kunstwerke eine hohe Verantwortung dar, die sie mit dem Erwerb von Kulturgütern fakultativ übernommen haben. Die Darstellung hat darüber hinaus gezeigt, dass manche Sammler im Bereich der Konservierung und Restaurierung Pionier- und Forschungsarbeit leisten, die auch Experten und Restauratoren öffentlicher Institutionen zugute kommen. Der Erfolgsfaktor EK 7 kann daher für öffentliche Privatsammlungen übernommen werden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Fachgerechte Bewahrung der Sammlung 7.5.3
Forschen und Dokumentieren „Forschen zählt nicht zu meinen Aufgaben.“ THOMAS OLBRICHT
Das wissenschaftliche Erschließen der Sammlungsbestände und ihrer Kontexte stellt eine der Grundaufgaben eines jeden öffentlichen Museums dar und ist zentrales Merkmal guter Museumssammlungen. Genau darin sieht Bernhard Graf den Unterschied zu privaten Sammlungen (vgl. Deutscher Bundestag 2006: 10). In dieser Feststellung ist dem Leiter des Instituts für Museumsforschung beizupflichten, denn nahezu alle privaten Sammler dieser Studie lehnen wissenschaftliches Forschen für ihre Einrichtungen ab. Diese historischen Museumsaufgaben können wir nicht bewältigen, z.B. Forschen können wir nicht, bekräftigt auch Margit Biedermann. Forschen zählt sicher nicht zu meinen Aufgaben, das sollen und müssen andere machen, sagt Thomas Olbricht. Ich glaube nicht, dass ich in kunsthistorischer Hinsicht eine Aufgabe habe. Das ist Sache der großen staatlichen Museen. Das wäre mir auch zu aufwändig. Ich kümmere mich nur um meine eigene Sammlung, und die muss bestens geordnet werden, so Frieder Burda. Während wissenschaftliches Forschen vom überwiegenden Teil der Sammler abgelehnt wird, betreiben alle privaten Einrichtungen eine sorgfältige und fachgerechte Inventarisierung ihrer Bestände. Julia Stoschek sagt dazu:
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Wir haben von Beginn an versucht, die Archivierung und Dokumentation von Anfang an professionell zu machen. Denn ich kenne das von anderen Sammlungen, die dann plötzlich vor einem Riesenberg von Arbeit stehen, den man nicht mehr bewältigen kann.
Die konsequente Dokumentation und Archivierung ist nicht nur Voraussetzung für weitergehende Forschungen, sondern sie ist auch für die Ausstellungsarbeit sowie Bildungs- und Vermittlungstätigkeit unerlässlich. Dass auf die Dokumentation der Sammlungen großen Wert gelegt wird, zeigt die Tatsache, dass der Großteil der Privatsammlungen Publikationen, Portfolios, Presseberichte, Ausstellungseinladungen von Künstlern der Sammlung sowie Dokumentationsmaterial ihrer Ausstellungen in ihren Archiven sammelt. Manche Privatsammlungen machen einen Teil ihres dokumentierten Sammlungsbestandes und Informationen zu den Künstlern auch online zugänglich. Vorbildhaft sind hier die Daros Latinamerica AG, das Essl Museum, die Sammlung FER Collection und das Museum Frieder Burda. Nach der Priorität der musealen Kernaufgaben in der Sammlung Hoffmann befragt, antwortet Erika Hoffmann: Bei uns hat das Vermitteln den höchsten Stellenwert, das Forschen den geringsten. Das dringt zumindest nicht an die Öffentlichkeit. Forschungen betreiben wir nur intern. Wir machen für jede Einrichtung ein sogenanntes Passagen-Buch, in dem wir alles zusammentragen, was sich an Kommentaren und Zitaten zu den einzelnen Werken oder den räumlichen Zusammenhängen findet. Natürlich gibt es – neben der elektronischen Datei – für jede Arbeit eine Archivmappe, in der ich Zertifikate, Zeitungsartikel, Ausstellungseinladungen, Leihverkehr etc. sammle. Unsere Archivierung ist umfangreich, die Forschung ist nicht so relevant. Wir haben auch eine große Bibliothek, eine reine Präsenzbibliothek, die man nach Voranmeldung besuchen kann. Fast alle öffentlichen Privatsammlungen verfügen über Bibliotheken, die auf den eigenen Sammlungsbestand Bezug nehmen. Neben der Sammlung Hoffmann stehen auch die Bibliotheken der Daros Latinamerica AG und des Essl Museums Interessierten für eine Benutzung vor Ort offen. Die Daros Latinamerica Collection verfügt über 6.500 Kataloge (Künstlermonografien, Einzel- und Gruppenausstellungskataloge, Literatur zu Kunstgeschichte und -kritik, ausgewählte Werke aus Kulturtheorie und Philosophie) und ist europaweit die einzige auf die Gegenwartskunst Lateinamerikas spezialisierte Fachbibliothek. Der Bestand der Bibliothek des Essl Museums umfasst etwa 20.000 Medien zum Kunstgeschehen des 20. und 21. Jahrhunderts, insbesondere Bücher, Ausstellungskataloge, Auktionskataloge, Kunstzeitschriften und moderne Informationsträger wie Videos, CDs und DVDs. Pro Jahr kommen durch Schriftentausch, Ankauf oder Schenkungen rund 2.000 Neuzugänge hinzu. Der Bereich des Dokumentierens umfasst auch die Herausgabe von Bestandskatalogen und Ausstellungsbüchern. Während die Sammlung Hoffmann und die Sammlung FER Collection keine Kataloge publizieren, werden alle Ausstellungen sämtlicher anderen untersuchten Privatsammlungen von Katalogbüchern begleitet.
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Im Jahr 2010 haben acht Privatsammlungen dieser Studie insgesamt 25 Ausstellungskataloge herausgegeben. Dabei liegt das Essl Museum mit zehn Büchern an erster Stelle, das Museum Frieder Burda hat vier Kataloge veröffentlicht, die Langen Foundation und Museum Biedermann haben jeweils drei Publikationen, die Daros Latinamerica Collection und der me Collectors Room Berlin jeweils zwei und die Julia Stoschek Collection ein begleitendes Katalogbuch herausgegeben. Die Anzahl der publizierten Bücher hängt von der Anzahl der jährlich gezeigten Ausstellungen ab. Ein inhaltlicher und gestalterischer Vergleich von Ausstellungskatalogen, vorrangig jener, die zu den jeweiligen Eröffnungen der öffentlichen Privatsammlungen erschienen sind, ergibt ein einheitliches Bild. Alle Kataloge zeichnen sich durch hochwertige Gestaltung und visuell ansprechende Konzeptionen im Corporate Design der jeweiligen Einrichtungen aus. Der formale Aufbau ist bei allen Büchern ähnlich. Ein Vorwort des Sammlers steht am Beginn, gefolgt von einem oder mehreren wissenschaftlichen Beiträgen von eigenen Kuratoren oder externen Experten der jeweiligen Fachgebiete. Abbildungen von Kunstwerken oder Raumansichten illustrieren die Texte und dokumentieren die Ausstellungen. Meist beschließen Verzeichnisse der ausgestellten Werke und Biografien der Künstler den Inhalt. Der Seitenumfang der Kataloge liegt zwischen 120 und 420 Seiten. Die meist großformatigen Publikationen verfügen über höchste Qualität sowohl im Druck als auch in der Kunstreproduktion. Fünf von acht Katalogen sind in renommierten Kunstverlagen erschienen. Es lässt sich feststellen, dass die begleitenden Ausstellungskataloge der öffentlichen Privatsammlungen höchsten Ansprüchen genügen und hochwertigen Publikationen öffentlicher Institutionen in nichts nachstehen. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Im Bereich „Forschen und Dokumentieren“ wurden die fachkundige Dokumentation der Sammlungsbestände und ein hohes Niveau der Forschungsarbeit (EK 8) als Erfolgskriterien bestimmt. Diese beiden Faktoren haben für öffentliche Privatsammlungen kaum Bedeutung, denn eine private Einrichtung hat keine Verpflichtung, die Kunstwerke ihrer Sammlung wissenschaftlich zu erforschen und umfassend zu dokumentieren. Der Großteil der privaten Sammler dieser Studie lehnt umfangreiche methodische Forschungen aufgrund knapper Personal- und Zeitkapazitäten ab. Im Unterschied zur wissenschaftlich fundierten Herangehensweise staatlicher Museen treten öffentliche Privatsammlungen weniger akademisch und fachwissenschaftlich an die Öffentlichkeit. Gerade darin scheint ein Erfolgsfaktor öffentlicher Privatsammlungen zu liegen. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Keine Akademisierung der Sammlungs- und Ausstellungspraxis
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7.5.4
Ausstellen „Meine einzige Verpflichtung ist, gute Ausstellungen zu machen.“ MARGIT BIEDERMANN
Von den musealen Kernaufgaben stellt der Bereich des Ausstellens jene Domäne dar, der sich alle Sammler mit großer Begeisterung und Freude widmen. Wie in Kapitel 7.1.4 gezeigt werden konnte, gehört das „Selber-Gestalten-Wollen“ zu den Hauptmotiven, warum private Sammler eigene Kunstdomizile eröffnen. Die einzige Verpflichtung ist, gute Ausstellungen zu machen und Qualität zu zeigen. Das ist eine Verpflichtung, die ich gerne freiwillig eingehen möchte, sagt Margit Biedermann. Sammler wollen „ihr Sammlungskonzept durch die Gestaltung in eigenen Räumen deutlich machen“, ist Friedrich E. Rentschler überzeugt. Während bei einer Kooperation mit einem öffentlichen Museum der Einflussbereich des Sammlers in der Regel mit der Übergabe der Leihgaben endet und er auf die Präsentation der Kunstwerke keinen Einfluss und kein Mitspracherecht hat, so kann er in seinen privaten Ausstellungsräumen kompromisslos seine persönlichen Vorstellungen und Visionen verwirklichen. Über die Zusammenarbeit mit öffentlichen Museen sagt Christian Boros: Das ist durchaus spannend, aber letztendlich wollte ich es doch selbst machen. Als Sammlerin möchte auch Margit Biedermann Entscheidungen selbst treffen: Wir sind Unternehmer und wir sind entscheidungsfreudig. Wir sind gewohnt, selbständig zu denken und zu arbeiten, und deshalb ist es schwierig. Ich bin gerne bereit, meine Sammlung auszuleihen, aber das, was in einer Ausstellung passiert, dem möchte man eigentlich seinen eigenen Duft geben. Der kreative Akt des Auswählens, des Kombinierens und die Konzeption einer Ausstellungsdramaturgie bringen dem Sammler die Möglichkeit, sich inhaltlich und gestalterisch mit den Kunstwerken auseinander zu setzen. Die Aneignung der Kunstwerke erfolgt damit nicht nur über den Kauf und Besitz, sondern auch durch deren geistige Durchdringung. Für den Sammler kann es reizvoll und spannend sein, Werke seiner Kollektion immer wieder unterschiedlich und beziehungsreich anzuordnen, um Querverbindungen zwischen den einzelnen Werken offenzulegen und möglichst viele Bedeutungen zu erkennen. Die Kontextualisierung der Sammlung stellt in den meisten Fällen den Ausgangspunkt und die Basis des Ausstellungsprogramms der öffentlichen Privatsammlungen dar. Neben unterschiedlichen Präsentationen des Sammlungsbestandes werden monografische Schauen oder Themenausstellungen gezeigt. In diesem Kontext werden auch Werke ausgestellt, die nicht im Besitz des Sammlers sind und als Leihgaben von Künstlern, öffentlichen Museen, Galerien oder anderen Privatsammlern die Sonderausstellungen komplettieren. Im Jahr 2010 haben die zehn öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie insgesamt 27 Ausstellungen veranstaltet, davon zwölf Sammlungspräsentationen, dreizehn monografische Ausstellungen mit Künstlern der
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jeweiligen Sammlung und zwei Themenschauen. Mit zehn Ausstellungen jährlich bietet das Essl Museum das größte Programmangebot. Die beträchtliche Ausstellungsfläche von 3.200 Quadratmetern ermöglicht es, wechselnde ParallelAusstellungen zu zeigen. Das Museum Frieder Burda hat 1.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche und zeigt drei bis vier Sonderausstellungen im Jahr. Drei Präsentationen veranstalten die Langen Foundation und der me Collectors Room Berlin, die beide ein 1.300 Quadratmeter großes Areal mit jeweils getrennten Ausstellungsbereichen auf zwei Etagen besitzen, die unterschiedlich bespielt werden. Das Daros Museum Zürich und das Museum Biedermann (je 800 Quadratmeter) arrangieren jährlich zwei Schauen. Jeweils eine Ausstellung im Jahr präsentieren die Sammlung Hoffmann und die Julia Stoschek Collection. Erika Hoffmann präsentiert ihre Sammlung in ihrem 1.400 Quadratmeter großem privaten Wohnbereich. Julia Stoschek kann 2.500 Quadratmeter Fläche über zwei Ausstellungsgeschosse für ihre thematischen Sammlungspräsentationen nutzen. Die Sammlung FER Collection hat für ihre Sammlungspräsentation 700 Quadratmeter zur Verfügung und Christian Boros zeigt seine Sammlung in einem Hochbunker mit 80 unterschiedlich großen Sälen auf insgesamt 3.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. In beiden Sammlungen sind Ausstellungen länger als ein Jahr zu sehen. Wenn ein Sammler ein eigenes Museum oder private Ausstellungsräume gründet – oft auch mit dem Wunsch verbunden, die Präsentationsweise seiner Sammlung selbst zu bestimmen – dann wird er auch die Themen festlegen, die in seinem privaten Kunstdomizil verhandelt werden. In der Tat bestätigen sieben Sammler, dass sie die Ausstellungsthemen größtenteils vorgeben, in den anderen Fällen wird im Team entschieden. Frieder Burda sagt: Im Grunde geht das ganz von mir aus. Ich bin jemand, der ein Gespür hat – nicht nur für Bilder, sondern auch für das, was bei den Leuten ankommt. Mein Vater war Verleger und hat einige Zeitschriften gegründet, die sehr erfolgreich waren, weil er genau wusste, was die Menschen wollten. So ähnlich ist es auch bei mir. [...] Wenn man nur intellektuelle Ausstellungen macht, dann erreichen Sie die Menschen nicht. Das Gefährlichste ist, wenn man Ausstellungen für die Kollegen macht und nicht für die Besucher. Darauf geben wir ganz viel Acht, dass das nicht passiert. [...] Wir müssen solche Ausstellungen machen, die die Besucher sehen wollen. Das Museum Frieder Burda versteht sich als Ort der lebendigen Betrachtung und Auseinandersetzung mit den Kunstwerken seiner Sammlung. Im Wechsel mit Sonderausstellungen wird die Kollektion immer wieder unter neuen Gesichtspunkten und in neuen Kontexten der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf die Frage, wer im Essl Museum über das Ausstellungsprogramm entscheidet, antwortet Karlheinz Essl: Im Wesentlichen gebe ich das Programm vor. Wir diskutieren mit den Kuratoren, vieles ergibt sich aus Gesprächen. Viele Themen entstehen auch aus Reisen, wir haben einen ganzen Katalog an Themen, die wir aufgreifen wollen. Davon können wir aber auch nur einen Teil realisieren. [...] Ich bin noch in meinem Unter-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT nehmen tätig, aber ein Drittel meiner Zeit verbringe ich mit der Kunst. Alle Ausstellungen sind Teil meiner Überlegungen, ich bringe mich da sehr stark ein.
Karlheinz Essl entwickelt sein Ausstellungsprogramm aus den Zielen und Inhalten seiner Sammlung. Säulen dieses Programms bilden Einzel- und Themenausstellungen sowie Blicke von externen Kuratoren auf die Sammlung und die Kunst aus anderen Kulturen. Während Frieder Burda sein Publikum von der Klassischen Moderne zur zeitgenössischen Kunst führt, interessieren den österreichischen Museumsgründer hingegen kontroversielle und politisch aktuelle Themen. Karlheinz Essl verweist dabei auf seine Unabhängigkeit bei der Programmgestaltung. Als Privatmann kann er Themen ganz nach seinen Vorlieben auswählen. Bei uns ist das anders, uns kann niemand angreifen. [...] Wir können als Privatmuseum Ausstellungen zeigen, die in öffentlichen Häusern nicht ohne weiteres möglich wären. [...] Wir sind unabhängiger, was die Themen der Ausstellungen betrifft. [...] Mich interessiert, Themen zur Diskussion zu stellen, die abseits der Gesellschaft liegen – Drogen, Homosexualität, Obdachlosigkeit – und eingefahrene Denkschemata zu hinterfragen und die kirchliche Ikonografie und das religiöse Geschehen ganz neu zu überdenken. [...] Man kann sagen, das gefällt mir nicht, das bleibt selbstverständlich jedem vorbehalten. Aber wenn uns jemand angreift, dann hat das keine Basis. Weil wir vom Staat nicht abhängig sind. Im me Collectors Room Berlin diskutiert Museumsgründer Thomas Olbricht das Ausstellungsprogramm mit seinem Leitungsteam. Im Zentrum des Programms stehen wechselnde Präsentationen der Sammlung, wobei Themen des Menschseins wie Leben, Liebe, Eros, Vergänglichkeit und Tod programmatische Schwerpunkte bilden. Daneben stellt der me Collectors Room auch eine Präsentationsplattform für andere Privatsammler dar. Fest installiert ist die Kunst- und Wunderkammer mit Werken aus Renaissance- und Barockzeit. Bei der Ausstellungsplanung arbeiten wir im Team. Ich habe Ideen, Frau Rust [Museumsleiterin, d.V.] hat Ideen, Herr Schoppmann, der Chief Curator hat Ideen, und Ideen werden an uns herangetragen. Aus dieser Mischung entscheiden wir im Team über die Planung. [...] Ich bemühe mich, möglichst nicht überall das letzte Wort haben zu wollen. Genau wie Karlheinz Essl verweist Thomas Olbricht auf die Flexibilität seines privaten Museums. In unserer Planung und Themenwahl können wir „freier und ungezwungener“ sein, sagt er. Wir können unsere Ausstellungsplanung schnell und unkompliziert ändern. Wir können einfach eine Ausstellung einschieben und ein geplantes Projekt zeitlich weiter nach hinten verlegen. Öffentliche Häuser können nicht so flexibel reagieren. Die Fähigkeit und den Willen, auf veränderte Bedingungen schnell und flexibel zu reagieren, sieht auch Margit Biedermann als großen Vorteil ihrer privaten Kunstinstitution. Das Ausstellungsprogramm entwickelt sie gemeinsam mit ihrer Museumsleiterin Simone Jung.
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Wir entwickeln das Programm gemeinsam und immer aus der Sammlung heraus. [...] Unser Anliegen ist es schon, die Sammlung zu zeigen, aber wir sind nicht so festgelegt. Wir können um die Sammlung herum auch junge Künstler einladen. Wir sind nicht so streng, dass wir uns nur auf eine Sache konzentrieren. Wir sind flexibel. Wenn sich etwas Spannendes oder Interessantes ergibt oder der Zeitgeist ein Thema besonders in den Vordergrund stellt, gehen wir darauf ein. Das Ausstellungsprogramm der Langen Foundation umfasst regelmäßige Präsentationen der Sammlung von Viktor und Marianne Langen sowie monografisch oder thematisch angelegte Wechselausstellungen, die sich der Gegenwartskunst widmen. Sabine Crasemann, Stiftungsvorstand der Langen Foundation, äußert sich zum Programm der Ausstellungen wie folgt: Wir machen Ausstellungen, die in öffentlichen Museen nicht zu sehen sind. Nicht weil sich die öffentlichen Häuser das nicht leisten könnten, sondern weil wir andere Ideen haben. [...] Die künstlerische Leitung macht Vorschläge, und das besprechen wir dann [...] im Stiftungsvorstand. [...] Wenn mir nun jemand einen ganz furchtbaren Vorschlag für das Ausstellungsprogramm vorlegen würde, würde ich es ablehnen. Aber das ist nicht der Fall. Für das Programm des Daros Museum zeichnet sein Leiter Hans-Michael Herzog verantwortlich, der den Künstlern der Sammlung ein angemessenes Ausstellungsforum bieten möchte. Jede Ausstellung ist eine europäische Museumspremiere und stellt hierzulande bisher unbekannte Künstler vor. Ziel der Ausstellungsprogrammatik ist es, dem Publikum unterschiedlichste Facetten der Kunstproduktion Lateinamerikas näher zu bringen und diese im internationalen Kontext der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zu verankern. Ich bestimme das Programm und stelle es dem Verwaltungsrat vor. Wir machen in der Regel zwei Ausstellungen pro Jahr und etwa ein Jahr im Voraus wird geplant. Mehr Ausstellungen würden wir mit unserem Personalstand nicht schaffen. [...] Lieber weniger, aber dafür qualitätvoll und professionell, so der Kunsthistoriker. Das ist auch die Devise von Julia Stoschek, die ihr Programm und die Kunstwerke der Ausstellungen, unterstützt von ihrem Team, selbst auswählt. Ihr sind die wissenschaftliche Ausarbeitung der Inhalte und das Aufzeigen kunsthistorischer Referenzen innerhalb der Sammlung besonders wichtig. Wir machen eine Ausstellung pro Jahr. Mehr Ausstellungen würden sowohl meine finanziellen Mittel als auch unsere Manpower überfordern.1 Die Sammlung Hoffmann präsentiert eine Ausstellung pro Jahr. Von September bis Juli des Folgejahres können Besucher Werke der Sammlung in unterschiedlichen Zusammenstellungen jeweils unter einem Motto erleben. Die Auswahl und Anordnung der Exponate trifft die Sammlerin allein. Erika Hoffmann (2011) will die Werke ihrer Sammlung zeigen und erfahren, „was andere darüber denken, möchte sie aber vor
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Ab dem Jahr 2012 will die Julia Stoschek Collection ihren Ausstellungsrhythmus erhöhen.
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allem selbst in immer anderen Zusammenhängen erproben, um möglichst viele Bedeutungen zu erkennen“. „Statt von Ausstellungen spreche ich lieber von Einrichtungen. [...] Dabei lasse ich mich von Worten oder Begriffen wie „Energie“, „Gleichgewicht“, „Bewegung“, „Regeln“, „Figur im Raum“ oder „Licht“ leiten. Oder wie die [...] Einrichtung [im Jahr 2009, d.V.], die mich von der Jahreszahl als Deutsche nicht nur an den Mauerfall von 1989, sondern auch an andere Jahrestage wie 1969, 1949, 1939 denken ließ, an all die Träume und Albträume, Utopien und Dystopien des 20. Jahrhunderts“, so Erika Hoffmann (2011). In den Sammlungen Boros und FER Collection sind die Eröffnungsausstellungen zu sehen. Zur ursprünglich geplanten Jahresausstellung sagt Christian Boros: „Es gibt jetzt doch keinen jährlichen Wechsel, weil ich gemerkt habe, dass wenn ich die Präsentation nach einem Jahr abbaue, sie gerade mal 1.000 Leute gesehen haben. Ich habe aber 400 Emails pro Tag von Leuten, die sie sehen möchten. Das wäre unverantwortlich“ (zit. nach Lapp 2008). In einer öffentlichen Privatsammlung rückt die private Kollektion aus der privaten Geborgenheit in den Rang einer öffentlichen Sammlung. Damit sieht sie sich Vergleichen und Ansprüchen neuer Art gegenüber. Arrangiert ein Sammler Werke seiner Kollektion in Ausstellungen, muss er seine Zusammenstellung auch öffentlich begründen, das Konzept seiner Auswahl und die inhaltlichen Zusammenhänge erklären. „Wer um die Gefahr weiß, sich hierbei leicht Blößen geben zu können, engagiert oft lieber einen Kunsthistoriker oder Kurator, der über Auswahl und Anordnung [...] [seiner, d.V.] Sammlungsstücke entscheidet. Nur wenige trauen sich zu, selbst kuratorisch tätig zu werden oder gar in Texten zu erläutern, was sie zu einem Sammlungs- oder Ausstellungskonzept veranlasst hat“, meint Wolfgang Ullrich (2006b: 19). Ullrich unterstellt den meisten Sammlern nämlich, dass sie sich stärker über die Kategorie des Konsums von Kunst definieren als über ihre produktive Rezeption. „Immerhin finden Kunstsammler Anerkennung allein dafür, dass sie in großem Stil konsumieren“, so Ullrich (2006b: 17). Wer den Wunsch verspürt, „anderen zu zeigen, wie verschiedene künstlerische Positionen zusammenwirken können und was sich an Kunst überhaupt wahrnehmen, wie sich mit ihr umgehen lässt“, der repräsentiert nach Ullrich (2006b:19) den Status eines Kenners. Ein Sammler, der nicht nur konsumiert, sondern sich auch ein öffentliches Geschmacks- und Werturteil zutraut, ist ein „sensibler Rezipient der Kunst“. Als sensible Rezipienten und Arrangeure der Kunst treten drei Sammler dieser Studie auf, da sie die Ausstellungen ihrer Sammlung selbst kuratieren, drei Sammler überlassen ihren Museumsleitern die inhaltliche Zusammenstellung und Gestaltung der Ausstellungen und vier Sammler arbeiten vorrangig mit externen Kuratoren. Margit Biedermann räumt ein: Ich bin kein Museumsprofi, kein gelernter Kurator. Ich kann auch keinen großartigen kunsthistorischen Text für einen Katalog schreiben. Das ist nicht meine Sache. Ich kann meine Empfindungen ausdrücken, die Freude an der Kunst und den
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Künstlern ehrlich zum Ausdruck bringen. Aber den kunsthistorischen Zusammenhang müssen die Fachleute herstellen. Ich finde das schlimm, wenn sich dann Sammler aufspielen und sagen, sie verstehen alles. Da muss man auch schauen, wo seine Grenzen liegen. Neben ihr überlassen auch Sabine Crasemann und Ruth Schmidheiny die Ausgestaltung von Ausstellungen ihren künstlerischen Leitern. Vier Sammler dieser Studie engagieren für ihre Ausstellungen hingegen externe Kuratoren. Karlheinz Essl erklärt das Konzept: Wenn ich eine Ausstellung mache, möchte ich auch den besten und kompetentesten Kurator. Für die Ausstellung über chinesische Kunst hatten wir einen chinesischen Kurator, für die Kunst aus Indien eine indische Kuratorin. Rund zwei Drittel der Ausstellungen werden von Fremdkuratoren geleitet. Gerade eben hatten wir einen Künstler als Kurator [Albert Oehlen, d.V.]. Frieder Burda arbeitet seit der Eröffnung seines Museums mit externen Kuratoren, die teilweise ebenfalls als Berater seiner Sammlung fungieren. Mein Konzept war von Anfang an anders –das ist auch ein Unterschied zu den staatlichen Museen [...], da gibt es eine Leiterin oder einen Leiter, [...] der für alles verantwortlich ist. Auch für Ausstellungen, was zur Folge hat, dass die Handschrift immer die gleiche ist. Ich bin der Meinung, dass ich mit meinen externen Kuratoren sehr viel Glück habe. Man muss jemanden nehmen, der die Kontakte hat. Bei Chagall zum Beispiel: Jean-Louis Prat, er ist ein großer Kenner von Chagall, er sitzt im Komitee, kennt die gesamte Familie par excellence. [...] Dieses Konzept ist natürlich hervorragend. [...] Ich finde, die Handschrift muss sich bei Ausstellungen stets ändern. [...] Und so etwas schafft man nur, wenn man externe Kuratoren hat. Auf die Frage, ob er im Bereich der Ausstellungskonzeption mit externen Fachleuten arbeitet, antwortet Thomas Olbricht: Zum Teil ja. Wir haben einen Chief Curator. In der zweiten Ausstellung hatten wir eine freie Mitarbeit in der Kuratorenschaft. In der nächsten Ausstellung haben wir das auch, aber wir arbeiten da schon mit. Das ist ja eben der Vorteil, dass ich jetzt immer sagen kann „nein, das möchte ich nicht“. Mit seinen Künstlern beschäftigt Christian Boros ebenso externe Kuratoren. Die erste Präsentation seiner Sammlung in seinem Kunstbunker wurde vom Sammler als eine Reihe kleiner Einzelschauen konzipiert. Die Auswahl der Werke wurde von ihm selbst getroffen. Installiert, zum Teil erweitert oder auf die Anforderungen der jeweiligen Räume angepasst, wurden die Arbeiten von den Künstlern persönlich. Christian Boros versteht sich nicht als Kurator, sondern als Gastgeber. „Ich kuratiere nicht, ich hoste“, sagt der Hausherr (zit. nach Lapp 2008). „Es war eine große Frage, mit welchen Arbeiten die Eröffnung des Bunkers stattfinden soll. Ich wählte dann diejenigen aus, die raumbezogen funktionieren. Nachdem ich fünf Jahre lang gegen den Lichtmangel in den verdammten Räumen mit Taschenlampen gekämpft hatte, zeigte ich Arbeiten mit Bezug zum Licht. Ich
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT traf die Auswahl, und die Künstler inszenierten die Räume nach ihren Vorstellungen. Manchmal veränderten sie sogar die Arbeiten“ (Boros 2011).
Erika Hoffmann, Friedrich E. Rentschler und Julia Stoschek kuratieren ihre Sammlungspräsentationen selbst. Erika Hoffmann ist Kunsthistorikerin und betreut die Auswahl und Anordnung der Exponate mit sicherer Hand. Über ihre Sammlung, die sie „mein Stück Abenteuer im Alltag“ nennt, sagt sie: Wenn ich sie nicht kuratierte, wäre sie heute noch eine Ansammlung und keine Sammlung. Friedrich E. Rentschler zeigt in der ersten Präsentation in seinen neuen Ausstellungsräumen eine Auswahl seiner mehr als 40jährigen Sammeltätigkeit. Für den Sammler ist es eine Herausforderung, seine Exponate in einen Dialog untereinander zu setzen und „ein Kaleidoskop an künstlerischen Äußerungen aufzublättern“ (zit. nach Ray 2009). Der Sammler ist ein begeisterter Vermittler seiner Kunst und erläutert die philosophischen Bedeutungen seiner Werke am liebsten selbst. „Es macht mir aber auch Spaß darüber zu reden. Ich erkläre gerne und rede gerne über die Werke, die ich besitze, und die Künstler“ (Rentschler 2008). Für ihre Sammlungspräsentationen lässt sich Julia Stoschek von inhaltlichen Strängen leiten oder spiegelt aktuelle Leitmotive der zeitgenössischen Kunstproduktion wider. Als Privatsammlerin sieht sie den Vorteil, in der Ausstellungsgestaltung „völlig frei agieren zu können“. Das ist, wie schon gesagt, ein großes Glück, dass wir hier Ausstellungen generieren können, nach meinen Vorstellungen und den Vorstellungen der Künstler. [...] Daher bemühen wir uns, einmal im Jahr eine inhaltlich fundierte und gut kuratierte Ausstellung zu zeigen – mit allen Freiheiten die ich dabei habe. Ausstellungen in öffentlichen Privatsammlungen zeichnen sich nicht nur durch persönlich geprägte Sammlungen, sondern auch durch unkonventionelle Präsentationsformen aus, die sich von traditionellen Ausstellungsweisen öffentlicher Museen unterscheiden. So entstehen durch die subjektive und individuelle Auswahl der Kunstwerke und besonderen Präsentationsstile ganz spezielle und private Blicke auf die Kunst. Manche Sammler versuchen, bewusst aus gängigen Museumskonventionen auszubrechen. Beispielsweise zeigt Thomas Olbricht seine sparten- und epochenübergreifende Sammlung gerne in spannungsreichen Gegenüberstellungen. Zeitgenössische Kunstwerke kombiniert er mit Preziosen des 16. bis 18. Jahrhunderts, denn der Sammler scheut keine Überraschungen und Widersprüche. Sein Haus versteht er als einen Raum für Austausch und Auseinandersetzung. Man betritt zuerst ein einladendes Café, hört leise Musik und findet im gesamten Gebäude Verweilmöglichkeiten, die das sinnliche Erleben von Kunst ermöglichen. In einem öffentlichen Haus glaubt man vielleicht immer noch, einem bestimmten Kanon folgen zu müssen und dass Kooperationen von einzelnen Werken nicht möglich sind, weil man denkt, das geht nicht. Es gibt Konventionen, die man meint, einhalten zu müssen. Die gibt es im Übrigen auch bei anderen Sammlern, aber nicht bei mir.
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Auch Christian Boros hat eine Präsentationsform für seine Sammlung gefunden, die sich maßgeblich von musealen Ausstellungsweisen unterscheidet. So bietet allein schon das Gebäude, ein umgebauter Hochbunker, Herausforderungen für die Besucher, denn der Sammler weiß, dass Kunst keine klassischen Räume braucht, um Kraft zu entfalten. [...] Künstler wussten das immer schon, dass es eine große Freude bereitet, Räume zu bespielen, die für eine Kunstpräsentation a priori nicht geeignet scheinen. [...] Daher wollte ich nicht notwendiger Weise eine weiße Halle suchen, einen „richtigen“ Raum finden, sondern ich war auch offen für „falsche“ Räume. Der Bunker ist ein „falscher“ Raum. Julia Stoschek hat im Bereich der Präsentation von Medienkunst in ihrem Düsseldorfer Ausstellungshaus neue Maßstäbe gesetzt. Bekanntermaßen wird in vielen Museen den Besuchern die Freude am Betrachten von Videofilmen durch fehlende Angaben über die Länge der Filme, mangelnde oder spartanische Sitzgelegenheiten und schlecht belüftete Dunkelkammern genommen. „Warum man beim Videokucken [sic] nicht bequem sitzen darf“, ist auch für Walter Grasskamp (2010a: 25), „eines der ungelösten Rätsel zeitgenössischer Kuratiererei“. Julia Stoschek hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Medium Video von den zahlreichen Vorurteilen, die dieser Gattung anhaften, zu befreien: Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass dieses Medium oft schlecht installiert war und die Besucher sich durch Vorhangschleusen durchzwängen oder sich in kleinen Boxen aufhalten mussten. Das war für mich mit ein Anreiz in dieser Richtung etwas besser zu machen. Eine sehr ungewöhnliche Form der Kunstpräsentation findet sich in der Sammlung Hoffmann. Erika Hoffmann richtet ihre Wohn- und Arbeitsräume mit Kunstwerken ihrer Sammlung stets neu ein. Die interessierten Besucher erhalten in geführten Rundgängen Einblick in das private Umfeld der Sammlerin. Der Unterschied zu Ausstellungen in traditionellen Museen ist hier besonders markant. Hier ist die Kunst mit dem Privaten eng verschränkt, hier stehen Möbel, Arbeitsgeräte in den Büros, es liegen Zeitungen herum, häufen sich Papiere und Kataloge. In manchen Räumen sieht man Spuren des täglichen Lebens, und das macht natürlich einen besonders großen Unterschied. Jedenfalls wird mir das von vielen Besuchern mitgeteilt, dass es so ungewohnt sei, etwas zu sehen, das jemand ausgewählt hat, um damit zu leben – die meisten Menschen können sich das gar nicht vorstellen. Aber darum ging es meinem Mann und mir, eine Idee davon zu vermitteln, wie bereichernd und anregend ein Leben mit Kunst sein kann. Während in fünf von zehn Sammlungen die Gestaltung von Ausstellungen ähnlich wie in öffentlichen Museen ist, können die anderen fünf Privatsammlungen mit ungewöhnlichen und originellen Präsentationsformen aufwarten. Bei Erika Hoffmann erhält man Zutritt zu ihren privaten Wohnräumen, bei Christian Boros erlebt man Kunst in einem umgebauten Hochbunker, in der Sammlung FER Collection befindet man sich in einer Art offenen Depotsituation und macht die Bekanntschaft des Sammlers, und bei Julia Stoschek trifft man stets auf neueste Präsentationsformen
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von Medienkunst und kann ohne Aufsicht durch das große Gebäude schlendern. Diese vier Sammler bieten darüber hinaus die Verbindung von Kunstpräsentation mit privatem Wohnbereich in einem Gebäude, wodurch die persönliche Note der Sammlung noch stärker betont wird. Schließlich findet man auch im me Collectors Room Berlin unkonventionelle Zusammenstellungen von Kunst und anderen Gegenständen in einem Haus mit Lounge-Atmosphäre. Aus den obigen Betrachtungen lässt sich zusammenfassend schließen, dass die Konzeption und Präsentation von Ausstellungen im Zentrum des Interesses aller Sammler stehen. In ihren privaten Ausstellungshäusern zeigen sie zwischen ein und zehn Ausstellungen jährlich. Egal ob die Sammler selbst als Kuratoren auftreten, ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter für Projekte verantwortlich zeichnen oder ob sie externe Fachleute engagieren, die Themen ihrer Ausstellungen bestimmen sie vorrangig selbst. Die öffentlichen Privatsammler zielen nicht darauf ab, besonders spektakuläre und aufsehenerregende Themen zu wählen, sondern die Ausstellungssujets werden größtenteils aus der Sammlung heraus entwickelt. Dabei vertreten sie niemals den Anspruch, etwas Allgemeingültiges zu zeigen, sondern das, was sie persönlich bewegt und anrührt. Abgesehen von Thomas Olbrichts Wunderkammer und der JapanSammlung der Langen Foundation, reicht das zeitliche Spektrum der Ausstellungen von der Klassischen Moderne bis zur Kunst der Gegenwart, wobei zeitgenössische Themen überwiegen. Während die Hälfte der Privatsammlungen ähnlich klassische Formen der Kunstpräsentation wie öffentliche Museen anwendet, vermitteln die anderen – oft bedingt durch räumliche Vorgaben – innovative Impulse im Bereich der inszenierten Gestaltung. Eine persönliche und unkonventionelle Darstellung kann für Besucher interessanter und anregender sein als eine Darstellung in kunsthistorischen Kategorien. Mit ihren unterschiedlichen Ausstellungsthemen und speziellen Darbietungen fördern öffentliche Privatsammlungen den Geschmackspluralismus. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Im Bereich „Ausstellen“ wurden die Attraktivität und Anzahl der jährlichen Ausstellungen (EK 9) als Erfolgskriterien öffentlicher Museen verstetigt. Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die Attraktivität der Ausstellungen auch für öffentliche Privatsammlungen erfolgversprechend ist. Denn genau wie jedes öffentliche Museum tritt auch eine Privatsammlung in erster Linie durch ihre Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Die Attraktivität der Ausstellungen, die größtenteils aus den Inhalten der Sammlung entwickelt werden, hängt in öffentlichen Privatsammlungen mit dem subjektiven Blickwinkel der Sammler auf die zeitgenössische Kunst zusammen. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Attraktive Ausstellungsprogramme aus und mit Sammlungsbeständen Während die Attraktivität der Ausstellungen einen Erfolgsfaktor darstellt, kann die Anzahl der Ausstellungen hingegen nicht als Indiz für Erfolg gewertet werden. Als Beispiel sei die Sammlung Boros angeführt, in der seit Juni 2008 die Eröffnungs-
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ausstellung zu sehen ist; dennoch kann die Privatsammlung rund 25.500 Besucher jährlich verzeichnen. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass Gäste, die die Sammlung Boros zum ersten Mal besuchen, vorrangig am „Gesamterlebnis Bunker“ Interesse haben und nicht primär am Thema der Ausstellung. Die Sammlung Boros ist allerdings nur am Wochenende nach Voranmeldung zugänglich, was den Kreis möglicher Besucher einschränkt und die Nachfrage aktiv hält. Die Limitierung verspricht Exklusivität und weckt gerade deshalb Begehrlichkeiten. Ein kürzerer Ausstellungsrhythmus zieht nicht notwendigerweise mehr Publikum an, davon ist ebenfalls HansMichael Herzog überzeugt. Wir hätten auch nicht mehr Besucher, wenn wir mehr Projekte zeigen würden, so der Leiter des Daros Museum Zürich. Als Erfolgsfaktor können dagegen die zum Teil unkonventionellen Ausstellungs- und Präsentationsformen gewertet werden, mit denen Privatsammlungen ihren Besuchern neue Erfahrungsräume jenseits von Museumskonventionen bieten. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Unkonventionelle Ausstellungs- und Präsentationsformen 7.5.5
Vermitteln „Wenn man begeistern will, muss man selbst begeistert sein.“ CHRISTIAN BOROS
Genau wie staatliche Museen machen öffentliche Privatsammlungen ihre Kunstwerke der Öffentlichkeit in unterschiedlichen Ausstellungen zugänglich. Beide leisten darüber hinaus Vermittlungsarbeit und wollen die Rezeption und Interaktion zwischen Kunstwerk und Betrachter fördern. Christian Boros kennt die Wichtigkeit und Bedeutung qualifizierter Vermittlungsarbeit sowie die Konsequenzen, die negative Kunsterfahrungen nach sich ziehen können. Es gibt so viele Schulklassen, denen die Kunst durch Museumsbesuche und langweilige Führungen madig gemacht wurde. Ich hatte das große Glück, einen sehr guten Kunstlehrer zu haben. Ich komme aus einem nicht kunst-affinen Elternhaus und ich hatte einen Vermittler. Mein Kunstlehrer hat mich verrückt gemacht, er hat mich entfacht. Der Wunsch, qualitätvolle Vermittlungsarbeit zu leisten und Menschen für Kunst „zu entfachen“, steht in vielen privaten Einrichtungen an zentraler Stelle. Besonders in jenen öffentlichen Privatsammlungen, die nur mit einer Führung besucht werden können, wird diese Aufgabe ernsthaft und leidenschaftlich betrieben (Sammlung Hoffmann, Sammlung Boros, Sammlung FER Collection). Während die Auswahl und Präsentation der Kunstwerke sowie die Dramaturgie eines Ausstellungsrundgangs die originären Formen der Vermittlung im musealen Kontext darstellen, intensiviert Kunstvermittlung den Dialog zwischen Betrachter und Kunstwerk. Versteht
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man öffentliche Privatsammlungen auch als Orte der Kommunikation, so stehen die vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und Exponaten in deren Zentrum. Vermittlungsarbeit stellt gleichsam die Brücke zwischen ihnen her. Erika Hoffmann nennt die Kunstvermittlung als wichtigste Aufgabe ihrer öffentlichen Privatsammlung. In kleinen Gruppen werden die Besucher durch die privaten Wohnräume geführt. „Hierbei versteht sich der Begleiter eher als Moderator denn als Dozent, um eher Gespräche anzuregen als kunsthistorische Abhandlungen darzubieten. Geht es hier doch nicht um eine didaktisch ausgerichtete Ausstellung, sondern um eine subjektive Auswahl von Kunstwerken und das Angebot einer persönlichen Begegnung mit ihnen. Diese kann im privaten Ambiente unmittelbarer sein als in einem Museum, wo Etiketten, die auf Namen des Künstlers, Titel oder Entstehungsjahr hinweisen, manchmal mehr Aufmerksamkeit fordern als die Werke selber.“1 Kunstwerke bieten für Erika Hoffmann die Möglichkeit, sich mit ästhetisch vermittelten Gedankenwelten auseinander zu setzen. Die Sammlerin will in der Begegnung mit Kunst Neues entdecken und sie ist daran interessiert, was andere darüber denken. Unser Konzept für die Rundgänge hier im Haus ist, dass man gemeinsam etwas sieht und sich darüber austauscht, was die Begegnung mit Kunst für jeden individuell bedeutet. Der Besucher kann selbstverständlich alles fragen, was man an sachlicher Information benötigt, aber die eigene Betrachtungsweise und das Sprechen darüber sind uns wichtig. Und die sind sehr verschieden, je nach Gruppe unterschiedlich, abhängig von Sprache und Herkunft. Es ist außerordentlich interessant. Wer die Sammlung Hoffmann sehen will, muss sich für eine Führung anmelden, die stets an Samstagen zwischen 11 und 16 Uhr abgehalten werden. Erika Hoffmann ist nicht an der Quantität der Besucher interessiert, sondern an der Qualität. Da es ihr um die individuelle Auseinandersetzung mit Kunst geht, möchte sie vorrangig kunstinteressierte Menschen ansprechen. Wir versuchen, die Vermittlung zu einer Erfahrung zu machen, die sich nicht nur in Daten und Wissen um Tendenzen erschöpft, sondern wirklich zu einem Erlebnis wird. Mir persönlich macht das große Freude. Auch für Friedrich E. Rentschler hat die Kunstkenntnis und die Neugier seiner Besucher hohe Bedeutung. Der Sammler führt wöchentlich drei Besuchergruppen persönlich durch seine Sammlung. Wir haben mit unserer Sammlung ein Konzept gewählt, das unserer Art entspricht. Unsere Gäste erleben durch die Sammlung und die persönliche Führung einen Einblick in die Privatsphäre des Sammlers. Deshalb legen wir Wert nicht nur auf die Kunstkenntnis, sondern auch auf das Niveau der Besucher.
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Zit. nach http://www.sammlung-hoffmann.de/index.php?/site/konzept/de/ (27.12.2010).
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Besucher von öffentlichen Privatsammlungen sind auch an der Person des Sammlers interessiert. In der Sammlung FER Collection kommt das Publikum in den besonderen Genuss, vom Hausherrn persönlich durch seine Sammlung geführt zu werden. Das Sprechen über Kunst, das Aufzeigen von Querverbindungen und philosophische sowie historische Hintergründe zu erklären, macht dem Sammler „großen Spaß“. Er betont allerdings: Bei mir muss sich das Publikum „auf etwas gefasst machen“. Bei mir ist es mehr Anregung der Phantasie als optischer Genuss. Anregung der Phantasie halte ich für wichtig, weil das die Grundlage der Kreativität ist. Und Kreativität brauchen wir in unserer immer komplexeren Welt ganz besonders. Maria Schlumberger, die gemeinsam mit Friedrich E. Rentschler, die Sammlung betreut, weist darauf hin, dass die authentischen Erfahrungen des Sammlers bei Besuchern großen Anklang finden. Ich habe das Gefühl, dass in unserer Sammlung die Besucher an einer Führung von Friedrich E. Rentschler wesentlich größeres Interesse haben als an einer Führung durch einen Kunsthistoriker. Denn der Sammler vermittelt aus seiner eigenen Perspektive und vielleicht für den Laien verständlicher als ein Kunsthistoriker. Friedrich E. Rentschler hat nicht nur ein Gespür für künstlerisches Potenzial, wie seine qualitätvolle Sammlung eindrucksvoll beweist, sondern er ist auch ein begnadeter Kunstvermittler, der seinen Besuchern die Vielschichtigkeit seiner Objekte auf unterschiedliche Weise erfahrbar macht. Seine Kunstwerke sollen als Schlüssel verstanden werden, „die Welt frei und mit offenen Augen zu betrachten. Es ist wichtig, dass wir uns wappnen gegen festgefahrene Ideologien", so der Sammler (zit. nach Ray 2009). Leben und Diskussion in die Auseinandersetzung mit Kunst zu bringen, ist das, was mir Spaß macht. [...] Genau das ist es, was ich mit meinen Führungen bewirken möchte, dass die Menschen Spaß daran finden, sich in die Geschichte und die Werke zu vertiefen. Das Besondere an musealer Kunstvermittlung ist die Auseinandersetzung mit dem authentischen und originalen Objekt. Das Objekt selbst kann die Vorstellungskraft anregen und das Sinnesbewusstsein fördern. Darüber hinaus können unterschiedliche Formen der Kunstvermittlung wertvolle Zusammenhänge erklären, die eine Rezeption erleichtern. Für Besucher können Hintergrundinformationen wie der Kontext der Entstehung des Werks, seine kunsthistorische Einbettung oder formal-ästhetische Merkmale helfen, Zugänge zu einem Werk zu finden. Diese Zugänge will auch Christian Boros mit seinen Führungen vermitteln. Genau wie in den Sammlungen Hoffmann und FER Collection ist auch in der Sammlung Boros für den Besuch eine Anmeldung notwendig. In Gruppen von zwölf Personen wird man durch das weitläufige Areal des Bunkers geführt. Christian Boros sagt: Wir betreiben keine bloße Zurschaustellung von dem, was wir besitzen. Wir wollen anstecken!
