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German Pages 227 [229] Year 2014
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 298 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Andreas Bareiß
Pflichtenkollisionen im transnationalen Beweisverkehr Offenbarungspflichten im Zivilprozessrecht der USA und Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
Mohr Siebeck
Andreas Bareiß, geboren 1980; Doppelstudium des deutschen und französischen Rechts an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Université de Paris II (Panthéon-Assas); Studium Filmproduktion in Ludwigsburg, Paris und London; derzeit als Rechtsanwalt in der medienrechtlichen Abteilung einer Rechtsanwaltskanzlei tätig.
Gedruckt mit Unterstützung der Mathews-Stiftung im Förderfonds des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen. e-ISBN PDF 978-3-16-152864-4 ISBN 978-3-16-152817-0 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meinen Eltern
„We do not seek to force any defendant to violate foreign law. But we do seek to make each defendant feel the full measure of each sovereign’s conflicting commands […].“ In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F. Supp. 1138, 1156 (N.D. Illinois, November 7, 1979)
Vorwort Vorwort
Der Anlass, mich mit dem Dilemma zwischen Offenbarungspflichten im Zivilprozessrecht der USA und Offenbarungsverboten nach deutschem und europäischem Recht zu befassen, war ein anwaltliches Mandat, in dem ich ein in den USA verklagtes deutsches Unternehmen beraten habe. Ausgehend von den Fragen, die sich damals stellten, habe ich in der vorliegenden Arbeit mögliche Lösungsansätze untersucht. Sie versteht sich insoweit auch und gerade als Handreichung für die Rechtspraxis. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen und berücksichtigt Literatur und Rechtsprechung bis März 2013. Ich danke Frau Prof. Dr. Katharina de la Durantaye für ihre sehr engagierte Betreuung der Arbeit und Herrn Prof. Dr. Christoph Paulus für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Mathews-Stiftung danke ich für die Unterstützung dieser Publikation durch Gewährung einer Druckbeihilfe. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern. Ihr Rückhalt und Zuspruch haben mich stets getragen. Ihnen widme ich diese Arbeit. Berlin im September 2013
Andreas Bareiß
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis .......................................................... XV
A. Einleitung ...........................................................................................1 I. II. III. IV.
Problemaufriss................................................................................1 Untersuchungsgegenstand ..............................................................3 Forschungsstand und Problementwicklung .....................................7 Vorgehensweise............................................................................13
B. Das Dilemma zwischen Offenbarungspflichten nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht und Offenbarungsverboten nach deutschem und europäischem Recht ................................................................14 I.
Inhalt, Umfang und Durchsetzung von Offenbarungspflichten in US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren mit Auslandsbezug .......................................................................14 1. Überblick über das Verfahren der pre-trial discovery...............14 2. Umfang der pre-trial discovery ................................................16 a) Die Pflicht zur Offenbarung streitrelevanter Informationen .................17 b) Exkurs: Die Offenbarungspflicht nach den ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure (2004) ........................................20 c) Die Pflicht zur Offenbarung nicht-privilegierter Informationen ............21 (1) Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse ..................................23 (2) Schutz der adversatorischen Beweisbeschaffung ..........................24 d) Schutz vor unverhältnismäßiger Belastung im Einzelfall ....................25
3. Die Methoden der pre-trial discovery .......................................27 a) Schriftliche Fragen und Antworten (interrogatories) .........................27 b) Austausch von Urkunden, elektronischen Datensätzen und Augenscheinsobjekten (production of documents, electronically stored information and things ) ......................................................28 c) Vernehmungen (depositions) ........................................................31 d) Sonstige Methoden der pre-trial discovery ......................................33
4. Die Rolle des Gerichts..............................................................33
XII
Inhaltsverzeichnis
5. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Offenbarungspflicht..................................................................34 6. Durchsetzung der Offenbarungspflicht bei extraterritorialer Beweisbeschaffung...................................................................35 a) Beweisaufnahme im Ausland .......................................................36 b) Beweisbeschaffung aus dem Ausland .............................................37 (1) Darstellung der Aérospatiale-Entscheidung und ihrer Folgen ..........37 (2) Kritische Würdigung der Aérospatiale-Entscheidung ....................41 II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht ...46 1. Offenbarungsverbote nach allgemeinem Datenschutzrecht .......47 a) Bedeutung des Datenschutzes in Europa .........................................47 (1) Datenschutz in der Bundesrepu blik Deutschland ..........................47 (2) Datenschutz in der Europäischen Union .....................................49 b) Arbeitsunterlage 1/2009 der Artikel-29-Datenschutzgruppe ................51 c) Anwendbarkeit des BDSG auf Maßnahmen der discovery ...................52 (1) Örtlicher Anwendungsbereich des BDSG ...................................52 (2) Sachlicher Anwendungsbereich des BDSG .................................53 d) Zulässigkeit der Datenverarbeitung ................................................55 (1) Einwilligung der Betroffenen, §§ 4 Abs. 1, 4a BDSG/ Art. 7 a) DSRL .....................................................................55 (2) Rechtliche Verpflichtung, § 4 Abs. 1 BDSG/Art. 7 c) DSRL ..........57 (3) Wahrung berechtigter Interessen, § 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 a BDSG/Art. 7 f DSRL ...................................................58 e) Zulässigkeit der Datenübermittlung in die USA ................................61 (1) Grundsätzliches Übermittlungsverbot, § 4b BDSG/ Art. 25 DSRL ......................................................................61 (2) Ausnahmen vom Übermittlungsverbot gem. § 4c BDSG/ Art. 26 DSRL ......................................................................65 f) Sanktionen bei Nichtbeachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ..........................................................................71 (1) Bußgeld- und Strafvorschriften ................................................72 (2) Schadensersatz .....................................................................73 g) Anhang: Einwilligungserklärung (Datengeheimnis) ...........................74
2. Offenbarungsverbote aufgrund des Fernmeldegeheimnisses.....75 a) Europarechtliche und grundgesetzliche Grundlagen des Fernmeldegeheimnisses .........................................................77 b) Bedeutung des Fernmeldegeheimnisses für Maßnahmen der pre-trial discovery ................................................................78 (1) Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses .................................78 (2) Verhaltenspflichten ...............................................................88 c) Sanktionen bei Nichtbeachtung des Fernmeldegeheimnisses ...............90 d) Anhang: Einwilligungserklärung (Fernmeldegeheimnis) ....................92
3. Offenbarungsverbote aufgrund des Bankgeheimnisses .............92 a) Verfassungs- und zivilrechtliche Grundlagen des Bankgeheimnisses .....93 b) Gegenstand und Funktion des Bankgeheimnisses ..............................95
Inhaltsverzeichnis
XIII
c) Grenzen des Bankgeheimnisses ....................................................96 (1) Einwilligung des Kunden .......................................................97 (2) Gesetzliche Bestimmung ........................................................98 (3) Überwiegendes Eigeninteresse des Kreditinstituts ......................101 d) Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung des Bankgeheimnisses ..................102 (1) Zivilrechtliche Rechtsfolgen .................................................102 (2) Ordnungswidrigkeits- und strafrechtliche Rechtsfolgen ...............103 e) Anhang: Einwilligungserklärung (Bankgeheimnis) ..........................104
C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte ...............................................................................106 I.
Präventive Maßnahmen ..............................................................106 1. Anpassung transatlantischer Konzernstrukturen .....................106 a) Zwecks Vermeidung der Klagezustellung .....................................107 b) Zwecks Vermeidung der Gerichtspflichtigkeit in den USA ...............108 c) Zwecks Begrenzung der personellen Reichweite der pre-trial discovery ..............................................................110
2. Sicherung datenschutzrechtlicher Mindeststandards in den USA .............................................................................111 a) Verbindliche Unternehmensregeln (Binding Corporate Rules ) ...........112 b) EU-Standardvertragsklauseln .....................................................113 c) Das Safe-Harbor-Modell ...........................................................114 3. Vertragsgestaltung mit Kunden und Geschäftspartnern ..........114 a) Vermeidung der US-amerikanischen Jurisdiktion ............................114 (1) Gerichtsstandsklausel ..........................................................115 (2) Schiedsgerichtsklausel .........................................................117 b) Allgemeine Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten ...................119 4. Überarbeitung der unternehmensinternen IT-Policy ...............119 a) Mitarbeitersensibilisierung und Datenvermeidung ...........................120 b) Automatische Datenvernichtung .................................................120 c) Verbot der privaten E-Mail-Nutzung ............................................121 d) Implementierung einer e-discovery-Richtlinie ................................121 II. Reaktive Maßnahmen .................................................................123 1. Reaktiv-kooperative Maßnahmen ...........................................123 2. Reaktiv-konfrontative Maßnahmen.........................................124 a) Maßnahmen in den USA: Widerspruch gegen das Offenbarungsverlangen und Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Schutzverfügung (protective order) ......................................................125 (1) Darlegung eines Rechtsverstoßes im Heimatland .......................126 (2) Interessenabwägung des Gerichts ...........................................128 (3) Einzelfälle .........................................................................133 (4) Sedona Conference International Principles on Discovery, Disclosure and Data Protection .............................................138 b) Maßnahmen in Europa ..............................................................140
XIV
Inhaltsverzeichnis (1) Vor Erlass eines Urteils in den USA: Verhinderung der Ausführung von Rechtshilfeersuchen .................................141 (2) Nach Erlass eines Urteils in den USA: Verhinderung der Urteilsanerkennung und Vollstreckbarerklärung ...................154
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas................164 I.
Teilweise Rücknahme des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ.......................................................................167 II. Orientierung an den Sedona Principles und Verwendung der Standardschutzverfügung .....................................................171 III. Überarbeitung und Ergänzung des Haager Beweisübereinkommens ........................................................................171 1. Generelle Restriktion der internationalen Rechtshilfe auf unmittelbar beweisrelevante Informationen ......................173 2. Vereinbarung datenschutzrechtlicher Mindeststandards .........175 3. Einführung einer verbindlichen Interessenabwägung für Verstöße gegen ausländische Verbotsgesetze....................175
E. Zusammenfassung.........................................................................177 Rechtsprechungsverzeichnis ...................................................................181 Rechtstexte- und Dokumentenverzeichnis ..............................................187 Literaturverzeichnis................................................................................195 Stichwortverzeichnis ..............................................................................207
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. A.2d ABl. EG ABl. EU Abs. a.F. AG
AGB ALI Alt. a.M. Am.U.J.Int’l & Pol’y Anm. AO Art. AWV BaFin BAG BB BCR BDI BDSG BeckOK Begr. BetriebsVG BGB BGBl. BGH BGHZ Blvd. Boston Univ. L.J. BPatG B.R. BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. C.A.B. Cal.
andere Ansicht am angegebenen Ort Atlantic Reporter Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Union Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)/Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen American Law Institute Alternative am Main American University Journal of International Law and Policy Anmerkung Abgabenordnung Artikel Arbeitsgemeinschaft Wirtschaftliche Verwaltung e.V. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Binding Corporate Rules Bund der Deutschen Industrie Bundesdatenschutzgesetz Beck Online-Kommentar Begründer Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Boulevard Boston University Law Journal Bundespatentgericht Bankruptcy Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Civil Aeronautics Board California
XVI Cal. 3d C.D.Cal. Cir. CNIL Co. Conn. COPPA Corp. CR Ct. App. D. DAJV-NL DB D.C. D.D.C. ders. d.h. dies. DÖV DSGVO DSRL DuD Duke J.Comp.&Int’L. D.Utah E.D. EDV EG EGGVG EGMR Einl. EMRK ESI et ux. EU EuGVVO
EUR EuZW e.V. / eV EWR f./ff. FAA FAQ Feb. Fn. Fordham L.Rev. FRCP FRD. FRE FPR FS
Abkürzungsverzeichnis
California Reports Central District Court of California Circuit Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés Company Conneticut Children’s Online Privacy Protection Act Corporation Computer & Recht Court of Appeals District Deutsch-Amerikanische Juristenvereinigung Newsletter Der Betrieb District of Columbia District Court (District of Columbia) derselbe das heißt dieselbe Die Öffentliche Verwaltung Datenschutzgrundverordnung Datenschutzrichtlinie Datenschutz und Datensicherheit Duke Journal of Comparative and International Law District Court for the District Utah Eastern District Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention Electronically stored information et uxor Europäische Union Europäische Verordnung über gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen Euro Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäischer Wirtschaftsraum folgende Federal Arbitration Act Frequently Asked Questions Februar/February Fußnote Fordham Law Review Federal Rules of Civil Procedure Federal Rules Decisions Federal Rules of Evidence Familie Partnerschaft Recht Festschrift
Abkürzungsverzeichnis
F. Supp. FTC gem. GeschmG GG ggf. GmbH GRUR GRUR Int. GVBl. GV. NRW. GVÜ GWR HaagÜbkAG HBÜ HGB HIPAA h.M. Hrsg. Hous.J.Int.L Hs. HZÜ IASSIST I.C.L.Q. i.d.R. ILM Int’l L. IPrax IPRspr Inc. Ins. IT i.V.m. jurisPR-ArbR jurisPR-ITR JZ KG K&R KWG LAG LG LLC LLP Ltd. lit. Mass. Md. M.D. Fla.
XVII
Federal Supplement Federal Trade Commission gemäß Geschmacksmustergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NordrheinWestfalen Abkommen über gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Gesetz zur Ausführung der Haager Übereinkommen Haager Beweisübereinkommen Handelsgesetzbuch Health Insurance Portability and Accountability Act herrschende Meinung Herausgeber Houston Journal of International Law Halbsatz Haager Zustellungsübereinkommen International Association for Social Science, Information Services & Technology Quarterly International and Comparative Law Quarterly in der Regel International Legal Materials International Law Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts Incorporated Insurance Informationstechnologie in Verbindung mit juris Praxisreport Arbeitsrecht juris Praxisreport IT-Recht JuristenZeitung Kammergericht Kommunikation und Recht Kreditwesengesetz Landesarbeitsgericht Landgericht Limited Liability Company Limited Liability Partnership Limited litera Massachusetts Maryland Middle District of Florida
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Mfg. Manufacturing Mich. Telecom.Tech.L.Rev. Michigan Telecommunication and Technology Law Review Minn. Minnesota Mio. Millionen MMR MultiMedia und Recht N.C. North Carolina N.D. Northern District N.J. New Jersey NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report n° numéro n.F. neue Fassung Nov. November Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht N.Y. New York NYLJ New York Law Journal NYSBA New York State Bar Association NYU L.J. New York University Law Journal N.Y.U. L.Rev. New York University Law Review Nw.J.Tech&Prop Northwestern Journal of Technology and Intellectual Property NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht o.g. oben genannt o.J. ohne Jahr OLG Oberlandesgericht OLGR OLGReport OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz Pa. Pennsylvania Pitt.J. Tech. L. Pol’y Pittsburgh Journal of Technology Law & Policy PLC Public Limited Company PNR Passenger Name Records Publ.L. Public Law Prel.Doc. Preliminary Document RAM Radom Access Memory RDV Recht der Datenverarbeitung RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer S. Seite S.A. Société Anonyme Sachs DSG Sächsisches Datenschutzgesetz San Diego Int’l L.J. San Diego International Law Journal SchiedsVZ Zeitschrift für Schiedsverfahren S.Ct. Tex. Supreme Court of Texas S.D. Southern District Sec. Section SeeAufgG Seeaufgabengesetz Sept. September
Abkürzungsverzeichnis
Shidler J.L.Com&Tech SJZ Slg. SNIA sog. Stan. L.Rev. StGB StPO S.W.2d Tex. Tex. L.Rev. TKG TMG u.a. UmweltHG UN Unif. L.Rev. UrhG U.S. U.S.A./USA U.S. Bankr.Ct. U.S.C. U.S. Ct.App USD usw. v./vs. v.a. Vanderbild J.Transnat.L. Verf. VersR VG VGH vgl. Vol. Vor. VPPA W.D. WL WM WP WpHG Yale L.J. z.B. ZBB ZD ZPO ZRP z.T. ZUM ZVglRWiss ZZP ZZPInt
Shidler Journal of Law, Commerce & Technology Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung Société Nationale Industrielle Aérospatiale sogenannte/r Stanford Law Review Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Southwestern Reporter Texas Texas Law Review Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz und andere/unter anderem Umwelthaftungsgesetz United Nations Uniform Law Review Urheberrechtsgesetz U.S. Supreme Court Reports United States of America United States Court of Bankuptcy United States Code United States Court of Appeals United States Dollar und so weiter versus vor allem Vanderbild Journal of Transnational Law Verfasser Zeitschrift für Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Volume Vorbemerkung Video Privacy Protection Act Western District Westlaw Wertpapiermitteilungen Working Paper Wertpapierhandelsgesetz Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Datenschutz Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
XIX
A. Einleitung A. Einleitung A. Einleitung
Ein Dilemma (griechisch: „įȓȜȘȝȝĮ“ = „Fangschluss“ oder „zweigliedrige Annahme“) bezeichnet eine Zwangslage, in der sich eine Person befindet, die zwischen zwei in gleicher Weise schwierigen oder unangenehmen Optionen wählen soll oder muss.1 Der Volksmund spricht plastisch von einer „Zwickmühle“. Deutsche, an einer US pre-trial discovery beteiligte Unternehmen befinden sich regelmäßig in einem juristischen Dilemma. Die Rechtslage, die dieses Dilemma charakterisiert, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
I. Problemaufriss I. Problemaufriss
Volkswagenwerk2, World-wide Volkswagen3, Lufthansa4, M/S Bremen5, Aérospatiale6, Société Internationale7. Bereits aus den Kurzbezeichnungen zahlreicher US-amerikanischer Urteile, häufig Leitentscheidungen auf dem Gebiet des internationalen Zivilprozessrechts, wird ersichtlich, dass sich deutsche und andere europäische Rechtssubjekte, insbesondere multinational agierende Unternehmen, immer wieder als Beteiligte in US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren wiederfinden – nicht selten als Beklagte. Der faktische Hintergrund dieses Phänomens ist die unaufhaltsam fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft.8 Im Jahr 2010 betrug der Warenaustausch zwischen den USA und der EU 4,28 Billionen USD.9 In __________ 1
Brockhaus Enzyklopädie, Band VII, 21. Auflage (2006), 29; Duden – Das Herkunftswörterbuch, 4. Auflage (2006). 2 Volkswagenwerk v. Superior Court, 123 Cal. App.3d 840 (September 23, 1981). 3 Wold-wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286 (January 21, 1980). 4 C.A.B. v. Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft, 591 F.2d 951 (U.S. Ct.App. D.C. Cir., January 8, 1979). 5 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Company 407 U.S.1 (June 12, 1972). 6 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522 (June 15, 1987). 7 Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197 (June 16, 1958). 8 Brisch/Laue, E-Discovery und Datenschutz, RDV 2010, 1. 9 Handelsblatt-Online vom 03.03.2010, Staatshilfe rettet Transatlantik-Handel.
2
A. Einleitung
rechtlicher Hinsicht tragen US-amerikanische Gerichte durch eine großzügige Annahme ihrer Kognitionsbefugnis (personal jurisdiction) dazu bei, dass transnationale Streitigkeiten häufig nicht in Europa, sondern in den USA ausgetragen werden.10 Für einen Kläger hat die Verfahrensdurchführung in den Vereinigten Staaten verschiedene Vorteile. Soweit er seinen Sitz in den USA hat, bleiben ihm die allgemeinen Unannehmlichkeiten einer Prozessführung im Ausland erspart. Aufgrund des Rechtsinstituts des Strafschadensersatzes (punitive damages)11 locken in bestimmten Rechtsbereichen Schadensersatzsummen, die in Europa nicht erreicht werden. Durch die US-amerikanische Kostentragungsregel (American rule of costs)12 und die Möglichkeit erfolgsabhängiger Anwaltshonorare (contingency fee)13 trägt der Kläger ein geringes Kostenrisiko.14 Schließlich profitiert er von der sogenannten pre-trial discovery, einem fast ausschließlich zwischen den Prozessparteien stattfindenden Beweisermittlungsverfahren, das die Parteien zu einer sehr umfassenden gegenseitigen Offenbarung (disclosure) von mit dem Klagegegenstand in direktem oder indirektem Zusammenhang stehenden Informationen verpflichtet.15 Häufig werden in diesem Verfahrensabschnitt, der zwischen Erhebung (filing) der Klage und Verhandlung (trial) vor dem Richter und der Jury liegt, erst die notwendigen Informationen zusammengetragen, um eine Klage zu substantiieren und schlüssig zu machen.16 Das US-amerikanische Zivilverfahrensrecht ist also ausgesprochen klägerfreundlich. __________ 10
Hanloser, e-discovery, Datenschutzrechtliche Probleme und Lösungen, DuD 2008, 785; Hess, Aktuelle Brennpunkte des transatlantischen Justizkonflikts, AG 2005, 897, 899; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Auflage (2010), Rn. 818; ders., Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 4. Auflage (2011), 52; Stiefel/ Petzinger, Deutsche Parallelprozesse zur Abwehr amerikanischer Beweiserhebungsverfahren?, RIW 1983, 242. 11 Bei den punitive damages handelt es sich um ein materiellrechtliches Institut, das aus der Entscheidungsbefugnis der Jury über die Höhe des Strafschadensersatzes resultiert. 12 Friedman/Collins, The Law of Cvil Procedure, 3. Auflage (2010), 556; Oakley/ Amar, American Civil Procedure – A Guide to Civil Adjudication in U.S. Courts (2009), 206; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 10 f.; Schütze, Klagen vor US-amerikanischen Gerichten – Probleme und Abwehrstrategien, RIW 2005, 579, 580. 13 Diese liegen im Falle des Prozesserfolgs zwischen 30 und 40 % der eingeklagten Summe, vgl. Oakley/Amar, American Civil Procedure, 207. 14 Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im Internationalen Wirtschaftsrecht (1990), 78. 15 Vgl. Federal Rules of Civil Procedure (FRCP), Rules 26–37. 16 Oakley/Amar, American Civil Procedure, 171; Reitz, Grundlegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Zivilprozessrecht: Vorzüge, die sich ausschließen?, ZZP 104 (1991), 381, 382 f.; Reufels, Pre-trial discovery-Maßnahmen
II. Untersuchungsgegenstand
3
Angesichts der im deutschen Zivilprozessrecht geltenden Kostenregel des § 91 ZPO17, der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Ausforschungsbeweises18 sowie weitgreifender, dem Daten- und Persönlichkeitsschutz dienender materiellrechtlicher Geheimhaltungsvorschriften mag die USamerikanische Verfahrenspraxis für deutsche und andere europäische Juristen befremdlich wirken. Nach US-amerikanischer Vorstellung ist sie aber aus prozessökonomischen Gründen, im Interesse der Ermittlung der Wahrheit und zur Durchsetzung von Gerechtigkeit geboten.19 Der Frage, ob eines der Verfahrenskonzepte vorzugswürdig ist, soll im Folgenden nicht nachgegangen werden. Keines der beiden Systeme erscheint per se gerechter oder ungerechter, besser oder schlechter. Die Systeme sind schlichtweg unterschiedlich, ein jedes hat seine spezifischen Vor- und Nachteile.20
II. Untersuchungsgegenstand II. Untersuchungsgegenstand
Aufgrund der Zunahme transnationaler Gerichtsverfahren gewinnen Rechtsprobleme an Bedeutung, die sich aus der zu ihrer Durchführung erforderlichen extraterritorialen Beweisbeschaffung ergeben. Hierunter versteht man die – ggf. auch zwangsbewehrte – Herbeischaffung von Beweismitteln aus dem Ausland aufgrund autonomer Mechanismen der lex fori ohne Rückgriff auf die internationalen Rechtshilfeinstrumente und die danach verfügbare Unterstützung fremder Staaten.21 __________ in Deutschland – Neuauflage des deutsch-amerikanischen Justizkonflikts?, RIW 1999, 667, 668. 17 § 91 Abs. 1 ZPO lautet: „Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.“ 18 Vgl. Prütting in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Band I, 4. Auflage (2013), § 284 Rn. 78; BGH Urteil vom 09.07.1974, VI ZR 112/73, NJW 1974, 1710. 19 Clark/Ansay, Introduction to the Law of the United States, 2. Auflage (2002), 402: „The purposes of modern discovery rules fall into the two general categories of furthering procedural and substantive justice and promoting efficiency.“ 20 Vgl. hierzu: Reitz, ZZP 104 (1991), 381 ff. 21 Knöfel, Anmerkung zu U.S. District Court Utah, Anordnung vom 21.01.2010, Case Nr. 2:08cv569, Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010), RIW 2010, 403, 404; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2010), § 8 Rn. 95.
4
A. Einleitung
Unternehmen, die auf dem US-amerikanischen Markt tätig sind, geraten unter erheblichen Druck, wenn sie im Rahmen der pre-trial discovery Beweismaterial vorlegen müssen, das in Europa belegen ist und personenbezogene und sonstige geheim zu haltende Daten enthält.22 Offenbaren die betroffenen Rechtssubjekte die angeforderten Informationen, verstoßen sie regelmäßig gegen deutsches und/oder europäisches Recht, welches zum Zwecke des Datenschutzes und zum Schutz der Privatsphäre Geheimhaltungspflichten formuliert. Rechtsfolgen des Verstoßes können Buß- und Ordnungsgelder23 sowie Strafen24 und Schadensersatzansprüche25 sein. Dass derartige Sanktionen in Europa nicht rein theoretischer Natur sind, verdeutlicht ein Urteil des obersten französischen Gerichtshofs (Cour de cassation), durch das eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro für einen Anwalt, der im Rahmen einer pre-trial discovery bestimmte Informationen offenbart hatte, bestätigt wurde.26 Offenbaren die deutschen bzw. europäischen Rechtssubjekte die angeforderten Informationen nicht, so verstoßen sie regelmäßig gegen US-amerikanisches Zivilprozessrecht. Dieses misst der Ermittlung der materiellen Wahrheit besonders hohes Gewicht bei,27 was sich in einer im Vergleich zur ZPO restriktiven Gewährung von Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechten niederschlägt.28 Auch hier droht die Verhängung von Beuge-, Buß- und Strafgeldern. In der Rechtspraxis oftmals gefürchteter sind angesichts der in den USA nicht unüblichen hohen Klagesummen29 aber mögliche prozessuale Rechtsfol-
__________ 22
Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158 vom 11.02.2009: Arbeitsunterlage 1/2009 über Offenlegungspflichten im Rahmen der vorprozessualen Beweiserhebung bei grenzübergreifenden zivilrechtlichen Verfahren (pre-trial discovery), 2; Schwung, Transatlantische Justizkonflikte aus Unternehmenssicht, AG 2006, 818. 23 Z.B. § 43 BDSG. 24 Z.B. § 44 BDSG, § 206 StGB. 25 Z.B. § 7 BDSG, §§ 280 Abs.1, 823 Abs. 1 und 2 BGB. 26 Cour de Cassation, Chambre Criminelle, Urteil vom 12.12.2007, n°07-83228, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 27 Hickman v.Taylor, 329 U.S. 495, 501 (January 13, 1947): „... to obtain the fullest possible knowledge of the issues and facts before trial“; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 176; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 395. 28 Vgl. z.B. § 383 ZPO (Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen) und § 384 ZPO (Zeugnisverweigerung aus sachlichen Gründen). 29 Im Juli 2003 stoppte das BVerfG per einstweiliger Anordnung die Zustellung einer Klage, mit der US-amerikanische Musikproduzenten von der Bertelsmann AG Schadensersatz i.H.v. insgesamt 17 Milliarden US-Dollar forderten, vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, NJW 2003, 2598, vgl. hierzu auch: Stürner, Die verweigerte Zustellungshilfe für U.S.-Klagen oder der „Schuss übers Grab“, JZ 2006, 60 ff.
II. Untersuchungsgegenstand
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gen.30 So ist es denkbar, dass eine Partei den Prozess nur deshalb verliert, weil sie der Offenbarungspflicht nicht hinreichend Genüge getan hat. Die deutschen Verfahrensbeteiligten befinden sich in einem Dilemma, das sich daraus ergibt, dass zwei Rechtsordnungen, die einander widersprechende, sanktionsbewehrte Pflichten statuieren, gleichermaßen Geltung beanspruchen.31 Obwohl man sich auf beiden Seiten des Atlantiks der Problematik zunehmend bewusst wird,32 ist bislang keine der Rechtsordnungen bereit, zugunsten der anderen nachzugeben. Die konfligierenden Verfahrenskonzepte führen auf zwei Ebenen zu Rechtsproblemen:33 Auf der völkerrechtlichen Ebene ist problematisch, dass die richterliche Beweisaufnahme nach deutscher Konzeption in Ausübung von Hoheitsgewalt geschieht. Dementsprechend kann eine grenzübergreifende Beweisbeschaffung zu Souveränitätskonflikten führen.34 Auf der Ebene des sich widersprechenden Pflichten ausgesetzten Rechtssubjekts stehen nicht Prinzipien des Völkerrechts, sondern die für das Rechtssubjekt unmittelbar geltenden prozess- und materiellrechtlichen Normen des Gerichts- und des Herkunftsstaates in Frage. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Untersuchung des letztgenannten Aspekts. Lediglich soweit sich das betroffene Rechtssubjekt auf die Verletzung der Souveränität seines Herkunftsstaates berufen kann – etwa zur Verhinderung von Rechtshilfe bei Klagezustellungen und Beweisaufnahmen – sollen völkerrechtliche Aspekte thematisiert werden.35 Die Arbeit wird die Rechtslage sowohl aus US-amerikanischer wie auch aus deutscher Sicht untersuchen. An geeigneter Stelle werden Vergleiche zwischen den beiden Rechtsordnungen gezogen. Was die US-amerikanische Rechtslage betrifft, so stehen vor allem die vor US-amerikanischen Bundesgerichten geführten Verfahren und die Beweisermittlung nach den Federal Rules of Civil Procedure (FRCP) im Vordergrund. Verfahren, die __________ 30
Vgl. FRCP Rule 37. Zum Dilemma schweizerischer Unternehmen, vgl. Frei, Schweizerische Unternehmen in den USA als Diener zweier Herren: Amerikanische Verschwiegenheitspflicht und schweizerische Geheimhaltung, SJZ 1986, 73. 32 Vgl. American Bar Association, Resolution 103, Report to the House of Delegates, 2; Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158; Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 186 ff., AG Internationaler Datenverkehr; In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138, 1156 (N.D. Illinois, November 7, 1979): „But we do seek to make each defendant feel the full measure of each sovereign’s conflicting commands …“ 33 Vgl. Oxman in: Transnational Litigation in Comparative Perspective – Theory and Application, (2010), 441 f.: „The dilemma exists on two levels: first, fairness to the individual litigant, and, second, rational ordering of relations between states.“ 34 Vgl. Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen – Rechtliche Grenzen und Abwehrstrategien (2008), 51 ff. 35 Eingehend zu den Souversänitätsfragen: Leipold, Lex fori, Souveränität, discovery (1989). 31
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A. Einleitung
vor Gerichten der Bundesstaaten geführt werden, bleiben weitgehend – aber nicht gänzlich – außer Betracht. Grund hierfür ist, dass in der Rechtspraxis die allermeisten großen transnationalen Prozesse vor Bundesgerichten geführt werden und der Rechtsrahmen des mit dieser Arbeit untersuchten Problems vor allem von bundesgerichtlichen Entscheidungen geprägt ist. Zwar liegt die Zuständigkeit für die Verfahrensdurchführung grundsätzlich bei den Gerichten der Bundesstaaten. Aufgrund von Art. III § 2 der Bundesverfassung wurden den Bundesgerichten durch 28 U.S.C. §§ 1330 ff. aber weite Kompetenzbereiche eröffnet, die in der Regel zu konkurrierenden Zuständigkeiten führen.36 So kann nach 28 U.S.C. § 1331 ein durch Bundesrecht begründeter Anspruch vor Bundesgerichten eingeklagt werden,37 28 U.S.C. § 1332 begründet die Bundeszuständigkeit, wenn Angehörige verschiedener Bundesstaaten oder Ausländer beteiligt sind und der Streitwert 75.000 USD übersteigt,38 kartellrechtliche Ansprüche können nach 28 U.S.C. § 1337 vor Bundesgerichten verfolgt werden, Entsprechendes gilt nach 28 U.S.C. § 1338 für Ansprüche, die sich auf Urheber- und Patentrecht stützen. Hinsichtlich der Rechtslage nach deutschem bzw. europäischem Recht konzentriert sich die Arbeit auf Rechtsprobleme, die sich aus dem persönlichkeitsrechtlichen Geheimnisschutz ergeben. Eine erschöpfende Untersuchung auch aller übrigen Problemfelder extraterritorialer Beweisermittlung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. So bleiben im Folgenden etwa Probleme außer Betracht, die sich z.B. aus dem Arbeitsrecht39 oder dem Aktienrecht40 ergeben können. Die eine Pflichtenkollision auslösende Beteiligung deutscher Rechtssubjekte am US-Verfahren schließlich kann als Partei oder als Dritter (z.B. als Zeuge) erfolgen. Hier liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Beteiligung als Partei. In einigen Konstellationen befinden sich aber auch Drittbeteiligte, z.B. Banken, mit Sitz in den USA und Niederlassung in Europa im Dilemma.
__________ 36
Oakley/Amar, American Civil Procedure, 67; Otto, Der prozessuale Durchgriff: Die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der EG und der Bundesrepublik Deutschland (1993), 7; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 17. 37 Oakley/Amar, American Civil Procedure, 69. 38 Oakley/Amar, American Civil Procedure, 72. 39 Zu den arbeitsrechtlichen Aspekten: Junker, Electronic Discovery, 80 ff. 40 Zu den aktienrechtlichen Aspekten: Junker, Electronic Discovery, 84 ff.
III. Forschungsstand und Problementwicklung
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III. Forschungsstand und Problementwicklung III. Forschungsstand und Problementwicklung
Etwa seit Anfang der 1980er Jahre, seit 1985 unter dem Begriff des „Justizkonflikts“, wurden und werden in der zivilprozessrechtlichen Wissenschaft verschiedene Probleme des deutsch-amerikanischen Rechtsverkehrs diskutiert.41 Im Zentrum der wissenschaftlichen Debatte, die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ihren Höhepunkt fand42 und bis heute nicht immer mit der wünschenswerten Sachlichkeit geführt wird,43 standen und stehen vor allem Fragen internationaler Zuständigkeit, Aspekte transatlantischer Zustellungen, Probleme extraterritorialer Beweisbeschaffung44 und die Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Urteile – insbesondere solcher, die auf punitive damages erkennen, die auf Sammelklagen beruhen und schließlich solcher, denen eine pre-trial discovery vorausgegangen ist.45 Viele der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind bis heute ungeklärt und gelten daher weiterhin als „aktuelle Brennpunkte des transatlantischen Justizkonflikts“.46 Zur Überwindung grundlegender Rechtskonflikte, die aus der unterschiedlichen Verfahrenskonzeption in den USA und in Europa entstehen, erforschte das American Law Institute (ALI)47 in Zusammenarbeit mit dem __________ 41
Vgl. Junker, Der Justizkonflikt mit den USA, BB 1987, 1752; Schlosser, Der Justizkonflikt mit den USA (1985); Tagung der wissenschaftlichen Vereinigung für Internationales Verfahrensrecht, Verfahrensrechtsvergleichung und Schiedsgerichtswesen eV 1985 zum dem Thema „Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa“, vgl. hierzu den Bericht von Firscher, IPRax 1986, 64. 42 Vgl. hierzu Schütze, RIW 2005, 579. 43 Wiederholt verwendete Begriffe sind etwa „antideutsche“ amerikanische Gesetzgebung (Schütze, Zum Stand des deutsch-amerikanischen Justizkonflikts, RIW 2004, 162), „amerikanischer Rechtschauvinismus“ (Schütze, Forum non conveniens und Rechtschauvinismus, in: Festschrift für Erik Jayme (2004), 849; ders., Forum non conveniens und Verbürgung der Gegenseitigkeit im deutsch-amerikanischen Verhältnis, in: Festschrift für Jan Kropholler (2008), 905, 908) und „amerikanische Rechtshegemonie“ (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 735; von Danwitz, Verfassungsfragen des deutsch-amerikanischen Rechtshilfeverkehrs, DÖV 2004, 501, 502). 44 von Bodungen/Jestaedt, Deutsche Bedenken gegen „Discovery“ mit extraterritorialen Wirkungen im US-Prozeß, in: Festschrift für Ernst C. Stiefel (1987), 65. 45 Zum letztgenannten Aspekt: Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Zivilurteile, in: Festschrift für Ernst C. Stiefel (1987), 697. 46 Vgl. Hess, AG 2005, 897; Stürner/Kawano, Current Topics of International Litigation (2009). 47 Das 1923 gegründete ALI ist eine unabhängige Forschungseinrichtung mit Sitz in Philadelphia (Pennsylvania), die die Expertise von über 4000 Anwälten, Richtern und Rechtsprofessoren vereint und zur Aufgabe hat, das US-amerikanische common law zu systematisieren und Vorschläge zu dessen Modernisierung zu unterbreiten. Analysen und Vorschläge des ALI werden in sog. Restatements of the Law veröffentlicht, vgl. McCaffrey/Main, Transnational Litigation in Comparative Perspective (2010), 456.
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A. Einleitung
International Institute for the Unification of International Private Law (UNIDROIT)48 seit den 1990er Jahren die Möglichkeiten einer Harmonisierung nationaler Verfahrensvorschriften für transnational geführte Zivilgerichtsverfahren. Ergebnis dieser Forschungen sind die im Jahre 2004 veröffentlichten ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure.49 Seit Mitte der 2000er Jahre finden sich vermehrt Beiträge zur sog. „e-discovery“, also Maßnahmen der pre-trial discovery, die der Ermittlung, Filterung und Auswertung elektronisch gespeicherten Informationen (electronically stored information – ESI) für Gerichtsverfahren in den USA dienen.50 Aufgezeigt – aber nicht gelöst – werden hier vor allem datenschutzrechtliche Probleme.51 Spezifisch mit dem Konflikt zwischen Offenbarungspflichten nach USamerikanischem Recht und datenschutzrechtlichen Offenbarungsverboten, insbesondere nach europäischem Recht befasst sich seit Jahren intensiv die US-amerikanische Sedona Conference.52 Im Jahr 2008 veröffentlichte sie einen Bericht über aktuell bestehende Konflikte im Rahmen grenzübergreifender Beweisbeschaffung.53 2009 folgte eine Studie über weltweit bestehende gesetzliche Offenbarungs- und Geheimhaltungserfordernisse.54 Im selben Jahr lud die Sedona Conference die Artikel-29-Datenschutzgruppe55 __________ 48
UNIDROIT ist eine 1926 auf Grund eines Beschlusses des Völkerbundes gegründete unabhängige internationale Organisation mit Sitz in Rom (Italien), deren Aufgabe es ist, die internationale Vereinheitlichung des Zivilrechts einschließlich des Zivilverfahrensrechts zu fördern. 49 Unif. L.Rev. 2004-4, 786 ff.; abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013); vgl. auch: Stürner, Die Principles of Transnational Civil Procedure – Eine Einführung in ihre wichtigsten Grundlagen, ZZPInt 2006, 381 ff. 50 Vgl. Brisch/Laue, RDV 2010, 1; Spies, USA: International Electronic Discovery v. Data Protection (Privacy), MMR Aktuell (Juni 2007); Rath/Klug, E-Discovery in Germany?, K&R 2008, 596; Junker, Electronic Discovery; Lynskey/Robinson/Greenberg, Discovery and legal frameworks governing Privacy and Data Protection in European countries (2010). 51 Vgl. z.B. Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 186 ff., AG Internationaler Datenverkehr. 52 Die Sedona Conference ist eine unabhängige Forschungseinrichtung mit Sitz in Phoenix, USA. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Kartell- und Prozessrecht sowie im Recht des geistigen Eigentums. Der Sedona Conference gehören Juristen aus allen Arbeitsbereichen an, insbesondere Richter, Anwälte und Wissenschaftler. 53 The Sedona Conference, Framework for Analysis of Cross-Border DiscoveryConflicts: A Practical Guide to Navigation the Competing Currents of International Data Privacy and Discovery, Public Comment Version (2008). 54 The Sedona Conference, International Overview of Discovery, Data Privacy & Disclosure Requirements, Public Comment Version (2009). 55 Die Artikel-29-Datenschutzgruppe wurde durch Artikel 29 der DRSL eingesetzt und ist ein unabhängiges Beratungsgremium der Europäischen Kommission in Fragen
III. Forschungsstand und Problementwicklung
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zu einem Dialog zum praktischen Umgang mit dem Dilemma zwischen Offenbarungspflichten und Offenbarungsverboten ein.56 Im Dezember 2011 veröffentlichte die Sedona Conference schließlich die aus dem Dialog mit der Artikel-29-Datenschutzgruppe hervorgegangenen International Principles on Discovery, Disclosure and Data Protection, eine Handreichung für US-amerikanische Gerichte und Parteien von in den USA geführten transnationalen Gerichtsverfahren im Umgang mit ausländischen, dem Datenschutz dienenden Offenbarungsverboten.57 Trotz eingehender, nunmehr bald drei Jahrzehnte dauernder wissenschaftlicher Auseinandersetzung ist der „Justizkonflikt“ nicht entschärft. Nach im Schrifttum vertretener Ansicht gilt sogar das Gegenteil: Er eskaliert.58 Für den mit dieser Arbeit zu untersuchenden Bereich der grenzübergreifenden Beweisermittlung im Rahmen der pre-trial discovery hat die Eskalation des Justizkonflikts – und mit dieser einhergehend die Verschärfung des Dilemmas zwischen Offenbarungs- und Geheimhaltungspflichten – im Wesentlichen fünf Gründe. 1. Intensivierung des transatlantischen Handels. Wie bereits erwähnt, wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten die transatlantischen Handelsbeziehungen ganz erheblich intensiviert. Hierdurch haben auch Rechtsstreitigkeiten zugenommen und mit ihnen Probleme grenzübergreifender Beweisermittlung. 2. Stärkung des Datenschutzes in Europa. Ausgehend vom Volkszählungsurteil aus dem Jahre 1983, mit dem das BVerfG aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableitete,59 sah sich der deutsche Gesetzgeber 1990 bewogen, zum Schutz des Persönlichkeitsrechts das heute geltende __________ des Datenschutzes. Sie besteht aus je einem Vertreter der jeweiligen nationalen Datenschutzbehörden, dem Europäischen Datenschutzbeauftragten und einem Vertreter der Europäischen Kommission. Die Gruppe hat vornehmlich beratende Funktion. Sie kann aber von sich aus Empfehlungen und Stellungnahmen zu allen Fragen abgeben, die den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Europäischen Gemeinschaft betreffen. Nach Artikel 30 Abs. 1 lit a) der DSRL soll die Gruppe durch ihre Arbeit zur einheitlichen Anwendung der DRSL beitragen. 56 The Sedona Conference, Comment of The Sedona Conference Working Group 6 to Article 29 Data Protection Working Party Working Document 1/2009 (“WP 158”), October 20, 2009. 57 The Sedona Conference, International Principles on Discovery, Disclosure & Data Protection, European Union Edition (2011). 58 So schon 2004 Schütze, RIW 2004, 162. 59 Vgl. BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 ff.
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A. Einleitung
BDSG zu erlassen,60 welches bereichsübergreifend Inhalt und Schranken der informationellen Selbstbestimmung einfachgesetzlich ausgestaltet. In vielen Teilrechtsgebieten wie dem Telekommunikationsrecht folgten Mitte der 1990er Jahre Spezialvorschriften, die bereichsspezifische Geheimhaltungspflichten definieren.61 Derart für Anliegen des Datenschutzes sensibilisiert, wurden durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) schließlich auch bereits vor dem Volkszählungsurteil anerkannte Geheimhaltungspflichten wie jene, die im Bankgeheimnis wurzeln, präzisiert und gestärkt.62 Auch auf europäischer Ebene wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Datenschutz und damit gesetzliche Geheimhaltungspflichten, die mit den Offenbarungspflichten der FRCP konfligieren, gestärkt. Die DSRL definiert seit 1995 EU-weit geltende datenschutzrechtliche Standards,63 die für den Bereich der elektronischen Kommunikation im Jahre 2002 durch die Richtlinie 2002/58/EG ergänzt wurden.64 Zudem ist seit 2009 die EU-Grundrechtecharta rechtsverbindlich.65 Sie erkennt in Art. 8 den Schutz personenbezogener Daten als EU-Grundrecht ausdrücklich an.66 3. Genereller Vorbehalt der Bundesrepublik nach Art. 23 des Haager Beweisübereinkommens. In dem Wunsch, die Übermittlung und Erledigung __________ 60 Bundesdatenschutzgesetz vom 20.12.1990 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert wurde. 61 Z.B. das Fernmeldegeheimnis, § 88 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 506) geändert worden ist. 62 Vgl. zum Bankgeheimnis: Lang, Inhalt, Umfang und Reichweite des Bankgeheimnisses, ZBB 2006, 115; zu dessen Konflikt mit Pflichten nach US-Zivilprozessrecht: Bosch, Das Bankgeheimnis im Konflikt zwischen US-Verfahrensrecht und deutschem Recht, IPRax 1984, 127. 63 Vgl. Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG v. 23.11.1995, Nr. L 281 S. 31). 64 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. EG v. 31.07.2002, Nr. L 201 S. 37). 65 ABl. vom 14.12.2007 – C 301/1; Die Grundrechtecharta wird durch Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon für bindend erklärt. 66 Art. 8 lautet: „(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden Daten. (2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken. (3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.“
III. Forschungsstand und Problementwicklung
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von Rechtshilfeersuchen in Zivil- und Handelssachen zu erleichtern, die Angleichung der verschiedenen dabei angewandten Verfahrensweisen zu fördern und die gegenseitige gerichtliche Zusammenarbeit in diesen Bereichen wirksamer zu gestalten, schlossen die Mitglieder der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht im Jahre 1970 das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HBÜ).67 Das HBÜ erlaubt es Gerichten oder Behörden der Konventionsstaaten, in einem gewissen Umfang bei anderen Konventionstaaten um Rechtshilfe zu ersuchen. Sowohl die Bundesrepublik wie auch die Vereinigten Staaten haben das Abkommen ratifiziert.68 Art. 23 des HBÜ ermöglicht es den Vertragsstaaten jedoch, einen Vorbehalt zu erklären, sodass Rechtshilfeersuchen, die im Rahmen der pretrial discovery auf die Vorlage von Urkunden gerichtet sind, nach Maßgabe des jeweiligen Vorbehalts nicht ausgeführt werden müssen.69 Die Bundesrepublik hat, wie viele andere Vertragsstaaten, einen Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ erklärt.70 Im Gegensatz zu den Vorbehalten anderer Vertragsstaaten, die eine Nichterledigung nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen und diese von einer richterlichen Einzelfallprüfung abhängig machen,71 ist der deutsche Vorbehalt jedoch absolut. Die deutsche Haltung bereitet im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr erhebliche Probleme, denn gerade für den in der Rechtspraxis besonders relevanten Bereich der pre-trial discovery of documents72 ist Rechtshilfe durch die Bundesrepublik ausgeschlossen.73 Damit scheidet regelmäßig auch eine Rechtfertigung von Eingriffen in dem Persönlichkeitsschutz dienende Geheimhaltungsvorschriften kraft deutschem Hoheitsakt aus.
__________ 67
BGBl. 1977 II Nr. 54, 1472 ff. Eine Liste der aktuellen Vertragsparteien ist abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 69 Artikel 23: „A Contracting State may at the time of signature, ratification or accession, declare that it will not execute Letters of Request issued for the purpose of obtaining pre-trial discovery of documents as known in Common Law countries.“ 70 Vgl. § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1956 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (BGBl. I S. 3105). 71 Einen eingeschränkten Vorbehalt ha ben z.B. die Republik Frankreich und das Vereinigte Königreich erklärt. 72 Vgl. FRCP Rule 34. 73 Dass deutschen Rechtssubjekten mit dieser Haltung im Ergebnis kein großer Dienst erwiesen wurde, wird im Abschnitt über die datenschutzrechtlichen Geheimhaltungsvorschriften (B.II.1.) genauer beleuchtet. 68
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A. Einleitung
4. Aérospatiale-Rechtsprechung des US Supreme Court. Ernüchtert durch die reservierte Haltung vieler HBÜ-Vertragsstaaten gegenüber der pre-trial discovery of documents setzte sich in den USA ab der ersten Hälfte der 1980er Jahre die Einsicht durch, dass das HBÜ gerade in einem besonders relevanten Bereich extraterritorialer Beweisbeschaffung weitgehend wirkungslos ist.74 Vor diesem Hintergrund ist die Aérospatiale-Entscheidung75 des US Supreme Court aus dem Jahre 1987 zu sehen. In einem Grundsatzurteil hat der oberste Gerichtshof erklärt, US-amerikanische Gerichte seien im Rahmen grenzüberschreitender Beweisermittlung grundsätzlich nicht gehalten, Rechtshilfeersuchen nach dem HBÜ anzustrengen. Das HBÜ beanspruche nur eine alternative, keine ausschließliche Geltung. Auch für den Fall, dass angeforderte Beweismittel im Ausland belegen sind, stehe es den Gerichten frei, in schlichter Anwendung der FRCP deren Herbeischaffung anzuordnen. Die Aérospatiale-Entscheidung führte zu einer weiteren Entwertung des HBÜ: US-amerikanische Gerichte wenden das Abkommen seither nur selten an – nicht nur, wenn im Ausland belegene Urkunden herbeigeschafft werden sollen.76 Folge hieraus ist einerseits, dass bei extraterritorialer Beweisbeschaffung in der Regel keine Überprüfung durch deutsche Justizorgane stattfinden kann, ob die amerikanische Beweisermittlung in unüberwindbarem Widerspruch zu deutschem oder europäischem Recht steht. Bei einem Verfahren nach dem HBÜ wäre dies – zumindest in gewissen Grenzen – möglich.77 Anderseits existiert mangels entsprechenden Ersuchens seitens der USA auch keine deutsche richterliche Anordnung, die eine Offenbarung ansonsten geheim zu haltender Informationen rechtfertigen könnte. 5. Technische Entwicklung. Aufgrund der technischen Entwicklung im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung haben bestimmte discoveryMaßnahmen, insbesondere die bisher als production of documents and things (FRCP Rule 34) bezeichnete Herausgabe von Beweisgegenständen __________ 74 Vgl. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987), 35; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 817. 75 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522 (June 15, 1987). 76 Vgl. z.B. Metso Minerals Inc. v. Powerscreen Intern. Distribution Ltd., 2007 WL 1875560 (E.D.N.Y. June 25, 2007). Eine Übersicht über Verfahren, in denen das HBÜ Anwendung fand, hat die Amerikanische Anwaltskammer zusammengestellt: American Bar Association – Selection of International Compendium of Reported Post-Aérospatiale Cases Citing the Hague Evidence Convention (o.J.). 77 Vgl. Artikel 11 HBÜ.
IV. Vorgehensweise
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eine neue Qualität erlangt.78 Nach Angaben des Advisory Committee on Civil Rules existieren in den USA 92 % aller neuen Informationen heute in digitaler Form, ca. 70 % werden nie ausgedruckt.79 Das Verfahren der pretrial discovery hat sich dementsprechend fast vollständig zur e-discovery entwickelt.80 Dass im Rahmen einer e-discovery durch US-amerikanische Anwälte mit Hilfe entsprechender Software der gesamte Datenbestand eines Unternehmens auf zur Substantiierung einer Klage dienliche Informationen geprüft wird, ist mit deutschen und europäischen Vorstellungen von Daten- und Geheimnisschutz schwerlich vereinbar.
IV. Vorgehensweise IV. Vorgehensweise
Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird das Dilemma zwischen Offenbarungspflichten nach US-Zivilprozessrecht und Offenbarungsverboten nach deutschem und, soweit es sich bei den deutschen Geheimhaltungspflichten um die Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben handelt, auch nach europäischem Recht aufgezeigt. In einem zweiten Teil wird untersucht, welche Maßnahmen die betroffenen Rechtssubjekte in den Vereinigten Staaten und in Deutschland ergreifen können, um die belastenden Folgen des Dilemmas abzumildern. Diesbezüglich bereits vorgebrachte Hinweise und Vorschläge werden geordnet und einer kritischen Würdigung zugeführt. Teil Zwei der Arbeit ist damit eine Handlungsanleitung für die Praxis. In einem dritten Teil wird der Versuch unternommen, das grundlegende Dilemma zwischen Offenbarungspflichten nach US-amerikanischem Recht und Offenbarungsverboten nach deutschem bzw. europäischem Recht zu lösen. Auch hier werden bisherige Lösungsvorschläge geordnet und diskutiert. Schließlich wird ein eigener Lösungsansatz erarbeitet.
__________ 78 Seit einer Gesetzesnovelle im Jahr 2006 ist von FRCP Rule 34 neben körperlichen Beweisgegenständen nunmehr ausdrücklich auch „Electronically Stored Information (ESI)“ vom Herausgabe- und Offenbarungsanspruch erfasst. 79 Zitiert nach: Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 4 Fn. 1; vgl. auch Bernd/ Aggeler/Teo, BB 2012, 173, 177; Caylor, Modernizing the Hague Evidence Convention, 28 Boston Univ. L.J. 341, 349 (2010); The Sedona Conference, Framework, 5. 80 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 4.
B. Das Dilemma zwischen Offenbarungspflichten nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht und Offenbarungsverboten nach deutschem und europäischem Recht B. Das grundlegende Dilemma
Zur Verdeutlichung des Dilemmas werden in einem ersten Schritt Inhalt, Umfang und Durchsetzung der Offenbarungspflichten in US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren mit Auslandsbezug dargestellt, wobei an geeigneter Stelle Vergleiche zum deutschen Recht gezogen werden (I). Sodann werden die konfligierenden Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht untersucht (II).
I. Inhalt, Umfang und Durchsetzung von Offenbarungspflichten in US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren mit Auslandsbezug I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
1. Überblick über das Verfahren der pre-trial discovery US-amerikanische Zivilgerichtsverfahren beginnen wie Verfahren in Deutschland mit Einreichung der Klage bei Gericht. FRCP Rule 3 bestimmt: „A civil action is commenced by filing a complaint with the court.“ Anders als im deutschen Zivilprozess jedoch, in dem der Kläger sein als bestimmten Antrag formuliertes Begehren bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit hinreichend substantiiertem Sachvortrag untermauern muss, vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,1 genügt es nach den FRCP, den Sachvortrag der Klage bei ihrer Erhebung (filing) zunächst sehr allgemein zu halten.2 Eine US-amerikanische Klageschrift besteht aus dem short and plain statement of the claim, d.h. einer knappen Andeutung des Sachverhalts und
__________ 1
„Die Klageschrift muss enthalten: […] die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.“ 2 Amtliche Formvorlagen für verschiedene Klagearten finden sich im Anhang der FRCP.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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dem Klageantrag, vgl. FRCP Rule 8 (a) (2).3 Aus den anfänglichen Schriftsätzen (pleadings)4 ist regelmäßig nicht ersichtlich, welcher Sachverhalt den erhobenen Ansprüchen zugunde liegt.5 Der vollständige Sachverhalt muss dem Richter und der Jury erst in der Hauptverhandlung (trial) vorgetragen und bewiesen werden. Die hierzu benötigte Informationsbeschaffung geschieht zwischen Klageergebung und Hauptverhandlung im Wege der pre-trial discovery.6 Sobald eine Person Kenntnis von einem bevorstehenden Rechtsstreit hat bzw. haben muss, trifft sie die Pflicht, alle potentiell für den Rechtsstreit relevanten Beweismittel – insbesondere Daten und Dokumente – vor Vernichtung bzw. Veränderung zu sichern (sog. freezing oder litigation hold).7 Die Pflicht entsteht schon dann, wenn die Gegenseite eine entsprechende Aufforderung (preservation letter) übersandt hat, spätestens aber ab Zustellung der Klage (service of process).8 Nach der Zustellung verpflichtet FRCP Rule 26 (f) die Parteien, sich so bald wie möglich zu einem ersten Besprechungstermin (pre-trial conference) zusammenzufinden, in dem der Streitstoff – insbesondere Art und Grundlage geltend gemachter Ansprüche und Einwendungen – diskutiert und der Ablauf der anschließenden discovery in einem sogenannten discovery plan grob festgelegt werden muss, vgl. FRCP Rule 26 (f) (3).9 Anders als der frühe erste Termin nach §§ 273, 275 ZPO findet die erste pretrial conference unter Ausschluss des Gerichts statt.10 Bereits zu diesem __________ 3 Paulus, Discovery, Deutsches Recht und das Haager Beweisübereinkommen, ZZP 104 (1991), 397, 399; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 382; Schack, Einführung in das USamerikanische Zivilprozessrecht, 40. 4 Pleadings sind nach FRCP Rule 7 (a) die Klage (complaint), die Klageerwiderung (answer) und bestimmte Repliken (replies), vgl. Freer, Civil Procedure, 3. Auflage (2012) 292 ff.; Friedman/Collins, Civil Procedure, 393 ff.; Junker, Discovery, 98 ff. 5 Hay, U.S.-Amerikanisches Recht, 2. Auflage (2002), Rn. 188; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaftung, 77 f.; Stürner, JZ 2006, 60, 62. 6 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn. 388 ff.; Brisch/Laue, RDV 2010, 1; Friedman/Collins, Civil Procedure, 499; Goldman/Hughes, Civil Litigation – Processs and Procedures (2009), 224 ff.; Hanloser, DuD 2008, 785; Hay, US-amerikanisches Recht, Rn. 183; Clark/Ansay, Introduction, 402 ff.; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 78; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 160 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 44 ff. 7 Klinger, Vernichtet oder verloren? Zum Einfluss der US-amerikanischen pre-trial discovery-Regeln auf die Obliegenheiten deutscher Unternehmen zur Aufbewahrung von Dokumenten und zur Sicherung elektronischer Daten, RIW 2007, 108, 110 f.; Wotherspoon/Cameron, Electronic Evidence and E-Discovery (2010), 35 ff. 8 Bayoil, S.A. v. Polembros Shipping Ltd., 196 F.R.D. 479 (S.D. Tex. October 11, 2000); Hanloser, DuD 2008, 785, 786; Klinger, Vernichtet oder verloren?, RIW 2007, 108, 110 f.; Rath/Klug, K&R 2008, 596. 9 Dessem, Pretrial Litigation in a Nutshell (1992), 315. 10 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 58 Fußnote 453.
16
B. Das grundlegende Dilemma
Zeitpunkt sollen die Parteien eruieren, inwieweit der Streit durch Vergleich (settlement) beigelegt werden kann, vgl. FRCP 26 (f) (2) Satz 1.11 Finden die Parteien im Rahmen der ersten pre-trial conference zu keiner Lösung des Konflikts, so sind sie nach FRCP Rule 26 (a) (1) (A) verpflichtet, der jeweils anderen Partei unaufgefordert verschiedene Informationen offenzulegen (initial disclosure), die für die Beweisermittlung der offenbarenden Partei (disclosing party) von Bedeutung sind bzw. werden können.12 Beispielsweise müssen Namen und, soweit bekannt, auch Anschriften und Telefonnummern von Personen, die wahrscheinlich über Wissen verfügen, welches für Zwecke der discovery von Belang ist, bekannt gegeben werden.13 Auch müssen Kopien von Urkunden, sonstigen Unterlagen und elektronisch gespeicherten Informationen, auf die sich die offenbarende Partei berufen will, der anderen Partei zur Verfügung gestellt werden. Entsprechendes gilt für Augenscheinsobjekte.14 Die Berechnung geltend gemachter Geldforderungen muss offengelegt,15 etwaig bestehende Versicherungsverträge, die eine gerichtlich festgestellte Zahlungspflicht decken würden, bekannt gegeben werden.16 Bis zu einer Reform der FRCP im Jahre 2000 galt die Pflicht zur unaufgeforderten Offenbarung im Rahmen der initial disclosure nicht nur für Informationen, die die Position der offenbarenden Partei stützen, sondern auch für ungünstige Tatsachen.17 Seither müssen die Parteien nur noch auf Nachfrage der anderen Partei im Verlauf der anschließenden eigentlichen discovery ungünstige Tatsachen offenbaren. Dabei trifft sie eine strenge Antwort- und Wahrheitspflicht.18 Auf der Grundlage der den Parteien ursprünglich bekannten sowie der durch die initial disclosure bekannt gewordenen Informationen erfolgt dann die Beweisermittlung im Wege der pre-trial discovery.
__________ 11
Später soll der Richter auf eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich hinwirken, vgl. FRCP 16 (a) (5), (c) (9). 12 Vgl. American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 11; Friedman/Collins, Civil Procedure, 538; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 283; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 176; die Pflicht zur gegenseitigen Offenbarung bestand im US-amerikanischen Verfahrensrecht nicht immer. Die Abkehr von dem Grundsatz nemo contra se edere tenetur erfolgte erst mit Inkrafttreten der FRCP im Jahre 1938, instruktiv hierzu: Schlosser, Der lange deutsche Weg in die prozessuale Moderne, JZ 1991, 599. 13 Vgl. FRCP 26 (a) (1) (A) (i). 14 Vgl. FRCP 26 (a) (1) (A) (ii). 15 Vgl. FRCP 26 (a) (1) (A) (iii). 16 Vgl. FRCP 26 (a) (1) (A) (iv). 17 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59. 18 Oakley/Amar, American Civil Procedure, 176; Junker, Discovery, 150 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
17
2. Umfang der pre-trial discovery Die pre-trial discovery beschränkt sich konzeptionell nicht darauf, die Untermauerung der Position der jeweiligen Partei durch Tatsachenermittlung zu ermöglichen. Vielmehr handelt es sich um ein Ausforschungsverfahren, das wechselseitige Kooperationspflichten statuiert und das es jeder Partei erlaubt, sich in den Kenntnisstand der Gegenseite zu versetzen.19 Ermittelt werden können insbesondere auch die Stärken und Schwächen des Prozessgegners. Die Offenbarungspflicht besteht in erster Linie zwischen den am Rechtsstreit beteiligten Parteien. Über FRCP Rule 34 (c) und 45 (subpoena) können aber auch Dritte zur Offenbarung von Informationen verpflichtet werden.20 Der grundsätzliche Umfang der discovery ergibt sich aus FRCP Rule 26 (b) (1) Satz 2: „Parties may obtain discovery regarding any nonprivileged matter that is relevant to any party’s claim or defense – including the existence, description, nature, custody, condition and location of any documents or other tangible things and the identity and location of persons who know of any discoverable matter.“
Grundsätzlich sind also alle Umstände vom Umfang der pre-trial discovery erfasst, die für den erhobenen Anspruch oder die Verteidigung gegen diesen relevant sind (a). Deutlich restriktiver, das soll in einem kurzen Exkurs dargestellt werden, sind hinsichtlich des Relevanzkriteriums die ALI/ UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure (b). Nach USamerikanischem Recht generell ausgeschlossen vom Umfang der Offenbarungspflicht sind nur bestimmte, besonders privilegierte Informationen (c). Es besteht allerdings die Möglichkeit, den Umfang der discovery wegen besonderer Belastung im Einzelfall durch gerichtliche Verfügung zu beschränken (d). a) Die Pflicht zur Offenbarung streitrelevanter Informationen Zwar wurde FRCP Rule 26 durch die FRCP-Reform im Jahre 2000 enger gefasst.21 Nach der alten Fassung von FRCP Rule 26 (b) (1) unterfielen noch alle Informationen der discovery, die für den Streitstoff insgesamt relevant sein konnten (vgl. FRCP 26 (b) (1) a.F.: „… any matter […] relevant to the subject matter involved in the pending action …“).22 __________ 19
Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 406; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 80. 20 American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 57 ff.; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 423 und 434; Junker, Discovery, 148 f. 21 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 405; Schack, Einführung in das USamerikanische Zivilprozessrecht, 45. 22 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 405; Dessem, Pretrial Litigation, 134 f.
