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German Pages 235 Year 2000
ALIX KREUTZMANN
Lizenzkartellrecht im Multimedia-Bereich
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen t, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 24
Lizenzkartellrecht im Multimedia-Bereich Darstellung nach europäischem und deutschem Recht
Von
Alix Kreutzmann
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kreutzmann, Alix: Lizenzkartellrecht im Multimedia-Bereich: Darstellung nach europäischem und deutschem Recht / von Alix Kreutzmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Hamburger Studien zum europäischen und internationalen Recht; Bd. 24) Zug!.: Hamburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09879-X
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany
© 2000 Duncker &
ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-09879-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Die Arbeit lag der Universität Hamburg im Juli 1998 als Dissertation vor. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Marian Paschke danke ich ganz besonders filr die Auswahl des Themas, dessen Bearbeitung mir vor allem auch Freude bereitet hat. Ich habe ihm weiterhin filr die außergewöhnlich zügige Durchsicht der Arbeit, rur seine wertvollen Anregungen und schließlich für die besonders zügige Anfertigung des Erstgutachtens zu danken. Herrn Prof. Dr. Ernst-Joachim Mestmäcker danke ich rur die Anfertigung des Zweitgutachtens. Ich danke Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf, Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Ipsen, der leider im April dieses Jahres verstorben ist, Herrn Prof. Dr. Gert Nicolaysen, Herrn Prof. Dr. Thomas Bruha und Herrn Prof. Dr. Rainer Lagoni filr die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe "Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht". Mein besonderer Dank gebührt auch all denen, die mich unterstützt haben, indem sie mir ihre Zeit und ihren Sachverstand rur die Bearbeitung des Themas zur Verfilgung gestellt haben. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich Herrn Rechtsanwalt Dr. Stefan Lüthje von der Kanzlei Oppenhoff und Rädler in Berlin und Herrn Roland Kirsten von der Bertelsmann AG in Gütersloh meinen Dank aussprechen. Meinem Studienkollegen und guten Freund Dr. Tibor S. Pataki danke ich rur die lästige, aber unerläßliche Arbeit des Korrekturlesens und rur unsere gemeinsame Studienzeit. Ich danke meinen Eltern, denen die Arbeit gewidmet ist, filr ihre Unterstützung und Tibor und Jimmy rur ihre Geduld. Hamberge, im Dezember 1999
Alix Kreutzmann
Inhalt A. Einleitung ............................................................................................................... 17
I. Lizenzkartellrecht und Multimedia .................................................................... 17 11. Gang der Untersuchung ..................................................................................... 18 B. Technische und begriffliche Grundlagen ............................................................. 21
I. Multimedia ........................................................................................................ 21 I. Begriff............................................................................................................ 21 a) Computergestützte Vemetzung unterschiedlicher Medien ........................ 22 b) Interaktivität .............................................................................................. 23 c) Multidimensionalität der Information ....................................................... 23 d) Zusammenfassung ............................................ ......................................... 23 2. Entwicklung ................................................................................................... 24 II. Multimediale Anwendungen ............................................................................. 25 I. Einsatz in der Wirtschaft ................................................................................ 26 a) Präsentation ............................................................................................... 26 b) Dokumentation .......................................................................................... 28 c) Datenbanken/Archivierung ........................................................................ 28 2. Einsatz in der Aus- und Weiterbildung .......................................................... 29 3. Einsatz im privaten Bereich ........................................................................... 29 III. Die Multimedia-Produktion .................................................................. ............. 30 1. Multimediale Verbindung von Einzelwerken ................................................ 30
2. Multimediales Auftragswerk und Mischformen ............................................ 30 3. Technische Einfiihrung in die Multimedia-Produktion .................................. 31 a) Text ........................................................................................................... 31 b) Graphik, Graphikprogramme, Computeranimation ................................... 31 c) Audio und Video ....................................................................................... 32 d) Interaktivität .............................................................................................. 32 e) Integration ................................................................................................. 33
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Inhalt IV. Elektronisches Publizieren ................................................................................ 33 I. Datenbanken .................................................................................................. 34 2. Online-Publikation ........................................................................................ 35 3. Oftline-Publikation ........................................................................................ 36 a) Magnetische Speicherrnedien .................................................................... 37 b) Optische Speicherrnedien .......................................................................... 37 4. Publizistische Mehrfachverwertung einer Verlagsdatenbank ........................ 38
c.
Das Lizenzierungssystem ....................................................................................... 39 I. Begriff und Arten der Lizenz ............................................................................. 39 I. Begriff............................................................................................................ 39 2. Arten .............................................................................................................. 39 a) Gegenständliche und schuldrechtliche Lizenz ........................................... 39 b) Ausschließliche und einfache Lizenz ....................................................... .40 c) Bedingte und unbedingte Lizenz .............................................................. .41 II. Erforderliche Lizenzen für Produktion und Anwendung .................................. .41 I. Der urheberrechtliche Schutz von Multimedia-Anwendungen unter besonderer Berücksichtigung des Inforrnations- und Kommunikationsdienstegesetzes (IuKDG) .................................................... 41 2. Abgrenzung zu den Lizenzverträgen für Hypertext- und RetrievalSoftware ......................................................................................................... 43 3. Urhebervertragsrecht ..................................................................................... 43 a) Systematik ................................................................................................. 43 b) Auslegung des Lizenzvertrages ................................................................. 44 III. Das Vertragssystem ........................................................................................... 45 I. Die Beteiligten am multimedialen Lizenzsystem .......................................... .45 a) Der Autor des einzelnen Werkes oder des Multimedia-Werkes ............... .45 b) Der Multimedia-Produzent ........................................................................ 45 aa) Die Verlagsgesellschaften ................................................................... 46 bb) Vereinigungen und Interessenverbände .............................................. 47 c) Händler und Datenbankbetreiber ............................................................... 47 d) Der Endnutzer ........................................................................................... 47 2. Vertragsbeziehungen unter den Beteiligten .................................................. .48 a) Verlagsverträge ......................................................................................... 48
Inhalt
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b) Produktionslizenz ...................................................................................... 48 c) Publikationslizenz ..................................................................................... 49 aa) Aufuahme des Werkes in eine Datenbank .......................................... .49 bb) Offline-Publikation ............................................................................. 50 cc) Online-Publikation .............................................................................. 50 ( I) Vertragsbeziehungen zwischen Autor und Produzent.. ................. 50 (2) Vertragsbeziehungen zwischen Produzent und Datenbankbetreiber ....................................................................... 51 (3) Vertragsbeziehungen mit dem Endnutzer ..................................... 51 3. Möglichkeiten der Rechtewahmehmung ....................................................... 52 4. Zusammenfassung .......................................................................................... 53
D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen .............................................. 54 I. Mögliche Wettbewerbsbeschränkungen ............................................................ 54 1. Vertikale Vertragsbeziehungen ................................................... ................... 54 a) Vertragliche Bindungen in der Lizenzkette ............................................... 55 aa) Preisbindungen .................................................................................... 55 bb) Nutzungsbeschränkungen .................................................................... 56 b) Ausschließlichkeitsklauseln, Wettbewerbsverbote und Optionen ............. 57 2. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen ..................................................... 58 3. Export- und Parallelimportverbote als Besonderheiten des Gemeinsamen Marktes ................................................................................... 59 H. Das Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht.. ...................... 59 1. Anwendbarkeit der Art. 85, 86 EGV ............................................................. 60 a) Handel zwischen Mitgliedstaaten .............................................................. 60 b) Eignung zur Beeinträchtigung ................................................................... 60 2. Das Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts ................... 61 a) Kollision von gemeinschaftlichem Verbot und nationaler Erlaubnis ........ 63 b) Kollision von gemeinschaftlicher Erlaubnis und nationalem Verbot.. ...... 64 aa) Einzelfreistellung nach Art. 85 Abs. 3 EGV ....................................... 65 bb) Gruppenfreistellungsverordnungen ..................................................... 66 cc) Negativattest. ....................................................................................... 67 dd) Comfort letters .................................................................................... 68 3. Zwischenergebnis .......................................................................................... 68
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Inhalt III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht.. ......................... 69 I. Allgemeines ................................................................................................... 69 a) Das Ausschließlichkeitsrecht als Ausgangspunkt wettbewerbsrelevanten Verhaltens am Markt... ............................................................. 69 b) Funktionale Ergänzung von Wettbewerbs- und Urheberrecht ................... 71 2. Lösung nach europäischem Recht... ............................................................... 72 a) Art. 36, 222 EGV als totale Bereichsausnahme ......................................... 72 b) Die Unterscheidung zwischen dem Bestand des Schutzrechts und seiner Ausübung ................................................................................. 73 aa) Bestandsschutz nach dem spezifischen Gegenstand des Schutzrechts ................................................................................................... 75 bb) Ausschließliche Maßgeblichkeit der Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85, 86 EGV .................................................................................. 76 cc) Funktionale Einschränkung der Art. 85, 86 EGV ............................... 77 dd) Kritische Würdigung ........................................................................... 77 (I) Keine Bereichsausnahme tUr nationale Schutzrechte im Wettbewerbsrecht des EGV .......................................................... 78 (2) Die Bestimmung des grundlegenden Rechtsbestands im Gegensatz zum spezifischen Gegenstand des Schutzrechts ........... 78 (a) Bedenken gegen den "spezifischen Gegenstand" .................... 79 (b) Bestimmung des grundlegenden Rechtsbestands unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH ...................................................................................... 80 c) Zusammenfassung ..................................................................................... 83 3. Lösung nach deutschem Recht.. ..................................................................... 83 a) Der Inhalt des Schutzrechts nach § 17 GWB ............................................ 83 aa) Historische Betrachtungsweise: Schutzrechtsimmanente Verbietungsrechte ............................................................................... 83 bb) Teleologische Betrachtungsweise: Ergänzende Berücksichtigung kartell rechtlicher Gesichtspunkte ............................................... 84 cc) Diskussion ........................................................................................... 86 (I) Vermeidung von kartellrechtsimmanenten Wertungswidersprüchen durch teleologische Auslegung ............................. 86 (2) Analyse der historischen Argumentation ...................................... 87 (3) Zusammenfassung ......................................................................... 88 b) Urheberrechte im Anwendungsbereich der §§ 17, 18 GWB? .................... 88 aa) Keine Erstreckung des Anwendungsbereichs der §§ 17, 18 GWB auf Urheberrechte ................................................................................ 89 bb) Analoge Anwendung der §§ 17, 18 GWB auf Urheberrechte ............. 91
Inhalt
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cc) Anwendung des Grundgedankens des § 17 GWB auf Urheberrechte ................................................................................................... 92 dd) Kritische Würdigung des Meinungsstreits und praktische Konsequenzen ..................................................................................... 94 (1) Diskussion ..................................................................................... 94 (a) Untersuchung der Zulässigkeit einer Analogie zu den §§ 17, 18 GWB ....................................................................... 94 (b) Die Auslegung nach den Grundsätzen des § 17 GWB als vorzugswürdige Vorgehensweise ...................................... 96 (2) Praktische Konsequenzen rur Urheberrechtsverträge: Auslegung der §§ 1, 14, 16 GWB nach den in § 17 GWB enthaltenen Grundsätzen ............................................................... 97 (a) Auslegung des § 14 GWB ................................... .................... 98 (b) Auslegung des § 16 GWB ....................................................... 98 (c) Auslegung des § I GWB. ........................................................ 99 (d) Auslegung der §§ 19, 20 GWB ............................................. IOO 4. Zusammenfassung und Vergleich der Rechtslage nach EGV und GWB .................................................................................................... 100 5. Wesenseinheit von wettbewerbsbeschränkenden Klauseln in Multimedia-Lizenzverträgen und den Befugnissen des Urhebers nach dem UrhG ............................................................................................ 101 a) Verwertungsrechte nach §§ 15 ff. UrhG .................................................. 101 aa) Die Rechte des Datenbankherstellers nach § 87 b UrhG ................... 102 bb) Elektronisches Publizieren als Verbreitung nach § 17 UrhG ............ 102 cc) Die Einspeicherung in eine Datenbank als Vervielfiiltigung im Sinne des § 16 UrhG .................................................................... 103 dd) Digitale Übertragung des Werks vom Datenbankbetreiber zum Empfangsgerät des Nutzers als Vervielfiiltigung nach § 16 UrhG ......................................................................................... 104 ee) Digitale Übertragung als Sendung im Sinne des § 17 UrhG und andere Einordnungen ................................................................. 106 ff) Sonstige Werkverwertungen im Multimedia-Bereich ....................... 110
gg) Grenzen der Reichweite der Verwertungsrechte, insbesondere Erschöpfungsgrundsatz ..................................................................... 11 1 (I) Der Erschöpfungsgrundsatz und die Verwertung des Multimedia-Werks ...................................................................... 111
(2) Sonstige Grenzen ........................................................................ 113 hh) Beschränkte Einräumung von Nutzungsrechten ................................ 114 b) Der urheberrechtliche Schutz der Werkintegrität nach § 14 UrhG .......... 115 c) Vergütungsanspruch rur die Einräumung von Nutzungsrechten am Multimedia-Werk .................................................................................... 116
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Inhalt aa) Omine-Publikation ........................................................................... 117 bb) Online-Publikation ............................................................................ 118 cc) Preisbindungen .................................................................................. 119 d) Übertragung auf Sachverhalte, die der Beurteilung nach Art. 85, 86 EGV unterliegen ................................................................... 119 aa) UrheberrechtIiche Grundprinzipien ................................................... 120 bb) Erschöpfungsgrundsatz ..................................................................... 121 e) Überprüfbare Klauseln ohne urheberrechtIiche Kongruenz .................... 122
E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen ............................................... 123 I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse .................................................. 123 I. Volltext-CD-ROM als Verlagserzeugnis ..................................................... 124 a) Die Position des BKartA ......................................................................... 124 aa) Tätigkeitsbericht des BKartA 1991/92 .............................................. 124 bb) Der Beschluß BKartA WuWE, S. 2635 ("CD-ROMErzeugnisse") aus dem Jahre 1994 .................................................... 125 b) Die Entscheidung des KG zur Preisbindung bei CD-ROMs, CR 1996, S. 278 tf., aus dem Jahre 1995 ................................................ 125 c) Die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zum Begriff des Verlagserzeugnisses .......................................................................... 126 aa) Die Entscheidung BGHZ 46, S. 74 ff. ("Schallplatten"), aus dem Jahre 1966 ........................................................................... 127 bb) Die Entscheidung BGH WuWE, S. 1463 ff. ("Briefinarkenalben), aus dem Jahre 1977 ............................................................... 127 cc) Die Entscheidung BGH NJW 1997, S. 1911 ff. ("NJW auf CD-ROM"), aus dem Jahre 1997 ................................................ 128 d) Die Behandlung des Problems in der Literatur ........................................ 129 e) Kritische Würdigung ............................................................. .................. 132 aa) Dogmatische Einordnung des Problems ............................................ 132 bb) Diskussion ......................................................................................... 133 2. Übertragung auf andere multimediale Erzeugnisse und Übermittlungsformen ................................................................................................. 136 a) CD-ROMs mit Multimedia-Anwendungen ............................................. 136 b) Online übermittelte Verlagserzeugnisse? ................................................ 138 11. Beurteilung nach Art. 85 EGV ........................................................................ 139 I. ZwischenstaatIichkeitsklausel ...................................................................... 139 2. Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85 Abs. 1 EGV ......................................... 140
Inhalt
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a) Vereinbarung zwischen Unternehmen ..................................................... 140 b ) Wettbewerbsbeschränkung ...................................................................... 141 c) Spürbarkeit .............................................................................................. 141 aa) Veränderung der Marktverhältnisse .................................................. 142 bb) Kriterien für die Ermittlung der Spürbarkeit nach der Entscheidungspraxis von Kommission und EuGH ............................ 143 cc) Bestimmung des relevanten Marktes ................................................. 144 (I) Der sachlich relevante Markt ...................................................... 145 (2) Der räumlich relevante Markt ..................................................... 148 dd) Zusammenfassung ............................................................................. 149 3. Freistellungsmöglichkeiten nach Art. 85 Abs. 3 EGV und den Gruppenfreistellungsverordnungen .............................................................. 149 a) Erweiterte Freistellungsmöglichkeiten im Multimedia-Bereich? - Problemstellung.................................................................................... 149 b) Freistellung nach der Verordnung (EG) Nr. 240/96 der Kommission zur Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen ............................................... 150 c) EinzelfreisteIlung nach Art. 85 Abs. 3 EGV ........................................... 152 aa) Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung, Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts ............................ 152 (I) Auswirkungen für Verlagserzeugnisse ........................................ 152 (2) Erhöhung der Investitionsbereitschaft ......................................... 154 bb) Angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn .............................................................................................. 156 cc) Unerläßliche Beschränkung .............................................................. 158 dd) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs .............................................. 158 ee) Zusammenfassung ............................................................................. 159
F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten ............................ 160 I. Praktische Ausgestaltung ................................................................................. 160 H. Weiterverbreitungsverbote und Erschöpfungsgrundsatz ................................. 160 III. Kontrolle nach Art. 85 EGV ............................................................................ 162 I. Zwischenstaatlichkeitsklausel ...................................................................... 162 2. Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85 Abs. I EGV ......................................... 162 a) Vereinbarungen zwischen Unternehmen ................................................. 162 b ) Wettbewerbsbeschränkung ...................................................................... 163
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Inhalt 3. Freistellungsmöglichkeiten nach Art. 85 Abs. 3 EGV und den Gruppenfreistellungsverordnungen .............................................................. 163 a) Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung, Förderung des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts ............................... 163 b) Angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn .................................................................................................... 166 c) Unerläßliche Beschränkung ..................................................................... 166 d) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs ..................................................... 167 e) Zusammenfassung ................................................................................... 167 IV. Überprüfung nach § 18 GWB .......................................................................... 168 1. Verträge zwischen Unternehmen ................................................................. 168 2. Verträge über Waren oder gewerbliche Leistungen ..................................... 168 3. Bindungen .................................................................................................... 169 a) Verwendungsbeschränkung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB ......... 169 b) Vertriebsbindung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB ......................... 169 4. Zwischenergebnis ........................................................................................ 170 V. Beurteilung nach § 15 GWB ........................................................................... 171
G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen ....................................... 173 I. Darstellung der Lizenzpraxis von Microsoft ................................................... 173
11. Die Einordnung dieser Lizenzpraxis als Kopplungsgeschäft ........................... 175 III. Überprüfung nach Art. 86 EGV ...................................................................... 176 I. Anwendbarkeit der Vorschrift ..................................................................... 177 2. Zwischenstaatlichkeitsklausel ...................................................................... 177 3. Tatbestand .................................................................................................... 177 a) Der relevante Markt.. ............................................................................... 177 aa) Der sachlich relevante Markt ............................................................ 178 (I) Horizontale Marktabgrenzung beim marktrelevanten Umgang mit Schutzrechten ......................................................... 178 (2) Vertikale Marktabgrenzung nach der Art des lizenzierten Schutzrechts ................................................................................ 179 bb) Der räumlich relevante Markt ........................................................... 181 b) Beherrschende Stellung ........................................................................... 182 aa) Differenzierung zwischen betroffenem und beherrschtem Markt ................................................................................................. 182
Inhalt
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bb) Die beherrschende Stellung Microsofts auf dem Markt rur Betriebssysteme ................................................................................. 182 c) Mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung ..................... 184 aa) Kopplungsgeschäft im Sinne von Art. 86 Abs. 21it. d) EGV ............ 185 (I) Wirtschaftliche Rechtfertigung und Handelsbrauch .................... 185 (2) Rechtfertigung aus technischen Gründen .................................... 186 bb) Gleichfalls verwirklichte Beispielstatbestände .................................. 188 4. Zusammenfassung....................................... ................................................. 188 IV. Kontrolle nach dem G WB ............................................................................... 189 I. Anwendbare Vorschriften ............................................................................ 189 2. Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. I, 4 GWB .............................................................. 190 a) Sachliche und räumliche Marktabgrenzung ............................................ 190 b) Beherrschung des Markts ........................................................................ 190 c) Kopplungsgeschäfte als Behinderungsmißbrauch im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. I oder als Ausbeutungsmißbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB ........................................................................... 191 3. Behinderungsverbot nach § 20 Abs. I GWB ............................................... 192 a) Anwendbarkeit auf Drittmärkte ............................................................... 192 aa) Restriktive Interpretation ................................................................... 193 bb) Schutzzweckorientierte erweiterte Interpretation .............................. 193 cc) Kritische Würdigung ......................................................................... 194 b) Gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr .................................................................................................... 196 c) Unbillige Behinderung durch Kopplungsbindungen .................... ... ........ 197 V. Zusammenfassung ........................................................................................... 198 VI. Darstellung der Rechtslage in den Vereinigten Staaten ................................... 198
H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmumg ..................................... 201 I. Kollektive Modelle .......................................................................................... 201 1. Permission Clearance Service ...................................................................... 202 2. One-Stop-Shop-System ............................................................................... 203 3. Funktion der Verwertungsgesellschaften ..................................................... 204 4. Das Problem der Marktbeherrschung ............................................ .............. 205 11. Machtmißbrauch durch Verwertungsgesellschaften ........................................ 206
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Inhalt I. Art. 86 EGV ................................................................................................. 206 2. Die Freistellungsvorschrift des § 30 GWB .................................................. 208 3.§§ 19 Abs.I, 4, 20 Abs.I GWB ................................................................. 209 4. Ausblick auf die zentralen AnlaufsteIlen ..................................................... 2 \0 III. Andere Modelle ............................................................................................... 210 IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen ..................................................... 211 I. Gesetzliche Lizenzen zur digitalen Verwertung? ......................................... 211 2. Zwangslizenzen ........................................................................................... 212 a) Zwangslizenzen durch richterliche Anordnung ....................................... 213 aa) Rechtslage nach dem EGV unter Berücksichtigung des Falles "Magill TV" ...................................................................................... 213 bb) Rechtslage nach dem GWB ............................................................... 216 b) Gesetzlich angeordnete Zwangslizenzen ................................................. 217 3. Bedenken gegen gesetzliche Eingriffe in die digitale Werkverwertung ....... 217 V. Zusammenfassung ........................................................................................... 218
J. Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................................... 220 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 223 Sachregister ................................................................................................................ 232
A. Einleitung I. Lizenzkartellrecht und Multimedia Wenngleich kaum jemand eine genaue Vorstellung davon hat, was "Multimedia" eigentlich ist, kann doch als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß der Begriff und das dahinterstehende Konzept rur die Zukunft der Informationsgesellschaft von allergrößter Bedeutung ist. Und es ist auch bekannt, daß die heute bereits eröffneten Möglichkeiten nur einen geringen Teil des Entwicklungspotentials ausmachen, das Multimedia birgt. Woran liegt es, daß Bedeutung und Möglichkeiten dieser neuen Technologie sich selbstverständlicher Bekanntheit erfreuen, obgleich ihr Wesen rur die meisten im Unklaren liegt? Die Antwort hierrur liegt in der wirtschaftlichen Bedeutung von Multimedia. Selbstverständlich wird Multimedia die Kommunikation und Information revolutionieren und hat damit bereits begonnen. Es eröffnet jedoch auch neue Märkte und beeinflußt - wie jede neue Technologie - die Wettbewerbs strukturen auf den bereits bestehenden Märkten. Multimedia birgt ein beträchtliches Wirtschaftspotential von bedeutenden Ausmaßen. Ein jetzt verpaßter oder gelungener Anschluß wird rur die wirtschaftliche Zukunft von Unternehmen, Staaten und Staatengemeinschaften von allergrößter Bedeutung sein. Die Gesetzgebung und Gesetzesauslegung ist nun gefordert, die Rahmenbedingungen fiir die weitere Entwicklung zu schaffen. Es darf dabei nicht das Innovationspotential erstickt werden, die Rechtsordnungen müssen sich jedoch behaupten und ihren Wertungen auch in neuen Regelungsgebieten zur Geltungskraft verhelfen. Gängigstes Beispiel hierfiir ist das Internet-Recht. Dieses allerdings betrifft im Gegensatz zum Lizenzkartellrecht im Multimedia-Bereich einen vollständig neuen Regelungsgegenstand. Dieses bezieht sich nach wie vor auf die wirtschaftliche Verwertung von AuschließIichkeitsrechten. Es fragt sich hier aber, ob es bei der digitalen Werkverwertung zu einer Änderung des Vertragsgegenstandes kommt und ob diese Änderung Einfluß auf den Konflikt von Kartell- und Urheberrecht hat. Die Innovationskraft von Multimedia beruht auf seiner Technologie. Der Rohstoff bzw. das Material der Multimedia-Produktion sind jedoch gedankliche oder künstlerische Schöpfungen, die durch Ausschließlichkeitsrechte, vor allem das Urheberrecht, geschützt werden. Die wirtschaftliche Bedeutung der digitalen Werkverwertung durch Lizenzverträge steht also in direkter Korrela2 Kreutzmann
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A. Einleitung
tion zur wirtschaftlichen Bedeutung von Multimedia schlechthin. Jedes Recht, das dieser Werkverwertung Grenzen setzt, steht im Schußfeld derer, die in die neue Technologie investieren und dafur den maximalen wirtschaftlichen Nutzen erwarten. Dies wird besonders anschaulich im Fall der Lizenzkopplung fur das Betriebsystem Windows und den Browser Explorer von Microsoft: Das amerikanische Kartellrecht, das diese Art der Werkverwertung einer strengen Kontrolle unterzieht, geriet binnen kürzester Zeit in die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit. Die Preisbindungsfähigkeit von "NJW auf CD-ROM" erregte zwar nicht in dieser Form das öffentliche Interesse, was an der nicht vergleichbaren wirtschaftlichen Bedeutung von Microsoft und dem Beck Verlag liegen dürfte, sie löste jedoch eine engagierte Diskussion in Literatur und Rechtsprechung aus. Dies sind Beispielsfälle fur das Lizenzkartellrecht im Multimedia-Bereich. Sie lassen bereits erkennen, was der Konflikt von Kartell- und Lizenzrecht, durch das über gesetzliche Monopolstellungen verfugt wird, fur die Entwicklung der neuen Technologie bedeutet. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage ist ebenso Gegenstand der folgenden Untersuchung wie die entgegengesetzte Wirkungsrichtung: Multimedia-Lizenzen betreffen den Wettbewerb auf einem innovativen Technologiemarkt. Ob dieser Wettbewerb besonders störungsanfällig ist oder im Gegenteil besonders aktive Selbstregelungsmechanismen besitzt, ist noch ungeklärt. Jedenfalls ist bei der kartellrechtlichen Analyse auf diese Problematik das Augenmerk zu richten. Durch diese einleitenden Worte wird bereits deutlich, daß das Spannungsfeld von Kartellrecht und Urheberrecht von vielfliltigen Wechselwirkungen bestimmt wird und also an sich bereits eine theoretisch hochinteressante Materie darstellt. Seine Brisanz erhält das Thema der vorliegenden Arbeit jedoch durch seinen Bezug auf einen hochaktuellen Gegenstand von revolutionärer Bedeutung fur Wirtschaft und Gesellschaft: Multimedia.
11. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit versteht sich als umfassende Darstellung eines aktuellen Rechtsproblems. Die kartellrechtliche Analyse konkret wettbewerbsbeschränkender Klauseln macht daher nur einen Teil der Untersuchung aus. Zunächst wird ein Einblick in die technischen und Grundlagen von Multimedia gegeben, denn die spezifischen Probleme, die es rechtfertigen, überhaupt von einem auf Multimedia-Lizenzen bezogenen Kartellrecht zu sprechen, beruhen auf den technischen Besonderheiten dieser innovativen Technologie. Mit diesen Besonderheiten beschäftigt sich das Kapitel 8., das außerdem die in der weiteren Untersuchung verwendeten Begriffe definiert, die in der Praxis häufig vieldeutig sind und deshalb zu Mißverständnissen Anlaß geben.
11. Gang der Untersuchung
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Im Kapitel C. wird sodann das Lizenzierungssystem dargestellt. Hierzu werden zunächst Einblicke in das allgemeine Lizenzrecht vermittelt. Nachdem dann allgemein auf die Art der lizenzierten Schutzrechte sowie auf die Prinzipien des Urhebervertragsrecht eingegangen worden ist, erfolgt eine Darstellung des Multimedia-Lizenzsystems. Erläutert werden die Funktionen der Beteiligten innerhalb dieses Systems sowie ihre Beziehungen zueinander. Sodann folgt in Kapitel D. eine allgemeine Darstellung des LizenzkarteIlrechts im europäischen und deutschen Recht: Bei Lizenzverträgen handelt es sich um Verträge über Nutzungsrechte an geistigen und gewerblichen Ausschließlichkeitsrechten. Durch sie wird also über MonopolsteIlungen verfugt. Die kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzverträgen bewegt sich demnach im Spannungsfeld zwischen dem Ausschließlichkeitsrecht, das seinem Wesen nach jeden Wettbewerb beschränkt, und dem Kartellrecht, das jede Beschränkung des Wettbewerbs verhindern soll. Es ist zu untersuchen, worin das Wesen dieses Spannungsverhältnisses besteht, ob es einheitlich oder beschränkt auf den jeweiligen Kollisionsbereich zu betrachten ist und wie es rur den Bereich Multimedia-Lizenzen aufzulösen ist. Das Kapitel D. beschäftigt sich jedoch nicht nur mit der Kollision von Kartell- und Urheberrecht, sondern klärt auch Fragen, die im Vorfeld des Zusammentreffens auftauchen und rur die Lösung des Konflikts eine maßgebliche Rolle spielen. Hierzu gehören das Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts sowie die Einordnung der digitalen Werkverwertung in das urheberrechtliche Verwertungssystem. Gegenstand der Kapitel E. und F. ist schließlich - aufbauend auf den zuvor gewonnenen Erkenntnissen - die konkrete Klauselkontrolle. Analysiert werden zunächst Preisbindungen und Weiterverbreitungsverbote, weil sich hier multimedia-spezifische Probleme ergeben. Im Zusammenhang mit der Neuartigkeit der Multimedia-Produkte wird die Frage beantwortet, ob Wettbewersbeschränkungen, die im Rahmen der Vermarktung traditioneller Medienerzeugnisse von den Kartellvorschriften hingenommen werden, auch dann erlaubt sein sollen, wenn es sich um Multimedia-Erzeugnisse handelt. Neben der Beschränkung des Wettbewerbs durch Lizenzverträge als solche spielt auch der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Ausübung von Immaterialgüterrechten im Multimedia-Bereich eine maßgebliche Rolle. Diese Problematik wird in das Spannungsfeld von Ausschließlichkeitsrecht und Kartellrecht eingeordnet und auf die individuelle und kollektive digitale Werkverwertung bezogen. Hier bietet die Lizenzkopplung fur das Betriebssystem Windows und den Browser Explorer durch Microsoft ein anschauliches Beispiel, das in Kapitel G. analysiert wird. Ebenfalls in den Bereich des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Steilung gehört das Problem der Bündelung von Marktmacht bei der digitalen Werkverwertung durch Verwertungsgesellschaften. In Kapitel H. wird unter-
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A. Einleitung
sucht, wie sich diese Gefahr rur den Wettbewerb zu einer gleichfalls bewirkten Vereinfachung des Rechteerwerbs verhält und welche Möglichkeiten es gibt, die Interessen der Beteiligten auch im Hinblick auf den Wettbewerb am sachgerechtesten zum Ausgleich zu bringen. Diskussionsmaterial liefert hier das Grünbuch der Europäischen Kommission über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
B. Technische und begriffliche Grundlagen Der neue Anwendungsbereich von Medien, der mit "Multimedia" bezeichnet wird, birgt eine große Menge von Rechtsfragen, die noch ungeklärt sind. Viele dieser Probleme fußen in der technischen Spezialität der Materie. Deshalb ist es rur die juristische Beurteilung unerläßlich, auch einen Einblick in die technischen Grundlagen multimedialer Produktion und Publikation zu nehmen.
J. Multimedia 1. Begriff Bei Multimedia handelt es sich um den Oberbegriff rur neuartige Produkte und Dienste mit den gemeinsamen Merkmalen der interaktiven Nutzung und der integrativen Verwendung von Medienformen auf der Basis der digitalen Technik zur gleichzeitigen Übertragung von Daten, Sprache und Bewegtbild, die massenkommunikativ wirken oder individualkommunikativen Charakter haben können. J Den Begriff "Multimedia" als solchen zu definieren, ist aber schon deshalb schwierig, weil er durchaus nicht einheitlich verwendet wird. Die Bedeutung des Begriffs hängt davon ab, in welchem Zusammenhang er gebraucht wird und welche Intention mit seinem Gebrauch verbunden wird. So gibt es etwa das Produkt Multimedia, das aus leistungsfiihigen PCs und Workstations besteht, die durch den Einsatz graphikfiihiger Bildschirme und großer lokaler Verarbeitungs- und Speicherkapazitäten in der Lage sind, Präsentationen, Enzyklopädien, Lernprogramme und Computerspiele herzustellen oder diese nutzbar zu machen? Der Computerindustrie entstammt auch die Verwendung von Multimedia als Unternehmensphilosophie. Dieses neue strategische Marktkonzept soll dem Anwender erlauben, unter Verwendung der neuen Hardware und den
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BT-Drucksache 13/4000, S. 15. Messina, S. 20.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
zugehörigen Werkzeugen rechnergestützt eine völlig neue Perspektive der ihn umgebenden Welt zu generieren und zu bearbeiten. 3 Der Begriff Multimedia ist also zu einem werbewirksamen Schlagwort geworden, mit dessen Hilfe neue Technologien auf den Markt gebracht werden. Er wird benutzt als Aushängeschild rur ein neues technisches Produkt, das verbrieft, daß das Produkt den neuesten technischen Anforderungen auf dem hart umkämpften Technologiemarkt gewachsen ist. Multimedia ist aber auch der Begriff rur diese neue Technologie, das neue technische Konzept, rur das das technische Produkt erst das Anwendungswerkzeug darstellt. Dabei handelt es sich keinesfalls um einen Begriff der modemen Computerbranche, sondern er existiert bereits seit Mitte der 50er Jahre in Verbindung mit wissenschaftlichen Präsentationen und aufwendigen Visualisierungen. 4
a) Computergestützte Vernetzung unterschiedlicher Medien
Hieraus leitet sich ein erstes Kennzeichen der Technologie Multimedia ab. Ein Medium ist ein Mittel, mit dessen Hilfe Information wahrgenommen, ausgedrückt, gespeichert und übertragen wird. 5 Unter einem Multimedium versteht man indessen ein Medium, das mindestens zwei Komponenten aus den Bereichen Text, Bewegtbild (Video), Ton (Audio) und Graphik miteinander verbindet. 6 Insofern ist fraglich, ob der Begriff Multimedia überhaupt zutriffi: oder ob es sich nicht gerade um ein Monomedium handelt, das die genannten Funktionen in sich vereint. 7 Hier aber liegt der Unterschied zur eben erwähnten Verwendung des Begriffs seit Mitte der 50er Jahre. Dort handelte es sich tatsächlich um die Kombination selbständiger Medien, die ihre Eigenständigkeit durch die gemeinsame Darstellung nicht verloren. Die neue MultimediaTechnologie hingegen erlaubt es, bislang getrennte Arten von Information mit einem einzigen Gerät zu bearbeiten: Texte, animierte Graphiken, Videosequenzen, Ton und Fotographien werden zu gleichrangigen Bestandteilen vernetzter Dokumente oder zu einheitlichen virtuellen Informationsräumen. 8 Einen grundlegend neuen Platz innerhalb der Informationsverarbeitung erhält gegenüber herkömmlichen Ein- und Ausgabekanälen dabei die Zeitkompo-
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Ebd. Schmenk/Wätjen, S. 12. Messina, S. 21. Schmenk/Wätjen, S. 12. OckenJeldiWetzel, in: eR 1993, S. 385 ( Ebd.
I. Multimedia
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nente, weil Multimediadokumente über einen zeitlichen Ablauf innerhalb einer bestimmten Dauer verftlgen. 9 b) Interaktivität
Zwar ist die Bedeutung des Wortbestandteils "Multi" damit geklärt, die neue TechlJologie versteht sich jedoch auch als Medium, das heißt als Vermittler von mindestens zwei miteinander korrespondierenden Elementen. Die Anwendung von Multimedia erlaubt einen Mensch-Maschine-Dialog, der eine gewisse Aktivität seitens des Anwenders erfordert. 1O Es kommt also zu einer Interaktion zwischen Benutzer und Computer, die die aktive Nutzung des Informationspools erlaubt und es so möglich macht, durch die freie Kombinierbarkeit der zur Verftlgung stehenden Medienkomponenten Informationen gezielter abzurufen, diese optimal auf den Inhalt bezogen darzustellen und sich so besser einzuprägen. 11
c) Multidimensionalität der Information
Weiterhin charakteristisch für Multimedia ist die Multidimensionalität der dargestellten Information. Es ist nicht möglich, das Zusammenwirken unterschiedlicher Medien im virtuellen Raum auf einem zweidimensionalen Blatt Papier wiederzugeben. Um die multimediale Information sichtbar zu machen, ist ein PC vonnöten, der für die multimediale Anwendung ausgerüstet ist und die Information innerhalb des virtuellen Raumes in der Form und innerhalb der Zeit darstellt, die der interaktive Prozeß ergeben hat. Multimediale Information kann in dieser Form allenfalls auf Speichermedien gespeichert, jedoch keinesfalls außerhalb des Multimedia-Computers sichtbar gemacht werden. d) Zusammenfassung
Der Begriff Multimedia, wie er im folgenden gebraucht wird, meint also die technische Innovation, die den interaktiven Dialog zwischen Benutzer und Computer erlaubt, der über mehrere unterschiedliche, miteinander vernetzte
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Moerike/Verhoeven, S. 189. Schmenk/Wätjen, S. 12 f. Ockenjeld/Wetzel, in: eR 1993, S. 385 f.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
Medien gleichzeitig stattfindet und dabei von dem Computer gesteuert und visualisiert wird. 12
2. Entwicklung Grundlage aller Computertechnologie und also auch der Multimedia-Technologie ist die Digitalisierung. Das technische Format, in dem Information traditionell übermittelt wird, heißt "analog". Digitalisierung bedeutet, Information aus der vorliegenden analogen Form in einen filr den Computer verständlichen Code zu übersetzen. Ein Computer kennt im wesentlichen nur zwei Informationen: Strom oder nicht Strom, ja oder nein. Digitalisierung bedeutet die Umwandlung einer Form, einer Farbe oder eines Zustands in einen binären Zahlenwert. 13 Eine Information wird digitalisiert, wenn sie in eine komplexe Abfolge dieser binären Zahlenkombination übertragen wird. 14 Die Parallel- und Hintereinanderschaltung von Transistoren, die diese Abfolge verwerten, ermöglicht die Eingabe der Information in den Computer und die Wiedergabe durch diesen. Da jede Information, sei es Text, Graphik, Video, Audio oder Fotographie, in diesen Code übersetzbar ist, ermöglicht die Digitalisierung die Zusammenfilgung aller dieser Informationen in einem einzigen computergestützen Dokument. Außerdem lassen sich durch digitale Übertragung Verluste vermeiden, die bei der Übertragung und Verarbeitung von physikalischen Effekten in analoger Form immer wieder auftreten. 15 Allerdings werden durch den Grad der Komplexität der zu übersetzenden Information spezifische Anforderungen an die Rechnergeschwindigkeit, die zur Verfilgung stehende Speicherkapazität und damit zusammenhängend an eine etwa nötige Datenreduzierung durch Komprimierung gestellt. 16 Die geringste Kapazität verlangt in dieser Hinsicht die reine Textverarbeitung, gefolgt von der graphischen Darstellung, die sich nach Einfilhrung des ersten Personal Computers 1981 auch vom Heimanwender leicht zu einem einheitlichen Dokument verbinden ließen. Demgegenüber existierten Audio- und Videoinformationen lange nur in analoger Form. Die digitale Verarbeitung von Video-Informationen stellt so hohe Anforderungen an die Computertechnik, daß diese überhaupt nur durch außerordentliche Komprimierung elektronisch
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Moerike/Verhoeven, S. 189. Reetze, S. 142. Ebd. Moerike/Verhoeven, S. 78. Schmenk/Wätjen, S. 15.
11. Multimediale Anwendungen
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verwertbar sind. Einen Durchbruch in der Entwicklung von Multimedia stellt denn auch die Einfilhrung des digitalen Fernsehens 1991 dar. 17 Der Ausbau der erst am Anfang ihrer Entwicklung stehenden MultimediaTechnologie hängt davon ab, wie schnell sich die rur die Multimedia-Anwendung nötige Computertechnologie entwickelt. Erst wenn Rechnergeschwindigkeit und Speicherkapazität Dimensionen erreicht haben, die den Anwender vergessen lassen, daß er sich im Dialog mit einer unzulänglichen Maschine befindet, die bei der Anwendung an ihre Grenzen stößt, wird das Konzept Multimedia als ungehinderter, individueller und selbstverständlicher Zugriff auf einen immensen Informationspool rur den privaten Anwender zu verwirklichen sein. Dazu ist notwendig, daß die Zukunftschancen des MultimediaMarktes von den Unternehmen weiterhin wahrgenommen werden und ein entsprechendes Investitionsvolumen zur Verfilgung gestellt wird, aus dem rur die Entwicklung integrierter und kompatibler Systeme geschöpft werden kann. Ziel dieser Entwicklung ist es, den Umgang mit der Maschine den natürlichen menschlichen Kommunikationsformen anzupassen. 18
11. Multimediale Anwendungen Wie soeben dargestellt, handelt es sich bei Multimedia nicht um ein Produkt, sondern um ein neuartiges Konzept zur elektronischen Informationsverarbeitung. Die rechtlichen und praktischen Probleme entstehen jedoch nicht aus diesem Konzept, sondern aus seinen Anwendungen in der Praxis. Die jeweilige Multimedia-Anwendung generiert und definiert sich dabei aus dem jeweiligen Zweck, der vom Anwender mit dem Einsatz von Multimedia verfolgt wird. Für das Vorliegen einer Multimedia-Anwendung ist dabei nicht entscheidend, daß alle Möglichkeiten, die die Technologie bietet, tatsächlich ausgenutzt, also alle erdenklichen Medien immer miteinander kombiniert werden. Wichtig ist vielmehr, daß die Anwendung die Möglichkeit zur Vernetzung unterschiedlicher Medien beinhaltet und dabei den Benutzer in den Informationsvorgang interaktiv einbezieht. Unter diesen Voraussetzungen ist etwa auch ein Voice-Mail, eine Art interaktiver digitaler Anrufbeantworter, als multimedial zu bezeichnen, wenngleich nur Audio-Information verarbeitet wird. Die Multimedia-Anwendung übernimmt die Rolle eines Informationsvermittlungssystems, das die Vorteile des erweiterten Informationskanals zwischen Mensch und Computer, der flexiblen und mächtigen Informationstech-
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Zu den geschichtlichen Daten vgl. Moerike/Verhoeven, S. 189 f. OckenJeldiWetzel, in: eR 1993, S. 385 f.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
niken und der den unterschiedlichen AufgabensteIlungen angemessenen Medien nutzbar macht. 19 Die unterschiedlichen Anwendungen von Multimedia bilden zugleich den Markt, auf dem das Konzept Multimedia gemeinsam mit dem Produkt Multimedia in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen untereinander und mit anderen medialen und elektronischen Anwendungen in Wettbewerb tritt. Bei den im folgenden dargestellten Anwendungen handelt es sich um eine beispielhafte Auflistung aus dem Bereich dessen, was heute technisch bereits tUr breite Anwenderschichten möglich ist. 1. Einsatz in der Wirtschaft
Durch multimediale Anwendungen lassen sich Produktions- und Informationsprozesse ökonomischer gestalten, die Verwaltung wird effizienter und der Dialog mit dem Kunden als Voraussetzung tlir den Absatz und damit das Funktionieren des Marktes erhält neue, anschauliche Perspektiven. Demgemäß haben sich denn auch in der Wirtschaft vielflUtige Anwendungen herausgebildet, um die Vorteile von Multimedia ökonomisch nutzbar zu machen. a) Präsentation
Die Präsentation, also die Darstellung dessen, was man anzubieten hat, ist unerläßlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Kontakts, sei es zu Werbezwecken oder einfach zur Selbstdarstellung zwecks Definition der eigenen Marktposition im Verhältnis zu Konkurrenten. Multimediale Systeme sind dabei aufgrund ihrer Interaktivität so individuell auf die jeweilige Zielgruppe abzustimmen wie das persönliche Gespräch und dabei so wenig personalintensiv wie ein Werbespot. 2o Dabei ermöglicht die Kombination unterschiedlichster Medien eine Informationsvielfalt, wie sie weder die erste noch die zweite der erwähnten Präsentationsmöglichkeiten bietet. Vergleichbare Ergebnisse liefert allenfalls die kostenintensive Video-Produktion, zu der die multimediale Präsentation eine angemessene Alternative darstellt. 21 Eine Sonderform der multimedialen Präsentation, der man im Alltagsleben immer wieder begegnet, sind multimediale Kiosksysteme (point of information, POl). Ein Kiosksystem ist ein rechnergestütztes Informationssystem, das an öffentlich zugänglichen Orten aufgestellt wird, damit häufig wechselnde und meist unbekannte Besucher innerhalb einer kurzen Verweildauer Informationen 19
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Messina, S. 45. Schmenk/Wätjen, S. 183. OckenJeldiWetzel, in: eR 1993, S. 385, 388.
11. Multimediale Anwendungen
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abrufen oder Transaktionen auslösen können. 22 Dabei kann es sich entweder um reine Informationssysteme zu Werbezwecken handeln oder auch um Dienstleistungsysteme, wie etwa in Banken und Sparkassen (point 01 safe, POS). Allen Kiosksystemen gemein ist indes die einfache Benutzerschnittstelle, die eine unkomplizierte Bedienung und Leitung des Benutzers durch das System eröffnet. 23 Das Kiosksystem interagiert mit dem Benutzer gewöhnlich über einen berührungsempfindlichen Monitor, die Touch-Screen, oder über eine einfache, robuste, auf das System zugeschnittene Tastatur. Die wirtschaftliche Bedeutung von multimedialen Kiosksystemen ist bereits erheblich. Die Firma Karstadt beispielsweise ließ 1994 in allen großen Kaufhäusern POl-Systeme installieren, die Firma Opef investierte in ein POl über den Fahrzeugtyp Omega 300.000,- DM. 24 Multimediale Präsentationen spielen außerdem eine bedeutende Rolle im Bereich des Online-Vertriebes. Da ein Verkaufsgespräch hier völlig entfiillt, hängt der Abschluß des Geschäftes allein von der Präsenation des Produktes im Internet ab. Die Besonderheit multimedialer Präsentation ist Visualisierung durch Animation und Simulation. Durch die Visualisierung können Sachverhalte in realer Form vorgefiihrt werden, die dann auch jederzeit wiederholbar sind und nicht wie das gesprochene Wort verhallen. Unter Computeranimation versteht man die Schaffung vollkommen künstlicher Bildwelten2s , indem die Arbeitstechniken des traditionellen Trick- und Zeichenfilms mit neuen multimedialen Möglichkeiten zusammengefaßt werden. 26 Dadurch entsteht eine virtuelle Realität. Dieser Sprung von der Zusammenfiigung und Bearbeitung analoger Information in digitaler Form hin zur Schaffung einer computerimmanenten Realität läßt sich jedoch nicht nur zur marktwirksamen Präsentation, sondern auch zur darstellenden Simulation nutzen. Man erhält so ein reeles Bild des Forschungsvorhabens, des Bauwerks oder der Realisierung eines sonstigen Auftrags, ohne die Entwicklungskosten bereits investiert zu haben oder, im Falle der Forschung, ohne die kostenintensive Studie am tatsächlichen Objekt. 27 Auf diese Weise ist es möglich, Fehler bereits im Entwicklungsstadium aufzuspüren, bevor sie zu einem immensen Materialverlust oder, schlimmer noch, zur Verletzung von Menschen gefiihrt haben. Die Simulation findet außerdem 22 23
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Holfelder, S. 16. Holfelder, S. 7 ( Online, S. 30 f. 37. Reetzte, S. 76. Schmenk/Wätjen, S. 77 ( Schmenk/Wätjen, S. 183 f.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
ein beträchtliches Anwendungsfeld in der Medizin, indem man mit ihrer Hilfe Vorgänge visuell nachvollziehen kann, die sonst nicht nachvollziehbar wären, etwa weil das Umfeld, in dem sie passieren, zu klein ist oder die Untersuchung rur den Patienten mit Risiken verbunden wäre. b) Dokumentation
Multimedia-Anwendungen eignen sich weiterhin zur elektronischen Dokumentation komplexer und komplizierter technischer Gebilde. 28 Umfassende Informationen können platzsparend gespeichert werden und sind so ftlr den interaktiven Zugriff bereit, der nur dem jeweils aufgetretenen Problem entsprechend erfolgt.29 Taucht eine Störung auf, so erlaubt das System die Untersuchung des Vorfalls und zeigt gleichzeitig Abhilfe- und Reparaturmöglichkeiten auf. Solche multimedialen technischen Dokumentationen gibt es bereits in der Automobil- und Flugzeugindustrie, der Chemieindustrie sowie bei der Rohstoffgewinnung und Energieerzeugung. JO c) Datenbanken!Archivierung
Die bereits sehr ausgereifte multimediale Technik beim Einsatz in Datenbanken erlaubt es, aus einer immensen Faktensammlung durch Einftlgen von Animationen eine interessante Informationsquelle werden zu lassen. JI So kann ein computergestUtztes Verwaltungs- und Archivierungssystem gleichzeitig als Informationsterminal genutzt werden, beispielsweise innerhalb eines Kiosksystems nach entsprechender Freischaltung der Information. Datenbanken sind jedoch auch in externer Form nutzbar. Dann handelt es sich nicht um ein firmeneigenes System, sondern um kommerzielle, über das Internet öffentlich zugängliche elektronische Speicher, aus denen jeder gegen Entgelt Informationen abrufen kann. J2 Da auch innerhalb einer multimedialen Präsentation auf Datenbanken zurückgegriffen werden kann, zeigt sich hier bereits die Vernetzung der möglichen Multimedia-Anwendungen.
OckenJeldiWetzel, in: eR 1993, S. 385, 388. Messina, S. 49. JO Ebd. Jl Schmenk/Wätjen, S. 184. 32 Kmuche, S. 21. 28 29
11. Multimediale Anwendungen
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2. Einsatz in der Aus- und Weiterbildung Die erste Einsatzmöglichkeit multimedialer Anwendungen im Aus- und Weiterbildungsbereich ist das computergestützte Lernen, das Computer Based Training (eBT). Ein interaktives, in sich geschlossenes Lehr- und Lernsystem gibt dem Lernenden die Möglichkeit, seinen eigenen Informationsaufnahmeund Verarbeitungsprozeß individuell zu gestalten und so seiner Auffassungsgabe anzupassen. Durch die Einbeziehung des Lernenden in den wissensvermittelnden Dialog ist es möglich, den Lernerfolg gegenüber der traditionellen Wissensvermittlung um 80 bis 90 % zu steigern. 33 Die Rolle des kostenintensiven Privatlehrers, der in diesen Dialog mit dem Lernenden treten könnte, wird von der Multimedia-Anwendung übernommen. Zudem kann die Multimedia-Anwendung den Wissensvermittlungsprozeß durch die Kombination unterschiedlichster Medien veranschaulichen und so das Interesse des Lernenden, besonders bei Kindern, wecken und wachhalten. Auch die Kontrolle des aufgenommenen Wissens ist durch integrierte Abfragefunktionen gewährleistet, die bei einem Mißerfolg gegebenenfalls die entsprechende Sequenz wiederholen, um sie dem Lernenden besser einzuprägen. 34 Eine weitere Anwendungsmöglichkeit von Multimedia im Aus- und Weiterbildungsbereich bieten Lexika, die durch die Kombination von Audio, Video, Text, Graphik und Fotographie das zu vermittelnde Wissen anschaulich darstellen. Darüber hinaus gelangt das klassische Lexikon durch Multimedia zu neuen Anwendungsdimensionen, da nun das Wissen nicht mehr nur alphabetisch geordnet und also nur in dieser Reihenfolge abrufbar ist, sondern auch nach Themengebieten oder anderen Zusammenhängen entsprechend zusammengestellt werden kann. 3. Einsatz im privaten Bereich Multimedia-flihige Heimcomputer sind bereits erschwinglich geworden, so daß auch der private Benutzer einen Markt für Multimedia-Anwendungen darstellt. Auch hier bietet Multimedia entweder gänzlich neue Anwendungsformen oder hilft, bereits bestehende Systeme zu optimieren und so besser nutzbar zu machen. Neben den Funktionen, die typischerweise bei privater Nutzung ihre Bedeutung erlangen, gibt es die bereits dargestellten Einsatzmöglichkeiten, die vornehmlich in der Wirtschaft Anwendung finden, selbstverständlich auch im privaten Bereich. Hier zeigt sich wiederum die Vernetzung innerhalb des Multimedia-Marktes. 33
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SchmenklWätjen, S. 186. OckenJeldiWetzel, in: eR 1993, S. 385, 388.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
Die private Multimedia-Anwendung erweitert jedoch einen anderen Markt, der bereits vor der Einfilhrung der Multimedia-Technologie bestand und sich durch diese noch ausweiten wird. Hierbei handelt es sich um den Markt der Computerspiele, die die Entwicklung der Softwareindustrie von Anfang an begleitet haben. Entscheidend fiir die Qualität und den Markterfolg eines Computerspiels sind eine möglichst realistische Bilddarstellung, fließende Bewegungsabläufe und natürliche Geräusche. 35 Zur Verbesserung dieser Qualitäten konnte Multimedia allein durch die Technik der virtuellen Realität einen bedeutenden Beitrag leisten. Der Computerspielmarkt bietet auch ein breites Anwendungsfeld fiir den Cyberspace, den kybernetischen Raum, eine Computeranimation, in die der Benutzer sich mit Hilfe einer speziellen Ausrüstung selbst integrieren kann.
III. Die Multimedia-Produktion 1. Multimediale Verbindung von Einzelwerken
Die Produktion eines Multimediawerkes kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Zum einen ist es denkbar, daß bereits in traditioneller Form vorhandene Werke digitalisiert und zu einer Multimedia-Produktion verbunden werden. Die Verbindung als solche beinhaltet dann nur den schöpferischen Akt der Auswahl und Verbindung. Als Beispiel kann hier etwa ein virtuelles Lexikon fungieren, zu dessen Erstellung der Produzent bereits existente Elemente zur Erläuterung eines Begriffs digital anordnet und mit der Möglichkeit interaktiver Nutzung ausstattet. So könnte der Begriff "Mozart, Wolfgang Amadeus" mit einem zeitgenössischen Portrait und Notenblättern veranschaulicht, mit Aufuahmen von Konzerten namhafter Orchester ausgestattet und das Ganze mit einem Text aus einem biographischen Buch erklärt werden. Durch die Interaktivität wird dem Nutzer die Navigation innerhalb dieser Informationsquelle ermöglicht.
2. Multimediales Auftragswerk und Mischformen Weiterhin ist es möglich, daß die medialen Elemente, die zur MultimediaProduktion zusammengefiigt werden, zusammen mit dieser geschaffen werden, das Multimedia-Werk also als Gesamt-Auftragswerk erstellt wird. Davon wird
35
Schmenk/Wätjen, S. 190.
III. Die Multimedia-Produktion
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vor allem bei Multimedia-Produktionen auszugehen sein, die reine Phantasiewerke beinhalten, wie zum Beispiel Computerspiele. Am häufigsten wird es jedoch so sein, daß einige Bestandteile des künftigen Multimedia-Werks bereits in traditioneller Form vorliegen und diese dann mit anderen medialen Elementen, die die besonderen Möglichkeiten von Multimedia nutzen, verbunden werden. Als Beispiel dient hier wiederum das digitale Lexikon, nur daß die Begriffserläuterung "Mozart, Wolfgang Amadeus" nun auch neu erstellten Text, Graphiken sowie Computeranimationen enthält, die mit den digitalisierten vorbestehenden Werken zu einer Multimedia-Produktion zusammengefUgt werden.
3. Technische Einführung in die Multimedia-Produktion a) Text
Zwar werden Inhalt und Aussage eines Bildes vom Betrachter schneller erfaßt und verarbeitet als das geschriebene Wort, trotzdem ist der Text zur weitergehenden Erläuterung der dargestellten Information unerläßlich und spielt auch bei der Kombination von Medien eine wichtige Rolle. Text, der als einer der speicherfreundlichsten Kommunikationsträger nur ein Byte zur Kodierung eines Zeichens benötigt, kann auf unterschiedliche Arten in den Rechner übertragen werden. Der Nutzung einer Schreibmaschine entsprechend, wird Text traditionell über die Tastatur eingegeben. Wenn kein neuer Text erstellt wird, sondern ein bereits bestehendes umfangreiches Textwerk elektronisch verarbeitet werden soll, empfiehlt es sich, den Text durch den Computer selbst einlesen zu lassen. Hierzu bedient man sich eines Scanners und entsprechender Wiedererkennungsprogramme, die es dem Computer ermöglichen, den Text in digitale Form zu übersetzen und aufzunehmen. b) Graphik, Gaphikprogramme, Computeranimation
Als Basis fUr Computeranimationen aber auch einfach zur stehenden Veranschaulichung von Textinformation ist Graphik ein wesentlicher Teil der Multimedia-Produktion. Graphiken können in zwei- oder dreidimensionaler Form, animiert oder als virtueller Raum in der Multimedia-Anwendung verarbeitet werden. Die Eingabe von Bildern in den Computer erfolgt mit Hilfe von vektor- oder pixelorientierten Graphikprogrammen. Ein vektororientiertes Graphikprogramm definiert die eingegebene Form über Umrißlinien, die auf mathe-
32
B. Technische und begriffliche Grundlagen
matischen Fonneln innerhalb eines Koordinatensystems beruhen. 36 Ein Pixel hingegen ist die kleinste Speichereinheit eines digitalen Bildes, ein Bildpunkt, dessen Position ebenfalls innerhalb eines Koordinatenfeldes angegeben wird. 37 Beide Programmkategorien haben anwendungsspezifische Vor- und Nachteile und können entsprechend der AufgabensteIlung ausgewählt und kombiniert werden. Die Computeranimation, das heißt die Belebung von Graphiken im Computer, geschieht anhand von programmierten Bewegungsabläufen, die der Computer selbständig optisch umsetzt. 38 Dazu werden Berechnungen von Zwischenpositionen und Überblendtechniken eingesetzt. 39 Diese Bewegungsabläufe können in regelmäßiger Fonn auftreten, also etwa als Rotation oder Wellenbewegung. Es sind aber auch komplexe Abläufe möglich, deren Rahmendaten feststehen und die nach einem chaotischen, nicht vorhersagbaren, aber dennoch mathematisch definierbaren Prinzip ablaufen. 40 c) Audio und Video
Die Ein- und Abspielung von Ton erfolgt mittels Soundkarten. Darunter sind Digital-Analog-Wandler zu verstehen, die die Audioinfonnation in die jeweils erforderliche Fonn umwandeln. Für die Einspielung von Videosequenzen in den Computer werden Bildplatten verwendet, auf die das Videomaterial in kompakter Fonn gespeichert wird. Der Einsatz von Video-Karten macht die Infonnation rur den Computer lesbar. Allerdings ist die rur eine Video sequenz benötigte Datenmenge so groß, daß bei der Speicherung und Einlesung von Video-Infonnation Komprimierungsund Dekomprimierungsverfahren eingesetzt werden müssen, um mit der bereits immensen Speicherkapazität einer Bildplatte auszukommen. d) Interaktivität
Interaktivität als Möglichkeit aktiven Eingreifens ist ein wesentlicher Bestandteil multimedialer Systeme und muß als solcher neben den greifbaren Multimedia-Komponenten aufgefilhrt werden. 41 Sie ennöglicht entweder die 36 37 38 39
40 41
SchmenklWätjen, S. 43. Messina, S. 129. Reetze, S. 154 f. SchmenklWätjen, S. 80 ff. Reetze, S. 155. SchmenklWätjen, S. 133.
IV. Elektronisches Publizieren
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Informationsabfrage oder den aktiven Dialog mit dem Computer. Interaktivität im multimedialen System wird gewährleistet durch eine entsprechende Navigationsfunktion, die dem Benutzer innerhalb eines Verzweigungssystems Optionen eröffuet. Die Auswahl erfolgt dann mittels einer Bedienungseinheit oder eines beruhrungsempfindlichen Bildschirms, der Touch Screen. e) Integration
Für die Integration verschiedener Medien in ein Multimedia-Dokument ist ein speziel1es Datenmodel1 nötig. Ein elektronisches Textdokument mit mehr als nur einer Dimension wird als Hypertext bezeichnet. 42 Sollen andere Medien wie Graphik, Ton oder Bewegtbilder in das Dokument integrierbar sein, ist die Bezeichnung Hypermedia gebräuchlich. 43 Dabei handelt es sich jedoch keinesfal1s um eine besonders komplexe Form von Multimedia, sondern um die speziel1e Technologie, die filr die Integration unterschiedlicher Medien in das Multimedia-Werk und damit rur dessen Entstehung erforderlich ist.