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„Was mir gefällt oder bedeutsam erscheint, will ich nicht für mich behalten“, so der Sammler. „Dieses Sendungsbewusstsein habe ich auch beruflich. Wenn ich etwas für richtig halte, neige ich dazu, die anderen zu missionieren, und möchte sie vom richtigen Weg überzeugen. Die Veröffentlichung meiner Sammlung und das Senden haben bei mir oberste Priorität“ (Boros 2011). Während die Sammlungen Hoffmann, FER Collection und Boros nur mit einem geführten Rundgang besucht werden können, stehen die anderen sieben Privatsammlungen dem Publikum ohne Anmeldung zu festgelegten Zeiten offen. Außer der Julia Stoschek Collection, die nur samstags besucht werden kann, bieten alle anderen Sammlungen ähnliche Öffnungszeiten wie staatliche Museen. Besucher können in diesen privaten Einrichtungen die Kunstwerke individuell betrachten oder an einem Programm im Rahmen der Kunstvermittlung teilnehmen. Qualitätvolle Bildungs- und Vermittlungsarbeit bedient sich einer Vielfalt von Methoden, um die Begegnung mit den originalen Kunstwerken und Ausstellungsinhalten zu erleichtern. Sie aktiviert und fördert damit die Erkenntnis- und Wahrnehmungsmöglichkeiten des Publikums. Trotz vielfältiger Neuerungen im Bereich der Informationsmedien, die Besucher in Ausstellungen individuell steuern können, wie Audioführungen oder Multimedia-Guides, überwiegt in den öffentlichen Privatsammlungen das personale Führungsangebot. Die direkte Kommunikation mit den Besuchern, bei der auf Fragen spontan reagiert wird und Diskussionen angeregt werden können, erachten die privaten Sammlungen als adäquate Form der Vermittlung. Sieben öffentliche Privatsammlungen bieten regelmäßige Führungstermine, an denen die Besucher teilweise kostenlos teilnehmen können. Im Essl Museum gibt es mittwochs um 19 Uhr und sonntags um 11, 13, und 15 Uhr jeweils eine Überblicksführung durch seine aktuellen Ausstellungen. Fixe Workshop-Angebote finden zweimal in der Woche statt. Das Essl Museum hat seit seiner Gründung im Jahr 1999 im Bereich der Kunstvermittlung eine Vorreiterrolle eingenommen. Der Stellenwert der Publikumsangebote ist im Essl Museum bedeutend höher als in anderen vergleichbaren sowohl öffentlichen als auch privaten Häusern. Karlheinz Essl kommentiert: Wir engagieren uns sehr stark im Bereich Kunstvermittlung. Sieben festangestellte Kunstvermittler belegen diese Wichtigkeit. Wir haben jeden Tag rund fünf unterschiedliche Programmangebote im Bereich der Kunstvermittlung. [...] Das, was wir machen, ist absolut mit dem Auftrag eines öffentlichen Museums zu vergleichen. Eine spezifische Methodik der Vermittlung im Essl Museum ist die Kombination von Gesprächen vor Originalen und dem Ausloten der eigenen Kreativität im Atelier des Museums. Neben den Aktivitäten der Kunstvermittlung finden auch regelmäßig musikalische Performances und Konzertaufführungen statt. Ein ebenso umfangreiches und fundiertes Vermittlungsangebot bietet das Daros Museum Zürich, dessen Ziel es ist, das Verständnis für Gegenwartskunst nachhaltig zu fördern. In einem aktiven Zusammenspiel von sinnlicher Wahrnehmung, kreativem Dialog und praktischem Tun erhält das Publikum Einblicke in künstlerische Ar-
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beitsprozesse, komplexe Zusammenhänge und das Potenzial von zeitgenössischer Kunst. Öffentliche Führungen finden jeweils donnerstags um 18.30 Uhr statt. An Sonntagen werden darüber hinaus Familienführungen angeboten. Hans-Michael Herzog ist überzeugt: Wir sind dann erfolgreich, wenn es sich per Mundpropaganda bei Leuten, die ein gewisses Niveau haben, positiv herumspricht, was wir hier tun. [...] In Zukunft [nach dem Umbau, d.V.] werden wir mehr Führungen anbieten und Blicke hinter die Kulissen gewähren. Anstatt pseudoakademischer, langweiliger Vorträge soll es mehr Einblicke in unsere Arbeit geben. Oberstes Ziel von Museumsgründer Frieder Burda ist es, durch sinnvolle Begleitung des Ausstellungsprogramms möglichst viele Menschen an die Kunst heranzuführen. Das Museum Frieder Burda bietet mittwochs um 16 Uhr und am Wochenende jeweils um 11 und 15 Uhr öffentliche Führungen für Erwachsene an, am ersten Sonntag im Monat steht die Architektur im Zentrum der Kunstbetrachtung. In der Langen Foundation kann man jeweils am ersten Sonntag im Monat an einer öffentlichen Führung teilnehmen. Sabine Crasemann erklärt: Bei uns sind die Führungen ja auch speziell, weil sie nicht von Kunsthistorikern durchgeführt werden, sondern von Künstlern. Im Medienmuseum von Julia Stoschek wird Kunstvermittlung ebenfalls ernst genommen. Im zweiwöchigen Rhythmus finden samstags jeweils um 11 und 14 Uhr Rundgänge durch die Ausstellungen statt. Julia Stoschek sagt: Was mir aus der Sicht der Kunstvermittlung wichtig ist, den Besuchern nahe zu bringen, dass Medienkunst nicht lang, langweilig und immer dunkel sein muss – nur um drei verallgemeinernde Überbegriffe zu nennen. Sondern dass das ein tolles und ästhetisches Medium ist, das tief berühren kann und sehr emotional sein kann. Ein differenziertes Veranstaltungsangebot schafft Anlässe zum Wiederbesuch einer Ausstellung, darauf wird in der Julia Stoschek Collection geachtet. Wir achten vor allem auch darauf, dass die Gruppen klein sind, und wir bieten thematische Schwerpunkt-Führungen an. Da greift man sich dann Arbeiten heraus, die vom Sound her vielleicht etwas ruhiger sind und Gespräche ermöglichen. Die Themenführungen entsprechen auch unserem Wunsch, „Wiederholungstäter“ zu generieren. Also die Besucher zu animieren, nochmals zu kommen. Mein Wunsch wäre schon, dass Besucher an einer Führung teilnehmen und dann so begeistert sind, dass sie nochmals kommen. Zeitgenössische Kunst braucht ein aufgeschlossenes Publikum. Margit Biedermann zeigt in Donaueschingen unterschiedliche Aspekte ihrer Sammlung und bietet jeden Sonntag um 15 Uhr eine öffentliche Führung an. Bei uns gibt es Künstlergespräche, wir haben Performances, wir haben anspruchsvolle Programme. Wir haben das Glück, dass wir in Donaueschingen ein sehr aufgeschlossenes Publikum haben. [...] Das Publikum ist bereit, sich auf die Moderne einzulassen. In anderen Städten ist das ganz anders, da gibt es nur ne-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT gative Kritik und den Neidfaktor. In Donaueschingen ist man bereit, sich für Neues zu öffnen. Das finde ich phantastisch, und damit kann man umgehen.
Die Sammlerin weiß, dass Kunstvermittlung helfen kann, komplexe künstlerische Inhalte besser zu verstehen und erfahrbar zu machen. Wenn die Menschen die Kunst verstehen, sind sie auch immer positiver gestimmt, als wenn sie Werke sehen, die nicht verstanden werden. Das wirkt sich meist negativ aus. Und für dieses Verständnis bieten wir Führungen und Kunstvermittlung – das ist uns auch ein Anliegen. Im me Collectors Room Berlin will Thomas Olbricht Hemmschwellen gegenüber der Kunst abbauen und seine Sammlung einem möglichst großen Publikum zugänglich machen. „Ich frage mich auch, wie Kunst anders als bisher und ohne einen zu hohen intellektuellen Anspruch den Menschen nähergebracht werden kann. [...] Es wäre mein oberstes Ziel, die Begeisterung einem noch größeren Kreis zu öffnen. Doch wird meine Lebenszeit kaum ausreichen, um dies zu erreichen. Ich möchte jedoch zumindest ausprobieren, ob es im Ansatz überhaupt funktioniert“ (Olbricht 2011). Thomas Olbricht ist überzeugt, dass sich unsere Betrachtungsweise und das Umfeld, in dem wir Kunst präsentieren, verändern müssen. Seinen me Collectors Room Berlin hat er als einen Ort für Austausch und Erfahrungen konzipiert, der sowohl zur direkten Auseinandersetzung mit Kunstwerken einlädt, aber auch flexible Freiräume für Besucher bietet. Seinen privaten Kunstraum versteht der Sammler als Gegenposition zum Museum im Elfenbeinturm. Hier sollen nicht Ehrfurcht und andächtige Stille die Atmosphäre prägen, sondern aktive Teilhabe, erlebnisreiche Erfahrungen sowie kulturelles und kulinarisches Vergnügen. Thomas Olbricht geht es dabei nicht vorrangig um emotionale Kundenbindung und nachhaltige Erinnerungswirkung im Sinne eines strategischen Besuchermanagements, sondern um die Schaffung eines ungewöhnliches Ortes für seine Kunstpräsentation. „Die Generationen nach uns, unsere Kinder, sind mit der ganzen Welt via Internet verbunden. Warum sollten sie eine Galerie betreten? Nur, um ein Bild zu sehen? Da muss mehr dazukommen. Deswegen sehe ich die Chance und den Vorteil einer Privatsammlung gegenüber einem Museum in der Laborsituation. Anders als die Museen mit ihrem herkömmlichen Lehrauftrag kann ich mir etwas Unkonventionelles erlauben, sogar auf die Gefahr hin, dass Kunst zu Schaden kommt oder mein Ansatz nicht von allen verstanden wird“ (Olbricht 2011). Im Bereich der Kunstvermittlung bewegt sich der me Collectors Room allerdings noch in herkömmlichen Strukturen. Jeden Samstag kann man um 15 Uhr an einer öffentlichen Führung teilnehmen, die von einer externen Agentur organisiert wird. Nur wenn der Sammler selber durch sein Haus führt, sind neue Erlebnisse garantiert. Auf die Frage, welche der musealen Kernaufgaben im me Collectors Room den höchsten Stellenwert haben, antwortet der Sammler:
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Kunstvermittlung auf jeden Fall, also Kunst gedanklich vermitteln und durch Sehen und Auseinandersetzung. Aber nicht in der Form von Lehren, die Besucher müssen sich selber damit auseinander setzen. [...] Wenn ich durch das Haus führe, gestalte ich die Rundgänge [...] als Entdeckungsreise. Das macht mir Freude und ich spüre, wie die Besucher die Kunst plötzlich anders sehen können. Ob das die richtige Form des Sehens und des Vermitteln ist, weiß ich nicht. Es ist meine Art, ich will ja keine formalen Probleme erklären. Im Sinne einer nachhaltigen Besucherentwicklung und der Überzeugung, dass Kinder so früh wie möglich an die Kunst herangeführt werden sollen, investieren sieben öffentliche Privatsammler in das junge Publikum. Mit vielgestaltigen Kreativprogrammen und Familienangeboten, bei denen Kinder selber entdecken, erforschen und gestalten können, wollen die privaten Einrichtungen anregende Kunsterlebnisse bieten. Frieder Burda hat bereits vor seiner Museumsgründung eine Kinderkunstwerkstatt in Baden-Baden ins Leben gerufen, in der das schöpferische Potenzial von Kindern gefördert und erweitert werden soll. Die kreative Werkstattarbeit wird seit der Museumseröffnung durch das Erleben der Kunstwerke im Museum Frieder Burda ergänzt. Christian Boros und Thomas Olbricht engagieren sich gleichfalls im Bereich der Kinder und Jugendvermittlung. Wir haben ein Kinder- und Jugendprogramm gestartet und wir haben eine Schulpatenschaft übernommen. [...] Ich weiß, dass Kunst einem nicht zufliegt, sondern nur gut vermittelt rezipiert werden kann. Diese Aufgabe übernehme ich erzieherisch nicht nur für meine zwei Kinder, sondern ich übernehme diese Aufgabe auch für andere Kinder, wenn deren Eltern sich dafür vielleicht nicht interessieren oder diese Begeisterung und Leidenschaft nicht wecken können. Ich hatte das große Glück, dass mich fremde Menschen „haben brennen lassen“ und das muss ich zurückgeben, sagt Christian Boros. Aber natürlich haben wir ein Kinderprogramm in Verbindung mit einer Leipziger Stiftung. Das sehe ich als Aufgabe, da kann man ernsthaft aber spielerisch Zugänge zur Kunst schaffen. Dazu bietet sich unser Haus mit all seinen alten Objekten an. Die Kinder können bei uns Bernstein und Elfenbein anfassen. Da gibt es seltene ausgestopfte Tiere zu sehen – das ist für Kinder etwas ganz Besonderes. Wichtig ist, dass die Kinder etwas entdecken können, bei uns gibt es daher eine Schnitzeljagd durch das Haus, so Thomas Olbricht. Die Sammlungen Hoffmann, FER Collection und Julia Stoschek Collection bieten keine Kinderprogramme, da die intellektuelle Auseinandersetzung mit den Werken der Sammlung im Zentrum ihres Interesses steht. Wir haben auch überlegt, in der Julia Stoschek Collection Kinderführungen anzubieten, aber festgestellt, dass es für viele Altersgruppen einfach zu schwierig ist, so Monika Lahrkamp, Pressereferentin. Die vielfältigen Aufgaben der musealen Bildungs- und Vermittlungsarbeit stellen hohe Anforderungen an die Mitarbeiter. Neben dem entsprechenden Fachwissen soll-
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ten Kunstvermittler über eine hohe kommunikative Begabung verfügen und die Fähigkeiten besitzen, auf unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen der Besucher eingehen zu können. Heterogene Lebenswelten der Menschen und ihre unterschiedliche Sozialisierung erfordern darüber hinaus verschiedene Herangehensweisen in der Art der Vermittlung wie auch in der Wahl der Sprache. Das Essl Museum, das Daros Museum Zürich (Daros Art Education) und der me Collectors Room Berlin beschäftigen festangestellte Kunstvermittler, alle anderen Sammlungen arbeiten ausschließlich mit freien Mitarbeitern. In der Regel haben die Mitarbeiter der Kunstvermittlung den längsten Kontakt zu den Besuchern. Ihre kommunikativen und sozialen Kompetenzen und die Qualität ihrer Vermittlungsarbeit haben daher maßgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung und Zufriedenheit mit einem Ausstellungsbesuch. Auf die Frage, nach welchen Kriterien Mitarbeiter für den Bereich Kunstvermittlung ausgewählt werden, antwortet Christian Boros: Ich suche meine Mitarbeiter nach ihrer Begeisterungsfähigkeit aus, nicht nach Noten, nicht nach Wissen, sondern nach ihrem Enthusiasmus für die Kunst. Vermittlung ist eine große Gabe. Das kann nicht jeder. Es gibt sehr viele kluge Menschen, die sehr viel wissen, aber ihre Kenntnisse anderen nicht vermitteln können. Vermitteln bedeutet für mich begeistern können. [...] Zu meinen Mitarbeitern sage ich immer, „eure Augen müssen funkeln, wenn ihr wollt, dass sich andere Menschen für die Kunst interessieren, denn ist es nicht nur das Kunstwerk, das strahlen muss, sondern auch ihr müsst strahlen.“ [...] Ich lehre jungen Menschen, was sie vielleicht später in ihren Berufen als Galeristen, Kuratoren der Journalisten brauchen werden, nämlich Begeisterung. Dass Sie andere Menschen anstecken und Feuer entfachen können. Der Deutsche Museumsbund bezeichnet den Bildungsauftrag als zukunftsweisende Aufgabe der Museen. Die Frage, ob die Sammler ihre privaten Kunsträume als Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft verstehen, wird größtenteils positiv beantwortet. Friedrich E. Rentschler erklärt: Ja, auf jeden Fall. Die Anregung von Phantasie und damit von Kreativität ist mir wichtig. Ich habe viele Arbeiten, die als Zitate aus der Kunstgeschichte zu verstehen sind. Damit schärft man ein Geschichtsbewusstsein und ein Bewusstsein über unsere kulturellen Wurzeln. [...] Mir ist wesentlich wichtiger, eine Sammlung zu haben, die diese Dinge in das Bewusstsein bringt. Namen sind nur Schall und Rauch. „Unbedingt“ sagt Hans-Michael Herzog: Bildung entsteht ja nicht nur in der oralen und schriftlichen Vermittlung, sondern auch durch das Zeigen von Ausstellungen und in der Dramaturgie der Präsentation und der spezifischen Auswahl der Kunstwerke. Mein Credo als Kurator war immer, dass niemand meine Ausstellung so verlassen sollte, wie er sie betreten hat. Irgendetwas sollte im Kopf, im Bauch, in der Seele passieren, irgendein Virus sollte hineinschlüpfen, damit diese Person infiziert wird. Bildung ist Auseinandersetzung, Wahrnehmung, Perzeption meiner Umwelt auf einem ganz spezifischen Sektor, nämlich der Kunst.
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Auch Erika Hoffmann versteht ihre Sammlung als Bildungseinrichtung, denn viele unserer Besucher sind sehr glücklich und erfreut, dass sie über zeitgenössische Kunst, mit der sie sich sonst wenig anfreunden können oder von der sie sich auf den Arm genommen fühlen, einigen Aufschluss bekommen und vielleicht auch etwas gesehen haben, das nachwirkt. Es ist mir wichtig, dass das weiterhin so bleibt. Julia Stoschek meint: Ich verstehe es nicht so, aber ich arbeite daran. Ich sehe es schon als Aufgabe, eine gewisse Kunst- und Kulturvermittlung in diesem Haus zu leisten, aber nochmals, das kann nicht den Anspruch einer öffentlichen Institution haben. Das ist und bleibt ein Privathaus, und wir nehmen das Thema Vermittlung ernst. Aber den Anspruch, den ein öffentliches Haus hat, den können und wollen wir nicht erfüllen. „So hoch möchte ich gar nicht greifen“, entgegnet Thomas Olbricht. Unser Haus gibt es ja erst seit einem dreiviertel Jahr. Aber wenn sich das mit dem Kinderprogramm weiter durchsetzt und sich herumspricht, dann würde ich mir anmaßen zu sagen, ja, wir sind eine Bildungseinrichtung. Für die Erwachsenen möchte ich gerne in Zukunft ein Musikprogramm anbieten, aber das ist natürlich eine Investition. Also zu jeder Ausstellung sollten ein oder zwei Konzerte stattfinden. Nicht nur Klassik, sondern Musik, die zu den Themen der Ausstellung passt. Wenn ich in Zukunft weniger Kunst ankaufe, gibt es dafür auch ein Budget. Auch Karlheinz und Agnes Essl verstehen ihr Essl Museum als Bildungseinrichtung. Die umfangreichen Aktivitäten seiner Stiftung beschreibt Karlheinz Essl wie folgt: Wir engagieren uns in zwei Programmen: 1. Das soziale Engagement: Wir haben ein Humanprogramm, in dem wir behinderte Menschen in unseren Märkten und auch in unseren Zentralen beschäftigen. Jeder unserer 150 Märkte in 9 Ländern (Österreich und Osteuropa) beschäftigt Behinderte. Wir machen auch mit behinderten Menschen Kunstprojekte. 2. Das Engagement für die Kunst: Kunst ist ein sehr wichtiger Teil unserer menschlichen Existenz, das sind unsere Wurzeln, wo alles herkommt. Wenn man nicht verhaftet ist, im Spirituellen, im Religiösen, im Künstlerischen, dann verliert man die Verankerung. Wir versuchen, mit den bescheidenen Mitteln, die wir haben, zu sammeln, aber eben mit der ganzen Begeisterung und Emotion privater Sammler – ich glaube, dass die Menschen das spüren und wir viel zurückbekommen. Zusammenfassend lässt sich aus den Ausführungen resümieren, dass alle öffentlichen Privatsammlungen der Kunstvermittlung großen Wert beimessen. Die Sammler möchten die Freude und Bereicherung, die sie in der Auseinandersetzung mit Kunst erfahren, mit einem interessierten Publikum teilen. In sämtlichen Einrichtungen überwiegen personale Führungsangebote, denn im Sprechen über Kunst sehen die Sammler das größte Potenzial und eine adäquate Methode der Vermittlung. Während drei Sammlungen nur mit einer obligatorischen Führung besucht werden können,
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bieten alle anderen privaten Kunstdomizile freien Zugang und eine Vielzahl von Programmangeboten, bei denen die Besucher über sprachliche oder kreative Formen der Vermittlung Informationen und Zugang zu den ausgestellten Werken erhalten können. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen Im Bereich „Vermitteln“ wurden ein klares Bekenntnis zu Kunstvermittlung und visueller Bildung (EK 10) und die Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote (EK 11) als Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen benannt. Die Darstellung hat gezeigt, dass sich alle Privatsammlungen in der Kunstvermittlung engagieren, obwohl kein öffentlicher Auftrag sie dazu verpflichtet. Ihre privaten Kunsträume verstehen sie daher auch als Bildungseinrichtungen für die Gesellschaft. Wie die bisherige Darstellung der Privatsammlungen gezeigt hat, lassen sich im Untersuchungsfeld zwei programmatische Strategien unterscheiden, die eine Differenzierung der Erfolgsfaktoren im Bereich Kunstvermittlung verlangen. Für die erste Gruppe, die von ihrem institutionellen Charakter her mit öffentlichen Museen vergleichbar ist, kann – analog zu den staatlichen Einrichtungen – ein vielfältiges und diversifiziertes Programm als Erfolgsfaktor gewertet werden. Bei der zweiten Gruppe, die ihren nicht-öffentlichen Charakter betont, scheint hingegen nicht die Fülle der Angebote maßgebend zu sein, sondern die persönlichen und privaten Vermittlungsformen, die sich von traditionellen Vermittlungsmethoden öffentlicher Museen unterscheiden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Persönliche und private Formen der Kunstvermittlung
Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote
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M ANAGEMENT „Es gibt nicht nur die kunsthistorische Seite, ein Museum ist auch ein Wirtschaftsbetrieb.“ KARLHEINZ ESSL
„Erfolgreiches Unternehmertum ist häufig die Voraussetzung für das Sammeln“, sagt Friedrich E. Rentschler und rekurriert damit auf die finanzielle Grundlage, die für den Aufbau einer internationalen Sammlung und die Gründung eines privat getragenen Ausstellungshauses erforderlich sind. Ähnlich wie die Unternehmen der Sammler nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit organisiert sind, so bestimmen ökonomisches Denken und Handeln die Strukturen und Arbeitsabläufe in ihren privaten Kunstinitiativen. Das Management orientiert sich an Strategien und Instrumenten der Betriebswirtschaft und passt diese den spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen der privaten Einrichtung an. Management und Betriebswirtschaft haben bei uns „absolute Bedeutung“, erklärt Karlheinz Essl. Wir führen das Museum wie ein gut geführtes Unternehmen. Es gibt Kostenpläne, Budgetierung. Wir sind sehr sparsam mit dem Geld. Es muss alles gut organisiert sein und hochprofessionell gemacht werden. [...] Heute muss ein Museum so geführt werden. Es gibt nicht nur die kunsthistorische Seite, ein Museum ist auch ein Wirtschaftsbetrieb. Ganz ähnlich betrachtet Frieder Burda strategische Planung und betriebswirtschaftliche Elemente als Basis der Organisationskultur von Privatmuseen. „Auch ein Museum ist ein Unternehmen, das funktionieren muss und in dem es neben dem professionellen Ausstellungsmachen vor allem auf Organisation, wirtschaftliche Planung und Machbarkeit ankommt“ (zit. nach Adriani 2009: 18). Margit Biedermann verweist auf den Unternehmergeist, der auch in ihrem Kunstengagement zum Tragen kommt: Wir sind mit Begeisterung bei der Sache. Wir lieben das, was wir arbeiten. Genau so machen wir das mit der Kunst. Ich denke, dass die Privatleute und Unternehmer vielleicht mehr Wert darauf legen, wie ein Museum geführt wird. In öffentlichen Museen ist oft der wirtschaftliche Faktor nicht so wichtig. Jeder hat Freiheiten und kann sich verwirklichen. Wenn ein Museum wirtschaftlich geführt wird, dann hat man auch die Chance, es länger am Leben zu erhalten. Julia Stoschek sagt: Ich bin sehr froh, dass ich Betriebswirtschaft studiert habe, denn Management und Betriebswirtschaft sind ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit in diesem Haus. Einer muss es führen und leiten. Unter finanziellen Gesichtspunkten betrachtet – mit dem Haus verdienen wir natürlich nichts – generieren wir keinen monetären Wert, aber – und ich denke, das sagen zu können – wir generieren einen kulturellen Mehrwert, und das ist ja auch etwas sehr Wichtiges. Daher bin ich schon froh, dass ich das gelernt habe, denn es ist mit Sicherheit hilfreich für
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT so eine Organisation. Denn das Haus wächst, es gibt Mitarbeiter und man braucht Strukturen.
Auf die Frage, ob Julia Stoschek sich als geschäftsführende Direktorin versteht, antwortet sie: Nein, ich bin die Chefin, ganz einfach. Es gibt keinen Titel, weder einen Doktortitel noch einen Direktorentitel. Ich bin die Leiterin des Hauses, auf Amtsbezeichnungen legen wir hier keinen Wert. Die Äußerungen der Sammler bestätigen den Wert und die Bedeutung von Management und wirtschaftlicher Betriebsführung. Unternehmerisches Denken liegt allen Handlungsrichtlinien zugrunde und bestimmt das Aktionsfeld der Mitarbeiter. In den privaten Kunsthäusern wird nicht nur auf professionelle Ausstellungsgestaltung Wert gelegt, sondern auch auf die Entwicklung von zielgerichteten Strategien für die Organisation und partizipativen Strukturen für Mitarbeiter. Da die Führung einer öffentlichen Privatsammlung keinen wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringt, sehen die Sammler in einem ökonomischen Management und dem sparsamen Einsatz ihrer Ressourcen gleichfalls die Chance einer langfristigen und stabilen Finanzierung ihrer Sammlungen. 40 % der untersuchten privaten Einrichtungen – Essl Museum, Sammlung Boros, Julia Stoschek Collection, Sammlung FER Collection – werden von den Sammlern selbst geführt. Zwei private Museen beschäftigen einen Kulturmanager als Leiter (Museum Frieder Burda, me Collectors Room Berlin). Dem Daros Museum Zürich, dem Museum Biedermann und der Sammlung Hoffmann stehen Fachwissenschaftler vor, und die Langen Foundation arbeitet mit einer gleichberechtigten Doppelspitze aus künstlerischer und kaufmännischer Leitung. Auch in der deutschsprachigen Museumsszene verstärkt sich tendenziell die Auffassung, dass ein Museumsdirektor heutzutage über Managementkenntnisse verfügen muss. Katharina von Chlebowski (2008: 149) hat eine Studie zur Branchenkultur der Kunstmuseen in Deutschland durchgeführt und dabei potenzielle Qualifikationen eines Museumsdirektors abgefragt. Aus den Ergebnissen wird ersichtlich, dass Museen in privater Trägerschaft bei der Beurteilung der Eigenschaften eines Museumsdirektors andere Prioritäten setzen als öffentlich geführte Institutionen. Museen in privater Trägerschaft stufen „visionäre Fähigkeiten und strategisches Denken“, „ausgeprägte Fähigkeiten der Mitarbeiterführung und -motivation“ sowie „sehr gute Kenntnisse des Kunstmarkts“ als besonders wichtig ein. Bei öffentlich getragenen Museen werden hingegen „sehr gute kunsthistorische Kenntnisse“ an erster Stelle genannt, danach folgen „ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten“ und „ausgeprägte Fähigkeiten der Mitarbeiterführung und -motivation“. Die Studie von Katharina von Chlebowski zeigt, dass öffentliche Kunstmuseen einen höheren Stellenwert auf eine 1 kunsthistorische Eignung als auf Managementkenntnisse legen. Vergleicht man die-
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Auch Dauschek (2001: 229) führt an, dass sich das Aufgabenfeld der Museumsdirektoren von der Fachwissenschaft entfernt hat und die „Museumsleiter vielmehr Manager eines komplexen Unternehmens mit vielen unterschiedlichen Aufgaben“ sind. Auch wenn viele öffentliche Museen in einer selbständigen Rechtsform heute über eine künstlerische und
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se Ergebnisse mit den Managementqualifikationen der Sammler und Leiter der privaten Einrichtungen der vorliegenden Studie, so zeigt sich eine hohe Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Museen in privater Trägerschaft. Vier Privatsammler führen ihre öffentlichen Sammlungen selbst. Sie verfügen als erfolgreiche Unternehmer über visionäre Fähigkeiten und strategisches Denken, haben hinlänglich Erfahrung in der Mitarbeiterführung und als passionierte Sammler erstklassige Kenntnisse des Kunstmarkts und ihres Sammelgebietes. Bis auf Erika Hoffmann hat keiner der Sammler eine kunsthistorische Ausbildung genossen, alle haben sich aber im Laufe ihrer langjährigen Sammeltätigkeit ein umfangreiches Wissen in diesem Bereich angeeignet. Auch die beiden Kulturmanager haben fachwissenschaftliche Studien (Archäologie, Kunstgeschichte) absolviert. Zwei Sammlungen werden von Kunsthistorikern, eine von einer Kunstwissenschaftlerin geführt, und ein Haus verfügt über eine kaufmännische und künstlerische Leitung. Daraus ergibt sich, dass 70% der untersuchten Privatsammlungen von Managern geführt werden, und drei Häusern ein Geisteswissenschaftler vorsteht. Diese Relation zeigt deutlich, dass die privaten Sammler die Führung ihrer öffentlichen Kunsträume als komplexe Aufgabe verstehen, die neben dem Fachwissen auch Kenntnisse der wirtschaftlichen Betriebsführung und des Managements verlangt. Das bedeutet aber nicht, dass die fachwissenschaftliche Kompetenz in den öffentlichen Privatsammlungen zu kurz kommt. Bis auf die Sammlung FER Collection, die vom Sammler und seiner Frau allein geführt wird, beschäftigen alle Einrichtungen Kunsthistoriker oder Mitarbeiter des jeweiligen sammlungsrelevanten Wissenschaftsgebietes (vgl. Kapitel 7.7). Während die Betreuung und Erschließung der Sammlungen meist von eigenen fachwissenschaftlichen Mitarbeitern erledigt wird, arbeiten vier von zehn privaten Einrichtungen zusätzlich mit externen Kuratoren, die als Experten in ihren Disziplinen anerkannt sind und damit die fachliche Kompetenz absichern. Den privaten Sammlern scheint es überdies sehr wichtig zu sein, ihre professionelle und fundierte Arbeit in der Öffentlichkeit deutlich herauszustellen und für diese Aktivitäten im wissenschaftlichen und musealen Kontext Anerkennung einzufordern. Begegnet doch im Besonderen die Kunstkritik den Privatsammlern gerne voreingenommen und unterstellt ihnen Liebhaberei anstatt kundige und qualifizierte Erfüllung musealer Aufgaben.2 Aus diesem Grund betonen die Sammler den verantwortungsbewussten und fachgemäßen Umgang mit ihren Kunstwerken. Karlheinz Essl führt an:
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kaufmännische Leitung verfügen, so benötigen Museumsdirektoren ein umfassendes Verständnis für „nichtwissenschaftliche Arbeitskulturen“. So erkennt beispielsweise Ullrich (2006b: 17) in etlichen Sammlern lediglich „Prototypen eines postmaterialistischen Konsums“. Ullrich ist der Ansicht, dass sich die meisten Sammler deshalb für Kunst als Sammelgebiet entscheiden, „weil sie sich davon ein größeres Surplus an Sinn oder mehr geistige Bereicherung versprechen als von allem anderen, was sie kaufen könnten“. Nach Ullrich geht es dem Sammler darum, „mit seinem Geld möglichst unterschiedliche und nachhaltige Sinnangebote zu erwerben. Auf diese Weise versucht er, ein glücklicheres Leben als seine – weniger vermögenden – Zeitgenossen zu führen“.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Wenn man sich 40 Jahre so intensiv mit der Kunst beschäftigt, wie wir das machen, wenn man viel reist und mit Museumsleuten, Sammlern und Künstlern zahlreiche Gespräche führt, dann bekommt man sicherlich einen guten Überblick, ein großes Wissen und hat viel Erfahrung, das ist keine Frage. [...] Am Anfang gab es manchmal Kritik, aber heute sieht jeder, wie wir das Museum führen und welche Werke in der Sammlung sind. Die anfänglichen Kritikpunkte haben sich längst verflüchtigt, und ich habe mich in meinem Weg von Kritik nie beirren lassen. [...] Ein Museum, wie wir es führen, ist ein Kompetenzzentrum. Denn wir haben zehn Kunsthistoriker in unserem Haus angestellt, davon vier Kuratoren. Da ist ein großer Wissensstand vorhanden. Ich habe für meine Sammlung ein Sekretariat und Mitarbeiter, ich abonniere alle Periodika und relevanten Publikationen zum Thema Sammeln. In der Tat haben diese Aktivitäten einen Grad an Professionalität erreicht, dass ich mir erlaube, eigene Urteile zu fällen. Diese Urteile mögen anders sein, aber es sind eigene Urteile, erklärt Christian Boros. Wir haben studierte Kunsthistoriker und Medienwirte beschäftigt, die alle sehr gut ausgebildet und hochprofessionell sind. [...] Worauf ich besonders stolz bin, dass ich auch von außen und von den Künstlern immer höre, dass wir ein professionelles Team sind. Und das ist mir schon sehr wichtig, sagt Julia Stoschek.
Neben der Professionalität und gut ausgebildeten Mitarbeitern ist den Sammlern auch die innere Organisation ihrer Betriebe ein großes Anliegen. In ihren privaten Kunsteinrichtungen herrschen offene und flache Organisationsstrukturen. Durchweg werden die Mitarbeiter durch Zielvereinbarung geführt, wodurch Teamarbeit und Eigenverantwortlichkeit befördert werden. Karlheinz Essl erklärt sein Führungskonzept wie folgt: Die Mitarbeiter können selbständig arbeiten, das macht Spaß, und man sieht den Erfolg. Das ist wesentlich besser, als wenn eine Person über allen Dingen thront und bestimmt, wie was zu geschehen hat. Wir pflegen die partizipative Erledigung von Aufgaben, genau wie in unserem Unternehmen. Wir wollen keine Befehlsempfänger mit Scheuklappen. Die Mitarbeiter sollen über ihre Grenzen hinausgehen und miteinander in Teams arbeiten. Auch Thomas Olbricht gibt Ziele vor und überlässt den Weg der Zielerreichung dem Ermessungsspielraum seiner Mitarbeiter. Ich glaube, dass es genügen muss, wenn man einen Rahmen vorgibt und Mitarbeiter hat, [...] die das Projekt dann umsetzen. Wenn Einverständnis über die Rahmenbedingungen besteht, dann können die Mitarbeiter loslegen. Die Organisationsstrukturen der öffentlichen Privatsammlungen sind durch kooperative und effiziente Formen der Zusammenarbeit, kurze Informationswege, regelmäßige Besprechungen und ein freundschaftliches Arbeitsklima geprägt. Julia Stoschek bezeichnet die Organisationskultur ihres Hauses als
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sehr kollegial. Was uns auszeichnet ist, dass wir ein sehr junges Team sind und dass wir viele weibliche Mitarbeiter haben. Ansonsten würde ich meinen, dass es bei uns sehr, sehr familiär zugeht, sehr persönlich. Ich denke, das geht über ein normales Arbeitsverhältnis in einem Museum deutlich hinaus, obwohl ich selber noch nie in einem Museum gearbeitet habe. [...] Aber grundsätzlich macht mir das auch nur Spaß, wenn ich ein Team um mich herum habe, das mir auch Spaß macht. Ich will hier glückliche Menschen sehen und hier ein gutes Arbeiten haben. [...] Ich muss das nochmals betonen: das ist ein großes Glück, dass ich dieses Haus so führen kann. Für Hans-Michael Herzog sind das Arbeitsklima und die Atmosphäre, die zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern herrschen, wichtige Themen der Unternehmensführung. Dann ist es wichtig, dass das Arbeitsklima stimmt, um die Freude an der Arbeit hervorzurufen. Das ist natürlich eine Sache, die man im privaten Bereich ungleich besser herstellen kann – ich würde fast meinen, dass das im öffentlichen Bereich gar nicht möglich ist aufgrund der verkrusteten und hierarchischen Strukturen. Wir können hier letztlich auf eine Gruppe von Mitarbeiterinnen zählen, die motiviert sind und die Spaß haben. Sicherlich gehört auch dazu, die Ressourcen flexibel auszunutzen und diese zu optimieren. Christian Boros sieht das ähnlich. Er findet es wichtig, dass durch Respekt, Ehrlichkeit, Offenheit und engen Kontakt mit seinen Mitarbeitern ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, das auch eine stärkere Identifikation mit seiner Sammlung zur Folge hat. Das Grundprinzip ist Nähe. Wir duzen uns alle. Den jungen Mitarbeitern fällt das manchmal schwer, mich zu duzen. [...] Ich erzähle, was Christian wichtig ist und nicht, was Herrn Boros wichtig ist. Dafür müssen mich die Mitarbeiter kennen und mich verstehen. Das Grundprinzip ist also Nähe und Offenheit. [...] Und das ist beileibe kein Verlust an Respekt, den ich dadurch erlebe. In den öffentlichen Privatsammlungen wird ein sehr kollegialer und freundschaftlicher Umgang gepflegt. Das konnte bei den Besuchen im Rahmen der Interviewreise bestätigt werden. In allen Häusern herrschen eine gute Stimmung und eine offene und kreative Arbeitsatmosphäre. Dass sich die Mitarbeiter in einem so positiven Arbeitsumfeld wohl fühlen und dadurch zu besonderen Leistungen motiviert werden, bestätigen auch zwei Mitarbeiterinnen. Katrin Böschen, Pressemitarbeiterin der Langen Foundation, betont im Besonderen das Zusammengehörigkeitsgefühl: Das ist gerade das Schöne, hier in diesem Haus zu arbeiten. In größeren Häusern gibt es immer diese hierarchischen Positionen. Keiner fühlt sich für den anderen verantwortlich. Aber hier macht jeder alles, wir sind ein Team. Monika Lahrkamp, Pressereferentin der Julia Stoschek Collection, sagt: Frau Stoschek kommt jeden Tag ins Büro, und wir haben eine sehr gute Stimmung. Wir lachen auch viel. Natürlich gibt es bei uns einen disziplinierten Tagesablauf, und Frau Stoschek fordert das auch ein. Es gibt ein sehr offenes Ge-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT sprächsklima, und alles wird angesprochen. Bei uns gibt es nicht diese Hierarchien. Diesen ehrlichen Austausch schätze ich sehr.
Beide Mitarbeiterinnen verweisen auf hierarchische Strukturen im öffentlichen Museumsbetrieb, die ein gemeinschaftliches Arbeiten erschweren. Als positive Faktoren der Organisationskultur ihrer Betriebe werden im Gegenzug funktionale und gleichgestellte Abteilungen und ein offenes und zielorientiertes Arbeitsklima genannt, in dem Schwierigkeiten reflektiert und diskutiert werden. Flexible Kommunikationsbeziehungen, Teamorientierung, Verantwortungsbewusstsein gegenüber Kollegen und die Möglichkeit, sich kreativ einzubringen, sind für die positive Wahrnehmung des eigenen Arbeitsplatzes verantwortlich. In den flexiblen Arbeitsstrukturen und dem schnellen Reagieren auf Neues und Unvorhergesehenes sieht Thomas Olbricht einen großen Unterschied zu öffentlichen Häusern. Motivierte Mitarbeiter, die weite Handlungsspielräume besitzen, sind offen und tragen kurzfristige Entscheidungen mit. Seine Museumsleiterin nennt er als Beispiel: Frau Rust [Museumsleiterin, d.V.] war vorher im Haus am Waldsee beschäftigt, und man merkt schon, dass das eine ganz andere Schule war. Es macht ihr aber umso mehr Freude, jetzt auch diese Freiheit in ihrer Arbeit zu haben. Da kommt dann Leidenschaft auf, wenn man merkt, was alles möglich ist und wie wir das alles umsetzen. Natürlich bin ich manchmal ein wenig chaotisch und möchte, dass innerhalb von sechs Wochen ein anderes Projekt umgesetzt wird. Was anscheinend vorher nicht geht, geht dann eben doch. Das wäre in einem öffentlichen Haus überhaupt nicht denkbar. Bei uns ist eben alles denkbar. In allen öffentlichen Privatsammlungen finden regelmäßige Besprechungen der Sammler mit dem gesamten Team oder mit ihren Führungskräften statt. Diese Besprechungen dienen der Überprüfung und Entwicklung von Zielen und der Definition strategischer Maßnahmen. Sie verbessern und festigen die innerbetriebliche Kommunikation und stellen die systematische und gleichberechtigte Informiertheit der Mitarbeiter sicher. Ich treffe mich mit meinen Docents einmal im Monat. Dann sitzen wir zu zwölft um diesen Tisch und besprechen alle Vorkommnisse der letzen Zeit, sagt Erika Hoffmann. Mit mir gibt es regelmäßige Gespräche und einen fixen Museumstag pro Woche und bei Ausstellungseröffnungen oder Veranstaltungen bin ich selbstverständlich auch im Museum, so Karlheinz Essl. Wir treffen uns regelmäßig zum Jour Fixe. Und ich bin da, wenn ich gebraucht werde. Aber ich kümmere mich nicht um das Alltägliche, erklärt Sabine Crasemann. Das „Tagesgeschäft“ ihrer öffentlichen Privatsammlungen verwalten die Sammler in der Regel nicht selbst. Dafür haben sie verantwortliche Leiter oder Mitarbeiter enga-
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giert, die den reibungslosen Betrieb ihrer Kunsträume sicherstellen. Sabine Crasemann antwortet auf die Frage nach ihrer Rolle im Museum, sie sorge für die gute Stimmung. Dabei lässt sie aber keinen Zweifel daran, dass die letztendlichen Entscheidungen von ihr und dem Stiftungsvorstand getroffen werden. Ich bin der Spaßfaktor .. (lacht) .. Wenn mir nun jemand einen ganz furchtbaren Vorschlag [...] vorlegen würde, würde ich es ablehnen. Aber das ist nicht der Fall. Die künstlerische Leitung macht Vorschläge und das besprechen wir dann. Ich bin gemeinsam mit einer zweiten Person im Stiftungsvorstand. Manche Sammler nehmen sich aus dem Museumsalltag ganz zurück und widmen sich dem Ausbau ihrer Sammlung, während andere wiederum in alle betrieblichen Entscheidungen eingebunden werden wollen. Ich will als Museumsgründerin und Sammlerin nicht im Vordergrund stehen und in der Öffentlichkeit nicht so präsent sein. [...] Ich betreue meine Sammlung, Frau Jung kümmert sich um das Museum und die Ausstellungen, und so ist das eine gute Aufteilung, meint Margit Biedermann. Margit Biedermann hat mit Simone Jung eine engagierte Leiterin für ihr Museum gefunden, die neben dem Tagesgeschäft die wissenschaftliche Betreuung der Sammlung und die Konzeption der Ausstellungsprojekte übernimmt. Auf die Frage, wie oft und aus welchen Gründen die Sammlerin das Museum aufsucht, sagt sie: Ich gehe ins Museum, um mit der Kuratorin wichtige Weichenstellungen für das Museum zu besprechen. Also neue Ausstellungen oder Werbemaßnahmen, da will ich auf jeden Fall ein Mitspracherecht haben. Wir sind ja noch ein neues Haus und müssen uns in der Öffentlichkeit noch profilieren. Die Aufgabenteilung zwischen Erika Hoffmann und ihrer Leiterin Heike Fuhlbrügge ist klar geregelt. Die Leiterin organisiert die Besuchstermine und die Einsätze der Docents, sie prüft die Rechungen, regelt in Absprache mit mir den Leihverkehr, koordiniert die Termine mit freiberuflichen Restauratoren und Ausstellungskräften. Viele Dinge machen wir natürlich gemeinsam. Ich bezahle die Rechnungen, betreue die Sammlung und mache die Archivierung auf Papier, die Frau Fuhlbrügge dann digital erfasst. „Ganz einfach, I am the head of the gang“, erklärt hingegen Thomas Olbricht und definiert damit schlicht und klar seine Rolle als Sammler, Museumsgründer und Finanzier. Auch wenn er die Agenden der Leitung seines me Collectors Room Berlin delegiert hat, ist er letztendlich der Verantwortliche. Ich bin immer zwischendrin, sagt Thomas Olbricht. Aber ich bemühe mich, möglichst nicht überall das letzte Wort haben zu wollen. Frieder Burda äußert sich in Bezug auf seine Museumsführung folgendermaßen: Ich bin jetzt 75 Jahre alt und da ist es wichtig und richtig, dass man vieles in andere Hände legt. Natürlich bin ich nach wie vor für alles verantwortlich, aber
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT nicht mehr im täglichen Betrieb. [...]. Meine Hauptbeschäftigung ist schon das Museum. Das hält mich jung, aber es macht viel Arbeit. [...] Ich hatte immer einen Museumsleiter. Aber so richtig kam ich damit nicht klar. Vielleicht habe ich mich auch zu viel eingemischt. Aber jetzt habe ich jemand, der das sehr gut machen wird. Ich versuche, mich so viel wie möglich zurück zu nehmen, aber ganz geht das natürlich nicht.
Aus diesen Bemerkungen der Sammler lässt sich erkennen, dass die Arbeitsbeziehungen zwischen den Sammlern und Leitern ihrer privaten Kunsträume zwar geregelt, aber nicht immer ganz konfliktfrei sind. Jeder Sammler und Museumsgründer hat seine eigenen Vorstellungen von der Führung und dem Betrieb seiner öffentlichen Privatsammlung, die mit den Ansichten seines verantwortlichen Leiters nicht unbedingt konform gehen müssen. Unstimmigkeiten in der Zusammenarbeit können zu kurzfristigen personellen Konsequenzen führen, denn im Bereich ihres Privatvergnügens scheinen die Sammler zu keinen Zugeständnissen bereit. Dass sie letzten Endes die endgültigen Entscheidungen treffen, daran lassen sie keinen Zweifel. „Das letzte Wort habe immer ich“, sagt beispielsweise Frieder Burda dazu. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Museumsmanagement“ wurden vier Erfolgskriterien für öffentliche Museen benannt: Managementqualifikation der Museumsleitung (EK 12), lernende und wirtschaftlich organisierte Organisationskultur (EK 13), Fördern von Kreativität, Innovation und Verbesserung (EK 14) und Führung mit Zielen, Controlling und Evaluation (EK 15). Diese Erfolgskriterien haben auch für private Einrichtungen maßgebende Bedeutung, denn jedes Unternehmen braucht eine visionäre Führungskraft, die mit konkreten Zielen eine Richtung und strategische Orientierung vorgibt. Eine private Kunsteinrichtung basiert auf einem Einzelinteresse. Der Handlungsauftrag ist durch die Person des Sammlers bestimmt, der den Betrieb seiner Sammlung selber leitet oder an eine qualifizierte Geschäftsführung delegiert. Der Sammler bildet die Konstante, die Kontinuität gewährleistet, gemeinsame Werte und einen verlässlichen Rahmen definiert, in dem alle Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können. Managementwissen und die Fähigkeit der Geschäftsleitung, zukunftsfähige Visionen für die Privatsammlung zu entwickeln, stiften Begeisterung und Identifikation und sind somit ein Erfolgsfaktor. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Visionäre und strategische Geschäftsführung In den privaten Einrichtungen werden managementgeleitete Formen der Betriebsführung praktiziert, die an die Praktiken in den Unternehmen der Sammler angelehnt sind. Die Kunsträume werden nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip geführt, wobei zur Zielerreichung alle vorhandenen Ressourcen (finanzielle Mittel, Personal, Infrastruktur) effizient und flexibel eingesetzt werden. Strukturen und Prozesse werden stets optimiert, ohne dabei jemals die hohe Qualität des selbst gewählten Auftrags
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(Sammeln, Bewahren, Ausstellen, Vermitteln) in Frage zu stellen. Ein Erfolgsfaktor liegt daher darin, dass öffentliche Privatsammlungen wie Wirtschaftsbetriebe geführt werden. Während das oberste Bestreben eines Wirtschaftsbetriebes vorrangig in der Gewinnmaximierung liegt, steht bei den privaten Sammlungen die professionelle, qualitätvolle und subjektive Präsentation und Vermittlung von Kunst im Zentrum des Interesses. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Primat des Wirtschaftlichkeitsprinzips Alle Sammler betonen, dass die Stärken ihrer öffentlichen Privatsammlungen in ihrer Unabhängigkeit und Flexibilität liegen. Die Fähigkeit, schnell auf veränderte Bedingungen zu reagieren, beziehen die Sammler auf Themen und Ausstellungsprojekte aber vor allem auf ihre funktionalen Organisationsstrukturen. In der Regel ist die Anzahl der Mitarbeiter in den privaten Kunsteinrichtungen überschaubar (vgl. Kapitel. 7.7), daher prägen Nähe, Offenheit, Teamorientierung sowie ein kollegialer und freundschaftlicher Umgang das Arbeitsumfeld. Eine positive Arbeitsatmosphäre wird durch Zielvereinbarungen, partizipative Erledigung von Aufgaben und ein offenes Gesprächsklima unterstützt. In öffentlichen Privatsammlungen gibt es keine Bürokratie. Flexible und flache Organisationsstrukturen fördern Teamwork und das Verantwortungsbewusstsein jedes Mitarbeiters, nicht nur für seinen originären Zuständigkeitsbereich, sondern für den gesamten Betrieb. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Flexible und teamorientierte Organisationskultur
7.7
P ERSONAL „Begeisterte Mitarbeiter sind mein größtes Kapital.“ CHRISTIAN BOROS
In einem Kunstbetrieb zählen neben der Sammlung und der finanziellen Ausstattung die Mitarbeiter zu den wichtigsten Ressourcen. Das Wohl und der Erfolg der Organisation hängen überwiegend von ihrem Wissen, ihrem Einsatzwillen und ihrem Engagement ab. Die zehn Sammlungen dieser Studie beschäftigten im Jahr 2010 zusammen rund 250 Mitarbeiter. Davon sind etwa die Hälfte in fester Anstellung. Die Zahl des Personals in den einzelnen öffentlichen Privatsammlungen variiert von einer temporären Aushilfe bis hin zu 55 festangestellten Mitarbeitern. Jene privaten Einrichtungen, die in ihren Organisationsstrukturen und ihrem Programmangebot mit öffentlichen Museen vergleichbar sind, haben die meisten Mitarbeiter. An erster Stelle rangiert das Essl Museum mit 55 festangestellten Mitarbeitern, das Museum Frieder Burda beschäftigt 18 feste und 29 freie Mitarbeiter, der me Collectors Room Berlin hat 19
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Mitarbeiter (11 feste und 8 freie), die Daros Latinamerica AG 14 Angestellte, die Sammlung Boros 21 freie Kunstvermittler, die Julia Stoschek Collection 11 Mitarbeiter (5 feste und 6 freie), das Museum Biedermann 4 feste und 9 freie Mitarbeiter, die Sammlung Hoffmann eine festangestellte Leiterin und 11 freie Kunstvermittler, die Langen Foundation ein Team von 6 festen Mitarbeitern und die Sammlung FER Collection zwei freie Kunsthistorikerinnen als Aushilfe. Das Museum Frieder Burda und das Daros Museum Zürich haben darüber hinaus den Bereich der Museumsaufsicht ausgelagert und bieten rund 35 Mitarbeitern über externe Firmen einen Arbeitsplatz. Zweifellos kann man angesichts dieser Zahlen behaupten, dass private Kunsteinrichtungen auch als Arbeitgeber wichtig sind. Erfreulich ist außerdem, dass rund 30 Kunsthistoriker und 80 freie Kunstvermittler in den privaten Einrichtungen eine adäquate Beschäftigung finden. Öffentliche Privatsammlungen haben gegenüber staatlichen Museen den Vorteil, dass sie ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsverhältnisse und Dienstverträge anbieten können. Während in öffentlichen Häusern die Personalplanung häufig auf festen Stellenplänen basiert, können Private jederzeit projektbezogene Mitarbeiter einstellen oder ihre Personalstruktur durch externes Expertenwissen ergänzen. Stellenpläne erschweren ein spontanes Reagieren auf kurzfristigen Mitarbeiterbedarf. Das freie Agieren in Bezug auf die Personalwahl bringt für öffentliche Privatsammlungen eine Reihe weiterer Vorteile mit sich. Stellen müssen weder ausgeschrieben werden, noch muss die Entlohnung notwendigerweise einem festen tarifvertraglichen Reglement folgen. Darüber hinaus können sie flexibel auf die Qualifikation ihrer Mitarbeiter reagieren. Die kürzlich gegründeten öffentlichen Privatsammlungen engagieren in allen Bereichen Mitarbeiter ihrer Wahl. Gerade im sehr sensiblen und für Kunsteinrichtungen zentralen Bereich der Besucherbetreuung bilden sich diese Rahmenbedingungen klar ersichtlich ab. Alle Sammler legen in ihren Ausstellungsräumen auf Freundlichkeit und Gastlichkeit höchsten Wert. Margit Biedermann sagt dazu: Das ist vielleicht ein Unterschied zu öffentlichen und auch manchen privaten Museen, wo die Hemmschwellen so hoch sind, dass man gleich am Empfang wieder umdrehen möchte und sich kaum in das Haus hineintraut. Bei uns gibt es einen positiven Empfang und eine persönliche Ansprache. Das Persönliche ist mir besonders wichtig. Karlheinz Essl ist überzeugt: Wenn man in das Essl Museum kommt, dann beginnt die Sonne zu scheinen, die Leute sind nett, freundlich und hilfsbereit. Auch Julia Stoschek ist wichtig, dass alle Mitarbeiter freundlich sind. Wir sind jetzt keine so abgehobene Sammlung, wo man am Telefon niemanden mehr erreicht. Zu einer positiven Stimmung und ansprechenden Atmosphäre in einer Kunsteinrichtung tragen vor allem positive Begegnungen mit den dort arbeitenden Menschen bei. Ein erfreulicher Kontakt mit Museumsmitarbeitern kann maßgeblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Besucher haben. Die Sammler achten bei ihrem Personal, das mit den Besuchern direkt in Beziehung tritt, auf Freundlichkeit, Höflichkeit und
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hohe Kommunikationsfähigkeit. Darüber hinaus wünschen sich die Sammler eine starke Affinität zur Kunst. Auf die Frage, nach welchen Kriterien sie ihre Mitarbeiter auswählen, entgegnet beispielsweise Thomas Olbricht: Das kann ich ganz klar sagen: Bei meinen Mitarbeitern ist mir Leidenschaft wichtig und Überzeugung von dem, was wir da machen. Ich suche meine Mitarbeiter nach ihrer Begeisterungsfähigkeit aus, nicht nach Noten, nicht nach Wissen, sondern nach ihrem Enthusiasmus für die Kunst, sagt Christian Boros. Erika Hoffmann ist erstmal [...] ein eigenständiger und origineller Blick auf die Kunst wichtig. Wir haben Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten, aber eine Bedingung ist, dass sie die deutsche Sprache so gut wie ihre Muttersprache beherrschen. Sollte die deutsche Sprache nicht ganz perfekt sein, kann das mit einem besonders unvergleichlichen Blick auf die Kunst kompensiert werden, denn diese Führungen sind dann speziell und interessant. [...] Wir haben auch einige junge Künstler im Team, die als Künstler noch wenig Erfolg haben, aber eine große Sensibilität für die Kunst mitbringen. Auch für Karlheinz Essl muss eine Neigung für künstlerische Ausdrucksformen vorhanden sein. Auf die Frage, welche Qualifikationen für ihn wichtig sind, antwortet er: Das ist unterschiedlich, je nach Position. Wenn ich für das Marketing jemanden suche, muss das ein Profi aus dem Kunstmarketing sein. Wichtig ist, dass alle Mitarbeiter eine Affinität zur Kunst haben. Nicht notwendiger Weise bildende Kunst, das kann auch z.B. Theater sein, aber sie müssen ein Herz für die Kunst haben. Unser Leiter der Pressestelle ist z.B. Literat, der wunderbare Texte schreibt. Oder in der Kunstvermittlung arbeiten Kunsthistoriker oder speziell für diesen Bereich ausgebildete Leute. [...] Wir experimentieren viel. Denn wir wollen nicht alles gleich machen wie die anderen. Margit Biedermann hat bei der Wahl ihrer Museumsleiterin auf Vermittlungsqualitäten Wert gelegt und jemanden gesucht, der diese Aufgabe auf Augenhöhe mit der lokalen Bevölkerung meistern kann. Ich wollte jemand, der zu unserem Haus und zu Donaueschingen passt. Von der Vermittlungsseite musste das jemand sein, der die Menschen hier auch versteht. Wir wollen eine qualitätvolle und publikumsnahe Vermittlung und keine hochtheoretischen Auseinandersetzungen. Außerdem wollte ich einen jungen Menschen, der diese Aufgabe auch als Chance begreift und dem es um die Sache geht. Julia Stoschek nennt neben der Sympathie auch eine fundierte Ausbildung als wichtigsten Faktor. Qualifiziert müssen alle Mitarbeiter sein, das versteht sich von selbst. Wir haben studierte Kunsthistoriker und Medienwirte beschäftigt, die alle sehr gut ausgebildet und hochprofessionell sind. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT ein Team in einer so familiären Arbeitssituation auch gut zusammen passt. [...] Bisher haben wir alle neuen Mitarbeiter auf Empfehlungen aus dem Team bekommen. Die Strukturerweiterung der Mitarbeiter hat sich quasi von innen heraus entwickelt. Also alle Mitarbeiter sind auf Empfehlung ins Team gekommen.