18
B. Das grundlegende Dilemma
Die Beschränkung auf anspruchs- und verteidigungsrelevante Informationen diente vor allem dazu, missbräuchliche Ausforschungen (sog. fishing expeditions) einzudämmen.23 Gleichwohl wird der Umfang der Offenbarungspflicht durch die Reform nicht wesentlich beschränkt. Zum einen bestimmt nämlich FRCP Rule 26 (b) (1) Satz 3: „For good cause, the court may order discovery of any matter relevant to the subject matter involved in the action.“
Die durch den Gesetzgeber angeordnete Beschränkung auf angriffs- und verteidigungsrelevante Information kann also durch Gerichtsbeschluss auf den Stand vor der Reform zurückgesetzt werden, soweit hierfür ein sachlicher Grund („good cause“) vorliegt. Doch selbst wenn es das Gericht bei dem von Gesetzes wegen vorgesehenen Umfang der discovery belässt, so sind vom Offenbarungsanspruch nicht nur solche Informationen umfasst, die unmittelbar angriffs- oder verteidigungsrelevant sind. FRCP Rule 26 (b) (1) Satz 4 bestimmt: „Relevant information need not be admissible at the trial if the discovery appears reasonably calculated to lead to the discovery of admissible evidence.“
Das heißt, die Offenbarungspflicht erstreckt sich auch auf solche Informationen, die im trial selbst keinen zulässigen Beweisgegenstand bilden würden.24 Die verlangte Information muss nur vernünftigerweise geeignet erscheinen, zu verwertbarem Beweismaterial zu führen.25 Wie bereits einleitend erwähnt, steht hinter der extensiven Konzeption der pre-trial discovery die Vorstellung, eine umfassende Wahrheitsermittlung sorge für prozessuale und materielle Gerechtigkeit. Nach US-amerikanischem Verständnis bezweckt die discovery Waffengleichheit.26 Keine Partei soll Nutzen daraus ziehen können, dass sich Beweismittel, die der Gegenseite von Vorteil sein könnten, in ihrer Verfügungsmacht befinden.27 Zudem sollen durch eine umfassende Ausforschung des Sachverhalts Überraschungseffekte in der Hauptverhandlung vermieden werden.28 __________ 23
Zu den sog. fishing expeditions siehe auch: Junker, Discovery, 119 ff. Vgl. Seattle Times Co. v. Rhinehart, 467 U.S. 20, 28 (May 21, 1984); Glover v. South Carolina Law Enforcement Division, 170 F.3d 411 (U.S. Ct. App. 4 th Cir. March 9, 1999); Brisch/Laue, RDV 2010, 1; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Klinger, RIW 2007, 108. 25 Friedman/Collins, Civil Procedure, 501 f.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 171; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 45; Stiefel/ Petzinger, RIW 1983, 242, 244; Zekoll/Bolt, Die Pflicht zur Vorlage von Urkunden im Zivilprozess – Amerikanische Verhältnisse in Deutschland? NJW 2002, 3129, 3133. 26 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 406; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 171. 27 Böhm, a.a.O.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 45. 28 Vgl. Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495, 507 (January 13, 1947); Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 45 f.; Kohler in: Staudinger, Kommentar zum 24
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
19
Wegen ihrer auf Ausforschung und kooperative Sachverhaltsaufklärung gerichteten Grundkonzeption steht die pre-trial discovery im Gegensatz zum deutschen Konzept der Tatsachenermittlung. Zum einen muss sich eine Partei nach deutschem Zivilprozessrecht nur insoweit an der Sachverhaltsaufklärung beteiligen, wie sie die Beweislast trägt. Eine darüberhinausgehende Pflicht zur Beteiligung oder Kooperation besteht grundsätzlich nicht.29 Zum anderen sind nach deutschem Zivilprozessrecht Beweisanträge grundsätzlich unzulässig, die darauf gerichtet sind, durch die beantragte Beweisaufnahme Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die ihrerseits die Substantiierung des eigenen Vortrags bzw. die Benennung weiterer Beweismittel erst ermöglichen (sog. Ausforschungsbeweisantrag).30 An der grundsätzlichen Verschiedenheit der Prozesskonzepte ändert auch der Umstand nichts, dass das deutsche Recht verschiedene materiellrechtliche Auskunftsansprüche kennt.31 Denn all diese Ansprüche, die notfalls klageweise gerichtlich durchgesetzt werden müssen, erfordern eine spezifische, nach materiellem Recht bestehende Sonderrechtsverbindung zwischen dem Auskunftsberechtigten und dem zur Auskunftserteilung Verpflichteten.32 Das bloße Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses begründet keine Sonderrechtsverbindung in diesem Sinne. Allein die Tatsache, dass eine Person Informationen besitzt, die für einen anderen bedeutsam sind, genügt zur Anspruchsbegründung nicht.33 Im Übrigen ist Rechtsfolge eines bestehenden Auskunftsanspruchs regelmäßig lediglich die Pflicht zur Mitteilung über einzelne Tatsachen, die einen im Übrigen __________ Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Umwelthaftungsrecht (2010), Vorbemerkungen zu §§ 8–10 UmweltHG, Rn. 54. 29 BGH, Urteil vom 11.06.1990, II ZR 169/89, NJW 1990, 3151 ff.; Arens, Zur Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei im Zivilprozeß, ZZP 96 (1983), 1, 4; Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 284 Rn. 17; Arens, Zur Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei im Zivilprozeß, ZZP 96 (1983), 1, 4. 30 Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 284 Rn. 78; BGH Urteil vom 09.07.1974, VI ZR 112/73, NJW 1974, 1710. 31 Vgl. z.B. § 260 BGB (Auskunftsanspruch zu einer Mehrheit von Gegenständen), § 242 BGB (Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben), § 402 BGB (Auskunftsanspruch bei Abtretung), § 469 Abs. 1 BGB (Auskunftsanspruch bei Vorkaufsrecht), § 588 Abs. 4 und 574 Abs. 1 BGB (Auskunftsanspruch bei Miete), § 595 Abs. 4 Satz 2 BGB (Auskunftsanspruch bei Pacht), § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB (Auskunftsanspruch bei Kündigung eines Dienstvertrags), §§ 666, 675 Abs. 1 (Auskunftsanspruch bei Auftrag und entgeltlicher Geschäftsbesorgung), §§ 681 Abs. 2, 687 Abs. 2, 666 (Auskunftsanspruch bei Geschäftsführung ohne Auftrag); § 101 UrhG (Auskunftsanspruch bei Verletzung von nach dem UrhG geschützten Rechten); § 46 GeschmG (Auskunftsanspruch bei Verletzung eines Geschmacksmusters); § 140b PatG (Auskunftsanspruch bei Patentstreitigkeiten). 32 Krüger in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band II, 6. Auflage (2012), § 260 Rn. 13. 33 Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.
20
B. Das grundlegende Dilemma
weitgehend erwiesenen, jedenfalls aber schlüssig vorgetragenen Sachverhalt ergänzen können. Eine umfassende Offenbarung, die einen schlüssigen Sachverhalt erst herstellen soll, kann nicht verlangt werden. b) Exkurs: Die Offenbarungspflicht nach den ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure (2004) Einen Mittelweg zwischen dem US-amerikanischen Ansatz, der die weitreichende Ausforschung im Offenbarungsverlangen nicht näher spezifizierter Umstände erlaubt, und dem restriktiven deutschen bzw. kontinentaleuropäischen Ansatz, nach dem auf materiell-rechtlicher Grundlage nur unter bestimmten Voraussetzungen Auskünfte über einzelne Tatsachen verlangt werden können, verfolgen die ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure aus dem Jahre 2004. Wie bereits einleitend erwähnt,34 untersuchte das ALI in Zusammenarbeit mit dem UNIDROIT seit den 1990er Jahren einen Weg zur Überwindung grundlegender Rechtskonflikte, die aus der unterschiedlichen Verfahrenskonzeption in den USA und in Europa entstehen. Ergebnis dieser Forschungen sind die auf eine Harmonisierung nationaler Verfahrensvorschriften gerichteten ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure. Sie sind in keiner Weise rechtsverbindlich, sondern lediglich eine Handreichung für mögliche Harmonisierungsansätze. Nach den ALI/UNIDROIT Principles soll die als notice pleading bezeichnete Geltendmachung von Ansprüchen ohne jedwede Darlegung des Sachverhalts grundsätzlich unzulässig sein. Ziffer 11.3 Satz 1 der ALI/ UNIDROIT Principles bestimmt:35 „In the pleading phase, the parties must present in reasonable detail the relevant facts, their contentions of law, and the relief requested, and describe with sufficient specification the available evidence to be offered in support of their allegations.“
Satz 2 schränkt dann allerdings ein: „When a party shows good cause for inability to provide reasonable details of relevant facts or sufficient specification of evidence, the court should give due regard to the possibility that necessary facts and evidence will develop later in the course of the proceeding.“
Besteht also Aussicht darauf, dass erforderliche Tatsachen und Beweismittel im Laufe des Verfahrens zu Tage treten werden, soll ein Gericht die Offenbarung wegen mangelnder Spezifizierung des Offenbarungsverlangens nicht ablehnen. Hinsichtlich des Relevanzkriteriums führt Ziffer 16.2 der ALI/UNIDROIT Principles aus: __________ 34 35
Vgl. oben, A.II. Comment P-11B Principle 11.3 Unif. L.Rev. 2004-4, 786, 788.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
21
„Upon timely request of a party, the court should order disclosure of relevant, nonprivileged and reasonably identified evidence in the possession or control of another party or, if necessary and on just terms, of a nonparty. It is not a basis of objection to such disclosure that evidence may be adverse to the party or person making disclosure.“
Dabei wird das Merkmal relevant restriktiv verstanden:36 „‚Relevant‘ evidence is probative material that supports, contradicts, or weakens a contention of fact at issue in the proceeding.“
Anders als nach FRCP Rule 26 (b) (1) Satz 2 sind vom Offenbarungsanspruch nach den ALI/UNIDROIT Principles von vorneherein nur unmittelbar angriffs- und verteidigungsrelevante Informationen umfasst. Dadurch sollen missbräuchliche und übermäßige Ausforschungen des Gegners verhindert werden:37 „A party should not be permitted to conduct a so-called ‚fishing expedition‘ to develop a case for which it has no support […].“
US-amerikanische Gerichte aller Instanzen sind gegenüber den Analysen und Vorschlägen des ALI grundsätzlich offen. Zahlreiche Urteile beziehen sich ausdrücklich auf die vom ALI für verschiedene Rechtsgebiete herausgegebenen Restatements of the Law und lassen sie so zu geltendem Fallrecht werden.38 Die ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure haben indes – soweit ersichtlich – bislang noch nicht Eingang in die US-amerikanische Rechtsprechung gefunden. Und wenngleich selbst in der US-amerikanischen Literatur teilweise gefordert wird, bei transnationalen Gerichtsverfahren, die eine Beweisermittlung im Ausland erfordern, einen restriktiven Maßstab bezüglich des Relevanzkriteriums anzulegen,39 so richten sich Inhalt und Umfang des Offenbarungsanspruchs bis heute doch weiterhin ausschließlich nach den FRCP. c) Die Pflicht zur Offenbarung nicht-privilegierter Informationen Die Offenbarungspflicht nach den FRCP ist zwar weitreichend, schrankenlos ist sie nicht. In bestimmten Konstellationen wiegt auch nach US-amerikanischer Vorstellung der Geheimnisschutz schwerer als das Interesse an einer umfassenden Wahrheitsermittlung. So gelten in der US-amerikanischen Rechtsprechung eine Reihe von Informationen als „privilegiert“ und __________ 36
Comment P-16A Satz 1, Unif. L.Rev. 2004-4, 786, 788. Comment P-16A Satz 2, Unif. L.Rev. 2004-4, 786, 788. 38 Vgl. z.B. M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Company 407 U.S. 1 (June 12, 1972); United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2 nd Cir. June 26, 1968); Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522 (June 15, 1987). 39 Vgl. Brewer, Obtaining Discovery Abroad, 22 Hous. J.Int. L. 525, 537 (1999– 2000). 37
22
B. Das grundlegende Dilemma
sind durch die Gewährung von Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechten (privileges) vom generellen Umfang der pre-trial discovery ausgenommen.40 Im Vergleich zum deutschen Zivilprozessrecht, welches Weigerungsrechte ausdrücklich und umfassend regelt, vgl. §§ 383 ZPO ff., bestehen nach US-amerikanischem Recht jedoch nur äußerst wenige allgemein anerkannte, nachfolgend dargestellte Weigerungsrechte.41 Hinter den im deutschen Zivilprozessrecht anerkannten Weigerungsrechten bleiben sie weit zurück.42 In jedem Fall kann sich eine ausländische Partei nur auf solche Weigerungsrechte berufen, die vom US-amerikanischen Recht selbst anerkannt werden, nicht aber auf solche ihres Heimatlandes.43 Direkt aus dem fünften Zusatzartikel (Fifth Amendment) der Verfassung der Vereinigten Staaten folgt das Recht jeder Partei und jedes Zeugen, die Offenbarung von Informationen zu verweigern, die ihn oder sie in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung bringen würde (privilege against selfincrimination).44 Wenngleich die Gewährung des verfassungsmäßigen Weigerungsrechts vor Strafverfolgung schützt, so ist eine Berufung hierauf im Zivilprozess jedoch mit prozessualen Risiken verbunden, denn das privilege against self-incrimination schützt nicht davor, dass in einem Zivilprozess aus dem Schweigen negative Schlüsse gezogen werden können.45 Dem Schutz vor Offenbarung von Diplomaten-, Militär- und Amtsgeheimnisse dient das executive privilege.46 Informationen, die in seinen __________ 40 Vgl. Dessem, Pretrial Litigation, 137 ff.; Freer, Civil Procedure, 381 ff.; Friedman/ Collins, Civil Procedure, 509 ff.; Junker, Disovery, 124 ff.; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 83; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 228 ff.; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 400. 41 Junker, Discovery, 126 f.; Lowenfeld, Discovery-Verfahren und internationale Rechtshilfe, IPRax 1984, 51; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 288; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50; McCaffrey/Main, Transnational Litigation, 436; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244. 42 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 55; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 388. 43 Ghana Supply Commission v. New England Power Co., 83 F.R.D. 586 (D. Mass. September 7, 1979); Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 458; Bosch, IPRax 1984, 127. 44 In re Folding Carton Antitrust Litigation, 609 F.2d 867 (U.S. Ct. App. 7 th Cir. July 12, 1979); Gordon v. Federal Deposit Ins. Corp., 427 F.2d 578, 580 (U.S. Ct. App. D.C. Cir., March 30, 1970); Hoffmann v. United States, 341 U.S. 479, 486, 487 (May 28, 1941); In re Keller Financial Services, 259 B.R. 391, 399 (U.S. Bankr. Ct. M.D. Fla. February 18, 2000); Junker, Discovery, 126 f.; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244. 45 Baxter v. Palmigiano, 425 U.S. 308, 318 (April 20, 1976); Junker, Discovery, 127 f.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50. 46 United States v. Reynolds, 345 U.S. 1, 6 (March 9, 1953); Environment Protection Agency v. Mink, 410 U.S. 73, 81 (January 22, 1973); Chicago & Southern Airline v. Waterman Steamship Lines, 333 U.S. 103, 111 (February 9, 1948).
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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Schutzbereich fallen, sind unter bestimmten Umständen von der pre-trial discovery nicht erfasst. Allerdings gewährt das executive privilege kein absolutes Weigerungsrecht. Stets kommt es auf eine Abwägung im Einzelfall an, ob das Interesse an der Geheimhaltung oder an der Wahrheitsermittlung überwiegt.47 Für deutsche, in den USA verklagte Unternehmen kommt das executive privilege aber ohnehin kaum in Betracht, jedenfalls ist kein Fall bekannt, in dem sich eine deutsche Partei im Rahmen einer pre-trial discovery auf dieses berufen hat, um der Offenbarungspflicht zu entgehen. Im Übrigen lassen sich die allgemein anerkannten Weigerungsrechte in solche einteilen, die dem Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse dienen (1), und solche, die die adversatorische Konzeption der Beweisermittlung schützen sollen (2).48 (1) Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse Das attorney-client privilege gewährleistet im Interesse des Mandanten die Vertraulichkeit der Beziehung zu seinem Anwalt.49 Das clergyman privilege bzw. das religious guidance privilege schützt das christliche Beichtgeheimnis sowie vergleichbare Geheimnisse anderer Religionen.50 Das doctor-patient privilege schützt die Vertraulichkeit von Informationen, von denen ein Arzt im Rahmen der Heilbehandlung von seinem Patienten Kenntnis erlangt hat.51 Entsprechendes gilt Kraft psychotherapist-patient privilege für den Informationsaustausch im Rahmen einer Psychothera-
__________ 47
Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 453. Vgl. Clark/Ansay, Introduction, 402 f.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50. 49 Vgl. Upjohn Company v. U.S., 449 U.S. 383, 389 (January 13, 1981); American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 97 ff.; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 81 ff. und 459; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Junker, Discovery, 124 ff.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 229; Schack, Einführung in das USamerikanische Zivilprozessrecht, 50; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244; Eingehend: Walkowiak, The attorney-client privilege in civil litigation: protecting and defending confidentiality (2008). 50 Vgl. In re Grand Jury Investigation, 918 F.2d 374, 384 (U.S. Ct. App. 3 rd Cir. October 29, 1990); Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 459; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 231. 51 Vgl. Patterson v. Caterpillar, Inc. 70 F.3d 503, 506, 507 (U.S. Ct. App. 7 th Cir. November 21, 1995); United States ex rel Edney v. Smith, 425 F.Supp. 1038, 1040 (E.D.N.Y. November 24, 1976); Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 233; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244. 48
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B. Das grundlegende Dilemma
pie.52 Das spouse privilege schließlich dient dem Schutz des ehelichen Vertrauensbundes.53 Anders als in der deutschen Rechtsordnung54 begründet die Geschäftsbeziehung einer Bank zu ihren Kunden nach US-amerikanischer Vorstellung hingegen kein besonderes Vertrauensverhältnis, das den Umfang der discovery zu beschränken vermag.55 So urteilte der Supreme Court in U.S. v. Miller aus dem Jahre 1976, dass kein legitimes Vertrauen des Bankkunden und demgemäß auch kein Recht auf Schutz der Vertraulichkeit von Bankunterlagen bestehe.56 Und der District Court für den District Maryland entschied im Jahre 1980 in Clayton Brokerage Co. Inc. of St. Louis v. Clement, dass eine Bank einem Offenbarungsverlangen nachkommen müsse, denn anerkannte Rechte zum Schutz der Privatsphäre der Kunden würden hierdurch nicht verletzt.57
(2) Schutz der adversatorischen Beweisbeschaffung Nicht dem Schutz des anwaltlichen Vertrauensverhältnisses, sondern dem fairen Ablauf der adversatorischen Beweisbeschaffung dient die attorney work product doctrine.58 Entwickelt wurde sie vom US Supreme Court in
__________ 52
Vgl. Jaffee v. Redmond, 518 U.S. 1 (June 13, 1996); Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 233; Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 244. 53 Vgl. In re Carmean 153 B.R. 985 (U.S. Bankr. Ct. S.D.Ohio March 15, 1993); Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 459; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 227; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 232. 54 Vgl. hierzu ausführlich unten B.II.3. 55 Jerkins, The U.S. Judicial Approach to Foreign State Bank Secrecy Rules in Civil Anti-Terror Litigation, Offshore Investment (June 2009), 14; Schütze, Zur Verteidigung im Beweiserhebungsverfahren in US-amerikanischen Zivilprozessen, WM 1986, 633, 634; Stiefel/Petzinger, Deutsche Parallelprozesse zur Abwehr amerikanischer Beweiserhebungsverfahren?, RIW 1983, 242, 245. 56 United States v. Miller 425 U.S. 435 (April 21, 1976): „There is no legitimate ‘expectation of privacy’ in the contents of the original checks and deposit slips, since the checks are not confidential communications but negotiable instruments to be used in commercial transactions, and all the documents obtained contain only information voluntarily conveyed to the banks and exposed to their employees in the ordinary course of business. The Fourth Amendment does not prohibit the obtaining of information revealed to a third party and conveyed by him to Government authorities.“ 57 Clayton Brokerage Co., Inc. of St. Louis v. Clement, 87 F.R.D. 569 (D.C. Md. June 2, 1980). 58 American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 112; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 461 ff.; Clark/Ansay, Introduction, 403; Dessem, Pretrial Litigation, 140. Freer, Civil Procedure, 384 ff.; Friedman/Collins, Civil Procedure, 514; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 228 f.; Junker, Discovery, 130 ff.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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der Entscheidung Hickman v. Taylor aus dem Jahre 1947.59 Seit 1970 findet sie sich in FRCP Rule 26 (b) (3) (A) wieder, welche in Satz 1 normiert: „Ordinarily, a party may not discover documents and tangible things that are prepared in anticipation of litigation or for trial by or for another party or its representative (including the other party’s attorney, consultant, surety, indemnitor, insurer, or agent).“
Nach der attorney work product doctrine sind also Unterlagen und sonstiges Material, welches Parteien und ihre Vertreter im Hinblick auf die Vorbereitung des laufenden Prozesses zusammengestellt haben, vom Umfang der pre-trial discovery ausgeschlossen.60 Grundsätzlich soll keiner der Streitbeteiligten davon profitieren, dass die Gegenseite schneller oder gründlicher gearbeitet hat und aus diesem Grunde im Besitz besserer oder umfassenderer Informationen ist. Allerdings bestimmt FRCP Rule 26 (b) (3) (A) Satz 2: „[…] those materials may be discovered if […] they are otherwise discoverable under Rule 26 (b) (1) and if the party shows that it has substantial need for the materials to prepare its case and cannot, without undue hardship, obtain their substantial equivalent by other means.“
Als Ausnahme vom dem Grundsatz, dass keine Partei von der Tüchtigkeit der Gegenseite profitieren können soll, ist eine discovery auch hinsichtlich der unter die attorney work product doctrine fallenden Informationen zulässig, wenn es sich um Informationen handelt, die nach FRCP Rule 26 (b) (1) in den grundsätzlichen Bereich der discovery fallen, sie für die Prozessvorbereitung einer Partei unerlässlich sind und die Informationen nicht oder nicht in zumutbarer Weise auf anderem Wege erlangt werden können.61 Auch an dieser Stelle wird deutlich, welchen Stellenwert im USamerikanischen Zivilprozessrecht die umfassende Ermittlung der Wahrheit und die Vermeidung von Überraschungen im trial haben. d) Schutz vor unverhältnismäßiger Belastung im Einzelfall Sind die verlangten Informationen vom grundsätzlichen Umfang der discovery nach FRCP Rule 26 (b) (1) erfasst, weil keines der dargestellten privileges eingreift, so kann die dem Grunde nach zur Offenbarung verpflichtete Person die Preisgabe gegebenenfalls noch dadurch vermeiden, dass sie beim Gericht um den Erlass einer entsprechenden Schutzverfügung (pro-
__________ 59
Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495 (January 13, 1947). Vgl. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 461; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50. 61 Vgl. Böhm, Amerikanisches Zivil prozessrecht, Rn. 463; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 50. 60
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B. Das grundlegende Dilemma
tective order) nach FRCP Rule 26 (c) ersucht.62 FRCP 26 (c) (1) Satz 3 bestimmt: „The court may, for good cause, issue an order to protect a party or person from annoyance, embarrassment, oppression, or undue burden or expense […].“
Drohen einer Partei durch das Offenbarungsverlangen also erhebliche Belastungen, so kann das Gericht auf Antrag der Beweisperson den Umfang der discovery nach freiem Ermessen beschränken. Es kann insbesondere die discovery ganz oder teilweise untersagen, eine andere als die durch eine Partei gewählte Methode der discovery bestimmen, anordnen, dass bei der discovery nur bestimmte Personen anwesend sind und offenbarte Informationen versiegelt zunächst dem Gericht und erst nach seiner Prüfung der die discovery betreibenden Partei zugeleitet werden.63 Voraussetzung für den Erlass einer protective order ist allerdings stets, auch hier kommt die adversatorische Verfahrenskonzeption deutlich zum Ausdruck, dass die Parteien zunächst ernsthaft aber erfolglos versucht haben, den Konflikt über den Umfang der discovery ohne Einschaltung des Gerichts zu lösen.64 Ist der Antrag (motion) erfolgreich, so ordnet das Gericht die Beschränkung der discovery an. Anderenfalls ergeht ein Erzwingungsbeschluss (order compelling discovery), der die Beweisperson zur Offenbarung der begehrten Informationen verpflichtet.65 Nach Erlass eines Erzwingungsbeschlusses besteht für die unterliegende Partei noch die Möglichkeit, das Gericht durch einen entsprechenden Antrag (motion for reconsideration oder motion to reconsider) dazu zu bewegen, seine Rechtsansicht zu ändern. Erfolgreich ist ein derartiger Antrag aber selten und regelmäßig nur dann, wenn sich nach Erlass des Erzwingungsbeschlusses die Sach- oder Rechtslage erheblich verändert hat.
__________ 62
Vgl. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 467; Dessem, Pretrial Litigation, 240 ff.; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems and their solutions (2005), 250; Freer, Civil Procedure, 392 ff.; Friedman/Collins, Civil Procedure, 532; Junker, Discovery, 136 ff.; Kersting, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im Zivilprozess (1995), 178 ff.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 172; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 387; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 49; Schütze, WM 1986, 633, 636. 63 Vgl. den nicht abschließenden Maßnahmenkatalog in FRCP Rule 26 (c) (1) Satz 3 (A) bis (H). 64 Vgl. FRCP Rule 26 (c) (1) Satz 2: „The motion must include a certification that the movant has in good faith conferred or attempted to confer with other affected parties in an effort to resolve the dispute without court action.“ 65 Vgl. FRCP Rule 26 (c) (2): „If a motion for a protective order is wholly or partly denied, the court may, on just terms, order that any party or person provide or permit discovery.“
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
27
Durch einen Antrag auf Erlass einer Schutzverfügung nach FRCP Rule 26 (c) kann eine offenbarungspflichtige ausländische Partei, z.B. ein deutsches Unternehmen, u.a. geltend machen, dass die verlangte Offenbarung deshalb eine unverhältnismäßige Belastung (undue burden) darstellt, weil sie zu einem Verstoß gegen das Recht ihres Herkunftslandes zwingt.66 Für den in dieser Arbeit behandelten Bereich des persönlichkeitsrechtlichen Geheimnisschutzes werden die genauen Voraussetzung und Erfolgsaussichten eines Antrags auf Erlass einer protective order in Teil C der Arbeit eingehend dargestellt.67
3. Die Methoden der pre-trial discovery Zur Durchsetzung des Offenbarungsanspruchs stehen den Parteien verschiedene Methoden der discovery zur Verfügung, die sich in FRCP Rule 27 bis 36 finden. Dabei steht es grundsätzlich im freien Ermessen der die pre-trial discovery betreibenden Partei, mittels welcher Methoden sie den Sachverhalt ermittelt.68 Erweist sich eine bestimmte Methode der discovery gegenüber der betroffenen Person (Partei oder Dritter) als zu belastend, kann bei Gericht eine protective order beantragt werden, die bestimmte Methoden der discovery ganz oder teilweise ausschließt.69 a) Schriftliche Fragen und Antworten (interrogatories) Zunächst wird der in den pleadings nur grob umrissene Sachverhalt über den Austausch schriftlicher Fragen und Antworten (interrogatories) konkretisiert.70 Die Zahl der Fragen ist dabei grundsätzlich auf maximal 25 beschränkt, kann aber aufgrund eines Gerichtsbeschlusses auch weit dar__________ 66
Vgl. z.B. Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197 (June 16, 1958); United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968); In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138 (N.D. Illinois, November 7, 1979); Salerno v. Lecia, Inc., 97-CV-973S (H), 1999 WL 299306 (W.D.N.Y. March 23, 1999); Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010). 67 Siehe C.II.2. (Reaktiv-konfrontative Maßnahmen). 68 Vgl. Martin v. Reynolds Metals Corp., 297 F2d 49 (U.S. Ct. App. 9 th Cir. November 2, 1961). 69 Vgl. FRCP Rule 26 (c) (1) (C); Isbrandsten v. Moller 7 F.R.D. 188 (S.D.N.Y. April 18, 1947). 70 Vgl. FRCP Rule 33; American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 45 ff.; Dessem, Pretrial Litigation, 157 ff.; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 13 ff.; Freer, Civil Procedure, 371; Friedman/Collins, Civil Procedure, 542 f.; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 231; Junker, Discovery, 175 ff.; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 85; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 174; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 386.
28
B. Das grundlegende Dilemma
über hinausgehen.71 Die ersuchte Partei hat die Fragen binnen 30 Tagen zu beantworten oder binnen derselben Frist einen Einspruch (objection) zu erheben, in dem die Gründe aufgeführt werden.72 b) Austausch von Urkunden, elektronischen Datensätzen und Augenscheinsobjekten (production of documents, electronically stored information and things) Auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse folgt meist ein sehr umfassender Austausch von Urkunden, elektronischen Datensätzen und Augenscheinsobjekten (production of documents, electronically stored information and things).73 Die Pflicht zur Offenbarung und Herausgabe erstreckt sich dabei nicht nur auf solche Gegenstände, auf die sich eine Partei bezogen hat, sondern gerade auch auf solche, von der die auffordernde Partei noch keine Kenntnis hat. So kann grundsätzlich auch die Offenbarung vollständiger, unternehmensintern dokumentierter Arbeitsund Kommunikationsvorgänge verlangt werden.74 Damit geht der Austausch von documents, electronically stored information and things weit über das hinaus, was nach § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO im deutschen Zivilprozess möglich ist.75 Nach dieser Vorschrift kann ein deutsches Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Anders als bei der discovery ist bei § 142 ZPO aber Kenntnis über Inhalt bzw. Existenz der vorzulegenden Dokumente erforderlich.76 Um eine Vorlageanordnung nach § 142 ZPO zu erwirken, bedarf es eines substantiierten Parteivortrags.77 § 142 ZPO kann
__________ 71
Vgl. FRCP Rule 33 (a) (1). Vgl. FRCP Rule 33 (b) (2). 73 Vgl. FRCP Rule 34; American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 40 ff.; Dessem, Pretrial Litigation, 218 ff.; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 39 ff.; Freer, Civil Procedure, 372 ff.; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 231 f.; Junker, Discovery, 165 ff.; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 85f.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 174; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 385. 74 Vgl. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 426. 75 Zum Vergleich der pre-trial discovery mit § 142 ZPO: Lüpke/Müller, „Pre-trial Discovery of Documents“ und § 142 ZPO – ein trojanisches Pferd im neuen Zivil prozessrecht?, NZI 2002, 588; allgemein zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland: Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, in: Festschrift Schlosser (2005), 147 ff. 76 Lüpke/Müller, NZI 2002, 588, 589. 77 BT-Drs. 14/6036 vom 15.05.2001, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), 121; Lüpke/Müller, NZI 2002, 588, 589. 72
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
29
daher nicht dazu verwendet werden, den Gegner auszuforschen und eine unkonkrete Klage erst schlüssig zu machen.78 Auch der auf Vorgaben der sog. Enforcement-Richtline79 beruhende und für deutsche Verhältnisse vergleichsweise weit gehende Anspruch auf Vorlage und Besichtigung nach § 101a UrhG bleibt hinter dem zurück, was im Rahmen einer discovery of documents möglich ist. Nach § 101a Abs. 1 Satz 1 UrhG kann, wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, vom Verletzten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache in Anspruch genommen werden, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, wenn dies zur Begründung der Ansprüche erforderlich ist. Nach Satz 2 erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung besteht. Der bereichsspezifische Anspruch nach § 101a UrhG, der Urheberrechtsberechtigte hinsichtlich der Verfolgung ihrer Rechte über sonstige Anspruchsberechtigte stellt, ist insgesamt restriktiv auszulegen.80 Die einschränkende Voraussetzung der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ einer Rechtsverletzung trägt bereits auf Tatbestandsebene dem Umstand Rechnung, dass einerseits die Rechtsverletzung noch nicht nachgewiesen werden kann, anderseits der Anspruch nicht bei jedwedem Verdacht gewährt werden kann.81 Die Verhältnismäßigkeit muss in jedem Einzelfall besonders geprüft werden. Aus dem Merkmal „erforderlich“ folgt, dass die Vorlage bzw. Besichtigung nur als ultima ratio gewährt werden soll, wenn __________ 78
BT-Drs. 14/6036 vom 15.05.2001, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), 120 stellt klar: „Insbesondere ist die Befürchtung, die geplanten Neuregelungen näherten den deutschen Zivilprozess an das Leitbild des US-amerikanischen ,discovery-Verfahrens‘ an, nicht begründet: Die neuen Vorschriften verleihen ebenso wenig wie das geltende Recht die Befugnis, schutzwürdige Geheimbereiche von Verfahrensbeteiligten auszuforschen.“; vgl. auch Trittmann/Leitzen, Haager Beweisübereinkommen und pre-trial discovery, Die zivilprozessuale Sachverhaltsermittlung unter Berücksichtigung der jeweiligen Zivilprozessreformen im Verhältnis zwischen den USA und Deutschland, IPRax 2003, 7, 11. 79 Vgl. Artikel 6 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. EU v. 02.06.2004, Nr. L 195 S. 16). 80 Ohst in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage (2009), §101a Rn. 4; Peukert/Kur, Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbsund Steuerrecht zur Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in deutsches Recht, GRUR Int. 2006, 292, 297f. 81 BT-Drs. 16/5048 vom 20.04.2007, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, 40; Ohst in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, §101a Rn. 10; zum erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit vgl.: v. Hartz, Beweissicherungsmöglichkeiten im Urheberrecht nach der Enforcement-Richtlinie im deutschen Recht, ZUM 2005, 376, 378.
30
B. Das grundlegende Dilemma
dem Anspruchsinhaber keine anderen Möglichkeiten zum Nachweis der Verletzung zur Verfügung stehen.82 Auch geht der Anspruch – anders als die pre-trial discovery – nicht so weit, dass der Verletzte im Rahmen einer Durchsuchung von Geschäftsräumen einfach die Beweismittel sicherstellen bzw. mit der Durchsuchung erst feststellen lassen kann, ob sich der Anspruchsgegner überhaupt im Besitz der gesuchten Sache befindet. Vielmehr muss er nach h.M. die sicherzustellenden Unterlagen in seinem Antrag genau bezeichnen.83 Hinsichtlich der Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen muss es sich zudem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit um eine Rechtsverletzung „gewerblichen Ausmaßes“ handeln. Das gewerbliche Ausmaß erfordert eine gewisse Nachhaltigkeit der Rechtsverletzung, die zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils geschehen muss. Dies schließt in der Regel Handlungen aus, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden.84 Nach alledem kommt der Vorlage- und Besichtigungsanspruch nach § 101a UrhG, der sogar im Wege einer einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 ZPO durchsetzt werden kann,85 der US-amerikanischen pre-trial discovery of documents and things zwar in verschiedener Hinsicht nahe. Allerdings ist der Anspruch von vielen einschränkenden Voraussetzungen abhängig, sodass von einer deutschen discovery nicht die Rede sein kann. Auf der Grundlage von FRCP Rule 34 wird auch die in der Praxis besonders bedeutende e-discovery durchgeführt.86 Wie bereits eingangs erwähnt, existieren in den USA 92 % aller neuen Informationen in digitaler Form.87 Informationsaustausch via E-Mail ersetzt heute häufig die verbale Kommunikation. Unternehmensinterne Arbeitsaufträge und Ergebnisse werden regelmäßig nicht mehr mündlich, sondern per E-Mail von einem zum anderen Mitarbeiter übermittelt. Wird der interne E-Mail-Verkehr nicht von __________ 82
Ohst in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, §101a Rn. 4 und 16. BT-Drs. 16/5048 vom 20.04.2007, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, 28; BGH Urteil vom 13.11.2003, I ZR 187/01, GRUR 2004, 420, 421; Ohst in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, §101a Rn. 15; a.A.: Haedicke in: Festschrift für Gerhard Schricker (2005), 19, 21, 25 allerdings einschränkend dahingehend, dass der Anspruch nach § 101a nicht so weit gehen dürfe, dass das Verfahren der US-amerikanischen pre-trial discovery gleich komme. 84 Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. EU v. 02.06.2004, Nr. L 195 S. 16). 85 Vgl. § 101a Abs. 3 UrhG und v. Hartz, ZUM 2005, 376, 380. 86 Vgl. American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 75 ff.; Fax/Grimm/ Sandler, Discovery problems, 44 ff.; Friedman/Collins, Civil Procedure, 534 ff. 87 Vgl. American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 75; Artikel-29Datenschutzgruppe, WP 158, 4 Fn. 1; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 175. 83
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
31
vornherein eingedämmt und erfolgt insbesondere auch keine regelmäßige Löschung alter, nicht mehr benötigter Nachrichten und Dateien, so findet sich auf den Unternehmensservern eine schier unendliche Menge potentieller Beweismittel. Die Erfindung der E-Mail wird in den USA daher sarkastisch auch als das Beste bezeichnet, was klägerischen Anwälten passieren konnte.88 Dabei sind für einen Kläger nicht nur die häufig minutiös dokumentierten offiziellen Geschäftsvorgänge von Interesse. Auch unüberlegte Randbemerkungen in internen Nachrichten können für den die e-discovery betreibenden Kläger von größtem Wert sein.89 Beiläufige Kommentare in E-Mails wurden im Jahre 2002 dem Investmentbanking- und Finanzberatungsunternehmen Merill Lynch zum Verhängnis.90 Während das Unternehmen im Jahre 2000 gegenüber Kunden positive Unternehmensbewertungen und Kaufempfehlungen herausgab, fanden sich im unternehmensinternen Mailverkehr desselben Zeitraums Bemerkungen angestellter Analysten, die die empfohlenen Unternehmen als „piece of crap“ und „POS“ (= piece of shit, Anm. d. Verf.) bezeichneten.91 Unter anderem dieser Umstand führte zu einem Vergleich, in dem sich das Unternehmen schließlich zur Zahlung von über 100 Mio. USD verpflichtete. Vom Umfang der e-discovery ist aber nicht nur der jeweils an den Endnutzer übermittelte sichtbare Inhalt einer elektronischen Datei erfasst, sondern auch alle sog. Metadaten, d.h. Informationen über die Datei selbst.92 Diese geben z.B. Auskunft darüber, wann und von wem eine Datei erstellt wurde sowie ob, von wem und in welcher Weise sie nachträglich verändert wurde.93 Auch diese Daten können für den Kläger wert- und für einen Beklagten verhängnisvolle Hinweise hinsichtlich eines klageweise geltend gemachten Anspruchs enthalten. c) Vernehmungen (depositions) Aufbauend auf dem, was die Parteien mittels der dargestellten Methoden der discovery in Erfahrung bringen konnten, finden in der Regel protokol__________ 88
Vgl. American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 76; Klinger, RIW 2007, 108, 112. 89 American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 76. 90 Vgl. Klinger, RIW 2007, 108, 112. 91 Vgl. Spiegel-Online vom 11.04.2002, „Piece of Shit“ zum Verkauf angeboten, a brufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 92 Vgl. Bernd/Aggeler/Teo, BB 2012, 173, 174; Brisch/Laue, RDV 2010, 1, 2; Fax/ Grimm/Sandler, Discovery problems, 45; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 254; Klinger, RIW 2007, 108, 109; Rath/Klug, K&R 2008, 596. 93 Vgl. auch: Junker, Electronic Discovery, 19 Rn. 7 f.
32
B. Das grundlegende Dilemma
lierte Vernehmungen (depositions) des Gegners und Dritter statt.94 Die Befragung kann mündlich95 oder schriftlich96 erfolgen. Dabei trifft die Beweisperson eine Pflicht, zu den Vernehmungen zu erscheinen, die auch gerichtlich erzwungen werden kann.97 Jede mündliche Vernehmung ist grundsätzlich auf einen Tag von sieben Stunden begrenzt, kann aber aufgrund Parteivereinbarung oder Gerichtsbeschluss entsprechend länger ausfallen.98 Anwesend sind regelmäßig die Parteien, deren Prozessvertreter und ein court reporter, der den Eid des Vernommenen abnimmt und das Protokoll führt.99 Die depositions bezwecken zum einen die Vorbereitung der Hauptverhandlung. Erneut gilt es, Stärken und Schwächen des Gegners zu eruieren und Überraschungen in der Hauptverhandlung zu vermeiden.100 Durch die Erstellung eines Wortprotokolls der mündlichen Vernehmung (vgl. FRCP Rule 30 (c) (1)) findet eine Beweissicherung statt, die es zudem erlaubt, die vernommene Person, vor allem wenn sie im Lager des Gegners steht, auf ihre Aussage festzulegen.101 Weicht die vernommene Person im Rahmen des trial von ihrer Aussage ab, so kann dies dazu verwendet werden, ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen (impeachment evidence).102 Aufgrund der Anwesenheit aller Anwälte und der damit erforderlichen Reise- und Unterkunftsaufwendungen gelten depositions als besonders kostspielige Methode der discovery.103
__________ 94 Vgl. FRCP Rule 30 und 31; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 437 ff.; Dessem, Pretrial Litigation, 179 ff.; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 83 ff.; Freer, Civil Procedure, 368 f.; Friedman/Collins, Civil Procedure, 540 f.; Goldman/ Hughes, Civil Litigation, 231; Junker, Discovery, 149 ff.; Mix, Depositions in Federal Court Cases (2010); Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 84; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 173; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 385; Den praktischen A blauf einer deposition als Experte für ausländisches Recht schildert Göpfert, How to Survive: Eine Deposition als German Law Expert, in: Festschrift Schlosser (2005), 215 ff. 95 Vgl. FRCP Rule 30. 96 Vgl. FRCP Rule 31. 97 Vgl. FRCP Rule 30 (a) (1). 98 Vgl. FRCP Rule 30 (d) und Mix, Depositions in Federal Courts, 4, 5. 99 Vgl. FRCP Rule 30 (b) (5); Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 117; Mix, Depositions in Federal Court Cases, 5 f.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 48. 100 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 437; Schack, Einführung in das USamerikanische Zivilprozessrecht, 47. 101 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 437; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 156. 102 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 446; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 163; Mix, Deposition in Federal Court Cases, 12; Junker, Discovery, 121; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 384. 103 Freer, Civil Procedure, 369.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
33
d) Sonstige Methoden der pre-trial discovery Die übrigen Methoden der discovery sind für den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung nur von untergeordneter Bedeutung. Erwähnung sollen sie der Vollständigkeit halber dennoch finden. Nach FRCP Rule 35 können die Parteien die Durchführung ärztlicher Untersuchungen (physical and mental examinations) verlangen.104 Bedarf es zur Klärung des Sachverhalts einer Expertenmeinung, z.B. in Produkthaftungsverfahren, so können nach FRCP Rule 26 (b) (2) Sachverständige (expert witnesses) mit einer Begutachtung beauftragt werden.105 Schließlich besteht nach FRCP Rule 36 noch die Möglichkeit, die andere Partei zum Geständnis aufzufordern (request for admission). Ziel dieser Methode ist eine möglichst frühe Unstreitigstellung einzelner Tatsachen.106
4. Die Rolle des Gerichts Die genannten Maßnahmen werden weitgehend unter Ausschluss des Gerichts im Parteibetrieb durchgeführt. Lediglich ärztliche Untersuchungen und Maßnahmen gegen Dritte bedürfen grundsätzlich einer richterlichen Anordnung (subpoena).107 Ansonsten beschränkt sich die Rolle des Gerichts nach der Grundkonzeption der pre-trial discovery weitgehend darauf, bei Streitigkeiten über deren rechtliche Grenzen im Einzelfall Schutzverfügungen zu erlassen bzw. die Offenbarung der geforderten Informationen durch Gerichtsbeschluss zu erzwingen und Sanktionen wegen mangelnder Mitwirkung zu verhängen.108 Seit einer Reform der FRCP im Jahre 1983 fordert allerdings FRCP Rule 16 die Bundesrichter zu einem stärkeren Eingreifen in die Prozessvorbereitungen auf.109 Hierzu stehen dem Richter vornehmlich zwei Mittel zur Verfügung: Er kann die Parteien zu Besprechungsterminen (pre-trial __________ 104
Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 452; Freer, Civil Procedure, 374 ff.; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 232; Junker, Discovery, 183 ff.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 175; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 385. 105 Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 167 ff.; Freer, Civil Procedure, 389 ff.; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 234; Junker, Discovery, 126 f. 106 American Bar Association, Antitrust Discovery Handbook, 48; Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 432; Goldman/Hughes, Civil Litigation, 232; Junker, Discovery, 186; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 386; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 86. 107 FRCP Rule 35 (a) und 45. 108 Dessem, Pretrial Litigation, 237; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 300; Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 384. Zu den verschiedenen Sanktionen siehe nachstehend V. 109 Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 492 ff.; Clark/Ansay, Introduction, 407; Dessem, Pretrial Litigation, 333 ff.; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 87; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59.
34
B. Das grundlegende Dilemma
conferences) einberufen und den Ablauf der pre-trial discovery durch zeitliche Vorgaben im Beschlusswege (scheduling order) voranbringen.110 Zudem soll er stets auf die Verfahrensbeendigung durch Vergleich hinwirken.111 Die Rolle des US-amerikanischen Richters hat sich damit vom bloßen Entscheider des Streits hin zum aktiven Organisator und Überwacher des Verfahrens gewandelt.112 Damit nähert sich die richterliche Vorbereitung der Hauptverhandlung nach den FRCP jener an, die ein deutscher Zivilrichter gemäß §§ 273, 275 ZPO betreibt.113
5. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Offenbarungspflicht Für den Fall, dass eine Partei ihrer Offenbarungspflicht nicht in hinreichendem Maße nachkommt, sieht FRCP Rule 37 verschiedene Rechtsfolgen vor.114 Die Sanktionen dienen dabei zum einen der Abschreckung, Willensbeugung und Bestrafung der offenbarungsfälligen Person, zum anderen der Wiederherstellung der Waffengleichheit zwischen den Parteien.115 So kann das Gericht die begehrten, aber nicht offenbarten Informationen als erwiesen erachten,116 es kann der offenbarungsfälligen Partei verbieten, in die spätere Hauptverhandlung selbst weitere Beweise einzuführen,117 pleadings können ganz oder zum Teil gestrichen werden,118 das Gericht kann anordnen, dass das Verfahren so lange weiter betrieben wird, bis die offenbarungsfällige Partei die verlangten Informationen offenbart,119 es besteht die Möglichkeit, die Klage ganz oder teilweise zu verwerfen (dismissal of the action)120 oder ein Versäumnisurteil (default judgment) gegen die offenbarungsfällige Partei zu erlassen.121 Die Nichtbefolgung einer gerichtlichen Anordnung zur Offenbarung kann schließlich, außer in den Fällen der Weigerung, sich einer ärztlichen __________ 110
Vgl. FRCP Rule 16 (a); (b). Vgl. FRCP Rule 16 (a) (5); 16 (c) (1) Satz 2 112 Clark/Ansay, Introduction, 406: „The primary model for resolving disputes in American courts shifted during the 20th century from adjudication to administration.“ 113 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 51. 114 Vgl. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 402 f.; Dessem, Pretrial Litigation, 246 ff.; Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 267 f.; Junker, Discovery, 190 ff.; Klinger, RIW 2007, 108, 110; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 51. 115 Fax/Grimm/Sandler, Discovery problems, 217; Klinger, RIW 2007, 108, 110. 116 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (i). 117 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (ii). 118 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (iii). 119 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (iv). 120 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (v). 121 FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (vi). 111
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
35
Untersuchung zu unterziehen, als contempt of court ordnungs- und strafrechtlich sanktioniert werden.122
6. Durchsetzung der Offenbarungspflicht bei extraterritorialer Beweisbeschaffung Rechtlich problematisch gestaltet sich die Beweisbeschaffung im Wege der pre-trial discovery – jedenfalls aus deutscher bzw. europäischer Sicht – insbesondere dann, wenn sich die zu offenbarenden Informationen, bzw. die Beweismittel, die sie verkörpern, nicht auf dem Territorium des Gerichtsstaates, also in den Vereinigten Staaten, sondern im Ausland – hier: in Deutschland – befinden. Für grenzübergreifende Beweisermittlungen in Zivil- und Handelssachen gilt im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland das Haager Beweisübereinkommen (HBÜ).123 Durch das HBÜ, welches auf eine Initiative der Vereinigten Staaten zurückgeht, sollten die Probleme extraterritorialer Beweisbeschaffung einer praxisgerechten Lösung zugeführt werden, insbesondere sollten die bis dahin angewandten unpräzisen Konzepte der internationalen comitas und Gegenseitigkeit durch einen internationalen Vertrag ersetzt werden.124 Das HBÜ kennt verschiedene Instrumente, die eine grenzübergreifende Beweisermittlung bzw. -aufnahme ermöglichen. HBÜ Kapitel 1 (Art. 1 bis 14) sieht ein Verfahren über Rechtshilfeersuchen vor, Kapitel 2 (Art. 15 bis 22) eine Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter und durch Beauftragte. Umstritten ist zwischen den Vertragsparteien, ob, und wenn ja, in welchen Fällen extraterritorialer Beweisermittlung zwingend über das HBÜ zu verfahren ist.125 In diesem Zusammenhang wird zwischen Beweisaufnahmen im Ausland (a) und Beweisbeschaffungen aus dem Ausland (b) unterschieden.126 __________ 122
FRCP Rule 37 (b) (2) (A) Satz 2 (vi). BGBl. 1977 II S. 1452, 1472; 1979 II S. 780; 1991 II S. 139; 1993 II S. 739; 1995 II S. 77. 124 Zu Hintergrund und Entstehungsgeschichte: Percy, Judicial Treatment of the Hague Evidence Convention and the Worth of International Judicial Comity: In Re Anschuetz & Co., 2 Am. U.J. Int’l & Pol’y 331, 334 ff. (1987). 125 Vgl. Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7 ff.; Junker, Electronic Discovery, 30 ff.; ders., Discovery, 225 ff.; Heinrich in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Band III, 3. Auflage (2008) – Internationales Zivilprozessrecht Rn. 2. 126 Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Auflage (2012), § 363 Rn. 41 ff.; Meessen, The International Law on Taking Evidence From, Not In, a Foreign State, 25 ILM 832, 835 (1986); Junker, Electronic Discovery, 30 Rn. 40; Musielak, Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, in: Festschrift für Reinhold Geimer (2002), 123
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B. Das grundlegende Dilemma
a) Beweisaufnahme im Ausland Einigkeit besteht zwischen Deutschland und den USA darüber, dass bei Beweisaufnahmen auf dem Territorium eines anderen Staates der Weg über das HBÜ zwingend ist.127 Um klassische Maßnahmen der Beweisaufnahme im Ausland handelt es sich etwa bei einer Vernehmung von Zeugen oder bei der Augenscheinnahme, z.B. im Rahmen einer Haus- oder Werksgeländedurchsuchung auf dem Territorium eines anderen Staates.128 In der Rechtssache Volkswagenwerk AG v. Falzon aus dem Jahre 1983 ordnete ein US-amerikanisches Gericht die Vernehmung von Beweispersonen in Deutschland an, ohne über das HBÜ zu verfahren.129 Die Regierung der Vereinigten Staaten, die in dem Verfahren die Rolle eines amicus curiae130 einnahm, äußerte sich in ihrer Stellungnahme (amicus curiae brief) wie folgt:131 „The parties to the Convention contemplated that proceedings not authorized by the Convention would not be permitted. The Convention accordingly must be interpreted to preclude an evidence-taking proceeding in the territory of a foreign state party if the Convention does not authorize it and the host country does not otherwise permit it.“ (Hervorhebung durch Verf.)
Dabei wird die Exklusivität des HBÜ von Seiten der USA nicht nur für Vernehmungen im Ausland anerkannt, sondern auch für alle anderen Methoden der Beweisgewinnung wie z.B. die Augenscheinnahme von Gegenständen und die Einsichtnahme in Schriftstücke.132 Von deutscher Seite wird im Zusammenhang mit Beweisaufnahmen im Ausland vor allem vorgebracht, dass gerade dies der Kern der Einigung __________ 761, 765; Wazlawik, Der Anwendungsbereich des Haager Beweisübereinkommens und seine Beachtung im Rahmen der pre-trial discovery durch US-amerikanische Gerichte, IPRax 2000, 396, 398. 127 Höchstrichterlich ist die Frage der zwingenden Anwendung des HBÜ bei Beweisaufnahmen im Ausland weder in den USA noch in Deutschland entschieden. Die vorliegende Darstellung orientiert sich an offiziellen Stellungnahmen der Regierungen und diplomatischen Noten, die allerdings aus einer Zeit vor dem Aérospatiale-Urteil stammen. 128 Junker, Electronic Discovery, 30 Rn. 42; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 290. 129 Volkswagenwerk AG v. Falzon, 461 U.S. 1303 (1983). 130 Im angelsächsischen Rechtssystem wird als amicus curiae eine Person oder Organisation bezeichnet, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist, ohne Partei zu sein und die sich als eine Art parteiischer Sachverständiger auf die Seite einer Streitparteien schlägt; vgl. hierzu: Krislov, The Amicus Curiae Brief: From Friendship to Advocacy, 72 Yale L.J. 694 (1963). 131 Volkswagenwerk AG v. Falzon, Brief for the United States as Amicus Curiae. 23 ILM 412, 415 (1984), Hervorhebung durch Verfasser. 132 Vgl. hierzu auch Junker, Electronic Discovery, 36 Rn. 56.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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zwischen den HBÜ-Vertragsstaaten sei und nur über die Annahme einer exklusiven Geltung des Abkommens die Hoheitsrechte des Staates, in dem die Beweisaufnahme stattfinde, und die Interessen der Beweisperson gewahrt werden können.133 b) Beweisbeschaffung aus dem Ausland Anders stellt sich die Rechtslage bzw. das entsprechende offizielle Meinungsbild dar, soweit es sich um Beweisbeschaffungen aus dem Ausland handelt. Um eine Beweisbeschaffung aus dem Ausland handelt es sich beispielsweise, wenn ein US-amerikanisches Gericht die Herbeischaffung von im Ausland belegenen Dokumenten anordnet.134 Während sich die deutsche Bundesregierung mit anderen, insbesondere kontinentaleuropäischen Vertragsstaaten – jedenfalls im Verhältnis zu den USA – auf den Standpunkt stellt, das HBÜ beanspruche auch für diese Fälle ausschließliche Geltung,135 herrscht seit der Aérospatiale-Entscheidung136 des US Supreme Court aus dem Jahre 1986 in den Vereinigten Staaten die Meinung vor, das HBÜ könne hier zwar alternativ herangezogen werden, möglich sei es aber auch, ausschließlich über die FRCP zu verfahren und eine Offenbarung von Beweismitteln zu verlangen, selbst wenn sich diese nicht in den USA befinden.137 (1) Darstellung der Aérospatiale-Entscheidung und ihrer Folgen Dem Aérospatiale-Urteil lag ein Produkthaftungsfall zugrunde. Die beklagte Société Nationale Industrielle Aérospatiale (SNIA) war ein französisches Rüstungs- und Luftfahrtunternehmen. 1980 stürzte ein von der SNIA konstruiertes Flugzeug in Iowa ab, wobei der Pilot und ein Passagier ver__________ 133 Vgl. Junker, Electronic Discovery, 36 Rn. 57 unter Hinweis auf: Volkswagenwerk AG v. Falzon, Embassy of the Federal Republic of Germany, Washington D.C., Note Verbale of April 28, 1983, 23 ILM 420, 421 (1984). 134 Junker, Electronic Discovery, 30 Rn. 41. 135 SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of the Federal Republic of Germany as Amicus Curiae, 1986 WL 727492; SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of Amicus Curiae of the Republic of France in Support of Petitioners, 1986 WL 727501; SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of Government of Switzerland as Amicus Curiae in Support of Petitioners, 1986 WL 727499; zustimmend: Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens im Rechtshilfeverkehr zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika (1989), 247; kritisch: Collins, The Hague Evidence Convention and Discovery: A Serious Misunderstanding?, 35 I.C.L.Q. 765, 783 (1986). 136 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522 (June 15, 1987). 137 Vgl. American Bar Association, Compendium of Reported Post-Aérospatiale Cases Citing the Hague Evidence Convention; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 178 f.; Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens, 187 ff.
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B. Das grundlegende Dilemma
letzt wurden.138 Beide behaupteten u.a., dass Konstruktionsfehler zu dem Unglück geführt hätten, und klagten vor einem US-amerikanischen Bundesgericht auf Schadensersatz.139 Zunächst wurde die pre-trial discovery ohne Einwände von beiden Seiten durchgeführt, jedenfalls soweit es sich um die Offenbarung von Beweismitteln handelte, die in den USA belegen waren.140 Nach Zustellung eines zweiten Offenbarungsverlangens (request for discovery)141 beantragte die Beklagte beim Bezirksgericht (District Court) eine protective order. Sie begründete ihren Antrag damit, dass sich das Verfahren der Beweisbeschaffung bezüglich der in Frankreich belegenen Beweismittel ausschließlich nach dem HBÜ richte und es vorliegend an einem entsprechenden Rechtshilfeersuchen fehle. Zudem wies die Beklagte darauf hin, dass es ein französisches Strafgesetz verbiete, Offenbarungsverlangen, die dem HBÜ nicht entsprechen, nachzukommen.142 Das Bezirksgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer protective order ab, und ein Rechtsbehelf zum Berufungsgericht (Court of Appeals) blieb ohne Erfolg. Der US Supreme Court bestätigte im Ergebnis mit fünf zu vier Richterstimmen die Entscheidungen beider Gerichte.143 Zur Begründung führte die Richtermehrheit im Wesentlichen aus, dass bereits Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Abkommens für die Annahme einer lediglich optionalen Geltung für Beweisbeschaffungen aus dem Ausland sprächen. Nach der Präambel diene das Abkommen dazu, die Übermittlung und Erledigung von Rechtshilfeersuchen zu „erleichtern“ und die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen zu „fördern.“ Anders als andere Verträge der Haager Konferenz, namentlich das Haager Zustellungsübereinkommen, fänden sich in der Präambel keine Begriffe, die auf einen zwingenden Charakter des HBÜ schließen lassen.144 Auch der Wortlaut der Verfahrensregelungen spreche dafür, dass der Weg über das HBÜ lediglich fakultativ sei. So heiße es in Art. 1, dass die gerichtliche Behörde eines Vertragsstaats nach seinen innerstaatlichen __________ 138 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 523, 524 (June 15, 1987). 139 Sachverhalt stark vereinfacht. 140 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 525 (June 15, 1987) Fn. 4. 141 Das Offenbarungsverlangen betraf eine production of documents, requests for admission und interrogatories. 142 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 526 (June 15, 1987). 143 „Im Ergebnis“ heißt, dass sich die Argumentation des Supreme Court von derjenigen der Untergerichte unterschied; dargestellt werden soll hier lediglich die Begründung des obersten Gerichts der Vereinigten Staaten. 144 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 534 (June 15, 1987) und Fn. 5 der Entscheidung.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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Rechtsvorschriften die zuständige Behörde eines anderen Vertragsstaats um Rechtshilfe ersuchen „kann“. Entsprechendes gelte für Art. 15, 16 und 17.145 Wäre das HBÜ dazu bestimmt gewesen, die umfassende Rechtsmacht, die Gerichte des common law im Rahmen der discovery über ausländische Parteien ausüben können, gänzlich durch die Verfahren des HBÜ zu ersetzen, so hätten die Vertragsparteien des common law nicht Art. 23 HBÜ zugestimmt, der es allen Vertragsparteien erlaube, hinsichtlich der pretrial discovery of documents einen generellen Vorbehalt zu erklären.146 Zudem würde die zwingende Anwendung des HBÜ ein Ungleichgewicht zwischen den Parteien transnational geführter US-amerikanischer Gerichtsverfahren zur Folge haben: Während sich die ausländische Partei zur Sachverhaltsermittlung uneingeschränkt der FRCP bedienen könne, wäre die amerikanische Partei regelmäßig dazu gezwungen, über das HBÜ zu verfahren. Dieses Ungleichgewicht widerspreche aber einer seit der Grundsatzentscheidung Hickman v. Taylor geltenden Maxime des US-amerikanischen Zivilprozessrechts:147 „The mutual knowledge of all the relevant facts gathered by both parties is essential to proper litigation.“148
Die das Urteil tragende Richtermehrheit war sich der Bedeutung ihrer Entscheidung für die Souveränitätsinteressen anderer Staaten und ihrer Auswirkungen auf die Lage ausländischer Parteien aber durchaus bewusst. Sie appellierte daher an die Instanzgerichte, im Falle extraterritorialer Beweisermittlungen Wachsamkeit und Sensibilität für die besonderen Interessen der Beteiligten walten zu lassen:149 „American courts should […] take care to demonstrate due respect for any special problem confronted by the foreign litigant on account of its nationality or the location of its operations, and for any sovereign interest expressed by a foreign state.“
Gleichwohl verzichtete die Richtermehrheit darauf, verbindliche Leitlinien für die Entscheidung der Frage an die Hand zu geben, in welchen Fällen der Beweisbeschaffung aus dem Ausland aus Rücksicht auf die in Frage stehenden Interessen über das HBÜ verfahren werden solle und in welchen __________ 145 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. Iowa, 482 U.S. 522, 535 (June 15, 1987). 146 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. Iowa, 482 U.S. 522, 536, 537 (June 15, 1987). 147 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. Iowa, 482 U.S. 522, 540 (June 15, 1987) Fn. 25. 148 Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495, 507 (1947). 149 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. Iowa, 482 U.S. 522, 546 (June 15, 1987).
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B. Das grundlegende Dilemma
Fällen die Offenbarung in schlichter Anwendung der FRCP angeordnet werden könne:150 „We do not articulate specific rules to guide this delicate task of adjudication.“
Dies wurde von den vier Richtern des Minderheitsvotums in deutlicher Diktion kritisiert. Sie trugen die Entscheidung der Mehrheit zwar insoweit, als das HBÜ keine absolute Ausschließlichkeitswirkung für Beweisbeschaffungen aus dem Ausland entfalte. Allerdings, so Richter Blackmun, der das Minderheitsvotum formulierte, verkenne das Gericht die grundlegende Bedeutung des HBÜ.151 Der Umstand, dass die Mehrheit der Richter auf die Formulierung von Leitlinien für die Anwendung des HBÜ verzichte und somit Einzelfallentscheidungen den Weg bereite, mache es ihm unmöglich, das Urteil insoweit mitzutragen:152 „I dissent […] because I cannot endorse the Court’s case-by-case inquiry for determining whether to use Convention procedures, and its failure to provide lower courts with any meaningful guidance for carrying out that inquiry. In my view, the Convention provides effective discovery procedures that largely eliminate the conflicts between United States and foreign law on evidence gathering. I therefore would apply a general presumption that, in most cases, courts should resort first to the Convention procedures. An individualized analysis of the circumstances of a particular case is appropriate only when it appears that it would be futile to employ the Convention or when its procedures prove to be unhelpful.“
Das Gegenteil des im Minderheitsvotum zum Ausdruck gebrachten first attempt approach, welcher von einer Anwendungsvermutung zugunsten des HBÜ ausgeht, wird in der aktuellen US-amerikanischen Rechtsprechung praktiziert. Regelmäßig muss diejenige Partei, die sich auf die Anwendung des HBÜ beruft, darlegen, weshalb diese im Einzelfall geboten ist.153 Unter Bezugnahme auf die Aérospatiale-Entscheidung des US __________ 150
Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 546 (June 15, 1987). 151 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 548 (June 15, 1987): „The Court ignores the importance of the Convention […] by relegating it to an ‚optional‘ status without acknowledging the significant achievement in accommodating divergent interests that the Convention represents.“ 152 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 548, 549 (June 15, 1987). 153 Davila, International E-Discovery: Navigating the Maze, 8 Pitt.J. Tech. L. Pol’y 5 (2008), 19; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7, 8 unter Hinweis auf Fishels v. BASF Group, 175 F.R.D. 525, 529 (S.D. Iowa August 19, 1997); Doster v. Schenk, 141 F.R.D. 50, 51 (M.D.N.C. December 19, 1991); In re Perrier Bottled Water Litigation, 138 F.R.D. 348, 354 (D. Conn. July 11, 1991); Metso Minerals Inc. v. Powerscreen Intern. Distribution Ltd., 2007 WL 1875560 Rn. 2 (E.D.N.Y. June 25, 2007); Valois of America, Inc., 183 F.R.D. 346 (D.Conn. July 23, 1997); Rich v. KIS California, Inc., 121 F.R.D. 254, 259 (M.D.N.C., June 22, 1988); Benton Graphics v. Uddeholm Corp., 118 F.R.D. 386, 389 (D.N.J. November 30, 1987), Anders aber: Hudson v. Hermann Pfauter GmbH
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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Supreme Court verfahren US-amerikanische Gerichte dann meist über eine Einzelfallabwägung (balancing test), die Aspekte der internationalen comitas berücksichtigt (comity analysis) und in der v.a. drei Faktoren besondere Bedeutung zukommt:154 – den Tatsachen des zur Entscheidung stehenden Falls, – den Souveränitätsinteressen der betroffenen Staaten sowie – der Aussicht, dass sich der Weg über das HBÜ als effektiv erweisen wird.
In der Regel kommen US-amerikanische Gerichte nach Abwägung der Interessen allerdings zu dem Ergebnis, dass im zu entscheidenden Fall nicht über das HBÜ verfahren werden müsse. Begründet wird dieses Ergebnis dann beispielsweise damit, dass Rechtshilfeersuchen zu zeitaufwändig seien155 oder dass es unmöglich sei, die zu offenbarenden Dokumente einzeln zu bezeichnen.156 Die Anordnung zur Offenbarung von Informationen erfolgt dann in schlichter Anwendung der FRCP. (2) Kritische Würdigung der Aérospatiale-Entscheidung In Anbetracht des Umstandes, dass das HBÜ eine Brücke zwischen den Beweisbeschaffungsverfahren des common law und jenen des civil law schlagen sollte,157 mag die Aérospatiale-Entscheidung und ihre Rezeption in der Instanzrechtsprechung aus europäischer Sicht bedauerlich erscheinen,158 trug sie doch zu einer deutlichen Entwertung des Beweisüberein-
__________ & Co., 117 F.R.D. 33 (N.D.N.Y. September 9, 1987) und Knight v. Ford Motor Co., 615 A.2d 297 (Supp. Ct. New. Jersey, L. Div. October 9, 1992), die die Darlegungslast derjenigen Partei auferlegten, die sich gegen die Anwendung des HBÜ aussprach. 154 Vgl. Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 544 (June 15, 1987) und Fußnoten 28 und 29 der Entscheidung; Davila, 8 Pitt.J. Tech. L. Pol’y 5, 20, 20; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7, 8. 155 Bodner v. Banque Paribas, 202 F.R.D. 370, 376 (E.D.N.Y. December 21, 2000) 156 First American Corp. v. Price Waterhouse LLP, 154 F.3d 16, 23 (U.S. Ct. App. 2d Cir. July 14, 1998). 157 Vgl. Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 550 (June 15, 1987) – Minderheitsvotum. 158 Kritik aus US-amerikanischer Sicht formulieren Braun Gilchrist, Rethinking Jurisdictional Discovery Under the Hague Evidence Convention, 44 Vanderbilt J. Transnat. L. 155 (2011); Griffin/Bravin, Beyond Aérospatiale: A Commentary on Foreign Discovery Provisions of the Restatement (Third) and the Proposed Amendments to the Federal Rules of Civil Procedure, 25 Int’l L. 331 (1991).