IV. Elektronisches Publizieren Um als Medium fungieren zu können, muß das Multimedia-Werk publiziert werden. Wegen der Multidimensionalität der Information (s.o.) muß die Publikation elektronisch erfolgen. Stationen beim Elektronischen Publizieren sind der Autor, der Verlag, die Distribution und der Nutzer. Dabei kann die Distribution offline oder online erfolgen, also in nicht körperlicher oder in körperlicher Form. Eine Publikationskette, in der al1e Instanzen vom Autor bis zum Benutzer durch Computeranwendungen unterstützt werden, wird als elektronisches Publikationssystem bezeichnet, ein komplexes System der Aufbereitung, Verarbeitung und Ausgabe von digitalen Informationen unter Verwendung elektronischer Datenverarbeitung. 44 Dabei sind alle Daten über die einzelnen Instanzen hinaus integriert, so daß sie innerhalb der Kette elektronisch weitergegeben und bearbeitet werden können. 4s Sinnvol1erweise sol1te die Publikation von Multimedia über ein solches System erfolgen, ausreichend (aber auch erforderlich) ist hingegen die elektronische Publikation erst ab der Integration der medialen Bestandteile in das Multimedia-Werk als distributionsorientiertes 42 43 44 45
Messina, S. 28. Ebd. Gal/us, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. 53, 59. Riehm, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. I, 3.
3 Kreutzmann
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B. Technische und begriftliche Grundlagen
Elektronisches Publizieren. Die einzelnen Werke, die in das Multimedia-Werk eingefiigt werden sollen, sollten zweckmäßigerweise bereits in digitaler Form erstellt, sie können aber auch erst vom Multimedia-Produzenten digitalisiert werden. Das ist zum Beispiel dann nötig, wenn das zu integrierende Werk schon lange besteht und nun multimedial verwertet werden soll. Beim multimedialen Auftragswerk erübrigt sich diese Unterscheidung. 1. Datenbanken
Die Bedeutung von Datenbanken filr die Verwertung von Multimedia-Werken ist beachtlich, weil diese bei der elektronischen Veröffentlichung von Information eine entscheidende Rolle spielen. Für die Online-Übertragung über das Internet ist die Erstellung einer Datenbank unerläßlich. Aber auch die Veröffentlichung des Multimedia-Werks über CD-ROM und ähnliche Speichermedien erfordert sinnvollerweise die Einspeisung des Werkes in eine Datenbank, in der dann mehrere Multimedia-Werke, beispielsweise zu einem Lexikon oder sonstigen Nachschlagewerk, zusammengefilgt werden und dem Benutzer den zielorientierten Zugriff ermöglichen. Das Erstellen von Datenbanken ist kostenintensiv. Das liegt zum großen Teil daran, daß Texte, die nicht in maschinenlesbarer Form vorliegen, maschinell erfaßt werden müssen. Der Investitionsaufwand wird auch dadurch höher, daß die Benutzer ständig höhere Ansprüche an die verfilgbare Information und ihre Aufbereitung stellen. Die weitere Entwicklung der Datenbanken wird also davon abhängen, ob auf dem Markt des jeweiligen Bereiches kaufkräftige Nachfrage vorhanden ist, die den Investitionsaufwand rechtfer' tigt.46 Erhebliche Chancen bestehen indessen auf dem europäischen und weltweiten fachbezogenen Informationsmarkt, da Informationen in Sekundenbruchteilen in andere Staaten übertragen werden können und zudem die Übersetzung von Fachinformationen geringere Probleme bereitet als die von Prosatexten. 47 Externe Datenbanken teilen sich in zwei Kategorien: numerische Datenbanken, in denen nur numerische Informationen enthalten sind, und Textdatenbanken, in denen redaktionelle Werke im Fließtext angeboten werden. Innerhalb der Textdatenbanken, die filr den Bereich des Elektronischen Publizierens entscheidend sind, lassen sich wiederum Referenzdatenbanken filr die FundsteIlenangabe, Faktendatenbanken, die zusätzlich Fakten zusammenfassend als Abstracts enthalten, und Volltextdatenbanken, die den kompletten
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Kmuche, S. 71. Sieber, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. 69, 72.
IV. Elektronisches Publizieren
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Originaltext bereitstellen, unterscheiden. 48 Allerdings enthalten auch die Volltextdatenbanken, wenngleich sie eine Multimedia-Anwendung darstellen, nur Text. Insofern läßt sich eine Multimedia-Produktion innerhalb einer Datenbank nicht vollständig darstellen, sondern nur verwalten und dann auf Abruf mit Bildern, Videosequenzen und Ton verbinden.
2. Online-Publikation Online-Publikation ist die Übertragung des zu publizierenden Werks von einem Rechner zum anderen oder zu einem Datennetz bei bestehender Verbindung. Die technischen Voraussetzungen, die diese Übertragung ermöglichen, werden auf mehreren Stufen von verschiedenen Anbietern geschaffen. Diesem System entsprechend, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Online-Publikation. Beispiele rur solche Anwendungen sind das "Custom Pub/ishing System" oder das" Pub/ishing on demand", bei dem der Benutzer sich aus den vom Verlag in die Datenbank eingespeisten Texten sein individuelles Verlagserzeugnis zusammenstellen kann. 49 Dabei kann der Endverbraucher auf Kapitel aus verschiedenen Büchern, Zeitschriftenartikel, Bilder und Tabellen, also auf eine Vielzahl von Publikationen auch mehrerer Verlage, zurückgreifen. Beim" Video on demand", einer weiteren Form der Online-Publikation, werden nicht Druckerzeugnisse, sondern Video-Sequenzen gegen Gebühr auf Abrufangeboten. 5o Die Veröffentlichung über ein Online-Medium kann nur dann erfolgen, wenn eine Verbindung zwischen so vielen Benutzern besteht, daß von einem öffentlichem Zugriff auf die verbreitete Information ausgegangen werden kann. Diese Verbindung wird durch das Interet gewährleistet. Diese weltweite dezentrale Koppelung von Rechnern, die als das "Netz der Netze" bezeichnet wird, wird durch Seekabel, Satellitenkanal, digitalen oder analogen Funk, Telefonleitungen oder fest installierte Standleitungen aufrechterhalten, die von den Netzwerkbetreibern, in Deutschland etwa der Telekom, angeboten wer" den. 51 Eine direkte Verbindung gibt es dabei nur zwischen den wenigsten Rechnern. Die Übertragung der Daten über viele Zwischenstationen wird vom Internet Protocol deshalb selbständig unter Auswahl verschiedener Computerund Leitungstypen besorgt. 52
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Kmuche, S. 30 f. Heker, in: ZUM 1993, S. 400. Hooffacker, S. 180. Hooffacker, S. 98. Hooffacker, S. 100.
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B. Technische und begriffliche Grundlagen
Das Internet wird durch eine Vielzahl von Anbietern und Verwaltern von Infonnation nutzbar. Die Zugangsmöglichkeit zum Internet wird dem einzelnen Benutzer durch Provider gewährleistet, die direkt an das Netz angeschlossen sind. 53 Speicher- und Verarbeitungsfunktionen werden den Netzteilnehmern von Servern zur Verrugung gestellt. Darunter sind besonders leistungsstarke Rechner zu verstehen, die als Knotenpunkte im Internet fungieren und Dienstleistungen anbieten, die im wesentlichen aus dem Zugriff auf die Festplatte des Rechners oder auf besondere Daten oder Programme, wie Verteilungsprogramme und Suchmaschinen, bestehen. 54 Wie die Provider gehören die Server zu den Dienstleistungsanbietem im Internet. Für die Verwaltung von Datenbanken sind als kommerzielle Rechenzentren Hosts zuständig, die die Infonnation in Fonn von Datenbanken vennarkten. Trotzdem handelt es sich bei einem Host nicht um einen originären Infonnationsanbieter, sondern um ein Serviceunternehmen, das die technische Infrastruktur zur Nutzung externer Datenbanken zur Verrugung stellt. 55 Während der Internet-Zugang stets von den Providern gewährleistet wird, gleichviel ob es sich um eine Einspeisung in oder einen Zugriff auf das Netz handelt, ist die Position des Hosts nicht innerhalb des Netzwerks, sondern auf der entgegengesetzten Seite vom Endnutzer vorstellbar. Bei einem Host handelt es sich also nicht um einen Knotenpunkt im Netz, der rur dessen Betrieb notwendig ist, sondern um ein Endgerät mit außerordentlich hoher Rechen- und Speicherkapazität. Über ihn erfolgt der entgeltliche Zugriff auf Datenbanken. Ein Beispiel filr einen Host ist das Infonnationssystem Juris, das Datenbanken zur Rechtsprechung, Literatur und Gesetzesmaterialien enthält.
3. Offline-Publikation Eine weitere Möglichkeit des Elektronischen Publizierens besteht in der Oftline-Vennittlung der Infonnation. Übennittelt wird dabei ein Datenträger, auf dem der Datenbestand fixiert ist und mit dem der Benutzer über die komplette Datenbasis verfilgt.56 Dieser Datenträger wird dann dort auf den Markt gebracht, wo auch das gespeicherte Verlagserzeugnis in traditioneller Fonn angeboten woren wäre, also hauptsächlich im Buchhandel. Es stellt sich die Frage nach einem effizienten Speichennedium, das zur Übennittlung der Multimedia-Produktion, die aufgrund ihrer technischen Be-
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54 55 56
Ebd.
Hooffacker, S. 153. Kmuche, S. 22. Gallus, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. 53, 61.
IV. Elektronisches Publizieren
37
sonderheiten spezielle Anforderungen an das Speichermedium stelltS7 , eingesetzt werden kann. Erforderlich ist zum einen eine außerordentlich hohe Speicherkapazität, um die immensen Datenmengen einer Multimedia-Produktion mit angemessenem Aufwand zu speichern. Weiterhin muß das Speichermedium einen schnellen und wahlfreien Direktzugriff auf die gespeicherten Daten ermöglichen, um die fUr die Multimedia-Anwendung unerläßliche Interaktivität zu gewährleisten. Schließlich muß sich das gespeicherte Multimedia-Werk auch lagern, archivieren und marktgerecht vertreiben lassen, alles Anforderungen, die den Raumaufwand des Speichermediums betreffen. Erforderlich ist also ein digitaler Archivar, der bei geringem Platzbedarf außerordentliche Kapazitäten aufweist und zudem ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. a) Magnetische Speichermedien
Das älteste und gebräuchlichste Speicherverfahren digitaler Information basiert auf Magnettechnik. Magnetische Speichermedien sind Disketten und Festplatten. Eine Diskette ist zum Speichern multimedialer Information deshalb ungeeignet, weil sie nicht über ausreichende Speicherkapazität verfUgt. Festplatten sind zwar fUr die Multimedia-Entwicklung und -Bearbeitung unerläßlich und aufgrund ihres hohen Speichervolumens auch geeignet. Sie sind jedoch fiir die Distribution und den Transfer multimedialer Information unbrauchbar, weil sie bei entsprechender Kapazität teuer und außerdem voluminös, deshalb schlecht archivierbar und fUr den Handel mit gespeicherter Information nicht praktikabel sind. S8 Magnetische Speichermedien werden den Anforderungen, die das Elektronische Publizieren stellt, nicht gerecht. b) Optische Speichermedien
Optische Speichermedien hingegen vereinen die preiswerte Kompaktheit der Diskette mit der Speicherkapazität und kurzen Zugriffszeit einer Festplatte. Dies wird erreicht, indem die Sektoren, die die Information enthalten, auf einer CD so angeordnet sind, daß der begrenzte räumliche Platz, der fUr die Speicherung zur VerfUgung steht, optimal ausgenutzt wird. Die Speicherkapazität einer solchen CD entspricht mit 650 MegaByte etwa 460 3,5-ZollDisketten. Die Information wird auf der Oberfläche des optischen Mediums S7
S8
Dazu Messina, S. 60. SchmenklWätjen, S. 137 f.
B. Technische und begriffliche Grundlagen
38
gespeichert, indem diese in zwei unterschiedliche Zustände versetzt wird, die den digitalen Code 0 und 1 darstellen und von einem Laserstrahl berUhrungsfrei abgetastet werden. 59 Den Speichereigenschaften und der sonstigen Verwendbarkeit entsprechend werden verschiedene Arten von CDs unterschieden. 60 Die bislang gebräuchlichste und für das Elektronische Publizieren auch die geeignetste CD ist die CD-ROM. Sie ist einmal durch Einprägung vom Hersteller beschreibbar und danach nur noch lesbar (Read Only Memory) und deshalb insbesondere fllr die Verteilung großer Mengen maschinenlesbarer Daten vorgesehen. Weitere optische Speichermedien sind die einmal vom Anwender beschreibbare CDWORM (Write Once Read Many) und die mehrfach beschreibbare RWM-Disk (Read Write Multiple), die ebenso wie die Magnetspeicher einen SchreibfLesespeicher darstellt. CD-WORM und RWM-Disk werden wegen der Einwirkungsmöglichkeit des Anwenders auch als interaktive CDs (CD-I) bezeichnet. Die Verwaltung der Information erfolgt bei CDs durch die ebenfalls gespeicherte Retrieval-Software. Sie enthält Index- und Recherchefunktionen und ermöglicht dem Benutzer die Navigation. 4. Publizistische Mehrfachverwertung einer Verlagsdatenbank Datenbanken können außerdem nicht nur rur die ausschließliche Onlineoder Offline-Publikation erstellt werden, sondern als Verlagsdatenbank dauerhaft bestehen, aus der die Daten rur jeweils unterschiedliche Medien und Publikationen selektiert und aufbereitet werden. In diesem Fall handelt es sich um die publizistische Mehrfachverwertung einer Verlagsdatenbank.61
59 60
61
Messina, S. 67 ff.
Umfassende Darstellung, auf die sich das Folgende stützt, bei Messina, S. 62 ff. Riehm, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. 1,7 f.
c. Das Lizenzierungssystem I. Begriff und Arten der Lizenz 1. Begriff Durch einen Lizenzvertrag räumt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer das Recht ein, seine gewerblichen Schutzrechte, insbesondere Patente und Warenzeichen, aber auch nicht schutzrechtsflihige Betriebsgeheimnisse, zu benutzen, um Produkte herzustellen und zu vertreiben. 1 In Analogie zum Patentrecht werden auch urheberrechtliche Nutzungsrechte als Lizenzen bezeichnet2, so daß unter einer Lizenz allgemein die vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an einem Schutzrecht verstanden werden kann. 2. Arten Lizenzverträge können zur Erreichung der unterschiedlichsten Zwecke bei der Übertragung unterschiedlichster Nutzungsrechte eingesetzt werden. Da die Parteien in der Ausgestaltung des Lizenzvertrages grundsätzlich frei sind, können sie den Vertrags inhalt ihrem Zweck anpassen und so die Regelung wählen, die sie für angemessen erachten. Deshalb sind Lizenzverträge im Gegensatz etwa zu den gesetzlich geregelten Vertragstypen des Besonderen Schuldrechts außerordentlich vielgestaltig. Anhand typischer Unterscheidungsmerkmale lassen sich Lizenzverträge jedoch grob einteilen. Diese sollen im folgenden dargestellt werden. a) Gegenständliche und schuldrechtliche Lizenz
Die Differenzierung nach der Rechtsnatur der Lizenz ist eine theoretisch anspruchsvolle Aufgabe, deren Vertiefung durch die vorliegende Untersuchung
1 2
Grützmacher/LaieriMay, S. 11. Schricker, Vor §§ 28 fIUrhG, Rdnr. 21.
40
C. Das Lizenzierungssystem
nicht beabsichtigt und zur Klärung der gestellten Probleme auch nicht notwendig ist. 3 Die Unterscheidung kann also zusammenfassend dargestellt werden. Die Lizenz kann zum einen als rein schuldrechtliche Erlaubnis des Lizenzgebers verstanden werden und zum anderen als Vertrag, der dem Lizenznehmer innerhalb des vertraglich begründeten Rahmens die gegenständliche Rechtsposition des Lizenzgebers einräumt, so daß dieser seine gegenständliche Berechtigung insoweit verliert, als er durch den Lizenznehmer vertraglich ersetzt worden ist. 4 Bei der Einräumung eines gegenständlichen Nutzungsrechts handelt es sich um ein Verfilgungsgeschäft, das von dem zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäft zwar gedanklich unterschieden werden kann, in der Praxis jedoch meist zusammen vorgenommen wird. 5 Die Einräumung eines gegenständlichen Nutzungsrechts ist allerdings nur dann möglich, wenn das Nutzungsrecht so aufspaltbar ist, daß der Gegenstand der Lizenzvereinbarung als eigenständige Rechtsposition angesehen werden kann, in die der Lizenznehmer eintreten kann. 6 Das ist der Fall, wenn es sich um eine eigenständige Nutzungsart handelt, die bei jeder hinreichend abgrenzbaren wirtschaftlich-technischen Verwendungsform unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung anzunehmen ist.' Für eine schuldrechtliche Rechtseinräumung ist dies hingegen nicht erforderlich. b) Ausschließliche und einfache Lizenz
Eine Unterscheidung nach dem Kreis der Berechtigten wird getroffen durch die ausschließliche oder die einfache Lizenz. Durch die ausschließliche Lizenz erhält der Lizenznehmer die Befugnis, innerhalb des Umfanges des ihm eingeräumten Rechtes in einem bestimmten Marktgebiet das lizenzierte Recht alleine auszuüben. 8 Im Gegensatz dazu erhält der Lizenznehmer bei der einfachen Lizenz lediglich ein gewöhnliches Benutzungsrecht, durch das die Berechtigung des Lizenzgebers und Dritter, neben dem Lizenznehmer in gleicher Weise das Recht zu nutzen, nicht beeinträchtigt wird. 9 Zweckmäßigerweise wird die ausschließliche Lizenz als gegenständliche Lizenz erteilt, um dem 3 Eine ausfilhrliche Darstellung mit verlags- und urheberrechtIichem Bezug und Hinweisen zum Meinungsstand findet sich bei Lange, S. 21 ff. 4 Lange, S. 21 f. 5 Schricker, Vor §§ 28 ff.UrhG, Rdnr. 19. 6 FrommINordemann-Hertin, §§ 31/32, Rdnr. 2. 7 BGH GRUR 1990, S. 669, 671 ("Bibelreproduktion"). 8 Stumpf/Groß, Rdnr. 36. 9 Lange, S. 31.
II. Erforderliche Lizenzen fiir Produktion und Anwendung
41
Lizenznehmer die Geltendmachung von Abwehrrechten gegen Dritte ohne Einschaltung des Lizenzgebers zu ermöglichen. 10
c) Bedingte und unbedingte Lizenz Eine unbedingte Lizenz liegt vor, wenn die Berechtigung eine endgültige sein, der Lizenzgeber seiner Berechtigung im Falle einer ausschließlichen lizenz also auf Dauer verlustig gehen soll. Eine bedingte Lizenz ist dagegen gegeben, wenn die Rechtsposition nach dem Vertragsinhalt bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen, die nicht mit einer Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 2 BGB identisch zu sein brauchen, an den Lizenzgeber zurückfallen soll. 11
11. Erforderliche Lizenzen mr Produktion und Anwendung 1. Der urheberrechtliche Schutz von Multimedia-Anwendungen
unter besonderer Berücksichtigung des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes (luKDG)
Bei der Erstellung, Publikation und Anwendung einer Multimedia-Produktion erfolgen vielfache Schutzrechtseingriffe, die durch den vorherigen Erwerb einer oder mehrerer Lizenzen vermieden werden können. Die Produktion erfolgt durch die Digitalisierung und anschließende Kombination der Medienkomponenten und ihre Integration in das Multimedia-Dokument mittels speziell dafiir entwickelter (Hypertext-) Software. Zwar werden durch die Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Werke und Leistungen die Kommunikationsstrukturen revolutioniert. Andererseits wird jedoch die Zusammenstellung neuer Produkte unter Verwendung und Veränderung von bereits urheberrechtlich geschütztem Material erleichtert. Außerdem multiplizieren sich die Verbreitungsmöglichkeiten. Durch die so bedingte Ubiqität (Überallerhältlichkeit) und Vulnerabilität (Verletzlichkeit) 12 steigen die Verwertungsmöglichkeiten der Multimedia-Produzenten und damit die Eingriffe in die Rechte der Urheber der integrierten Einzelwerke und in die gewerblichen Schutzrechte (Patente, Know-how) und Urheberrechte an der Software.
10 11
12
Stumpf/Groß, Rdnr. 36. Lange, S. 18 f. Vgl. zu den Begriffen Lehmann, in: Internet- und Multimediarecht, S. 25, 28 ff.
42
C. Das Lizenzierungssystem
Die Verwertung von Einzelwerken innerhalb einer Multimedia-Anwendung ist also jedenfalls lizenzierungsbedUrftig. Darüber hinaus erfllhrt jedoch auch das Multimedia-Werk in seiner Gesamtheit urheberrechtlichen Schutz. Seit der Änderung des Urheberrechtsgesetzes am 1. 1. 1998 durch Art. 7 IuKDG gilt § 4 Abs. 1 UrhG auch filr Sammlungen von Daten, die aufgrund der Auswahl und Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind und also ein Sammelwerk darstellen. Die Verwertung dieser multimedialen Sammelwerke bedarf demnach ebenfalls der urheberrechtlichen Lizenzierung. Art. 7 IuKDG gewährt urheberrechtlichen Schutz darüber hinaus auch filr Datenbankwerke. Nach dem durch diese Vorschrift ebenfalls geänderten § 4 Abs. 2 UrhG soll ein Datenbankwerk gegeben sein, wenn ein Sammelwerk vorliegt, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Außerdem in seinen Verwertungsrechten geschützt wird der Datenbankherstell er durch den nach Art. 7 IuKDG neu in das UrhG eingefilgten Sechsten Abschnitt. Damit ist der Schutz von Datenbanken nach dem System des UrhG ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht. Um eine Datenbank handelt es sich nach § 87 a UrhG, wenn eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen vorliegt, die ebenfalls systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Datenbankhersteller und damit Inhaber der im Sechsten Abschnitt des UrhG dargestellten Rechte ist denn auch nach § 87 a Abs. 2 UrhG in Anerkennung seines Leistungsergebnisses 13 derjenige, der diese Investition vorgenommen hat. Die Verwertung aller dieser geschützten multimedialen Werke und Anwendungen bedarf der urheberrechtlichen Lizenzierung, gleichviel ob es sich um Produktion oder elektronische Publikation handelt. Dem Urhebervertragsrecht kommt im Bereich Multimedia also eine entscheidende Bedeutung zu. Das Urheberrecht ist dabei keineswegs Hemmschuh filr die Durchsetzung und den Erfolg der digitalen Pläne, sondern es wirkt der Gefahr entgegen, daß bei der neuen Technologie-Entwicklung das Werk des Urhebers weniger unter dem Aspekt der geistigen Schöpfung, sondern mehr als Handelsware angesehen wird, die möglichst ungehindert in Multimedia-Produkten genutzt und vermarktet werden soll. 14
13
14
So Engel-FlechsigIMaennelffettenborn, in: NJW 1997, S. 2981, 2992. Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 236.
11. Erforderliche Lizenzen für Produktion und Anwendung
43
2. Abgrenzung zu den Lizenzverträgen für Hypertext- und Retrieval-Software Auch Software-Lizenzen sind rur die Erstellung von Multimedia-Produkten von erheblicher Bedeutung. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die Position des Multimedia-Produzenten gegenüber den Urhebern der EinzeIwerke eine andere ist als gegenüber den Softwareherstellern. Gegenüber diesen tritt der Multimedia-Produzent als Kunde auf, als Software-Anwender, der das jeweilige Programm erwirbt und bestimmungsgemäß verwendet. Das gilt auch dann, wenn das Programm speziell fiir die Multimedia-Anwendung erstellt worden ist. Multimediaspezifische Lizenzierungsprobleme treten insoweit nicht auf. Nach alledem sollen die Lizenzen, die mit den gewerblichen Schutzrechten fiir solche Software, die zur Produktion von Multimedia-Werken verbunden sind, nicht Gegenstand der Untersuchung sein. 15 Dies orientiert sich an der Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates in Art. lAbs. 3 der Richtlinie 96/9/EG (Datenbankrichtlinie)16, den den Datenbanken durch die Richtlinie gewährten Schutz nicht auf die fiir die Herstellung oder den Betrieb von Datenbanken verwendeten Computerprogramme zu erstrecken. Das neue IuKDG des Bundes erweitert diese Aussage, indem in § 4 Abs. 2 die Differenzierung zwischen gesetzlichem Schutzgegenstand und Computerprogramm nicht nur auf die Datenbank bezogen wird, sondern auch das (in der Datenbank enthaltene multimediale) Datenbankwerk erfaßt. Aus dieser Wertung läßt sich folgern, daß die multimedia-spezifischen Probleme, die eine neue gesetzliche Regelung erforderlich machen, nicht im Bereich der verwendeten Software, sondern im Bereich der mit ihrer Hilfe erstellten Multimedia-Anwendungen liegen. Gegenstand der kartellrechtlichen Prüfung ist also das multimedia-spezifische Urhebervertragsrecht.
3. Urhebervertragsrecht a) Systematik
Die vertragliche Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist Gegenstand der §§ 31 ff. UrhG. Der Unterschied des Nutzungsrechts zum Verwertungsrecht des Urhebers ist kein inhaltlicher, sondern liegt darin begründet, 15 Dies gilt nicht fur die in einem gesonderten Abschnitt zu behandelnde BrowserSoftware. 16 Im folgenden mit Datenbankrichtlinie bezeichnet.
44
c. Das Lizenzierungssystem
in wessen Person das Recht entsteht. Während die Verwertungs befugnis des Urhebers als unübertragbare vennögensrechtliche Komponente des Urheberrechts als Verwertungsrecht besteht, handelt es sich bei der einem anderen eingeräumten Verwertungsbefugnis um ein Nutzungsrecht im Sinne des § 31 UrhG. 17 Die Begründung dafilr liegt in der Unübertragbarkeit des Urheberrechts, die sich auch in dessen vennögensrechtlicher Seite, den Verwertungsrechten, niederschlägt. Der Urheber kann jedoch Nutzungsrechte an seinem Verwertungsrecht konstitutiv als Tochterrechte an seinem Urheberrecht einräumen. 18 Diese Rechteinräumung erfolgt durch den urheberrechtlichen Lizenzvertrag. Urheberrechtliche Lizenzen sind auch als Lizenzen zweiter Stufe denkbar, die als "Enkel"-Nutzungsrechte vom Inhaber eines Tochterrechts eingeräumt werden. 19
b) Auslegung des Lizenzvertrages
Bei der Auslegung urheberrechtlicher Lizenzen kommt der Zweckübertragungstheorie entscheidende Bedeutung zu. Danach sind von der Lizenz nur solche Nutzungsarten erfaßt, die zum Gebrauch des Nutzungsrechts nach dem mit seiner Einräumung verbundenen Zweck notwendig sind (§ 31 Abs. 5 UrhG). Die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse kann nur dann angenommen werden, wenn ein dahingehender Partei wille unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist. 20 Grund für diese Regelung ist die möglichst weitgehende Beteiligung des Urhebers an den Früchten der wirtschaftlichen Verwertung seines Werks. Strenggenommen nicht zu den Auslegungsregeln gehörig21 , jedoch von besonderer Wichtigkeit filr das Urhebervertragsrecht im Bereich Multimedia, ist die Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG, nach der die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten sowie die Verpflichtung dazu unwirksam sind. Für die Lizenz zur Verwertung eines Werkes in einer Multimedia-Anwendung über Internet oder CD-ROM 22 ist also ein Vertragswortlaut
Schricker, Vor §§ 28 tf. UrhG, Rdnr. 20. Schricker, Vor §§ 28 tf. UrhG, Rdnr. 19. 19 Schricker, Vor §§ 28 ff. UrhG, Rdnr. 21. 20 v. Gamm, § 31, Rdnr. 21. 21 Schricker, §§ 31/32 UrhG, Rdnr. 11. 22 Zur Einordnung dieser Verwertungsarten als neue Nutzungsarten vgl. Lehmann, in: Internet- und Multimedia-Recht, S. 57, 65; Katzenberger,: in Internet- und Multimedia-Recht, S. 219, 232; Bezirksgericht Amsterdam, MMR 1998, S. 34 f. 17
18
III. Das Vertragssystem
45
erforderlich, der die neue Nutzungsart umfaßt und im Fall ihrer lediglich technischen Bekanntheit Klarheit über den Risikocharakter dieser Nutzungsart schafft. 23
111. Das Vertragssystem Die lizenzvertragliche Grundlage filr Multimedia ist in horizontaler und vertikaler Hinsicht mehrdimensional - in horizontaler Hinsicht, weil aufgrund der Integration verschiedenster medialer Werke in die Multimedia-Anwendung filr jedes der verwerteten Werke eine Lizenz erforderlich ist; in vertikaler Hinsicht deshalb, weil sowohl die Produktion, als auch die Publikation und die Anwendung des Multimedia-Werkes eine Lizenzierung erfordert. Es handelt sich also um ein System von sich kreuzenden und nebeneinander bestehenden Lizenzverträgen, die es erst in dieser Kombination möglich machen, das Multimedia-Werk zu verwerten und das geplante Produkt am Markt anzubieten.
1. Die Beteiligten am multimedialen Lizenzsystem a) Der Autor des einzelnen Werkes oder des Multimedia-Werkes
Gleichviel, ob ein bereits bestehendes Werk in eine Multimedia-Anwendung integriert werden soll oder ob ein Werk gesondert filr diese Integration (digital) erstellt wird, das multimediale Lizenzsystem entwickelt sich vom Urheber dieses Werkes als Inhaber des originären Verwertungsrechts aus. Das Urheberrecht, dessen Nutzungsrechte im Mittelpunkt des Lizenzsystems stehen, verbleibt bei ihm. Allerdings erfordern die neuen Erzeugnisse und Dienstleistungen neue Schaffensmethoden, an denen eine Vielzahl von Einzelpersonen beteiligt sind, deren eigener schöpferischer Anteil am MultimdiaWerk häufig nicht eindeutig auszumachen ist. b) Der Multimedia-Produzent
Der Urheber des Einzelwerks lizenziert die Nutzungsrechte an diesem Werk an den Multimedia-Produzenten, soweit zwischen beiden keine Indentität 23 Schippan, in: ZUM 1996, S. 229, 230; al1erdings ist nach LG Hamburg, MMR 1998, S. 44, 45, die CD-ROM-Nutzung seit 1989 nicht mehr unbekannt, weil sie seitdem technisch geläufig gewesen und eine Durchsetzung als Massengeschäft rur die Annahme einer wirtschaftlichen Bedeutsamkeit nicht notwendig sei.
46
C. Das Lizenzierungssystem
besteht. Dieser stellt aus unterschiedlichen Werken, rur die er die Nutzungsrechte erworben hat, ein Multimedia-Werk zusammen und integriert die Einzelwerke in das Multimedia-Dokument. Seine Tätigkeit ist dabei inhaltlicher und weniger technischer Art, so daß der Begriff des Produzenten im Sinne eines Entwicklers zu verstehen ist. Der Multimedia-Produzent hat keine abgrenzbare Marktposition wie etwa ein Schallplatten- oder Filmproduzent. Aufgrund der außergewöhnlichen Vielfalt von Multimedia-Anwendungen ist Multimedia-Produzent jeder, der in seinem Wirtschaftszweig Multimedia als neue Vermarktungsbasis verwendet. Die Video-Produktionsgesellschaft, die multimediale Sequenzen einsetzt oder die Werbeagentur, die multimediale Werbung produziert, wird zum Multimedia-Produzenten. aa) Die Verlagsgesellschaften Wenn ein Verlag als Multimedia-Produzent auftritt, muß er sich selbstverständlich die Nutzungsrechte an den verwendeten Einzelwerken übertragen lassen, die rur die Integration in das Multimedia-Dokument erforderlich sind. Der Schwerpunkt verlegerischer Tätikeit besteht jedoch traditionellerweise nicht in der Herstellung von Information, sondern in deren Publikation. Durch Multimedia wird sich die Rolle des Verlages gegenüber traditionellen Publikationsmethoden wandeln und erweitern: Er ist die Schnittstelle von Multimedia-Produktion und elektronischer Publikation, rur die gesonderte Lizenzen notwendig sind. Aufgabe des Verlages ist dabei, möglichst viele Informationen möglicht flexibel und im Einklang mit der Rechtsordnung multimedial anzubieten und den Endnutzern darüber hinaus als Informationsvermittler bei der Individualisierung und Gestaltung des multimedialen Informationsangebots zur Verrugung zu stehen. 24 Nach Ansicht von Roland Kirsten, Bertelsmann AG Gütersloh, werden allerdings die konservativen Medien rur die Verlagstätigkeit solange und insoweit vorrangig bleiben, wie Multimedia gegenüber diesen keine eindeutigen technischen Vorteile zur Vermittlung des jeweiligen Inhalts bietet. 25 Als Beispiel nennt er hierrur reine Informationssammlungen und Nachschlagewerke, wie etwa Telefon- und Adreßbücher, deren digitale Erscheinungsformen in Gestalt von Datenbanken in bezug auf eine einfache Handhabung der traditionellen Publikation weitaus überlegen sind.
24 25
Neuhold, in: Online 1990, S. 67. Diese Information stammt aus einem persönlichen Gespräch.
III. Das Vertragssystem
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bb) Vereinigungen und Interessenverbände Zur Stärkung von Marktpositionen sowie zum Infonnationsaustausch gibt es zunächst im Publikationsbereich Vereinigungen und Interessenverbände, die ihre Mitglieder in Fragen des Elektronischen Publizierens beraten, um ihnen eine möglichst einheitliche Ausgangsposition gegenüber den Datenbankbetreibern zu verschaffen. 26 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V., der sich erfolgreich bemüht, mit seinen Handreichungen zum Abschluß von Verträgen über Verlagswerke mit Software und über CD-ROM sowie über die Veröffentlichung in OnlineDatenbanken einen Rechtsrahmen rur die vertraglichen Grundlagen des elektronischen Publizierens zu benennen. Gegenüber diesem publikationsorientirten Verein gibt es noch den Deutschen Multimedia-Verband, der die Interessen der Multimedia-Produzenten wahrnimmt. Zu seinen Mitgliedern gehören Multimedia-Agenturen, Provider und Online-Agenturen, jedoch auch Verlage in ihrer Eigenschaft als Produzenten multimedialer Inhalte. c) Händler und Datenbankbetreiber
Als körperliche Vertriebsfonn von Multimedia-Anwendungen unterscheidet sich die CD-ROM in Lageraufwand und Aufmachung nicht von einem Buch, so daß die Verlage ihre traditionellen Vertriebswege auch rur die Publikation über CD-ROM nutzen. Sie wird also hauptsächlich im Buchhandel angeboten, aber auch in Fachgeschäften, deren Spezialgebiet Gegenstand der MultimediaProduktion ist. Für die unkörperliche elektronische Publikation unerläßlich ist der Datenbankbetreiber (Host). Er stellt dem Verlag die Datenbank zur Verfilgung, in die dieser die multimediale Datensammlung einspeisen kann. d) Der Endnutzer
Wegen der Möglichkeit des Speichems, Kopierens und Veränderns des Multimedia-Werks ist es nötig, den Endnutzer in das Lizenzsystem einzubinden, um seine Nutzungsbefugnisse zu beschränken.
26
Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 405.
48
c. Das Lizenzierungssystem 2. Vertrags beziehungen unter den Beteiligten a) Verlagsverträge
Wie oben dargestellt, bilden die Verlage die Schnittstelle zwischen Multimedia-Produktion und -Publikation. Durch den Verlagsvertrag nach § 1 VerlG überträgt der Urheber das Recht zur VervielflUtigung und Verbreitung seines Werkes als Verlagsrecht nach § 8 VeriG dem Verlag. Wäre die elektronische Publikation davon erfaßt, würden Verlage, die mit dem betreffenden Autor einen Verlagsvertrag haben, keine gesonderte Lizenz benötigen. Allerdings ist der Vervielfliltigungsbegriff des Verlagsrechts enger als der des Urheberrechts. Die Vervielfliltigung und Verbreitung hat nach § 14 VerlG in zweckentsprechender und üblicher Weise zu geschehen. Diese Aussage bezieht sich hinsichtlich der Vervielfliltigung auf die im Buchhandel gebräuchlichen Formen27, zu denen unkörperliche Vervielfliltigungen nicht gehören. 28 Diese Einschränkung schlägt auch auf das Verbreitungsrecht durch, weil nur verbreitet werden kann, was vorher vervielfliltigt worden ist. Deshalb muß jede Verwertungsform in elektronischen Ausgabemedien gesondert als Nebenrecht übertragen werden. Für die erforderlichen Lizenzen macht es also keinen Unterschied, ob die elektronische Verbreitung durch einen Verlag oder einen anderen MultimediaProduzenten erfolgt. Um dem Verlag im Fall der elektronischen Publikation die gleiche Situation zu verschaffen wie bei der traditionellen Publikation über Print-Medien, sollte die Lizenz die Befugnis enthalten, der Verlags lizenz vergleichbare Unterlizenzen zu erteilen, also das Recht zum elektronischen Publizieren weiterzuübertragen. Die Übertragung multimedialer Nutzungsrechte an einen Verlag ähnelt in ihrer vertraglichen Ausgestaltung denn auch dem Verlagsvertrag. 29
b) Produktionslizenz Die Produktionslizenz berechtigt den Multimedia-Produzenten zur Integration eines Werkes in ein Multimedia-Werk.
Im Hinblick auf § 31 Abs. 4 UrhG ist zunächst eine genaue Definition der Multimedia-Produktion als Verwendungsform des Werkes nötig. Dazu gehören die Komponenten, aus denen sich die Produktion zusammensetzt, die Be27 Bappert/Maunz/Schricker, § 14 VerlG, Rdnr. 2, nennen VervielflUtigungsformen wie Hoch-, Tief- oder Flachdruck, es handelt sich dabei durchgehend um das Erstellen von Papiervervielililtigungsstücken. 28 Gallus, in: Rechtsprobleme des elektronischen Publizierens, S. 53, 63. 29 Wittweiler, in: UFITA 128/1995, S. 5, 20.
III. Das Vertragssystem
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schreibung der technischen Grundlagen und der vorgesehenen Speichermedien. Die Produktionslizenz enthält weiterhin die Beschreibung des verwendeten Werkes, ob es bereits existiert oder gesondert fiir die Multimedia-Produktion erstellt wird. Zu den Produktionslizenzen gehört auch die Erlaubnis, ein ganzes Buch oder ein ähnliches Verlagserzeugnis auf einem elektronisches Speichermedium zu speichern und zu kopieren. c) Publikationslizenz
Isolierte Publikationslizenzen sind immer da erforderlich, wo ein bereits bestehendes, vom Urheber oder einem Multimedia-Produzenten erstelltes Multimedia-Werk von einem Dritten, meist einem Verlag, veröffentlicht werden soll. Es ist aber auch möglich, daß die Publikationslizenz gemeinsam mit der Produktionslizenz erteilt wird, wenn der Multimedia-Produzent auch die Veröffentlichung vornimmt. Publikationslizenzen enthalten neben der Erlaubnis zum elektronischen Publizieren in der Regel auch das Auffilhrungsrecht mit allen fiir die Multimedia-Anwendung geeigneten Methoden. 30 Der Schwerpunkt liegt jedoch bei der On- und Offline-Publikation. Zwar werden durch die digitale Verbreitung die Distributionsmöglichkeiten urheberrechtlich geschützter Werke revolutioniert, es wird aber auch die Kontrollierbarkeit einer weitergehenden Nutzung der Werke durch Datenbankbetreiber und deren Endnutzer in Form von unautorisierter Reproduktion oder Verletzung der Werkintegrität erheblich eingeschränkt. 31 Das Elektronische Publizieren birgt neben der Chance, sich neue Märkt zu erschließen, auch nicht unbeachtliche Risiken tUr die Verlage. 32 aa) Aufuahme des Werkes in eine Datenbank Die Aufuahme eines Werkes in eine Datenbank ist zwar die Voraussetzung fiir die Online-Publikation, Datenbanken können aber auch auf CD-ROM gespeichert werden. Eine Datenbanklizenz kann also als Online- und als Offline33 -Datenbanklizenz erteilt werden. Jedenfalls enthält sie aber das Recht, die Werke, die in der Regel in einer Anlage zum Lizenzvertrag aufgelistet
30 Contract to authorize the use of a pre-existing work in a multimedia work, S. 2 f., überreicht durch den Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. 31 Handreichung Online-Datenbanken, S. l. 32 Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 405. 33 So Erwägungsgrund (22) zur Datenbankrichtlinie. 4 Kreutzmann
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C. Das Lizenzierungssystem
werden, maschinenlesbar zu erfassen und in einer Datenbank elektronisch zu speichern. bb) Offline-Publikation Publikationslizenzen rur Multimedia-Werke beinhalten zunächst das Recht, das Werk in körperlicher Form gespeichert auf CD-ROM über verschiedene Vertriebswege zu veröffentlichen und zu vermarkten: über den Buchhandel, Spezialgeschäfte, Großmärkte, Direktverkaufund Mail-Order. Spezifische lizenzvertragliche Probleme ergeben sich bei der Offline-Publikation gegenüber den traditionellen Print-Medien insofern nicht, als sich ihr Vertrieb nicht wesentlich von letzteren unterscheidet. Allerdings muß auch hier der besonderen Manipulationsgefahr Rechnung getragen werden, der das Multimedia-Werk mit dem Einspeisen in den Benutzer-Computer ausgesetzt ist. Dem Benutzer müssen deshalb Nutzungsbeschränkungen auferlegt werden, die zum einen die Werkintegrität garantieren und zum anderen, ebenso wie bei der Überlassung von Software, der unautorisierten Vervielfliltigung entgegenwirken. cc) Online-Publikation Die Lizenz zur Online-Publikation umfaßt die Befugnis zur unkörperlichen Verbreitung des Werks über externe Netzwerke, insbesondere über das Internet, mittels Datenbanken. (1) Vertrags beziehungen zwischen Autor und Produzent
Zunächst ist eine Online-Datenbanklizenz zwischen Autor und MultimediaProduzent erforderlich, die gestattet, daß das Multimedia-Werk, in das das Werk integriert worden ist, online über den Abruf von Datenbanken publiziert wird. Darin ist notwendig die Erlaubnis enthalten, das Recht zur OnlineVerbreitung als Unterlizenz auf einen Datenbankbetreiber zu übertragen. Der Datenbankbetreiber ist dabei der Inhaber und Organisator einer öffentlich oder bestimmten Nutzergruppen zugänglichen Datenbank. 34 Die Rolle des Multimedia-Produzenten wird in der Praxis häufig von einem Verlag übernommen. Das ist aber keineswegs zwingend. Es ist auch möglich, daß der Produzent ei34 Zu den Begriffsbestimmungen der Online-Datenbanklizenz Handreichung Online- Datenbanken, S. 10.
III. Das Vertragssystem
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nem Verlag gegenüber die Rol1e des Autors einnimmt, wenn der Verlag die Publikation einer bereits erstel1ten Multimedia-Produktion vornehmen soll.
(2) Vertragsbeziehungen zwischen Produzent und Datenbankbetreiber
Der Lizenzvertrag zwischen dem Produzenten und dem Datenbankbetreiber35 enthält zunächst die Berechtigung des Datenbankbetreibers, das Werk in dessen Datenbank elektronisch zu speichern und im Wege der Datenfernübertragung an Endnutzer auf deren Abruf zu verbreiten. Weiterhin wird der Datenbankbetreiber berechtigt, den Endnutzern die unkörperliche (Download) oder körperliche (Papierkopien) Wiedergabe von kleinen Teilen des Werkes zu gestatten. Auch darf der Datenbankbetreiber die Papierkopien selber ersteHen und an die Endnutzer auf deren BesteHung zum privaten Gebrauch liefern (Publishing on demand). Außerdem ist er zur ErsteHung von Abstracts berechtigt und darf mit diesen ebenso verfahren wie mit dem Werk. Voraussetzung dafiir, daß der Produzent dem Datenbankbetreiber diese Nutzungsrechte übertragen kann, ist, daß er in ihrem Besitz ist, sie also vom Urheber zuvor übertragen bekommen hat und zu ihrer Weiterübertragung befugt ist. Den Nutzungsrechten des Datenbankbetreibers korrespondieren entsprechende Vertragspflichten, die den Schutz des Werkes bezwecken, indem sie dem Datenbankbetreiber Verhaltensweisen untersagen, die zur unbefugten Nutzung sowie zur Kürzung, Umformung, Umgestaltung oder EntsteHung fiihren können. Um die korrekte Abfiihrung der Lizenzgebühren je Abruf sicherzustellen, trifft den Datenbankbetreiber außerdem eine Auskunftspflicht hinsichtlich der erfolgten Abrufe aus der Datenbank, die Verbindungszeiten und die Zahl der versandten Papierkopien von Werkteilen und Abstracts. (3) Vertragsbeziehungen mit dem Endnutzer
Ebenso wie bei der Offline-Publikation müssen auch bei der Veröffentlichung über Online-Medien dem Endnutzer Beschränkungen auferlegt werden, um die Werkintegrität zu gewährleisten und den Urheber vor unautorisierter Vervielfiiltigung zu schützen.
35
Dazu eingehend Handreichung Online-Datenbanken.
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C. Das Lizenzierungssystem
3. Möglichkeiten der Rechtewahrnehmung Verwertungsrechte können am einfachsten dadurch wahrgenommen werden, daß der Rechtsinhaber - im Falle von Verwertungsrechten muß dies der Urheber sein - auf der Grundlage von an ihn gerichteten Anträgen Lizenzen erteilt. Das kann der Urheber des im Multimedia-Werk verarbeiteten Werks sein oder, da das Multimedia-Werk nach dem neugefaßten § 4 Abs. 1 UrhG ein urheberrechtlieh geschütztes Sammelwerk darstellt, auch dessen Schöpfer, der Multimedia-Produzent. Die nächste Stufe im System der Rechtswahrnehmung wird dadurch gebildet, daß der Erstinhaber seine Rechte nicht selbst wahrnimmt, sondern als Nutzungsrechte zur Wahrnehmung einem Verlag überträgt. Von der individuellen unterscheidet sich die kollektive Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften. Bei der Verwaltung von Urheberrechten rur traditionelle Verwertungsformen findet sie insbesondere in den Fällen Anwendung, in denen die Rechtsinhaber aufgrund von Zwangslizenzen unbedingt Lizenzen erteilen müssen oder wenn sie im Falle einer gesetzlichen Lizenz nur einen Vergütungsanspruch haben. 36 Der Zusammenschluß zu starken und effizienten Verwertungsgesellschaften zur zentralen Rechtewahrnehmung ist aber auch die einzige Möglichkeit rur die Vielzahl von Urhebern, der Marktrnacht der Nutzer ein Gegengewicht entgegenzusetzen und auch dem wirtschaftlich Stärkeren gegenüber als adäquater Verhandlungspartner aufzutreten. 37 Wie bereits dargelegt, sind rur die Multimedia-Produktion und -Publikation eine erhebliche Anzahl von Lizenzen erforderlich. Fehlt eine dieser Lizenzen, darf die betreffende Multimedia-Produktion nicht verbreitet und also auch nicht vermarktet werden. Es ist unpraktikabel und birgt eine erhebliche Rechtsunsicherheit, mit einer Vielzahl von Rechteinhabern individuelle Lizenzverträge mit unterschiedlichen Regelungen und Lizenzgebühren abzuschließen. Darüber hinaus würden Lizenzgebühren, die rur jedes Werk und jede Leistung einzeln erhoben werden, zusammengenommen die Kosten filr Multimedia in die Höhe treiben und damit aufgrund des hohen Investitionsniveaus die Entwicklung dieses Sektors in nicht unerheblicher Weise behindern. Zur Vereinfachung des Rechtseerwerbs können zwei Modelle der Rechtswahrnehmung im Multimedia-Bereich beitragen: Zum einen ein Permission Clearance Service, der der Information, Rechtevermittlung, Marktbeobachtung und Kontrolle dienes, zum anderen das One-Stop-Shopping-System, das den 36 37 38
Grünbuch, abgedruckt in UFITA 130/1996, S. 163,204. Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 237. Gaster, in: ZUM 1995, S. 740, 751.
III. Das Vertragssystem
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Rechteerwerb nach einheitlichen Richtlinien und die Lizenzvergabe in einem standardisierten Verfahren ermögliche 9 . Ob diese Modelle gegenüber einer verstärkt individuellen Rechtswahmehmung vorzugswürdig sind und welches von ihnen den Anforderungen, die Multimedia stellt, am ehesten gerecht wird, wird auch im Hinblick auf kartellrechtliche Gesichtspunkte zu untersuchen sein.
4. Zusammenfassung Im Rahmen des multimedialen Lizenzsystems kommt dem elektronischen Publizieren und damit den Verlagen eine entscheidende Bedeutung zu. Ihrer Marktrnacht stehen auf der einen Seite die individuellen Rechteinhaber gegenüber, die ihre Rechte kollektiv wahrnehmen und sich so ebenfalls eine einflußreiche Position am Markt erkämpfen können. Auf der entgegengesetzten Seite des Vertragssystems befmden sich die Datenbankbetreiber.
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Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 405.
D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen Die vielgestaltigen Wettbewerbsbeschränkungen in Urheberrechtsverträgen haben sich bisher einer systematischen Erfassung entzogen und werden durch neue Gestaltungsformen der Praxis immer wieder vermehrt.! Neue Facetten erhält dieses Spannungsfeld zweier sich überschneidender Rechtsgebiete auch durch die Multimedia-Technologie. Der neue Markt der Multimedia-Lizenzen findet seine vertragliche Grundlage in einem Lizenzsystem, das neue, bereichsspezifische Kartellrechtsprobleme birgt. Daneben treten natürlich alle die Rechtsfragen auf, die unter dem Begriff "Lizenzkartellrecht" zusammengefaßt werden. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sollen jedoch nur solche Wettbewerbsbeschränkungen sein, die charakteristisch rur die Lizenzierung von Multimedia-Anwendungen sind und also im urhebervertraglichen Lizenzkartellrecht der traditionellen Medien nicht vorkommen oder die hinsichtlich der technischen Entwicklung eine neue Bewertung erforderlich machen.
J. Mögliche Wettbewerbsbeschränkungen Wettbewerbsbeschränkungen können vertikal zwischen nachgeordneten Martktstufen oder horizontal auf gleicher Marktstufe auftreten. Vertikale Vertragsbeziehungen bestehen im multimedialen Lizenzsystem innerhalb der Lizenzkette vom Urheber des Einzel- oder Multimedia-Werks unter Beteiligung von Produzenten und Verlagsgesellschaften bis zum Endnutzer. Jedes dieser Glieder in der Lizenzkette bildet eine eigene Stufe auf dem MultimediaMarkt, auf der der Wettbewerb horizontal beschränkt werden kann.
1. Vertikale Vertragsbeziehungen Die ökonomische und rechtstatsächliche Konsequenz der Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Leistungen ist, daß die bislang voneinander abgegrenzten Handelsstufen der Werkvermittlung verschmelzen und die Werkvermittler aufgrund wachsender Konvergenz ihrer Tätigkeit sowohl zueinander ! Fikentscher, in: Schricker-FS, S. \49, \51.
I. Mögliche Wettbewerbsbeschränkungen
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als auch im Verhältnis zum Urheber in Konkurrenz treten. Vertikale Vertragsbeziehungen bestehen also nicht nur zwischen den Repräsentanten typisch aufeinanderfolgender Vermittlungsstufen, sondern auch unter Auslassung jeglicher oder doch vereinfachter Vermittlung zwischen allen am multimedialen Lizenzsystem Beteiligten. Dabei gelangen zunehmend die schließlich mit dem Endnutzer geschlossenen Lizenzverträge ins Blickfeld, eine Entwicklung, an deren Anfang die Software-Verträge stehen und die sich nun im Multimedia-Bereich, insbesondere im Bereich des Elektronischen Publizierens, fortsetzt. 2 a) Vertragliche Bindungen in der Lizenzkette
Die vertraglichen Bindungen in der Lizenzkette sind zu unterscheiden in (hier so genannte) Vertriebsbindungen, die von einer Vermittlungsstufe zur nächsten weitergegeben werden, um die Konditionen des Vertriebs an den Endnutzer festzulegen, und in (hier so genannte) Vermittlungsbindungen, die den Zweck haben, Nutzungsbeschränkungen zum Schutz des Werks von einem Werkvermittler zum nächsten und schließlich bis zum Endnutzer weiterzugeben und so alle an der Lizenzkette Beteilgten gleichermaßen zu verpflichten. Im letzteren Fall kann die Lizenzkette also bis zum Endnutzer reichen, im ersteren hingegen entfaltet sie nur bis zum letzten Werkvermittler Bindungswirkung. aa) Preisbindungen Die wichtigsten Vertriebsbindungen sind Preisbindungen. Preisbindungen sind unmittelbare oder mittelbare Fixierungen von Preisen oder einzelner Preisbestandteile in einem Erstvertrag rur einen Zweitvertrag. 3 Solche Klauseln sind zwar nicht spezifisch urhebervertragsrechtlich, kommen jedoch häufig in multimedialen Lizenzverträgen vor und regeln die Preise rur die OfflinePublikation (Preis pro CD-ROM) wie rur die Online-Publikation (Preis pro Abruf von der Datenbank, pro versendeter Papierkopie oder FundsteIlennachweis). Preisbindungen sind grundsätzlich gern. § 14 GWB verboten. Es ist jedoch fraglich, ob Elektronische Publikationen als Verlagserzeugnisse im Sinne des § 15 Abs. I GWB anzusehen sind, so daß das Preisbindungsverbot des § 14 GWB rur sie nicht gälte. Dies soll im folgenden untersucht werden. Das 2 3
Moufang, in: Schricker-FS, S. 571, 576. Emmerich, Kartellrecht, S. 145.
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Ergebnis dieser Untersuchung soll dann der Beurteilung von Preisbindungen rur Multimedia-Erzeugnisse nach dem EG-Vertrag gegenübergestellt werden. bb) Nutzungsbeschränkungen Multimedia-Werke unterliegen aufgrund ihrer digital integrierten Form der ständigen Gefahr der unautorisierten Reproduktion und der Verletzung der Werkintegrität, weil ganze oder Teile maschinenlesbar erfaßter Werke nach Belieben neu kombiniert oder aufgespalten werden können. 4 Diese Gefahr besteht sowohl während der Werkvermittlung als auch durch den Endnutzer. Es ist also notwendig, jedem Beteiligten an der multimedialen Lizenzkette Nutzungsbeschränkungen aufzuerlegen, die der weit geflicherten Nutzungsmacht aufgrund dauerhafter oder zeitweiser Überlassung des Informationsguts vertragliche Grenzen ziehen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob es sich um Online- oder Omine-Publikationen handelt, denn sowie das Multimedia-Werk während der Produktion, Publikation oder Endnutzung in den Arbeitsspeicher eines Computers eingelesen wird, ist diese Nutzungsmacht gegeben. Wesentliches Merkmal von Multimedia-Lizenzen ist also ihre Nutzungsbezogenheit. s Diese Nutzungsbezogenheit findet ihren Niederschlag zum einen in Klauseln, die die Nutzung des Multimedia-Werkes nur während der Werkvermittlung -also der Einspeisung in eine Datenbank oder der Speicherung auf CDROM - betreffen, und zum anderen in Klauseln, die die Endnutzung regeln und also auch den Endnutzer binden sollen. Während die Werkvermittler, also die Produzenten und Datenbankbetreiber, in das Lizenzsystem eingebunden sind und die Nutzungsrechte als Voraussetzung der Vermarktung von MultimediaAnwendungen bewußt mittels Lizenzverträgen erwerben, kommt es dem Endnutzer nur auf den Erwerb der Information an. Er ist sich in der Regel gar nicht bewußt, daß er dazu einer Lizenz bedarf. Es ist also fraglich, wie der Endnutzer in die Lizenzkette eingebunden wird. Die erste Möglichkeit besteht darin, daß innerhalb der Lizenzkette die Verpflichtung zur Vereinbarung urheberrechtlicher Nutzungsregeln von Stufe zu Stufe vertraglich weitergegeben wird. Die Nutzungsbeschränkung des Endnutzers besteht dann innerhalb der Vertragsbeziehung mit dem letzten Werkvermittler. Die zweite Möglichkeit ist, den Endnutzer in unmittelbare Rechts-
4 Handreichung Online-Datenbanken, S. I; dazu auch Lehmann, in: Internet- und Multimedia-Recht, S. 25, 28 ff. 5 Für Infonnationsverträge im allgemeinen Moufang, in: Schricker-FS, S. 571, 587 f.
I. Mögliche Wettbewerbsbeschränkungen
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beziehungen zum Urheber oder der Stelle zu bringen, die seine Rechte wahrnimmt (Verlag, Verwertungsgesellschaft).6 Bei der Offline-Publikation geschieht dies entweder mittels eines SchutzhülIenvertrages oder eines Reversvertrages. Der Schutzhüllenvertrag, dessen Bestimmungen durch die durchsichtige Plastikhülle des Multimedia-Erzeugnisses sichtbar sind, kommt durch Aufreißen der Plastikfolie zustande. Demgegenüber wird der Reversvertrag dem Endnutzer vom Händler ausgehändigt, der das Multimedia-Erzeugnis nur gegen Unterschrift unter diesen Vertrag herausgibt. Bei Online-Publikationen wird der Endnutzer durch den Vertrag mit dem Datenbankbetreiber an die Nutzungsbeschränkungen gebunden, es kommt also nicht zu einer direkten Vertragsbeziehung mit dem Rechtsinhaber oder dem, der die Rechte wahrnimmt. Zur Weitergabe der Nutzungsbeschränkung an den Endnutzer ist der Datenbankbetreiber durch die Online-Publikationslizenz verpflichtet. 7 Eine direkte Vertragsbeziehung zwischen dem Endnutzer und dem Rechtsinhaber ist deshalb schwer durchsetzbar, weil zum Online-Werk unkörperlicher Zugang besteht, der Vertrags schluß also nicht an den Informationszugang in Gestalt einer Aushändigungshandlung geknüpft werden kann. Das Verbot von Weiterverbreitungshandlungen als kartellrechlich besonders bedeutsame Nutzungsbeschränkung erfolgt mittels Klauseln, die den Endnutzer ausschließlich zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch berechtigen und also jede Weitergabe der im Wege der Datenfemübertragung oder des Kopienversands abgerufenen bzw. bestellten Werke oder Abstracts verbieten. Nutzungsbeschränkungen sind Verwendungs- Absatz- oder Bezugsbeschränkungen und können als solche dem Tatbestand des § 16 GWB unterfallen. 8 Zu untersuchen sind außerdem Tatbestandsmäßigkeit und Freistellungsmöglichkeiten nach Art. 85 EGV. b) Ausschließlichkeitsklauseln, Wettbewerbsverbote und Optionen
Insbesondere in Verlagsverträgen9 finden sich Ausschließlichkeitsklauseln, die es dem Autor verbieten, das Werk, auf das sich der Verlagsvertrag bezieht, einem anderen Verlag anzubieten. \0 Diese gelten dann auch rur die im Ver6 7 8
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Dazu Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 30 fI Handreichung Online-Datenbanken, S. 5. Moufang, in: Schricker-FS, S. 571, 594. S. § 8 VerlG. Werberger, S. 49.