Aus diesen Äußerungen lässt sich erkennen, dass für die Sammler neben der entsprechenden Berufsqualifikation und Erfahrung eine hohe Sensibilität für Kunst zentral ist. Da der Großteil der Privatsammlungen mit kleinen Teams arbeitet, spielen ebenfalls Sympathie und Harmonie eine beachtliche Rolle. Darüber hinaus erwarten alle Sammler, dass die Mitarbeiter ihre Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit für Kunst teilen. Thomas Olbricht ist in dieser Hinsicht rigoros: Wir haben auch schon einige Mitarbeiter ausgetauscht, weil sie unseren Anforderungen nicht genügt haben. Denn für mich ist vorrangig wichtig, dass, wenn die Mitarbeiter im Dienst sind, sie sich 100%ig für die Sache einsetzen. Wer das nicht will, kann hier nicht arbeiten. Das ist für mich ganz, ganz wichtig. „Museen werden von Menschen für Menschen gemacht. Wie dies geschieht, hängt von dem Wissen, den Kenntnissen und der Verantwortung der einzelnen [...] Mitarbeiter ab“, sagt der Deutsche Museumsbund (2008c: 6). Wie das Beispiel von Thomas Olbricht zeigt, legen private Sammler außerdem auf großes Engagement der Mitarbeiter besonderen Wert. Hans-Michael Herzog betont überdies den respektvollen Umgang und die Anerkennung der Leistungen der Mitarbeiter: Wir sind ein kleines Team, ich habe mit einer Mitarbeiterin angefangen, und das Ganze ist gewachsen. Daher ist es ein intimer Charakter, nicht familiär, das ginge zu weit. Es ist intim, und man kennt sich auch. Es herrscht dennoch Respekt, und ich denke, das ist die Basis für jedes Unternehmen. Der Respekt des Übergebenen [...] für die Aufgaben des Untergebenen. [...] Ich glaube, dass es uns gelungen ist, diesen respektvollen Umgang miteinander hier zu etablieren. Hohe Identifikation mit den privaten Einrichtungen entsteht auch durch persönliche und familiäre Verhältnisse sowie kleine Mitarbeiterteams. Sabine Crasemann erklärt: Die Langen Foundation ist ein Familienbetrieb. Meine Tochter arbeitet hier, meine andere Tochter, mein Sohn oder mein Bruder kommen oft zu Besuch. Wir halten zusammen und das spüren auch die Mitarbeiter. [...] Wenn man mit den Mitarbeitern an der Kasse beginnt: Da haben wir zwei Frauen eingestellt, die gar nichts mit Kunst zu tun hatten. Aber die haben sich in den sieben Jahren seit Beginn des Museums sehr gewandelt. Da ist eine enge Beziehung entstanden, die würden für uns alles machen. Sie sind auch sehr freundlich, das kommt bei den Besuchern gut an. In der Zwischenzeit helfen auch die Männer dieser beiden Mitarbeiterinnen bei unterschiedlichen Tätigkeiten hier im Museum aus. Schlagwörter wie Engagement, Motivation, Begeisterungsfähigkeit, Freude an der Arbeit, Chance für junge Menschen, respektvoller Umgang und persönliche Atmosphäre tauchen in den Belegstellen regelmäßig auf. Erika Hoffmann nennt ihr Unternehmen gar eine soziale Skulptur:
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Wir haben einmal im Monat Teambesprechungen, um die Identifikation im Team und mit der Sammlung zu stärken. Alle Mitarbeiter sollen über aktuelle Dinge informiert und laufend geschult werden. Andererseits ist es auch für mich sehr wichtig, dass ich von den Mitarbeitern etwas erfahre und lerne. Man könnte sagen, wir sind hier eine Art sozialer Skulptur, denn wir arbeiten zusammen an etwas, das es nur dadurch gibt, dass wir es gemeinsam aufbauen. Reflektionen über die eigene Arbeit, positives Feedback und regelmäßige Besprechungen steigern die Motivation und Identifikation mit der Sammleridee. Christian Boros fördert den Zusammenhalt der Gruppe darüber hinaus durch gemeinsame Freizeitaktivitäten: Wir machen mehrmals im Jahr Partys auf der Terrasse und tanzen sogar zusammen. Ich mache Kaminabende und erzähle „wie ein Opa“ Geschichten über Künstler und was mich an Kunstwerken fasziniert und begeistert. Ich bin gleichermaßen aber auch an dem interessiert, was die Mitarbeiter sehen und welche Erfahrungen sie mit den Besuchern machen. Wir sind eine kleine Familie, und das ist mein größtes Kapital. In der Regel ist das Personal das teuerste und wertvollste Kapital und die Schlüsselressource eines Unternehmens. Nach Peter F. Drucker (2001: 32) stellen das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter einen unschätzbaren Organisationswert und immateriellen Vermögenswert dar. Aus diesem Grund lohnt es sich, in das Personal zu investieren und Maßnahmen zu ergreifen, um seine Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen und die Mitarbeiter damit an das Unternehmen zu binden. In vielen Privatsammlungen haben die Mitarbeiter Entwicklungsperspektiven und erhalten die Möglichkeit, sich weiter zu bilden. Über zwanzig junge Kunsthistoriker lernen Vermittlung bei mir. Wir trainieren sie. [...] Ich lehre jungen Menschen, was sie vielleicht später in ihren Berufen als Galeristen, Kuratoren oder Journalisten brauchen werden, nämlich Begeisterung. Dass sie andere Menschen anstecken und Feuer entfachen können, sagt Christian Boros. Wir haben ganz viele Mitarbeiterinnen, die eingestiegen sind und durch das gemeinsame Lernen und Verstehen auf andere Positionen oder in andere Funktionen gewechselt haben. Das ist das Einfühlungsvermögen, wo wer am besten aufgehoben ist – entsprechend der Fähigkeit der jeweiligen Mitarbeiterin gemeinsam im Ganzen die beste Position zu finden. Das sind ideale Bedingungen, die man sonst selten findet, ist Hans-Michael Herzog überzeugt. In allen Privatsammlungen wird Teamarbeit gepflegt und gefördert, denn eine Gruppe von Menschen hat stets ein höheres Kreativitäts- und Innovationspotenzial als eine Einzelperson. Auf die Frage, welche Qualifikationen er bei seinen Mitarbeitern schätzt, erklärt Hans-Michael Herzog: Bei uns sind Kreativität und der Wunsch, im Team zu arbeiten, wichtig.
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Der in der deutschen Museumsszene spürbare Trend zur Mehrfachqualifikation der Museumswissenschaftler lässt sich auch in den privaten Einrichtungen erkennen. Die Sammler schätzen die unterschiedlichen Qualifikationen ihres Personals und achten bei der Auswahl neuer Mitarbeiter besonders auf Querschnittskompetenzen. Monika Lahrkamp, Pressereferentin der Julia Stoschek Collection, merkt dazu an: Ich denke schon, dass Frau Stoschek auf Querschnittskompetenzen achtet und stark nach diesen Kriterien auswählt. Es ist ihr wichtig, dass jemand vielfältig ausgebildet ist. Frau Stoschek will auch, dass wir nach außen gehen und herumreisen, um uns Kunst anzusehen. Denn der Dialog über Kunst ist hier im Haus sehr wichtig. So entsteht eine sehr, sehr hohe Identifikation mit der Sammlung und der Sammlerin. In den untersuchten öffentlichen Privatsammlungen gibt es kaum Fluktuation. Ein geringer Wechsel in der Belegschaft legt die eine große Zufriedenheit und starke Verbundenheit der Mitarbeiter mit den Aufgaben und Zielen der jeweiligen Privatsammlung nahe. Monika Lahrkamp berichtet: Alle Mitarbeiter sind fast von Anfang an dabei. Ich bin keine gelernte Pressefrau, ich bin in diesen Bereich hinein gewachsen. Bei mir war es so, dass Frau Stoschek gesagt hat, „dein Lebenslauf gefällt mir, wir probieren das mal“. Frau Stoschek ist da sehr unkonventionell, und aus diesem Ausprobieren hat sich eine mehrjährige Mitarbeit entwickelt. Frau Stoschek ist ein sehr beweglicher Mensch, und diese Beweglichkeit gibt es dann auch hier in der Zusammenarbeit. Im Museum Frieder Burda zeigen selbst die Mitarbeiter einer externen Personalagentur eine hohe Identifikation mit dem Privatmuseum. Ludger Hünnekens, Leiter des Museums, führt aus: Der größte ausgelagerte Bereich ist das Aufsichtspersonal [...]. Es handelt sich dabei um 24 Personen, die teils schon seit der Eröffnung im Museum arbeiten. Die Fluktuation ist sehr niedrig. Auch in der Sammlung Hoffmann schätzen die Mitarbeiter die einzigartige Arbeitsatmosphäre: Es gibt noch einen Mitarbeiter aus der Anfangszeit von vor fast 14 Jahren. Inzwischen hat er Familie und einen vollen Beruf. Aber diese direkte Beschäftigung mit Kunst, die nur hier möglich ist, schätzt er so sehr, dass er sich das weiterhin leistet. Dieser Mitarbeiter ist kunstgeschichtlich und literarisch hoch gebildet, von ihm kommen sehr viele gute Anregungen, sagt Erika Hoffmann und ergänzt: Gleichzeitig haben wir viele jüngere Mitarbeiter, die noch studieren oder an ihrer Doktorarbeit schreiben. Diese ganz verschiedenen Mitarbeiter, unter denen auch Künstler sind, haben alle ihre unterschiedlichen Qualifikationen und ihre Qualitäten. Jeder soll seinen eigenen Beitrag leisten, und in der Gruppe werden diese unterschiedlichen Aspekte und Sichtweisen ausgetauscht. Das ist für mich sehr wichtig und bereichernd. Ich tue das also nicht nur, weil ich mich in Nächstenliebe den jungen Menschen zuwende, sondern weil es mir selbst sehr viel gibt.
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Das Beispiel der Sammlung Hoffmann zeigt, dass in privaten Einrichtungen die Mitarbeiter als Individuen wahrgenommen werden und dass der Besonderheit jedes einzelnen Teammitglieds Raum gegeben wird. Daraus lässt sich schließen, dass öffentliche Privatsammlungen eine Unternehmenskultur schaffen, in der Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Menschen ihre Talente vor allem dann einbringen, wenn sie sich mit dem, was sie tun, identifizieren und Freiräume erleben (Thom / Zaugg 2007). Hohe Identifikation und ein großes Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter gegenüber der Einrichtung entsteht auch dadurch, dass die Grundbedingungen der Organisation oft gemeinsam entwickelt wurden. Die Gründung der untersuchten Privatsammlungen liegt in sieben von zehn untersuchten Fällen nicht länger als sieben Jahre zurück. Viele Mitarbeiter sind von Beginn an dabei, haben sich für die Visionen und die Ziele des Sammlers eingesetzt und den Aufbau der Organisation aktiv mit gestaltet. Da diese Mitarbeiter das Kosten-, Effizienz- und Qualitätsdenken ihrer Arbeitgeber teilen, engagieren sie sich für die Verbesserung von Abläufen und Strukturen. Initiativen zur Veränderung sind damit systemimmanent und gehen von der organisationalen Realität aus. Erfolgreich umgesetzte Innovationen und Reformen stellen eine wichtige Antriebsmotivation für die Mitarbeiter dar. Öffentliche Privatsammlungen legen großen Wert auf ihre Subjektivität und Einzigartigkeit. Genau wie sich jede private Kunsteinrichtung durch ihre spezifische Kunstsammlung und ihr Ausstellungsprogramm auszeichnet, so zeigen sie auch in der Personalwahl und Personalführung Mut zum Experiment. Einerseits legen Sammler bei ihrem Personal auf Querschnittskompetenzen Wert, andererseits erhalten aber auch jüngere Mitarbeiter mit noch wenig einschlägiger Berufserfahrung eine Chance. Teilweise entscheiden sich Sammler für unkonventionelle Besetzungen. So weist beispielsweise Karlheinz Essl darauf hin, dass er einen Literaten als Pressechef engagiert hat, der „wunderbare Texte schreibt“. Die Sammler wissen, dass Kreativität, Initiative und Leidenschaft der Mitarbeitenden sowie Spaß an der Arbeit ein Fundament für den Erfolg ihrer öffentlichen Privatsammlungen bilden. Auf die Frage nach den Erfolgsfaktoren seines Museums nennt Karlheinz Essl neben seiner Sammlung, den Ausstellungen und dem Museumsgebäude auch seine Mitarbeiter: Wir haben eine tolle Sammlung, tolle Ausstellungen, ein phantastisches Museum [...] und wir haben phantastische Mitarbeiter, die motiviert und begeisterungsfähig sind. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Qualifiziertes Personal“ wurde ein zielgerichteter Personaleinsatz und faire Mitarbeiterpolitik (EK 16) als Erfolgskriterium genannt. Dieses Kriterium hat auch für private Einrichtungen Relevanz. Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource in einem Unternehmen und ein motiviertes und engagiertes Personal stellt zweifelsfrei einen Erfolgsfaktor dar. Die Zitate sind ein Beleg dafür, dass die Sammler von den Mitarbeitern Kreativität, Begeisterungsfähigkeit und Flexibilität erwarten. Leidenschaft und Engagement lassen sich nicht mit Druck erzwingen. Die privaten Kunsteinrichtungen schaffen daher ein offenes, teamorientiertes und persönliches Arbeitsumfeld, in dem sich Leistungs- und Innovationspotenziale der Mitarbeiter ent-
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falten können. In öffentlichen Privatsammlungen herrschen eine hohe Identifikation mit der Idee des Sammlers und ein starkes Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Einrichtung. Der regelmäßige persönliche Kontakt und Austausch der Mitarbeiter mit dem Sammler erzeugt zusätzlich eine enge emotionale Bindung und wirkt sinnstiftend. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Breit qualifizierte und motivierte Mitarbeiter/innen
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B ESUCHERORIENTIERUNG „Die Besucher sind das Salz.“ ERIKA HOFFMANN
„Ohne die Besucher habe ich natürlich [...] auch [...] alleine Spaß an der Kunst. Aber ganz ohne die Besucher wäre es nur halb so schön“, sagt Erika Hoffmann. Im öffentlichen Museumsbetrieb gilt heute die Orientierung an den Bedürfnissen der Besucher gewissermaßen als eine Selbstverständlichkeit. Jene Museumsdirektoren, die nach Klein (2007: 106) auf die Frage, für wen sie Ausstellungen machen, antworten: „Erstens für die Kollegen anderer Häuser und zweitens für die Fachpresse – und wenn dann noch andere Besucher kommen, schicken wir sie natürlich nicht weg!“, gehören der Vergangenheit an. Staatliche Museen sind von der Politik und durch ihren Bildungsauftrag aufgefordert, unterschiedliche Besucherschichten für eine Teilhabe an ihren Angeboten zu gewinnen und damit hohe Besucherquoten zu generieren. Bei den privaten Sammlungen zeigt sich tendenziell ein anderes Bild. Besucher sind das Salz – eine wichtige und schmackhafte Zutat, aber keine Notwendigkeit. Private sind keinem Quotendruck ausgesetzt. Es besteht weder ein öffentlicher Auftrag, hohe Besucherzahlen bei maximalen Öffnungszeiten an sechs Tagen der Woche einzuspielen, noch Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage zu ergreifen. Alle Angebote der öffentlichen Privatsammlungen sind freiwillige und großzügige Leistungen für die interessierte Kunstöffentlichkeit. Daher sind jene Initiativen, die in etwa die gleiche Fülle und Qualität an Programmen wie öffentlichen Museen bieten, umso anerkennenswerter. Im Bereich der Besucherorientierung lassen sich im Untersuchungsfeld zwei Tendenzen erkennen. Für etwa die Hälfte der Privatsammler spielt die Anzahl der Besucher eine Rolle. Die Museumsbesucher werden als Kunden und Umsatzträger gesehen, die zur Refinanzierung der Kosten mit beitragen. Beispielhaft kommt hier Frieder Burda zu Wort, der den Erfolg seines Museums auch auf seine Ausstellungspolitik zurückführt: Ich habe immer die Frage im Kopf: Kommt diese Ausstellung bei den Leuten an? Ich mache keine Ausstellungen, nur weil sie intellektuell wichtig sind. Ich möchte, dass die Leute kommen, und das geht nur mit Ausstelllungen, die populär sind. Man darf ja die staatlichen Museen und die vielen Kunstvereine nicht vergessen.
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Die sind dazu da, die avantgardistische Kunst zu zeigen. Denn die Kunstvereine müssen auch nicht leben von den Eintrittsgeldern und können daher ein anderes Programm machen. Wir wollen Besucher haben, das ist der große Unterschied. Die andere Hälfte der Sammler scheint mehr an der Qualität der Besucher interessiert zu sein. Nicht Besuchermaximierung ist ihnen wichtig, sondern im Mittelpunkt steht die intensive Auseinandersetzung mit der gezeigten Kunst. Christian Boros sagt: Ich spekuliere nicht auf Besucherzahlen. Eine Führung umfasst bei uns zwölf Teilnehmer/innen. Natürlich könnten wir die Gruppen größer machen, aber mir sind nicht die Zahlen wichtig, sondern die intensive Auseinandersetzung mit der Kunst. Und das gelingt in kleineren Gruppen besser. Mir geht es um die Qualität der Besucher, nicht um die Quantität. Wir schielen nicht nach den großen Besucherzahlen, wir zählen die Besucher nur am Rande. [...] Ich habe nicht den Wusch, die Menschenmassen anzuziehen und kräftig die Werbetrommel zu rühren und Flyer zu verteilen, damit viele kommen. An den Touristen, die am Samstag ins Museum gehen, nur weil es regnet, bin ich gar nicht interessiert, so Julia Stoschek. Auch für Margit Biedermann sind hohe Besucherquoten nicht so wichtig: Ich wollte vorrangig einen schönen Platz für meine Sammlung und, wenn nur wenige Besucher kommen, dann macht mir das auch nichts aus. Ich mache mit dem Museum ein Angebot und ich bin überrascht, wie gut es angenommen wird. Ich persönlich hätte auch kein Problem damit, wenn es nicht angenommen würde. Ich würde es trotzdem machen, weil es mir gefällt. 12.500 Besucher haben das Angebot der Sammlerin Margit Biedermann im Jahr 2010 angenommen und die Ausstellungen und begleitenden Veranstaltungen in Donaueschingen besucht. Das Museum Biedermann gehört wie das Museum Frieder Burda, das Essl Museum, das Daros Museum Zürich und der me Colllectors Room Berlin zu jenen privaten Einrichtungen, die wie öffentliche Museen regelmäßige Öffnungszeiten von Dienstag bis Sonntag anbieten. Die Langen Foundation ist sogar täglich geöffnet. Im Essl Museum und Daros Museum Zürich gibt es einmal pro Woche zusätzlich eine lange Abendöffnung. Die jährlichen Besuchszahlen liegen in diesen Häusern zwischen 5.500 (Daros Museum Zürich) und 32.000 Besuchern (Langen Foundation). Der me Collectors Room Berlin wurde im Mai 2010 eröffnet und konnte bis Dezember annähernd 30.000 Besucher verzeichnen. Das Essl Museum veröffentlicht keine Besuchszahlen, verweist aber darauf, dass an besucherstarken Tagen bis zu 3.000 Kunstinteressierte im Museum in Klosterneuburg gezählt werden. Absoluter Spitzenreiter in Sachen Besuchszahlen ist das Museum Frieder Burda. Mit über 200.000 Besuchern im Jahr 2010 zählt das Privatmuseum in Baden-Baden zu den bestbesuchten Museen Deutschlands. Die Tatsache, dass 95,3 % aller deutschen Museen weniger als 100.000 Besucher im Jahr verzeichnen, rückt diese hohe Besuchs-
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zahl in ein besonderes Licht.1 Der Sammler und Museumsgründer Frieder Burda, der sein Publikum von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst führt, ist zurecht stolz auf diesen hohen Zuspruch und großen Publikumserfolg. Ludger Hünnekens, Leiter des Museums, verweist darauf, dass die Besucherzahl von 202.000 im Jahr 2010 dem Jahresdurchschnitt entspricht und kein einmaliges Ereignis darstellt.2 Er betont auch: Es geht uns nicht primär um Besucherzahlen oder äußere Effekte. Es geht auch darum, die Sammlung – die phänomenal ist und 100 Jahre internationale Kunstgeschichte abdeckt – aufzubereiten. Während 60% der privaten Kunsträume dieser Studie dem Publikum von Dienstag bis Sonntag Zugang zu ihren Ausstellungen gewähren, haben vier lediglich eingeschränkte Öffnungszeiten. Christian Boros öffnet seine Sammlung am Freitag, Samstag und Sonntag und hat im Jahr 2010 25.500 Besucher empfangen. Die Sammlung Hoffmann und die Julia Stoschek Collection haben jeweils samstags geöffnet, ihre Besuchszahlen liegen bei 4.500 und 4.000. Die Sammlung FER Collection lädt pro Woche durchschnittlich drei Besuchergruppen ins Stadtregal nach Ulm. Im Jahr 2010 hat der Sammler 2.764 Personen durch die Ausstellung geführt. Auf die Frage, ob eine Erweiterung der Öffnungszeiten nicht auch mehr Menschen die Möglichkeit geben würde, die Sammlung zu besuchen, antworten die Sammler ähnlich. Erika Hoffmann sagt: Ja, es stimmt, mehr Menschen könnten kommen. [...] Aber, mir ist wichtiger, dass dieser private Charakter erhalten bleibt. [...] Wenn sich größere Gruppen anmelden, dann führen wir sie auch während der Woche. Aber das ist dann kein regulärer zweiter Öffnungstag, der meine persönliche Ruhe zu sehr stören würde. Dies ist ja meine Wohnung, deren Atmosphäre ich bewahren möchte. Auch Julia Stoschek verweist auf ihre Privatsphäre. Eine Erweiterung der Öffnungszeiten kommt für sie gleichfalls nicht in Frage. Nein, aber das wäre nicht in meinem Interesse. Denn ich lebe in dem Haus und möchte auch eine Privatsphäre. Wir haben sehr viele Anfragen für Sonderführungen, von Studenten, Schulgruppen, Firmen, Vereinigungen (z.B. Rotary oder Lions Club) und Kunstvereinen aus ganz Europa. Daher haben wir meistens am Dienstag oder Mittwoch sowieso auch Sonderführungen im Haus. Dann noch ein zusätzlicher Besuchertag wäre wirklich zuviel für mich.
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54,4 % aller Museen in Deutschland haben jährlich weniger als 5.000 Besucher. 40,9 % der Museen verzeichnen jährlich zwischen 5.001 und 100.000 Besucher. 4,7% der Museen haben zwischen 100.001 und 500.000 Besucher und 0,4% über 500.000 Besucher. Diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2009. Vgl. Institut für Museumsforschung 2010b: 16ff. Ein weiteres Beispiel: Die Ausstellung Chagall im neuen Licht (7. Juli - 29. Oktober 2006) im Museum Frieder Burda in Baden-Baden verzeichnete in vier Monaten 195.000 Besucher.
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Friedrich E. Rentschler betreut mit seiner Frau Maria Schlumberger seine öffentliche Privatsammlung ganz alleine. Er vertritt eine klare Haltung, was die Besuchszeiten betrifft: Etwa 3 Führungen mit ca. 15 Besuchern pro Woche sind für mich und meine Frau noch zu bewältigen und ermöglichen jeweils auch private Gespräche und Diskussionen. Christian und Karen Boros haben seit der Eröffnung ihres Kunstbunkers die Öffnungszeiten von ursprünglich einem Nachmittag in der Woche auf das gesamte Wochenende ausgedehnt. Eine nochmalige Erweiterung der öffentlichen Zugänglichkeit würde auch ihre Privatsphäre stören. Wir leben ja auch in diesem Gebäude. Wir haben jeden Freitag, Samstag und Sonntag Gäste bei uns zu Hause. Wir brauchen dazwischen unsere Privatsphäre und Ruhe. Man merkt schon, dass man nicht alleine ist, wenn am Wochenende 600 Menschen im Haus sind. Christian Boros führt zusätzlich finanzielle Gründe an. Hier spürt man den Unternehmer, für den ökonomisches Handeln und eine Orientierung an den Bedürfnissen des Publikums eine Selbstverständlichkeit sind. Ich kann es mir nicht leisten, an einem Dienstagvormittag das Haus zu öffnen und Personal zu stellen, und dann kommen nur drei Besucher. Berlin ist eine Wochenend-Destination, Menschen aus der ganzen Welt kommen meist am Wochenende nach Berlin, und dann ist der Bunker geöffnet. Ein öffentliches Museum hat am Montag geschlossen, den Rest der Woche offen. Aber wir alle kennen das: an einem Dienstagvormittag sind doch auch die Museen gähnend leer. Ich bin auch jemand, der den Markt beobachtet und sein Handeln danach ausrichtet, und ich weiß, dass dienstags vormittags nur wenige Menschen ins Museum wollen. Selbst wenn hohe Besuchszahlen kein Kriterium für diese Sammler darstellen, so sind alle sehr publikumsfreundlich eingestellt und ermöglichen außerhalb der Öffnungszeiten Termine zur Ausstellungsbesichtigung. So versucht Christian Boros über die Öffnungszeiten – Freitag, Samstag, Sonntag – hinaus nach Anmeldung jederzeit Zutritt zur Sammlung zu gewähren. Also wenn eine Gruppe am Mittwoch nach dem Restaurantbesuch um 22 Uhr noch kommen will, dann versuchen wir das möglich zu machen. Alle öffentlichen Privatsammlungen vertreten gegenüber dem Publikum eine besondere Haltung, die sich durchaus von öffentlichen Museen unterscheidet. Während staatlich geführte Museen ihr Publikum oft als eine „anonyme Masse“ betrachten, werden die Besucher in diesen privat geführten Einrichtungen als Gäste empfangen. Für Christian Boros ist klar: Ich wollte niemals eine anonyme Masse in meiner privaten Sammlung haben. [...] Wenn man eine private Sammlung besucht, ist man Gast und nicht Besucher. Die Menschen spüren die Privatheit, und das verändert die Rezeptionshaltung. [...] Daher haben meine Frau und ich beschlossen, als wir die Tore des Bunkers geöffnet haben, dass der private Charakter der Einrichtung gewahrt werden muss.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Daher gibt es auch keine Labels und Bildinformationen an den Wänden. Unsere Sammlung ist unser erweitertes Zuhause, das ist der Grund, warum sich die Gäste anmelden müssen.
Eine Anmeldung vor dem Besuch ist ebenso für die Sammlung Hoffmann und die Sammlung FER Collection notwendig. Friedrich E. Rentschler erklärt dies so: Besucher, die bereit sind, sich mit neuer Kunst auseinanderzusetzen, sind mir sehr wichtig. Davon gibt es nicht unendlich viele. [...] Aus diesem Grund bitten wir auch um die Namen unserer Gäste, die wir durch unsere privaten Räume führen. Für unsere Leistungen verlangen wir einen Beitrag von 15 Euro pro Person. Erika Hoffmann ist gleichfalls an einem gebildeten und fachkundigen Publikum interessiert. Mir geht es wirklich um die individuelle Auseinandersetzung mit Kunst und nicht um gesellschaftliche Events. Für Betrachtung und Auseinandersetzung braucht man Ruhe. Außerdem schaffen wir „Hürden“: dass man sich anmelden, dass man Eintritt zahlen, die Treppe hinaufsteigen und in die Pantoffeln schlüpfen muss, um nur das Publikum anzusprechen, das wirklich interessiert ist. Es ist eine Art von Initiationsritus, man muss verschiedene „Hindernisse“ überwinden. Dann muss man sich zusätzlich noch dem Rhythmus einer fremden Gruppe anpassen. Das erscheint mir alles wichtig, weil es den Besuchern eine Anstrengung abverlangt, sie darauf einstimmt, etwas zu entdecken oder etwas Ungewöhnlichem zu begegnen. Als ungewöhnlich bezeichnet Erika Hoffmann die enge Verknüpfung von privater und öffentlicher Sphäre. Anders als in öffentlichen Museen, wo Kunst in neutralen Räumen präsentiert wird, erhalten die Besucher Einblick in den persönlichen Bereich der Sammler. In der Sammlung Hoffmann werden die Besucher durch die Privaträume von Erika Hoffmann geführt. Dieser Einblick in das Privatleben übt auf Besucher eine besondere Wirkung und Anziehungskraft aus. Hier ist die Kunst mit dem Privaten eng verschränkt, hier stehen Möbel, Arbeitsgeräte in den Büros, es liegen Zeitungen herum, häufen sich Papiere und Kataloge. In manchen Räumen sieht man Spuren des täglichen Lebens, und das macht natürlich einen besonders großen Unterschied. Jedenfalls wird mir das von vielen Besuchern mitgeteilt, dass es so ungewohnt sei, etwas zu sehen, das jemand ausgewählt hat, um damit zu leben – die meisten Menschen können sich das gar nicht vorstellen. Aber darum ging es meinem Mann und mir, eine Idee davon zu vermitteln, wie bereichernd und anregend ein Leben mit Kunst sein kann, sagt die Sammlerin. Es gibt eine ganz enge Vermischung von öffentlichem und privatem Bereich bei mir, wahrscheinlich enger als bei anderen Sammlern. [...] Ich bin täglich in der Ausstellung, denn der Eingang zu meiner Wohnung führt über das Treppenhaus, das die beiden Ausstellungsgeschosse miteinander verbindet, so Julia Stoschek.
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Diese persönlichen Begegnungen, die intensive Auseinandersetzung mit den individuellen Sammlungen und der Einblick in die Privatsphäre der Sammler stellen mit Sicherheit eine Besonderheit öffentlicher Privatsammlungen dar und tragen zu ihrem Erfolg und positiven Zuspruch bei. Was einerseits wie „Hürden“ für Besucher anmutet – die persönliche Anmeldung, der vorgegebene Besuchszeitpunkt, die eingeschränkte Zugänglichkeit – verspricht andererseits einen Hauch von Exklusivität und übt auf die Besucher einen besonderen Reiz aus. „Das Exklusive und Private reizt“, bringt es Friedrich E. Rentschler auf den Punkt. Auf die Frage, ob es für Besucher einen Unterschied macht, ob sie eine private oder öffentliche Kunsteinrichtung besuchen, antwortet Hans-Michael Herzog: Ja, ich denke, auf der einen Seite gibt es eine größere Hemmschwelle bei Privatmuseen, auf der anderen Seite hat es auch einen exklusiven Touch. Beides dürfte sich die Waage halten. Museen sind meistens etablierter und institutionalisierter. In Berlin geht man schneller mal auf die Museumsinsel als in eine Privatsammlung. Genauso wie in New York mehr Menschen ins MOMA gehen als in die Frick Collection. Den Privaten haftet etwas Besonderes an – deswegen die Schwellenangst – bei gleichzeitiger Faszination. Das Besondere und Faszinierende, von dem Hans-Michael Herzog spricht, verstärkt sich bei einigen öffentlichen Privatsammlungen durch ein limitiertes und zeitlich eingeschränktes Angebot, was wiederum wechselwirkend die Exklusivität dieser Institutionen befördert. Beschränkungen steigern somit den exklusiven Charakter und die Nachfrage. Auch ohne umfangreiche Werbeaktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit erfreuen sich diese Sammlungen großer Bekanntheit. Als Beispiel sei hier die Sammlung FER Collection angeführt, die seit Oktober 2009 für ein kunstinteressiertes öffentliches Publikum nur nach vorheriger Anmeldung zugänglich ist. Obwohl die Sammlung FER Collection keine Werbung betreibt, gibt es beträchtliches Besucherinteresse. Unsere Erwartungen wurden übertroffen. Besichtigungstermine sind bereits für lange Zeit vergeben und dies trotz der einschränkenden Bedingungen, sagt Maria Schlumberger. Das Image und die Wahrnehmung einer Kunstinstitution werden neben der Persönlichkeit des Sammlers im Wesentlichen von den dort arbeitenden Menschen geprägt. Es sind vor allem die Mitarbeiter des Besucherservice, die die Begeisterung für die Kunst und die Idee des Sammlers an die Besucher vermitteln. In Kapitel 7.7 konnte gezeigt werden, dass sich die Mitarbeiter privater Einrichtungen in der Regel mit ihrem Arbeitsplatz und den Ideen des Sammlers stark identifizieren. Eine besucherfreundliche Haltung wird in allen privaten Sammlungen vertreten. Diese wird auch von den Sammlern gefordert. Margit Biedermann erklärt: Bei den [...] Mitarbeitern haben wir auf Menschen gesetzt, die unserer Familie seit langem nahe stehen und die unser Wertesystem kennen. Unsere Mitarbeiterinnen an der Kasse tun ihre Arbeit aus Überzeugung. Sie sind stolz, dass sie in diesem Museum arbeiten dürfen. Sie sind höflich und begrüßen die Leute freundlich. Das ist vielleicht auch ein Unterschied zu öffentlichen und auch manchen
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT privaten Museen, wo die Hemmschwellen so hoch sind, dass man gleich am Empfang wieder umdrehen möchte. Für Karlheinz Essl ist die Freundlichkeit des Personals „absolut wichtig“: Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft ist hier das allerwichtigste. Wenn man in das Museum kommt, dann muss man wissen, dass man hier herzlich willkommen ist. Das ist das Aller-Aller-Entscheidendste. Es muss eine angenehme Atmosphäre herrschen. [...] Wenn man die Türe öffnet, muss man den Geist des Hauses spüren.
Das Essl Museum ist die einzige Institution, die strategisches Besuchermanagement betreibt. Karlheinz Essl erkennt die Bedeutung von Besucherbefragungen, die zur Verbesserung publikumsorientierter Museumsarbeit beitragen können. Das Museum mit seinem Standort Klosterneuburg, 15 Kilometer von Wien entfernt, muss mit vielen Mitbewerbern um die Gunst des Publikums wetteifern. In einem kulturell stark geprägten Umfeld ist es besonders wichtig, Stammpublikum aufzubauen und Besucher an das Museum zu binden. Hier können Befragungen helfen, eine genaue Kenntnis der Wünsche und Bedürfnisse des Publikums zu erhalten und Angebote zu entwickeln, die zielgruppengenau auf die diversen Interessensgruppen und deren Erwartungen zugeschnitten sind. Das Museum kann mithilfe der Befragungsergebnisse flexibler auf die Komplexität der unterschiedlichen Motivationen reagieren und dem Individualitätsanspruch der Kunden entgegen kommen. Bei uns gibt es auch laufend Besucherbefragungen, und ich bin überzeugt, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Natürlich gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten, aber ich bin sehr zufrieden. Bei allen anderen Einrichtungen gibt es nur periphere Bemühungen oder nur wenig Interesse und Zeit, sich näher mit Publikumswünschen auseinander zu setzen. Stellvertretend sei hier Hans-Michael Herzog zitiert, der auf die Frage, ob das Daros Museum Zürich Besucherbefragungen durchführt, wie folgt antwortet: Nein, das haben wir nie gemacht. Ich kenne diese Umfragen noch aus meiner Zeit in Deutschland und da waren diese Untersuchungen nie besonders sinnvoll und ergiebig. Ich halte das alles auch nicht für zweckmäßig. Besser ist es, man informiert sich in einschlägigen Fachmagazinen, wie beispielsweise der Stand der Dinge im Land ist. Denn das Phänomen ist ja überall gleich. Der Großteil der privaten Sammler erkennt an strategischem Besuchermanagement keinen Nutzen. Sie vertrauen darauf, dass positive Mundpropaganda Begehrlichkeiten bei potenziellen Besuchern weckt und Interesse schürt (vgl. Kapitel 7.9). Analog zu dieser Haltung gibt es nur in drei von zehn untersuchten Sammlungen Programme und Maßnahmen zur Besucherbindung. Das Essl Museum, das Frieder Burda Museum und das Museum Biedermann bieten mit dem Angebot von Jahreskarten einen finanziellen Anreiz, das Museum und seine Ausstellungen öfter zu besuchen. Für einen öffentlichen Privatsammler stellt eine hohe Zahl an Rezipienten einen ideellen Wert dar. Ein großes Publikumsinteresse an seiner Sammelleidenschaft bereitet dem Privatsammler Freude und Bestätigung. Im Unterschied dazu stellen die
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Besucher für ein öffentliches Museum die Rechtfertigung seiner Existenz dar. Maßnahmen zur Besucherbindung und Besucherneugewinnung sind daher zentrale Faktoren der Museumsarbeit. Öffentliche Museen konkurrieren mit anderen Museen, Freizeiteinrichtungen und kulturtouristischen Anbietern um die Aufmerksamkeit und das Zeitbudget potenzieller Besucher. Auf die Frage, ob es einen Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Kunsteinrichtungen um Besucher geben könnte, antworten alle Privatsammler mit einem entschiedenen Nein: Ich persönlich sehe keinen Wettbewerb. Ich würde mich auch an so einem Wettbewerb nie beteiligen. Die Besucherzahlen sind mir auch nicht so wichtig. Mir ist es wichtiger, wenn ich hier einige Architekten-Autos mit Schweizer Kennzeichen sehe, als wenn eine Touristengruppe der Gartenschau hier noch schnell vorbeischaut. Die sind gerne willkommen, aber die wirklich interessierten Besucher sind unsere Zielgruppe, sagt Margit Biedermann. Aber nein!, empört sich Thomas Olbricht. Da haben wir doch gar keine Chance. Ich will auch in gar keinen Wettbewerb treten. Ich glaube, kein Museum in Berlin muss Sorge haben, dass der Besucherstrom, oder ein zählbarer Teil davon, von den privaten Initiativen abgezweigt wird. Auf gar keinen Fall. Das ist nicht so, und ich kann es mir auch nicht vorstellen. Ein Beispiel: Udo Kittelmann hat mit seinen neuen Konzepten doch großen Erfolg. Wie sollen wir da in einen Wettbewerb treten? Das geht doch gar nicht. Friedrich E. Rentschler ist der einzige Sammler, der auch Vorteile einer möglichen Konkurrenzsituation sieht. Da Museen und Privatsammlungen aufgrund ihrer Sammlungen und Ausstellungsthemen aber so unterschiedlich sind, sieht er darin keinen Nachteil. Nutznießer dieser Vielfalt ist das Publikum. Ja, Wettbewerb belebt das Geschäft und, da jede Sammlung sich unterscheidet, können Interessenten beim Besuch der verschiedenen Sammlungen das große Spektrum der Kunst erleben. Hans-Michael Herzog hat viele Jahre im öffentlichen Kunstbetrieb in Deutschland gearbeitet und kennt daher die Vor- und Nachteile beider Seiten. Der fundierte Kenner der Kunstszene beurteilt die Lage wie folgt: Ich glaube, dass viele Private sich diesem Wettbewerb gar nicht stellen. Die Privaten sind viel relaxter, weil sie diesen Druck durch die Politik nicht haben. Dennoch schauen sicherlich alle privaten Einrichtungen auf ihre Besucherzahlen. [...] Viele Private wollen vielleicht unter sich bleiben. Diese Beschränkung bietet dann auch die schöne Möglichkeit, sich ruhig und konzentriert der Kunst zu widmen. [...] Daher finde ich die elitäre Geisteshaltung, die bei den privaten Einrichtungen vorherrscht, gar nicht schlecht. Denn dann hat man ein Publikum, das gezielt kommt, sich die Zeit nimmt und sich intensiv der Kunst widmet. Das ist für die Auseinandersetzung mit Kunst sinnvoll und ideal. Zusammenfassend lässt sich aus den Statements erkennen, dass das Untersuchungsfeld im Bereich der Besucherorientierung in zwei Tendenzen gegliedert ist.