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B. Das grundlegende Dilemma
kommens bei. Tatsächlich wird das HBÜ durch US-amerikanische Gerichte nur noch sehr selten angewendet.159 Juristisch ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Aus den vom Gericht genannten Gründen sprechen tatsächlich die besseren Argumente gegen eine ausschließliche Geltung. Rechts- bzw. justizpolitisch ist die Haltung US-amerikanischer Gerichte nachvollziehbar. Zum einen erfordert ein Vorgehen über Rechtshilfeersuchen nach dem HBÜ gegenüber der schlichten Anwendung der FRCP einen verfahrenstechnischen Mehraufwand und die Befassung mit nicht vertrauten Normen: jenen des HBÜ und jenen des um Rechtshilfe ersuchten Staates. Vor allem hat der Weg über das Haager Abkommen aber eine erhebliche Beschränkung des Umfangs der discovery zur Folge. Gerade Letzteres dürfte angesichts der überragenden Bedeutung, die das US-amerikanische Zivilprozessrecht der Wahrheitsermittlung beimisst,160 die Skepsis gegenüber den verschiedenen im HBÜ angelegten Beschränkungen der Offenbarungspflicht begründen.161 So sieht Art. 3 des HBÜ vor, dass Rechtshilfeersuchen Einzelheiten hinsichtlich des Beweisgegenstandes bzw. der Beweisperson spezifizieren müssen, die aber, zumindest in der frühen Phase einer pre-trial discovery, oft noch nicht benannt werden können.162 Die discovery dient ja gerade der Erforschung des Sachverhalts. Der Weg über Rechtshilfeersuchen erfordert also einen höheren Grad an Substantiierung des Sachverhalts als er nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht im Stadium der pre-trial discovery regelmäßig möglich bzw. üblich ist.163 Zudem können sich die von einem Rechtshilfeersuchen betroffenen Beweispersonen nach Art. 11 des Abkommens nicht nur auf Rechte und Pflichten zur Aussageverweigerung nach dem Recht des ersuchenden Staates berufen, sondern auch auf solche, die im Recht des ersuchten Staates
__________ 159
Vgl. z.B. Metso Minerals Inc. v. Powerscreen Intern. Distribution Ltd., 2007 WL 1875560 (E.D.N.Y. June 25, 2007); American Bar Association, Compendium of Reported Post-Aérospatiale Cases; Braun Gilchrist, 44 Vanderbilt J. Transnat. L. 155, 168 (2011). 160 Vgl. Hickman v. Taylor, 329 U.S. 495, 507 (1947). 161 Vgl. Reufels/Scherer, Pre-trial Discovery nach dem Haager Beweisübereinkommen, IPRax 2005, 456. 162 Artikel 3 HBÜ: „A Letter of Request shall specify […] f) the questions to be put to the persons to be examined or a statement of the su bject-matter about which they are to be examined; g) the documents or other property, real or personal, to be inspected […].“ 163 Nach im deutschen Schrifttum vertretener Ansicht sollen Rechtshilfeersuchen, die den Bestimmtheitsanforderungen des Artikel 3 HBÜ nicht entsprechen, zurückgewiesen werden können, vgl. Stürner, Die Gerichte und Behörden der USA und die Beweisaufnahme in Deutschland, ZVglRWiss 81 (1982), 159, 200; Stürner/Müller, Aktuelle Entwicklungstendenzen im deutsch-amerikanischen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2008, 339, 342.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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vorgesehen ist.164 Im Verhältnis zwischen den USA und Deutschland macht dies die Anwendung des HBÜ unattraktiv, denn wie erwähnt sind Weigerungsrechte in Deutschland in wesentlich ausgeprägterem Umfang anerkannt als in den Vereinigten Staaten.165 Auch HBÜ Art. 12 Abs. 1 lit. b bedeutet gegenüber einer schlichten Anwendung der FRCP eine Einschränkung der discovery. Hiernach kann die Erledigung eines Rechtshilfeersuchens insoweit abgelehnt werden, als der ersuchte Staat die Erledigung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Vor allem aber bedeutet die durch Art. 23 HBÜ eröffnete Möglichkeit, bezüglich der pre-trial discovery of documents einen uneingeschränkten Vorbehalt zu erklären, eine gravierende Einschränkung des Umfangs der discovery – gerade im Verhältnis zu Deutschland. Bereits bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde hat die Bundesrepublik einen absoluten Vorbehalt nach Art. 23 des Abkommens erklärt.166 Dementsprechend heißt es in § 14 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum HBÜ:167 „Rechtshilfeersuchen, die ein Verfahren nach Artikel 23 des Übereinkommens zum Gegenstand haben, werden nicht erledigt.“
Zwar bestimmt § 14 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes: „Jedoch können, soweit die tragenden Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts nicht entgegenstehen, solche Ersuchen unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen erledigt werden, nachdem die Voraussetzungen der Erledigung und das anzuwendende Verfahren durch Rechtsverordnung näher geregelt sind, die der Bundesminister der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann.“
Von dieser Ermächtigung wurde aber bis heute kein Gebrauch gemacht. Anfang der 1980er Jahre wurden die Arbeiten an einer entsprechenden
__________ 164 Artikel 11 HBÜ: „In the execution of a Letter of Request the person concerned may refuse to give evidence in so far as he has a privilege or duty to refuse to give the evidence – a) under the law of the State of execution; or b) under the law of the State of origin, and the privilege or duty has been specified in the Letter, or, at the instance of the requested.“ 165 Vgl. hierzu auch: Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 55; ders., Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 817. 166 Bekanntmachung über das In-Kraft-Treten des Haager Übereinkommens vom 21.05.1979 (BGBl. II 1979, S. 780). 167 Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen – HaagÜbkAG –, BGBl. I 1977, S. 3105.
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B. Das grundlegende Dilemma
Verordnung aufgenommen.168 Ein Entwurf der Bundesregierung aus dem Jahre 1987 sah zunächst vor, dass die vorzulegenden Dokumente im Rechtshilfeersuchen hinreichend deutlich bezeichnet sein und in einem erkennbaren Zusammenhang mit den klagebegründenden Tatsachenbehauptungen stehen müssen, vgl. § 1 des Verordnungsentwurfs.169 Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) legte einen Gegenentwurf vor. Nach § 1 des BDI-Entwurfs sollten Urkunden nur insoweit vorzulegen sein, als sie in einem unmittelbaren und klar erkennbaren Zusammenhang mit den Tatsachenbehauptungen stehen.170 Die Bundesländer, deren Einvernehmen wegen der Zustimmungsbedürftigkeit der Verordnung nach § 14 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes erforderlich war, machten geltend, durch die geplante Verordnung sei eine zu starke Belastung ihrer Justizbehörden zu erwarten.171 Schließlich ist das Verordnungsprojekt daran gescheitert, dass die z.T. gegenläufigen Interessen der betroffenen Kreise nicht zu vereinen waren.172 Mit ihrer im wahrsten Sinne des Wortes reservierten Haltung gegenüber der discovery of documents steht die Bundesrepublik keineswegs allein.173 Lediglich 15 von aktuell 54 Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens haben keinen Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ erklärt.174 16 Staaten haben einen eingeschränkten Vorbehalt erklärt, der die Erledigung von Rechtshilfeersuchen von bestimmten Bedingungen abhängig macht,175 23 Staaten haben wie die Bundesrepublik einen generellen Vorbehalt erklärt, der jegliche Erledigung von auf eine Dokumentenvorlage gerichteten Rechtshilfeersuchen ausschließt.176 __________ 168 Vgl. zur Entwicklung des Verordnungsprojekts: Böhmer, Spannungen im deutschamerikanischen Rechtsverkehr in Zivilsachen, NJW 1990, 3049, 3053; Reufels/Scherer, IPRax 2005, 456 f.; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7, 9. 169 DAJV-NL 1988, 17; vgl. hierzu auch Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess und Rechtshilfeverfahren, 342 ff.; Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens, 280 ff. 170 DAJV-NL 1988, 20. 171 Vgl. Böhmer, NJW 1990, 3049, 3053 172 Reufels/Scherer, IPRax 2005, 456. 173 Der aktuelle Stand der Geltung des HBÜ sowie der Deklarationen und Vorbehalte der Vertragsstaaten ist abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 174 Albanien, Barbados, Bosnien und Herzegowina, Israel, Kuwait, Lettland, Malta, Marokko, die Russische Föderation, Serbien, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik, die Vereinigten Staaten von Amerika, Weißrussland. 175 Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Korea, Schweden, die Schweiz, Singapur, Venezuela, die Volksrepublik China, Zypern. 176 Australien, Argentinien, Bulgarien, Deutschland, Mazedonien, Griechenland, Island, Italien, Kroatien, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Monaco, Polen, Portugal, Rumänien, die Seychellen, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, die Türkei, Ukraine, Ungarn.
I. Die Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht
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Das Haager Beweisübereinkommen war also seit seinem Inkrafttreten zu keinem Zeitpunkt die Brücke zwischen common law und civil law, die es ursprünglich sein sollte. Die Erklärung weitreichender Vorbehalte nach Art. 23 HBÜ bewirkte vielmehr von Anfang an, dass im besonders praxisrelevanten Bereich der pre-trial discovery of documents gar keine Rechtshilfe stattfinden konnte. Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, wenn der US Supreme Court in der Aérospatiale-Entscheidung gegen die zwingende Anwendung des Abkommens plädiert und den US-amerikanischen Gerichten so die Möglichkeit eröffnet, bei transnationalen Verfahren die Vorlage von Dokumenten in schlichter Anwendung der FRCP anzuordnen. Jede andere Entscheidung wäre im Verhältnis zu vielen Staaten einer weitgehenden Abschaffung der pre-trial discovery of documents gleichgekommen. Die Kritik an der Aérospatiale-Rechtsprechung, die in der deutschen Literatur geäußert wurde,177 ignoriert oft nicht nur den Beitrag, den die Bundesrepublik und andere Vertragsstaaten bereits vor dem AérospatialeUrteil zur Entwertung des Abkommens geleistet haben. Sie verkennt zudem den Umstand, dass teilweise auch deutsche Gerichte nicht anders verfahren als US-amerikanische Gerichte.178 So entschied beispielsweise das OLG Schleswig Ende der 1980er Jahre, es bestehe „keine Verpflichtung, im Ausland lebende Zeugen nur im internationalen Rechtshilfeverkehr zu vernehmen.“179 Im Jahre 2002 sah sich das Bundespatentgericht (BPatG) nicht dazu veranlasst, über Rechtshilfeersuchen zu verfahren, als es einen reiseunfähigen Zeugen per Videoverbindung an seinem englischen Wohnort vernommen hat. Ohne ein Vorgehen über Rechtshilfeersuchen ernstlich in Erwägung zu ziehen, führte das BPatG lediglich aus:180 „In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Einvernahme des Zeugen per Videokonferenz in der mündlichen Verhandlung mit einer regulär besetzten Richterbank und mit der Beteiligung der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten in öffentlicher Sitzung unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfindung und dem Gesichtspunkt der Gewährung des rechtlichen Gehörs einer konsularischen Vernehmung oder einer Vernehmung durch einen beauftragten Richter in E. in jedem Fall vorzuziehen war.“
Zwar hatten in diesem Verfahren sowohl die Parteien als auch der zu vernehmende Zeuge mit der Vernehmung per Videokonferenz ein Einver__________ 177 Heck, Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten zum Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland, NJW 1987, 2128, 2129; Junker, Electronic Discovery, 33 Rn. 49 ff. 178 Vgl. Knöfel, RIW 2010, 403, 404. 179 OLG Schleswig, Beschluss vom 3.12.1988, 1 Str AR 31/88, RIW 1989, 910. 180 BPatG, Beschluss vom 16.07.2002, 23 W (pat) 32/98, GRUR 2003, 176; vgl. hierzu auch: Knöfel, RIW 2010, 403, 405.
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B. Das grundlegende Dilemma
ständnis erklärt, nicht aber das Vereinigte Königreich, dessen Souveränitätsinteressen zumindest potentiell betroffen waren. Die Bundesrepublik misst also mit zweierlei Maß. Gegenüber dem Stärkeren beruft sie sich auf das Recht und beharrt auf einer ausschließlichen Geltung des HBÜ, gegenüber allen anderen wird die eigene Macht ausgespielt.181 Damit hat die deutsche Position zum Haager Beweisübereinkommen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Im Übrigen ist den von den Folgen des Dilemmas betroffenen Rechtssubjekten, das wird im folgenden Teil zu den Offenbarungsverboten ersichtlich, durch die rigide Haltung der Bundesrepublik kein großer Dienst erwiesen.182
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
Die mit der dargestellten Offenbarungspflicht konfligierenden Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischen Recht, die Gegenstand dieser Arbeit sind, dienen vornehmlich dem Schutz des Persönlichkeitsrechts und der Privatsphäre Dritter, also dem Schutz der Rechte und Interessen von Subjekten, die selbst nicht als Partei oder Zeuge an dem USamerikanischen Gerichtsverfahren beteiligt sind. Vorschriften, die für einen Verfahrensbeteiligten lediglich ein verzichtbares Recht und keine ein Dilemma begründende Pflicht statuieren, bestimmte Informationen geheim zu halten, vgl. z.B. §§ 383, 384 ZPO, bleiben im Folgenden außer Betracht.183 Praxisrelevante Offenbarungsverbote zum Schutz der Privatsphäre und des Persönlichkeitsrechts ergeben sich insbesondere aus dem allgemeinen Datenschutzrecht (1), dem Fernmeldegeheimnis (2) und dem Bankgeheimnis (3). __________ 181
Vgl. auch Knöfel, RIW 2010, 403, 404; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 819. 182 Hess, AG 2005, 897, 904. 183 Gleichfalls außer Betracht bleiben Offenbarungsverbote zum Schutz der Privatsphäre Dritter, wie beispielsweise § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen), die sich nur an bestimmte Berufsgruppen wie z.B. Angehörige von Heilberufen (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) richten. Ein Konflikt mit der Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht ist zwar denkbar, jedoch aufgrund des Umstandes, dass die Normadressaten regelmäßig nicht an transnationalen US-amerikanischen Gerichtsverfahren beteiligt sind, von geringer praktischer Relevanz. Die einzige deutsche Vorschrift, die zum Schutz wirtschaftlicher und nicht persönlichkeitsrechtlicher Interessen ausdrücklich die Übermittlung von Unterlagen an ausländische Stellen untersagt, ist für den Bereich der Seeschifffahrt § 11 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Seeaufgabengesetz – SeeAufgG). Auch dieses Offenbarungsverbot ist nur von geringer praktischer Bedeutung und bleibt im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls außer Betracht.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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1. Offenbarungsverbote nach allgemeinem Datenschutzrecht Der Konflikt zwischen Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht und deutschen Offenbarungsverboten ist unter anderem deshalb so gravierend, weil dem Datenschutz in Europa besondere Bedeutung zukommt (a). Zum Dilemma der vorliegenden Arbeit hat sich auf EUEbene zum ersten Mal im Jahre 2009 die für Datenschutzfragen zuständige Artikel-29-Datenschutzgruppe geäußert (b). Im Rahmen des folgenden Abschnittes wird gezeigt, für welche Maßnahmen der pre-trial discovery datenschutzrechtliche Normen Anwendung finden (c) und unter welchen Voraussetzungen die Verarbeitung (d) und die Übermittlung von Daten in die USA (e) datenschutzrechtlich zulässig sind. Schließlich werden die das Dilemma charakterisierenden Sanktionen im Falle der Nichtbeachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen dargestellt (f). a) Bedeutung des Datenschutzes in Europa Datenschutz hat in Europa auf zwei Ebenen Bedeutung: auf nationaler Ebene (1) und auf EU-Ebene (2). Ab Mitte der 1990er Jahre überschneiden sich beide Ebenen weitgehend. (1) Datenschutz in der Bundesrepublik Deutschland Der Datenschutz wurde von Politik und Gesetzgebung angegangen, weit bevor der Öffentlichkeit ein Regelungsbedarf bewusst und den Betroffenen der den Regelungsbereich kennzeichnende Begriff bekannt war.184 Dabei ist der Begriff „Datenschutz“ missverständlich. Schutzobjekt datenschutzrechtlicher Bestimmungen sind nicht Daten, sondern die hinter den Daten stehenden Individuen.185 Die Normierung des Datenschutzrechts begann mit dem weltweit ersten allgemeinen Datenschutzgesetz, das 1970 in Hessen in Kraft trat.186 Sieben Jahre später wurde das erste allgemeine Datenschutzgesetz des Bundes verabschiedet, das am 1.1.1979 in Kraft trat.187 Dieses bestimmte in § 1 Abs. 1: __________ 184 Gola/Schomerus, BDSG Bundesdatenschutzgesetz Kommentar, 11. Auflage (2012), Einl. Rn. 1. 185 Gola/Schomerus, a.a.O.; Wank in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BDSG, 13. Auflage (2013), § 1 Rn. 1. 186 Vgl. Datenschutzgesetz vom 7. Oktober 1970, Hess. GVBl. I, S. 625; vgl. auch Taeger/Schmidt in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG und zu den Datenschutzvorschriften des TKG und TMG (2010), Einführung Rn. 4; Gola/Schomerus, BDSG, Einleitung Rn. 1. 187 Gesetz zum Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz – BDSG) vom 27.01.1977, BGBl. I, S. 201.
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B. Das grundlegende Dilemma
„Aufgabe des Datenschutzes ist es, durch den Schutz personenbezogener Daten vor Mißbrauch bei ihrer S peicherung, Übermittlung, Veränderung und Löschung (Datenverarbeitung) der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Betroffenen entgegenzuwirken.“
Bis Ende 1979 hatten – bis auf Hamburg, das erst 1991 folgte – alle Bundesländer allgemeine Datenschutzgesetze erlassen.188 Während das Bundesdatenschutzgesetz für Datenverarbeitung durch Bundesbehörden und Private gilt,189 finden die Landesdatenschutzgesetze auf Datenverarbeitung der Landesbehörden und Gemeinden Anwendung.190 Grundrechtsrang hat der Datenschutz in Deutschland seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG aus dem Jahre 1983.191 Aufgrund eines Bundesgesetzes sollte Anfang 1983 ein Zensus in Form der Totalerhebung stattfinden. Neben der vollständigen Kopfzählung war die Erhebung umfassender weiterer Angaben beabsichtigt. Gegen das Gesetz wurden mehrere Verfassungsbeschwerden erhoben. Sie hatten Erfolg. Das BVerfG stellte fest, dass zahlreiche Vorschriften des Volkszählungsgesetzes erheblich und ohne Rechtfertigung in Grundrechte der Beschwerdeführer eingriffen.192 Das gesamte Bundesgesetz wurde für verfassungswidrig erklärt. In der Begründung betonte das BVerfG, dass im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Ordnung Wert und Würde der Person stehen, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirke. Aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folge die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.193 Angesichts der automatischen Datenverarbeitung bedürfe diese Befugnis in besonderem Maße des Schutzes. Sie sei gefährdet, weil bei Entscheidungsprozessen mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und in Sekundenschnelle abrufbar seien und mit anderen Datensammlungen zu __________ 188
Gola/Schomerus, BDSG, Einleitung Rn. 1. Vgl. § 1 Abs. 2 BDSG. 190 Vgl. z.B. § 2 Abs. 1 Berliner Datenschutzgesetz; § 2 Abs. 1 Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg; § 2 Abs. 1 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen; § 2 Abs. 1 Sächsisches Datenschutzgesetz. 191 BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1; In einem Urteil aus dem Jahre 1991 spricht das BVerfG ausdrücklich von einem „Grundrecht auf Datenschutz“, vgl. BVerfG, Urteil vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, NJW 1991, 2132 – juris Rn. 138. 192 BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – juris Rn. 215. 193 BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – juris Rn. 146. 189
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden können, ohne dass der Betroffene die Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren könne.194 Vor diesem Hintergrund setze die freie Entfaltung der Persönlichkeit den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz sei von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleiste insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.195 Das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ sei aber nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne habe kein Recht im Sinne einer absoluten und uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten. Vielmehr sei er eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende und auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit, die Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen müsse.196 Als Reaktion auf das Volkszählungsurteil wurde das BDSG 1990 novelliert, um den Vorgaben des BVerfG zu entsprechen. Seither bildet das BDSG die verfassungsrechtlich gebotene Gesetzesgrundlage, die im berechtigten Interesse Dritter und im Allgemeininteresse unter bestimmten Voraussetzungen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erlaubt.197 Aufgrund der Drittwirkung der Grundrechte konkretisiert, gestaltet und beschränkt das BDSG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger,198 sondern auch zwischen Privaten.199 (2) Datenschutz in der Europäischen Union Datenströme machen an Staatsgrenzen nicht Halt. Angesichts der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den EG-Mitgliedstaaten wurde der Datenschutz mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklung zu einem grenzübergreifenden Problem.200 __________ 194
BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – juris Rn. 147. 195 BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – juris Rn. 149. 196 BVerfG Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – juris Rn. 150. 197 Lux/Glienke, Discovery versus deutsches Datenschutzrecht, RIW 2010, 603, 605. 198 Vgl. BDSG 2. Abschnitt: „Datenverarbeitung der öffentlichen Stellen“. 199 Vgl. BDSG 3. Abschnitt: „Datenverarbeitung nicht öffentlicher Stellen und öffentlich-rechtlicher Wettbewerbsunternehmen“. 200 Gola/Schomerus, BDSG, Einleitung Rn. 4.
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B. Das grundlegende Dilemma
Anfang der 1990er Jahre herrschte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ein erheblich divergierendes Datenschutzniveau, was als Hindernis für die Entwicklung des binneneuropäischen Handels begriffen wurde.201 Dies bewegte die EG dazu, 1995 die Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie – DSRL) zu erlassen.202 Seither gewinnen europarechtliche Vorgaben für Schaffung, Inhalt und Auslegung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen der EU-Mitgliedstaaten zunehmend an Bedeutung.203 Herzstück des europäischen Datenschutzes ist aber nach wie vor die DSRL.204 Sie bezweckt einerseits den Abbau von Handelshemmnissen durch eine Harmonisierung des Datenschutzes.205 Grenzüberschreitende Datenströme innerhalb der EU werden wie nationale Transfers behandelt. Anderseits stellt die DSRL in allen Mitgliedstaaten einheitlich hohe Datenschutzstandards sicher.206 Die restriktiven Bestimmungen der DSRL zur Zulässigkeit von Datenverarbeitung, -übermittlung und -nutzung sind damit Ausdruck einer objektiven europäischen Werteordnung, in der der Schutz personenbezogener Daten ein hohes Gut ist.207 __________ 201
Taeger/Schmidt in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, Einführung Rn. 34; Zilkens, Europäisches Datenschutzrecht – Ein Überblick, RDV 2007, 196. 202 Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG v. 23.11.1995, Nr. L 281 S. 31). 203 Bereichspezifische datenschutzrechtliche Vorgaben definiert z.B. die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. EG v. 31.07.2002, Nr. L 201 S. 37); Artikel 8 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta, die durch Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon für bindend erklärt wird, erkennt ausdrücklich ein EU-Grundrecht auf Datenschutz an. Zur Zukunft des Datenschutzes auf europäischer Ebene vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe / Arbeitsgruppe Polizei und Justiz, WP 168 vom 01.12.2009: Die Zukunft des Datenschutzes – Gemeinsamer Beitrag zu der Konsultation der Europäischen Kommission zu dem Rechtsrahmen für das Grundrecht auf den Schutz der personenbezogenen Daten. 204 Künftig könnte eine Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in der EU einheitliche Datenschutzstandards schaffen, die nicht erst durch Rechtsakte der EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen, vgl. Deutlmoser/Filip, Europäischer Datenschutz und US-amerikanischer (e-)Discovery-Pflichten, ZD Beilage 2012, 1, 3. 205 Vgl. Erwägungsgrund 7 und 9 der Richtlinie. 206 Vgl. Erwägungsgrund 10 Satz 2: „Die Angleichung dieser Rechtsvorschriften darf deshalb nicht zu einer Verringerung des durch diese Rechtsvorschriften garantierten Schutzes führen, sondern muss im Gegenteil darauf abzielen, in der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.“ 207 Vgl. Erwägungsgrund 11: „Die in dieser Richtlinie enthaltenen Grundsätze zum Schutz der Rechte und Freiheiten der Personen, insbesondere der Achtung der Privatsphäre, konkretisieren und erweitern die in dem Übereinkommen des Europarats vom
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Die DSRL wurde durch das geltende BDSG in nationales Recht umgesetzt.208 Bei Auslegung und Anwendung seiner Bestimmungen sind daher die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und Stellungnahmen offizieller Stellen der Union in besonderem Maße zu berücksichtigen. b) Arbeitsunterlage 1/2009 der Artikel-29-Datenschutzgruppe Die erste und nach wie vor maßgebliche offizielle Stellungnahme auf EUEbene zum Konflikt zwischen Offenbarungspflichten nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht und datenschutzrechtlichen Offenbarungsverboten ist die Arbeitsunterlage 1/2009 der Artikel-29-Datenschutzgruppe vom 1. Februar 2009.209 Die Befassung der Artikel-29-Datenschutzgruppe mit der in dieser Arbeit behandelten Pflichtenkollision geht auf eine Initiative des „Düsseldorfer Kreises“ zurück.210 Der Düsseldorfer Kreis ist eine informelle Vereinigung der obersten deutschen, für die Einhaltung des Datenschutzes im nichtöffentlichen Bereich zuständigen Aufsichtsbehörden.211 Er hat der Artikel-29-Datenschutzgruppe bis dato „ungelöste Fragestellungen“ unterbreitet, die sich im Rahmen einer pre-trial discovery aus datenschutzrechtlicher Sicht stellen.212 In der Arbeitsunterlage 1/2009 äußert sich die Datenschutzgruppe zur datenschutzrechtlichen Behandlung von Maßnahmen der pre-trial discovery und entwirft Leitlinien für die Praxis.213 Gleichzeitig betont sie aber, dass die Arbeitsunterlage keine Lösung des grundlegenden Dilemmas darstellte.214 Die in der Arbeitsunterlage 1/2009 zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Wertungen haben mittlerweile Eingang in die Beratungs- und Aufsichtspraxis deutscher und anderer europäischer Datenschutzaufsichtsbehörden gefunden.215 Im Folgenden wird die datenschutzrechtliche Rechts__________ 28. Januar 1981 zum Schutze der Personen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten enthaltenen Grundsätze.“ 208 BT-Drs. 14/4329, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze, 5. 209 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158. 210 Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 191. 211 Zur Arbeit des Düsseldorfer Kreises vgl.: Pohler: 20 Jahre Datenschutzaufsicht im Düsseldorfer Kreis. Datenschutz im privaten Bereich auch in Zukunft eine gemeinsame Herausforderung, CR 1998, 309. 212 Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 187. 213 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 1. 214 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 3. 215 Vgl. Bayerisches Landesamts für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht 2009/2010, 70 f.; Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2009, 162; Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés (CNIL), Délibération No 2009-474 du 23 juillet 2009
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B. Das grundlegende Dilemma
lage nach dem BDSG dargestellt, indes unter besonderer Berücksichtigung der in der Arbeitsunterlage 1/2009 enthaltenen Maßgaben. c) Anwendbarkeit des BDSG auf Maßnahmen der discovery Bei der Durchführung von Maßnahmen der pre-trial discovery sind die Bestimmungen des BDSG zu beachten, soweit der örtliche (1) und sachliche (2) Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet ist. (1) Örtlicher Anwendungsbereich des BDSG Der örtliche Anwendungsbereich des BDSG richtet sich nach § 1 Abs. 5 BDSG. Die Norm bestimmt in Satz 1 und 2: „Dieses Gesetz findet keine Anwendung, sofern eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegene verantwortliche Stelle personenbezogene Daten im Inland erhebt, verarbeitet oder nutzt, es sei denn, dies erfolgt durch eine Niederlassung im Inland. Dieses Gesetz findet Anwendung, sofern eine verantwortliche Stelle, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist, personenbezogene Daten im Inland erhebt, verarbeitet oder nutzt.“
Grenzüberschreitend oder international tätige Unternehmen sollen nach einem einheitlichen Datenschutzrecht beurteilt werden.216 Es gilt das Sitzprinzip, d.h. für die Anwendbarkeit des deutschen Datenschutzrechts kommt es darauf an, dass der Sitz der datenverarbeitenden Stelle (= am US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren beteiligte Person bzw. Unternehmen) in Deutschland liegt. Der physikalische Ort der Datenverarbeitung ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.217 Bei der Datenverarbeitung durch Filialen oder Niederlassungen eines Unternehmens kommt es nicht auf den Hauptsitz des Unternehmens an, sondern auf den Sitz der Filiale oder Niederlassung.218 Maßgeblich ist, dass eine Tätigkeit in Deutschland tatsächlich von einer „festen Einrichtung“ aus ausgeübt wird. Die Rechtsform der Niederlassung ist unerheblich, sodass auch rechtlich __________ portant recommandation en matière de transfert de données à caractère personnel dans le cadre de procédures judiciaires américaines dite de „Discovery“. 216 Weichert, in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 1 Rn. 16. 217 Dies gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn zwar der Sitz eines Unternehmens in Deutschland ist und das Unternehmen auch tatsächliche Tätigkeiten in Deutschland ausübt, die (elektronische) Datenverarbeitung aber ausgegliedert ist und physikalisch nicht mehr im Sitzland des Unternehmens stattfindet, z.B. durch klassisches IT-Outsourcing oder Cloud Computing. Zu Letzterem vgl.: Weichert, Cloud Computing und Datenschutz, DuD 2010, 679 ff.; Heidrich/Wegener, Sichere Datenwolken – Cloud Computing und Datenschutz, MMR 2010, 803 ff. 218 Weichert, in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 1 Rn. 17.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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unselbstständige Niederlassungen ausländischer Unternehmen in den örtlichen Anwendungsbereich des BDSG fallen.219 Für den in dieser Arbeit behandelten Problemkomplex bedeutet dies, dass ein am US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren beteiligtes deutsches Unternehmen die Bestimmungen des BDSG allein aufgrund des Umstands zu beachten hat, dass es seinen Sitz in Deutschland hat.220 (2) Sachlicher Anwendungsbereich des BDSG In sachlicher Hinsicht gilt das BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten.221 Personenbezogene Daten. Unter den Begriff der „personenbezogenen Daten“ fallen alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.222 „Bestimmt“ ist eine Person, wenn die Daten mit dem Namen einer Person versehen sind oder sich aus dem Inhalt bzw. dem Zusammenhang der Bezug unmittelbar herstellen lässt. „Bestimmbar“ ist eine Person, wenn die datenverarbeitende Stelle den Bezug mit ihr normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln und ohne unverhältnismäßigen Aufwand herstellen kann.223 Es muss sich um Daten handeln, die Informationen über den Betroffenen selbst oder über einen auf ihn beziehbaren Sachverhalt enthalten („persönliche oder sachliche Verhältnisse“). Die Aufzählung von persönlichen und sachlichen Verhältnissen verdeutlicht, dass der Begriff der personenbezogenen Daten umfassend zu verstehen und nicht auf Daten beschränkt ist, die ihrer Natur nach personenbezogen sind, also etwa auf Daten, die sich auf menschliche Eigenschaften richten.224 __________ 219
Richtlinie 95/46/EG Erwägungsgrund 19. Aus dem sachlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 BDSG folgt gleichzeitig, dass auch US-amerikanische Unternehmen im Rahmen eines US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahrens in eine Pflichtenkollision geraten können, dann nämlich, wenn sie in Deutschland eine Niederlassung haben oder aber – auch ohne eine Niederlassung zu unterhalten – in Deutschland personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen, vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 BDSG. 221 Vgl. § 1 Abs. 2 BDSG; zur Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne der DSRL vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 136 vom 20.06.2007: Stellungnahme 4/2007 zum Begriff „personenbezogene Daten“. 222 Vgl. § 3 Abs. 1 BDSG. 223 Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 10; Weichert, in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 3 Rn. 13; Buchner in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 3 Rn. 11. 224 Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 5; Buchner in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, Kommentar zum BDSG und zu den Datenschutzvorschriften des TKG und TMG (2010), § 3 Rn. 3. 220
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B. Das grundlegende Dilemma
Dementsprechend fallen auch betriebsinterne Datensätze und geschäftliche Korrespondenz in den sachlichen Anwendungsbereich des BDSG, sofern diese zumindest auch Angaben enthalten, die den genannten Kriterien entsprechen. Betroffene, deren personenbezogene Daten in betrieblichen Datensammlungen enthalten sind, sind insbesondere Mitarbeiter des datenverarbeitenden Unternehmens sowie Auftraggeber und Kunden,225 letztgenannte nach deutschem Recht aber nur, soweit es sich um natürliche Personen handelt.226 Anders als in anderen Staaten (z.B. Österreich, Dänemark und Luxemburg)227 sind juristische Personen vom Schutzbereich des deutschen Datenschutzrechts nicht erfasst.228 Erheben, Verarbeiten und Nutzen. Die datenschutzrechtlich relevanten Handlungen sind das Erheben, Verarbeiten und Nutzen der Daten. Dabei bezeichnet „Erheben“ das Beschaffen von Daten über einen Betroffenen.229 Unter „Verarbeiten“ ist jedes Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten zu verstehen,230 unter „Nutzen“ jede Verwendung personenbezogener Daten, soweit es sich nicht um Verarbeitung handelt.231 Weitaus nicht alle Methoden der pre-trial discovery, die unter B. I. 3. dargestellt wurden, weisen datenschutzrechtliche Relevanz auf. So ist beispielsweise eine Augenscheinnahme für sich genommen datenschutzrechtlich ebenso unbedenklich wie die persönliche Befragung einer Beweisperson im Rahmen von depositions nach FRCP Rule 30 und 31.232 Von Bedeutung ist das Datenschutzrecht aber für die in der heutigen Streitpraxis besonderes wichtige pre-trial discovery of documents. In der Form der sog. e-discovery richtet sie sich auf elektronisch gespeicherte Daten. Ist ein deutsches Unternehmen an einem US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren beteiligt und ist es Adressat einer Offenbarungsaufforderung im Parteibetrieb bzw. einer gerichtlichen Offenbarungsanordnung, so lässt sich __________ 225
Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 2. Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 10; Weichert in: Däubler/Klebe/Webbe/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 3 Rn. 2; Buchner in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 3 Rn. 8 f. 227 Vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 11; Weichert in: Däubler/Klebe/Webbe/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 3 Rn. 10. 228 Für Gola/Schomerus, BDSG, § 3 Rn. 11 ist dies nicht selbstverständlich, gelten nach § 19 Abs. 3 GG Grundrechte doch auch für inländische juristische Personen, soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. 229 § 3 Abs. 3 BDSG. 230 § 3 Abs. 4 BDSG. 231 § 3 Abs. 5 BDSG. 232 Zu beachten sind aber ggf. anderweitig bestehende Offenbarungsverbote wie das Bankgeheimnis. 226
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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die e-discovery im Hinblick auf die Beurteilung ihrer datenschutzrechtlichen Zulässigkeit in vier Phasen gliedern:233 – Erstens: Sobald eine (künftige) Partei von einem möglichen Rechtsstreit erfährt, hat sie dafür Sorge zu tragen, dass etwaig beweisrelevante Daten gesichert werden (freezing/litigation hold).234 – Zweitens: Entweder im Parteibetrieb oder auf Anordnung des Gerichts (durch Erlass einer entsprechenden discovery order) werden die gesicherten Datenbestände automatisiert und/oder durch beauftragte Personen auf beweisrelevante Daten durchsucht und geordnet. – Drittens: Zwecks Verwendung der Daten zum Beweis in dem laufenden US-amerikanischen Verfahren müssen die Daten anschließend in die USA übermittelt werden. – Viertens: Sind die Daten in die USA übermittelt, werden sie zunächst der anderen Seite und im Rahmen des trial schließlich dem Gericht und der jury zugänglich gemacht und zur Beweiserhebung genutzt (sekundäre Nutzung).
Jede der genannten Stufen ist datenschutzrechtlich relevant und bedarf einer entsprechenden Rechtsgrundlage.235 d) Zulässigkeit der Datenverarbeitung Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Das BDSG formuliert also ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.236
(1) Einwilligung der Betroffenen, §§ 4 Abs. 1, 4a BDSG/Art. 7 a) DSRL Soweit all jene, deren personenbezogene Daten für Zwecke der pre-trial discovery verarbeitet werden, wirksam ihre Einwilligung erklärt haben, ist die Datenverarbeitung zulässig, vgl. § 4 Abs. 1 BDSG.237 Die Einwilligung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen, die § 4a BDSG definiert, wirksam:238 __________ 233
Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 8. Die nachträgliche Vernichtung oder auch nur Veränderung von Daten kann als spoliation sowohl prozessuale wie auch ordnungs- und strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, vgl. Geis/Klas, Der Beweiswert elektronischer Dokumente im Austausch mit den USA, AWV-Informationen (3/2009), 7. 235 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 8. 236 Taeger in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4 Rn. 14. 237 Vgl. Artikel 7 a) DSRL. 238 Vgl. auch Artikel 2 h) DSRL. 234
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B. Das grundlegende Dilemma
„Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Er ist auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist sie besonders hervorzuheben.“
Die Artikel-29-Datenschutzgruppe räumt in der Arbeitsunterlage 1/2009 ein, dass es Situationen geben kann, in denen der Betroffene Kenntnis von dem Rechtsstreit hat oder sogar daran beteiligt ist und seine Einwilligung die Grundlage für eine Verarbeitung bilden kann. Regelmäßig aber soll die Einwilligung des bzw. der Betroffenen keine geeignete Grundlage für die Datenverarbeitung für Zwecke der pre-trial discovery darstellen.239 Begründet wird dies von der Datenschutzgruppe im Wesentlichen wie folgt: Seit der Aérospatiale-Entscheidung sei das Hauptargument der US-amerikanischen Rechtsprechung, dass ein Unternehmen, wenn es sich für eine Geschäftstätigkeit in den USA oder unter Einbeziehung US-amerikanischer Partner entschieden habe, die US-amerikanischen Zivilprozessregeln beachten müsse. Die von der Datenverarbeitung betroffenen Personen wie Kunden und Mitarbeiter seien aber regelmäßig nicht an der Entscheidung beteiligt gewesen, in oder mit den USA Geschäfte zu tätigen. Daher müsse der für die Datenverarbeitung und Datenübermittlung Verantwortliche jederzeit in der Lage sein, die Einwilligung der Betroffenen für jeden einzelnen Fall eindeutig nachweisen zu können. Dies sei in der Praxis aber regelmäßig nicht möglich. Soweit personenbezogene Daten von Personen außerhalb des verfahrensbeteiligten Unternehmens (z.B. Kunden) betroffen seien, sei es unwahrscheinlich, dass die für die Datenverarbeitung verantwortliche Stelle den erforderlichen Nachweis erbringen könne, dass alle betroffenen Personen gebührend informiert waren und von der Verarbeitung in Kenntnis gesetzt wurden. Soweit personenbezogene Daten von Mitarbeitern betroffen seien, sei v.a. die Freiwilligkeit der Einwilligung problematisch. Diese setze die Möglichkeit voraus, die Einwilligung tatsächlich verweigern zu können, ohne Sanktionen zu erleiden oder sie später frei widerrufen zu können. Hieran scheitere nach Ansicht der Datenschutzgruppe regelmäßig die Wirksamkeit der Einwilligung von Arbeitnehmern. Die Einwilligung sei daher eine nur vermeintlich gute Lösung, die auf den ersten Blick einfach, in der Praxis jedoch komplex und schwerfällig sei.240 __________ 239
Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 10. Vgl. zur Auslegung des Einwilligungsbegriffs auch: Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 114 vom 25.11.2005: Arbeitspapier über eine gemeinsame Auslegung des Artikels 26 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995, 13 f. 240
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Tatsächlich stößt der Weg über eine Einwilligung in der Rechtspraxis auf erhebliche Probleme. Regelmäßig sind von einer discovery betroffene Unternehmen nicht in der Lage, von allen Datenschutzsubjekten eine Einwilligung einzuholen. Und selbst wenn die Einwilligung eingeholt werden kann, so besteht wegen der freien Wideruflichkeit ein erhebliches Risiko, dass die Datenverarbeitung trotz erheblicher Mühen nicht gerechtfertigt ist. (2) Rechtliche Verpflichtung, § 4 Abs. 1 BDSG/Art. 7 c) DSRL Nach Art. 7 c) DSRL ist eine Datenverarbeitung ferner möglich, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt. Diese Vorgabe der Richtlinie findet sich nicht wortidentisch im BDSG wieder, jedoch bestimmt § 4 Abs. 1 BDSG, dass die Datenverarbeitung u.a. dann zulässig ist, wenn eine Rechtsvorschrift diese anordnet. Rechtliche Verpflichtung nach US-amerikanischem Recht. Hat ein USamerikanisches Zivilgericht seine Kognitionsbefugnis bejaht und kommt es zu einem Verfahren in den Vereinigten Staaten, so findet das US-amerikanische Verfahrensrecht Anwendung. Nach diesem unterliegt der ausländische Verfahrensbeteiligte der Offenbarungspflicht. Zur Erfüllung dieser Pflicht sind unter Umständen – insbesondere bei der e-discovery – Datenverarbeitungsvorgänge in Europa erforderlich. Die Artikel-29-Datenschutzarbeitsgruppe steht indes auf dem Standpunkt, dass eine durch ein ausländisches Rechtssystem oder ausländische Vorschriften auferlegte Verpflichtung nicht als rechtliche Verpflichtung im Sinne des Art. 7 c) DSRL, die eine Datenverarbeitung in der EU legitimieren würde, eingestuft werden könne.241 Dem ist zuzustimmen. Jede andere Annahme würde im Ergebnis zu einer Unterminierung europäischer Datenschutzstandards führen. Eine einfache Anordnung eines ausländischen Staates könnte sonst zu einer Rechtfertigung der Datenverarbeitung in Europa führen, ohne dass die Interessen des Betroffenen hinreichende Berücksichtigung fänden. Der differenzierte Ausgleich zwischen den Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und jenen des Betroffenen, den die DSRL und das BDSG suchen, würde preisgegeben. Rechtliche Verpflichtung nach nationalem Recht. In einzelnen Mitgliedstaaten der EU kann es eine rechtliche Vorschrift geben, einer Anordnung eines ausländischen Gerichts Folge zu leisten, mit der um Offenlegung __________ 241
Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 10.
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B. Das grundlegende Dilemma
ersucht wird.242 Grundlage für die zulässige Datenverarbeitung ist dann nicht das US-amerikanische Verfahrensrecht sondern das jeweilige nationale Gesetz bzw. die in seiner Anwendung ergangene richterliche Anordnung. Derartige, eine Datenverarbeitung rechtfertigende Grundlagen können insbesondere in den nationalen Ausführungsgesetzen zum Haager Beweisübereinkommen liegen, die dann ihrerseits den notwendigen Ausgleich der Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und der Betroffenen regeln – etwa dadurch, dass eine Datenverarbeitung nur in begrenztem Umfang und eine Ausforschung nicht stattfinden darf.243 Da aber die Bundesrepublik nach Art. 23 HBÜ einen absoluten Vorbehalt erklärt hat und hinsichtlich der pre-trial discovery of documents zwischen Deutschland und den USA daher keine Rechtshilfe stattfindet, kann die Datenverarbeitung deutscher Unternehmen im Hinblick auf eine e-discovery nicht nach § 4 Abs. 1 BDSG bzw. Art. 7 c) DSRL gerechtfertigt werden. (3) Wahrung berechtigter Interessen, § 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 a BDSG/Art. 7 f DSRL Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 a) BDSG ist die Übermittlung oder Nutzung zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen eines Dritten erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Die Vorschriften bilden das nationale Pendant zu Art. 7 f) DSRL. Sie sind restriktiv auszulegen.244 Berechtigte Interessen. Als berechtigtes Interesse im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG kommen nur eigene Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen in Betracht, nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 a) BDSG auch Inte-
__________ 242
Artikel-29-Datenschutzgruppe, a.a.O. In diese Richtung gehen die in Frankreich und dem Vereinigten Königreich geltenden Regeln. Nähere Ausführungen hierzu folgen in Teil D.I. der Arbeit. 244 Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 7. Auflage (2011), § 28 Rn. 144; Wedde in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn. 47. 243
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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ressen Dritter.245 Erfasst sind jeweils nicht nur rechtliche Interessen, sondern auch wirtschaftliche und ideelle.246 Im Rahmen einer discovery besteht zum einen ein berechtigtes Interesse des von der Beweisermittlung betroffenen Unternehmens an einer effektiven Rechtsverfolgung bzw. Verteidigung. Ein berechtigtes Interesse des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen besteht auch an der Vermeidung drohender – und zum Teil sehr kostspieliger – Rechtsfolgen im Falle einer Nichtoffenbarung. Zum anderen entspricht es dem Interesse der Justiz, wenn die Handlungsfähigkeit einer Organisation hinsichtlich der Forderung oder Verteidigung eines rechtmäßigen Anspruchs nicht unnötig eingeschränkt wird.247 Zur Wahrung erforderlich. Die Verarbeitung und Übermittlung von Daten muss aber auch zur Wahrung der genannten Interessen erforderlich sein. Erforderlich ist sie, wenn die verantwortliche Stelle die jeweils benötigten Angaben nicht mit Hilfe der Betroffenen erlangen kann.248 Die Erforderlichkeit besteht nicht, wenn die Ziele auch ohne die personenbezogenen Informationen erreicht werden können.249 Im Rahmen einer e-discovery, bei der vielfach personenbezogene Daten bereits aus dem Unternehmen ausgeschiedener Mitarbeiter und zahlreicher Kunden betroffen sind, können die benötigten Angaben oft nicht mehr direkt von den Betroffenen erlangt werden. Insoweit erscheint die Verarbeitung und Übermittlung erforderlich im Sinne der genannten Normen. Auch wird es nicht selten gerade darauf ankommen, für das US-amerikanische Verfahren relevante Informationen einer bestimmten Beweisperson zuzuordnen, sodass das verfolgte Ziel der Beweisermittlung ohne die personenbezogenen Informationen nicht erreicht werden kann. Auch insoweit erscheint die Datenverarbeitung und Übermittlung als erforderlich im oben genannten Sinne.
Kein überwiegendes Interesse der Betroffenen. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob die Datenverarbeitung, Übermittlung und Nutzung zum Zwecke der pre-trial discovery zulässig ist, ist daher regelmäßig eine Abwägung der berechtigten Interessen der Stelle, die von der discovery betroffen ist, mit den Rechten und Freiheiten der betroffenen Personen. In diesem Zusammenhang führt die Artikel-29-Datenschutzgruppe aus:250 __________ 245
Taeger in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 28 Rn. 125. Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn. 144; Wedde in: Däubler/ Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn. 48. 247 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 11. 248 Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn. 144. 249 Wedde in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Rn. 48. 250 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 11. 246
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B. Das grundlegende Dilemma
„Bei dieser Interessenabwägung sollten Aspekte der Verhältnismäßigkeit, die Relevanz der personenbezogenen Daten für den Rechtsstreit und die Konsequenzen für die betroffene Person berücksichtigt werden. Ferner müssen angemessene Garantien festgelegt werden und insbesondere müssen die Widerspruchsrechte der betroffenen Person […] anerkannt werden […].“
Die Artikel-29-Datenschutzgruppe schlägt im Rahmen der pre-trial discovery eine Zwei-Stufen-Lösung vor, die bereits im Jahre 2007 auch vom Berliner Datenschutzbeauftragten empfohlen wurde.251 Mittlerweile hat die Zwei-Stufen-Lösung Eingang in die offiziellen Handlungsempfehlungen auch anderer deutscher Datenschutzaufsichtsbehörden gefunden.252 Hiernach sollten in einem ersten Schritt die für die Verarbeitung Verantwortlichen die Offenlegung nach Möglichkeit auf anonymisierte oder zumindest pseudonymisierte Daten beschränken. Nach dem Herausfiltern irrelevanter Daten – etwa durch eine vertrauenswürdige dritte Partei in der Europäischen Union – würden in einem zweiten Schritt personenbezogene Daten in einem sehr viel begrenzteren Umfang offengelegt werden.253 Der Nachteil der Zwei-Stufen-Lösung, das räumt auch die Artikel-29Datenschutzgruppe ein, ist, dass der Vorgang der Anonymisierung und Pseudonymisierung einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeutet und nicht ohne weiteres innerhalb der strengen Fristen, die aufgrund der amerikanischen Verfahrensregeln für die Offenlegung der angeforderten Informationen gelten, bewerkstelligt werden kann.254 Eine Lösung kann hier darin liegen, sich mit der Gegenseite im Rahmen der obligatorisch abzuhaltenden pre-trial conference auf einen weniger stringenten Zeitablauf der discovery zu einigen oder beim US-amerikanischen Gericht unter Darlegung der hier dargestellten Problematik um Fristverlängerung zu ersuchen. Beides dürfte aber einen erheblichen Überzeugungsaufwand erfordern, dessen Erfolgsaussichten in Anbetracht des in den Vereinigten Staaten nur beschränkt bestehenden Datenschutzbewusstseins bezweifelt werden können. In jedem Fall nachteilhaft an der ZweiStufen-Lösung ist, dass aufgrund des erheblichen zeitlichen Mehraufwandes auf die betroffene Person (Anwalts-)Kosten zukommen, die auch im Falle des Obsiegens nicht erstattungsfähig sind.255 __________ 251 252
Vgl. Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 187. Vgl. Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht 2009/2010,
71. 253
Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 11. Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 12. 255 Die mit der Durchführung einer discovery betrauten europäischen Anwaltskanzleien rechnen in aller Regel nach Zeitaufwand ab. Stundensätze zwischen 300 und 600 Euro sind dabei keine Seltenheit. Wie kostspielig die Durchführung einer pre-trial discovery ist, lässt sich nicht generell bestimmen. Sechsstellige Eurobeträge sind aber nicht die Ausnahme. 254
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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e) Zulässigkeit der Datenübermittlung in die USA Ein weiteres und in der Praxis nicht minder schwerwiegendes datenschutzrechtliches Problem als die Zulässigkeit der Datenverarbeitung stellt die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA dar. (1) Grundsätzliches Übermittlungsverbot, § 4b BDSG / Art. 25 DSRL Gemäß § 4b Abs. 2 Satz 2 BDSG und Art. 25 Abs. 1 DSRL hat eine Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland außerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) grundsätzlich zu unterbleiben, soweit der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat, insbesondere wenn bei den ausländischen Stellen ein angemessenes Datenschutzniveau nicht gewährleistet ist. Art. 25 Abs. 6 DSRL ermächtigt die Europäische Kommission für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich festzustellen, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen, die dieses eingegangen ist, generell ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet. Bislang wurde die Angemessenheit des Datenschutzniveaus für Argentinien,256 Guernsey,257 die Isle of Man,258 Jersey,259 Kanada260, die Schweiz261 und Australien262 festgestellt. Soweit die Vor__________ 256 Entscheidung 2003/490/EG der Kommission vom 30.06.2003 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Argentinien (ABl. EG v. 05.07.2003, Nr. L 168 S. 19). 257 Entscheidung 2003/821/EG der Kommission vom 21.11.2003 über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten in Guernsey (ABl. EG v. 25.11.2003, Nr. L 308 S. 27). 258 Entscheidung 2004/411/EG der Kommission vom 28.04.2004 über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten auf der Insel Man (ABl. EG v. 30.04. 2004, Nr. L 151 S. 51). 259 Entscheidung 2008/393/EG der Kommission vom 08.05.2008 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Jersey (ABl. EG v. 28.05.2008, Nr. L 138 S. 21). 260 Entscheidung 2002/2/EG der Kommission vom 20.12.2001 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzes, den das kanadische Personal Information Protection and Electronic Documents Act bietet (ABl. EG v. 04.01.2000, Nr. L 2 S. 13). 261 Entscheidung 2000/518/EG der Kommission vom 26.07.2000 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten in der Schweiz (ABl. EG v. 25.08.2000, Nr. L 215 S. 1). 262 Beschluss des Rates 2008/651/GASP/JI über die Unterzeichnung – im Namen der europäischen Union – eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) aus der Europäischen Union und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an die australische Zollbehörde (ABl. EG v. 08.08.2008, Nr. L 213 S. 47).
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B. Das grundlegende Dilemma
aussetzungen einer Datenübermittlung nach dem BDSG vorliegen, können personenbezogene Daten an in diesen Ländern ansässige Empfänger ohne eine gesonderte Überprüfung der Angemessenheit des Schutzniveaus erfolgen.263 In den USA besteht nach h.M. in Deutschland bzw. der EU grundsätzlich kein angemessenes Datenschutzniveau.264 Zwar ist auch in der USamerikanischen Rechtsprechung ein Recht auf Achtung der Privatsphäre (privacy) anerkannt.265 Abgeleitet wird dieses Recht, das weder in der Verfassung, noch in der Bill of Rights ausdrücklich formuliert ist, aus verschiedenen Zusatzartikeln der Bundesverfassung.266 Allerdings richtet sich das „right to privacy“ grundsätzlich nur gegen Akte staatlicher Institutionen.267 Datenschutz, wie wir ihn verstehen, ist nur rudimentär ausgeprägt.268 Ein allgemeines Datenschutzgesetz, das bereichsübergreifend den Umgang mit personenbezogenen Daten regelt, gibt es nicht.269 Eine allgemeine Datenschutzaufsicht wird nicht ausgeübt.270 Die Vereinigten Staaten bauen auf Selbstregulierung durch die Wirtschaft und Selbstverpflichtungen durch Unternehmen.271 __________ 263
Gola/Schomerus, BDSG, § 4b Rn. 14. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 15 vom 26.01.1999: Stellungnahme 1/99 zum Stand des Datenschutzes in den Vereinigten Staaten und zu den derzeitigen Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der amerikanischen Regierung, 3; Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15; Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4b Rn. 15; Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4b Rn. 23; Gola/Schomerus, BDSG, § 4b Rn. 14; Räther/Seitz, Übermittlung personenbezogener Daten in Drittstaaten, MMR 2002, 425, 427. 265 Vgl. Burkert in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht (2003), 120, Rn. 83; Spieß/ Schröder, Auswirkungen der elektronischen Beweiserhebung (eDiscovery) in den USA auf deutsche Unternehmen, MMR 2008, 275, 276. 266 Slemmons Statford/Stratford, Data Protection and Privacy in the United States and in Europe, IASSIST 1998, 18; Sun, The European Union Privacy Directive and Its Impact on the U.S. Privacy Protection Policy: A Year 2003 Perspective, 2 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 99 (2003); Whalen v. Roe, 429 U.S. 598 (February 22, 1977); United States v. Miller 425 U.S. 435 (April 21, 1976). 267 Lux/Glienke, RIW 2010, 602, 605. 268 Im Zusammenhang mit US-amerikanischem Datenschutz von „data protection“ zu sprechen, wäre nicht ganz korrekt. Treffender ist der Begriff „ privacy“. „Data protection“ entspricht vielmehr dem, was in Deutschland unter „Datensicherheit“ verstanden wird, also technisch-organisatorischen Vorkehrungen, die z.B. sicherstellen sollen, dass Unbefugten der Zutritt und Zugriff auf Datenverarbeitungsanlagen verwehrt ist, vgl. § 9 BDSG und Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG (BGBl. I 2003, 88). 269 Slemmons Statford/Stratford, IASSIST 1998, 17, 18. 270 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 15, 3; Sun, 2 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 99, 105 (2003). 271 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP (Working Paper) 15, 2; Sun, 2 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 99, 106 (2003). 264
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre finden sich bundeseinheitlich lediglich in sektoralen Vorschriften.272 So regelt etwa der Children’s Online Privacy Protection Act (COPPA)273 den Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet, der Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA)274 schützt bestimmte Gesundheitsdaten und der Video Privacy Protection Act (VPPA)275 soll Missbrauch personenbezogener Verkaufsund Vermietungsdaten von Videoprodukten verhindern.276 In vielen anderen, nach europäischem Verständnis für den Persönlichkeitsschutz besonders bedeutsamen Regelungsbereichen wie z.B. dem Arbeitsrecht besteht hingegen kein bzw. nur ein unzureichender Datenschutz.277 Um einen legalen Datenaustausch zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als einem der wichtigsten Handelspartner trotz mangelnden generellen Schutzniveaus dennoch zu ermöglichen, wurde zwischen der EU-Kommission und dem US-amerikanischen Handelsministerium Federal Trade Commission (FTC) in langen Verhandlungen das sog. Safe-Harbor-Modell entwickelt.278 Die Kommission erließ nach Art. 25 Abs. 6 DSRL eine Entscheidung, derzufolge in den USA tätige Organisationen über ein angemessenes Datenschutzniveau verfügen, wenn sie sich gegenüber der FTC öffentlich und unmissverständlich zur Einhaltung bestimmter datenschutzrechtlicher Prinzipien (Safe Harbor Principles) verpflichten.279 Die Grundsätze werden durch eine Liste „Häufig gestellter Fragen“ („FAQ“) ergänzt, die als Leitlinien für die Anwendung der Safe Harbor Principles fungieren.280 Die Unterwerfung unter die Safe Harbor Principles erfolgt durch entsprechende Erklärung gegenüber dem US-amerikanischen Handelsministerium.
__________ 272 Artikel-29-Datenschutzgruppe, a.a.O.; Burkert in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 118, Rn. 79 ff.; Slemmons Statford/Stratford, IASSIST 1998, 18. 273 Vgl. (letzter Abruf: 29.07.2013). 274 Vgl. (letzter Abruf: 29.07.2013). 275 Vgl. (letzter Abruf: 29.07.2013). 276 Zum VPPA auch: Slemmons Statford/Stratford, IASSIST 1998, 17, 19. 277 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4b Rn. 15. 278 Vgl. zum Safe-Harbor-Modell: Klug, Persönlichkeitsschutz beim Datentransfer in die USA – Die Safe-Harbor-Lösung, RDV 2000, 212; Heil, Safe Harbor – Ein Zwischenbericht, DuD 2000, 444; Räther/Seitz, MMR 2002, 425, 427 ff. 279 Vgl. Entscheidung 2000/520/EG der Kommission vom 26.07.2000 gemäß der Richtlinie 94/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des von den Grundsätzen des „sicheren Hafens“ und der diesbezüglich „Häufig gestellten Fragen (FAQ)“ gewährleisteten Schutzes, vorgelegt vom Handelsministerium der USA (ABl. EG v. 25.08.2000, Nr. L 215 S. 7). 280 Die Grundsätze einschließlich Erläuterungen und FAQ sind abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013).
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B. Das grundlegende Dilemma
Letztgenanntes führt eine Liste der beigetretenen Unternehmen und veröffentlicht diese im Internet.281 Die Lösung über das Safe-Harbor-Modell ist in vielerlei Hinsicht Kritik ausgesetzt, unter anderem was seine tatsächliche Effektivität und Praxistauglichkeit betrifft.282 Für den mit der vorliegenden Arbeit behandelten Problemkomplex ist vor allem festzuhalten, dass die Anzahl der Unternehmen, die sich den Safe Harbor Principles unterworfen haben, vergleichsweise gering ist.283 Zudem besteht eine Beitrittsmöglichkeit zum Safe-Harbor-Modell nur für Unternehmen, die der Zuständigkeit bestimmter US-amerikanischer Behörden unterliegen. Dies sind bislang nur die FTC und das US-amerikanische Verkehrsministerium. Unternehmen, die in anderen, gesondert regulierten Wirtschaftsbereichen tätig sind, wie z.B. Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, Finanzinstitute und Luftverkehrsunternehmen, können sich den Safe Harbor Principles nicht unterwerfen.284 Gerade die beiden letztgenannten Unternehmensarten sind wegen ihrer grenzübergreifenden Tätigkeit aber häufig an transnationalen Zivilgerichtsverfahren in den Vereinigten Staaten beteiligt.285 In der transnationalen Verfahrenspraxis wird der Prozessgegner, der zur Erfüllung eines Offenbarungsverlangens die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA fordert, daher regelmäßig nicht vom Safe-HarborModell profitieren. Demgemäß kann sich auch der deutsche Adressat eines Offenbarungsverlangens zur Rechtfertigung der transatlantischen Datenübermittlung nicht auf Art. 26 Abs. 6 DSRL berufen. Das Safe-HarborModell ist für den Bereich grenzübergreifender Beweisermittlung im Wege der pre-trial discovery also von geringem Nutzen.286 Eine rechtmäßige Datenübermittlung nach § 4b BDSG ist ferner möglich, wenn das Datenschutzniveau des US-amerikanischen Empfängers im Einzelfall als angemessen erachtet werden kann. Nach § 4b Abs. 3 BDSG __________ 281
Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4b Rn. 23. Vgl. Räther/Seitz, MMR 2002, 425, 429 f. Simitis in Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4b Rn. 71 ff.; Sun, 2 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 99, 109–115 (2003). 283 Die Liste der Unternehmen ist abrufbar unter: . 284 Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4b Rn. 23; Räther/Seitz, MMR 2002, 425, 429. 285 Vgl. z.B. Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197 (June 16, 1958); United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2 nd Cir. June 26, 1968); OLG Celle Beschluss vom 16.07.2007 – NJW-RR 2008, 78–80; LG Kiel, Urteil vom 30.06.1982 – IPRax 1984, 146; LG Kiel, Urteil vom 23.08.1982 – IPRax 1984, 147. 286 Brisch/Laue, RDV 2010, 1,6; Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341, 361 (2010); Reyes, The U.S. Discovery – EU Privacy Directive Conflict: Constructing A Three-Tiered Compliance Strategy, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 374. (2009). 282
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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bzw. Art. 25 Abs. 2 DSRL ist die Angemessenheit des Schutzniveaus unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, die bei einer Datenübermittlung von Bedeutung sind, insbesondere können zur Beurteilung folgende, beispielhaft in § 4b Abs. 2 BDSG aufgezählte Kriterien herangezogen werden: – – – – – –
die Art der Daten, die Zweckbestimmung, die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland, die für den Empfänger geltenden Rechtsnormen und Standesregeln und Maßnahmen der Datensicherheit.
Maßgebend für die Beurteilung des angemessenen Schutzniveaus sind stets die Umstände der konkret in Aussicht genommenen Übermittlung. Wegen der Verwendung des ausfüllungsbedürftigen Angemessenheitsbegriffs ermöglichen die DRSL und das BDSG eine Beurteilung von Fall zu Fall, wobei als Maßstab der Grad der Persönlichkeitsgefährdung dient.287 Nach § 4b BDSG im Einzelfall zulässig dürfte die Übermittlung personenbezogener Daten in Anwendung der genannten Kriterien jedoch nur dann sein, wenn lediglich wenige Daten übermittelt werden, ein begrenzter Kreis von Datenschutzsubjekten betroffen ist, die Daten nicht aus dem Kernbereich der Privatsphäre der Betroffenen stammen und durch entsprechende Schutzmaßnahmen in den Vereinigten Staaten – etwa durch Beantragung und Erlass von protective orders – sichergestellt ist, dass die übermittelten Daten nicht an unbefugte Dritte gelangen. Die meisten Fälle von Datenübermittlungen, die im Rahmen einer pretrial discovery erforderlich sind, werden nicht nach § 4b BDSG zulässig sein. Die discovery dient dazu, einen noch nicht bekannten Sachverhalt zu erforschen, um die geltend gemachten Ansprüche zu substantiieren. Dies erfordert regelmäßig die Übermittlung einer großen Anzahl von Dokumenten und elektronisch gespeicherter Informationen, die eine bedeutende Menge personenbezogener Daten enthalten. Demgemäß hängt die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten in die USA für Zwecke der pre-trial discovery davon ab, ob eine der in § 4c BDSG/Art. 26 DSRL abschließend normierten Ausnahmen einschlägig ist. (2) Ausnahmen vom Übermittlungsverbot gem. § 4c BDSG / Art. 26 DSRL Die Ausnahmetatbestände sind restriktiv auszulegen.288 Nur einige der in § 4c BDSG normierten Ausnahmen kommen zur Rechtfertigung der Da__________ 287 288
Gola/Schomerus, BDSG, § 4b Rn. 11. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 114, 9.
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B. Das grundlegende Dilemma
tenübermittlung im Rahmen einer pre-trial discovery ernstlich in Betracht. So ist die Datenübermittlung trotz mangelnden generellen oder im Einzelfall gegebenen Schutzniveaus ausnahmsweise zulässig, wenn die Betroffenen ihre Einwilligung erklärt haben, wenn die Übermittlung einem wichtigen öffentlichen Interesse dient, wenn sie zum Zwecke der Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen vor Gericht geschieht oder die zuständige nationale Aufsichtsbehörde eine entsprechende Einzelfallgenehmigung erteilt hat. Einwilligung, § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG / Art. 26 Abs. 1 a) DSRL. Nach § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist die Übermittlung von Daten in die USA zulässig, wenn die Betroffenen ihre Einwilligung erteilt haben. Die Einwilligung hat sämtliche Voraussetzungen des § 4a BDSG zu erfüllen.289 Soweit es sich – wie bei der Datenübermittlung im Rahmen einer pre-trial discovery üblich – um Einwilligungen von Mitarbeitern und Kunden des nach den FRCP offenbarungspflichtigen Unternehmens handelt, gelten die obigen Ausführungen zur Einwilligung in die Datenverarbeitung hier entsprechend. Bereits unter diesem Gesichtspunkt erscheint es in der Rechtspraxis daher unwahrscheinlich, dass das von einer pre-trial discovery betroffene deutsche Unternehmen die wirksame Einwilligung aller Datenschutzsubjekte wird nachweisen können.290 Zudem sind die Anforderungen, die an die Einwilligung zur Datenübermittlung in ein Drittland gestellt werden, das kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet, gegenüber den Anforderungen, die an die Einwilligung zur „bloßen“ Datenverarbeitung gestellt werden, deutlich erhöht. Es bedarf einer intensiveren Aufklärung.291 Die in § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG vorgesehene Verpflichtung der übermittelnden Stelle, die Betroffenen über den Übermittlungszweck zu unterrichten, soll sich zu einer Informationspflicht über die spezifischen Risiken der beabsichtigten Weitergabe in ein Drittland verdichten.292 Die Betroffenen sollen nicht nur darüber zu informieren sein, welche Daten zu welchem Zweck an wen genau übermittelt werden sollen, sondern auch darüber, dass es im Empfängerland an angemessenen datenschutzrechtlichen Schutzvorkehrungen fehlt.293 Gerade bei aus dem Unternehmen bereits __________ 289 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 5; Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4c Rn. 6; Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 5; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 8. 290 Vgl. auch in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 10. 291 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 5. 292 Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 5; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 9. 293 Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 9.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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ausgeschiedenen Mitarbeitern, Auftraggebern und Kunden ist nur schwer vorstellbar, dass sie sich dazu bewegen lassen, in Kenntnis der datenschutzrechtlichen Risiken in die Übermittlung ihrer Daten einzuwilligen. Jeglicher Zweifel darüber, ob die Einwilligung tatsächlich erteilt wurde und den genannten Anforderungen entspricht, führt dazu, dass die Ausnahmeregelung nicht gilt.294 In der Regel stellt die Einwilligung nach § 4c Abs. 1 daher keine rechtssichere Grundlage für eine zulässige Datenübermittlung in die USA dar.295 Wichtiges öffentliches Interesse, § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. BDSG/ Art. 26 Abs. 1 d) 1. Alt. DSRL. Nach § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. BDSG ist eine Übermittlung zulässig, sofern sie zur Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses erforderlich ist. Die Darlegungslast dafür, ob ein wichtiges öffentliches Interesse vorliegt, trifft die datenübermittelnde Stelle.296 Weder das BDSG noch die DSRL gibt allerdings vor, wann ein wichtiges öffentliches Interesse in diesem Sinne vorliegt. Erwägungsgrund 58 der DSRL nennt lediglich beispielhaft den Datenaustausch zwischen Steueroder Zollverwaltungen oder zwischen Diensten, die für Angelegenheiten der sozialen Sicherheit zuständig sind. Daraus wird geschlossen, dass im nichtöffentlichen Bereich ein Rückgriff auf diesen Ausnahmetatbestand regelmäßig nicht möglich ist.297 Soweit man den adversatorischen Charakter der pre-trial discovery in den Vordergrund der Betrachtung rückt, scheitert die Anwendung der Ausnahmeregelung bereits daran, dass es sich um eine private und damit dem nichtöffentlichen Bereich zuzuordnende Sachverhaltsermittlung handelt. Allerdings könnte man ein wichtiges öffentliches Interesse in diesem Sinne einerseits in der Funktionsfähigkeit der US-amerikanischen Justiz und der gerichtlichen Wahrheitsfindung, anderseits im reibungslosen Funktionieren des internationalen Rechtsverkehrs erblicken. Gegen die Annahme, bei den erstgenannten Interessen könnte es sich um solche im Sinne des § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. BDSG handeln, spricht jedoch, dass deutsche und europäische öffentliche Interessen nicht von ausländischen Rechtsordnungen definiert werden können.298 In ihrem Arbeitspapier WP 114 über die Auslegung des Art. 26 DSRL stellt die Artikel-29-Datenschutzgruppe klar:299 __________ 294
Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 5. Hanloser, DuD 2008, 785, 788. 296 Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 19. 297 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 8. 298 Vgl. Spies/Schröder, Anmerkung zu US District Court Utah vom 21.01.2010 – Accessdata v. ALSTE Technologies GmbH, MMR 2010, 275, 276. 299 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 114, 17. 295
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B. Das grundlegende Dilemma
„[Es ist] nicht akzeptabel, dass eine unilaterale Entscheidung eines Drittlands aufgrund des öffentlichen Interesses dieses Drittlands zu einer regelmäßigen Übermittlung von durch die Richtlinie geschützten Daten in großem Umfang führt. Die Verfasser der Richtlinie hatten eindeutig ausschließlich wichtige öffentliche Interessen im Sinn, die in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften für die in der EU niedergelassenen, für die Datenverarbeitung Verantwortlichen gelten. Jede andere Auslegung würde es einer ausländischen Behörde leicht machen, die Anforderungen der Richtlinie 95/46 des angemessenen Schutzes in dem Empfängerland zu umgehen.“
Gegen die Annahme, das reibungslose Funktionieren des internationalen Rechtsverkehrs rechtfertige die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, spricht, dass Letztgenannte restriktiv auszulegen ist und daher das Vorliegen eines „qualifizierten“ öffentlichen Interesses nötig ist.300 Von europäischer Seite wurden wiederholt Vorbehalte bezüglich der Ausführung von Rechtshilfeersuchen geäußert, die auf die pre-trial discovery abzielen. Einerseits Vorbehalte gegen die US-amerikanische Methode der Wahrheitsfindung zu formulieren, sie anderseits aber als wichtiges öffentliches Interesse anzuerkennen, ist widersprüchlich und daher abzulehnen. Geltendmachung oder Verteidigung von Ansprüchen vor Gericht, § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 2. Alt. BDSG/Art. 26 Abs. 1 d) 2. Alt. DSRL. Nach § 4c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 2. Alt. BDSG ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten in Länder mit niedrigem Schutzniveau ferner zulässig, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen vor Gericht erforderlich ist. Der Wortlaut der Vorschrift spricht für die Zulässigkeit der Datenübermittlung für Zwecke der pre-trial discovery. Die deutschen Aufsichtsbehörden und das Bundesministerium der Justiz waren indes bis ins Jahr 2009 der Auffassung, dass § 4c Abs. 1 Nr. 4, 2. Alt. BDSG ganz generell nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden könne.301 Begründet wurde dies zum einen damit, dass die Bundesrepublik Deutschland Rechtshilfeersuchen, die auf eine pre-trial discovery of documents abzielen, wegen der Gefahr der Ausforschung zurückweist, zum anderen damit, dass die discovery ein Parteiverfahren und damit kein Verfahren „vor Gericht“ im Sinne der Norm sei.302 In ihrer Arbeitsunterlage 1/2009 sprach sich die Artikel-29-Datenschutzgruppe hingegen dafür aus, Art. 26 Abs. 1 d) DSRL, der die europäische Vorgabe für § 4c Abs. 1 Nr. 4, 2. Alt. BDSG darstellt, zur Rechtfertigung von Datenübermittlungen in die USA heranzuziehen, jedenfalls dann, wenn es sich um einzelne Übermittlungen von Daten für ein konkre__________ 300
Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 19. Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 7. 302 Vgl. Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 191. 301
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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tes Verfahren handle.303 Gleichzeitig bekräftigte die Datenschutzgruppe aber ihre bereits schon früher geäußerte Ansicht,304 dass sich die Übermittlung der Datensätze aller Angestellten einer Muttergesellschaft für den Fall, dass eines Tages ein Gerichtsverfahren in den USA angestrengt werden könnte, nicht über Art. 26 Abs. 1 d) rechtfertigen lasse.305 Vor dem Hintergrund der Arbeitsunterlage 1/2009 der Artikel-29-Datenschutzgruppe wurde die rigide deutsche Auffassung jüngst modifiziert. Vor Klageerhebung in den USA soll es weiterhin unzulässig sein, personenbezogene Daten aus Deutschland in die USA zu übermitteln. Nach Klageerhebung aber könne die Übermittlung auf der Grundlage von § 4c Abs. 1 Nr. 4 2. Alt. BDSG grundsätzlich gerechtfertigt werden, weil der Anspruch dann „vor Gericht“ anhängig sei.306 Allerdings soll dies nur dann gelten, wenn das oben dargestellte gestufte Verfahren beachtet wird: Zunächst sind prozessrelevante Daten vor ihrer Übermittlung in die USA zu pseudonymisieren. Erst in einem zweiten Schritt dürfen personenbezogene Daten in die USA übermittelt werden, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist.307 Anordnung der Datenübermittlung bei Rechtshilfeersuchen. Nach Ansicht der Artikel-29-Datenschutzgruppe kann im Übrigen auch eine richterliche Anordnung in Ausführung eines Rechtshilfeersuchen auf der Grundlage des Haager Übereinkommens eine Grundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA darstellen.308 Aufgrund des absoluten deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ kommt für deutsche Unternehmen eine Rechtfertigung in Ausführung eines Rechtshilfeersuchens allerdings von vornherein nicht in Betracht und dies ohne dass es auf die Tatsachen und Umstände des Einzelfalls ankäme.