D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
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lagsvertrag übertragenen Nebenrechte fiir das Elektronische Publizieren. I I Ausschließliche Lizenzen können jedoch im Multimedia-Bereich auch außerhalb von Verlagsverträgen wie in Verträgen über die Lizenzierung beliebiger gewerblicher Schutzrechte vorkommen. Es handelt sich also nicht um eine Besonderheit im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Multimedia-Anwendungen. Ebenso verhält es sich mit Wettbewerbsverboten und Optionen. Diese sind zwar häufig Bestandteil von Multimedia-Lizenzen, wiederum insbesondere in Verlagsverträgen, sie weisen jedoch keine Besonderheiten auf, die damit zusammenhängen, daß es sich um Lizenzen fiir Multimedia-Anwendungen handelt. Sie sind deshalb wie die Ausschließlichkeitsklauseln nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. 12 2. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen sind im Multimedia-Bereich wie auf jedem anderen Markt auf jeder Vermarktungsstufe denkbar. Es ist also möglich, daß sich Autoren, Produzenten, Verlage oder Datenbankbetreiber untereinander vertraglich binden oder anderweitig ihr Marktverhalten abstimmen, um ihre Marktmacht zu bündeln und sich so eine stärkere Position am Markt auf Kosten des Wettbewerbs zu verschaffen. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Multimedia-Markt könnten gegenüber solchen auf anderen Märkten Besonderheiten aufweisen. Diese liegen möglicherweise darin begründet, daß der Multimedia-Markt noch sehr jung und deshalb besonders anfällig fiir Wettbewerbsbeschränkungen ist, die von einer Marktrnacht ausgehen, die auf einem anderen Markt, nämlich dem traditionellen Medienmarkt, von den großen Verlagsgesellschaften erworben worden ist. Vielleicht ist es unter diesen Umständen auch gar nicht möglich, daß sich ein eigenständiger Multimedia-Markt entfaltet, der Bereich Multimedia vielmehr dazu dient, die Markt- und Wettbewerbsstrukturen auf dem bereits stark vermachteten Medienmarkt noch mehr zu verhärten. Diese Zusammenhänge werden im folgenden zu untersuchen sein.
Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 13. Zur kartellrechtlichen Beurteilung von Verlagsverträgen sehr ausfiIhrIich Werberger in ihrem gleichnamigen Werk. 11
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11. Das Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht
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3. Export- und Parallelimportverbote als Besonderheiten des Gemeinsamen Marktes Als Wettbewerbsbeschränkung auf dem Gemeinsamen Markt kommen vor allem Export- und Parallelimportverbote in Betracht. Diese können zum einen direkt Gebietsschutz bezwecken oder aber die Sicherung einer außerdem vereinbarten Preisbindung, so daß die Beschränkung des Gemeinsamen Marktes nur die indirekte Folge einer beabsichtigten Beschränkung auf dem nationalen Markt darstellt. Zu diesem Zweck werden auch nicht immer Reimportverbote, sondern auch Reimportpreisbindungen vereinbart. Die Begriffe "Reimport"und "Export-Preisbindung" oder ,,-Verbot" meinen dabei dasselbe, stellen nur auf eine jeweils andere Perspektive ab. Ein Reimport ist aus der Sicht eines inländischen Händlers gegeben, der zuvor ausgefilhrte Waren aus dem Ausland wieder einfUhrt. Aus der Sicht des ausländischen Händlers, der die Ware, die er in sein Land eingefUhrt hat, wieder in das Ursprungsland ausfUhrt, handelt es sich um einen Export. 13 Reimportpreisbindungen gelten im folgenden als von der Untersuchung von Preisbindungen allgemein miterfaßt. Das Problem der Reimporte kann hinsichtlich der Online-Publikation nicht entstehen, weil es sich um eine unkörperliche Verbreitungs form handelt. Es gibt hier kein Speichermedium, das als Handelsware ein- und ausgefUhrt werden kann. Publikationen auf CD-ROM hingegen werden körperlich verbreitet, so daß der Informationsträger wie eine gegenständliche Handelsware behandelt werden kann. Wettbewerbsprobleme des Gemeinsamen Marktes, die im Zusammenhang mit Reimport- und Exportverboten entstehen, gibt es also nur bei der Offline-Publikation. Diese bergen jedoch keine multimedia-spezifischen Probleme, so daß sie ebenso wie Ausschließlichkeitsklauseln, Wettbewerbsverbote und Optionen nicht Gegenstand der Untersuchung sind.
11. Das Verhältnis von nationalem und europäiscbem Kartellrecbt Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der kartellrechtlichen Kontrolle von Multimedia-Lizenzen. Um die zu gewinnenden Ergebnisse im Sinne der Vorhersehbarkeit von Verbots- oder Elaubnisentscheidungen der Kommission oder des BKartA verwertbar zu machen, müssen Aussagen darüber getroffen werden, welches Recht in welchem Fall Anwendung findet. Es ergibt sich demnach die Notwendigkeit der Darstellung des Verhältnisses von europäischem und deutschem Kartellrecht.
\3
Langbein, S. 155.
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
1. Anwendbarkeit der Art. 85, 86 EGV Die in Art. 85, 86 EGV enthaltene Zwischenstaatlichkeitsklausel übernimmt die Funktion einer Kollisionsnonn, die den sachlichen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft von dem des nationalen Wettbewerbsrechts abgrenzt. 14 Sie bestimmt, daß die Anwendung von Art. 85, 86 EGV davon abhängt, ob eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. a) Handel zwischen Mitgliedstaaten
Der Begriff des Handels zwischen Mitgliedstaaten ist nicht wörtlich zu verstehen. Gemeint ist nicht nur der Waren verkehr, sondern der gesamte Wirtschaftsverkehr. 15 Die wirtschatliche Verwertung von Urheberrechten durch Lizenzen findet auf einem Markt mit wirtschaftlicher Konkurrenz statt 16, ist also Teil des Wirtschaftsverkehrs und als solcher vom Begriff des Handels zwischen Mitgliedstaaten erfaßt. 17 b) Eignung zur Beeinträchtigung
Zweck des EG-Kartellrechts ist nicht die unbedingte Zunahme des Warenaustausches im Gemeinsamen Markt, sondern ein System unverflilschten Wettbewerbs (Art. 3 lit. g) Nr. 7 a EGV).18 Diesem Zweck entsprechend ist das Merkmal der Beeinträchtigung zwischenstaatlichen Handels auszulegen. Die Eignung zur Beeinträchtigung ist dabei gleichbedeutend mit einer Eignung zur Beeinflussung, da es weder darauf ankommt, ob die Maßnahme den Wettbewerb fördert oder behindert, noch ob es sich um unmittelbare, mittelbare oder Drittwirkungen handelt. 19 Maßgeblich ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH 20 vielmehr, daß die betreffende Maßnahme aufgrund der gesamten Umstände geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise zu beeinträchtigen, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Emmerich, Kartellrecht, S. 507. Rehbinder, in: EG-Wettbewerbsrecht, Ein!. E, Rdnr. 10. 16 BappertiMaunz/Schricker, Ein!., Rdnr. 36. 17 Vg!. EuGH Sig 1979, S. 3275, 3288 (SACEM); Komm. AB!. L 370/49, 57 GVL. 18 Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rn 232. 19 Emmerich, in: Dauses, H. I, Rdnm. 24 f. 20 EuGH Sig. 1966, S. 281, 303 (LTM/MBU); EuGH Sig. 1981, S. 851, 867 (Coöperative); EuGH Sig. 1988, S. 1935, 1939 f. (SPRLlHesbignonne); EuGH EuZW 1993, S. 377, 386. 14
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11. Das Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht
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zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann, indem sie zur Errichtung von Handelsschranken im Gemeinsamen Markt beiträgt und die vom Vertrag gewollte gegenseitige Durchdringung der Märkte erschwert. Der Prüfung unterliegt nach der sogenannten Bündeltheorie nicht nur die gerade in Rede stehende Klausel, sondern die gesamte Absprache in ihrem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang unter Berücksichtigung von kumulativen Wirkungen, die die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. 2 \ Es ist maßgebend, ob der zwischenstaatliche Handel sich infolge der fraglichen Maßnahme anders als in einem System unverflilschten Wettbewerbs entwickelt hat. 22 Die in Rede stehende Situation ist dabei an den hypothetischen Verhältnissen zu messen, die bestehen würden, wenn die Maßnahme unterblieben wäre. 23 Die Eignung zur Beeinträchtigung bestimmt sich nicht nur nach den gegenwärtigen Umständen, sondern mit Hilfe einer zukunftsbezogenen Betrachtung, die alle objektiven tätsächlichen und rechtlichen Umstände zu berücksichtigen hat und eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung erfordert. 24 Weil der nötige Grad an Wahrscheinlichkeit nicht gesetzlich festgelegt ist, handelt es sich hier zumeist um Plausibilitätserwägungen, die darüber entscheiden, ob eine Maßnahme zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels geeignet ist. 25 2. Das Prinzip des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts Die extensive Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel als Anwendungsvoraussetzung bedingt einen entsprechend weiten Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln des EGV. Dadurch kommt es in vielen Fällen zu einer Kollision von gemeinschaftlichem und nationalem Kartellrecht. Maßgeblich tUr die Regelung des Verhältnisses von Gemeinschafts- und nationalem Kartellrecht können nur gemeinschaftliche Grundsätze sein, weil ersteres gegenüber letzterem die höherrangige Rechtsordnung darstellt. Davon geht auch die Vorschrift des Art. 87 Abs. 2, Iit. e) aus 26 , wenn sie den Rat
21 EuGH Slg 1967, S. 543, 555 f. (de HaechtiWilkin, Janssen); EuGH Slg. 1988, S. 5249, 5286 (Bayer/Süllhöfer); EuGH EuZW 1994, S. 408, 4 \0 (Almelo/IJM). 22 EuGH Slg. 1980, S. 3125, 3275 (van Landewyck SarI). 23 Emmerich, in: Dauses, H 1., Rdnr. 25. 24 EuGH Slg. 1980, S. 2511, 2536 (Lancöme); EuGH Slg. 1980, S. 3775, 3791 (L'Oreal). 25 Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 235. 26 EuGH Slg 1969, S. I, 14 (Walt Wilhelm).
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
ennächtigt, das Verhältnis zwischen den Wettbewerbsregeln des EGV und dem nationalen Kartellrecht speziell festzulegen, was bisher jedoch nicht geschehen ist. Zunächst könnte hier an einen generellen Vorrang des EG-Kartellrechts in seinem Geltungsbereich (Geltungsvorrang) zu denken sein. Eine Verdrängung mitgliedstaatlichen Rechts durch Gemeinschaftsrecht ist jedoch nur dann möglich, wenn das Gemeinschaftsrecht den betreffenden Gegenstand erschöpfend und abschließend regelt. 27 Dies ist bei den Wettbewerbsvorschriften des EGV nicht der Fall, so daß die Art. 85, 86 EGV nicht zur Unanwendbarkeit nationalen Kartellrechts fUhren. Es stellt sich also die Frage, wie im Fall der Nonnenkollision, wenn eine gemeinschaftliche und eine nationale Kartellrechtsnorm dieselbe Rechtsfrage regeln, sich aber in der angeordneten Rechtsfolge widersprechen, zu verfahren ist. Diese Frage erlangt gerade dann praktische Bedeutung, wenn - wie im Fall des deutschen Kartellrechts - das nationale Wettbewerbsgesetz gegenüber den gemeinschaftlichen Regelungen eine erhebliche eigenständige Ausprägung aufweist. Um die in der Praxis zahlreich auftretenden Kollisionsfltlle zu lösen, entwickelte sich Ende der fUnfziger Jahre im deutschen Schrifttum die sogenannte Zweischrankentheorie. 28 Nach dieser Theorie bedarf eine rechtlichen Handlung, die der Beurteilung durch verschiedene Nonnenbereiche unterliegt, zu ihrer Wirksamkeit der Billigung durch beide Normenbereiche (zwei Schranken). Demgegenüber kann die Unwirksamkeit der Handlung bereits durch die Mißbilligung durch eine Nonn herbeigefllhrt werden. 29 Für das Verhältnis von EG-Kartellrecht und GWB bedeutet das, daß sich im Kollisionsfall letztlich immer die strengere Wettbewerbsordnung durchsetzen würde. 30 Die Anwendung der Zweischrankentheorie kann so im Einzelfall zu einem Anwendungsvorrang des nationalen Kartellrechts vor den Art. 85, 86 EGV filhren, wenn und solange es eine gegenüber dem EGV strengere Regelung eines Kollisionsfalles enthält. Eine nach EG-Recht zulässige Maßnahme könnte dann nach nationalem Recht verboten werden und müßte somit entgegen den Aussagen des EGV unterbleiben. Diese Theorie trägt jedoch nicht der Tatsache Rechnung, daß es sich bei den EG-Wettbewerbsregeln um gegenüber nationalem Kartellrecht höherangiges Recht handelt. Überdies übersieht sie, daß es aufgrund der unterschiedlichen Schutzziele und Konzeptionen bei der Kartellrechtsordnungen zu einer
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Groeben/Thiesing/Ehlermann-Schröter, Vor Art. 85 bis 89 EGV, Rdnr. 128. Koch, in: BB 1959, S. 241, 245. Ebd. So im Ergebnis auch BGHZ 71, S. 102, 107 f.
11. Das Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht
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KonfliktIage kommt, die durch diese eher fonnalistische Lösung nicht sachgerecht zum Ausgleich gebracht wird. 31 Dies gelingt jedoch dem vom EuGH entwickelten und in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Danach darf die Anwendung nationalen Kartellrechts die uneingeschränkte und einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechts und die volle Wirksamkeit der zu seinem Vollzug getroffenen Maßnahmen nicht beeinträchtigen. 32 Dazu müssen die Regeln des nationalen Kartellrechts zurücktreten, wenn die Wettbewerbsvorschriften des EGV einen Sachverhalt abweichend regeln. 33 Im Gegensatz zum Geltungsvorrang hat dieser Anwendungsvorrang keine Konsequenzen für die zukünftigen Rechtswirkungen der nationalen Nonn. 34 Er berührt ihre grundsätzliche Geltung nicht und besagt auch nichts ftir die Anwendung der Nonn auf künftige Sachverhalte. Vielmehr wird dem Gemeinschaftskartellrecht nur insoweit der Vorrang eingeräumt, als es fUr das Erreichen der Wirkungen der gemeinschaftlichen Vorschrift oder Maßnahme notwendig ist. Mit anderen Worten gilt der Vorrang da nicht mehr, wo eine konkurrierende Anwendung des nationalen Rechts diese Wirkungen unbeeinträchtigt läßt. 35 Dies folgt aus der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 EGV, .nach der die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die die Verwirklichung der Ziele des Vertrages geflihrden könnten. Kollisionsflille zwischen gemeinschaftlichem und nationalem Kartellrecht können in zwei unterschiedlichen Ausprägungen auftreten: Zum einen kann ein gemeinschaftliches Verbot mit einer nationalen Erlaubnis, zu anderen eine gemeinschaftliche Erlaubnis mit einem nationalen Verbot konkurrieren. Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts macht hier - im Gegensatz zum hier nicht vorliegenden Geltungsvorrang - eine differenzierende Betrachtung notwendig. a) Kollision von gemeinschaftlichem Verbot und nationaler Erlaubnis
Aus dem Anwendungsvorrang des EG-Kartellrechts folgt zunächst, daß eine Maßnahme, die unter das Kartellverbot nach Art. 85 Abs. I EGV flillt, nicht durch eine nationale Erlaubnis legalisiert werden kann. Die Nichtigkeitsfolge Rehbinder, in: EG-Wettbewerbsrecht, Ein\. F, Rdnr. 3. EuGH Slg. 1969, S. 1, 14 (Walt Wilhelm); Slg. 1970, S. 1125, 1135 (Internationale Handelsgesellschaft); Slg. 1980, S. 2327, 2374 f. (Guerlain); Slg. 1987, S. 2354, 2359 (Albako). 33 EuGH EuZW 1992, S. 671 (DGDC/AEB). 34 GroebenIThiesinglEhlermann-Zuleeg, Art. 1 EGV, Rdnr. 40. 35 GroebenrrhiesinglEhlermann-Schröter, Vor Art. 85 bis 89 EGV, Rdnr. 131. 31
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
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nach Art. 85 Abs. 2 EGV fiir nach Abs. I der Vorschrift verbotene Maßnahmen tritt von Vertrags wegen ein und konkretisiert daher die wettbewerblichen Ziele des Vertrages in unmittelbarer Weise. Die Erlaubniserteilung nach nationalem Recht wäre eine mitgliedstaatliche Maßnahme nach Art. 5 Abs. 2 EGV, die diese Ziele geflihrden würde und daher angesichts des Anwendungsvorrangs des EG-Kartellrechts nicht möglich ist. Der Vorrang des EG-Kartellrechts vor dem nationalen Kartellrecht bedeutet auch, daß ein Verhalten, das nach Art. 86 EGV als rechtsmißbräuchlich verboten ist, nicht durch nationales Recht erlaubt oder vorgeschrieben werden kann. Das kann zum einen damit begrUndet werden, daß eine innerstaatliche Vorschrift, die die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung begünstigt, dann als Ein- oder Ausfuhrbeschränkung oder als Maßnahme mit gleicher Wirkung mit Art. 30, 34 EGV unvereinbar ist, wenn eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu erwarten ist. 36 Darüber hinaus gehört Art. 86 EGV zum Bereich der Verbotsgesetzgebung und belegt die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung mit einem unmittelbar von Vertrags wegen geltenden absoluten Verbot. 37 Als unmittelbare Aussage des EGV genießt dieses Verbot Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Da durch die weite Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel die Anzahl von Kollisionsflillen sehr groß ist, nimmt die Bedeutung der Freistellungsvorschriften und Bereichsausnahmen des GWB aufgrund dieser Zusammenhänge stetig ab. b) Kollision von gemeinschaftlicher Erlaubnis und nationalem Verbot
Weniger zweifelsfrei stellt sich die Situation im Kollisionsfall von gemeinschaftlicher Erlaubnis und nationalem Verbot dar. Die Besonderheit gegenüber dem Eingreifen des Kartellverbots nach Art. 85 Abs. I EGV liegt darin, daß die Rechtsfolgen, die mit den Aussagen des nationalen Rechts kollidieren, nicht bereits von Vertrags wegen eintreten, sondern erst durch eine Entscheidung der Kommission herbeigeftlhrt werden müssen. Hier stellt sich die Frage, ob der Vorrang des EG-Kartellrechts auf legislative Akte beschränkt oder so zu verstehen ist, daß die Anwendung nationalen Kartellrechts auch die Wirksamkeit administrativer Maßnahmen, die zum Vollzug der EG-Kartellrechtsnormen ergangen sind, nicht beeinträchtigen darf. Abzustellen ist auch hier auf den Grundgedanken des Anwendungsvorrangs des EG-Kartellrechts,
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EuGH Slg. 1977, S. 2115, 2145 f(GB-INNO-ATAB). Groeben/ThiesinglEhlennann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 28.
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daß nämlich die Zielsetzung des gemeinschaftlichen Wettbewerbs gewährleistet sein muß und deshalb alle mitgliedstaatlichen Maßnahmen zu unterbleiben haben, die dieser entgegenstehen. Auch wenn die Zielsetzung der Kartellvorschriften des EGV in erster Linie dahingeht, Hindernisse rur den freien Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt zu beseitigen, sind doch "gewisse positive, obgleich mittelbare Eingriffe zur Förderung einer harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft" vorgesehen, die ebenfalls am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben mUssen, um die praktische Wirksamkeit des Vertrages nicht zu beeinträchtigen. J8 Das bedeutet, daß nicht nur ein von Vertrags wegen bestehendes Verbot, sondern auch eine aufgrund der Vertragsvorschriften ergehende Erlaubnisentscheidung am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben kann. J9 Erlaubnisentscheidungen können in unterschiedlicher Form ergehen: Als stellungen nach Art. 85 Abs. 3 EGV, als Gruppenfreistellungsentscheidungen, als Negativatteste und als comfort letters. 4o Ob rur die jeweilige Erlaubnis der Anwendungsvorrang gegenüber einem nationalen Verbot gilt, hängt davon ab, ob es sich dabei um einen "positiven Eingriff" im Sinne der eben dargestellten Rechtsprechung handelt. Dies ist jeweils gesondert festzustellen. aa) EinzelfreisteIlung nach Art. 85 Abs. 3 EGV Durch die EinzelfreisteIlung nach Art. 85 Abs. 3 EGV wird das tatbestandlieh einschlägige Kartellverbot des Art. 85 Abs. 1 EGV im Einzelfall rur nicht anwendbar erklärt. Es handelt sich daher um einen konstitutiven Verwaltungsakt, dessen Inhalt und verfahrensrechtliche Voraussetzungen in Art. 4-8 der VO 17/62 geregelt sind. Die Erlaubnis darf nach Art. 85 Abs. 3 EGV nur erteilt werden, wenn die Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden, die Warenerzeugung oder -verteilung verbessert oder der technische oder wirtschaftliche Fortschritt gefbrdert wird. Darin sind spezielle Ausprägungen der harmonischen Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft EuGH Slg. 1969, S. 1, 14 (Walt Wilhe1m). In EuGH Slg. 1969, S. 1, 14 (Walt Wilhelm) ist von einer "Entscheidung... , durch welche die Kommission ein von ihr eingeleitetes Verfahren abgeschlossen hat" die Rede. 40 Bekanntmachungen der Kommission sind hingegen keine Erlaubnisentscheidungen, weil hier lediglich erläutert wird, auf welche Absprachen Art. 85 Abs. I EGV generell keine Anwendung findet oder wie im Regelfall zu entscheiden ist (LangenlBunte-Bunte, Art. 85 EGV, Rdnr. 154). Aufgrund ihres nur generellen Hinweischarakters handelt es sich bei Bekanntmachungen nicht um positive Eingriffe, die am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben. J8
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5 Kreutzmann
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
zu erblicken, um derentwillen die Freistellung vom Kartellverbot erfolgen darf. Die Erreichung dieser wirtschaftspolitischen Ziele kann nur dann gewährleistet werden, wenn die nach Art. 85 Abs. 3 EGV freigestellten Maßnahmen und Vereinbarungen tatsächlich im gesamten Gemeinsamen Markt praktiziert werden und nicht mehr nach nationalem Recht verboten werden können. Deshalb müssen diese Freistellungsentscheidungen als "positive Eingriffe" zur Förderung des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens am Anwendungsvorrang des EG-Kartellrechts vor dem nationalen Kartellrecht teilhaben. bb) Gruppenfreistellungsverordnungen Möglicherweise finden auch Gruppenfreistellungsverordnungen (GVOen) wie die Technologietransfer-Verordnung (VO (EG) Nr. 240/96) auf Multimedia-Lizenzen Anwendung. Daher ist zu untersuchen, ob der Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch für GVOen gilt. Wenn eben festgestellt worden ist, daß die EinzelfreisteIlung nach Art. 85 Abs. 3 EGV wegen der im Einzelfall mit ihr verfolgten wirtschaftspolitischen Ziele gegenüber einem nationalen Verbot Vorrang genießt, so ergibt sich hinsichtlich der GVOen in diesem Zusammenhang ein Problem, weil hier eine einzelfallorientierte Prüfung nicht stattfindet. Der Anwendungsvorrang der GVOen vor nationalen Verboten folgt möglicherweise bereits aus ihrer Rechtsnatur. 41 Als Verordnungen sind sie Akte der Gemeinschaft und könnten als solche nicht wie Einzelverwaltungsentscheidungen der konkreten Untersuchung anhand der vorstehend dargestellten Grundsätze bedürfen, ob für sie der Anwendungsvorrang gilt. Zum anderen läßt sich argumentieren, daß die GVOen aufgrund derselben materiellrechtlichen Grundlage ergehen wie Einzelfreistellungsentscheidungen (Art. 85 Abs.3 i. V. m. 87 Abs. 1, 2 Iit a) EGV) und deshalb als solche in gebündelter Form anzusehen sind. 42 Aus dem Vorrang der EinzelfreisteIlung folgt dann der Vorrang der Verordnung. Weiterhin sind in Art. 85 Abs. 3 EGV EinzelfreisteIlungen und GruppenfreisteIlungen gleichgestellt. Dies folgt daraus, daß auch GruppenfreisteIlungen nur dann gewährt werden, wenn die in Art. 85 Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, wenngleich sie bei der GruppenfreisteIlung nicht individuell, sondern generell für eine bestimmte Gruppe von Vereinbarungen oder für bestimmte Wirtschaftszweige nach Maßgabe der jeweils einschlägigen GVO geprüft werden. 43 Im Sinne der oben dargestellten Grundsätze ist daher
41
42 43
Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 143. Wiedemann, AT, Rdnr. 404. Bunte, in: WuW 1989, S. 7, 17.
11. Das Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht
67
jede Freistellung, sei es als Einzel- oder GruppenfreisteIlung, als positiv gestaltende Maßnahme zur Förderung eines hannonischen gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens anzusehen. 44 Der Vorrang der GVOen vor dem nationalen Recht realisiert sich allerdings erst, wenn Unternehmen konkrete Vereinbarungen abschließen, die einer GVO unterfallen. Daraus wird zum Teil gefolgert, daß bei der Vorrangfrage nach den Anwendungsbereichen der "Grauen" und "Weißen Liste" zu differenzieren sei. 4S Wie oben ausgefllhrt, genießt die GVO den aus den Wettbewerbsregeln des EGV abgeleiteten Anwendungsvorrang gern. Art. 85 Abs. 3, 87 Abs. 1,2 Iit. a) EGV. Er kann daher nur soweit reichen, wie die GVO in einer der EinzelfreisteIlung vergleichbaren Weise einen positiven Eingriff darstellt. Verträge, die in den Anwendungsbereich der "Weißen Liste" einer GVO fallen und damit die Freistellung konkretisieren, können also nach nationalem Recht nicht mehr untersagt werden können. Eine "Graue" Klausel als Freistellung unter dem Vorbehalt fehlenden Widerspruchs hingegen entbehrt bereits einer abschließenden Bewertung und Abwägung der mit ihr verbundenen Vor- und Nachteile fllr den Wettbewerb und das gemeinschaftliche Wirtschaftsleben. Sie kann daher nicht als positive Eingriffe im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung angesehen werden.
cc) Negativattest Ein Negativattest ist eine Erklärung der Kommission, daß in dem zur Beurteilung stehenden Fall kein Anlaß zum Einschreiten besteht, weil kein Verstoß gegen Art. 85, 86 EGV gegeben ist. 46 Der Unterschied zu FreisteIlungsentscheidungen liegt darin, daß bei diesen das Kartellverbot, das an sich einschlägig wäre, im Einzelfall aufgrund der in Art. 85 Abs. 3 EGV bestimmten Voraussetzungen konstitutiv fllr nicht anwendbar erklärt wird, während im Negativattest nur dekJaratorisch die Nichterfllllung der Tatbestandsmerkmale festgestellt wird. 47 Daß das Kartellverbot im Falle eines Negativattests nicht angewendet wird, ist also nicht die Entscheidung der Kommission zur Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele im Gemeinsamen Markt, sondern folgt aus seiner tatbestandlichen Unanwendbarkeit. Ein positiver Eingriff liegt demnach
Bellamy/Child, Rdnm. 1-40. Bunte/Sauter, Einf., Rdnr. 68, Rehbinder, in: EG-Wettbewerbsrecht, Ein\. F, Rdnr.29. 46 Rehbinder, in: EG-Wettbewerbsrecht, Ein\. F, Rdnr. 31. 47 Langen/Bunte-Bunte, Art. 85 EGV, Rdnr. 156. 44 45
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
nicht vor, so daß entgegenstehendes nationales Recht angewendet werden kann. 48 dd) Comfort letters Bei einem comfort letter handelt es sich um ein Verwaltungsschreiben der Kommission, das die einzelfallorientierte Information enthält, daß eine Vereinbarung nicht gegen das Kartellverbot verstößt und - fiir den Fall des Gegenteils - jedenfalls die Freistellungsvoraussetzungen erfiillt. 49 Auch mit dieser Aussage sind keine konstitutiven Rechtswirkungen verbunden. Im Vergleich zum Negativattest wird im comfort letter zwar die negative Aussage der Unanwendbarkeit des Kartellverbots mit der positiven Aussage der Erfiillung der Freistellungsvoraussetzungen verknüpft. Eine Freistellungsentscheidung wird jedoch nicht getroffen, so daß es auch im Fall eines comfort letter an einem positiven Eingriff fehlt. Strengeres nationales Recht kann also Anwendung finden. 50, 51
3. Zwischenergebnis Wegen der außerordentlich weiten Fassung der ZwischenstaatlichkeitsklauseI wird es in der Mehrzahl der kartellrechtlich relevanten Lizenzverträge zu einer Kollision von europäischem und nationalem Wettbewerbsrecht kommen. Ein Konflikt entgegengesetzter Regelungen ist nach dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts aufzulösen. Im Fall von Verboten oder von konstitutiven Freistellungsentscheidungen, die aufgrund der Vorschriften des EG-Kartellrechts ergangen sind, ist eine entgegengesetzte Beurteilung nach nationalem Recht nicht zulässig. Wenn keine tatbestandliche Deckung besteht, sowie bei Sachverhalten ohne zwischenstaatlichen Bezug, bleibt es bei der uneingeschränkten Behandlung nach nationalem Recht.
48 Ebd.; Rehbinder, in: EG-Wettbewerbsrecht, Ein!. F, Rdnr. 31; GroebenffhiesingiEhlermann-Schröter, Vor. Art. 85 bis 89, Rdnr. 132; Gleiss-Hirsch, Einl C, Rdnr. 73; Dißars, S. 167 m. z. w. N. 49 Langen/Bunte-Bunte, Art. 85, EGV, Rdnr. 157. 50 EuGH Slg. 1980, S. 2327, 2375 (Guerlain). 51 Der Inhalt des comfort letter kann aber bei der Entscheidung durch ein nationales Gericht als tatsächlicher Umstand berücksichtigt werden, EuGH Slg. 1980, S.2511, 2535 (Lancöme).
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht 1. Allgemeines
"Die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, auf die sich sein Anspruch auf einen gerechten Lohn rur eine Verwertung seiner Leistung durch Dritte gründet, wird ihm nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen, sondern folgt aus der Natur der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, das durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet.,,52
Diese Aussage wird vom BGH nicht auf das deutsche Urheberrecht beschränkt, sondern als ein in allen Kulturstaaten allseitig anerkannter Gerechtigkeitsgedanke und also als ein ethisch fundiertes Prinzip der Güterzuordnung begriffen. Diese Güterzuordnung wird durch das rechtstechnische Mittel des Ausschließlichkeitsrechts durchgesetzt. 53 Der Rechtsverkehr in Form von Lizenzverträgen, die dieses Ausschließlichkeitsrecht zum Gegenstand haben, ist jedoch auch Teil des Wirtschafts verkehrs, dessen Aufrechterhaltung durch die Sicherung von Freiheit und Funktionsfiihigkeit des Wettbewerbs Aufgabe des Kartellrechts ist. 54 Die Ausschließlicheitsrechte des geistigen Eigentums stehen zum rechtlichen Schutz des freien Wettbewerbs vordergründig im Gegensatz. Zwischen Urheberrecht und Kartellrecht besteht ein Rechtskonflikt, bei dem zwei Rechtsanschauungen innerhalb derselben Rechtsordnung zum Ausgleich gebracht werden müssen. Dies folgt bereits aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. 55 Überdies erfiihrt das Urheberrecht als geistiges Eigentum ebenso verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 14 GG)56 wie die Freiheit des Wettbewerbs (Art. 2 Abs. 1 GG). Deshalb muß die Grenzziehung im Sinne einer praktischen Konkordanz verhältnismäßig sein, das heißt keines der beiden Schutzgüter darf weiter eingeschränkt werden als notwendig. 57
a) Das Ausschließlichkeitsrecht als Ausgangspunkt wettbewerbsrelevanten Verhaltens am Markt Der technische Fortschritt und der Fortschritt auf den Gebieten der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst soll danach nicht durch den allgemeinen
52 8GHZ 18, S. 266, 278. 53 MöhringlLieberknecht, in: UFITA 29, 1959, S. 269, 273 ff 54 Ulmer, in: Urheber- und Verlagsrecht, S. 35. 55 Dazu Liemann, in: UFITA 28, 1959, S. 315 f. 56 8VerfDE 49, S. 382, 394. 57 Moritz, in: eR 1993, S. 257, 259.
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Wettbewerb, sondern durch die Einräumung von Exklusivrechten gefbrdert werden. 58 Dadurch erhält der Urheber eine logisch notwendige und zur Durchsetzung des Urheberrechts zwingend erforderliche MonopolsteIlung, die bereits im Augenblick ihrer Entstehung den Markt beeinflußt. 59 Dieser Monopolgedanke ist jedoch nicht als Wirtschaftsmacht verleihende und also mit Rücksicht auf das Lizenznehmerinteresse schlechthin aufsichts bedürftige Ausschließlichkeit zu verstehen. 60 Das immaterielle Ausschließlichkeitsrecht versetzt seinen Inhaber vielmehr in die Lage, anderen Wettbewerbshandlungen zu verbieten, so wie das Eigentumsrecht seinen Inhaber befugt, anderen zu untersagen, mit seinem Eigentum Handel zu treiben. 61 Allein aus diesem Untersagungsrecht läßt sich indes keine Wettbewerbsbeschränkung ableiten. Vielmehr ist von dem wettbewerbspolitischen Regelungszweck auszugehen, der darauf gerichtet ist, Wettbewerbsbeschränkungen auszuschließen, die sich nicht aus dem Schutzrecht selbst, sondern erst aus dem wettbewerblichen Umgang mit demselben ergeben. 62 Daraus wird bereits klar, daß die Rechtsgebiete Urheberrecht und Kartellrecht sich nicht gegenüberstehen, sondern sich überschneiden und ineinandergreifen. Zwar können aus Exklusivrechten Wettbewerbsbeschränkungen entstehen. Demgegenüber bedarf das Wirtschaftsgut Information im Sinne geistiger Leistung jedoch des künstlichen rechtlichen Schutzes, um zu gewährleisten, daß es sich im Wettbewerb behaupten kann und sich die in einem ungewissen Entstehungsprozeß aufgewendeten Investitionen amortisieren. Die Industrie wird nämlich nur dann in schöpferische Tätigkeiten investieren, wenn sie sichergestellt ist, daß sie deren unrechtmäßige Verwertung verhindern und so in den Genuß der Erträge dieser Investitionen kommen kann. So ist der Schutz der Urheberrechte zu einem wesentlichen Bestandteil des Rechtsrahmens geworden, der rur die Wettbewerbsfähigkeit der Kulturindustrie unerläßlich ist und ihre Kreativität garantiert. 63 Insbesondere in den Bereichen Innovation und Kommunikation ist es die Aufgabe der gewerblichen Ausschlußrechte und Urheberrechte, durch ihre inhaltliche Ausgestaltung den Wettbewerb zu stimulieren, nicht zu behindern. 64
58
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Ebd. Liemann, in: UFITA 29, 1959, S. 315, 318. Ullrich, in: GRUR Int. 1996, S. 555, 556. Möhring/Lieberknecht, in: UFITA 29,1959, S. 269, 277 f. Ullrich, in: GRUR Int. 1996, S. 555, 556. Grünbuch, abgedruckt in UFITA 129 (1995), S. 251, 258 f. Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 778.
BI. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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b) Funktionale Ergänzung von Wettbewerbs- und Urheberrecht
Dies ist jedoch keinesfalls die einzige Wechselwirkung zwischen Urheberrecht und Kartellrecht. Es ist zwar richtig, daß das System am ehesten einen Innovationsschub hervorbringt, das den Innovator selbst am Nutzen der Neuerungen beteiligt.65 Das dazu erteilte ausschließliche Schutzrecht ist jedoch nicht selbst Zweck, Anreiz und Belohnung, denn nicht dieses entscheidet über den Investitionsanreiz, sondern der Wettbewerb, in dem das geschützte Gut eingesetzt wird. Wissen und Information wird erst durch das Recht zur handels- und wettbewerbsfiihigen Ware; die Marktposition des so geschaffenen Wirtschaftsguts hängt jedoch nicht von diesem Recht, sei es auch ein Ausschließlichkeitsrecht, ab, sondern von der durch unternehmerische Entscheidungen steuerbaren Nachfrage und dem Wert des geschützten Wissens am Markt. Die durch das Schutzrecht zwar vermittelte Gewinnmaximierungsgelegenheit ist jedoch keine Besonderheit der exklusiven Immaterialgüterrechte und rechtfertigt deshalb auch keine besondere kartellrechtliche Nachgiebigkeit gegenüber diese Gelegenheit wahrnehmendem Verhalten. 66 Vielmehr bildet das Kartellrecht die notwendige Schranke rur und die Ergänzung zu den gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten. 67 Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Kartellrecht hat also viele Facetten, die bei der Beurteilung von Kollisionsfiillen stets zu berücksichtigen sind. Die Aussagen von ausschließlichem Recht und freiem Wettbewerb sind zwar denklogisch gegensätzlich, das Verhältnis der beiden Rechtgebiete, die diese rechts- und wirtschaftspolitischen Aussagen umgeben, ist jedoch unter Berücksichtigung ihres Ineinandergreifens eher als komplementär und sogar symbiotisch68 denn als gegensätzlich zu begreifen. Generalklauselartige Formeln, wie etwa, daß das Urheberrechtsgesetz lex specialis zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sei69, greifen angesichts der vielfachen Wechselwirkungen der beiden Rechtsgebiete zu kurz. Auch hinsichtlich des gemeinschaftsrechtlichen Charakters der vorliegenden Untersuchung bringt dieser Ansatz nicht weiter, da die Übertragung dieses Spezialitätsverhältnisses auf die Wettbewerbsregeln des EGV im Hinblick auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht möglich ist.
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259.
Wadle, in: GRUR-FS, S. 93, 100. Ullrich, in: GRUR Int. 1996, S. 555, 567. Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 778. Moritz, in: CR 1993, S. 257, 259. So Liermann, in: UFITA 29, 1959, S. 315, 320 ff.; Moritz, in: CR 1993, S. 257,
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Kartellverbots auf die Ausübung gewerblicher Schutzrechte und Urheberrechte ist heute unbestritten. 70 Innerhalb des EG-Rechts und des deutschen Rechts sind von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur Wege beschritten worden, um den bestehenden Zielkonflikt rur den jeweiligen Rechtsraum aufzulösen. Dabei muß die Position der jeweils fraglichen Konstellation im Spannungsverhältnis von Kartellrecht und Urheberrecht im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen gesetzgeberischen Wertungen ermittelt und diese dann zum Ausgleich gebracht werden.
2. Lösung nach europäischem Recht Bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht auf Sachverhalte des gewerblichen, kommerziellen und Urheberrechtsschutzes ergeben sich aus dem Zusammentreffen verschiedener nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften mit unterschiedlichen Schutzzwecken Schwierigkeiten: Die Prinzipien des freien Warenverkehrs (Art. 30 ff. EGV), des freien DienstIeistungsverkehrs (Art. 59 ff. EGV) und des freien Wettbewerbs (Art. 85 ff. EGV) stehen der Anerkennung der mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen unter Einschluß der Ausschließlichkeitsrechte des geistigen Eigentums durch Art. 222 EGV gegenüber. 7l Im wertungsmäßigen Ausgleich der Schutzaussagen dieser Vorschriften ist zugleich die Lösung des spezifischen Spannungsverhältnisses von Urheber- und Kartellrecht nach Gemeinschaftsrecht zu erblicken. Dieses besteht zwischen den exklusiven Urheberrechten und dem Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen nach Art. 85 EGV einerseits72 und zwischen der Innehabung eines solchen Schutzrechts und dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 86 EGV andererseits 73 • a) Art. 36, 222 EGV als totale Bereichsausnahme Art. 36 EGV nimmt unter anderem solche Einfuhr-, Ausfuhr-, oder Durchfuhrverbote oder -beschränkungen aus dem Anwendungsbereich der Art. 30 bis 34 EGV aus, die aus Gründen des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Nach einer Ansicht'4 ist darunter in ZuGrabitzJHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 200. Langen/Bunte-v. Stoephasius, Art. 85 EGV, Rdnr. 195. 72 Moritz, in: eR 1993, S. 257, 259. 73 Beier, in: Quack-FS, S. 15, 29 f. 74 Bodenhausen, in: GRUR Int. 1958, S. 218, 222; Gotzen, in: GRUR Int. 1958, S. 224, 226. 70 71
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
73
sammenhang mit Art. 222 EGV eine totale Bereichsausnahme in dem Sinne zu verstehen, daß die Verwertung gewerblicher Schutzrechte der Anwendung auch anderer Vorschriften des EGV - also auch der Wettbewerbsregeln der Art. 85 ff. - entzogen sei. An dieser Stelle des Vertrags, die im Zusammenhang mit dem Vertragsganzen zu sehen sei, hätten sich die Mitgliedstaaten die Gesetzgebungsbefugnis filr die Ausgestaltung der Rechte der in Art. 36 EGV aufgezählten Gebiete vorbehalten. 75 Verwertungsvereinbarungen, die sich innerhalb der Grenzen der Ausübung dieser Rechte halten, sollen in keiner Weise von den Antikartellbestimmungen des EGV betroffen werden. 76 Konsequenz dieser Betrachtungsweise ist, daß es keine spezifisch gemeinschaftsrechtliche Ausprägung des Spannungsverhältnisses zwischen Urheberund Kartellrecht gibt, sondern auf die Wertentscheidungen und Schutzrechtsinhalte der nationalen Gesetzgeber verwiesen wird. b) Die Unterscheidung zwischen dem Bestand des Schutzrechts und seiner Ausübung
Demgegenüber hat sich durchgesetzt, den Ausnahmecharakter des Art. 36 EGV auf den Regelungskomplex der Art. 30 ff. EGV begrenzt77 anzusehen. Demnach erlaubt Art. 36 EGV nicht die Durchbrechung anderer Vertragsvorschriften. 78 Ein so weites Ausnahmeverständnis perpetuiere die Marktaufspaltung, indem es die Verwertung nationaler Schutzrechte der gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung entziehe, und widerspreche dem Wortlaut und der Systematik des EG-Vertrages. 79 Art. 36 EGV sei vielmehr der Ausdruck eines Grundsatzes, nach dem der Bestand des geistigen Eigentums gern. Art. 36 und 222 EGV gewährleistet sei, die wirtschaftlichen Ausübungsmöglichkeiten jedoch durch die Art. 30, 5980, 85 und 86 EGV geregelt wUrden. 8l Diese Einschätzung finde auch eine EG-vertragliche Gotzen, in: GRUR Int. 1958, S. 224, 226. Bodenhausen, in: GRUR Int. 1958, S. 218, 222. 77 EuGH Slg. 1966, S. 321, 394 (Grundig-Consten). 78 So ausdrücklich GroebenffhiesinglEhlennann-Müller-Graff, Art. 36 EGV, Rdnr.12. 79 Ebenroth/Hübschle, Rdnr. 79. 80 Nach EuGH Slg. 1982, S. 3381, 3401 (Codtitel/Cine-Vog) gilt die Art. 36 EGV zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des nationalen Schutzrechts auch rur den Dienstleistungsverkehr. 8\ EuGH Slg. 1966, S. 321, 394 (Grundig-Consten); EuGHSlg. 1982, S. 3381, 3401 (Coditel/Cine-Vog); EuGH Slg. 1982, S. 2015, 2061 (Nungesser); GrabitzlHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 200; Ebenroth/Hübschle, Rdnm. 78 tf.; Dauses-Emmerich, H. I, Rdnr.130. 75
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Grundlage in Art. 36 Satz 2, der die Ausnahme des Satzes I dahingehend einschränke, daß die freigestellten Maßnahmen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen dürften. 82 Es sei weiterhin mit den Grundgedanken der gemeinschaftlichen Wettbewerbsordnung und ihrem Sinn unvereinbar, daß die sich aus den gewerblichen Schutzrechten der Mitgliedstaaten ergebenden Anspruche zu Zwecken mißbraucht wUrden, die dem Kartellrecht der Gemeinschaft zuwiderliefen. 83 Die dadurch eröffnete Ausübungsregelung wurde durch die Rechtsprechung des EuGH dahingehend konkretisiert, daß bestimmte Modalitäten der Ausübung gewerblicher Schutzrechte dann unter die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages fielen, wenn sie den Gegenstand, das Mittel oder die Folgen eines Kartells darstelr ten. 84 Die Anwendung der zu den gewerblichen Schutzrechten entwickelten Grundsätze wurde vom EuGH auf Urheberrechte erstreckt, weil angesichts des kommerziellen Inverkehrbringens des geschützten Werkes, insbesondere in Form von Lizenzen, kein Grund bestehe, zwischen dem Urheberrecht einerseits und den anderen gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechten andererseits zu unterscheiden. 8s Die Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des Schutzrechts stellt allerdings nur klar, daß der Bestand der nationalen Schutzrechte von gemeinschaftsrechtlichen Verboten jedenfalls unberührt bleibt, während Schutzrechtsausübungen den Vorschriften des EG-Vertrags unterfallen können. Demgegenüber ist nichts darüber gesagt, wann die Geltendmachung eines Schutzrechts auf seinem Bestand beruht und wann sie Ausfluß seiner Ausübung ist und damit der kartellrechtlichen Beurteilung nach dem EG-Vertrag unterliegt. Zwar werden die Voraussetzungen und Modalitäten der gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte nach der Rechtsprechung des EuGH beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts mangels Rechtsvereinheitlichung oder -angleichung innerhalb der Gemeinschaft nach nationalem Recht bestimmt. 86 Der Inhalt des nationalen Schutzrechts ist jedoch keineswegs mit seinem durch Art. 36,222 EGV garantierten gemeinschaftsrechtlichen Bestand Dauses-Emmerich, H. I, Rdnr. 129. EuGH Slg. 1966, S. 321, 394 (Grundig-Consten). 84 EuGH Sig. 1982, S. 2015, 2061 (Nungesser); EuGH Sig. 1982, S. 3381, 3401 (Coditel/Cine-Vog). 85 EuGH Sig. 1981, S. 147, 162 (K-tel/GEMA); EuGH Sig. 1982, S. 2853, 2870 Keurkoop/Nancy Kean). 86 EuGH Sig. 1982, S. 2853, 2871 (Keurkoop/Nancy Kean); EuGH EuZW 1994, S. 27, 28 (quattro/Quadra). 82 83
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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identisch87, wenngleich den Mitgliedstaaten grundsätzlich eine gewisse Freiheit bei seiner Gestaltung eingeräumt wird88 • Ob darin allerdings eine Vorgreitlichkeit fiir die Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Kartellverbots erblickt werden kann, wird im Schrifttum nicht einheitlich beurteilt. aa) Bestandsschutz nach dem spezifischen Gegenstand des Schutzrechts Es überwiegt die Auffassung, daß das Kartellverbot nur auf solche Beschränkungen der Parteien von Schutzrechtsverträgen angewendet werden könne, die über den national gesetzlichen Schutzumfang des verwerteten Rechts nach dessen spezifischem Gegenstand hinausgingen 89 • Aus dieser Vorgreitlichkeit innerstaatlicher Rechtsinstitute fiir den Schutz der Wettbewerbsfreiheit folge eine immanente Anwendungsschranke des Kartellverbots, die wiederum nicht nur durch die übrigen gemeinschaftsrechtlichen Verbote der Schutzrechtsausübung (Art. 30 ff., 59 ff. EGV), sondern auch durch eine gemeinschaftskonforme Auslegung der innerstaatlichen Rechtsinstitute des gewerblichen Rechtsschutzes begrenzt werde. 90 Dadurch werde weder die gleichmäßige Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Frage gestellt noch eine Rangfrage in der Rechtsanwendung aufgeworfen, sondern es würden nationale Rechtsinhalte in das Gemeinschaftsrecht transformiert, die in ihrer Anwendung durch die Schutzfunktion des Antikartellrechts dann ihrerseits tatbestandlich verbots immanent beschränkt würden. 91 Der spezifische Gegenstand des Schutzrechts sei mit dem Inhalt der nationalen Regelung deshalb nicht identisch, hänge jedoch eng mit diesem zusammen. 92 Was zum spezifischen Gegenstand und damit zum vom Vertrag gewährleisteten Bestand der Schutzrechte in Abgrenzung zu ihrer dem Vertrag unterworfenen Ausübung gehöre, könne nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Funktionen des jeweiligen Schutzrechts und der allgemeinen Zielsetzung des EGV ermittelt werden. 93 Dabei seien die Interessen des Rechtsinhabers an Erhalt und Verwertung seines Schutzrechts gegen das Allgemeininteresse an der Freiheit des Gemeinsamen
Sucker, in: eR 1989, S. 353, 357. LangenlBunte-v. Stoephasius, Art. 85 EGV, Rdnr. 201. 89 Dauses-Emmerich, H 1., Rdnm. 130 ff.; GleisslHirsch, Art. 85 EGV, Rdnm. 704, 707; Fischer, in: GRUR Int. 1964, S. 436; v. Gamm, in: GRUR Int. 1983, S. 403 ff.; Grabit:zlHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnm. 208 ff. m. w. N. 90 Grabitz/Hilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 214. 91 GrabitzJHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 211. 92 GleisslHirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 707, 93 Dauses-Emmerich, H.I, Rdnm. 130 f. 87
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Marktes von wettbewerbsbeschränkenden Bindungen gegeneinander abzuwägen. 94 bb) Ausschließliche Maßgeblichkeit der Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85, 86 EGV Demgegenüber wird vorgebracht, daß tUr die Anwendung der Art. 85, 86 EGV allein entscheidend sei, ob deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen ertUllt seien. 9s Gegenstand der Art. 85, 86 EGV seien dabei nicht die nationalen Schutzrechte, sondern die auf sie bezogenen Verwertungshandlungen. 96 Diese seien nicht durch eine gemeinschaftskonforme Auslegung der ihnen zugrunde liegenden Schutzrechte privilegiert, sondern wie andere Verträge und wettbewerbliche Verhaltensweisen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 85, 86 EGV zu prufen. 97 Eine Priorität der gemeinschaftskonformen Auslegung der nationalen Schutzrechte begründe zudem einen Anwendungsvorrang des nationalen vor dem Gemeinschaftsrecht, der nicht bestehe. 98 Vielmehr sei das nationale Recht Sachverhalt tUr die einheitliche Qualifikation von Verhaltensweisen durch das Gemeinschaftsrecht99 , dessen gleichmäßige Anwendung gewährleistet sein müsse lOO und das unmittelbar geltende Wirkung tUr die am Wettbewerb Beteiligten entfalte. 101 Dem steht die Betrachtungsweise nahe, die die Rechtswidrigkeit schutzrechtlicher Ausübungshandlungen ebenfalls allein nach Gemeinschaftsrecht behandelt. 102 Handle es sich danach um einen Mißbrauch der durch das nationale Schutzrecht eingeräumten Rechtsposition, sei Gemeinschaftsrecht anwendbar. Das Kriterium des "spezifischen Gegenstandes" sei demgegenüber schwierig zu ermitteln und erstrecke sich auf Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes, die nur der einheitlichen Beurteilung tUr nationale, gemeinschaftsrechtliche und internationale Sachverhalte durch den nationalen Gesetzgeber oder Richter unterliegen könnten. 103 GrabitzJHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 239. Mestmäcker, Vennittlung, S. 113 ff., u. Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 466 ff. 96 Mestmäcker, Vennittlung, S. 121. 97 Mestmäcker, Vennittlung, S. 113, u. Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 466 f. 98 Mestmäcker, Vennittlung, S. 113 f., 116 99 Mestmäcker, Vennittlung, S. 121. 100 Mestmäcker, Vennittlung, S. 113. 101 Mestmäcker, Vennittlung, S. 116. 102 Beier, in: Steindorff-FS, S. 1109, 1124 f 103 Beier, in: Steindorff-FS, S. 1109, 1125. 94 95
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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cc) Funktionale Einschränkung der Art. 85, 86 EGV Außerdem wird vertreten, die zum Markenschutz- und Patentrecht entwikkelte Lehre von den rechtlich anerkannten Funktionen 104 auch auf Urheberrechte zu übertragen. \05 Nicht zum Bestand und damit zu der dem EG-Kartellrecht unterliegenden Ausübung eines Schutzrechts sollen danach die Verhaltensweisen gehören, die außerhalb seines funktionell bestimmten Zwecks liegen. \06 Damit sei die Zulässigkeit bestimmter marktregelnder Verhaltensweisen von der Natur des in Frage stehenden Schutzrechts abhängig. Die Funktion der künstlerischen Leistungsschutzrechte sei der Anreizfunktion des Patents vergleichbar, liege demnach darin, im öffentlichen Interesse den Urheber rur die Veröffentlichung seiner Schöpfung und die damit einhergehende Bereicherung der Kulturlandschaft zu belohnen. \07 Diese Funktion müsse im Verhältnis zum Gemeinschaftskartellrecht erhalten bleiben, ansonsten werde das Schutzrecht "zur leeren Hülle, zum substanzlosen Gebilde". 108 dd) Kritische Würdigung Zur Diskussion steht hier die besondere gemeinschaftsrechtliche Ausprägung des Spannungsverhältnisses von ausschließlichen Schutzrechten und Kartellrecht. Die besonderen Probleme im Verhältnis der Rechte entstehen deshalb, weil die Schutzrechte noch auf nationalen Regelungen beruhen, während es bereits in Art. 85, 86 EGV ein gemeinschaftliches Wettbewerbsrecht gibt. Das nationale Verhältnis von Urheber- und Kartellrecht wirkt sich auf den Inhalt des Urheberrechts aus, so daß die Schutzrechtsinhalte der Mitgliedstaaten aus einem jeweils eigenen Spannungsverhältnis zum nationalen KarteIlrecht, das wiederum den Besonderheiten dieser Rechte Rechnung trägt, hervorgegangen sind. 109 Will man einen Ausgleich im national-europäischen Verhältnis der beiden Rechtsgebiete erreichen, muß man eine Wechselwirkung herstellen, die den Mechanismen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vergleichbar ist.
So Johannes mit Literaturnachweisen, S. 17, Fn. 28. Loewenheim, S. 354 f. 106 Loewenheim, S. 355. 107 Loewenheim, S. 354. 108 Loewenheim, S. 355. 109 Zum komplementären und symbiotischen Verhältnis von Urheber- und KarteIlrecht s. o. S. 51 ff. 104
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
(1) Keine Bereichsausnahmefür nationale Schutzrechte im Wettbewerbsrecht des EGV
Den eben dargestellten Zusammenhang verkennt die Ansicht, die in den Art. 36, 222 EGV eine totale Bereichsausnahme mit der Folge sieht, daß die nationalen Schutzrechte in Bestand und Ausübung einer kartellrechtlichen Beurteilung nach Gemeinschaftsrecht entzogen sind. Dadurch würde den nationalen Immaterialgüterrechten zudem ein Anwendungsvorrang vor dem Gemeinschaftsrecht eingeräumt, der ihm nicht gebühre. Eine derartige Lösung müßte, um zulässig zu sein, eine stabile EG-vertragliche Grundlage haben, die in Art. 36, 222 EGV nicht zu erblicken ist. Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der die Gesetzgebungsbefugnis rur die Immaterialgüterrechte bei den Mitgliedstaaten verbleibt, vermag keinen Anwendungsvorrang nationalen Rechts vor Gemeinschaftsrecht, wie er durch eine Bereichsausnahme in Art. 36, 222 EGV begründet würde, zu rechtfertigen. (2) Die Bestimmung des grundlegenden Rechtsbestands im Gegensatz zum spezifischen Gegenstand des Schutzrechts
Der EGV gewährt den nationalen Schutzrechten Bestandschutz. Dies wurde vom EuGH festgestellt und hat im Schrifttum keinen Widerspruch erfahren. Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, wann Handlungen, die sich auf diese Schutzrechte beziehen, dem gemeinschaftlichen Kartellrecht unterliegen. Das bloße Innehaben eines Schutzrechts wird niemand als wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise einstufen wollen. Diese Form der Bestandsgarantie kann wohl im Hinblick auf Art. 36, 222 EGV als anerkannt gelten. Das Augenmerk ist vielmehr auf Verwertungshandlungen vertraglicher oder tatsächlicher Art zu richten und damit auf die Frage, wann diese Verwertungshandlungen noch zum Bestand des Schutzrechts gehören und wann sie als Ausübungshandlungen der kartellrechtlichen Beurteilung nach dem EGV unterliegen. Die Einschätzung, daß sich die Wettbewerbsregeln des EGV nur auf Ausübungshandlungen der nationalen Schutzrechte beziehen, liegt denn auch den unter (I) und (2) dargestellten Ansichten zugrunde. Der Unterschied zwischen den Meinungen besteht allerdings darin, ob das Spannungsverhältnis vom Urheber- zum Kartellrecht und also vom nationalen zum Gemeinschaftsrecht oder umgekehrt vom Kartell- zum Urheberecht und also vom Gemeinschaftsrecht zum nationalen Recht betrachtet und aufgelöst wird. Im ersten Fall erreicht man einen durch Gemeinschaftsrecht modifizierten nationalen Schutzrechtsinhalt, der dann als "spezifischer Gegenstand" bezeichnet wird (Ansicht (I)), im zweiten geht man von der Tatbestandsmäßigkeit der
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Ausübung eines in seinem Bestand garantierten nationalen Schutzrechts nach Art. 85, 86 EGV (Ansicht (2» aus. Der letzteren Vorgehensweise bedient sich auch die unter (3) dargestellte Auffassung, schränkt das Ergebnis jedoch unter funktionalen Gesichtspunkten ein. (a) Bedenken gegen den "spezifischen Gegenstand" Das wesentliche Argument gegen einen Bestandsschutz nach dem sogenannten "spezifischen (nationalen) Gegenstand" des Schutzrechts besteht nicht in den dagegen vorgebrachten Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Orientierungsgegenstandes und auch nicht in der uneinheitlichen Anwendung nationalen Rechts. Die dogmatischen Schwierigkeiten, die ein Weg bereitet, dürfen keine Rolle spielen, solange er zum richtigen Ergebnis fUhrt. Auch müssen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einer gewissen Flexibilität auf dem Weg zu einheitlichen Regelungen zugänglich sein. Das wesentliche Argument besteht vielmehr in der fehlenden EG-vertraglichen Grundlage der unter aa) dargestellten Vorgehensweise. Es gibt keine Vertragsbestimmung und keine Entscheidung des EuGH, die ein Abstellen auf einen so verstandenen spezifischen Gegenstand nationaler Schutzrechte im Verhältnis zum Gemeinschaftskartellrecht rechtfertigt. Demgegenüber läßt sich den Art. 36, 222 EGV entnehmen, daß die Ausübung der nationalen Schutzrechte der Beurteilung durch den EG-Vertrag, also auch durch dessen Wettbewerbsregeln, unterliegt, sogar nach dem Wortlaut des EGV jedenfalls dann, wenn sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellt (Art. 36 Satz 2 EGV). Die Auflösung des gemeinschaftsrechtlichen Spannungsverhältnisses zwischen Urheber- und Kartellrecht hat also vom Gemeinschafts(kartell-)recht zum nationalen (Urheber-)Recht unter vorrangiger Berücksichtigung der Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85, 86 EGV zu erfolgen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß es dadurch zu einem Verbot von Handlungsweisen nach Art. 85, 86 EGV kommt, die andererseits durch die Art. 30 ff. und 59 ff. EGV geboten wären. I \0 Dies ist eine Frage der systemkonformen Auslegung innerhalb des EGV, nicht der Anwendung des Kartellverbots gegenüber nationalen Schutzrechten.
liD So aber GrabitzJHilf-Koch, Art. 85 EGV, Rdnr. 211, für eine mit den Verboten der Art. 30 ff., 59 ff. konkurrierene Vertragspflicht zur Unterlassung von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen.