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Am Beispiel des Museum Frieder Burda kann die große Bedeutung hoher Besuchszahlen für die eher museal geführten Häuser abgeleitet werden. Dem Museum gelingt es, beispielsweise bei der Sonderausstellung „Chagall im neuen Licht“ 195.000 Besucher in vier Monaten zu generieren. Diese herausragende Leistung wird selbst von nur wenigen öffentlichen Museen übertroffen. Die erste Gruppe, zu der weiterhin das Essl Museum, die Langen Foundation und der me Collectors Room Berlin gehören, bieten regelmäßige Ausstellungen und umfangreiche Begleitprogramme, die Besucher an das Haus binden und neue Publikumsschichten interessieren sollen. Sie sind stärker publikumsorientiert ausgerichtet als die zweite Gruppe der öffentlichen Privatsammlungen, die eher privaten Charakter haben und zweifelsohne auch an den Besuchern interessiert sind, allerdings nicht zwingend an deren Quantität. Die Sammlungen Hoffmann, Boros, FER Collection und Julia Stoschek Collection sowie das Museum Biedermann und Daros Museum Zürich sind primär an einer intensiven Auseinandersetzung mit einem kunstaffinen Publikum interessiert. Mit eingeschränkter Zugänglichkeit, Voranmeldung und obligatorischen Führungen steuern vier dieser Privatsammlungen den Besucherstrom. Sämtliche privaten Einrichtungen vertreten eine äußerst besucherfreundliche Haltung. Die Besucher werden als Gäste empfangen und während ihres Aufenthaltes gut betreut. Allerorts wird auf ein freundliches Zusammentreffen mit dem Personal und eine anregende Atmosphäre geachtet, die zur positiven Wahrnehmung eines Ausstellungsbesuches beitragen. Für Besucher übt darüber hinaus die Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre und der exklusive Charakter mancher Privatsammlungen einen besonderen Reiz aus. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Konsequente Besucherorientierung“ wurden drei Erfolgskriterien für öffentliche Museen benannt: Strategisches Besuchermanagement (EK 17), erster Eindruck des Museums und positive Atmosphäre (EK 18) und Freundlichkeit und Kommunikationsfähigkeit des Personals, das in direktem Kontakt mit den Besuchern steht (EK 19). Während strategisches Besuchermanagement in Form von Besucherbefragungen und Maßnahmen zur Steigerung der Besucherzufriedenheit und der Besucherbindung von den öffentlichen Privatsammlungen kaum praktiziert wird und daher keine Relevanz hat, tragen die beiden anderen Kriterien sehr wohl zum Erfolg der Einrichtungen und auch zur Zufriedenheit der Besucher bei. Alle Privatsammlungen zeichnen sich durch eine publikumsfreundliche Haltung und zeitgemäße Hinwendung zum Publikum aus. Oft sind es nur kleine Gesten, die große Wirkung entfalten und bei den Besuchern nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dazu gehören persönliche Begegnungen mit dem Sammler, zuvorkommende Gespräche mit Mitarbeitern, eine anregende Stimmung und durchgängig praktizierte hohe Qualitätsstandards im Bereich der Publikumsbetreuung. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Publikumsfreundliche Haltung
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Ein weiterer Erfolgsfaktor öffentlicher Privatsammlungen liegt in der Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre, denn neben den Sammlungen stehen auch immer die Sammlerpersönlichkeiten selbst im Interessensfokus des Publikums. Das zunehmende Interesse der Öffentlichkeit an privaten Sammelstrategien und subjektiver Kunstleidenschaft lässt sich auf den hohen Markt- und gesellschaftlichen Stellenwert der zeitgenössischen Kunst zurückführen. Die beträchtlichen Summen, die für aktuelle Kunstwerke ausgegeben werden, schüren auch das Interesse am Lebensstil jener Personen, die sich solch hohe Summen leisten können. Wie bei einem Blick hinter die Kulissen können die Besucher neben der Betrachtung der vom Geschmack des Sammlers geformten Kunstkollektion auch einen Eindruck von seinem Privatleben erhalten, wenn sie als Gäste in seinem persönlich geprägten Bereich empfangen werden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre Etwa die Hälfte der untersuchten öffentlichen Privatsammlungen interessiert ein großes und breites Publikumsspektrum für ihre Angebote. Sechs Sammlungen wollen hauptsächlich kunstinteressierte Besucher ansprechen und eine fundierte Kunstbetrachtung fördern. Die Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre gepaart mit einer quantitativen und zeitlichen Beschränkung im Zugang versprechen ein exklusives Erlebnis. Ähnlich wie zeitlich limitierte oder exklusive Warenangebote das Verhalten von Konsumenten verändern und über interpersonelle Kommunikation zu einer Verstärkung der Nachfrage führen, so steigert der limitierte Zugang zu Privatsammlungen deren Exklusivität. Für das Publikum stiftet der Besuch einen ideellen Nutzen, er vermittelt Prestige und Kennerschaft und zeichnet die Rezipienten gegenüber andern aus. Der exklusive Charakter übt eine große Anziehungskraft aus und stellt einen Erfolgsfaktor dar. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Exklusivität
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Ö FFENTLICHKEITSARBEIT
UND
M ARKETING
„Wenn nur wenige Besucher kommen, macht mir das auch nichts aus.“ MARGIT BIEDERMANN
„Jede Art von unternehmerischer Tätigkeit erfordert Marketing. Es gibt keine Ausnahme. Es ist nicht möglich, ohne Marketing Erfolg zu haben“, so ein Leitsatz aus dem Buch Guerilla-Marketing (Levinson 1990: 10). Es ist sicherlich richtig, dass Marketing- und Werbemaßnahmen notwendig sind, um Produkte bekannt zu machen und dadurch eine hohe Nachfrage möglicher Nutzer zu erreichen. Das gilt aber nur
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dann, wenn die Zieldefinition des Unternehmens auch vorsieht, einen größtmöglichen Kreis von Kunden ansprechen und diesen durch gezielte Maßnahmen und Angebote an das Unternehmen binden zu wollen. Die Aussage von Levinson ist daher in Bezug auf die öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie zu relativieren. Wie in Kapitel 7.8 gezeigt wurde, sind 60% der befragten privaten Einrichtungen dieser Studie nicht unternehmerisch ausgerichtet und haben kein Interesse an einer Kundenbzw. Besuchermaximierung. Margit Biedermann sagt dazu: Uns geht es nicht um die Menge der Besucher. Wir werden hier nie BlockbusterAusstellungen machen. Mir geht es um die Qualität der Besucher. Mir ist es lieber, es kommen fünf wirklich interessierte Besucher, mit denen man dann vielleicht auch mal ein gutes Gespräch führen kann, als es kommen hundert Besucher, die schnell an den Bildern vorbeilaufen und sich nur 30 Minuten hier im Haus aufhalten. Das ist es nicht, wofür dieses Haus gebaut wurde. Wir haben im ersten Stock des Museums einen Leseraum eingerichtet, wo man verweilen kann und in den Katalogen blättern. Das finde ich auch wichtig. Derselben Meinung ist Julia Stoschek: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sind natürlich wichtig, aber nicht in dem Sinne, dass wir große Anstrengungen unternehmen, um möglichst viele Besucher zu erreichen. Wir sind nicht an der Quantität der Besucher interessiert, sondern an der Qualität. Die wirklich interessierten Besucher interessieren uns und die finden uns auch ohne große Werbe- und Marketingaktivitäten. Christian Boros ist von Beruf Werbefachmann und daher mit Marketingpraktiken bestens vertraut. Zu seiner spektakulären Sammlungspräsentation in einem ehemaligen Hochbunker, die jedes Wochenende nach Voranmeldung öffentlich zugänglich ist, sagt er: Der Besuch der Sammlung Boros ist kein Pflichtprogramm, wenn man nach Berlin kommt. Aber er muss begehrlich sein. Begehrlichkeit wird nicht durch Anzeigen und auffällige Marketingkampagnen geschürt, sondern Christian Boros setzt auf interessierte Besucher und Weiterempfehlung. Er nimmt Einladungen zu Vorträgen an, gibt viele Interviews und scheint auch darauf bedacht zu sein, ein Fachpublikum zu erreichen. Der Kontakt zur Öffentlichkeit ist mir sehr wichtig. Ich bin kein verschlossener Griesgram. Ich mache Vorträge und berichte fremden Menschen von meiner Leidenschaft. Immer in der Hoffnung, dass sich die Begeisterung überträgt. [...] Vielleicht interessieren sich diese Menschen dann für die Sammlung. Sie kommen und erzählen wiederum anderen Menschen davon. Christian Boros setzt stark auf Mundpropaganda. Die Verbreitung von Informationen oder Empfehlungen durch mündliche Weitergabe, auch Viral-Marketing genannt, wird gerne als eine der wirksamsten Werbeformen beschrieben, denn persönlichen Empfehlungen wird großes Vertrauen entgegen gebracht. Wenn Kunden mit einem Produkt besonders zufrieden waren oder eine Dienstleistung mit einer persönlichen und emotional geprägten Beziehung verbunden wird, dann werden diese Leistungen
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auch weiter empfohlen. Darüber hinaus gelten Partizipation, aktive Involvierung und intensive Auseinandersetzung als Movens für positive Mundpropaganda. Dieser Form der effektiven Werbung vertraut nicht nur Christian Boros, sondern auch eine Reihe weiterer öffentlicher Privatsammlungen. Ob dieses Vertrauen intuitiv bedingt oder bewusst gelenkt ist, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Bei den Sammlern scheint allerdings die Überzeugung zu bestehen, dass die interessierte Öffentlichkeit auch ohne große Werbeaktivitäten Kenntnis von ihren Angeboten erlangt. Friedrich E. Rentschler ist kein Freund von großer Publicity. Er verspürt keinen Drang, möglichst viele Besucher anzulocken, sondern hat den Wunsch, möglichst gute und interessierte Besucher zu gewinnen. Für ihn bedeutet sammeln, dass man sich auch selbst sammelt und nicht, dass man sich zerstreut. Naturgemäß verneint daher der Sammler die Frage nach Werbeaktivitäten: Nein, wir machen keine Werbung und gehen auch nicht an die Presse. Die meisten Besucher kommen über persönliche Empfehlung oder aus eigenem Interesse, nachdem sie unsere Website besuchten. Genauso vertraut Erika Hoffmann auf persönliche Weiterempfehlung und erinnert sich an ein Gespräch mit der Münchner Sammlerin Ingvild Goetz. Vor uns gab es schon die private Initiative von Ingvild Goetz, mit der wir uns unterhalten haben, bevor wir überhaupt daran dachten, so etwas selbst zu machen. [...] Ingvild Goetz sagte uns, dass wir uns keine Sorgen um öffentliches Interesse machen sollten. Denn sobald man etwas angefangen habe, würde man auch Zulauf haben. Denn für uns war das schon eine wichtige Frage, ob wir uns hier so riesengroß einrichten sollten, wenn es womöglich kein Interesse gäbe. Seit vierzehn Jahren kann man die Sammlung Hoffmann ausschließlich an Samstagen nach Voranmeldung besuchen, und fast immer sind alle Führungen ausgebucht. Erika Hoffmann weiß, dass positive Weiterempfehlung der Grund für das stete Besucherinteresse ist. Wir hatten vor der Eröffnung zugestimmt, dass eine junge Frau einen Bericht für das lokale Fernsehen dreht, der eine Woche vor der Eröffnung ausgestrahlt wurde. Es machte den Anschein, dass ganz Berlin diesen Bericht gesehen hatte, denn wir hatten sehr viele Besucher am ersten Tag. Wir hatten das gar nicht erwartet. [...] Es hat sich alles von selbst ergeben. Wir machen also kaum Werbung und keine Öffentlichkeitsarbeit. Wir geben eine Anzeige im Index Berlin auf. Das ist Werbung, keine Öffentlichkeitsarbeit. Ein Nachbar nennt uns auf seinem neu entwickelten App. Hans-Michael Herzog kennt die Wirkung von Mundpropaganda. Er weist auch auf die Wichtigkeit von positiven Kritiken und Ausstellungsbesprechungen in einschlägigen Fachmagazinen hin, die von Experten und Multiplikatoren gelesen werden. Marketing würde ich für uns ganz ausschließen, außer Marketing mit geringen Mitteln. [...] Wenn man als Vergleich die Fondation Beyeler nimmt, dann ist Marketing auf diesem hohen Niveau natürlich genial. Aber das ist jenseits unserer Reichweite. Innerhalb unserer Reichweite haben wir relativ wenig Möglichkeiten. [...] Daher ist unsere PR die Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn sich das
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT unter spezialisierten Leuten herumspricht, ist das Gold wert. Wenn eine wichtige Kritikerin in Deutschland einen guten Artikel schreibt oder ihre JournalistenKollegen auf eine unserer Ausstellungen aufmerksam macht, ist das viel wichtiger.
Die Julila Stoschek Collection betreibt ebenfalls kaum Werbung. Trotzdem gibt es reges Besucherinteresse an ihrer Düsseldorfer Sammlung. Es erfüllt mich mit großem Glück, wenn ich sehe, dass Menschen sich Zeit nehmen und lange Wege in Kauf nehmen, um hierher zu kommen und meine Sammlung zu sehen. Manchmal kann ich es gar nicht fassen, dass so viel Interesse besteht. Daher macht mich das schon sehr glücklich, wenn Besucher im Haus sind. Andererseits haben wir uns ganz klar entschieden – das unterscheidet uns wahrscheinlich auch von anderen Sammlungen – dass wir nicht so viel Werbung machen. Wir sind ein bisschen versteckt im Hinterhaus, das hat einen privaten Charakter und das soll auch so bleiben. Thomas Olbricht antwortet auf die Frage nach dem Stellenwert von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing: Wir hoffen, dass wir das möglichst klein halten können, weil das sehr viel Geld kostet. Auf der anderen Seite weiß ich, dass das sehr wichtig ist. Aber ich glaube nicht, dass es wichtig ist, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Lediglich zwei private Einrichtungen mit Museumsniveau – das Essl Museum und das Frieder Burda Museum – betreiben aktive und umfangreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Museum Essl beschäftigt neun Mitarbeiter in den Bereichen Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Sponsoring und Tourismus. Karlheinz Essl erklärt: Die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing haben einen sehr hohen Stellenwert. Wir bemühen uns, interessante Ausstellungsprojekte zu realisieren, die mitunter einen neuen Blick in die verschiedenen Kunstregionen der Welt ermöglichen. Dies bedarf einer entsprechenden Kommunikation. Zum einen Richtung Presse und Öffentlichkeit, zum anderen ist aber auch die interne Kommunikation ein wesentlicher Bestandteil dieser Abteilung. Karlheinz Essl spricht einen sehr wichtigen Punkt an – die interne Kommunikation. Die Informationsweitergabe an die Mitarbeiter setzt diese in die Lage, im direkten Kontakt mit dem Publikum kompetent Auskunft geben zu können. Eine permanente Informationsverbreitung unter den Mitarbeitern sorgt darüber hinaus für Transparenz, Effizienz, Motivation und führt zu Zufriedenheit und Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Museum (vgl. Kapitel 7.8). Das Frieder Burda Museum arbeitet seit der Museumsgründung im Jahr 2004 mit einer externen Werbeagentur zusammen. Innerhalb weniger Jahre ist dieses private Haus zu einem wichtigen und festen Bestandteil der internationalen Museumslandschaft geworden. Es hat einen sehr guten Ruf, hohe Publizität und zählt mit seinen beträchtlichen Besucherzahlen zu den wichtigsten Museen Deutschlands. Die Öffentlichkeitsarbeit ist sehr wichtig. Ich habe jemanden, der von Anfang an dabei war. Es handelt sich dabei um eine externe Pressestelle, eine Medienbera-
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tung, die meine Öffentlichkeitsarbeit betreut. Es ist eine Agentur, die außerhalb des Museums arbeitet und die auch extra bezahlt wird. [...] Es gibt kaum ein Museum, das in so wenigen Jahren so bekannt wurde, auch international. Das liegt sicher an der guten Pressearbeit. Für Frieder Burda ist die Bewerbung seiner öffentlichen Privatsammlung wesentlich, um internationale Bekanntheit zu erlangen. Er unterstreicht dies mit einem Gegenbeispiel: Die Langen Foundation, die ich sehr gut kenne. Die haben herrliche Bilder und einen wunderbaren Bau von Ando, aber kein Mensch kennt sie. Die führen ein Dasein, über das keiner spricht. Wenn die Langen Foundation aus Amerika Leihgaben haben möchte, dann wird das schwierig werden, weil man das Museum nicht kennt. Je bekannter man ist, desto leichter bekommt man Leihgaben. Da braucht man einen guten Ruf. Sabine Crasemann antwortet, ohne die Kritik von Frieder Burda zu kennen: Wir machen sehr wenig Werbung. Das kostet uns zuviel. [...] Es ist richtig, dass wir in den Kunstzeitungen wenig bis gar nicht vorkommen. Aber andere Privatsammler haben Millionen hinter sich und können viel Werbung machen. Wir haben nicht das Geld dazu. Als Grund für die spärlichen Marketing- und Werbaktivitäten führen fast alle Sammler die hohen Kosten von Anzeigen und effizienten Werbemaßnahmen ins Feld. Thomas Olbricht sagt dazu: Zum Thema Marketing: Wenn mir jemand garantieren würde, dass wir bei einer Erhöhung des Budgets 100.000 Besucher bekämen, dann würde ich bereit sein, einiges zu investieren. Aber da glaube nicht daran. Aus den bisher dargestellten Zitaten lässt sich resümieren, dass acht von zehn untersuchten Privatsammlungen keine weitreichenden Werbe- und Marketingaktivitäten durchführen. Diese Haltung deckt sich mit der in Kapitel 7.8 verstetigten Tatsache, dass für den Großteil Besuchermaximierung kein Ziel darstellt. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Maßnahmen im Bereich Marketing dienen aber vorrangig dazu, den Bekanntheitsgrad einer Einrichtung zu steigern und ein möglichst großes Interesse des Publikums zu generieren. Durch entsprechende Angebote soll die Einrichtung in der Öffentlichkeit als einmalig und unverwechselbar wahrgenommen werden, um ihr Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen freizeitorientierten Kulturstätten zu verschaffen. Ein gewisses Maß an Werbemaßnahmen erachten daher die Sammler als notwendig, wie die beiden folgenden Aussagen zeigen. Julia Stoschek führt dazu an, dass Öffentlichkeitsarbeit nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Künstler ihrer Sammlung wichtig ist. Mittlerweile haben wir auch einen großen Bereich Pressearbeit [...]. Das ist für die Sammlung und für die Künstler wichtig, dass unsere Aktivitäten öffentlich wahrgenommen werden.
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Margit Biedermann ergänzt: Wir sind ja noch ein neues Haus und müssen uns in der Öffentlichkeit noch profilieren. Ein Museum Beyeler zum Beispiel hat einen sehr guten Ruf, die müssen in dieser Hinsicht nicht mehr viel tun. Um sich in der Öffentlichkeit zu profilieren, setzen viele Sammlungen primär auf Mundpropaganda. Hans-Michael Herzog bezieht den Erfolg seines Museums gar auf positive Weiterempfehlung. Seine Energie setzt er nicht für umfangreiche Werbeaktivitäten ein, um neue Kundenkreise zu erschließen, sondern in die Qualität seiner Ausstellungen. Wir sind dann erfolgreich, wenn es sich per Mundpropaganda bei Leuten, die ein gewisses Niveau haben, positiv herumspricht, was wir hier tun. Ich bin überhaupt nicht gegen Besuchergruppen, die nicht aus den üblichen Schichten kommen. Aber in Zürich habe ich das, ehrlich gesagt, gar nicht probiert. Dafür habe ich mir nie die Zeit genommen, kunstferne Schichten für das Museum zu interessieren, denn das habe ich als müßig und a priori unmöglich eingestuft. Diese Einstellung verdeutlicht nochmals nachdrücklich, dass die Mehrzahl der untersuchten Privatsammlungen ihre Aufgabe weder in der Besucherakquirierung noch im Ansprechen kunstferner Bevölkerungsschichten sieht, sondern vorrangig auf eine fundierte Auseinandersetzung mit einem kunstinteressierten Publikum Wert legt. Betrachtet man nun Presserezensionen und die Medienberichterstattung, so lässt sich feststellen, dass neben den öffentlichen Privatsammlungen als Kunstinstitutionen die Sammler selbst wesentlicher Teil der Berichterstattung sind. Die Rezeption einer Privatsammlung bleibt nie auf die Kunstwerke beschränkt, sondern stellt auch die Persönlichkeit des Sammlers in den Mittelpunkt. Oft ist der Sammler das „eigentliche Gravitationszentrum“, so Lüddemann (2004: 194). Der Autor hat Kunstkritiken einer Ausstellung der Sammlung Boros im Leverkusener Museum Morsbroich analysiert. Dabei konnte klar festgestellt werden, dass in den Kritiken nicht die Beschreibung und Bewertung der Kunstwerke den breitesten Raum einnahm, sondern „die Ausführungen zu dem Kontextthema Kunstsammlungen und -sammler. [...] Die Präsenz des Sammlers Christian Boros scheint sogar eindringlicher zu sein als die Werke selbst“ (Lüddemann 2004: 218). In der Tat hat es in den letzten Jahren neben dem Boom der öffentlichen Privatsammlungen auch einen Boom des Medieninteresses an den Sammlern gegeben. Das hängt mit dem „geradezu grotesk überzogenen“ (Grasskamp 2010b: 62) Marktwert zeitgenössischer Kunstwerke zusammen. Die beträchtlichen Summen für Gegenwartskunst erwecken Neugier an den Personen, die solch hohe Beträge in Kunst investieren. Durch den monetären Wert und exklusiven Besitz entsteht Privilegiertheit, wodurch die Sammler einen herausgehobenen Status erhalten und ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit rücken. Während manche Sammler gerne im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen und das Medieninteresse genießen, stellen die öffentlichen Auftritte für andere Sammler ein eher schwieriges Terrain dar. „Mit dem Öffnen der Sammlung für ein breites Publikum habe ich mich als Sammler gleichzeitig selbst geöffnet“, sagt Thomas Olbricht (2010b) und ergänzt:
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„Natürlich ist auch ein Sammler eitel und genießt das große Rampenlicht. Dadurch, dass ich ein Ausstellungshaus in Berlin habe, muss ich mich der Öffentlichkeit stellen“ (Olbricht 2011). Öffentlichkeit und Marketing gehören zum Job, meint ebenfalls Christian Boros. Man darf sich nicht verstecken. Ich laufe am Wochenende auch durch die Sammlung, ich bin zum Anfassen. Ich ziehe mich nicht zurück. Andere Sammler wollen lieber im Hintergrund bleiben. Für sie kann das Sprechen über ihre Sammlung und die Erklärung kunsthistorischer Zusammenhänge auch eine Belastung bedeuten. Sabine Crasemann sagt dazu: Am Anfang hatten wir Herrn Szeemann, der das Haus eröffnet hat, Herrn Zweite, der die Rede zur Grundsteineröffnung gehalten hat, aber dann mussten wir selbst in der Presse sein. Das war nicht immer einfach. Ich musste dann immer Rede und Antwort stehen. Auch Margit Biedermann erklärt: Ich will als Museumsgründerin und Sammlerin gar nicht so im Vordergrund stehen und in der Öffentlichkeit präsent sein. Denn da muss man immer aufpassen, was man sagt, denn oft werden Worte ganz anders ausgelegt. Ich möchte mich in dieser Hinsicht gerne zurücknehmen. [...] So ist auch meine Einstellung zur Kunst. Ich muss nicht vorne als Frau Biedermann stehen und sagen, „Das ist mein Museum, das ist mein Künstler.“ Ich bin im Hintergrund und wenn ich sehe, dass die Leute zufrieden sind, ist das für mich gut. Mehr brauche ich nicht. Frieder Burda führt an, dass die Eröffnung eines Privatmuseums schon mit dem eigenen Ego zu tun hat – aber in meinem Falle war es doch ganz weit zurückgenommen. Denn ich bin jemand, der nicht so gern in die Öffentlichkeit geht. Zu den zurückhaltenden Sammlern sind auch Friedrich E. Rentschler, Ruth Schmidheiny und Erika Hoffmann zu zählen. Die Berliner Sammlerin sagt: Unsere Priorität war immer, mit den Kunstwerken, die wir gesammelt hatten, auch zu leben. Wir haben immer nur für uns gesammelt, waren immer anonyme Leihgeber und wollten uns gar nicht als Sammlung darstellen. Die Schweizerin Ruth Schmidheiny ist in der Öffentlichkeit kaum präsent. Alle Agenden ihrer Sammlung betreut der Generaldirektor der Daros Latinamerica AG, Hans-Michael Herzog. Auch der Phantasiename der Sammlung lässt keinerlei Aufschluss über die Identität der Sammlerin und Gönnerin zu. Wir unterscheiden uns von den anderen privaten Sammlern eigentlich dadurch, dass wir keine Sammler sind. Frau Schmidheiny ist kein Sammlertyp. Sie macht das nicht aus Eitelkeit, sie will nicht präsentieren und repräsentieren mit ihrer Kunst. Bei ihr ist das eher eine Neigung, so Hans-Michael Herzog.
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Sieben von zehn Privatsammlern dieser Studie treten in der Öffentlichkeit selten auf. Diese Tatsache zeigt, dass die latente Kritik, Sammler würden ihre Kollektionen lediglich aus Prestigegründen zugänglich machen und nur an gesellschaftlichem Renommee interessiert sein, auf Vorurteilen und klischeehaften Annahmen beruht. Das oben angesprochene mediale Interesse gilt zwar allen Sammlern, konzentriert sich aber eher auf jene, die sich und ihre Sammlungen stärker ins Gespräch bringen wollen. Die in den letzten Jahren zahlreich erschienenen Coffee-Table-Books und Berichte in Hochglanzmagazinen, die Sammler in ihrem Zuhause zeigen, sind Beleg dafür. Grasskamp (2010a: 26) merkt dazu kritisch an, dass die Magazinreporter den „glamourösen Sammlerstars [...] scharenweise hinterherstiefeln, damit auch ein wenig Glanz auf sie abfallen möge“. Berichterstattungen über die Sammler dieser Studie lassen sich weniger in Hochglanzmagazinen als in einschlägigen Fachbüchern und zeitgenössischen Kunstzeitschriften finden. Eine Kunsteinrichtung kommuniziert neben der Person des Sammlers, ihren Ausstellungen und ihren Publikationen vor allem über ihre Werbemittel mit der Öffentlichkeit. Eine der heute wichtigsten Formen des Informationsaustausches stellt das Internet dar. In den letzten zehn Jahren hat sich das Internet von einem nur von Wenigen genutzten Kommunikationsmittel zu einem modernen Massenmedium entwickelt. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach sind heute zwei Drittel der Deutschen online und nutzen das Internet als globale Informationsund Kommunikationsmöglichkeit.1 Durch das Internet hat sich das Informationsverhalten der Menschen tiefgreifend verändert. Heute besuchen viele Interessierte vor dem realen Ausstellungsbesuch die Website der jeweiligen Kultureinrichtung, um sich über Programme, Anreisemöglichkeiten und Eintrittspreise zu informieren. Daher stellt die Internetpräsenz einer öffentlichen Privatsammlung die wichtigste Werbeplattform dar und kann als erste Visitenkarte des Hauses gewertet werden. Alle untersuchten Privatsammlungen verfügen über überzeugend gestaltete Websites in ihrem Corporate Design und bieten dem Publikum ausreichende Informationen zum Besuch ihrer Einrichtungen. Eine systematische Analyse der Websites hat ergeben, dass jene Sammlungen, die einen möglichst großen Interessentenkreis ansprechen möchten, auch umfangreichere, besucherrelevante Informationen bereithalten als die Einrichtungen, die sich eine konzentrierte und fundierte Auseinandersetzung mit der von ihnen gesammelten Kunst wünschen. Diese hingegen präsentieren vielfältigere Angaben über Inhalte und kunsthistorische Zusammenhänge ihrer Sammlungen, ausführliche Künstler- und Werkverzeichnisse und erläuternde Texte. Die Zurückhaltung der Sammler, sich öffentlich zu präsentieren, lässt sich auch auf ihren Websites erkennen. Nur bei vier von zehn Internetauftritten werden die Sammlerpersönlichkeiten mit einer ausführlichen Biografie oder einem Interview sowie einem Bild vorgestellt. Lediglich Margit Biedermann, Friedrich E. Rentschler, Agnes und Karlheinz Essl sowie Frieder Burda gewähren dem Internetnutzer Einblick in ihren Lebenslauf als Person und Sammler. Die Mitarbeiter der privaten Kunsträume werden auf allen Seiten mit ihren Namen und Funktionen vorgestellt,
1
Vgl. Infosys-Studie Social Media, IT & Society 2011. In: http://www.infosys.com/german/newsroom/press-releases/documents/social-media-it-society2011.pdf (1.11.2011).
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die Daros Latinamerica AG und der me Collectors Room Berlin präsentieren ihr Team auch visuell. Bis auf die Sammlungen Hoffmann und FER Collection nutzen alle Privatsammlungen ihre Websites als Werbe- und Presseplattformen und präsentieren geschützte Pressebereiche mit vielfältigen Textinformationen, eine Auswahl an Presserezensionen und druckfähige Bilddaten zum Downloaden. Die Website als Medium der Kundenbindung wird weniger genutzt, denn nur fünf Häuser – Museum Biedermann, Julia Stoschek Collection, me Collectors Room Berlin, Daros Latinamerica AG und Essl Museum – bieten ihrem Publikum die Möglichkeit, einen elektronischen Newsletter zu bestellen. Die Nutzung von Social Media-Plattformen wird von vier Einrichtungen (Julia Stoschek Collection, me Collectors Room, Museum Frieder Burda, Langen Foundation) praktiziert. Alle virtuellen Präsentationen zeugen von einer besucherfreundlichen Einstellung. Auf den Seiten finden sich Hinweise zu Barrierefreiheit und der Möglichkeit, die Ausstellungsräume mit Kinderwagen zu besuchen, Ausflugtipps für die nähere Umgebung, Anfahrtsbeschreibungen und Angaben über Parkmöglichkeiten. Videos, eindrucksvolle Bilder von Ausstellungen und den architektonischen Besonderheiten machen Lust auf einen realen Besuch. Alle Einrichtungen bieten englischsprachige Versionen ihrer Homepages an. Das Museum Biedermann präsentiert darüber hinaus eine französische Ausführung, und die Daros Latinamerica AG verfügt aufgrund ihrer geografischen Ausrichtung auch über spanische und portugiesische Fassungen. Die eigene Website dient der Präsentation und Profilierung der öffentlichen Privatsammlung. Sie ist das zentrale Medium der Selbstdarstellung. Als strategisches Marketing-Instrument wird sie aber genauso wenig genutzt wie die bewusste Herausbildung eines Alleinstellungsmerkmals. Von öffentlichen Museen wird heute allseits ein klares Markenprofil gefordert, das für Besucher eine Orientierung und klare Unterscheidung von anderen Museen und Kulturanbietern schafft. Die Markenbildung im Kulturbetrieb scheint derzeit in aller Munde. Man gewinnt fast den Eindruck, ohne Branding ist eine Kultureinrichtung kaum überlebensfähig. Durch die Interviews konnte allerdings nicht belegt werden, dass die Privatsammler große Anstrengungen unternehmen, ihre Einrichtungen als Marken zu positionieren. Ihre Namen stehen für ihr Programm. Wie an unterschiedlichen Stellen der Studie bereits angedeutet, stellen die Sammlerpersönlichkeiten, ihre individuellen Sammlungskonzepte und ihre besonderen Architekturen selbst Marken dar und unterscheiden sich dadurch von anderen privaten und öffentlichen Sammlungen. Jeder Sammler hat sein eigenes Sammlungsprofil, und mit seinem Namen werden die Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale verbunden. Differenzierung in der Museumslandschaft erhalten die öffentlichen Privatsammlungen außerdem durch ihre auffälligen Architekturen. Das markanteste Beispiel dafür ist das ungewöhnliche Museumsgebäude der Sammlung Boros. Der Bunker repräsentiert ein "Landmark" in der Berliner Kunst- und Kulturszene und verschafft der Sammlung Boros dadurch in der Gunst des Publikums einen Bonus gegenüber anderen Berliner Privatsammlungen.
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Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Öffentlichkeitsarbeit und Marketing“ wurden vier Erfolgskriterien für öffentliche Museen verstetigt: Ein langfristiges Marketingleitbild und Marketinginstrumentarium (EK 20), Umfang und Qualität der externen Kommunikation (EK 21), das virtuelle Museum (EK 22) und das Museum als Marke (EK 23). Wie die Darstellung in diesem Kapitel gezeigt hat, haben diese Kriterien für öffentliche Privatsammlungen eingeschränkte Bedeutung. Umfangreiche Marketingaktivitäten und Kommunikationsmaßnahmen werden lediglich von zwei Privatsammlungen (Essl Museum, Museum Frieder Burda) getätigt, tragen aber nachweislich zum Erfolg dieser Einrichtungen bei. Aus diesem Grund wird das Erfolgskriterium „Umfang und der Qualität der externen Kommunikation“ (EK 21) auch für öffentliche Privatsammlungen übernommen. Alle anderen Einrichtungen verzichten hingegen – häufig auch aus Kostengründen – auf breit angelegte Werbemaßnahmen. Sie vertrauen darauf, dass ihre Angebote weiter empfohlen werden und sich in den einschlägigen Kreisen herumsprechen, denn Besuchermaximierung und das Akquirieren von Personenkreisen, die sich bisher nicht für Kunst interessiert haben, ist für den Großteil der Privatsammler irrelevant. Ein weiterer Erfolgsfaktor öffentlicher Privatsammlungen liegt daher in der positiven Mund-zu-Mund-Propaganda begründet. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Positive Mund-zu-Mund-Propaganda
Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Umfang und Qualität der externen Kommunikation Für Kultureinrichtungen stellt das Internet heute die bedeutsamste Kommunikationsund Informationstechnologie dar. Die Wichtigkeit dieses jungen Mediums ist evident. Die eigene Website dient der Selbstdarstellung der öffentlichen Privatsammlung und als Präsentationsplattform ihrer Angebote. Da der Internetauftritt einer Privatsammlung meist den ersten Kontaktpunkt mit dem realen Besucher darstellt, kann eine ansprechende Internetpräsenz auch als ein Erfolgsfaktor gewertet werden. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Ansprechende und informative Internetpräsenz Neun der untersuchten Privatsammlungen tragen den Namen des Sammlers im Titel. Der Name bürgt für die subjektiv zusammengestellte Sammlung und verweist auf die private Trägerschaft. Da in vielen Fällen Unternehmerfamilien hinter den privaten Sammlungen stehen, werden mit dem eigenen Namen auch die Werte der jeweiligen Firmen und Familien transportiert. Der Sammlername steht für das Selbstverständnis der öffentlichen Privatsammlung und schafft eine Profilierung und Differenzierung gegenüber anderen privaten und öffentlichen Sammlungen. Mit der Namensmarke
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werden die individuellen Ausprägungen der Kollektion und alle Besonderheiten der Einrichtung kommuniziert. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Sammlername als Marke
7.10 F LANKIERENDE S ERVICEEINRICHTUNGEN „Ich möchte das Museum nicht als Unterhaltungsbetrieb führen.“ MARGIT BIEDERMANN
In diesem Kapitel wird dargestellt, welche flankierenden Serviceleistungen öffentliche Privatsammlungen für ihre Besucher bereithalten, die über den eigentlichen Ausstellungsbesuch hinausgehen. Unter flankierenden Serviceangeboten werden Leistungen und Maßnahmen verstanden, die neben dem originären Ausstellungsbesuch zusätzliche Anziehungskraft und Attraktivität für die Besucher erzeugen können. Neben äußeren Rahmenbedingungen wie einer besonderen Museumsarchitektur (7.10.1) und dem Standort (7.10.2) zählen auch ein erweitertes Angebotsspektrum im Inneren des Museums wie ein Café oder ein Shop dazu (7.10.3). Zudem können eine außergewöhnliche Atmosphäre und ein ansprechendes Ambiente auf das Publikum besondere Anziehungskraft ausüben. Der Großteil der untersuchten Privatsammlungen misst im Allgemeinen ergänzenden Zusatzangeboten wenig Bedeutung bei. Margit Biedermann sei hier stellvertretend zitiert: „Ich möchte das Museum nicht als Unterhaltungsbetrieb führen. Die Besucher sollen sich hier auf die Kunst konzentrieren.“ Ausnahmen stellen allerdings jene drei Sammlungen dar, die über einen explizit musealen Charakter verfügen, wie das Essl Museum, das Museum Frieder Burda und der me Collectors Room Berlin. Diese Häuser legen neben der professionellen Kunstpräsentation besonderes Augenmerk auf flankierende Angebote. 7.10.1 Museumsarchitektur „Das Museum ist das größte Kunstwerk der Sammlung.“ MARIANNE LANGEN
Wollen private Sammler ihrer Kunst Raum und Öffentlichkeit verschaffen, stellt die Frage nach dem Ort der Präsentation und der äußeren Hülle einen zentralen Faktor in der Umsetzung dieser Idee dar. Für eine Kunstsammlung ist die Architektur ein wichtiges Kommunikationsmittel nach außen, sie empfängt den Besucher, kann seine Erwartungshaltung positiv unterstützen und auf ein außergewöhnliches Kunsterlebnis einstimmen. In diesem Sinn bezeichnete die Sammlerin Marianne Langen ihr Museum als „das größte Kunstwerk der Sammlung“.
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In den letzten zwei Jahrzehnten hat kaum eine Kultureinrichtung derart an Attraktivität gewonnen wie das Kunstmuseum. Das liegt an der Wertschätzung und Faszination der Gegenwartskunst, aber auch an den spektakulären Museumsbauten. Ein kurzer Blick in die jüngere Vergangenheit verdeutlicht die Entwicklung der Museumsarchitektur, die heute als Königsdisziplin der Architektur gilt. Ein wichtiger Impuls für die Popularität der Museumbauten ging zweifellos vom Centre Georges Pompidou aus, das 1977 im Zentrum von Paris eröffnet wurde. Der von Renzo Piano und Richard Rogers konzipierte Bau präsentierte sich nicht mehr als geschlossener Kunsttempel, sondern als offene Begegnungsstätte, die auch NichtMuseumsbesucher als Aussichtsplattform oder kulturellen Treffpunkt nutzen konnten. Aufgrund seiner unterschiedlichen Nutzungen und seiner besonderen Architektur, die die gesamte tragende Konstruktion sowie alle Leitungen und Lüftungsrohre außen sichtbar macht, avancierte das innovative Kunstgebäude rasch zum neuen Pariser Wahrzeichen. Mit diesem Bauwerk hatte das Museum „seine Pathosformel verloren“ (Greub / Greub 2006: 2). Zwanzig Jahre später wurde das Guggenheim Museum in Bilbao eröffnet (1997), das eine weitere Ära in der Emanzipation der Architektur von der Kunst einläutete und eindrucksvoll veranschaulicht, dass Museumsarchitektur ein Publikumsmagnet und somit ein Erfolgsfaktor sein kann. Von dem außergewöhnlichen Museumsneubau von Frank O. Gehry profitierte die gesamte Stadt, und das Museum wurde zum Katalysator für den ökonomischen Aufschwung einer ganzen Region. Der vielzitierte „Bilbao-Effekt“ wurde zum Vorbild vieler Kulturpolitiker in Europa, die sich von einem spektakulären Museumsneubau neben der wirtschaftlichen und touristischen Aufwertung ihrer Städte auch eine Imageförderung erhoffen. Seit Bilbao können zwei Tendenzen in der Museumsarchitektur festgestellt werden: Auf der einen Seite lässt sich eine Dominanz der Architektur über die Kunst erkennen, die vorrangig in der dekonstruktivistischen Bauweise angesiedelt ist. Ein aktuelles Beispiel ist das MAXXI in Rom (2008), konzipiert von der PritzkerPreisträgerin Zaha Hadid. Auf der anderen Seite zeigt sich eine eher minimalistische Architektur, die sich durch klassische Bescheidenheit auszeichnet und der Kunst unterordnet, aber dennoch ihre Aussagekraft behält. Ein frühes Beispiel dieser zweiten Form ist das private Museumsgebäude von Ingvild Goetz in München von Jaques Herzog & Pierre de Meuron (1992) oder das Kunsthaus Bregenz von Peter Zumthor (1997). Für vier Museumsneubauten dieser Studie kommt ausschließlich die zweite Tendenz zum Tragen. Das Essl Museum, das Museum Frieder Burda, die Langen Foundation und der me Collectors Room Berlin wurden von zum Teil sehr renommierten Architekten erbaut. Die Gebäude zeichnen sich durch elegante architektonische Klarheit aus und bieten der Kunst in puren Räumen höchste Entfaltungsmöglichkeiten. Drei Sammler haben sich für den Umbau historischer Solitärgebäude entschieden. Während sich bei der Sammlung Boros eine deutliche Dominanz der Architektur über die Kunst erkennen lässt, bestechen das Museum Biedermann und die Julia Stoschek Collection durch behutsame Renovierungen, die die Präsentation der Kunst ins Zentrum rücken. Die Ausstellungsräumlichkeiten der letzten drei Privatsammlungen sind in größere Gebäudekomplexe integriert, die allesamt in wiederbelebten historischen Bauwerken (Sammlung Hoffmann und Daros Latinamerica AG,
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Sammlung FER Collection) untergebracht sind. Die verschiedenen Architekturkonzepte der jeweiligen Privatsammlungen wurden in den Kapiteln 6.2 bis 6.11 vorgestellt. An dieser Stelle sollen nun die Sammler mit ihren Erfahrungen im Umgang mit den Museumsbauten zu Wort kommen. Die Langen Foundation ist allseits durch das herausragende Gebäude von Tadao Ando bekannt geworden. Die Vermutung, dass die Langen Foundation stärker über die Architektur als über die Kunst wahrgenommen wird, lässt Sabine Crasemann aber nicht gelten: Nein, ich glaube das ist nicht mehr der Fall. Es stimmt, es kommen immer noch viele Menschen wegen der Architektur, aber es kommen auch viele wegen der Kunst. Das Besondere an der Architektur der Langen Foundation ist, dass das Gebäude von Tadao Ando vorerst ohne Nutzung geplant war. Karl-Heinrich Müller, der Begründer des Kulturraum Hombroich (vgl. Kapitel 2.3.4), hat den renommierten Architekten um einen Entwurf für ein Museumsgebäude gebeten. Als Marianne Langen von diesem Gebäudekonzept Kenntnis bekam, finanziertes sie als Bauherrin dessen Errichtung, um ihr Lebenswerk darin sichtbar zu machen. Sabine Crasemann berichtet: Dieses Haus ist ja ein ganz spezielles Haus, es war vorgegeben. Es war zwar noch nicht gebaut, aber es gab den Plan und das Modell. Wir haben versucht, so wenig wie möglich darauf einzuwirken. [...] Dieser lange Raum im Erdgeschoss hat meine Mutter sehr fasziniert und dort sollte die Japan-Sammlung untergebracht werden. Das war für meine Mutter auch das Besondere an diesem Bau. Dieser Raum, der wie ein japanischer Kasten für Rollbilder wirkte. Die Familie Langen hat versucht, auf den Entwurf so wenig wie möglich Einfluss zu nehmen. Um das Haus als öffentliches Museum zu betreiben, waren allerdings einige grundlegende infrastrukturelle Maßnahmen für Mitarbeiter und Besucher notwenig. Sabine Crasemann erläutert: Das einzige, das wir gefordert haben, war ein Büro. Dann wurden von dem langen Ausstellungsraum einige Meter weggenommen, vorne wurde das Büro und hinten der Kassenraum geplant. Dort können wir jetzt einen Kaffee und Plätzchen anbieten, aber mehr nicht. Denn sonst hätten wir zu stark in die Architektur eingegriffen. Meine Mutter liebte dieses Haus, so wie es geplant war und sie nannte es immer das größte Kunstwerk, das sie erworben hatte. Auch Herr Ando liebt dieses Haus, eben weil ihm keiner „dreingeredet“ hat. Nur unterirdisch, in den nicht sichtbaren Bereichen, haben wir schon einige Änderungen vorgenommen, wie zum Beispiel einen Versorgungstrakt und einen Lift für das Catering. Das Museumsgebäude, für das die charakteristischen Ando-Baumaterialien Beton, Glas und Stahl zum Einsatz kamen, besticht durch seine Architektur, zeigt aber im täglichen Umgang mit den Besuchern und in den Arbeitsräumen der Mitarbeiter durchaus seine Schwächen. Dennoch antwortet Sabine Crasemann auf die Frage, welche architektonischen Veränderungen Sie heute machen würde: Keine! Sehr gerne hätte ich eine Cafeteria. Aber uns fehlt das Geld.
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Aus der ursprünglichen Idee Karlheinz Essls, ein neues Depot für seine Sammlung zu bauen, entstand eines der größten Museen Österreichs. Das Essl Museum in Klosterneuburg wurde vom österreichischen Architekten Heinz Tesar geplant. Karlheinz Essl schwärmt: Das Haus ist perfekt, was die Depots, die Anlieferung, die Besucherführung betrifft. Es gibt wunderschöne Ausstellungsräume mit Tageslicht und schönen Durchblicken. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Der me Collectors Room Berlin wurde vom Berliner Architekturbüro Düttmann + Kleymann für die Sammlung von Thomas Olbricht konzipiert. Auf einem relativ schmalen Grundstück in Berlin Mitte wurde ein Gebäude mit repräsentativen Ausstellungsräumen errichtet. Dass sich in den oberen Stockwerken Wohnungen befinden, war Auflage des Bauamts. Leider waren wir da sehr eingeschränkt, sagt Thomas Olbricht. Uns blieben kaum andere Möglichkeiten als das, was wir gemacht haben. Es ist ein relativ schmales, aber sehr tiefes Grundstück. Was ich wollte, war ein Café oder einen Ort, wo man sitzen und etwas essen kann. [...] Dann wollte ich einen relativ großen Ausstellungsraum und ich bin davon überzeugt, dass das schon sehr gut gelungen ist. Aber da bin ich jetzt auch nicht ganz objektiv. Der Bau zeichnet sich durch eine großzügige Raumaufteilung aus, die für Besucher flexible Freiräume schafft. Auf jeder Etage gibt es Verweilmöglichkeiten, die zum Dialog miteinander einladen. Thomas Olbricht versteht sein Haus mehr als kulturellen Treffpunkt, der einem möglichst großen Interessentenkreis offen stehen soll. Sein einziger architektonischer Kritikpunkt bezieht sich daher auf das sehr einladende Museumscafé: Ich hätte den Eingangsraum um zwei Meter kürzer gemacht und das gesamte Gebäude um zwei Meter von der Grundstücksgrenze weg gerückt, damit man im Sommer auch draußen sitzen kann. Das Museum Frieder Burda verdankt seine hohe Bekanntheit auch seiner großartigen Architektur. Richard Meier hat ein Architektur-Werk geschaffen, das gleichwertig neben die Kunst tritt. Sein Markenzeichen ist die Transparenz. Frieder Burda erzählt, dass er vor der Zusammenarbeit mit Richard Meier eine Reihe von Gesprächen mit anderen international renommierten Architekten geführt hat: Ich habe natürlich vorher mit einer Reihe anderer Architekten verhandelt. Mit einem Architekten-Paar war ich schon ziemlich weit. Ich hatte mit Ricardo Legorreta aus Mexiko, mit Herzog & de Meuron und vielen anderen verhandelt, aber nichts hat mir so richtig gefallen. Dann kam ich auf Richard Meier, den ich schon aus vielen Begegnungen aus New York kannte. Er war sofort begeistert. Leider kam ich viel zu spät auf ihn. Meier ist bekannt für kleine Häuser, er kann keine großen Fußballstadien bauen, aber kleine Häuser. Nach zwei, drei Monaten war das Museum, so wie man es heute sieht, schon auf dem Reißbrett fertig. Wir haben nur kleine Änderungen gemacht, so wie das üblich ist. [...] Ich muss wirklich sagen, ich bin so froh, denn das war so ein Glücksfall.
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Diese euphorische Betrachtung macht die Frage nach möglichen architektonischen Veränderungswünschen beinahe obsolet. Frieder Burda antwortet: Ich würde nichts anders machen. Ich würde es auch nicht größer wollen. Denn das Museum ist ein Juwel und Juwelen kann man nicht vergrößern und nicht verkleinern – da gehen sie kaputt. Während vier Sammler ihre Kollektionen in neu konzipierten Solitärbauten zeigen, haben sich die restlichen sechs Sammler für Umbauten historischer Architekturen entschieden. Christian Boros hat für seine Sammlung einen Berliner Hochbunker umgebaut, der sogleich zum Logo der Sammlung avancierte. Auf die Frage, ob es ihn nicht interessiert hätte, einen Neubau zu planen, antwortet er: Nein, ich habe nie über einen Neubau in Berlin nachgedacht, sondern nur über Umnutzungen von bereits existierenden Gebäuden. Wenn ich nach China gehen würde, dann würde ich unbedingt neu bauen wollen. Denn das ist ein Land, wo alles neu erfunden wird. Berlin wird nicht neu erfunden, Berlin wird neu genutzt. Deswegen haben wir mit der Entscheidung, unsere Sammlung in Berlin zu zeigen und dort mit der Öffentlichkeit zu teilen, auch festgelegt, ein bestehendes Bauwerk einer neuen Bestimmung zuzuführen und für die Kunst umzuwidmen. Das Besondere an der Präsentation der Sammlung Boros im Bunker sind seine ungewöhnlichen Ausstellungsräume, die Spuren ihrer vergangenen Nutzungen nicht verleugnen. Die Kunst braucht hier ein großes Potenzial, um sich in diesem Umfeld entfalten und behaupten zu können. Christian Boros sagt dazu: Künstler wussten das immer schon, dass es eine große Freude bereitet, Räume zu bespielen, die für eine Kunstpräsentation a priori nicht geeignet scheinen. Der Sammler sucht stets die Herausforderung, fünf Jahre hat der Bunkerumbau gedauert. Einfach eine Lagerhalle umzubauen, wäre ihm zu einfach gewesen. „Was an den Kräften zehrt, Geld und Zeit kostet, löst auch Glücksgefühle aus“, so der KunstAficionado. „Sicher hätte ich einen einfacheren Ort für meine Sammlung finden können. [...] Doch letztendlich war ich davon überzeugt, dass dieser Kraftakt die Menschen anspricht. [...] Ich zeige mit dem Berliner Projekt, was Kunst heute schafft und welche Relevanz sie hat“ (Boros 2011). Das Museum Biedermann ist ein architektonisches Kleinod in der Provinz. Die engagierte Sammlerin Margit Biedermann hat sich mit dem Umbau eines klassizistischen Gebäudes einen Traum erfüllt, obwohl sie eigentlich ein Fan neuer Architektur ist, wie sie berichtet: Ich liebe Architektur und eigentlich wollte ich etwas Neues bauen. Ich habe an eine landschaftlich schöne Gegend gedacht, wie z.B. den Bodensee, mit einem guten Restaurant nebenan, das Museum als Ausflugsziel. Ich bin an sich kein Freund von alten Gebäuden, ich bin immer für ganz neue Architektur. Deshalb gibt es bei uns an der Rückseite des Gebäudes auch diesen Anbau, denn ich wollte zumindest einen kleinen Bereich mit zeitgenössischer Architektur.
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Dass die Kombination von alter Architektur und zeitgenössischer Kunst besonderen Reiz entfalten kann, hat die Sammlerin auf ihren Reisen entdeckt. Auslöser war, dass ich in San Gimignano die Galleria Continua entdeckt habe, die in einem alten Theater untergebracht ist. Das hat mir sehr gut gefallen – diese Kombination aus Alt und Neu. Es gab dort den historischen Rahmen, den Theatervorhang und darum eine zeitgenössische Skulptur eines chinesischen Künstlers. Da habe ich gedacht, dass der Kontext, diese Verbindung und Spannung von Alt und Neu auch gut zu meiner Sammlung passen könnte. Das hat eine andere Spannung als ein White Cube ohne Fenster. Danach habe ich mich auf die Suche gemacht. Für den Umbau des historischen Gebäudes hat sich Margit Biedermann für ein junges unbekanntes Architektenpaar entschieden. Ich hatte die Wahl zwischen einem großen Namen und einem jungen Team. Das Team hat seine Chance gesehen und hat sich auch – was sehr wichtig war – dem Haus untergeordnet. Wir hatten ja auch andere Architekturentwürfe, die im vorderen Bereich des Hauses riesige Anbauten oder Glaskuben vorgesehen hatten. Da wurde keineswegs auf die vorhandene historische Bausubstanz geachtet. [...] Herr Gäbele und Frau Raufer haben eine Liebe für das Haus entwickelt und waren bereit, sich selber zurück zu nehmen und wollten dem Haus nicht unbedingt ihren Stempel aufdrücken. [...] Ich denke, dass es wichtig ist, so ein Projekt mit jungen Leuten durchzuführen, die hier eine Chance erkennen. Dann kommt der Unternehmer dazu und sagt: „Ja, wir wagen das jetzt“. [...] Man muss mutig sein und eine Vision haben, um sich an so eine Sache heranzuwagen. Heute bin ich erstaunt über meinen Mut, dass ich mir das zugetraut habe. Auch Julia Stoschek hat Gefallen an dem Spannungsverhältnis zwischen zeitgenössischer Architektur und historischer Bausubstanz gefunden. Ihre Sammlung zeitbasierter Medienkunst hat in einem adaptieren Fabrikgebäude eine Heimstatt gefunden. Das für Museumsumbauten bekannte Architekturteam Kühn Malvezzi zeichnet für die Neugestaltung verantwortlich. Als es darum ging, Räume für die Sammlung zu finden, war es schon klar, mit einem alten Industriegebäude anzufangen. [...] Ich liebe Industriearchitektur, sicherlich auch durch meine Biografie geprägt. Immer wenn ich herum fahre und alte Industriebauten sehe, denke ich, da könnte man tolle Ausstellungen machen. Insofern war das ein ganz großer Wunsch, vorerst mal ein Industriegebäude zu renovieren. Julia Stoschek spielt aber auch mit dem Gedanken an einen Neubau, vielleicht als zweites Standbein und Erweiterung ihrer Sammlung. Ob es irgendwann mal einen Neubau geben wird, weiß ich nicht. Der Wunsch ist schon vorhanden, nach einer Idealvorstellung zu bauen. Denn natürlich gibt so ein altes Gebäude vieles vor, hat eine Raumstruktur, die wir nur in gewisser Weise verändern konnten. [...] Düsseldorf ist der Stammsitz, unser Mutterhaus für die nächsten Jahre. [...] Wie gesagt, vielleicht gibt es irgendwann mal einen zweiten Standort, [...] vielleicht außerhalb Europas.