Einzelfallgenehmigung durch die Aufsichtsbehörde, § 4c Abs. 2 BDSG. Sofern die genannten Ausnahmetatbestände nach § 4c Abs. 1 BDSG nicht greifen, ist eine rechtmäßige Datenübermittlung in die USA unter Umständen noch auf der Grundlage des § 4c Abs. 2 BDSG möglich. __________ 303
So auch Spies/Schröder, Auswirkungen der elektronischen Beweiserhebnung (eDiscovery) in den USA auf deutsche Unternehmen, MMR 2008, 275, 279; dies., MMR 2010, 275, 276, jedenfalls wenn Maßnahmen zur Gewährleistung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen sind. 304 Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 114, 15. 305 Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15 und WP 114, 18. 306 Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2009, 162. 307 Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2009, 162. 308 Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15; Artikel 26 Abs. 1 d) letzte Alternative verweist insoweit darauf, dass eine Datenübermittlung „gesetzlich vorgeschrieben“ ist.
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B. Das grundlegende Dilemma
§ 4c Abs. 2 1. Hs. BDSG bestimmt, dass die zuständige Aufsichtsbehörde einzelne Übermittlungen oder bestimmte Arten von Übermittlungen personenbezogener Daten trotz mangelnden Schutzniveaus im Empfängerland genehmigen kann, wenn die verantwortliche Stelle ausreichende Garantien hinsichtlich des Schutzes des Persönlichkeitsrechts und der Ausübung der damit verbundenen Rechte vorweist. Derartige Garantien sollen insbesondere verbindliche Unternehmensregelungen (Binding Corporate Rules – BCR) oder entsprechende Klauseln eines zwischen dem Datenübermittler und dem Datenempfänger geschlossenen Übermittlungsvertrages bilden.309 Systemisch bedingte Datenschutzmängel im Empfängerland (USA) sollen also durch privatautonome Garantien kompensiert werden können.310 Verbindliche Unternehmensregelungen dienen vor allem dazu, in transnationalen Konzernen auch außerhalb der EU und des EWR hohe Datenschutzstandards zu sichern, um einen grenzübergreifenden und nach europäischem Recht legalen Datenaustausch innerhalb des gesamten Konzerns zu ermöglichen.311 Für deutsche Unternehmen, die Adressat eines US-amerikanischen Offenbarungsverlangens im Rahmen der pre-trial discovery sind, bilden Unternehmensregelungen regelmäßig kein geeignetes Mittel, das aus europäischer Sicht mangelnde Datenschutzniveau in den Vereinigten Staaten auszugleichen.312 Die Parteien einer pre-trial discovery sind typischerweise gerade nicht miteinander verbunden. Es ist im Übrigen auch nicht sehr wahrscheinlich, dass eine die discovery betreibende USamerikanische Partei unternehmensinterne Regeln umsetzen wird, die dem US-amerikanischen Datenschutzverständnis weitgehend fremd sind, einzig zu dem Zweck, dass der europäische Prozessgegner nach dem Recht seines Herkunftslandes bestimmte Daten offenbaren darf. Allenfalls für den Fall, dass der Datenempfänger in den USA von sich aus schon derartige Unternehmensregelungen implementiert hat – etwa weil er regelmäßig mit europäischen Unternehmen kooperiert – könnten BCR die Grundlage für eine Einzelfallgenehmigung der Datenübermittlung zum Zweck der pre-trial discovery nach § 4c Abs. 2 BDSG bilden. __________ 309 Vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, a.a.O.; Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 10 ff.; Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4c Rn. 15 ff., Hanloser, DuD 2008, 785, 788. 310 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 5. 311 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 20 ff. 312 Cate/Eisenhauer, Between a Rock and a Hard Place: The Conflict Between European Data Protection Laws and U.S. Civil Litigation Document Production Requirements, Privacy & Security Law Report, (Vol. 6, No. 6); Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 376 (2009).
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Bleibt noch die Möglichkeit, mit dem Prozessgegner einen Datenübermittlungsvertrag zu schließen, der beim US-amerikanischen Datenempfänger ein angemessenes Datenschutzniveau sicherstellt. Die EU-Kommission hat 2001313 und 2004314 allgemeine Standardvertragsklauseln für derartige Übermittlungsverträge veröffentlicht. Werden diese zwischen europäischem Übermittler und US-amerikanischem Empfänger vereinbart, so soll eine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nicht mehr erforderlich sein.315 Die Behörde soll nur noch über den Abschluss eines Übermittlungsvertrages informiert werden, damit sie ggf. ihre Kontrollbefugnisse ausüben kann.316 Allerdings erscheint auch hier zweifelhaft, ob sich die US-amerikanische Partei darauf einlässt, sich vertraglich zur Einhaltung europäischer Datenschutzstandards zu verpflichten. Und selbst wenn sie die grundsätzliche Bereitschaft hätte, europäische Datenschutzstandards in ihren wesentlichen Grundzügen zu respektieren, so sind die Verhandlung und vor allem Implementierung der vertraglichen Regeln jedenfalls so zeitaufwändig, dass sie im strengen Fristenplan einer pre-trial discovery kaum umzusetzen ist.317 Damit ist festzuhalten, dass Einzelfallgenehmigungen nach § 4c Abs. 2 BDSG eine transatlantische Datenübermittlung zum Zwecke der discovery zwar theoretisch rechtfertigen können, die Voraussetzungen für derartige Genehmigungen in der Rechtspraxis aber regelmäßig nicht erfüllt sein dürften. f) Sanktionen bei Nichtbeachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen sind ordnungs- und strafrechtlich sanktioniert (1). Sie können ferner zur Leistung von Schadensersatz verpflichten (2). __________ 313
Entscheidung 2001/497/EG der Kommission vom 15.06.2001 hinsichtlich Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer nach der Richtlinie 95/46/EG (ABl. EG v. 04.07.2001, Nr. L. 181 S. 19). 314 Entscheidung 2004/915/EG der Kommission vom 27.12.2004 zur Änderung der Entscheidung 2001/497/EG bezüglich der Einführung alternativer Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer (ABl. EG v. 29.12. 2004, Nr. L 385 S. 74). 315 Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 12 und 14; Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 18c; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 51. 316 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 18c. 317 Die Sicherung datenschutzrechtlicher Mindeststandards über die genannten Instrumente kommt daher vor allem als Präventivmaßnahme in Betracht. Vgl. hierzu Teil C. I.
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B. Das grundlegende Dilemma
(1) Bußgeld- und Strafvorschriften Nach Art. 24 DSRL sollen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen und entsprechende Sanktionen festlegen, um die volle Anwendung der Bestimmungen der Datenschutzrichtlinie sicherzustellen. Die Bundesrepublik hat dies mit Erlass der §§ 43, 44 BDSG getan.318 § 43 BDSG normiert verschiedene Bußgeldtatbestände. Abs. 1 sanktioniert Verstöße gegen datenschutzrechtliche Verfahrensvorschriften, z.B. Verstöße gegen Melde-, Informations- und Kennzeichnungsbestimmungen.319 Abs. 2 sanktioniert Verstöße gegen materielle Schutzvorschriften, d.h. unrechtmäßige Verarbeitungsvorgänge als solche.320 Bei Hinzutreten weiterer Merkmale (z.B. „Handeln gegen Entgelt“, „Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht“) bildet § 43 Abs. 2 BDSG nach § 44 BDSG einen Straftatbestand.321 Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 BDSG können die in § 43 Abs. 1 normierten Verfahrensverstöße mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro, die in § 43 Abs. 2 BDSG normierten Verstöße gegen materielle Schutzvorschriften mit einer Geldbuße bis zu 300.000 Euro belangt werden. Dabei soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit erlangt hat, übersteigen, vgl. § 43 Abs. 3 Satz 2 BDSG. Reichen die genannten Beträge hierzu nicht aus, so können sie nach § 43 Abs. 3 Satz 3 BDSG überschritten werden. § 44 Abs. 1 BDSG sieht als strafrechtliche Sanktion eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor. Immer wieder werden der Datenschutz und die im BDSG normierten buß- und strafrechtlichen Sanktionen als ein „zahnloser Tiger“ bezeichnet.322 Tatsächlich waren die Datenschutzaufsichtsbehörden in der Vergangenheit mit der Verhängung spürbarer Bußgelder zurückhaltend.323 Angesichts zahlreicher Datenschutzskandale324 der jüngeren Vergangenheit __________ 318 Vgl. hierzu: Bestmann, Und wer muss zahlen? Datenschutzrecht im Internet – die Bußgeldvorschriften, K&R 2003, 496; Holländer, Datensündern auf der Spur – Bußgeldverfahren ungeliebtes Instrument der Datenschutzaufsichtsbehörden?, RDV 2009, 215. 319 Gola/Schomerus, BDSG, § 43 Rn. 4 ff. 320 Gola/Schomerus, BDSG, § 43 Rn. 16 und 19. 321 Mackenthun in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 43 Rn. 1. 322 Vgl. z.B. Weichert, Datenschutzstrafrecht – ein zahnloser Tiger?, NStZ 1999, 490. 323 Vgl. Ehmann in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 43 Rn. 87 ff. 324 Abhandenkommen von 75 Mio. Kundendaten bei Sony, ; unzulässige Überwachung von 175.000 Mitarbeitern bei der Deutschen Bahn AG, ; Videoüberwachung und Führung geheimer Krankenakten bei LIDL, ; Abhandenkommen zehntausender Kreditkartendaten bei der Landesbank Berlin (LBB), ;
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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steigt indes das öffentliche Bewusstsein für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und mit dem öffentlichen Bewusstsein offenbar auch die Bereitschaft der Aufsichtsbehörden, die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen zu verhängen. Mittlerweile werden Verstöße mit zum Teil sehr empfindlichen Bußgeldern geahndet. So verhängte beispielsweise der Berliner Datenschutzbeauftragte im Oktober 2009 gegen die Deutsche Bahn wegen massiver Verstöße gegen das BDSG eine Geldbuße von über 1,1 Mio. Euro.325 Bußgelder in dieser Höhe – es war das höchste, das in der Bundesrepublik je festgesetzt worden war – werden zwar auch in Zukunft eher die Ausnahme bleiben. Angesichts des zunehmenden öffentlichen Bewusstseins für Fragen des Datenschutzes ist jedoch damit zu rechnen, dass die Aufsichtsbehörden künftig häufiger zu empfindlichen Sanktionen greifen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dementsprechend müssen sich auch deutsche, an einer pre-trial discovery beteiligte Unternehmen darauf einstellen, dass unzulässige Datenverarbeitungen und Übermittlungen in die Vereinigten Staaten nach den genannten Vorschriften belangt werden können und künftig auch belangt werden. (2) Schadensersatz Schadensersatzansprüche sind sowohl auf spezialgesetzlicher Grundlage wie auch nach den allgemeinen Vorschriften denkbar. Schadensersatz nach dem BDSG. Nach Art. 23 DSRL sollen die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Bestimmungen vorsehen, dass jede Person, der wegen einer rechtswidrigen Verarbeitung oder jeder anderen mit den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie nicht zu vereinbarenden Handlung ein Schaden entsteht, das Recht hat, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen Schadensersatz zu verlangen. Die entsprechende Bestimmung des BDSG ist § 7:326 Fügt eine verantwortliche Stelle dem Betroffenen durch eine nach dem BDSG oder anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zu, so ist sie __________ Verlust von 17 Mio. Kundendaten und Mitarbeiterüberwachung bei der Deutschen Telekom, (letzter Abruf jeweils: 29.07.2013). 325 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationssicherheit, Pressemitteilung vom 23.10.2009, 711.303.1, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 326 § 7 BDSG spielt in der Praxis allenfalls eine untergeordnete Bedeutung. Bislang sind keine Klagen bekannt, die mit Erfolg auf § 7 BDSG gestützt wurden.
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B. Das grundlegende Dilemma
oder ihr Träger dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet. Zwar wird das Verschulden nach § 7 Satz 2 BDSG wie nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet.327 Allerdings – und in Abweichung zum Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB – kommt es nicht auf die im Verkehr erforderliche, sondern auf die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt an.328 Schadensersatz nach dem BGB. § 7 BDSG ist keine abschließende oder ausschließliche Regelung.329 Demgemäß sind Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Vorschriften des BGB nicht ausgeschlossen. Ist der Geschädigte mit dem Schädiger durch eine rechtliche Sonderbeziehung verbunden – wie beispielsweise Kunden und Mitarbeiter des datenverarbeitenden Unternehmens – so kommt eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.330 Für den Geschädigten ist hier vorteilhaft, dass der Kreis der Ersatzberechtigten und -verpflichteten nicht beschränkt, das Verschulden vermutet (vgl. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) und aufgrund der uneingeschränkten Haftung für Mitarbeiter nach § 278 BGB sehr weitgehend ist. Denkbar ist es auch, auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 43 BDSG Ersatz zu verlangen, denn letztgenannte Norm ist ein Schutzgesetz.331 Die Haftung nach § 823 II hat gegenüber § 7 BDSG den Vorteil, dass der Kreis der Ersatzberechtigten und Verpflichteten nicht von vornherein auf den „Betroffenen“ im Sinne des BDSG und die „verantwortliche Stelle“ und deren „Träger“ beschränkt ist. Nachteilig ist, dass der Geschädigte – anderes als nach § 280 BGB – den vollen Beweis für das Verschulden erbringen muss. g) Anhang: Einwilligungserklärung (Datengeheimnis) Einwilligungserklärung Datum Name des Mitarbeiters Anschrift Betreff
: ___________________________ : ___________________________ : ___________________________ : Datenverarbeitung und Datenübermittlung
Mir ist bekannt, dass [Name des Adressaten des Offenbarungsverlangens] im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens nach den einschlägigen Bestimmungen des US-amerikanischen Verfahrensrechts verpflichtet ist, der Gegenseite und/oder dem Gericht be-
__________ 327
Gola/Schomerus, BDSG § 7 Rn. 9; Wank in: Erfurter Kommentar, BDSG, § 7
Rn. 1. 328
Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 7 Rn. 14. Gola/Schomerus, BDSG, § 7 Rn. 16. 330 Gola/Schomerus, BDSG, § 7 Rn. 17. 331 Mackenthun in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 43 Rn. 7. 329
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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stimmte Informationen zu übermitteln, die mit dem Verfahrensgegenstand in direktem und/oder indirektem Zusammenhang stehen bzw. stehen können. Mir ist weiterhin bekannt, dass die Nichtbefolgung dieser Pflicht nach US-amerikanischem Recht straf-, ordnungs- und verfahrensrechtliche Sanktionen für [Name des Adressaten des Offenbarungsverlangens] nach sich ziehen kann. Soweit die zu übermittelnden Informationen personenbezogene Daten betreffen, ist es im Hinblick auf Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) nicht ohne weiteres zulässig, diese zu verarbeiten und zum Zwecke der Verfahrensdurchführung in die USA zu übermitteln. Mir ist bekannt, dass in den USA kein dem Datenschutzniveau in der Europäischen Union vergleichbares Schutzniveau besteht. Vor diesem Hintergrund willige ich ein, dass Daten, soweit sie mich betreffend personenbezogen sind, im erforderlichen Umfang verarbeitet und in die USA übermittelt werden. Die vorliegende Einwilligung wird unter der Bedingung erteilt, dass die Übermittlung in die USA durch [Name des Adressaten des Offenbarungsverlangens] nach Möglichkeit nur in anonymisierter und/oder pseudonymisierter Form geschieht. Die Einwilligung ist widerruflich und geschieht freiwillig. _______________________________ Name, Vorname _______________________________ Ort, Datum, Unterschrift
2. Offenbarungsverbote aufgrund des Fernmeldegeheimnisses In der elektronischen Korrespondenz von Mitarbeitern finden sich zahlreiche Informationen, die für den Streitgegenstand direkt oder indirekt relevant und daher Gegenstand einer pre-trial discovery sein können.332 Nicht selten enthalten gerade E-Mails die streitentscheidende Information.333 Hat ein deutscher Arbeitgeber, gegen den eine discovery – insbesondere in Form der e-discovery – betrieben wird, seinen Mitarbeitern den Privatgebrauch ihres Firmen-E-Mail-Accounts wirksam untersagt, bemisst sich die Zulässigkeit der für die Durchführung der pre-trial discovery erforderlichen Einsichtnahme in das elektronische Postfach des Mitarbeiters sowie die Verarbeitung, Übermittlung und Nutzung der dort gespeicherten elektronischen Daten – soweit sie personenbezogen sind – allein nach den Vorschriften des BDSG. Es gelten die unter B.I. gemachten Ausführungen. Wurde der Privatgebrauch des Firmenaccounts durch den Arbeitgeber hingegen ausdrücklich gestattet oder wird er zumindest geduldet, so kann das in § 88 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) normierte Fernmeldegeheimnis mit der Offenbarungspflicht nach den FRCP konfligieren. So__________ 332
Vgl. zum Relevanzbegriff bereits oben, B.I.2.a). Vgl. Klinger, RIW 2007, 108, 112, der als Beispiel den Fall Merrill Lynch nennt (vgl. auch oben B.I.3.b). 333
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B. Das grundlegende Dilemma
weit das TKG gegenüber dem BDSG speziellere Vorschriften beinhaltet, tritt letztgenanntes als subsidiär zurück.334 Da § 88 TKG Regelungen enthält, die weiter gehen als jene des BDSG, würden die in E-Mails enthaltenen Informationen nicht mehr unter den allgemeinen Datenschutz, sondern unter die strengeren Bestimmungen des TKG fallen.335 Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Frage, ob, unter welchen Umständen, inwieweit und wie lang das Fernmeldegeheimnis durch einen Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern zu beachten ist, existiert nicht. Geplant ist zwar, in einem neuen § 32i BDSG die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten, die beim Gebrauch von Telekommunikationsmitteln am Arbeitsplatz anfallen, einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zuzuführen.336 Allerdings soll § 32i BDSG n.F. nur gelten, wenn die Nutzung der Telekommunikationsmittel ausschließlich zu beruflichen oder dienstlichen Zwecken erlaubt ist. Eine Sonderregelung zur erlaubten Privatnutzung von Telekommunikationsmitteln enthält der Gesetzentwurf nicht. Ausweislich des Hintergrundpapiers der Bundesregierung zum Gesetzentwurf bleibt es insofern bei der „geltenden Rechtslage nach dem Telekommunikationsgesetz“.337 Allein: Die geltende Rechtslage gilt als „intransparent“338 und „diffus“339, insgesamt bewegt sich das Thema in einem „Schwebezustand unklarer gesetzlicher Formulierungen.“340 Demgemäß besteht im Rahmen einer pre-trial discovery erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich etwaig zu beachtender Geheimhaltungspflichten nach dem TKG. __________ 334 Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG und Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 7. 335 De Wolf, Kollidierende Pflichten: zwischen Schutz von E-Mails und „Compliance“ im Unternehmen, NZA 2010, 1206, 1207. 336 BT-Drs. 17/4230 vom 15.12.2010, Entwurf eines Gesetztes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes; vgl. hierzu: Gola/Klug, Die Entwicklung des Datenschutzrechts in den Jahren 2010/2011, NJW 2011, 2484, 2487; Hegewald in: Leupold/Glossner, Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 2. Auflage (2011), Teil 7 Rn. 68; Holzner, Neues zur Regelung von E-Mail und Internet am Arbeitsplatz?, ZRP 2011, 12; RassmussenBonne/Raif, Neues beim Beschäftigtendatenschutz – Worauf sich Unternehmen einstellen müssen, GWR 2011, 80; Thüsing, Verbesserungsbedarf beim Beschäftigtendatenschutz, NZA 2011, 16; Vietmeyer/Byers: Der Arbeitgeber als TK-Anbieter im Arbeitsverhältnis, MMR 2010, 807. 337 Vgl. Hintergrundpapier der Bundesregierung vom 25.08.2010 zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, 6. 338 Holzner, ZPR 2011, 12. 339 Schöttler, Anmerkung zu VG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.11.2008, jurisPR-ITR 4/2009 Anm. 2 (27.02.2009). 340 De Wolf, NZA 2010, 1206, 1211; zur Kritik am Entwurf zu § 32i BDSG: Thüsing, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, Deutscher Bundestag Innenausschuss, Ausschuss-Drs. 17 (4) 252 E, 11.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Um zu verdeutlichen, welche Bedeutung dem Fernmeldegeheimnis in Deutschland und der EU zukommt, soll zunächst ein kurzer Überblick über seine europarechtlichen und grundgesetzlichen Grundlagen gegeben werden (a). Sodann wird untersucht, ob, unter welchen Voraussetzungen und inwieweit das Fernmeldegeheimnis bei der Durchführung einer discovery zu beachten ist (b). Schließlich wird dargestellt, welche das Dilemma zwischen Offenbarungs- und Geheimhaltungspflicht charakterisierende Sanktionen bei Verletzung des Fernmeldegeheimnisses drohen (c). a) Europarechtliche und grundgesetzliche Grundlagen des Fernmeldegeheimnisses Auf europäischer Ebene wird das Fernmeldegeheimnis zum einen von Art. 8 EMRK (Schutz der Privatsphäre) geschützt,341 zum anderen verpflichtet Art. 7 der EU-Grundrechtecharta zur Achtung der Privatsphäre in der Kommunikation.342 Ferner gibt Art. 5 der Europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002/58/EG)343 den Mitgliedstaaten auf, die Vertraulichkeit der mit öffentlichen Kommunikationsnetzen und öffentlich zugänglichen Kommunikationsdiensten übertragenen Nachrichten und der damit verbundenen Verkehrsdaten durch innerstaatliche Vorschriften sicherzustellen. Auf nationaler Ebene ist das Fernmeldegeheimnis in Art. 10 GG grundrechtlich verbürgt. Es schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe der Telekommunikationstechnik.344 Das Fernmeldegeheimnis soll einen Ausgleich für die technisch bedingte Einbuße an Privatheit schaffen und will den Gefahren begegnen, die sich aus dem Übermittlungsvorgang einschließlich der Einschaltung eines Dritten ergeben.345 Die Beteiligten sollen möglichst so gestellt werden, wie sie bei einer Kommunikation unter Anwesenden stünden.346
__________ 341
Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Auflage (2006), § 88 Rn. 8; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn 2. 342 Zum Grundrechtsschutz in Europa durch EMRK und EU-Grundrechtecharta vgl.: Pache/Rösch: Europäischer Grundrechtsschutz nach Lissabon – die Rolle der EMRK und der Grundrechtecharta in der EU, EuZW 2008, 519. 343 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. EG v. 31.07.2002, Nr. L 201 S. 37). 344 Baldus in: Beck’scher Online-Kommentar GG, Edition 16 (Stand: Januar 2013), Artikel 10 Rn. 3. 345 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976, 978 – Ermittlung von Verbindungsdaten. 346 Baldus in: Beck’scher Online-Kommentar, Artikel 10 Rn. 3.
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B. Das grundlegende Dilemma
Art. 10 GG richtet sich unmittelbar nur an Staatsorgane, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG.347 Staatliche Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, wie beispielsweise die heimliche Überwachung von Telefongesprächen, müssen sich an Art. 10 GG messen lassen.348 § 88 TKG erfüllt den grundgesetzlichen Auftrag des Staates, vor Eingriffen Privater in das Fernmeldegeheimnis zu schützen.349 Erforderlich wurde die einfachgesetzliche Normierung des Fernmeldegeheimnisses vor allem durch die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes ab Ende der 1980er Jahre.350 Aufgrund des staatlichen Schutzauftrags und der engen inhaltlichen Verbundenheit zu Art. 10 GG ist § 88 TKG entsprechend Art. 10 GG auszulegen.351 Das bedeutet, dass bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken des § 88 TKG die Rechtsprechung zu Art. 10 GG – insbesondere jene des BVerfG – in besonderem Maße zu beachten und soweit möglich – auf § 88 TKG zu übertragen ist.352 Damit wird die Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 10 GG auch relevant, wenn es um die Bedeutung des Fernmeldegeheimnisses für Maßnahmen der pre-trial discovery geht. b) Bedeutung des Fernmeldegeheimnisses für Maßnahmen der pre-trial discovery Das einfachgesetzliche Fernmeldegeheimnis hat für Maßnahmen der pretrial discovery dann Bedeutung, wenn der Schutzbereich von § 88 TKG eröffnet (1) und das dort normierte Programm der Verhaltenspflichten vom Adressaten der discovery daher zu beachten ist (2). (1) Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses Der Schutzbereich muss in sachlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht eröffnet sein.
__________ 347 Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 1; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 1. 348 Vgl. §§ 100a ff. StPO. 349 Bock, in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 2; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 1. 350 Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 4. Zu den europarechtlichen Vorgaben der Liberalisierung: siehe Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Auflage (2006), Rn. 763 ff. 351 Eckardt in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage (2011) § 88 TKG Rn. 4; Ellinghaus in: Arndt/Fetzer/Scherer, Telekommunikationsgesetz Kommentar (2008), § 88 Rn. 7. 352 Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 12.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Sachlicher Schutzbereich. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 TKG unterliegen dem Fernmeldegeheimnis der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Zentraler Begriff zur Bestimmung des sachlichen Schutzbereichs ist jener der „Telekommunikation“.353 Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 22 TKG ist unter „Telekommunikation“ der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen zu verstehen. Dabei sind „Telekommunikationsanlagen“ nach § 3 Nr. 23 TKG alle Einrichtungen und Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale be- oder verarbeiten können. Der Telekommunikationsbegriff ist denkbar weit und erfasst jede Form moderner Kommunikation.354 Nicht nur die herkömmliche Sprachtelefonie, auch das Versenden, Übermitteln und Empfangen von E-Mails fällt unter den Begriff der Telekommunikation in diesem Sinne.355 Soweit im Rahmen einer e-discovery E-Mails von Mitarbeitern des deutschen Unternehmens gescannt und offenbart werden sollen, ist der sachliche Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG eröffnet. Persönlicher Schutzbereich. Anders als Art. 10 GG, der gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle Staatsorgane zur Achtung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet, betrifft § 88 TKG nur bestimmte Personen.356 Nach § 88 Abs. 2 Satz 1 TKG ist zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses jeder „Diensteanbieter“ verpflichtet. Dies ist nach § 3 Nr. 6 TKG jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. Dabei sind „Telekommunikationsdienste“ nach § 3 Nr. 24 TKG in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Das „geschäftsmäßige“ Erbringen von Telekommunikationsdiensten ist nach § 3 Nr. 10 TKG das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.357 Uneinigkeit herrscht darüber, ob der Mitarbeiter eines Unternehmens durch Gestattung oder Duldung des Privatgebrauchs seines betrieblichen __________ 353
Eckardt in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 88 TKG Rn. 9. Eckardt in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 88 TKG Rn. 9; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 12. 355 Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 6 und 11; Gundermann, Das neue TKG-Begleitgesetz, K&R 1998, 48, 49; Ellinghaus in: Arndt/Fetzer/Scherer, TKG, § 88 Rn. 39; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 12. 356 Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 1. 357 BT-Drs. 13/3609, S. 53. 354
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B. Das grundlegende Dilemma
E-Mail-Accounts gegenüber seinem Arbeitgeber zum „Dritten“ im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG und das Unternehmen selbst damit zum „Diensteanbieter“ im Sinne des § 88 TKG wird. Laut einem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg aus dem Jahre 2011 sei dies nach herrschender Auffassung nicht der Fall.358 Eine Begründung liefert das Gericht aber ebenso wenig, wie das Urteil des LAG Niedersachsen aus dem Jahr 2010,359 auf das das LAG Berlin-Brandenburg zum Nachweis der vermeintlich herrschenden Auffassung verweist.360 Argumente, die gegen die Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs von § 88 TKG sprechen, liefern – zahlenmäßig allerdings überschaubare – Stimmen in der Literatur.361 So wird gegen die Qualifikation des Arbeitgebers als Diensteanbieter angeführt, dass dieser kein „nachhaltiges Angebot“ im Sinne von § 3 Nr. 10 TKG erbringe und daher nicht geschäftsmäßig handle.362 Auch erbringe der Arbeitgeber den Dienst meist entgeltfrei, § 3 Nr. 24 TKG fordere aber in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste.363 Im Übrigen sprächen Sinn und Zweck des TKG gegen die Annahme, ein Arbeitgeber könne Diensteanbieter sein.364 Dieser bestehe nach § 1 TKG darin, durch eine technologieneutrale Regulierung den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikationsinfrastrukturen zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Zur Privatnutzung von Internet und/oder E-Mail-Accounts am Arbeitsplatz finde sich an keiner Stelle der Begründung des Gesetzesentwurfs ein ausdrücklicher Hinweis.365 Schließlich seien die praktischen Auswirkungen der Qualifika__________ 358 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011, 4 Sa 2132/10, DB 2011, 1281 ff. 359 LAG Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010, 12 Sa 875/09, MMR 2010, 639 ff. 360 Die Frage offengelassen haben das VG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.11.2008, 1 K 628/08.F, WM 2009, 948. und der Hessische Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19.05.2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470. Entgegen einer Ansicht in der Literatur (vgl. Härting, CR 2009, 581, 583 Fußnote 30) kann dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10.01 2005, 1 Ws 152/04, MMR 2005, 178 nicht die Aussage entnommen werden, der Arbeitgeber sei in diesem Fall Diensteanbieter, denn das OLG bejahte die Diensteanbietereigenschaft, weil außerhalb der Organisationsstruktur (Universität) stehenden Personen der Gebrauch von Mailaccounts ermöglicht wurde. 361 Barton, E-Mail-Kontrolle durch Arbeitgeber, CR 2003, 839, 843; Löwisch, Fernmeldegeheimnis und Datenschutz bei der Mitarbeiterkontrolle, DB 2009, 2782; Schimmelpfennig/Wenning, Arbeitgeber als Telekommunikationsdienste-Anbieter?, DB 2006, 2290, 2293; Wuermeling/Felixberger, Fernmeldegeheimnis und Datenschutz im Telekommunikationsgesetz, CR 1997, 230, 231 f. 362 Löwisch, DB 2009, 2782, 2783; Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2292. 363 Schimmelpfennig/Wenning, a.a.O. 364 Barton, CR 2003, 839, 843; Löwisch, DB 2009, 2782; Schimmelpfennig/Wenning, a.a.O. 365 Schimmelpfennig/Wenning, a.a.O.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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tion als Diensteanbieter im Sinne des TKG nicht bedacht worden und in der Praxis nicht wünschenswert.366 Keines der vorgebrachten Argumente vermag zu überzeugen. Die Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses auf einen Arbeitgeber mag, das zeigt auch die vorliegende Arbeit, für diesen in der Praxis zu misslichen Folgen führen. Im Einzelfall bestehende – und durch Untersagung des Privatgebrauchs im Übrigen ohne weiteres vermeidbare – Folgen vermögen aber für sich genommen nicht zu rechtfertigen, dem Arbeitgeber entgegen dem Wortlaut des TKG die Eigenschaft des Diensteanbieters abzusprechen. Bei stringenter Subsumtion des Sachverhaltes kommt man zur Qualifikation als Diensteanbieter. Angesichts des Umstandes, dass den Mitarbeitern während ihrer Arbeitszeit stets und durch den Einsatz eines Blackberry usw. auch darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet ist, private Nachrichten zu versenden und zu empfangen, mangelt es auch nicht an der erforderlichen Nachhaltigkeit der erbrachten Dienstleistung und somit auch nicht an der Geschäftsmäßigkeit im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG. Auch die Tatsache, dass das Telekommunikationsangebot des Arbeitgebers unentgeltlich erfolgt, steht dem – anders als nach der in der Literatur vertretenen Meinung – nicht entgegen, ihn als Diensteanbieter zu qualifizieren. Zum einen geht das Gesetz selbst davon aus, dass derartige Dienste nur „in der Regel“, aber eben nicht zwingend gegen Entgelt erbracht werden müssen. Zum anderen zeigen zahlreiche unzweifelhaft dem § 88 TKG unterfallende E-Mail-Dienste wie Googlemail, GMX, Hotmail usw., dass derartige Angebote heutzutage sogar in aller Regel entgeltfrei erbracht werden. Mag Sinn und Zweck des TKG die Wettbewerbsförderung im Telekommunikationssektor und die Sicherstellung eines flächendeckenden Dienstleistungsangebots sein; dies hindert den Gesetzgeber nicht, neben diesen generellen Zielen auch andere zu verfolgen. Bereits die Normierung des Fernmeldegeheimnisses in § 88 TKG zeigt, dass der Gesetzgeber mit Erlass des TKG durchaus auch anderes als Wettbewerbsförderung und Flächendeckung im Sinn hatte. Schlichtweg falsch ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, der Privatgebrauch bzw. die private Nutzung finde in der Gesetzesbegründung keine Erwähnung. Tatsächlich heißt es zu § 82 TKG a.F., der Vorgängervorschrift des aktuellen § 88 TKG:367 „Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen […] z.B. Corporate Networks, Nebenstellenanlagen in Hotels und Krankenhäusern, Clubtelefone und Nebenstellenanlagen in Betrieben
__________ 366 367
Barton, CR 2003, 839, 843. BT-Drs. 13/3609, 53.
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B. Das grundlegende Dilemma
und Behörden, soweit sie den Beschäftigten zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt sind.“
Es entspricht also dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, bei gestatteter Privatnutzung von Telekommunikationsanlagen davon auszugehen, dass derjenige, der diese zur Verfügung stellt, Diensteanbieter im Sinne des TKG ist. Von der Qualifikation des Arbeitgebers als Diensteanbieter geht offenbar auch die Bundesregierung aus. In ihrem Hintergrundpapier zu den neuen Regelungen zum Beschäftigungsdatenschutz stellt sie klar, dass es im Falle der erlaubten privaten Nutzung betrieblicher Telekommunikationseinrichtungen „bei der geltenden Rechtslage nach dem Telekommunikationsgesetz“ bleibe.368 Voraussetzung dafür, dass sich die Rechtslage nach dem Telekommunikationsgesetz richtet, ist aber, dass der Arbeitgeber als Diensteanbieter zu qualifizieren ist. Zu Recht geht daher die ganz herrschende Meinung in der Literatur davon aus, dass ein Arbeitgeber durch Gestattung oder Duldung des Privatgebrauchs zum Diensteanbieter im Sinne des TKG wird.369 Will man an diesem Ergebnis etwas ändern – und die vorliegende Arbeit zeigt, dass es gute Gründe für eine Änderung gibt –, bedürfte es einer entsprechenden Gesetzesänderung. Denn angesichts des Wortlautes des TKG und des (bei Verabschiedung des TKG) erklärten Willens des Gesetzgebers ist eine teleologische Reduktion des gesetzlichen Tatbestandes nicht unproblematisch.370 __________ 368
Vgl. Hintergrundpapier zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes – Kabinettsbeschluss vom 25.08.2010 –, 6. 369 Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 24; Brink, jurisPR-ArbR 33/2011 Anm. 5; Deutlmoser/Filip, ZD Beil. 2012, 1, 18 f.; de Wolf, NZA 2010, 1206, 1208; Eckardt in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 88 TKG Rn. 18; Härting, E-Mail und Telekommunikationsgegeimnis, CR 2007, 311, 312; Hoppe/Braun, Arbeitnehmer-E-Mails: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist schlecht, Auswirkungen der neusten Rechtsprechung des BVerfG auf das Arbeitsverhältnis, MMR 2010, 80; Kömpf/ Kunz, NZA 2007, 1341, 1345; Kieper, Datenschutzrechtliche Bewertung von ProxyCache-Servern, DuD 1999, 591, 592: Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 20; Rasmussen-Bonne/Raif, Neues beim Beschäftigtendatenschutz – Worauf sich Unternehmen einstellen müssen, GWR 2011, 80, Schmidl, Private E-MailNutzung – Der Fluch der guten Tat, DuD 2005, 267, 269; Tiedemann, MMR 2010, 641; Vietmeyer/Byers, MMR 2010, 807; Wank in: Erfurter Kommentar, BDSG, § 1 Rn. 3; Wybitul, Interne Ermittlungen auf Aufforderung von US-Behörden – ein Erfahrungsbericht, BB 2009, 606, 607; Zetzsche in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktsrechts-Kommentar, 4. Auflage (2010), § 4 WpHG Rn. 53; für Tinnefeld, Arbeitnehmerdatenschutz und neue Unternehmenskulturen, ZRP 1999, 197, 199 sind Arbeitnehmer sogar stehts Dritte im Sinne des TKG. 370 Eine teleologische Reduktion des § 88 TKG schlagen aber Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2294 vor. Ein stichhaltiges Argument für eine teleologische Reduktion wäre, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung des TKG das Ausmaß der heu-
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Auch wenn der Tatbestand des § 88 TKG nach alledem sowohl in sachlicher wie auch in persönlicher Hinsicht eröffnet ist, bleibt aber fraglich, ob er in Bezug auf die typischen Maßnahmen einer e-discovery auch in zeitlicher Hinsicht (noch) eröffnet ist. Zeitlicher Schutzbereich. Bei einer e-discovery findet keine (heimliche) Überwachung des laufenden Telefon- und Mailverkehrs statt. Vielmehr werden die auf dem zentralen Server einer Streitpartei bzw. – je nach ITInfrastruktur des Unternehmens – den Rechnern und sonstigen Geräten der Mitarbeiter bereits gespeicherten Datensätze auf relevante Informationen durchsucht. Gegenstand der Beweisermittlungen ist also nicht gegenwärtige, sondern in der Vergangenheit geführte Kommunikation. Das BVerfG entschied in einem Urteil aus dem Jahre 2006, dass der Schutz des Fernmeldegeheimnisses in dem Moment ende, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang damit beendet sei.371 Faktischer Hintergrund der Entscheidung war die Beschlagnahme eines PCs und eines Mobiltelefons im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in der Wohnung der Beschuldigten zwecks Erlangung von auf den Geräten gespeicherten Verbindungsdaten. Das BVerfG entschied, dass die nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Daten nicht mehr vom Fernmeldegeheimnis, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt seien.372 Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation im Herrschaftsbereich des Empfängers, der eigene Schutzvorkehrungen gegen den ungewollten Datenzugriff treffen könne, nicht mehr bestünden.373 Eine Nachricht sei mit Zugang bei dem Empfänger nicht mehr den erleichterten Zugangsmöglichkeiten Dritter ausgesetzt, die sich aus der fehlenden Beherrschbarkeit und Überwachungsmöglichkeit ergeben. Beim Empfänger gespeicherte Kommunikationsdatensätze unterschieden sich nicht von Datensätzen, die der Nutzer selbst angelegt habe.374 Letzterer habe es selbst in der Hand, ob die bei ihm vorhandenen Daten dauerhaft gespeichert werden.375 Er könne sich bei den seiner Verfügungsmacht unterliegenden Geräten gegen den unerwünschten Zugriff Dritter durch vielfältige Maßnah__________ tigen E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz noch nicht absehbar war und nicht gewollt gewesen sein kann, dass einem Arbeitgeber der Zugriff auf sämtliche (d.h. auch alle betrieblichen) E-Mails verwehrt ist. 371 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 74. 372 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 73. 373 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 75. 374 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 78. 375 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 79.
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B. Das grundlegende Dilemma
men schützen, etwa durch die Benutzung von Passwörtern oder anderweitigen Zugangscodes sowie durch Einsatz von Verschlüsselungsprogrammen und spezieller Software zur Datenlöschung.376 Der Hessische Verwaltungsgerichtshof übertrug die Wertungen des BVerfG im Mai 2009 auf einen Sachverhalt, in dem auf Ersuchen der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde vor dem Hintergrund von Ermittlungen wegen verbotenen Insiderhandels u.a. auf alle Dokumente, E-Mails und sonstige Kommunikationsmittel zugegriffen werden sollte, die von Personen im Zusammenhang mit den fraglichen Geschäften genutzt wurden und die bestimmte, in dem Offenbarungsverlangen im Einzelnen aufgeführte Namen, Stichworte oder E-Mail-Adressen enthielten.377 Es handelte sich also um eine e-discovery, wenngleich auch nicht im Rahmen eines Zivilverfahrens. Unter Hinweis u.a. auf das o.g. Urteil des BVerfG aus dem Jahre 2006 führte der VGH Hessen aus, der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses sei nicht betroffen, weil es sich bei den E-Mails, deren Vorlage begehrt werde, nicht um Kommunikationsinhalte handle, die während des Kommunikations- und Übertragungsvorgangs ohne Wissen und Wollen der Kommunikationsteilnehmer zum Zweck der allgemeinen Überwachung, der Feststellung eines spezifischen Missbrauchs des Telekommunikationssystems oder aus anderen Gründen datenmäßig erfasst und gespeichert bzw. in anderer Weise verarbeitet würden. Vielmehr seien die E-Mails erst nach dem Abschluss der Übertragung über den Empfänger der E-Mail in die innerbetrieblichen Speichermedien des Arbeitgebers gelangt.378 Gestatte ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern, den Arbeitsplatzrechner auch zum privaten E-Mail-Verkehr zu nutzen und E-Mails, die von den Mitarbeitern nicht unmittelbar nach Eingang oder Versendung gelöscht werden, im Posteingang oder Postausgang zu belassen oder in anderen auf lokalen Rechnern oder zentral gesicherten Verzeichnissen des Systems abzuspeichern, unterliege der Zugriff des Arbeitgebers oder Dritter auf diese Datenbestände nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.379 Die Sichtweise des VGH Hessen ist in der Literatur zwar auf Zustimmung gestoßen.380 Es ist aber fraglich, ob sie mit Blick auf einen wenige __________ 376
BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 – juris Rn. 80. Hessischer VGH, Beschluss vom 19. Mai 2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470 – juris Rn. 1, vorgehend: VG Frankfurt a.M., Urteil vom 6.11.2008, 1 K 628/08.F. (2). 378 Hessischer VGH, Beschluss vom 19. Mai 2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470 – juris Rn. 16. 379 Hessischer VGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 – 6 A 2672/08.Z – NJW 2009, 2470, 1. Leitsatz. 380 Vgl. Härting, Beschlagnahme und Archivierung von Mails, CR 2009, 581, 584; Tiedemann, Anmerkung zu LAG Niedersachsen – 12 Sa 875/09 – MMR 2010, 641, 642; 377
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Wochen später ergangenen Beschlusses des BVerfG,381 welcher Inhalt und Schranken des Fernmeldegeheimnisses weiter präzisierte, in Zukunft aufrecht erhalten werden kann. In dem Verfassungsgerichtsbeschluss ging es um die Beschlagnahme von E-Mails, die nicht auf dem heimischen Rechner des Adressaten, sondern auf dem Mail-Server eines Providers lagen.382 Die Konstellation entsprach also derjenigen, in der Mitarbeiter-E-Mails nicht auf dem lokalen PC des Mitarbeiters, sondern auf dem zentralen Server des Arbeitgebers gespeichert sind. Die niedersächsische Landesregierung, der BGH, der Generalbundesanwalt und das Bundesjustizministerium waren in ihren Stellungnahmen der Ansicht, der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses sei deshalb nicht betroffen, weil der Kommunikationsvorgang beendet sei, sobald eine E-Mail auf dem Mailserver des Providers eingehe. Sie sei im Herrschaftsbereich des E-Mail-Adressaten angekommen, der darauf zugreifen dürfe und könne. Die Gefahr eines Zugriffs Dritter sei Folge einer freiwilligen Entscheidung des Nutzers, seine E-Mails auf einem auswärtigen Speicherplatz zu verwalten.383 Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz äußerte in seiner Stellungnahme die Ansicht, der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses ende, sobald der Empfänger die auf dem Mailserver eingegangene E-Mail zur Kenntnis genommen habe. Ab diesem Moment könne er mit ihr beliebig verfahren und sie durch Löschung einem Zugriff durch Dritte entziehen.384 Beiden Sichtweisen erteilte das BVerfG eine klare Absage. Die Richter betonten zunächst erneut, dass sich der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nicht auf die außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände erstrecke.385 Demgegenüber sei der zugangsgesicherte Kommunikationsinhalt in einem E-Mail-Postfach, auf das __________ für die Vorinstanz (VG Frankfurt a.M. – 1 K 628/08.F – WM 2009, 948): Schöttler, jurisPR-ITR 4/2009 Anm. 2. 381 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009 – 2 BvR 902/06 – NJW 2009, 2431f. 382 Noch wenige Monate zuvor, im März 2009, urteilte der BGH, dass sich die Beschlagnahme von E-Mails beim Provider im Rahmen eines Strafverfahrens nicht am Fernmeldegeheimnis messen lassen müsse. Aufgrund der – wenn auch nur Sekundenbruchteile dauernden – Speicherung der Nachrichten beim Provider fehle es am erforderlichen laufenden Kommunikationsvorgang (vgl. BGH, Beschluss vom 31.03.2009 – 1 StR 76/09 – NJW 2009, 1828). 383 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431 – juris Rn. 32. 384 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431 – juris Rn. 36; vgl. auch Schöttler, jurisPR-ITR 4/2009 Anm. 2. 385 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431 – juris Rn. 45.
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B. Das grundlegende Dilemma
der Nutzer nur über eine Internetverbindung zugreifen kann, durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Die auf dem Mailserver des Providers vorhandenen E-Mails seien nicht im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers, sondern jenem des Providers gespeichert. Sie befänden sich nicht auf in den Räumen des Nutzers verwahrten oder in seinen Endgeräten installierten Datenträgern. Der Nutzer könne sie für sich auf einem Bildschirm nur lesbar machen, indem er eine Internetverbindung zum Mailserver des Providers herstelle. Zwar könne der Nutzer versuchen, die auf dem Mailserver gespeicherten E-Mails durch Zugangssicherungen vor einem ungewollten Zugriff Dritter zu schützen. Der Provider bleibe jedoch weiterhin in der Lage, jederzeit auf die auf dem Mailserver gespeicherten E-Mails zuzugreifen. Der Kommunikationsteilnehmer habe keine technische Möglichkeit, die Weitergabe der E-Mails durch den Provider zu verhindern. Dieser technisch bedingte Mangel an Beherrschbarkeit begründe die besondere Schutzbedürftigkeit durch das Fernmeldegeheimnis. Dies gelte unabhängig davon, ob eine E-Mail auf dem Mailserver des Providers zwischen- oder endgespeichert ist. In beiden Fällen sei der Nutzer gleichermaßen schutzbedürftig.386 Das BVerfG betonte zudem, dass der Schutz der auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails durch das Fernmeldegeheimnis auch dadurch nicht entfalle, dass ihr Inhalt oder Eingang vom Empfänger möglicherweise schon zur Kenntnis genommen worden ist. Denn die spezifische Gefährdungslage und der Zweck der Freiheitsverbürgung des Fernmeldegeheimnisses bestünden auch dann weiter, wenn die E-Mails nach Kenntnisnahme beim Provider gespeichert bleiben. Der Provider bleibe dauerhaft in die weitere E-Mail-Verwaltung auf seinem Mailserver eingeschaltet.387 Überträgt man die Ausführungen des BVerfG auf das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG, so folgt daraus, dass E-Mails von Arbeitnehmern jedenfalls dann dauerhaft dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, wenn sie auf dem zentralen Unternehmensserver gespeichert sind und der Zugriff auf sie ausschließlich über eine Online-Verbindung möglich ist.388 Denn jedenfalls dann kann der Arbeitnehmer genauso wenig wie der Kunde eines kommerziellen E-Mail-Providers (z.B. GMX, GoogleMail, Hotmail etc.) durch technische Maßnahmen verhindern, dass die zentral gespeicherten Nachrichten an Dritte weitergegeben werden. Die Daten liegen im Herrschaftsbereich des Arbeitgebers. __________ 386
BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431 – juris Rn. 46. 387 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431 – juris Rn. 48. 388 Vgl. Härting, CR 2009, 581, 584; Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 20.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Der Schutz gilt auch unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer von den an ihn adressierten E-Mails Kenntnis genommen hat.389 Aus der Kenntnisnahme der Nachrichten auf das Ende des Schutzes zu schließen, würde zur Annahme eines konkludenten Verzichts auf das Fernmeldegeheimnis führen. Angesichts der Bedeutung, die das Fernmeldegeheimnis in der deutschen und europäischen Rechtsordnung hat, und der strengen Anforderungen, die an eine wirksame Einwilligung in Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis gestellt werden,390 ist eine derartige Annahme nicht statthaft. Da das BVerfG die Schutzbedürftigkeit des Kommunikationsteilnehmers ganz generell unter Berücksichtigung der faktischen Herrschaft über die Daten bestimmt,391 greift das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG aber ferner auch dann, wenn die Nachrichten zwar auf dem lokalen Rechner des Arbeitnehmers gespeichert sind, der Arbeitgeber aber einen nicht zu verhindernden Zugriff auf sie hat.392 Ein solcher Zugriff kann etwa durch Anwahl des lokalen Rechners über das Firmennetzwerk und Überwindung etwaiger, durch den Mitarbeiter eingerichteter Zugangssperren durch den IT-Support geschehen. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob sich der Arbeitgeber hierdurch ggf. nach § 202a StGB wegen Ausspähens von Daten strafbar macht.393 Denn entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht die rechtliche, sondern die faktische Datenherrschaft.394 Nur dann, wenn Nachrichten auf lokalen Speichermedien liegen, auf die der Arbeitgeber keinerlei faktischen Zugriff über ein Firmennetzwerk hat, endet der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses. Denn erst dann ist die Konstellation mit derjenigen vergleichbar, in der ein Kunde E-Mails __________ 389
Baldus in: BeckOK, Stand 01.07.2001, Artikel 10 GG Rn. 10a und 10.2; Brink, jurisPR-ArbR 33/2011 Anm. 5; a.A.: Schöttler, jurisPR-ITR 4/2009 Anm. 2. 390 Die Einwilligung in Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis unterliegt denselben Anforderungen, die in § 4a Abs. 1 BDSG gestellt werden, insbesondere muss sie ausdrücklich und frei von jedem Zwang erfolgen (vgl. Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 18). Eine Einwilligung nur des Adressaten kann den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nicht verkürzen. Notwendig ist stets die Einwilligung aller beteiligten Telekommunikationsteilnehmer. 391 Vgl. auch de Wolf, NZA 2010, 1206, 1209. 392 De Wolf, NZA 2010, 1206, 1209. Hoppe/Braun, MMR 2010, 80, 82; Tiedemann, Anmerkung zu LAG Niedersachsen – 12 Sa 875/09 – MMR 2010, 641, 642; a.A. wohl Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG § 88 TKG Rn. 20. 393 § 202a StGB lautet: „Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 394 Härting, CR 2009, 581, 584 hingegen schließt aus dem Strafrechtsschutz nach § 202a StGB und dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darauf, dass auf dem Rechner der Arbeitnehmer liegende Nachrichten dem Herrschaftsbereich des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen sind.
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B. Das grundlegende Dilemma
auf seinen heimischen Rechner heruntergeladen und damit in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich verbracht hat. Durch die zunehmende Vernetzung aller elektronischen Arbeitsmittel (zentraler Unternehmensserver, lokaler PC, Notebook, Blackberry, Mobiltelefon etc...) wird der Arbeitgeber aber in aller Regel eine faktische Zugriffsmöglichkeit auf die Nachrichten seiner Mitarbeiter behalten, und diese werden daher dauerhaft schutzbedürftig im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG bleiben. Folge aus der Eröffnung des Schutzbereichs des Fernmeldegeheimnisses in sachlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht ist, dass in dem Postfach des Mitarbeiters eingehende und von dort abgesendete Post insgesamt nicht als betrieblich, sondern zumindest auch als privat zu behandeln ist. Der private E-Mail-Verkehr „infiziert“ den gesamten Mail-Account auch im Hinblick auf die betriebliche Kommunikation.395 Dies zieht die Anwendbarkeit der in § 88 TKG ausdrücklich normierten Verhaltenspflichten nicht nur in Bezug auf private, sondern auch auf betriebliche E-Mails nach sich. (2) Verhaltenspflichten Konkrete Verhaltenspflichten ergeben sich sowohl aus § 88 Abs. 3 TKG wie aus § 92 TKG. Gebot der Geheimhaltung, § 88 Abs. 3 TKG. Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG ist es dem Diensteanbieter untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere ist nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG nur zulässig, soweit das TKG oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Die im Rahmen einer pre-trial discovery erforderlichen Maßnahmen sind mit den Verhaltenspflichten nach § 88 Abs. 3 TKG schwerlich zu vereinbaren.396 Im Rahmen einer pre-trial discovery müssen die bei einer Streitpartei vorhandenen elektronischen Datensätze eingehend gescannt __________ 395
Schimmelpfennig/Wenning, DB 2006, 2290, 2291. Eckhardt in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Auflage (2007), Rn. L 76; Junker, Electronic Discovery, Rn. 208 ff.; Rath/Klug, K&R 2008, 596, 598 f.; Sedona Confererence, International Overview, 100; Spieß/Schröder, US District Court Utah: Deutsches Datenschutzrecht blockiert nicht die US-Beweiserhebung (E-Discovery), MMR 2010, 275, 276 f. 396
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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und ihr Inhalt umfassend auf streitrelevante Informationen durchsucht werden. Soweit hierbei Einsicht in die E-Mail-Korrespondenz von Mitarbeitern genommen werden soll, denen der private E-Mail-Gebrauch nicht untersagt worden ist, ist dies mit § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG nicht vereinbar. Denn die Kenntnisnahme überschreitet das für die Erbringung der Telekommunikationsleistung erforderliche Maß. Da es weder im TKG noch sonst eine gesetzliche Vorschrift gibt, die sich ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht und die eine Verwendung von Informationen im Rahmen der pre-trial discovery erlaubt, sind diese nach deutschem Recht geheim zu halten und dürfen nicht offenbart und an andere weitergegeben werden. Eine Einwilligung aller an der Telekommunikation Beteiligten, die den Anforderungen des § 4a BDSG entspricht, ermöglicht aber eine rechtmäßige Einsichtnahme in die E-Mail-Korrespondenz.397 Die obigen Ausführungen, insbesondere auch hinsichtlich der Zweifel am Vorliegen der erforderlichen Freiwilligkeit der Einwilligungen von Arbeitnehmern, gelten hier entsprechend.398 Verbot der Übermittlung ins Ausland, § 92 TKG. Nach § 92 TKG dürfen Diensteanbieter personenbezogene Daten nach Maßgabe des BDSG an ausländische nichtöffentliche Stellen nur übermitteln, soweit dies für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, für die Versendung von Rechnungen oder für die Missbrauchsbekämpfung erforderlich ist. Bei europarechtskonformer Auslegung gilt § 92 TKG nur für Drittstaaten im Sinne des § 4b BDSG.399 § 92 TKG schränkt die aufgrund von § 4b BDSG ohnehin begrenzte Möglichkeit, Daten ins außereuropäische Ausland zu übermitteln, weiter ein. Zum Zwecke der Erfüllung von Offenbarungspflichten nach den FRCP dürfen personenbezogene Daten, die in privaten Mitarbeiter-E-Mails enthalten sind, daher grundsätzlich nicht in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn alle an der Telekommunikation Beteiligten, d.h. sowohl der Absender als auch der Empfänger der Nachricht, in die Übermittlung eingewilligt haben.400 Dabei gelten für die Wirksamkeit solcher Einwilligung dieselben Anforderungen, die § 4a BDSG an die Einwilligung zur Datenverarbeitung stellt. Auch hier gelten die Ausführungen zu den Anforderungen an eine wirksame Einwilligung entsprechend.401 __________ 397
Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 56. Vgl. oben B.II.1.d) (1). 399 Braun in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 92 TKG Rn. 7. 400 Braun in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 92 TKG Rn. 14. 401 Vgl. oben B.II.1.d) (1). 398
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B. Das grundlegende Dilemma
c) Sanktionen bei Nichtbeachtung des Fernmeldegeheimnisses Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis können eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat darstellen. Sie können ferner Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche nach sich ziehen. Ordnungswidrigkeit, § 149 TKG. Soweit es sich bei den dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Daten um personenbezogene Daten im Sinne des § 91 Abs. 1 TKG handelt, können bestimmte Verstöße gegen das Fernmeldegeheimnis als Ordnungswidrigkeit nach § 149 TKG geahndet werden.402 Die Bußgeldvorschriften des BDSG treten insoweit hinter jenen des TKG als subsidiär zurück. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Datenschutz nach dem TKG in seinem personellen Schutzbereich über jenen des BDSG hinausgeht, denn geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten natürlicher Personen, sondern nach § 91 Abs. 1 Satz 2 TKG auch solche juristischer Personen. Strafrechtswidrigkeit, § 206 StGB. Nach § 206 Abs. 1 StGB kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Inhaber oder Beschäftigtem eines Unternehmens bekanntgeworden sind, das geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt. Nach § 206 Abs. 2 Nr. 3 StGB kann ebenso bestraft werden, wer eine solche Handlung gestattet oder fördert. Unbefugt ist die Weitergabe, soweit das Fernmeldegeheimnis reicht.403 § 206 StGB schützt also nicht vor bloßer Kenntnisnahme des Inhalts einer Telekommunikation, sondern nur vor einer Mitteilung über dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Tatsachen.404 Gerade die Mitteilung ist aber erforderlich, um der Offenbarungspflicht nach den FRCP im Rahmen einer pre-trial discovery Genüge zu tun. Nach h.M. kommt auch keine Rechtfertigung wegen der besonderen Zwangslage des von der pre-trial discovery Betroffenen in Betracht. Insbesondere soll eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB (Notstand) für § 206 StGB ausscheiden, weil sich § 34 StGB nicht ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht, dies aber nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erforderlich ist.405 Die Strafbarkeit __________ 402
Munz in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 88 TKG Rn. 26. Zetzsche in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 4 WpHG Rn. 53. 404 Eckard in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage (2011) § 88 Rn. 6; Kempermann, Strafbarkeit nach § 206 StGB bei Kontrolle von MitarbeiterE-Mails?, ZD 2012, 12. 405 Vgl. Altenhain in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band III, (2003), § 206 Rn. 68; Barton, CR 2003, 839, 844; Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 403
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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nach § 206 StGB entfällt aber, wenn die kommunizierenden Personen ihre Einwilligung erklärt haben. Schadens- und Unterlassungsansprüche. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 TKG ist ein Unternehmen, das gegen das TKG verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch besteht nach § 44 Abs. 1 Satz 2 TKG bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. Dabei ist Betroffener u.a., wer als Endverbraucher durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Sobald also Mitarbeiter eines Unternehmens, gegen das eine pre-trial discovery betrieben wird, davon erfahren, dass ihre E-Mails gescannt werden sollen, könnten diese vom Arbeitgeber, der ihnen den Privatgebrauch des Firmen-Accounts nicht wirksam untersagt hat, Beseitigung und Unterlassung verlangen. Da der einzig rechtssichere Weg zu einer zulässigen Durchsuchung des E-Mail-Datenbestandes über eine Einwilligung der Mitarbeiter führt, ist das Risiko tatsächlich geltend gemachter Beseitigungsund Unterlassungsansprüche nicht lediglich theoretischer Natur. Darauf, dass die Mitarbeiter von den Maßnahmen der discovery nichts erfahren, kann sich ein Arbeitgeber jedenfalls nicht verlassen. Fällt dem Unternehmen Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist es auch zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Betroffenen aus dem Verstoß entstanden ist, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 4 TKG. Soweit sich ein Unternehmen über das deutsche Fernmeldegeheimnis hinwegsetzt, um die nach den FRCP bestehende Offenbarungspflicht zu erfüllen, handelt es mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich im Sinne der Norm. Da der Arbeitsvertrag ein Schuldverhältnis nach § 280 Abs. 1 BGB darstellt, sind ferner vertragliche Schadensersatzansprüche mit vermutetem Verschulden denkbar. Zudem ist § 88 TKG Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB und das Fernmeldegeheimnis gehört zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und damit zu einem von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgut. Demnach können auch Schadensersatzansprüche nach allgemeinem Deliktsrecht bestehen.
__________ 60. Auflage (2013), § 206 Rn. 9; Lackner in: Lackner/Kühl, 27. Auflage (2011), § 206 Rn. 15; Lenckner in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Auflage (2010), § 206 Rn. 14; a.A., allerdings ohne Begründung: Bock in Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 57. Denkbar wäre es, den Zitiervorbehalt nur auf öffentlich-rechtliche Eingriffsnormen zu beziehen und die strafrechtliche Rechtfertigung wegen einer anerkannten Zwangslage gem. § 34 StGB zuzulassen (immerhin können über § 34 StGB auch Eingriffe in weitaus bedeutendere Rechtsgüter gerechtfertigt werden). Auch der Gedanke des § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) spricht für die Annahme einer Straffreiheit, wenn sich die betreffende Person tatsächlich in einem Dilemma befindet.