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(b) Bestimmung des grundlegenden Rechtsbestands unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH Für eine vorrangige Orientierung an der Tatbestandsmäßgkeit von Ausübunghandlungen nach Art. 85, 86 EGV spricht außerdem die Position des EuGH. Dieser hat sich zwar nicht explizit zu der Frage geäußert, welcher der dargestellten Vorgehensweisen der Vorzug zu geben ist, läßt aber doch Tendenzen erkennen, die rur den Vorzug der unter (2) und (3) dargestellten Ansichten sprechen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist einerseits davon auszugehen, daß die Existenz eines von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaates anerkannten Rechts auf Schutz des geistigen und künstlerischen Eigentums durch die Bestimmungen des EGV nicht berührt werden könne. 111 Demgegenüber unterlägen Ausübungshandlungen, die sich auf diese Rechte bezögen, dem Kartellverbot, wenn sie sich deshalb als mit Art. 85 EGV unvereinbar erwiesen, weil sie eine Verhinderung, Einschränkung oder VerflUschung des gemeinsamen Marktes bezweckten l12 oder Gegenstand, Mittel oder Folgen eines Kartells darstellten 113. Dies ist insofern mißverständlich, als von einem "Kartell" nur dann ausgegangen werden kann, wenn der Tatbestand der Kartellvorschriften erftlllt ist. Um deren Anwendbarkeit geht es hier aber gerade. Durch diese Rechtsprechung wird zunächst klargestellt, daß der bloße Bestand eines Schutzrechts, die exklusive Position des Rechtsinhabers als solche, nicht der EG-vertraglichen Beurteilung unterliegen kann. Nach den Kartellvorschriften des EG-Vertrags können aber Ausübungshandlungen überprüfbar sein, die sich auf das Schutzrecht beziehen und seiner Verwertung dienen. In diesem Sinne ist im Bestand des Schutzrechts jedenfalls eine Anwendungsschranke der gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften zu sehen. Dies ist die notwendige Konsequenz aus Art 36, 222 EGV. Hier ist jedoch entscheidend, wo im Grenzbereich zwischen bloßem Schutzrechtsbestand und wettbewerbsbeschränkendem Lizenzvertrag der Bereich beginnt, der wegen seiner schutzrechtlichen Rechtfertigung der kartellrechtlichen Beurteilung nach Art. 85, 86 EGV entzogen ist. Der spezifische Gegenstand der Urheberrechte ist in diesem Zusammenhang vom EuGH zwar erwähnt, nicht jedoch klar definiert worden. 114 Es ist aber die Rede von grundlegenden Rechten des Urhebers, die jedenfalls die Auffiihrung und die VervielflUtigung des Werkes umfassen. 115 Obwohl der EuGH die Bezeichnung "spezifischer Gegenstand" EuGH Slg. 1982, S. 3381, 3401 (Coditel/Cine-Vog). EuGH Slg. 1982, S. 3381, 3401 (Coditel/Cine-Vog). 113 EuGH Slg. 1982, S. 2015, 2061 (Nungesser). 114 Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 732. 115 EuGH Slg. 1988, S. 2625, 2629 (Warner Bros./Christiansen). 111
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teilweise, aber keineswegs in allen einschlägigen Entscheidungen verwendet, kann nicht davon ausgegangen werden, daß er sich bei der Bestimmung desselben im Einklang mit der dargestellten Literaturansicht befindet. Die Entscheidungen des EuGH, die den Mitgliedstaaten die Gestaltungsbefugnis ftir die gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte einräumenl\6, legen den Voraussetzungen und Modalitäten des Schutzes von Immaterialgüterrechten zwar das nationale Recht zugrunde. Dies besagt jedoch noch nichts darüber, wie zu entscheiden ist, wenn diese Rechte in Konflikt mit Gemeinschaftsrecht geraten. Der "spezifische Gegenstand" hat hier insoweit seine Berechtigung, als der EuGH nicht darauf eingeht, welchem mitgliedstaatlichen Recht das besprochene Urheberrecht in der erwähnten Entscheidung entstammte, und also von einem übernationalen, eben "grundlegenden" Rechtsbestand ausgeht. Eben deshalb sind aber die Konsequenzen, die aus der Anerkennung des spezifischen Gegenstandes gezogen werden, zu weit. Die Kreation eines spezifischen Gegenstandes des Urheberrechts rur jeden nationalen Sachverhalt, der jeweils durch Auslegung unter Berücksichtigung wechselseitiger Anwendungsschranken zu ermitteln wäre, würde denn auch die einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechts unmöglich machen. Zudem wäre es dem Gesetzgeber jedes Mitgliedstaates freigestellt, durch Neugestaltung seiner Schutzrechte die Geltungskraft von Gemeinschaftsrecht zu verändern. ll7 Da sich in den Entscheidungen des EuGH nichts darüber finden läßt, wie der "grundlegende Rechtsbestand" zu ermitteln ist, andererseits aber die Mitgliedstaaten die Modalitäten des Immaterialgüterschutzes festlegen, ist davon auszugehen, daß die mitgliedstaatlichen Wertungen zu berücksichtigen sind. Eine solche Vorgehensweise kann jedoch nicht isoliert auf den jeweils fraglichen Sachverhalt bezogen stattfmden, sondern muß allgemeine Gültigkeit rur Fälle dieser Art haben, um die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Diesen Erfordernissen entspricht die Auffassung, die solche Verwertungshandlungen, die sich innerhalb der schützenswerten Funktionen der Schutzrechts halten, als deren Bestand ansieht und also aus dem Anwendungsbereich der Art. 85, 86 EGV herausnimmt. Indem darauf abgestellt wird, daß die Rechtspositionen zu einem bestimmten Zweck vom (nationalen) Gesetzgeber verliehen worden sind, entspricht diese Ansicht der Entscheidungspraxis des EuGH, nach der die Modalitäten des Immaterialgüterschutzes den gesetzgeberischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten obliegen. 118 Trotz der Berück116 EuGH Slg. 1982, S. 2853, 2871 (KeurkooplNancy Kean); EuGH EuZW 1994, S. 27, 28 (quattro/Quadra). 117 Johannes, S. 20. 118 Der EuG weist in Slg. 1991 11, S. 485, 519 (RTE) darauf hin, daß es für das Verhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht im Gemeinschaftsrecht wesentlich auf die 6 Krcutzmann
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sichtigung nationaler Wertentscheidungen wird die einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechts gewährleistet. Denn die Erwägungen und Gründe, aus denen künstlerische Leistungsschutzrechte verliehen werden, werden in den Mitgliedstaaten dieselben sein: Es handelt sich um eine Belohnungs- und Anreizwirkung für die Veröffentlichung künstlerischen Ideenguts in Form des wettbewerblichen Schutzes durch die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten. Es ist also der Ansicht zuzustimmen, die die Frage der Anwendbarkeit der Art. 85, 86 EGV gegenüber Ausübungshandlungen, die sich auf Immaterialgüterrechte beziehen, davon abhängig macht, ob der Tatbestand dieser Vorschriften erfiillt ist. Ausübungshandlungen sind dabei jedoch nur Verwertungshandlungen, die über den Bestand des Schutzrechts im Sinne von grundlegenden Rechten nach Maßgabe der Schutzfunktion des Urheberrechts, die aus den kumulativen Wertungen der Mitgliedstaaten zu ermitteln ist, hinausgehen. Wie die kritische Würdigung des Meinungsstandes zu Bestand und Ausübung von Schutzrechten gezeigt hat, konkretisiert sich das Problem dahingehend, was genau unter "grundlegendem Rechtsbestand", wie der EuGH formuliert, zu verstehen ist. Die Untersuchung hat insoweit ergeben, daß dieser grundlegende Rechtbestand weder mit nationalen Rechtsinhalten noch mit einem jeweils zu ermittelnden spezifischen Gegenstand des Schutzrechts identisch ist. Trotzdem muß der Begriff nach der Bestands-Rechtsprechung des EuGH mit mehr Bedeutung ausgefiillt werden als mit dem, was nicht tatbestandsmäßig im Sinne der Art. 85, 86 EGV ist. Als Lösungsvorschlag bietet sich hier neben dem Abstellen auf gesetzgeberische Schutzfunktionen eine Art "kleinster gemeinsamer Nenner" der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten an. Die Verwertungshandlungen, die von allen Mitgliedstaaten als Bestandteil des Schutzrechts anerkannt werden, sollten jedenfalls zu dessen grundlegendem Bestand gehören. Als Anhaltspunkt kann hier auch die Berner Übereinkunft (RBÜ) dienen. Dadurch wäre ein erhebliches Stück Rechtssicherheit geschaffen und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts wäre insoweit gewährleistet. Dies scheint auch die Richtung zu sein, in die der EuGH mit Formulierungen wie "grundlegendem Rechtsbestand" geht.
Funktion des Urheberrechts ankomme, die darin bestehe, den Schutz der Rechte an dem geistigen Werk und die Vergütung der schöpferischen Tätigkeit unter Beachtung der Zwecke insbesondere des Art. 36 EGV sicherzustellen.
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c) Zusammenfassung
Die Besonderheit des Spannungsverhältnisses von Urheberrecht und Kartellrecht nach Gemeinschaftsrecht besteht darin, daß der eine Pol des Wertungskonflikts, nämlich das Kartellrecht, der Gemeinschaftsrechtsordnung und also einer Rechtsordnung angehört, die im Konfliktsfall Anwendungsvorrang genießt. Das darf zwar nicht so weit führen, daß der Bestand der nationalen Schutzrechte im Sinne von grundlegenden Rechten nicht mehr gewährleistet ist, muß aber so weit gehen, daß die Anwendung des Gemeinschaftrechts auf Ausübungshandlungen nicht durch nationale gesetzgeberische Entscheidungen vorgegeben sein darf. Die EG-vertragliche Grundlage für diese Lösung des Spannungsverhältnisses findet sich in Art. 36, 222 in Verbindung mit dem systematischen Gesamtzusammenhang des Vertrages.
3. Lösung nach deutschem Recht Das GWB enthält in den §§ 17, 18 Spezialvorschriften für Beschränkungen der Handlungsfreiheit des Erwerbers in Lizenzverträgen über den Erwerb oder die Benutzung von gewerblichen Schutzrechten. Für diese Vereinbarungen hat der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen den genannten Rechten und dem Kartellrec.ht speziell geregelt. Probleme ergeben sich dabei zum einen hinsichtlich der Auslegung von § 17 GWB, zum anderen hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit sich der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Urheberrechte erstreckt. a) Der Inhalt des Schutzrechts nach § 17 GWB
Nach § 17 GWB sind solche Beschränkungen des Erwerbers in Lizenzverträgen zulässig, die sich aus dem Inhalt der erfaßten Schutzrechte ergeben. Die Bestimmung dieses Begriffs, in dem sich das Spannungsverhältnis zwischen gewerblichen Schutzrechten und Kartellrecht nach deutschem Recht konkretisiert, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
aa) Historische Betrachtungsweise: Schutzrechtsimmanente Verbietungsrechte Unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sollen nach der historischen Betrachtungsweise alle diejenigen Beschränkungen zulässig seien, die der Lizenzgeber dem Lizenznehmer auch ohne den Vertrag aufgrund seines Schutzrechts verbieten könne. Demgegenüber seien solche Beschrän-
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kungen, die allein auf dem Vertrag beruhten und nicht einem schutzrechtsimmanenten Verbietungsrecht entsprächen, unwirksam. 119 Die historische Argumentation findet ihren Ausgangspunkt in den alliierten Dekartellierungsgesetzen von 1948. 120 Lizenmehmerbeschränkungen beurteilte man danach anhand des sog. Infringement-Tests, indem man ermittelte, ob sich die Bestimmung im Rahmen des gesetzlich defmierten Inhalts des Schutzrechts hielt oder darüber hinausging. Diese Konzeption wurde vom GWBGesetzgeber übemommen. 121 Die Rechtsprechung hat sich zwar in den hauptsächlich zu Patentlizenzvereinbarungen ergangenen Entscheidungen nicht ausdrücklich auf diese historische Auslegung bezogen. Trotzdem wird mitunter zur Rechtfertigung wettbewerbsbeschränkender Vertragsklauseln auf schutzrechtsimmanente Verbeitungsrechte abgestellt. 122 So werden Gebietsaufteilungen unter Hinweis auf die patentrechtlichen Befugnisse des Patentinhabers l23 und Importverbote ohne weitere Begründung deshalb filr zulässig erklärt, weil sie dem Inhalt des in Rede stehenden Sortenschutzrechts entsprächen l24 . Diese Zulassung von zum Teil schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen l2S ohne eine weitere Auseinandersetzung mit deren wettbewerb lichen Wirkungen über die schutzrechtliche Rechtfertigung hinaus läßt in der Rechtsprechung die Tendenz erkennen, den Inhalt der Schutzrechte als schutzrechtsimmanente Verbietungsrechte im Sinne der historischen Betrachtungsweise zu begreifen. bb) Teleologische Betrachtungsweise: Ergänzende Berücksichtigung kartellrechtlicher Gesichtspunkte Bei teleologischer Betrachtungsweise ist der Inhalt des Schutzrechts zwar auch anhand der gesetzlichen Befugnisse des Schutzrechtsinhabers zu ermir teln J26 , jedoch sind kartellrechtliche Gesichtspunkte im Hinblick auf Sinn und Zweck des GWB zu berücksichtigen. 127 Dadurch kommt es zu einem ZusamBGH WuWE 1259, 1260 ("Bremsrollen"); BGH WuWE 810,818 ("Zimcotot"). Bestimmungen über das Verhältnis von gewerblichen Schutzrechten und Wettbewerbsrecht finden sich in Art. V Nr. 9 c Ziff. 7 MRG 56IMRVO 78. 121 BRegE, BT-Drucks. II11158, S. 38. 122 BGH WuWE 1259, 1260 f.; BGHZ 49, S. 331, 337 f.; BGH WuWE 810,818. 123 BGH WuW/E 1259, 1260 f. 124 BGHZ 49, S. 331, 337 f. 125 So Emmerich, in: ZHR 140 (1976), S. 17,23. 126 Mösche/, Rdnr. 462: " ... bleibt die Entscheidung des Gesetzgebers bindend." 127 Ebd., ImmengaIMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnrn. 157 ff.; ders., Kartellrecht, S. 200; ders., in: ZHR 140 (1976), S. 17, 23; LangenIBunte-Bräutigam, § 20 119 120
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menwirken von Schutzrecht und Kartellrecht, bei dem der Wert des Ausschließlichkeitsrechts in Form eines technisch und wirtschaftlich spürbaren Gehalts 128, die Position und die Zahl der Vertragsbeteiligten sowie die Auswirkungen eines etwa bestehenden Vertragssystems 129 auf den Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Die Argumente, die ftlr diese Betrachtungsweise vorgebracht werden, basieren auf zwei grundsätzlichen Annahmen: Zum einen, daß es eine dem Wettbewerbsrecht voraus liegende, inhärente Beschränkungsbefugnis des Inhabers gewerblicher Schutzrechte nicht gebe 130 und zum anderen, daß ein qualitativ wesentlicher Unterschied zwischen dem Innehaben und der Ausübung eines mit einem bestimmten Schutzumfang gegen Eingriffshandlungen ausgestatteten Schutzrechts einerseits und seiner rechtsgeschäftlichen Verwertung andererseits bestehe l3l. Letztere könne Gegenstand einer umfassenden Marktstrategie des Schutzrechtsinhabers sein und diesem die Möglichkeit zu umfassenden, sogar industrieweiten Wettbewerbsbeschränkungen eröffnen. I32 Wertungen, die ftlr die Werkverwertung durch den Urheber selbst gelten, können demnach nicht uneingeschränkt auf Verhältnisse übertragen werden, bei denen Dritte durch die Einräumung von Nutzungsrechten beteiligt sind. Es sei auch keineswegs so, daß durch die Lizenzerteilung jedenfalls neuer Wettbewerb eröffnet werde, dessen Beschränkungen dann deshalb nicht ins Gewicht fielen. Vielmehr werde der Wettbewerb durch die Lizenzerteilung verlagert oder verändert, was eine Erweiterung oder Beschränkung des Marktes bedeuten könne; dem könne jedoch nur eine objektive Bewertung der neuen Situation durch die Kartellbehörden gerecht werden. I33 Gegen die ausschließlich historische Auslegung des Schutzrechtsinhalts wird vorgebracht, es handle sich bei diesem Begriff um ein letztlich völlig unbestimmtes Merkmal, das nicht filr einen allgemein gültigen und unwandelbaren Erkenntniszusammenhang stehe. 134 Vielmehr werde durch ihn ein bestimmtes Stadium der rechtlichen, ökonomischen und politischen ProblemGWB, Rdnrn. 29 ff.; Lieberknecht, S. 306; Walz, S. 237 tf., 249 tf.; BandaschiLemhoeferlHorn, S. 13 f.; Buxbaum, in: WuW 1966, S. 193,201 ff.; KartA TB 1966, S. 71. 128 Mäschel, Rdnr. 462; BandaschlLemhoeferlHorn, S. 13 f.; Langen/Bunte-Bräutigam, § 20 GWB, Rdnr. 29, ImmengaIMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 161; BKartA TB 1966, S. 71. 129 Emmerich, Kartellrecht, S. 200. 130 Walz, S. 137; Emmerich, Kartellrecht, S. 200; Mäschel, Rdnr. 462 unter Bezeichnung als "forrnalinstitutionell definierte Bereichsausnahme". I3I Mäschel, Rdnr. 462; Immenga/Mestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 159. I32 Mäschel, Rdnr. 462; Immenga/Mestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rn, 159. I33 Buxbaum, in: WuW 1966, S. 193,202. 134 Walz, S. 239, Emmerich, in: ZHR 140 (1976), S. 17,23.
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kenntnis dokumentiert; es handle sich um dogmatische Vorstellungen, an die der Gesetzgeber nicht gebunden sei. 135 Die gesetzgeberischen Vorgaben hingegen seien zwar bindend, jedoch insoweit der Auslegung offen, als unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtrahmens bei der Anwendung des § 17 GWB grundlegende Wertungen des Kartellrechts einzubeziehen seien. 136 Dadurch werde das Verhältnis der Abgrenzbarkeit von gewerblichen Schutzrechten und Kartellrecht durch ein Verhältnis des gegenseitigen engen Bezugs ersetzt. Verwertungshandlungen seien danach nach Lage des Einzelfalls als über den Inhalt des Schutzrechts hinausgehend zu qualifizieren, wenn von ihnen Wirkungen auf den Wettbewerb ausgingen, die nach der allgemeinen Zielsetzung des GWB nicht mehr hingenommen werden könnten. 137 Dies gelte auch, wenn die Beschränkungen sich im Rahmen der schutzrechtsimmanenten Befugnisse bewegten. cc) Diskussion Innerhalb der dargestellten Kontroverse besteht Einigkeit darüber, daß sich der Inhalt des Schutzrechts jedenfalls grundsätzlich nach den Befugnissen bestimmt, die das jeweilige Spezialgesetz dem Rechtsinhaber einräumt. Umstritten ist hingegen, ob und in weIcher Weise die Kartellvorschriften in diesen Bereich schutzrechtsimmanenter Befugnisse hineinwirken können. (1) Vermeidung von kartellrechtsimmanenten Wertungswidersprüchen durch teleologische Auslegung
Es ist bereits dargelegt worden, daß das Verhältnis von gewerblichen Schutzrechten und Kartellrecht keinen grundsätzlichen Widerspruch birgt, sondern daß es sich um eine komplementäre, wenn nicht symbiotische, Relation handelt (s. o. S. 69 ff.) Im Einklang mit diesem Verständnis steht die zuletzt dargestellte teleologische Betrachtungsweise, wenn sie zur Bestimmung des Schutzrechtsinhalts die schutzrechtlichen Vorgaben als Basis anerkennt und davon ausgehend wettbewerbsrechtliche Wertungen im Hinblick auf Sinn und Zweck des GWB in die Beurteilung einbezieht. Die VorzugsWOrdigkeit dieser Vorgehensweise zeigt sich bereits darin, daß von den Spezialregelungen der §§ 17, 18 GWB nur die Beschränkungen des Lizenznehmers, nicht jedoch des Lizenzgebers erfaßt werden. Letztere können jedoch, man denke an die Walz, S. 239. Möschel, Rdnr. 462. 137 Immenga/Mestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 160, Walz, S. 249. 135
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kontrovers beurteilten ausschließlichen Lizenzen, ebenfalls erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die bei Zugrundelegung der ausschließlich historischen Betrachtungsweise einer ganz anderen Beurteilung unterliegen wUrden als die Lizenznehrnerbeschränkungen. Bezieht man die Wertungen des allgemeinen Kartellrechts auch bei der Bewertung von Beschränkungen des Lizenznehrners nach §§ 17, 18 GWB mit ein, so umgeht man diesen Wertungswiderspruch oder mildert ihn zumindest ab. (2) Analyse der historischen Argumentation
Es ist jedoch fraglich, ob eine so verstandene Ausprägung des Spannungsverhältnisses von Schutzrechten und Kartellrecht in § 17 GWB angesichts der davon abweichenden gesetzgeberischen Motivation überhaupt möglich ist. Den Vertretern der teleologischen Betrachtungsweise ist jedenfalls darin zuzustimmen, daß gesetzgeberische Motivationen stets Ausfluß politischer und ökonomischer Notwendigkeiten und damit von dem diesbezüglichen Verständnis geprägt sind, das zur Zeit der Gesetzgebung herrscht. Tatsächlich besaß der GWB-Gesetzgeber von 1958 wenig Erfahrung im Bereich Lizenzkartellrecht, die Kartellverordnung von 1923 enthielt keine diesbezügliche Sonderbestimmung. Deshalb lehnte man sich an den Infringement-Test an, den man seit der von den Alliierten durch das entsprechende Gesetz von 1948 eingeleiteten Dekartellierung kannte. Zweck dieses Tests war primär, eine mißbräuchliche Ausdehnung der Schutzrechte über ihren gesetzlichen Umfang hinaus zu verhindern, indem man die Befugnisse des Schutzrechtsinhabers auf den gesetzlichen Inhalt des Schutzrechts begrenzte. 138 Die historische Auslegung erfolgt hier also anband von Wertungen, die fUr die Wirkungsrichtung vom Schutzrecht hin zum Wettbewerb bestehen. Die hier fragliche Wirkungsrichtung ist aber die vom Kartellrecht hin zur Schutzrechtsausübung. Mit anderen Worten sagt die anband der Dekartellierungsgesetze entwickelte historische Auslegung nichts darüber aus, ob schutzrechtsimmanente rechtsgeschäftliehe Verwertungshandlungen vom Kartellrecht beschränkbar sind, sondern nur darüber, daß der Wettbewerb nicht über den Schutzrechtsinhalt hinaus beschränkbar sein darf. Indessen ist auch nicht gesagt, daß der Gesetzgeber tatsächlich die Grenze des Schutzrechtsinhalts zwischen schutzrechtsinhärenten und schutzrechtsüberschreitenden Beschränkungsabreden verlaufen lassen wollte, stellt er doch in § 17 Abs. 1 Satz 2 GWB klar, daß Beschränkungen hinsichtlich Art, Umfang, Menge, Gebiet oder Zeit der Ausübung des Schutzrechts nicht über 138
Mäschel, Rdnr. 461, ImmengalMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 32.
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dessen Inhalt hinausgehen. Wäre der Schutzrechtsinhalt bereits durch das jeweilige Spezialgesetz abschließend begrenzt und definiert, wäre diese Bestimmung überflüssig. Daher ist der zur Begründung der zuerst dargestellten Ansicht immer wieder angeftlhrte Regierungsentwllrf39 so zu verstehen, daß durch den Begriff des Schutzrechtsinhalts die mißbräuchliche Überdehnung des Schutzrechts zulasten des Wettbewerbs verhindert 140, nicht jedoch seine kartellrechtliche Einschränkung ftlr unmöglich erklärt werden soll. Jedenfalls kommt der Entstehungsgeschichte und dem subjektiven Willen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe gegenüber dem objektiven Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus Wortlaut und Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt, nur untergeordnete Bedeutung ZU. 141 Es kann aus der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes mithin nicht eine Auslegung ftlr unzulässig erklärt werden, die sich an Sinn und Zweck eben dieses Gesetzes orientiert. Vielmehr kann die historische Auslegung die Richtigkeit der durch eine an Wortlaut und Sinnzusammenhang ausgerichteten Auslegung bestätigen. 142 Hier vermag die historische Auslegung jedoch auch dies nicht zu leisten, da sich - wie eben dargestellt - aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift keine Hinweise über die Einwirkung des Kartellrechts in den Bereich schutzrechtsimmenter Befugnisse ergeben.
(3) Zusammenfassung Nach alledem ist der unter bb) dargestellten Ansicht der Vorzug zu geben. Die kartellrechtliche Zulässigkeit schutzrechtlicher Ausübungshandlungen bestimmt sich grundsätzlich nach den schutzrechtsimmanenten Befugnissen, muß jedoch nach Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung kartellrechtlicher Gesichtspunkte im Hinblick auf Sinn und Zweck des GWB ermittelt werden. b) Urheberrechte im Anwendungsbereich der §§ 17, 18 GWB? Nach dem Wortlaut der §§ 17, 18 GWB beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschriften auf Patente, Gebrauchsmuster, Topographien, Sortenschutzrechte und qualifizierte technische Betriebsgeheimnisse. Nicht BT-Drucks. I1/1158, S. 38. Es finden sich im Regierungsentwurf denn auch nur Formulierungen, die die Ausdehnung der Schutzrechtsausübung, nicht aber ihre kartellrechtliche Einschränkbarkeit betreffen. 141 BGHZ 23, S. 377, 390; BGHZ 33, S. 321, 330. 142 BOHZ 33, S. 321, 330. 139
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geregelt sind demgegenüber Verträge über sonstige gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, die ebenfalls Wettbewerbsbeschränkungen enthalten können. Die Kontroverse hinsichtlich des Verhältnisses der Urheberrechte zum deutschen Kartellrecht besteht darüber, ob die §§ 17, 18 GWB Anwendung finden, ob die allgemeinen Vorschriften (§§ 1 bis 7 bzw. 14 und 16 GWB) anzuwenden sind oder ob die Wertungen des GWB bereits bei der Ennittlung des Schutzrechtsinhalts berücksichtigt werden müssen. Dieser Meinungsstreit hat Auswirkungen auf die Rechtsfolgen, die die jeweiligen Vorschriften des GWB rur die fragliche Lizenzvertragsbestimmung vorsehen. Ein Spezialitätsverhältnis, das eine alternative Anwendung der Vorschriften bedingt, besteht dabei allerdings nur zwischen den §§ 14, 16 und 17, 18 GWB. 143 Unterschiede bestehen bei der Anwendung der genannten Vorschriften hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen (dazu sogleich) und der Rechtsfolgen (§ 14 GWB: Verbot ohne Genehmigungsmöglichkeit; § 16 GWH: Mißbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde; §§ 17, 18 GWB: Verbot mit Möglichkeit der Freistellung durch das Bundeskartellamt (BKartA) nach § 17 Abs. 3 GWB). Zwischen den §§ 1 bis 7 und 17, 18 GWB besteht hingegen ein Verhältnis der Alternativität und nicht der Spezialität, daß davon abhängt, ob der Lizenzvertrag zum Zweck der Verhinderung, Einschränkung oder Vertalschung von Wettbewerb geschlossen wurde oder nicht.
aa) Keine Erstreckung des Anwendungsbereichs der §§ 17, 18 GWB auf Urheberrechte Nach einer in Rechtsprechung l44 und Literatur l45 verbreiteten Ansicht soll die Anwendung der §§ 17, 18 GWB auf die in den Vorschriften genannten Schutzrechte beschränkt bleiben. Wegen der Unanwendbarkeit der §§ 17, 18 GWB unterlägen alle Verträge über die Verwertung von Urheber-
Langen/Bunte-Bräutigam, § 20 GWB, Rdnr. 167. BGH WuWE 2190 f. ("Preisabstandsklausel"), wobei nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß die §§ 20, 21 GWB auf den in der Entscheidung streitigen Taschenbuchlizenzvertrag nicht anwendbar sind. Allerdings kann aus der Anwendung des § 15 auf einen derartigen Ausgangspunkt geschlossen werden; zuvor ebenso OLG Stuttgart WuWE 3410 ff. ("Preisabstandsklausel"); OLG Hamburg WuWE 1724, 1729 ("Miniaturgolfanlagen") für Geschmacksmuster. 145 Immenga/Mestmllcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnrn. 347, 353 ff., 396 f.; ders., Kartellrecht, S. 214 f.; Langen/Bunte-Bräutigam, § 20 GWB, Rdnr. 12; Lieberknecht, S. 302 f.; Blaurock, in: Werner-FS, S. 23, 32 f.; Brugger, in: UFITA 27 (1959), S. 189,218 ff. 143
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rechten uneingeschränkt der Bewertung durch die allgemeinen Vorschriften §§ 1 bis 7 bzw. 14 und 16 GWB. 146 Dieser Betrachtungsweise liegt zunächst eine historische Argumentation aus der Entstehungsgeschichte des GWB zugrunde. Die Tatsache, daß der GWBGesetzgeber sich entgegen entsprechender Vorschläge, die Urheberrechte ausdrücklich in den Anwendungsbereich der §§ 17, 18 GWB aufzunehmen l47 , eindeutig gegen die Ausdehnung des Anwendungsbereichs entschieden habe, zeige, daß die Beschränkung auf Patente, Topographien, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrechte und qualifiziertes technisches Know-how mit Bedacht erfolgt und eine analoge Anwendung der Vorschriften auf sonstige Schutzrechte, inbesondere Urheberrechte, nicht möglich sei. 148 Einer solchen Analogie stehe auch das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG entgegen, weil das Hinwegsetzen über einen nach § 17 Abs. 1 GWB verbotenen Vertrag eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB bedeute. 149 Weiterhin stellten die kartellrechtlichen Vorschriften, die mit Ausnahme der §§ 17, 18 GWB hier Anwendung finden müßten, die notwendige Schranke des urheberrechtlichen Geschäftsverkehrs dar, die im Interesse der Wettbewerbsfreiheit und der Erhaltung des Wettbewerbs erforderlich sei. \SO Sofern Verträge über die Nutzung vOn Urheberrechten zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen würden, seien die §§ 1 bis 7 GWB, anderenfalls die §§ 14 und 16 GWB anwendbar. 151 Demgegenüber bestehe ftlr eine Einschränkung des GWB insbesondere im Hinblick auf die gesetzlich anerkannten Funktionen des Urheberschutzes kein Erfordernis. 152 Deshalb bleibe es dabei, daß (bei Fehlen des Zwecks der Verhinderung, Einschränkung oder VerflUschung des Wettbewerbs) Preis- und Konditionenbindungen, die praktisch am relevantensten seien 153, in Lizenzverträgen über Urheberrechte im Regelfall gern. § 15 G WB nichtig seien. 154
ImmengaJMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 347. Vgl. den entsprechenden Vorschlag des Bundesrats in BT-Drucks. II11158, S. 65. 148 ImmengaJMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnm. 344 f., 354; ders., KarteIlrecht, S. 214 f. 149 OLG Hamburg Wu WE 1724, 1729 ("Miniaturgolfanlagen"), zur Geltung des Analogieverbots rur Ordnungswidrigkeiten vgl. §§ 1 Abs. 1,3 OWiG. 150 Brugger, in: UFITA 27 (1959), S. 189,220. 151 ImmengaJMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 354. 152 Emmerich, Kartellrecht, S. 215. 153 Emmerich, Kartellrecht, S. 214. 154 ImmengaJMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 356. 146
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bb) Analoge Anwendung der §§ 17, 18 GWB auf Urheberrechte Demgegenüber wird vertreten, daß beschränkende Bestimmungen in Urheberrechtsverträgen der analogen Anwendung der §§ 17, 18 GWB unterlägen. 155 Dies gebiete die vergleichbare Interessenlage von Patent und Urheberrecht. Geschützte Erfindungen und geistige Schöpfungen wiesen gleichermaßen eine erhebliche Gefahr mißbräuchlicher Verwendung auf, wie sie mit dem Eigentum an Sachen nicht verbunden sei. 156 Eine kartellrechtliche Sonderbehandlung nach Maßgabe der analog anzuwendenden Vorschriften der §§ 17, 18 G WB sei durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt, das an der Förderung erfinderischer und schöpferischer Tätigkeit gleichermaßen bestehe. 157 Der danach gebotenen entsprechenden Anwendung der §§ 17, 18 G WB auf Urheberlizenzverträge stehe auch nicht das Analogieverbot entgegen, weil zwischen den in Rede stehenden Vorschriften keine insofern relevanten Unterschiede bestünden. 158 Diese gebe es zwischen den Unwirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 16 und 17 G WB nur insoweit, als nach dem Mißbrauchsprinzip des § 16 GWB gegenüber dem Verbotsprinzip des § 17 GWB die Gültigkeit des Vertrages bis zur Entscheidung des Bundeskartellamtes bestimmt werde. 159 Die Parteien könnten jedoch durch Schaffung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 GWB dieselbe Rechtslage herbeifUhren. Die Unwirksamkeitsvoraussetzungen der in Rede stehenden Vorschriften seien vom Gesetzgeber einheitlich gemeint und wUrden zu Unrecht unterschiedlich behandelt. 160 Auch sei eine Analogie nicht deshalb ausgeschlossen, weil § ] 7 GWB an die patentrechtliche Unterscheidung von dinglichen und schuldrechtlichen Bindungen anknüpfe und deshalb keinen analogieflihigen Rechtsgedanken enthalte, sondern auf die ausdrücklich genannten Fälle beschränkt bleiben müsse. 161 § 17 Abs. 1 GWB beziehe sich zwar auf einige schutzrechtsimmanente Beschränkungen, die üblicherweise als dingliche Bindungen vorkämen, und § 17 Abs. 2 GWB erwähne Beschränkungen, die als schuldrechtliche Bindungen gebräuchlich seien, dies sei jedoch keinesfalls zwingend und Abweichun155 SandbergerlTreeck, in: UFITA 47 (1966), S. 165, 185; Burgbacher, S. 79 ff.; Koppensteiner, in: ZHR 129 (1967), S. 256 f., 280 ff. 156 SandbergerlTreeck, in: UFITA 47 (1966), S. 165, 185; Koppensteiner, in: ZHR 129 (1967), S. 256 f. 157 Koppensteiner, in: ZHR 129 (1967), S. 256 f. 158 Burgbacher, S. 79 ff. 159 Burgbacher, S. 81 f. 160 Burgbacher, S. 81. 161 Koppensteiner, in: ZHR 129 (1967), S. 256, 287 f.
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gen im Einzelfall durchaus möglich. 162 Deshalb sei die Annahme, § 17 GWB beruhe auf der Unterscheidung von dinglichen und schuldrechtlichen Bindungen, verfehlt. cc) Anwendung des Grundgedankens des § 17 GWB auf Urheberrechte Hält man den in § 17 Abs. 1 GWB zum Ausdruck gekommenen Grundgedanke auch rur Urheberrechte maßgeblich, so ist der Inhalt des Schutzrechts als urheberrechtlicher Kernbereich durch Einschränkungen bei der kartellrechtlichen Kontrolle nach §§ 14 und 16 GWB zu berUcksichtigen. 163 Auch die in § 17 Abs. 1, Satz 2 GWB rur zulässig erklärten Beschränkungen hinsichtlich Art, Umfang, Menge, Gebiet oder Zeit der Schutzrechtsausübung enthalten nach dieser Betrachtungsweise einen auf Urheberrechte sinngemäß anzuwendenden Rechtsgedanken. 164 Zunächst wird argumentiert, daß das GWB nicht als dem Urheberrecht prinzipiell vorrangig zu bewerten sei. 165 Das GWB könne und wolle nicht solche Wettbewerbsbeschränkungen unterbinden, die an einer anderen Stelle der Rechtsordnung zur Wahrung von Schutzrechten zugestanden würden. 166 Deshalb sei der Grundgedanke des § 17 GWB, daß Beschränkungen, die über den Schutzrechtsinhalt als Kern der urheberrechtlichen Befugnisse nicht hinausgingen, im Grundsatz auch nach kartellrechtlicher Beurteilung zugelassen sein müßten, auch im Urheberrecht anwendbar. 167 Ansonsten werde das verfassungsrechtlich garantierte legale Ausschlußrecht mit seinem konsequenterweise eröffneten monopolistischen Freiraum, der auch die wettbewerbsilirdernde Funktion des Urheberrechts aufrechterhalte, mißachtet. 168 Die Wech-
Koppensteiner, in: ZHR 129 (1967), S. 256, 288. Bappert/Maunz/Schricker, Ein!. Rdnr. 35; Schneider, S. 114 f.; Werberger, S. 17 ff., 22 f.; Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 808 ff.; ders., in: BB 1985, S. 1209, 1214; Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 424 ff., 436; wohl auch Loewenheim, S. 189 ff., 210. 164 Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 439. 165 Bappert/Maunz/Schricker, Ein!. Rdnr. 35. 166 Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 437. 167 Schneider, S. 115; Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 809, ders., in: BB 1985, S. 1209, 1214 unter Hinweis auf die kartellrechtlich grundsätzlich unbedenklichen Wettbewerbsbeschränkungen, die rur die Wahrung der Ordungsaufgabe des Urheberrechts erforderlich seien. 168 Schneider, S. 114; Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 808. 162 163
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selwirkung zwischen den Rechtgebieten Urheberrecht und Wettbewerbsrecht bedinge eine schutzzweck- und interessenorientierte Auslegung aus dem System, bei der die Deutung des GWB urheberrechtlichen Wertungen unterliege und das Urheberrecht vom Kartellrecht beeinflußt werde. 169 Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere das schutzwürdige Partizipations- und Kontrollinteresse des Urhebers bei der weitestmöglichen Verbreitung seines Werks. Weiterhin wird ausgeftlhrt, gegen eine vollständige analoge Anwendung des § 17 GWB sprächen zwei Gesichtspunkte: Zum einen stehe dem das Analogieverbot entgegen. 170 Die Vorschrift des § 17 G WB stelle nämlich gegenüber den §§ 14, 16 GWB keine mildere Regelung auf. Insbesondere obligatorische Bezugs- oder Absatzbeschränkungen des Verwerters, die nach § 18 GWB lediglich der Mißbrauchskontrolle unterlägen, seien nach § 17 GWB in der Regel verboten. 171 Deshalb dürfe sich die Anwendung dieser Vorschriften lediglich auf Auslegung, nicht jedoch auf Analogie gründen. Die Grenzen der zulässigen Auslegung seien jedoch überschritten, da die Anwendung der §§ 17, 18 GWB schon deshalb nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen könne, weil das Urheberrecht bereits vor dem GWB existent gewesen und bewußt nicht in die Regelung der §§ 17, 18 GWB aufgenommen worden sei. 172 Außerdem seien die Unterschiede zwischen Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten zu groß, um eine analoge Behandlung rechtfertigen zu können: Das Urheberrecht entstehe im Gegensatz zu den gewerblichen Schutzrechten völlig forrnfrei, habe keine absolute Sperrwirkung und bestehe ohne Gebühren oder Offenbarungs- und Beschreibungspflichten. 173 Die vorgeschlagene Lösung sei auch insbesondere deshalb sachgerecht, weil es bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Urheberrechtsverträgen vor allem darum gehe, anpassungsfithige und an den Umständen des Einzelfalls orientierte Regeln zu fmden. 174 Dies könne durch eine grundsätzliche Bewertung nach §§ 14, 16 GWB unter Berücksichtigung des Urheberrechtsinhalts besser bewerkstelligt werden als durch eine vollständige Analogie zu den §§ 17, 18 G WB, zumal das Gesetz Sonderregeln nur fiir die dort genannten Schutzrechte aufstelle. 17s
Bappert/Maunz/Schricker, Ein\. Rdnr. 35. Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 435, Werberger, S. 21 ff. 171 Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 435. 172 Werberger, S. 21. 173 Ebd. 174 Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 435 f. 175 Fikentscher, Warenzeichenlizenz, S. 405, 435 f. 169
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dd) Kritische Würdigung des Meinungsstreits und praktische Konsequenzen (I) Diskussion
Bevor die Frage nach Wertungen und Abwägungen, die bei der kartellrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sind, gesteHt werden kann, ist zu klären, welche Vorschriften des GWB auf Urheberrechte Anwendung finden. (a) Untersuchung der Zulässigkeit einer Analogie zu den §§ 17, 18 GWB Hierbei kommt der Frage nach der Möglichkeit einer Analogiebildung mittels Regelungsübertragung entscheidende Bedeutung zu. Erste Voraussetzung ftlr die Bildung einer Analogie ist dabei eine offene Gesetzeslücke, also die Tatsache, daß das Gesetz rur eine bestimmte FaHgruppe keine Regelung enthält, obgleich es nach seinem Zweck eine solche Regel enthalten sollte. 176 Es fragt sich also, ob Sinn und Zweck des GWB überhaupt eine Sonderregel ftlr Urheberrechte erfordern. Ansonsten wäre keine Regelungslücke gegeben und demnach kein Raum rur eine Analogie vorhanden. Soweit von den Gegnern der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 17, 18 GWB auf den Gesetzeszweck des GWB und darauf verwiesen wird, daß im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine Regelung des Urheberrechts nicht beabsichtgt gewesen sei, handelt es sich also rechtstheoretisch um Einwände gegen einen Analogiebedarf. Diesbezüglich ist nicht einsichtig, woraus sich diese Schlußfolgerung zwingend ergeben soH. Das Schweigen des Gesetzgebers hinsichtlich der Frage der Anwendung der §§ 17, 18 GWB auf alle gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte kann jedenfal1s nicht als die positive Äußerung gedeutet werden, daß alle nicht in den Vorschriften genannten Schutzrechte den allgemeinen Vorschriften untersteHt sein sol1en. 177 Weder in den Materialien zum ursprünglichen GWB noch in den Materialien zur jüngsten GWB-Novelle finden sich ausdrückliche Aussagen darüber, ob Urheberrechte vom Anwendungsbereich der §§ 17, 18 GWB erfaßt sein sollen oder nicht. 178 Allerdings macht die Tatsache, daß der Gesetzgeber von 1998 es offensichtlich auch in Kenntnis der lizenzkartellrechtlichen Probleme im Urheberrecht nicht tUr nötig befunden hat, die Urheberrechte in den Regelungsbereich der §§ 17, 18 GWB aufzunehmen,
Larenz, S. 377. Loewenheim, S. 197. 178 Der in dieser Hinsicht zitierte Regierungsentwurf (BT-Drucks. II /1158, S. 39) enthält in Ziff. 7 zum damaligen § 15 GWB nur Aussagen zu Geschmacksmustern und Warenzeichen. 176
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die Argumente filr eine Regelungslücke hinfällig, die von einem nicht erkannten Regelungsbedarf ausgehen. Gerade weil aber das Lizenzkartellrecht auch im Urheberrecht mit beträchtlichen Problemen verbunden ist, und diese auch nach der GWB-Novelle unter ausschließlicher Berücksichtigung des Gesetzestexts weiterhin ungelöst im Raum stehen, ist mangels ausdrücklicher Äußerung des Gesetzgebers weiterhin von einer Regelungslücke auszugehen. Eine Analogie ist jedoch nur dann zulässig, wenn die in Rede stehenden Tatbestände wegen ihrer Übereinstimmung in den rur die gesetzliche Beurteilung maßgebenden Hinsichten gleich zu bewerten sind. 179 § 17 GWB soll dem Inhaber der in §§ 17, 18 GWB genannten Schutzrechte die Möglichkeit eröffilen, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen in Form von Lizenznehmerbeschränkungen zu treffen, um sein Recht gegen mißbräuchliche Verwertung zu schützen. 180 Wenn diese Möglichkeit filr den Urheber nutzbar gemacht werden soll, müßte dieser sich in einer vergleichbaren Interessenlage befinden. Dafilr kommt es auf eine Übereinstimmung in den rur die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten, nicht aber auf eine wesensmäßige Identität von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten, an. 181 Der Unterschied besteht zunächst augenscheinlich darin, daß bei ersteren im Vordergrund steht, die Nutzung des Schutzobjekts einer oder wenigen Personen ausschließlich vorzubehalten, während der Urheber gerade an der möglichst weiten Verbreitung und Nutzung seines Werkes interessiert ist. 182 Dieser wertungsmäßige Unterschied hat jedoch filr das rur Patentinhaber wie rur Urheber gleichermaßen bestehende Bedürfnis nach Mißbrauchsschutz keine Bedeutung. Schließlich hat der Urheber zwar ein erhebliches Interesse an der Verbreitung seines Werks. Dieses bezieht sich jedoch nicht darauf, daß sein Werk gleichviel aufweIche Weise auf möglichst breiter Basis angeboten wird, sondern darauf, daß es von Vielen, entgeltlich, genutzt wird - ebenso wie der Patentinhaber ein Interesse daran hat, daß das Produkt, das mit Hilfe seines Patents geschaffen wurde, viele Abnehmer findet. Denn die Rezeption von künstlerischem Werk wie von industiellem Endprodukt bedingt die Marktbedeutung und also den wirtschaftlichen Wert beider Güter. Auch das beschriebene Interesse des Urhebers wird in erster Linie ein wirtschaftliches sein. Nur so erklärt sich auch die Erteilung ausschließlicher Lizenzen im Urheberrecht.
179
180 181
Larenz, S. 381.
Vgl. dazu insbesondere § 20 Abs. 1, Halbs. 2, Abs. 2 GWB. Larenz, S. 381.
Amtliche Begründung zum UrhG - Grundzüge des Entwurfs, 1. Allgemeines, abgedruckt bei Haertel/Schiejler, S. 100 f. 182
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Die vergleichbare Interessenlage ist nach dem eben Gesagten gegeben. Es liegt eine parallele Wertungssituation im Verhältnis Urheberrechte und gewerbliche Schutzrechte zum Kartellrecht vor. Ob allerdings ein der Analogiebildung entgegenstehendes Analogieverbot besteht, hängt davon ab, ob § 17 GWB eine tUr den Urheber gegenüber den allgemeinen Vorschriften des Kartellrechts nachteilige Regelung enthält. Ordnungswidrig handelt nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht nur, wer sich über das Verbot eines Vertrages nach § 17 GWB hinwegsetzt, sondern auch, wer ein solches nach § 1 GWB oder nach § 15 GWB mißachtet. Die gleiche Rechtsfolge ist nach § 81 Abs. I Nr. 6 a) GWB vorgesehen, wenn einer vollziehbaren Anordnung durch die Kartellbehörde nach §§ 16 Abs. 3, 12 Abs. I Nr. I GWB zuwidergehandelt wird. In der Tat ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Ordnungswidrigkeit in allen Fällen gleich. Unterschiede bestehen aber hinsichtlich der Voraussetzungen. Eine Lizenznehmerbeschränkung, die nach § 17 Abs. I GWB unwirksam ist, kann bei einer Beurteilung nach § 16 durchaus wirksam sein, und zwar so lange, bis sie vom Kartellamt im Wege der Mißbrauchskontrolle fiir unwirksam erklärt wird. Es handelt sich also bei den §§ 17, 18 G WB keineswegs um durchweg den Schutzrechtsinhaber gegenüber den allgemeinen Kartellrechtsvorschriften privilegierende Vorschriften, sondern um Sonderregeln, die das spezifische Spannungsverhältnis der genannten Schutzrechte zum Kartellrecht sachgerecht lösen sollen mit Erleichterungen, aber auch mit Erschwerungen, wo es dem besonderen Verhältnis der in Rede stehenden Rechtsgebiete entspricht. Ob es möglich ist, die tUr gewerbliche Schutzrechte gegenüber dem Kartellrecht geltenden Privilegierungen im Wege der Auslegung auf Urheberrechte zu übertragen, wird im folgenden zu untersuchen sein. Eine vollständige Gesetzesanalogie jedoch würde auch die Erschwerungen der §§ 17, 18 GWB auf die Urheberrechte projizieren, so daß das Analogieverbot eingriffe. Diese Lösung ist unzulässig. Die kartellrechtliche Bewertung von urheberrechtlichen Lizenzverträgen muß grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften des GWB erfolgen. Für eine analoge Anwendung der fiir gewerbliche Schutzrechte bestehenden Sonderregeln der §§ 17, 18 GWB ist wegen des Analogieverbots kein Raum. (b) Die Auslegung nach den Grundsätzen des § 17 GWB als vorzugsWÜTdige Vorgehensweise Demgegenüber handelt es sich bei der ergänzenden Berücksichtigung von Wertungen des § 17 GWB um eine Auslegung nach Sinn und Zweck der in Rede stehenden Vorschriften, die auch bei Bestehen eines Analogieverbots durchaus zulässig ist. Die Argumentation dieser Ansicht läuft darauf hinaus, daß die Grundaussage des § 17 Abs. I GWB, die sich an der Natur der
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Schutzrechte und ihrem Verhältnis zum Kartellrecht orientiert, auch auf Urheberrechte Anwendung fmdet, während die in den §§ 17, 18 GWB genannten Spezialvorschriften auf die ausdrücklich genannten gewerblichen Schutzrechte beschränkt bleiben. Wie oben dargestellt, besteht zwischen Ausschließlichkeitsrechten und Kartellrecht im allgemeinen ein einheitliches Spannungsverhältnis, das rur das Urheberrecht und jedes der gewerblichen Schutzrechte allerdings eine besondere Ausprägung hat. Diesem Gedanken widerspricht es, das Urheberrecht uneingeschränkt der kartellrechtlichen Beurteilung durch die allgemeinen Vorschriften des GWB zu unterwerfen \83. Vielmehr bietet es sich im Einklang mit der oben vertretenen Argumentation zur allgemeinen Ausgestaltung des Verhältnisses von Urheber- und Kartellrecht auch hier an, im Wege einer wechselseitig bezogenen Auslegung der in Frage stehenden urheberrechtlichen Befugnis und der jeweils einschlägigen Kartellrechtsnorm im Einzelfall zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen. Das gilt nicht nur fUr die hier diskutierten §§ 15 und 18, sondern auch rur die §§ I bis 7 GWB, weil auch eine Wettbewerbsbeschränkung mit gemeinsamem Zweck besonderen urheberrechtlichen Ausübungshandlungen, beispielsweise der kollektiven Werkverwertung, entspringen kann. Diese Vorgehensweise entspricht auch der europarechtlichen Lösung, die gewerblichen und künstlerischen Schutzrechte in Kollision mit dem Kartellrecht einheitlich zu behandeln. Dies ist zwar kein Argument rur die Richtigkeit des Ansatzes, lohnt sich aber doch als Vorteil zu erwähnen.
(2) Praktische Konsequenzenjür Urheberrechtsverträge: Auslegung der §§ I, 14, 16 GWB nach den in § 17 GWB enthaltenen Grundsätzen Die praktische Konsequenz der oben vertretenen Ansicht ist, daß im Grundsatz nur solche Wettbewerbsbeschränkungen der Beurteilung nach den allgemeinen Vorschriften des GWB unterliegen, die über den Inhalt des Urheberrechts hinausgehen. Der Ausgleich zwischen wettbewerbsrechtlichen und urheberrechtlichen Interessen hat dabei nach den oben dargestellten Grundsätzen insbesondere durch Auslegung stattzufmden, die sich an Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften orientiert. Der Inhalt des Schutzrechts als bei
183 Vgl. ImmengalMestmäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 354, der auch als Vertreter dieser Ansicht Randkorrekturen zuläßt, "die zur Wahrung der legitimen Verwertungsinteressen des Urhebers im Einzelfall erforderlich sein können." Die Unterschiede zwischen den Vertretern der Meinungen, die jede Berücksichtigung der §§ 17, 18 GWB ablehnen und denen, die die Wertungen dieser Vorschriften auf Urheberrechte übertragen wollen, sind also nicht so groß, wie es scheinen mag. 7 Kreutzmann
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der Auslegung zu berücksichtigender Grundsatz ist dabei als vom Gesetz gewährleisteter Grundbestand in Verbindung mit dem Erhalt seiner wesentlichen Schutzfunktionen zu sehen. Die Auslegung der allgemeinen Vorschriften des GWB nach den Prinzipien des § 17 GWB bedeutet also im Hinblick auf die funktionale Ergänzung von Urheber- und Kartellrecht einen Ausgleich zwischen den Schutzfunktionen der in Rede stehenden Rechtgebiete filr den konkreten Fall. Hier zeigt sich auch ein weiterer Aspekt der Vorzugswürdigkeit der vertretenen Vorgehensweise: Die Beurteilung von gewerblichen und künstlerischen Schutzrechten im GWB erfolgt dogmatisch und praktisch nach einem homogenen System, das sich an einheitlichen Wertungen orientiert und trotzdem einzelfallgerechte Lösungen im konkreten Fall zuläßt. (a) Auslegung des § 14 GWB § 14 G WB beinhaltet das Verbot von Verträgen über Preisgestaltung und Geschäftsbedingungen, wenn sie einen Vertragsbeteiligten in der Freiheit zur Gestaltung derselben beschränken. Diese Gestaltungsfreiheit ist das Tatbestandsmerkmal, das nach der hier vertretenen Ansicht im Hinblick auf § 17 GWB ausgelegt werden muß. Danach darf auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 GWB die Nichtigkeitsfolge dieser Vorschrift nicht eingreifen, wenn es sich bei dem Vertrags inhalt lediglich um einen Hinweis auf eine ohnehin nach Urheberrecht bestehende Rechtslage handelt oder wenn die Beschränkung zur Aufrechterhaltung der Funktion des Urheberschutzes erforderlich ist. Diese Aussage kann eingeschränkt werden, wenn das Ergebnis im Einzelfall Sinn und Zweck des GWB widerspricht. (b) Auslegung des § 16 GWB Für den auf Urheberrechtsverträge ebenfalls unmittelbar anwendbaren § 16 GWB gilt, daß Verwendungs-, Absatz- und Bezugsbeschränkungen des Werkverwerters grundsätzlich uneingeschränkt wirksam sind, wenn nicht die besonderen in der Vorschrift bezeichneten Voraussetzungen gegeben sind. Diese Verträge unterliegen dann der Mißbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt. Auslegungsbedürftig und damit rur eine Berücksichtigung der Wertungen des § 17 GWB Raum gebend ist das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung. Diese ist gegeben, wenn die Funktionsfiihigkeit des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt beeinträchtigt wird, wobei die Gesamtheit aller Bindungen und Marktzutrittsschranken umfassend
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in ihren Wettbewerbswirkungen zu würdigen sind. 184 Dabei ist zwar rur eine Interessenabwägung kein Raum. 185 Die Beurteilung dieser schwierigen Gradund Maß frage beschränkt sich demgegenüber aus Praktikabilitätsgründen darauf, ob von den in Rede stehenden Bindungssystemen eindeutig nachteilige Wirkungen ausgehen. 186 Für eine an § 17 GWB orientierte Auslegung eines konkreten Tatbestandsmerkmals ist hier also kein Raum. Vielmehr muß der in § 17 Abs. 1 GWB enthaltene Grundsatz, daß nur Schutzrechtsüberschreitungen zu mißbilligende Wettbewerbsbeschränkungen darstellen, wertungsmäßig berücksichtigt werden. Danach sind solche Beschränkungen nicht als wesentlich anzusehen, die dem Beschränkten nur solche Ausübungshandlungen verbieten, rur die ein entsprechendes urheberrechtliches Verbietungsrecht besteht. Auch dieses Ergebnis ist im Einzelfall nach Sinn und Zweck des GWB zu korrigieren.
(c) Auslegung des § 1 GWB Auch die §§ 1 bis 7 GWB, die bei wettbewerbsbeschränkenden Verträgen mit dem Zweck der Wettbewerbsbbeinträchtigigung prinzipiell alternativ zu den §§ 14, 16 GWB zur Anwendung kommen, sind unter Berücksichtigung der in § 17 GWB enthaltenen Grundsätze auszulegen. Auch hier kommt dem Gedanken, daß das Spannungsverhältnis zwischen Ausschließlichkeitsrechten und Kartellrecht allgemein besteht und nicht auf bestimmte Vertragsarten beschränkt ist, entscheidende Bedeutung zu. Im Gegensatz zu § 16 G WB enthält § 1 GWB jedoch kein der Unbilligkeit vergleichbares konkret wertendes Tatbestandsmerkmal, das im Lichte der Grundsätze des § 17 GWB auszulegen wäre. Deshalb muß hier allgemein gelten, daß Wettbewerbsbeschränkungen, auch wenn sie mit dem Zweck der Wettbewerbsbeeinträchtigung erfolgen, dann nicht verboten sein können, wenn sie dem Inhalt des jeweiligen Schutzrechts entsprechen, es sei denn, Sinn und Zweck des GWB gebieten im Einzelfall eine Einschränkung. Allerdings dürfte die praktische Bedeutung dieser Vorschrift im Rahmen von Urheberlizenzverträgen eher gering sein. Es ist jedoch bedeutsam zu erwähnen, daß die oben herausgearbeiteten Prinzipien als solche generelle Bedeutung im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen haben und nicht auf einzelne Vertragstypen beschränkt sind.
Emmerich, Kartellrecht, S. 186. 185 LangenlBunte-KlosterjeldeIMetzlaff, § 18 GWB, Rdnr. 176. 186Immenga/Mestmäcker-Emmerich, § 18 GWB, Rdnr. 226.
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(d) Auslegung der §§ 19,20 GWB Auch die Anwendung der §§ 22, 26 GWB aufmarktmächtige Unternehmen hat unter Berücksichtigung der Schutzfunktion des Urheberechts zu erfolgen. Eine Behinderung kann nur dann unbillig sein und eine unterschiedliche Behandlung nur dann der sachlichen Rechtfertigung entbehren, wenn die in Rede stehende Maßnahme des Unternehmens nicht zur Erhaltung dieser Schutzfunktion erforderlich ist. 4. Zusammenfassung und Vergleich der Rechtslage nach EGV und GWB Jede der vorstehend geführten Diskussionen hat einen anderen Aspekt des Spannungsverhältnisses von Urheber- und Kartellrecht, das wesensmäßig einheitlich besteht und jeweils spezielle Ausprägungen hat, beleuchtet. Abgesehen von den Besonderheiten, die auf dem Rechtskreis beruhen, innerhalb dessen der Wertungskonflikt entstanden ist, sind dabei allgemeingültige Prinzipien aufgezeigt worden, die für das Verhältnis der bei den Rechtsgebiete charakteristisch sind. Die Auseinandersetzung mit der Bestands- und Ausübungsdogmatik nach europäischem Recht hat ergeben, daß der grundlegende Rechtsbestand eines Schutzrechts sich aus gesetzlich eingeräumten Befugnissen des Schutzrechtsinhabers zusammensetzt, die zur Aufrechterhaltung der Schutzfunktion des Ausschließlichkeitsrechts auch wettbewerbsbeschränkend durchgesetzt werden dürfen. Diese Verwertungshandlungen sind nicht nur der Beurteilung nach Art. 85, 86 EGV bei Gemeinschaftsbezug entzogen, sondern dürfen auch nicht als Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der allgemeinen Vorschriften des GWB angesehen werden. Sowohl nach EG-Recht als auch nach dem GWB ist dieses Ergebnis dann zu korrigieren, wenn es mit Sinn und Zweck des Kartellrechts nicht vereinbar ist. Verwertungshandlungen, die als Ausübungshandlungen über den grundlegenden Rechtsbestand (EG-Recht) oder den Schutzrechtsinhalt (GWB) hinausgehen, unterliegen der vollen kartellrechtlichen Kontrolle nach Art. 85, 86 EGV bzw. nach den allgemeinen Vorschriften des GWB. Grundlegender Schutzrechtsbestand und Schutzrechtsinhalt sind dabei nicht identisch. Durch eine funktionale Einschränkung der Anwendung des EGKartellrechts auf der einen und eine wechselseitig zweckbezogene Auslegung von GWB und Schutzrecht auf der anderen Seite gelangt man jedoch hinsichtlich der kartellrechtlichen Überprüfbarkeit von Lizenzverträgen zu ähnlichen Ergebnissen nach europäischem und deutschem Recht. Abzulehnen ist jedenfalls sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Recht die Annahme, daß alle schutzrechtsimmanenten Wettbewerbsbeschränkungen der kartellrechtlichen Beurteilung entzogen sind.
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Die Vorzugswürdigkeit einer schutzzweckorientierten bzw. funktionalen Auslegung bedeutet auch, daß es eine schematische allgemeingültige Lösung des Spannungsverhältnisses von Urheber- und Kartellrecht nicht gibt, sondern daß der bestehende Wertungswiderspruch nur filr den jeweils konkret zur Beurteilung stehenden Bereich aufgelöst werden kann. Die kartellrechtliche Bewertung spezifischer Klauseln in Multimedia-Lizenzverträgen bedeutet also eine Lösung des Zielkontlikts von Urheberrecht und Kartellrecht filr den Bereich Multimedia. 5. Wesenseinheit von wettbewerbsbeschränkenden Klauseln in Multimedia-Lizenzverträgen und den Befugnissen des Urhebers nach dem UrhG Wie gezeigt, sind dem Grundsatz nach nur solche Lizenzvereinbarungen nach dem GWB sanktionierbar, die nicht durch urheberrechtliehe Verbietungsund Verwertungsbefugnisse gedeckt sind. Zwar steht diese Aussage unter dem Vorbehalt, daß im Einzelfall anders entschieden werden kann, wenn Sinn und Zweck des GWB es gebieten. Die grundsätzlich respektierte Ordnungsaufgabe des Urheberrechts erfordert - es jedoch, vor der konkreten Subsumtion multimedialer Lizenzklauseln unter einzelne kartellrechtliche Tatbestände die Frage zu klären, welche Vertragsklauseln von den Befugnissen des UrhG gedeckt und also grundsätzlich der kartellrechtlichen Beurteilung entzogen sind. a) Verwertungsrechte nach §§ 15.ff. UrhG
Unter Lizenzierung ist im Urhebervertragsrecht die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte nach den §§ 15 ff. UrhG zu verstehen. § 15 UrhG differenziert nach dem Recht des Urhebers zur Verwertung in körperlicher (Abs. 1) und unkörperlicher Form (Abs. 2). Nach § 31 UrhG wird das Nutzungsrecht als das Recht übertragen, das Werk auf die dem Urheber erlaubte Weise zu nutzen. In dieser Hinsicht kommt es also auf das Bestehen von Verwertungsrechten des Urhebers an. Klauseln in Lizenzverträgen, die sich im Rahmen der durch diese Verwertungsrechte eingeräumten Befugnisse halten, sind nur in dem bereits beschriebenen engen Rahmen kartellrechtlich überprufbar. Für das Elektronische Publizieren maßgeblich sind in erster Linie das Verfielfiiltigungs- und das Verbreitungsrecht nach §§ 16 und 17 UrhG. Es ist die Frage zu klären, ob digitale Speicherungs- und Übermittlungsformen sich in das System der Verwertungsrechte des Urhebers einfilgen oder eine andere rechtliche Bewertung notwendig machen.