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Die Sammlung Hoffmann, die Sammlung FER Collection und die Daros Latinamerica Collection haben ihre Ausstellungsräume in größere architektonische Zusammenhänge integriert. Alte Industriebauten wurden für neue und zeitgemäße Nutzungen adaptiert. Erika und Rolf Hoffmann haben ein altes Fabrikareal in Berlin Mitte in ein lebendiges kulturelles Zentrum mit unterschiedlichen Wohn-, Gewerbe- und Kunstgebäuden verwandelt. In dieses Ensemble sind die großzügigen loftartigen Räumlichkeiten der halböffentlichen Sammlung Hoffmann integriert. Für die private Präsentation seiner Sammlung hat Friedrich E. Rentschler das neue Ulmer Stadtregal gewählt. Ein 300 Meter langer historischer Fabrikbau wurde für unterschiedliche neue Nutzungen erschlossen. In dieser bunten vielfältigen Stadtkultur hat die Sammlung FER Collection, die als eine Art offener Lagerraum konzipiert ist, eine Heimstatt gefunden. In Zürich wurde eine ehemalige Brauerei zu einem kulturellen und gewerblichen Zentrum umgewidmet. In diesem spannungsvollen Ensemble, in dem auch ein Teil der international renommierten Schweizer Kunst- und Galerieszene angesiedelt ist, hat sich das Daros Museum Zürich niedergelassen und den ehemalige Gärkeller zu einem Ausstellungshaus umgebaut. Zusammenfassend nimmt die Architektur für alle Sammler einen wesentlichen Stellenwert ein. So unterschiedlich die Sammlungen und die Sammlerpersönlichkeiten sind, so verschieden sind auch die Orte, die sie für die öffentliche Präsentation ihrer Kunstwerke wählen. Auch hier wird die schon bekannte Zweiteilung sichtbar. Manche Sammler bevorzugen leise und eher zurückhaltende Auftritte, die sich dadurch manifestieren, dass die öffentliche Zugänglichkeit der Sammlung von außen nicht sofort erkennbar ist. Wer den privaten und intimen Charakter seiner Sammlung bewahren will, vermittelt diese Haltung auch nach außen. Im Gegensatz dazu favorisiert die zweite Gruppe der Sammler extravagante Formen des öffentlichen Auftritts. Markante und aufsehenerregende Architekturen fungieren als Kommunikationsmittel und lassen den Besucher bereits vor dem Eintritt in das Gebäude erahnen, was ihn im Inneren erwartet. Bei der Wahl der Architekten hat sich die Hälfte der Sammler für bekannte und international renommierte Baukünstler entschieden (Tadao Ando, Richard Meier, Kühn Malvezzi, Walter Ruegg, Heinz Tesar). Davon haben drei einen Neubau realisiert, und zwei Büros wurden für den Umbau einer historischen Immobilie engagiert. Die zweite Hälfte der Sammler hat sich bewusst für junge und nicht bekannte Architekturbüros entschieden. Vier haben die Umnutzung älterer Gebäude geplant, und ein Büro hat ein neues Haus errichtet (Jens Caspar, Lukas Gäbele & Tanja Raufer, Rapp Architekten, Büro Düttmann + Kleemann). Dass die (noch) unbekannten Architekten gleichfalls großartige Leistungen hervorgebracht haben, belegen im Besonderen die umsichtige Sanierung eines klassizistischen Gebäudes für die Sammlung Biedermann und der imponierende Umbau eines Berliner Hochbunkers für die Sammlung Boros. „Man muss eine Vision haben und das Wissen, dass es sich lohnen wird. Dann kann man so eine Sache auch durchziehen“, so die engagierte Bauherrin Margit Biedermann.
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Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Flankierende Serviceangebote“ wurde eine besondere Museumsarchitektur (EK 24) als Erfolgskriterium für öffentliche Museen herausgestellt. Zweifellos gewährleisten jene öffentlichen Privatsammlungen, die nicht nur mit qualitätvollen Ausstellungen und Kunstpräsentationen, sondern auch mit einer eindrucksvollen Architektur aufwarten können, ein besonderes Kunsterlebnis. Das trifft für alle Sammlungen dieser Studie in gleichem Maße zu. Unabhängig davon, ob die äußere Hülle der Sammlung und der innere Ausbau nun spektakulär oder eher verhalten sind, alle öffentlichen Privatsammlungen zeichnen sich durch individuelle und markante architektonische Gestaltungen aus, die nachweislich zum Erfolg ihrer Einrichtungen beitragen. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Besondere Architektur 7.10.2 Standort „Gute Kunst wird sich nicht nur in Berlin etablieren können.“ FRIEDRICH E. RENTSCHLER
Betrachtet man die Standorte der öffentlichen Privatsammlungen in Deutschland, so lassen sich zwei Tendenzen erkennen. Ein Schwerpunkt öffentlicher Privatsammlungen und privater Showrooms ist in der Bundeshauptstadt Berlin angesiedelt. Berlin gilt als eine internationale Kunstmetropole, neben den Sammlern gibt es auch einen enormen Zuzug von Galeristen und internationalen Künstlern. Erika Hoffmann lobt den agilen Standort Berlin: In einer Stadt wie Berlin verändert sich so schnell so viel, es gibt so viele Gestaltungsmöglichkeiten. Deswegen kommen auch so viele Menschen hierher. Alles ist noch offen, es gibt keine definierte Richtung, wohin die Entwicklung geht. Alle, die ein wenig fantasievoll oder unternehmerisch denken, fühlen sich angesprochen, etwas zu tun. Denn hier kann man etwas tun. „Die Kunst muss zu den Menschen kommen und nicht umgekehrt“, ist Thomas Olbricht (2011) überzeugt. Nach jahrelangen, zähen und schlussendlich gescheiterten Verhandlungen mit der Stadt Essen über eine Integration seiner Sammlung in die Obhut städtischer Einrichtungen entschied sich Thomas Olbricht für einen Neubau in Berlin. Der einzige wirkliche Standortvorteil ist Berlin. [...] Wenn ich jetzt auch noch dafür werben muss, dass die Menschen zu der Kunst kommen, dann wird es noch komplizierter. Ich will die Kunst zu den Menschen bringen – und da schien mir Berlin als internationale Stadt am geeignetsten. Die Entscheidung für die Auguststraße war am Ende eher ein Zufallsprodukt. Dass es das Grundstück gab, dass mich Klaus Biesenbach darauf aufmerksam gemacht hat. Hätte aber prinzi-
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piell auch wo anders sein können. Aber hier ist es besser. Die Straße wird noch belebter werden durch neue Aktivitäten, das wird uns auch helfen. Das Ziel sind möglichst viele Besucher, aber ich würde es auch machen, wenn keine Besucher kämen. Das Haus ist ja nun schon mal da. Sowohl für Thomas Olbricht als auch für Christian Boros (2011) ist Berlin „der Mittelpunkt der Kulturproduktion nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit“. Dort trifft sich das interessierte Kunstpublikum, um Museen, Galerien und private Sammlungen zu besuchen. „Uns war klar, dass unsere Sammlung nur in Berlin gezeigt werden kann. Wir kommen aus dem Westen, aber Berlin ist die Plattform, um internationale Kunst aufzunehmen. Es ist der Ort, wo Kunst entsteht, wo die meisten Künstler sind, die meisten Galerien der Welt auf einem Flecken liegen. In der Absicht, Kunst zu teilen, können wir nicht in Sylt, im Schwarzwald oder in Niederbayern ausstellen, sondern da, wohin Menschen aus der ganzen Welt kommen und neugierig sind. Neugierde ist eine Gier, und ein Sammler ist gierig. Die Neugierde der Besucher ist in Berlin besonders groß“ (zit. nach Meister 2008). Christian Boros reagiert selbst mit seinen Öffnungszeiten auf diesen Ort: Berlin ist eine Wochenend-Destination, Menschen aus der ganzen Welt kommen meist am Wochenende nach Berlin, und dann ist der Bunker geöffnet. Der zweite Trend in der Standortwahl privater Kunstinitiativen kann mit Heimatverbundenheit umschrieben werden. Als Heimat werden in diesem Zusammenhang die Regionen der Geburts- oder Wohnorte der Sammler und die Firmensitze ihrer Unternehmen verstanden. Im Süden und Südwesten Deutschlands wurden in den vergangen Jahren eine Vielzahl öffentlicher Privatsammlungen gegründet.1 Auch Friedrich E. Rentschler ist baden-württembergischer Sammler und Unternehmer und hat in der Nähe seines ehemaligen Firmenstandorts Laupheim seine Privatsammlung öffentlich gemacht. Der Sammler wollte bewusst einen Gegenpol zu Berlin bilden und „in der Provinz“ bleiben. Wir haben diese Räumlichkeiten angeboten bekommen und wir fanden es einmalig. Auch die Präsentation zeitgenössischer Kunst gestaltet sich in diesen Örtlichkeiten ideal. [...] Im süddeutschen Raum begann die Kunstgeschichte schon vor tausenden von Jahren. Gute Kunst wird sich nicht nur in Berlin etablieren können. Regionale Verwurzelung hört man auch aus den Worten von Frieder Burda: „Ursprünglich sollte mein Museum an der Côte d’Azur in Mougins entstehen. Hier hat Picasso seine letzten Lebensjahre verbracht. Doch bevor die Planungen
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Als Beispiele seien hier neben den Sammlern dieser Studie die Kunsthalle Weishaupt in Ulm, das Museum Würth in Künzelsau, das Schauwerk in Sindelfingen, das Museum Ritter in Waldenbuch, das Kunstwerk in Eberdingen-Nussdorf, die Ursula-Blickle-Stiftung in Kraichtal, die Sammlung Grässlin in St. Georgen, die Walther Collection in Burlafingen und der Kunstraum Bürkle in Freiburg genannt.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT konkrete Formen annahmen, kristallisierte es sich für mich immer klarer heraus: meine Werke sollen im Badischen bleiben. Hier bin ich verwurzelt und ich lebe seit fast 40 Jahren in Baden-Baden. Was gibt es Schöneres, als seine Bilder unmittelbar um sich zu haben. Ich komme mehrmals die Woche ins Museum“ (zit. nach Geist / Fenkart-N’jie 2011: 30).
Julia Stoschek sagt über den Standort ihrer Privatsammlung: Ich bin freiwillig in Düsseldorf, aus Bayern kommend und richtig „zugereist“. [...] In der Zwischenzeit würde ich mich auch als Düsseldorferin bezeichnen, es ist meine Heimat und die Heimat meiner Sammlung. Vor ihrer Museumsgründung in Donaueschingen spielte auch Margit Biedermann mit dem Gedanken, ihre Sammlung in Berlin zu zeigen: Die Idee mit Berlin war die Großstadt, der Aufbruch – außerdem habe ich in Berlin meine Ausbildung gemacht. Berlin ist eine Kunststadt, und ich dachte, dort wäre eine Kunstsammlung gut aufgehoben. Ich habe aber schnell erkannt, dass Berlin schon viele Privatsammlungen hat und eigentlich nicht noch eine Sammlung braucht. Daher hat sie sich für den heimatlichen Standort Donaueschingen in unmittelbarer Nähe zu ihrem Firmensitz in Villingen-Schwenningen entschieden. Die Besucher finden es gut, nicht nach Berlin reisen zu müssen, sondern hier in der Gegend ein Museum und tolle Ausstellungen zu haben. Margit Biedermann schätzt die Atmosphäre und das historische Gebäude „als besonderen Ort“. Als Standortvorteil sieht sie zusätzlich den großen Rückhalt in der lokalen Bevölkerung, die Verbundenheit und das große Interesse der Menschen an ihrer Sammlung. Wir haben so guten Rückhalt in diesem Ort, sei es von Seiten der Polizei oder der Feuerwehr, überhaupt von der ganzen Bevölkerung. [...] Wir haben auch mit Handwerkern aus der Gegend gearbeitet. Die waren alle sehr stolz, dass sie hier arbeiten durften, und haben sich daher besonders angestrengt. Das ist vielleicht auch eine besondere Facette dieser Region. Die Langen Foundation ist in das einmalige Kultur- und Landschaftsschutzgebiet des Kulturraums Hombroich eingebettet. Sabine Crasemann erklärt: Wir liegen hier ganz wunderbar am Land. [...] Für die Besucher hat es den Vorteil, dass sie hier zur Ruhe kommen. Man merkt es auch, die Menschen sind hier nicht so hektisch. Karlheinz Essl hat sein Museum am Standort seiner Firma in Klosterneuburg, 15 Kilometer nördlich von Wien gelegen, gebaut. Auch er betont ein anderes Besucherverhalten: Wir haben eine andere Qualität an Besuchern. Bei uns ist die Verweildauer im Museum doppelt so lang wie in den Wiener Museen. Wenn man nach Klosterneuburg fährt, dann fährt man mit einer anderen Haltung dort hin. Klosterneuburg
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hat die Atmosphäre des Heurigen, der Natur, der Donau, es ist die Wohngegend der Wiener, es ist eine Gegend, in der man sich gerne aufhält. Man verlässt die Stadt, fährt aufs Land und lässt alles hinter sich, was einen beruflich und privat belastet. Man ist frei, geht ins Museum und kann die Kunst genießen. Der vermutliche Nachteil einer öffentlichen Privatsammlung, die in ländlicher Region beheimatet ist, kann sich unter Umständen zu einem Vorteil entwickeln. Die Besucher nehmen aktiv einen Anfahrtsweg auf sich. Diese bewusst überwundene Anstrengung ist gleichsam ein Maß für die Verweildauer im Museum. Diesen Eindruck bestätigt Christine Maria Schneider, künstlerische Leiterin der Langen Foundation: Ich denke, es ist dadurch besonders, dass man sich zu etwas aufmacht. Das ist eben etwas anderes, als ob man in der Stadt schnell mal in einer halben Stunde durch das K21 läuft. Hier kommt man nicht zufällig vorbei, man nimmt sich daher mehr Zeit und man lässt sich anders auf die Situation vor Ort ein. Es gibt eine andere Form der Konzentration und der Kunstbetrachtung. Ein genauerer Blick zeigt, dass sich für Standorte außerhalb urbaner Zentren weitere Vorteile erkennen lassen. In der „Peripherie“ sind oft einzigartige Positionierungen möglich, da es kaum unmittelbare Konkurrenz gibt. Im Vergleich zu den vielfältigen Kunstangeboten in städtischen Gebieten scheint es für besondere Ausstellungsthemen und Programme leichter zu sein, überregionale Aufmerksamkeit der Presse zu erlangen. Diesen Aspekt betont auch Karlheinz Essl, der auf die Frage nach den Standortvorteilen, antwortet: Es gibt Vor- und Nachteile. Bei unserem zehnjährigen Jubiläum haben wir uns gefragt, ob es richtig war, in Klosterneuburg zu bauen, oder wäre doch Wien besser gewesen. Die Nachteile sind, dass wir die Wiener Touristen nicht nach Klosterneuburg bekommen. Dafür haben wir jetzt einen kostenlosen Shuttleservice eingerichtet, der dreimal täglich von Wien nach Klosterneuburg fährt. Der Vorteil ist, dass wir uns von der Wiener Museumsszene absetzen konnten und etwas Eigenständiges geworden sind. Die Kunstbetrachtung in ländlichen Gegenden wird von der gleichzeitigen Möglichkeit, Natur und Landschaft zu genießen, maßgeblich bereichert. Vier Privatsammlungen dieser Studie können mit der Einbettung in eine Naturlandschaft auf ein besonderes Markenzeichen verweisen. Die Langen Foundation, das Museum Frieder Burda, das Museum Biedermann und das Essl Museum zeichnen sich durch die Verbindung von sensibler Architektur und idyllischer Landschaft aus. Der Dreiklang von Kunst, Natur und Architektur übt auf für Besucher besondere Anziehungskraft aus, für die sie ohne weiteres eine längere Anreise in Kauf nehmen. Der Standort einer Kunsteinrichtung scheint für seinen Erfolg nicht maßgebend zu sein. Das lässt sich auch anhand der grandiosen Besucherzahlen des Museum Frieder Burda eindrucksvoll belegen. Jährlich kommen rund 200.000 Besucher in die badische Kleinstadt mit 53.000 Einwohnern. Damit wird deutlich, dass die Lage in einer landschaftlich interessanten Gegend für Besucher genau so attraktiv sein kann wie ein Standort in einem lebendigen urbanen Umfeld, vorausgesetzt die Themen der Ausstellungen sind für das Publikum von Interesse. Im Unterschied zu Kunstein-
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richtungen innerhalb städtischer Zentren können Privatsammlungen auf dem Land kaum mit Zufallsbesuchern rechnen. In der Regel wird das Interesse vorher geweckt und die Einrichtung gezielt aufgesucht. Das entspricht überwiegend dem Wunsch der Sammler nach einer intensiven und fundierten Auseinandersetzung mit ihren Kunstwerken. Die bisherigen Ausführungen zum Thema Standort lassen sich wie folgt resümieren: Drei Privatsammlungen dieser Studie sind in Berlin und sieben in den Heimatregionen ihrer Gründer angesiedelt. Die regionale Verwurzelung der Sammler belebt ländliche Gebiete mit kulturellen Aktivitäten und macht Kunst an vielen Orten außerhalb städtischer Zentren zugänglich. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Flankierende Serviceangebote“ wurde für öffentliche Museen der Standort, die lokale Infrastruktur und Erreichbarkeit (EK 25) als Erfolgskriterium angesehen. Die Auswertung hat gezeigt, dass sich die Lage einer öffentlichen Privatsammlung als sekundär in Bezug auf ihren Erfolg erweist. 7.10.3 Shop und Café „Ich finde Museumsshops schrecklich.“ MARGIT BIEDERMAN
Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass für viele Museumsbesucher neben dem originären Ausstellungsbesuch zusätzliche Angebote wie ein Café, ein Museumsshop, begleitende Veranstaltungen oder Randleistungen wie Service und Ambiente Anreize für einen Erstbesuch oder auch Gründe für einen Wiederbesuch darstellen können. Der Großteil der privaten Sammler legt auf kommerzielle Warenangebote und publikumsorientierte Instrumente zur Steigerung seiner Attraktivität für Besucher allerdings keinen besonderen Wert und verzichtet bewusst auf diesen Zusatzservice. Ich möchte das Museum auch nicht als Unterhaltungsbetrieb führen. Die Besucher sollen sich hier auf die Kunst konzentrieren. Dann können sie rausgehen, draußen gibt es eine Menge Cafés in der Nähe, mit denen können wir auch zusammen arbeiten, so Margit Biedermann. Nur drei von zehn öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie bieten ihren Besuchern Museumscafés und Museumsshops an. Das Essl Museum verfügt über ein attraktives Café mit einer großen Terrasse, das von einem externen Pächter betrieben wird. Die Besucher des Museum Frieder Burda nutzen das Café der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, mit der das Museum durch einen Glassteg verbunden ist. Frieder Burda erklärt: Wir sind publikumsfreundlich und tun alles, damit sich das Publikum bei uns wohl fühlt. Daher lege ich auch Wert darauf, dass das Café in der Staatlichen Kunsthalle, das auch unsere Besucher nutzen, gut gestaltet und gemütlich ist.
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Den me Collectors Room Berlin betritt man über ein einladend gestaltetes Café, das von der eigenen Gastro&Event GmbH bewirtschaftet wird. Thomas Olbricht war bei der architektonischen Konzeption seines Museums eine Cafeteria besonders wichtig: Was ich wollte, war ein Café oder einen Ort, wo man sitzen und etwas essen kann. Da das Gebäude so schmal ist, war das nur am Eingang möglich. Daher muss man durch das Café zur Kunst. Was sich als großer Vorteil herausstellt, da die nicht zu unterschätzenden Hemmschwellen des Laufpublikums, einen fremden Kunstort zu betreten, so abgemildert werden. „Mein oberstes Ziel“, so Thomas Olbricht (2011), ist die Begeisterung für Kunst „einem noch größeren Kreis zu öffnen“. Seinen me Collectors Room Berlin versteht er als „Erlebniswelt, die sich für alle Entdeckungsreisenden im weiten Feld der Kunst öffnet“. Überall im Haus gibt es Verweilzonen, und Kunst kann in lockerer und angenehmer Lounge-Atmosphäre konsumiert werden. Thomas Olbricht sieht die Chance und den Vorteil einer Privatsammlung gegenüber einem Museum in der Laborsituation. Anders als die Museen mit ihrem herkömmlichen Lehrauftrag kann ich mir etwas Unkonventionelles erlauben. Das Essl Museum, das Museum Frieder Burda und der me Collectors Room Berlin verfügen zusätzlich über eigene Museumsshops, die neben Publikationen zu den jeweiligen Ausstellungen und Literatur zu den Künstlern auch Geschenkartikel, Design-Accessoires, Schmuck und Künstlereditionen vertreiben. Der me Collectors Room wechselt sein Sortiment im Rhythmus der Ausstellungen und bietet – analog zu seiner Wunderkammer – bizzare und kuriose Objekte an. Während im Essl Museum alle Kataloge per Mail bestellt werden können, verfügen die beiden anderen Häuser über umfangreiche Online-Shops. Die Möglichkeit, Ausstellungskataloge über die Website zu erwerben, besteht auch bei den meisten anderen Sammlungen. Diese drei Privatsammlungen berücksichtigen mit ihren publikumsorientierten Einrichtungen die Tatsache, dass Besucher heute in der Regel mehrere positive Phänomene gebündelt erleben möchten. Neben ästhetischem Genuss und Bildung spielen auch Freizeitaspekte wie Erholung, Erlebnis, Abwechslung und Unterhaltung eine wichtige Rolle. Die sieben anderen Einrichtungen verzichten auf diese Randleistungen. Bei ihnen steht allein das Kunsterlebnis, die Begegnung und intensive Auseinandersetzung mit den ausgestellten Kunstwerken im Vordergrund. Margit Biedermann erklärt: Ich finde Museumsshops schrecklich. Weil es überall dasselbe gibt. Wenn man einen Shop gut führen und betreiben möchte, müsste man ihn outsourcen. Das ist nicht unsere Intention. Genau so mit dem Museumscafé. Natürlich wäre es schön, wenn man einen Kaffee trinken könnte und nach dem Museumsbesuch hier noch verweilen könnte. Aber einen richtigen Kaffeebetrieb zu installieren, sehen wir nicht als unsere Aufgabe. Wir legen Wert auf Qualität. Bei unseren Besucherzahlen wäre es auch schwierig, einen guten Pächter zu finden. Daher haben wir uns dagegen entschieden. Aus diesem Zitat wird das unternehmerische Denken der Sammlerin erkennbar. Um ein Café professionell zu führen, bedarf es neben geeigneten Räumlichkeiten und
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Personalkapazitäten auch einem Mindestumsatz, um wirtschaftlich und rentabel zu arbeiten. Margit Biedermann konzentriert ihre Energie lieber auf eine qualitätvolle Kunstpräsentation und fügt hinzu: Das heißt aber nicht, dass es nicht in ein paar Jahren hier mal einen Pavillon als Café geben könnte. Aber ich möchte das nicht vermischen. Abschließend ist festzuhalten, dass nur drei von zehn Privatsammlungen flankierende Serviceeinrichtungen für ihre Besucher wie ein Café oder einen Shop mit einem unverwechselbaren Angebot bereithalten. Alle anderen Privatsammlungen konzentrieren sich darauf, Stätten der Präsentation und Vermittlung von Kunst und der Erweiterung des geistigen Horizonts zu sein. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Flankierende Serviceangebote“ wurde ein ansprechendes Museumscafé und ein exklusiver Museumsshop (EK 26) als Erfolgskriterium für öffentliche Museen benannt. Für die öffentlichen Privatsammlungen mit musealem Charakter kann dieser Faktor ebenfalls erfolgsrelevant sein. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Ansprechendes Museumscafé und ein exklusiver Museumsshop
7.11 N ETZWERK
UND
K OOPERATION „Jeder kocht sein eigenes Süppchen.“ MARGIT BIEDERMANN
Im öffentlichen Museumsbetrieb scheint ein umfassendes Netzwerk auf musealer, kuratorischer, künstlerischer und wirtschaftlicher Ebene erfolgversprechend zu sein. Aus den Interviews mit den Privatsammlern dieser Studie konnten keine Indizien gefunden werden, die auf ein verstärktes Interesse an Kooperationen und Netzwerken untereinander schließen lassen. Privatsammler sind Individualisten. „Ein Sammler ist ein Einzelgänger. Das gilt auch für jede Sammlerin. Sie folgen ihrem eigenen Sinn und vertrauen auf die Intelligenz ihrer Instinkte, jagen alleine oder nur mit Vertrauten, treten nie in Gruppen auf, und von einem Kongress, gar einem Verband der Sammler und Sammlerinnen zeitgenössischer Kunst hat man nie gehört.“ Dieses Zitat von Peter Herbstreuth (2006: 21) fasst trefflich zusammen, dass Privatsammler „keine gemeinsame Sache machen“. In vielerlei Hinsicht unternehmen sie ähnliche Aktivitäten. Sie besuchen die gleichen Messen, Galerien und Ausstellungen, oft sammeln sie die gleichen Künstler. Doch zwischen den Sammlern gibt es keine persönlichen Absprachen und Allianzen. Jeder Sammler verfolgt sein eigenes Ziel,
N ETZWERKE ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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und seine Kollektion ist nur von seinen persönlichen Wertvorstellungen geprägt. Offensichtliche Konkurrenz unter den Sammlern scheint es kaum zu geben, man begegnet sich mit Respekt und Achtung, auch wenn man andere Sammelkonzepte nicht goutiert. Christian Boros sagt dazu: „Rivalität oder Konkurrenz verspüre ich dabei allerdings nicht, dazu ist jede Sammlung zu subjektiv. Jede hat ihr eigenes Profil“ (zit. nach Kleine 2010: 154). Auch wenn Kooperationen unter den Sammlern keinen hohen Stellenwert besitzen, so sind Netzwerke und gute Kontakte im internationalen Ausstellungsgeschäft und Leihverkehr sehr wohl von Bedeutung.1 Frieder Burda bezeichnet ein großes Netzwerk als wichtigen Bestandteil des Erfolgs einer Kunsteinrichtung. Denn es ist sehr, sehr schwer, große Ausstellungen zu bekommen. Man braucht ein gewaltiges Netzwerk. Man muss selbst eine große Sammlung haben. Ich bin ja ein großer Leihgeber. Im internationalen Leihverkehr gilt das ungeschriebene Gesetz der Gegenseitigkeit. Daneben ist es hilfreich, bei Ausstellungskooperationen seine Partner persönlich zu kennen. Alle Privatsammler dieser Studie treten als Leihgeber auf. Auf die Frage, ob der Leihverkehr seit der Gründung der eigenen Ausstellungsräume eingestellt wurde, antwortet beispielsweise Friedrich E. Rentschler: Wir leihen nach wie vor unsere Werke weltweit an renommierte Museen aus. Allen voran treten das Museum Frieder Burda und die Daros Latinamerica AG als große Leihgeber auf. Die Schweizer Sammlung weist auf ihrer Website darauf hin, dass jährlich über 250 Werke der Sammlung an internationale Ausstellungen verliehen werden. Frieder Burda unterstreicht seine umfangreichen Leihaktivitäten mit folgender Aussage: In Hamburg hängen jetzt bei der Ausstellung von Gerhard Richter auch einige Bilder von mir. In Berlin hängen meine Picassos. Also ich habe immer wieder umfangreiche Leihgaben, die überall hingehen, nach Madrid, ins Guggenheim nach Venedig, nach USA. Und damit entstehen natürlich auch Kontakte, und man kennt die Leute. Durch Leihgaben und ihre Publikation in internationalen Fachbüchern und Ausstellungskatalogen werden die Bekanntheit der Sammlung und der Wert des jeweiligen Kunstwerks gesteigert. Neben diesen positiven Effekten weist besonders Thomas Olbricht auf mögliche negative Folgen des Leihverkehrs hin. Mit Ausleihen habe ich natürlich schlechte Erfahrungen gemacht – auf allen Gebieten. [...] Bis auf wenige Ausnahmen habe ich bis heute für Schäden an meinen Kunstwerken fast nichts gefordert. Wenn man das macht, was Museen machen, wie z.B. eine Ausleihgebühr verlangen, wird man als Privater immer ganz schief
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Seit Juni 2008 gibt es ein exklusives internationales Online-Netzwerk für Privatsammler zeitgenössischer Kunst (www.independant-collectors.com). Sammler können auf dieser Plattform ihre Kollektionen online präsentieren, eigene Ausstellungen gestalten und sich mit Gleichgesinnten austauschen. Das Netzwerk hat über 4.000 Mitglieder aus 89 Ländern.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT angeschaut. Wenn man sagen würde, man will einen Kurier mitschicken, wird das kaum akzeptiert. [...] Heute gibt es bei uns und dem Leihnehmer ein Eingangsprotokoll und ein Ausgangsprotokoll. Das haben wir gelernt, denn vorher war niemand schuld, wenn etwas passiert war. [...] Deswegen versuche ich meine Ausleihe ein wenig zu reduzieren. Darüber hinaus bin bei den Leihkonditionen auch strikter geworden.
Zum Thema Vernetzung erwähnt Thomas Olbricht, dass sich mit der Gründung seines me Collectors Room in Berlin wie von selbst eine Reihe kreativer Allianzen ergeben haben: Ich persönlich bin seit einem dreiviertel Jahr plötzlich vernetzt. [...] Ich bin in Kontakt mit Sammlern aus London, aus Istanbul, mit chinesischen Sammlern und mit Antoine de Galbert aus Paris. [...] Seit Mai letzten Jahres bin ich explodiert – kunstmäßig und auch in meinem Bekanntheitsgrad. Ohne dass ich – bis auf die Initiative in Berlin – etwas dazu getan hätte. Ich werde plötzlich ganz viel eingeladen, Vorträge zu halten oder an Panel Discussions teilzunehmen. [...] Ich bin jetzt auch in Jurys für Kunstpreise gewählt worden. Das alles hat mich sehr überrascht. Es macht mir Freude, aber es ist auch eine Gratwanderung. Manche Sammler würden sich mehr Austausch mit anderen Sammlern und Gleichgesinnten wünschen. Durch Vernetzung und Kooperationen könnten Synergien genutzt und Kosten gespart werden. Sabine Crasemann und Margit Biedermann sehen solchen Entwicklungen positiv entgegen. Das Ausleihen von Bildern und die Versicherung sind heute sehr teuer geworden. Daher würden wir ja gerne auch mehr Kooperationsprojekte und gemeinsame Ausstellungen machen. Ich denke, das kommt auch mehr, so Sabine Crasemann. Ich hatte mal die Idee, dass es einen Austausch zwischen den Sammlern gibt. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nicht gewollt wird. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Aber das wäre vielleicht ein Thema für die Zukunft, hofft Margit Biedermann. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgkriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Netzwerk und Kooperation“ wurde für öffentliche Museen das Erfolgskriterium Kreative Allianzen (EK 27) verstetigt. Ein kreatives Netzwerk mag zwar auch für eine öffentliche Privatsammlung hilfreich sein, stellt aber, wie aus den Zitaten der Sammler erkennbar wird, keinen Erfolgsfaktor dar.
D IENSTLEISTUNGSORIENTIERUNG ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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7.12 D IENSTLEISTUNGSQUALITÄT „Nur wenn man etwas leidenschaftlich gerne betreibt, wird es gut.“ CHRISTIAN BOROS
In diesem abschließenden Kapitel wird untersucht, ob Dienstleistungsqualität und Servicebereitschaft Erfolgsfaktoren für öffentliche Privatsammlungen darstellen. Aus den Interviews ist ersichtlich, dass alle Privatsammlungen auf eine freundliche und professionelle Betreuung ihrer Besucher großen Wert legen. Die Frage nach dem Stellenwert von Dienstleistung und Service in ihren Privatsammlungen beantworten die Sammler einhellig positiv: Ja, selbstverständlich, Dienstleistung ist mir sehr wichtig, sagt Frieder Burda. Das werden Sie merken, wenn Sie durch unser Museum gehen. [...] Wenn das Personal freundlich ist, finden die Leute das gut. Wir geben uns auch Mühe, dass das Personal gut ausschaut und die Besucher gut empfangen werden. Wir werden immer dafür Sorge tragen, dass es an der Kasse keinen Stau gibt. Wenn eine Person an der Kasse nicht ausreicht, kommt sofort eine zweite Kassenkraft. Das gleiche gilt für die Garderobe. Ja, das ist mir wichtig, sagt auch Margit Biedermann. Weil ich nichts schlimmer finde als diese Arroganz, die oftmals im Kulturbetrieb vorherrscht. Bei uns gibt es das nicht. Wir freuen uns, wenn Besucher kommen. Das ist mir absolut wichtig, entgegnet genauso Thomas Olbricht. Und da werde ich allergisch, wenn das nicht klappt. Da bin ich auch pedantisch. Wenn ich z.B. im Café sitze und merke, dass die Eingangstür nicht funktioniert. Oder wenn ich sehe, dass ein Besucher im Shop ratsuchend herumguckt und niemand zu Hilfe kommt. [...] Also Dienstleistung muss sein! In meinem Ur-Beruf als Mediziner bin ich auch Dienstleister. Ich habe das so gelernt. Der Kunde ist König. Alle Interviewpartner betonen die Bedeutung der Dienstleistung am Kunden. Desgleichen wird auf Höflichkeit und Achtsamkeit des Personals geachtet, denn erfreuliche Begegnungen mit den Mitarbeitern und ein durchgängig praktizierter hoher Servicegedanke tragen zu einer positiven Wahrnehmung der Privatsammlung bei. Das ist auch der Grund, warum Hans-Michael Herzog für die Wiedereröffnung des Daros Museum Zürich personelle Veränderungen plant: Für die Neueröffnung haben wir inhaltliche Veränderungen vor. Wir wollen alles etwas gastlicher gestalten – in dem Rahmen, der möglich ist. Denn das Museum ist eine kleine Einrichtung und bietet wenig Gestaltungsmöglichkeiten. [...] Wir werden Studenten engagieren, die wir aussuchen und einweisen und die unsere Philosophie direkt und indirekt an das Publikum vermitteln. Das ist uns sehr
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT wichtig! Denn das ist die Art und Weise, wie wir uns nach außen darstellen, und daher von enormer Bedeutung.1
Das Image einer Kunsteinrichtung wird im Wesentlichen von den dort arbeitenden Menschen geprägt. Privatsammlungen sind bemüht, anstatt institutioneller Kommunikation persönliche Dialoge mit Besuchern zu pflegen. Genau darin erkennt Karlheinz Essl einen Unterschied zu öffentlichen Museen. Auf die Frage, ob es für Besucher einen Unterschied macht, ob sie eine private oder eine öffentliche Kunstinstitution besuchen, antwortet Karlheinz Essl rigoros: Absolut! Es ist der Geist und die Atmosphäre! Wenn man zu uns in das Essl Museum kommt, wird man freundlich empfangen. Gerade eben war ich noch in der Pinakothek der Moderne. Dort habe ich an der Kasse gefragt, was es für Ausstellungen zu sehen gibt. Das Kassenpersonal wusste es nicht und schickte mich an den gegenüberliegenden Schalter zur Information. Solche Dinge darf es in einem Privatmuseum nicht geben! Wenn man in das Essl Museum kommt, dann beginnt die Sonne zu scheinen, die Leute sind nett, freundlich und hilfsbereit. In den Privatsammlungen werden Besucher als Gäste empfangen und freundlich begrüßt. Die Begrüßung ist ein Zeichen der Wertschätzung eines Menschen und steht am Beginn der Dienstleistungskette. Ein positiver erster Eindruck schafft eine positive Grundstimmung und Vertrauen. Margit Biedermann bestätigt diese Anschauung: Das ist vielleicht auch ein Unterschied zu öffentlichen und auch manchen privaten Museen, wo die Hemmschwellen so hoch sind, dass man gleich am Empfang wieder umdrehen möchte und sich kaum in das Haus hineintraut. Bei uns gibt es einen positiven Empfang und eine persönliche Ansprache. Thomas Olbricht spricht vom Kunden als König, Christian Boros bezeichnet den Besucher als Gast. Aus diesen Aussagen lässt sich eine besucherorientierte Grundeinstellung und Wertschätzung ablesen. Christian Boros erklärt: Wenn man eine private Sammlung besucht, ist man Gast und nicht Besucher. Die Menschen spüren die Privatheit, und das verändert die Rezeptionshaltung. Man betrachtet Kunstwerke nicht an einem neutralen Ort, sondern wird als Gast in einem persönlich geprägten Bereich empfangen. Eine Form der Wertschätzung ist die Würdigung der Zeit, die Besucher aufwenden, um eine Privatsammlung zu besichtigen. Christian Boros begründet diese Anerkennung wie folgt: Sie müssen den Besuch bei uns einplanen. Auch wir planen entsprechend und stellen den Gästen eineinhalb Stunden unserer Zeit zur Verfügung. Wenn ich Freunde zu Besuch habe, erzähle ich gerne über die Kunst und mein Interesse an speziellen Werken. Genau das gleiche machen wir auch mit unseren Gästen in
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Zu einer Neugestaltung des Daros Museum Zürich kam es nicht mehr, da das Museum im November 2011 endgültig geschlossen wurde. Die Daros Latinamerica AG verlagert ihre Aktivitäten nach Brasilien und errichtet in Rio de Janeiro ein großes Kunst- und Kulturzentrum.
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der Sammlung Boros. Sie werden durch die Ausstellung geführt, und es werden Geschichten erzählt. Wir vermitteln unsere Kunst und wir nehmen uns die Zeit dafür. Denn auch die Gäste nehmen sich Zeit. Die Dienstleistungskette kann bei einem Ausstellungsbesuch als Abfolge aufeinander aufbauender Aktivitäten und Serviceleistungen verstanden werden. Die Besucher durchlaufen unterschiedliche Prozesse, die bereits im Vorfeld des Besuchs mit der Anmeldung beginnen, sich beim tatsächlichen Besuch mit dem Empfang, der Begrüßung, der Führung durch die Ausstellung und dem Angebot diverser Zusatzleistungen fortsetzen und mit der Verabschiedung und anschließenden Maßnahmen der Besucherbindung beendet werden. Christian Boros weist hier auf eine Besonderheit privater Sammlungen hin: Bei einem Museum sagt niemand „danke“, wenn er das Haus verlässt. Bei uns hingegen ist das anders. In der Sammlung Boros bekommen die Besucher ein Glas Wasser und sie werden persönlich durch die Ausstellung geführt, denn der Bunker kann nur mit einer Führung besucht werden. Die Menschen genießen eineinhalb Stunden Gastfreundschaft und bedanken sich dafür. Das ist eine ganz andere Konstellation als in einem öffentlichen Museum. Ob eine Privatsammlung Gastfreundschaft vermittelt, zeigt sich auch bei ihrem Aufsichtspersonal. Diese Mitarbeiter haben neben den Kunstvermittlern, die Gruppen durch Ausstellungen führen, den längsten Kontakt zu den Besuchern und sind ein wichtiger Teil des Dienstleistungsangebots. Ihre Diskretion, Aufmerksamkeit und soziale Kompetenz ist, gepaart mit der Qualität der Führung, für die Beurteilung eines Ausstellungsbesuchs bedeutsam. In dieser Hinsicht übt Karlheinz Essl weitere Kritik an der Pinakothek der Moderne: Wenn man in der Pinakothek durch die Räume geht und mit dem Aufsichtspersonal spricht, dann bekommt man die – für mich sehr verwunderliche – Antwort: „Über Kunst dürfen wir nicht sprechen.“ Dann versuche ich die Menschen herauszufordern. Manche sagen dann, nein ich bin Aufsichtspersonal und darf zur Kunst nicht sprechen. [...] Bei uns ist das vollkommen umgekehrt. [...] Selbstverständlich werden die Aufsichten, die keine Kunsthistoriker sind, bei uns in jede Ausstellung eingeführt und wissen so über die Zusammenhänge Bescheid und dürfen selbstverständlich mit den Besuchern sprechen. Versteht sich ein Kunstbetrieb als modernes Dienstleistungsunternehmen, wird es in verschiedener Weise auf die Wünsche und Bedürfnisse seiner Besucher reflektieren. Eine Möglichkeit ist die Bereitstellung und Vermietung von Räumlichkeiten für Zwecke wie Firmen- und Geburtstagsfeiern, private Veranstaltungen und Events. Während manche Häuser ganz bewusst auf jegliche kommerzielle Vermarktung verzichten, gibt es andere, die diesen Bereich bewusst in ihren Fokus nehmen. Margit Biedermann vertritt einen klaren Standpunkt: Kommerzveranstaltungen gibt es bei uns nicht. Das ist nicht unsere Ausrichtung. Aber es stört mich nicht, wenn andere das tun. [...] Ich möchte mich auf das Museum und die Ausstellungen konzentrieren, das ist mein Schwerpunkt. Wir bekommen ja auch viele Anfragen für Veranstaltungen, für Hochzeiten, für Ge-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT burtstagsfeiern – das ist die amerikanische Tradition. Man vermietet die Räumlichkeiten und von dem Geld unterhält man das Museum. Das will ich aber nicht. Ich möchte das Museum auch nicht so vermarkten. Das Museum soll etwas Besonderes bleiben und es soll für gute Kunst reserviert bleiben. Das kann man sich als Privatsammler natürlich eher leisten als ein öffentliches Museum.
Die Julia Stoschek Collection zeigt eine ähnliche Haltung. Monika Lahrkamp erklärt: Prinzipiell ist das Haus für die Kunst reserviert. Die Loftarchitektur eignet sich natürlich gut für Events aller Art, wir haben schon viele Anfragen für Modeschauen und dergleichen gehabt. [...] Natürlich sind Vermietungen eine gute Einnahmequelle, aber Frau Stoschek hat dieses Haus als Haus für die Kunst errichtet und nicht als Event-Location. Sabine Crasemann hingegen stellt die Vermietung der Museumsräumlichkeiten als eine Besonderheit der Langen Foundation dar: Meine Eltern liebten die Kunst, und wir waren immer der Meinung, dass man mit der Kunst auch leben muss. Eines unserer Ziele – oder sagen wir eine Besonderheit gegenüber anderen Museen – ist, dass man hier alles machen kann. Von der Hochzeit über Tanz bis zu Events. Mir und dem ganzen Team macht es Spaß, Gäste zu haben. Wir wollen, dass sich die Besucher hier wohl fühlen. Und ich bin überzeugt, das Haus macht gute Laune. Dabei fällt dann die Kunst sozusagen ab. Während Margit Biedermann und Julia Stoschek ihre Privatsammlungen als exklusive Orte der Kunst bewahren, verstehen Sabine Crasemann und Thomas Olbricht ihre Häuser auch als Räume für Events und Veranstaltungen. Diese Haltung wird auf den Internet-Seiten dieser beiden Einrichtungen deutlich. Die Homepages des me Collectors Room Berlin und der Langen Foundation gewähren der kommerziellen Vermarktung ihrer exklusiven Örtlichkeiten großzügigen Raum. Unter den Menüpunkten „Vermietung“ und „Location“ bieten sie umfassende Informationen über die Möglichkeit der Anmietung ihrer Räumlichkeiten. Wichtigste Motivation für diese Ausrichtung stellen die Einnahmen dar, die notwendig sind, um den Betrieb ihrer Kunsthäuser sicher zu stellen. Daher antwortet Sabine Crasemann auf die Frage nach einer möglichen Kommerzialisierung von Kunst: Da stehen wir dazu! Wir müssen ja von irgendwas leben. Das ist eigentlich die einzige Einnahmequelle, die wir haben. Wir machen viele Vermietungen und hängen durchaus schon mal wichtige Werke ab, wenn viele Leute im Haus sind. Natürlich gibt es auch Veranstaltungen, die sich überhaupt nicht für die Kunst interessieren. Thomas Olbricht versteht seinen me Collectors Room Berlin als kulturelle Erlebniswelt. Variable Möglichkeiten der Vermietung wurden bereits bei der Planung des Hauses bedacht. Für den Sammler steht der monetäre Erfolg im Mittelpunkt. Er betont allerdings: Wichtig ist dabei, dass wir unsere Glaubwürdigkeit behalten.
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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nur zwei der zehn Privatsammlungen ihre Räumlichkeiten für externe Veranstaltungen öffnen. Alle anderen Sammlungen verzichten auf Vermietungen. Sie verstehen ihre Häuser als exklusive Refugien der Kunst. Alle Privatsammlungen dieser Studie zeichnet hohe Servicebereitschaft und eine publikumsorientierte Grundhaltung aus. In privaten Sammlungshäusern werden die Besucher einladend empfangen und ihr Aufenthalt durch umfangreiche Dienstleistungen und hohe Servicequalität gastfreundlich gestaltet. Zum Abschluss kommt Margit Biedermann noch einmal zu Wort: Ich glaube, dass jedes Privatmuseum, das persönlich geführt wird, und jedes Museum, in dem der Sammler persönlich dahinter steht, seine eigene und persönliche Ausstrahlung hat. Und diese Ausstrahlung sollte man spüren, sobald man das Museum betritt. Das finde ich wichtig und darauf lege ich in unserem Haus auch großen Wert. Dieses Zitat fasst zusammen, was sich wie ein roter Faden durch den Auswertungsteil dieser Studie zieht und in Kapitel 7.3 als erster Erfolgsfaktor verstetigt wurde: In der Persönlichkeit des Sammlers und der Art und Weise, wie er sich in seine öffentliche Privatsammlung einbringt, liegt der Schlüssel zum Erfolg. Evaluierung öffentlicher Privatsammlungen anhand der Erfolgskriterien öffentlicher Museen In der Erfolgskategorie „Hohe Dienstleistungsqualität“ wurde eine ausgeprägte Dienstleistungsorientierung und hohe Servicebereitschaft (EK 28) als Erfolgskriterium für öffentliche Museen benannt. Unbestritten entscheiden neben künstlerischer Qualität und einem hohen Niveau aller Programmangebote auch in öffentlichen Privatsammlungen Service und Dienstleistung über Publikumsakzeptanz. Alle Sammlungen legen auf eine gehobene Betreuung ihrer Besucher großen Wert und betonen ihre Gastfreundschaft. Erfolgsfaktor einer öffentlichen Privatsammlung: Gastfreundschaft und hohe Servicequalität
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7.13 Z USAMMENFASSUNG DER E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN Der Erfolg einer öffentlichen Privatsammlung hängt mit der Erreichung der individuell gesetzten Ziele zusammen. Die Zielsetzungen privater Sammlungen unterscheiden sich zum Teil deutlich von den Zielsystemen staatlicher Institutionen. Daher haben die für öffentliche Museen identifizierten Erfolgskriterien für die Privatinitiativen nur bedingt Relevanz. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Auswertungen der Kapitel 7.3 bis 7.12 zusammengefasst und übersichtlich präsentiert. Kapitel 7.14 widmet sich schließlich einem Abgleich der Erfolgskriterien öffentlicher Museen mit den Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen. Zunächst kommen aber die Sammler ein letztes Mal zu Wort. Die Frage, wie sie Erfolg für ihre Einrichtung definieren, ruft ein breites Spektrum unterschiedlicher Antworten hervor. Karlheinz Essl verknüpft den Erfolg seines Museums mit der Zufriedenheit seines Publikums: Der Erfolg muss eine logische Folge oder ein Abfallprodukt einer guten Leistung sein. Das sehe ich auch in unserem Wirtschaftsbetrieb so. Ich sehe den Kunden – im Museum den Besucher – und biete ihm spannende und interessante Einblicke in die Kunst. Wenn die Menschen das dann artikulieren, ist das für mich eine große Freude. Mich interessiert nicht so sehr, was die Öffentlichkeit zum Besten gibt. Selbst wenn es sehr euphorisch ist. Mir geht es um die Besucher. Mir geht es darum, wie der Besucher sich fühlt, wenn er mit einem fröhlichen Herzen das Museum verlässt, mit einem klaren Kopf hinausgeht, so wie es immer wieder in unserem Besucherbuch zu lesen ist, dann weiß ich, dass das, was wir tun, nicht sinnlos ist. Als Erfolgsfaktoren nennt der österreichische Museumsgründer: Wir haben eine tolle Sammlung, tolle Ausstellungen, ein phantastisches Museum, das von den Besuchern sehr geliebt wird, und wir haben phantastische Mitarbeiter, die motiviert und begeisterungsfähig sind. Ähnlich wie Karlheinz Essl stellt auch Erika Hoffmann die Besucher in den Mittelpunkt: Ich würde meine Arbeit eher als befriedigend bezeichnen. Erfolgreich könnte sie nur sein, wenn die Sammlung Hoffmann unternehmerisch geführt würde, d.h. in Abgrenzung zu meinem Privatleben. Für mich ist es befriedigend, mit anderen Menschen etwas zu teilen, etwas zu geben, ihnen die Augen für etwas zu öffnen – und sie auf diese Weise vielleicht zu einer anderen Art des Umgangs mit ihrem eigenen Leben, mit den Entscheidungen für ihr Leben zu inspirieren. Das wäre schön. Manchmal bekomme ich rührende Briefe, die von solcher Inspiration berichten. [...] Wenn Sie nach Erfolg fragen, dann ist es genau das: Wenn man merkt, das kommt bei den Besuchern an, da kann ich etwas leisten, was anderswo nicht möglich ist. Genauso wie Erika Hoffmann empfindet auch Christian Boros bei dem Wort „Erfolg“ in Bezug auf seine Kunstaktivitäten ein gewisses Unbehagen.
E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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Es ist schwierig, denn Erfolg ist ein hartes Wort. Meine Zielrichtung heißt nicht Erfolg. Ich hätte zum Beispiel viel mehr Erfolg, wenn ich Neo Rauch sammeln würde. Dann könnte man noch mehr Menschen begeistern als mit der sperrigen Kunst, die ich sammle. Erfolg ist vielleicht, dass ich Teil der Debatte bin, dass ich es geschafft habe, in einigen Kreisen eine Relevanz zu bekommen – egal ob die Dinge, die ich tue, richtig oder falsch sind. Bei der Beantwortung der Frage, ob sich seine ursprünglichen Erwartungen seit der Eröffnung seines Kunstbunkers erfüllt haben, taucht dann doch noch die Bezeichnung „erfolgreich“ auf: Wir haben tausende Presseartikel auf der ganzen Welt erhalten, in China, Australien, Argentinien, Polen – fast überall gab es Berichte. Wir haben bisher rund 90.000 Gäste in unserem Haus begrüßen können. Wir haben großartige Gespräche geführt. Also quantitativ, qualitativ und international sind wir erfolgreich, und alles das, was ich mir erhofft hatte, wurde bei weitem übertroffen. Auch Julia Stoschek hat Schwierigkeiten mit dem Begriff „Erfolg“. Sie fokussiert nicht wie andere Sammler vorrangig auf die Besucher, sondern rückt die Zufriedenheit der Künstler und die Verantwortung als Sammlerin ins Zentrum: Erfolgreich – das ist ein schwieriger Begriff. Ich möchte es ein wenig umformulieren und sagen, wir alle, das gesamte Team ist glücklich gestimmt, wenn die Künstler zufrieden sind, wenn wir der Verantwortung gerecht werden, die ich mit dem Sammeln übernehme. Mit jedem Werk, das ich erwerbe, wächst die Verantwortung, dass mit den Kunstwerken etwas Sinnvolles geschieht. Das betrifft die Ausstellung aber auch die Erhaltung der Arbeiten. Wenn wir in diesem Sinne das Bestmögliche geben, dann würde ich meinen, dass wir „erfolgreiche“ Arbeit leisten. Thomas Oblricht sieht neben der finanziellen Situation vor allem das große Interesse an seinem im Mai 2010 eröffneten me Collectors Room Berlin als Erfolg. Ich glaube, dass wir sehr viele Besucher haben: ca. 80-100 Personen pro Tag. Das kann sich sehen lassen und ist der größte Erfolg. Unser Café schreibt seit November schwarze Zahlen. Ich finde, das ist auch ein großer Erfolg. Ich hoffe, dass wir auf der Eventschiene weiterhin auch monetär erfolgreich sein können.[...] Wir haben sehr viele Anfragen für Kooperationen, dass ich denke, dass das für die ersten Monate sehr erfolgreich ist. [...] Aber auch Künstler melden sich und stellen ihre Arbeiten und ihre Ideen vor. Auch das würde ich als Erfolg bezeichnen. Als Erfolg bezeichnet Margit Biedermann die Besucherzahlen und das Niveau der Besucher aller Veranstaltungen. Unsere Erfolgsfaktoren sind klare Konzepte der Ausstellungen, interessante, kulturelle Veranstaltungen wie z.B. Konzerte und der Standort Donaueschingen. [...] Sammler sind vielleicht zufrieden, wenn die Besucher zufrieden sind.