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B. Das grundlegende Dilemma
d) Anhang: Einwilligungserklärung (Fernmeldegeheimnis) Einwilligungserklärung Datum : ___________________________ Name des Mitarbeiters : ___________________________ Anschrift : ___________________________ Betreff : Scan der E-Mail-Kommunikation Mir ist bekannt, dass [Name des Arbeitgebers] im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens nach den einschlägigen Bestimmungen des US-amerikanischen Verfahrensrechts verpflichtet ist, der Gegenseite und/oder dem Gericht bestimmte Informationen zu übermitteln, die mit dem Verfahrensgegenstand in direktem und/oder indirektem Zusammenhang stehen bzw. stehen können. Mir ist weiterhin bekannt, dass die Nichtbefolgung dieser Pflicht nach US-amerikanischem Recht straf-, ordnungs- und verfahrensrechtliche Sanktionen für [Name des Arbeitgebers] nach sich ziehen kann. Aufgrund der Gestattung, meinen betrieblichen E-Mail-Account auch für private Kommunikation zu nutzen, zu der [Name des Arbeitgebers] nicht verpflichtet war, ist es [Name des Arbeitgebers] im Hinblick auf datenschutz- und telekommunikationsrechtliche Bestimmungen grundsätzlich verwehrt, meine E-Mail-Kommunikation ohne meine Einwilligung zu überprüfen und/oder durch Dritte überprüfen zu lassen. Vor diesem Hintergrund willige ich ein, dass die E-Mail-Kommunikation, die ich über den E-Mail-Account [E-Mail-Adresse des Mitarbeiters] geführt habe, zu Prüfzwecken gescannt und analysiert wird. Mir ist bewusst, dass bei dem Datenscan technisch nicht ohne weiteres zwischen betrieblichen und gegebenenfalls vorhandenen privaten E-Mails unterschieden werden kann. Die vorliegende Einwilligung wird unter der Bedingung erteilt, dass private E-Mails, sobald sie als solche erkannt werden, ignoriert und in keiner weiteren Analyse zugeführt werden und die Kenntniserlangung von deren Inhalt keinerlei arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird. Die Einwilligung geschieht freiwillig. _______________________________ Name, Vorname _______________________________ Ort, Datum, Unterschrift
3. Offenbarungsverbote aufgrund des Bankgeheimnisses Kreditinstitute sind mit der weltweiten Waren- und Dienstleistungswirtschaft aufs Engste verflochten. Über sie laufen Finanzierungen, sie gewähren Sicherheiten, Kapital wird bei ihnen angelegt und verwaltet, national wie international werden Zahlungen über sie abgewickelt. Bei Bankgeschäften fallen unzählige Daten an, die Aufschluss über die Tätigkeit der Kreditinstitute und jene ihrer Kunden geben. Da in den USA bei Banken liegende Informationen vom generellen Umfang der pre-trial discovery
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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nicht ausgenommen sind,406 sind Kreditinstitute bei US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren entsprechend häufig Adressaten von Auskunftsersuchen, die auf die Preisgabe von Informationen gerichtet sind, über die ein Kreditinstitut aufgrund seiner Tätigkeit verfügt.407 Dabei kann ein Auskunftsverlangen im Rahmen der pre-trial discovery in unterschiedlichen prozessualen Konstellationen erfolgen. Zum einen kann das Kreditinstitut selbst als Partei am Verfahren beteiligt und als solche Adressatin eines Offenbarungsverlangens sein.408 Partei des Rechtsstreits kann aber auch ein Bankkunde sein und das Kreditinstitut soll dem Prozessgegner des Kunden Auskunft über den Kunden des Kreditinstituts erteilen.409 Soweit das Auskunftsverlangen ein deutsches Kreditinstitut oder die deutsche Niederlassung eines ausländischen Kreditinstituts betrifft, ist beiden Konstellationen gemein, dass die nach den FRCP bestehende Offenbarungspflicht mit einem aufgrund des deutschen Bankgeheimnisses bestehenden Offenbarungsverbot kollidieren kann. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die verfassungs- und zivilrechtlichen Grundlagen des deutschen Bankgeheimnisses gegeben (a), um sodann seinen Gegenstand und seine Funktion zu erläutern (b). Häufig ist es in der Praxis schwierig, die genauen Grenzen des Bankgeheimnisses zu bestimmen (c). Wird das Bankgeheimnis durch eine Offenbarung im US-amerikanischen Zivilprozess verletzt, drohen in Deutschland verschiedene belastende Rechtsfolgen (d). a) Verfassungs- und zivilrechtliche Grundlagen des Bankgeheimnisses Das Bankgeheimnis ist in Deutschland gesetzlich nicht normiert oder de finiert.410 Es ist aber in Literatur und Rechtsprechung anerkannt und wird __________ 406 Clayton Brokerage Co., Inc. of St. Louis v. Clement, 87 F.R.D. 569 (D.C. Md. June 2, 1980); Jerkins, The U.S. Judicial A pproach to Foreign State Bank Secrecy, 14; vgl. auch oben B.I.2.b). 407 Bosch, IPRax 1984, 127, 129. 408 Vgl. z.B. Minepco, S.A. v. Conticommodity Services, Inc., 116 F.R.D. 517, 522 (S.D.N.Y. July 9, 1987): Konflikt mit schweizerischem Bankgeheimnis; Strauss v. Credit Lyonnais, S.A. 242 F.R.D. 199 (E.D.N.Y. May 15, 2007): Konflikt mit französischem Bankgeheimnis; United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968): Konflikt mit deutschem Bankgeheimnis; Weiss v. National Westminster Bank, PLC, 242 F.R.D. 33 (E.D.N.Y. May 14, 2007): Konflikt mit britischem Bankgeheimnis. 409 Vgl. z.B. Gucci America Inc. v. Curveal Fashion, 2010 WL 808639 (S.D.N.Y. March 8, 2010): Konflikt mit malaysischem Bankgeheimnis. 410 Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Auflage (2007), § 39 Rn. 1; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage (2011), Rn. 6.112; Schwintowsi, Bankrecht, 3. Auflage (2011), § 3 Rn. 3; Weichert, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Data-Warehouse-Anwendungen bei Finanzdienstleistern, RDV 2003, 113, 115.
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B. Das grundlegende Dilemma
vom Gesetzgeber in verschiedenen Vorschriften als bestehend vorausgesetzt.411 Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur soll das Bankgeheimnis verfassungsrechtlich aus Sicht des Kunden vom Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG),412 aus Sicht des Kreditinstituts vom Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) umfasst sein.413 Die genaue zivilrechtliche Grundlage des Bankgeheimnisses ist umstritten.414 Zu der in der Literatur vertretenen Ansicht, das Bankgeheimnis stelle Gewohnheitsrecht dar,415 hat der BGH nicht abschließend Stellung genommen.416 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit kann die Frage, ob das Bankgeheimnis auf Gewohnheitsrecht oder auf Vertrag beruht, aber dahinstehen. Ungeachtet der dogmatischen Herleitung des Bankgeheimnisses sieht der BGH die Verpflichtung zu seiner Wahrung als eine besondere Ausprägung der allgemeinen Pflicht des Kreditinstituts an, die Vermögensinteressen seines Vertragspartners zu schützen und nicht zu beeinträchtigen.417 Die Verpflichtung des Kreditinstituts, das Bankgeheimnis zu wahren, findet sich für Privatbanken seit 1993 ausdrücklich in Nr. 2 Abs. 1 der AGB-Banken und für öffentlich-rechtliche Sparkassen in Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 der AGB-Sparkassen.418 Zwar ist das Bankgeheimnis nur in den AGBBanken ausdrücklich definiert.419 Inhaltliche Unterschiede zwischen Banken und Sparkassen ergeben sich daraus aber nicht.420 Das Verhältnis von Bankgeheimnis und dem oben erläuterten allgemeinem Datenschutz wird maßgeblich von § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG bestimmt: __________ 411
Vgl. z.B. § 30a Abgabenordnung (AO). Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 1 und 5; Lang, ZBB 2006, 115, 116; Cahn, Bankgeheimnis und Forderungsverwertung, WM 2004, 2041, 2042; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 7. 413 Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 6; Lang, ZBB 2006, 115, 118; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 11. 414 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.115; Nobbe, Bankgeheimnis, Datenschutz und Abtretung von Darlehensforderungen, WM 2005, 1537, 1539. 415 Vgl. z.B. Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 9; Nobbe, WM 2005, 1537, 1539 f.; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 3. 416 Vgl. zuletzt BGH Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 225/08, NJW 2010, 361; BGH Urteil vom 27.02.2009, XI ZR 195/09, WM 2007, 643. 417 BGH Urteil vom 27.02.2009, XI ZR 195/09, WM 2007, 643 – juris Rn. 17; BGH Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 225/08, NJW 2010, 361 – juris Rn. 18. 418 Allgemein zum Inhalt der AGB-Banken und AGB-Sparkassen: Hopt in Baumbach/ Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Auflage (2012), 2. Teil, Abschnitt V 8 und Abschnitt V 8a. 419 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken lautet: „Die Bank ist zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen verpflichtet, von denen sie Kenntnis erlangt hat (Bankgeheimnis).“ 420 Peterek in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.171. 412
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Danach bleibt die Verpflichtung zur Wahrung von Berufsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, von den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes unberührt. Das bedeutet, dass Datenschutz und Bankgeheimnis nebeneinander gelten. Dem BDSG kommt eine Auffangfunktion zu.421 Von Bedeutung ist das insbesondere hinsichtlich der in §§ 43, 44 BDSG normierten Androhung von Bußgeldern und Strafen. b) Gegenstand und Funktion des Bankgeheimnisses Nach der Rechtsprechung des BGH besteht das Bankgeheimnis in der Pflicht des Kreditinstituts zur Verschwiegenheit über kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die ihm aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind und die der Kunde geheim zu halten wünscht.422 Unter den Begriff der „kundenbezogenen Tatsachen“ fallen alle äußeren oder inneren Vorgänge, die der Nachprüfung durch Dritte offen stehen.423 „Wertungen“ der Bank erfassen subjektive Schlussfolgerungen und Meinungsäußerungen, die sich meist auf die im Rahmen der Geschäftsverbindung zugänglichen Tatsachen und Informationen stützen.424 Erforderlich ist in jedem Fall ein innerer Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung durch das Kreditinstitut und dem Bestehen der Geschäftsverbindung.425 Der wirkliche Wille des Kunden zur Geheimhaltung ist auch dann entscheidend, wenn an der Geheimhaltung kein vernünftiges Interesse besteht.426 Das Bankgeheimnis bezweckt den Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Kunde und Bank.427 Könnte sich der Kunde nicht sicher sein, dass seine Informationen bei der Bank vor dem Zugriff Dritter geschützt sind, würde er der Bank den für die Abwicklung von Bankgeschäften erforderlichen Einblick in seine Vermögensverhältnisse nicht gewähren.428 Begründet wird die besondere Verschwiegenheitspflicht der Banken unter anderem auch damit, dass jeder auf Geschäftsbeziehungen zu einem Kreditinstitut zwingend angewiesen ist und daher ein legitimes Inte__________ 421
BGH Urteil vom 27.02.2007, XI ZR 195/05, NJW 2007, 2106 – juris Rn. 30. BGH Urteil vom 27.02.2007, XI ZR 195/05, NJW 2007, 2106 – juris Rn. 17; Nobbe, WM 2005, 1537, 1538. 423 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 12; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.119. 424 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 12; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.120. 425 BGH Urteil vom 24.01.2006, XI ZR 384/03, NJW 2006, 830, 833. 426 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 10. 427 Die US-amerikanische Rechtsprechung erachtet das Verhältnis einer Bank zu ihren Kunden nicht als besonderes Vertrauensverhältnis, vgl. oben B.I.2.b). 428 Cahn, WM 2004, 2041, 2042 f.; Lang, ZBB 2006, 115, 116. 422
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B. Das grundlegende Dilemma
resse daran hat, dass seine in diesem Rahmen bekannt werdenden Daten vertraulich behandelt werden.429 Das Bankgeheimnis bewirkt einerseits die Pflicht der Bank, Stillschweigen über die Vermögensverhältnisse ihres Kunden zu bewahren (Verschwiegenheitspflicht), andererseits die Pflicht, Auskünfte gegenüber Dritten zu verweigern, soweit sie nicht kraft Gesetz oder aus einem sonstigen Rechtsgrund zur Auskunft verpflichtet ist (Auskunftsverweigerungspflicht).430 Gerade der letztgenannte Aspekt des Bankgeheimnisses kann mit der Offenbarungspflicht der FRCP im Einzelfall konfligieren. Nach deutschem Recht rechtfertigt auch ein berechtigtes Interesse eines Dritten (hier z.B. des US-amerikanischen Klägers) für sich genommen nicht die Durchbrechung des Bankgeheimnisses.431 Der Schutz des Bankgeheimnisses beginnt nicht erst mit Abschluss eines Vertrages zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden (z.B. Darlehens-, Girokonto- oder Schuldübernahmevertrag), sondern aufgrund § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits mit der Aufnahme des geschäftlichen Kontakts.432 Die Pflicht zur Verschwiegenheit dauert auch nach Beendigung der eigentlichen Geschäftsbeziehung fort.433 Allerdings gilt der Schutz des Bankgeheimnisses nicht grenzenlos. c) Grenzen des Bankgeheimnisses In den AGB-Banken und den AGB-Sparkassen sind die Grenzen des Bankgeheimnisses nicht abschließend geregelt. Nach AGB-Banken Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 darf die Bank Informationen über den Kunden weitergeben, wenn gesetzliche Bestimmungen dies gebieten oder der Kunde eingewilligt hat oder die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist. Der Verweis auf eine „Befugnis“ der Bank zur Erteilung von Auskünften bildet die Grundlage für eine weite Kasuistik, die hier nicht näher erläutert werden soll. Im Rahmen einer pre-trial discovery kommen für die legale Durchbrechung des deutschen Bankgeheimnisses ernstlich nur drei Grundlagen in Betracht: Die Einwilligung des Kunden (1), eine die Durchbrechung anordnende oder gestattende gesetzliche Bestimmung (2) oder ein im Einzelfall überwiegendes Eigeninteresse der Bank (3). __________ 429
Lang, Inhalt, ZBB 2006, 115, 116. Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 6. 431 Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 17. 432 Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 18; Nobbe, WM 2005, 1537, 1540; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 6. 433 BGH, Urteil vom 12.05.1958, II Z 103/57, BGHZ 27, 241, 246; BGH, Urteil vom 04.07.1973, VIII ZR 59/72, WM 73, 892; Bruchner/Krephold in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 18. 430
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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(2) Einwilligung des Kunden Die Einwilligung des Kunden als Rechtsgrundlage für die legale Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist in Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 AGB-Banken ausdrücklich erwähnt.434 Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 AGB-Sparkassen verweist auf die Zustimmung. Gemeint ist in beiden Fällen die vorherige Zustimmung des Kunden im Sinne des § 183 BGB.435 Anders als zur Rechtfertigung von Eingriffen in das durch das BDSG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das vom TKG geschützte Fernmeldegeheimnis muss die Einwilligung des Kunden nicht den strengen Anforderungen des § 4a BDSG genügen.436 So bedarf die Einwilligung nicht der Schriftform. Zu Beweiszwecken ist die Einholung einer schriftlichen Erklärung des Kunden aber ratsam.437 Die Einwilligung muss auch nicht ausdrücklich erklärt werden. Es reicht aus, wenn der Kunde durch schlüssiges Handeln zum Ausdruck bringt, dass er mit der Durchbrechung des Bankgeheimnisses einverstanden ist.438 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Kreditinstitut durch den Kunden angewiesen wird, ein Bankgeschäft, z.B. eine Überweisung, durchzuführen und der Geschäftsabschluss die Mitteilung bestimmter Tatsachen an Dritte erfordert. Ferner ist nicht erforderlich, dass der Kunde über die genauen Umstände der erbetenen Einwilligung aufgeklärt wird. Ohne eine derartige Aufklärung wird das Kreditinstitut eine Zustimmung in der Regel aber nicht erlangen. Umstritten ist, ob auch eine mutmaßliche Einwilligung des Kunden die Durchbrechung des Bankgeheimnisses zu rechtfertigen vermag.439 Die mutmaßliche Einwilligung wird besonders in Konstellationen relevant, in denen der Kunde als Geheimnisherr nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. In Fällen der Offenbarung von Kundeninformationen im Rahmen einer pre-trial discovery wird die Einholung einer entsprechenden Einwilligung des Kunden aber ganz regelmäßig nicht daran scheitern, dass der Kunde nicht rechtzeitig erreicht wurde, sondern daran, dass der Kunde – vor allem als beklagte Partei – die Offenbarung von für ihn ungünstigen __________ 434 Ein Formulierungsbeispiel für eine Einwilligung in Eingriffe in das Bankgeheimnis findet sich am Ende dieses Abschnitts. 435 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.128. 436 Zu den Anforderungen des § 4a BDSG vgl. oben: B.II.1.d)(1) und B.II.1.e)(2). 437 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 31; Lang, ZBB 2006, 115, 120. 438 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 31; Lang, 115, 120; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.129; Schwintowsi, Bankrecht, 3. Auflage (2011), § 3 Rn. 21. 439 Dafür: Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 21; Bruchner/Krepold in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 31; Dagegen: Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.128.
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B. Das grundlegende Dilemma
Tatsachen nicht wünscht. Die Frage, ob auch eine mutmaßliche Einwilligung ausreicht, ist von geringer praktischer Relevanz und kann für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung offen bleiben. (2) Gesetzliche Bestimmung Hat der Kunde keine Einwilligung erteilt, kann das Bankgeheimnis auf Grund einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung durchbrochen werden. Im Steuerverfahren beispielsweise durchbrechen die §§ 90 ff. AO das Bankgeheimnis. § 93 AO statuiert eine Auskunftspflicht gegenüber den Steuerbehörden, § 97 AO sieht eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden vor, die durch das Bankgeheimnis nicht beschränkt wird.440 Durchbrochen wird das Bankgeheimnis auch durch § 44 KWG. Hiernach hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Bundesbank gegenüber Kreditinstituten diverse, durch das Bankgeheimnis nicht tangierte Einsichts- und Auskunftsrechte.441 Eine Aussagepflicht von Mitarbeitern eines Kreditinstituts besteht auch im Strafverfahren. Dies gilt jedenfalls für Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft, dem Ermittlungsrichter und dem Prozessgericht.442 Ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 52, 53 StPO besteht insoweit nicht. Da § 46 Abs. 2 OWiG hinsichtlich der Befugnisse der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren auf die Vorschriften der StPO verweist, schränkt das Bankgeheimnis auch Aussagepflichten im Bußgeldverfahren nicht ein. Im deutschen Zivilrecht ist zu unterscheiden. Hat ein Dritter gegen das Kreditinstitut einen materiellrechtlichen Auskunftsanspruch nach deutschem Recht, z.B. aus § 260 BGB,443 § 809 BGB,444 § 810 BGB,445 § 118 __________ 440 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.142 ff.; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 20. 441 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.147; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 18. 442 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.138 ff.; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 19, 26, 27. 443 § 260 Abs. 1 BGB (Pflichten bei Herausgabe oder Auskunft über Inbegriff von Gegenständen): „Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.“ 444 § 809 BGB (Besichtigung einer Sache): „Wer gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung der Sache hat oder sich Gewissheit verschaffen will, ob ihm ein solcher Anspruch zusteht, kann, wenn die Besichtigung der Sache aus diesem Grunde für ihn von Interesse ist, verlangen, dass der Besitzer ihm die Sache zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet.“ 445 § 810 BGB (Einsicht in Urkunden): „Wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, kann von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oder in der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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HGB,446 § 840 ZPO,447 so kann die Auskunft nicht mit der Begründung verweigert werden, die Offenbarung von Kundeninformationen verstoße gegen das Bankgeheimnis.448 Greift aber kein derartiger – notfalls klageweise gegen das Kreditinstitut durchzusetzender – Auskunftsanspruch nach deutschem Recht, darf eine Auskunft über dem Bankgeheimnis unterliegende Informationen nicht erteilt werden. Dementsprechend formuliert die ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, das das Kreditinstitut vor einem Dilemma im deutschen Zivilprozess bewahrt. Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO und § 384 Nr. 3 ZPO sind Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. In den von dieser Norm erfassen Personenkreis fallen auch die Angestellten eines Kreditinstituts, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Tatsachen über die Vermögensverhältnisse von Kunden erfahren.449 „Anvertraut“ im Sinne von § 383 Nr. 6 ZPO bedeutet jede Wahrnehmung aufgrund einer Vertrauensstellung.450 Einer ausdrücklichen Bitte um Vertraulichkeit bedarf es nicht.451 Maßgebend für die Beurteilung der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht sind insbesondere die Verkehrssitte und die berechtigten Erwartungen der vertrauenden Person.452 Nach h.M. fallen alle einem Kreditinstitut anvertrauten Tatsachen unter § 383 Nr. 6 ZPO, weil prinzipiell ein berechtigtes Interesse des Bankkunden besteht, sie vor der Kenntnisnahme Dritter zu schützen.453 Das Zeugnisverweigerungsrecht besteht nach § 385 Abs. 2 ZPO jedoch nicht, wenn der Kunde als Geheim__________ ist oder wenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.“ 446 § 118 Abs. 1 HGB: „Ein Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen eine Bilanz und einen Jahresabschluss anfertigen.“ 447 § 840 ZPO betrifft die Erklärungspflicht des Drittschuldners bei einer Zwangsvollstreckung. 448 Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 17. 449 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.136; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 25. 450 Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO – Zivilprozessordnung, 33. Auflage (2012), § 383 Rn. 6; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 25. 451 Huber in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, 9. Auflage (2012), § 383 Rn. 4. 452 Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, § 383 Rn. 6; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 25. 453 Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 25.
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B. Das grundlegende Dilemma
nisherr das Kreditinstitut von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat.454 Durch ausländische Rechtsordnungen statuierte Pflichten zur Offenbarung von Bankinformationen durchbrechen das deutsche Bankgeheimnis hingegen nicht. Weder der abstrakt-generelle Befehl eines ausländischen Gesetzes zur Offenbarung (z.B. durch die FRCP), noch eine konkretindividuelle richterliche Anordnung durch ein ausländisches Gericht (z.B. durch eine entsprechende discovery order) vermögen die Offenbarung von dem deutschen Bankgeheimnis unterliegenden Informationen gegen den Willen des Kunden zu rechtfertigen. Jede andere Annahme würde dazu führen, dass ausländische Staaten nach Belieben wesentliche Entscheidungen der deutschen Rechtsordnung, wie z.B. die Anerkennung des Bankgeheimnisses, durch schlichten Erlass entsprechender Rechtsnormen unterminieren könnten.455 Ein Kreditinstitut, welches Adressat eines US-amerikanischen Offenbarungsverlangens ist, darf Informationen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, aber offenbaren, wenn die Offenbarung im Wege der Rechtshilfe nach dem HBÜ durch ein deutsches Gericht angeordnet wurde. In diesem Zusammenhang ist wieder der deutsche Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ i.V.m. § 14 Abs. 1 HaagÜbkAG zu beachten, nach dem Rechtshilfeersuchen im Rahmen einer pre-trial discovery of documents generell nicht ausgeführt werden. Möglich ist es aber, für Zwecke einer pre-trial discovery die Vernehmung von Mitarbeitern eines deutschen Kreditinstituts anzuordnen.456 Deren Zeugenaussage kann sich dann sogar auf den Inhalt von Urkunden erstrecken, ohne dass dies eine unzulässige Umgehung des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ i.V.m. § 14 Abs. 1 HaagÜbkAG darstellen würde.457 Allerdings müssen die Urkunden, auf die sich die Vernehmung erstrecken soll, konkret bezeichnet werden.458 Solange nicht ein deutsches Gericht oder eine deutsche Behörde die Offenbarung anordnet, hat ein Bankkunde gegenüber einer deutschen Bank grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, gegenüber einem amerikanischen Gericht unter Durchbrechung des Bankgeheimnisses Aussagen zu machen oder Kundenunterlagen, die bei einer deutschen Niederlassung der Bank geführt werden, vorzulegen.459
__________ 454
Huber in: Musielak, ZPO, § 383 Rn. 4. Vgl. insoweit auch die Ausführungen zum Datenschutzrecht, B.II.1.d)(2). 456 OLG Celle Beschluss vom 16.07.2007, 16 VA 5/07, IPRax 2008, 350 ff. 457 Reufels, RIW 1999, 667, 670: Kritisch: Schütze, WM 1986, 633, 635. 458 OLG München Beschluss vom 31.10.1980, 9 VA 3/80, RIW 1981, 554, 555. 459 Vgl. LG Kiel, Urteil vom 30.06.1982, 10 O 72/82, IPRax 1984, 146; LG Kiel, Urteil vom 23.08.1982, 10 O 146/82, IPRax 1984, 147. 455
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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(3) Überwiegendes Eigeninteresse des Kreditinstituts Hat weder der Kunde in die Offenbarung ihn betreffender Informationen eingewilligt, noch ein deutsches Gericht eine entsprechende Anordnung erlassen, kann sich eine Befreiung vom Bankgeheimnis im Einzelfall aus dem allgemeinen Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen überwiegender Eigeninteressen des Kreditinstituts ergeben.460 Die Durchbrechung des Bankgeheimnisses aufgrund überwiegender Eigeninteressen der Bank entspricht dem Rechtsgedanken der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB.461 Es ist anerkannt, dass ein solches überwiegendes Eigeninteresse des Kreditinstituts unter anderem im Falle einer Anordnung durch ein ausländisches Gericht zur Herausgabe bestimmter Unterlagen gegeben sein kann, wenn bei Missachtung der Anordnung eine Bestrafung oder Nachteile für eine ausländische Filiale und Tochtergesellschaft drohen.462 In jedem Falle bedarf es aber einer sorgfältigen Abwägung der beteiligten Interessen im Einzelfall, bei der die dem Kreditinstitut und dem betroffenen Kunden drohenden Nachteile unter Verhältnismäßigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten miteinander zu vergleichen sind.463 Dabei ist zu beachten, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis, welches von dem Grundsatz der Nichtoffenbarung ausgeht, nicht in sein Gegenteil verkehrt werden darf. Verbindliche Leitlinien hat die Rechtsprechung für die Interessenabwägung im Falle der Kollision der US-amerikanischen Offenbarungspflicht und der deutschen Pflicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses bislang nicht festgelegt. Als Kriterien könnten dienen:464 – die Relevanz der angeforderten Informationen für den Rechtsstreit, – das Vorliegen und die Erreichbarkeit alternativer Beweismittel, – das redliche Bemühen des Kreditinstituts um eine Einwilligung des Kunden, – das Vorliegen sachlicher Gründe der verweigerten Einwilligung des Kunden, __________ 460
Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 88; Lang, ZBB 2006, 115, 123; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.126; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59. 461 Lang, ZBB 2006, 115, 124; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage (2011), Rn. 6.132; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 50. 462 Bosch, IPRax 1984, 127, 131; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.134; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 51. 463 Lang, ZBB 2006, 115, 124; für die Kollision zweier durch deutsches Recht statuierter Pflichten: Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 88 und 92. 464 Vgl. die Kollisionsregel des ALI: § 442 (1) (c) des ALI Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States.
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B. Das grundlegende Dilemma
– die rechtlichen und tatsächlichen Folgen für das Kreditinstitut im Falle der Nichtoffenbarung sowie – die rechtlichen und tatsächlichen Folgen für den Kunden im Falle der Offenbarung.
Jedenfalls wird man in Fällen, in denen kein vernünftiges und nachvollziehbares Interesse des Kunden an der Nichtoffenbarung ihn betreffender Informationen besteht, von einem Kreditinstitut nicht verlangen können, dass es ganz erhebliche Sanktionen auf sich nimmt, um bestimmte Informationen geheim zu halten.465 Im Übrigen aber sollte der Geheimnisschutz die Regel bleiben und eine Offenbarung von Kundeninformationen ohne deutsche richterliche Anordnung wegen Eigeninteresses des Kreditinstituts ausscheiden. d) Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung des Bankgeheimnisses Bei Nichtbeachtung des Bankgeheimnisses kommen sowohl zivilrechtliche (1) als auch ordnungs- und strafrechtliche (2) Sanktionen in Betracht. (1) Zivilrechtliche Rechtsfolgen Eine Verletzung des Bankgeheimnisses stellt eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB dar. Der Kunde hat gegen das Kreditinstitut einen vertraglichen Anspruch auf Ersatz des durch die Offenbarung entstandenen materiellen Schadens, wobei das Verschulden vermutet wird.466 Zudem kann die Offenbarung von Informationen einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bankkunden sowie einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen und einen deliktischen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB begründen.467 Nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften des BDSG kommt ferner ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes in Betracht.468 Sofern dem Kunden das Festhalten am Vertragsverhältnis mit seinem Kreditinstitut unzumutbar ist, hat er ein Recht zur fristlosen Kündigung.469 Den aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung resultierenden Schaden kann er beim Kreditinstitut ebenfalls liquidieren.470 __________ 465
Vgl. auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 59. Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.152; Nobbe, WM 2005, 1537, 1545; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 52. 467 Lang, ZBB 2006, 115, 125; Schwintowsi, Bankrecht, 3. Auflage (2011), § 3 Rn. 53. 468 Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 54. 469 Lang, ZBB 2006, 115, 124. 470 Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.152; Nobbe, WM 2005, 1537, 1547. 466
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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Droht eine Offenbarung für Zwecke der pre-trial discovery, hat der Kunde, sofern nicht ausnahmsweise die o.g. Grenzen des Bankgeheimnisses greifen, ferner einen Unterlassungsanspruch gegen das Kreditinstitut, der auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 932, 935 ff. ZPO durchgesetzt werden kann.471 Offenbart die Bank Kundeninformationen entgegen der gerichtlichen Unterlassungsverfügung, drohen Ordnungsgelder bis zu 250.000 Euro und am Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft.472 (2) Ordnungswidrigkeits- und strafrechtliche Rechtsfolgen Das Bankgeheimnis schließt die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes als Auffanggesetz nicht aus. Sofern die durch das Kreditinstitut offenbarten Informationen personenbezogene Daten enthalten, kann die Übermittlung nach § 43 BDSG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.473 Wenn die Übermittlung – was im Rahmen einer pre-trial discovery eher unwahrscheinlich ist – vorsätzlich gegen Entgelt oder in Bereicherungsoder Schädigungsabsicht erfolgt, kann sie nach § 44 Abs. 1 BDSG auch strafrechtlich sanktioniert werden. Darüber hinaus ist das Bankgeheimnis in der Bundesrepublik, anders als in anderen Staaten,474 nicht ausdrücklich strafrechtlich geschützt.475 § 203 Abs. 1 StGB sanktioniert die Offenbarung fremder Geheimnisse mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe. Mitarbeiter eines privaten Kreditinstituts, einer Genossenschaftsbank oder einer öffentlichrechtlich organisierten Sparkasse oder Landesbank fallen aber nicht unter die in § 203 Abs. 1 StGB erschöpfend aufgeführten Berufsangehörigen.476 Teile der Literatur vertreten die Ansicht, die Offenbarung von dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen durch Mitarbeiter eines öf__________ 471 Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 56; LG Kiel, Urteil vom 30.06.1982, 10 O 72/82, IPRax 1984, 146; LG Kiel, Urteil vom 23.08.1982, 10 O 146/82, IPRax 1984, 147; Eine von Schütze entworfene Formularvorlage für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen ausländische Beweisersuchen findet sich im Beck’schen Prozessformularbuch, 11. Auflage (2010). 472 Vgl. § 890 ZPO. 473 Lang, ZBB 2006, 115, 127; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.154. 474 Vgl. z.B. §§ 23, 34 Abs. 1 des Österreichischen Kreditwesengesetzes; Artikel 47 des Schweizerischen Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen; zum Konflikt mit dem schweizerischen Bankgeheimnis siehe auch: Frei, SJZ 1986, 73, 76 f.; Stauder/ Stauder, Bankgeheimnis und amerikanisch-schweizerische Rechtshilfe, IPRax 1984, 1. 475 Lang, ZBB 2006, 115, 127; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage (2011), Rn. 6.154. 476 BGH Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage (2011), Rn. 6.154.
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B. Das grundlegende Dilemma
fentlich-rechtlichen Kreditinstituts sei nach § 203 Abs. 2 StGB strafbar.477 Nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Amtsträger anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Der Annahme, Mitarbeiter privater Banken könnten sich nicht strafbar machen, Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Institute hingegen schon, ist der BGH jüngst entgegengetreten: Mangels erkennbarer Sachgründe, wie etwa einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Kunden einer öffentlich-rechtlich organisierten Sparkasse oder Landesbank, habe die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen einen strafrechtlichen Schutz des Bankgeheimnisses in § 203 Abs. 1 StGB auch für seinen Abs. 2 zu gelten. Andernfalls würden zwei an sich gleich liegende Sachverhalte ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt.478 Zwar hatte der BGH hier nicht über die Strafbarkeit von Mitarbeitern eines Kreditinstituts, sondern über die Wirksamkeit der Abtretung von Darlehensforderungen zu entscheiden. Gleichwohl kann das Urteil im Falle eines eingeleiteten Strafverfahrens als Argument gegen die Strafbarkeit der Verletzung des Bankgeheimnisses verwendet werden. Solange aber die Frage nicht höchstrichterlich in einem entsprechenden Strafverfahren entschieden ist, kann das Risiko einer Bestrafung nicht ausgeschlossen werden. Angesichts der drohenden Sanktionen auf beiden Seiten des Atlantiks stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche Schutzmaßnahmen betroffene Rechtssubjekte ergreifen können. e) Anhang: Einwilligungserklärung (Bankgeheimnis) Einwilligungserklärung Datum : ___________________________ Name des Bankkunden : ___________________________ Anschrift : ___________________________ Betreff : Übermittlung von Bankunterlagen Mir ist bekannt, dass [Name des Kreditinstituts] im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens nach den einschlägigen Bestimmungen des US-amerikanischen Verfahrensrechts verpflichtet ist, der Gegenseite und/oder dem Gericht bestimmte Informationen zu übermitteln, die mit dem Verfahrensgegenstand in direktem und/oder indirektem Zusammenhang stehen bzw. stehen können. Mir ist weiterhin bekannt, dass die Nichtbefolgung
__________ 477 Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 314; Lang, ZBB 2006, 115, 127; Schwintowsi, Bankrecht, § 3 Rn. 57. 478 BGH Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 225/08, NJW 2010, 361, 362; vgl. auch Merz in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 6.154; Nobbe, WM 2005, 1537, 1543f.
II. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht
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dieser Pflicht nach US-amerikanischem Recht straf-, ordnungs- und verfahrensrechtliche Sanktionen für [Name des Kreditinstituts] nach sich ziehen kann. Aufgrund des Bankgeheimnisses ist es [Name des Kreditinstituts] grundsätzlich verwehrt, kundenbezogene Tatsachen und Wertungen, die aufgrund, aus Anlass oder im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind, ohne seine Zustimmung an Dritte zu übermitteln. Vor diesem Hintergrund willige ich ein, dass [Name des Kreditinstituts] mich betreffende Kundeninformationen zum Zwecke der Durchführung des US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahrens der Gegenseite und/oder dem Gericht übermittelt werden dürfen. Die Übermittlung soll nach Möglichkeit in anonymisierter und / oder pseudonymisierter Form geschehen. _______________________________ Name, Vorname _______________________________ Ort, Datum, Unterschrift
C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Schutzmaßnahmen, die das Dilemma zwischen der Offenbarungspflicht und den Offenbarungsverboten zwar nicht grundlegend lösen, aber seine belastenden materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Folgen gegebenenfalls mildern, können in zwei Phasen ergriffen werden. Zum einen als reine Präventivmaßnahmen jenseits eines anhängigen oder drohenden Gerichtsverfahrens (I), zum anderen als reaktive Maßnahmen im Hinblick auf einen konkreten Rechtsstreit (II).
I. Präventive Maßnahmen I. Präventive Maßnahmen
Die nachfolgend dargestellten Präventivmaßnahmen greifen die in Teil B der Arbeit teilweise angedeuteten Wege auf, der Offenbarungspflicht nach den FRCP zu entgehen und zu vermeiden, dass die deutschen und europäischen Offenbarungsverbote – zumindest vollumfänglich – Anwendung finden. In Betracht kommt insbesondere, dass in den USA dauerhaft tätige Unternehmen ihre Konzernstrukturen an ihre transatlantische Tätigkeit anpassen (1), dass im Rahmen fortgesetzter Geschäftsverbindungen frühzeitig darauf hingewirkt wird, dass in den USA datenschutzrechtliche Mindeststandards gelten, die Übermittlungen personenbezogener Daten ermöglichen (2), dass durch Formulierung entsprechender Klauseln in Verträgen deutscher Unternehmen mit Kunden und Geschäftspartnern die dargestellte Zwangslage vermieden wird (3) und dass in der internen IT-Policy deutscher Unternehmen von vornherein die Möglichkeit einer gegen sie gerichteten pre-trial discovery berücksichtigt wird (4).
1. Anpassung transatlantischer Konzernstrukturen Teilweise wird vorgeschlagen, europäische Unternehmen, die sich auf dem US-amerikanischen Markt betätigen, sollten sich juristisch und betrieblich dergestalt organisieren, dass sie für ihre Geschäftstätigkeit in den Vereinigten Staaten rechtlich, finanziell und administrativ unabhängige Unter-
I. Präventive Maßnahmen
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nehmenseinheiten bilden.1 Derartige Vorschläge bezwecken vor allem, die Zustellung von Klagen an das deutsche Unternehmen zu verhindern (a), letztgenanntes der Gerichtspflichtigkeit in den USA zu entziehen (b) sowie den Umfang der pre-trial discovery zu beschränken (c). In der Praxis wird aber regelmäßig keiner der verfolgten Zwecke erreicht werden. a) Zwecks Vermeidung der Klagezustellung Der Umstand allein, dass ein deutsches Mutterunternehmen formaljuristisch eine von der US-amerikanischen Tochtergesellschaft unabhängige juristische Person ist, wird nicht dazu führen, dass die Klage dem deutschen Mutterunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugestellt wird oder zumindest als zugestellt gilt, was in jedem Fall zu einer pre-trial discovery gegen das in Deutschland ansässige, deutschem Recht und damit den Offenbarungsverboten unterliegende Unternehmen führt. Zum einen besteht für Zustellungen in Handels- und Zivilsachen das seit 1979 zwischen Deutschland und den USA geltende Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ).2 Dieses ermöglicht es einem US-amerikanischen Kläger, im Anwendungsbereich des Abkommens eine Zustellung auch in der Bundesrepublik zu bewirken. Bereits in dem Abkommen selbst ist der ordre public, der die Nichtausführung von Zustellungen erlaubt, restriktiv angelegt, vgl. Art. 13 HZÜ.3 Hinzu kommt, dass das BVerfG von seiner vormals protektionistischen Rechtsprechung4 abgerückt ist und nunmehr kooperationsfreundlich davon ausgeht, dass einer Zustellung von US-amerikanischen Klagen der ordre public regelmäßig nicht entgegensteht.5 Doch selbst, wenn eine Zustellung in der Bundesrepublik ausnahmsweise einmal am ordre public nach Art. 13 HZÜ scheitern sollte, so bedeutet das nicht, dass das deutsche Unternehmen vor einer Verfahrensbeteiligung in den USA gefeit wäre. Spätestens seit der Schlunk-Entscheidung des Supreme Court aus dem Jahre 1988 herrscht in den USA die Ansicht, das HZÜ beanspruche nur für __________ 1
Vgl. z.B. Schütze, RIW 2005, 579, 583. Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (BGBl. 1977 II, S. 1452 ff.). 3 Artikel 13 Abs. 1 HZÜ: „Die Erledigung eines Zustellungsantrags nach diesem Übereinkommen kann nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden.“ 4 Vgl. BVerfG Beschluss vom 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, NJW 2003, 2598 – Napster/Bertelsmann und hierzu Brand, NJW 2012, 1116, 1117 ff. 5 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.09.2006, 2 BvR 1421/00, WM 2006, 2105; zu den Einzelheiten siehe unten, B.II.2.a) (Reaktive Maßnahmen – Verhinderung der Klagezustellung). 2
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Zustellungen im Ausland Exklusivität.6 Soweit nach den Zustellungsregeln der lex fori auf dem Territorium der Vereinigten Staaten eine Zustellung bewirkt werden könne, müsse das im Ausland ansässige Unternehmen diese gegen sich gelten lassen.7 Dies entspricht, entgegen einer anderslautenden Ansicht der deutschen Literatur,8 auch der Auffassung der deutschen Rechtsprechung.9 Die Erläuterungen zum deutschen Ausführungsgesetz des HZÜ stellen ausdrücklich klar, dass das Abkommen keine verbindliche Verpflichtung für einen Vertragsstaat enthält, notwendige Zustellungen an Personen im Ausland gemäß dem Übereinkommen durchführen zu lassen, wenn nach dem Recht des Vertragsstaates die Zustellung bereits im Inland bewirkt werden kann.10 Viel problematischer als die Frage der zwingenden Anwendung des HZÜ ist für deutsche Unternehmen die großzügige Handhabe der Inlandszustellung in den USA. In der Schlunk-Entscheidung erachtete der US Supreme Court eine rechtlich unabhängige US-amerikanische Tochtergesellschaft der in Wolfsburg ansässigen Volkswagen AG als involuntary agent und bejahte den prozessualen Durchgriff auf die deutsche Muttergesellschaft.11 Die deutsche Muttergesellschaft wurde über den Weg einer Zustellung an ihre Tochtergesellschaft (die „unfreiwillige Zustellungsbevollmächtigte“) zur Prozesspartei, ohne dass der Muttergesellschaft selbst eine Klageschrift zugestellt worden ist. b) Zwecks Vermeidung der Gerichtspflichtigkeit in den USA US-amerikanische Gerichte bejahen ihre Kognitionsbefugnis sehr großzügig.12 Sog. long-arm statutes, die sich in fast allen Bundesstaaten finden, beanspruchen für US-amerikanische Gerichte weit über die territorialen Grenzen der USA hinaus die internationale Zuständigkeit.13 So bestimmt beispielsweise Section 410.10 des California Code of Civil Procedure: __________ 6 Volkswagen Aktiengesellschaft v. Schlunk, 486 U.S. 694 (June 15, 1988), hierzu: Otto, Der prozessuale Durchgriff, 110 f. 7 Volkswagen Aktiengesellschaft v. Schlunk, 486 U.S. 694, 698–708 (June 15, 1988). 8 Schütze, RIW 2005, 579, 581. 9 Vgl. jüngst OLG Hamm, Urteil vom 10.08.2011, 8 U 31/11, I-8 U 31/11 – juris Rn. 21. 10 BT-Drs. 8/217 vom 22.03.1977: Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen und zu dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen, 42. 11 Moelle in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts (2010), § 13 Rn. 156, Schütze, RIW 2005, 579, 581; eingehend: Otto, Der prozessuale Durchgriff. 12 Vgl. Einleitung A (Problemaufriss). 13 Vgl. Friedman/Collins, Civil Procedure, 72 f.; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 113; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 24 ff.;
I. Präventive Maßnahmen
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„A court of this state may exercise jurisdiction on any basis not inconsistent with the Constitution of this state or of the United States.“
Der Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Grenzen („not inconsistent with the Constitution“) wird in der US-amerikanischen Rechtsprechung derart ausgelegt, dass für die Annahme eines internationalen Gerichtsstandes in den USA das Bestehen von Minimalkontakten zum Gerichtsstaat (minimum contacts) erforderlich ist.14 Diese Minimalkontakte werden aber regelmäßig bejaht – vor allem, wenn der Kläger US-Amerikaner ist und ein Interesse an der Verfahrensdurchführung in den USA hat. Für den in der Praxis bedeutenden Gerichtsstand des doing business soll es ausreichen, dass die Geschäftstätigkeit im Gerichtsstaat derart dauerhaft und beachtlich (continuous and substantial) ist, dass die Annahme der internationalen Zuständigkeit vernünftig (reasonable) erscheint.15 In Anwendung dieser Formeln wird ein US-amerikanisches Gericht ohne Weiteres zu dem Ergebnis kommen, dass nicht nur die rechtlich unabhängige US-amerikanische Tochtergesellschaft, sondern auch die – möglicherweise solventere und über relevante Beweismittel verfügende – deutsche Muttergesellschaft in den USA Geschäfte tätigt, die die internationale Zuständigkeit begründen. Eine formaljuristische Trennung nutzt dann wenig. Schließlich kann noch die Regel der transient jurisdiction die Zuständigkeit eines US-amerikanischen Gerichts begründen und damit zur Durchführung einer pre-trial discovery gegen deutsche Unternehmen führen – und zwar unabhängig davon, ob das deutsche Unternehmen über eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft in den Vereinigten Staaten tätig ist oder nicht. Nach dieser Regel wird die Zuständigkeit eines USamerikanischen Gerichts bereits durch die Zustellung der Klage an einen Unternehmensvertreter im Gerichtsbezirk begründet.16
__________ Schütze in: Assman/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Auflage (2007), § 24 Rn. 100; ders., Klagen vor US-amerikanischen Gerichten, RIW 2005, 579, 583. 14 Vgl. International Shoe Co. v. State of Washington, 326 U.S. 310, 315 (December 3, 1945); Zapata Off-Shore Company, 407 U.S. 1 (1972); Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585 (April 17, 1991); Hanloser, DuD 2008, 785; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 101 ff. 15 Oakley/Amar, American Civil Procedure (2009), 107 ff.; Schütze in: Assman/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Auflage (2007), § 24 Rn. 100; ders., Klagen vor US-amerikanischen Gerichten, RIW 2005, 579, 583. 16 Vgl. Bunham v. Super Ct. Of Cal., 495 U.S. 604 (May 29, 1990); Hanloser, DuD 2008, 785, Oakley/Amar, American Civil Procedure, 112; Schütze in: Assman/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 24 Rn. 99; ders., Klagen vor US-amerikanischen Gerichten, RIW 2005, 579, 582.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
c) Zwecks Begrenzung der personellen Reichweite der pre-trial discovery Die Offenbarungspflicht im Rahmen der initial disclosure und der eigentlichen discovery erstreckt sich im Rahmen des im ersten Teil der Arbeit dargestellten inhaltlichen Umfangs (relevant to the claim or defense, nonprivileged)17 einerseits auf Dokumente und elektronisch gespeicherte Informationen, die sich im Besitz oder Gewahrsam (possession/custody) der in den USA verklagten (juristischen) Person befinden. Von der Offenbarungspflicht sind aber auch solche Beweismittel erfasst, die sich lediglich im Einflussbereich (control) der Beweisperson befinden.18 Das Tatbestandsmerkmal control wird von US-amerikanischen Gerichten denkbar weit ausgelegt.19 Es wird definiert als Recht, Befugnis oder Möglichkeit, auf Verlangen Unterlagen zu beschaffen.20 Auf diese Weise gelangen US-amerikanische Gerichte zu einem faktischen Durchgriff auf Unterlagen und elektronische Daten ausländischer Konzerngesellschaften.21 Dabei trifft die Offenbarungspflicht formaljuristisch nur die am USamerikanischen Verfahren unmittelbar beteiligte Partei. Diese hat sodann für die Herbeischaffung der Beweismittel von ausländischen Konzerngesellschaften zu sorgen. Zur Bejahung der Offenbarungspflicht soll regelmäßig bereits die faktische Zugriffsmöglichkeit auf die begehrten Beweismittel ausreichen.22 Eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs zwischen den Gesellschaften desselben Konzerns bedarf es nicht. Maßgeblich ist die Würdigung der faktischen Gesamtumstände. Auch hier verfahren US-amerikanische Gerichte großzügig. Eine die Offenbarungspflicht begründende „Kontrolle“ wurde z.B. angenommen, weil zwei Gesellschaften unter dem Dach einer gemeinsamen Muttergesellschaft standen, sie ein gemeinsames Firmenlogo verwendeten und die Marketingstrategie regel__________ 17
Vgl. oben B.I.2.a) und B.I.2.b). Für die initial disclosure statuiert FRCP Rule 26 (a) (1) (A) ) (ii): „A party must […] provide to the other parties […] a copy […] of all documents, electronically stored information, and tangible things that the disclosing party has in its possession, custody, or control and may use to support its claims or defenses, unless the use would be solely for impeachment”. Im Rahmen der eigentlichen discovery bestimmt FRCP Rule 34 (a) (1): „A party may serve on any other party a request within the scope of Rule 26(b) (1) to produce and permit the requesting party or its representative to inspect, copy, test, or sample the following items in the responding party’s possession, custody, or control“ (Hervorhebung nur hier). 19 Searock v. Stripling, 736 F.2d 650, 653 (U.S. Ct. App. 11 th Cir. July 17, 1984); M.L.C., Inc. v. North American Philips Corp., 109 F.R.D. 134 (S.D.N.Y. January 2, 1986); Camden Iron and Metal, Inc. v. Marubeni Amrica Corp., 138 F.R.D. 438, 442 (D.N.J. May 14, 1991). 20 Klinger, RIW 2007 108, 109. 21 Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341, 358 (2010); Klinger, Vernichtet oder Verloren?, RIW 2007 108, 109; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 30 ff. 22 Brisch/Laue, RDV 2010, 1, 2. 18
I. Präventive Maßnahmen
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mäßig abgesprochen wurde.23 Eine ausländische Streitpartei dringt mit dem Einwand fehlender Kontrolle praktisch nur in denjenigen Fällen vor einem US-amerikanischen Gericht durch, in denen die im Ausland belegenen Beweismittel dort beschlagnahmt wurden.24 Nach alledem sind deutsche Unternehmen auch dann nicht vor Offenbarungsverlangen sicher, wenn sie ihr US-amerikanisches Geschäft über eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft abwickeln und selbst gar nicht in den USA tätig geworden sind.25 Die drohenden, das Dilemma zwischen Offenbarungspflicht und Offenbarungsverboten charakterisierenden Sanktionen verwirklichen sich dann zwar nicht in ein und demselben Unternehmen, aber innerhalb desselben Konzerns, was die Zwangslage nicht unbedingt mildert.
2. Sicherung datenschutzrechtlicher Mindeststandards in den USA Bereits in Teil B.II. wurden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, bei einem in den USA ansässigen Empfänger personenbezogener Daten datenschutzrechtliche Mindeststandards zu sichern, die eine Datenübermittlung in Übereinstimmung mit den Regelungen der DSRL26 und des BDSG27 erlauben.28 Da es aufgrund des strikten Zeitablaufs einer pre-trial discovery im seltensten Fall gelingen wird, die in Betracht kommenden Instrumente rechtzeitig vor Offenbarung bzw. Übermittlung zu implementieren, sollten sie als Präventivmaßnahmen ergriffen werden. Denkbar sind verbindliche Unternehmensregeln (1), der Abschluss von Übermittlungsverträgen unter Verwendung von EU-Standardvertragsklauseln (2) und das Safe-Harbor-Modell (3).29 Allerdings kommen diese Instrumente als Präventivmaßnahmen von vornherein nur für den – wenngleich bedeutenden – Bereich von Vertragsstreitigkeiten in Betracht. Für Auseinandersetzungen, die wegen unerlaubter Handlung (z.B. auf dem Gebiet des geistigen Eigentums) oder Produkthaftung geführt werden, ist ihr Nutzen zur Vermeidung von datenschutzrechtlichen Sanktionen in Deutschland nur begrenzt. Denn in diesen Bereichen ist, anders als bei Vertragssachen, für ein deutsches Unternehmen regelmäßig nicht vorhersehbar, von wem Ansprüche erhoben werden. __________ 23
Alcan International, Ltd. v. S.A. Day Mfg. Co., Inc. 176 F.R.D. 75, 78 (W.D.N.Y. September 13, 1996); weitere Beispiele bei Klinger, RIW 2007 108, 109. 24 Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 287. 25 Klinger, RIW 2007 108, 109. 26 Artikel 25, 26 DSRL. 27 §§ 4b, 4c BDSG. 28 Vgl. B.II.1.e)(2). 29 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
a) Verbindliche Unternehmensregeln (Binding Corporate Rules) Um Übermittlungen signifikanter Datenmengen in die USA zu ermöglichen, wird die Implementierung verbindlicher Unternehmensregeln (BCR), die datenschutzrechtliche Mindeststandards sichern, vorgeschlagen.30 BCR kommen, wie bereits unter B.II. dargestellt, vor allem innerhalb desselben Konzerns in Betracht und erlauben den Datentransfer zwischen den einzelnen, auf beiden Seiten des Atlantiks tätigen Unternehmenseinheiten. Dritte, die dem Konzernverband nicht angehören, sind durch die Unternehmensregeln nicht gebunden. Demgemäß wird bei ihnen durch BCR auch kein angemessenes Datenschutzniveau garantiert. Da die an einem Rechtsstreit beteiligten Parteien typischerweise gerade nicht in einem Konzernverband miteinander verbunden sind, können BCR zwar den ersten Schritt, also die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA an die dem Konzernverband angehörende Tochter- oder Schwestergesellschaft rechtfertigen, nicht jedoch die Weitergabe der Daten an Dritte, die selbst kein ausreichendes Datenschutzniveau gewährleisten.31 Im Rahmen einer pre-trial discovery ist eine Weitergabe an die gegnerische Partei und das Gericht jedoch erforderlich. Strenggenommen ist die Implementierung von BCR daher nur geeignet, die erste von mehreren im Rahmen einer pre-trial discovery erforderlichen Datenübermittlungen zu legitimieren. Da der Weg über BCR aber durch die Artikel-29-Datenschutzgruppe und damit von „höchster Stelle“ empfohlen wird, erscheint deren Implementierung dennoch ratsam.32 Für deutsche Unternehmen, die lediglich von Deutschland aus und nicht vor Ort auf dem amerikanischen Markt tätig sind, z.B. reine Exportunternehmen oder Banken, die, ohne eine Niederlassung in den USA zu unterhalten, an internationalen Finanztransaktionen beteiligt sind, scheiden BCR als Präventivmaßnahmen aus. Ein geeignetes Präventivinstrument kann für sie der Abschluss von Übermittlungsverträgen unter Verwendung der EUStandardvertragsklauseln darstellen.
__________ 30 Artikel-29-Datenschutzgruppe, a.a.O.; Geis in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht, 28. Ergänzungslieferung (2011), Teil 13.2 Rn. 32; Geis/Klas, AWVInformationen (3/2009), 7, 8; Spies/Schröder, MMR 2008, 274, 280; vgl. auch oben B.II.1.e)(2). 31 Brisch/Laue, RDV 2010, 1, 6 f.; Hanloser, DuD 2008, 785, 788; Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 374, 375 (2009). 32 Auf einem anderen Blatt geschrieben steht, ob die zuständige Aufsichtsbehörde in Deutschland, nachdem eine legale Datenübermittlung in die USA stattgefunden hat, die Weitergabe der Daten an Dritte (Prozessgegner und Gericht) überhaupt noch effektiv kontrollieren kann.
I. Präventive Maßnahmen
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b) EU-Standardvertragsklauseln Im Rahmen dauerhafter Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und US-amerikanischen Unternehmen können sog. Übermittlungsverträge geschlossen werden, die, ähnlich den BCR, datenschutzrechtliche Mindeststandards in den USA sicherstellen. Werden in derartigen Übermittlungsverträgen die durch die Kommission im Jahre 200133 und 200434 veröffentlichten allgemeinen Standardvertragsklauseln verwendet, so soll eine Genehmigung der einzelnen Datenübermittlung durch die Aufsichtsbehörde nicht mehr erforderlich sein.35 Die Behörde soll nur noch über den Abschluss eines Übermittlungsvertrages informiert werden, damit sie ihre Kontrollbefugnisse ausüben kann.36 Kommt es zwischen Unternehmen, die einen Übermittlungsvertrag geschlossen haben, später zum Rechtsstreit, so können (zumindest einzelne) Datenpakete legal in die USA übermittelt werden. Für die Durchführung des trial muss aber auch hier eine Weitergabe der Daten an das Gericht erfolgen. Diese ist strenggenommen nicht mehr vom datenschutzrechtlichen Garantieinstrument des Übermittlungsvertrages gedeckt.37 Da aber auch der Weg über die Verwendung von EU-Standardvertragsklauseln von der Artikel-29-Datenschutzgruppe vorgeschlagen wird,38 erscheint es grundsätzlich sinnvoll, von deutscher Seite bereits frühzeitig auf den Abschluss von Übermittlungsverträgen hinzuwirken. Jedenfalls auf Sanktionsebene, also wenn die deutsche Aufsichtsbehörde eine Datenübermittlung für Zwecke der pre-trial discovery unter Hinweis auf das ihr zur Verfügung stehende Sanktionsrepertoire beanstandet, kann der frühzeitige Abschluss von Übermittlungsverträgen als gutes Argument dafür herangezogen werden, dass das deutsche Unternehmen alles ihm Mögliche unternommen hat, um in Übereinstimmung mit deutschem und europäischem Datenschutzrecht zu handeln.
__________ 33 Entscheidung 2001/497/EG der Kommission vom 15.06.2001 hinsichtlich Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer nach der Richtlinie 95/46/EG (ABl. EG v. 04.07.2001, Nr. L. 181 S. 19). 34 Entscheidung 2004/915/EG der Kommission vom 27.12.2004 zur Änderung der Entscheidung 2001/497/EG bezüglich der Einführung alternativer Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer (ABl. EG v. 29.12. 2004, Nr. L 385 S. 74). 35 Gola/Schomerus, BDSG, § 4c Rn. 12 und 14; Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 18c; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 51. 36 Däubler in: Däubler/Klebe/Webbe/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, § 4c Rn. 18c. 37 Brisch/Laue, RDV 2010, 1, 7; Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 376 (2009). 38 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
c) Das Safe-Harbor-Modell Auch das Safe-Harbor-Modell wurde in Teil B.II. der Arbeit bereits vorgestellt.39 Sofern sich ein US-amerikanisches Unternehmen durch entsprechende Erklärung gegenüber dem US-amerikanischen Handelsministerium den Safe Harbor Principles unterworfen hat, können diesem, auch in bedeutendem Umfang, personenbezogene Daten übermittelt werden.40 Wie schon bei den beiden erstgenannten Instrumenten, so ist aber auch hier die im Rahmen der pre-trial discovery erforderliche Weiterleitung der Daten an das Gericht problematisch.41 Zudem ist das Safe-Harbor-Modell nicht für Unternehmen aller Branchen eröffnet.42 Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich des praktischen Nutzens bzw. der Praktikabilität gilt auch für das Safe-Harbor-Modell: Es wurde von der Artikel-29-Datenschutzgruppe als möglicher Weg ausdrücklich genannt.43 Ein deutsches Unternehmen sollte daher im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf hinwirken, dass sich seine Geschäftspartner in den USA den Safe Harbor Principles unterwerfen.
3. Vertragsgestaltung mit Kunden und Geschäftspartnern Ganz allgemein sollte versucht werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung mit Kunden und Geschäftspartnern die Zuständigkeit von USamerikanischen Gerichten zu vermeiden (a). Deutsche Kreditinstitute können ferner für Fälle der pre-trial discovery das Bankgeheimnis vertraglich ausschließen oder beschränken (b). a) Vermeidung der US-amerikanischen Jurisdiktion Die internationale Zuständigkeit von US-amerikanischen Gerichten und damit die Durchführung einer pre-trial discovery, die sich nach US-amerikanischem Recht richtet, lässt sich einerseits über die Aufnahme von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte vermeiden (1), zum anderen durch vertragliche Vereinbarung der Zuständigkeit eines privaten Schiedsgerichts (2).44 __________ 39
Vgl. oben B.II.1.e). Gola/Schomerus, BDSG, § 4b Rn. 14 f. Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 373, 374 (2009). 42 Finanzinstitute und Luftfahrtunternehmen, beide häufig an transnationalen Verfahren beteiligt, können sich dem Safe-Harbor-Modell nicht anschließen, vgl. Gabel in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG, § 4b Rn. 23; Räther/Seitz, MMR 2002, 425, 429 und oben B. II. e) (2). 43 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 15. 44 Allgemein zu Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Verhältnis Deutschland – USA: Sandrock, Gerichtsstands- und Schiedsklausen in Verträgen zwischen US40 41
I. Präventive Maßnahmen
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(1) Gerichtsstandsklausel Im Jahre 2009 haben sowohl die USA als auch die EG das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) vom 30.06.2005 unterzeichnet.45 Dieses soll einheitliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für Gerichtsstandsvereinbarungen schaffen, die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen sicherstellen, die durch das vertraglich bestimmte Gericht erlassen wurden und damit eine vergleichbare Verlässlichkeit für transnationale Rechtsstreitigkeiten schaffen, wie sie für Schiedsverfahren aufgrund des New Yorker Abkommens vom 10.06.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen besteht.46 Solange das Abkommen noch nicht in Kraft getreten ist,47 und soweit die Gerichtsstandsvereinbarungen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 17 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (GVÜ)48 bzw. Art. 23 der Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)49 fallen – und das tun sie im Verhältnis der Bundesrepublik und der USA nicht – bestimmt sich die Wirksamkeit nach materiellem und prozessualem nationalem Recht.50 Nach der Rechtsprechung des BGH können Parteien die Zuständigkeit eines deutschen oder eines ausländischen Gerichts grundsätzlich frei ver__________ amerikanischen und deutschen Unternehmen: Was ist zu empfehlen?, in: Festschrift für Ernst C. Stiefel (1987), 625. 45 Vgl. Beschluss des Rates 2009/397/EG vom 26. Februar 2009 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen – ABl. EG v. 29.05.2009 – ABl. EG Nr. L 133/1; Der Volltext des HGÜ ist abrufbar unter: ; die aktuelle Statustabelle ist abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 46 Eichel, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.06.2005, RIW 2009, 289. 47 Zum Inkrafttreten des Abkommens vgl. Artikel 31 HGÜ. Eingehend zu den Regelungen und erwarteten Auswirkungen des HGÜ: Bläsi, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen – Unter besonderer Berücksichtigung seiner zu erwartenden Auswirkungen auf den deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (2010). 48 Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 774). 49 Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) vom 22. Dezember 2000 (ABl. L 12/01 S. 1). 50 Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, Vor. § 238 Rn. 5 f.; Kieninger in: Münchener Kommentar zum BGB, Band II, § 307 Rn. 282.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
einbaren.51 Nur unter einschränkenden Voraussetzungen sind nach deutschem Recht Gerichtsstandsvereinbarungen wirksam, wenn eine potentiell schwächere Partei wie ein Verbraucher oder ein Arbeitnehmer beteiligt ist.52 Diese Einschränkungen sind aber für den in der vorliegenden Arbeit behandelten Problemkomplex, der in erster Linie transnational agierende Unternehmen betrifft, nicht von Belang. In der US-amerikanischen Rechtsprechung werden Gerichtsstandsvereinbarungen (forum-selection clauses) seit der Entscheidung des US Supreme Court M/S Bremen and Unterweser GmbH v. Zapata Off-Shore Co. aus dem Jahre 1972 als grundsätzlich wirksam erachtet.53 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine deutsche Reederei mit einem amerikanischen Unternehmen einen Frachtvertrag geschlossen. Als es zwischen den Vertragsparteien zum Rechtsstreit kam, rügte die in den USA verklagte deutsche Partei unter Hinweis auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des High Court of Justice in London die Unzuständigkeit des US-amerikanischen Gerichts. Die erste und zweite Instanz erachtete die Gerichtsstandsklausel für unwirksam und bejahte die eigene Kognitionsbefugnis. Dem trat der US Supreme Court entgegen und stellte für Gerichtsstandsvereinbarungen eine grundsätzliche Wirksamkeitsvermutung auf:54 „The forum-selection clause […] is binding on the parties unless respondent can meet the heavy burden of showing that its enforcement would be unreasonable, unfair, or unjust.“
Das Urteil wurde durch spätere Entscheidungen des US Supreme Court bestätigt.55 Zwar ist der Ermessensspielraum der US-amerikanischen Gerichte hinsichtlich der Frage, was noch vernünftig (reasonable) ist, sehr weit, was es schwer macht, abstrakt zu bestimmen, ob eine Gerichtsstandklausel (gerade noch) wirksam oder (schon) unwirksam ist.56 Die Anerkennung ihrer grundsätzlichen Wirksamkeit lässt es für deutsche Unternehmen aber durchaus als lohnend erscheinen, zu versuchen, im Rahmen von Vertragsverhandlungen die Aufnahme derartiger Klauseln durchzusetzen. Ob dies gelingt, hängt vor allem von der Verhandlungsposition des deutschen Unternehmens ab. Für den Fall, dass sich der Vertragspartner nicht auf die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands einlassen will, so sollte mit __________ 51 BGH Urteil vom vom 15. 4. 1970, VIII ZR 87/69, NJW 1971, 324, 325; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, Vor. § 238 Rn. 5. 52 Vgl. BAG Urteil vom 5. 9. 1972, 3 AZR 212/69, NJW 1971, 963; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, Vor. § 238 Rn. 5 f. 53 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Company 407 U.S. 1 (June 12, 1972); vgl. auch Schütze, RIW 2005, 579, 584. 54 M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Company 407 U.S. 1 (June 12, 1972). 55 Vgl. z.B. Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585 (April 17, 1991). 56 Eichel, RIW 2009, 289, 290; Schütze, RIW 2005, 579, 584.
I. Präventive Maßnahmen
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Blick auf den besonders weiten Umfang der US-amerikanischen pre-trial discovery wenigstens versucht werden, einen anderen als den US-amerikanischen Gerichtsstand zu vereinbaren. Als Kompromiss zwischen einem Gerichtsstand in den USA, der die Möglichkeit einer umfangreichen pretrial discovery eröffnet und einem Gerichtsstand in der Bundesrepublik, in der ein der discovery vergleichbares Verfahren nicht existiert, könnte z.B. die Vereinbarung eines Gerichtsstandes in Großbritannien sein. Hier besteht zwar ein Verfahren der discovery, deren Umfang ist aber nicht derart weit, wie jener einer discovery nach den FRCP.57 Zudem ist das Vereinigte Königreich Mitglied der EU, sodass all jene Probleme vermieden werden, die aus dem nach europäischem Verständnis unzureichenden Datenschutzniveau in den USA resultieren. (2) Schiedsgerichtsklausel Können oder wollen sich die Vertragsparteien nicht auf die Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts einigen, kommt die Aufnahme einer Schiedsklausel (arbitration clause) in Betracht, durch die für alle aus dem Vertragsverhältnis resultierenden Streitigkeiten die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart wird.58 Schiedsgerichtsbarkeit bedeutet „privatisierte Rechtsprechung“.59 Die Rechtsordnung der Vereinigten Staaten ist traditionell schiedsgerichtsfreundlich.60 Bereits 1925 trat der Federal Arbitration Act (FAA) in Kraft.61 Im Interesse der Entlastung staatlicher Gerichte stärkt das Gesetz die außergerichtliche Streitbeilegung. Dementsprechend offen stehen US-amerikanische Gerichte Vertragsklauseln gegenüber, die die Zuständigkeit staatlicher Gerichte ausschließen.62 Zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik gilt das New Yorker Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländi__________ 57
O’Toole/Cinotti, E-Discovery in Cross-Border Litigation: Taking International Comity Seriously, The International Dispute Resolution News (2010), 21, 22; Stürner in: McCaffrey/Main, Transnational Litigation, 429, 432. 58 Zur Formulierung internationaler Schiedsvereinbarungen und -klauseln vgl. Born, International Arbitration and Forum Selection Agreements: Drafting and Enforcing, 3. Auflage (2010), 37 ff. 59 Oakley/Amar, American Civil Procedure, 272; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage (2005), Kapitel 1, Rn. 1. 60 Friedman/Collins, Civil Procedure, 932; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 261. 61 9 U.S.C., Sec. 1-14; Oakley/Amar, American Civil Procedure, 258 ff. 62 Schütze, RIW 2005, 579, 584; In AT&T Mobility LLC v. Conception et ux. (No. 09893) vom 27. April 2011 entschied der US Supreme Court, dass Schiedsklauseln auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden können und dies selbst dann, wenn dadurch die Möglichkeit einer Class Action ausgeschlossen wird (bislang unveröffentlicht), abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
scher Schiedssprüche vom 10. Juni 1958.63 Nach Art. II Abs. 1 des Abkommens erkennt jeder Vertragsstaat eine schriftliche Vereinbarung an, durch die sich die Parteien verpflichten, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen aus einem bestimmten Rechtsverhältnis, sei es vertraglicher oder nichtvertraglicher Art, die bereits entstanden sind oder künftig entstehen, einem schiedsrichterlichen Verfahren zu unterwerfen, sofern der Gegenstand des Streites auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann. Zwar sehen teilweise auch private Schiedsgerichtsordnungen die Durchführung einer pre-trial discovery vor.64 Allerdings wird durch die Durchführung eines Schiedsverfahrens jedenfalls die discovery im Umfang der FRCP vermieden. Um die US-amerikanische Verhandlungspartei davon zu überzeugen, eine Schiedsklausel in den Vertrag aufzunehmen und damit auf die Möglichkeit einer pre-trial discovery nach den FRCP zu verzichten, kommen vor allem folgende Argumente in Betracht: Im Gegensatz zu einem staatlichen Gericht, bei dem die Gefahr der Parteilichkeit zugunsten des eigenen Staatsangehörigen besteht, entstammen die Schiedsrichter eines internationalen Schiedsgerichts regelmäßig keinem Staat, dem die Parteien angehören. Insofern stehen Schiedsgerichte für besondere Neutralität. Verglichen mit den oft langen Verfahren über mehrere Instanzen vor staatlichen Gerichten, kann von einem Schiedsgericht oft schon binnen weniger Monate eine Entscheidung, d.h. ein Schiedsspruch gefällt werden.65 Nicht zuletzt aufgrund dieser Zeitersparnis ist die Durchführung eines Schiedsverfahrens in aller Regel mit erheblich geringeren Kosten verbunden, als das Bestreiten eines staatlichen Verfahrens. Die Verfahrensdurchführung ist zudem flexibler und private Schiedsrichter weisen oft besondere Sachkunde auf.66 Schließlich sind Schiedsverfahren im Gegensatz zu staatlichen Verfahren nicht öffentlich, sodass den Streitparteien kein Rufschaden droht. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik __________ 63 UN Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (BGBl. II 1961, S. 121; BGBl. II 1987, S. 389); Zur Anwendung des Abkommens durch US-Gerichte: Oakley/Amar, American Civil Procedure, 278 ff. 64 Vgl. hierzu: Hilgard, Electronic Discovery im Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2008, 122; Kaufmann-Kohler/Bärtsch, Discovery in international arbitration: How much is too much?, SchiedsVZ 2004, 13; Retzer/Kahn, Balancing Disovery with EU Data Protection in International Arbitration Proceedings, NYSBA New York Dispute Resolution Lawyer (Spring 2010), Vol. 3, No. 1, 47 ff. 65 Zur effektiven Gestaltung von Schiedsverfahren vgl. Semmler, Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit in Schiedsverfahren, SchiedsVZ 2009, 149. 66 Voit in: Musielak, ZPO, § 1025 Rn. 2.