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aa) Die Rechte des Datenbankherstellers nach § 87 b UrhG Die eben aufgeworfene Frage ist möglicherweise für Datenbankhersteller obsolet, wenn sie für diese durch Vorschriften des neu in das UrhG eingefügten Sechsten Abschnitts speziell beantwortet wird. Nach § 87 b hat der Datenbankhersteller das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art und Umfang wesentlichen Teil derselben zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Es werden also keine neuen Verwertungsrechte benannt, sondern lediglich bereits bestehende Verwertungsrechte dem Datenbankhersteller zugeordnet und damit klargestellt, daß dieser in seiner Eigenschaft als Inhaber dieser Rechte als Urheber des Datenbankinhalts in seiner jeweils spezifischen Auswahl und Anordnung anzusehen ist, auch wenn der Datenbankinhalt unter der sonst geltenden schöpferischen Schwelle des Urheberrechts zuruckbleibt. 187 In diesem Sinne wird dem Datenbankhersteller ein Schutzrecht sui generis 188 eingeräumt, um die tUr den wachsenden Informationsmarkt erforderlichen Investitionen in modeme Datenspeicher- und Datenverarbeitungssysteme nicht zu vereiteln oder zu behindern. 189 Insoweit kann also von einem "Investitionsschutz tUr Datenbankhersteller" gesprochen werden. 190 Spezielle Verwertungsrechte für die digitale Werkverwertung und -übermittlung sind demgegenüber weder im IuKDG noch in der Datenbankrichtlinie enthalten. Damit bleibt zu klären, welche Formen des Elektronischen Publizierens und der sonstigen Verwertung von Multimedia-Werken welchen Verwertungsrechten des UrhG entsprechen. bb) Elektronisches Publizieren als Verbreitung nach § 17 UrhG Im Bereich der Omine-Publikation entstehen im Hinblick auf die Körperlichkeit des Speichermediums (CD-ROM) keine besonderen Probleme. § 17 Abs. 1 UrhG definiert die Verbreitung als das Anbieten oder das Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken im Sinne von körperlichen Gegenständen. 191 Die Omine-Publikation über CD-ROM oder andere elektronische Speichermedien ist unproblematisch als Verbreitung im Sinne des 187 Nach der Amt\. Begr. BT-Drucks. 1317385, S. 43, decken die allgemeinen Regeln über die Verwertungsrechte des Urhebers in §§ 15 tIUrhG die dem Urheber einer Datenbank in Art. 5 der Datenbankrichtlinie vorbehaltenen Handlungen hinreichend ab. 188 So auch Datenbankrichtlinie, Kapitel III. 189 Amt\. Begr. BT-Drucks. 1317385, S. 40; zu den einzelnen Risiken Erwägungsgründe 7 bis 12,38 der Richtlinie. 190 So Amt\. Begr. BT-Drucks. 1317385, S. 40. 191 FrommINordemann-Vinck, § 17 UrhG, Rdnr. 1.
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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§ 17 UrhG anzusehen. In diesen Bereich dürfte auch die Versendung von Papierkopien einzuordnen sein, der allerdings im Multimedia-Bereich eine nur untergeordnete Rolle zukommt, weil sich Multimedia-Werke nur selten (im Falle von Text und Grafik) zweidimensional darstellen lassen. Demgegenüber findet die Vorschrift im Bereich der Online-Publikation keine Anwendung, da nicht körperliche Gegenstände in Form von Datenträgern, sondern die Daten selbst übertragen werden. Voraussetzung tUr die Verbreitung ist aber zwingend die Verkörperung des Werks, so daß die nichtkörperliche Übermittlung in Form von Daten auch nicht als neue wirtschaftlich-technische eigenständige Nutzungsart des Verbreitens eingestuft werden kann. 192
ce) Die Einspeicherung in eine Datenbank als Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG Die Einspeicherung von Multimedia-Werken ist stets Grundlage der OnlinePublikation, spielt aber auch eine wichtige Rolle bei der Omine-Publikation und der sonstigen Verwertung von Multimedia-Werken (Präsentationssysteme, multimediale Kiosksysteme und ähnliches). Nach § 16 UrhG hat der Urheber das Recht, Vervielfältigungsstücke seines Werkes herzustellen, gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Zahl. § 16 Abs. 2 UrhG konkretisiert diese Aussage tUr die Übertragung des Werkes auf Bild- und Tonträger. Gegen die Annahme, daß auch die Speicherung auf elektronische Speichermedien als Vervielfältigung anzusehen ist, kann nicht angefilhrt werden, daß das Werk dazu in ein digitales Format zerlegt werden muß und somit im Ergebnis der menschlichen Wahrnehmung entzogen ist, bis ein Wiedergabegerät diesen Zustand beendet. Der Begriff der Vervielfältigung wird nämlich definiert als die Herstellung einer körperlichen Festlegung, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen aufirgendeine Weise wiederholt mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen. 193 Da die Eignung zur mittelbaren Wahrnehmung ausreicht, ist es unschädlich, daß das eingespeicherte Material nicht als solches wahrnehmbar ist, sondern dazu erst auf einem körperlichen Vervielfältigungsstück oder Wiedergabegerät umgesetzt werden muß. 194 Für das Fernsehbild hat der BGH in diesem Zusammenhang entschieden, daß es tUr das Schutzanliegen des Urheberrechts entscheidend sei, ob das Ergebnis des Schaffensvorgangs bereits soweit konkretisiert sei, daß es tUr Dritte - sei es Koch, in: GRUR 1997, S. 417, 425. Fromm-Nordemann-Vinck, § 16 UrhG, Rdnr. I. 194 Ulmer, S. 48; Katzenberger, in: GRUR 1990, S. 94; Nordemann-Hertin, in: NJW 1971, S. 857, 858; Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 243. 192
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auch unter Zuhilfenahme technischer Mittel - wahrnehmbar gemacht werden könne. 195 Danach ist die Herstellung von Kopien auf elektronischem Weg als Vervielfliltigung anzusehen. 196 Hinsichtlich des Verhältnisses des urheberrechtlich geschützten Werkes zur gespeicherten Information muß allerdings differenziert werden: Während die vollständige Einspeicherung des Werks eine Vervielfliltigung desselben bedeutet l97 , ist die Speicherung von Abstracts nur dann als Vervielfliltigung anzusehen, wenn die Abstracts vom Urheber selbst erstellt worden sind oder aber die Lektüre des Originaltexts ersetzen. Ansonsten handelt es sich um die schöpferische Leistung des Datenbankherstellers, die sich auch dann außerhalb des Urheberschutzes tUr das beschriebene Multimedia-Werk befindet, wenn sie sich inhaltlich auf dieses bezieht. Um eine solche schöpferische Leistung, die vom Urheberrecht am Multimedia-Werk unabhängig ist, handelt es sich auch bei der Erstellung eines digitalen Index', wenngleich darin Stichwörter aus dem Originaltext enthalten sind. Demnach sind hierin keine Vervielfliltigungen im Sinne des § 16 UrhG zu erblicken. 198 dd) Digitale Übertragung des Werks vom Datenbankbetreiber zum Empfangsgerät des Nutzers als Vervielfliltigung nach § 16 UrhG Die unkörperliche Übermittlung des Multimedia-Werks (Online-Publikation) läßt sich in zwei technische Vorgänge unterscheiden, deren Einordnung in das urheberrechtliche Verwertungssystem problematisch ist: Zum einen in die Übertragung der Daten zum Nutzer und zum zweiten in das Einlesen der Daten in das Empfangsgerät des Endnutzers. Die Online-Verbreitung von Information erfolgt über Datenbanken, deren Erstellung als Vervielfliltigung im Sinne von § 16 UrhG anzusehen ist. Möglicherweise ist in der digitalen Übertragung des Werks ein weiterer Vervielfliltigungsvorgang zu erblicken. Anlaß zu dieser Überlegung gibt die Tatsache, daß die Werkdaten in einen Speicher des Empfangsmodems beim Nutzer eingelesen werden und die Übertragung somit die Möglicheit eröffuet, das Werk auf diese Weise wahrnehmbar zu machen. Erfolgt anschließend eine endgültige Speicherung auf körperliche Speichermedien durch den Endnutzer, ist darin zwar jedenfalls ein Vervielfliltigungsvorgang zu erblicken. Die Speicherung in den Arbeitsspeicher des Empfangsgeräts hingegen stellt nur eine flüchtige BGHZ 37, S. 1,7. So auch Lehmann, in: Intemet- und Multimedia-Recht, S. 57, 58. 197 Enquete-Kommission zur Zukunft der Medien, BT-Drucks. 13/8110, S. 12. 198 Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 402. 195
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Speicherung zwecks aktueller Sichtbarmachung und Bearbeitung der online empfangenen Daten dar, und es ist fraglich, ob dies bereits als Vervielfliltigung angesehen werden kann. Dagegen könnte sprechen, daß bei der Einlesung in einen Arbeitsspeicher kein körperliches Vervielfliltigungsstück zum dauerhaften Gebrauch entsteht, weil es sich bei dem Arbeitsspeicher im Gegensatz zu den mit anderen Funktionen belegten Festspeichern um ein "temporäres Durchgangslager'd 99 des Computers handelt. 2OO Das wäre jedoch nur dann erheblich, wenn § 16 UrhG ein solches dauerhaft körperliches Vervielfliltigungsstück für das Vorliegen einer Vervielfliltigung erfordern würde. Es ist zwar richtig, daß § 16 UrhG zu den körperlichen Verwertungsformen gehört. Von einem dauerhaften Vervielfliltigungsstück ist jedoch im Gesetzestext nicht die Rede. Das wäre im Hinblick auf die unterschiedlichen Zeiträume, innerhalb derer Vervielfliltigungsmaterialien Verfallserscheinungen zeigen, und der damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten auch sinnwidrig und daher abzulehnen. 20 I Es kommt demnach auf die Körperlichkeit, die bei digitaler Speicherung gegeben ist, nicht jedoch auf die Dauerhaftigkeit des Vervielfliltigungsstücks an. Im Gegensatz zur Dauerhaftigkeit ist für das Vorliegen einer Vervielfliltigung entscheidend, ob durch den in Rede stehenden Vorgang die Möglichkeit geschaffen wird, das Werk sinnlich wiederholt wahrnehmbar zu machen. 202 Einzig zu diesem Zweck muß die Speicherung erfolgen. Auf eine weitergehende Zweckbestimmung, die auf die dauerhafte wiederholte Fixierung des Werkes gerichtet ist, kommt es demgegenüber nicht an. Wenn und soweit durch die flüchtige Speicherung die Voraussetzungen daftlr geschaffen wurden, daß das Werk - und sei es nur auf dem Bildschirm des Empfangsgerätes - wahrnehmbar gemacht werden kann, handelt es sich bei der online-Übertragung um eine Vervielfliltigung im Sinne des § 16 UrhG, auch wenn die Speicherung mit dem Abschalten des Empfangscomputers gelöscht wird. Dieses Ergebnis entspricht der h. M. 203 Die unterschiedlichen technischen Vorgänge der Online-Verbreitung - das Übertragen durch den Datenbankbetreiber und das Einlesen in das Empfangsgerät beim Nutzer - bergen zwei unterschiedliche urheberrechtlich relevante Vorgänge: Die Möglichkeit, die Daten durch das Gerät des Endnutzers wahrnehmbar zu machen, entsteht zwar erst durch das Einlesen in den ArbeitsspeiHoeren, in: CR 1988, S. 908, 912. Schricker-Loewenheim, § 16 UrhG, Rdnr. 9; Bartsch, in: CR 1987, S. 8, 10. 201 Bortlaff, in: ZUM 1993, S. 476, 481. 202 Mehrings, in: GRUR 1983, S. 275, 278. 203 Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 244; Mehrings, in: GRUR 1983, S. 275, 278; Schwarz, in: Urheberrecht und digitale Technologie, S. 105, 110; mit Einschränkungen hinsichtlich der durch die Speicherung eröffneten neuen Möglickeit der Werknutzung Dreier, in: Urheberrecht und digitale Technologie, S. 123, 135; Bortlaff, in: ZUM 1993, S. 476, 481; Heker, in: ZUM 1993,400,402 f. 199
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eher dieses Geräts. Das ist jedoch nur deshalb der Fall, weil die Daten zuvor vom Datenbankbetreiber übertragen worden sind und so - mittelbar - die Voraussetzungen fiir die Wahmehmbarkeit geschaffen worden sind. Eine solche mittelbare Eignung, das Werk wiederholbar wahrnehmbar zu machen, reicht zwar fiir eine Vervielfiiltigung im Sinne von § 16 UrhG aus, es fehlt jedoch an der erforderlichen, wenngleich nicht nötigenfalls dauerhaften, Körperlichkeit eines Vervielfiiltigungsstücks. Die so veranlaßte Speicherung in den Arbeitsspeicher des Endgeräts stellt zwar ein solches Vervielfiiltigungsstück dar, dieses ist jedoch dem Vervielfiiltigungsvorgang des Einlesens zuzuordnen. Von einer solcherart doppelt mittelbaren Eignung zur Sichtbarmachung kann jedoch nicht mehr ausgegangen werden. Eine Vervielfiiltigung im Sinne von § 16 UrhG ist also nur in dem Einlesen der übertragenen Information in den Arbeitsspeicher des Empfangsgeräts, nicht aber in dem vom Datenbankbetreiber veranlaßten Übertragungsvorgang selbst zu erblicken. Für das Lizenzkartellrecht bedeutet das, daß das VervielflUtigungsrecht des § 16 UrhG nicht bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Bindungen des Datenbankbetreibers einschränkend zu berücksichtigen ist. ee) Digitale Übertragung als Sendung im Sinne des § 17 UrhG und andere Einordnungen Angesichts der fehlenden Körperlichkeit der Wiedergabe beim Übertragungsvorgang ist zu untersuchen, ob die Online-Übertragung als unkörperliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2, 3 i. V. m. § 17 UrhG anzusehen ist. Bei der Einordnung der Online-Datenübertragung als Sendung im Sinne von § 17 UrhG ergeben sich Probleme dahingehend, daß es sich bei den Verbindungen des Endnutzers mit der Datenbank um On-demandVerbindungen handelt. Es ist nämlich fraglich, ob das Werk bei diesen Vorgängen, wie § 17 UrhG fordert, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 3 UrhG, die auch rur § 17 UrhG gilf04, ist die Wiedergabe eines Werkes dann öffentlich, wenn sie rur eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, daß der Kreis dieser Personen bestimmt begrenzt ist und sie durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehung zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind. Die hier entscheidende und problematische Frage ist, ob das Werk diesem Personenkreis gleichzeitig zugänglich sein muß. 20S Im Gegensatz zu Zugriffsystemen Schricker-v. Ungern-Sternberg, § 20 UrhG, Rdnr. 20. Dafiir Schricker-v. Ungern-Sternberg, § 15 UrhG, Rdnr. 30; U/mer, in: GRUR 1971, S. 297, 301; Sinogowitz, in: FuR 1984, S. 563, 567; Brinkmann, in: FuR 1985, S. 337, 345; Koch, in: GRUR 1997, S. 417, 429. 204 205
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wie dem Rundfunk, bei denen die Infonnation zyklisch ausgestrahlt wird, erfolgt die Infonnationsübennittlung bei Abrufsystemen nur an die Nutzer, die durch ihren Abruf Interesse an der Infonnation bekundet haben. Während es sich im ersten Fall um einen generellen Vorgang handelt, an dem zwar jeder teilnehmen kann, der jedoch auch ohne diese Teilnahme abläuft, wird die Übertragung der Infonnation im zweiten Fall individuell veranlaßt und unterbleibt, wenn sie nicht abgerufen wird. 206 Für den Endnutzer mag der Unterschied nicht wesentlich sein. Es kommt rur die Öffentlichkeit der Wiedergabe jedoch auf die Bestimmung des Veranstalters, mit anderen Worten darauf an, an wen dieser sich mit der Verbreitung wenden will. 207 Dieser subjektiven Beurteilung des Merkmals der Gleichzeitigkeit der Wiedergabe steht die objektive Situation gegenüber, daß ein bestimmtes Werk kaum von mehreren Nutzem gleichzeitig abgerufen werden wird. Da das Werk aber nur den Nutzem zugänglich ist, die es auch abrufen, ist die Wiedergabe on-demand bei einem so verstandenen Öffentlichkeitsbegriffnicht als öffentlich im Sinne von §§ 17, 15 Abs. 3 UrhG einzustufen. 20s Zu einem anderen Ergebnis kommt man, wenn man das Merkmal der Öffentlichkeit weiter auslegt und es im Hinblick auf die technischen Besonderheiten eines Verbreitungssystems genügen läßt, daß die einzelne Wiedergabe zwar nur jeweils rur eine einzelne, jedoch fortlaufend rur wechselnde Personen stattfindet. 209 Die erforderliche Mehrheit von Wahmehmungvorgängen erreicht man, indem man nach räumlicher und zeitlicher Kumulation differenziert: Bei häufig abgerufenen Infonnationsdiensten sei angesichts der großen Zahl der angeschlossenen Benutzer mit einer räumlichen Kumulation zu rechnen, wenn man "mit Sekunden bruchteilen und auch mit der einen oder anderen Sekunde nicht kleinlich"zlo sei. 211 Im Rahmen einer interessengerechten evolutiven Auslegung sei es möglich, den Gesetzestext dahingehend auszulegen, daß auch selten abgerufene Infonnationen, deren Verbreitung aber von vornherein auf eine ständige Wiederholung gleichartiger Nutzungsvorgänge durch den in § 15 Abs. 3 UrhG genannten Personenkreis gerichtet ist, durch zeitliche Addition dieser Vorgänge als öffentlich bezeichnet werden könnten. 212
In diesem Sinne auch GTÜnbuch, in: UFITA 129 (1995), S. 251268 f. Schricker-v. Ungern-Sternberg, § 15 UrhG, Rdnr. 29. 208 So auch Schricker (fiir Btx), in: FuR 1984, S. 63, 71; Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 245. 209 So LG Berlin Schulze LGZ 98, S. 1,5. 210 Schricker, in: FuR 1984, S. 63, 72. 211 Katzenberger, in: GRUR Int. 1983, S. 895, 905 f. 212 So Schricker, in: FuR 1984, S. 63, 72; Schwarz, in: Urheberrecht und digitale Technologie, S. 105, 118 f.; Dreier, in: Urheberrecht und digitale Technologie, S. 123, 138. 206 207
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Das Argument der räumlichen Kumulation und damit auch die Differenzierung nach häufig abgerufenen Infonnationen und solchen, die weniger häufig nachgefragt werden, geht indes an der Sache vorbei. Es kommt - wie bereits gezeigt - rur den Begriff der Öffentlichkeit nicht darauf an, wie viele Personen die Wiedergabe des Werkes tatsächlich wahrnehmen, sondern wie viele nach der Bestimmung des Veranstalters die Möglichkeit dazu haben. Deshalb hilft auch der vorgeschlagene großzügige Umgang mit den Sekunden oder deren Bruchteilen nicht weiter, um die sich der Zugriff einzelner Benutzer auf ein und denselben Online-Dienst immer verschieben muß. Es ist nämlich gerade nicht so, daß die Wiedergabe zugriffsfrei abläuft und jeder sich in diesen eben diesen einen - Vorgang einschalten kann, sondern jede Infonnationsübennittlung wird auf Abruf neu in Gang gesetzt. Es kommt bei Abrufverbindungen also nicht zu der strahlenfönnig vorstellbaren Entsendung von Infonnation zu beliebig vielen Empfangsgeräten, wobei beliebig viele auch null bedeuten kann, sondern zu vielen einzelnen Sonderverbindungen, die - bei Kumulation - bestenfalls parallel ablaufen. Es hat niemand die Gelegenheit, sich mit seinem Empfangsgerät in einen bereits laufenden Übertragungsprozeß einzuschalten, sondern er kann nur den Aufbau einer neuen Verbindung und damit einen neuen, individuellen Übennittlungsprozeß veranlassen. 213 Diese Fonn der individuellen Zugänglichkeit ist von dem Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG jedoch zu weit entfernt, als daß sich eine erweiterte Auslegung dieses Tennini rechtfertigen ließe. Entscheidend ist hierbei, daß im Gegensatz zu Sendevorgängen der Übertragungsprozeß unterbleibt, wenn er nicht individuell veranlaßt wird. Insoweit stellt sich die Online-Übennittlung von Infonnationen eher als ein Vorgang der bedarfsorientierten Vorhaltung dar, der nicht als Sendung im Sinne von § 17 UrhG, die rezeptionsunabhängig erfolgt, einzustufen ist. Möglicherweise ist das Recht zur Online-Übertragung als neues Verwertungsrecht nach § 15 Abs. 2 UrhG in analoger Anwendung anzusehen. 214 Tatsächlich enthält § 15 Abs. 2 lediglich eine beispielhafte ("insbesondere") Aufzählung von Einzelverwertungsrechten, die es ennöglichen soll, dem Urheber die Verwertungsrechte rur technische oder wirtschaftliche neue Nutzungsarten, die dem Gesetzgeber bei Erlaß des UrhG nicht bekannt waren, einzuräumen. 215 Die Einschränkung, daß nur die öffentliche Wiedergabe des Werkes dem Urheber vorbehalten ist, gilt allerdings auch rur diese neuen
So auch Loewenheim, in: GRUR Int. 1997, S. 285,90. Dafür Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 406; Schricker- v. Ungern-Sternberg, § 15 UrhG, Rdnr. 22; im Ergebnis, allerdings bei direkter Anwendung von § 15 Abs. 2 UrhG auch Brutschke, in: NJW 1970, S. 889, 890. 215 Schricker-v. Ungern-Stern berg, § 15 UrhG, Rdnr. 10, 21; Amt!. Begr. in UFITA 45 (1965), S. 240, 261. 213
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Verwertungsarten, so daß hier dieselben Probleme auftreten wie bei der Anwendung des § 17 UrhG. Demnach enthält das UrhG kein Verwertungsrecht, das die Online-Übertragung des Werks erfaßt. Es handelt sich also um eine Regelungslücke. 216 Diese kann jedoch nur durch analoge Anwendung anderer Rechtsvorschriften geschlossen werden, wenn es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt, der Gesetzgeber also eine Regelung getroffen hätte, wenn er das Problem gesehen hätte. In der Tat konnte der Gesetzgeber des UrhG die Probleme des Elektronischen Publizierens nicht berücksichtigen, da die hierfiir erforderliche Technologie 1965 noch nicht weit genug entwickelt war, um diese Entwicklung abzusehen. In der Amtlichen Begründung zum UrhG heißt es jedoch, daß dem Urheber grundsätzlich alle Verwertungsmöglichkeiten einzuräumen sind und auch neue Verwertungsarten, die im Laufe der fortschreitenden Technik gefunden werden, gerechterweise dem Urheber vorbehalten sein müssen. 217 Gerade deshalb hat der Gesetzgeber von einer erschöpfenden Aufzählung der Verwertungsrechte abgesehen. Bei der Online-Übertragung von Werken handelt es sich um eine neue technische, wirtschaftlich durchaus bedeutsame Verwertungsform. Daß dieser Verwertungsform kein Verwertungsrecht des Urhebers korrespondiert, ist planwidrig. Wie die vorausgehenden Ausfiihrungen gezeigt haben, handelt es sich bei der Online-Übertragung gegenüber der sonstigen unkörperlichen Wiedergabe eines Werks durchaus um eine parallele Wertungssituation. 218 Eine analoge - und nicht direkte - Anwendung von § 15 Abs. 2 UrhG ist überhaupt nur deshalb notwendig, weil bei der Online-Übertragung dem Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG nicht genüge getan ist. Das bedeutet hingegen nicht, daß die Online-Datenbanken nicht einer Öffentlichkeit im allgemeingebräuchlichen Sinne zugänglich sind. Es handelt sich eben nur nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG. Trotzdem kann jeder, der über ein Empfangsgerät mit der dazugehörigen Software ver-
216 Von einer solchen geht auch die Enquete-Kommission zur Zukunft der Medien aus, BT-Drucks. 13/8110, S. 12; sie empfiehlt die Schließung durch eine "KlarsteIlung" des § 15 Abs. 3 UrhG. 217 Amtl. Begr. in UFITA 45 (1965), S. 240, 260, so auch BGHZ 17, S. 266. 218 Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 245 hingegen will das Problem durch extensive Auslegung des VervielflUtigungsbegriffs in § 16 UrhG lösen. Es ist aber zweifelhaft, ob die Anwendung einer körperlichen Verwertungsform auf die Datenübertragung ohne die Zuhilfenahme einer Analogie zu bewerkstelligen ist. Hierfür fehlt es jedoch an der parallelen Wer-tungssituation, die vielmehr zu den unkörperlichen Verwertungsformen besteht. Allein die Tatsache, daß die Übertragung häufig zu einer Vervielililtigung beim Nutzer fUhrt, kann zur Begründung nicht angefUhrt werden. Es handelt sich bei der Übertragung des Werkes um einen eigenständigen urheberrechtlich relevanten Vorgang.
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fUgt, auf die Datenbankinhalte zugreifen. Die Analogie besteht also darin, die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG auch auf Sachverhalte anzuwenden, die dem Zweck dieser Norm entsprechen, jedoch erkanntermaßen in einem anderen als dem von § 15 Abs. 3 UrhG geforderten, auch nicht durch Auslegung anzugleichenden Sinne "öffentlich" sind. Das bedeutet, daß die Werkübertragung durch EDV-Abrufdienste, die einer Öffentlichkeit zugänglich sind, eine besondere Form der öffentlichen Wiedergabe in analoger Anwendung von § 15 Abs. 2 UrhG darstellt.
ff) Sonstige Werkverwertungen im Multimedia-Bereich Urheberrechtliche Verwertungshandlungen in bezug auf das MultimediaWerk sind nicht nur im Bereich des Elektronischen Publizierens, sondern auch in dessen Vorfeld bei der Produktion des Multimedia-Werks denkbar. Immer dann, wenn die Multimedia-Anwendung nicht als solche vom Urheber geschaffen und deren weitere Verwertung dann an einen Verlag oder einen Datenbankbetreiber lizenziert wird, sondern aus mehreren bereits digital oder analog bestehenden Einzelwerken zusammengestellt wird, stellt sich die Frage nach dem dadurch betroffenen Verwertungsrecht. Da das Multimedia-Werk in digitaler Form im Arbeitsspeicher des Computers erstellt und anschließend abgespeichert wird und eine digitale Speicherung immer eine Vervielfältigung darstellt, ist durch diese Vorgänge das Vervielfältigungsrecht des Urhebers nach § 16 UrhG betroffen. Soweit es bei der Integration des Werks in die Multimedia-Anwendung zu einer Bearbeitung oder Umgestaltung desselben kommt, darf die Verwertung oder Veröffentlichung nach § 23 UrhG nur mit Einwilligung des Urhebers des Einzelwerks erfolgen. Das Recht zur Veröffentlichung oder Verwertung von Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Werkes nach § 23 UrhG fmdet auch auf Datenbankinhalte Anwendung. 2J9 Dabei spielt es keine Rolle, ob diese online oder offline publiziert werden. Klauseln, in denen dem Datenbankhersteller oder dem Datenbankbetreiber auferlegt wird, das Multimedia-Werk nicht ohne die Zustimmung des Urhebers zu verändern und dann on- oder offline zu publizieren, sind also von den Aussagen des Urheberrechts gedeckt und im Grundsatz der kartellrechtlichen Beurteilung entzogen. Das gilt auch fllr Bindungen des Endnutzers hinsichtlich der Veröffentlichung oder Verwertung von Veränderungen oder Bearbeitungen des Werks.
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gg) Grenzen der Reichweite der Verwertungsrechte, insbesondere Erschöpfungsgrundsatz Jenseits des grundsätzlichen Primats urheberrechtlich garantierter Befugnisse gegenüber dem Kartellrecht sind Lizenzvereinbarungen uneingeschränkt kartellrechtlich überprüfbar. Dieser Bereich beginnt dort, wo die Ordnungsaufgabe des Urheberrechts endet, mit anderen Worten dort, wo den Verwertungsbefugnissen des Urhebers Grenzen gezogen sind. (1) Der Erschöpjungsgrundsatz und die Verwertung des Multimedia-Werks
Diese Grenzen ergeben sich zum einen aus dem sog. Erschöpfungsgrundsatz220 , der besagt, daß dem Rechtsinhaber, wenn und soweit er durch eigene Benutzungshandlungen das ihm vom Gesetz eingeräumte ausschließliche Verbreitungsrecht ausgenutzt und damit verbraucht hat, hinsichtlich weiterer, von Dritten vorgenommener Verwertungshandlungen aus dem Urheberrecht keine Verbietungsrechte mehr zustehen. Das wird damit begründet, daß das Schutzbedürfnis des Urhebers entflillt, wenn dieser alle in seinem Recht liegenden Vorteile wahrgenommen hat. 221 Dieser Grundsatz findet seine gesetzliche Grundlage in § 17 Abs. 2 UrhG, der die Weiterverbreitung eines Vervielfliltigungsstücks rur zulässig erklärt, wenn das Original oder ein Vervielfliltigungsstück des Werks mit Zustimmung des Berechtigten im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden ist. Diese Grenze der urheberrechtlichen Befugnisse bezieht sich also nur auf die körperliche Werkverwertung durch Verbreitung im Sinne von § 17 UrhG. Für Weiterverbreitungsverbote multimedialer Vervielfliltigungsstücke gibt es demnach keine urheberrechtliche Legitimation, so daß diese nach kartellrechtIichen Maßstäben uneingeschränkt überprütbar sind. 222 Unzweifelhaft kann man davon jedoch nur ausgehen, wenn das Vervielfliltigungsstück dem Endnutzer zur dauerhaften Verwendung überlassen wird. An dieser Stelle ergeben sich auch Konsequenzen hinsichtlich der Einordnung von Verwertungshandlungen multimedialer Werke in das urheberrechtliche Verwertungssystem. Verwertungshandlungen, die unter das Verbrei220 Dazu ausfilhrlich Schricker-Loewenheim, § 17 UrhG, Rdnm. 15 ff.; FrommINordemann-Vinck, § 17 UrhG, Rdnr. 8. 221 BGH CR 1986, S. 449, 450 ("Schallplattenverrnietung"). 222 Diese Schlußfolgerung zieht f1ir Computerprogramme Lehmann, in: Rechtsschutz, S. 775, 802; dagegen Sucker, in: CR 1989, S. 468, 469, und Moritz, in: CR 1993, S. 257, 263 f. Letztere knüpfen jedoch daran an, daß die Weitergabe meist mittels einer nicht autorisierten Kopie erfolgt. Dies ist aber eine Frage des Vervie\fliltigungsrechts, die hier eingemengt wird.
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tungsrecht des § 17 UrhG subsumiert werden konnten, unterfaIlen nunmehr dem Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG. Die Verbreitung von Multimedia-Werken über CD-ROM und ähnliche Speichermedien fUhrt also jedenfaIls zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts. Hier zeigt sich auch die bereits erwähnte ParaIlelität dieser Verwertungs form zu sonstigen Verlagserzeugnissen wie Büchern, SchaIlplatten oder Magnetbändern. § 17 Abs. 2 UrhG findet auf Verwertungshandlungen des Datenbankherstellers nach § 87 b Abs. 2 UrhG entsprechende Anwendung. Da aber die OnlineÜbertragung von Werkdaten als unkörperliche Werkverwertung eigener Art in analoger Anwendung des § 15 Abs. 2 UrhG klassifiziert wurde, kommt eine Erschöpfung durch den bloßen Übertragungsvorgang nicht in Betracht, auch wenn durch das Downloading ein körperliches Vervielfliltigungsstück entsteht. 223 Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Erwägungsgrund (33) der Datenbankrichtlinie, wonach jede Online-Leistung genehmigungspflichtig ist, sofern das Urheberrecht des Mitgliedstaats dies vorsieht. 224 AIlerdings ist die zuvor vorgenommene Unterscheidung zwischen Übertragung der Daten und deren Einspeicherung in den Arbeitsspeicher des Endgeräts doch eine sehr theoretische und dient an jener SteIle der Differenzierung der urheberrechtlich relevanten Vorgänge. Tatsächlich wird es bei jedem Übertragungsvorgang anschließend zu einer Einspeicherung - entweder in den Arbeitsspeicher, in den Hauptspeicher oder auf Diskette - kommen. Darin ist zwar eine Vervielfliltigung zu erblicken. Der Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG bezieht sich jedoch nur auf Verwertungs-, nicht auf Vervielfliltigungshandlungen. Erwägungsgrund (33) der Datenbankrichtlinie stellt denn auch klar, daß die Nichtanwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes für Online-Datenbanken auch in bezug auf ein physisches Vervielfliltigungsstück gilt, das vom Nutzer der betreffenden Dienstleistung mit Zustimmung des Rechtsinhabers hergestellt wurde. Nach Ansicht der Enquete-Kommission zur Zukunft der Medien findet die Nichtausdehnung des Erschöpfungsgrundsatzes auf elektronisch übermittelte Dienstleistungen ihren Grund in der Parallele zur Vermietung: Angesichts dessen, daß eine elektronische Dienstleistung beliebig oftwiederholbar sei, gehe es nicht um die Realisierung eines Tauschwertes, sondern um die sequentieIle Nutzung eines mit der Ware verbundenen Gebrauchswertes. 225 Die Erschöpfung an den Urheberrechten an einem Multimedia-Werks hängt also davon ab, ob dieses online oder offline vermarktet wird. Das ist die Konsequenz der Anwendung des Urheberrechts auf Sachverhalte, für die es nicht Kritisch zu den Konsequenzen Koch, in: GRUR 1997, S. 417, 425 f. So auch Lehmann, in: Intemet- und Multimediarecht, S. 67, 71. 225 BT-Drucks. 13/8110, S. 15; so auch Lehmann, in: Intemet- und MultimediaRecht, S. 57, 64. 223
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konzipiert worden ist. Diese Schwierigkeiten klangen zuvor bereits an beim Lizenzkartellrecht in bezug auf Computersoftware. Auch dort ist das Ergebnis von der Zufiilligkeit der Überlassung eines Datenträgers - nämlich Besitz- oder Eigentumsübertragung - abhängig. 226 Im Multimedia-Bereich hängt es von der Art der Vennarktung ab. Dies ist deshalb mißlich, weil die Interessenlage der Rechtsinhaber bei der Offline- wie bei der Online-Vennarktung dieselbe ist. Infonnation soll entgeltlich beim Datenbankbtreiber online oder offline bezogen und nicht unentgeltlich weiterverbreitet werden. Hier zeigt sich auch, daß die Offline-Vennarktung der Online-Vennarktung weit näher steht als dem Softwarevertrieb. Scheinbar vorhandene Parallelen bestehen hier bei näherer Betrachtung nämlich nicht: Mit der Software erwirbt der Endnutzer ein elektronisches Werkzeug, daß er nur so lange nutzen kann, wie er es innehat. Löscht er das Programm von seiner Festplatte und gibt das Programm weiter, so hat es filr ihn keinerlei Nutzen mehr. Anders verhält es sich mit der offline empfangenen Multimedia-Infonnation. Einmal wahrgenommen, bringt sie auch dann noch Vorteile filr den Endnutzer, wenn dieser die CD-ROM weitergibt. Entscheidend ist hier nicht das Werkzeug, sondern die Infonnation selbst. Durch die Weitergabe wird hier im Gegensatz zur Softwareüberlassung eine Marktabdeckung erreicht, die den Absatz behindern kann. Das hängt natürlich von der Art der verbreiteten Infonnation ab. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb der Urheber von online verbreiteter Infonnation besser gegen diese unerwünschte Marktabdeckung zur Wehr setzen können soll als der Urheber offline verbreiteter Infonnation. Der Investitionsschutz des Datenbankbetreibers kann hier jedenfalls nicht ins Feld gefilhrt werden, da Datenbanken gleichmaßen online wie offline publiziert werden können. (2) Sonstige Grenzen
Die dem Datenbankhersteller durch § 87 b UrhG eingeräumten Rechte finden nach § 87 c UrhG ihre Grenzen in der Vervielfiiltigung zum privaten Gebrauch, zum nicht gewerblichen wissenschaftlichen Gebrauch, im Gebrauch in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Vervielfiiltigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe zu Zwecken der Rechtsverfolgung und der öffentlichen Sicherheit. Diesen ausdrücklich nonnierten Schranken in Fonn von gesetzlichen Lizenzen steht die grundsätzliche Begrenzung der urheberrechtlichen Befugnisse des Datenbankherstellers gegenüber, daß diese nur dann berührt sein können, wenn die den urheberrechtlichen Schutz begründende
226
Zu diesem Problem ausfiihrlich Schneider, S. 126 ff.
8 Kreutzmann
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
spezifische Auswahl oder Anordnung des in der Datenbank gesammelten Inhalts durch eine Benutzungshandlung betroffen wird. 227 Für alle anderen an der Multimedia-Produktion und -Publikation Beteiligten und fiir die Datenbankhersteller neben den Sondervorschriften des § 87 c UrhG bleiben die im Sechsten Abschnitt des Ersten Teils des UrhG enthaltenen Ausnahmen und Schranken anwendbar. 228 Hervorzuheben sind hier die Beschränkungen des § 53 UrhG, nach dem Vervielfältigungen u. a. zum privaten (Abs. 2 Nr. 1), zum eigenen wissenschaftlichen (Abs. 2 Nr. 2) und sonstigen eigenen Gebrauch (Abs. 2 Nr. 4) zulässig und also nicht vom alleinigen Vervielfältigungsrecht des Urhebers erfaßt sind.
hh) Beschränkte Einräumung von Nutzungsrechten Nach § 32 UrhG können Nutzungsrechte nicht nur vollständig, sondern auch räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden. Eine Klausel in Lizenzverträgen, die die Einräumung von Nutzungsbefugnissen rur die Verwertungsrechte nach §§ 15 ff. UrhG in dieser Weise beschränkt, ist also urheberrechtlich legitimiert und damit grundsätzlich nicht kartellrechtlich überprütbar. Praktisch bedeutsam sind solche Nutzungsbeschränkungen vor allem bei Verträgen mit dem Endnutzer sowohl bei der Offline- wie bei der Online-Publikation. Beim Elektronischen Publizieren kommt ihnen allerdings fiir den Bereich der Offline-Publikation eine nur untergeordnete Rolle zu, weil der Autor dem Verlag üblicherweise die Nutzungsrechte zeitlich und räumlich unbeschränkt unter explizitem Einschluß der Verwertung im Wege des Elektronischen Publizierens erteilt. 229 Die Verbreitung über Offline-Medien wird dann vom Verlag selbst vorgenommen. Im Gegensatz dazu muß sich der Verlag bei der Online-Publikation eines Datenbankbetreibers bedienen. Die dazu erforderliche Rechtseinräumung erfolgt zeitlich und inhaltlich auf die datenbankspezifische Nutzung in einer Online-Datenbank beschränkt, auch um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob auch andere Nutzungsarten, wie zum Beispiel die Offline-Verwertung, von der Rechteinräumung umfaßt sein sollen. 230
Amt!. Begr. BT-Drucks. 13/7385, S. 44. Auf die Möglichkeit gesetzlicher Lizenzen wird später eingegangen werden. 229 Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 13. 230 Handreichung On li ne-Datenbanken, S. 11. 227 228
Hf. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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b) Der urheberrechtliche Schutz der Werkintegrität nach § 14 UrhG
Das in ein Multimedia-Werk integrierte Einzelwerk sowie das als solches vom Urheber geschaffene Multimedia-Werk genießen gern. § 14 UrhG Schutz vor Entstellungen und Beeinträchtigungen, die geeignet sind, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefiihrden. Die Vorschrift ist allerdings nicht als allgemeines Änderungs-, Beeinträchtigungs- und Entstellungsverbot zu verstehen, sondern als Schutznorm rur das nur relativ geschützte Werkintegritätsinteresse des Urhebers, das unter dem grundsätzlichen Vorbehalt einer Interessenabwägung steht. 231 Dies wird insbesondere bedeutsam im Bereich des Urhebervertragsrechts. Hier ist problematisch, ob dem Inhaber eines Nutzungsrechts das Recht aus § 14 UrhG entgegengehalten werden kann. Diese Frage ist zu bejahen. Nach § 39 UrhG darf der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht verändern 232 • Solche Vereinbarungen sind ausdrücklich vom Gesetz anerkannt und also im Grundsatz nicht kartellrechtlich überprüfbar. Den Schutz gegen darüber hinausgehende Umarbeitungen genießt auch der Multimedia-Produzent, der Einzelwerke anderer Urheber zu einem Multimedia-Werk verbindet, weil ein so entstandenes Multimedia-Werk als Sammelwerk im Sinne von § 4 Abs. 1 UrhG anzusehen ist und als solches urheberrechtlichen Schutz genießt. 233 § 4 Abs. 2 UrhG erstreckt den Begriff des Sammelwerkes auch auf Datenbankwerke, so daß Entsprechendes auch fiir Datenbankhersteller angenommen werden muß. Etwas anderes gilt jedoch fiir das Verhältnis des Urhebers des Einzel-, Multimedia- oder Datenbankwerks zum Eigentümer oder Besitzer eines Werkexemplars bzw. eines Vervielfiiltigungsstücks, sei es im Offiine- oder Schricker-Dietz, § 14 UrhG, Rdnr. 5. Davon ist jedoch eine Ausnahme zu machen hinsichtlich der technischen Umgestaltung, die regelmäßig mit dem Digitalisierungsvorgang verbunden ist. Die Zustimmung zu den hier erfolgenden Anpassungen durch Formatierungen, Informationsreduzierungen und Datenkompressionen ist als von der Zustimmung zur Übertragung des Werks auf einen digitalen Datenträger umfaßt anzusehen, wenn diese Umgestaltungen im konkreten Einzelfall rur das Einspeichern erforderlich sind, Koch, in: GRUR 1997, S. 417, 427. Dies gebietet der Zweckübertragungsgrundsatz gern. § 31 Abs. 5 UrhG, weil die Anpassungen in diesem Fall zum Gebrauch des Nutzungsrechts nach dem mit seiner Einräumung verbundenen Zweck notwendig sind. 233 Davon ist jedoch nur auszugehen, wenn die Auslese oder Anordnung der Beiträge eine persönlich-geistige Schöpfung darstellt. Das ist der Fall, wenn das vorhandene Material nach eigenständigen Kriterien ausgewählt oder unter individuellen Ordnungsgesichtspunkten zusammengestellt ist, BGH GRUR 1982, S. 37, 39. Daneben kommt bei Aneinanderreihung digital gespeicherter Ton- und Bildfolgen Schutz als filmähnliches Werk nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG und bei Fehlen der Schöpfungs höhe ein Schutz als wissenschaftliche Ausgabe nach § 70 UrhG in Betracht, Kilian/HeussenHoeren, Abschnitt 141, Rdnrn. 61 f 231
232
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Online-Verfahren. Hier hat grundsätzlich das Eigentümerinteresse an der Werkveränderung Vorrang vor dem Werkintegritätsinteresse des Urhebers, soweit sich der Eingriff auf den privaten Bereich beschränkt und nicht zu erwarten ist, daß das veränderte Werk an die Öffentlichkeit gelangt. 234 Demnach unterlägen Klauseln, die dem Endnutzer die Veränderung des Multimedia-Werks im ausschließlich privaten Rahmen untersagen, zwar der vollen kartellrechtlichen Überprüfung, haben jedoch keine praktische Bedeutung.
c) Vergütungsanspruch für die Einräumung von Nutzungsrechten am Multimedia-Werk
Maßgebliche Bedeutung kommt in Lizenzvereinbarungen dem Vergütungsanspruch des Urhebers zu. Dieser folgt aus dem urheberrechtlichen Grundatz, daß dem Urheber ein Anspruch auf Vergütung immer dann zusteht, wenn das Werk genutzt wird, auch wenn die Nutzung keinen oder keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolg hervorbringt.235 Allerdings kann dieser Vergütungsanspruch nur dort Platz greifen, wo das Nutzungsrecht tatsächlich nur dem Urheber zusteht und nicht etwa durch gesetzliche Bestimmungen beschränkt ist. Danach ist beispielsweise der ausschließlich private Gebrauch von der Vergütungspflicht ausgenommen, soweit er von den Ausnahmeregeln des § 53 Abs. 2 UrhG erfaßt ist. Demgegenüber gibt es aber keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die Ansprüche des Urhebers stets vor der privaten Sphäre des einzelnen Halt zu machen hätten. 236 Von den Ausnahmen und Schranken einmal abgesehen, steht dem Urheber nach dem Grundprinzip des Urheberrechts im Rahmen des hier interessierenden Urhebervertragsrechts ein Vergütungsanspruch immer dann zu, wenn der Urheber die Nutzungsbefugnis filr ein ihm zustehendes Verwertungsrecht einem anderen übertragen hat. Diesem Leitgedanken des Urheberrechts entsprechen auch mehrfache Vergütungen rur mehrfach aufeinanderfolgende Verwertungshandlungen, also filr Verwertungsakte, die sich an andere Verwertungen anschließen, für die der Urheber bereits eine Vergütung erhalten hat. 237 Dieser Grundsatz beansprucht in der Produktion wie in der Publikation von Multimedia-Werken gleichermaßen Geltung. Wird ein Einzelwerk in eine Multimedia-Anwendung integriert und damit vervielfliltigt, entsteht an dieser Stelle der erste Vergütungsanspruch im mulFrommINordemann-Hertin, § 14 UrhG, Rdnr. 13. Schricker, Einleitung UrhG, Rdnr. 16 m.w.N.; BGHZ 17, S. 266. m.w.N. 236 BGHZ 17, S. 266. 237 Schricker/Katzenberger, in: GRUR 1985, S. 87,92. 234 235
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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timedialen Lizenzsystem. Häufig - besonders, wenn das Werk elektronisch publiziert werden soll - schließt sich daran die Einspeisung in eine Datenbank, die ebenfalls als Vervielfältigungshandlung vergütungspflichtig ist. Die damit einhergehende Erstellung von Abstracts ist nur unter besonderen Voraussetzungen als Vervielfältigung nach § 16 UrhG anzusehen (s. o. S. 104) und also auch nur dann nach den Grundgedanken des Urheberrechts vergütungspflichtig. Je nachdem, ob das Werk dann on- oder offline publiziert wird, ändert sich die Vergütungspraxis.
aa) Offline-Publikation Weil die Verbreitung der Information bei der Offline-Publikation an die Körperlichkeit der Speichermedien gebunden ist, entstehen hier gegenüber den traditionellen körperlichen Print-, Ton- oder Bildmedien zunächst keine besonderen Probleme. Die Vergütung erfolgt für jedes verkaufte und bezahlte Exemplar auf der Basis des um die darin enthaltene Umsatzsteuer verminderten Ladenverkaufspreises oder Verlagsabgabepreises, im Wege einer Nettoumsatzbeteiligung oder durch einen Festpreis. Gegenüber Büchern bergen optische Speichermedien jedoch die Besonderheit, daß diese über den Einsatz in Mehrplatzsystemen und Rechnernetzen von einer Vielzahl von Personen gleichzeitig genutzt werden können. Dadurch wird mit einer geringeren Zahl verkaufter CD-ROMs im Vergleich zu Büchern ein höherer Marktabdekkungsgrad erreicht. 238 Dieser Tendenz kann Iizenzrechtlich entweder über Nutzungsbeschränkungen, die über technische Nutzungssperren gesichert werden, oder entsprechend höhere Vergütungen für diese Nutzungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden?39 Diese Maßnahmen dienen der Sicherung des allgemein anerkannten angemessenen Vergütungsanspruchs des Autors für die Nutzung seines Werkes und sind daher von der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts gedeckt. 240
238
Kotthoff, in: GRUR 1997, S. 597, 598.
Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 42 f.; Wegen dieser Sicherungsmöglichkeiten und der Tatsache, daß der Urheber ähnlich wie bei der Vermarktung von Computerprograrnmen in der Regel unmittelbaren Einfluß auf die Lizenzbedingungen hat, besteht keine Notwendigkeit rur eine gesetzliche Lizenz; so auch Kotthoff, in: GRUR 1997, S. 597, 603. 240 Für die Vermietung von Videokassetten hat der EuGH, Sig. 1988, S. 2605, 2629, entschieden, daß die Vergütung der Anzahl der tatsächlich erfolgten Vermietungen entsprechen müsse, um dem Urheber einen angemessenen Anteil arn Vermietungsmarkt zu sichern. 239
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen bb) Online-Publikation
Die urheberrechtliehe Grundlage rur die Vereinbarung von Lizenzgebühren im Bereich der Online-Publikation ist die Einordnung des Übertragungsvorgangs als besondere Form der öffentlichen Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG in entsprechender Anwendung. Hierin ist auch ein weiteres Argument fiir die Vornahme dieser Analogie zu erblicken: Es ist nämlich nicht einsichtig, weshalb die Nutzung von Werken über den Online-Abruf mit der Möglichkeit der privaten Vervielfältigung auf wiederbespielbaren Trägem in bezug auf Vergütungen anders zu behandeln sein soll als die körperliche Nutzung eines Tonträgers oder eines Buchs. 24J Die Vergütung fiir den Abruf von Datenbankinhalten erfolgt in der Praxis nach einem Lizenztarifsystem242 , das den Besonderheiten dieser Publikationsform Rechnung trägt. Zunächst können pauschale Vergütungs sätze vereinbart werden, sei es als einmalige oder als Grundvergütung. Diese kann dann durch eine variable Vergütung ergänzt werden, die sich an den Abrufvorgängen von der Datenbank orientiert. Dabei kann eine Volumenvergütung je abgerufene Zeichen, eine Zeitvergütung je Verbindungszeit oder eine Vergütung je abgerufenem Werkteil im Fall des Abrufs von einzelnen Beiträgen oder Seiten erfolgen. Die einzelnen Elemente können auch miteinander verknüpft werden. Eine besondere Vergütung kann auch für den Fall vereinbart werden, daß dem Datenbankbetreiber das Recht eingeräumt wird, Endnutzern auch den gewerblichen Gebrauch von kleinen Teilen des Datenbankwerks zu gestatten. Dem Vergütungsanspruch des Urhebers korrespondiert eine Auskunftspflicht des Datenbankbetreibers, um dem Urheber eine Kontrolle über die Anzahl der Abrufe der von ihm zur Verftlgung gestellten Datenbankinhalte zu ermöglichen. Diese Pflicht bezieht sich auf Informationen zu den Grunddaten der Honorarberechnung. Sie dient der Sicherung des urheberrechtlich anerkannten Vergütungsanspruchs des Urhebers, dessen Verfolgung nach Art und Umfang anders nicht gewährleistet werden könnte, weil Informationen über den digitalen Übertragungvorgang nur die an der Übertragung unmittelbar beteiligten Personen haben und eine davon unabhängige Kontrollmöglichkeit nicht besteht. Die dargestellten VergütungsanspTÜche und die zu ihrer Sicherung ergriffenen Maßnahmen sind also von der Ordnungsaufgabe des Urheberrechts gedeckt und können grundsätzlich innerhalb des Lizenzsystems vereinbart werden, ohne daß die Möglichkeit oder Notwendigkeit kartellrechtlicher Kontrolle besteht. 241
242
Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 249.
Dazu Handreichung Online-Datenbanken, S. 18 f.
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrecht
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cc) Preisbindungen Für Preisbindungen besteht - vennutlich wegen der Parallelität zu sonstigen Verlagserzeugnissen - offensichtlich ein erhebliches praktisches Bedürfuis. Die urheberrechtliche Rechtfertigung erscheint jedoch fraglich. Die Vereinbarung einer Lizenzgebühr und damit die Sicherung des Vergütungsanspruchs des Urhebers filr Nutzungen seines Werkes erfolgt zwischen dem Urheber und demjenigen, dem das Nutzungsrecht eingeräumt wird. Nimmt ein Verlag die Rechte des Urhebers wahr, gilt Entsprechendes für das Verhältnis des Verlags zum Handel oder zum Datenbankbetreiber. Die Höhe der Vergütung ist das Äquivalent zum Nutzungswert, den das Werk für den Nutzungsberechtigten hat. Dieser Marktwirkung sind auch die Beteiligten an einem urheberrechtlichen Lizenzsystem unterworfen und können sich dem nicht unter dem Schutz des Urheberrechts durch Preisbindungen entziehen. Solche Klauseln sind demnach uneingeschränkt kartellrechtlich überprütbar und also nach Art. 85 Abs. I lit. a) EGV verbietbar. d) Übertragung au/Sachverhalte, die der Beurteilung nach Art. 85, 86 EG V unterliegen
Das Ergebnis der Auseinandersetzung mit der Bestands- und Ausübungsdogmatik nach europäischem Recht war, daß der grundlegende Rechtsbestand eines Schutzrechts sich aus nationalgesetzlich eingeräumten Befugnissen des Schutzrechtsinhabers zusammensetzt, die auch zu Wettbewerbsbeschränkungen fUhren können, wenn und soweit diese zur Aufrechterhaltung der Schutzrechtsfunktion des Ausschließlichkeitsrechts erforderlich sind. Dadurch wird gewährleistet, daß dem Urheber und der Kulturindustrie die vom nationalen Gesetzgeber gewährten Verwertungs- und Einkunftsmöglichkeiten auch bei der wettbewerbsrelevanten Betätigung im Gemeinsamen Marke43 erhalten bleiben. Zur Konkretisierung dieser Schutzaussage ist mangels einheitlicher europäischer Regelung244 auf die mitgliedstaatlichen Wertentscheidungen hinsichtlich der Existenzbedingungen des Urheberrechts zurückzugreifen. Maßgeblich sind hier also nicht die explizit in den Kodifikationen der Mitgliedstaaten genannten Befugnisse des Urhebers, sondern übergeordnete urheberrechtliche Leitprinzipien, die den Bestand des Schutzrechts sichern und also
243 Diese ist wegen der weiten Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel immer häufiger gegeben 244 Zu den Harrnonisierungsbestrebungen Loewenheim, in: GRUR Int. 1997, S. 285 ff., der sich jedoch in der Hauptsache auf zukunftsbezogene Betrachtungen beschränkt und daher wenige konkrete Ausagen trifft.
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
Maßnahmen und Vereinbarungen, die auf diesen Prinzipien beruhen, grundsätzlich der kartellrechtlichen Kontrolle nach dem EGV entziehen. aa) Urheberrechtliche Grundprinzipien Die urheberrechtlichen Grundprinzipien haben ihren Niederschlag nicht nur im deutschen Urheberrecht gefunden, sondern sind auch den sogenannten Mindestschutzrechten im Sinne des Art. 5 Abs. 1 der Berner Übereinkunft (RBÜ) zugrundegelegt. Diese können als bereits erreichter gemeinsamer Schutzstandard der europäischen Länder angesehen werden. 245 Enthalten sind das Urheberpersönlichkeitsrecht in seiner Ausgestaltung als Recht auf Inanspruchnahme der Urheberschaft und als Recht auf Schutz vor Entstellung des Werkes, verschiedene Verwertungsrechte körperlicher und unkörperlicher Art sowie Schranken- und Durchfiihrungsbestimmungen. Regelungen über das Urhebervertragsrecht als solches, die als gemeinsamer Standard zu bezeichnen wären, bestehen demgegenüber nicht. Übergeordnete Leitprinzipien, die sich auch auf das Urhebervertragsrecht als vertragliche Verwertung des Urheberrechts beziehen, sind jedoch aus dieser Übereinkunft ableitbar. Als ein solches übergeordnetes Leitprinzip ist der Grundsatz anzusehen, daß dem Urheber ein Entgelt rur jede Nutzung seines Werks gebührt. Handlungen und Maßnahmen, die unmittelbar diesen Anspruch des Urhebers begründen und sichern helfen sollen, können auch nach europäischem Kartellrecht nicht verboten sein. Damit der urheberrechtliche Vergütungsanspruch entsteht, müssen dem Urheber Verwertungsrechte hinsichtlich der Nutzungshandlungen zustehen, auf die sich die Vergütungspflicht beziehen soll. Der EuGH hat denn auch festgestellt, daß Werke der Literatur und der Kunst gewerblich verwertet werden können 246 und die bei den grundlegenden Rechte des Urhebers, das ausschließliche Recht der öffentlichen Auffilhrung oder Wiedergabe und das ausschließliche Recht zur VervielflUtigung, von den Bestimmungen des EGVertrages nicht berührt werden. 247 Geht man aber von dem Bestand derartiger Rechte aus, so korrespondieren damit Verbietungsrechte, die wiederum Nutzungsbeschränkungen rechtfertigen. Auch das Werkschutzrecht des Urhebers ist als Ausprägung seines Urheberpersönlichkeitsrechts als urheberrechtliches Leitprinzip anzuerkennen. 248 Es handelt sich dabei um einen einheitlichen Grundgedanken, der den geistigen
Dietz. in: GRUR-FS, S. 1445, 1450 f. Ausdrücklich für kommerzielle Lizenzen EuGH Slg. 1981, S. 147, 161. 247 EuGH Slg. 1988, S. 2625, 2629 (Warner Bros.lChristiansen). 248 Schricker-Dietz, § 14 UrhG, Rdnrn. I f. 245
246
III. Das Spannungsverhältnis von Urheberrecht und Kartellrt"cht
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und persönlichen sowie den materiellen Interessen des Urhebers dient und gegenüber dem vertraglich wie gesetzlich zur Werknutzung Berechtigten, dem Eigentümer von Original oder Vervielfliltigungstück und beliebigen Dritten im Rahmen einer Interessenabwägung durchgesetzt werden muß. 249 Klauseln zum Schutz der Werkintegrität, wie sie in Multimedia-Lizenzverträgen bezüglich Produktion und Publikation üblich sind, haben demnach auch gegenüber dem EG-Kartellrecht Bestand. Die Möglichkeit EG-kartellrechtlicher Kontrolle von Maßnahmen und Handlungen des Urhebers hängt also im Grundsatz davon ab, ob diese unmittelbar zur Durchsetzung und Sicherung der dargestellten urheberrechtlichen Leitprinzipien vorgenommen werden. Dieser Bereich ist grundsätzlich der Kontrolle nach Art. 85, 86 EGV entzogen. Daraus wird ersichtlich, daß die Unterschiede im urheberrechtlichen Lizenzkartellrecht nach deutschem und europäischem Recht, die auf der unterschiedlichen dogmatischen Herleitung und Begründung basieren, in der praktischen Anwendung eingeebnet werden. Diese Beobachtung bestärkt die eingangs aufgestellte Prämisse, daß das Spannungsverhältnis von Kartellrecht und Urheberrecht ein einheitliches ist und durch die Geltung einheitlicher Leitprinzipien beherrscht wird. bb) Erschöpfungsgrundsatz Ebenso wie die Begründung urheberrechtlicher Befugnisse und Ansprüche anhand von übergeordneten Leitprinzipien erfolgt, muß sich auch die Begrenzung dieser Rechte aus derartigen Grundaussagen ableiten lassen. Die Frage der Erschöpfung der Rechte am geistigen Eigentum nimmt denn auch im Gemeinschaftsrecht eine zentrale Stellung ein. Sie birgt nämlich auch eine Lösung rur das Problem, wie der freie Verkehr von Waren als oberstes Leitprinzip des Gemeinsamen Marktes und die Territorialität der Rechte auf geistiges und gewerbliches Eigentum miteinander in Einklang zu bringen sind. 250 Das hierbei grundsätzlich auftretende Problem abweichender mitgliedstaatlicher Regelungen hinsichtlich der Frage, ob rur den Eintritt der Erschöpfungswirkung eine Verbreitung des Werks mit Zustimmung des Urhebers erforderlich ist, ergibt sich im Lizenzkartellrecht nicht. Verwertungshandlungen werden hier aufgrund von Lizenzen und damit jedenfalls mit vertraglichem Einverständnis des Urhebers zur Ausübung des Nutzungsrechts vorgenommen. Die gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt rur die gesamte Gemeinschaft ein, wenn das Werk in einem Mitgliedstaat in Verkehr
249 250
Schricker-Dietz, § 14 UrhG, Rdnrn. 2 f. Grünbuch, abgedruckt in UFITA 130 (1996), S. 163, 172.