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Sabine Crasemann sagt: Ja, Erfolg, den hätten wir gern. Viele zufriedene Besucher machen das Haus erfolgreich. Und natürlich hätten wir gerne mehr und gute Presse. Friedrich E. Rentschler verknüpft den Erfolg an die Anerkennung seiner Leistung als Sammler daran, die Qualität eines Kunstwerks lange vor institutionellen Fachleuten erkannt zu haben. Durch den frühzeitigen Kauf von Kunstwerken, welche noch nicht kunsthistorisch abgesegnet sind, besteht ein nicht zu unterschätzendes materielles Risiko. Der Erfolg besteht deshalb sowohl darin, dass Kunstwerke von der Fachwelt und damit später auch kunsthistorisch akzeptiert und werthaltig sind, wie auch, dass der Kunstmarkt dies honoriert. Hans-Michael Herzog verbindet den Erfolg seines Museums mit der Kraft der Kunstwerke, die Besucher in ihren Bann zu ziehen. Wir sind dann erfolgreich, wenn es sich per Mundpropaganda bei Leuten, die ein gewisses Niveau haben, positiv herumspricht, was wir hier tun. [...] Für mich ist das Museum erfolgreich, wenn Besucher länger bleiben, als sie es vorhatten, wenn Besucher Spaß haben, wenn Besucher sich in Ruhe etwas anschauen – dann passiert automatisch etwas. Wenn sie es dann in ihrem Kreis besprechen und eben dieser Virus hängen geblieben ist. Wenn etwas in den Köpfen der Besucher passiert, das sie wiederkommen lässt, das wäre ein gewaltiger Erfolg. Dann wäre meines Erachtens auch der Zweck erfüllt. Mehr kann man nicht erwarten. Bei der Beantwortung der Frage nach den Faktoren des Erfolgs spricht ganz der Kunsthistoriker: Ja, das ist die kuratorische Leistung, die es aufzubringen gilt. Sich zu überlegen – nicht auf akademischer Basis sondern auf dramaturgischer Basis – wie etwas zusammenhängt, wie etwas gezeigt wird. In der Auswahl der Werke präzise zu sein und jedes einzelne Werk so zu präsentieren, dass es perfekt zur Geltung kommt und sich mit anderen Werken dramaturgisch sinnvoll verbindet. Das Museum Frieder Burda zählt zu den meistbesuchten Museen in ganz Deutschland. Der Museumsgründer weiß die Faktoren seines großen Besuchererfolgs klar zu nennen: Erstmals die Lage des Museums. Es gibt kaum einen schöneren Platz in Deutschland für ein Museum als die Lichtentaler Allee. [...] Der Erfolg meines Museums ist der unglaublich gute Platz und der besonders gelungene Bau. Ein weiterer Erfolgsfaktor sind unsere guten Ausstellungen, die bei den Leuten auf Interesse stoßen. Ich muss nochmals betonen: Ich habe immer die Frage im Kopf: Kommt diese Ausstellung bei den Leuten an? Ich mache keine Ausstellungen, nur weil sie intellektuell wichtig sind. Ich möchte, dass die Leute kommen und das geht nur mit Ausstelllungen, die populär sind. [...] Ein Teil unseres Erfolges liegt sicher auch an der guten Pressearbeit.
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Aus diesen Zitaten lässt sich zusammenfassend konstatieren, dass acht von zehn Sammlern Erfolg mit der Zufriedenheit der Besucher verbinden. Die Zufriedenheit des Publikums äußert sich für Sammler im persönlichen Feedback, in positiven Rückmeldungen im Besucherbuch, in Wiederbesuchen und Weiterempfehlungen. Wenn Besucher nach einem Ausstellungsbesuch von Inspiration, Begeisterung oder intellektueller und ästhetischer Anregung berichten, fühlen sich Sammler in ihrem Anliegen, andere Menschen an ihrer Kunstleidenschaft teilhaben zu lassen, bestätigt. Nach Laukner (2008: 59ff.) stellt sich Besucherzufriedenheit dann ein, wenn die Erwartungen mit der tatsächlichen Erfahrung eines Ausstellungsbesuchs übereinstimmen. Zu einer loyalen und emotionalen Bindung des Publikums, die zu einem erneuten Besuch oder einer Empfehlung führt, kommt es aber erst dann, wenn die Begeisterungsanforderungen der Besucher erfüllt werden. Privatsammlungen können beim Publikum Begeisterung hervorrufen, wenn Erwartungen deutlich übertroffen werden. „Zu den Begeisterungsfaktoren gehören jene Kriterien, die einen besonders großen Effekt auf die Zufriedenheit ausüben. Diese Wünsche werden vom Kunden im Allgemeinen nicht explizit formuliert und auch nicht erwartet. [...] Außergewöhnliche Erlebnisse bringen einen Kunden positiv mit dem jeweiligen Anbieter in Verbindung und können dazu verhelfen, ein emotionales Profil [...] zu schaffen. Zudem können sie dazu dienen, positive Mundwerbung zu unterstützen“ (Laukner 2008: 64/65). Als weitere Faktoren des Erfolgs werden von jeweils vier Sammlern gute Besuchszahlen, außergewöhnliche Ausstellungen und einzigartige Sammlungen genannt. Für drei Sammler ist internationale Presseresonanz ein Zeichen für Erfolg, zwei Nennungen erfahren die Standorte und die Museumsarchitekturen. Darüber hinaus erachten einzelne Sammler die Zufriedenheit der Künstler, die Wertsteigerung von Kunstwerken und ihre Bewahrung, die Anerkennung ihrer sammlerischen Leistungen im institutionalisierten Kunstkontext und Kooperationsangebote als Gradmesser für Erfolg. Schließlich machen nach Meinung der Sammler motivierte Mitarbeiter, interessante Veranstaltungsprogramme und positive wirtschaftliche Ergebnisse ihre Kunsteinrichtungen erfolgreich. Die von den Sammlern genannten Erfolgsfaktoren wurden durch die empirische Studie durchweg als Kriterien für Erfolg bestätigt. Desgleichen können jene Besonderheiten, die in Kapitel 3.4 als Unterschiede zu öffentlichen Museen erarbeitet wurden, größtenteils als Faktoren gewertet werden, die signifikanten Einfluss auf die Erfolgserreichung haben. Die in diesem Kapitel herausgebildeten Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen werden im Folgenden nochmals zusammengefasst und übersichtlich gegliedert. Wie die Ausführungen gezeigt haben, lassen sich im Untersuchungsfeld der privaten Sammlungen zwei Tendenzen erkennen. Die erste Gruppe ist von ihrem Charakter her mit öffentlichen Museen vergleichbar. Größtenteils tragen sie die Bezeichnung Museum in ihrem Titel. Sowohl von ihrer Zugänglichkeit in Form der Öffnungszeiten genau wie in ihren jährlich mehrmals wechselnden Ausstellungen, ihren Begleitprogrammen und ihrem Publikations- und Kunstvermittlungsangebot entsprechen
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diese Einrichtungen öffentlichen Institutionen. In der Regel streben sie hohe Besuchszahlen an und bieten ihrem Publikum neben dem Ausstellungsbesuch eine Reihe kundenorientierter Zusatz- und Serviceleistungen an. Die zweite Gruppe betont hingegen ihren privaten Charakter. Als Bezeichnung wird ausnahmslos der Titel Sammlung verwendet, der – anders als die Benennung Museum – keine öffentliche Zugänglichkeit impliziert. Diese Sammlungen sind an ausgewählten Wochentagen und meist nur nach Voranmeldung zugänglich. Die Limitierung erzeugt gepaart mit der Verschränkung von öffentlicher und privater Sphäre auch einen exklusiven Charakter. Diese Gruppe ist primär an einer fundierten Auseinandersetzung mit Kunst interessiert und bietet neben der dialogischen Kunstbetrachtung keine weiteren Angebote zur Besucherbindung. Vor diesem Hintergrund erfolgt die zusammenfassende Darstellung der in dieser Studie erarbeiteten Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen in zwei Kategorien. Zum einen konnten generelle Erfolgsfaktoren identifiziert werden, die für alle öffentlichen Privatsammlungen gleichermaßen Gültigkeit besitzen. Zum anderen wurden typenindividuelle Erfolgsfaktoren herausgebildet, die lediglich für die jeweilige Gruppe spezifische Relevanz aufweisen. Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass auf eine Analyse der finanziellen Aspekte in dieser Untersuchung verzichtet wurde. Das Vorhandensein ausreichender finanzieller Ressourcen wird als notwendige Voraussetzung für die Gründung und Führung einer öffentlichen Privatsammlung angesehen. Zudem bleibt der Umfang der jährlich verwendeten finanziellen Mittel eines der wenigen gut gehüteten Geheimnisse der Sammler. Ungeachtet der Höhe ist aber zweifellos davon auszugehen, dass die monetären Grundlagen den Erfolg einer öffentlichen Privatsammlung nachhaltig beeinflussen. Als generelle Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen lassen sich folgende Merkmale identifizieren: 1. Persönlichkeit und Authentizität des/r Sammlers/in Der Zweck und das Selbstverständnis einer öffentlichen Privatsammlung werden durch die Person des Sammlers definiert. Seine Wünsche, seine Vision und sein Kunstverständnis bestimmen den Auftrag und die inhaltliche Ausrichtung seines privaten Kunstdomizils. Er ist in persönlicher Weise in die Art der Öffentlichmachung seiner Sammlung involviert, stiftet auf diese Weise Identität und überzeugt durch seine Authentizität. 2. Zufriedenheit des/r Sammlers/in Werden das Leitbild und programmatische Konzept einer öffentlichen Privatsammlung durch die Vorlieben des Sammlers und seine persönlichen Schwerpunktsetzungen bestimmt, dann ist der Erfolg dieser Einrichtung auch vom Grad, in dem die Wünsche und Vorstellungen des Sammlers erfüllt werden, abhängig. Die Befindlichkeit des Sammlers hängt mit den Ergebnissen, der Besucherresonanz und der Verwirklichung seiner persönlichen Erwartungen zusammen. Die Zufriedenheit des Sammlers beeinflusst daher den Erfolg einer öffentlichen Privatsammlung.
E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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3. Subjektive Prägung Fast alle Sammler dieser Studie sind erfolgreiche Unternehmer, die Mut zur eigenen Idee bewiesen haben. Ihre Entwicklungen haben auf dem internationalen Markt reüssiert und sich gegen Mitbewerber durchgesetzt. Auf ihren Gebieten sind die Unternehmer Pioniere, die ihren Gewinn und Erfolg auf individuellen Wegen gefunden haben. Genau wie ihre subjektiven Entscheidungen die Wirtschaft voranbringen, so bereichern die Individualität und Subjektivität der öffentlichen Privatsammlungen die Kunst- und Museumslandschaft. 4. Einzigartigkeit und Originalität der Privatsammlung Die Sammler dieser Studie haben mit Leidenschaft, Weitsicht und Gespür ihre eigenständigen Themen verfolgt und Sammlungen von unverwechselbarem Charakter aufgebaut. Alle privaten Kollektionen dieser Studie zeichnen sich durch individuelle Konzepte und spezifische Vorlieben aus. Das individuelle Profil einer Privatsammlung, das durch den subjektiven Blickwinkel des Sammlers auf die zeitgenössische Kunst geprägt ist, unterscheidet sich vom allgemeinen Kunstverständnis und ermöglicht dadurch reizvolle und unkonventionelle Blicke auf die Gegenwartskunst. 5. Fachgerechte Bewahrung der Privatsammlung Die fachgerechte Lagerung und Bewahrung der Sammlung stellt eine Voraussetzung für die Erhaltung von Kunstwerken für die Zukunft dar. Für alle Sammler stellt der Schutz ihrer Kunstwerke eine hohe Verantwortung dar, die sie mit dem Erwerb von Kulturgütern fakultativ übernommen haben. Manche Privatsammlungen leisten im Bereich der Konservierung und Restaurierung Pionier- und Forschungsarbeit, die auch Experten und Restauratoren öffentlicher Institutionen zugute kommen. 6. Attraktive Ausstellungsprogramme aus und mit Sammlungsbeständen Eine öffentliche Privatsammlung tritt in erster Linie durch ihre Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Die Themen der Ausstellungsprogramme werden aus den Inhalten der Sammlung entwickelt und folgen in den meisten Fällen den Vorlieben des Sammlers. Privatsammler verfolgen dabei nicht den Anspruch, etwas Allgemeingültiges zu zeigen, sondern das, was ihrer persönlichen Neigung entspricht. Mit ihren subjektiv geprägten Themen und speziellen Darbietungen fördern öffentliche Privatsammlungen den Geschmackspluralismus. 7. Keine Akademisierung der Sammlungs- und Ausstellungspraxis Fast alle privaten Sammler dieser Studie lehnen umfangreiche methodische Forschungen ab. Im Unterschied zur wissenschaftlich fundierten Herangehensweise staatlicher Museen treten öffentliche Privatsammlungen weniger akademisch und fachwissenschaftlich an die Öffentlichkeit. 8. Besondere Architektur Alle öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie zeichnen sich durch individuelle und markante architektonische Gestaltungen aus. Für eine Kunstsammlung
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT stellt die Architektur ein wichtiges Kommunikationsmittel nach außen dar, sie empfängt den Besucher, kann seine Erwartungshaltung positiv unterstützen und auf ein außergewöhnliches Kunsterlebnis einstimmen.
9. Sammlername als Marke Bis auf eine tragen alle bewerteten Institutionen den Familiennamen des Sammlers im Titel. Der Name bürgt für die subjektiv zusammengestellte Sammlung und verweist auf die private Trägerschaft. Der Sammlername schafft eine Differenzierung gegenüber anderen privaten und öffentlichen Sammlungen. Ihre markante und eigenständige Ausprägung kommunizieren Privatsammlungen durch den Sammlernamen, der als Profilierungsinstrument dient. 10. Finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit Sämtliche untersuchten Einrichtungen dieser Studie werden ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert und erhalten keine Zuschüsse der öffentlichen Hand. Die sich daraus ergebende finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit verstehen alle Sammler als großes Privileg. Als Unternehmer sind Sammler gewohnt, eigenständig und flexibel zu agieren. Diese Souveränität wollen sie auch in ihrem privaten Kunstengagement verfolgen und ohne Verbindlichkeiten gegenüber Dritten nur jene Projekte fördern und Künstler zeigen, die ausschließlich ihrem persönlichen Geschmack und ihren ästhetischen Vorstellungen entsprechen. 11. Visionäre und strategische Geschäftsführung Genau wie jedes Wirtschaftsunternehmen braucht auch eine öffentliche Privatsammlung eine visionäre Führungskraft, die mit konkreten Zielen eine Richtung und strategische Orientierung vorgibt. Der Handlungsauftrag der privaten Kunsteinrichtung ist durch die Person des Sammlers definiert, der den Betrieb seiner Sammlung selber leitet oder an eine qualifizierte Geschäftsführung delegiert. Der Sammler bildet die Konstante, die Kontinuität gewährleistet, gemeinsame Werte und verlässliche Rahmenziele definiert, die auf alle Mitarbeiter der Organisation motivierend und richtungsweisend wirken. 12. Primat des Wirtschaftlichkeitsprinzips In öffentlichen Privatsammlungen werden managementgeleitete Formen der Betriebsführung praktiziert, die an die Praktiken der Unternehmen der Sammler angelehnt sind. Die Kunsträume werden nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip geführt, wobei zur Zielerreichung alle vorhandenen Ressourcen effizient und flexibel eingesetzt werden. Strukturen und Prozesse werden stets optimiert, ohne dabei die hohe Qualität des selbst gewählten Auftrags (Sammeln, Bewahren, Ausstellen, Vermitteln) in Frage zu stellen. 13. Flexible und teamorientierte Organisationskultur Die organisationale Flexibilität ist eine wesentliche Stärke öffentlicher Privatsammlungen. Aufgrund fehlender Bürokratie kann auf veränderte Bedingungen schnell reagiert werden. Funktionale und flache Organisationsstrukturen, Nähe, Offenheit sowie ein kollegialer und freundschaftlicher Umgang prägen die Ar-
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beitsatmosphäre. Teamwork fördert das Verantwortungsbewusstsein jedes Mitarbeiters, nicht nur für seinen originären Zuständigkeitsbereich, sondern für den gesamten Betrieb. Die Unternehmenskultur definiert diese Wertvorstellungen und Grundüberzeugungen der Organisation. 14. Breit qualifizierte und motivierte Mitarbeiter/innen Die Mitarbeiter sind eine der wichtigsten Ressourcen in einem Kunstbetrieb. Von ihrer fundierten Ausbildung, ihrem Wissen, ihrer Motivation und ihrem Engagement hängt das Wohl der Organisation maßgeblich ab. In den öffentlichen Privatsammlungen herrscht ein respektvolles und familiäres Arbeitsumfeld, in dem sich Leistungs- und Innovationspotenziale der Mitarbeiter entfalten können. Der regelmäßige persönliche Kontakt und Austausch der Mitarbeiter mit dem Sammler erzeugt zusätzlich intern eine enge emotionale Bindung und wirkt sinnstiftend. 15. Publikumsfreundliche Haltung Alle Privatsammlungen zeichnen sich durch eine besucherfreundliche Haltung und zeitgemäße Hinwendung zum Publikum aus. Oft sind es nur kleine Gesten, die große Wirkung entfalten und bei den Besuchern nachhaltig in Erinnerung bleiben. Dazu gehören persönliche Begegnungen mit dem Sammler, zuvorkommende Gespräche mit Mitarbeitern, eine anregende Stimmung und durchgängig praktizierte hohe Qualitätsstandards im Bereich der Publikumsbetreuung. 16. Gastfreundschaft und hohe Servicequalität Alle privaten Sammlungen dieser Studie messen der gehobenen Betreuung ihrer Besucher große Bedeutung bei und betonen ihre Gastfreundschaft. Neben künstlerischer Qualität und einem hohen Niveau aller Programmangebote entscheiden auch in öffentlichen Privatsammlungen Service, Dienstleistung und eine persönliche Ausstrahlung über Publikumsakzeptanz. 17. Ansprechende und informative Internetpräsenz Für Kultureinrichtungen stellt das Internet heute die bedeutsamste Kommunikations- und Informationstechnologie dar. Der Internetauftritt ist in den meisten Fällen der erste Kontaktpunkt einer öffentlichen Privatsammlung mit potenziellen Besuchern. Die eigene Website dient der Selbstdarstellung der öffentlichen Privatsammlung und als Präsentationsplattform ihrer Angebote. Neben den generellen Erfolgsfaktoren lassen sich folgende typenspezifische Erfolgsfaktoren für die Gruppe der Privatsammlungen mit dezidiert privatem und exklusivem Charakter benennen: 18. Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre In vier Privatsammlungen dieser Studie findet eine enge Verknüpfung von privater und öffentlicher Sphäre statt. Vier Sammler leben in ihren Ausstellungsgebäuden, in der Sammlung Hoffmann wird das Publikum durch die privaten Wohnräumlichkeiten der Sammlerin geführt. Wie bei einem Blick hinter die Kulissen können die Besucher neben der Betrachtung der vom Geschmack des
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT Sammlers geformten Kunstkollektion auch einen Eindruck seines Privatleben erhalten, wenn sie als Gäste in seinem persönlich geprägten Bereich empfangen werden.
19. Exklusivität Sechs private Sammlungen wollen vorrangig ein kunstinteressiertes Publikum ansprechen und eine fundierte Kunstbetrachtung fördern. Davon sind vier Einrichtungen nur an ausgewählten Tagen und nach Voranmeldung zugänglich. Die quantitative und zeitliche Beschränkung im Zugang versprechen ein exklusives Erlebnis. Ähnlich wie begrenzte oder exklusive Warenangebote das Verhalten von Konsumenten verändern und über interpersonelle Kommunikation zu einer Verstärkung der Nachfrage führen, so schürt der limitierte Zutritt zu diesen Privatsammlungen Begehrlichkeiten beim Publikum und steigert deren Exklusivität. 20. Unkonventionelle Ausstellungs- und Präsentationsformen Die Hälfte der untersuchten Privatsammlungen dieser Studie zeichnet sich durch ungewöhnliche und originelle Ausstellungs- und Präsentationsformen aus, die sich von klassischen Formen der Kunstpräsentation staatlicher Museen unterscheiden. Bedingt durch räumliche Gestaltungsvorgaben, aber auch durch unkonventionelle Zusammenstellungen von Objekten tragen sie zur positiven Belebung und Vielfalt der Ausstellungskultur bei. 21. Persönliche und private Formen der Kunstvermittlung Drei öffentliche Privatsammlungen können nur mit einer obligatorischen Führung besucht werden. Die intensive Beschäftigung mit den präsentierten Kunstwerken steht in diesen Privatinitiativen im Zentrum des Sammlerinteresses. Die Vielschichtigkeit zeitgenössischer Kunstobjekte wird in dialogischer Auseinandersetzung erörtert. In der Sammlung FER Collection führt der Sammler seine Gäste größtenteils persönlich durch seine Ausstellungsräume. 22. Positive Mund-zu-Mund-Propaganda Acht öffentliche Privatsammlungen verzichten auf breit angelegte Werbemaßnahmen und Marketingaktivitäten. Sie vertrauen darauf, dass ihre Angebote weiter empfohlen werden und sich in den einschlägigen Kreisen herumsprechen, denn hohen Besucherzahlen und dem Akquirieren von Personenkreisen, die sich bisher nicht für Kunst interessiert haben, wird in fünf Privatsammlungen keine Bedeutung beigemessen. Für die Gruppe der Privatsammlungen mit musealem Charakter lassen sich folgende typenspezifischen Erfolgsfaktoren ableiten: Vier Privatsammlungen dieser Studie wollen mit ihren Angeboten unterschiedliche Besucherschichten erreichen und auch ein kunstfernes Publikum ansprechen. Dafür unternehmen sie – ähnlich wie öffentliche Museen – vielfältige Aktivitäten, um Besucher an das Haus zu binden und ein neues Publikum für ihre Angebote zu interessieren. Mehrmals jährlich werden wechselnde Ausstellungen gezeigt, die von um-
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fangreichen Veranstaltungsprogrammen und Kunstvermittlungsangeboten begleitet werden. Neben dem originären Ausstellungsbesuch werden den Besuchern in drei Privatsammlungen kundenorientierte Zusatz- und Serviceleistungen, wie ein Museumsshop und ein Café, angeboten. Zwei private Einrichtungen unternehmen umfangreiche Marketingaktivitäten und Kommunikationsmaßnahmen, um ihre Angebote in breiten Kreisen öffentlich bekannt zu machen. Drei Erfolgsfaktoren öffentlicher Museen treffen daher auch auf größere museale öffentliche Privatsammlungen zu: 23. Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote Einer Kunstsammlung, die sich als Bildungseinrichtung versteht, kommt in Zeiten einer sich ständig verändernden, pluralistischen Gesellschaft besondere Bedeutung zu. Ziel ist es, möglichst vielen Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten die Teilhabe an kultureller Bildung zu ermöglichen. Die Ausstellungsinhalte werden einem heterogenen Publikum in diversifizierten Angeboten verständlich und anregend vermittelt. 24. Umfang und Qualität der externen Kommunikation Um den Bekanntheitsgrad einer Kunstsammlung zu steigern und erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erreichen, ist eine gute und effektive Presseund Öffentlichkeitsarbeit entscheidend. Auch über Medienberichte wird ein Kontakt mit dem Besucher hergestellt. Die Unterscheidung von anderen Museen hängt in hohem Maße davon ab, wie tief und nachhaltig das Museum im Bewusstsein und im Gedächtnis der Zielgruppen verankert ist. 25. Ansprechendes Museumscafé und exklusiver Museumsshop Versteht sich eine Kunstsammlung als Dienstleistungsbetrieb, wird sie auf die Interessen ihrer Gäste fokussieren und ihnen vielfältige zusätzliche Anreize für einen Besuch bieten. Dazu zählen auch besondere und qualitätvolle Angebote im Museumscafé sowie ein auffälliges und einmaliges Sortiment im Museumsshop. Da ein Großteil des Publikums diese Angebote wahrnimmt, haben sie auch wesentlichen Einfluss auf das Gesamterlebnis Museumsbesuch.
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7.14 A BGLEICH DER E RFOLGSKRITERIEN ÖFFENTLICHER M USEEN MIT E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN Der letzte Teil des Auswertungskapitels ist einer vergleichenden Gegenüberstellung der Erfolgskriterien öffentlicher Museen (EK) und der Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen (EF) gewidmet. Diese werden zur besseren Übersicht in den nachfolgenden Aufstellungen nochmals tabellarisch zusammengefasst: Tabelle 27: Potenzielle Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen Potenzielle Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen EK 1:
Leitbild und Museumskonzept
EK 2:
Ausreichende und gesicherte finanzielle Ressourcen für den Museumsbetrieb
EK 3:
Mehrdimensionale Finanzierung
EK 4:
Diversifikation der Eintrittspreisgestaltung
EK 5:
Einzigartigkeit der Sammlung und klares Sammlungskonzept
EK 6:
Angemessener Etat zur Sammlungserweiterung
EK 7:
Fachgerechte Bewahrung der Sammlung
EK 8:
Fachkundige Dokumentation der Sammlungsbestände und hohes Niveau der Forschungsarbeit
EK 9:
Attraktivität und Anzahl der jährlichen Ausstellungen
EK 10:
Klares Bekenntnis zu Kunstvermittlung und visueller Bildung
EK 11:
Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote
EK 12:
Managementqualifikation der Museumsleitung
EK 13:
Lernende und wirtschaftlich organisierte Organisationskultur
EK 14:
Fördern von Kreativität, Innovation und Verbesserung
EK 15:
Führung mit Zielen, Controlling und Evaluation
EK 16:
Zielgerichteter Personaleinsatz und faire Mitarbeiterpolitik
EK 17:
Strategisches Besuchermanagement
EK 18:
Erster Eindruck vom Museum und positive Atmosphäre
E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
EK 19:
Freundlichkeit und Kommunikationsfähigkeit des Personals, das in direktem Kontakt mit den Besuchern steht
EK 20:
Langfristiges Marketingleitbild und Marketinginstrumentarium
EK 21:
Umfang und Qualität der externen Kommunikation
EK 22:
Virtuelles Museum
EK 23:
Das Museum als Marke
EK 24:
Besondere Museumsarchitektur
EK 25:
Standort, lokale Infrastruktur und Erreichbarkeit
EK 26:
Ansprechendes Museumscafé und exklusiver Museumsshop
EK 27:
Kreative Allianzen
EK 28:
Hohe Dienstleistungsorientierung und hohe Servicebereitschaft
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Quelle: Eigene Darstellung
Tabelle 28: Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen Generelle Erfolgsfaktoren: EF 1:
Persönlichkeit und Authentizität des/r Sammlers/in
EF 2:
Zufriedenheit des/r Sammlers/in
EF 3:
Subjektive Prägung
EF 4:
Einzigartigkeit und Originalität der Privatsammlung
EF 5:
Fachgerechte Bewahrung der Privatsammlung
EF 6:
Attraktive Ausstellungsprogramme aus und mit Sammlungsbeständen
EF 7:
Keine Akademisierung der Sammlungs- und Ausstellungspraxis
EF 8:
Besondere Architektur
EF 9:
Sammlername als Marke
EF 10:
Finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit
EF 11:
Visionäre und strategische Geschäftsführung
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EF 12:
Primat des Wirtschaftlichkeitsprinzips
EF 13:
Flexible und teamorientierte Unternehmenskultur
EF 14:
Breit qualifizierte und motivierte Mitarbeiter/innen
EF 15:
Publikumsfreundliche Haltung
EF 16:
Gastfreundschat und hohe Servicequalität
EF 17:
Ansprechende und informative Internetpräsenz
Typenspezifische Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen mit exklusivem und privatem Charakter: EF 18:
Verschränkung von privater und öffentlicher Sphäre
EF 19:
Exklusivität
EF 20:
Unkonventionelle Ausstellungs- und Präsentationsformen
EF 21:
Persönliche und private Formen der Kunstvermittlung
EF 22:
Positive Mund-zu-Mund-Propaganda
Typenspezifische Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen mit musealem Charakter: EF 23:
Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote
EF 24:
Umfang und Qualität der externen Kommunikation
EF 25:
Ansprechendes Museumscafé und exklusiver Museumsshop
Quelle: Eigene Darstellung
Für öffentliche Museen wurden 28 potenzielle Kriterien, die aus der Innensicht eines Museums erfolgsrelevant sind, anhand der aktuellen Fachdiskussion, der einschlägigen Literatur und Erfahrungen aus der Praxis erarbeitet. Für öffentliche Privatsammlungen konnten als Ergebnis der Studie 25 faktische Erfolgsfaktoren abgeleitet werden. Während sich in einigen Bereichen deutliche Übereinstimmungen zeigen, liegen markante Unterschiede vor allem in den konträren Zielsetzungen der beiden Einrichtungen begründet. Ein öffentliches Museum ist eine wissenschaftliche Institution mit einem dezidierten Bildungs- und Vermittlungsauftrag. Eine öffentliche Privatsammlung ist eine auf persönlichen Interessen basierende Einrichtung, in der eine private Kunstleidenschaft der Öffentlichkeit aus freien Stücken zugänglich gemacht wird. Aus dieser gegensätzlichen Ausrichtung resultieren zwangsläufig unterschiedliche Determinanten, die deren Erfolg nachhaltig beeinflussen.
E RFOLGSFAKTOREN ÖFFENTLICHER P RIVATSAMMLUNGEN
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Übereinstimmung herrscht bei öffentlichen wie privaten Kunsteinrichtungen, dass die Einzigartigkeit der Sammlung, ihre fachgerechte Bewahrung, die Attraktivität der Ausstellungen, die Diversifikation der Kunstvermittlungsangebote, der Umfang und die Qualität der externen Kommunikation, eine ansprechende Internetpräsenz, eine besondere Museumsarchitektur, Zusatzleistungen wie ein Museumscafé und ein exklusiver Museumsshop, hohe Dienstleistungsorientierung und Servicebereitschaft sowie die Profilierung als etablierte Marke als Faktoren des Erfolgs gewertet werden können. Bei beiden spielen darüber hinaus Strategien und Methoden des Managements sowie eine zielgerichtete Personalpolitik wesentliche Rollen. Während die Erfolgskriterien bei öffentlichen Museen allgemeine Grundgedanken der Managementlehre aufgreifen, konnten bei öffentlichen Privatsammlungen bewährte Merkmale privatwirtschaftlicher Unternehmensführung wie strategische Planung, Wirtschaftlichkeit, Unternehmenskultur, Flexibilität, Teamorientierung und Mitarbeitermotivation verstetigt werden. Unterschiede zeigen sich vor allem in den Bereichen Finanzen und Publikumsorientierung. Bei öffentlichen Museen kreisen mehrere Erfolgskriterien um das Thema der Finanzierung (gesicherte Ressourcen für den Museumsbetrieb, angemessener Etat zur Sammlungserweiterung, mehrdimensionale Finanzierungskonzepte, kreative Allianzen und Diversifikation der Eintrittspreisgestaltung). Bei öffentlichen Privatsammlungen steht indessen die finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit im Zentrum. Darin sehen die Sammler dieser Studie den größten Unterschied zu öffentlichen Einrichtungen. Ein weiterer Gegensatz liegt im klaren öffentlichen Auftrag der staatlichen Institute, das Kulturerbe zu bewahren und einem größtmöglichen Besucherkreis zugänglich zu machen. Aus diesem Grund fokussiert eine Reihe von Erfolgskriterien öffentlicher Museen stärker auf das Publikum. Neben strategischem Besuchermanagement, geeigneten Marketinginstrumenten und einem klaren Bekenntnis zu Kunstvermittlung und visueller Bildung haben der Standort, die Erreichbarkeit, eine ansprechende Atmosphäre und positive Begegnungen mit den Menschen, die das Museum repräsentieren, maßgeblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der Besucher und damit auf den Erfolg des Museums. Während in öffentlichen Häusern die Akademisierung der Sammlungs- und Ausstellungspraxis eine museale Kernaufgabe darstellt, verzichten öffentliche Privatsammlungen meist auf einen gehobenen wissenschaftlichen Anspruch. In privaten Sammlungen überwiegen Erfolgsfaktoren, die durch die Persönlichkeit des Sammlers subjektiv geprägt sind. Die Individualität, die Authentizität, die Zufriedenheit und die Visionen des Sammlers repräsentieren den Zweck, das Ziel und das Selbstverständnis der Privatsammlung. Nicht nur in der Analogie von Sammler und Sammlung, sondern auch in der Architektur, den Programmen und dem Profil seines Ausstellungshauses kommt seine Persönlichkeit zum Tragen. Es ist vor allem der exklusive und private Charakter, der Interesse beim Publikum hervorruft und durch interpersonelle Kommunikation Verbreitung findet. Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen sind unkonventionelle Ausstellungs- und Präsentationsformen und persönliche Kunstvermittlungsformate, die gepaart mit einer grundsätzlich gast- und publikumsfreundlichen Haltung eine hohe Qualität der Kunsterfahrung ermöglichen.
8.
Veränderungen in der zeitgenössischen Museumskultur
Basierend auf den Ergebnissen der empirischen Studie wird abschließend die Frage beleuchtet, ob private Kunsteinrichtungen die zeitgenössische Museumskultur verändern und ob sich durch die verstärkte Gründung öffentlicher Privatsammlungen Konsequenzen für staatliche Museen ergeben. Analysiert man die einschlägigen Fachartikel zu diesem Thema, kreist die Debatte fast ausschließlich um den Verlust der Deutungshoheit der öffentlichen Museen und ihrer Experten. Meist kommen diese Schriften in ihrer Kritik über einen appellativen und moralisierenden Charakter nicht hinaus. Vor dem Hintergrund der bisher getätigten Ausführungen ist allerdings schwer zu verstehen, worauf die Empörungen gründen. Kapitel 8.1 fasst unterschiedliche Standpunkte zusammen und versucht mit Hilfe eines Experten die Frage des wechselseitigen Verhältnisses privater Sammler und öffentlicher Museen zu erörtern. In Kapitel 8.2 wird die Zukunft privater Einrichtungen thematisiert. Eine Prognose, wie sich zukünftig Kooperationen zwischen privaten Sammlungen und öffentlichen Institutionen entwickeln könnten (Kapitel 8.3), beschließt diese Untersuchung.
8.1
S TELLENWERT DER ÖFFENTLICHEN P RIVATSAMMLUNGEN IM V ERHÄLTNIS ÖFFENTLICHEN M USEEN
ZU
Allgemein wird beklagt, dass die Unfähigkeit der öffentlichen Häuser, mit der finanziellen Expansion der zeitgenössischen Kunst mitzuhalten, die privaten Sammler stark gemacht hat. Durch die internationale Verteuerung der Kunst haben sich Ankauf und Präsentation von Gegenwartskunst einseitig zum Privileg der Privatsammler entwickelt. Die international renommierten Sammlungen und die besonderen Erscheinungs- und Präsentationsformen ihrer privaten Ausstellungshäuser werden als Manifestation eines Paradigmenwechsels im Umgang mit zeitgenössischer Kunst gesehen. Die dominante Rolle der öffentlichen Privatsammlungen, das große mediale Interesse und die hohe Publizität zeigen unübersehbar, „dass die Geschichte der zeitgenössischen Kunst immer weniger von Museen und Kunsthistorikern geschrieben wird, sondern von privaten Ausstellungshäusern und Sammlern“, konstatiert Domenikus Müller (2008). Auch nach Jocks (2011a: 34) „scheinen
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sich heute die Gesetze des Kunstmarkts so verselbständigt zu haben, dass die Galeristen, Kunsthändler und privaten Sammler die Aktualität und damit die Geschichte von morgen bestimmen“. „Dass der Kunstmarkt von Privatsammlern beherrscht wird, hat Auswirkungen auf die Entwicklung der Kunstgeschichte“, ist gleichermaßen Peter Weibel (2011) überzeugt. „Die Kaufkraft der Privatsammler, unvorstellbar viel größer als die der staatlichen Sammler, verleiht den Privatsammlern ihre Macht sowohl auf dem Markt als auch in der Öffentlichkeit. Sie bestimmen die Geschicke des Kunstgeschehens. Zur Marktmacht, die sie innehaben, gesellt sich zudem auch noch die Geschichtsmacht.“ Die vermeintliche Vorrangstellung der privaten Sammler im Bereich der Beurteilung und Deutung von Gegenwartskunst bewertet Weibel (2011) kritisch. Er meint gar den „Feudalismus vergangener Jahrhunderte“ wieder erstarken zu sehen. „Ich beklage den Rückzug der staatlichen Hand aus diesem Supportsystem deshalb, weil beim Wandel privater in öffentliche Güter durch den privaten Sammler auf dem freien Markt die Gefahr durch die Dialektik von Angebot und Nachfrage besteht, dass private ‚Laster‘ (individueller Geschmack des Privatsammlers) zu öffentlichen ‚Tugenden‘ (Kanon der objektiven Kunstgeschichte) werden. Die private Geschmacklosigkeit würde zum öffentlichen Geschmack, private Idiosynkrasie zur öffentlichen Objektivität und eine private Vorliebe zur öffentlichen Vernunft.“ Diese Polemik, private Geschmacklosigkeit könnte zu öffentlichem Gut werden, verwundert, steht doch Weibel als Vorstand des ZKM Karlsruhe auch dem Museum für Neue Kunst vor, das eng mit privaten Kunstsammlungen zusammenarbeitet und seine Ausstellungen fast ausschließlich mit Leihgaben aus Privatbesitz bestreitet (vgl. Kapitel 3.2). Die hohe Qualität der mit dem ZKM und Museum für Neue Kunst kooperierenden Sammlungen, zu denen auch die Sammlung FER Collection, die Sammlung Frieder Burda und die Sammlung Boros zählen, steht in starkem Kontrast zu Weibels pauschalierter Kritik. Auch Karlheinz Essl wundert sich über eine solch unsachliche Beurteilung: Wir verleihen pro Jahr hunderte Kunstwerke in die ganze Welt – und die meisten Leihanfragen kommen aus öffentlichen Museen. Auch viele andere Sammler werden von öffentlichen Museen angefragt, wenn diese Sammlungen so beliebig und subjektiv wären, dann würden sie von den öffentlichen Häusern doch nicht permanent angefragt. Die Sammler stellen überdies die Kategorie des subjektiven und objektiven Sammelns in Frage. Während staatlich subventionierte Museen den Auftrag haben, sich der allgemeinen und objektiven Wissensvermittlung zu widmen, leisten sich private Kunstsammler Subjektivität und sammeln nach persönlichen Vorlieben. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Entscheidung für einen Ankauf von einem Experten
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eines öffentlichen Museums letztlich nicht auch subjektiv ist.1 Walter Grasskamp (2002a: 68) ist folgender Ansicht: „Unbestritten besaß das Museum bislang die Kompetenz, den kunsthistorischen Kanon zu formen, weil hier mehrhändig gesammelt wurde, neutral, verantwortungsbewusst und wissenschaftlich fundiert, mit Distanz zum unruhigen Marktgeschehen. Der Privatsammler dagegen geht einhändig und subjektiv vor, meist sogar bewusst einseitig.“ Als Kriterien für Objektivität führt Grasskamp das mehrhändige Sammeln, also die Beurteilung eines Kunstwerks durch mehrere Fachleute, und eine wissenschaftliche Begutachtung abseits des Kunstmarkts an. Karlheinz Essl ist dagegen überzeugt: Es gibt ja keine objektive Sammlung, auch die öffentlichen Institutionen sind nicht in der Lage, objektiv zu sammeln. Es sind kleine Einblicke. Auch aufgrund der fehlenden Budgets. Die Sammlung wird immer subjektiv sein, egal ob eine Gruppe von Kuratoren auswählt oder ein privater Sammler. Die Subjektivität ist auch wichtig für mich, denn ich will ja nicht den Mainstream abbilden und das sammeln, was alle anderen auch haben. Auf die Frage, ob private Museen heute auf den Kanon der Gegenwartskunst einwirken und ihre subjektiven Auswahlkriterien zu Allgemeingut werden, entgegnet der österreichische Museumsgründer: Es ist eine weit hergeholte These. Ich weiß nicht, wie man sich anmaßen kann, objektiv zu sammeln, das ist ja Hochmut. Ich glaube, das ist eine Aussage, die aus der Defensive kommt. Private Museen kaufen ja auch ähnlich wie öffentliche Museen. Es ist vielleicht ein neidvoller Blick über den Tellerrand hinaus zu den privaten Museen, die mehr Möglichkeiten haben. Auch Thomas Olbricht bezweifelt die Objektivität öffentlichen Sammelns: Ich bin überzeugt, es gibt kein objektives Sammeln. Objektives Sammeln in der zeitgenössischen Kunst ist schwierig. Wenn man weiter zurück blickt, dann gibt es diesen etablierten Kunstkanon. Man weiß, dass man einen van Ruisdael kaufen muss und keinen No-Name-Künstler, wenn man dieses Sammelgebiet erweitern möchte. Bei der zeitgenössischen Kunst ist das ja ganz anders. Und natürlich wird die Auswahl immer von subjektiven Kriterien ausgehen, egal ob ein Sammler, ein Kurator oder ein Museumsdirektor entscheidet. Und das kann man in den Museen sehen. Kulturpolitische Debatten über die Macht der Sammler, ihre Omnipräsenz in der Kunstwelt und ihren Einfluss am Kunstmarkt haben sich parallel zur zunehmenden Gründung öffentlicher Privatsammlungen entwickelt. Die wirtschaftliche und medi-
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Der Museumsexperte Michael Fehr (2009) merkt dazu an: „Als Museumsmensch [läuft man, d.V.] Gefahr, für bestimmte Entscheidungen nicht bewundert, sondern kritisiert zu werden, weil man öffentliches Geld angeblich für private Vorlieben einsetze. Deshalb flüchten sich viele Museen in die Zusammenarbeit mit privaten Sammlern einfach nur, um diesem Vorwurf zu entgehen.“
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ale Strahlkraft der privaten Sammlungshäuser schürt eine Gegnerschaft, in der Kuratoren und Vertreter öffentlicher Museen mutmaßlich ihre Vorrangstellung im Diskurs über zeitgenössische Kunst einbüßen. Ihr Problem liegt in der wachsenden Schwierigkeit, die Kunst ihrer Zeit im Kontext der internationalen Entwicklung nicht mehr angemessen darstellen zu können. „Wir stehen an der Schwelle zu einer weiteren Ausdifferenzierung des Kunstsystems“, erklärt Peter Weibel (2011). „Der Privatsammler ist das Ergebnis der Ausdifferenzierung des Kunstsystems in den Markt. [...] So lange der Kunstmarkt für den Kunstbetrieb und die Kunstgeschichte wichtig ist, so lange sind Privatsammler ein wichtiger, wenn nicht sogar der mächtigste Faktor. [...] Im kapitalistischen Kunstsystem bedeutet Marktmacht auch Meinungsmacht, Entscheidungsmacht und Distinktionsmacht.“ Die Frage der Deutungshoheit scheint somit maßgeblich eine Machtfrage zu sein. „Die privaten Sammler spielen im Kunstbetrieb die erste Geige, sie üben eine Hegemonie aus. Die staatlichen Museen haben nicht nur das Monopol, sondern auch die Macht verloren, die Anerkennung und Geltung von Künstlern zu positionieren“, resümiert Weibel (2011). „Das offensive Auftreten von Sammlern verdeutlicht jedoch den zunehmenden autoritativen Schwund staatlicher Museen und ihres Expertenstabs. Große Sammler machen das kulturelle Archiv unter sich aus, sorgen selbst für museale Weihen und verfügen über Kapital, das sortiert, woran man sich erinnern soll. [...] Den staatlichen Hütern gelingt die Hierarchisierung der Wertbestände kaum noch. Darüber hinaus sammeln Privatsammler nicht nur Werke um sich, sondern auch Kritiker und Kuratoren, die die Auseinandersetzung mitsteuern. Dagegen ist nichts zu sagen. Es bedeutet nur, dass die kulturelle Macht, die von staatlichen Museen ausging, hinsichtlich zeitgenössischer Kunst schwindet“, mutmaßt Peter Herbstreuth (1994). Festzuhalten ist, dass Sammler durch ihre ungleich höheren finanziellen Möglichkeiten mehr Kaufkraft besitzen und daher wichtige und einflussreiche Protagonisten in der Kunstlandschaft sind. Aber das war auch in den vergangenen Jahrhunderten der Fall. Öffentliche Museen haben noch nie in ihrer Geschichte über ausreichende Mittel und die entsprechende Entschlossenheit verfügt, das zeitgenössische Kunstschaffen umgehend zu sammeln und dokumentierend zu begleiten. Es waren stets die privaten Sammler, die mit ihrem Wagemut, ihrer Spontaneität und ihrer Risikobereitschaft junge und kunsthistorisch noch nicht abgesicherte Kunst erworben haben. Es ist ein historisches Faktum, dass 75 % aller Kunstwerke in staatlichen Museen durch Schenkungen und Stiftungen von privaten Kunstsammlern in öffentlichen Besitz gekommen sind (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 121). Das lässt den Schluss zu, dass dem Geschmack und dem Urteil privater Sammler seit jeher dauerhafte Wertschätzung des öffentlichen Museums zukommt. Aus dieser Perspektive ist schwer nachvollziehbar, warum sowohl die Kunst- und Institutionskritik als auch die feuilletonistische Berichterstattung die privaten Sammler in den letzten Jahren zunehmend tadelt, sie würden mit ihrem offensiven Auftreten und ihren Sammlungen die Integrität öffentlicher Museen beeinträchtigen und deren Autorität und Deutungshoheit gefährden.
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Unter Deutungs- und Interpretationshoheit versteht man die Befähigung, ein Kunstwerk, einen Stil oder eine künstlerische Erscheinungsform zu interpretieren, wissenschaftlich zu analysieren und kunsthistorisch einzuordnen. Es handelt sich dabei um die Entwicklung von Theorien, die es erlauben, verschiedene Bedeutungspotenziale eines Kunstwerks zu erschließen. Armin Zweite sieht diese Kompetenz unbestritten bei den Wissenschaftlern, Museen, Universitäten, teilweise auch bei seriösen Kritikern und Galeristen angesiedelt. Der Experte macht darauf aufmerksam, dass nicht zu unterschätzen [ist, d.V.], welche Bedeutung der Verortung und intellektuellen Durchdringung aktueller ästhetischer Produktion und ihrer Wurzeln und Voraussetzungen zukommt. [...] In den entsprechenden Publikationsorganen und Diskussionsforen passiert vieles, was öffentlich kaum wahrgenommen wird. Zweite rekurriert auf eine Reihe theoretischer und wissenschaftlicher Konzepte, die „prägende Auswirkungen auf Wahrnehmung und Deutung von zeitgenössischer Kunst“ haben.2 In wissenschaftlichen Foren werden die begrifflichen Instrumentarien entwickelt, die erforderlich sind, um die Voraussetzungen und Erscheinungen der heutigen Kunst begreifbar zu machen. Wenn man die Deutungshoheit vorschnell einer Sphäre des Glamours und der Moden attestiert, läuft man sicherlich Gefahr, die komplexe Phänomenologie der derzeitigen ästhetischen Erscheinungsformen nicht wirklich fassen zu können. Natürlich richtet sich das Augenmerk ganz besonders auf jene Sammler aktueller Kunst, die entweder viel Geld für ihre Erwerbungen opfern oder mit geringen Mitteln neue Gebiete erschließen und riskant und innovativ operieren. Das alles sagt aber noch kaum etwas darüber aus, was verstanden wird und was auch längerfristig Bestand haben wird. Matthias Mühling (2011: 141) ist gleichfalls überzeugt, dass „im vorherrschenden, feuilletonistischen Antagonismus von privater Sammlung und öffentlicher Institution [...] eine unzulässige Komplexitätsreduzierung“ liegt. Richtig ist, dass sich in den letzten zehn Jahren die Koordinaten des Kunstbetriebs zugunsten der privaten Sammler verschoben haben. Obgleich öffentliche Privatsammlungen eine zentrale Rolle im Bereich der zeitgenössischen Kunstpräsentation und Rezeption eingenommen haben, lässt sich aus heutiger Sicht daraus keine Definitionsmacht ableiten. Die Kaufkraft und Publizität der privaten Sammlungen kann zu einem Aktualitäts- und Bedeutungsverlust öffentlicher Institutionen führen und das unangefochtene Expertentum in der Beurteilung von Kunst in Frage stellen, aber nicht zu deren Autonomieverlust beitragen. Armin Zweite erklärt dazu: Was heute – so mein Eindruck – in erster Linie wahrgenommen wird, ist der große Effekt, das Event, das Sensationelle, Brandaktuelle, die ultimative Verletzung gerade noch gültiger Regeln. Die Deutung all dieser Phänomene und ihrer Varianten und Nachahmungen bleibt an die artikulierte Sprache gebunden, an das intellektuelle Vermögen und die Wahrnehmungsfähigkeit. Ich bin nicht sicher, ob
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Armin Zweite nennt hier den Iconic und Linguistic Turn, die Zeitschriften „Texte zur Kunst“ und Zeitschrift „October“ mit ihren Autoren Rosalind Krauss, Benjamin H.D. Buchloh, Douglas Crimp, Hal Foster und Yves-Alain Bois.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT die meisten privaten Sammler das leisten können, ja ob sie sich überhaupt auf dieses Terrain begeben möchten.