I. Präventive Maßnahmen
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Deutschland durch Art. III ff. des New Yorker Übereinkommens und Art. VI Abs. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29. Oktober 195467 sichergestellt. b) Allgemeine Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten Im Hinblick auf die unter B.II.3. erläuterten Probleme, die sich aus der Verpflichtung deutscher Kreditinstitute zur Wahrung des Bankgeheimnisses ergeben,68 ist es jedenfalls für Kreditinstitute, die selbst in den USA tätig sind, oder Kunden betreuen, die auf dem US-amerikanischen Markt agieren, ratsam, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Möglichkeit einer gegen sie gerichteten pre-trial discovery zu berücksichtigen. Denkbar ist insoweit, bereits bei Vertragsabschluss eine Erklärung des Kunden einzuholen, dass er im Falle einer gegen ihn oder gegen das Kreditinstitut durchgeführten pre-trial discovery ganz oder teilweise, unbedingt oder unter bestimmten Voraussetzungen auf den Schutz des Bankgeheimnisses verzichtet. Anders als eine Einwilligung in Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis oder in das durch das BDSG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegt die Einwilligung von Eingriffen in das Bankgeheimnis nicht den strengen Voraussetzungen des § 4a BDSG.69 Eine entsprechende Erklärung darf auch in vorformulierten Vertragsbedingungen enthalten sein, sofern dies für den Kunden nicht überraschend ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Kunde aufgrund des Sachzusammenhangs mit der vorformulierten Erklärung zur Entbindung vom Bankgeheimnis rechnen muss. Jedenfalls für in den USA tätige Unternehmen dürfte eine entsprechende AGB-Klausel nicht überraschend und daher wirksam sein.70 4. Überarbeitung der unternehmensinternen IT-Policy Insbesondere im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren rasant an Bedeutung gewonnene e-discovery, deren Gegenstand die Offenbarung elektronisch gespeicherter Informationen ist, sollten Unternehmen, die sich in den USA betätigen, den unternehmensinternen Umgang mit Informationstechnologie überdenken und die – oftmals gar nicht so fern liegende – Möglichkeit einer gegen sie durchgeführten pre-trial discovery berücksichtigen. __________ 67 Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II, S. 487). 68 Vgl. oben B.II.3.b). 69 Vgl. oben B.II.3.c)(1); B.II.1.d)(1). 70 Vgl. Bruchner/Krepold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 39 Rn. 32.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Es sollten effektive Datenvermeidungsstrategien erarbeitet und umgesetzt (a) und in der IT-Architektur eines Unternehmens automatische Datenlöschungsmechanismen installiert werden (b). Die Nutzung von betrieblichen E-Mail-Accounts zu privaten Zwecken sollte untersagt (c) und es sollte eine unternehmensinterne Richtlinie eingeführt werden, die Verhaltenspflichten und die Abläufe für den Fall vorsieht, dass gegen das Unternehmen eine pre-trial discovery betrieben wird (d). a) Mitarbeitersensibilisierung und Datenvermeidung Das Beispiel Merill Lynch, in der unbedachte Äußerungen von Mitarbeitern im unternehmensinternen E-Mail-Verkehr zu einer Entschädigungszahlung in dreistelliger Millionenhöhe führte,71 verdeutlicht, wie verhängnisvoll der unbedarfte Gebrauch elektronischer Kommunikationsmittel sein kann. Daher ist es wichtig, Unternehmensführung und Mitarbeiter von in den USA tätigen Unternehmen für das Thema der Datenvermeidung zu sensibilisieren und effektive Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Insbesondere ist es ratsam, den unternehmensinternen E-Mail-Verkehr einzudämmen.72 Wie genau eine derartige Sensibilisierung aussehen kann, hängt von der jeweiligen Unternehmensstruktur ab. In Betracht kommen z.B. die Versendung entsprechender Appelle per Rundschreiben und die Veranstaltung von Seminaren, in denen Mitarbeiter dazu angehalten werden, nur diejenigen Informationen elektronisch zu versenden, die auch wirklich eine elektronische Fixierung erfordern. Oftmals ersetzen E-Mails das persönliche Gespräch, obwohl der Adressat der Nachricht im Zimmer nebenan sitzt.73 Der Austausch von Informationen – insbesondere solcher, die wie im Fall Merill Lynch für das Unternehmen nachteilig werden können – sollte tunlichst flüchtig bleiben. b) Automatische Datenvernichtung In einer Richtlinie zur Aufbewahrung und Löschung von Geschäftsunterlagen sollte die verbindliche und regelmäßige Vernichtung nicht mehr benötigter Unterlagen und Informationen festgelegt werden (sog. document retention policy).74 Eine derartige Maßnahme kann dazu dienen, nicht __________ 71
Vgl. oben B.I.3.b). Hall, Evaluating Columbia Pictures v. Bunnell and the Role of RAM under the Federal Rules of Civil Procedure on E-Discovery, 5 Shidler J. L. Com. & Tech. 23 (2009); Klinger, RIW 2007, 108, 112; Retzer/Kahn, New York Dispute Resolution Lawyer (Spring 2010), 47, 51. 73 Vgl. Brisch/Laue, RDV 2010, 1. 74 Vgl. Hanloser, DuD 2008, 685, 686; Klinger, RIW 2007, 108, 112; Rath/Klug, K&R 2008, 596, 600; Wotherspoon/Cameron, Electronic Evidence and E-Discovery, 32 ff. 72
I. Präventive Maßnahmen
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mehr benötigte, aber unter Umständen gefährliche Informationen vor dem Zugriff künftiger Streitgegner zu bewahren. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang aber gesetzliche Aufbewahrungspflichten nach deutschem Recht, gegen die durch eine vorzeitige Löschung verstoßen werden würde. So sieht etwa § 257 HGB vor, dass empfangene und abgesendete Handelsbriefe mehrere Jahre aufbewahrt werden müssen. § 147 AO sieht eine Aufbewahrungspflicht für verschiedene Unterlagen vor, soweit sie für die Besteuerung von Belang sind. Diese Normen greifen auch für E-Mails.75 c) Verbot der privaten E-Mail-Nutzung Da im Falle der gestatteten Privatnutzung betrieblicher E-Mail-Accounts nach h.M. das Fernmeldegeheimnis Anwendung findet,76 sollte der Privatgebrauch des Mail-Accounts unmissverständlich untersagt werden.77 Hierdurch wird sichergestellt, dass ein Unternehmen im Falle eines Offenbarungsverlangens uneingeschränkten Zugriff auf alle elektronischen Informationen hat, die in den E-Mails der Mitarbeiter enthalten sind. Zudem sollte eine klare, mit dem Betriebsrat abgestimmte Richtlinie (Betriebsvereinbarung) regeln ob und inwieweit der private Internetgebrauch gestattet wird. Die Erlaubnis der allgemeinen Internetnutzung kann – arbeits- und betriebspolitisch – einen Ausgleich zum strikten Verbot der privaten Nutzung des E-Mail-Accounts darstellen. Jedenfalls im Hinblick auf eine pretrial discovery erscheint die private Internetnutzung, durch die beim Arbeitgeber nur in begrenztem Umfang Daten anfallen, an denen ein besonderes Interesse zur Offenbarung besteht, unbedenklich. d) Implementierung einer e-discovery-Richtlinie Für Unternehmen und Konzerne, welche nicht nur sporadische Berührungspunkte mit den USA haben, ist es schließlich sinnvoll, eine spezielle Richtlinie zur e-discovery einzuführen.78 In dieser sollte klar geregelt sein, wie sich Unternehmens- bzw. Konzernführung und Mitarbeiter im Falle einer drohenden oder gegen das Unternehmen durchgeführten pre-trial discovery zu verhalten haben. Für deutsche Unternehmen bietet sich insoweit auch der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung an, __________ 75
Barth, Aufbewahrungspflicht für E-Mails?, MMR 2009, XXIV, XXV; Rath/Karner, Private Internetnutzung am Arbeitsplatz, K&R 2007, 446, 447. 76 Vgl. oben B.II.2.b)(1). 77 Kempermann, ZD 2012, 12. 78 Klinger, RIW 2007, 108, 112; Wotherspoon/Cameron, Electronic Evidence and E-Discovery, 18 ff.; Wybitul, BB 2009, 606, 608.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
die etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrates berücksichtigt.79 In der e-discovery-Richtlinie muss zunächst sichergestellt werden, dass jeder drohende Rechtsstreit unverzüglich der Unternehmens- bzw. Konzernführung mitgeteilt wird. Diese wiederum muss sich – etwa über in der Richtlinie festgelegte Verteilerlisten – mit allen betroffenen Untergesellschaften und Abteilungen in Verbindung setzen. Sodann müssen Maßnahmen vorgesehen werden, damit ab dem Zeitpunkt, in dem ein Rechtsstreit in den USA vernünftigerweise vorhersehbar ist, jedwede Löschung von elektronisch gespeicherten Informationen unterbleibt (litigation hold),80 denn im Falle der fahrlässigen Löschung drohen erhebliche Sanktionen wegen Beweisvereitelung (spoliation).81 Die Richtlinie sollte ferner vorsehen, durch wen die Umsetzung der discoveryMaßnahmen unternehmensintern überwacht wird. In Betracht kommt, soweit vorhanden, insbesondere die Zuständigkeit der Rechtsabteilung, der Unternehmens-Compliance und des IT-Supports.82 Die Sicherung und ggf. auch Vorsortierung potentiell relevanter Unterlagen sollte sodann in enger Zusammenarbeit von EDV-Spezialisten und fachkundigen Rechtsanwälten geschehen.83
__________ 79
Vgl. § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); Özbek, Datenschutzkonformer Einsatz von E-Discovery Systemen, DuD 2010, 576, 577; Spieß, Grenzüberschreitende elektronische Beweiserhebung (Discovery) vs. Datenschutz? MMR 2007, V, VII. 80 Brisch/Laue, RDV 2010, 1, 3; Wotherspoon/Cameron, Electronic Evidence and E-Discovery, 35. 81 Goldman/Hughes, Civil Litigation, 239; Klinger, RIW 2007, 108, 110; eingehend: Scheindlin/Wangkeo, Electronic Discovery Sanctions in the Twenty-First Century, 11 Mich. Telecom. Tech. L.Rev. 71 (2004); Nachdem Samsung trotz Offenbarungsverlangens die automatische Löschfunktion für E-Mails nicht deaktiviert hatte und E-Mails in den vorgesehenen Intervallen vernichtet wurden, wurde das Unternehmen mit einer Geldbuße von über einer halben Millionen USD belegt, Mosaid Technologies Inc. v. Samsung Electronics Co. Ltd., 348 F.Supp.2d 332, 334 (D.N.J. December 7, 2004); Philip Morris musste aufgrund einer automatisch erfolgten Löschung von E-Mails 2,75 Mio. USD zahlen, vgl. United States v. Philip Morris USA Inc., 327 F.Supp.2d 21, 26 (D.D.C. July 21, 2004). 82 Özbek, DuD 2010, 576, 577; Zur datenschutzrechtlichen Relevanz unternehmensinterner Ermittlungen vgl. Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 117 vom 01.02.2006: Stellungnahme 1/2006 zur Anwendung der EU-Datenschutzvorschriften auf interne Verfahren zur Meldung mutmaßlicher Missstände in den Bereichen Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen, Fragen der Wirtschaftsprüfung, Bekämpfung von Korru ption, Banken- und Finanzkriminalität. 83 Klinger, RIW 2007, 108, 112.
II. Reaktive Maßnahmen
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II. Reaktive Maßnahmen II. Reaktive Maßnahmen
Im Hinblick auf ein konkretes, bereits anhängiges oder auch nur drohendes Gerichtsverfahren hängt es von der Verteidigungsstrategie im Einzelfall ab, ob sich die (künftige) Streitpartei kooperativ verhält (1) oder konfrontativ (2).
1. Reaktiv-kooperative Maßnahmen In der Regel ist es ratsam, sich zumindest zu Beginn einer Auseinandersetzung kooperativ zu zeigen.84 Dabei meint kooperativ, dass bei allen Maßnahmen, die im Rahmen einer oder im Hinblick auf eine pre-trial discovery getroffen werden, das Einvernehmen der Gegenseite erzielt wird. Auch wenn zwischen den Streitparteien kein Vertragsverhältnis besteht, welches durch die Aufnahme einer Schieds- oder Gerichtsstandsklausel die US-amerikanische Gerichtsbarkeit ausschließt,85 kann in diesem Stadium der Auseinandersetzung versucht werden, durch eine Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung die Kognitionsbefugnis von US-amerikanischen Gerichten und damit die pre-trial discovery im Umfang der FRCP zu vermeiden.86 Ob sich allerdings der Kläger angesichts der Vorteile, die ihm das US-amerikanische Zivilverfahrensrecht bringt,87 hierzu motivieren lässt, erscheint fraglich. Für die Durchführung eines Schiedsverfahrens bzw. eines Verfahrens vor einem anderen als einem US-amerikanischen Gericht kraft nachträglicher Vereinbarung können dieselben Argumente angeführt werden, die auch für die Aufnahme einer entsprechenden Vertragsbestimmung fernab jeder Streitigkeit sprechen.88 Ferner besteht die Möglichkeit, den Umfang der pre-trial discovery durch Parteivereinbarung einzuschränken. FRCP Rule 29 (b) bestimmt: „Unless the court orders otherwise, the parties may stipulate that […] other procedures governing or limiting discovery be modified – but a stipulation extending the time for any form of discovery must have court approval if it would interfere with the time set for completing discovery, for hearing a motion, or for trial.“
Zunächst sollte versucht werden, den sehr weiten inhaltlichen Umfang der discovery auf für den Klagegegenstand unmittelbar erhebliche Information zu beschränken. Im Hinblick auf die Problemfelder, die sich aus dem deut__________ 84
Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 295 f. Kein unmittelbares Vertragsverhältnis besteht regelmäßig in Produkthaftungsfällen sowie in Verfahren, die geistiges Eigentum zum Gegenstand haben wie z.B. Patentstreitigkeiten und urheberrechtliche Angelegenheiten. 86 Schütze, RIW 2005, 579, 583. 87 Siehe Einleitung A (Problemaufriss). 88 Vgl. C.I.3.a). 85
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
schen und europäischen Datenschutzrecht ergeben, sollte ferner versucht werden, aufgrund einer Parteivereinbarung die Filterung relevanter Informationen innerhalb der EU zu erreichen, damit möglichst wenig personenbezogene Daten in die USA übermittelt werden müssen. Soweit möglich, sollten die herausgefilterten, relevanten Dokumente vor ihrer Offenbarung anonymisiert und/oder pseudonymisiert werden.89 Da eine automatisierte Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung nur sehr begrenzt möglich ist, entstehen hierdurch regelmäßig anwaltliche Mehrkosten, die aufgrund der amerikanischen rule of costs auch im Falle des Obsiegens grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind.90 In welcher Höhe Mehrkosten entstehen, hängt vom jeweiligen Sachverhalt sowie dem Umfang der begehrten Dokumente ab. Eine generelle Aussage hierzu lässt sich nicht treffen. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass sich die Parteien zum Schutz der nach deutschem Recht bestehenden Geheimhaltungspflichten auf ein filing under seal mit anschließender in-camera-Prüfung in den USA verständigen.91 Das filing under seal garantiert, dass die übermittelten Informationen entgegen dem sonst in den Vereinigten Staaten weitreichenden Zugang der Öffentlichkeit zu gerichtlichen Informationen, vor der Kenntnisnahme Dritter geschützt sind.92 Die anschließende in-camera-Prüfung, die vor der Entscheidung über die Offenbarung erfolgt, ermöglicht eine zuverlässige Entscheidung darüber, ob die angeforderten Informationen vom Geheimnisschutz erfasst sind. Die Begutachtung wird häufig einem special master, einer Art Hilfsrichter übertragen.93 Sollte dies alles nicht dazu führen, den Umfang der pre-trial discovery auf ein mit deutschen und europäischen Geheimhaltungspflichten verträgliches Maß zu reduzieren, so bleibt der betroffenen Partei nur noch der Konfrontationskurs.
2. Reaktiv-konfrontative Maßnahmen Konfrontativ sind Maßnahmen dann, wenn sie nicht mehr auf dem Einvernehmen der Gegenseite beruhen, sondern ohne oder gegen deren Willen __________ 89 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 12; Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2007, 191. 90 Vgl. Oakley/Amar, American Civil Procedure, 206. 91 Zur in-camera-Prüfung: Kersting, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im Zivilprozess, 201. 92 Smith/Hall, Filing Commercial Documents Under Seal, NYLJ Volume 242 – NO. 36 (2009); O’Brien/Brown, Protecting Confidential Information By Filing In Court “Under Seal”, Corporate Counsel (10/2005), A3. 93 Vgl. auch Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 153 f.
II. Reaktive Maßnahmen
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durchgeführt werden, meist durch Einschaltung eines Gerichts. Sie kommen sowohl in den USA (a) als auch in Europa (b) in Betracht. a) Maßnahmen in den USA: Widerspruch gegen das Offenbarungsverlangen und Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Schutzverfügung (protective order) Eine Partei, die einem aus ihrer Sicht exzessiven bzw. intrusivem Offenbarungsverlangen ausgesetzt ist, kann der Offenbarung widersprechen und nach FRCP Rule 26 (c) bei Gericht eine Schutzverfügung (protective order) beantragen, durch die der inhaltliche Umfang der pre-trial discovery im Einzelfall beschränkt wird.94 Zur Begründung des Antrags kommen zunächst zahlreiche allgemeine Einwände in Betracht, wie z.B. jener, dass das Offenbarungsverlangen nicht darauf ausgelegt ist, entscheidungserhebliche Informationen zu ermitteln, inhaltlich zu weitgehend, unpräzise oder missverständlich ist.95 Ferner kann der Antrag auf Erlass einer Schutzverfügung damit begründet werden, dass die Partei, die die Offenbarung von Informationen verlangt, den generellen inhaltlichen Umfang der pre-trial discovery verkennt, weil die begehrten Informationen von einem Weigerungsrecht (privilege) gedeckt sind. Die unter B. II. dargestellten Offenbarungsverbote nach deutschem Recht vermitteln vor US-amerikanischen Gerichten aber keine Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte.96 Verfahrensbeteiligte, die sich im Dilemma zwischen der Offenbarungspflicht nach den FRCP und den Offenbarungsverboten nach deutschem und europäischem Recht befinden, können ihren Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Schutzverfügung aber darauf stützen, dass die Offenbarung der begehrten Informationen im Einzelfall unverhältnismäßig belastend ist, weil sie zu einer Verletzung des Rechts ihres Heimatlandes zwingen würde.97 Die Darlegungslast für einen Verstoß gegen ausländisches Recht trifft den Verfahrensbeteiligten, der sich auf ihn beruft (1). Hat der Verfahrensbeteiligte hinreichend substantiiert vorgetragen, verfahren Gerichte der __________ 94
Vgl. oben B.I.2.c). Zu den gebräuchlichsten Formen der Einspruchsbegründung vgl. Böhm, amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 413. 96 Zur Begründung einer auf privileges gestützten Schutzverfügung kommen nur solche Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte in Betracht, die durch das US-amerikanische Recht selbst anerkannt sind, vgl. Ghana Supply Commission v. New England Power Co., 83 F.R.D. 586 (D. Mass. September 7, 1979); Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht, Rn. 458; Bosch, IPRax 1984, 127 und oben B.I.2.b). 97 Vgl. hierzu allgemein: Murley, Compelling Production of Documents in Violation of Foreign Law: An Examination and Reevaluation of the American Position; 50 Fordham L.Rev.Rev. 877 (1981–1982). 95
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Vereinigten Staaten regelmäßig über eine einzelfallbezogene Interessenabwägung, in der – je nach Gerichtsbezirk – verschiedene Kriterien Beachtung finden (2). Die Interessenabwägung fällt allerdings nur selten zugunsten des Verfahrensbeteiligten aus, der sich auf die Verletzung ausländischen Rechts, beruft (3). Es bleibt abzuwarten, ob sich an diesem Ergebnis künftig im Hinblick auf die jüngst veröffentlichten Sedona Conference International Principles on Discovery, Disclosure and Data Protection etwas ändert (4). (1) Darlegung eines Rechtsverstoßes im Heimatland Ein Beispiel dafür, wie eine deutsche Prozesspartei, bzw. deren Prozessbevollmächtigte nicht verfahren sollten, gibt die Entscheidung Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH des District Court für den District Utah (Central Division) aus dem Jahre 2010.98 Eine in Utah ansässige Klägerin klagte gegen die in Deutschland ansässige und deutschem Datenschutzrecht unterliegende Beklagte wegen Vertragsverletzung auf Zahlung. Zur Substantiierung ihrer Ansprüche verlangte die US-amerikanische Klägerin im Rahmen der pre-trial discovery von der deutschen Beklagten u.a. die Vorlage zahlreicher Unterlagen über Kundenbeschwerden.99 Die deutsche Beklagte widersprach dem Offenbarungsverlangen und begründete ihre Weigerung unter anderem100 mit einem generellen Hinweis darauf, dass die Vorlage der begehrten Informationen in Deutschland einen gravierenden Verstoß gegen grundlegende Gesetze zum Schutz der Privatsphäre darstellen würde.101 Spezifische Normen des BDSG und/oder des GG nannte die Beklagte nicht.102 Das Gericht setzte sich daraufhin nicht vertieft mit dem Vorbringen der Beklagten auseinander, sondern beschränkte sich auf eine „kurze Prüfung“ (brief review) der Bestimmungen des BDSG. Es kam zu dem Ergebnis,
__________ 98
Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010) abgedruckt in: MMR 2010, 275f. mit Anmerkung Spies/Schröder. 99 Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010), 2. 100 Zudem berief sich die deutsche Beklagte darauf, dass das HBÜ ausschließliche Geltung beanspruche, was das Gericht unter Hinweis auf die Aérospatiale-Entscheidung des Supreme Court verneinte; zur extraterritorialen Beweisbeschaffung vgl. oben B.I.6. 101 Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010), 3: „[…] ALSTE asserts that providing personal information about its customers and their employees ‚would be a huge breach of fundamental privacy laws in Germany‘.“ 102 Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010), 3.
II. Reaktive Maßnahmen
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dass ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht festgestellt werden könne.103 Wenngleich die Entscheidung teilweise auf Kritik stieß,104 so entspricht sie, jedenfalls was die Anforderungen an die Darlegungslast betrifft, der ständigen Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte. Soweit ein USamerikanisches Offenbarungsverlangen im Konflikt mit dem Recht eines ausländischen Staates steht, obliegt es der Partei, die sich auf die Verletzung ausländischen Rechts beruft, darzulegen, dass das ausländische Recht der Offenbarung konkret entgegensteht.105 Die Partei muss dem Gericht hinreichend substantiierte Informationen vorlegen, die dem Gericht die Feststellung ermöglichen, ob die ersuchte Offenbarung tatsächlich gegen ausländisches Recht verstößt.106 Neben einer detaillierten schriftlichen Darstellung der ausländischen Rechtslage durch die Partei selbst, der Vorlage von Gesetzesübersetzungen und der Beibringung von Rechtsgutachten,107 kommt insbesondere auch in Betracht, bei der Regierung des Heimatlandes um eine offizielle Stellungnahme zu ersuchen und auf eine Einreichung eines amicus curiae brief hinzuwirken.108 Offizielle Regierungserklärungen können nicht nur bei der Frage, ob das ausländische Recht einer Offenbarung überhaupt entgegensteht, sondern auch in der nachfolgenden Interessenabwägung, die das Gericht anstellt, entscheidende Bedeutung haben.109 Hat die Partei hinreichend substantiiert vorgetragen und kommt das mit der Sache befasste US-amerikanische Gericht auf der Grundlage des Parteivorbringens zu der Überzeugung, dass die begehrte Offenbarung im konkreten Fall einen Verstoß gegen ausländisches Recht begründen würde, __________ 103
Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010), 4. 104 Vgl. Urteilsanmerkung Spieß/Schröder, MMR 2010, 276, 277, die bemängeln, dass das Gericht ohne jede Abwägung zur Bejahung der Offenbarungspflicht gelangte. 105 United States v. Vetco, Inc. 644 F.2d 1324 (U.S. Ct. App. 9th Cir. May 11, 1981); Columbia Pictures, Inc. v. Bunnell, 245 F.R.D. 443 (C.D. Cal. August 24, 2007); Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 89. 106 Alfadda v. Fenn, 149 F.R.D. 28, 34, 35 (S.D.N.Y. May 6, 1993); Columbia Pictures, Inc. v. Bunnell, 245 F.R.D. 443, 252, 253 (C.D. Cal. August 24, 2007); Volkswagen AG v. Valdez, 909 S.W.2d 900, 902 (S.Ct. Tex. November 16, 1995). 107 Vgl. FRCP Rule 44.1 (Determining Foreign Law): „A party who intends to raise an issue about a foreign country’s law must give notice by a pleading or other writing. In determining foreign law, the court may consider any relevant material or source, including testimony, whether or not submitted by a party or admissible under the Federal Rules of Evidence. The court’s determination must be treated as a ruling on a question of law.“ 108 Vgl. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 298; Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 369 (2009). 109 Vgl. z.B. Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants, 959 F.2d 1468, 1475 (U.S. Ct. App. 9th Cir. March 30, 1992): „The State Secrecy Bureau did not express interest in the confidentiality of this information prior to the litigation in question.“
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so erfolgt der Erlass einer Schutzverfügung nicht automatisch.110 In Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa stellte der US Supreme Court klar, dass die Rechtsmacht eines USamerikanischen Gerichts, die Offenbarung anzuordnen, nicht dadurch beschränkt werde, dass die Offenbarung gegen ausländisches Recht verstößt.111 Dementsprechend behält ein US-amerikanisches Gericht trotz erwiesenen Rechtsverstoßes im Ausland auch die Befugnis, einen Antrag auf Erlass einer Schutzverfügung abzulehnen.112 Ob das Gericht die beantragte Schutzverfügung erlässt oder aber – trotz Verletzung ausländischen Rechts – die Offenbarung anordnet, ist eine Frage richterlichen Ermessens. Bei der Ausübung des Ermessens verfahren US-amerikanische Gerichte in der Regel über eine Interessenabwägung im Einzelfall, in der verschiedene, nicht immer einheitlich gehandhabte Kriterien zum Tragen kommen. (2) Interessenabwägung des Gerichts Nicht immer und nicht alle Gerichte verfahren bei der Ermessensausübung über eine eingehende Interessenabwägung.113 Soweit aber eine Abwägung erfolgt, geht diese auf die Société-Internationale-Entscheidung des US Supreme Court aus dem Jahre 1958 zurück, in der sich die Klägerin im Dilemma zwischen US-amerikanischer Offenbarungspflicht und schweizerischem Offenbarungsverbot befand.114 Eine schweizerische Beteiligungsgesellschaft hatte in den USA gegen die US-amerikanische Regierung auf Rückerstattung von während des Zweiten Weltkrieges auf der Grundlage des Trading with the Enemy Act beschlagnahmten erheblichen Vermögenswerten geklagt. Während der pretrial discovery forderte die US-amerikanische Regierung die Klägerin auf, zahlreiche, in der Schweiz belegene Dokumente – insbesondere Bankunterlagen – zu offenbaren, die beweisen sollten, dass die Klägerin als __________ 110
Vgl. allgemein: Murley, 50 Fordham L.Rev. 877 (1981–1982). Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 US, 522, 544 (1987). 112 Reyes, 19 Duke J. Comp. & Int’l L. 357, 369 (2009). 113 Vgl. die zitierte Entscheidung Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010). 114 Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197 (June 16, 1958); Eingehend zur Interessenabwägung und zur Entwicklung der US-amerikanischen Rechtsprechung: Branigan/Gentile, Foreign Privacy Laws in U.S. Courts, For the Defense, March 2009, 62, 63; Brewer, 22 Hous. J.Int. L. 525 (1999-2000); Davila, 8 Pitt.J. Tech. L. Pol’y 5, 28 ff.; Teitelbaum, Strict Enforcement of Extraterritorial Discovery, 38 Stan. L.Rev. 841 (1985–1986); Cohan, The Need For a Refined Balancing Approach When American Discovery Orders Demand the Violation of Foreign Law, 87 Tex. L.Rev. 1009 (2009). 111
II. Reaktive Maßnahmen
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„Feind“ in den Anwendungsbereich des Trading with the Enemy Act fiel und die Klage auf Rückerstattung demnach unbegründet war. Der District Court (Columbia Circuit) erließ eine Offenbarungsanordnung (production order), der die Klägerin nicht umfassend nachkam. Während der gesamten pre-trial discovery offenbarte die Klägerin zwar über 190.000 Dokumente. Hinsichtlich bestimmter Unterlagen berief sie sich jedoch darauf, dass diese dem strafbewehrten Schweizer Bankgeheimnis unterlagen und daher nicht offenbart werden dürfen. Wegen der verweigerten Offenbarung wies das Bezirksgericht die Klage auf der Grundlage von FRCP Rule 37 insgesamt ab. Der Supreme Court bestätigte zwar den Erlass der Offenbarungsanordnung, kassierte jedoch die Abweisung der Klage. Hinsichtlich der Offenbarungsanordnung führte der Supreme Court aus, dass ein ausländisches Offenbarungsverbot der für den Erlass einer Offenbarungsanordnung erforderlichen Annahme nicht entgegenstehe, dass die verlangten Dokumente im Einflussbereich (control) des Adressaten eines Offenbarungsverlangens befinden.115 Begründet wurde dieses Ergebnis mit einem justizpolitischen Argument: Würde das Bestehen ausländischer Verbotsgesetze dazu führen, dass sich die begehrten Dokumente nicht im Einflussbereich des Adressaten eines Offenbarungsverlangens befinden, käme dies einer Einladung an ausländische Staaten gleich, derartige Verbotsgesetze zu erlassen um eigene Staatsangehörige vor der Durchführung einer pre-trial discovery zu schützen. Dies würde im vorliegenden Fall zu einer Unterminierung der von den Vereinigten Staaten mit dem Trading with the Enemy Act verfolgten Politik führen.116 Da die verlangten Dokumente zudem entscheidenden Einfluss auf das Verfahren („vital influence upon this litigation“) haben können, habe der District Court die Offenbarungsanordnung zurecht erlassen.117 Gleichzeitig betonte das Gericht aber, dass es nur den konkret vorliegenden Fall entschieden habe und schränkte die Bindungswirkung seiner Entscheidung damit ein:118 „We do not say that this ruling would apply to every situation where a party is restricted by law from producing documents over which it is otherwise shown to have control. Rule 34 is sufficiently flexible to be adapted to the exigences of particular litigation. The propriety of the use to which it is put depends upon the circumstances of the given case and
__________ 115
Zum Tatbestandsmerkmal „control“ vgl. oben C.I.1.c). Vgl. Société Internationale Pour Participations Industrielles S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 205 (June 16, 1958). 117 Vgl. Société Internationale Pour Participations Industrielles S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 204, 205 (June 16, 1958). 118 Vgl. Société Internationale Pour Participations Industrielles S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 205, 206 (June 16, 1958); hierzu auch J.Int. L. 525, 538 (1999–2000). 116
et Commerciales, et Commerciales, et Commerciales, Brewer, 22 Hous.
130
C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
we hold only that accommodation of the Rule in this instance to the policies underlying the Trading with the Enemy Act justified the action of the District Court in issuing this production order.“
Hinsichtlich der kassierten Klageabweisung verwies der Supreme Court auf die besondere Zwangslage, in der sich Verfahrensbeteiligte befinden, die konfligierenden Pflichten ausgesetzt sind:119 „It is hardly debatable that fear of criminal prosecution constitutes a weighty excuse for nonproduction, and this excuse is not weakened because the laws preventing compliance are those of a foreign sovereign.“
Sodann stellte das Gericht verfassungsrechtliche Erwägungen an. FRCP Rule 37, die Sanktionen im Falle der Nichtoffenbarung vorsieht, sei im Lichte des Fünften Zusatzartikels der US-amerikanischen Verfassung zu lesen, demzufolge keiner ohne rechtsstaatliches Verfahren (due process) seines Eigentums entledigt werden dürfe.120 Da dem Kläger vorliegend nicht der Vorwurf gemacht werden könne, böswillig gegen die Offenbarungsanordnung verstoßen zu haben, sei eine umfassende Klageabweisung nicht gerechtfertigt gewesen:121 „In view of the findings in this case, the position in which petitioner stands in this litigation, and the serious constitutional questions we have noted, we think that Rule 37 should not be construed to authorize dismissal of this complaint because of petitioner’s noncompliance with a pretrial production order when it has been established that failure to comply has been due to inability, and not to willfulness, bad faith, or any fault of petitioner.“
Die Aussagen der Société-Internationale-Entscheidung beschränken sich also darauf, dass auf Tatbestandsebene ausländische Verbotsgesetze nicht die Annahme der für den Erlass einer Offenbarungsanordnung erforderlichen „Verfügungsmacht“ (control) hinsichtlich der zu offenbarenden Dokumente hinderten und im konkret zur Entscheidung stehenden Fall auf Rechtsfolgenseite die Klageabweisung nicht gerechtfertigt war, weil der Beklagten kein böswilliges Fehlverhalten vorzuwerfen war. Lediglich indirekt kann der Entscheidung entnommen werden, dass es im Rahmen des Ermessens, ob eine Offenbarungsanordnung ergehen oder eine Schutzverfügung erlassen werden soll, auf eine Untersuchung der in Frage stehenden staatlichen Interessen und auf ein gutgläubiges Verhalten des betroffenen Verfahrensbeteiligten ankommt.122 Gleichwohl berufen sich US-ameri__________ 119
Vgl. Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 205, 208 (June 16, 1958). 120 Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 209 (June 16, 1958). 121 Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 212 (June 16, 1958). 122 Arthur Andersen & CO. v. Finesilver 546 F.2d 338 (U.S. Ct. App. 10 th Cir. December 1, 1976) interpretierte Société Internationale derart, dass eine Abwägung erst
II. Reaktive Maßnahmen
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kanische Gerichte teilweise bis heute auf die Société-Internationale-Entscheidung, wenn sie darüber zu entscheiden haben, ob die Offenbarung richterlich angeordnet oder der Umfang der pre-trial discovery im Einzelfall beschränkt werden soll.123 Die Erwägungen des US Supreme Court fanden Eingang in § 40 des 1965 vom ALI veröffentlichten Restatement (Second) of Foreign Relations Law of the United States:124 „Where two states have jurisdiction to prescribe and enforce rules of law and the rules they may prescribe may require inconsistent conduct upon the part of a person, each state is required by international law to consider, in good faith, moderating the exercise of its enforcement jurisdiction, in the light of such factors as (a) vital national interests of each of the states (b) the extend and the nature of the hardship that inconsistent enforcement actions would impose upon the person (c) the extend to which the required conduct is to take place in the territory of the other state (d) the nationality of the person, and (d) the extent to which enforcement by action of either state can reasonably be expected to achieve compliance with the rule prescribed by that state.“
Das Restatement (Second) wiederum wurde durch Gerichte zur Entscheidung über Konflikte im Rahmen grenzüberschreitender Beweisbeschaffungen herangezogen. So hatte zehn Jahre nach der Société-InternationaleEntscheidung, im Jahre 1968, der United States Court of Appeals (Second Circuit) in United States v. First National City Bank darüber zu entscheiden, ob eine US-amerikanische Bankgesellschaft die Offenbarung von bei ihrer deutschen Tochtergesellschaft in der Bundesrepublik befindlichen Bankunterlagen unter Hinweis auf das deutsche Bankgeheimnis verweigern dürfe.125 Hintergrund der Entscheidung waren verschiedene kartellrechtliche Verfahren, die die Vereinigten Staaten gegen mehrere Kunden der Bank führten. Das Gerichtsverfahren in kartellrechtlichen Streitigkeiten richtet sich ebenfalls nach den FRCP. Unter Berufung auf § 40 des Restatement (Second) verfuhr das Gericht nun ausdrücklich über eine Abwägung, in der es insbesondere die Interessen der betroffenen Staaten gegeneinander abwägte und die Beschwer des Adressaten des Offenbarungsverlangens berücksichtigte:126 __________ dann vorzunehmen ist, wenn über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen eine gerichtliche Offenbarungsanordnung zu entscheiden ist und nicht schon bei der Frage, ob eine Offenbarungsanordnung ergehen oder der Umfang der pre-trial discovery im Einzelfall beschränkt werden soll, vgl. Brewer, 22 Hous. J.Int. L. 525, 542 (1999–2000). 123 Vgl. z.B. Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants, 959 F.2d 1468, 1479 (U.S. Ct. App. 9th Cir. March 30, 1992). 124 Vgl. Junker, Discovery, 398. 125 United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968). 126 United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897, 902 (U.S. Ct. App. 2 nd Cir. June 26, 1968).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
„In the instant case, the obvious, albeit troublesome, requirement for us is to balance the national interests of the United States and Germany and to give appropriate weight to the hardship, if any, Citibank will suffer.“
1979 schloss der District Court (N.D. Illinois) in In re Uranium Antitrust Litigation aus der Société-Internationale-Entscheidung einerseits und First National City Bank anderseits, dass bei der Interessenabwägung drei maßgebliche Faktoren zu berücksichtigen seien:127 „[The] decision whether to exercise that power is a discretionary one which is informed by three main factors: 1) The importance of the policies underlying the United States statute which forms the basis for the plaintiff’s claims; 2) the importance of the requested documents in illuminating key elements of the claims; and 3) the degree of flexibility in the foreign nation’s application of its nondisclosure laws.“
Die Untersuchung der betroffenen Staatsinteressen sowie die Bedeutung der angeforderten Informationen waren bereits in der Société-Internationale-Entscheidung angelegt. Als Abwägungskriterium hinzu kam die Flexibilität der Anwendung der ausländischen Verbotsgesetze. Während § 40 des Restatement (Second) aus dem Jahre 1965, auf das sich die Entscheidung United States v. First National City Bank stützte, noch ganz allgemein transnationale Pflichtenkollisionen betraf, fasste das ALI im Restatement (Revised) aus dem Jahr 1986 in § 437 die bis dahin von der US-amerikanischen Rechtsprechung in Ansatz gebrachten Abwägungskriterien speziell für Konflikte im Rahmen einer pre-trial discovery zusammen.128 Danach sollen US-amerikanische Gerichte, die über die Offenbarung im Ausland belegener Beweismittel zu entscheiden haben, folgende fünf Kriterien berücksichtigen: – die Bedeutung der angeforderten Information für den Rechtsstreit, – die Detailliertheit der angeforderten Informationen, – den Umstand, ob die Informationen, obgleich sie im Ausland belegen sind, aus den USA herrühren, – den Umstand, ob alternative Mittel der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen und – welches die Interessen der betroffenen Staaten sind.
Der US Supreme Court billigte in der bereits mehrfach erwähnten Aérospatiale-Entscheidung aus dem Jahre 1987 § 437 (1) (c) des Restatement (Revised).129 Heute finden sich die Kriterien – gleichlautend – in § 442 (1) __________ 127
Vgl. In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138, 1147 (N.D. Illinois, November 7, 1979). 128 Vgl. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 280; Teitelbaum, 38 Stan. L.Rev. 841, 859 (1985–1986). 129 Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 544 (June 15, 1987) Fn. 28: „The nature of the concern that guides a
II. Reaktive Maßnahmen
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(c) des Restatement (Third).130 auf das sich ausdrücklich erstmals der United States Court of Appeals (Ninth Circuit) in Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants im Jahre 1992 stützte, als er über ein Offenbarungsverlangen im Rahmen einer pre-trial discovery zu entscheiden hatte und der Adressat des Offenbarungsverlangens einwendete, chinesische Gesetze zum Schutz von Staatsgeheimnissen würden einer Offenbarung entgegen stehen.131 (3) Einzelfälle Die Fälle, in denen sich Verfahrensbeteiligte mit Erfolg auf die Verletzung ausländischen Rechts beriefen, um den Umfang der pre-trial discovery im Einzelfall zu beschränken, sind überschaubar. Regelmäßig ordnen USamerikanische Gerichte trotz einer hierdurch bedingten Rechtsverletzung im Ausland die Offenbarung an.132 Hinsichtlich der Offenbarungsverbote, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, finden sich zum Fernmeldegeheimnis bislang keinerlei Entscheidungen. Mit den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetz und der Datenschutzrichtlinie sowie dem Bankgeheimnis haben sich US-amerikanische Gerichte aber auseinandergesetzt. Datenschutz. Mit Erfolg berief sich die in Wolfsburg ansässige Volkswagen AG auf das deutsche BDSG, um die begehrte Offenbarung ihres Firmentelefonbuchs mit Einzelangaben von über 20.000 Beschäftigten abzuwenden. In der Entscheidung Volkswagen AG Realtor v. Valdez aus dem Jahr 1995 entschied der Oberste Gerichtshof von Texas, ein Staatengericht, dass das Tatsachengericht entgegen der im Restatement (Third) angelegten Interessenabwägung die im deutschen BDSG zum Ausdruck gebrachten __________ comity analysis is suggested by the Restatement of Foreign Relations Law (1986). While we recognize that § 437 of the restatement may not represent a consesus of international views on the scope of the district court’s power to order foreign discovery in the face of objections by foreign states, these factors are relevant to any comity analysis.“ 130 Kritisch zum Restatement (Third): Hixson, Extraterritorial Jurisdiction Under the Third Restatement of Foreign Relation Law of the United States, Fordham Int. L.J. 127, 145 (1988). 131 Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants, 959 F.2d 1468, 1471 (U.S. Ct. App. 9th Cir. March 30, 1992). 132 Vgl. z.B. American Indus. Contracting, Inc. v. Johns-Manville Corp., 326 F. Supp. 879, 880–81 (W.D. Pa. May 25, 1971); Arthur Andersen & CO. v. Finesilver 546 F.2d 338, 341, 342 (U.S. Ct. App. 10 th Cir. December 1, 1976); C.A.B. v. Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft, 591 F.2d 951, 952-53 (U.S. Ct.App. D.C. Cir., January 8, 1979); In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138, 1146–1149 (N.D. Illinois, November 7, 1979); Société Internationale Pour Participations Industrielles et Commerciales, S.A. v. Rogers, 357 U.S. 197, 204–205 (June 16, 1958); United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2 nd Cir. June 26, 1968); United States v. Vetco, Inc. 644 F.2d 1324, 1329-33 (U.S. Ct. App. 9th Cir. May 11, 1981).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Schutzinteressen der Bundesrepublik verkannt habe.133 Im Laufe der bereits fortgeschrittenen pre-trial discovery waren die begehrten Informationen bereits durch alternative Methoden der discovery erforscht worden und die begehrte Offenbarung des Telefonbuchs diente lediglich dazu, die schon erlangten Information erneut zu überprüfen.134 In Salerno v. Lecia aus dem Jahre 1999 lehnte der District Court (W.D.N.Y) den Erlass einer auf die Offenbarung von Dokumenten gerichteten Anordnung ab, weil die Offenbarung sowohl gegen die DSRL als auch gegen das BDSG verstoßen würde.135 Zwar berief sich das Gericht nicht ausdrücklich auf die fünf Kriterien des Restatement (Third). Es betonte aber das erklärte Interesse der Europäischen Union am Datenschutz sowie den Umstand, dass bei Verstößen gegen die Bestimmungen der DSRL nach den nationalen Umsetzungsgesetzen empfindliche Sanktionen drohten. In der Sache In re Vitamins Antitrust Litigation aus dem Jahr 2001 stellte der District Court (D.D.C.) fest, dass nach deutschem Datenschutzrecht vermutet werde, dass Individuen ein legitimes Interesse daran haben, dass ihre persönlichen Daten nicht offenbart werden, wenn die Person, gegenüber der die Offenbarung erfolgt, in einem Land sitzt, in dem kein dem in der Bundesrepublik bestehenden Datenschutzniveau entsprechender Datenschutz besteht.136 Die Offenbarung sei auf die für den Fall „absolut notwendigen“ (absolutely essential) Informationen zu beschränken. In dem vor dem District Court (C.D. Cal.) im Jahre 2007 verhandelten Fall Columbia Pictures Inc. v. Bunell verlangte die Klägerin, ein US-amerikanisches Filmstudio, zum Zwecke der zivilrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverstößen im Internet die Herausgabe von IP-Adressen um die Teilnehmer einer Online-Tauschbörse zu ermitteln.137 Der Adressat des Offenbarungsverlangens berief sich darauf, dass die Server in den Niederlanden stünden und das niederländische Datenschutzrecht die Offenbarung verbiete. Der Einwand scheiterte bereits daran, dass der Adressat des Offenbarungsverlangens hinsichtlich des Rechtsverstoßes nicht hinreichend substantiiert vortrug. Im Übrigen entschied das Gericht, dass selbst wenn man einen Verstoß gegen niederländisches Datenschutzrecht annehme, die Entscheidung des Tatsachengerichts, welches in Anwendung der im Restatement (Third) und der Richmark-Entscheidung genannten Krite__________ 133
Volkswagen AG v. Valdez, 909 S.W.2d 900 (S.Ct. Tex. November 16, 1995). Volkswagen AG v. Valdez, 909 S.W.2d 900, 903 (S.Ct. Tex. November 16, 1995). 135 Salerno v. Lecia, Inc., 97-CV-973S (H), 1999 WL 299306 (W.D.N.Y. March 23, 1999). 136 In Re Vitamins Antitrust Litigation. 2001 WL 1049433 (D.D.C. June 20, 2001). 137 Columbia Pictures, Inc. v. Bunnell, 245 F.R.D. 443, 252, 253 (C.D. Cal. August 24, 2007). 134
II. Reaktive Maßnahmen
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rien ein überwiegendes Interesse an der Offenbarung angenommen hatte, nicht zu beanstanden sei. In der Entscheidung des District Court (D.Utah) aus dem Jahre 2010 Accessdata Corp. v. ALSTE Tech. GmbH schließlich erfolgte gar keine Abwägung.138 Auch hier scheiterte der Einwand der Beklagten, die Offenbarung verstoße gegen den deutschen Datenschutz, bereits daran, dass die Beklagte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hatte. Im Übrigen beschränkte sich das Gericht unter Hinweis auf die Aérospatiale-Entscheidung des Supreme Court auf die Feststellung, dass ausländische Verbotsgesetze die Rechtsmacht US-amerikanischer Gerichte nicht beschränken. Es ordnete die Offenbarung an und erließ keine Schutzverfügung. Bankgeheimnis. In der Entscheidung Société Internationale v. Rogers aus dem Jahre 1958 entschied der US Supreme Court, dass die Anordnung zur Offenbarung nach FRCP 34 angesichts der mit dem Trading with the Enemy Act verfolgten Politik der Vereinigten Staaten trotz drohender strafrechtlicher Verfolgung wegen Verstoßes gegen das schweizerische Bankgeheimnis gerechtfertigt war.139 In First National City Bank aus dem Jahre 1968 stellte der District Court (Second District) nach eingehender Abwägung fest, dass kein überwiegendes deutsches Interesse an der Wahrung des Bankgeheimnisses bestehe.140 Das Bankgeheimnis sei in Deutschland gesetzlich nicht normiert und Verstöße würden strafrechtlich nicht geahndet. Das Bankgeheimnis sei lediglich ein verzichtbares Recht des Kunden. Auch sei die Beschwer der Verfahrensbeteiligten nicht bedeutend. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Bankgeheimnis würden allenfalls zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen und diese seien rein spekulativer Natur.141 In Trade Development Bank v. Continental Insurance Company aus dem Jahr 1972 hingegen billigte dasselbe Gericht, dass das schweizerische Bankgeheimnis ein legitimes Geheimhaltungsinteresse der Schweiz zum Ausdruck bringe, welches rechtfertige, bestimmte Informationen vom ge-
__________ 138 Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010). 139 Siehe oben C.II.2.a)(2). 140 United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897, 902 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968). 141 „[The] risk of civil damages was slight and speculative [...]. The chance that [the client] will suffer compensable damages is quite remote and Citibank appears to have a number of valid defenses if it is sued“, United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897, 905 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
nerellen Umfang der discovery auszunehmen.142 Es lehnte der Erlass einer Offenbarungsanordnung ab. Während das Verfahren im erstgenannten Fall unmittelbar durch Behörden der Vereinigten Staaten betrieben wurde, waren im zweiten Fall ausschließlich Private verfahrensbeteiligt. Dies erklärt wohl, weshalb das Interesse der Schweiz an der Geheimhaltung überwiegen konnte.143 In der Entscheidung Minepco, S.A. v. Conticommodity Services, Inc. aus dem Jahr 1987 urteilte der New Yorker District Court (S.D.N.Y.), dass das schweizerische Bankgeheimnis nicht Ausdruck staatlicher Souveränität, sondern eine Kodifizierung rein privater Interessen und eine Beschränkung des Umfangs der discovery daher nicht gerechtfertigt sei:144 „Although the bank secrecy is codified in the Swiss criminal code, it differs from the traditional criminal proscription, in that it remains a personal privilege that can be waived by the bank customer. In this sense, then, the Swiss bank secrecy primarily protects the right of commercial privacy of bank clients, not the Swiss government itself or some other public institution interest.“
Im Jahre 2007 entschied ein anderer New Yorker District Court (E.D.N.Y.) in Strauss v. Credit Lyonnais unter Hinweis auf Minepco, dass das französische Bankgeheimnis den generellen Umfang der pre-trial discovery im vorliegenden Fall nicht zu beschränken vermag. Dem Verfahren lag eine Sammelklage von Opfern von Terroranschlägen durch die Hamas und deren Angehörigen zugrunde. Sie forderten von der Bank Schadensersatz, weil letztgenannte zur Finanzierung der Hamas beigetragen habe. Die Kläger verlangten von der französischen Bank Kontodaten einer Unterstützerorganisation der Hamas. Die Bank verweigerte die Offenbarung u.a. unter Hinweis auf das französische Bankgeheimnis. Der District Court argumentierte, dass sowohl Frankreich wie auch die USA das UN-Abkommen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung unterzeichnet haben und daher gleichgerichtete Staatsinteressen bestehen. Da Verstöße gegen das einschlägige französische Gesetz, welches eine Offenbarung verbiete, nicht sanktioniert würden, sei der Umfang der discovery nicht zu beschränken.145 Auch dem Verfahren des District Court (W.D.N.Y.) aus dem Jahr 2007 Weiss v. National Westminster Bank Plc (NatWest) lag eine Sammelklage von Opfern von Terroranschlägen der Hamas und deren Angehörigen zugrunde.146 Die Kläger forderten von der Londoner Bank ebenfalls Scha__________ 142
Trade Development Bank v. The Continental Insurance Co., 469 F.2d 35, 40, 41 (U.S. Ct. App. 2nd Cir., October 10, 1972). 143 Branigan/Gentile, Foreign Privacy Laws, 62, 64. 144 Minepco, S.A. v. Conticommodity Services, Inc., 116 F.R.D. 517, 525 (S.D.N.Y. July 9, 1987). 145 Strauss v. Credit Lyonnais, S.A. 242 F.R.D. 199, 225 (E.D.N.Y. May 15, 2007). 146 Weiss v. National Westminster Bank, PLC, 242 F.R.D. 33 (E.D.N.Y. May 14, 2007).
II. Reaktive Maßnahmen
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densersatz, weil die Bank einen Beitrag zur Finanzierung der Hamas geleistet habe und verlangten die Offenbarung von Bankunterlagen, was die beklagte Bank unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigerte. Das Gericht bejahte die Pflicht zur Offenbarung der Bank und stellte in seiner Argumentation darauf ab, dass die Regierungen der USA und des Vereinigten Königreichs ein gemeinsames Interesse an der Terrorismusbekämpfung haben und dieses gemeinsame Interesse das britische Interesse an der Geheimhaltung von Bankdaten überwiege. In Gucci America Inc. v. Curveal Fashion aus dem Jahre 2010 schließlich widersetzte sich eine malaysische Bank, gegen deren Kunden in den USA ein Gerichtsverfahren geführt wurde, unter Berufung auf das malaysische Bankgeheimnis der Offenbarung der begehrten Informationen.147 Der Distict Court (S.D.N.Y.) verfuhr nicht über eine umfassende Abwägung, sondern stellte lediglich fest, dass die Bank eine Filiale in New York habe und den Anordnungen amerikanischer Gerichte daher Folge leisten müsse, auch wenn die begehrten Daten in Malaysia belegen sind. Zusammenfassend gilt also: Sind US-amerikanische Gerichte mit Konflikten befasst, die sich aus einer Pflichtenkollision im Rahmen grenzübergreifender Beweisbeschaffungen ergeben, so haben sie nach US-amerikanischem Recht unabhängig vom Bestehen ausländischer Verbotsgesetze die Rechtsmacht, eine Offenbarungsanordnung zu erlassen, soweit nur die personal jurisdiction bejaht werden kann und der Adressat des Offenbarungsverlangens control über die zu offenbarenden Informationen hat. Das Bestehen ausländischer Verbotsgesetze hindert nach der Société-Internationale-Entscheidung nicht die Annahme des Tatbestandsmerkmals control. Ob die Offenbarung angeordnet oder aber der Umfang der discovery im Einzelfall durch gerichtliche Schutzverfügung beschränkt wird, entscheidet sich nicht auf Tatbestandsebene, sondern auf Rechtsfolgenseite. Im Rahmen des eröffneten Ermessens verfahren US-amerikanische Gerichte regelmäßig über eine einzelfallbezogene Interessenabwägung in der vornehmlich fünf, heute in § 442 (1) (c) des Restatement (Third) aufgeführte Kriterien Beachtung finden. Teilweise finden zusätzliche Kriterien Anwendung, wie beispielsweise in der Entscheidung In re Uranium Antitrust Litigation des District Court (N.D. Illinois) die Flexibilität ausländischer Verbotsgesetze oder nach der Entscheidung Strauss v. Credit Lyonnais des District Court (N.D.N.Y.) aus dem Jahre 2007, ob der Verfahrensbeteiligte, der die Offenbarung verweigert, dies in gutem Glauben tut und inwieweit die zur Erfüllung der Offenbarungspflicht nach den FRCP vorzunehmende Hand-
__________ 147
Gucci America Inc. v. Curveal Fashion, 2010 WL 808639 (S.D.N.Y. March 8, 2010).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
lung außerhalb der Vereinigten Staaten vorzunehmen ist.148 Die Kriterien werden nicht immer einheitlich angewendet und je nach zur Entscheidung liegender Konstellation unterschiedlich gewichtet.149 Teilweise erfolgt eine Abwägung auch erst bei der Frage, ob Sanktionen wegen Nichtbeachtung einer gerichtlichen Offenbarungsanordnung verhängt werden sollen.150 Ein Schwerpunkt liegt bei der Abwägung, soweit diese denn vorgenommen wird,151 auf den in Frage stehenden Staatsinteressen.152 Dabei besteht eine deutliche Tendenz, dass die Interessen der Vereinigten Staaten überwiegen.153 (4) Sedona Conference International Principles on Discovery, Disclosure and Data Protection Nach mehr als sechs Jahren Arbeit veröffentlichte die Sedona Conference im Dezember 2011 die International Principles on Discovery, Disclosure and Data Protection.154 Sinn und Zweck der Principles, die im Dialog unter anderem mit der Artikel-29-Datenschutzgruppe entstanden sind,155 ist es, US-amerikanischen Gerichten und Prozessparteien eine Handlungsanweisung für den praktischen Umgang mit dem Dilemma zwischen Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Recht und datenschutzrechtlichen __________ 148 Strauss v. Credit Lyonnais, 242 F.R.D. 199, 68 (E.D.N.Y. Mai 15, 2007) unter Hinweis auf Minepco, S.A. v. Conticommodity Services, Inc., 116 F.R.D. 517 (S.D.N.Y. July 9, 1987). 149 Kritisch zur Einzelfallabwägung: Iontcheva, Sovereignty on Our Terms, Yale L.J. 885, 890 (2000-2001); Stiefel/Petzinger, RIW 1983, 242, 246 f. 150 Arthur Andersen & CO. v. Finesilver 546 F.2d 338 (U.S. Ct. App. 10 th Cir. December 1, 1976), 151 In Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010) beispielsweise erfolgte gar keine Abwägung, in der Société-Internationale-Entscheidung ist die Abwägung jedenfalls nicht deutlich. 152 Vgl. Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants, 959 F.2d 1468, 1476 (U.S. Ct. App. 9th Cir. March 30, 1992): „Balance of National Interests. This is the most important factor. We must assess the interests of each nation in requiring or prohibiting disclosure, and determine whether disclosure would affect important substantive policies or interests of either the United States or the PRC.“ 153 Z.B. First American Corp. v. Price Waterhouse LLP, 154 F.3d 16, 22, 23 (U.S. Ct. App. 2d Cir. July 14, 1998): Das Interesse der Vereinigten Staaten an der Durchführung der discovery überwiegt das Interesse des Vereinigten Königreichs am Geheimnisschutz; Bodner v. Banque Paribas, 202 F.R.D. 370 (E.D.N.Y. December 21, 2000): Das amerikanische Interesse an der Entschädigung von Holocaust-Opfern ist bedeutend und Frankreich habe kein diesem Interesse gegenüberstehendes eigenes Interesse; United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897, 905 (U.S. Ct. App. 2 nd Cir. June 26, 1968): Das Interesse der Vereinigten Staaten an der Bekämpfung von Monopolen überwiege das Interesse der Bundesrepublik an der Wahrung des Bankgeheimnisses; vgl. auch Davila, 8 Pitt.J. Tech. L. Pol’y 5, 30. 154 Vgl. oben A.III. 155 The Sedona Conference, International Principles, Foreword.
II. Reaktive Maßnahmen
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Offenbarungsverboten nach europäischem Recht zu geben. Im Verfahrensstadium eines Antrags auf Erlass einer protective order sind vor allem die Principles 1 bis 4 von Bedeutung. Principle 1 mahnt Gerichte und Streitparteien zum Respekt vor ausländischen Datenschutzvorschriften: „With regard to data that is subject to preservation, disclosure, or discovery, courts and parties should demonstrate due respect to the Data Protection Laws of any foreign sovereign and the interests of any party who is subject to or benefits from such data.“
Die Bezugnahme auf due respect geht auf die Aérospatiale-Entscheidung des US Supreme Court zurück.156 Nach dieser soll das Prinzip internationaler comitas generell zum Respekt ausländischer Normen und deren Einfluss auf Beteiligte US-amerikanischer Verfahren zwingen.157 Der durch die internationale comitas gebotene Respekt soll aber nicht dazu führen, dass ausländische Parteien den Einwand datenschutzrechtlicher Offenbarungsverbote dazu missbrauchen, bösgläubig die pre-trial discovery zu unterbinden. 158 Dementsprechend soll das Verhalten einer Partei im Falle auftretender Konflikte nach Principle 2 unter den Aspekten des guten Glaubens und der Verhältnismäßigkeit beurteilt werden: „Where full compliance with both Data Protection Laws and preservation, disclosure and discovery obligations present a conflict, a party’s conduct should be judged by a court or data protection authority under a standard of good faith and reasonableness.“
Die Aspekte von good faith und reasonableness werden von US-amerikanischen Gerichten in unterschiedlichstem Zusammenhang verwendet. Während der erstgenannte Begriff ausweislich der Kommentierung der Principles eine Beurteilung des subjektiven Verhaltens der in Betracht gezogenen Person erlauben soll, dient der letztgenannte Begriff einer Verhaltensbeurteilung anhand „objektiver“ Kriterien.159 Principle 3 mahnt dazu, den breiten Umfang der US-amerikanischen pre-trial discovery nach Möglichkeit auf ein mit europäischen Datenschutzvorschriften verträgliches Maß zu reduzieren: „Preservation, disclosure, and discovery of Protected Data should be limited in scope to that which is relevant and necessary to support any party’s claim or defense in order to minimize conflicts of law and impact on the Data Subject.“
Hinsichtlich der Frage, was relevant ist, kann – nach Vorbild der bereits oben zitierten Entscheidung In re Vitamins Antitrust Litigation der Umfang der discovery in einem ersten Schritt auf das beschränkt werden, was vital __________ 156
The Sedona Conference, International Principles, 7. Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522, 546 (June 15, 1987). 158 The Sedona Conference, International Principles, 8. 159 The Sedona Conference, International Principles, 10. 157
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
oder crucial to a claim or defense sei.160 Vorgeschlagen wird in der Kommentierung der Principles insbesondere, den Umfang von Parteiverlangen zu beschränken (limit the scope of the request), die in dem Offenbarungsverlangen bezeichneten Informationen hinreichend zu spezifizieren (discovery with specificity) und sich nach und nach an die Informationen heranzuarbeiten, um die Offenbarung geschützter, aber nicht benötigter Daten zu minimieren (phased discovery, minimize the production of protected data). Letztgenannter Vorschlag berücksichtigt damit die von der Artikel-29-Datenschutzgruppe und auch deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden empfohlene Zwei-Stufen-Lösung.161 Schließlich schlägt Principle 4 ausdrücklich vor, dass Konflikte durch Parteivereinbarung oder durch gerichtliche Schutzverfügungen gemildert werden sollten: „Where a conflict exists between Data Protection Laws and preservation, disclosure, or discovery obligations, a stipulation or court order should be employed to protect Protected Data and minimize the conflict.“
Die Sedona Conference hat eine Standardschutzverfügung ausgearbeitet, die einen Ausgleich zwischen US-amerikanischen Offenbarungsinteressen und europäischen Geheimhaltungsinteressen schaffen soll.162 Ob sich US-amerikanische Gerichte künftig an den Sedona Principles orientieren werden, bleibt abzuwarten und erscheint mit Blick auf die Anwendung der ALI Restatements fraglich. Ohnehin stellen die Sedona Principles nur einen Übergangsmechanismus für transnational geführte Verfahren, nicht aber eine Lösung des grundlegenden Dilemmas dar. Festzuhalten bleibt aber, dass mit den Sedona Principles nun erstmals auch von USamerikanischer Seite ein deutliches Bekenntnis zum Datenschutz vorliegt und dazu, dass internationale Rechtskonflikte nach Möglichkeit nicht zu Lasten der rechtsunterworfenen Individuen ausgetragen werden sollen. Für letztgenannte jedenfalls bieten die Sedona Principles eine gute Argumentationsgrundlage für einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Schutzverfügung. b) Maßnahmen in Europa Maßnahmen in Europa kommen sowohl vor (1) als auch nach (2) Erlass eines Urteils in den USA in Betracht.163 Die Argumente, mit denen Verfah__________ 160
The Sedona Conference, International Principles, 13. Vgl. oben B.II.1.d)(3). 162 Vgl. Appendix B; Die Ausarbeitung einer datenschutzrechtlichen Standardschutzverfügung wurde auch schon in der Literatur vorgeschlagen, vgl.: Friederich, Reinforcing the Hague Convention on Taking Evidence Abroad After Blocking Statutes, Data Privacy Directives and Aérospatiale, 12 San Diego Int’l L.J. 263, 293, 204 (2010–2011). 163 Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf solche Maßnahmen, die sich auf den spezifischen Einwand einer in den USA durchgeführten oder durchzuführenden pre161
II. Reaktive Maßnahmen
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rensbeteiligte die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen begründen, ähneln sich dabei. Angeführt werden hauptsächlich das Ausforschungsverbot, der Grundrechtsschutz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Souveränität der Bundesrepublik. (1) Vor Erlass eines Urteils in den USA: Verhinderung der Ausführung von Rechtshilfeersuchen Vor Erlass eines Urteils können deutsche Rechtssubjekte zunächst versuchen, einer pre-trial discovery insgesamt zu entgehen, indem sie die Zustellung einer US-amerikanischen Klage verhindern. Gelingt dies nicht und kommt es in den Vereinigten Staaten zur Verfahrensdurchführung, so kommt unter Umständen jedenfalls die Abwehr einzelner Beweishilfeersuchen in Betracht. Verhinderung der Klagezustellung nach dem HZÜ. Da die Durchführung eines Gerichtsverfahrens in den USA und damit die Durchführung einer pre-trial discovery eine wirksame Klagezustellung voraussetzt,164 können betroffene deutsche Rechtssubjekte zunächst versuchen, die Zustellung der Klage in Deutschland zu verhindern.165 Als Schutzmaßnahme ist dies aber von vornherein nur für solche Unternehmen sinnvoll, die ausschließlich von Deutschland aus tätig sind, z.B. reine Exportunternehmen, die kein eigenes Vertriebsnetz auf dem Territorium der Vereinigten Staaten unterhalten. Sofern das deutsche Unternehmen in den USA durch eine Filiale oder eine – auch rechtlich unabhängige – Tochtergesellschaft vertreten ist, wird die Verhinderung der Klagezustellung bereits daran scheitern, dass die US-amerikanische Tochtergesellschaft von der US-amerikanischen Rechtsprechung als „unfreiwillige Zustellungsbevollmächtigte“ (involuntary agent) angesehen wird, gegenüber der eine Zustellung bewirkt werden kann, welche die deutsche Muttergesellschaft gegen sich gelten lassen muss.166 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik das HZÜ gilt. Denn seit der Schlunk-Entscheidung des US Supreme Court aus dem Jahre 1988 wird das HZÜ nur für Klagezustellungen im Ausland als zwingend erachtet.167 __________ trial discovery stützen. Allgemein zur Abwehr US-amerikanischer Klagen vgl. Schütze, RIW 2005, 579, 584. 164 Vgl. BVerfG Beschluss vom 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, BVerfGE 108, 238 – juris Rn. 3; Junker, Der deutsch-amerikanische Rechtsverkehr in Zivilsachen, JZ 1989, 121. 165 Knöfel, RIW 2010, 403, 406; Schütze, Klagen vor US-amerikanischen Gerichten, RIW 2005, 579, 582. 166 Vgl. oben C.I.1.a) und eingehend: Otto, Der prozessuale Durchgriff, 83 ff. 167 Volkswagen Aktiengesellschaft v. Schlunk, 486 U.S. 694 (June 15, 1988).