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D. Multimedia und Lizenzkartellrecht: Grundfragen
gebracht wird.25\ Die Konsequenz dieses Grundsatzes rur die kartellrechtliche Überprüfbarkeit von Ausübungshandlungen, die sich auf ein erschöpftes Verbreitungsrecht beziehen, besteht darin, daß diese nicht mehr zum grundlegenden Rechtsbestand oder einem solcherart verstandenen spezifischen Gegenstand des Urheberrechts gehören. Dadurch sind diese Handlungen als "Ausübungshandlungen" im Sinne der Bestands- und Ausübungsrechtsprechung zu betrachten und demnach uneingeschränkt nach den Art. 85, 86 EGV überprüfbar.
e) Überprüjbare Klauseln ohne urheberrechtliehe Kongruenz Der kartellrechtlichen Prüfung unterliegen alle diejenigen Klauseln, die keine urheberrechtliche Kongruenz aufweisen. Das sind nach der dargestellten Untersuchung Nutzungsbeschränkungen in Gestalt von Weiterverbreitungsverboten im Wege der Offline-Publikation und Preisbindungen. Weiterhin der kartellrechtlichen Kontrolle zugänglich ist der Zusammenschluß von Verwertungsgesellschaften zu Multimedia-Clearingstellen, die den einheitlichen Rechteerwerb im Multimedia-Bereich ermöglichen sollen. Keine urheberrechtliche Rechtfertigung findet sich auch fllr die Lizenzpraxis der Firma Microsoft, die an die Lizenzierung der Microsoft-Standardsoftware den Erwerb einer Lizenz rur solche Programme knüpft, die den Zugang zum Internet ermöglichen und dessen Inhalte fllr den Endnutzer sichtbar machen (BrowserSoftware). Diese Aussagen gelten gleichermaßen fllr Verwertungshandlungen mit oder ohne zwischenstaatlichen Bezug, also fllr die Kontrolle nach dem GWB ebenso wie rur die Überprüfung nach Art. 85, 86 EGV.
251 EuGH GRUR Int. 1971, S. 450, 454 (Polydor); EuGH GRUR Int. 1981, S. 393, 396 (Imerco Jubiläum); EuGH GRUR Int. 1982, S. 372, 376 (PolydorlHarlekin).
E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen Lizenzverträge fiir die Vermarktung von Multimedia-Produkten können sowohl im OnIine- als auch im Offline-Bereich Preisbindungsklauseln enthalten. Preisbindungen sind wettbewerbswidrig und demgemäß nach Art. 85 Abs. 1 lit. a) EGV und § 15 GWB verboten. Allerdings sieht § 16 GWB eine Ausnahme fiir die Preisbindung von VerJagserzeugnissen vor, wenn und soweit ein Unternehmen die Abnehmer dieser Erzeugnisse verpflichtet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbaren oder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzuerlegen. Diese Ausnahmevorschrift gilt also nur fiir vertikale Preisbindungen beim Vertrieb von Verlagserzeugnissen. Demnach können bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 16 GWB nur vertikale Preisbindungen innerhalb des multimedialen Lizenzsystems unterfallen.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse Mit der Frage, ob Preisbindungsklauseln in Lizenzverträgen fiir MultimediaAnwendungen als Preisbindungen rur Verlagserzeugnisse einzustufen sind, ob also mit anderen Worten ein Multimedia-Produkt ein Verlagserzeugnis darstellt oder nicht, ist - bezogen auf den Begriff des Verlagserzeugnisses nach § 16 GWB - 1995 erstmals ein Gericht] befaßt gewesen. Dieses Verfahren, daß 1997 durch eine Entscheidung des BGH 2 abgeschlossen wurde, wird von einer Diskussion im Schrifttum begleitet, die noch andauert und stets durch neue Beiträge bereichert wird. Da diese Kontroverse auf nationaler Ebene entstanden ist, die Frage nach der Einordnung von Multimedia-Erzeugnissen als Bücher jedoch auch fiir die europäische Rechtslage Bedeutung hat, muß an dieser Stelle der im Grundsatz vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts bestimmte Aufbau durchbrochen werden, so daß hier mit der nationalen Rechtslage begonnen wird.
] KG, 17.5.1995, CR 1996, S. 278 ff. ("Preisbindung bei CD-ROM") BGH, 11.3.1997, NJW 1997, S. 1911ff. ("NJW auf CD-ROM").
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E. KartelIrechtliche KontrolIe von Preisbindungen
1. Volltext-CD-ROM als Verlagserzeugnis In dem Verfahren, das die Diskussion um Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse entfacht hat, ging es um eine Volltext-CD-ROM, die Daten nur in Form von Text vermittelt. Es war zu entscheiden, ob diese ebenso ein Verlagserzeugnis darstellt, wie eine inhaltsgleiche Buchausgabe. An diesem Beispiel läßt sich besonders gut sehen, welche Bedeutung der Präsentationsform - traditionell oder digital - der ansonsten gleichen Informationsform Wort und Schrift von den unterschiedlichen Standpunkten beigemessen wird.
a) Die Position des BKartA
aa) Tätigkeitsbericht des BKartA 1991/92 In seinem Tätigkeitsbericht 1991/923 äußert sich das BKartA zum Preisbindungsverbot im Zusammenhang mit Erzeugnissen moderner Informationstechnik. Die Ausnahmevorschrift des § 16 GWB soll rur diese Produkte dann gelten, wenn sie nach Sinn und Zweck dieser Norm in ihren Funktionen denen herkömmlicher Verlagserzeugnisse, wie zum Beispiel Büchern, Zeitschriften oder Zeitungen vergleichbar seien. Das sei zum einen dann der Fall, wenn die neuen Produkte die herkömmlichen Druckerzeugnisse ersetzten und wie diese, auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel, zum Lesen bestimmt seien. Zum anderen müsse ihr Vertrieb zumindest im wesentlichen über den traditionellen Buchhandel erfolgen. Auf die Herstellungsmethode wird demgegenüber nicht abgestellt, so daß auch elektronische Wörterbücher und Veröffentlichungen über Mikrofiche zu diesen Produkten gehören. Demgegenüber sei Vergleichbarkeit dann nicht mehr gegeben, wenn über das Lesen hinaus nicht ganz unwesentliche weitergehende Anwendungen ermöglicht würden, die denen eines Computer-Software-Programms entsprächen. Ein preisbindungsfähiges Kombinationsprodukt liege weiterhin nur vor, wenn der Schwerpunkt des Angebots ein Verlagserzeugnis sei. Als Beispiel wird hier ein Lehrbuch mit beigefiigten Demonstrationsdisketten genannt. Der Ersetzungsgedanke, der den Dreh- und Angelpunkt der um die Preisbindungsfähigkeit von CD-ROM gefiihrten Diskussion bildet, ist also erstmals vom BKartA aufgeworfen worden.
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BT-Drucks. 12/5200, S. 40 f.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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bb) Der Beschluß BKartA WuWE, S. 2635 ("CD-ROM-Erzeugnisse"), aus dem Jahre 1994 Der Beschluß BKartA WuWE, S. 2635, war Gegenstand des Verfahrens, in dem die gegenteiligen Entscheidungen des KG und des BGH zur Preisbindungsflihigkeit von CD-ROM-Erzeugnissen ergingen. In diesem Beschluß wandte das BKartA die im Tätigkeitsbericht 1991/92 dargestellten Grundsätze auf diese Produkte an. Nach diesem Beschluß sind CD-ROMs keine Verlagserzeugnisse im Sinne von § 16 GWB. Zwar seien diese zu Lesen bestimmt, sie enthielten aber darüber hinaus erhebliche weitergehende Nutzungsmöglichkeiten. 4 Die Datenbanksoftware habe nicht nur hilfsweise Bedeutung, sondern bewirke dahingehend einen qualitativen Unterschied, daß gerade die Kombination von Information und Informationsverarbeitung den Wert des Produktes bestimmten. Deshalb seien CD-ROMs nicht mehr als Lese- und Nachschlagewerke, sondern als "elektronische Datenbanken mit einer Vielzahl zusätzlicher Servicefunktionen" zu bezeichnen. Es gebe also einen qualitativen Unterschied zu den Verlagserzeugnissen. Bezüglich des Ersetzungsprozesses sei das Käuferverhalten maßgeblich, das nicht den Schluß zulasse, der CD-ROM-Bezug würde das Zeitschriftenabonnement substituieren. 5 Ein Ersetzungsprozeß sei nur bei den alten Zeitschriftenausgaben zu beobachten, was die Annahme rechtfertige, die CD-ROMs würden nicht zum Lesen, sondern als Datenbank genutzt. 6 Schließlich würden CDROMs auch zu einem beträchtlichen Teil über den EDV-Handel und nicht über den Buchhandel vertrieben, was ihrer Einordnung als Verlagserzeugnis entgegenstehe.
b) Die Entscheidung des KG zur Preisbindung bei CD-ROMs, CR 1996, S. 278ff., aus dem Jahre 1995 Das KG gab dem BKartA recht und entschied, CD-ROMs seien keine Verlagserzeugnisse im Sinne von § 16 GWB. 7 Die Anerkennung von CD-ROMs
S.2637. S.2638. 6 Konsequenz dieser Betrachtungsweise wäre aber, daß auch die Zeitschriften selbst mit der Zeit ihren Charakter als Verlagserzeugnis verlieren würden, je weniger sie gelesen und desto mehr für Recherchezwecke benutzt würden. Dies zeigt die Fragwürdigkeit dieser Stellungnahme. 7 KG CR 1996, S. 278 tf. ("Preisbindung bei CD-ROM"). 4
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
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als Buchsubstitute wird ausdrücklich abgelehnt8 und statt dessen auf das ausschließlich kulturpolitische Anliegen des Gesetzgebers abgestellt9, der lediglich das "Kulturgut Buch" habe schützen wollen. CD-ROMs seien jedoch keine Bücher oder traditionell buchnahe Erzeugnisse. JO Das ergebe sich zunächst aus Inhalt und Herstellungsmethode, die sich von herkömmlichen Druckwerken in grundlegender Form unterschieden. 11 Die Information sei digitalisiert verschlüsselt und nur unter Einsatz eines Zusatzgerätes zu entziffern. Der Anwender sei dadurch weniger mobil als der Leser eines Buches. Darüber hinaus verbinde die CD-ROM durch die Möglichkeit der Integration von Multimedia-Anwendungen die Funktionen von Schallplatte, Film und Buch und stelle so ein gegenüber dem Buch qualitativ andersartiges Erzeugnis dar. Dieser Qualitätsunterschied zeige sich auch in der Software zur Rechercheerleichterung, durch die die CD-ROM dem Buch bei der Informationsabfrage bei weitem überlegen sei. Außerdem würden CD-ROMs auf eigenständigen Wegen vertrieben - über den EDV-Handel und über Update-Versionen - , die rur den Buchhandel untypisch seien. 12 Auch als Kombinationsprodukte aus Text und Abfrage-Software mit Übergewicht beim Textteil seien CD-ROMs nicht preisbindungsflihig. Es handele sich um eine mediale Einheit, die gerade als abgeschlossenes Ganzes erleichterte Praktikabilität biete. 13 c) Die Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zum Begriff des Verlagserzeugnisses
Die BGH-Entscheidung zur Preisbindungsflihigkeit von CD-ROM erfolgte nicht isoliert. Ihr gingen zwei weitere Entscheidungen zum Begriff des Verlagserzeugnisses voraus, aus denen sich die heutige Position des BGH zu dieser Frage entwickelte.
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S.282. S.281. S.281. S.282. S. 282 f. S.283.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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aa) Die Entscheidung BGHZ 46, S. 74 ff. ("Schallplatten"), aus dem Jahre 1966 Die erste Grundsatzentscheidung des BGH zu § 16 GWB, ob Schallplatten als Verlagserzeugnisse im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind, stellt zunächst auf den Wortsinn ab. Maßgeblich sei danach, daß die Bedeutungen des Wortes Verlag und mit diesem Wort zusammenhängender Wortschöpfungen in anderen Gesetzen keine Bedeutung filr die Auslegung im Rahmen des GWB besäßen. 14 Der danach sehr weit gehende Wortsinn des Wortes" Verlag" müsse alsdann durch Auslegung eingeschränkt werden, die sich zunächst am Sinnzusammenhang innerhalb des § 16 G WB zu orientieren habe. 15 Dieser sei anhand des Zweckes der Vorschrift zu ermitteln, der sich zweifelsfrei nur aus ihrer Entstehungsgeschichte entnehmen lasse l6 , der gerade bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen eine besondere Bedeutung zukomme 17. Die danach entscheidende Zielsetzung des Gesetzgebers habe darin bestanden, daß das System des festen Ladenpreises beim Buchhandel wegen seiner festen Verknüpfung mit dem rur Autor, Verleger und Sortimenter gleichermaßen vorteilhaften Gesamtsystem des buchhändlerischen Vertriebs- und Abrechnungsvorganges als eine tragbare Ausnahme von dem Grundsatz des § 15 GWB anzuerkennen sei 18 und die Zulassung der Preisbindung der zweiten Hand auf diesen Bereich beschränkt bleiben solle l9 • Entscheidend ist nach BGHZ 46, S. 74 ff. rur den Begriff des Verlagserzeugnisses nach dem Sinnzusammenhang des § 16 GWB also, daß das fragliche Produkt im hergebrachten System20 des buchhändlerischen Vertriebs- und Abrechnungsvorganges vertrieben wird.
bb) Die Entscheidung BGH WuWE, S. 1463 ff. ("Briefmarkenalben"), aus dem Jahre 1977 In bezug auf die zuvor dargestellte Entscheidung stellt der BGH in WuWE, S. 1463 ff. auf das geschichtlich überkommene Gesamtbild eines Verlagserzeugnisses ab, wie es sich im aktuellen Allgemeinbewußtsein widerspiegelt. Hierin ist bereits eine gewisse Öffuung, gegenüber modemen Einflüssen zu erkennen. Die Auslegung des Begriffes "Verlagserzeugnis" müsse rur jedes einzelne Erzeugnis nach seinem Inhalt, seinem Zweck, der überkommenen Her14
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S.77. S. 78 f. S.79. S.81. S.82 S.84. So Fezer, in: WRP 1994, S. 669.
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
stellungsweise und Vertriebsmethode erfolgen. 21 Im einzelnen: Hinsichtlich des Inhalts wird rur - wenn auch nicht allein - maßgeblich erachtet, ob dieser eine geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts darstelle. 22 Weiterhin soll es rur die Frage nach der Geläufigkeit im Buchhandel auf die Herstellungsweise ankommen, ob es sich um Werke der Literatur, Tonkunst und Photographie handele, die durch ein graphisches, photographisches oder photomechanisches Verfahren vervielfältigt würden. 23 Diese Verfahrensweisen werden jedoch lediglich beispielhaft genannt. Neben den Zwecken der Information und Bildung könne ein Verlagserzeugnis durchaus andere Verwendungsmöglichkeiten aufweisen, ohne deshalb seine Eigenschaft als herkömmliches Verlagserzeugnis zu verlieren. 24 Für die Frage nach dem Vertriebsweg sei entscheidend, ob das Erzeugnis traditionell Gegenstand des Buchhandels sei und eventuelle andere Vertriebswege durch die Spezialität der behandelten Materie bedingt seien?S Durch diese Entscheidung ist die streng restriktive Auslegung der zuvor dargestellten Grundsatzentscheidung durch eine normzweckorientierte, funktionale und damit entwicklungsoffene Auslegung26 ersetzt worden. cc) Die Entscheidung BGH NJW 1997, S. 1911 ff. ("NJW auf CD-ROM"), aus dem Jahre 1997 Durch BGH NJW 1997, S. 1911 ff. werden die vorangegangenen Grundsatzentscheidungen insoweit fortgefiihrt, als auch nach dieser Entscheidung die Auslegung des Begriffes des Verlagserzeugnisses nicht nach dem Wortsinn zu erfolgen habe, sondern nach Sinn und Zweck des § 16 GWB, wie sie sich aus dessen Entstehungsgeschichte ergäben. 27 Dem Anliegen des Gesetzgebers entspreche es, wenn das neue Produkt nach seiner Eigenart bestimmt sei, herkömmliche Verlagserzeugnisse zu ersetzen, es sich also um ein Substitutionsprodukt handle, das die auf ein herkömmliches, gedrucktes Verlagserzeugnis gerichtete Nachfrage ganz oder teilweise zu befriedigen geeignet sei. 28 Davon könne man bei der Volltext-CD-ROM-Version einer Fachzeitschrift ausgehen, so daß den Unterschieden in der Art und Weise der Herstellung keine ent21 22 23 24
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S. 1463. Ebd. S. 1463 f. S. 1464. S. 1465. Fezer, in: WRP 1994, S. 669, 672. S.1912. S. 1913, so auch LG Hamburg, MMR 1998, S. 44, 45.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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scheidende Bedeutung zukomme 29 , zumal die Erstellung der zu veröffentlichenden Texte ohnehin auf dieselbe Weise erfolge. 30 Ob zwischen dem neuen Produkt und dem herkömmlichen Verlagserzeugnis eine Substitutionsbeziehung bestehe, richte sich in erster Linie nach dem Inhalt. Wenn und soweit dieser in der Informationsvermittlung bestehe, sei Austauschbarkeit auch dann anzunehmen, wenn der enthaltene Text nicht zum vollständigen Lesen bestimmt sei oder die CD-ROM technische Recherche- und Exportfunktionen enthalte. 3 I Diese dienten dem Zweck der Informationsvermittlung und hätten als solche lediglich Hilfscharakter, der der generellen Substituierbarkeit nicht entgegenstehe. Die Bedeutung des Vertriebswegs wird durch die vorliegende Entscheidung angesichts der Neuartigkeit des in Rede stehenden Produkts ebenfalls eingeschränkt. 32 Der BGH nimmt in seiner neuesten Entscheidung zur Preisbindungsfähigkeit von Verlagserzeugnissen zwar auf die zuvor ergangenen Grundsatzentscheidungen Bezug, rullt die dort rur maßgeblich befundenen Anforderungen jedoch mit neuen Wertungen aus. Herstellungs- und Vertriebsmethode werden in ihrer Bedeutung filr die normzweckorientierte Auslegung durch den Begriff des Substitutionsproduktes ersetzt, dessen Vorliegen sich am nach wie vor maßgeblichen Inhalt des Erzeugnisses orientiert. Allerdings war das einer traditionellen Herstellungsmethode beizumessende Gewicht auch in der vorangegangenen Entscheidung "Briefmarkenalben" nicht so groß wie es zunächst scheinen mag: Es wurde zwar grundsätzlich auf ihre Maßgeblichkeit verwiesen, die dort aufgezählten Vorgehensweisen sind jedoch beispielhaft zu verstehen. Umgekehrt mißt auch die "NJW auf CD-ROM"-Entscheidung der Herstellungsweise Bedeutung bei, stellt jedoch nicht auf das Produkt selbst, sondern auf die verarbeiteten Texte ab. Die wesentliche Neuerung durch das zuletzt ergangene Urteil besteht also darin, daß der Schutzzweck des § 16 GWB auch Substitutionsprodukte herkömmlicher Verlagserzeugnisse urnfaßt. d) Die Behandlung des Problems in der Literatur
Mit einer Ausnahme33 steht die Literatur34 angesichts der gemeinsamen Strukturrnerkmale von CD-ROMs und traditionellen, preisbindungsfähigen S. 1913. S.1914. 31 Ebd., im zu entscheidenden Fall benötigten diese Funktionen die Hälfte der zur Verfilgung stehenden Speicherkapazität. 32 S. 1914. J3 Topel, in: eR 1996, S. 283 ff. 29
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
Verlagserzeugnissen im Ergebnis auf demselben Standpunkt wie der BGH. Das gilt zumindest rur die hier in Rede stehenden Volltext-CD-ROM. Nach der Entscheidung "NJW auf CD-ROM" hat es keine diese Rechtsprechung ablehnende Stellungnahme gegeben. Argumentiert wird zunächst mit der Intention des Gesetzgebers, wie sie sich aus dem Sinn des Wortes "Verlagserzeugnis" ergebe: Der Gesetzgeber habe das Wort "Verlagserzeugnis" statt des Wortes "Buchpreisbindung" gewählt, um auch andere Erzeugnisse als Bücher in den Anwendungsbereich des § 16 GWB einzubeziehen. 35 Jegliche beispielhafte Aufzählung in Gesetzesmaterialien gebe rur die Argumentation nichts her, solange sie nicht abschließend und die CD-ROM als Speichermedium noch nicht bekannt gewesen sei. Der maßgebliche Argumentationsansatz besteht vielmehr darin, ob das Erzeugnis inhaltlich als Substitutionsprodukt eingestuft werden kann. Wie der BGH geht das Schrifttum davon aus, daß bei der Frage nach der Substitution maßgeblich auf den Inhalt und dessen Zweckbestimmung abzustellen sei. 36 Entscheidend sei, daß das Medium zum Lesen im Sinne des Erfassungsvorganges geschriebener Worte zu verstehen sei37 und das Erzeugnis ein schriftliches und lesbares oder bildhaftes Medium darstelle 38 • Demgegenüber komme der installierten Abfrage-Software nur eine dienende Funktion zu, die den wenn auch willkommenen - Nebeneffekt der Zeitersparnis biete. 39 Ein Abstellen auf die von dieser Software beanspruchte Speicherkapazität sei angesichts des Speicherinhalts, auf den es allein ankomme, verfehlt. 40 Auch die technische Trennbarkeit sei angesichts der einheitlichen Verwendung dieser Software in inhaltlich grundverschiedenen CD-ROM-Produktionen unproblematisch gegeben. 41 Außerdem gehe aus Erwägungungsgrund (23) der Datenbankrichtlinie, der die rur die Herstellung oder den Betrieb einer CD-ROM-Datenbank erforderliche Software aus dem Schutz filr Datenbanken herausnimmt, 34 Emmerich, KartR, S. 156; Kort, Anm. BGH WiB 1997, S. 717, 719; Fezer, in: NJW 1997, S. 2150 ff., WRP 1995, S. 946 ff., WRP 1994, S. 669 ff. u. WuW 1994, S. 740 ff.; Bunte, in: NJW 1997, S. 3127; Feyock gern. Wachter, in: GRUR Int. 1995, S. 860, 864; v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116 ff. 35 v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116. 36 Fezer, in: NJW 1997, S. 2150. 2151, 2152; Feyock gern. Wachter, in: GRUR Int. 1995, S. 860, 864. 37 Kort, in: WiB 1997, S. 719. 38 Fezer, in: WRP 1994, S. 669, 676. 39 v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 119 40 Bunte, in: NJW 1997, S. 3127, 3128. 41 Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf eine Teresa-Or1owski-Produkti on und ein Pumuckl-Memory-Spie1 durch v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 119.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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hervor, daß Dateninhalt und Software keineswegs ein untrennbares geschlossenes Ganzes darstellten. 42 Das Verfahren über die "NJW auf CD-ROM" wurde zum Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Vielfach wird die Preisbindungsfiihigkeit von Volltext-CD-ROM als logische Konsequenz aus den AustUhrungen im Tätigkeitsbericht des BKartA 1991/92 angesehen, so daß der Beschluß des BKartA von 1994 auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen ist. 43 Dies gilt allerdings nicht tUr die Verfasserin einer Anmerkung zur KG-Entscheidung44 , Referentin der 7. Beschlußabteilung des BKartA, von der die ablehnende Entscheidung bezüglich der CD-ROMs stammt. Offensichtlich erwartete der überwiegende Teil der Literatur vom KG eine Korrektur dieser tUr verfehlt erachteten Entscheidung, denn anders ist die außerordentlich scharfe Kritik an der Entscheidung des Gerichts schwer zu erklären. Die tUrwahr bereits emotionsbetonte Argumentation45 des KG 46 stößt dabei auf ebensolche Entgegnungen. 47 Die dann auf die BGH-Entscheidung folgende positive Reaktion ist ein weiteres Indiz dafilr, tUr wie dringend das Schrifttum die Korrektur erachtete. 48 Weniger einhellig stellt sich das Meinungsbild hinsichtlich der Herleitung des wünschenswerten Ergebnisses dar. Während man sich über die relative Unbedeutsamkeit der Herstellungsmethode, solange es sich um verlegerische Publikation handelt, gegenüber dem Inhalt des Erzeugnisses einig ist49 , wird der Vertriebsmethode unterschiedlich starkes Gewicht beigemessen. Teilweise wird auf diesen Aspekt gar nicht abgestellt50, teilweise der buchhändlerische
v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 119. Kort, in: WiB 1997, S. 719; v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 117. 44 Topel, in: CR 1996, S. 283 ff. 45 So Fezer, in: WRP 1995, S. 946, 947. 46 Abgestellt wird etwa auf die alleinige Förderungswürdigkeit des "Kulturguts Buch", auf das "nichtssagende Erscheinungsbild des Datenträgers selbst" sowie auf die "Beziehung intuitiver Vertrautheit" zum Werk. 47 Nach v. der Horst, in: CR 1996, S. 116, 117 fuße das Kulturverständnis des KG auf dem des Bildungsbürgertums des 19. Jahrhunderts von der "hohen Kultur"; außerdem bestimme nicht das KG Berlin die Distanz des Benutzers zu seiner Informationsquelle, sondern jeder selbst, S. 118. Fezer bezeichnet in seiner Urteilsanmerkung in WRP 1995, S. 946, 947 die Ausführungen des KG als "Ode an das Buch". 48 Von Fezer wird die "nachhaltig zu begrüßende Entscheidung" in NJW 1997, S. 2150 als "Meilenstein in der Geschichte des Preisbindungsrechts" und "wichtiger Beitrag zur Legitimation der Preisbindung für Verlagserzeugnisse im Europäischen Binnenmarkt" bezeichnet. 49 Eine Ausnahme bildet Topel, in: CR 1996, S. 283, 284, die Inhalt, Zweck, Herstellungsmethode und Vertriebsmethode gleich gewichtet. 50 Feyock gern. Wachter, in: GRUR Int. 1995, S. 860, 864. 42
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
Vertrieb rur ein unerläßliches Merkmal eines Verlagserzeugnisses erachtet51 • Für die hier in Rede stehenden Volltext-CD-ROM-Versionen einer Fachzeitschrift wird dieses Merkmal allerdings angesichts der Tatsache, daß Vertrieb und Handel vom Dateninhalt abhängen, als gegeben erachtet. 52 Für die Substitutionsfahigkeit von CD-ROMs wird daher argumeniert, daß diese in den nächsten Jahren ein zunehmendes Segment des bisherigen Handels mit traditionellen Verlagserzeugnissen einnehmen würden und daher desselben Schutzes wie diese bedürften. 53 Insgesamt läßt sich beobachten, daß das Schrifttum hinsichtlich der erforderlichen Vertriebsstruktur zu einer etwas restriktiveren Handhabung neigt als der BGH, ansonsten jedoch dessen Ansicht teilt. e) Kritische Würdigung
Die Darstellung des Meinungsstandes macht deutlich, daß es sich hier um eine außerordentlich engagiert gefilhrte Diskussion handelt. Die emphatischen Formulierungen pro und contra sollten jedoch nicht den Blick auf die dogmatischen Grundlagen des Problems der Preisbindungsfähigkeit von CDROM-Erzeugnissen verstellen. Anhand dieser sowie anband der von den Gegnern oder Befilrwortern befilrchteten oder begrüßten Konsequenzen soll in einem weiteren Schritt die vorzugswürdige Ansicht ermittelt werden. aa) Dogmatische Einordnung des Problems
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Preisbindungsfähigkeit von CDROMs ist die Auslegung des Begriffs des Verlagserzeugnisses. Diese hat nach der Grundlagenentscheidung "Briefmarkenalben" des BGH normzweckorientiert, funktional und damit entwicklungsoffen54 zu erfolgen. Die Aufgeschlossenheit gegenüber buchsubstituierenden Kommunikationstechnologien wird durch eine Abkehr vom historischen Vorstellungsbild verlegerischer Tätigkeit zu einem gegenwärtig im Allgemeinbewußtsein vorhandenen Gesamtbild von Verlag und Buchhandel erreicht. Sie ist also notwendige Konsequenz des in der Rechtsprechung zu beobachtenden Richtungswechsels in der Auslegungspraxis zum Begriff des Verlagserzeugnisses weg von der traditionsorientierten historischen hin zur zukunftsorientierten funktionalen Auslegung.
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Fezer, in: WRP 1994, S. 669, 676; Kort, in: WiB 1997, S. 719. v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 118. Kort, in: WiB 1997, S. 719. So zusammengefaßt von Fezer, in: WRP 1994, S. 669, 672.
1. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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Diese Entwicklungsoffenheit fUhrt jedoch noch nicht zur Subsumtion von Erzeugnissen der buchsubstituierenden Kommunikationstechnologie unter den Begriff des Verlagserzeugnisses. Erforderlich ist hierfUr vielmehr eine verfassungskonfonne Auslegung, die den Schutz von § 16 GWB im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auf solche Substitutionsprodukte erstreckt, die herkömmlichen Verlagserzeugnissen gleichartig sind. 55 Die geforderte Substitutionsfiiliigkeit der elektronischen Erzeugnisse ist also Ausfluß einer verfassungskonfonnen Auslegung des § 16 GWB. Daß bei einer Schutzzweckerstreckung Telos und Funktion der Vorschrift gegenüber allen anderen Auslegungsmethoden der Vorrang eingeräumt wird, ist konsequent und logisch. Demnach müssen die Produkte moderner Kommunikationstechnologien, sofern sie buchersetzenden Charakter haben, vom Schutzzweck des § 16 GWB erfaßt werden und damit preisbindungsfiiliig sein. Dieses aus der gebotenen Auslegung folgende Ergebnis ist auf die einfache Fonnel gebracht worden: "Ein Buch auf CD-ROM ist ein Buch auf CD-ROM, ist ein Buch auf CD-ROM!"s6.
bb) Diskussion Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, wann ein Produkt der modernen Kommunikationstechnologie die erforderliche Buchersetzungsfunktion aufweist und also geeignet ist, die auf ein herkömmliches Verlagserzeugnis gerichtete Nachfrage ganz oder teilweise zu befriedigen. Dies hängt von der Bewertung der Maßgeblichkeit der Merkmale Inhalt, Herstellungsmethode und Vertriebsfonn fUr den Begriff des Verlagserzeugnisses ab. Nur wenn das Substitutionsprodukt in diesen Merkmalen mit einem herkömmlichen Verlagserzeugnis übereinstimmt, kann es einem solchen gleichgesetzt werden und gleichartigen Schutz beanspruchen. Mit der Ausnahmeregelung fUr Verlagserzeugnisse hat der Gesetzgeber ein kulturpolitisches Anliegen verfolgt. Die wettbewerbspolitische Sonderbehandlung des Verlagserzeugnisses wird dadurch gerechtfertigt, daß es sich bei diesem aufgrund seiner geistigen Substanz um ein Kulturgut handelt, dessen ungehinderte VerfUgbarkeit fUr die Bevölkerung gewährleistet sein muß. 57 Wann ein solches schutzwOrdiges Kulturgut vorliegt, soll sich nach dem Inhalt des Erzeugnisses richten. Der geistige Inhalt bleibt denn auch das einzige 55 BGH NJW 1997, S. 1911, 1913 ("NJW auf CD-ROM"); Fezer, in: WRP 1994, S. 669, 676. 56 v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 119. 57 BT-Drucks. IV/617, S. 33. In BT-Drucks. 13/9720 stellt die Bundesregierung auch in der dreizehnten Legislaturperiode noch einmal klar, daß sie feste Ladenpreise rur Bücher aus bildungs- und kulturpolitischen Gründen rur erforderlich hält.
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
Merkmal, das im zitierten Bericht der Bundesregierung positiv hinsichtlich des Vorliegens eines schutzwürdigen Kulturguts erwähnt wird. Zwar finden sich auch AusfUhrungen zu Herstellungsmethode und buchhändlerischem Vertrieb, diese beziehen sich jedoch nicht auf die Frage, ob von einem Verlagserzeugnis auszugehen ist oder nicht, sondern haben allenfalls beispielhaften Charakter. Über die Maßgeblichkeit des Inhalts fiir die Frage nach der Substitutionsfähigkeit ist man sich denn auch genauso einig wie darüber, daß eine CD-ROM über dieselben Inhalte verfUgen kann wie ein Buch. 58 Uneinheitlich wird hingegen die Frage beantwortet, ob das Vorhandensein von Retrieval-Software die CD-ROM inhaltlich so weit von einem herkömmlichen Verlagserzeugnis unterscheidet, daß von einem Substitutionsprodukt nicht mehr gesprochen werden kann. Tatsächlich bietet die Software Funktionen, die die Infonnationsaufuahme gegenüber traditionellen Printmedien erheblich erleichtern: Sie ennöglicht, eine beachtliche Infonnationsmenge planmäßig in Fonn von kurzen, systematischen Infonnationseinheiten zu nutzen, und erlaubt dokumenrubergreifende Infonnationsorganisation durch gleichzeitige Nutzung verschiedener Dokumente59 und arbeitserleichternde Verarbeitungsfunktio· nen. 60 Der durch diese Technik bewirkte Fortschritt stellt selbstredend eine Veränderung in der Infonnationsnutzung dar. Es ist indessen zweifelhaft, ob eine veränderte Infonnationsnutzung etwas an den vennittelten Inhalten zu ändern vennag. Und auf diese kommt es maßgeblich an. Jedenfalls ist es verfehlt, auf die von der Retrieval-Software benötigte Speicherkapazität abzustellen. Hierbei handelt es sich um eine dem ständigen Fortschritt unterliegende Entwicklung, an deren Ende mit einiger Wahrscheinlichkeit die OnlineÜbennittlung und -Nutzung von Software stehen wird, so daß auf der informationsvennittelnden CD-ROM überhaupt keine Kapazität mehr fiir Be- und Verarbeitungs funktionen bereitgestellt werden muß. Bereits daraus läßt sich ersehen, daß Infonnation und Retrieval-Software sowohl technisch als auch inhaltlich voneinander zu trennen sind und letzterer hinsichtlich ersterer lediglich UnterstUtzungsfunktion zukommt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die auf der CD-ROM enthaltenen Infonnationsinhalte erst durch die Software nutzbar werden. Mikrofiche-Publikationen und elektronische
58 Das soll dann der Fall sein, wenn sie Lesestoff enthält, also ein schriftliches und lesbares oder bildhaftes Medium darstellt. 59 Daß die Möglichkeit des gleichzeitigen Aufschlagens mehrerer Bücher vom KG in CR 1996, S. 278, 282 umgekehrt als unersetzlicher Vorteil der herkömmlichen Verlagserzeugnisse ausgewiesen wird, spricht rur die Austauschbarkeit von Buch und CD-ROM. 60 Zu den technischen und inhaltlichen Unterschieden zwischen traditionellen und elektronischen Erzeugnissen vgl. Neske, in: NJW-CoR 1995, S. 168 ff.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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Wörterbücher sind allgemein als Verlagserzeugnisse anerkannt61 und bedürfen ebenfalls der technischen Vermittlung, um wahrnehmbar zu sein. Eine CD-ROM kann also ihrem Inhalt nach als Verlagserzeugnis qualifiziert werden, wenn sie über buchgleiche Inhalte verfUgt. Das Vorhandensein von Retrieval-Software ändert daran nichts. Außerdem entscheidend ist die Zweckbestimmung des elektronischen Produkts, die in der Ersetzung herkömmlicher Verlagserzeugnisse bestehen muß. Diese Zweckbestimmung hängt von der Eigenart des Produktes ab, so daß der Schwerpunkt des Problems wiederum im Inhalt der CD-ROM liegt. Weiterhin ist zu diskutieren, welches Gewicht bei der Frage nach der Substitutionsfilhigkeit der Herstellungsmethode zukommt. Der BGH mißt in seiner neuesten Entscheidung der "Art und Weise der Herstellung keine entscheidende Bedeutung" bei, wenn das fragliche Produkt dem Inhalt nach Substitutionsqualität hat. 62 Dies ist die notwendige Konsequenz einer normzwekkorientierten, funktionalen Auslegung. Solange die vermittelten Inhalte denen der als schutzwürdig befundenen traditionellen Verlagserzeugnisse gleichen, müssen sie auch den gleichen Schutz genießen. Außerdem wird von der Gegenposition Herstellungs- und Vervielfältigungsmethode verwechselt. Bei einer inhaltsorientierten Betrachtung kann es allein auf die Art und Weise der Erstellung dieser Inhalte ankommen und nicht auf die Art und Weise ihrer Vervielfältigung. Insofern kann der Vervielfältigung durch ein den traditionellen Verlagserzeugnissen verwandtes graphisches, photographisches oder photomechanisches Verfahren allenfalls Indizwirkung filr das Vorliegen eines Verlagserzeugnisses zukommen. Demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, daß kein Verlagserzeugnis gegeben ist, weil es in einem innovativen Verfahren vervielfältigt wurde. Anderenfalls würde die Entwicklungsoffenheit des Begriffes "Verlagserzeugnis" leerlaufen. Hinsichtlich der eigentlichen Herstellung, also der Erstellung der Inhalte, ist es allerdings erforderlich, daß es sich um einen Vorgang verlegerischer Publikationstätigkeit handelt. Die Inhalte der CD-ROM müssen also auf dieselbe Weise erstellt werden wie die eines traditionellen Verlagserzeugnisses. Bei einer Volltext-CD-ROM-Parallelausgabe ist diese Voraussetzung unproblematisch gegeben. Zu klären ist weiterhin, ob die Einhaltung buchhändlerischer Vertriebs strukturen filr die Frage nach der Substitutionsfähigkeit elektronischer Erzeugnisse entscheidend ist. Während der BGH im Interesse einer offenen Entwicklung nur eingeschränkt auf dieses Merkmal abstellt, wird der buchhändlerische Vertrieb von KG und BKartA, jedoch auch in der Literatur, filr 61
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Vgl. Tätigkeitsbericht des BKartA 1991/92, BT-Drucks. 12/5200. BGH NJW 1997, S. 1911, 1913 ("NJWaufCD-ROM").
E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
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maßgeblich erachtet. Auf den ersten Blick scheint hierin zwar ein zweckdienliches Einschränkungskriterium zu bestehen, das eine uferlose Ausweitung des Begriffs des Verlagserzeugnisses im elektronischen Bereich zu verhindern geeignet ist. Indessen kommt es jedoch nicht in erster Linie auf die Erreichung eines wünschenwerten Ergebnisses an, entscheidend bleibt demgegenüber die dogmatisch richtige Argumentationsgrundlage. Im Hinblick auf Zweck und Funktion des § 16 GWB läßt sich kein Anhaltspunkt dafUr finden, daß die Preisbindung auf den Buchhandel beschränkt bleiben soll. Die Rede ist allein von "Abnehmern" und "Weiterveräußerung". Entscheidend ist also nicht, wer weiterveräußert, sondern was weiterveräußert wird. Demgemäß ist auch dem BGH darin zuzustimmen, daß sich bei innovativen Vertriebswegen die maßgebliche Vetriebsmethode erst entwickeln muß und diese Entwicklung auch davon abhängt, ob das Produkt preisbindungsfllhig ist oder nicht. 63 Jedenfalls widerspricht es einer entwicklungsoffenen Auslegung, die Preisbindungfllhigkeit innovativer Produkte an überkommenenen Vertriebs strukturen zu messen. Durch diese Rückwärtsorientierung versperrt man der Entwicklung des Weg, anstatt ihn offenzuhalten. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 16 GWB hat demnach nach der Substitutionsqualität und -bestimmung zu erfolgen, die sich in allererster Linie nach den durch das Erzeugnis vermittelten Inhalten richtet. Herstellungsmethode und Vertriebs form kommen demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung zu. Soweit CD-ROM ihrem Inhalt nach buchersetzenden Charakter haben, sind sie also preisbindungsfllhig.
2. Übertragung auf andere multimediale Erzeugnisse und Übermittlungs formen Weiterhin zu untersuchen ist, ob auch andere multimediale Erzeugnisse, die verlegerisch hergestellt wurden, nach § 16 GWB preisbindungsfllhig sind.
a) CD-ROMs mit Multimedia-Anwendungen Voraussetzung dafUr ist, daß es sich bei den in Rede stehenden Produkten um Verlagserzeugnisse handelt, diese also buchersetzenden Charakter haben. Da es fUr diese Frage in erster Linie auf den Inhalt ankommt, ist eine Preisbindung fUr Multimedia-CD-ROMs mit nur untergeordnetem, erläuterndem Textteil abzulehnen. Nach den oben ermittelten Grundsätzen ist es fUr den buchsubstituierenden Inhalt unschädlich, wenn das Produkt elektronische 63
Ebd.
I. Multimedia-Produkte als Verlagserzeugnisse
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Funktionen aufweist, über die ein traditionelles Verlagserzeugnis zwar nicht verfUgt, die jedoch lediglich Begleitcharakter haben und die Lesefunktion des Erzeugnisses unterstützen. Besteht die maßgebliche Aufgabe der CD-ROM allerdings darin, eine multimediale Anwendung zu speichern, bei der die Lesefunktion hinter die beiden Multimedia-Charakteristika Interaktivität und Multidimensionalität zurücktritt, so muß diesem Erzeugnis die Substitutionsfunktion abgesprochen werden, so daß es nicht als Verlagserzeugnis angesehen werden kann. So wie die Volltext-CD-ROM wegen ihres buchgleichen Inhalts als Verlagserzeugnis eingestuft worden ist, muß eine Multimedia-CO-ROM wegen ihrer inhaltlichen Verwandtschaft zu Tonträgern oder Videos aus dem Auslegungsbereich dieses Begriffes ausgegrenzt werden. Auch wenn diese Produkte von Verlagen hergestellt werden, vermag dies nicht die inhaltliche Differenz zu den traditionellen Verlagserzeugnissen zu überbrücken. Etwas anderes gilt möglicherweise fUr diejenigen CD-ROMs, die zwar hauptsächlich zum Lesen, also zur buchgleichen Nutzung, bestimmt sind, die jedoch ergänzend Multimedia-Anwendungen enthalten, um den Text zu veranschaulichen und so die Informationsvermittlung zu unterstützen. Es handelt sich hierbei um "Komplementärerzeugnisse, die das gedruckte Wort sinnvoll ergänzen,,64. Als Beispiel sei hier etwa ein multimedial ergänztes Lexikon genannt. Die Preisbindungsfähigkeit solcher Produkte wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt. Vom BGH wird diese Frage ausdrücklich offengelassen65 , nachdem das Kammergericht wegen der bloßen Eignung einer CD-ROM, auch multimediale Inhalte wiederzugeben, auch die Preisbindungsfähigkeit von Volltext-CDROM verneint hatte 66 • Nach Ansicht des BGH besteht jedenfalls kein Anlaß, alle CD-ROM-Produkte einer einheitlichen Beurteilung zu unterwerfen. Dies steht im Einklang mit der vom BGH vertretenen entwicklungsoffenen Auslegung. Die Entscheidung des BGH ist in diesem Punkt unterschiedlich interpretiert worden. Zum einen wird vorgebracht, nach der Begründung des BGH degradierten ergänzende Bild- und Tonelemente die Text-CO-ROM zum "Unbuch,,67, zum anderen wird vorgebracht, die Entscheidung mache hingegen deutlich, daß nach Ansicht des BGH die Vorschrift des § 16 GWB auch in diesem Bereich filr die Entwicklung der modemen Kommunikationstechnologie offen sei68 . Beide Verfasser halten jedoch eine insoweit positive Entwicklung fUr wünschenswert. Für die entgegengesetzte Position ist hinsichtlich der Preisbindungsfähigkeit einer CD-ROM maßgebend, ob der Text mit Mul64 65 66 67
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So Bunte, in: NJW 1997, S. 3127, 3128. BGH NJW 1997, S. 1911, 1914 ("NJW auf CD-ROM"). KG CR 1995, S. 278, 282 ("Preisbindung bei CD-ROM"). Bunte, in: NJW 1997, S. 3127, 3128. Fezer, in: NJW 1997, S. 2150, 2152.
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
timedia-Elementen verbunden wird. 69 Dann nämlich trete der Leseaspekt als Anknüpfungspunkt filr die Preisbindungsfllhigkeit in den Hintergrund. Weiterhin sei das traditionelle Verlagserzeugnis nicht multimedial, sondern unomedial, so daß derartige Inhalte das Erzeugnis zu einem qualitativ anderen Produkt machten. Die dadurch verwehrte Preisbindung sei angesichts der vielfliltigen Vertriebsstrukturen von CD-ROMs mit ergänzenden MultimediaAnwendungen auch nicht wünschenswert. Demgegenüber ist zu bedenken, daß es filr die Buchersatzfunktion eines Erzeugnisses keinen Unterschied machen kann, ob die durch Lesen erreichte Informationsvermittlung durch Software oder durch Multimedia-Anwendungen unterstützt und veranschaulicht wird. Ein Buch hört auch nicht auf, ein Buch zu sein, nur weil Bilder darin sind. Die zur Retrieval-Software entwickelten Grundsätze sind auf ergänzende Multimedia-Anwendungen zu übertragen: Wenn und soweit die Lesefuktion im Sinne der Informationsvermittlung durch gespeicherten Text die Hauptfunktion der CD-ROM darstellt, ist es unerheblich, ob der Informationsprozeß durch Multimedia-Anwendungen veranschaulicht wird. Ob ein CD-ROM-Produkt, das verlegerisch hergestellt worden ist, im Sinne von § 16 GWB preisbindungsfllhig ist, hängt also von dem Verhältnis seiner Inhalte ab. Solange die Lesefunktion die Hauptfunktion darstellt, der multimediale Inhalte lediglich unterstützend zu dienen bestimmt sind, ist es als Verlagserzeugnis anzuerkennen.
b) Online übermittelte Verlagserzeugnisse? Ein weiteres Problem ist die Preisbindungsfllhigkeit online übermittelter Publikationen. Voraussetzung dafilr ist natürlich, daß die übermittelten Inhalte verlegerisch hergestellt wurden und daß man mit der hier vertretenen Ansicht die Vervielfliltigungsmethode im Gegensatz zur verlegerischen Herstellung der Inhalte filr unerheblich hält. Wie oben ausgeftlhrt, sind die Vervielfliltigungsprozesse bei der Online-Publikation schwierig zu ermitteln und gewiß weit von den herkömmlichen verlegerischen Vervielfältigungsmethoden entfernt. Erkennt man jedoch die zuvor genannten Prämissen an, so fällt es schwer, Argumente gegen die Preisbindungsfllhigkeit online übermittelter Publikationen zu fmden, solange sie über dieselben Inhalte verftlgen wie die filr preisbindungsfllhig befundenen CD-ROMs. Nach Ansicht des BGH fmdet eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 16 GWB auf Produkte, die aus bedrucktem Papier bestehen, keine gesetzliche Grundlage und ist auch durch die Zielsetzung der gesetzlichen Frei-
69
Feyock gern. Wachter, in: GRUR Int. 1995, S. 860, 864.
II. Beurteilung nach Art. 85 EGV
139
stellung nicht gerechtfertigt.?O Der einzige "klare Unterschied,,?l zwischen einer Veröffentlichung auf CD-ROM und einer solchen in gedruckter Fonn besteht fUr den BGH bei gleichem Inhalt in den durch die Retrieval-Software eröffneten Such- und Recherchefunktionen. Diese sind bei online übennittelten Publikationen jedoch nicht im Speichennedium enthalten, sondern werden extern durch Browser-Software zur Verfilgung gestellt. In dieser Hinsicht steht die Online-Publikation der durch Printmedien sogar noch näher als die CDROM. Nach einer Argumentation a maiore ad minus muß also bei gleichen Inhalten rur Online-Publikationen das gleiche gelten wie fUr Offline-Publikationen: Daß sie, solange der Lesefunktion vor multimedialen Inhalten der Vorrang eingeräumt wird, nach § 16 GWB preisbindungsflihig sind. Dieses Ergebnis ist die Konsequenz einer nonnzweckorientierten, funktionalen und entwicklungsoffenen Auslegung, wie sie vom BGH entwickelt worden ist und hier vertreten wird. Angesichts der Maßgeblichkeit des Inhalts und dessen verlegerischer Erstellung wäre ein anderes Ergebnis im Hinblick auf die bereits angesprochene inhaltsgleiche Mehrfachverwertung einer Verlagsdatenbank sinnwidrig.
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV Hinsichtlich der Frage der Preisbindungsflihigkeit elektronischer Publikationen liegt weder eine Entscheidung der Kommission noch des EuGH vor. Allerdings besteht bereis eine Entscheidungspraxis zur Preisbindungsflihigkeit von Verlagserzeugnissen. Da buchersetzende elektronische Publikationen als Verlagserzeugnisse im Sinne des Preisbindungsrechts einzustufen sind, ist diese Entscheidungspraxis rur die Preisbindungsflihigkeit solcher Produkte nach europäischem Recht maßgebend.
1. Zwischenstaatlichkeitsklausel Da es hier um die Preisbindungsflihigkeit von Verlagserzeugnissen geht, ist zunächst zu untersuchen, ob sich beim Vertrieb derselben hinsichtlich der Zwischenstaatlichkeitsklausel Besonderheiten ergeben können. Von einem Verlagserzeugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn das in Rede stehende Produkt seinem Inhalt nach hauptsächlich zum Lesen bestimmt ist. Dadurch ergibt sich die Besonderheit, daß Preisbindungen zumin-
70 71
BGH NJW 1997, S. 1911, 1912 f. ("NJWaufCD-ROM"). BGH NJW 1997, S. 1911, 1914 ("NJW auf CD-ROM").
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E. Kartellreehtliehe Kontrolle von Preisbindungen
dest im Bereich traditioneller Verlagserzeugnisse in der Regel auf das Marktsegment eines einheitlichen Sprachraums, wenn nicht sogar auf nationale Märkte beschränkt bleiben. Der EuGH hat festgestellt, daß in bezug auf rein nationale Preisbindungssysteme nach den Wettbewerbsregeln des EGV die diese ermöglichenden nationalen Regelungen nicht zu beanstanden sind. 72 Allerdings verftlgen die der Preisbindung unterliegenden fremdsprachigen Verlagserzeugnisse auch im EG-Ausland über einen Markt73 , eine Entwicklung, die sich auf dem Gebiet der elektronischen Verlagserzeugnisse noch beschleunigen wird. Wegen der übernationalen Verschmelzung des Marktes filr Verlagserzeugnisse in homogenen oder verwandten Sprachräumen ist die Annahme einer ausschließlich national wirkenden Preisbindung ohnehin recht theoretisch. 74 Jedoch gehen auch von diesen Vereinbarungen Wirkungen aus, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können: Um die Preisbindungsvereinbarung abzusichern, werden Reimportpreisbindungen nötig. Durch diese Klauseln werden die Bindungen auch im Falle des Exports und Reimports weitergegeben, damit der inländische Händler auch das reimportierte Buch nur zu dem festgesetzten Preis verkaufen dare s Dadurch soll die Lückenlosigkeit des Preisbindungssystems gewährleistet und seine Durchsetzbarkeit gesichert werden. Preisbindungsfllhig sind jedoch nicht nur oflline, sondern auch online publizierte Erzeugnisse. Im Hinblick darauf wird jede Begrenzung der Betrachtung auf nationale Märkte bedeutungslos. Nach alledem kann davon ausgegangen werden, daß Preisbindungsvereinbarungen im Bereich des Elektronischen Publizierens jedenfalls geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und demnach der Beurteilung nach Art. 85 EGV unterliegen. 2. Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85 Abs. 1 EGV
a) Vereinbarung zwischen Unternehmen Bei den Preisbindungen handelt es sich um Vertriebsbindungen, die in den Verträgen zwischen den an der Lizenzkette beteiligten Unternehmen enthalten sind.
72
73
74 75
EuGH Slg. 1985, S. 17,33 (Leclere). Reich, in: Steindorff-FS, S. 1065, 1081. Bunte, in: NJW 1997, S. 3127, 3130. Langbein, S. 155.
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
141
b) Weubewerbsbeschränkung Art. 85 EGV beabsichtigt die Verhinderung von Beschränkungen oder Behinderungen des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes. Der in Art. 85 Abs. 1 EGV enthaltene Beispielskatalog erläutert den allgemeinen Verbotstatbestand76 und umschreibt typische Einschränkungen oder Verflilschungen des Wettbewerbs. 77 Eine solche typische Wettbewerbsbeschränkung stellt die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- und Verkaufspreise in Art. 85 Abs. 1 lit a) EGVdar. Für Verlagserzeugnisse gibt es auch in ihrer Eigenschaft als Kultur- und VerfassungsgueS keine Ausnahme von diesem Grundsatz. Der EuGH wendet Art. 85 uneingeschränkt auf Verlagserzeugnisse an. Die Auswirkungen von Preisbindungen auch fUr Verlagserzeugnisse auf den Wettbewerb bestehen darin, daß die Händler nicht durch persönliche Preisfestsetzungspolitik ihre Verkäufe steigern und so ihre Marktanteile vergrößern können. Diese Einschränkung des Preiswettbewerbs fUhrt außerdem dazu, daß so nicht entstehende Rationalisierungsvorteile nicht an die Verbraucher weitergegeben können. 79
c) Spürbarkeit Die in Art. 85 Abs. 1 EGV aufgefUhrten Wettbewerbsbeschränkungen sind jedoch nur dann verboten, wenn sie den Wettbewerb spürbar beeinträchigen. Dieses Erfordernis gilt gleichermaßen tUr die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels und wird von der Kommission insoweit einheitlich gehandhabt. Hier ergibt sich das Problem, daß Anwendungs- und Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 85 EGV nicht mehr klar voneinander zu trennen sind. Während die Zwischenstaatlichkeitsklausel nämlich eine Anwendungsvoraussetzung des EG-Kartellrechts darstellt, betrifft die Frage nach dem Vorliegen einer (spürbaren) Wettbewerbsbeschränkung die Tatbestandsmäßigkeit der in Rede stehenden Absprachen nach Art. 85 EGV. Mit dem Eintritt in die Prüfung der Voraussetzungen einer Vorschrift ist die Frage ihrer Anwendbarkeit denklogisch geklärt. In der Praxis ist es denn auch so, daß die oben dargestellten Kriterien zur Zwischenstaatlichkeitsklausel durch das Spürbarkeitserfordernis nicht eingeschränkt werden. so Eine Wechselwirkung ist nur insoweit zu erkennen, als die SpÜTbarkeit der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Gleiss/Hirsch, Rn. 277. GroebeniThiesinglEhlennann-Schröter, Art. 85 EGV, Rn. 117. 78 So Fezer/Grosshardt, in: RIW 1991, S. 141, 146 ff. 79 Komm. ABI. 1982 L 54, S. 36, 45 (VBBBNBVB); Komm. ABI. 1989 L 22, S. 12, 19 ("Netto-Bücher"). 80 Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 258. 76
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E. KartellrechtIiche Kontrolle von Preisbindungen
Handels jedenfalls dann als gegeben zu erachten ist, wenn eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung feststeht. Im ganzen kommt dem Merkmal der Spürbarkeit im Hinblick auf die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels keine selbständige Bedeutung zu, sondern sie flillt gewissermaßen mit der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung zusammen. 81 aa) Veränderung der Marktverhältnisse Entscheidend ist demnach also die Frage, ob eine Absprache eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Für deren Beantwortung ist zunächst zu klären, auf welche Wirkungsrichtung der Wettbewerbsbeschränkung abzustellen ist: auf die Innenwirkung als Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen oder auf die Außenwirkung hinsichtlich der Wahl- und Betätigungsmöglichkeiten Dritter. Hier hilft ein Blick auf den Schutzzweck der EG-Wettbewerbsregeln weiter. Diese.bezwecken, einen redlichen, unverflilschten, wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt zu gewährleisten (s. dazu Art. 3 lit. g) EGV), der nur dann als beeinträchtigt, verhindert oder verflilscht anzusehen ist, wenn eine freiheitsbeschränkende Maßnahme geeignet ist, die Marktverhältnisse zu verändern. 82 Eine solche Veränderung der Marktverhältnisse läßt sich jedoch nur im Hinblick auf die Summe der wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten aller Marktteilnehmer ermitteln. Die Betrachtung der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der an der Absprache beteiligten Unternehmen gibt allerdings rur die Bewertung der Marktverhältnisse nichts her. Demnach ist filr die Frage der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung auf die Außenwirkung der in Rede stehenden Absprache abzustellen83 und zu fragen, ob sich die Marktverhältnisse anders entwickelt haben, als sie es ohne Bestehen der Absprache getan hätten84 •
GroebenlThiesinglEhlermann-Schröter, Art. 85 EGV, Rdnr. 152. GroebeniThiesinglEhlermann-Schröter, Art. 85 EGV, Rdnm. 68 ff. 83 Dauses-Emmerich H. I, Rdnr. 82 c lehnt die Bedeutsamkeit der Beschränkung von Freiheiten Dritter für die Ermittlung einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung ab und verweist auf eine Prüfung der Spürbarkeit im Einzelfall. Diese weist zwar im Vergleich mit der hier dargestellten Vorgehensweise praktisch keine Besonderheiten auf, entbehrt jedoch einer eindeutigen dogmatischen Zuordnung. 84 EuGH Slg. 1966, S. 282, 304 (L TM/MBU); unter anderem maßgeblich für die Beurteilung der Marktverhältnisse ist nach EuGH Slg. 1981, S. 1563 die Nachfrage. 81
82
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
143
bb) Kriterien rur die Ennittlung der Spürbarkeit nach der Entscheidungspraxis von Kommission und EuGH Bei der Ennittlung der Spürbarkeit kommt quantitativen gegenüber qualitativen Kriterien die weitaus überragende Bedeutung zu. Praktisch besonders bedeutsam ist die Bekanntmachung der Kommission vom 30. I. 1997 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung. 85 Ob es sich um eine solche Vereinbarung von geringer Bedeutung handelt, die der Spürbarkeit nach Art. 85 EGV entbehrt, bestimmt sich nach der sog. Bagatellbekanntmachung (BaB) allein nach quantitativen Merkmalen, nämlich nach dem Marktanteil der beteiligten Unternehmen. Darin soll eine Erleichterung rur die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen liegen, die so selbst beurteilen können sollen, ob ihre Vereinbarungen spürbar und also nach Art. 85 EGV verboten sind oder nicht. 86 Trotzdem handelt es sich nur um Indizien, denen weder positiv noch negativ ausschließliche Bedeutung zukommt. Nach der BaB soll einer Vereinbarung nach Abschnitt 11 Ziff. 9 dann nur geringe Bedeutung zukommen, wenn die von allen Beteiligten insgesamt gehaltenen Marktanteile 5 % bei horizontalen und 10 % bei vertikalen Vereinbarungen nicht überschreiten und die Vereinbarung zwischen Unternehmen getroffen wird, deren Geschäftsbetrieb auf die Erzeugung oder den Absatz von Waren oder auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist. Eine Überschreitung dieser Grenzwerte um nicht mehr als ein Zehntel während zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre ist nach Abschnitt 11 Ziff. 10 BaB allerdings unschädlich. Der klaren, an Schwellenwerten orientierten und also generalisierten Beurteilung durch die Kommission steht eine vom EuGH vorgenommene Gesamtschau des Einzelfalls gegenüber. Nach seiner Rechtsprechung läßt sich die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung nicht anband von standardisierten Grenzwerten vornehmen, sondern hängt von einer Vielzahl, zumeist quantitativer, wertender Kriterien ab, bei denen Umsatz und Marktanteil 8? jedoch durchaus eine wichtige Rolle spielen. Zu berücksichtigen sind danach insbesondere Art und Menge der Erzeugnisse, die den Gegenstand der Vereinbarung bilden, sowie die Stellung und Bedeutung der Parteien auf dem Markt dieser Erzeugnisse, ferner, ob es sich um eine Einzelvereinbarung oder
Komm. ABI. 1986, C 231 S. 2 ff. So Abschnitt I Ziff. 3, BaB. 87 Auch der EuGH erkennt eine grundsätzliche Maßgeb1ichkeit der 5 o/o-Grenze an, Slg. 1983, S. 3151, 3201 (AEG). 8S
86
144
E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
ein Vertragssystem handelt. 88 Ein wertendes Merkmal stellt demgegenüber die "unbedeutende" Auswirkung auf den Markt89 dar. Im Ganzen ebnen sich die ohnehin geringrugigen Unterschiede in der Vorgehensweise der Kommission und des EuGH in der Praxis weitestgehend ein, so daß grundsätzlich davon auszugehen ist, daß das Verbot des Art. 85 Abs. 1 EGV dann nicht eingreift, wenn der Marktanteil der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen unter 5 % liegt, während bei darüber liegenden Marktanteilen die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung als gegeben zu erachten ist. 90 Dadurch wird auch durch die Entscheidungspraxis des EuGH dem Anliegen der Kommission entsprochen, daß rur die Parteien einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache erkennbar sein soll, wann ihre Vereinbarung spürbar und damit als tatbestandsmäßig im Sinne von Art. 85 Abs. 1 EGV anzusehen ist.
cc) Bestimmung des relevanten Marktes Voraussetzung rur das Bestehen eines Marktes ist, das es einen wesentlichen Leistungsaustausch gibt, der zu Wettbewerbsbeziehungen ruhrt. 91 Dieser Leistungsaustausch kann nur dann als Marktprozeß bezeichnet werden, wenn er ein Wirtschaftsgut zum Gegenstand hat. 92 Vorliegend ist also der Frage nachzugehen, ob Nutzungsrechte an Urheberrechten als Wirtschaftsgut anzusehen sind. Vorstehend in dieser Untersuchung ist bereits festgestellt worden, daß die Lizenzierung dem Urheber die wirtschaftliche Verwertung seines Urheberrechts ermöglicht und das System der Verwertungsrechte die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers wahren und sichern hilft. Demnach sind die auf sie bezogenen und der rechtgeschäftlichen Veräußerung fiihigen urheberrechtlichen Nutzungsrechte als Wirtschaftsgut anzusehen, das Gegenstand eines marktbezogenen Leistungsaustausches sein kann. 93 Entscheidend rur die Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung sind jedoch nicht die Verhältnisse auf dem Gemeinsamen Markt als solchem, sondern 88 EuGH Slg. 1980, S. 2511, 2536 f. (Lancöme); EuGH Slg. 1980, S. 3775, 3792 (L'Orea1). 89 So EuGH Slg. 1980, S. 2229, 2265 (Distillers Company). 90 Dauses-Emmerich H. I, Rdnr. 83 a. 91 Schmidt, in: ZUM 1997, S. 472. 92 Ebd. 93 Demgegenüber wird im kanadischen Recht der Wertungskonflikt von Wettbewerbs- und Ausschließlichkeitsrecht dadurch aufgelöst, daß Lizenzen nicht als "Produkte" im Sinne der kanadischen Wettbewerbsvorschriften der section 75 des Competition Act angesehen werden können, Competition Tribunal, CT-97/3 v. 18. 12. 1997, S. 14, 15.