Aus den Interviews mit den Sammlern wurde deutlich, dass sich die Teilnehmer dieser Studie nicht auf dieses Terrain begeben möchten. Zu ihrer Meinung über eine mögliche Vorrangstellung der Privatsammlungen gegenüber staatlichen Museen im Bereich der Gegenwartskunst befragt, antworten die Sammler wie folgt: Ich glaube, das wird überschätzt. Natürlich haben die öffentlichen Museen kaum Ankaufbudgets. Aber man darf nicht vergessen, dass die staatlichen Museen unglaubliche Schätze in ihren Depots haben. Die Frage ist wirklich, ob die Museen immer die allerneueste Kunst ankaufen müssen, so Frieder Burda. War es nicht immer so?, entgegnet Erika Hoffmann. Schon in den siebziger Jahren haben wir in den Kunstvereinen und Kunsthallen – nicht in den Museen – die interessanten oder für uns anregenden Ausstellungen gesehen. Die Kunstvereine werden auch getragen von bürgerschaftlichem Engagement. Jetzt, nachdem der allgemeine Wohlstand so gewachsen ist und die privaten Sammlungen vorhanden sind, machen eben einige Private ihre eigenen Kunsträume. [...] Natürlich wird dadurch ein schiefes Bild davon vermittelt, was heute wichtig ist oder was man für die Zukunft für wichtig hält, aber das war ja früher kaum anders, auch wenn Fachleute urteilten. Deutungshoheit?, fragt Julia Stoschek. Das kann ich nicht sagen. Das würde ich auch gar nie von mir behaupten. Das müssen andere entscheiden. Aber ich bin mir zumindest der Verantwortung bewusst, die so ein Haus hat. Das sehe ich schon und wünsche mir, dass sich alle Sammler dieser Verantwortung bewusst sind. [...]. Ich habe das Gefühl, dass dieses Konkurrenzverhältnis von den Medien hochgespielt wird. Hans-Michael Herzog antwortet: Ich denke, dass es kein höherer Stellenwert ist, weil die Privaten doch eher die neueren Kunstwerke sammeln, die bei weitem nicht den Stellenwert guter alter Kollektionen erreichen können. Was die Privaten haben, ist sicherlich mehr Visibilität, auch weil sie gehypt werden und auch aufgrund des privaten und exklusiven Charakters. Vielleicht weil sie eine relaxtere Atmosphäre vermitteln und darüber hinaus autonom agieren können. Was den Markt betrifft, stimmt der höhere Stellenwert natürlich. Da schnappen die Privaten den Öffentlichen die besten Stücke weg. Aber ich finde das nicht schlimm, denn „in the long run“ wird schließlich alles öffentlich. Alle private Sammeltätigkeit ist endlich und wird früher oder später öffentlich werden. Thomas Olbricht (2011) sagt: „Auf die Frage nach der Bedeutung für den Kanon zeitgenössischer Kunst würde ich antworten, dass nur einige wenige Großsammler Einfluss nehmen, zu denen ich mich auf gar keinen Fall zähle. Ein Herr Saatchi oder Pinault sind da zumindest aktuell die besseren Adressaten. Pinault ist vermögend genug, um sich die wichtigsten und größten Arbeiten zu kaufen. Ich
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selbst erwerbe vor allem Arbeiten von nicht etablierten Künstlern. Damit begebe ich mich auf ein Feld, wofür sich nur wenige Museen interessieren.“ Die Zitate belegen, dass die Sammler weder Deutungshoheit anstreben oder beanspruchen, noch eine Gegnerschaft zu öffentlichen Museen provozieren wollen. Weiterhin stellen sie in Frage, ob öffentliche Museen unter allen Umständen die aktuelle Kunstproduktion mittels ihrer Sammlung abbilden müssen. Sie verweisen auf nicht-sammelnde öffentliche Institutionen wie Kunstvereine, die ihr Programm unabhängig von Marktinteressen gestalten können. Größtenteils sind die Sammler der Ansicht, dass das Thema der Kanonkompetenz überbewertet und von den Medien in seiner Bedeutung verzerrt wird. Sie erkennen für sich eine Vorrangstellung am Kunstmarkt, die ihren Sammlungen Ansehen und Renommee verschafft, aber sie messen sich selbst keine so weitreichende Bedeutung und Macht bei, den Kanon der zeitgenössischen Kunst zu bestimmen. Thomas Olbricht (2011) ergänzt: „Die Frage, ob der Sammler demnächst oder schon jetzt das Sagen im Kunstbetrieb hat, weil er über mehr Möglichkeiten als die Museen verfügt und damit den Kunstkanon bestimmt, setzt voraus, dass Sammler und Museen miteinander konkurrieren. Das trifft aber nicht zu. Ich sammle, was mich bewegt, interessiert und anregt und muss dabei auf nichts achten. Ich stehe weder im Kontakt noch in Konkurrenz zu einem Museum bei der Frage des Kunstkaufs. Zwar bin ich davon überzeugt, dass einige der von mir gesammelten ganz neuen Arbeiten eines Tages musealen Rang erreicht haben werden, doch keine Ahnung, wann und welche.“ Dieses Zitat von Thomas Olbricht spricht einen grundlegenden Faktor an. Wie bereits in Kapitel 7.1.2 dargestellt, sehen sich öffentliche Privatsammlungen keineswegs als Konkurrenten des öffentlichen Museumsbetriebs. Im Gegenteil, mit Leihgaben, Kooperationsangeboten und Schriftentausch stehen sie in regem Kontakt und Austausch mit öffentlichen Häusern. Ihre Sammeltätigkeit und die fachgerechte Erschließung und kontinuierliche wissenschaftliche Aufarbeitung ihres Sammlungsbestandes betreiben sie autonom und entsprechend ihrer Möglichkeiten. Die Daros Latinamerica Collection hat sich in dieser Hinsicht im europäischen Museumskontext qualitativ positioniert. Hans-Michael Herzog sagt dazu: Wenn wir jetzt Deutungshoheit haben, dann liegt das auch daran, dass wir als sehr seriös eingestuft werden, besonders in Lateinamerika. Von Anfang an haben wir versucht, mit der Kunst und mit den Künstlerinnen und Künstlern einen korrekten und respektvollen Umgang zu pflegen. Ich denke, es ist dieser Respekt, der sich in allen Köpfen etabliert hat. Das ist etwas, was bleibt. In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns von vielen anderen. In Verbindung mit unseren Publikationen und Aktivitäten, vor allem in Rio, hat sich ein Geflecht herausgebildet, durch das die interessierte Öffentlichkeit versteht, dass wir ein gewisses Niveau haben. Man kann durchaus sagen, dass es für südamerikanische Künstler eine Ehre ist, in unserer Sammlung vertreten zu sein. Hans-Michael Herzog bringt hier das entscheidende Argument in die Diskussion ein. Er ist davon überzeugt, dass es nicht relevant ist, ob eine private oder eine öffentliche Institution die Deutungshoheit und Vorrangstellung in Bereich der Definition von
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Kunst innehat, sondern dass der professionelle, auf einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage basierende und respektvolle Umgang mit Kunst und den Künstlern entscheidend ist. Objektiv betrachtet, scheint es daher irrelevant, ob private Sammler oder öffentliche Museen den Kanon der Gegenwartskunst bestimmen. Letzten Endes sollte das einzige Kriterium die Qualität der Kunst darstellen. Das Wichtigste dabei aber ist, dass sich letztlich im Laufe der Zeit alles über die Qualität der Kunst entscheidet, ist Hans-Michael Herzog überzeugt. Von einem Autonomieverlust der öffentlichen Museumsexperten kann nur dann die Rede sein, wenn die öffentlichen Privatsammler Deutungsmacht beanspruchen und damit in Konkurrenz zu öffentlichen Häusern treten wollen. Die Zitate der befragten Sammler und die Meinung des Experten machen deutlich, dass weder das eine noch das andere zutrifft. An dieser Stelle sei angemerkt, dass diese Darstellung auf die Sammler dieser Studie zutrifft, im Hinblick auf eine international agierende Sammlerschicht allerdings relativiert werden muss. Maak (2011) hat in seiner Abhandlung über Netzwerke und Rituale eines transnationalen Sammlersystems gezeigt, dass eine „megasolvente Sammlerklasse“ ihren Einfluss auf dem Kunstmarkt auch auf den internationalen Ausstellungsbetrieb ausweiten kann. François Pinault, Viktor Pinchuk, Dakis Joannou und Daria Schukowa, Lebensgefährtin des russischen Ölmilliardärs Roman Abramowitsch, haben „jenseits der großen öffentlichen Museen und Ausstellungshäuser ein sich gegenseitig stabilisierendes Netzwerk aus internationalen privaten Ausstellungshäusern etabliert, in denen immer die gleichen Figuren auftreten“.3 Als Berater dieser Großsammler fungiert neben einflussreichen Kunsthändlern und Galeristen in vielen Fällen die Elite des öffentlichen Museumsbetriebs – Direktoren und Kuratoren der wichtigsten Museen und Biennalen Europas und der USA.4 Durch sie wird einerseits gesammelt, was internationale Kunstmuseen erwerben und kodifizieren, andererseits tauchen Künstler, die von Privatsammlern favorisiert werden, auch in den staatlichen Häusern der Berater auf. Von diesem System können somit auch Künstler profitieren, die im institutionalisierten Kunstbetrieb keine Beachtung finden.5 „So wird eine zweite Kunstwelt aufgemacht, in der Bedeutung herstellbar und Karrieren von Künstlern vollkommen steuerbar werden“, erklärt Maak (2011:
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Das Zentrum des „oligarichischen Großsammlergeschmacks“ bilden nach Maak (2011: 49) Takashi Murakami, Damien Hirst und Jeff Koons. Maak (2011: 49) nennt als Boardmitglieder von Viktur Pinchuk: Richard Armstrong, Direktor des Guggenheim Museum, Alfred Paquement, Direktor des Musée National d’Art Modere im Centre Pompidou, Nicholas Serota, ehemals Direktor der Tate Modern, Exdocumenta Leiter Okwui Enwezor und die Ex-Biennale-Leiter Robert Storr und Daniel Birnbaum. Als Beispiel nennt Maak (2011: 47) Anselm Reyle. Der Erfolg seiner Kunst „ist das sichtbare Symptom der Machtprobe zweier Kunstsysteme. Im alten System waren es die öffentlichen Museen [...], die Kunstgeschichte schrieben. [...] Die Werke von Reyle, deren Preise binnen weniger Jahre von unter 10.000 Euro auf 373.000 Euro bei den Auktionen schossen, wurden durch ein neues System emporkatapultiert: durch Privatsammler und Galeristen“, die parallel zum öffentlichen Kunstbetrieb agieren.
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51). Im Unterschied zu den öffentlichen Privatsammlungen dieser Studie zeigen die großen privaten Gegenwartsmuseen, „dass sich bei der Frage, wie im Ausstellungssystem [...] Macht entsteht, Deutungshoheiten behauptet und Eichsysteme für Qualität geprägt werden, die Gewichte verschoben haben“ (Maak 2011: 49). Dieser kurze Exkurs verdeutlicht, wie wichtig es ist, von Generalisierungen in Bezug auf öffentliche Privatsammler abzusehen. Wie bereits an unterschiedlichen Stellen in dieser Arbeit hingewiesen wurde, erscheint eine Differenzierung von Strategien, Aktivitäten und Motivationen öffentlicher Privatsammler unbedingt erforderlich. Es gibt feine Unterschiede zwischen Sammlern, und verallgemeinernde Urteile können diese in ein falsches Licht rücken. Die Frage, ob öffentliche Privatsammlungen Veränderungen in der deutschsprachigen zeitgenössischen Museumskultur herbeiführen und sich dadurch Konsequenzen für staatliche Museen ergeben, kann zusammenfassend wie folgt beurteilt werden: Private Sammler haben seit jeher anregend auf die Museumswelt eingewirkt. Als Mäzene, Stifter, Leihgeber und Kooperationspartner waren und sind sie für öffentliche Museen von großem Wert. Das Verhältnis zwischen privaten Sammlern und öffentlichen Museen hat sich seit der Jahrtausendwende insofern merklich verändert, als viele private Sammlungen nicht mehr als Kooperationspartner sondern als eigenständige und ebenbürtige Kunstinitiativen öffentlich auftreten. Innerhalb der zeitgenössischen Museumskultur können diese öffentlichen Privatsammlungen als inhaltliche, räumliche und belebende Ergänzungen zu den staatlichen Kunstinstitutionen betrachtet werden. Inhaltlich liegt die Stärke der öffentlichen Privatsammlungen in der subjektiv geprägten Auswahl der Kunstwerke, der Förderung und dem Erwerb von zeitgenössischer und teilweise noch nicht anerkannter Kunst und der Vertiefung und Spezialisierung von Sammlungsgebieten. Entdeckerfreude, Wagnis und der Mut, das persönliche Kunstverständnis öffentlich zu machen, zeichnen diese Sammlungen aus. Räumlich erschließt eine Reihe öffentlicher Privatsammlungen Gebiete, die als kulturell unterversorgt gelten. Viele Sammler entschließen sich bewusst dafür, in ihren Heimatregionen eigene Museen und Ausstellungsräume zu errichten, um die lokale Bevölkerung an ihrer Leidenschaft für Kunst teilhaben zu lassen. Innerhalb ländlicher Regionen leisten öffentliche Privatsammlungen damit einen unverzichtbaren Bestandteil zum kulturellen Leben und tragen zur positiven Belebung der Ausstellungskultur und der Bildungsangebote dieser Regionen bei. Mit ihren vielfältigen Ausstellungsprogrammen und Aktivitäten im Bereich der Kunstvermittlung erweitern sie das Interesse an zeitgenössischer Kunst und können helfen, museale Hemmschwellen abzubauen und damit zu einer Vergrößerung des Kunstpublikums beizutragen. Diese Initiative kommt auch indirekt dem institutionalisierten Museumsbetrieb zugute, da den öffentlichen Museen auf diese Weise neue Besuchergruppen zugeführt werden können. Öffentliche Privatsammlungen genießen aus unterschiedlichen Gründen hohe mediale Aufmerksamkeit und haben starke Signalfunktion. Ihre Solvenz verleiht ihnen im Vergleich zu öffentlichen Museen höhere Kaufkraft und erlaubt den Ankauf teurer Gegenwartskunst. In dieser Hinsicht sind sie den öffentlichen Museen überlegen und „gehen ihnen quasi voran“. Mit der umgehenden Ausstellung ihrer zeitgenössischen Neuankäufe bringen private Sammlungen die aktuelle Kunst noch stärker
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ins öffentliche Bewusstsein und wirken damit auf den Kanon der öffentlich präsentierten Gegenwartskunst ein. Daraus kann aber weder ein Autonomieverlust der öffentlichen Museumsexperten noch eine Distinktionsmacht der Privatsammlungen abgeleitet werden. Armin Zweite ergänzt: Es gibt private Sammlungen, die institutionellen Charakter haben und wirklich exzellente Arbeit leisten, die innovativ sind und immer wieder Neuland betreten und dann auch erschließen. [...] Dennoch würde ich nicht sagen, dass die öffentlichen Museen durch derartige Leuchttürme ins Hintertreffen geraten. Viele der staatlichen oder städtischen Einrichtungen machen exzellente Arbeit und riskieren etwas und verwirklichen bedeutende, wissenschaftlich ertragreiche und publikumswirksame Projekte. Die Sachforschung geht unvermindert weiter, wobei häufig unterschätzt wird, welche profunden Resultate in die Veröffentlichungen der Häuser eingehen. In unserer auf das Aktuelle getrimmten Medienwelt wird das kaum wahrgenommen. Zweite bezeichnet private Sammlungen als eine „belebende und produktive Konkurrenz“ für öffentliche Museen. Er teilt damit die Meinung der Sammler dieser Studie, die ihre Sammlungshäuser als subjektive Ergänzungen und Bereicherungen des institutionalisierten Ausstellungsbetriebs betrachten. Bewertet man anhand der obigen Ausführungen mögliche Konsequenzen für öffentliche Museen, so können staatliche Einrichtungen die „private Konkurrenz“ als Chance erkennen, sich inhaltlich zu spezialisieren und mit ihrer Sammlungspolitik ein unverwechselbares Profil zu etablieren. Womöglich kann eine Profilierung und Besinnung auf die eigene Historie Voraussetzung dafür sein, dass private Sammler zukünftig wieder stärker mit öffentlichen Museen kooperieren. Welche Auswirkungen die vermehrte Gründung öffentlicher Privatsammlungen auf staatliche Museen faktisch haben wird und ob sich dadurch nachhaltige Veränderungen der Museumskultur ergeben, wird erst in einigen Jahren festzustellen sein. „Ein kunst-soziologischer Rückblick kann [...] möglicherweise zu dem Ergebnis gelangen, dass die Institutionen privater Sammler eine Signalfunktion und einen paradigmatischen Faktor im Strukturwandel der Öffentlichkeit zeitgenössischer Kunst und des Museumswesens an der Schwelle vom 20. und 21. Jahrhunderts darstellen“, glaubt Fleck (2010: 6). Die Klärung dieser spannenden Frage muss einer Folgearbeit überlassen werden.
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In diesem Kapitel wird der Blick auf die Zukunft öffentlicher Privatsammlungen gerichtet. Dabei stellt sich die Frage, was mit den privaten Initiativen nach dem Ableben ihrer Gründer passiert und ob öffentliche Privatsammlungen ein tragfähiges Modell für die Zukunft darstellen. Kritiker äußern die Vermutung, die meisten Privatsammlungen würden früher oder später von staatlichen Zuwendungen abhängig sein und Verpflichtungen der öffentlichen Hand nach sich ziehen. Armin Zweite ist gleichfalls dieser Ansicht: Möglicherweise werden wir es über kurz oder lang erleben, dass die öffentliche Hand die schönen Initiativen am Leben erhält, wenn das private Kapital einmal
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nicht mehr vorhanden ist, um Betrieb und Unterhalt der privaten Häuser zu gewährleisten. Meiner Einschätzung nach sind die öffentlichen Einrichtungen zumindest in Deutschland langlebig. Ihre Kontinuität ist vermutlich das letztlich entscheidende Fundament unserer kulturellen Existenz, womit ich die Verdienste und die Bedeutung der privat geführten Sammlungen keineswegs schmälern oder gar in Frage stellen möchte. In der Kontinuität der öffentlichen Museen sieht auch Pomian (1998: 67) einen markanten Gegensatz zu privaten Sammlungen. „Das erste charakteristische Merkmal der Museen ist ihre Permanenz. Im Gegensatz zu Privatsammlungen, die meist nach dem Tod des Sammlers aufgelöst werden – und auch schon zu dessen Lebzeiten das Auf und Ab seiner Vermögensschwankungen zu spüren bekommen – überlebt das Museum seine Gründer. [...] Das ist so, weil ein Museum unabhängig von seinem juristischen Status eine öffentliche Einrichtung ist.“ Dieser Standpunkt kann durch den historischen Rückblick auf privates Kunstsammeln in Kapitel 2 bestätigt werden. Es hat sich gezeigt, dass zahlreiche Privatkollektionen nach dem Tod ihres Gründers aufgelöst wurden, weil Nachlässe nicht geregelt oder die Sammlungen der Willkür oder dem Desinteresse der Nachkommen ausgesetzt waren. Öffentliche Museen bieten die „Ewigkeit“, nach der die Sammler streben, ist auch Wulf Herzogenrath (2006: 22) überzeugt. Die staatlichen Museen „wird es auch in 50 Jahren noch geben, wenn einige der aktuell hoch gepriesenen Sammlungen mit großer Wahrscheinlichkeit von ihren Erben aufgelöst und in alle Winde zerstreut sind“. In der zentrifugalen Kraft einer Auktion sehen manche Sammler allerdings durchaus eine mögliche Zukunft für ihre Kollektion, andere hingegen verfolgen den Wunsch nach dauerhafter Erhaltung ihres Lebenswerks. Armin Zweite vermutet, dass die meisten Privatsammler grundsätzlich an einem Fortbestand ihrer Sammlungen interessiert sind. Diesen Wunsch sieht er im großen finanziellen und ideellen Engagement der Sammler begründet: Ich vermute [...], dass bei der überwiegenden Mehrzahl der Sammler der Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit im Vordergrund steht und die Begehrlichkeiten anstachelt. Immerhin benötigt man Zeit, Geduld, Spürsinn, Mut und nicht zuletzt das erforderliche Kapital, um eine Sammlung aufzubauen, ihr Raum zu geben, sie zu pflegen und zu erschließen; und das macht nur dann Sinn, wenn man daran glaubt, dass diese Dinge auch eine Zukunft haben, d.h. dass sich ihre Bedeutung bestätigt oder – noch besser – steigert. Unsere Existenz ist endlich, aber jeder Schriftsteller, jeder Künstler und wahrscheinlich auch jeder Sammler hat den Wunsch, dass sein Werk, d.h. die von ihm zusammengebrachten Gemälde und Skulpturen, weiter bestehen bleibt, konservatorisch betreut, wissenschaftlich erschlossen, vermittelt und gewürdigt wird. Befragt man die Sammler zu ihren Wünschen und Visionen für die nächsten zehn Jahre, sind ihre Antworten vielfältig und facettenreich. Thomas Olbricht entgegnet: Da haben Sie einen guten Zeitraum getroffen. Zehn Jahre möchte ich das auf jeden Fall noch aktiv betreiben. Dafür setze ich mich
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT ein. Das ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens geworden. [...] [Vorerst allerdings, d.V.] mache mir nur über die nächsten vier Jahre Gedanken. Dann wird ein Strich gemacht und abgerechnet und geguckt, ob das Haus weiter geführt wird oder ob wir aufhören. Wenn in fünf Jahren der öffentliche Druck so groß wäre und ich mir überlegen müsste, wegen der Öffentlichkeit dieses Haus weiter zu führen, dann wäre das der riesigste Erfolg, den ich mir vorstellen könnte. Karlheinz Essl sagt: Das Museum kommt erst in das Teenager-Alter. Wenn sie heute einen Zehnjährigen fragen, wird er sagen, jetzt geht’s erst richtig los. Das Museum steht noch immer am Anfang, es wird sich noch viel tun und wir haben viel vor. Wir haben viele Pläne für die Zukunft, über die ich heute noch nicht sprechen will. Die spannenden Projekte der letzten zehn Jahre werden sicherlich in dieser Form weitergehen, wenn sie nicht sogar noch verstärkt werden. Friedrich E. Rentschler erklärt: Ich habe den Wunsch, auch in zehn Jahren noch zu leben und die Sammlung zeitgenössisch weiter zu gestalten, damit die Sammlung als Gesamtheit lebendig bleibt. Wir werden Anfang 2012 die erste Ausstellung abhängen und eine neue Präsentation wagen. Das Haus soll nicht nur ein Ort sein, an dem Kunst und Besitz gezeigt wird, sondern hier sollen auch Debatten geführt werden. Wir wollen neue Formate etablieren und Veranstaltungsreihen mit Philosophen, Kunsthistorikern und Künstlern entwickeln. Das Wort soll eine Bedeutung in der Sammlung Boros bekommen. Ich bin längst nicht am Ziel, und dieses Gefühl macht mich sehr glücklich. Ich bin motiviert, mir neue Ziele zu stecken und daran zu arbeiten, dass ich sie erreiche, so Christian Boros. Auch Frieder Burda hofft, dass es in der Zukunft so erfolgreich weiter geht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir weiterhin viele Besucher haben werden. Vielleicht gibt es eine Tendenz nach oben. Julia Stoschek antwortet: Düsseldorf ist der Stammsitz, unser Mutterhaus für die nächsten Jahre. Die Sammlung ist mit Düsseldorf verwurzelt, das wird sich auch nie mehr ändern. Wie gesagt, vielleicht gibt es irgendwann mal einen zweiten Standort. [...] Vielleicht außerhalb Europas. Aber vorerst ist das Ziel, erstmal hier in Düsseldorf weiter zu wachsen, weiter auszustellen und weiter gute Arbeit zu leisten. Dieses Ziel verfolgt auch Hans-Michael Herzog: Die Idee ist, weiterhin Sammlungspräsentationen zu machen. Die Idealvorstellung wäre, in einen normaleren Museumsbetrieb überzugehen. Also Ausstellungen zu machen, Ausstellungen zu ko-produzieren und auch mal Ausstellungen zu übernehmen. Wir wollen weiterhin natürlich die Künstler unterstützen mit wissenschaftlicher Aufarbeitung der Werke und der Produktion von Katalogen. [...] Wir wollen flexibel bleiben, heute sind ja drei bis vier Jahre schon eine mittelfristige Planung. Da kann sich vieles ändern.
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Margit Biedermann bemerkt: Der Anfang ist immer relativ einfach. Das Museum ist neu, die Leute sind interessiert, neugierig und kommen. Aber das zu manifestieren und auch die Qualität zu halten, das ist das Schwierige. Da muss man permanent dran arbeiten. Wir haben uns vorerst auf den süddeutschen Raum konzentriert. In der Folge soll das Museum deutschlandweit, in Österreich, in Frankreich und der Schweiz einen guten Namen bekommen, das wäre wünschenswert. Es wäre toll, wenn die Sammlung auch international reisen könnte. Aber Kernstück wird immer die Arbeit hier vor Ort im Museum sein. Wer die Sammlung sehen will, muss hierher reisen. Das ist ein Aufwand, aber dafür bieten wir auch etwas. Den nächsten zehn Jahren sehen alle befragten Sammler aktiv und positiv entgegen. Die meisten Privatsammlungen sind noch jung und wollen auf den Erfahrungen der ersten Jahre ihre Positionen festigen und ihre Marken etablieren. Ihre Aktivitäten wollen sie entweder in bewährter Weise fortsetzen oder mit neuen Veranstaltungen und Ideen innovative inhaltliche und programmatische Akzente setzen. Als Ziele werden eine höhere internationale Bekanntheit und der Aufbau von Netzwerken verfolgt. Alle Sammler wollen darüber hinaus ihren Sammlungsausbau fortführen, weiterhin qualitätvolles Programm bieten und Künstler mit Ausstellungen und Publikationen unterstützen. Die öffentlichen Sammlungshäuser sind wesentlicher Lebensinhalt der Sammler geworden, und die motivierende Kraft ihrer Visionen bietet den Betrieben und ihren Mitarbeitern strategische Orientierung. Während Fragen nach Zielen und Visionen für die nächsten zehn Jahre von den Sammlern klar beantwortet werden, bleiben Argumente in Bezug auf eine mögliche Dauerhaftigkeit ihrer Einrichtungen vage. Auf die Frage, was sich Sammler für ihre Einrichtungen in dreißig Jahren wünschen, antwortet Thomas Olbricht: Das weiß ich doch nicht, was in 30 Jahren ist. Da ist vielleicht die Welt schon untergegangen. [...] Die Entscheidung ist eher so, dass ich sage, irgendwann werden diese Kunstwerke – so hoffe ich – in alle Welt zerstreut und es wird neue Kristallisationspunkte für neue Sammlungen geben. [...] Ich will ja kein Mausoleum, so der Sammler. Die Frage der Dauerhaftigkeit spiegelt unterschiedliche Haltungen der Sammler wider. Beispielsweise versteht Thomas Olbricht seine Sammelleidenschaft als temporäres Phänomen und verfolgt nicht das Ziel, seine Kollektion auf ewig zusammen zu halten. Ich finde es geradezu eine wunderbare Vorstellung, wenn einige meiner Kunstwerke später am Kunstmarkt reüssieren und meine Kinder eines Tages etwas davon haben würden. Und mit dem Erlös der Kunstwerke können sie das machen, was sie schon immer wollten. Und im Auktionssaal gibt es jemanden, der genau dieses Kunstwerk unbedingt haben wollte und jeden Preis dafür zu zahlen bereit wäre. Dann ist das Kunstwerk in einer neuen Situation und ist genau dort richtig. Erika Hoffmann (2011) verfolgt ähnliche Gedanken: „Das, was wir heute Sammlung nennen, war nie als eine öffentliche gedacht, da mein Mann und ich nur nach eigenem Gutdünken und selbst gefundenen Kriteri-
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT en ausgewählt haben. Deshalb stelle ich mir vor, dass Teile davon öffentliche Sammlungen ergänzen, andere in Privatsammlungen aufgehen könnten. Ich würde mir wünschen, dass sie – nach dem Prinzip von Félix González-Torres – in anderen Zusammenhängen anders weiterleben.“
Sowohl Erika Hoffmann als auch Thomas Olbricht sehen ihr Kunstengagement als persönliches Vergnügen, das von ihren Nachkommen nicht zwangsläufig geteilt wird. Um die Sammlung Hoffmann wie bisher weiterzuführen, braucht man viel Geld. Meine Kinder sehen das distanziert. Sie haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Berufe. Ihnen möchte ich unser Kunstverständnis und Vermittlungskonzept nicht aufoktroyieren. [...] Also, die Zukunft steht völlig in den Sternen, ich lasse sie in Ruhe auf mich zukommen, sagt Erika Hoffmann. Ich würde nie einer nächsten Generation etwas aufbürden. Also die Kunst darf kein Stein sein, denn man ans Bein gebunden bekommt. Das ist erstmal nur etwas für mich, so Thomas Olbricht. Die Langen Foundation ist ein Familienbetrieb. Sabine Crasemann sieht das Engagement der Familie hingegen als Bedingung für den Fortbestand ihres Museums. Solange das hier eine Privatsache ist, läuft es auch gut. Solange jemand aus der Familie sich kümmert, ist alles in Ordnung. Aber ich weiß nicht, ob meine Kinder dazu später noch Lust haben. Also, sagen wir mal, wenn in 30 Jahren niemand mehr Lust hat, dieses Haus zu betreiben, dann geht es als Geschenk an die Stiftung Insel Hombroich. Auf die Frage, ob Julia Stoschek die Zukunft ihrer Sammlung dauerhaft gesichert hat, antwortet sie: Ich kann mir das alles noch nicht so richtig vorstellen. Ich bin erst 35 Jahre alt und bis zu meinem Ableben vergeht hoffentlich noch viel Zeit. [...] Ich denke, dass man mit dem Thema Stiftung zu Lebzeiten eine staatliche Entlastung vornehmen kann, aber wie das mit mir weitergeht, das weiß ich wirklich noch nicht! Eine private Einrichtung hat keine Verpflichtung, auf Dauer und in der Zukunft präsent zu sein. Die Aussagen illustrieren, dass dieses Ziel auch nicht von allen Sammlern dieser Studie angestrebt wird. In den meisten Fällen wird die Leidenschaft für die Kunst von den Nachkommen nicht geteilt. „Wir sind nicht für die Ewigkeit“, sagt Friedrich E. Rentschler dazu. „Privatsammlungen sind Veranstaltungen auf Zeit“. Davon ist auch Harald Falckenberg (2011a) überzeugt. Der engagierte Sammler von Gegenwartskunst hat auf eigene Initiative die Kulturstiftung Phoenix Art ins Leben gerufen und von 2001 bis 2010 in Hamburg Harburg auf 6.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche internationale Wechselausstellungen im Kontext seiner Sammlung auf höchstem Quali-
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tätsniveau präsentiert.1 „Ich mache Programme, die in öffentlichen Museen zu kurz kommen“, war sein Credo. „Ich bin 67 Jahre alt und muss darüber nachdenken, was mit meiner Sammlung und meinen Projekten in Zukunft sinnvoll geschieht. Ich bin überzeugt, dass meine Sammlung am Ende – nicht zuletzt im Interesse der Künstler, denen ich mich verpflichtet fühle – in öffentliche Institutionen überführt werden muss. Kunstsammeln ist keine Privatangelegenheit“, so Falckenberg (2011b). Der Hamburger Sammler ist überzeugt, dass alle Bemühungen privater Sammler temporären Charakter haben. „Mit ihrem Abgang verschwinden – von Ausnahmen abgesehen – auch ihre Sammlungen.“ Das Beispiel von Harald Falckenberg wird hier zitiert, um zu zeigen, dass Privatsammler selbst nach jahrelanger eigener Ausstellungstätigkeit beständige Kooperationen mit der öffentlichen Hand anstreben. Die staatliche Institution scheint für Falckenberg der beste Garant für die dauerhafte Erhaltung seiner Sammlung und Sicherung des Kulturerbes zu sein. Die öffentliche Hand hat allerdings keine Verpflichtung, private Sammlungshäuser zu übernehmen. Sie wird dies nur dann tun, wenn Attraktivität und Qualität der Sammlung höchsten Ansprüchen genügen und die privaten Institutionen zu festen Bestandteilen des jeweiligen lokalen Kulturlebens geworden sind und als unverzichtbar erscheinen. Grundvoraussetzungen für eine öffentliche Übernahme sind außerdem vorteilhafte Erwerbungsbedingungen und die Gewährleistung einer nachhaltigen und langfristigen Finanzierung. Während die Hälfte der Sammler dieser Studie ihre Kollektionen nicht für die Ewigkeit bewahren will, ist die andere Hälfte an ihrem dauerhaften Fortbestand interessiert. Dabei verlassen sich die Sammler aber nicht darauf, dass die öffentliche Hand ihre Lebenswerke übernimmt, sondern sie treffen selbst Vorsorge. Diese privaten Einrichtungen werden von Stiftungen bürgerlichen Rechts getragen, die die Existenz der Sammlungen über das zeitliche Leben der Stifter hinaus sichern sollen. Auf die Frage, ob sie die Zukunft ihres Museums dauerhaft gesichert hat, antwortet Margit Biedermann: Ja, das haben wir – soweit das möglich ist. Wir versuchen das, denn als Unternehmer denken wir immer in die zweite und dritte Generation. So denke ich auch als Museumsgründerin in die Zukunft und hoffe, dass wir das so erhalten können. [...] Das Museum baut man ja nicht für zehn Jahre. Ich denke auch, dass die Familie versuchen wird, das Museum weiterhin am Leben zu erhalten. Das ist das Ziel. Das Museum soll auch immer von der Familie geprägt sein. [...] Solange
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Mit Beginn des Jahres 2011 hat Harald Falckenberg seine private Ausstellungstätigkeit beendet. Er hat mit der öffentlichen Hand einen Vertrag geschlossen, der seine private Sammlung von 2011-2023 an die Deichtorhallen Hamburg bindet. Die Sammlung sowie die Ausstellungsräume der Phoenix-Hallen werden der Stadt Hamburg für 12 Jahre leihweise zur Verfügung gestellt, bleiben aber weiterhin im Besitz des Sammlers. Dafür stellt die Kulturbehörde jährlich Euro 500.000,- für den Betrieb und 70.000,- für eine Kuratorenstelle bereit, um die professionelle Betreuung der Sammlung und den Ausstellungsbetrieb weiterhin sicher zu stellen.
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT wir von der Öffentlichkeit Rückhalt bekommen, machen wir das weiter. Sollte es keinen Rückhalt mehr geben, muss man sicherlich manche Dinge in Frage stellen.
Das Museum Frieder Burda soll „kein Museum auf Zeit sein, es soll die Menschen auf Dauer zur Kunst führen“. Der Museumsgründer erklärt: Das ist ganz einfach. Ich habe eine gemeinnützige selbständige Stiftung privaten Rechtes gegründet. Die Stiftung wird so ausgestattet, dass die Zins- und Kapitalerträge ausreichen müssen, um die laufenden Kosten zu finanzieren. Was dann mit Ankäufen sein wird, das weiß man nicht. In zwanzig, dreißig Jahren bin ich nicht mehr da, wer weiß, was dann sein wird. Aber ich werde dafür sorgen, dass das Museum so ausgestattet sein wird, dass es weiterhin gut geführt werden kann, dass gute Ausstellungen gemacht werden können und dass gute Leute dort arbeiten. Es kann so viel Unvorhersehbares passieren, es kann zu einer Geldentwertung kommen, vieles ist möglich. Aber ich werde immer dafür sorgen, soweit ich kann, dass das Museum in einem sicheren Hafen schwimmt. Damit für den Betrieb des Museums auch in Zukunft ausreichende Finanzen zur Verfügung stehen, hat Frieder Burda Vorkehrungen getroffen. Museumsleiter Ludger Hünnekens erläutert die Situation wie folgt: Ein geringer Teil der Sammlung gehört derzeit zur Stiftung, der Löwenanteil ist in Privatbesitz von Herrn Burda. [...] Das wird sich nach dem Ableben des Stifters ändern. Die Privatsammlung wird dann auf die Stiftung übertragen. Wie in Kapitel 7.4 dargestellt wurde, lässt sich aufgrund der Trägerform einer Stiftung der Wunsch nach Dauerhaftigkeit unterstellen. Während fünf Ausstellungshäuser von gemeinnützigen und rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts getragen werden (Stiftung Frieder Burda, Margit Biedermann Foundation, Karlheinz und Agnes Essl Privatstiftung, Viktor und Marianne Langen Stiftung, Stiftung Olbricht), beabsichtigen zwei weitere Sammlungen zukünftig Stiftungen zu gründen (Julia Stoschek Foundation e.V. und Daros Latinamerica AG). Hans-Michael Herzog erklärt die Motivation folgendermaßen: Wir denken natürlich über Stiftungsmodelle nach, denn die Sammlung soll ja noch weiter existieren, auch wenn es uns nicht mehr gibt. Heute brauchen wir dieses Modell noch nicht und wir nehmen uns die Zeit, das beste Konstrukt für uns zu finden. Aber eines ist klar, irgendwann wird es eine Stiftung geben. Sieben Sammler dieser Studie haben somit ein scheinbares Interesse an einem fortwährenden Bestand ihrer Einrichtungen und der dauerhaften Einhaltung ihres Stifterwillens. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass die Stiftungen fast ausnahmslos mit Kapital ausgestattet sind und sich Kunstwerke und Gebäude weiterhin im Privatbesitz der Sammler befinden. Solange die Kunst- und Bauwerke nicht Bestandteil der Stiftung sind und damit unveräußerliches Kapital darstellen, gewährleistet eine Stiftung durch ihre jährlichen Stiftungserträge lediglich den Betrieb der Einrichtungen, sagt aber nichts über den Verbleib der Sammlung und die Beständigkeit der Institution aus.
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Die Zukunft der heute so erfolgreichen öffentlichen Privatsammlungen ist daher ungewiss. Die Aussagen der Sammler in Bezug auf Fragen nach der Dauerhaftigkeit ihrer Privatsammlungen sind zu vage, als dass daraus verbindliche Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Die Vielzahl von öffentlichen Privatsammlungen, die in den zurückliegenden Jahren im deutschsprachigen Raum entstanden sind, können daher aus heutiger Sicht nicht als dauerhaftes sondern als temporäres Bekenntnis zur öffentlichen Zugänglichkeit von privater Kunst verstanden werden. Die Zugänglichkeit scheint an den Gestaltungswillen und Idealismus der Gründerpersönlichkeiten gebunden zu sein, die ihre Sammlungen so lange öffentlich betreiben, so lange es die finanziellen Mittel, die Freude an der Sache und die eigene Gesundheit zulassen oder neue Projekte die Aufmerksamkeit der Sammler in andere Richtungen lenken. Als Beispiel kann hier das Daros Museum Zürich genannt werden, das ein halbes Jahr nach dem für diese Studie geführten Interview geschlossen wurde. Während im Mai 2011 sein Leiter Hans-Michael Herzog noch von den Plänen für die Neueröffnung erzählte – das Daros Museum war aufgrund einer umfangreichen Umbaumaßnahme des Zürcher Löwenbräuareals seit Ende 2010 temporär geschlossen – wurde im November 2011 die endgültige Einstellung des Museumsbetriebs bekannt gegeben. Die Daros Latinamerica Collection verlagert ihre Aktivitäten in den südamerikanischen Raum und errichtet in Rio de Janeiro ein großes Kunst- und Ausstellungszentrum. Dort wird künftig auch die Sammlung präsentiert. Die Stadt Zürich verliert damit eine der renommiertesten Ausstellungsinstitutionen, „deren Verdienst es war, in unseren Breitengraden wenig bekannte, oft aber hoch interessante Kunst auf professionelle Weise präsentiert zu haben“ (Marzahn 2011). 2 Aufgrund der aktuellen Erkenntnisse kann festgestellt werden, dass öffentliche Privatsammlungen kein dauerhaftes Zukunftsmodell für die permanente Zugänglichkeit von Kunstsammlungen darstellen. Auch wenn Privatsammlungen nur zeitweiligen Charakter haben, werden dadurch ihre Bedeutung und ihre Verdienste nicht geschmälert. Sie stellen eine höchst erfreuliche Bereicherung der zeitgenössischen Museumslandschaft dar und tragen mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement zur positiven Belebung und Vielfalt der Ausstellungskultur bei.
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Weitere Beispiele sind die About Change, Collection, die von Christiane zu Salm 2007 in Berlin gegründet wurde und deren öffentliche Zugänglichkeit 2010 aus persönlichen Gründen wieder eingestellt wurde. Auch Wilhelm Schürmann schloss im Jahr 2010 seinen privaten Showroom, der seit 2006 in Berlin öffentlich zugänglich war.
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8.3
P OTENZIELLE F ORMEN ZUKÜNFTIGER Z USAMMENARBEIT ZWISCHEN PRIVATEN S AMMLUNGEN UND ÖFFENTLICHEN M USEEN
Am Ende dieser Untersuchung wird auf der Basis der bisherigen Erkenntnisse eine Prognose über mögliche zukünftige Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Sammlungen abgeleitet. Dazu wird eine aktuelle Umfrage unter europäischen und amerikanischen Museumsdirektoren und Kuratoren der Zeitschrift „Texte zur Kunst“ berücksichtigt, die die Frage des wechselseitigen Verhältnisses privater Sammlungen und öffentlicher Museen erörtert.1 Neben der Expertenmeinung Armin Zweites fließen Statements von Udo Kittelmann (Direktor Nationalgalerie, Berlin), Matthias Mühling (Kurator Lenbachhaus, München) und Chris Dercon (Direktor Tate Modern, London) in die Beurteilung dieser Problemstellung ein. Angesichts der steigenden Preise am Kunstmarkt scheinen sich viele Museen in öffentlicher Trägerschaft ihrer schwierigen Situation bewusst zu werden, die Gegenwartskunst nicht angemessen präsentieren zu können. Dies ist umso bedeutender, als in den nächsten Jahren keine deutlichen Verbesserungen der angespannten öffentlichen Haushaltssituation und somit eine Erhöhung der Ankaufs- und Ausstellungsetats der Museen in Aussicht gestellt werden können, so die Einschätzung des Deutschen Städtetages. „Die Leitungen der Museen werden daher in der Zwickmühle bleiben, einerseits ihre originären Sammlungsinteressen und deren Entwicklung im museumspolitischen Sinne weiter verfolgen und andererseits noch mehr auf die Kooperation mit Privaten, Stiftungen und Vereinen setzen zu müssen“ (Deutscher Bundestag 2007: 121). Daher wird allerorts die Forderung laut, dass neue Kooperationen mit privaten Sammlern gesucht werden müssen. In diesen Tenor stimmt Fleck (2010: 6) mit ein, wenn er verlangt, „dass das Verhältnis dieser initiativen, meinungsbildenden privaten Sammlungen und der öffentlichen Sammlungen der Kunstmuseen hierzulande, aber auch weit über Europa hinaus, für die Zukunft der Museen in diesem Jahrhundert neu überdacht werden muss“. Er fordert weiter, dass ein neues Verhältnis zwischen Museen und Sammlern entstehen muss, ein notwendiger Dialog, der beide Seiten einander wieder annähert. Die deutschen Museen haben in der jüngeren Vergangenheit einen erheblichen Aktualitätsbezug und Bedeutungsverlust erlitten. Dieses Manko kann nur durch neue Kooperationsformen mit privaten Sammlern wieder gutgemacht werden. Doch die Privat1
Die aktuelle Ausgabe von „Texte zur Kunst“, Heft 83, September 2011, hrsg. von Isabelle Graw, widmet sich dem Sammler und will die gewandelte Rolle des Sammlers in Bezug auf seinen gesellschaftlichen Zusammenhang kritisch reflektieren. Die privaten Sammler scheinen aktuell verstärkt im Blickfeld der Kunstkritik zu stehen. Die Zeitschrift „Kunstforum International“ widmete ihre Bände 209 (Juli-August 2011) und 211 (OktoberNovember 2011) der „heiligen Macht der Sammler“.