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Existiert in den USA hingegen keine derartige Niederlassung und gelingt der Gegenseite auch keine persönliche Zustellung an deutsche Unternehmensvertreter während deren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten,168 ist die Gegenseite auf eine Zustellung in der Bundesrepublik Deutschland angewiesen, die über Rechtshilfeersuchen nach dem HZÜ erfolgt. In prozessualer Hinsicht kann das deutsche Rechtssubjekt, dem eine Klage droht, zunächst Schutzschriften bei den Zentralen Behörden der Länder hinterlegen.169 Die Entscheidung über die Zustellung stellt einen Justizverwaltungsakt dar, der durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG einer richterlichen Prüfung zugeführt werden kann.170 Zuständig ist nach § 25 Abs. 1 EGGVG das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Zentrale Behörde ihren Sitz hat. Die Zulässigkeit eines Antrags nach §§ 23, 24 EGGVG setzt insbesondere voraus, dass dieser binnen der Monatsfrist nach § 26 Abs. 1 EGGVG gestellt wird und der Antragsteller geltend macht, durch die Bewilligung des Rechtshilfeersuchens in eigenen Rechten verletzt zu sein.171 Dabei bedarf die Geltendmachung der Verletzung der Rechte des Antragstellers einer substantiierten Darlegung eines Sachverhalts, der die Rechtsverletzung zumindest als möglich erscheinen lässt.172 Die pauschale Behauptung der Rechtsverletzung genügt nicht.173 Im Hinblick auf eine drohende pre-trial discovery tragen Antragsteller regelmäßig vor, dass sie sich bereits durch die Zustellung der Klage exorbitanten Verfahrenskosten ausgesetzt sehen, insbesondere durch das Ausforschungsbeweisverfahren der pre-trial discovery, die wegen der amerikanischen Kostenregel auch im Falle des Obsiegens nicht erstattungsfähig seien. Durch die pre-trial discovery finde eine unzulässige Ausforschung statt. Schon die Zustellung verletze das Rechtsstaatsprinzip und wegen des Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot auch das Grundrecht des __________ 168
Vgl. hierzu: Schütze, RIW 2005, 579, 582. Die Zentralen Behörden können der Bekanntmachung vom 21.06.1979, BGBl. 1979 II, 779 entnommen werden. 170 Vgl. Albers in: Baumbach, Zivilprozessordnung, 71. Auflage (2013), § 23 EGGVG Rn. 6, 8; Bolthausen, Offenlegungspflichten deutscher Unternehmen in US „discoveryproceedings“, MDR 2006, 1081, 1083; Lückemann in: Zöller, ZPO, § 23 EGGVG Rn. 15. 171 OLG Celle, Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRspr 2007, Nr. 190, 532 – juris Rn. 14; hier und im Folgenden beschränken sich die Ausführungen auf Einwände, die sich spezifisch gegen die pre-trial discovery richten. Andere Einwände, die regelmäßig gegen US-amerikanische Klagen angeführt werden, z.B. dass es sich um eine nach deutschem Recht nicht anerkannte Sammelklage handelt oder das Klagebegehren auf Zuerkennung von Strafschadensersatz (punitive damages ) gerichtet ist, bleiben außer Betracht. Vgl. zu den geläufigsten Einwänden: Schütze, RIW 2005, 579 ff. 172 OLG München, Beschluss vom 31.10.1980, 9 VA 3/80, RIW 1981, 554, 555; Lückemann in: Zöller, ZPO, § 24 EGGVG Rn. 1. 173 Baumbach, Zivilprozessordnung, § 24 EGGVG Rn. 2. 169
II. Reaktive Maßnahmen
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Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Zustellung sei geeignet, die Hoheitsrechte oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die Erledigung der Zustellung müsse daher nach Art. 13 HZÜ abgelehnt werden.174 Im deutschen Schrifttum wird teilweise zudem vertreten, dass bereits die Möglichkeit der Durchführung einer unmittelbaren Beweiserhebung im Wege einer pre-trial discovery of documents außerhalb der im HBÜ bestimmten Verfahren eine Gefährdung für die deutsche Justizhoheit darstelle und die von amerikanischen Gerichten ersuchte Zustellung von Klagen daher nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ abgelehnt werden könne.175 Begründet ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, wenn die Entscheidung über die Zustellung rechtswidrig und der Antragsteller tatsächlich in eigenen Rechten verletzt ist. Bei der Entscheidung von Rechtshilfeersuchen steht der Justizverwaltung allerdings ein weiter Ermessensspielraum zu, wobei auch Zweckmäßigkeitserwägungen zu beachten sind, die sich aus der Pflege der auswärtigen Beziehungen ergeben.176 Das Gericht überprüft die Bewilligung der Rechtshilfe daher nur darauf, ob sie auf einer Ermessensverletzung beruht, vgl. § 28 Abs. 3 EGGVG.177 Soweit sich die Antragsteller nach §§ 23, 24 EGGVG wegen der drohenden pre-trial discovery auf eine Verletzung von Art. 13 HZÜ berufen, dringen sie bei den Zentralen Behörden, die über die Bewilligung der Zustellung entscheiden, sowie bei den Gerichten, die die Entscheidung überprüfen, nicht durch. Nach Art. 13 HZÜ darf die Zustellung nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Dabei darf die Erledigung der Zustellung nicht allein aus dem Grunde abgelehnt werden, dass der ersuchte Staat nach seinem Recht ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für das der Antrag gestellt wird.
__________ 174
Vgl. z.B. OLG Celle, Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRspr 2007, Nr. 190, 532 – juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, 1 BvR 1198/03, BVerfGE 108, 238 – juris Rn. 7, 8, 11; BVerfG, Beschluss vom 20.09.2006, 2 BvR 1421/00, IPRspr 2006, Nr. 171, 387 – juris Rn. 6, 7. 175 Vgl. von Danwitz, DÖV 2004, 501, 509. 176 OLG Celle, Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRspr 2007, Nr. 190, 532 – juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2006, I-3 VA 2/06, 3 VA 2/06, OLGR Düsseldorf 2007, 393 – juris Rn. 21, 23; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2008, 20 VA 13/07, IPRax 2009, 71 – juris Rn. 12; Lückemann in: Zöller, ZPO, 28. Auflage (2010), § 23 EGGVG Rn. 15. 177 OLG Celle, Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRspr 2007, Nr. 190, 532 – juris Rn. 17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2008, 20 VA 13/07, IPRax 2009, 71 – juris Rn. 12.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des HZÜ wird der Vorbehalt in Art. 13 durch die deutsche Rechtsprechung eng ausgelegt.178 Nach der Präambel des Abkommens solle das HZÜ die beiderseitige Rechtshilfe vereinfachen und beschleunigen. Mit diesem Zweck sei es unvereinbar, wenn bereits im Stadium der Klagezustellung eine detaillierte Prüfung nach dem ordre public vorgenommen würde. Bei einer Klage handle es sich lediglich um das Rechtsschutzbegehren einer Partei, dessen Erfolgsaussichten bei den Gerichten des um Rechtshilfe ersuchenden Staates völlig offen seien. Art. 13 HZÜ diene nicht dazu, dem ersuchten Staat bei Verfahrenseinleitungen die Möglichkeit zu eröffnen, den ersuchenden Staat zu präjudizieren.179 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert der Abschluss und die Ratifikation des HZÜ die Entscheidung des Grundgesetzes, dass der von ihm verfasste Staat in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft eingegliedert ist. Damit gebiete das Grundgesetz zugleich, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen.180 Aus diesem Grund schütze der deutsche Staat den Bürger, der sich im internationalen Rechtsverkehr bewegt, grundsätzlich auch nicht vor der Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung.181 Art. 13 HZÜ kann nach der Rechtsprechung nur dann zur Anwendung kommen, wenn schon die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke eine besonders schwere Beeinträchtigung der Wertungsgrundlagen der Rechtsordnung des ersuchten Staates mit sich brächte.182 Diese Grenze sei erst dann erreicht, wenn es sich um eine offensichtlich missbräuchliche und verfahrensfremden Zwecken dienende Klage handelt, z.B. um den Zustellungsadressaten für einen erzwungenen außergerichtlichen Vergleich gefügig zu machen.183 Allgemein können Entscheidungen deutscher Ho__________ 178 BVerfG Beschluss v. 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, NJW 2003, 2598; OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382; KG Berlin, Beschluss vom 25.10.2012, 1 VA 11/12, WRP 2013, 400. 179 OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 – juris Rn. 29. 180 BVerfG Beschluss v. 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, NJW 2003, 2598 – juris Rn. 32. 181 BVerfG, Beschluss vom 20.09.2006, 2 BvR 1421/00, WM 2006, 2105 – juris Rn. 11; BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211 – juris Rn. 10. 182 OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 – juris Rn. 28 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 07.12.1994, 1 BvR 1279/94, NJW 1995, 649. 183 OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 – juris Rn. 41; BVerfG, Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 BvR
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heitsträger, mit denen die Inlandszustellung ausländischer Klagen bewirkt wird, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nur verletzen, wenn das mit der Klage verfolgte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates verstößt.184 Nach Ansicht des BVerfG stellt die Unterwerfung unter eine pre-trial discovery für sich genommen keinen Verstoß in diesem Sinne dar. Zwar räumt auch das BVerfG ein, dass die pre-trial discovery in Richtung einer Ausforschung des Gegners ausgestaltet werden kann. Die reine Möglichkeit verstoße aber im Verfahren der Klagezustellung nicht gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung. Begründet wird dies damit, dass es vor einer konkreten Beweisaufnahme weiterer Rechtshilfeentscheidungen deutscher Hoheitsträger bedarf, bei denen die Rechte des Zustellungsempfängers zu beachten sind. Damit werde der Zustellungsempfänger durch die Eröffnung der Möglichkeit einer pre-trial discovery nicht zugleich schutzlos einer Ausforschung ausgeliefert.185 Im Ergebnis verdient die restriktive Auslegung von Art. 13 HZÜ zwar grundsätzlich Zustimmung. Tatsächlich wäre es mit dem Sinn und Zweck des Abkommens nicht vereinbar, eine detaillierte Vorabprüfung von Klagen durchzuführen, die die Ausführung von Zustellungsersuchen verzögern und die internationale Rechtshilfe damit erschweren würde. Auch im deutschen Recht hat die Klagezustellung ohne Prüfung der Schlüssigkeit einer Klage unverzüglich zu erfolgen, vgl. § 271 Abs. 1 ZPO. Der Umstand, dass auf die Zustellung einer US-amerikanischen Klage meist sogleich die Durchführung einer pre-trial discovery erfolgt, die das deutsche Zivilverfahrensrecht nicht kennt, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Art. 13 Abs. 2 2. Alt. HZÜ bestimmt ausdrücklich, dass die Ausführung nicht deshalb verweigert werden darf, weil das Verfahren, dem die Zustellung dient, im ersuchten Staat unbekannt ist. Der Verstoß gegen Art. 13 HZÜ und damit die Nichtausführung kann auch nicht generell damit begründet werden, dass die anschließend außerhalb der Verfahren nach dem HBÜ stattfindende pre-trial discovery einen Verstoß gegen die deutsche Justizhoheit darstellt, der bereits im Stadium der Klagezustellung zu berücksichtigen ist. Denn da praktisch auf jede Klagezustellung eine pre-trial discovery folgt, die außerhalb des HBÜ betrieben wird, hätte dies zur Folge, dass Klagen nach dem HZÜ niemals zugestellt würden. Dies würde auf eine generelle Nichtausführung von __________ 2249/06, WM 2007, 1392; BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, 2007, 211, 212. 184 BVerfG Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 2249/06, WM 2007, 1392 – juris Rn. 13. 185 BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211 – Rn. 15; BVerfG Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 2249/06, WM 2007, 1392 – juris Rn. 26.
RIW BvR juris BvR
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
Rechtshilfeersuchen im Verhältnis zwischen den USA und der Bundesrepublik führen und damit zur Wirkungslosigkeit des HZÜ. Zuzustimmen ist der Rechtsprechung auch insoweit, als sie betont, das Grundgesetz schütze nicht vor der Verantwortlichkeit in anderen Rechtsordnungen. Wer sich, wie transnational agierende Unternehmen, auf fremde Märkte begibt um wirtschaftliche oder rechtliche Vorteile zu erlangen, muss etwaige Nachteile, die der fremden Rechtsordnung entspringen, in Kauf nehmen. Insoweit steht auch weder die Ausforschung noch die mit der Durchführung der pre-trial discovery verbundenen Kosten einer Zustellung entgegen. Soweit das BVerfG seine Haltung aber auch darauf stützt, dass es vor einer konkreten Beweisaufnahme weiterer Rechtshilfeentscheidungen deutscher Hoheitsträger bedarf, bei denen die Rechte des Zustellungsempfängers zu beachten sind und der Zustellungsempfänger daher durch die Eröffnung der Möglichkeit einer pre-trial discovery nicht zugleich schutzlos einer Ausforschung ausgeliefert ist,186 verkennt das Gericht die USamerikanische Rechtspraxis.187 Seit der Aérospatiale-Entscheidung des Supreme Court wenden US-amerikanische Gerichte das HBÜ nur selten an.188 Die Offenbarung im Ausland belegener Beweismittel wird in aller Regel in direkter Anwendung der FRCP angeordnet. Zu einer Überprüfung durch deutsche Hoheitsträger im Rahmen von Beweishilfeersuchen kann es in den allermeisten Fällen nicht mehr kommen. Nach alledem erscheint die Hinterlegung einer Schutzschrift bei der Zentralen Behörde und ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG aktuell nur in den seltenen Fällen, in denen es sich um offensichtlich missbräuchliche und verfahrensfremden Zwecken dienende Klagen handelt,189 aussichtsreich, um die Zustellung einer US-amerikanischen Klage und damit die Durchführung der pre-trial discovery insgesamt zu verhindern. Fälle, in denen die hohe Hürde der offensichtlichen Missbräuchlichkeit überschritten wird, sind nur schwer vorstellbar.190 __________ 186 BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211 – juris Rn. 15; BVerfG Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 BvR 2249/06, WM 2007, 1392 – juris Rn. 26. 187 Vgl. auch Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 431; von Hein, BVerfG gestattet Zustellung einer Klage auf Punitive Damages, RIW 2007, 249, 253. 188 Vgl. bereits oben B.I.6.b)(2); Zur Anwendung des HBÜ durch US-amerikanische Gerichte nach der Aérospatiale-Entscheidung vgl. American Bar Association, Compendium of Reported Post-Aerospatiale Cases; Braun Gilchrist, 44 Vanderbilt J. Transnat. L. 155, 168 (2011). 189 Vgl. OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 – juris Rn. 41; BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211, 212; BVerfG Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 BvR 2249/06, WM 2007, 1392. 190 Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 431.
II. Reaktive Maßnahmen
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Etwas erfolgversprechender erscheint es, sich gegen die Ausführung einzelner Beweishilfeersuchen nach dem HBÜ zu wenden. Verhinderung von Beweishilfe nach dem HBÜ. Zur Verhinderung der Ausführung von Beweishilfeersuchen kommt in prozessualer Hinsicht wie schon zur Verhinderung der Ausführung von Zustellungsersuchen eine Hinterlegung von Schutzschriften bei den Zentralen Behörden der Länder und ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG in Betracht.191 Im Rahmen der beschränkten richterlichen Prüfung, ob die angefochtene Bewilligung der Rechtshilfe auf einer Ermessensverletzung beruht, finden insbesondere die Art. 3 lit. f, Art. 11, Art. 12 Abs. 1 lit. b und Art. 23 HBÜ Beachtung.192 Art. 23 HBÜ. Am weitreichendsten sind die Möglichkeiten nach Art. 23 HBÜ. Soweit ein US-amerikanisches Offenbarungsverlangen die Vorlage in Deutschland belegener Urkunden oder (im Rahmen einer sog. e-discovery)193 elektronisch gespeicherter Informationen zum Gegenstand hat, kann das Beweishilfeersuchen durch Berufung auf Art. 23 HBÜ abgewendet werden. Hiernach kann jeder Vertragsstaat erklären, dass er Rechtshilfeersuchen nicht erledigt, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den Ländern des common law unter der Bezeichnung pre-trial discovery of documents bekannt ist. Die Bundesrepublik hat einen bis heute uneingeschränkt geltenden Vorbehalt erklärt, vgl. § 14 Abs. 1 HaagÜbkAG.194 Der Anwendungsbereich des Art. 23 HBÜ ist allerdings nicht unumstritten. In der deutschen Literatur wird einerseits die Ansicht vertreten, Art. 23 HBÜ sei als allgemeiner Vorbehalt gegen jede Art des Ausforschungsbeweises zu verstehen, der sich nicht nur auf Urkunden, sondern auch auf alle übrigen Beweismittel erstreckt.195 Andererseits soll der Anwendungsbereich der Vorschrift derart beschränkt sein, dass nur solche auf die Vorlage von Dokumenten gerichteten Rechtshilfeersuchen nicht zu
__________ 191
Vgl. Knöfel, RIW 2010, 403, 406; Martens, Erfahrungen mit dem Rechtshilfeersuchen aus den USA nach dem Haager Beweisaufnahme-Übereinkommen, RIW 1981, 725, 731 f.; Schütze, RIW 2005, 579, 585; Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 341 f. 192 Vgl. OLG Celle, Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRax 2008, 350 – juris Rn. 22. 193 Vgl. zur e-discovery oben B.I.3.b) und eingehend: Junker, Electronic Discovery. 194 Zum Hintergrund der nicht erlassenen Verordnung nach § 14 Abs. 2 HaagÜbkAG vgl. B.I.6. 195 Beckmann, Das Haager Beweisübereinkommen und seine Bedeutung für die PreTrial-Discovery, IPRax 1990, 201, 203; Berger in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band V, 22. Auflage (2006), Anhang zu § 363 ZPO Rn. 104.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
erledigen seien, in denen die vorzulegenden Schriftstücke nicht hinreichend spezifiziert sind.196 Zwar erscheint es als durchaus sinnvoll, Urkundenvorlagen, die nicht übermäßig in die Rechte und Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen eingreifen, weil die Urkunden einzeln bezeichnet sind, zu ermöglichen und gleichzeitig all jene Beweishilfeersuchen abzuwehren, die auf eine unverhältnismäßige Ausforschung hinauslaufen.197 Um den erstgenannten Zweck zu erreichen, bedarf es einer teleologischen Reduktion, die Erreichung des zweiten Zwecks erfordert eine analoge Anwendung von Art. 23 HBÜ. Bei der Auslegung internationaler Verträge sind die Grundsätze zu beachten, die das Völkerrecht entwickelt hat. Es ist aus dem Gesamtkontext eines Abkommens der wahre Wille der Vertragsparteien zu erforschen. Maßgeblich sind der Zweck und die Entstehungsgeschichte eines Abkommens. Bei Zweifeln kommt dem Wortlaut regelmäßig eine ganz besondere Bedeutung zu.198 Als transformiertes Völkervertragsrecht ist das HBÜ im Lichte der völkerrechtlichen Abkunft auszulegen. Dabei wirkt die Auslegungsregel des effet utile, wonach die einem Völkervertrag beigelegte Interpretation seinen Zweck effektiv verwirklichen soll, erledigungsfreundlich. Den erledigungsfeindlichen Gegenpol bildet die Auslegungsregel in dubio pro mitius, derzufolge souveränitätsbeschränkende Übereinkommensregeln im Zweifel nicht über ihren Wortlaut hinaus ausgedehnt werden.199 Gegen die analoge Ausdehnung von Art. 23 HBÜ auf alle Beweismittel bzw. Arten der Beweisbeschaffung spricht der insoweit klare Wortlaut der Norm (pre-trial discovery of documents).200 Zudem gebietet es Sinn und Zweck des Abkommens, der darin liegt, die internationale Rechtshilfe zu erleichtern,201 Ausnahmevorschriften restriktiv auszulegen.202 __________ 196
Vgl. Beckmann, IPRax 1990, 201, 204; Berger in: Stein/Jonas, ZPO, a.a.O; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987), 300; Junker, Der deutschamerikanische Rechtsverkehr in Zivilsachen, JZ 1989, 121, 128; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 411; Stürner, ZVglRWiss. 81 (1982), 159, 201; Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342. 197 Vgl. auch: Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band III, HBÜ Artikel 23 Rn. 3. 198 BGH Urteil vom 25.06.1969, I ZR 15/67, NJW 1969, 2083 – juris Rn. 13. 199 Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Zivil- und Handelssachen, Bd. I (Stand: August 2011), A I 3f Einl. Rn. 25 f. 200 OLG Celle Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPrax 2008, 350 – juris Rn. 24; Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band III, HBÜ Artikel 23 Rn. 3. 201 Nach dessen Präambel gründet sich das HBÜ auf dem Wunsch, die Übermittlung und Erledigung von Rechtshilfeersuchen zu erleichtern sowie die Angleichung der verschiedenen dabei angewandten Verfahrensweisen zu fördern, und wurde in der Absicht geschlossen, die gegenseitige gerichtliche Zusammenarbeit in Zivil- oder Handelssachen wirksamer zu gestalten.
II. Reaktive Maßnahmen
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Die teleologische Reduktion zur Beschränkung der Nichterledigung auf nicht spezifizierte Urkunden wäre gegenüber den anderen Vertragsparteien des Abkommens zwar von Art. 23 HBÜ gedeckt. Angesichts der klaren Regelung des § 14 Abs. 1 und Abs. 2 HaagÜbkAG, der die Beschränkung des bislang absoluten Vorbehalts an den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung durch den Bundesminister der Justiz knüpft, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, verbietet sich der Weg über die Auslegung indes.203 Allerdings sind über den Wortlaut des Art. 23 HBÜ hinaus auch solche Beweishilfeersuchen vom Vorbehalt der Bundesrepublik erfasst, die sich auf die Offenbarung elektronisch gespeicherter Informationen beziehen.204 Insoweit ist durch die technische Entwicklung eine ungewollte Regelungslücke entstanden, die es zu schließen gilt. Bereits vor der Reform der FRCP im Jahre 2006, durch die in FRCP Rule 34 (a) (1) (A) ausdrücklich die Pflicht zur Offenbarung elektronisch gespeicherter Informationen (ESI) aufgenommen wurde, wurde durch US-amerikanische Gerichte die Offenbarung von ESI auf der Grundlage von FRCP Rule 34 (a) (1) (A) angeordnet.205 Wenn mit Aufnahme des Art. 23 das Anliegen verfolgt wurde, die für den Geheimnisschutz als besonders gefährlich erachtete pre-trial discovery of documents vom Anwendungsbereich des Abkommens auszunehmen,206 so muss erst recht die pre-trial discovery of electronically stored information ausgenommen sein. Elektronische Dateien haben ausgedruckte Dokumente vielfach ersetzt. Die Subsumtion von ESI stellt, anders als die o.g. Erstreckung des Art. 23 auf alle Beweismittel, keine inhaltliche Ausweitung des deutschen Vorbehalts auf Bereiche dar, die von den vertrag__________ 202
So für das Parallelabkommen HZÜ ausdrücklich OLG Celle Beschluss vom 20.07. 2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382. 203 Vgl. Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens, 279; a.A.: Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtshilfeverkehr, A I 3f Artikel 23 Rn. 15 f., der der Ansicht ist, Offenbarungsverlangen seien durch verordnungsersetzende Rechtsanwendung analog § 14 Abs. 2 AusfGHBewÜ und § 142 BGB durchzuführen. 204 Rath/Klug, K&R 2008, 596, 697; in diese Richtung auch: Spieß, USA: Grenzüberschreitende elektronische Beweiserhebung (Discovery) vs. Datenschutz?, MMR 7/2007, V, VI und Hague Conference on Private International Law, Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the Practical Operation of the Hague Apostille, Service, Taking of Evidence and Acess to Justice Convention (2–12 Februar 2009), 9, Rn. 50. 205 Vgl. Zubulake. v. UBS Warburg LLC, 217 F.R.D. 309, 310 (S.D.N.Y. May 13, 2003); Ausführlich zur Reform der FRCP 2006: Withers, Electronically Stored Information: The December 2006 Amendments to the Federal Rules of Civil Procedure, 4 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 171 (2006); Burns/Galloway/Gross, E-Discovery: One Year of the Amended Federal Rules of Civil Procedure, 64 N.Y.U. L.Rev. 201. 206 Vgl. Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, HBÜ Artikel 23 Rn. 1; Stiefel, „Discovery“-Probleme und Erfahrungen im Deutsch-Amerikanischen Rechtshilfeverkehr, RIW 1979, 509, 510 f.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
schließenden Parteien nicht intendiert waren, sondern lediglich eine Anpassung der Norm an die geänderten technischen Umstände. Der Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ schließt nach der Rechtsprechung hingegen nicht aus, dass konkret benannte Beweispersonen bezüglich einzeln nach Art und Datum bezeichneter Urkunden z.B. über deren Entstehungsgrund, Inhalt, unternehmerische Zielsetzung und wirtschaftliche Tragweite vernommen werden.207 Nach Ansicht der Rechtsprechung wird dadurch auch nicht in unzulässiger Weise der Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ umgangen. Begründet wird dies damit, dass auch nach deutschem Recht die Vernehmung von Zeugen über den Inhalt von Urkunden, die nicht herausgegeben werden oder vorgelegt werden müssen, grundsätzlich zulässig ist.208 Dem ist zuzustimmen. Anderenfalls läge eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung ausländischer Parteien vor. Art. 3 lit. f HBÜ. Enthält ein US-amerikanisches Offenbarungsverlangen sehr umfassende Fragen zu nicht näher bezeichneten Tatsachen, kommt eine Zurückweisung der Beweishilfe auf der Grundlage von Art. 3 lit. f HBÜ wegen mangelnder Spezifizierung in Betracht.209 Nach Art. 3 lit. f HBÜ soll ein Rechtshilfeersuchen je nach Sachlage die Fragen, welche an die zu vernehmenden Personen gerichtet werden sollen, oder die Tatsachen, über die sie vernommen werden sollen, enthalten. Nach deutschem Rechtsverständnis können die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 3 lit. f HBÜ einer zu weit gehenden Tatsachenermittlung, wie sie in einer amerikanischen pre-trial discovery vorkommt, entgegenwirken. Bei besonders umfassend gestellten Fragen kann das deutsche Ausforschungsverbot tangiert sein.210 Für Beweispersonen, die als Zeugen vernommen werden sollen, scheidet zur Abwehr der Beweishilfe eine Berufung auf das Ausforschungsverbot allerdings von vornherein aus. Das Ausforschungsverbot besteht nach deutschem Prozessrecht allenfalls zum Schutz des Beweisgegners, der der beweisführenden Gegenpartei die Waffen zur Führung des Rechtsstreits grundsätzlich nicht zur Verfügung zu stellen braucht, nicht aber im Inte-
__________ 207 OLG München, Beschluss vom 27.11.1980, 9 VA 4/80, RIW 1980, 555, 557; OLG Celle Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRax 2008, 350 – juris Rn. 25. Zustimmend: Lowenfeld, IPRax 1984, 51, 53. 208 OLG München, Beschluss vom 27.11.1980, 9 VA 4/80, RIW 1980, 555, 557; a.A. Schütze, RIW 2005, 579, 585. 209 Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, HBÜ Artikel 3 Rn. 3 und Artikel 12 Rn. 1; Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342; Stürner, ZVglRWiss 81 (1982), 159, 200. 210 OLG Celle Beschluss vom 06.07.2007, 16 VA 5/07, IPRax 2008, 350 – juris Rn. 27.
II. Reaktive Maßnahmen
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resse von Zeugen, die durch gesetzlich vorgesehene Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte geschützt sind.211 Im Übrigen ist die Hürde für eine Zurückweisung wegen Verstoßes gegen Art. 3 lit. f HBÜ hoch angelegt. Geht es um den Beweis von Tatsachen, die sich im Einflussbereich der Gegenseite befinden und von denen die beweisbelastete Partei typischerweise keine ins Detail gehende Kenntnis haben kann, so kommt die Rechtsprechung der beweisbelasteten Partei entgegen.212 Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis soll nur dann vorliegen, wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich und rechtsmissbräuchlich Behauptungen aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufstellt.213 Soweit in einem amerikanischen Offenbarungsverlangen die Umstände, auf die sich die Vermutung bestimmter Tatsachen stützt, konkretisiert sind, wird sich die deutsche Prozesspartei daher regelmäßig nicht mit Erfolg auf Art. 3 lit. f HBÜ berufen können, um die Ausführung von Beweishilfeersuchen zu verhindern.214 Art. 11 Abs. 1 lit. a HBÜ. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. a HBÜ wird ein Rechtshilfeersuchen nicht erledigt, soweit sich die Person, die es betrifft, nach dem Recht des ersuchten Staates auf ein Recht zur Aussageverweigerung oder auf ein Aussageverbot berufen kann.215 Von der Vorschrift sind alle Rechte erfasst, nach denen eine Auskunftsperson die Mitwirkung an einer Beweisaufnahme ablehnen darf.216 Weil in den USA Aussageverweigerungsrechte in weitaus geringerem Umfang anerkannt sind als in Deutschland,217 kommt es vor, dass von einem deutschen Zeugen aufgrund einer Anwendung ausländischen Rechts in Deutschland gefordert wird, über Tatsachen auszusagen, für die im deutschen Recht ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht oder die unter eine Verschwiegenheitspflicht des Zeu__________ 211 OLG München, Beschluss vom 27.11.1980, 9 VA 4/80, RIW 1980, 555, 557; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2006, I-3 VA 2/06, 3 VA 2/06, OLGR Düsseldorf 2007, 393 – juris Rn. 27. 212 Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342. 213 OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 – juris Rn. 41. 214 Vgl. OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 f. – juris Rn. 28. 215 Vgl. zur Anwendung von Artikel 11 HBÜ: AG München, Beschluss vom 09.06. 1981, 131a AR 354/80, RIW 1981, 850 LG München I, Beschluss vom 10.06.1981, 13 T 9173/81, RIW 1981, 851. 216 Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, HBÜ Artikel 11 Rn. 1; Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtshilfeverkehr, A I 3f Artikel 11 Rn. 8 ff.; Stadler, Grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in der Europäischen Union – die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, in: Festschrift für Reinhold Geimer (2002), 1281, 1295. 217 Vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 55.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
gen fallen.218 Erfasst sind darüber hinaus generelle staatliche Verbotssätze gegen Informationspreisgabe.219 Deutsche Kreditinstitute, die Adressat eines amerikanischen Offenbarungsverlangens sind, können sich zur Abwendung der Beweishilfe grundsätzlich auf ihr Weigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen. Etwas anderes gilt nur, wenn demjenigen, der von der deutschen Bank die Offenbarung verlangt, ein materiellrechtlicher Auskunftsanspruch zusteht.220 Dann besteht nach deutschem Recht kein Weigerungsrecht und dementsprechend kommt auch zur Abwendung der Beweishilfe Art. 11 Abs. 1 lit a HBÜ nicht in Betracht. Auch die zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach § 88 TKG verpflichteten Personen können sich grundsätzlich auf Art. 11 Abs. 1 lit. a HBÜ berufen, um die Ausführung von Beweishilfeersuchen abzuwenden. Denn nach § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG ist es ihnen untersagt, sich oder anderen Kenntnis von Informationen zu verschaffen, die in den Anwendungsbereich des Fernmeldegeheimnisses fallen.221 Das Fernmeldegeheimnis wird grundsätzlich auch nicht dadurch durchbrochen, dass ein materiellrechtlicher Auskunftsanspruch besteht. Gemäß § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG findet eine Durchbrechung nur aufgrund solcher gesetzlicher Vorschriften statt, die sich ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge beziehen (sog. kleines Zitiergebot).222 Eine solche Vorschrift ist beispielsweise § 101 UrhG, der bei Verletzungen von nach dem UrhG geschützten Rechten nach Abs. 1 gegen den Verletzer und nach Abs. 2 gegen bestimmte Dritte Auskunftsansprüche vorsieht.223 Nach § 101 Abs. 10 UrhG wird das Fernmeldegeheimnis ausdrücklich eingeschränkt. Fehlt eine solche ausdrückliche Bezugnahme, hat das Fernmeldegeheimnis nach dem Willen des Gesetzgebers Vorrang.224 Dann greift das Verbot nach § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG und damit auch die Regelung nach Art. 11 Abs. 1 lit a HBÜ. Die im ersten Teil der Arbeit dargestellten Offenbarungsverbote, die aus dem BDSG bzw. der DSRL resultieren, begründen im deutschen Zivilprozess hingegen kein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht oder eine __________ 218
Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, HBÜ Artikel 11 Rn. 4. Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtshilfeverkehr, A I 3f Artikel 12 Rn. 12 f. 220 Zu den Einzelheiten vgl. oben B.II.3.c)(2). 221 Zu den Einzelheiten vgl. oben B.II.2.b)(2). 222 Eckardt in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 88 Rn. 25. 223 Kritisch zu § 101 UrhG: Ladeur, Der Auskunftsanspruch aus § 101 UrhG und seine Durchsetzung – Zivilrechtsanwendung ohne Methode und jenseits der Drittwirkung der Grundrechte NJW 2010, 2702. 224 Vgl. Entwurfsbegründung TKG 1996, BT-Drs. 13/3609 v. 30.1.1996, 53; Bock in: Beck’scher TKG-Kommentar, § 88 Rn. 28. 219
II. Reaktive Maßnahmen
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entsprechende Pflicht. Der Zivilprozess ist ein Sonderbereich des Umgangs mit personenbezogenen Daten, für den das BDSG nicht gilt.225 Soweit davon ausgegangen wird, dass eine richterliche Anordnung im Wege der Rechtshilfe eine Datenverarbeitung und Übermittlung nach dem BDSG und der DSRL rechtfertigen kann,226 kann das Datenschutzrecht nicht gleichzeitig ein Verbot im Sinne des Art. 11 HBÜ darstellen. Vielmehr besteht das Offenbarungsverbot in dem Moment nicht mehr, in dem eine Anordnung nach dem HBÜ erfolgt. Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ. Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ ist praktisch wort- und inhaltsgleich mit Art. 13 HZÜ.227 Hiernach kann die Erledigung von Beweishilfeersuchen abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. In der Literatur wird Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ teilweise als allgemeiner ordrepublic-Vorbehalt verstanden.228 Beweiserhebungsmaßnahmen, die der Ausforschung dienen, sollen wegen des im deutschen Zivilprozess geltenden Verbots des Ausforschungsbeweises hierunter fallen.229 Gegen diese, auf einer extensiven Auslegung der Vorschrift beruhende Annahme spricht bereits ihr Wortlaut. Sinn und Zweck des Abkommens, die internationale Rechtshilfe zu erleichtern, gebieten es zudem, all jene Vorschriften, die die internationale Rechtshilfe behindern, eng auszulegen.230 Mit „Hoheitsrechten“ im Sinne des Art. 12 Abs. 1 HBÜ sind daher nur diejenigen gemeint, die der ersuchte Staat gerade in Gestalt der Beweishilfe zu betätigen hätte, da sonst jedes Ersuchen ablehnbar wäre. Gemeint ist also der „beweishilferechtliche“ ordre public.231 Im Übrigen bedarf es keiner extensiven Auslegung des Art. 12 HBÜ, um deutsche Rechtssubjekte vor unzulässig weitgehenden Beweishilfeersuchen zu schützen. Art. 3, 11 und 23 HBÜ bieten eine hinreichende Grundlage, Beweishilfeersuchen, die mit deutschen Vorstellungen des Geheimnisschutzes unvereinbar sind, abzuwenden.232 Die Gründe, aus denen __________ 225 Knöfel, RIW 2010, 403, 405; Kunkel, Datenschutz und Verwertung von Kenntnissen im Unterhaltsprozess, FPR 2002, 520, 521. 226 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 7. 227 von Danwitz, DÖV 2004, 501, 503. 228 Heinrich in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band III, HBÜ Artikel 11 Rn. 4; Junker, Discovery, 322; Schütze, RIW 2005, 579, 585. 229 Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis (1993), 292; Schütze, WM 1986, 633, 635; ders., RIW 2005, 579, 585. 230 Für eine restriktive Auslegung der Parallelvorschrift Art 13 HZÜ vgl. OLG Celle Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05, IPRspr 2006 Nr. 10, 382 ff. 231 OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2008, 20 VA 13/07, IPRax 2009, 71 – juris Rn. 14; Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler, A I 3f Artikel 12 Rn. 11. 232 Berger in: Stein/Jonas, ZPO, § 363 Rn. 70; Knöfel in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtshilfeverkehr, A I 3f Artikel 12 Rn. 11.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
entsprechende Ersuchen abgewehrt werden können, sind von den Art. 3, 11 und 23 HBÜ abschließend erfasst.233 Sofern das US-amerikanische Gericht also über Beweishilfeersuchen nach dem HBÜ verfährt, bestehen verschiedene Möglichkeiten, die Erledigung solcher Ersuchen abzuwenden. Allein: Regelmäßig verfahren USamerikanische Gerichte bei der Anordnung, im Ausland belegene Beweismittel zu offenbaren und herbeizuschaffen, nicht über das HBÜ. In diesen Fällen können in Deutschland auch keine auf die Vorschriften des HBÜ gestützten Schutzmaßnahmen im Stadium der Beweishilfe ergriffen werden. Es bleibt dann als letzter Anker, sich gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Urteils zu wenden, dem eine pre-trial discovery vorausgegangen ist. (2) Nach Erlass eines Urteils in den USA: Verhinderung der Urteilsanerkennung und Vollstreckbarerklärung Die pre-trial discovery ist abgeschlossen, der Prozess verloren. Die Verhinderung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des US-amerikanischen Urteils ist damit streng genommen keine Maßnahme mehr zur Abwehr der discovery bzw. ihrer das Dilemma begründenden Pflichten und Rechtsfolgen. Sie ist ein Mittel der rechtlichen und wirtschaftlichen Schadensbegrenzung im Stadium der Vollstreckung. Da in der Vergangenheit aber immer wieder diskutiert wurde, ob der Umstand, dass einem US-amerikanischen Urteil eine pre-trial discovery vorangegangen ist, seiner Anerkennung und Vollstreckbarerklärung in der Bundesrepublik Deutschland entgegen steht,234 soll dieser Punkt auch in der vorliegenden Arbeit nicht unbehandelt bleiben. Als Schutz- bzw. Schadensbegrenzungsmaßnahme kommt die Verhinderung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von vornherein nur für solche Parteien sinnvoller Weise in Betracht, die in den USA über kein zur Befriedigung des Gegners ausreichendes Vermögen verfügen.235 Denn nur in diesem Fall ist die obsiegende Partei darauf angewiesen, dass das US-amerikanische Urteil auch in der Bundesrepublik Rechtswirkungen entfaltet. __________ 233 Berger in: Stein/Jonas, ZPO, § 363 Rn. 70; Martens, RIW 1981, 725, 733; Stürner, Rechtshilfe nach dem Haager Beweisübereinkommen für Common-Law-Länder, JZ 1981, 521; Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342. 234 Vgl. Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Auflage (2006), Rn. 421. 235 Vgl. Hess, Transatlantischer Rechtsverkehr heute: Von der Kooperation zum Konflikt?, JZ 2003, 923, 924; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 295; Schütze, WM 1986, 633, 636.
II. Reaktive Maßnahmen
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Die Anerkennung eines ausländischen Urteils, die sich nach § 328 ZPO richtet, führt zur Beachtlichkeit seiner Wirkungen im Inland.236 Allerdings führt die kraft Gesetz erfolgende Anerkennung nicht dazu, dass die USamerikanische Entscheidung in Deutschland unmittelbar vollstreckt werden könnte. Einer ausländischen Entscheidung muss die inländische Vollstreckbarkeit grundsätzlich erst in rechtsgestaltender Weise verliehen werden.237 Dies erfolgt über die Vollstreckbarerklärung nach §§ 722, 723 ZPO (sog. Exequatur).238 Nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts – insbesondere den Grundrechten – offensichtlich unvereinbar ist. § 723 Abs. 2 Satz 2 ZPO erstreckt den Versagungsgrund auf die Vollstreckbarerklärung. Danach ist ein Vollstreckungsurteil nicht zu erlassen, wenn die Anerkennung nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist. § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kann sowohl wegen des Inhalts der ausländischen Entscheidung eingreifen, als auch wegen der Art und Weise ihres verfahrensmäßigen Zustandekommens. Im ersten Fall spricht man vom materiellrechtlichen, im zweiten Fall vom verfahrensrechtlichen ordre public.239 Hinsichtlich der pre-trial discovery kommt der verfahrensrecht__________ 236
Bach in: Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Edition 8 (Stand: 15.01.2013), § 328 Rn. 1; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Auflage (2009), Rn. 2992; Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 328 Rn. 2; Stadler in: Musielak, ZPO, § 328 Rn. 2. 237 Bach in: Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 722 Rn. 1; Netzer in: Kindl/Melle-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2. Aufl. (2013), § 722 Rn. 1 f.; Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 328 Rn. 167. 238 Die Vollstreckbarerklärung aufgrund einer Vollstreckungsklage ist in der Rechtspraxis die Ausnahme. Im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedsstaaten richtet sich Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Urteilen in Zivil- und Handelssachen nach der EuGVVO vom 22.12.2000, vgl. hierzu Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 6; Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von US-amerikanischen Schiedssprüchen richtet sich nach dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II, S. 487) und dem UN Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (BGBl. II 1961, S. 121; BGBl. II 1987, S. 389). Da die Bemühungen der Haager Konferenz um ein globales Abkommen zur Anerkennung von Gerichtsurteilen in Zivil- und Handelssachen gescheitert sind, richtet sich deren Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik weiterhin nach den §§ 328, 722, 723 ZPO, vgl. Gottwald in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Band II, 4. Auflage (2012), § 722 Rn. 5. 239 Hermann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public (2000), 68 f.; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 421; Schütze, FS Stiefel, 697, 701 f.; ders., Probleme der Anerkennung US-ameri-
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
liche ordre public in Betracht. In der gerichtlichen Praxis wird der ordre public nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO indes sehr restriktiv angewandt. Nicht jede Verletzung einer zwingenden inländischen Rechtsnorm verletzt den deutschen ordre public, denn dies würde auf eine verbotene révision au fond hinauslaufen.240 Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public ist erst zu bejahen, wenn in einem ausländischen Verfahren fundamentale Prozessgrundrechte derart schwerwiegend verletzt wurden, dass das Urteil nicht mehr als auf rechtsstaatliche Weise ergangen angesehen werden kann.241 Während von Seiten des Schrifttums teilweise vertreten wird, die Durchführung einer pre-trial discovery begründe – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen – ein Anerkennungshindernis,242 geht der BGH und die h.M. in der Literatur davon aus, dass das US-amerikanische Beweisermittlungsverfahren der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung grundsätzlich nicht entgegen steht.243 Pre-trial discovery als Anerkennungshindernis. Das Anerkennungshindernis wird – analog zur Argumentation im Rahmen der Vorbehaltsvorschriften des HZÜ und des HBÜ – im Wesentlichen mit einem Verstoß gegen __________ kanischer Zivilurteile in der Bundesrepublik Deutschland, WM 1979, 1174, 1175; ders., WM 1986, 633, 636. 240 Bach in: Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 328 Rn. 38; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 419; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 867. 241 BGH, Beschluss vom 02.09.2009, XII ZB 50/06, NJW 2010, 153, 154 f.; BGH, Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, NJW 1992, 3096, 3101; Bach in: Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO, § 328 Rn. 38; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 420. 242 Vgl. Greger, Discovery am Amtsgericht?, ZRP 1988, 164, 166; Hök, DiscoveryProceedings als Anerkennungshindernis; Schütze, FS Stiefel, 697, 703; ders., WM 1986, 633, 636; ders., WM 1979, 1174, 1175. In diese Richtung geht auch LG Berlin, Urteil vom 13.06.1989, 20 O 314/88, RIW 1999, 988, 990, das zwar klarstellte, dass die Durchführung einer discovery für sich genommen nicht der Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils entgegen steht, durch Hinzutreten weiterer Umstände (im konkreten Fall: Fehlen von schriftlichen Urteilsgründen, Berechnung von Zinseszinsen, nicht nachvollziehbarer Verschuldensanteil des Beklagten von 95 %) den Verstoß gegen § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO offensichtlich mache. Allgemein zum ordre-public-Verstoß durch die Ansammlung verschiedener Aspekte: Schütze, Überlegungen zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung US-amerikanischer Zivilurteile in Deutschland – Zur Kumulierung von Ordre-public-Verstößen, in: Festschrift für Reinhold Geimer (2002), 1025. 243 BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, Leitsatz 2.2.; Dörner in: Saenger, Zivilprozessordnung, 4. Auflage (2011), § 328 Rn. 55; Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 328 Rn. 112; Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 295; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 865; ders., Anm. zu BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, ZZP 106 (106), 104 ff.; Stadler in: Musielak, ZPO, § 328 Rn. 27.
II. Reaktive Maßnahmen
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das deutsche Verbot des Ausforschungsbeweises, allgemeinen Verhältnismäßigkeitserwägungen und vermeintlichen Verstößen gegen die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland begründet. Da es Ziel der discovery sei, den Stoff für Tatsachenbehauptungen erst zu gewinnen, stelle das Verfahren eine nach deutschem Recht unzulässige Ausforschung dar. Mit dem Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ habe die Bundesrepublik zum Ausdruck gebracht, dass das System der pre-trial discovery und der damit verbundene Ausforschungsbeweis gegen grundlegende Prinzipien des deutschen Verfahrensrechts verstoßen.244 Das Ausforschungsverbot habe Verfassungsrang. Der Einzelne müsse vor Eingriffen in die Freiheits- und Persönlichkeitssphäre durch mutwillig veranlasste Gerichtsverfahren geschützt werden. Daher könne er sich gegenüber ausforschenden Beweiserhebungen unmittelbar auf die Grundrechte berufen, denn er werde durch einen Hoheitsakt, den Beweisbeschluss, zur Mitwirkung verpflichtet.245 Gegen die Anerkennung sprechen auch die mangelnde Ausprägung prozessualer Weigerungsrechte in den USA und der Umstand, dass ausländische Geheimhaltungsinteressen durch amerikanische Gerichte nicht berücksichtigt werden.246 Soweit im Rahmen der discovery deutsche Beweisverbote nicht berücksichtigt wurden, dürfe das spätere Urteil nicht anerkannt werden.247 Ferner dürfe ein ausländischer Kläger gegenüber der inländischen Partei nicht dadurch privilegiert werden, dass den Ergebnissen einer vom Ausland aus betriebenen Ausforschung im Inland Beachtung geschenkt wird, indem das ausländische Urteil im Inland anerkannt wird.248 Jedenfalls sei ein die Anerkennung hindernder Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public dann gegeben, wenn die Beweisermittlungsmaßnahme im Einzelfall eine unzulässige Ausforschung beinhalte, die Ausforschungsmaßnahme kausal für die Entscheidung war und die ausgeforschte Partei der Maßnahme nicht zugestimmt habe.249 Auch die durch eine pre-trial discovery verursachte unverhältnismäßig hohe Kosten- und Zeitbelastung spreche für einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public.250 Soweit Maßnahmen der discovery nicht im Rechtshilfeverfahren nach dem HBÜ betrieben werden, verletzen sie zudem die deutsche Justizho-
__________ 244
Schütze, WM 1979, 1174, 1175; ders., WM 1986, 633, 636. Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis, 293. 246 Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis, 295. 247 Schütze, WM 1986, 633, 636. 248 Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis, 294. 249 Schütze, FS Stiefel, 697, 707; ders., Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung (1992), 169. 250 Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis, 294. 245
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
heit.251 Die Durchführung von Beweisermittlungsverfahren unter Verletzung des Haager Beweisübereinkommens führe daher immer dazu, dass die ergehende Entscheidung wegen Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht anerkannt werden könne, ohne dass es darauf ankäme, ob eine unzulässige Ausforschung vorliegt oder nicht.252 BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91. Nach dem BGH und der h.M. in der Literatur hindert der Umstand, dass einem US-amerikanischen Urteil eine pre-trial discovery vorausgegangen ist, für sich genommen nicht seine Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland. Die bloße Möglichkeit, dass im Rahmen der discovery unter anderem eine nach deutschem Prozessrecht unzulässige Ausforschung erreicht wird, erfülle die Voraussetzungen des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht. Denn es gelte das Gebot, über die – sogar zwingenden – Einzelregelungen des deutschen positiven Rechts hinaus auf die Grundwerte abzustellen, die hierdurch geschützt werden sollen.253 Dabei seien nicht nur die deutschen Prozessrechtsgrundsätze zu beachten, sondern es sei die Gesamtrechtsordnung zu berücksichtigen, einschließlich deutscher materiellrechtlicher Auskunftspflichten, die mit vergleichbarer Wirkung an die Stelle ausländischer Verfahrensregeln treten können.254 Entscheidend sei sodann, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts einschließlich damit möglicherweise verbundener völkerrechtswidriger Eingriffe in die Hoheitsrechte des Anerkennungsstaates mit den so ermittelten wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und dem Wert der gerichtlichen Wahrheitsfindung an sich offensichtlich unvereinbar ist.255 Legt man die Maßstäbe des BGH an, so wird es im seltensten Fall gelingen, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines US-amerikanischen Urteils, dem eine pre-trial discovery vorausgegangen ist, zu verhindern. Die Argumente, die von der Gegenansicht für einen Verstoß gegen den ordre public nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorgebracht werden, überzeugen im Übrigen auch nicht. Stellt man auf die Grundwerte der Rechtsordnung ab, so wird deutlich, dass auch das deutsche Recht die Feststellung der Wahrheit im Prozess erstrebt und dazu teils materielle, teils prozessuale Auskunftspflichten an__________ 251 Hök, Discovery-Proceedings als Anerkennungshindernis, 300, 311; von Danwitz, DÖV 2004, 501, 508. 252 Schütze, FS Stiefel, 697, 706; ders., Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, 169. 253 BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 – juris Rn. 38. 254 BGH, a.a.O.; Paulus, ZZP 104, 397, 402 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 740; a.A. Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, 169. 255 BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 – juris Rn. 38; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Auflage (2010), Rn. 865.
II. Reaktive Maßnahmen
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erkennt.256 Soweit argumentiert wird, es liege ein evidenter Verstoß gegen das deutsche Ausforschungsverbot vor, so ist bereits fraglich, ob es sich beim Ausforschungsverbot tatsächlich um ein prozessrechtliches Grundprinzip, das etwa mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vergleichbar wäre, handelt.257 Es sprechen gute Gründe für die Annahme, dass dem nicht so ist. So werden immer wieder Schwierigkeiten bei seiner rechtstheoretischen Einordnung und eine uneinheitliche Anwendung in der Praxis kritisiert.258 Zudem zeigt sich auch die deutsche Rechtsprechung bei Beweisen von Tatsachen, die sich im Einflussbereich des Beweisgegners befinden, mitunter großzügig.259 Dass dem Verbot des Ausforschungsbeweises, wo auch immer seine Grenzen im Einzelnen verlaufen, Verfassungsrang zukommt, wird von der Gegenansicht nur behauptet, nicht begründet. Soweit mit Grundrechtsschutz angeführt wird, so besteht dieser nur gegen deutsche Hoheitsakte.260 Gegen Offenbarungsanordnungen durch US-amerikanische Gerichte kann sich ein deutscher Verfahrensbeteiligter als Grundrechtsträger auf den Schutz des GG nicht berufen. Auch schützt – wie bereits erwähnt – das GG den Bürger, der sich im internationalen Rechtsverkehr bewegt, grundsätzlich nicht vor der Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung.261 Der Vorbehalt, den die Bundesrepublik nach Art. 23 HBÜ erklärt hat, spricht nicht gegen, sondern für die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit von US-amerikanischen Urteilen, denen eine pre-trial discovery vorausgegangen ist. Denn es wird nur solchen Maßnahmen der discovery die Rechtshilfe versagt, die auf eine Dokumentenvorlage abzielen. Im Übrigen findet eine Rechtshilfe – in den Grenzen des HBÜ – grundsätzlich statt. Es wäre widersprüchlich, im Verfahrensstadium der pre-trial discovery Rechtshilfe zu gewähren, dem Urteil dann aber die Anerkennung zu versagen. Auch das Kostenargument vermag nicht zu überzeugen. Abzustellen ist auf fundamentale Grundprinzipien. Die Frage der Kostentragung ist zwar in den USA und der Bundesrepublik verschieden geregelt. Für das Konzept, dass jede Partei die eigenen Kosten trägt, lassen sich aber gute Grün__________ 256
Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band I, § 328 Rn. 112; Paulus, ZZP 104, 397, 402 ff.; Schlosser, JZ 1991, 599, 606 ff. 257 Martens, RIW 1981, 725, 733; Stürner, JZ 1981, 521, 522; Zekoll, Zur Vollstreckbarkeit eines US-amerikanischen Schadensurteils, RIW 1990, 302, 305. 258 Zekoll, a.a.O. 259 Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342. 260 Antoni in: Hömig, Grundgesetz, 9. Auflage (2010), Artikel 1 Rn. 21; Kunig in: von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Band I, 6. Auflage (2012), Artikel 1 Rn. 52. 261 BVerfG, Beschluss vom 20.09.2006, 2 BvR 1421/00, WM 2006, 2105 – juris Rn. 11; BVerfG Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211 – juris Rn. 10.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
de anführen.262 Eine andere Gestaltung als eine Kostentragung nach dem Veranlasserprinzip ist mit dem Gerechtigkeitsgedanken nicht schlechterdings unvereinbar. Zudem kann sich ein Beklagter, der den Prozess verloren hat – und nur ein solcher wird sich in der Praxis gegen die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung wenden – zur Begründung des Verstoßes gegen § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ohnehin nicht glaubhaft auf den angeblichen Nachteil, den ihm das US-amerikanische Prozesskonzept beschert, berufen: Nach § 91 ZPO würde er nicht nur die eigenen Kosten, sondern auch noch diejenigen gesetzlichen Kosten tragen, die dem Gegner entstanden sind. Eine Schlechterstellung liegt insoweit nicht vor. Wenngleich dem BGH vorgeworfen wird, dass er prozessuale Probleme herunterspiele, um die Anerkennungsfähigkeit von US-amerikanischen Urteilen nicht zu gefährden,263 und diese Einschätzung sicherlich nicht ganz abwegig ist, so ist die grundsätzlich anerkennungsfreundliche Haltung des BGH im Ergebnis doch richtig. Jede andere Haltung nämlich würde zu einer schwer vertretbaren generellen Diskriminierung des USamerikanischen zivilprozessualen Systems führen, dessen immanenter Verfahrensbestandteil die pre-trial discovery ist.264 Ein die Anerkennung hindernder Verstoß gegen den deutschen ordre public ist daher nur in jenen Fällen anzunehmen, in denen eine konkrete Maßnahme der discovery die Souveränität der Bundesrepublik verletzt hat, etwa durch eine direkte extraterritoriale Beweisbeschaffung und Beweisaufnahme auf deutschem Territorium (Beweisbeschaffung im Ausland).265 Verhinderung der Urteilsanerkennung durch Klage vor dem EGMR. Die Urteilsanerkennung und Vollstreckbarerklärung wegen eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public zu verhindern, wird angesichts der Rechtsprechung des BGH also nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen gelingen. Fraglich ist, ob sich das im US-amerikanischen Verfahren unterlegene deutsche Rechtssubjekt auf den Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) berufen kann, um deutsche Gerichte – einschließlich des BGH – zur Nicht-Anerkennung US-amerikanischer Urteile zu bewegen. Ein Ansatzpunkt hierfür ist nach einer in der deutschen
__________ 262
Vgl. BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 – juris Rn. 34: Das Bestehen der American rule of costs wird damit begründet, ohne Kostenrisiko den Gerichtszugang zu ermöglichen. 263 Schütze, RIW 2004, 162, 166. 264 Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829, 830. 265 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 865; Stiefel/Stürner, Die Vollstreckbarkeit US-amerikanischer Schadensersatzurteile exzessiver Höhe, VersR 1987, 829, 830.
II. Reaktive Maßnahmen
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Literatur vertretenen Ansicht266 die Pellegrini-Entscheidung267 des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). In dem der Pellegrini-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt268 hat ein vatikanisches Gericht eine nach kanonischem Recht geschlossene Ehe auf Antrag des Ehemanns für nichtig erklärt. Die Nichtigkeit der Ehe musste anschließend durch italienischen Hoheitsakt im Eheregister vermerkt werden. Sie bedurfte für ihre Gestaltungswirkung also der Mitwirkung des italienischen Staates. Italien ist Mitglied der EMRK, der Vatikan nicht. Die unterlegene Ehefrau sah in dem vatikanischen Gerichtsverfahren ihre Rechte nicht hinreichend gesichert. Sie erhob vor dem EGMR Klage gegen Italien und argumentierte im Wesentlichen damit, dass die vatikanische Verfahrensausgestaltung mit dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK nicht vereinbar sei. Dies stehe der Eintragung der Ehenichtigkeit in Italien entgegen. Die vor dem EGMR klagende Ehefrau obsiegte. Der EGMR stellte zunächst klar, dass die EMRK auf das Verfahren vor dem vatikanischen Gericht nicht anwendbar sei, da der Vatikan kein Mitglied der EMRK sei. Er maß jedoch sodann die hoheitliche Entscheidung Italiens am Maßstab der EMRK:269 „The Court notes at the outset that the applicant’s marriage was annulled by a decision of the Vatican courts which was declared enforceable by the Italian courts. The Vatican has not ratified the Convention and, furthermore, the application was ledged against Italy. The Court’s task therefore consists not in examining whether the proceedings before the ecclesiastical courts complied with Article 6 of the Convention, but whether the Italian courts, before authorising enforcement of the decision annulling the marriage, duly satisfied themselves that the relevant proceedings fulfil the guarantees of Article 6. A review of that kind is required where a decision in respect of which enforcement is requested emanates from the courts of a country which does not apply the Convention.“
Mit dem letzten Satz statuierte der EGMR also nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zur Nachprüfung drittstaatlicher Entscheidungen.270 Die genannte Literaturansicht überträgt die Pellegrini-Enstcheidung auf die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Problemstellung und zieht daraus folgende Konsequenzen: Aus den Feststellungen des EGMR ergebe sich zunächst, dass US-amerikanische Prozesse als solche nicht am Maßstab der EMRK zu messen __________ 266
Vgl. Paulus, Abwehrstrategien gegen unberechtigte Klagen in den USA, RIW 2006, 258, 261 ff. 267 EGMR, Urteil vom 20.07.2001, 30882/96, Slg. 2001-VIII – Pellegrini v. Italy, vgl. hierzu auch: Weber, Europäisches Zivilprozessrecht und Demokratieprinzip (2009), 49 ff. 268 Sachverhalt stark vereinfacht. 269 EGMR, Urteil vom 20.07.2001, 30882/96, Slg. 2001-VIII – Pellegrini v. Italy, Rn. 40. 270 Vgl. Weber, Europäisches Zivilprozessrecht und Demokratieprinzip, 51.
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C. Schutzmaßnahmen zugunsten betroffener Rechtssubjekte
seien.271 Wenn und soweit aber US-amerikanische Urteile in der Bundesrepublik Deutschland Wirkungen entfalten sollen und die obsiegende Partei auf eine Urteilsanerkennung und Vollstreckbarerklärung durch deutsche Gerichte angewiesen ist, sei der Maßstab der EMRK durchaus einschlägig.272 Denkbar sei dann, zu argumentieren, dass das US-amerikanische Verfahrensrecht gegen den durch Artikel 6 EMRK gewährleisteten Grundsatz der Waffengleichheit verstoße. Danach müsse jeder Verfahrenspartei die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren Fall unter Bedingungen zu präsentieren, die keinen der Gegner wesentlich beeinträchtige.273 Ansatzpunkte für eine derartige Benachteiligung seien v.a. die American rule of costs, die einseitige Bevorzugung des Klägers, die Möglichkeit erfolgsabhängiger Anwaltshonorare und die Verhängung von Strafschadensersatz – also sämtlich Aspekte, die auch vor dem Hintergrund des deutschen ordre public diskutiert und von der deutschen Rechtsprechung verneint werden. „Noch viel erfolgsversprechender“ seien nach dieser Ansicht jedoch die Äußerungen einzelner US-amerikanischer Richter, die unverhohlen zum Ausdruck brächten, dass sie sich auf die Seite einer der Parteien zu schlagen gedenken.274 Zuzugeben ist dieser Literaturansicht, dass die Pellegrini-Entscheidung einen – wenngleich langen – Weg zu einem Gericht eröffnet, das sich gegenüber dem US-amerikanischen Verfahrensrecht möglicherweise kritischer und mithin weniger anerkennungsfreundlich zeigt, als der BGH.275 Ob der Weg nach Straßburg aber wirklich erfolgsversprechend ist, erscheint fraglich. Ohne jeden Zweifel ist es rechtsstaatlich bedenklich, wenn sich USamerikanische Richter, deren nächste Amtszeit von einer Wiederwahl durch die Rechtsuntergebenen abhängt, im Wahlkampf zu diskriminierenden Äußerungen zulasten ausländischer Beklagter hinreißen lassen.276 Mehr als nur bedenklich ist es, wenn sich ein US-amerikanischer Richter in einem konkreten Verfahren diskriminierend verhält. In einem solchen Fall läge in der Tat eine gegen die Garantie des Art. 6 EMRK verstoßende Verfahrensdurchführung vor. Allerdings ist in derartigen Ausnahmefällen der Rückgriff auf Art. 6 EMRK nicht erforderlich, denn ein solches Verfahren wäre schon mit dem deutschen verfahrensrechtlichen ordre public unvereinbar. __________ 271
Vgl. Paulus, RIW 2006, 258, 261. Vgl. Paulus, a.a.O. 273 Vgl. Paulus, a.a.O. unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 27.10.1993, 14448/88, Serie A Nr. 274, § 33 – Dombo Beheer v. Netherlands, Rn. 33. 274 Vgl. Paulus, RIW 2006, 258, 262. 275 S.o., BGH Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312. 276 Vgl. die Zitate bei Schütze, RIW 2005, 279, 580. 272
II. Reaktive Maßnahmen
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Im Übrigen sind die Aspekte des US-amerikanischen Verfahrensrechts, die nach dieser Literaturansicht auf eine Unvereinbarkeit des US-amerikanischen Verfahrens mit Art. 6 EMRK hinweisen sollen, praktisch identisch mit jenen, die auch im Zusammenhang mit § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und der Verhinderung von Rechtshilfeersuchen diskutiert werden. Inhaltlich brächte ein Verfahren vor dem EGMR also wenig Neues. Letztlich wird es darauf ankommen, ob das konkret in den Vereinigten Staaten durchgeführte Verfahren gegen Art. 6 EMRK verstößt. Für diesen Fall dürfte allerdings schon ein Verstoß gegen § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegen, sodass sich der Gang nach Straßburg erübrigen würde.
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
Im ersten Teil der Arbeit wurde dargestellt, in welchem Dilemma zwischen konfligierenden Pflichten sich deutsche, an US-amerikanischen Zivilgerichtsverfahren beteiligte Rechtssubjekte befinden, wenn sie in Anwendung der FRCP Informationen offenbaren sollen, die nach deutschem Recht Offenbarungsverboten unterliegen. Im zweiten Teil wurde gezeigt, dass zugunsten betroffener Rechtssubjekte zwar verschiedene Schutzmaßnahmen in Betracht kommen, diese aber lediglich einige der belastenden Folgen des Dilemmas mildern, das Dilemma aber nicht grundlegend zu lösen vermögen und in der Rechtspraxis ohnehin nur selten Erfolg versprechen. Nunmehr gilt es, einen möglichen Weg zu entwickeln, wie sich das Dilemma im Kern lösen ließe. Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Lösung ist die Einsicht, dass es angesichts einer zunehmend globalisierten Weltwirtschaft unklug ist, auf einer kompromisslosen Durchsetzung eigener Rechtsvorstellungen zu beharren, mögen diese für sich genommen auch noch so legitim erscheinen.1 Der zweite Schritt liegt darin, die Schuld für bestehende Rechtskonflikte nicht mehr einseitig beim jeweils anderen zu suchen. Wer aus deutscher Sicht „Rechtschauvinismus“2 und „Rechtshegemonie“3 der Vereinigten Staaten beklagt, verkennt den Einfluss, den umgekehrt auch europäische Rechtsvorstellungen, insbesondere solche des Persönlichkeits- und Datenschutzes, in den Vereinigten Staaten haben.4 Wollen beispielsweise USamerikanische Unternehmen mit ihren europäischen Tochtergesellschaften personenbezogene Daten legal austauschen, sind sie gezwungen, auch auf US-amerikanischem Boden kostspielige, aufwendige und aus US-amerikanischer Sicht ungewöhnliche Instrumente des Datenschutzes wie die darge__________ 1 Für eine gegenseitige Kompromissbereitschaft plädiert auch Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 302 f. 2 Schütze, FS Jayme, 849; ders., FS Kropholler, 905, 908. 3 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 735; von Danwitz, DÖV 2004, 501, 502. 4 Vgl. Odgen/Rapawy, Discovery in Transnational Litigation: Procedures and Procedural Issues (2007), 20 ff.; Schimmel/Rosenfeld, New Respect for Hague Evidence Convention in Discovery, New York Law Journal, Vol. 239 – No 89 (2008); Stone/Alberts/ Heckman, E.U. Data Privacy Law Comes to a Courtroom Near You, Orrick eDISCOVERY ALERT, December 7, 2010, 1; Sun, 2 Nw. J. Tech. & Intell. Prop. 99 (2003).