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
145
auf dem jeweils im Einzelfall zu ermittelnden relevanten Markt, der in sachlicher und räumlicher Hinsicht zu bestimmen ist. 94 Für die Berechnung des Marktanteils ist die Bestimmung des relevanten Markts sogar unerläßlich. 9s Es stellt sich also die Frage, ob es einen relevanten Markt fiir MultimediaErzeugnisse gibt oder ob diese als Teil eines anderen Markts anzusehen sind. Hierzu kommt es nicht auf die Sicht der an der Absprache beteiligten Unternehmen an, sondern auf die der Marktgegenseite. Anderenfalls hätten die Anbieter es in der Hand, über den relevanten Markt und damit über das Verbot des Art. 85 EGV zu disponieren. Je enger nämlich der relevante Markt zu bestimmen ist, desto eher ist wegen der Maßgeblichkeit von Marktanteilen die Spürbarkeit von Wettbewerbsbeschränkungen zu bejahen.% Für den Multimedia-Bereich kommt der Bestimmung des relevanten Marktes schon deshalb eine erhebliche Bedeutung zu, weil sich hier typischerweise Unternehmen, insbesondere Verlage, betätigen, die auf den verschiedenen traditionellen Informationsmärkten bereits erhebliche Marktmacht gebildet haben. Es fragt sich also, ob ftIr die Ermittlung des Marktanteils bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Multimedia-Lizenzen auf die bestehende Marktrnacht im Informationsbereich zurückzugreifen ist oder ob eine Anteilsbewertung bezogen auf den neuen Multimedia-Bereich erforderlich ist.
(1) Der sachlich relevante Markt Dazu ist zunächst zu klären, ob sich ein Markt ftIr Multimedia-Anwendungen sachlich abgrenzen läßt. Wie der sachlich relevante Markt zu ermitteln ist, bestimmt Abschnitt 11 Ziff. 14 BaB. Danach bildet das Produkt (Waren oder Dienstleistungen), das Gegenstand der in Rede stehenden Vereinbarung ist, gemeinsam mit allen anderen mit ihm identischen und ihm gleichwertigen Produkten, mit denen es also austauschbar ist; den sachlich relevanten Markt. Diese Austauschbarkeit ist aus der Sicht der Verbraucher nach den Eigenschaften der Produkte, ihrer Preislage und ihrem Verwendungszweck zu beurteilen. Grundsätzlich vorweg ist festzustellen, daß von einem einheitlichen Informationsmarkt nicht auszugehen ist. Information ist zu einem derart wichtigen Wirtschaftsgut geworden, das mannigfaltige Bedürfnisse auf differenzierte und
94 Eingehend Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnrn. 303 ff.; davon ausgehend auch die Erklärung der Kommission in EuGH Slg. 1981, S. 1563, 1570 f. (SaloniaIPoidomani-Giglio ). 95 Siehe hierzu Abschnitt II Ziff. lOBaB. 96 Dies geht hervor aus EuGH Slg. 1984, S. 883, 902 f. (Hasselblad). 10 Kreutzmann
146
E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
spezifizierte Weise bedient, daß von einer Austauschbarkeit innerhalb dieses Marktes, der begrifflich sicherlich seine betriebswirtschaftliche Berechtigung hat, nicht ausgegangen werden kann. Umgekehrt verhält es sich nun wieder auch so, daß Multimedia außerordentlich viele informationelle Bedürfnisse erfiillt und also nur mit einem Produkt verglichen werden kann, daß auch Vergleichbares leistet. Eine insoweit vergleichbare Informationsvielfalt bietet wenn überhaupt - nur der Rundfunk, der jedoch dem Empfänger keinerlei Möglichkeit zum aktiven Eingreifen in den Informationsprozeß bereithält, weil dieser auf analoger und nicht digitaler Basis verbreitet wird. Das wesentliche Kennzeichen von Multimedia ist aber Interaktivität, und auch sonst eröffhet Multimedia durch On-demand-Services dem Nutzer die Möglichkeit des aktiven Sich-Informierens statt des passiven Informiert-Werdens. Darüber hinaus bietet Multimedia die Information multidimensional an, was diesen Bereich von allen traditionellen Medien unterscheidet. Von einer Austauschbarkeit kann demnach hier keinesfalls ausgegangen werden. Die Besonderheit von Interaktivität beruht darauf, daß der verhältnismäßig neue Vorgang des Digitalisierens von Information es möglich macht, Informationsteile gewissermaßen auf einer Ebene beliebig miteinander zu kombinieren. Nach Ansicht der Kommission können Produkte aber bereits durch neue Produktionsformen oder andere technische Merkmale so individualisiert sein, daß sie einen eigenständigen relevanten Markt bilden. Das soll dann der Fall sein, wenn sich das Produkt aufgrund seiner technischen Besonderheiten nicht durch ansonsten ähnliche Produkte ersetzen läßt. 97 So verhält es sich hier. Interaktivität und Multidimensionalität sind Merkmale, die charakteristisch fiir Multimedia sind und diesen Bereich von allen traditionellen Informationsprozessen abgrenzen. Auch in dieser technischen Hinsicht bilden Multimedia-Produkte also einen selbständigen, in sich abgeschlossenen Markt. 98 Nachdem festgestellt werden konnte, daß es einen eigenständigen Multimedia-Markt gibt, ist weiterhin zu fragen, ob dieser einheitlich besteht oder nicht vielmehr noch zu unterteilen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß sich der relevante Markt nicht absolut bestimmen läßt, sondern jeweils von dem Produkt abhängt, das Gegenstand der in Rede stehenden Vereinbarung ist. Auch hängt die Marktabgrenzung von dem mit ihr verfolgten Zweck ab. 99 Das Produkt, um das es hier geht, ist die Lizenzierung von Urheberrechten fiir die Erstellung von Multimedia-Produkten. Insofern ist eine Unterteilung des bereits als selbständig existenten Multimedia-Marktes in spezielle, auf die verKomm., ABI. 1974, L Nr. 343, S. 19,22 ("Kugellager"). Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 238 spricht denn auch von einem "Markt der digitalen Werkverwertung" . 99 GroebeniThiesinglEhlermann-Schröter, Art. 85 EGV, Rdnr. 112. 97 98
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
147
schiedenen Multimedia-Anwendungen bezogene relevante Märkte hier nicht nur unnötig, sondern sogar nicht sachgerecht. Es ist zwar richtig, daß die Lizenzierung von Urheberrechten rur die Multimedia-Anwendung einen eigenen relevanten Markt gegenüber dem Multimedia-Markt als solchen bildet. Die Abgrenzung erfolgt aber nicht vertikal nach Sonderbereichen in der Anwendung von Multimedia-Produkten, sondern horizontal nach rechtlichen Gesichtspunkten. Sachlich relevant ist nunmehr der Rechteerwerb im gesamten Multimedia-Bereich. Weiterhin ist die Zusammenrugung von EinzeIkomponenten zu einem Multimedium gerade kennzeichnend rur das hier in Rede stehende technische Produkt. Diesem Konzept würde es auch zuwiderlaufen, den Markt fiI.r Multimedia-Lizenzen nach der Art des lizenzierten Rechtes aufzufllchern. Austauschbarkeit muß nämlich gerade fiI.r die Marktgegenseite, also die Lizenzgeber, gegeben sein. Für den Multimedia-Produzenten ist es ausschlaggebend, im Besitz aller erforderlichen Lizenzen zu sein. Für diesen macht es keinen Unterschied, ob es sich um eine Lizenz fiI.r ein Text-, Bildoder Musikwerk handelt. Auch die Bestrebungen im Hinblick auf einen einheitlichen Rechteerwerb sprechen rur die Austauschbarkeit von MultimediaLizenzen aus der Sicht der Lizenznehmer. Urheberrechts lizenzen rur Multimedia-Anwendungen bilden also einen einheitlichen sachlich relevanten Markt. Dies gilt uneingeschränkt rur die Anbieter des Wirtschaftsgutes Urheberlizenzen, also diejenigen, die die Rechte - mittelbar oder unmittelbar - wahrnehmen. In einer Lizenzkette sind die mittleren Glieder gleichermaßen Anbieter wie Nachfrager, und es fragt sich, ob der sachliche Nachfragemarkt genauso abzugrenzen ist wie der Anbietermarkt. Grundsätzlich gilt, daß die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes davon abhängt, ob Produkte angeboten oder nachgefragt werden, die mit dem Produkt, das Gegenstand der in Rede stehenden Vereinbarung ist, austauschbar sind. IOO Auch rur den relevanten Nachfragemarkt kommt es darauf an, ob die Konkurrenznachfrage fiir die Anbieter eine echte Alternative darstellt. Hier könnte man anfUhren, daß Urheber lizenzen durchaus anderweitig vergeben werden können als nur im Multimedia-Bereich. Jedoch geben auch hier die technischen Besonderheiten den Ausschlag. Die Digitaltechnik eröffnet durch traditionelle Werkverwertungen nicht zu ersetzende Möglichkeiten. Zum einen scham das Elektronische Publizieren durch die Verbreitung über leistungsfllhige Speichermedien und Netze, sowie durch die Möglichkeit interaktiver und multidimensionaler Wahrnehmung einen breiteren und neuen Zugang zu den Werken des Urhebers. Zum anderen eröffnen sich dem Urheber hier "neue Wirkungsräume von zur Zeit noch nicht abschätzbarem Ausmaß". 101 Diejenigen, die Urheberrechte
100 101
Dauses-Emmerich, H. I, Rdnr. 89. Becker, in: ZUM 1995, S. 231, 238 f.
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
wahrnehmen, haben also ein ebensolches spezielles Interesse am Bereich Multimedia wie die Marktgegenseite. Der relevante Markt wird demnach auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite von den technisch bedingten Besonderheiten von Multimedia bestimmt. Es gibt also einen Lizenznehmerwie einen Lizenzgebermarkt rur den Bereich Multimedia.
(2) Der räumlich relevante Markt Zur Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes muß festgestellt werden, welche Unternehmen in dem Hauptabsatzgebiet des sachlich relevanten Marktes tatsächlich konkurrieren. 102 Es kommt also auf das Hauptabsatzgebiet von Lizenzen rur Multimedia-Anwendungen an. Bei der Lizenzvergabe von Urheberrechten kommt der räumlichen Marktabgrenzung generell nur untergeordnete Bedeutung zu. Eine davon abweichende Bewertung ist nur fiir Urheberrechte an Textwerken gerechtfertigt, weil Verwertungshandlungen hier nur innerhalb des Sprachraums stattfinden können, der dem Textwerk entspricht. Ein Bild hingegen oder ein Musikwerk wird sogar über die Grenzen des Gemeinsamen Marktes hinaus weltweit verbreitet, so daß der ft1r die EG-kartellrechtliche Beurteilung relevante räumliche Markt mit dem Gemeinschaftsgebiet gleichgesetzt werden kann. Für die Multimedia-Produktion sind aber gerade vielfilltige unterschiedliche Lizenzen erforderlich und es würde dem Gesamtkonzept von Integration und Multidemensionalität widersprechen, den Markt ft1r die Lizenzierung von Textwerken von dem der Lizenzierung von Bild- und Musikwerken räumlich abzugrenzen. Gerade der Blick auf die Online-Publikation macht deutlich, daß sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach online publizierter Information keineswegs auf nationale oder muttersprachliche Inhalte begrenzt ist. Ein Grund darur besteht in der rur Multimedia charakteristischen Interaktivität, die es dem Benutzer erlaubt, die Informationsinhalte, die ft1r ihn interessant und eben auch verständlich sind, auszuwählen und separat zu nutzen. Demnach besteht kein Anlaß, in dieser Hinsicht den Markt ftlr urheberrechtliche MultimediaLizenzen innerhalb des Gemeinsamen Marktes räumlich einzuschränken. Weil das Absatzgebiet von Lizenzen fiir Multimedia-Produkte nicht auf nationale Märkte begrenzt ist, treten ihre Anbieter auf dem Gebiet des gesamten Gemeinsamen Marktes in Konkurrenz, so daß der räumlich relevante Markt fiir diese Lizenzen mit dem Gemeinsamen Markt identisch ist.
102
BaB, Ziff. (16).
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
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dd) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß Absprachen zwischen Unternehmen, die mehr als 5 % Anteil am Markt für Urheberlizenzen im Multimedia-Bereich, bezogen auf den gesamten Gemeinsamen Markt als Absatzgebiet, innehaben, als spürbar im Sinne von Art. 85 Abs. I EGV einzustufen sind. Anteile an sonstigen technisch oder informationell bezogenen Märkten können nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie sich auf den Umsatz der Unternehmen auswirken, der bei der Spürbarkeitsprüfung ebenso eine wesentliche Rolle spielt.
3. Freistellungsmöglichkeiten nach Art. 85 Abs. 3 EGV und den Gruppenfreistellungsverordnungen Wie im deutschen Recht liegt auch im Gemeinschaftsrecht der Schwerpunkt der kartellrechtlichen Kontrolle von Preisbindungsvereinbarungen in den Freistellungsmöglichkeiten. Allerdings muß zwischen übernationalen europaweiten Preisbindungsvereinbarungen, die den Preiswettbewerb im Gemeinsamen Markt direkt beeinträchtigen, und Reimportpreisbindungen, die lediglich zur Sicherung nationaler Preisbindungen bestimmt sind, unterschieden werden. Art. 85 Abs. 3 EGV sieht die Möglichkeit vor, das Verbot des Art. 85 Abs. I EGV auf nach dieser Norm tatbestandsmäßige Absprachen für nicht anwendbar zu erklären, wenn und soweit die in der Freisteilungsvorschrift genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Die Freistellung kann dann aufgrund von Einzelfreistellungsentscheidungen in direkter Anwendung von Art. 85 Abs. 3 EGV oder aufgrund von Gruppenfreistellungsverordnungen erfolgen, die die Aussagen der EG-vertraglichen Freistellungsnorm konkretisieren.
a) Erweiterte Freistellungsmäglichkeiten im Multimedia-Bereich? Problemstellung Art. 85 Abs. 3 EGV erwähnt ausdrücklich die Förderung des technischen Fortschritts als mögliche Freistellungsvoraussetzung. Dem technischen Fortschritt durch Multimedia, der vielmehr als Innovation bezeichnet werden muß, kommt augenfällig Bedeutung zu. Die modemen Informations- und Kommunikationstechniken lösen einen "technisch-wirtschaftlichen Wandel aus, der in Ausmaß und Folgewirkungen mit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft zu vergleichen ist". 103 Die Europäische Gemeinschaft 103
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
muß ein außerordentliches Interesse an der Nutzbarmachung dieser revolutionären Innovationskraft haben, die allerdings nicht hoheitlich steuerbar, sondern abhängig ist von den Investitionen, die private Unternehmen rur lohnend erachten und also vornehmen. Nun ist bereits weiter oben ausgeruhrt worden, daß die erforderlichen Investitionen in den noch neuen und unsicheren Multimedia-Markt erheblich und risikobehaftet sind. Mit Rücksicht darauf sollen die Mitgliedstaaten nach der Datenbankrichtlinie den DatenbankhersteHern ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht sui generis einräumen und haben es - beispielsweise in Deutschland - bereits getan. Es ist zu fragen, ob auch auf anderen Rechtsgebieten, hier dem des Kartellrechts, eine den Besonderheiten von Multimedia entsprechende spezielle Wertung angemessen und erforderlich ist oder ob ohne weiteres vergleichsweise auf die Freistellungspraxis in bezug auf urheberrechtliche und technisch verwandte Tatbestände zurückgegriffen werden kann.
b) Freistellung nach der Verordnung (EG) Nr. 240/96 der Kommission zur Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen
Möglicherweise erruHen urheberrechtliche Lizenzvereinbarungen rur Multimedia-Anwendungen die Voraussetzungen einer GVO. Von den derzeit geltenden GVOen \04 befaßt sich nur die GVO zum Technologietransfer (VO (EG) Nr. 240/96) mit Vereinbarungen zum Erwerb oder zur Nutzung von Immaterialgüterrechten. Gegenstand der von der GVO Nr. 240/96 erfaßten Lizenzvereinbarungen sind jedoch gewerbliche Schutzrechte, nach Erwägungsgrund (1) insbesondere Patente, Gebrauchmuster, Geschmacksmuster oder Warenzeichen. Damit faßt die GVO zum Technologietransfer die Anwendungsbereiche der vorher geltenden GVOen zu Patentlizenz(Nr. 2349/84) und Know-how-Vereinbarungen (Nr. 556/89) zusammen. Nach
104 Neben den branchenspezifischen Freistellungen für Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, Vereinbarungen über Versorgungsleistungen auf Flughäfen, computergesteuerte Buchungssysteme für den Luftverkehr, Planung und Koordinierung der Kapazität, die Aufteilung der Einnahmen, die Tarifkonsultationen im Fluglinienverkehr sowie die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen, Vereinbarungen im Bereich der Versicherungswirtschaft und über Vereinbarungen über die gemeinsame Planung und Koordinierung von Flugplänen, den gemeinsamen Betrieb von Flugdiensten, Tarifkonsultationen im Personen- und Frachtlinienverkehr sowie die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen gibt es die allgemeinen GVOen über Alleinvertriebs- und Alleinbezugesvereinbarungen, Spezialisierungsvereinbarungen und Technologietransfer-Vereinbarungen.
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
15\
Erwägungsgrund (3) zu GVO Nr. 240/96 sollen dadurch die bisher geltenden Bestimmungen so weit wie möglich harmonisiert und vereinfacht werden, um die Verbreitung technischer Kenntnisse in der Gemeinschaft und die Herstellung technisch verbesserter Produkte zu fOrdern. Nach Art. 10 Nr. 6 der GVO Nr. 240/96 sind Lizenzvereinbarungen im Sinne der Verordnung neben den reinen auch gemischte Patentlizenz- oder Know-how-Vereinbarungen. Im Falle der gemischten Vereinbarungen ist nach Erwägungsgrund (6) der Anwendungsbereich der Verordnung auf Lizenzen auszudehnen, die andere Rechte des geistigen Eigentums als Patente betreffen, wenn die zusätzliche Lizenz zur Verwirklichung des Zwecks der überlassenen Technologie beiträgt und lediglich Nebenbestimmungen enthält. Dies soll insbesondere bei Lizenzen über Warenzeichen- und Geschmacksmusterrechte, außerdem Urheberrechte, der Fall sein. Dieses Erfordernis ist dahingehend zu verstehen, daß ergänzende Bestimmungen zu anderen Rechten des geistigen Eigentums mit freigestellt sind, wenn durch sie der grundsätzliche Charakter der Vereinbarung zum Technologietransfer nicht verändert wird. lOS Die hier interessierende urheberrechtliche Lizenz darf danach also allenfalls Begleitcharakter haben, um zusammen mit der hauptsächlichen Patentlizenzoder Know-how-Vereinbarung nach der GVO Nr. 240/96 freistellungsflihig zu sein. Im Falle von Urheberrechts lizenzen rur Multimedia-Anwendungen verhält es sich aber genau umgekehrt. Zwar wird hier unter Umständen auch das mit der multimedia-spezifischen Technologie verbundene Know-how lizenziert werden müssen, diese Vereinbarungen haben jedoch allenfalls Begleitcharakter in bezug auf die Urheberrechts lizenz. Demnach sind die hier in Rede stehenden Lizenzvereinbarungen rur Multimedia-Anwendungen nicht als gemischte Vereinbarungen im Sinne von Art. 10 Nr. 6 GVO Nr. 240/96 anzusehen, so daß diese GVO hier keine Anwendung findet. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der in Erwägungsgrund (3) zum Ausdruck kommenden Zielsetzung der GVO Nr. 240/96 überein, nach der die Verbreitung technischer Kenntnisse sowie die Herstellung technisch verbesserter Produkte gefOrdert werden soll. Zwar basiert Multimedia auf einer neuen Technologie von umfassender Innovationskraft. Diese neue Technologie erschöpft sich jedoch nicht in dem Selbstzweck der Verbreitung dieser Technologie, sondern dient als Mittel zur Erschließung eines neuen Informations- und Kommunikationsmarkts. Dieses insgesamt fOrderungswürdige Ziel ist jedoch nicht mehr von der Intention der GVO Nr. 240/96 gedeckt.
105
Meyer, in: GRUR \997, S. 498 (
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
c) Einzeljreistellung nach Art. 85 Abs. 3 EGV
Eine Freistellung nach Art. 85 Abs. 3 EGV kann nur dann erfolgen, wenn die dort genannten Voraussetzungen - zwei positive und zwei negative - kumulativ erfililt werden: Zunächst muß die Absprache zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen. Weiterhin müssen die Verbraucher an dem so entstandenen Gewinn angemessen beteiligt werden. Die Unternehmen, die an der Absprache beteiligt sind, dürfen außerdem nicht über das unerläßliche Maß hinaus in ihrer wettbewerb lichen Handlungsfreiheit beschränkt werden. Schließlich darf durch die Absprache den beteiligten Unternehmen nicht die Möglichkeit eröffnet werden, tur einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren jeglichen Wettbewerb auszuschalten. Es ist zu untersuchen, wie sich Preisbindungen in Urheberrechtslizenzen filr Multimedia-Produkte in dieses Freistellungssystem einfiigen. Die Freistellung von Preisbindungen in Mulimedia-Lizenzvereinbarungen kann zum einen aufgrund der Einstufung elektronischer Publikationen als Verlagserzeugnisse und damit ihrer Anerkennung als Verfassungs- und Kulturgut, zum anderen auf die Auswirkungen auf die Entwicklung einer neuen Technologie gestützt werden. aa) Verbesserung der Waren erzeugung und -verteilung, Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung sowie die Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts muß durch die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung selbst bewirkt werden. Erforderlich ist also die grundsätzliche Eignung zur Bewirkung dieser als günstig bewerteten Effekte. (1) Auswirkungenfür Verlagserzeugnisse
Genausowenig, wie tur Verlagserzeugnisse eine tatbestandliehe Ausnahme vom Kartellverbot gilt, gibt es eine grundsätzliche Freistellungsvorschrift. Eine gemeinschaftliche Preisbindung tur Verlagserzeugnisse gibt es demnach nicht. Trotzdem können solche Preisbindungen im Einzelfall freigestellt werden. Auf eine gesicherte Freistellungspraxis auf dem Gebiet der Verlagserzeugnisse kann indessen nicht zurückgegriffen werden. Zur Entscheidung durch Kommission und EuGH sind bisher nur Preisbindungen tur Verlagserzeugnisse in Form von kollektiven Ausschließlichkeitssystemen gelangt. Diese sind von der Kommission durchweg nicht vom Kartellverbot des Art. 85 EGV frei-
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
153
gestellt worden. Die Kommission hat in einer ihrer ablehnenden Entscheidungen jedoch hervorgehoben, daß zwischen der Freistellungsfähigkeit von festen Buchpreisen als solchen und der gemeinsamen Anwendung von Standardbedingungen bei ihrer Festsetzung ein Unterschied besteht. 106 Diese Haltung der Kommission bestätigt sich im 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik, in dem es heißt, daß Preisbindungssysteme beim Verkauf von Büchern zu akzeptieren seien, wenn und soweit es sich um individuelle Systeme handle, die ausschließlich vertikal aufgebaut seien. Davon sei dann auszugehen, wenn ein einzelner Verleger die Weiterverkaufspreise und die Verkaufsbedingungen seiner eigenen Bücher durch den Buchhandel festsetze. I07 Von Seiten der Kommission besteht demnach kein genereller Vorbehalt gegen die Freistellung von Preisbindungen bei Verlagserzeugnissen vom Kartellverbot. Der feste Ladenpreis rur Verlagserzeugnisse ist mit dem Ziel eines vielfältigen Sortimentsbestandes fest verknüpft. 108 Außerdem ist er ein wichtiges Mittel zur Erhaltung einer flächendeckenden Handelsstruktur, die die Vielfalt der Literatur und ihrer Verbreitungsmöglichkeiten gewährleistet. 109 Ein Blick auf die Entwicklung des Handels mit Verlagserzeugnissen in Ländern ohne Buchpreisbindung erhellt und belegt diese Zusammenhänge: In den USA geht die Verdrängung des mittelständischen Buchhandels durch überörtliche Handelsketten mit einem Anstieg der Buchpreise von 1974 bis 1979 um 52 % und einer seit 1974 nahezu konstant gebliebenen Titelproduktion einher. I 10 Während der Aufhebung der Buchpreisbindung in Frankreich von 1979 bis 1981 sind umfassende negative Auswirkungen beobachtet worden, derentwegen (insbesondere wegen der überproportionalen Preissteigerungen) sie 1982 wieder eingefiihrt wurde. I 11 In Schweden wurde seit dem Verbot der Buchpreisbindung 1965 ein beschleunigter Konzentrationsprozeß auf allen Handelsebenen, eine überdurchschnittliche Verteuerung der Buchpreise, ein Verschwinden der mittelständisch geprägten Verlags- und Buchhandelsstruktur sowie eine Stagnation der Titelproduktion beobachtet. I 12 Den so belegten positven Auswirkungen der Preisbindung rur Verlagserzeugnisse steht die Beschränkung des Preiswettbewerbs und die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Handlungsfilhigkeit der Händler gegenüber. Es ist also zu fragen, ob das kulturpolitische Anliegen, das einige Mitgliedstaaten zur Komm. ABI. 1989, L 22, S. 12,21 ("Netto-Bücher"). Tz. 177. 108 BGH NJW 1997, S. 1911, 1912 ("NJW auf CD-ROM"). 109 BT-Drucks. 13/6939, S. 2. IIOInfonnation des amerikanischen Verlegerverbandes (AAP) nach BT-Drucks. 13/6939, S. 3. 111 BT-Drucks. 13/6939, S. 3. 112 BT-Drucks. 13/6939, S. 4. 106 107
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
Aufrechterhaltung der Buchpreisbindung motiviert hat, im Rahmen der Anwendung gemeinschaftlicher Wettbewerbsregeln Berücksichtigung fmden kann. Nach Art. 128 Abs. 1 EGV leistet die Gemeinschaft einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten. Diesen kuturellen Aspekten trägt sie nach Art. 128 Abs. 4 EGV auch bei ihrer Tätikeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrages Rechnung. Diesen EG-vertraglichen Vorgaben entspricht die Haltung der Kommission im 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik, in dem es heißt, die Kulturpolitik der Gemeinschaft habe direkte Auswirkungen auf die Anwendung der EG-Wettbewerbsregelnl\3 und der Schutz der Kultur sei ein bei der Anwendung dieser Regeln präsentes Anliegen 114. Gerade die Erhaltung der Sortimentsvielfalt im Buchhandel sei ein wichtiges Beispiel filr die Anwendung der Wettbewerbsregeln durch die Kommission unter Einbeziehung kulturpolitischer Belange. 115 Unter diesen Voraussetzungen ist die positive Wirkung auf die Warenerzeugung und -verteilung auf dem Gebiet der Verlagserzeugnisse durch Preisbindungen anzuerkennen. 116
(2) Erhöhung der Investitionsbereitschaft Weiterhin wird durch die Möglichkeit von Preisbindungen und die durch sie bewirkte Beschränkung des Preiswettbewerbs das Risiko der Tätigkeit in einem neuen Markt gesenkt und so die Investitions bereitschaft gestärkt. Nur durch private Investitionen ist es möglich, den Multimedia-Markt zu erschließen und auszubauen. Die Förderung des technischen Fortschritts auf dem Gemeinsamen Markt durch Multimedia liegt auf der Hand. Durch die neue Technologie mit ihren Charakteristika Interaktivität und MultidimensionaIität werden ganz neue technische Dimensionen eröfthet, die zu ihrer Erschließung besonderer technischer Produkte und Vertriebswege bedürfen. Neben dem Bedürfnis nach multimedia-fähigen Computern ist hier insbesondere das Internet zu erwähnen, in dessen Bezeichnung als audiovisueller Marktplatz bereits seine gesamtwirtschaftliche Bedeutung zum Ausdruck kommt. Nach Ansicht der Kommission werden fiinf Hauptbereiche des Gemeinsamen Marktes durch die neuen elektronischen Anwendungen günstig in ihrer Entwicklung beeinflußt: der Geschäftssektor in bezug auf Bürotechnik, Finanzinformation und ähnliche Faktoren, der Informations- und Bildungssektor einschließlich praktischer Anwendungen, der Sektor elektronischer Fernkauf und verwandte Dienste, der Tz. 172. Tz. 175. 115 Tz. 177. 113
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116
So auch Bunte, in: NJW 1997, S. 3127, 3129 f.
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
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Sektor medizinische Betreuung sowie der Sektor Unterhaltung und Freizeitgestaltung. 117 Multimedia ist also weit mehr als ein neuer Informationskanal. Durch Multimedia werden technisch revolutionierte Strukturen geschaffen, die fllr nahezu jeden Bereich Nutzen bringen können, wenn sie hinreichend verbreitet und akzeptiert werden. Allerdings steht die Kommission auf dem Standpunkt, daß durch einen redlichen und unverflHschten Wettbewerb die regelmäßige und günstigste Versorgung eines Marktes am besten gewährleistet sei. Deshalb kann nach Ansicht der Kommission von einer Verbesserung des Wirtschaftsablaufs oder einer Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts durch eine Wettbewerbsbeschränkung nur dann die Rede sein, wenn der Wettbewerb ausnahmsweise nicht zur Herbeifllhrung des fllr den Markt günstigsten Ergebnisses imstande iSt. 118 Auch beim Aufbau neuer Wirtschaftszweige zum Zwecke der Erschließung neuer Technologien macht die Kommission von diesem Grundsatz keine Ausnahme, sondern will vielmehr gerade hier den Wettbewerb offenhalten, um allen Wettbewerbern die gleichen Chancen zu eröffnen. ll9 Die Verbreitung des neuen Konzeptes Multimedia hängt jedoch maßgeblich von den in dieses Geschäftsfeld getätigten Investitionen ab, die zur Erreichung der optimalen Effekte auf den Gemeinsamen Markt gellirdert werden müssen. Es ist nämlich gerade nicht so, daß mittels einer neuen Technologie ein neuer Wirtschaftszweig auf einem bereits existenten Markt entsteht, sondern es handelt sich um die Erschließung eines ganz neuen (nämlich des Multimedia-) Marktes, auf dem von einer zu erhaltenden Chancengleichheit beim derzeitigen Entwicklungsstand noch nicht gesprochen werden kann. Vielmehr muß verhindert werden, daß sich auf anderen Märkten gebildete Marktmacht im Multimedia-Markt fortsetzt, indem "erste Schritte" in den neuen risikobehafteten Markt auch fllr kleinere Unternehmen kalkulierbar werden. Eine durch erleichterte wettbewerbliche Bedingungen erhöhte Investitionsbereitschaft wird die Entwicklung des Marktes und als Folge davon die Entwicklung von selbstheilenden und -ilirdernden Markt- und Wettbewerbsmechnismen darüber hinaus weit schneller vorantreiben oder überhaupt erst ermöglichen, als es ohne sie der Fall wäre. Auch unter diesem Gesichtpunkt ist also eine positive Wirkung auf die Warenerzeugung und -verteilung, sowie auf den wirtschaftlichen und technischen Fortschritt anzuerkennen. Diese Bewertung ist gerade fllr solche elektronischen Erzeugnisse entscheidend, die aufgrund ihres Inhalts nicht als buchersetzend
Grünbuch, in: UFITA 129 (1995), S. 251, 269. Komm., ABI. 1976, L 30, S. 13, 19 Bayer/Gist-Brocades); Komm., ABI. 1977, L 16, S. 8, 12 (Gerofabriek). 1\9 Komm., ABI. 1991, L 63, S. 32, 43 (ScreensportlEBU-Mitglieder). 117
1\8
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E. Kartellrechtliche Kontrolle von Preisbindungen
eingestuft werden können und damit nicht an einer möglichen Freistellung als Verlagserzeugnis teilhaben können. bb) Angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn Verbraucher im Sinne des Art. 85 Abs. 3 EGV sind alle unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmer der in Rede stehenden Erzeugnisse. 12o Wie bei der Bestimmung des relevanten Marktes kommt es also auf die Marktgegenseite an, weil die fUr die am Kartell Beteiligten bestehenden Vorteile nicht zur Rechtfertigung desselben beitragen können. Berücksichtigungsflihige Vorteile 121 sind zum einen unmittelbare Vorteile, wie Preisvorteile 122, Vertriebs- und Serviceverbesserungen 123 , ein erweitertes Angebot 124 oder Qualitätsverbesserungen 12S • Zum anderen erheblich sind indirekte Vorteile wie etwa eine Kostensenkung durch langfristigen Rationalisierungsgewinn. 126 Auf langfristige Vorteile stellt die Kommission insbesondere dann ab, wenn die Wettbewerbsbeschränkung der Nutzbarmachung neuer Technologien dient und die beteiligten Unternehmen durch die Absprache in die Lage versetzt werden, innerhalb kürzerer Fristen eine größere Anzahl von neuen Erzeugnissen anzubieten. 127 Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen gestärkt und so der Wettbewerb verschärft, was zu einem Sinken der Preise fiihre. Außerdem seien auch Gemeinwohlinteressen in die Erwägungen mit einzubeziehen, weil der Verbraucher auch daran einen mittelbaren Anteil habe. 128 Multimedia bietet rur alle Verbraucherstufen auf jedem der genannten Gebiete mannigfaltige Vorteile. Die digitale Speicherung und individuelle Kombinierbarkeit von Information fUhrt zu Rationalisierungsvorteilen, die das Produkt Information schneller, insgesamt preisgünstiger und in höherer Qualität dem Endverbraucher sowie den Abnehmern von Zwischenerzeugnissen zugänglich machen. Diese Verbesserungen sind jedoch nicht nur auf den InforAllgemeine Ansicht, Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnm. 1906 f. Siehe dazu die ausführliche Darstellung bei GleisslHirsch, Art. 85 EGV, Rdnm. 1911 ff. 122 Komm., ABI. 1971, L 227, S. 26, 31 (CEMATEX); Komm., ABI. 1977, L 48, S. 32, 37 (Vacuum Interrupters). 123 Komm., ABI. 1975, L 29, S. 1,8 (BMW). 124 Komm., ABI. 1990, L 100, S. 32, 37 (Mooshead/Whitbread). 125 Komm., ABI. 1980, L 383, S. 1, 8 (Vacuum Interrupters 11). 126 Komm., ABI. 1987, L 5, S. 13, 19 (ENI-Montedison). 127 Komm., ABI. 1990, C 239, S. 2, 4 (GEC-SiemenslPlessey). 128 Komm., ABI. 1988, L 305, S. 33, 40 (Continental-Michelin). 120 121
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
157
mations- und Kommunikationssektor begrenzt, sondern erstrecken sich auf alle Bereiche, in denen Multimedia produktivitätssteigernd einsetzbar ist. An dieser Stelle ist auf die fiinf Hauptsektoren des Gemeinsamen Marktes zu verweisen, die nach Ansicht der Kommission durch Multimedia positiven innovativen Einflüssen unterliegen. Im Rahmen des heutigen Entwicklungsstands des neuen Markts sind diese Verbesserungen bereits spürbar, und die mittelbaren und langfristigen Vorteile werden in dem Maße steigen, in dem der Markt in Korrelation zur Investitionsbereitschaft der Unternehmen wächst. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Multimedia in Forschung, Entwicklung und Medizin beinhalten weiterhin ein beachtliches positives Entwicklungspotential unter Gemeinwohlaspekten. Bereits heute auf einem ausgereiften Entwicklungsstand befinden sich das Teleshopping und Telebanking, Information und Kommunikation sowie diverse Anregungen zur Freizeitgestaltung. Ein beachtliches Rationalisierungspotential steckt demgegenüber noch in der Entwicklung des sog. audiovisuellen Marktplatzes im Offline- (digitale Kataloge) wie im Online-Bereich als Handelssphäre rur Waren und Dienstleistungen jeder Art. Durch die Einsparung von Vertriebs- und Servicekosten können hier langfristig beachtliche Rationalisierungsvorteile an die Verbraucher weitergegeben werden. Es mag widersinnig erscheinen, daß gerade durch die den Preiswettbewerb beschränkenden Preisbindungen rur den Verbraucher Preisvorteile entstehen sollen. Tatsächlich kommt es hierbei auf eine langfristige Betrachtung an. Der kurzfristig durch ein Wegfallen der Preisbindung aktivierte Preiswettbewerb, der ebenso kurzfristige Preisvorteile fiir den Verbraucher mit sich bringt, kann nämlich, wie die negativen Erfahrungen in Ländern ohne Buchpreisbindung gezeigt haben, längerfristig zu Konzentrationsprozessen und Stagnation in der Titelproduktion fUhren, die eine Verteuerung auf lange Sicht zur Folge haben kann. Unter dem Gesichtspunkt der Klassifizierung elektronischer Publikationen als Verlagserzeugnisse kommt weiterhin der vielfältigen, flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit diesen Erzeugnissen maßgebliche Bedeutung zu. Diese ist als weitere postitive Auswirkung der Buchpreisbindung anerkannt. 129 Für die Verbreitung elektronischer Verlagserzeugnisse bedeutet das, daß dem Nutzer ein breites Angebot an kulturpolitisch förderungsWÜTdigen Inhalten zur Verrugung steht, das nicht allein von der Nachfrage abhängig ist.
129BGH NJW 1997, S. 1911, 1912 ("NJW auf CD-ROM"); BT-Drucks. 13/6939, S.3.
158
E. KartellrechtIiche Kontrolle von Preisbindungen cc) Unerläßliche Beschränkung
Zur Erreichung eines insoweit als wünschenswert erachteten Ziels ist jedoch nur das am wenigsten wettbewerbs beschränkende Mittel freistellungsfllhig. 130 Unerläßlich ist eine Beschränkung dann, wenn sie sich nach ihrem Gegenstand, ihrem Inhalt und ihren Auswirkungen im Rahmen dessen hält, was zur Erreichung des angestrebten Ziels unbedingt erforderlich ist. 131 Es handelt sich hier um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der zu untersuchen ist, ob sich diese Ziele auch ohne Wettbewerbsbeschränkung oder mit geringeren Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durchsetzen ließen. 132 Diese Beurteilung ist zwar eine Frage des Einzelfalls. Für den Bereich der Verlagserzeugnisse hat jedoch die Untersuchung bereits ergeben, daß die Preisbindung ein notwendiges Mittel zur Erreichung der durch sie bewirkten postitiven Auswirkungen auf den Handel und die Versorgung der Bevölkerung mit Verlagserzeugnissen ist. Die begrüßenswerten Effekte der Preisbindung auf die Investitionsbereitschaft bezogen auf den Multimedia-Markt als solchen müssen im Einzelfall den zu befUrchtenden Nachteilen gegenübergestellt werden. Dabei spielen die Größe und Anzahl der beteiligten Unternehmen sowie die Ausgestaltung der Lizenzkette bzw. des Lizenzsystems eine wesentliche Rolle. dd) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs Für diese Freistellungsvoraussetzung kommt es auf den Fortbestand wirksamen Wettbewerbs schlechthin, also zunächst darauf an, ob die Kartellmitglieder untereinander noch konkurrieren. 133 Bei vertikalen Absprachen verlagert sich der Schwerpunkt allerdings auf den zwischen den gebundenen Händlern bestehenden Wettbewerb. 134 Hier ist problematisch, daß durch Preisbindungen regelmäßig der intra-brand-Wettbewerb ausgeschlossen wird, die Händler also nicht mit den Waren desselben Herstellers durch individuelle Preisgestaltung konkurrieren können. Allerdings betrifft das nur den intrabrand-Preiswettbewerb, eine Konkurrenz in den Bereichen Service, Beratung und Angebot bleibt nach wie vor offen. Außerdem muß auch hier der Grundsatz Berücksichtigung finden, daß die an Art. 128 EGV orientierte Kulturpo-
130
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132
Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 1931. Groeben/ThiesinglEhlerrnann-Jakob-Siebert, Art. 85 EGV, Rdnr. 222.
Ebd.
Groeben/ThiesinglEhlerrnann-Jakob-Siebert, Art. 85 EGV, Rdnr. 230. 134 Gleiss/Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 1960. 133
11. Beurteilung nach Art. 85 EGV
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Iitik der Gemeinschaft auf die Anwendung der Wettbewerbsregeln Auswirkungen hat. Weiterhin maßgeblich ist die Stellung der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt. 135 Hier kommt es also nicht mehr auf die im gesamten Multimedia-Bereich bewirkten Vorteile an, sondern auf die Auswirkungen auf den relevanten Markt. Dieser definiert sich sachlich als Markt rur Urheberrechtslizenzen rur den gesamten Bereich Multimedia, räumlich bezogen auf das Gebiet des Gemeinsamen Marktes (s. o. S. 148) kommt es durch die Absprache zu einem Marktanteil von über 90 %, sind wirksamer Wettbewerb und damit eine Freistellung kaum mehr denkbar. 136 Umgekehrt ist bei Marktanteilen von bis zu 30 % bereits eine Freistellung erteilt worden. 137 Die Beurteilung anband dieser Kriterien erfolgt jedoch nicht isoliert, sondern hängt auch von Marktposition und Nachfragemacht der Marktgegenseite ab. Je mehr Ausweichmöglichkeiten die Marktgegenseite aufgrund dieser Faktoren hat, desto eher wird die wirtschaftliche Macht der an der Absprache beteiligten Unternehmen aufgewogen. 138 ee) Zusammenfassung Preisbindungen in Lizenzen rur Multimedia-Anwendungen können unter dem Gesichtspunkt der kulturpolitischen Förderung von Verlagserzeugnissen oder wegen der durch sie bewirkten Erhöhung der Investitionsbereitschaft in den Multimedia-Markt freistellungsflihig sein. Diese Aussage läßt sich nicht generalisieren, sondern hängt vom Einzelfall ab.
Gleiss/Hirsch, Art. 85, Rdnr. 1950 ff. Komm. ABI. 1975, L 159, S. 22, 27 (Haarden- en Kachelhandel); Komm. ABI. 1983, L 200, S. 44, 50 (VIMPOLTU). 137 Komm. ABI. 1974, L 19, S. 18, 20 (Transocean Marine Paint Association); Komm. ABI. 1975, L 29, S. 1,9 (BMW). 138 Komm. ABI. 1989, L 226, S. 25, 32 (UIP). 135
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten I. Praktische Ausgestaltung Weiterverbreitungs- oder Weitergabeverbote finden sich in vertraglichen Bindungen des Endnutzers sowohl in Lizenzverträgen zur Offiine- als auch zur Online-Publikation. Mangels eines körperlichen Vervielfliltigungsstückes tritt bei der Online-Publikation jedoch keine Erschöpfungswirkung ein, so daß Weitergabeverbote nicht kartellrechtlich überprüfbar sind. Bei der Werkverwertung über CD-ROM wird durch diese Klauseln jede, auch teilweise oder zeitweise, Überlassung des CD-ROM-Pakets an Dritte, z. B. durch Verleih oder Vennietung, untersagt. Die Bindung des Endnutzers erfolgt bei Erwerb der CD-ROM im Fachhandel mittels entsprechender Klauseln in Schutzhüllen- oder Reversverträgen des Inhalts, daß die Weitergabe des Werkexemplars an einen Dritten der schriftlichen Erlaubnis des Verlags bedarf und diese für Vennietungen grundsätzlich nicht erteilt wird. Das Weiterverbreitungsverbot kann auf unterschiedliche Weise in Lizenzverträge eingebunden werden. Reversverträge werden entweder mit dem Fachhandel oder mit dem Endnutzer direkt abgeschlossen. I Die Bindung innerhalb der Lizenzkette besteht im ersten Fall darin, daß der Händler die CD-ROM nur mit den vom Verlag vorgegebenen Bestimmungen weiterverkaufen darf. Im zweiten Fall weist der Verlag den Händler an, das Verlagserzeugnis nur gegen Unterschrift unter ein diese Bestimmungen enthaltendes Fonnular herauszugeben. Diese Vorgehensweise ist im traditionellen Handel mit Verlagserzeugnissen gängige Praxis und wird rur den Handel mit elektronischen Publikationen übernommen.
11. Weiterverbreitungsverbote und Erschöpfungsgrundsatz Weiterverbreitungsverbote sind nur dann kartellrechtlich überprüfbar, wenn hinsichtlich des in Rede stehenden Vervielfliltigungsstücks Erschöpfungswirkung eingetreten ist. Das ist nur der Fall, wenn sich der Berechtigte der Verfügungsmöglichkeit über das Werkstück endgültig begeben hat, wovon bei ei-
I
Dazu Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 30 ff.
II. Weiterverbreitungsverbote und Erschöpfungsgrundsatz
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ner Vennietung nicht auszugehen ist. 2 Da die Vennietung von CD-ROMs praktisch bedeutsam ise, ist klarzustellen, daß im Rahmen dieser Verträge Weiterverbreitungsverbote als zulässig zu erachten sind. Ein weiteres Problem hinsichtlich der Erschöpfung des Verbreitungsrechtes bei der Vennarktung von Multimedia-Erzeugnissen über CD-ROM stellt der Vertrieb von Update-Versionen bei aktualisierungsbedürftigen Inhalten dar. Wenn der Endnutzer die aktualisierte Version seiner CD-ROM erhalten möchte, muß er die veraltete Fassung innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erhalt der Update-Version an den Verlag zurücksenden. Hierzu wird vorgebracht, der Nutzer erhalte nicht die uneingeschränkte Sachherrschaft, sondern "andersartige Nutzungsrechte", die durch besondere Pflichten und Beschränkungen gekennzeichnet seien. 4 Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, daß der Käufer einer im Update-Verfahren vertriebenen CD-ROM sehr wohl das Eigentumund damit die uneingeschränkte Sachherrschaft an der CDROM nach §§ 929 ff. BGB erwerbe. 5 Die Rückgabeverpflichtung sei nur schuldrechtlich und außerdem dadurch bedingt, daß der Käufer die Nachlieferung aktualisierter Versionen wünsche. Jedenfalls könne der Käufer mit der konkreten CD-ROM nach Belieben verfahren, solange er sich im Rahmen der vom Urheberrecht gedeckten Nutzungsbeschränkungen halte. Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt also auch ein, wenn die CD-ROM im UpdateVerfahren vertrieben wird. Weitergabeverbote sind auch hier in vollem Maße kartellrechtlich überprütbar. In der Praxis handelt es sich allerdings in der Regel bei Update-Lieferverträgen um Abonnement-Mietverträge, bei denen mit Zusendung der neuen CDROM die Nutzung der alten Auflage enden soll.6 Deshalb wird dem Nutzer die jeweils aktuelle CD-ROM nur auf Zeit überlassen. Dieser erwirbt nicht die uneingeschränkte Sachherrschaft, so daß vertragliche Nutzungsbeschränkungen in weitgehendem Umfang möglich sind. Insbesondere tritt bei einer mietweisen Überlassung keine Erschöpfungswirkung ein, so daß Weiterverbreitungsverbote hier zulässig sind. Diese vertragliche Konzeption wird immer dann gewählt, wenn auch der veralteten Version noch ein beachtlicher wirtschaftlicher Wert innewohnt, so etwa bei jährlich erscheinenden Fachbüchern mit nur geringfilgigen Änderungen. 7 Der wirtschaftliche Wert besteht aus der Sicht des Verlags darin, daß das weitergegebene Exemplar den neuen Schricker-Loewenheim, § 17 UrhG, Rn. 17. Siehe dazu den Vertragsentwurf, Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 44 fT. 4 KG, CR 1996, S. 278, 282. 5 v. der Horst, in: NJW-CoR 1996, S. 116, 118. 6 Handreichung Verlagswerke mit Software und über CD-ROM, S. 42. 7 Ebd. 2
3
11 Kreutzmann
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
Besitzer vom Kauf einer aktuellen Version abhalten wird. Um dies zu verhindern, muß der Verlag sicherstellen, daß die veraltete Version in jedem Fall an ihn zurückgegeben wird. Dazu ist ein sachenrechtlicher Eigentumsanspruch besser geeignet als ein schuldrechtlicher, möglicherweise auch bedingter, Rückgabeanspruch.
III. Kontrolle nach Art. 85 EGV 1. Zwischenstaatlichkeitsklausel Die außerordentlich weite Definition der Eignung zur Beeinflussung des zwischenstaatlichen Handels hat auch hier Konsequenzen. Ein Weiterverbreitungsverbot verhindert die Weiterverbreitung an sich und nicht nur in dem Land, in dem es vereinbart wurde. Dadurch entwickelt sich der Handel auf dem gemeinsamen Markt anders, als er es ohne das Verbot getan hätte. Von der Anwendbarkeit des Art. 85 EGV auf Weiterverbreitungsverbote ist demnach auszugehen.
2. Tatbestandsmäßigkeit nach Art. 85 Abs. 1 EGV a) Vereinbarungen zwischen Unternehmen Subjekte der wettbewerbsbehindernden Vereinbarungen und Verhaltensweisen nach Art. 85 Abs. 1 EGV sind Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen. Vertriebsbindungen in Lizenzverträgen werden von Verlagen oder Datenbankbetreibern den Endnutzern auferlegt. Die Unternehmenseigenschaft von Verlagen und Datenbankbetreibern ist zwar zu bejahen, die Vereinbarung muß jedoch zwischen Unternehmen erfolgen. Gebunden wird aber der Endnutzer, so daß die Vereinbarung dann nicht zwischen Unternehmen besteht, wenn es sich um einen privaten Endverbraucher handelt. Die unmittelbar den privaten Ennutzer bindenden Weiterverbreitungsverbote sind also nicht nach Art. 85 Abs. 1 EGV tatbestandsmäßig. Ist der Endnutzer hingegen ein Unternehmen, unterliegt ein Weiterverbreitungsverbot, daß dieses Unternehmen bindet, der Beurteilung nach Art. 85 EGV. Etwas anderes gilt auch rur die Verpflichtung des Datenbankbetreibers oder des Händlers8 gegenüber dem Verlag, Nutzungsverträge mit dem Endnutzer nur zu den festgelegten Bedingungen unter Einschluß des Weitergabeverbots
8
Die Einbindung des Händlers erfolgt über Reversverträge.
III. Kontrolle nach Art. 85 EGV
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abzuschließen. Subjekte dieser Vereinbarungen sind Unternehmen, wie Art. 85 Abs. 1 EGV es erfordert.
b) Wettbewerbsbeschränkung Die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von Geschäftsbedingungen wird im Beispielkatalog des Art. 85 Abs. 1 in lit. a) EGV explizit als Wettbewerbsbeschränkung genannt. Diese Vorschrift richtet sich gegen Absprachen, in denen die beteiligten Unternehmen die Preise und Geschäftsbedingungen fiir Vereinbarungen regeln, die von den oder einem der Vertragsbeteiligten mit Dritten abgeschlossen werden sollen. 9 Bei der Verpflichtung, Weiterverbreitungsverbote rur Multimedia-Erzeugnisse an den Endnutzer weiterzugeben, handelt es sich um eine vertikale Konditionenbindung, die Art. 85 Abs. 1 lit. a) EGV unterfällt und also eine Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Werden Endnutzer mit Unternehmenseigenschaft durch ein Weitergabeverbot gebunden, so handelt es sich dabei um eine Absatzkontrolle im Sinne von Art. 85 Abs. 1 lit. b) EGV, weil die Unterbindung jeglichen Absatzes die schärfste Fonn der Kontrolle darstellt.
3. Freistellungsmöglichkeiten nach Art. 85 Abs. 3 EGV und den Gruppenfreistellungsverordnungen a) Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung, Förderung des wissenschaftlichen oder technischen Fortschritts Wenngleich es hier um Vertriebsbindungen im Wege der Offline-Publikation geht, ist es notwendig, hinsichtlich der Wettbewerbswirkungen den gesamten Multimedia-Bereich zu betrachten, weil die in Rede stehenden lizenzen nicht auf einzelne Marktsegmente beschränkt, sondern angesichts der Multidimensionalität des neuen Mediums umfassend vergeben werden. Wird die Marktposition eines Unternehmens durch Wettbewerbsbeschränkungen im Offline-Bereich gestärkt, so wirkt sich das auch auf den Online-Bereich aus, in dem das Unternehmen - bespielsweise ein Verlag - ebenfalls tätig sein wird. Die Vertriebsbindung durch Weitergabeverbote verschafft den Herstellern von Mutimedia-Produkten eine sichere Ausgangsposition zur Erschließung der neuen Infonnations- und Kommunikationsmärkte. Sie gibt den beteiligten Unternehmen die Sicherheit, daß ihre Produkte ausschließlich auf den 9
Groeben/ThiesinglEhlennann-Drauz, Art. 85 EGV, Rn. 120.
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
vorgesehenen Vertriebswegen veräußert werden, wodurch das Investitionsrisiko kalkulierbar wird und die Investitionsbereitschaft steigt. Mit der Erschließung neuer Märkte ist jedoch regelmäßig auch eine Verstärkung des Wettbewerbs, die Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Produktivitätssteigerungen verbunden, worin eine Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung zu erblicken ist. IO Eine effiziente Förderungsmöglichkeit dieser Investitionsbereitschaft besteht darin, daß den Unternehmen die Erschließung des neuen Marktes erleichtert wird, indem man die positive Wirkung auf den Wirtschaftsablauf, der von Wettbewerbsbeschränkungen wie Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote ausgeht, in einem ersten Schritt grundsätzlich anerkennt. Diese These wird unterstützt durch eine Abwägung der Vor- und Nachteile von Vertriebsbindungen durch Weiterverbreitungsverbote. Zum einen handelt es sich bei den bewirkten und soeben beschriebenen Vorteilen keineswegs um vordergründige und kurzfristige Vorteile, die mittel- oder längerfristig ohnehin zu erwarten sind. 11 Von den jetzt getätigten oder unterlassenen Investitionen hängt es vielmehr ab, ob sich ein Multimedia-Markt als zukunftsorientierter rentabler Markt mit all seinen beschriebenen Vorteilen in der Gemeinschaft überhaupt entwickelt oder aber hinter den Erwartungen und der internationalen, insbesondere amerikanischen, Entwicklung zurückbleibt. Es handelt sich nicht um eine logische Weiterentwicklung, die früher oder später nach den Gesetzen des Marktes ohnehin eintreten wird, sondern um eine ganz neue Richtung, die von innovativen Unternehmen eingeschlagen werden kann aber nicht muß. Wenn und soweit von einer solchen Entwicklung Vorteile fUr den Gemeinsamen Markt erhofft werden, muß ein Anreiz rur die Unternehmen bestehen, die für die Erschließung des Multimedia-Marktes erforderlichen erheblichen Investitionen zu tätigen. Den positiven Wirkungen auf den Wirtschaftsablauf, die zu Recht von Multimedia erwartet werden, steht in Gestalt von Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote eine vergleichsweise geringe Beschränkung des Wettbewerbs gegenüber. Diese Wertung kommt auch zum Ausdruck in Erwägungsgrund (33), nach dem der Erschöpfungsgrundsatz rur Online-Datenbanken nicht gilt, und zwar auch dann nicht, wenn am Ende des Übertragungsvorgangs ein physisches VervielflUtigungsstück steht. Dadurch sind Weitergabeverbote im Bereich der Online-Publikation der kartellrechtlichen Prüfung entzogen, und es wird sichergestellt, daß der Datenbankhersteller an Verwertungshand10 Dauses-Emmerich, H. I, Rdnr. 170 a, zu den positiven Auswirkungen von Multimedia auf den Gemeinsamen Markt s. o. S. 135 ff.) 11 In Bezug auf das Satellitenfernsehen hatte die Kommission am 19 2. 1991, ABI. 1991, L 63, S. 32, 44 (ScreensportJEBU-Mitglieder), mit dieser Begründung eine Freistellung abgelehnt.
III. Kontrolle nach Art. 85 EGV
165
lungen beteiligt wird. Zumal die Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote keinen anderen Zweck verfolgen, ist nicht ersichtlich, weshalb der von der Datenbankrichtlinie bezweckte l2 und erreichte Investitionsschutz nicht auch im Bereich der amine-Publikation durchsetzungsbedürftig und durchsetzungsflihig sein sollte. Die Unterschiede, die durch die Einordnung der beiden elektronischen Publikationsformen in das deutsche urheberrechtliche Verwertungsystem entstehen, sind nämlich keinesfalls gravierend und vermögen keine unterschiedliche EG-kartellrechtliche Behandlung zu rechtfertigen. Zwar ist es richtig, daß im Bereich der amine-Publikation wegen der Körperlichkeit des verbreiteten Vervielfliltigungssrucks Erschöpfungswirkung eintritt und bei der Online-Publikation nicht. Der dadurch bewirkte Unterschied, daß erstere der EG-kartellrechtlichen Kontrolle unterliegen, letztere dagegen nicht, sollte jedoch nach Möglichkeit durch Freistellung eingeebnet werden, indem die Wertungen zur Online-Publikation hier Berücksichtigung fmden. Die Nachteile fiir den Wettbewerb, die von Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote ausgehen, sind also im Vergleich zu den durch sie bewirkten Vorteilen jedenfalls als aufgewogen zu betrachten. Darüber hinaus ergeben sich auch hier Konsequenzen daraus, daß elektronische Publikationen, sofern sie buchersetzenden Charakter haben, als Verlagserzeugnisse anzusehen sind. Die Kommission vertritt in ihrem 23. Wettbewerbsbericht die Auffassung, daß individuelle, vertikal aufgebaute Systeme, bei denen ein einzelner Verleger die Preise und Verkaufs bedingungen seiner eigenen Erzeugnisse festlege, akzeptabel seien. 13 Im Gegensatz zum deutschen Recht sind nach Ansicht der Kommission im EG-Recht die Verlagserzeugnisse nicht nur hinsichtlich einer vereinbarten Preisbindung, sondern auch hinsichtlich sonstiger vorgegebener Geschäftsbedingungen privilegiert. Es ist jedoch fraglich, ob die Privilegierung durch die Festlegung von Geschäftsbedingungen denselben kulturpolititischen Zielen wie die Privilegierung durch Preisbindung dienen kann. Insbesondere wird ein Weiterverbreitungsverbot nicht die als so wichtig angesehene Erhaltung und Verbesserung der Angebotsvielfalt bewirken können. Der Schwerpunkt bei der Frage der Freistellungsflihigkeit von Weiterverbreitungsverboten liegt demnach bei der durch sie bewirkten Erhöhung der Investitionsbereitschaft in den neuen Multimedia-Markt.
12
J3
Vgl. Erwägungsgrund (12). Tz. 177.