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sammler von heute sind selbstbewusst geworden. Viele Sammler haben gezeigt, dass man mit eigenen Museen und privaten Ausstellungsräumen erfolgreicher und öffentlichkeitswirksamer agieren kann als mit Dauerleihgaben an Museen. Vergegenwärtigt man sich die in Kapitel 7.1 verstetigten Motive, warum Sammler privat geführte Ausstellungsräume gründen, so sind es vor allem die persönlichkeitsbezogenen und prestigeorientierten Motive, auf die die Verhandlungspartner der öffentlichen Hand reflektierten sollten. Wollen staatliche Museen private Sammler wieder als Kooperationspartner gewinnen, müssen neue und tragfähige Verhandlungsgrundlagen geschaffen werden, die ein fruchtbares Miteinander ermöglichen. Das haben auch die Mitglieder des Leipziger Kreises – die Vereinigung der Direktoren deutscher Kunstmuseen – in ihren im Jahr 2006 verabschiedeten „Ethischen Grundsätzen und Leitlinien des Handelns von Kunstmuseen“ festgelegt. „Darin wird festgehalten, sich bemühen zu wollen, Stiftungen, Stifter und Privatsammler, Mäzene und Sponsoren für die Verstärkung und Intensivierung ihrer inhaltlichen Arbeit zu gewinnen, zugleich aber auch auf das Prinzip fairer Partnerschaft verwiesen, das heißt auf den notwendigen Respekt für die museumsspezifischen Belange durch die Partner“ (Deutscher Bundestag 2007: 126). So empfiehlt die Enquete-Kommission den öffentlichen Museen und ihren Trägern, sich „bei Kooperationen mit privaten Sammlern vor allem auf Gaben zu konzentrieren, für die angemessen lange Leihzeiten oder ein ständiger Verbleib im Museum vertraglich vereinbart werden können“ (Deutscher Bundestag 2007: 128). Armin Zweite macht dabei auf folgende Diskrepanz aufmerksam: Man muss sich allerdings auch vergegenwärtigen, dass die Ausleihe zeitgenössischer Kunst an öffentliche Institutionen, die auf diesem Sektor aufgrund der Preissituation oder eigener zu knapper Budgets kaum konkurrenzfähig sind, eine Art Schieflage produziert hat. Die enormen direkten und indirekten Leistungen der öffentlichen Hand kommen dem Sammler zugute, und zwar meistens gratis. Nutzen hat das Museum freilich auch, da es seinen Informationspflichten gegenüber seinem Publikum nachkommen und sich quasi zum Vorreiter neuer Tendenzen machen kann, ohne sich selbst finanziell engagieren zu müssen. Nutzen und Nachteile sind indessen offenbar nicht gleichmäßig verteilt, wobei man sich fragen muss, ob die vergleichsweise schwache Position der öffentlichen Hand zu rechtfertigen ist bzw. wie private und öffentliche Sphäre zu beiderseitigem Vorteil und zum Nutzen der Kultur besser aufeinander abgestimmt werden können, als das derzeit der Fall ist. Zweite beendet sein Statement mit einem Appell an die Kulturpolitik: Eines jedoch darf bei allen Kooperationen nicht aus den Augen verloren werden: auf der Basis von Leihgaben aus privaten Beständen lässt sich eine konsequente, in sich kohärente und auf die Zukunft gerichtete Sammlung eines Museums nicht realisieren. Diesen Standpunkt teilt auch Dercon (2011: 145) und fordert die Kulturpolitik auf, aufgrund der steigenden Zahl öffentlicher Privatsammlungen und der hohen Kunst-
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marktpreise den öffentlichen Museen mehr finanzielle Unterstützung zu gewähren. Seines Erachtens nach fördert die Kulturpolitik vornehmlich Public-PrivateParnership-Modelle mit dem Ziel, Kosten zu sparen. Auch er fordert neue Verhältnisse mit den Sammlern anzustreben und bessere Verträge abzuschließen. „Wenn Sammler Arbeiten nur temporär zur Verfügung stellten, sollten sie auch Lagerung, Konservierung und Restaurierung bezahlen", so Dercon (zit. nach Buhr 2008). Diese Forderung entsteht aus der seit Jahren latent geäußerten Kritik, Sammler würden ihre Kollektionen auf Staatskosten in öffentlichen Häusern nobilitieren und nach Ablauf einer bestimmten Frist, die meist steuerlich motiviert ist, gewinnbringend abziehen. Christian Boros (2011) teilt diese Auffassung: „Viele Kollegen überlassen einem Haus Werke für zehn Jahre und knüpfen daran vertraglich vereinbarte Bedingungen. Ich halte das für falsch. Wer alles bestimmen will, sollte dann auch die Kosten für Miete, Strom bis hin zum Toilettenpapier tragen. Entweder macht man alles in eigener Regie oder man leiht Werke ohne jegliches Eigeninteresse aus.“ Armin Zweite stuft die Forderung nach einer Kostenbeteiligung privater Sammler als „interessante Überlegung“ ein. Schön wäre das. Wenn es um Leihgaben geht, von denen nicht absehbar ist, ob sie Bestand haben werden bzw. wie lange sie dem Museum zur Verfügung stehen, sollte man auf jeden Fall von vornherein klare Verhältnisse schaffen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sich private Sammler an diesen Unkosten beteiligen würden. Aber grundsätzlich ist das ein interessanter Vorschlag, der vermutlich aber nur dann eine Chance hätte, wenn sich die Museum untereinander solidarisch verhalten. „Klare Vertragsverhältnisse“ werden von allen Beteiligten gefordert. Der Sammler Paul Maenz, der aufgrund unklarer Verhältnisse seine Sammlung aus dem Neuen Museum Weimar abgezogen hat (vgl. Kapitel 2.2.1), misst klaren Vereinbarungen und Verträgen die höchste Bedeutung bei Kooperationen bei. „Wenn Sammler und Museen auf einer verwandten Wellenlänge liegen, können sie ohne weiteres fallweise projektbezogene Kooperationen beschließen. Längerfristig aber gilt: beide Seiten wären gut beraten, mit kühlem Kopf und Realitätssinn detaillierte Verträge zu schließen und sich bei aller Begeisterung nichts vorzumachen. Als idealistische Alternative bleibt natürlich immer die bedingungsund selbstlose Schenkung, die sprichwörtliche Hingabe des Sammlers an die Institution [Museum, d.V.]“, sagt Paul Maenz (zit. nach Schumacher 2010c: 174). Obwohl viele Private heute eigene Ausstellungsräume gründen, erkennen Vertreter der institutionalisierten Museumsbranche dadurch kaum sinkende Kooperationsbereitschaft der Kunstsammler. Kittelmann (2011: 139) sagt dazu: „Ich sehe das Engagement seitens privater Sammler überhaupt nicht gebrochen. Gerade die Nationalgalerie kann über die letzten Jahre hinweg davon ein beeindruckendes Zeugnis ablegen.“ „Aus der Perspektive des Lenbachhauses“, so Mühling (2011: 143), „ist es überhaupt nicht unsere Erfahrung, dass die Bereitschaft sinken würde, Schenkungen oder Dauerleihgaben an Museen zu geben. [...] Allerdings ist die Bereitschaft der
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Museen gesunken, Kunstwerke in Dauerleihgabe zu nehmen. Verträge werden mittlerweile strenger auf ihren nachhaltigen Nutzen für die Museen geprüft.“ Schließlich stellt auch Dercon (2011: 129) fest, dass „die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Museen und Privatsammlern [...] im Prinzip gesund und konstruktiv [ist, d.V.]“. Nach Meinung der Experten besteht demnach kein Wirkungszusammenhang zwischen der zunehmenden Gründung privater Kunsteinrichtungen und einer nachlassenden Neigung, öffentlichen Museen Kunstwerke als Schenkungen und Dauerleihgaben zu überlassen. Armin Zweite ist ebenso der Ansicht, dass zu Pessimismus kein Anlass besteht, zumal auch die Chancen für eine partnerschaftliche Kooperation von Privat und Öffentlich nicht gar so schlecht sind, wie manchmal angenommen, dargestellt oder insinuiert wird. Nach wie vor vermag ein öffentliches Museum etwas zu bieten, was ein privater Sammler sich erst erschaffen müsste, nämlich betreuten und gesicherten öffentlichen Raum mit guten konservatorischen Verhältnissen und dem entsprechenden Personal. Einigen Sammlern ist es gelungen, sich diese Rahmenbedingungen aus eigener Kraft zu schaffen. Gegenüber der Vergangenheit ist ihre Zahl zwar beträchtlich gewachsen, bleibt aber verschwindend klein angesichts der breiten Phalanx von städtischen und staatlichen Kunstmuseen in diesem Land. In der Tat ist im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine Hochkonjunktur der Gründung öffentlicher Privatsammlungen zu verzeichnen. Rund vierzig Privatsammler haben in dieser Zeit im deutschsprachigen Raum öffentlich zugängliche Kunsträume eröffnet. Allerdings kann anhand der aktuellen Forschungsergebnisse kein begründeter Trend für die Zukunft abgeleitet werden. Selbst Dercon (2011: 139) konstatiert ein momentanes Zögern von privaten Sammlern, ihr privates Kunstdomizil zu errichten. Dies kann insofern bestätigt werden, als im Jahr 2011 im deutschsprachigen Raum keine neuen öffentlichen Privatsammlungen gegründet wurden, während noch in den beiden vorangegangenen Jahren jeweils vier Privatsammlungen von höchster Qualität und internationaler Reputation in Deutschland öffentlich gemacht wurden (vgl. Kapitel 2.5). „Aus der Gründung einzelner Privatmuseen den Schluss ziehen zu wollen, dass sich Privatsammler von den öffentlichen Museen abnabeln, wäre sicherlich fehl am Platz“, meint darüber hinaus auch Udo Kittelmann (2011: 141). Wer über Jahre mit persönlicher Kompetenz, Unkonventionalität und großem finanziellen Einsatz eine Kunstsammlung aufgebaut und die Möglichkeit hat, diese Sammlung nach eigenen Vorstellungen in privaten Räumen zu inszenieren, wird von dieser Gelegenheit Gebrauch machen. Die Eröffnung eines autonom geführten und öffentlich zugänglichen Sammlungshauses kann sich aber nicht jeder Sammler leisten. Neben der Gründung öffentlicher Privatsammlungen mag die Zukunft privater Kunstsammlungen daher einerseits in kleinen semi-öffentlichen Showrooms liegen, wie sie in den letzten Jahren in Berlin entstanden sind (vgl. Kapitel 2.4). Die zweite Tendenz liegt – auch nach Meinung der Experten – in Kooperationen mit staatlichen Institutionen, die, wie oben bereits mehrfach erwähnt, neue Möglichkeiten des Zusammenwirkens entwickeln müssen, in der private Sammler öffentliche Anerkennung erhalten und ihr Gestaltungsbedürfnis verwirklichen können, ohne dass Vertreter öffentlicher Institutionen damit ihre Autonomie infrage gestellt sehen. Die Forde-
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rung Beaucamps (2011a), die Sammler mögen wieder völlig selbstlos am Gesellschaftsprojekt der öffentlichen Museen mitarbeiten und nur dort ihren Ruhm suchen, scheint anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung ein nur bedingt erfolgversprechender Weg für die Zukunft zu sein, auch wenn vereinzelte Privatsammler ihre Kollektionen nach wie vor und „ohne Wenn und Aber“ staatlichen Museen übereignen.2 Verfolgen Sammler vorrangig den Wusch, ihre Kollektionen auf Dauer und über ihren Tod hinaus zu erhalten, scheint das öffentliche Museum aus aktueller Sicht nach wie vor der zuverlässigste Ort zu sein, da diese Institution ihre Bestände nicht veräußern darf und Dauerhaftigkeit ihrer „raison d’être“ entspricht. Armin Zweite blickt positiv in die Zukunft: Wahrscheinlich wird sich das Verhältnis von privaten Initiativen und öffentlichen Trägerschaften ausbalancieren und zu einem produktiven Miteinander werden, wie es derzeit mancherorts bereits Praxis ist. Zu vermeiden ist jedenfalls ein konkurrierendes Nebeneinander. [...] Ich setze auf eine Weiterentwicklung der kooperativen Möglichkeiten zwischen privaten und öffentlichen Sammlungen zu beiderseitigem Vorteil.3 Eine Beantwortung der aktuell geführten Diskussion um die Frage, ob private Sammler weiterhin eigene Ausstellungshäuser gründen oder ob langfristig andere Formen öffentlich-privater Zusammenarbeit gefunden werden, wird erst in einigen Jahren möglich sein. Außer Zweifel steht jedoch, dass sich öffentliche Museen unablässig um private Sammler bemühen und innovative Kooperationsformen erproben müssen, wenn sie Sammler wieder als Partner gewinnen wollen.
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Das österreichische Sammlerehepaar Gertraud und Dieter Bogner hat im Jahr 2007 seine gesamte Kollektion geometrisch-konstruktiver Kunst dem mumok Wien zugeeignet. „Ohne Wenn und Aber“ erfolgte die Übergabe, so Eva Badura-Triska (2007: 71), denn mit der Schenkung waren keinerlei Auflagen und Bedingungen verbunden. Die Mäzene wollten damit explizit einen Anstoß zur Entwicklung einer neuen Kultur des Schenkens geben. Eine Liason zu beiderseitigem Vorteil sind im Jahr 2012 eine öffentlich und eine private Kunstinstitution in Wien eingegangen. Die zeitgenössische Ausstellungs-Dependence Augarten Contemporary der Österreichischen Galerie Belvedere wird vorerst für vier Jahre von der von Francesca von Habsburg gegründeten Privatstiftung „Thyssen-Bornemisza Art Contemporary“ bespielt. Die Sammlerin und Kunstmäzenin nennt die Kooperation „eine erstrebenswerte Zusammenarbeit, die in Österreich Vorbildwirkung haben wird und die Idee der Verbindung zwischen privaten Initiativen und staatlichen Institutionen fördern soll“, und führt weiter aus: „Durch unser Vorhaben akzeptieren wir die wirtschaftlich schwierigen Zeiten und reagieren auf diese mit einer vernünftigen Lösung, die kulturelle Programme fördern wird, statt diese zum Verschwinden zu bringen. Es ist meine absolute Überzeugung, dass so viel mehr erreicht werden kann, wenn diese zwei Welten näher aneinanderrücken. Es ist ein Symbol des Fortschritts, des Mutes und geteilter Verantwortlichkeiten. In Industrie und Wirtschaft wird dies schon seit Langem gefördert, im Bereich der Kultur müssen erst neue Wege beschritten werden.“ Zit. nach http://www.tba21.org (10.3.2012).
9. Schlussbemerkung „Das Exklusive und Private reizt.“ FRIEDRICH E. RENTSCHLER
Mit der vorliegenden Untersuchung wird ein grundlegender Beitrag zum bislang wissenschaftlich kaum fokussierten Thema der öffentlich zugänglichen, privaten Kunstsammlungen geleistet. Anhand einer theoretischen Vorstudie und einer qualitativen Erhebung in Form von zehn Leitfaden-Interviews mit international renommierten Sammlerinnen und Sammlern aus dem deutschsprachigen Raum werden die vielgestaltigen Erscheinungsformen öffentlicher Privatsammlungen, ihre Erfolgsfaktoren und ihre Wirkung in der zeitgenössischen Museumskultur dargestellt. Als öffentliche Privatsammlung wird ein privat finanzierter Kunstort bezeichnet, an dem die private Sammelleidenschaft einer Einzelperson oder eines Ehepaars gepflegt und öffentlich zugänglich gemacht wird (vgl. Kapitel 3.1). Das Phänomen, dass private Kunstsammler eigene Sammlungshäuser eröffnen, lässt sich verstärkt seit Beginn der 1990er Jahre beobachten. Als ein Ergebnis der Studie konnten neun intrinsische Motive für die Gründung öffentlicher Privatsammlungen herausgearbeitet werden (vgl. Kapitel 7.1.10). Auch wenn seit der Jahrtausendwende an die vierzig international anerkannte private Initiativen mit ihrem hochkarätigen Kunstbesitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz an die Öffentlichkeit getreten sind (vgl. Kapitel 2.5), kann aus dieser Hochkonjunktur nicht zwingend ein Trend für die Zukunft abgeleitet werden (vgl. Kapitel 8.3). Eine Besonderheit öffentlicher Privatsammlungen ist, dass sie „gemeinsam unterschiedlich“ sind. Gemeinsam verfolgen alle Sammler dieser Studie eine leidenschaftliche Passion für die Kunst der Gegenwart sowie den Wunsch, das Gesammelte mit anderen zu teilen. Unterschiedlich sind hingegen die Formen ihrer Zugänglichkeit und ihre Haltung dem Publikum gegenüber. Das Untersuchungsfeld lässt zwei Tendenzen erkennen, die repräsentativ für die gesamte private Sammlerszene angesehen werden können und eine empirische Generalisierung erlauben. Während ein Teil der öffentlichen Privatsammlungen aufgrund der institutionellen Organisation und der besucherorientierten Infrastruktur mit öffentlichen Museen vergleichbar ist, betonen andere ihren exklusiven und privaten Charakter, der sich in eingeschränkten Öffnungszeiten und persönlich geprägten Ausstellungs- und Vermittlungsformen manifestiert. Dieses unterschiedliche Selbstverständnis bildet sich in vielen Fällen bereits in der Benennung ab (vgl. Kapitel 7.2) und zieht eine Differen-
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zierung der Erfolgsfaktoren nach sich. Neben einer Reihe genereller Faktoren, die für alle privaten Sammlungen gleichermaßen Gültigkeit besitzen, werden typenindividuelle Erfolgsfaktoren verstetigt, die lediglich für die jeweilige Gruppe spezifische Relevanz aufweisen (vgl. Kapitel 7.13). Als beachtenswertes Ergebnis dieser Studie kann festgestellt werden, dass sich potenzielle Erfolgsfaktoren staatlicher Museen und privater Sammlungen vom Ansatz her unterscheiden (vgl. Kapitel 4.5 und 7.13). Das liegt maßgeblich an ihren konträren Zielsetzungen. Wesentliches Merkmal und Erfolgsgarant öffentlicher Privatsammlungen ist ihre Subjektivität, die sich in der Gründerpersönlichkeit, der Einzigartigkeit der Sammlung, der Art ihrer Präsentation und der persönlichen Ausstrahlung des Ausstellungsortes widerspiegelt (vgl. Kapitel 7.14). Der Typus des Sammlers, den diese Studie im Blick hat, ist ein kunstaffiner Unternehmer beziehungsweise wohlhabender Privatier, der sich – oftmals gemeinsam mit seinem Partner – vorrangig aus philanthropischen Gründen und mit hohem finanziellen Engagement der aktuellen Kunst widmet und seine öffentliche Sammlung als private Bildungseinrichtung und subjektiv geprägte Ergänzung der Kunstlandschaft versteht. Im Vergleich mit früheren Sammlergenerationen wird deutlich, dass heute sowohl junge Menschen als auch Frauen vermehrt als öffentliche Privatsammler auftreten (vgl. Kapitel 7.5.1.3). Privatsammler haben in der jüngeren Vergangenheit eine dominante Rolle am zeitgenössischen Kunstmarkt übernommen. Aufgrund der im Unterschied zu öffentlichen Museen ungleich höheren finanziellen Mittel hat sich der Ankauf von Gegenwartskunst einseitig zu ihrem Privileg entwickelt. Die daraus resultierende Vorrangstellung in der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Kunst verschafft öffentlichen Privatsammlungen hohe Aktualität und zunehmende Bedeutung im Kunstbetrieb. Dass sie dadurch den Kanon der objektiven Kunstgeschichtsschreibung beeinflussen würden, wie manche Kritiker insinuieren, kann weder aus historischer noch aus empirischer Sicht bestätigt werden (vgl. Kapitel 8.1). Private Kunsterlebnisse, wie sie die zehn Sammler dieser Studie ohne jegliche finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand bieten, kamen 370.000 kunstinteressierten Menschen im Jahr 2010 zugute (vgl. Kapitel 7.8). Dieser breite Publikumszuspruch zeigt den Wandel vom einstigen Privatvergnügen hin zum unverzichtbaren bürgerschaftlichen Engagement, von dem die Gesellschaft in vielfältiger Weise profitiert. Selbst wenn öffentliche Privatsammlungen nur temporären Charakter haben (vgl. Kapitel 8.2), stellen sie als produktive Konkurrenz eine positive Belebung der zeitgenössischen Ausstellungskultur dar und bieten dem Publikum neue Erfahrungsräume abseits des institutionalisierten Museumsbetriebs. Genau darin liegt ihr Erfolg begründet.
Teil IV: Verzeichnisse und Anhang
L ITERATURVERZEICHNIS Abfalter, Dagmar (2010): Das Unmessbare messen? Die Konstruktion von Erfolg im Musiktheater, Wiesbaden. Adriani, Götz (Hrsg.) (1999): Kunst Sammeln, Ausst.Kat. Museum für Neue Kunst, ZKM Karlsruhe, Ostfildern. Adriani, Götz (Hrsg). (2009): Unternehmer, Kunst, Sammler. Private Museen in Baden-Württemberg, Stuttgart. Adriani, Götz / Peter Weibel (2009): Just what is it. 100 Jahre Kunst der Moderne aus privaten Sammlungen in Baden-Württemberg, Ostfildern. Akao, Yoji (1992): Eine Einführung in Quality Function Deployment. In: Akao, Yoji (Hrsg.) (1992): QFD – Quality Function Deployment, Landsberg / Lech, S. 15-34. Albers, Sönke / Lutz Hildebrandt (2006): Methodische Probleme bei der Erfolgsfaktorenforschung. Messfehler, formative versus reflektive Indikatoren und die Wahl des Strukturgleichungs-Modells. In: http://www.bwl.uni-kiel.de/ bwlinstitute/Innovation-arketing/new/fileadmin/publications/pdf/methodische_probleme_ bei_der.pdf (14.6.2010). Ambrose, Timothy / Crispin Paine (2006): Museum basics, New York. Asman, Carrie (1997) (Hrsg.): Johann Wolfgang von Goethe: Der Sammler und die Seinigen, Dresden. Assmann, Aleida / Monika Gomille / Gabriele Rippl (Hrsg.) (1998): Sammler – Bibliophile – Exzentriker, Tübingen. Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung, Berlin. Baier, Ute (2000): Der Mäzen verlässt seine Bilder. In: http://www.welt.de/kultur/ article 734972/ Der_Maezen_verlaesst_seine_Bilder.html (14.3.2010). Basting, Barbara (2000): Das Jahrhundert der Sammler. In: du. Zeitschrift für Kunst, Nr. 703, 2000/2, Zürich, S. 1-5. Baudrillard, Jean (2007): Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen, Frankfurt. Baur, Joachim (Hrsg.) (2010a): Museumsanalyse. Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, Bielefeld. Baur, Joachim (2010b): Was ist ein Museum? Vier Umkreisungen eines widerspenstigen Gegenstands. In: Baur 2010a, S. 15-48. Bazin, Germaine (1967): The Museum Age, Brussels.
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A BBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Neun Kriterien des EFQM-Modells für Exzellenz | 117 Quelle: Eigene Darstellung nach EFQM 1999-2003a: 5 Abbildung 2: Das Modell exzellentes Museum | 117 Quelle: Eigene Darstellung nach Grün / Dauschek 2007: 36 Abbildung 3: Sammlung Hoffmann, Berlin | 190 Außenansicht, Fassade 1. Hof mit Thomas Locher, Wunsch und Wille / (Entweder / Oder), 1996, Copyright © Sammlung Hoffmann, Berlin; Ausstellungsansicht, Saal 4. OG (Ausschnitt) mit A.R.Penck, Standart Modell, 1968; Jean-Michel Basquiat, Levétation, 1987; Jean-Michel Basquiat, Untitled, 1987; Frank Stella, Of Whales, in paint, in teeth…, 1990, Copyright © Sammlung Hoffmann, Berlin; Porträt Erika Hoffmann vor Frank Stella, „Why, heaven save us!“ exclaimed the old woman (Babekan) (Q#6), 1998, Copyright © Jan-Peter Böning, Berlin Abbildung 4: Essl Museum, Klosterneuburg | 193 Außenansicht, Foto: Archiv Sammlung Essl; Ausstellungsansicht „figur / skulptur“ (24.6.2005-29.1.2006), Foto: Franz Ebner; Porträt Karlheinz und Agnes Essl von 2009, Foto: Frank Gazarolli Abbildung 5: Daros Museum Zürich (Courtesy Daros Latinamerica AG) | 197 Außenansicht Löwenbräu-Areal mit Daros Museum Zürich, Foto: Zoé Tempest, Zürich; Installationsansicht „Carlos Amorales. Dark Mirror“ (5.5.-2.9.2007), Foto: Zoé Tempest, Zürich; Porträt Ruth Schmidheiny, Foto: Thomas Lenden, Amsterdam Abbildung 6: Langen Foundation, Neuss | 201 Außenansicht, Foto: Sasa Fuis Photographie, Köln; Ausstellungsansicht „Hommage an Marianne Langen“ (20.11.2011-Dezember 2012), Foto: Sasa Fuis Photographie, Köln; Porträt Sabine Langen-Crasemann neben einem Porträt ihrer Mutter, Begründerin der Sammlung und des Museums, 2011, Andy Warhol, Marianne Langen, 1986, Foto: © Sebastian Drüen Fotografien Abbildung 7: Museum Frieder Burda, Baden-Baden | 205 Außenansicht; Ausstellungsansicht „Polke – Eine Retrospektive: Die Sammlungen Frieder Burda, Josef Froehlich, Reiner Speck“ (3.2.-13.5.2007); Porträt Frieder Burda vor Pablo Picasso, Le peintre et son modèle, 1964 (Ausschnitt); alle Abbildungen: Copyright © Museum Frieder Burda Abbildung 8: Julia Stoschek Collection, Düsseldorf | 209 Außenansicht, Foto: Ulrich Schwarz, Berlin; Installationsansicht „NUMBER ONE: DESTROY, SHE SAID“, 2007-2008, Foto: Ulrich Schwarz, Berlin; Porträt Julia Stoschek, Foto: Sirin Şimşek, Köln
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Abbildung 9: Sammlung Boros, Berlin | 213 Außenansicht; Installationsansicht mit Santiago Sierra, „Konstruktion und Installation von teerbeschichteten Formen, angeordnet in zwei Räumen“, 2002 (Ausschnitt), Eröffnungsausstellung (Juni 2008 bis Juni 2012); Porträt Christian Boros; alle Fotos: © NOSHE Abbildung 10: Museum Biedermann, Donaueschingen | 217 Außenansicht mit David Nash, Lightning Strike, 2008, Foto: Bernhard Strauss, Freiburg; Ausstellungseinblick „Auf:bruch – 4 Positionen zeitgenössischer Kunst“ (7.3.- 28.8.2010) mit Sebastian Kuhn, Your Inner Tectonics, 2009, Foto: Bernhard Strauss, Freiburg; Selbstporträt Margit Biedermann mit Jinmo Kang, Baumkronen-Portrait, 2011; alle Abbildungen: © Museum Biedermann Foundation Abbildung 11: Sammlung FER Collection, Ulm | 221 Außenansicht Stadtregal, Foto: Photodesign Armin Buhl, Neu-Ulm; Installationsansicht Sylvie Fleury (Ausschnitt) mit Fiberglasraketen First Spaceship on Venus (17), 1998; Eternity, 1993; o.T. (Vogue-Cover), Wien 1996; Mondrian Boots, 1992, © Archiv Sammlung FER Collection; Sammlerporträt Friedrich E. Rentschler und Maria Schlumberger vor Keith Haring, Untitled, April 21, 1984 (Painting for Francesca Alinovi), (Ausschnitt), Foto: Photodesign Armin Buhl, Neu-Ulm Abbildung 12: me Collectors Room Berlin | 225 Außenansicht, 2010, Foto: Bernd Borchardt; Ausstellungsansicht „Gerhard Richter – Editionen 1965-2011“ (12.2.-13.5.2012), Foto: Jana Ebert; Porträt Thomas Olbricht, 2012, Foto: Jana Ebert © VG Bild-Kunst, Bonn 2012 für die abgebildeten Werke von Thomas Locher, Frank Stella, Stephan Balkenhol, David Nash, Sebastian Kuhn © The Estate of Jean-Michel Basquiat / VG Bild-Kunst, Bonn 2012 für die abgebildeten Werke von Jean-Michel Basquiat © The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2012 für die abgebildeten Werke von Sigmar Polke © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2012 für das abgebildete Werk von Pablo Picasso
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T ABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Aufbau der vorliegenden Studie | 19 Tabelle 2: Gründungsdaten von Privatmuseen und privaten Ausstellungsräumen im deutschsprachigen Raum seit Beginn des 20. Jahrhunderts | 72 Tabelle 3: Museen in privater Trägerschaft: Vergleich der Statistischen Werte von 1993 und 2010 | 90 Tabelle 4: Stakeholdergruppen eines öffentlichen Museums und mögliche Faktoren für ihre Zufriedenheit mit der Leistung eines Museums | 102 Tabelle 5: Multiperspektivische Sichtweise auf „Erfolg im Museum“, Ablauf der Untersuchung | 104 Tabelle 6: Standards für Museen (Deutscher Museumsbund und ICOM Deutschland) | 107 Tabelle 7: Kriterienkatalog des Österreichischen Museumsgütesiegels | 110 Tabelle 8: Aufnahmekriterien des Verbandes der Museen der Schweiz | 113 Tabelle 9: Grundkonzepte der Exzellenz | 118 Tabelle 10: Kriterien des Erfolgs nach Klein (2007) | 119 Tabelle 11: Typische Benchmarking-Kriterien nach Graf (2003) | 122 Tabelle 12: Erfolgsfaktoren nach Weber-Kainz (2005) | 123 Tabelle 13: Leistungsindikatoren für Kulturorganisationen nach Gilhespy (1999) | 127 Tabelle 14: Arbeitshypothesen – Management für Museen nach Dauschek (2001) | 128 Tabelle 15: Erfolgsfaktoren nach Wiese (2010) | 131 Tabelle 16: Vier Trends nach Wiese (2010) | 132 Tabelle 17: Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008) | 134 Tabelle 18: Erfolgsfaktoren der Ausstellung „Das MOMA in Berlin“ nach Chlebowski (2008) | 135 Tabelle 19: Handlungsempfehlungen für Kunstmuseen nach von Chlebowski (2008) | 136 Tabelle 20: Zusammenfassung der potenziellen Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen | 169 Tabelle 21: Ablauf der vorliegenden empirischen Untersuchung | 176 Tabelle 22: Phasen des Ablaufs eines problemzentrierten Interviews | 177 Tabelle 23: Auflistung der Interviews | 179 Tabelle 24: Pragmatisches Auswertungsverfahren nach Mühlfeld et al. (1981) | 184 Tabelle 25: Museen in privater Rechtsträgerschaft nach Deutschem Städtetag | 187 Tabelle 24: Auflistung der Stichprobe | 189 Tabelle 27: Potenzielle Erfolgskriterien öffentlicher Kunstmuseen | 402 Tabelle 28: Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen | 403
A NHANG : A NSCHREIBEN AN S AMMLER
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A NHANG Im Folgenden findet sich je ein Muster des Anschreibens an die Sammler und des Interviewleitfadens. Anschreiben an Frieder Burda Promotionsprojekt „Hochkonjunktur der Privatmuseen“ Sehr geehrter Herr Burda, mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen mein Promotionsprojekt „Hochkonjunktur der Privatmuseen“ vorstellen, das vom Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg betreut wird. Dieses wissenschaftliche Vorhaben beschäftigt sich mit einem neuen Kapitel in der jüngsten Museumsgeschichte: der Gründung privater und autonom geführter Kunstinitiativen. Bitte finden Sie beiliegend eine Kurzbeschreibung meiner Dissertation. Als Gründungsdirektorin des Museum Ritter und Leiterin dieses privaten Kunstmuseums bis Dezember 2010 habe ich vielfältige Einblicke in das Feld der Privatmuseen erhalten können. Mit einer wissenschaftlichen Arbeit möchte ich dieses Wissen nun vertiefen. Um profunde Kenntnis der Besonderheiten und Zielsetzungen privater Kunsteinrichtungen zu erhalten, beabsichtige ich mit ausgewählten Sammlerpersönlichkeiten oder Leiter/innen privater Kunstmuseen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz qualitative Leitfadeninterviews durchzuführen. Folgende Themen sollen in diesem Interview besprochen werden: Motive für private Museumsgründung, Ziel und Leitbild, Sammlungsstrategie, Museums- und Kommunikationsmanagement, Personalpolitik, Besucherorientierung und Erfolgsfaktoren. Das Interview ist in der Zeit von Mitte Februar bis Mitte März 2011 geplant und wird ca. 1,5 Stunden dauern. Das Museum Frieder Burda zählt ohne Zweifel zu den international bedeutendsten privaten Kunstmuseen. Mit der Eröffnung Ihres Museums haben Sie maßgeblichen Einfluss auf nachfolgende private Museumsgründungen ausgeübt. Daher sind mir Ihr Interesse und Ihre Beteiligung an diesem Projekt besonders wichtig. Sehr geehrter Herr Burda, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mein Vorhaben positiv bewerten und für ein Experteninterview zur Verfügung stehen. Gerne komme ich zu einem Termin Ihrer Wahl nach Baden-Baden. Ich werde mir erlauben, Sie in der nächsten Zeit diesbezüglich telefonisch zu kontaktieren. Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Ihre Gerda Ridler
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Interview-Leitfaden Der Interview-Leitfaden wurde für jedes Gespräch leicht modifiziert und auf die spezifischen Bedingungen und Gegebenheiten der jeweiligen Privatsammlung angepasst. Beispielhaft ist hier der Fragenkatalog an Margit Biedermann dargestellt. Fragen an Margit Biedermann, Museum Biedermann, Donaueschingen Einstiegsfrage: In meiner Dissertation untersuche ich Privatmuseen, ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen und ihre Erfolgsfaktoren. Denken Sie, dass es für Besucher einen Unterschied macht, ob sie ein privates oder ein öffentliches Museum besuchen? • Motive für die private Museumsgründung Seit den frühen 1990er Jahren und besonders in der letzten Dekade sind viele private Sammler/innen mit ihren Sammlungen in eigenen Museen an die Öffentlichkeit getreten. Was waren für Sie die wichtigsten Beweggründe, ein eigenes Museum für Ihre Sammlung zu eröffnen? Hatten Sie Vorbilder für Ihre Museumsgründung (z.B. andere Sammler, andere Privatmuseen)? In den letzten Jahren gab es immer wieder Konflikte zwischen Privatsammlern und öffentlichen Museen, die in der Presse umfänglich besprochen wurden. Haben solche Schwierigkeiten und Spannungen zwischen Sammlern und Museumsverantwortlichen Ihre Entscheidung, ein eigenes Museum zu erbauen, beeinflusst? Mich interessieren die Veränderungen in der Museumslandschaft, die dazu geführt haben, dass private Sammler ihre Kollektionen nun kaum mehr öffentlichen Museen übergeben, sondern selber als Museumsgründer an die Öffentlichkeit treten. Peter Weibel hat dazu folgende These: Er sagt, die Sammler haben sich emanzipiert und erkennen das öffentliche Museum nicht mehr als alleinigen Ort der institutionalisierten Autorität im Bereich der Kunst an. Der Sammler wird selber Experte und gründet sein eigenes Museum. Wie bewerten Sie diese These? Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, warum gerade in den letzten sechs Jahren so viele Privatsammler eigene Museen oder private Ausstellungsräume eröffnen? Wie beurteilen Sie das Bild der privaten Sammler und privaten Museumsgründer in der Öffentlichkeit? Ihr Museum wird völlig autonom geführt, ohne Zuschüsse der öffentlichen Hand. Welche Vorteile sehen Sie für sich durch diese finanzielle und institutionelle Unabhängigkeit?
A NHANG : I NTERVIEW -L EITFADEN
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• Leitbild und Museumskonzept Was ist das Ziel, der Auftrag Ihres Museums? Gibt es ein schriftlich formuliertes Leitbild / ein Mission Statement? Ein Museum definiert sich nach dem Internationalen Museumsrat durch die klassischen Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Sehen Sie diese Bereiche auch für Ihr Haus als verpflichtende Aufgaben und wie würden Sie diese klassischen Kernaufgaben für Ihre Einrichtung gewichten? Welche Bereiche haben in Ihrem Museum einen besonderen Stellenwert? Suchen Sie mit der Bezeichnung „Museum“ bewusst die Nähe und die Vergleichbarkeit mit öffentlichen Museen? • Management von Privatmuseen Frau Biedermann, Ihre Familie führt ein erfolgreiches Familienunternehmen. Welche Bedeutung haben für Sie Betriebswirtschaft und Management in Ihrem Museum? Was sind die Grundprinzipien der Organisationsstruktur und der Organisationskultur in Ihrem Museum? Welcher Führungsstil wird in ihrem Museum gepflegt? Ist Ihnen das Thema Dienstleistung in Ihrem Museum wichtig? • Personalauswahl Das Personal ist eine der wichtigsten Ressourcen in jedem Unternehmen, das gilt auch für Museen. Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Mitarbeiter aus? Auf welche Qualifikationen legen Sie Wert? Wie haben Sie Ihre Museumsleiterin gefunden, welche Qualifikationen waren Ihnen wichtig? Wie ist die Aufgabenverteilung zwischen Ihnen beiden? Wer kümmert sich in Ihrem Museum um die wirtschaftlichen Aspekte? Gibt es eine kaufmännische Leitung? • Öffentlichkeitsarbeit und Marketing Welchen Stellenwert haben Öffentlichkeitsarbeit und Marketing in Ihrem Museum? In den vergangenen Jahren hat sich die bewusste Markenbildung für Museen zu einer wichtigen Managementstrategie entwickelt. Marken bedeuten ein Versprechen und eine Verpflichtung im Hinblick auf Produkt und Service – beide Aspekte sind heute für den Erfolg eines Museums sehr wichtig. Ist das Museum Biedermann eine Marke?
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• Erfolgsfaktoren der Privatmuseen (Selbsteinschätzung) Wie definieren Sie Erfolg für Ihr Museum? Was sind Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren Ihres Hauses? Gibt es Erfolgskriterien ihres Unternehmens, die Sie für Ihr Museum adaptiert haben? • Besucherorientierung / Flankierende Serviceinrichtungen Denken Sie, dass es einen Wettbewerb um Besucher zwischen öffentlichen und privaten Museen gibt? Stärkere Besucherorientierung scheint zu einem musealen Leitmotiv der letzten Jahre geworden zu sein. Allerdings äußern öffentliche Museen immer wieder Bedenken, dass es zu einer Kommerzialisierung unter dem Deckmantel der Besucherorientierung kommen könnte. Was bedeutet für Sie Kommerzialisierung im Museum? Der Deutsche Museumsbund bezeichnet den Bildungsauftrag als zukunftsweisende Aufgabe der Museen. Verstehen Sie Ihr Museum auch als Bildungseinrichtung für die Gesellschaft? Die Eintrittspreise in Ihrem Museum betragen Euro 4,50 bzw. 2,50 / Kinder bis 12 Jahren sind frei. Haben Sie jemals in Betracht gezogen, freien Eintritt zu gewähren? Sind die Besucher für Sie auch Umsatzträger, die zur Refinanzierung der Kosten beitragen? In unserer Konsum- und Freizeitgesellschaft lässt sich heute kaum mehr ein Produkt über den reinen Kernnutzen vermarkten. Viele Museen setzen daher auf flankierende Service-Einrichtungen wie Shop oder Cafe und eine Reihe zusätzlicher Programme und Veranstaltungen. Was ist Ihre Haltung dazu? Warum gibt es in Ihrem Museum weder einen Museumsshop noch ein Café? • Sammlung / Kunstmarkt / Museumslandschaft Eine private Kunstsammlung ist eine aus subjektiven, ganz persönlichen Vorlieben zusammengestellte Kollektion. Lässt sich Ihre Sammlung Ihrer Meinung nach mit anderen Sammlungen privater oder öffentlicher Trägerschaft vergleichen? (Nachfrage: Was ist das Besondere, das Exklusive an Ihrer Sammlung?) Mit der öffentlichen Präsentation einer privaten Sammlung verändert sich die Betrachtungsweise. Die private Intimität geht verloren, und die Kunstwerke werden im Museum auf einen öffentlichen Prüfstand gestellt. Wie gehen Sie mit negativer Kritik um? Im Privatmuseum haben Sie als Sammler das Vorrecht der alleinigen Betrachtung Ihrer Kunst aufgegeben. Sie lassen die Allgemeinheit partizipieren. Wollen Sie als
A NHANG : I NTERVIEW -L EITFADEN
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Sammler ihre Kunstwerke betrachten, müssen Sie auch ins Museum gehen. Wie oft und aus welchen Gründen gehen Sie in Ihr Museum? Wie ist der Status Ihrer Sammlung? Ist sie Teil eines Stiftungsvermögens oder ist sie in Ihrem Privateigentum? Wie wird das Ausstellungsprogramm in Ihrem Museum festgelegt? Geben Sie als Sammlerin die Richtung vor und/oder plant Ihre Museumsleiterin das Jahresprogramm? Im Zuge der hohen Preise am Kunstmarkt und der knappen Ankaufsetats können öffentliche Museen kaum noch zeitgenössische Kunst ankaufen. Das ist eine Domäne der privaten Sammler geworden. Denken Sie, dass die privaten Museen im Bereich der Präsentation und Vermittlung von Gegenwartskunst in der Zwischenzeit einen höheren Stellenwert einnehmen als öffentliche Museen? Analysiert man die einschlägigen Fachartikel über das Verhältnis von privaten Sammlern und öffentlichen Museen, kreist die Debatte fast ausschließlich um den Verlust der Deutungshoheit der öffentlichen Museen und ihrer Experten. Wenn die öffentlichen Museen keine zeitgenössische Kunst mehr ankaufen können, hat das zur Folge, dass die Definitionshoheit, was Kunst ist und welche Kunst die Zeit überdauern wird, zukünftig von den privaten Sammlern übernommen. Auch Walter Grasskamp hat schon im Jahr 2002 die Befürchtung geäußert, dass die Privatmuseen den öffentlichen Museen die Kanonkompetenz im Hinblick auf Gegenwartskunst abnehmen. Wie beurteilen Sie diese Situation? • Museumsarchitektur Sie haben ein historisches Baudenkmal sensibel zu einem Museum für zeitgenössische Kunst adaptiert. Wie kamen Sie auf die Architekten Lukas Gäbele und Tanja Raufer? Ein Markenzeichen privater Museen sind neue und auffällige Architekturen. Ihr Konzept sah vor, keinen Prunk- oder Prachtbau zu errichten, sondern einen „Ort der Stille und der Besinnung“. Haben Sie jemals auch über einen Museumsneubau nachgedacht? Ihr Museum besteht nun gut eineinhalb Jahre. Gibt es aus architektonischer Sicht heute Dinge, die Sie anders planen würden? Welche Standortvorteile bietet die Lage Ihres Museums? Befindet sich das Museumsgebäude im Privatbesitz oder ist es Teil einer Stiftung? • Zukunft von Privatmuseen: Nach eineinhalbjähriger Museumstätigkeit möchte ich fragen, ob sich Ihre ursprünglichen Erwartungen an Ihr Haus erfüllt haben?
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| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT
Welche Vision haben Sie für die Zukunft Ihrer Einrichtung? Wo soll Ihr Museum in 10 Jahren stehen? Aktuell wird viel über die Zukunft von Privatmuseen diskutiert – auch von Kritikern, die anmahnen, dass die öffentliche Hand die privaten Einrichtungen früher oder später übernehmen muss und damit hohe Kosten auf den Staat zukommen werden. Haben Sie die Zukunft Ihres Museums dauerhaft gesichert? Anders gefragt: Was wünschen Sie sich für Ihr Museum in 30 Jahren? Abschlussfrage: Ich bin davon überzeugt, dass die öffentlichen Museen langfristig ohne die Unterstützung privater Sammler keine Zukunft haben – im Speziellen, was die Präsentation von Gegenwartskunst betrifft. Das Verhältnis privater Sammlungen und öffentlicher Museen wird daher ein wesentliches Thema der nächsten Jahre sein. Wie wird sich dieses Verhältnis Ihrer Meinung nach entwickeln? Wird es weiterhin private Museumsgründungen geben oder werden sich neue Formen der Kooperation finden?
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
Danksagung | 7
EINLEITUNG 1.
Hochkonjunktur der öffentlichen Privatsammlungen | 9
1.1
Darstellung des Forschungsfeldes | 9
1.2
Ausgangslage | 11
1.3
Stand der Forschung | 15
1.4
Zielsetzung, methodischer Ansatz und Aufbau der Arbeit | 17
TEIL I: THEORETISCHE UND PRAKTISCHE RELEVANZ DES FORSCHUNGSTHEMAS 2.
Historische Entwicklung des privaten Kunstsammelns | 23
2.1
Privates Sammeln von Kunst: Ein historischer Rückblick von der Renaissance bis zum späten 19. Jahrhundert | 23
2.2 2.2.1 2.2.2
Privates Sammeln von Kunst im 20. Jahrhundert | 33 Privates Sammeln in Deutschland | 35 Privates Sammeln in der Schweiz und in Österreich | 45
2.3 Wichtige internationale Vorläufer der heutigen Privatmuseen | 53 2.3.1 Fondation Maeght, Saint-Paul-de-Vence, Frankreich | 53 2.3.2 Stiftung Sammlung Emil G. Bührle, Zürich, Schweiz | 54 2.3.3 Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark | 56 2.3.4 Museum Insel Hombroich, Neuss | 57 2.3.5 Sammlung Ludwig, Aachen | 59 2.4
Hochkonjunktur der öffentlichen Privatsammlungen seit den 1990er Jahren | 61
2.5
Zusammenfassung | 69
3.
Die öffentliche Privatsammlung | 79
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5
Begriffsklärung | 79 Museum | 79 Sammlung | 81 Öffentlich | 82 Privat | 82 Öffentliche Privatsammlung | 83
3.2
Formen der Öffentlichmachung privater Sammlungen | 84 Exkurs: Das Sammlermuseum | 86
462
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT 3.3
Trägerschaften öffentlicher und privater Sammlungen | 89
3.4
Besonderheiten öffentlicher Privatsammlungen | 92
3.5
Ableitung der Forschungsfrage | 100
4.
Was macht ein Museum erfolgreich? Eine methodische Analyse öffentlicher Museen | 101
4.1
Erfolg aus der Sicht institutionalisierter Vertretungen der Museumsbranche | 105 4.1.1 Der Deutsche Museumsbund | 105 4.1.2 Museumsbund Österreich | 110 4.1.3 Verband der Museen der Schweiz | 112 4.1.4 Zwischenfazit | 114 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6
Instrumentarien des Managements zur Bewertung von Qualität und Erfolg | 115 EFQM-Modell für Excellence | 116 Der exzellente Kulturbetrieb nach Klein (2007) | 119 Benchmarking | 121 Erfolgsfaktoren für die touristische Internationalisierung von Museen nach Weber-Kainz (2005) | 123 Zwischenfazit | 125 Museale Erfolgsfaktoren aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive | 125 Erfolgsfaktorenforschung | 125 Zehn Arbeitshypothesen für das Museumsmanagement nach Dauschek (2001) | 128 Erfolgsfaktoren für die Museumsarbeit nach Wiese (2010) | 131 Zehn Faktoren der Besucherbindung nach Laukner (2008) | 133 Erfolgsfaktoren der Ausstellung „Das Moma in Berlin“ nach von Chlebowski (2008) | 135 Zwischenfazit | 137
4.4
Operationalisierung der untersuchungsrelevanten Erfolgskriterien öffentlicher Museen | 138 4.4.1 Ziele und Leitbild | 138 4.4.2 Trägerschaft und Finanzen | 139 4.4.3 Kernkompetenz des Kunstmuseums | 141 4.4.4 Museumsmanagement | 148 4.4.5 Qualifiziertes Personal | 152 4.4.6 Konsequente Besucherorientierung | 154 4.4.7 Öffentlichkeitsarbeit und Marketing | 158 4.4.8 Flankierende Serviceangebote | 162 4.4.9 Netzwerk und Kooperation | 165 4.4.10 Hohe Dienstleistungsqualität | 166 4.5
Zusammenfassung der Erfolgskriterien öffentlicher Museen | 168
D ETAILLIERTES I NHALTSVERZEICHNIS
TEIL II: KONZEPTION DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG 5.
Forschungsmethodik | 175
5.1
Methode und Ablauf der Untersuchung | 176
5.2
Vorbereitung der Datenerhebung | 178
5.3
Durchführung der Interviews | 180
5.4
Auswertung der Interviews | 182
5.5
Dokumentenanalyse | 184
5.6
Gütekriterien des Forschungsprozesses | 185
6.
Darstellung des Untersuchungsfeldes | 187
6.1
Auswahlkriterien der öffentlichen Privatsammlungen | 187
6.2
Sammlung Hoffmann, Berlin | 190
6.3
Essl Museum, Klosterneuburg, Österreich | 193
6.4
Daros Museum Zürich, Schweiz | 197
6.5
Langen Foundation, Insel Hombroich, Neuss | 201
6.6
Museum Frieder Burda, Baden-Baden | 205
6.7
Julia Stoschek Collection, Düsseldorf | 209
6.8
Sammlung Boros, Berlin | 213
6.9
Museum Biedermann, Donaueschingen | 217
6.10
Sammlung FER Collection, Ulm | 221
6.11
me Collectors Room Berlin | 225
TEIL III: ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG 7.
Öffentliche Privatsammlungen im Licht der empirischen Forschung | 231
Gründungsmotive | 231 Ein Ungenügen in der Zusammenarbeit mit öffentlichen Museen | 235 7.1.2 Schaufenster für zeitgenössische Kunst | 241 7.1.3 Emanzipation der Sammler | 245 7.1.4 Eigenes Gestaltungsbedürfnis | 248 7.1.5 Liebe zu den schönen Dingen | 250 7.1.6 Verantwortungsbewusstsein der Sammler | 254 7.1.7 Freundschaft mit Künstlern | 257 7.1.8 Sinnlosigkeit, nur für das Lager zu sammeln | 260 7.1.9 Museumsgründung als Lebenswerk | 265 7.1.10 Fazit | 268
7.1 7.1.1
7.2
Benennung | 274
| 463
464
| P RIVAT GESAMMELT – ÖFFENTLICH PRÄSENTIERT 7.3
Ziele und Leitbild | 280
7.4
Trägerschaft und Finanzen | 285
7.5 Museale Kernkompetenzen | 292 7.5.1 Sammeln | 295 7.5.1.1 Privates Sammlen in der Öffentlichkeit | 306 7.5.1.2 Vergleich mit historischen Sammelstrategien | 309 7.5.1.3 Besonderheiten der aktuellen Sammlergeneration | 310 7.5.2 Bewahren | 313 7.5.3 Forschen und Dokumentieren | 315 7.5.4 Ausstellen | 318 7.5.5 Vermitteln | 327 7.6
Management | 337
7.7
Personal | 345
7.8
Besucherorientierung | 352
7.9
Öffentlichkeitsarbeit und Marketing | 361
7.10 7.10.1 7.10.2 7.10.3
Flankierende Serviceeinrichtungen | 371 Museumsarchitektur | 371 Standort | 378 Shop und Café | 382
7.11
Netzwerk und Kooperation | 384
7.12
Dienstleistungsqualität | 387
7.13
Zusammenfassung der Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen | 392
7.14
Abgleich der Erfolgskriterien öffentlicher Museen mit Erfolgsfaktoren öffentlicher Privatsammlungen | 402
8.
Veränderungen in der zeitgenössischen Museumskultur | 407
8.1
Stellenwert der öffentlichen Privatsammlungen im Verhältnis zu öffentlichen Museen | 407
8.2
Zukunft öffentlicher Privatsammlungen | 416
8.3
Potenzielle Formen zukünftiger Zusammenarbeit zwischen privaten Sammlungen und öffentlichen Museen | 424
9.
Schlussbemerkung | 429
TEIL IV: VERZEICHNISSE UND ANHANG Literaturverzeichnis | 431 Abbildungsverzeichnis | 452 Tabellenverzeichnis | 454 Anhang | 455 Detailliertes Inhaltsverzeichnis | 461
Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Barbara Alder, Barbara den Brok Die perfekte Ausstellung Ein Praxisleitfaden zum Projektmanagement von Ausstellungen August 2012, 264 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1489-3
Patrick S. Föhl, Patrick Glogner Kulturmanagement als Wissenschaft Überblick – Methoden – Arbeitsweisen. Einführung für Studium und Praxis Dezember 2012, ca. 150 Seiten, kart., ca. 13,80 €, ISBN 978-3-8376-1164-9
Carl Christian Müller, Michael Truckenbrodt Handbuch Urheberrecht im Museum Praxiswissen für Museen, Ausstellungen, Sammlungen und Archive November 2012, ca. 200 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1291-2
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Andrea Rohrberg, Alexander Schug Die Ideenmacher Lustvolles Gründen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ein Praxis-Guide 2010, 256 Seiten, kart., zahlr. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1390-2
Christiane Schrübbers (Hg.) Moderieren im Museum Ein Leitfaden für dialogische Besucherführungen Februar 2013, ca. 250 Seiten, kart., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-2161-7
Gernot Wolfram (Hg.) Kulturmanagement und Europäische Kulturarbeit Tendenzen – Förderungen – Innovationen. Leitfaden für ein neues Praxisfeld November 2012, ca. 280 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1781-8
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Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement Joachim Baur (Hg.) Museumsanalyse Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes 2010, 292 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-814-8
Martina Padberg, Martin Schmidt (Hg.) Die Magie der Geschichte Geschichtskultur und Museum (Schriften des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler, Band 3)
Claudia Gemmeke, Franziska Nentwig (Hg.) Die Stadt und ihr Gedächtnis Zur Zukunft der Stadtmuseen
2010, 208 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1101-4
2011, 172 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 20,80 €, ISBN 978-3-8376-1597-5
Hans Scheurer, Ralf Spiller (Hg.) Kultur 2.0 Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media
Susanne Gesser, Martin Handschin, Angela Jannelli, Sibylle Lichtensteiger (Hg.) Das partizipative Museum Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen Juni 2012, 304 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1726-9
Hartmut John, Hans-Helmut Schild, Katrin Hieke (Hg.) Museen und Tourismus Wie man Tourismusmarketing wirkungsvoll in die Museumsarbeit integriert. Ein Handbuch 2010, 238 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1126-7
Peter Leimgruber, Hartmut John Museumsshop-Management Einnahmen, Marketing und kulturelle Vermittlung wirkungsvoll steuern. Ein Praxis-Guide 2011, 348 Seiten, kart., inkl. Begleit-CD-ROM, 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1296-7
2010, 320 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1352-0
Petra Schneidewind, Martin Tröndle (Hg.) Selbstmanagement im Musikbetrieb Ein Handbuch für Kulturschaffende (2., komplett überarbeitete Auflage) April 2012, 384 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1660-6
Martin Tröndle (Hg.) Das Konzert Neue Aufführungskonzepte für eine klassische Form (2., erweiterte Auflage) 2011, 402 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1617-0
Regina Wonisch, Thomas Hübel (Hg.) Museum und Migration Konzepte – Kontexte – Kontroversen September 2012, 232 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1801-3
Yvonne Leonard (Hg.) Kindermuseen Strategien und Methoden eines aktuellen Museumstyps
Jochen Zulauf Aktivierendes Kulturmanagement Handbuch Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement für Kulturbetriebe
Oktober 2012, ca. 300 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 27,80 €, ISBN 978-3-8376-2078-8
Oktober 2012, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1790-0
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