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
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stellten Safe Harbor Principles oder Binding Corporate Rules zu implementieren. Und durch den immer häufiger erhobenen Einwand, der Durchführung der pre-trial discovery im sonst üblichen Umfang stünden europäische Offenbarungsverbote entgegen, werden US-amerikanische Parteien und Gerichte vermehrt dazu angehalten, sich mit europäischen, Daten- und Persönlichkeitsschutz bezweckenden Normen auseinanderzusetzen.5 Für die Streitparteien hat dies oft einen kostspieligen Mehraufwand zur Folge, für den sie aufgrund der American rule of costs auch im Falle des Obsiegens keinen Ersatz verlangen können. Tatsächlich geht es um einen Machtkampf zwischen zwei zunehmend extraterritorial ausgreifenden Rechtsordnungen: jener der Vereinigten Staaten und jener der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.6 Solche Machtkämpfe schaden nicht nur dem auf beiden Seiten des Atlantiks gewünschten grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Sie werden, wie gezeigt, vor allem auf dem Rücken der unterworfenen Rechtssubjekte ausgetragen, was weder für die beteiligten Staaten noch für die Rechtsunterworfenen ein befriedigendes Ergebnis ist.7 Die Überwindung des Dilemmas kann nur gelingen, wenn man die Bereitschaft zeigt, sich an die Rechtsvorstellungen der jeweils anderen Rechtsordnung anzunähern. Im Interesse der erforderlichen Annäherung sollten nicht, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, die unbestreitbaren Unterschiede beider Rechtssysteme herausgestellt werden.8 Vielmehr muss der Blick für die grundlegenden Gemeinsamkeiten geschärft werden.9 So erkennen beide Rechtsordnungen die Notwendigkeit der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen eines geregelten Verfahrens an. Die gerichtliche Entscheidung soll – wenn möglich – auf der „Wahrheit“ beruhen bzw. auf dem, was man für „wahr“ hält. Was in den Vereinigten Staaten der pretrial discovery vorbehalten ist, nämlich die Ermittlung von Informationen, die außerhalb des Einflussbereichs der die Information begehrenden Person liegen, übernehmen im deutschen Recht vielfach materiellrechtliche
__________ 5 Branigan/Gentile, Foreign Privacy Laws, 62 ff.; Kessler/Blenkinsop, With “PreTrial Discovery” An Official High Priority of the EU, Companies Need To Make EU Discovery and Data Protection a High Priority, The Metropolitan Corporate Counsel (May 2008), 46; Rothman/Cohen, Data Protection in the EU and Its Impact on US Discovery (2010). 6 Hess, AG 2005, 897, 905. 7 Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341, 375 (2010); Hess, JZ 2003, 923, 924; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 742. 8 Vgl. z.B. Reitz, ZZP 104 (1991), 381 ff. 9 Raul/McNicolas/Jullson, Reconciling European Data Privacy Concerns with US Discovery Rules: Conflict and Comity, Global Competition Litigation Review (Issue 3 2009), 119, 121 ff.
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D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
Informationspflichten und Auskunftsansprüche.10 Diese wurden in den vergangenen Jahrzehnten auch in der Bundesrepublik immer wieder gestärkt, beispielsweise durch die Schaffung weitgehender bereichsspezifischer gesetzlicher Auskunftsansprüche wie in §§ 101, 101a UrhG und durch die Ausdehnung ungeschriebener Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB).11 Durch die Einführung der richterlichen Anordnung auf Urkundenvorlegung nach § 142 ZPO findet sich überdies nun auch im deutschen Zivilprozessrecht die Möglichkeit, Beweisstücke, die sich in der Hand des Gegners befinden, herauszuverlangen, obwohl ein auf Herausgabe gerichteter materiellrechtlicher Anspruch nicht besteht.12 Zwar setzt das deutsche Verfahrensrecht dem Interesse an der Wahrheitsfindung stärker als das US-amerikanische Verfahrensrecht andere Interessen entgehen, um Bürger vor Eingriffen in die private Sphäre zu schützen.13 Dass es aber auch in den Vereinigten Staaten keine Wahrheitsermittlung um jeden Preis gibt, zeigt die Anerkennung verschiedener privileges, die im Einzelfall u.a. dem Persönlichkeitsschutz Vorrang vor der Ermittlung der Wahrheit einräumen.14 Und wenngleich in den Vereinigten Staaten lediglich bereichsspezifische Datenschutznormen und kein dem BDSG vergleichbares allgemeines Datenschutzgesetz existiert, so ist doch dem Grunde nach anerkannt, dass es sich bei bestimmten Daten um besonders schützenswerte Informationen handelt, die Dritten nicht ohne Weiteres zugänglich gemacht werden dürfen.15 Die in Frage stehenden Interessen – Wahrheitsermittlung auf der einen, Geheimnis- und Persönlichkeitsschutz auf der anderen Seite – sind also sowohl in den Vereinigten Staaten, als auch in der Bundesrepublik Deutschland dem Grunde nach anerkannt, sie werden nur anders gewichtet. Berücksichtigt man nun, dass im Bereich transnational geführter Prozesse zu den genannten gegenläufigen Interessen weitere, hier wie da gleichermaßen anerkannte, parallel laufende Interessen hinzutreten, so besteht Grund zu der Annahme, dass die erforderliche Annäherung möglich ist: So __________ 10 Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 402; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 740; Schlosser, JZ 1991, 599, 604 f. 11 Vgl. BGH Urteil vom 09.02.2005, XII ZR 93/02, NJW 2005, 1492; BGH Urteil vom 06.02.2007, X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; Mansel in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage (2011), § 242 Rn. 21; Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, Band I, § 242 Rn. 12 ff.; Heinrichs in: Palandt, BGB, 72. Auflage (2013), § 261 Rn. 8 ff.; Schlosser, JZ 1991, 599, 606. 12 Vgl. hierzu: Lüpke/Müller, NZI 2002, 588. 13 Reitz, ZZP 104 (1991), 381, 388; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 739. 14 Vgl. oben B.I.2.b). 15 Vgl. Slemmons/Stratford, IASSIST 1998, 17, 18 ff.; Spieß, USA: Neue Datenschutzvorschriften auf dem Prüfstand, ZD 2011, 12 ff.; The Sedona Conference, Comment, 2.
I. Teilweise Rücknahme des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ
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sprechen für ein – jedenfalls partielles – Abrücken von der eigenen Position insbesondere das Interesse an der Funktionsfähigkeit der Justiz, an der Durchführung gesetzmäßiger Verfahren und der Einhaltung des Rechts, an der Leichtigkeit internationaler Rechtshilfe zwischen befreundeten Staaten, an der effizienten Streitbeilegung, der Vermeidung unnötiger Kosten, der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen, an der Vermeidung diplomatischer Spannungen und schließlich an einer grundlegenden „Fairness“ gegenüber den Rechtsunterworfenen. Die vorliegende Arbeit schlägt einen stufenweisen Weg aus dem Dilemma vor. Zunächst sollte die Bundesrepublik Deutschland ihre rigide Haltung bezüglich der Rechtshilfe im Rahmen der pre-trial discovery of documents aufgeben und den bis heute absolut geltenden Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ teilweise zurücknehmen (I). US-amerikanische Gerichte sollten sich, wenn sie mit dem Einwand der Rechtsverletzung im Ausland konfrontiert sind, an den jüngst veröffentlichten Sedona International Principles orientieren und zum Schutz ausländischer Streitparteien die von der Sedona Conference entworfene Standardschutzverfügung verwenden (II). Am Ende des gebotenen Annäherungs- und Harmonisierungsprozesses muss eine Überarbeitung des bestehenden Haager Beweisübereinkommens stehen, die sowohl dem Interesse der Vereinigten Staaten an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung, als auch dem europäischen Interesse am Persönlichkeits- und Datenschutz hinreichend Rechnung trägt (III).
I. Teilweise Rücknahme des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ I. Teilweise Rücknahme des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ
Bereits 1985 stellte die Haager Konferenz fest, dass die von zahlreichen Vertragsparteien erklärten absoluten Vorbehalte nach Art. 23 HBÜ die Funktion des Übereinkommens beeinträchtigt und dazu geführt hätten, dass US-amerikanische Gerichte dieses häufig unangewendet ließen.16 In einem Bericht im Jahre 200317 und in einem weiteren im Jahr 2009,18 appellierte die Haager Konferenz an alle Vertragsstaaten, die wie die Bun__________ 16
Hague Conference on Private International Law, Report on the Work of the Special Commission of May 1985 on the Operation of the Convention, (Sept. 1986), §§ 4, 7. 17 Hague Conference on Private International Law, Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the Practical Operation of the Hague Apostille, Service, Taking of Evidence and Access to Justice Conventions (Nov. 2003), Rn. 29 ff. 18 Hague Conference on Private International Law, Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the Practical Operation of the Hague Apostille, Service, Taking of Evidence and Access to Justice Conventions (Feb. 2009), Rn. 51.
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D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
desrepublik einen absoluten Vorbehalt erklärt haben, ihre Haltung zu überdenken und ihre Erklärungen nach dem Vorbild Großbritanniens einzuschränken. Die Erklärung des Vereinigten Königreichs lautet:19 „In accordance with Article 23 Her Majesty’s Government declare that the United Kingdom will not execute Letters of Request issued for the purpose of obtaining pre-trial discovery of documents. Her Majesty’s Government further declare that Her Majesty’s Government understand ‘Letters of Request issued for the purpose of obtaining pre-trial discovery of documents’ for the purposes of the foregoing Declaration as including any Letter of Request which requires a person: (a.) to state what documents relevant to the proceedings to which the Letter of Request relates are, or have been, in his possession, custody or power; or (b.) to produce any documents other than particular documents specified in the Letter of Request as being documents appearing to the requested court to be, or to be likely to be, in his possession, custody or power.“
Ausgeschlossen von der Möglichkeit der Rechtshilfe sind also nur solche auf Dokumentenvorlage gerichtete Ersuchen, in denen die vorzulegenden Dokumente nicht hinreichend deutlich bezeichnet sind. Im Übrigen können auf Dokumentenvorlage gerichtete Rechtshilfeersuchen ausgeführt werden, wenn die Gefahr einer unverhältnismäßigen Ausforschung der Beweisperson nicht besteht. Die offene Haltung Großbritanniens, welches den Vereinigten Staaten näher steht, als die kontinentaleuropäischen Staaten und dessen Rechtsordnung selbst eine pre-trial discovery kennt, mag nicht weiter verwundern.20 Doch auch Frankreich, welches den USA traditionell kritisch gegenübersteht, hat seinen vormals absoluten Vorbehalt eingeschränkt. So lautete die ursprüngliche Erklärung der französischen Republik:21 „[…] le Gouvernement français déclare […] que, par application de l’article 23, les Commissions rogatoires qui ont pour objet une procédure, connue dans les Etats du common law sous le nom de ‚pre-trial discovery of documents‘ ne seront pas exécutées.“
Zunächst hatte Frankreich – wie bis heute die Bundesrepublik – einen absoluten Vorbehalt hinsichtlich der pre-trial discovery of documents erklärt. Ende 1986 schränkte Frankreich seinen Vorbehalt dann folgendermaßen ein:22 „La déclaration faite par la République française conformément à l’article 23 relatif aux commissions rogatoires qui ont pour objet la procédure de ‚ pre-trial discovery of documents‘ ne s’applique pas lorsque les documents demandés sont limitativement énumérés dans la commission rogatoire et ont un lien direct et précis avec l’objet du litige.“
__________ 19 Erklärung abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 20 Zum englischen Recht: Schlosser, JZ 1991, 599, 600 ff. 21 Erklärung abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013). 22 Erklärung abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013).
I. Teilweise Rücknahme des deutschen Vorbehalts nach Art. 23 HBÜ
169
Nach der neuen Fassung des Vorbehalts soll dieser dann nicht gelten, wenn die begehrten Dokumente in dem Rechtshifeersuchen abschließend bezeichnet sind und in einem direkten und bestimmten Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen. Hintergrund des französischen Sinneswandels war das damals schwebende Verfahren in Sachen „Aérospatiale“. Die französische Regierung hatte versucht, den US Supreme Court für eine ausschließliche Anwendung des Beweisübereinkommens zu erwärmen.23 Zwar ist dieser Versuch fehlgeschlagen,24 seither ist aber im Verhältnis zwischen Frankreich und den USA Rechtshilfe auch für die pre-trial discovery of documents möglich, sofern die Dokumente, deren Vorlage begehrt wird, in dem Ersuchen abschließend aufgezählt sind und sie in einen unmittelbaren und deutlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen.25 Auch der deutsche Referentenentwurf für eine Urkundenvorlageverordnung nach § 14 Abs. 2 AusfGHBewÜ vom 15. November 1988, durch den der absolute Vorbehalt der Bundesrepublik nach Art. 23 HBÜ eingeschränkt werden sollte, sah vor, dass vorzulegende Urkunden hinreichend deutlich bezeichnet und die Tatsachen, die dem geltend gemachten Anspruch oder den gegen ihn erhobenen Einwendungen zugrunde liegen, mit hinreichender Genauigkeit dargelegt sein müssen. Ferner verlangte der Entwurf, dass Urkunden, deren Vorlage begehrt wird, in einem unmittelbaren, klar erkennbaren Zusammenhang mit den Tatsachenbehauptungen stehen müssen.26 Dass der absolute Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland bis heute nicht aufgegeben wurde, ist aus mehreren Gründen bedauerlich. Schon seit längerem wird zurecht darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland einerseits auf eine exklusive Geltung des HBÜ pocht, andererseits aber für die im US-amerikanischen Prozess zentrale pre-trial discovery of documents jegliche Rechtshilfe verwei__________ 23
Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 828. Vgl. insbesondere oben B.I.6.b). 25 Vgl. Cour d’Appel de Paris, Urteil vom 18.09.2003, 2002/18509, IPRax 2005, 451 mit Anm. Reufels/Scherer. Zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Datenübermittlungen für Zwecke der Discovery hat die französische Datenschutzaufsichtsbehörde im Jahr 2009 Stellung genommen, vgl. Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés (CNIL), Délibération No 2009-474 du 23 juillet 2009 portant recommandation en matière de transfert de données à caractère personnel dans le cadre de procédures judiciaires américaines dite de „Discovery“; hierzu: Proust, French Data Protection authority issues new guidelines, The Privacy Advisor ( November 2009) 13; Venbrux, E-Discovery: French Data Protection Authority Issues Guidelines on Pre-Trial Discovery, Privacy and Security Law Report (8-24-09). 26 Zu den weiteren Einzelheiten: Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 342 ff.; Trittmann, Anwendungsprobleme des Haager Beweisübereinkommens, 280 ff. und oben B.I.6.b). 24
170
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
gert.27 Angesichts der seit 2002 bestehenden Möglichkeit, auch im deutschen Zivilprozess nach § 142 ZPO die Vorlage von Urkunden und sonstiger Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, verlangen zu können, ist der absolute Vorbehalt der Bundesrepublik nicht nur nicht mehr zeitgemäß. Die Haltung Deutschlands hat zudem den diskriminierenden Effekt, dass ausländischen Parteien seltener die Möglichkeit zur Dokumentenvorlage gegeben wird als inländischen.28 Vor allem aber führt der absolute Vorbehalt für den mit der vorliegenden Arbeit behandelten Problemkomplex dazu, dass eine richterliche Anordnung, die eine legale Übermittlung personenbezogener Daten in die USA ermöglichen würde,29 ebenso ausgeschlossen ist wie eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses kraft richterlichen Hoheitsakts oder die Rechtfertigung der mit der Durchführung einer pre-trial discovery unter Umständen verbundenen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis. Für eine Rechtfertigung der im Rahmen einer pre-trial discovery erforderlichen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis würde es allerdings nicht ausreichen, den Vorbehalt durch Erlass einer Verordnung nach § 14 Abs. 2 AusfGHBewÜ teilweise zurückzunehmen.30 Wegen des Zitiergebots nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG bedarf es einer Änderung des AusfGHBewÜ, denn eine Verwendung von dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Daten für andere als in § 88 Abs. 3 Satz 1 TKG genannte Zwecke und insbesondere eine Weitergabe an Dritte darf nur aufgrund gesetzlicher – d.h. formalgesetzlicher – Vorschriften eingeschränkt werden, die sich ausdrücklich auf das Fernmeldegeheimnis beziehen. Der deutsche Gesetzgeber sollte also alsbald tätig werden, um den rechtlichen Rahmen dafür zu schaffen, dass US-amerikanische Rechtshilfeersuchen, die auf die Übermittlung begrenzter und mit dem Klagegegenstand in unmittelbarem Zusammenhang stehende Dokumente und Daten gerichtet sind, künftig ausgeführt und die Eingriffe in die deutschen Offenbarungsverbote kraft Hoheitsaktes gerechtfertigt werden können.
__________ 27
Vgl. z.B. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 349. Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7, 11 f. 29 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 7 f. 30 Auch in der deutschen Literatur mehren sich die Stimmen, die für eine jedenfalls partielle Rücknahme des bislang absoluten Vorbehalts plädieren, vgl. z.B. Reufels, RIW 1999, 667, 670; Reufels/Scheerer, IPRax 2005, 456; Stürner/Müller, IPRax 2008, 339, 342; Trittmann/Leitzen, IPRax 2003, 7, 11 f.; v. Hein, RIW 2007, 249, 254; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 412 plädiert sogar dafür, den Vorbehalt nach Artikel 23 HBÜ ganz zu streichen. 28
II. Orientierung an den Sedona Principles
171
II. Orientierung an den Sedona Principles und Verwendung der Standardschutzverfügung II. Orientierung an den Sedona Principles
Beim einseitigen Entgegenkommen von deutscher Seite darf es nicht bleiben. Dass US-amerikanische Gerichte nach teilweiser Rücknahme des deutschen Vorbehalts künftig häufiger über das HBÜ verfahren, formuliert eher eine Hoffnung, denn einen wirklichen Vorschlag. Durch die Neuformulierung des Vorbehalts ist aber jedenfalls getan, was von deutscher Seite in einem ersten Schritt getan werden kann. Da die Aus- bzw. Überarbeitung internationaler Abkommen arbeits- und damit zeitintensiv ist, eine zeitnahe Lösung des Dilemmas aber geboten erscheint, sollten sich US-amerikanische Gerichte in transnationalen Verfahren künftig an den Sedona Principles orientieren, um die negativen Folgen des Dilemmas abzumildern.31 Insbesondere sollten US-amerikanische Gerichte auf die von der Sedona Conference ebenfalls erarbeitete Standardschutzverfügung zurückgreifen, um das Interesse an einer möglichst umfassenden Offenbarung mit dem Interesse am Schutz der Persönlichkeit – soweit möglich – in Einklang zu bringen. Für US-amerikanische Parteien und Gerichte ist es nichts Ungewöhnliches, mit Formularanträgen und -anordnungen zu arbeiten.32 Die Standardschutzverfügung stellt einen – jedenfalls übergangsweise – annehmbaren Kompromiss zwischen US-amerikanischen Offenbarungspflichten und europäischen, im Datenschutz begründeten Offenbarungsverboten dar.
III. Überarbeitung und Ergänzung des Haager Beweisübereinkommens III. Überarbeitung und Ergänzung des Haager Beweisübereinkommens
Die unter C.I. und C.II. vorgeschlagenen Maßnahmen können nur erste Schritte auf dem Weg aus dem Dilemma sein. Selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland in Vorleistung geht und ihren Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ teilweise zurücknimmt, so bleibt ungewiss, ob US-amerikanische Gerichte bei extraterritorialen Beweisermittlungen künftig auch wirklich vermehrt über das HBÜ verfahren werden. Die Anwendung des HBÜ ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine Rechtfertigung der Eingriffe in die unter B.II. dargestellten Offenbarungsverbote. __________ 31
Vgl. zu den Sedona Principles oben, C.II.2.a)(4). Vgl. Appendix of Forms, FRCP. Zudem werden auf den Websites der Gerichte und der US-Regierung zahlreiche Antrags- und Anordnungsformulare öffentlich zugänglich gemacht, vgl. z.B.: und (letzter Abruf jeweils: 29.07.2013). 32
172
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
Gegen eine vermehrte Anwendung spricht, dass sich der US-amerikanische Argwohn gegen das HBÜ nicht allein auf Art. 23 bezieht, sondern auch darauf, dass das Rechtshilfeverfahren ganz allgemein als zu kompliziert und langwierig erachtet wird und für den Fall der Anwendung des Abkommens wegen Art. 11 HBÜ Weigerungsrechte in deutlich umfassenderem Maße zu beachten sind als bei schlichter Anwendung der FRCP.33 Für eine vermehrte Anwendung spricht hingegen, dass US-amerikanische Gerichte das HBÜ gegenüber Staaten, die keinen absoluten Vorbehalt formuliert haben, häufiger anzuwenden scheinen, als gegenüber solchen, die wie Deutschland bis heute die Möglichkeit des Art. 23 voll ausschöpfen.34 Zudem steigt auch in den USA das Bewusstsein für datenschutzrechtliche Belange.35 Denkbar ist daher, dass in Zukunft auch bei USamerikanischen Parteien und Gerichten die Einsicht durchgreift, dass es besser ist, ein gegenüber der schlichten Anwendung der FRCP zwar aufwendigeres Verfahren anzuwenden, das aber den Respekt datenschutzrechtlicher Anforderungen sicherstellt und damit gewährleistet, auf rechtssicherem Wege an die begehrten Informationen zu gelangen. Auch die Sedona-Standardschutzverfügung nebst Principles kann nur eine Übergangslösung sein. Zwar finden Richtlinien und Vorschläge der Sedona Conference – insbesondere auf dem Gebiet der pre-trial discovery – bei US-amerikanischen Gerichten durchaus Anklang.36 Die Anwendung der Standardschutzverfügung und die Beachtung der begleitenden Handlungsvorschläge sind aber aufgrund ihres Charakters als reine Handlungsempfehlungen einer (privaten) Forschungseinrichtung keinesfalls garantiert. Selbst die durch das äußerst renommierte ALI herausgegebenen Restatements of the Law werden von der US-amerikanischen Rechtsprechung häufig nur als erste Orientierung und Ausgangspunkt für die eigene richterliche Rechtsschöpfung angesehen.37 Eine wirkliche Lösung des Dilemmas erfordert – darin besteht weitgehend Einigkeit – verbindliche Regeln durch zwischenstaatliche Koordina__________ 33 Hague Conference on Private International Law, Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the Practical Operation of the Hague A postille, Service, Taking of Evidence and Access to Justice Conventions (Feb. 2009), Rn. 42 ff.; The Sedona Conference, Comment, Rn. 18. 34 Vgl. American Bar Association, Compendium of Reported Post-Aerospatiale Cases und Cour d’Appel de Paris, Urteil vom 18.09.2003, 2002/18509, IPRax 2005, 451 mit Anm. Reufels/Scherer. 35 Spies, USA: Neue Datenschutzvorschriften auf dem Prüfstand, ZD 2011, 12. 36 The Sedona Conference, Comment, Rn. 2 und Appendix 1. 37 Vgl. z.B. Filartiga v. Pena-Irala, 630 F.2d 876, 885 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 30, 1980); M/S Bremen v. Zapata Off-Shore Company 407 U.S.1 (June 12, 1972); Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, 482 U.S. 522 (June 15, 1987); United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968).
III. Überarbeitung und Ergänzung des Haager Beweisübereinkommens
173
tion.38 Fraglich ist nur, wie genau eine zwischenstaatliche Lösung aussehen könnte. Die Schaffung einheitlicher Zivilprozessregeln für transnational geführte Gerichtsverfahren, wie sie die ALI/UNIDROIT Principles verfolgen, erscheint ein gutgemeinter, aber derzeit utopischer Ansatz, bestehende Konflikte zu lösen.39 Realistischer erscheint es, sich auf die Lösung besonderes drängender Einzelprobleme, wie jenes, das Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist, zu konzentrieren. Teilweise wird vorgeschlagen, dass weitere internationale Abkommen im Sinne des HBÜ geschlossen werden sollten, um das Dilemma zu lösen.40 Einfacher und damit schneller als die Verhandlung und Ausarbeitung gänzlich neuer Abkommen erscheint eine Überarbeitung und Ergänzung des HBÜ selbst. Insbesondere ließe sich so die bereits existierende administrative Struktur und langjährige Erfahrung der Haager Konferenz nutzen, um den bestehenden und praxiserprobten Rechtsrahmen an neue Herausforderungen anzupassen.41 Erstens sollte die extraterritoriale Beweisbeschaffung bzw. die auf diese gerichtete Rechtshilfe bereits in dem Abkommen selbst auf unmittelbar verfahrensrelevante Informationen beschränkt werden (1). Zweitens sollten zwischen den Parteien des Abkommens datenschutzrechtliche Mindeststandards vereinbart werden, die eine grenzüberschreitende Datenübermittlung ermöglichen (2). Drittens sollte für Fälle gleichwohl aufkommender Konflikte mit ausländischen Verbotsgesetzen eine verbindliche und damit kalkulierbare Interessenabwägung eingeführt werden (3).
1. Generelle Restriktion der internationalen Rechtshilfe auf unmittelbar beweisrelevante Informationen Zunächst sollte versucht werden, im Anwendungsbereich des Haager Beweisübereinkommens grenzübergreifende Maßnahmen der pre-trial discovery grundsätzlich nur auf unmittelbar beweisrelevante Informationen zu erstrecken, die bereits im Rechtshilfeersuchen hinreichend deutlich be__________ 38
Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 3; Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341 (2010); Deutlmoser/Filip, ZD Beil, 2012, 1, 11; Friederich, 12 San Diego Int’l L.J. 263 (2010-2011); Schack, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 745. 39 Vgl. ALI/UNIDROIT-Principles of Transnational Civil Procedure, Unidroit 2004 Study LXXVI – Doc 11/12, hierzu Stürner, ZZPInt 2006, 381; Schütze, RIW 2004, 162, 166. 40 Artikel-29-Datenschutzgruppe, WP 158, 3; Byrne/Didizian/Cumbley, EU-Data Protection & Cross-Border Discovery – A New International Pragmatism?, Technology, Media & Telecommunications News (5 Mai 2009). 41 Vgl. Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341, 372 (2010); Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 829.
174
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
zeichnet sind. Denkbar wäre dies zum einen durch eine Neufassung von Art. 3 HBÜ. Alternativ oder ergänzend kommt der Abschluss eines Zusatzprotokolls zum HBÜ in Betracht. Als Vorbild für eine Neuregelung könnten Ziffern 11.3 und 16.2 der ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure dienen, die einen pragmatischen Kompromiss zwischen dem Interesse der Vereinigten Staaten an der Sicherung des Zugangs zu Informationen der Gegenseite und dem Interesse der kontinentaleuropäischen Staaten am Geheimnisschutz darstellen.42 Durch eine derartige Revision des HBÜ bzw. ein entsprechendes Zusatzprotokoll würde für transnational geführte Prozesse der Umfang der US-amerikanischen discovery hinsichtlich der anfänglichen Substantiierung und des Relevanzkriteriums an den Standard jener Länder angeglichen werden, die eine pre-trial discovery zwar kennen (z.B. das Vereinigte Königreich, Kanada oder Australien), die aber sowohl das notice pleading als auch eine allzu großzügige Handhabe des Relevanzkriteriums ablehnen. Auch in der US-amerikanischen Rechtsprechung wurde schon eine Modifizierung des Relevanzkriteriums der FRCP im Falle extraterritorialer Beweisermittlungen vorgeschlagen:43 „[…] normal discovery standard of whether a document is relevant or is calculated to lead to the discovery of admissible evidence does not apply, and should be replaced by the higher standard of whether the requested documents are crucial to the resolution of a key issue in the litigation.“
Der Vorteil einer derartigen Revision des HBÜ bestünde zunächst darin, dass von vornherein die Intensität der Eingriffe in persönlichkeitsschutzrechtliche Offenbarungsverbote abgemildert würde. Hierdurch könnte das Misstrauen kontinentaleuropäischer Staaten gegenüber der pre-trial discovery beseitigt werden. Die zahlreichen, unterschiedlich weit gehenden und unübersichtlichen Vorbehalte nach Art. 23 HBÜ würden weitgehend obsolet. Eine allgemeine Streichung der Möglichkeit, nach Art. 23 HBÜ einen Vorbehalt zu erklären, könnte – im Gegenzug für ein Nachgeben der USA – ernstlich in Betracht gezogen werden.44 Dies wiederum würde für die USA die Attraktivität des HBÜ steigern, zu seiner vermehrten Anwendung und damit zur Rechtfertigung der Eingriffe in die Offenbarungsverbote Kraft nationalem Hoheitsakt führen. __________ 42
Vgl. hierzu Stürner, ZZPInt 2006, 381, 395 und oben B.I.2.a. In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138, 1150 (N.D. Illinois, November 7, 1979) unter Bezugnahme auf Société Internationale v. Rogers, 357 U.S. 197 (1958). Zustimmend: Brewer, 22 Hous. J.Int. L. 525, 537, 538 (1999–2000). 44 Für eine generelle Streichung von Artikel 23 HBÜ: Friederich, 12 San Diego Int’l L.J. 263, 297 (2010–2011); Paulus, ZZP 104 (1991), 397 ff. 43
III. Überarbeitung und Ergänzung des Haager Beweisübereinkommens
175
2. Vereinbarung datenschutzrechtlicher Mindeststandards Im Interesse des Persönlichkeitsschutzes betroffener Subjekte sollten zudem datenschutzrechtliche Mindeststandards formuliert werden, die es bei der Datenübermittlung und -verwendung für Zwecke transnationaler Zivilprozesse zu beachten gilt. Die Haager Konferenz selbst sieht im grenzüberschreitenden Datenverkehr ein zunehmendes Konfliktpotential und stellt fest, dass bislang keine befriedigende Lösung in Sicht ist.45 Eine allgemein verbindliche Datenschutzkonvention mag zwar in ferner Zukunft eine Lösung darstellen. Für den Augenblick indes erscheint dies ein zu ehrgeiziges Ziel. Für den spezifischen Bereich der Datenübermittlung und -verarbeitung im Rahmen von Gerichtsverfahren könnte ein Zusatzprotokoll zum HBÜ Abhilfe schaffen, mit dem sich diejenigen Vertragsparteien, die das Protokoll ratifizieren, zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards verpflichten.46 In dem Protokoll sollten vor allem eine strikte Zweckbindung und die Verhältnismäßigkeit der Datenübermittlung und -verarbeitung verankert werden. Vorbild könnte die Entschließung der 31. Internationalen Datenschutzkonferenz (sog. Madrid-Resolution) sein, der sich über 50 Länder angeschlossen haben, unter anderem auch solche, die eine pre-trial discovery kennen.47 Die Resolution wird auch durch bedeutende US-amerikanische Konzerne wie Procter & Gamble, General Electric, IBM, Microsoft, Walt Disney und Hewlett-Packard unterstützt. Die Unterstützung durch US-amerikanische Konzerne könnte dazu dienen, die Vereinigten Staaten von der Machbarkeit und Tunlichkeit eines bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Zusatzprotokolls zu überzeugen.
3. Einführung einer verbindlichen Interessenabwägung für Verstöße gegen ausländische Verbotsgesetze Schließlich und endlich sollte – am ehesten ebenfalls in einem Zusatzprotokoll zum HBÜ – eine verbindliche Interessenabwägung für Konstellationen aufgenommen werden, in denen ein (US-amerikanisches) Offenbarungsverlangen mit ausländischen Offenbarungsverboten konfligiert. Hier könnte man sich an den Vorgaben von § 442 (1) (c) des ALI Restatement __________ 45
Hague Conference on Private International Law, Cross-Border Data Flows and Protection of Privacy, Prel.Doc. No. 13 (März 2010), Rn. 15, 22. 46 Für die Einführung eines datenschutzrechtlichen Zusatzprotokolls auch: Caylor, 28 Boston Univ. L.J. 341, 374, 375 (2010), allerdings ohne nähere Ausführung dazu, was in einem solchen Protokoll zu regeln ist. 47 Vgl. Presseerklärung der 31. Internationalen Datenschutzkonferenz, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013).
176
D. Ansätze zur Lösung des grundlegenden Dilemmas
(Third) of Foreign Relations Law of the United States orientieren.48 Dieser bestimmt: „In deciding whether to issue an order directing production of information located abroad, and in framing such an order, a court or agency in the United States should take into account the importance to the investigation or litigation of the documents or other information requested; the degree of specificity of the request; whether the information originated in the United States; the availability of alternative means of securing the information; and the extent to which noncompliance with the request would undermine important interests of the United States, or compliance with the request would undermine important interests of the state where the information is located.“
Inhaltlich wäre gegenüber dem Restatement nicht viel gewonnen. Durch die Aufnahme der Interessenwägung in ein internationales Abkommen würde die Abwägung aber zu einer verbindlichen Regel werden. Dies ließe zum einen eine gewisse Vorhersehbarkeit der Ergebnisse erhoffen. Vor allem aber könnte eine Pflicht zur Abwägung das Bewusstsein von USamerikanischen Gerichten für der Offenbarung entgegenstehende ausländische Verbote schärfen und somit insgesamt eine sensiblere Handhabe transnational geführter Verfahren bewirken.
__________ 48
Cohan, 87 Tex. L.Rev. 1009, 1033 (2009) plädiert dafür, dass sich der Test künftig vor allem auf die Faktoren degree of specificity of the request und availability of alternative means stützen sollte. Die übrigen Faktoren seien erst bei der Frage, welche Rechtsfolgen an die Nichtoffenbarung geknüpft werden, von Belang.
E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung
Deutsche, an einer US-amerikanischen pre-trial discovery beteiligte Rechtssubjekte, insbesondere transnational agierende Unternehmen, befinden sich regelmäßig in einem Dilemma zwischen der sie treffenden Offenbarungspflicht nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht und den Offenbarungsverboten nach deutschem und europäischem Recht. Das Dilemma entsteht aus dem Umstand, dass zwei Rechtsordnungen – jene der Vereinigten Staaten und jene der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union – gleichermaßen Geltung beanspruchen und einander widersprechende, sanktionsbewehrte Pflichten statuieren. Die Pflicht, im Rahmen einer US-amerikanischen pre-trial discovery der jeweils anderen Seite umfassend Informationen zu offenbaren, gründet auf der Vorstellung, dass hiermit der Gerechtigkeit, der Prozessökonomie und der Wahrheitsfindung am besten gedient sei. Das Interesse an der Wahrheitsfindung wird dabei schwerer gewichtet als das Interesse am Schutz der Privatsphäre der von der Offenbarung betroffenen Personen. Dies kommt im US-amerikanischen Zivilprozessrecht durch eine im Vergleich zur ZPO restriktive Gewährung von Zeugnis- und Aussageverweigerungsrechten zum Ausdruck. Bei der Durchsetzung der Offenbarungspflicht hinsichtlich im Ausland belegener Beweisgegenstände geht die US-amerikanische Rechtsprechung seit der Aérospatiale-Entscheidung des US Supreme Court davon aus, dass der Weg über das HBÜ lediglich optional ist. Solange keine Beweisaufnahme auf dem Territorium eines Vertragsstaates vorgenommen wird, ordnen US-amerikanische Gerichte die Vorlage im Ausland belegener Beweisgegenstände regelmäßig in schlichter Anwendung der FRCP an. Offenbarungsverbote nach deutschem und europäischem Recht zum Schutz der Privatsphäre ergeben sich zunächst aus dem allgemeinen Datenschutzrecht, welches auf EU-Ebene in der DSRL und auf nationaler Ebene im BDSG normiert ist. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörden fallen bestimmte Maßnahmen der discovery of documents in den Anwendungsbereich des allgemeinen Datenschutzrechts. Die Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten in die USA zum Zwecke der Durchführung eines Gerichtsverfahrens ist nur zulässig, sofern die Voraussetzungen datenschutzrechtlicher Erlaubnisnormen erfüllt sind. Die datenschutzrecht-
178
E. Zusammenfassung
lichen Ausnahmebestimmungen werden von den Aufsichtsbehörden restriktiv ausgelegt. Zwar könnte eine richterliche Anordnung zur Ausführung von Rechtshilfeersuchen nach dem HBÜ die Datenverarbeitung und -übermittlung rechtfertigen. Da die Bundesrepublik aber einen absoluten Vorbehalt nach Art. 23 HBÜ erklärt hat, kommt die Ausführung von Rechtshilfeersuchen für den Bereich der pre-trial discovery of documents im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland nicht in Betracht. Aus dem in § 88 TKG normierten Fernmeldegeheimnis kann sich ein Offenbarungsverbot ergeben, wenn ein von einer pre-trial discovery betroffenes Unternehmen seinen Mitarbeitern die Privatnutzung betrieblicher Kommunikationseinrichtungen nicht wirksam untersagt hat. Für diesen Fall ist der Arbeitgeber als Telekommunikationsdienste-Anbieter anzusehen. Die Kenntnisnahme und Weitergabe von Informationen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, darf in der Regel nur im zur Erbringung der Telekommunikationsdienstleistung erforderlichen Umfang erfolgen. Eine dem Zitiergebot genügende gesetzliche Vorschrift, die die Kenntnisnahme und Übermittlung von dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Informationen zum Zwecke der Durchführung ausländischer Gerichtsverfahren erlaubt, existiert in Deutschland bislang nicht. Auch aus dem gesetzlich nicht normierten Bankgeheimnis folgt regelmäßig ein Offenbarungsverbot. Nach der deutschen Rechtsprechung haben Bankkunden einen Anspruch darauf, dass dem Bankgeheimnis unterliegende Informationen nicht für Zwecke eines Gerichtsverfahrens in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Zwar gilt das Bankgeheimnis nicht absolut. Aufgrund einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung kann die Offenbarung von Informationen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, zulässig sein. Regelmäßig aber geht die Abwägung zugunsten des Schutzes der Privatsphäre und damit zulasten des sich im Dilemma befindlichen Bankinstituts aus. Zum Schutz der vom Dilemma betroffenen Rechtssubjekte können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Derartige Schutzmaßnahmen kommen als reine Präventivmaßnahmen jenseits anhängiger oder drohender Rechtsstreitigkeiten in Betracht. Sie können aber auch als ReaktivMaßnahmen im Hinblick auf ein konkretes Verfahren getroffen werden. Sie reichen von der Überarbeitung der unternehmensinternen IT-Policy, über eine entsprechende Vertragsgestaltung, den Antrag auf Erlass gerichtlicher Schutzverfügungen bis hin zu dem Versuch, die Ausführung von Rechtshilfeersuchen und die Urteilsanerkennung zu verhindern. In den seltenen Fällen, in denen derartige Maßnahmen erfolgreich sind, können sie die belastenden Folgen des Dilemmas zwar mildern. Grundlegend gelöst wird es durch die Schutzmaßnahmen aber nicht.
E. Zusammenfassung
179
Als Weg aus dem Dilemma rät die vorliegende Arbeit zu einem stufenweisen Vorgehen. Zunächst sollte die Bundesrepublik Deutschland von ihrer rigorosen Haltung hinsichtlich des Art. 23 HBÜ Abstand nehmen und den bis heute geltenden absoluten Vorbehalt teilweise zurücknehmen. Auf diese Weise könnten künftig hinreichend bestimmte Offenbarungsverlangen durch nationalen Hoheitsakt gerechtfertigt werden. US-amerikanische Gerichte sollten sich künftig an den Sedona Principles orientieren und die durch die Sedona Conference ausgearbeitete Standardschutzverfügung anwenden, um das Dilemma zu mildern. Am Ende muss aber eine Koordination zwischen den beteiligten Staaten stehen. Die vorliegende Arbeit plädiert für eine Überarbeitung und Ergänzung des HBÜ. Nach dem Vorbild der ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure sollte bereits in der Phase der pre-trial discovery grundsätzlich ein hinreichender Grad an Substantiierung festgeschrieben und die Offenbarung nur solcher Informationen begehrt werden können, die unmittelbare Verfahrensrelevanz haben. Durch ein Zusatzprotokoll, das sich am Inhalt der Madrider Datenschutzresolution orientiert, sollte zwischen allen Vertragsstaaten des HBÜ für transnational geführte Gerichtsverfahren ein angemessenes Datenschutzniveau vereinbart werden. Schließlich sollte in das Abkommen eine verbindliche Interessenabwägung nach dem Vorbild von § 442 des ALI Restatement (Third) of Foreign Relations Law aufgenommen werden.
Rechtsprechungsverzeichnis Rechtsprechungsverzeichnis Rechtsprechungsverzeichnis
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Sonstige US-amerikanische Bundesgerichte (alphabetisch) Accessdata Corp. v. ALSTE Technologies GmbH, 2010 WL 318477 (D. Utah January 21, 2010) Alcan International, Ltd. v. S.A. Day Mfg. Co., Inc., 176 F.R.D. 75 (W.D.N.Y. September 13, 1996) Alfadda v. Fenn, 149 F.R.D. 28 (S.D.N.Y. May 6, 1993) American Indus. Contracting, Inc. v. Johns-Manville Corp., 326 F. Supp. 879 (W.D. Pa. May 25, 1971) Amusement Equipment, Inc. v. Mordelt, 779 F.2d 264 (U.S. Ct. App. 5th Cir. December 31, 1985)
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Rechtsprechungsverzeichnis
Arthur Andersen & CO. v. Finesilver, 546 F.2d 338 (U.S. Ct. App. 10th Cir. December 1, 1976) Benton Graphics v. Uddeholm Corp., 118 F.R.D. 386 (D.N.J. November 30, 1987) Bodner v. Banque Paribas, 202 F.R.D. 370 (E.D.N.Y. December 21, 2000) Bayoil, S.A. v. Polembros Shipping Ltd., 196 F.R.D. 479 (S.D. Tex. October 11, 2000) Camden Iron and Metal, Inc. v. Marubeni Amrica Corp., 138 F.R.D. 438 (D.N.J. May 14, 1991) C.A.B. v. Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft, 591 F.2d 951 (U.S. Ct.App. D.C. Cir., January 8, 1979) In re Carmean, 153 B.R. 985 (U.S. Bankr. Ct. S.D.Ohio March 15, 1993) Clayton Brokerage Co., Inc. of St. Louis v. Clement, 87 F.R.D. 569 (D.C. Md. June 2, 1980) Columbia Pictures, Inc. v. Bunnell, 245 F.R.D. 443 (C.D. Cal. August 24, 2007) Doster v. Schenk, 141 F.R.D. 50 (M.D.N.C. Decem ber 19, 1991) Filartiga v. Pena-Irala, 630 F.2d 876 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 30, 1980) First American Corp. v. Price Waterhouse LLP, 154 F.3d 16 (U.S. Ct. App. 2d Cir. July 14, 1998) Fishels v. BASF Group, 175 F.R.D. 525 (S.D. Iowa August 19, 1997) In re Folding Carton Antitrust Litigation, 609 F.2d 867 (U.S. Ct. App. 7th Cir. July 12, 1979) Ghana Supply Commission v. New England Power Co., 83 F.R.D. 586 (D. Mass. Se ptember 7, 1979) Glover v. South Carolina Law Enforcement Division, 170 F.3d 411 (U.S. Ct. App. 4th Cir. March 9, 1999) Gucci America Inc. v. Curveal Fashion, 2010 WL 808639 (S.D.N.Y. March 8, 2010) Gordon v. Federal Deposit Ins. Corp., 427 F.2d 578 (U.S. Ct. App. D.C. Cir., March 30, 1970) In re Grand Jury Investigation, 918 F.2d 374 (U.S. Ct. App. 3rd Cir. October 29, 1990) Hudson v. Hermann Pfauter GmbH & Co., 117 F.R.D. 33 (N.D.N.Y. September 9, 1987) Isbrandsten v. Moller, 7 F.R.D. 188 (S.D.N.Y. April 18, 1947) In re Keller Financial Services, 259 B.R. 391 (U.S. Bankr. Ct. M.D. Fla. February 18, 2000) Martin v. Reynolds Metals Corp., 297 F2d 49 (U.S. Ct. App. 9th Cir. November 2, 1961) Metso Minerals Inc. v. Powerscreen Intern. Distribution Ltd., 2007 WL 1875560 (E.D.N.Y. June 25, 2007) Minepco, S.A. v. Conticommodity Services, Inc., 116 F.R.D. 517 (S.D.N.Y. July 9, 1987) Mosaid Technologies Inc. v. Samsung Electronics Co. Ltd., 348 F.Supp.2d 332 (D.N.J. December 7, 2004) M.L.C., Inc. v. North American Philips Corp., 109 F.R.D. 134 (S.D.N.Y. January 2, 1986) Patterson v. Caterpillar, Inc., 70 F.3d 503 (U.S. Ct. App. 7th Cir. November 21, 1995) In re Perrier Bottled Water Litigation, 138 F.R.D. 348 (D. Conn. July 11, 1991) Rich v. KIS California, Inc., 121 F.R.D. 254 (M.D.N.C., June 22, 1988) Richmark Corp. v. Timber Falling Consultants, 959 F.2d 1468 (U.S. Ct. App. 9th Cir. March 30, 1992) Salerno v. Lecia, Inc., 97-CV-973S (H), 1999 WL 299306 (W.D.N.Y. March 23, 1999) Searock v. Stripling, 736 F.2d 650 (U.S. Ct. App. 11th Cir. July 17, 1984) Strauss v. Credit Lyonnais, S.A. 242 F.R.D. 199 (E.D.N.Y. May 15, 2007) Trade Development Bank v. The Continental Insurance Co., 469 F.2d 35 (U.S. Ct. App. 2nd Cir., October 10, 1972)
Rechtsprechungsverzeichnis
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United States ex rel Edney v. Smith, 425 F.Supp. 1038 (E.D.N.Y. November 24, 1976) United States v. Field, 532 F.2d 404 (U.S. Ct. App. 5th Cir, May 13, 1976) United States v. First National City Bank, 396 F.2d 897 (U.S. Ct. App. 2nd Cir. June 26, 1968) United States v. Philip Morris USA Inc., 327 F.Supp.2d 21 (D.D.C. July 21, 2004) United States v. Vetco, Inc. 644 F.2d 1324 (U.S. Ct. App. 9th Cir. May 11, 1981) In re Uranium Antitrust Litigation, 480 F.Supp. 1138 (N.D. Illinois, November 7, 1979) Valois of America, Inc., 183 F.R.D. 346 (D.Conn. July 23, 1997) In Re Vitamins Antitrust Litigation., 2001 WL 1049433 (D.D.C. June 20, 2001) Weiss v. National Westminster Bank, PLC, 242 F.R.D. 33 (E.D.N.Y. May 14, 2007) Zubulake. v. UBS Warburg LLC, 217 F.R.D. 309 (S.D.N.Y. May 13, 2003)
US-amerikanische Staatengerichte (alphabetisch) Knight v. Ford Motor Co., 615 A.2d 297 (Supp. Ct. New. Jersey, L. Div. October 9, 1992) Volkswagen AG v. Valdez, 909 S.W.2d 900 (S.Ct. Tex. November 16, 1995) Volkswagenwerk v. Superior Court, 123 Cal. App.3d 840 (September 23, 1981)
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (chronologisch) EGMR, Urteil vom 27.10.1993, 14448/88, Serie A Nr. 274, § 33 – Dombo Beheer v. Netherlands EGMR, Urteil vom 20.07.2001, 30882/96, Slg. 2001-VIII – Pellegrini v. Italy
Bundesverfassungsgericht (chronologisch) BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 BVerfG, Urteil vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, NJW 1991, 2132 BVerfG, Beschluss vom 07.12.1994, 1 BvR 1279/94, NJW 1995, 649 BVerfG, Beschluss vom 25.07.2003, 2 BvR 1198/03, NJW 2003, 2598 BVerfG, Urteil vom 02.03.2006, 2 BvR 2099/04, NJW 2006, 976 BVerfG, Beschluss vom 20.09.2006, 2 BvR 1421/00, WM 2006, 2105 BVerfG, Beschluss vom 24.01.2007, 2 BvR 1133/04, RIW 2007, 211 BVerfG, Beschluss vom 14.06.2007, 2 BvR 2247/06, 2 BvR 2248/06, 2 BvR 2249/06, WM 2007, 1392 BVerfG, Beschluss vom 04.09.2008 – 2 BvR 1739/06, WM 2008, 2033 BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009 – 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431
Bundesgerichtshof (chronologisch) BGH, Urteil vom 12.05.1958, II Z 103/57, BGHZ 27, 241 BGH, Urteil vom 25.06.1969, I ZR 15/67, NJW 1969, 2083 BGH, Urteil vom vom 15. 4. 1970, VIII ZR 87/69, NJW 1971, 324 BGH, Urteil vom 04.07.1973, VIII ZR 59/72, WM 73, 892 BGH, Urteil vom 09.07.1974, VI ZR 112/73, NJW 1974, 1710 BGH, Urteil vom 11.06.1990, II ZR 169/89, NJW 1990, 3151 BGH, Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312 BGH, Urteil vom 13.11.2003, I ZR 187/01, GRUR 2004, 420 BGH, Urteil vom 09. 02. 2005, XII ZR 93/02, NJW 2005, 1492
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Rechtsprechungsverzeichnis
BGH, Urteil vom 24.01.2006, XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 BGH, Urteil vom 06.02.2007, X ZR 117/04, NJW 2007, 1806 BGH, Urteil vom 27.02.2007, XI ZR 195/05, NJW 2007, 2106 BGH, Urteil vom 27.02.2009, XI ZR 195/09, WM 2007, 643 BGH, Beschluss vom 31.03.2009, 1 StR 76/09, NJW 2009, 1828 BGH, Beschluss vom 02.09.2009, XII ZB 50/06, NJW 2010, 153 BGH, Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 225/08, NJW 2010, 361
Bundespatentgericht BPatG, Beschluss vom 16.07.2002, 23 W (pat) 32/98, GRUR 2003, 176
Oberlandesgerichte (chronologisch) OLG München, Beschluss vom 31.10.1980, 9 VA 3/80, RIW 1981, 554 OLG München, Beschluss vom 27.11.1980, 9 VA 4/80, RIW 1981, 555 OLG Schleswig, Beschluss vom 03.12.1988, 1 Str AR 31/88, RIW 1989, 910 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2005, 1 Ws 152/04, MMR 2005, 178 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2006, I-3 VA 2/06, 3 VA 2/06, OLGR Düsseldorf 2007, 393 OLG Celle, Beschluss vom 20.07.2006, 16 VA 4/05 – IPRspr 2006 Nr. 10, 382 OLG Celle, Beschluss vom 16.07.2007, 16 VA 5/07, IPRax 2008, 350 OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2008, 20 VA 13/07, IPRax 2009, 71 OLG Hamm, Urteil vom 10.08.2011, 8 U 31/11, I-8 U 31/11 (bislang unveröffentlicht) Kammergericht, Beschluss vom 25.10.2012, 1 VA 11/12, WRP 2013, 400
Landgerichte (chronologisch) LG München I, Beschluss vom 10.06.1981, 13 T 9173/81, RIW 1981, 851 LG Kiel, Urteil vom 30.06.1982, 10 O 72/82, IPRax 1984, 146 LG Kiel, Urteil vom 23.08.1982, 10 O 146/82, IPRax 1984, 147 LG Berlin, Urteil vom 13.06.1989, 20 O 314/88, RIW 1989, 988
Amtsgerichte AG München, Beschluss vom 09.06.1981, 131a AR 354/80, RIW 1981, 850
Arbeitsgerichte (chronologisch) BAG Urteil vom 05.09.1972, 3 AZR 212/69, NJW 1971, 963 LAG Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010, 12 Sa 875/09, MMR 2010, 613 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011, 4 Sa 2132/10, DB 2011, 1281
Verwaltungsgerichte (chronologisch) VG Frankfurt, Urteil vom 06.11.2008, 1 K 628/08.F, WM 2009, 948 Hessischer VGH, Beschluss vom 19.05.2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470
Rechtsprechungsverzeichnis
Sonstige Gerichte (chronologisch) Cour d’Appel de Paris, Urteil vom 18.09.2003, 2002/18509, IPRax 2005, 451 Cour de Cassation, Chambre Criminelle, Urteil vom 12.12.2007, n°07-83228
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Rechtstexte- und Dokumentenverzeichnis Rechtstexte- und Dokumentenverzeichnis Rechtstexte- und Dokumentenverzeichnis
Internationale Abkommen (chronologisch) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 686) Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. 1956 II, S. 487) UN-Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (BGBl. II 1961, S. 121; BGBl. II 1987, S. 389) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. Se ptember 1968 (BGBl. 1972 II S. 774) Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (BGBl. 1977 II S. 1452, 1453; 1979 II S. 779; 1991 II S. 1396; 1993 II S. 703, 704; 1995 II S. 755, 757) Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (BGBl. 1977 II S. 1452, 1472; 1979 II S. 780; 1991 II S. 139; 1993 II S. 739; 1995 II S. 77) Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (noch nicht in Kraft getreten)
US-amerikanische Normen (alphabetisch) California Code of Civil Procedure (CCP) Children’s Online Privacy Protection Act (COPPA) Federal Arbitration Act (FAA) Federal Rules of Appellate Procedure (FRAP) Federal Rules of Civil Procedure (FRCP) Federal Rules of Evidence (FRE) Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) Trading with the Enemy Act (TEA) Video Privacy Protection Act (VPPA)
Europäisches Primärrecht (chronologisch) Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. EG v. 18.12.2000, Nr. C 364 S. 1) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (ABl. EU v. 09.05.2008, Nr. C 115 S. 47)
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Verordnungen Verordnung 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG v. 16.01.2001, Nr. L 12/01 S. 1)
Richtlinien (chronologisch) Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG v. 23.11.1995, Nr. L 281 S. 31) Richtlinie 2000/31/EG vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs (ABl. EG v. 17.07.2000, Nr. L 178 S. 1) Richtlinie 2002/58/EG vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (ABl. EG v. 31.07.2002, Nr. L 201 S. 37) Richtlinie 2004/48/EG vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. EU v. 02.06.2004, Nr. L 195 S. 16)
Kommissionsentscheidungen (chronologisch) Entscheidung 2000/518/EG der Kommission vom 26.07.2000 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten in der Schweiz (ABl. EG v. 25.08.2000, Nr. L 215 S. 1) Entscheidung 2000/520/EG der Kommission vom 26.07.2000 gemäß der Richtlinie 94/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des von den Grundsätzen des „sicheren Hafens“ und der diesbezüglich „Häufig gestellten Fragen (FAQ)“ gewährleisteten Schutzes, vorgelegt vom Handelsministerium der USA (ABl. EG v. 25.08.2000, Nr. L 215 S. 7) Entscheidung 2001/497/EG der Kommission vom 15.06.2001 hinsichtlich Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer nach der Richtlinie 95/46/EG (ABl. EG v. 04.07.2001, Nr. L. 181 S. 19) Entscheidung 2002/2/EG der Kommission vom 20.12.2001 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzes, den das kanadische Personal Information Protection and Electronic Documents Act bietet (ABl. EG v. 04.01.2000, Nr. L 2 S. 13) Entscheidung 2003/490/EG der Kommission vom 30.06.2003 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Argentinien (ABl. EG v. 05.07.2003, Nr. L 168 S. 19) Entscheidung 2003/821/EG der Kommission vom 21.11.2003 über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten in Guernsey (ABl. EG v. 25.11.2003, Nr. L 308 S. 27) Entscheidung 2004/411/EG der Kommission vom 28.04.2004 über die Angemessenheit des Schutzes personenbezogener Daten auf der Insel Man (ABl. EG v. 30.04.2004, Nr. L 151 S. 51) Entscheidung 2004/915/EG der Kommission vom 27.12.2004 zur Änderung der Entscheidung 2001/497/EG bezüglich der Einführung alternativer Standardvertragsklau-
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seln für die Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer (ABl. EG v. 29.12.2004, Nr. L 385 S. 74) Entscheidung 2008/393/EG der Kommission vom 08.05.2008 gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in Jersey (ABl. EG v. 28.05.2008, Nr. L 138 S. 21)
Beschlüsse des Rates der Europäischen Union (chronologisch) Beschluss des Rates 2008/651/GASP/JI vom 30.06.2008 über die Unterzeichnung – im Namen der europäischen Union – eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) aus der Europäischen Union und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an die australische Zollbehörde (ABl. EG v. 08.08.2008, Nr. L 213 S. 47) Beschluss des Rates 2009/397/EG vom 26. Februar 2009 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen (ABl. EG v. 29.05.2009, Nr. L 133 S. 1)
Stellungnahmen der Artikel-29-Datenschutzgruppe (chronologisch) WP 15 vom 26.01.1999: Stellungnahme 1/99 zum Stand des Datenschutzes in den Vereinigten Staaten und zu den derzeitigen Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der amerikanischen Regierung WP 114 vom 25.11.2005: Arbeitspapier über eine gemeinsame Auslegung des Artikels 26 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG vom 24. Oktober 1995 WP 117 vom 01.02.2006: Stellungnahme 1/2006 zur Anwendung der EU-Datenschutzvorschriften auf interne Verfahren zur Meldung mutmaßlicher Missstände in den Bereichen Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen, Fragen der Wirtschaftsprüfung, Bekämpfung von Korruption, Banken- und Finanzkriminalität WP 136 vom 20.06.2007: Stellungnahme 4/2007 zum Begriff „personenbezogene Daten“ WP 158 vom 11.02.2009: Arbeitsunterlage 1/2009 über Offenlegungspflichten im Rahmen der vorprozessualen Beweiserhebung bei grenzübergreifenden zivilrechtlichen Verfahren (pre-trial discovery) WP 168 vom 01.12.2009: Die Zukunft des Datenschutzes – Gemeinsamer Beitrag zu der Konsultation der Europäischen Kommission zu dem Rechtsrahmen für das Grundrecht auf den Schutz der personenbezogenen Daten
Deutsche Gesetze und Bekanntmachungen (alphabetisch) Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2592) geändert worden ist Bekanntmachung über das In-Kraft-Treten des Haager Übereinkommens vom 21.05.1979 (BGBl. II 1979, S. 780) Baden-Württembergisches Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten in der Fassung vom 18. September 2000 (GBl. S. 648), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Februar 2011 (GBl. S. 43) Berliner Datenschutzgesetz Fassung vom 17. Dezember 1990 (GVBl. 1991 S. 16, 54), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Februar 2011 (GVBl. S. 51)
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Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2424) geändert worden ist Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2814) geändert worden ist Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) geändert worden ist Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 (GV. NRW. S.542), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 765, 793) Geschmacksmustergesetz vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), das zuletzt durch Artikel 18 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) geändert worden ist Gesetz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung im Freistaat Sachsen (Sachs DSG) vom 25. August 2003 (GVBl. S. 330) Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2876), das durch Artikel 29 Nummer 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749) geändert worden ist Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) geändert worden ist Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1956 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivilund Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (BGBl. I S. 3105) Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2481) geändert worden ist Hessisches Datenschutzgesetz vom 7. Oktober 1970 (Hess. GVBl. I, S. 625) Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) geändert worden ist Patentgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 (BGBl. 1981 I S. 1), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) geändert worden ist Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2557) geändert worden ist Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 23. Juni 2011 (BGBl. I S. 1266) geändert worden ist Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 506) geändert worden ist Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das durch Artikel 2 Abs. 53 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202 (2006 I S. 431) (2007 I S. 1781)), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) geändert worden ist
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Sonstige Gesetze (alphabetisch) Österreichisches Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 über das Kreditwesen – Kreditwesengesetz (KWG) – (BGBl. v. 20. Feber 1979 S. 1) Schweizerisches Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG) vom 8. November 1934
Drucksachen (chronologisch) BT-Drs. 8/217 vom 22.03.1977, Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen und zu dem Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen BT-Drs. 14/4329 vom 13.10.2000, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze BT-Drs. 14/6036 vom 15.05.2001, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) BT-Drs. 16/5048 vom 20.04.2007, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums BT-Drs. 17/4230 vom 15.12.2010, Entwurf eines Gesetztes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes
American Law Institute Restatements (chronologisch) Restatement (Second) of Foreign Relations Law of the United States (1965) Restatement (Revised) of Foreign Relations Law of the United States (1986) Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States (1987)
Berichte, Stellungnahmen und Mitteilungen der Datenschutzaufsichtsbehörden (chronologisch) Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationssicherheit, Bericht des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit zum 31. Dezember 2007 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationssicherheit, Bericht des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit zum 31. Dezember 2009 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationssicherheit, Pressemitteilung vom 23.10.2009, 711.303.1 Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, Tätigkeitsbericht der Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich 2009/2010 Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés (CNIL), Délibération No 2009474 du 23 juillet 2009 portant recommandation en matière de transfert de données à caractère personnel dans le cadre de procédures judiciaires américaines dite de „Discovery“
Materialien der Haager Konferenz (chronologisch) Report on the Work of the Special Commission of May 1985 on the Operation of the Convention (September 1986)
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Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the practical operation of The Hague Apostille, Evidence and Service Conventions (November 2003) Conclusions and Recommendations of the Special Commission on the Practical Operation of the Hague Apostille, Service, Taking of Evidence and Access to Justice Conventions (Febrary 2009) Cross-Border Data Flows and Protection of Privacy (Mach 2010)
Amicus Curiae Stellungnahmen (alphabetisch) SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of the Federal Repu blic of Germany as Amicus Curiae, 1986 WL 727492 SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of Amicus Curiae of the Republic of France in Support of Petitioners, 1986 WL 727501 SNI Aérospatiale v. U.S. District Court for the S.D. of Iowa, Brief of Government of Switzerland as Amicus Curiae in Support of Petitioners, 1986 WL 727499 Volkswagenwerk AG v. Falzon, Brief for the United States as Amicus Curiae. 23 ILM 412, 415 (1984)
Sonstiges (alphabetisch) Deutsche Bundesregierung, Hintergrundpapier der Bundesregierung vom 25.08.2010 zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07. 2013) Computerwoche Online, Berliner Landesbank vermisst zehntausende Kreditkartendaten, Artikel vom 15.12.2008, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) Financial Times Deutschland Online, Hacker stehlen Sony Millionen Kundendaten, Artikel vom 27.04.2011, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, Deutsche Bahn überprüfte heimlich 173.000 Mitarbeiter, Artikel vom 28.01.2009, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) Frankfurter Rundschau Online, Deutsche Telekom bricht Postgeheimnis, Artikel vom 05.10.2008, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) Frankfurter Rundschau Online, Lidl führt geheime Krankenakten, Artikel vom 04.04. 2009, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) Handelsblatt-Online, Staatshilfe rettet Transatlantik-Handel, Artikel vom 03.03.2010, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013) International Institute for the Unification of Private Law, ALI/UNIDROIT-Principles of Transnational Civil Procedure, abrufbar unter: (letzter Abruf: 29.07.2013)
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Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Aérospatiale-Entscheidung 12, 37 ff., 56, 128, 132, 135, 139, 146, 169, 177 AGB-Banken 94, 96 f. AGB-Sparkassen 94, 96 f. ALI/UNIDROIT Principles 17, 20 ff., 174, 179 American Law Institute (ALI) 7, 20 f., 131 ff., 140, 172, 175 ff. American rule of costs 2, 162, 165 Anonymisierung 60, 124 Arbeitgeber als Diensteanbieter 75 ff., 80 ff. Arbeitsunterlage 1/2009 51 ff., 68 ff. Artikel-29-Datenschutzgruppe 8 f., 47, 51 ff., 67 f., 69, 83 f., 112, 114, 138, 140 attorney work product doctrine 24 f. attorney-client privilege 23 Ausforschungsbeweis 3, 19, 142, 147, 151, 153, 157, 159 Auskunftsanspruch 19, 98 f., 152, 166 Auskunftsverweigerungspflicht 96 Aussageverweigerung 42, 151
balancing test 41 Bankgeheimnis 10, 46, 92 ff., 119, 129, 131, 135 ff., 170, 178 Beweisbeschaffung 3, 5, 7 f., 24, 35 ff., 131, 137, 148, 160, 173 Beweishilfe 141 ff., 147 ff. Beweislast 19 Bill of Rights 62 Binding Corporate Rules 70, 112, 165 Bundesdatenschutzgesetz 48 f. clergyman privilege 23 comitas 35, 41, 139 control 21, 110, 129 f., 137 custody 17, 110, 168 Datenschutz 9 ff., 47 ff.
Datenschutzrichtlinie 50, 72, 77 Datenübermittlung 61 ff., 111 ff., 173, 175 Datenverarbeitung 12, 48 ff., 55 ff., 153, 178 Datenvermeidung 120 f. Datenvernichtung 136 f. depositions 31 f., 54 Dilemma 1, 5 ff., 14 ff. doctor-patient privilege 23 e-discovery 8, 13, 30 f., 54 ff., 75, 79, 83 f., 135, 147 e-discovery-Richtline 121 ff. effet utile 148 EGGVG 142 ff. Einwilligungserklärung 74, 92, 104 electronically stored information 8, 28 ff., 149 EuGVVO 115 EU-Standardvertragsklauseln 111, 113 Exequatur 155 Federal Trade Commission 63 Fernmeldegeheimnis 75 ff., 152, 170, 178 Filiale 52, 101, 137, 141 filing 2, 14, 140 fishing expeditions 18, 21 freezing 15, 55
Geheimnisschutz 6, 13, 21, 27, 102, 124, 149, 153, 174 Gerichtsstandsklausel 115 f. GVÜ 115 Haager Beweisübereinkommen 10 f., 35 ff., 45 f. 58, 158, 167, 171 ff. Haager Konferenz 11, 38, 167, 173, 175
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Stichwortverzeichnis
Haager Zustellungsübereinkommen 38, 107 Hauptverhandlung 15, 18, 32, 34 initial disclosure 16, 110 Interessenabwägung 60, 101, 126, 128 ff., 175 f., 179 Internet 63, 64, 80, 86, 121, 134 interrogatories 27 f. IT-Policy 135 f., 178 Justizkonflikt 7, 9 Kostenrisiko 2 litigation hold 15, 55, 122 long-arm statutes 124 Mailserver 85 f. Mitarbeiter 30, 54, 56, 59, 66 f., 74 f., 76, 79 ff., 100, 103 ff., 120, 178 motion for reconsideration 26 motion to reconsider 26 Notstand 90
objection 21, 28 order compelling discovery 26 ordre public 107, 144, 153, 155 ff., 160 personal jurisdiction 2, 137 Personenbezogene Daten 52 ff., 89 f., 114, 124, 164 Persönlichkeitsschutz 3, 11, 63, 165 f., 174 f. pleadings 15, 27, 34 preservation letter 15 pre-trial conference 15 f. pre-trial discovery 14 ff. Private E-Mail-Nutzung 88 f. privileges 22, 25, 125, 166 protective order 26 f., 38, 65, 125 ff., 139 Prozessgrundgrechte 156 Pseudonymisierung 60, 124 psychotherapist privilege 23 punitive damages 27
Rechtshilfeersuchen 11 f., 35, 38, 41 ff., 68, 100, 141 ff., 168, 173, 194 Referentenentwurf 169 Restatement 21, 131 ff., 172 Sachverhaltsaufklärung 19, 165 Safe Harbor Principles 63 ff., 114 Schiedsgerichtsklausel 117 Schlunk-Entscheidung 107, 141 Schutzmaßnahmen 122 ff. Schutzverfügung 25, 27, 33, 125 ff., 140, 156, 171 Sedona Conference 8 f., 138, 140, 171 Sedona Principles 138 ff., 140, 171, 179 service of process 15 settlement 16 Souveränität 5, 39, 136, 141, 157, 160 spouse privilege 24 subpoena 17, 33 Telekommunikationsgesetz 75 ff. Tochtergesellschaft 101, 107 ff., 131, 141, 164 transient jurisdiction 109 trial 2, 15, 18, 25, 32 undue burden 26 f. UNIDROIT 8, 20 Urkundenvorlegung 166 Urteilsanerkennung 154 ff. Verfassungsbeschwerde 48 Verhältnismäßigkeit 45, 60, 101, 139, 141, 157, 191 Verschwiegenheitspflicht 95 f., 99, 151 Vertrauensverhältnis 23 ff., 95 Volkszählungsurteil 9 f., 48 ff. Vollstreckbarerklärung 7, 154 ff. Vorbehalt 10 f., 39, 43 f., 58, 68, 85, 116, 147 ff., 167 ff. Waffengleichheit 18, 34, 162 Wahrheit 3 f., 25, 158, 166 Zentrale Behörde 142 f., 147