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
b) Angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn
Wie bereits zu den Preisbindungen ausgefiihrt, bringen vertikale Beschränkungen des Multimedia-Marktes berUcksichtigungsflihige Vorteile filr die Verbraucher mit sich (s. o. S. 156 ff). Diese Vorteile werden im Fall von Weitergabeverboten nicht dadurch geschmälert, daß durch die Absprachen jeglicher Wettbewerb erstarrt und durch eine Vereinheitlichung des Angebots die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher beschnitten oder auf das Angebot der am Kartell beteiligten Unternehmen beschränkt werden. Dazu ist die Vertriebsbindung durch Weitergabeverbote, die lediglich sicherstellen soll, daß das Produkt nur auf den vorgesehenen Vertriebswegen verbreitet wird, nicht geeignet. Durch solche Bestimmungen in Lizenzverträgen wird lediglich verhindert, daß der Markt mit nicht lizenzierten Multimedia-Produkten überschwemmt und so die Marktposition der an der Lizenzkette beteiligten Unternehmen unterminiert wird. Es handelt sich hier nach alle dem also nicht um eine aggressive Vorgehensweise, sondern um die defensive Sicherung von bereits im Wettbewerb erreichten Ausgangslagen am Markt. Damit steht das lizenzierte Produkt immer noch im wirksamen Wettbewerb mit anderen Multimedia-Produkten. Bei weiterhin bestehendem wirksamen Wettbewerb ist davon auszugehen, daß die Vorteile einer Wettbewerbsbeschränkung an die Verbraucher weitergegeben werden können. c) Unerläßliche Beschränkung
An dieser Stelle läßt sich auf die bereits gemachten Ausfiihrungen zur Förderung der Investitionsbereitschaft und zur Intensität der durch die hier in Rede stehende Lizenzvereinbarung bewirkten Wettbewerbsbeschränkung verweisen (s. o. S. 154 ff., 158 f.). Im Rahmen der UnerläßlichkeitsprUfung kommt diesen Erwägungen jedoch eine weit weniger grundsätzliche Bedeutung zu als an voriger Stelle. Die Frage der Unerläßlichkeit eines - wenn auch mit positiven Auswirkungen behafteten - Weitergabeverbots ist nämlich eine Frage des Einzelfalls. Ihre Beantwortung hängt davon ab, ob es sich um eine einzelne Lizenzkette oder vielmehr um ein Lizenzsystem handelt und ob die beteiligten Unternehmen einer so bewirkten Stärkung oder Behauptung ihrer Marktposition überhaupt bedürfen. Diese Frage wird um so eher zu bejahen sein, je jünger die Betätigung der beteiligten Unternehmen im MultimediaMarkt ist und je weniger Unternehmen der Lizenzkette oder dem Lizenzsystem angehören. Umgekehrt wird man Unerläßlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung um so eher verneinen, je größer die Marktmacht der beteiligten Unternehmen in einzelner oder gebündelter Form auf dem Multimedia-Markt bereits ist und also keiner Sicherung mehr bedarf, um die Betätigung der Unternehmen auf diesem Markt zu gewährleisten.
III. Kontrolle nach Art. 85 EGV
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Abwägungserheblich ist weiterhin, daß die Wettbewerbsbeschränkung fUr die Amortisation von Investitionen erheblich ist. Bei ungewöhnlich hohen Aufwendungen und einem ungewöhnlich hohen Vermarktungsrisiko ist bei angemessener Dauer und angemessenem Umfang der Wettbewerbsbeschränkung eher von ihrer Unerläßlichkeit auszugehen. 14 Diese Voraussetzungen sind angesichts der Tatsache, daß der Multimedia-Markt sich noch im Entwicklungsstadium befindet und es zu seinem Ausbau erheblicher Investitionen bedarf, hier als gegeben anzusehen.
d) Keine Ausschaltung des Wettbewerbs
Zur Frage der Ausschaltung des Wettbewerbs kann auf die AusfUhrungen zu den vorstehenden Gliederungspunkten verwiesen werden, aus denen ersichtlich ist, daß Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote eine eher defensive Art der Wettbewerbsbeschränkung darstellen, die weiterhin den Wettbewerb mit anderen Produkten ermöglicht. Ob es allerdings durch ein konkretes Weitergabeverbot zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs kommt, kann wie die Unerläßlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung nur im Einzelfall beurteilt werden. Maßgeblich ist hier die Stellung der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt sowie die Frage, bis zu welchem Grade die Verhältnisse auf diesem Markt verändert werden. 15
e) Zusammenfassung
Vertriebsbindungen durch Weitergabeverbote bei der Lizenzierung von Offline-Multimedia-Produkten können nach Art. 85 Abs. 3 EGV durch Einzelentscheidung der Kommission freigestellt werden. Besondere Bedeutung kommt bei dieser Entscheidung der Investitionsförderung im Multimedia-Bereich zu, die fUr den Online- und den Offline-Sektor im Interesse der Erschließung des neuen Marktes gleichermaßen erfolgen sollte. Eine verhältnismäßig weite Auslegung des Art. 85 Abs. 3 EGV kann über eine einzelfallorientierte Beurteilung hinsichtlich der Unerläßlichkeit und des Fortbestehens wirksamen Wettbewerbs korrigiert werden. So wird sichergestellt, daß die gewährten kartellrechtlichen Erleichterungen auch wirklich der Erschließung des neuen Marktes dienen und nicht zu seiner Verhärtung eingesetzt werden.
14
ten").
Komm., ABI. 1989, L 284, S. 36, 43 f. ("Filmeinkauf deutscher Fernsehanstal-
15 GroebenffhiesinglEhlermann-Jakob-Siebert, Art. 85 EGV, Rn. 230; zu den Einzelheiten s. auch oben, S. 140)
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F. KartellrechtIiche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
IV. Überprüfung nach § 18 GWB Durch § 18 GWB werden Verwendungs-, Ausschließlichkeits-, Vertriebsund Kopplungsbindungen der Mißbrauchsaufsicht durch das BKartA unterstellt, sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfUllt sind.
1. Verträge zwischen Unternehmen Zunächst muß es sich um einen Vertrag zwischen Unternehmen handeln. Wie bei der Beurteilung nach Art. 85 EGV stellt sich hier das Problem, daß Lizenzverträge mit dem privaten Endnutzer diesem Erfordernis nicht genügen. Der Beurteilung nach § 18 GWB können also nur Vereinbarungen innerhalb der Lizenzkette über die Einbindung von Weitergabeverboten in künftige Lizenzverträge unterliegen. In der Praxis wird es auch hier hauptsächlich um Bindungen des Händlers oder Datenbankbetreibers gegenüber dem Verlag gehen, Lizenzverträge mit dem Endnutzer nur unter Einschluß eines Weitergabeverbots abzuschließen.
2. Verträge über Waren oder gewerbliche Leistungen Der Begriff der Waren oder gewerblichen Leistungen wird im GWB einheitlich verwendet und ist daher in den §§ 1, 15 und 18 GWB identisch. 16 Erfaßt wird der gesamte geschäftliche und wirtschaftliche Verkehr unter Ausschluß des privaten Konsums. 17 Zur Beurteilung stehen hier Lizenzverträge, so daß es nicht auf die lizenzierten Multimedia-Produkte, sondern auf die Lizenz ankommt. Für die Wareneigenschaft kommt es darauf an, ob der - nicht notwendig körperliche - Gegenstand einen eigenen in sich geschlossenen wirtschaftlichen Wert und eine eigene wirtschaftliche Selbständigkeit hat, ob er übertragen und so im Geschäftsverkehr veräußert und erworben werden kann. 18 Diese Voraussetzungen werden von Rechten aller Art, also auch von Schutzrechten und Lizenzen, erfiillt. Es handelt sich bei Lizenzen also um Waren im Sinne des GWB.
Langen/Bunte-KlosterJeldeIMetzlaff, § 18 GWB, Rdnr. 22. BGH BB 1967, S. 1060 f. ("Preisbindung rur Farbumkehrfilme"); BGH GRUR 1985, S. 988, 989 ("Heizwerk"); LangenlBunte-KlosterJeldeiMetzlaff, § 15 GWB, Rdnr.27. 18 Immenga/Mestmäcker-Immenga, § 1 GWB, Rdnr. 315 ff. 16
17
IV. Überprüfung nach § 18 GWB
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Im Gegensatz zu offline verbreiteten Multimedia-Produkten tritt bei der Online-Übertragung von urheberrechtlich geschützten Daten keine Erschöpfungswirkung ein (s. o. S. 111 ff.). Es ist fraglich, wie sich dieser Umstand auf die Beurteilung nach dem GWB auswirkt. Im Gegensatz zur Beurteilung nach dem EGV kommt dem Urheberrecht im Verhältnis zum GWB keine derart grundsätzliche Bedeutung zu. Das Primat des Urheberrechts besteht zwar, wirkt sich nach der hier vertretenen Ansicht jedoch nur so aus, daß bei der hier in Rede stehenden Beurteilung von Urheberlizenzen nach § 18 GWB die Wertungen der §§ 20, 21 GWB zu berücksichtigen sind. Nach dem oben Gesagten läuft das konkret darauf hinaus, daß die Unbilligkeit der Marktzutrittsbeschränkung im Hinblick auf die Erhaltung der - in diesem Fall nicht erschöpften - Urheberinteressen ausgelegt werden muß. Der Überprüfung nach § 18 GWB unterliegen demnach sowohl Lizenzverträge über online wie über oflline verbreitete Multimedia-Produkte. Die Berücksichtigung urheberrechtlicher Wertentscheidungen erfolgt nicht im Vorfeld, sondern durch die Auslegung konkreter Tatbestandsmerkmale.
3. Bindungen Hinsichtlich der Frage, um weIche Art von Bindungen im Sinne des § 18 GWB es sich handelt, ist zwischen direkt wirkenden Weiterverbreitungsverboten des Endverbrauchers mit Unternehmenseigenschaft und den entsprechenden Vereinbarungsverpflichtungen innerhalb der Lizenzkette zu unterscheiden. a) Verwendungsbeschränkung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB
Es liegt nahe, die den Endabnehmern auferlegten Weiterverbreitungsverbote als Verwendungsbindungen im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzusehen. Eine Verwendung liegt nach dieser Vorschrift jedoch nur bei einer Nutzung vor, die nicht Verwertung oder Absatz ist. 19 Weitergabeverbote fallen also nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB. b) Vertriebsbindung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB
Durch Vertriebsbindungen wird das belieferte Unternehmen darin beschränkt, die gelieferten Waren an Dritte abzugeben. Der Begriff der Abgabe
19
Emmerich, Kartellrecht, S. 172.
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
umfaßt dabei nicht nur die Veräußerung, sondern auch die Besitzüberlassung. 2o Allerdings befinden sich Verträge mit dem Endverbraucher, auch wenn es sich bei diesem um ein Unternehmen handelt, außerhalb des Anwendungsbereiches des § 18 Abs. I Nr.3 GWB. Vertriebsbindungen dienen nämlich dazu, dem Hersteller Einfluß auf die Absatzwege zu verschaffen, indem der Abnehmer auf bestimmte Kunden oder Absatzgebiete festgelegt wird. 21 Die Unterbindung jeglichen Absatzes, wie sie durch Weitergabeverbote bezweckt wird, widerspricht dieser Zielsetzung. Die teleologische Auslegung der Vorschrift ergibt daher, daß Vertriebsbindungen nur mit Wiederverkäufern, nicht jedoch mit Endverbrauchern denkbar sind. Es ist also zu fragen, ob die Verpflichtung der an der Lizenzkette beteiligten Unternehmen, künftige Lizenzverträge mit Endnutzern nur unter Vereinbarung eines Weitergabeverbots abzuschließen, als Vertriebsbindung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB einzustufen ist. Zur Klärung dieser Frage ist zunächst zu untersuchen, ob es sich hier um eine durchlaufende Vertriebsbindung handelt. Eine solche liegt dann vor, wenn dem Weiterveräußerer außer einer Beschränkung im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB die Verpflichtung auferlegt wird, eben diese Beschränkung an seine Abnehmer weiterzugeben. 22 Davon ist hier nicht auszugehen. Das Weiterverbreitungsverbot steht denklogisch am Ende der Vertriebskette und bindet nur den Endverbraucher. Zieht sich die Verpflichtung zur Weitergabe des Weiterverbreitungsverbots trotzdem durch die gesamte Lizenzkette, so geschieht dies nur, um zu gewährleisten, daß der Vertrag mit dem Endnutzer nur unter seiner Einbeziehung abgeschlossen wird. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Vertriebsbindung, sondern um die Vorgabe von Geschäftsbedingungen zu einem künftigen Vertrag. Betroffen wird also nicht die Abschlußfreiheit der Abnehmer, sondern deren Inhaltsfreitheit bezüglich künftiger Verträge. Diese unterliegt nicht der Beurteilung nach § 18 GWB, sondern unterflillt § 15 GWB. 4. Zwischenergebnis
Weiterverbreitungsverbote und die Verpflichtung zum Abschluß künftiger Lizenzverträge nur unter Einbeziehung eines Weiterverbreitungsverbotes unterliegen nicht der Mißbrauchsaufsicht durch das BKartA nach § 18 GWB.
20 21 22
LangeniBunte-KlosterJeldeIMetzlaff, § 18 GWB, Rdnr. 69. ImmengalMestmäcker-Emmerich, § 18 GWB, Rdnr. 127. LangenlBunte-KlosterJeldeIMetzlaff, § 18 GWB, Rdnr. 78.
V. Beurteilung nach § 15 GWB
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v. Beurteilung nach § 15 GWB Durch § 15 GWB werden Verträge zwischen Unternehmen über Waren und gewerbliche Dienstleistungen verboten, die einen Vertragsbeteiligten in der Freiheit der Gestaltung von Preisen oder Geschäftsbedingungen in Zweit- oder Folgeverträgen beschränken. Bei der Verpflichtung, Verträge mit dem Endnutzer nur unter Einbeziehung eines Weitergabeverbotes abzuschließen, handelt es sich um eine vorgegebene Geschäftsbedingung in Form einer rechtlichen Bindung. Nach § 15 GWB ist eine solche Verpflichtung unwirksam. Diese Folge darf jedoch dann nicht eintreten, wenn durch den Vertragsinhalt lediglich auf eine nach Urheberrecht ohnehin bestehende Rechtslage hingewiesen wird oder wesentliche Funktionen des Urheberrechts durch ihn aufrechterhalten werden. Die Untersuchung hat bereits ergeben, daß wegen des Eintritts der Erschöpfungswirkung bei der Offline-Vermarktung von Multimedia-Produkten keine urheberrechtliche Rechtfertigung tUr Weitergabeverbote besteht. Etwas anderes gilt tUr den Online-Bereich. Die Online-Übertragung urheberrechtlich geschützter Werke tUhrt nach dem oben Gesagten nicht zur Erschöpfung des Urheberrechts, und zwar auch dann nicht, wenn ein körperliches Vervielfältigungsstück angefertigt worden ist. An diesem Vervielfältigungsstück hat der Urheber das ausschließliche Verwertungs- und Verbreitungsrecht, sowie die Beteiligten an der Lizenzkette die entsprechenden Nutzungsrechte. Die Inhaber dieser Rechte können Handlungen, die in diese eingreifen, jederzeit untersagen. Es ist jedoch fraglich, ob gerade durch die Verpflichtung zur Einbeziehung eines Weiterverbreitungsverbots auf eine bereits nach Urheberrecht bestehende Rechtslage hingewiesen wird. Es ist zwar richtig, daß die Inhaber von nicht erschöpften Verwertungs- und Nutzungsrechten die Weiterverbreitung verbieten können, sie müssen es aber nicht. Wird ihnen diese Verpflichtung bezüglich künftiger Verträge im Erstvertrag auferlegt, so werden sie dadurch zur Wahrnehmung eines Rechts gezwungen, daß sie unter Umständen sonst nicht wahrnehmen würden. Die Verpflichtung zur Vereinbarung eines den Endnutzer betreffenden vertraglichen Weiterverbreitungsverbotes ist deshalb nach § 15 GWB unwirksam. Das ändert natürlich nichts daran, daß die Weiterverbreitung eines Vervielfältigungsstücks eines online empfangenen Werkes von den Rechtsinhabern nach Maßgabe des Urheberrechts verbietbar ist. Eine Freistellung nach § 16 GWB kommt auch dann nicht in Betracht, wenn es sich bei den Multimedia-Produkten um Verlagserzeugnisse handelt. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Preisbindungen innerhalb der Weiterveräußerungskette. Anders verhält es sich mit einem zu vereinbarenden Erlaubnisvorbehalt bezüglich der Weiterverbreitung. Dieser spiegelt die nach Urheberrecht
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F. Kartellrechtliche Prüfung von Weiterverbreitungsverboten
bestehende Rechtslage wieder und darf daher nicht § 15 GWB unterfallen. Hier zeigt sich wieder der mißliche Wertungsunterschied zwischen Online- und Offline-Vermarktung von Multimedia-Produkten, der mit der unterschiedlichen Rechtslage bezüglich des Eintritts der Erschöpfungswirkung zusammenhängt.
G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen Von dem Vorliegen eines Kopplungsgeschäftes ist auszugehen, wenn ein Abnehmer von demselben Anbieter zwei oder mehr Güter) bezieht, nachdem dieser in besonderer Weise auf ihn eingewirkt hat, beide Güter abzunehmen. Der Begriff des Kopplungsgeschäftes ist dabei nicht auf den Verkauf zweier gekoppelter Waren beschränkt, sondern bezieht sich auf alIe erdenklichen Transaktionen zwischen Marktteilnehmern, die den Austausch wirtschaftlicher Güter zum Gegenstand haben. 2 Daß zu den wirtschaftlichen Gütern auch Lizenzen zählen, wurde bereits ausgeführt. 3 Gerade wenn es um die Eroberung von Anteilen aufneuen Märkten geht, verfügen Kopplungsgeschäfte über einen beträchtlichen Anreiz, erlauben sie es doch, die Attraktivität eines bereits etablierten Produktes zu nutzen, um ein anderes Produkt auf dem noch neuen Markt zu plazieren. Auf diese Weise kann bereits bestehende Marktrnacht auf einen neuen Markt übertragen werden und muß nicht erst im Wettbewerb gebildet werden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, daß der noch junge Multimedia-Markt Wettbewerbsbeschränkungen durch Kopplungsgeschäfte unterliegen wird. Der erste und bisher einzige FalI von Kopplungsgeschäften mit MultimediaLizenzen ist die Bindung von Lizenzen für den Browser Explorer an Lizenzen für das Betriebssystem Windows durch Microsoft. An seinem Beispiel soIlen die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme beleuchtet werden.
J. Darstellung der Lizenzpraxis von Microsoft Bei Browser-Software handelt es sich um ein Computerprogramm zur Navigation im Internet. Sie ermöglicht die DarsteIlung von Seiten aus dem Internet auf dem Computer. 4 Browser-Software wird zur Zeit mit einem Anteil von 64 % von Netscape (Netscape Navigator) und mit einem Anteil von 30 % von ) Dieser sogenannten ,,2-Güter-Frage" (Gleiss-Hirsch, Art. 85 EGV, Rdnr. 394) kommt denn auch grundsätzliche Bedeutung zu, sie wird jedoch nicht abstrakt beantwortet, sondern taucht an unterschiedlichen Punkten der Tatbestandsprüfung auf, wie etwa bei der Bestimmung des sachlich relevanten Marktes. 2 Monopolkommission, HG IX, S. 429, 430. 3 S. O. S. 126. 4 Englisch to browse: blättern; F. A. Z. vom 22.10.1997, S. 17.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Microsoft (Microsoft Explorer) vermarktet 5 Um diesen Anteil zu vergrößern, begann Microsoft, sein Windows 95-Betriebssystem nur noch zusammen mit dem Browser Explorer zu lizenzieren. In der Version Windows 98 ist der Microsoft-Browser sogar fest installiert. Dem Erwerber einer Windows-Version steht damit jeweils ein kostenloses Exemplar von Microsoft Explorer zur Verfiigung, während der bisher marktfiihrende Netscape Navigator 50 Dollar kostet 6 Bis zur festen Integration des Explorers allerdings habe Microsoft nach Vorbringen des Computerherstellers Compaq diesem mit der Einstellung der Lizenzierung von Windows 95 gedroht, wenn er die Installation des Netscape Navigators in seine Geräte nicht unterlasse und statt dessen einen Explorer verwende. 7 Auch die Reinstallation des Explorer-Icons in die Benutzeroberfläche sei verlangt worden. 8 Microsoft argumentierte dagegen, es habe sich keinesfalls um eine Drohung gehandelt, sondern um einen Hinweis auf die Rechtslage angesichts der Einheitlichkeit des Produkts. Die Lizenznehmer seien nicht befugt, sich die bevorzugten Funktionen aus diesem Produkt herauszusuchen·9 Diese Lizenzpraxis rückte in den Mittelpunkt des Interesses, weil die Antitrust-Abteilung des amerikanischen Justizministeriums darin den Verstoß gegen ein Stillhalteabkommen aus dem Jahre 1995 erblickt, in dem Microsoft sich gebunden hatte, die Vergabe von Software lizenzen nicht an wettbewerbswidrige Auflagen zu koppeln. Für einen solchen Fall hatte Microsoft sich verpflichtet, täglich eine Million Dollar Strafe zu zahlen. Microsoft indessen bestreitet einen Verstoß gegen das Abkommen. Es handle sich bei der Installation des Browsers um eine Verbesserung des Betriebssystems Windows, der das Abkommen nicht entgegenstehe. IO Inhalt und Reichweite des Stillhalteabkommens sind allerdings Fragen des amerikanischen Rechts und damit nicht Gegenstand der Untersuchung. II Die Lizenzpraxis von Microsoft hingegen beeinflußt auch den Gemeinsamen wie den deutschen Markt und fällt daher in den Untersuchungsbereich der vorliegenden Arbeit. F. A. Z. vom 22.10.1997, S. 17. Ebd.; hierbei handelt es sich um den Preis für den Endverbraucher, Computerhersteller haben 10 Dollar je Kopie zu entrichten, F. A. Z. vom 17.12.1997, S.24. 5
6
7 Wirtschaftswoche vom 30.10.1997. S. 102; Wall Street Journal Europe vom 24./25.10.1997. S. 4. 8 Wall StreetJournal Europe vom 24./25.10.1997, S. 4. 9 Ebd. 10 F. A. Z. vom 22.10.1997, S. 17. 11 Am Ende des Kapitels findet sich allerdings ein Vergleich zur Rechtslage nach amerikanischem Recht. Zur aktuellen Diskussion in den Vereinigten Staaten vgl. die Verweise auf Berichte in internationalen Tageszeitungen und Magazinen in den folgenden Fußnoten.
11. Die Einordnung dieser Lizenzpraxis als Kopplungsgeschäft
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Microsoft hat inzwischen zugestimmt, bis zur endgültigen Entscheidung nur noch technisch voneinander unabhängige Versionen von Windows und Explorer zu vermarkten. 12 Die Kommission beschäftigt sich seit 1997 nach Beschwerden mit der Lizenzpraxis von Microsoft. 13
11. Die Einordnung dieser Lizenzpraxis als Kopplungsgeschäft Wie anhand der Verhaltensweise des Anbieters das Vorliegen eines Kopplungsgeschäfts zu ermitteln ist, geben die Verursachungsdefinition und die engere Bedingungsdefinition vor· 14 Nach der Verursachungsdefinition reicht es bereits aus, wenn der Anbieter lediglich eine Ursache rur die Abnahme des gekoppelten Guts setzt, während es nach der Bedingungsdefinition darauf ankommt, daß das koppelnde Gut nur unter der Bedingung der Abnahme des gekoppelten Guts abgegeben wird. Die Vorgehensweise Microsofts genügt bereits dieser engeren Definition, weil hier eine Windows-Lizenz nur unter der Bedingung erteilt wird, das der Abnehmer zusätzlich noch ein weiteres Gut, die Explorer-Lizenz, abnimmt. Kopplungsgeschäfte können unterschiedliche unternehmerische Funktionen errullen. Unter der hier möglicherweise einschlägigen Hebelfunktion versteht man die Ausnutzung der Hebelwirkung des koppelnden Gutes zur Förderung des Absatzes des gekoppelten Gutes. 15 Diese Hebelwirkung kann aus der Marktrnacht des Anbieters oder aus der besonderen Attraktivität des koppelnden Gutes resultieren. 16 Allerdings ist nicht einsichtig, weshalb zwischen diesen bei den Parametern ein Exklusivitätsverhältnis bestehen sollte. Gerade im Fall von Microsoft besteht denn auch eine Wechselwirkung zwischen Marktrnacht und damit einhergehendem Bekanntheitsgrad des Unternehmens und besonderer Attraktivität seiner Produkte. Die Hebelfunktion der Lizenzkopplung besteht darin, daß durch die kostenlose gekoppelte Abgabe des Explorers und die Verdrängung des Konkurrenten Netscape eine Marktrnacht erreicht wird, die Microsoft den erweiterten Handlungsspielraums eines Marktbeherrschers auch in bezug auf Internet-Browser verschaffen soll. Weiterhin können durch Kopplungsgeschäfte die Absatzchancen rur das koppelnde Gut optimiert werden, indem durch die Kopplung mit einem pasInternational Hera1d Tribune vom 4.2.1998, S. 14. The Economist vom 25.10.1997, S. 78, 80. 14 Dazu Burkert, S. 31 ff.; der Verfasser erstellte auch das eben zitierte Hauptgutachten ftlr die Monopolkommission; zitiert wird aus der Quelle, die das Angesprochene jeweils am treffendsten belegt. 15 Monopolkommission, HG IX, S. 429, 437. 16 Monopolkommission, HG IX, S. 429, 437. 12 13
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
senden Gut Hindernisse für den Absatz des koppelnden Guts abgebaut werden. l ? Indem der Browser Explorer mit dem Betriebssystem Windows absatzmäßig verbunden und so der Konkurrent Netscape aus dem Wettbewerb gedrängt wird, wird ein positiver Effekt für das Betriebssystem erzielt: Es entsteht beim Verbraucher in noch stärkerem Maße das Bild von Windows als einem umfassenden, multifunktionalen Betriebssystem, das weitere, zusätzlich instalIierte Software entbehrlich macht. Das attraktivitätssteigernde Bild dieser Einheitlichkeit muß auf Kosten von Wettbewerbern entwickelt werden, die das gekoppelte Produkt isoliert anbieten. Im FalI von Microsoft liegt eine Kombination der dargestelIten Effekte vor: Durch die Weiterentwicklung von Browser-Software durch die MicrosoftKonkurrenten Netscape und Sun Microsystems ist es möglich, virtuelle Betriebbssysteme nutzbar zu machen, die die fest installierten Betriebssysteme, auf sich denen der Unternehmenserfolg von Microsoft gründet, überflüssig machen. 18 Indem diese Konkurrenten durch die Lizenzkopplung aus dem Wettbewerb gedrängt werden, wird ihnen die Möglichkeit zu dieser Weiterentwicklung genommen· 19 Diese Strategie wird innerhalb des Unternehmen folgendermaßen umschrieben: "We are not worried simply about the browsers, we are worried about control of the desktop and therefore we have got to win the browser war.,,20 Es handelt es sich bei der dargestellten Lizenzpraxis also um ein Kopplungsgeschäft. Ob dieses alIerdings verboten ist, ist Frage der tatbestandlichen PrUfung nach EG- und deutschen Wettbewerbsregeln.
111. Überprüfung nach Art. 86 EGV Angesichts der großen Wirtschaftsrnacht von Microsoft stellt sich die Frage, ob in der beschriebenen Vorgehensweise der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 86 EGV zu erblicken ist.
Burkert, S. 124. Diese Befürchtung äußerte Bill Gates selbst in einem internen Schreiben vom 26.5.1995 gemäß The New Yorker vom 12.1.1998, S. 32, 36. Dem amerikanischen lustizministerium liegen außerdem zahlreiche interne Vermerke aus dem Hause Microsoft vor, die diese Zusammenhänge erhellen, vgl. The Economist vom 31.1.1998, S.71. 19 So The Economist vom 20.1.1998, S. 106, 108. 20 Vgl. The New Yorker vom 12.1.1998, S. 32, 36. I?
18
III. Überprüfung nach Art. 86 EGV
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1. Anwendbarkeit der Vorschrift
Kopplungsgeschäfte fmden im EGV Erwähnung in Art. 85 Abs. 1 lit. e) und in Art. 86 Abs. 2 lit. d). Zwischen Art. 85 und 86 EGV besteht kein Spezialitätsverhältnis, sondern im Falle ihrer gleichzeitigen Verwirklichung Idealkonkurrenz. 21 Während ein nach Art. 85 Abs. 1 EGV bestehendes Kartell nach Abs. 3 der Vorschrift freistellungsfähig ist, gilt das Verbot nach Art. 86 EGV absolut. Die Kommission ist bei der Beurteilung der Frage, nach welcher der beiden Vorschriften sie ein Verfahren einleitet, zwar frei·22 Da jedoch eine Freistellung nach Art. 85 EGV einer Ahndung nach Art. 86 EGV nicht entgegensteht23 , empfiehlt es sich, mit der Prüfung der strengeren Vorschrift zu beginnen und im Falle des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung von einer Kontrolle nach Art. 85 EGV abzusehen. 2. Zwischenstaatlichkeitsklausel
Wie bereits an anderer Stelle ausgefUhrt (s. o. S. 60 f.) wird die Zwischenstaatlichkeitsklausel außerordentlich weit ausgelegt, so daß ihre praktische Bedeutung gering ist. Microsoft-Lizenzen werden im gesamten Gemeinsamen Markt vergeben, so daß von einer Beeinflussung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch die Lizenzkopplung auszugehen ist. 3. Tatbestand a) Der relevante Markt
Art. 86 EGV verbietet den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Ob ein Unternehmen eine beherrschende Position innehat, ist in bezug auf den relevanten Markt zu ermitteln. Dieser ist in sachlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen. aa) Der sachlich relevante Markt Die Ermittlung des sachlich relevanten Marktes bestimmt sich nach Abschnitt 11, Ziff. 14 Baß. Danach bildet das Produkt (Waren oder Dienstleistun21 22
23
LangenIBunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 201. LangenIBunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 200.
Vgl. zum früher zu dieser Frage bestehenden Meinungsstreit LangenfBunte-
Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 202. 12 Kreutzmann
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
gen)24, das Gegenstand der in Rede stehenden Vereinbarung ist, gemeinsam mit allen anderen mit ihm identischen und ihm gleichwertigen Produkten, mit denen es also austauschbar ist, den sachlich relevanten Markt. Diese Austauschbarkeit ist aus der Sicht der Verbraucher nach den Eigenschaften der Produkte, ihrer Preislage und ihrem Verwendungszweck zu beurteilen. Diese Merkmale können umgekehrt auch Anhaltspunkte darur sein, daß rur das Produkt ein besonderer Markt besteht. Möglicherweise bilden Computer-Betriebssysteme und Softwareprodukte zur Navigation im Internet jeweils einen einheitlichen relevanten Markt, oder es besteht zwischen den zwar unterschiedlichen Märkten eine untrennbare Verbindung, so daß die gemeinsame Vermarktung von Windows- und Explorer- Lizenzen nach Art. 86 EGV unbedenklich ist.
(I) Horizontale Marktabgrenzung beim marktrelevanten Umgang mit Schutzrechten Zunächst wirft der Umgang marktbeherrschender Unternehmen mit Immaterialgüterrechten jedoch hinsichtlich des relevanten Marktes ein weiteres Problem auf: Die Schutzrechtspolitik solcher Unternehmen kann nämlich grundsätzlich auf zwei verschiedenen Märkten zu mißbräuchlichen Verhaltensweisen fUhren. Zum einen kann es zu einem indirekten Schutzrechtsmißbrauch bei der kommerziellen Verwertung des Schutzrechts, also auf dem Markt des unter seiner Verwendung hergestellten Erzeugnisses, kommen, zum anderen ist ein direkter Mißbrauch auf dem Markt des Schutzrechts selbst denkbar, bei dem das Schutzrecht als solches Instrument bzw. Objekt des mißbräuchlichen Verhaltens ist. 25 Die Marktabgrenzung erfolgt hier also nicht nach Produktsparten, also vertikal, sondern horizontal nach der rechtlichen Untergl iederung der Produktentstehung. 26 Im vorliegenden Fall wird die Vergabe von Lizenzen fUr das Betriebssystem Windows an die - wenn auch unentgeltliche - Abnahme einer Lizenz fUr den Browser Explorer gebunden. Der "Kauf des Produktes Software" stellt sich
24 Daß Urheberrechte, die auch bei der Vermarktung von Software lizenziert werden, ein Wirtschaftsgut darstellen und damit Gegenstand eines marktbezogenen Austausches sein können, ist bereits oben (s. o. S. 126) geklärt worden. 25 Diese Unterscheidung trifft Ei/mannsberger, in: EuZW 1992, S. 625 f.; DausesEmmerich, H. I, Rdnr. 227 b differenziert ähnlich nach Primär- und abgeleiteten Märkten. 26 Zu dieser Differenzierung bereits oben, (s. o. S. 128).
III. Überprüfung nach Art. 86 EGV
179
nämlich tatsächlich als Erwerb einer Lizenz dar, so daß ein eventueller Mißbrauch nicht auf dem Markt eines geschützten Produkts, sondern auf dem Markt filr die Lizenzvergabe selbst stattfindet. Im Falle eines Mißbrauchs wäre demnach von einem direkten Schutzrechtsmißbrauch auszugehen.
(2) Vertikale Marktabgrenzung nach der Art des lizenzierten Schutzrechts
Der Abgrenzung des Marktes in - hier so genannter - vertikaler Hinsicht kommt deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil der Mißbrauch einem Unternehmen in beherrschender Stellung zurechenbar sein muß. 27 Wenn ein Unternehmen also auf einem anderen als dem von ihm beherrschten Markt den Wettbewerb beeinträchtigt, stößt diese Zurechenbarkeit auf Probleme, weil die Beeinträchtigung dann insoweit nicht mehr von einem beherrschenden Unternehmen herrührt. Ein Mißbrauch im Sinne von Art. 86 EGV ist dann nur anzunehmen, wenn die Maßnahme in der Absicht ergriffen worden ist, die auf dem beherrschten Markt bestehende Stellung auszubauen oder auf den von der Beschränkung betroffenen Markt auszudehnen?8 Hierbei können sich allerdings Beweisschwierigkeiten ergeben. Faßt man indes die beiden Märkte - den beherrschten und den beschränkten - zu einem einheitlichen relevanten Markt zusammen, ergibt sich hingegen das Problem, daß das Unternehmen hinsichtlich dieses erweiterten Marktes seinem Anteil nach nicht mehr als beherrschend anzusehen ist und sein Marktverhalten nicht durch Art. 86 EGV, der sich nur gegen Mißbräuche marktbeherrschender Unternehmen wendet, verbietbar ist. Der Frage, ob Lizenzen rur Betriebssysteme und solche rur Software zur Navigation im Internet einen einheitlichen Markt bilden, kommt also entscheidende Bedeutung zu. Um die Lizenzen voneinander abgrenzen zu können, ist es notwendig, ihren Verwendungszweck zur Erstellung eines konkreten Produkts zu betrachten. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes kommt nämlich der Sichtweise der Verbraucher entscheidende Bedeutung zu. Diese gehen jedoch beim Erwerb eines Computerprogramms vom Kauf eines Produktes und nicht vom Erwerb einer Lizenz aus, so daß zu untersuchen ist, ob Betriebssysteme rur PCs und Navigationssysteme rur das Internet einen einheitlichen relevanten Markt bilden.
27 28
Groeben/ThiesingiEhlennann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 133. Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 396.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Maßgebliche Bedeutung haben hierbei Verwendungszweck und Eigenschaften des Produktes. Diese Merkmale sind vor allem auf dem Technologiemarkt sehr eng miteinander verknüpft. Zu den Erwartungen eines PC-Kunden an einen neuen Rechner hinsichtlich größerer Leistungsfiihigkeit, besserer Funktionen und leichterer Bedienung im Vergleich zum Vorgängermodell gehört auch ein problemloser Zugang zum Internet, weil der Nutzer kein Interesse daran hat, ob die benötigten Informationen und Daten von der Festplatte, einem anderen Speichermedium oder aus dem Internet stammen. 29 Hierbei handelt es sich um das zur Zeit erreichte Stadium einer Entwicklung, an deren Anfang ein rudimentäres, umständliches Betriebssystem stand, das den Zugang zu Anwendungen wie Online-Verbindungen mittels Modem, Computerspielen und Multimedia-Anwendungen, soweit überhaupt möglich, nur über zusätzlich installierte, jeweils gesondert aufzurufende Programme ermöglichte. Heute sind diese Funktionen in der Windows-Benutzeroberfläche fest installiert und können als Teil des Betriebssystems per Mausklick aktiviert werden. 3o Durch die nun folgende Integration von Browser-Software in das Betriebssystem wird diese Entwicklung fortgeschrieben und zugleich eine Verbindung zwischen dem PC- und dem Online-Multimedia-Markt geschaffen. Nach Ansicht von Microsoft handelt es sich bei dem Browser um eine neue Funktion des Betriebssystems und nicht um ein separates Software-Produkt. 3 ) Vor diesem Hintergrund sei seine Installation in das Betriebssystem vergleichbar mit der Intergration von Schreibtabellen und E-mail-Funktionen. Diese Ansicht veranschaulicht Microsoft, indem das Explorer-Icon auf der Benutzeroberfläche den Symbolen der genannten Funktionen gleichgestellt wird. Auch dadurch wird bei dem Benutzer der Eindruck eines einheitlichen Produkts hervorgerufen, so daß Eigenschaften und Verwendungszweck aus der Sicht des Verbrauchers gegenüber anderen Märkten bei der Marktabgrenzung nur eingeschränkte Bedeutung zukommen können. Auf den schnell wachsenden, durch zunehmende Integration und Vernetzung gekennzeichneten Technologiemärkten ist der technsich nicht versierte Verbraucher nämlich auf das angewiesen, was seiner Vorstellungswelt aufgeschlossen ist, und das ist die Benutzeroberfläche seines Computers. Es ist hier also nötig, die Merkmale der Eigenschaften und der Verwendung im Hinblick auf die Austauschbarkeit zu objektivieren. Demgemäß würde ein technisch kundiger Verbraucher nicht von der Austauschbarkeit von Betriebssystem und Intemet-Browser ausgehen, beide Produkte haben unterschiedliche Funktionen und können jeweils zusammen mit Produkten anderer Hersteller betrieben werden. Während das Betriebssystem die unterschiedlichen Anwen29 30
3)
F. A. Z. vom 23.10.1997, S. 3 und vom 27.10.1997, S. 28. Dazu F. A. Z. vom 27.10.1997, S. 28. So F. A. Z. vom 17.12.1997.
III. Überprüfung nach Art. 86 EGV
181
dungen des Computers und damit gewissermaßen sein "Innenleben" organisiert, verwaltet die Browser-Software den Zugang des Computers zur virtuellen "Außenwelt". Dies sind zwei verschiedene Anwendungsfelder, denen unterschiedliche technische Eigenschaften korrespondieren. Ihre enge Verzahnung hingegen ist die Konsequenz der Vernetzung auf dem Technologiemarkt. Es ist zwar richtig, daß Betriebssystem und Browser in ihrer Funktionalität voneinander abhängig sind. Der Browser benötigt zu seiner Funktionsflihigkeit das Betriebssystem, und ohne Browser kann das Betriebssystem keinen Internetzugang bieten. Insoweit ist die zwischen den Erzeugnissen bestehende Verbindung der zwischen Lampe und Glühbirne vergleichbar. 32 Der Zweck der Lichterzeugung ist nur mit beiden Produkten zusammen erreichbar, trotzdem handelt es sich um unterschiedliche Erzeugnisse mit jeweils unterschiedlichen relevanten Märkten. 33 Es ist also von zwei unterschiedlichen sachlich relevanten Märkten bei der Lizenzierung von Betriebssystemen und Internet-Browsern auszugehen. Ein weiteres Merkmal zur Marktabgrenzung besteht in der Preislage aus der Sicht des Verbrauchers. Dadurch, daß der Microsoft-Explorer nicht über einen eigenen Preis verfiigt, sondern preislich im Betriebssystem Windows enthalten ist, entsteht der Eindruck eines einheitlichen Produkts. Die Entscheidung, den Browser gratis in Verbindung mit dem Betriebssystem abzugeben, beruht allerdings auf der Marktpolitik von Microsoft, und es widerspricht den Wettbewerbsregeln, daß ein Unternehmen durch seine wettbewerbswirksamen Entscheidungen den relevanten Markt fiir seine Produkte selbst bestimmen können soll. Dieser Aspekt hat daher außer Betracht zu bleiben. Ebenso verhält es sich mit Fragen der technischen Zusammengehörigkeit von Betriebssystem und Browser. Solche Erwägungen können erst im Rahmen der Rechtfertigung eines bereits festgestellten Mißbrauchs eine Rolle spielen. 34 bb) Der räumlich relevante Markt Der räumlich relevante Markts bestimmt sich danach, welche Unternehmen in dem Hauptabsatzgebiet des sachlich relevanten Marktes tatsächlich konkurrieren. 35 Es kommt also auf das Hauptabsatzgebiet von Lizenzen fiir Windows-Betriebssysteme und fiir den Internet-Browser Explorer an. 32 So auch die Antitrust-Abteilung des amerikanischen lustizministeriums nach The Economist vom 25.10.1997, S. 78, 80. 33 In diesem Sinne auch die Komm. für Bolzenschußgeräte und Bolzen oder Kartuschenstreifen, ABI. 1988, L 65, S. 19, 31 ff. (Eurofix-Bauco/Hilti). 34 Langen/Bunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnm. 158 ff. 3S Abschnitt H, Ziff. 16 BaB.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Windows-Betriebssysteme werden weltweit lizenziert. Auf diesem weltweiten Markt treten die Produkte mit denen ebenfalls weltweit tätiger Wettbewerber in Konkurrenz. Da die Windows-Lizenzen nurmehr in Verbindung mit einer Explorer-Lizenz vergeben werden, ist der örtlich relevante Markt rur beide dargestellten sachlich relevanten Märkte mit dem Gebiet des gesamten Gemeinsamen Marktes identisch. b) Beherrschende Stellung
Mißbräuchliche Verhaltensweisen sind nur dann nach Art. 86 EGV verboten, wenn sie von einem Unternehmen in marktbeherrschender Stellung ausgeübt werden. aa) Differenzierung zwischen betroffenem und beherrschtem Markt Der von den Maßnahmen im Wege der Lizenzpraxis Microsofts betroffene Markt ist der Markt filr Internet-Browser-Software, weil den Lizenzen filr den Microsoft Explorer durch die Bindung an Windows-Lizenzen und durch die Freiheit von Lizenzgebühren ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Browsern, namentlich dem Netscape Navigator verschafft worden ist. Seit Anfang des Jahres 1997 ist der Marktanteil dieses Produktes um 15 % geschrumpft. 36 Wie bereits eingangs erwähnt, betragen die Marktanteile von Netscape und Microsoft jetzt 64 bzw. 30 %. Ein Anteil von 30 % ist zwar beträchtlich, es ist jedoch nicht einsichtig, wie Microsoft allein unter Einsatz dieser Marktrnacht den ihm um mehr als 100 % überlegenen Konkurrenten Netscape in so beträchtlichem Maße im Wettbewerb auf dem Browser-Markt zuruckdrängen konnte, wenn nicht durch Ausnutzung seiner Marktrnacht auf dem Markt rur Betriebssysteme. bb) Die beherrschende Stellung Microsofts auf dem Markt rur Betriebssysteme Die Stellung Microsofts auf dem Markt rur Betriebssysteme kann ohne Bedenken als beherrschend bezeichnet werden. Dafilr spricht zunächst der enorme Marktanteil von 88,2 %37. Allerdings kommt es rur den Bestand einer marktbeherrschenden Stellung nicht allein auf den Marktanteil an. Diese wird
36 37
Wirtschaftswoche vom 30.10.1997, S. 102. Quelle: managermagazin Dez. 1997, S. 114, 116.
III. Überprüfung nach Art. 86 EGY
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vielmehr durch eine Kombination aus Marktstrukturtest und Untern ehmensstrukturtest ermittelt. 38 Als spezifische individuelle Merkmale des Marktbeherrschers, die einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung garantieren, zählen überlegene technische und kommerzielle Fähigkeiten, eine optimale Unternehmensstruktur, besondere Qualität der rur das Unternehmen tätigen Personen sowie überdurchschnittliche Finanz- und Wirtschaftskraft. 39 Im Falle von Microsoft liegen die erstgenannten Eigenschaften sogar in Kombination vor: Das Unternehmen machte es zu seiner sowohl kommerziellen wie technischen Erfolgsstrategie, durch die Entwicklung immer leistungsflihigerer Betriebssysteme zunehmend technische Funktionen in die Benutzeroberfläche zu integrieren, die dem Benutzer zuvor nur durch die Installation zusätzlicher Programme offenstanden. 40 •41 Dadurch erreichte das Unternehmen technologische Überlegenheit gegenüber seinen Konkurrenten und schaltete gleichzeitig die Hersteller dieser Zusatzprogramme aus dem Wettbewerb aus. 42 Der technologischen Überlegenheit kommt außerdem um so größere Bedeutung zu, je mehr die Entscheidung des Endnutzers durch den Neuheitsgrad und die technische Qualität der Erzeugnisse und Dienstleistungen beeinflußt wird.43 Die Unternehmenspolitik der zunehmenden technischen Integration hat Microsoft und insbesondere die Windows-Versionen zu einem Inbegriff qualitativ hochwertiger, technisch innovativer Softwareprodukte gemacht. Die Erfolgsgeschichte des Firmeneigners Bill Gates ist bereits Legende und spricht rur ein straff geruhrtes Unternehmen sowie Gates' außergewöhnliche Führungspersönlichkeit. Das Börsenkapital von Microsoft beträgt 161,847 Milliarden Dollar44 und macht das Unternehmen damit zu einem der größten Amerikas. Einem Umsatz von mehr als drei Milliarden Dollar im dritten Quartal 1997 stand dabei ein Reingewinn von mehr als 20 % gegenüber.45 Über diese rur sich sprechenden Fakten hinaus haben noch weitere Merkmale Indizwirkung rur die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens, wenn dieses seine Marktmacht auf die Vergabe von Lizenzen gründet: Hier 38
GroebenffhiesingiEhlennann-Schröter, Art. 86 EGY, Rdnr. 86.
39 EuGH Sig. 1979, S. 461, 524 (Hoffmann-La Roche).
F. A. Z. vom 27.10.1997, S. 28. Damit lehnt sich Microsoft an die von IBM zuerst auf dem Computennarkt eingesetzte Strategie an, USA TODA Y vom 4.2.1998. 42 F. A. Z. vom 27.10.1997, S. 28. 43 GroebenffhiesingiEhlennann-Schröter, Art. 86 EGY, Rdnr. 87. 44 Quelle: managennagazin Dez. 1997, S. 114, 115. 45 Zu diesen Daten vgl. F. A. Z. vom 23.10.1997, S. 3. 40 41
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
kommt es auf Zahl und Bedeutung der Lizenznehmer an. 46 Microsoft lizenziert seine Software an bedeutende Computerhersteller wie Compaq, Gateway 2000 und Micron Electronics47 , die die Software auf den von ihnen vertriebenen Computern vorinstallieren. Außerdem wird direkt an die Endnutzer lizenziert, die die Programme auf ihren Computern nutzen. Insgesamt wird so der oben erwähnte Abdeckungsgrad von 88,2 % erzielt und die marktbeherrschende Position des Unternehmens begründet.
c) Mißbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung
Was unter einem Mißbrauch im Sinne von Art. 86 EGV zu verstehen ist, geht aus der Vorschrift nicht abschließend hervor. Art. 86 Abs. 2 Iit. a) bis d) EGV gibt allerdings anhand von Beispielstatbeständen Aufschluß darüber, unter welchen Umständen nach dem Willen des Vertrages von einem mißbräuchlichen Verhalten ausgegangen werden kann. Allerdings ist zu beachten, daß eine Maßnahme eines Marktbeherrschers zwar hinter den Voraussetzungen eines Beispiels zurückbleiben, trotzdem aber als Mißbrauch im Sinne von Art. 86 EGV zu qualifizieren sein kann. 48 Der EuGH hat den Begriff des Mißbrauchs grundsätzlich dahingehend in objektiver Weise konkretisiert, daß ihm Verhaltensweisen von Unternehmen in marktbeherrschender Stellung unterfallen, die der Aufrechterhaltung oder Entwicklung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem beherrschten und gerade deshalb geschwächten Markt hinderlich sind und unter Verwendung von Mitteln vorgenommen werden, die von den Mitteln des normalen Wettbewerbes auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen. 49 Dazu gehören, wie oben bereits angesprochen, auch Maßnahmen eines Marktbeherrschers, die sich auf einen anderen als den von ihm beherrschten Markt beziehen, wenn und soweit sich das Unternehmen dadurch eine Hilfstätigkeit oder eine abgeleitete Tätigkeit selbst auf die Gefahr hin vorbehält, jeglichen Wettbwerb auf diesem Markt auszuschalten. 50 Dadurch soll der Gefahr ent-
46 Zur dazu bestehenden Praxis der Kommission vgl. Groeben/ThiesinglEhlermannSchröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 87. 47 Wirtschaftswoche vom 30.10.1997, S. 102. 48 Groeben/ThiesingiEhlermann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 138. 49 EuGH Slg. 1979, S. 461, 541 (Hoffmann-La Roche); EuGH Slg. 1994 11, S. 755, 813 (Tetra-Pak). 50 EuGH Slg. 1994 11, S. 755, 813 (Tetra Pak); EuGH Slg. 1985, S. 3261, 3277 (CBEM); EuGH Slg. 1974, S. 223, 252 (Commercial Solvents).
III. Überprüfung nach Art. 86 EGV
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gegengewirkt werden, daß der Marktbeherrscher seine Stellung noch verstärkt oder über den maßgeblichen Markt hinaus auch auf andere Märkte ausdehnt SI
aa) Kopplungsgeschäft im Sinne von Art. 86 Abs. 2 Iit. d) EGV Nach Art. 86 Abs. 2 lit d) EGV handelt ein Unternehmen mißbräuchlich, wenn es Kopplungsgeschäfte vornimmt, in denen Produkte oder Dienstleistungen mit dem Vertragsgegenstand verbunden werden, die mit diesem weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung stehen. Geschützt werden soll damit die Handlungsfreiheit der Handelspartner des Marktbeherrschers, der Markt der zusätzlichen Leistung vor WettbewerbsverfiUschungen sowie der beherrschte Markt vor noch weiterer Vermachtung durch das bereits herrschende Unternehmen. S2 Kopplungsgeschäfte sind nicht nur beim Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch bei der Lizenzierung von Schutzrechten denkbar. Von einem direkten Schutzrechtsmißbrauch durch Kopplung ist dann auszugehen, wenn der Abschluß des vom Lizenznehmer begehrten Lizenzvertrages von der Abnahme zusätzlicher Lizenzen abhängig gemacht wird, die mit der Hauptlizenz in keinem zwingenden oder gebräuchlichen Zusammenhang stehen. s3 Ob es sich bei der Lizenzpraxis Microsofts um ein Kopplungsgeschäft im Sinne des Art. 86 Abs. 2 Iit. d) EGV handelt, hängt also davon ab, ob die Explorer-Lizenz in bezug auf die Windows-Lizenz eine zusätzliche Leistung darstellt, die des erforderlichen Zusammenhangs zur Hauptlizenz entbehrt. Die Voraussetzungen, unter denen ein solcher Zusammenhang anzuerkennen ist, werden von Kommission und EuGH restriktiv gehandhabt und im Einzelfall streng überprüft.
(1) Wirtschaftliche Rechtfertigung und Handelsbrauch Eine sachliche Beziehung zwischen dem Betriebssystem Windows und dem Browser Explorer könnte dahingehend bestehen, daß die Verbraucherpräferenzen hinsichtlich einer möglichst multifunktionalen Benutzeroberfläche mit integriertem Internet-Anschluß tatsächlich so weit gehen, daß sie die gemeinsame Vermarktung beider Softwareprodukte erfordern. Wie bereits dargestellt, hat Microsoft diese Entwicklung durch seine Geschäftspolitik gefordert und zu seinem Marktkonzept gemacht. Dadurch entstand eine Wechselwirkung zwischen wachsender Marktmacht und Maßgeblichkeit der Geschäftspolitik des
51
S2 53
LangenJBunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 154. Ebd. Eilmannsberger, in: EuZW 1992, S. 625, 630.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Unternehmens fiir die Entwicklung des gesamten Wettbewerbs auf dem Softwaremarkt. Die Grenze zwischen sachlichem Zusammenhang und Handelsbrauch ist hier demnach fließend. Ein Handelsbrauch kann denn auch dem Vorliegen eines mißbräuchlichen Kopplungsgeschäfts nicht abhelfen, wenn er allein auf dem Geschäftsgebaren des Marktbeherrschers basiert54 So liegt es jedoch hier. Es deutet alles darauf hin, daß der sachliche Zusammenhang zwischen Betriebssystem und Browser aus Vennarktungsgesichtspunkten eben nicht zwingend vorgegeben ist, sondern die zum Handelsbrauch erhobene Geschäftspolitik des Unternehmens weiter manifestieren und so dessen marktbeherrschende Stellung weiter ausbauen sol1.55 Wären die Verbraucherpräferenzen indessen so eindeutig, hätten die Computerhersteller, die an einem bestmöglichen Absatz ihrer Produkte interessiert sind, sich nicht gegen die Lizenzpraxis des Hauses Microsoft gewehrt. 56 Es ist auch nicht einsichtig, weshalb die marktgerechte synchrone Anordnung der Infonnationsquellen Festplatte, andere Speichennedien und Internet nicht durch die Installation eines frei gewählten Browsers erreicht werden können soll. Tatsächlich halten auch nur 46 % der Nutzer eine Integration des Explorers in das Windows-Betriebssystems fiir begrüßenswert. 57
(2) Rechtfertigung aus technischen Gründen Über die Frage sachlicher Rechtfertigung und der Existenz eines entsprechenden Handelsbrauches hinaus sind fiir das Vorliegen einer zusätzlichen Leistung jedoch noch weitere Gesichtspunkte entscheidend. Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls nach objektiven Maßstäben unter BerUcksichtigung des Nonnzwecks des Art. 86 EGV sowie System und Zielen des EGV, insbesondere Art. 3 lit g).58 Von Microsoft wird vorgebracht, daß die neueren Versionen von Windows und Explorer als einheitliches technisches Produkt stark miteinander verzahnt und deshalb nicht ohne technische
Groeben/ThiesingiEhlerrnann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 192. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Stellungnahme von WiIliam Neukom, Senior Vice President for law and corporate affairs bei Microsoft: ,,!t's our product and we get to define what's in it.", Wall Street Journal Europe vom 24.125.10.1997, S. 4. 56 Die Wirtschaftswoche vom 30.10.1997, S. 102, spricht in diesem Zusammenhang von einer "konzertierten Aktion"; Compaq gab auch nicht aus Einsicht in die Verbraucherpräferenzen nach, sondern weil die Windows-Lizenzen rur den Computerhersteller unverzichtbar sind (Senior Vice President John Rose behauptete allerdings offiziell das Gegenteil, Wall Street Journal Europe vom 24.125.10.1997, S. 4). 57 Fortune vom 2.2.1998, S. 50. 58 Langen/Bunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 157. 54
55
III. Überprüfung nach Art. 86 EGV
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Nachteile voneinander zu trennen seien. 59 Diese Nachteile seien nur durch den Erwerb bereits veralteter Versionen, insbesondere von Windows, zu umgehen. 60 Nach dem eben Gesagten kann dieser Umstand hier Berücksichtigung finden, wenn der EGV entsprechende Wertungen enthält. Der Gedanke, daß Wettbewerbsgesichtpunkte hinter technischen Notwendigkeiten zurückzustehen haben, findet sich in der Freistellungssystematik zu Art. 85 EGV. Mit der Lizenzierung von Schutzrechten befaßt sich die GVO zum Technologietransfer VO (EG) Nr. 240/96. In § 2 Abs. I Nr. 5 lit. a) dieser Verordnung heißt es, daß solche Verpflichtungen des Lizenznehmers, Erzeugnisse oder Dienstleistungen von dem Lizenzgeber zu beziehen, der Freistellung dann nicht entgegenstehen, wenn sie zur Gewährleistung einer technisch einwandfreien Nutzung der überlassenen Technologie notwendig sind. Der Anwendung dieses Gedankens auf Kopplungsgeschäfte eines Marktbeherrschers mit Urheberlizenzen stellen sich zwei grundsätzliche Einwände entgegen: Zum einen handelt es sich bei Art. 86 EGV im Gegensatz zu Art. 85 EGV um ein freistellungsfeindliches, unmittelbar wirkendes Verbot, zum anderen ergibt sich an dieser Stelle - wie bereits zuvor (s. o. S. 150 f.) - erneut das Problem der Anwendung der GVO zum Technologietransfer auf Urheberrechte, die auch bei der Lizenzierung von Software eine maßgebliche Rolle spielen. Diese nicht von der Hand zu weisenden Bedenken treten jedoch dann nicht auf, wenn man die genannte Vorschrift als Ausdruck eines Grundgedanken ansieht, der dem EG-Wettbewerbsrecht im allgemeinen zugrundeliegt und also auch im Rahmen des Art. 86 EGV Anwendung finden kann. Der Begriff der technischen Notwendigkeit spricht dafUr. Eine Notwendigkeit steht nicht zur Disposition, sondern hat absoluten Charakter. Eine Maßnahme, die im Rahmen einer Prüfung nach Art. 85 EGV als aus technischen Gründen erforderlich befunden wurde, behält diese Eigenschaft, auch wenn die Maßnahme nach Art. 86 EGV kontrolliert wird. Außerdem enthält Art. 86 EGV selbst in Abs. 2 Iit. b) die Aussage, daß der Zugang der Verbraucher zu einem erreichten Forschungs- und Entwicklungsstand ein wettbewerbspolitisch förderungswürdiges Ziel darstellt. Dieses Ziel würde durch dieselbe Vorschrift vereitelt, wenn nicht technische Notwendigkeiten zur Rechtfertigung von Kopplungsgeschäften auf der Grundlage der GVO zum Technologietransfer herangezogen werden könnten. Weiterhin fUr einen verallgemeinerungsfiihigen Grundgedanken der technischen Notwendigkeit spricht, daß auch die GVO zu Franchisevereinbarungen VO (EWG) Nr. 4087/88 in Art. 3 Abs. I lit. b) eine entsprechende Vorschrift enthält.
59 60
F. A. Z. vom 13.12.1997, S. 15. F. A. Z. vom 17.12.1997, S. 24.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Der in der Freistellungssystematik des Art. 85 EGV enthaltene und in den GVOen zum Ausdruck kommende Grundgedanke der technischen Notwendigkeit kann demnach rechtfertigende Wirkung auf Kopplungsgeschäfte im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit d) EGV entfalten. 61 Ob im Fall der Lizenzierung von Windows und Explorer tatsächlich ein technisches Kopplungsgebot besteht, kann hier nicht untersucht werden. Sollte es an dem sein, kann die Lizenzpraxis von Microsoft nicht als mißbräuchlich im Sinne von Art. 86 EGV eingestuft werden. Die Tatsache, daß es Microsoft ohne weiteres möglich war, auf Drängen der Antitrust-Abteilung des amerikanischen Justizministeriums zwei technisch unabhängige Versionen von Windows und Explorer auf den Markt zu bringen, spricht allerdings dagegen, daß je eine unerläßliche technische Verbindung zwischen den Produkten bestanden hat. bb) Gleichfalls verwirklichte Beispielstatbestände Die Kopplung der Explorer-Lizenz an die Windows-Lizenz könnte außerdem als Erzwingung einer unangemessenen Geschäftsbedingung im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit. a) einzustufen sein. Art. 86 Abs 2 lit. d) geht dem jedoch aus Gründen der Spezialität vor. 62 Gleichfalls als unangemessene Geschäftsbedingung in der Form der Verwendungsbeschränkung könnte die Verpflichtung des Computerherstellers Compaq zur Reinstallation des Explorer-leons in die Benutzeroberfläche zu werten sein. Das Kopplungsgeschäft, zu dem diese Maßnahme nur Mittel war, ist jedoch auch hier spezieller. Entsprechendes gilt fiir die angedrohte Lieferverweigerung, mit der das Kopplungsgeschäft nach Angaben der Computerhersteller durchgesetzt worden ist. 4. Zusammenfassung
Ob Microsoft seine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt fi1r Lizenzen rur Betriebssysteme mißbraucht hat, um mittels eines Kopplungsgeschäfts im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit. d) seine Marktmacht zu verstärken und auf den relevanten Markt rur Browser-Lizenzen auszudehnen, hängt von der Frage der technischen Notwendigkeit der Verknüpfung beider
61 So auch Eilmannsberger, in: EuZW 1992, S. 625, 630 u. GroebenIThiesinglEhlermann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 193. 62 Groeben/ThiesinglEhlermann-Schröter, Art. 86 EGV, Rdnr. 195.
IV. Kontrolle nach dem GWB
189
Lizenzen ab. Wegen der marktbeherrschenden Stellung von Microsoft kann eine Überprüfung nach Art. 85 EGV aus praktischen Gründen entfallen.
IV. Kontrolle nach dem GWB Kopplungsgeschäfte sind vielfach Gegenstand des GWB. Zunächst unterliegen sie nach § 16 Nr. 4 GWB der Mißbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde. Ein Verbot von Kopplungsgeschäften enthalten demgegenüber die §§ 17, 18 GWB, wenn es sich bei dem koppelnden Gut um ein Patent, ein ähnliches gewerbliches Schutzrecht, technisches Know-how oder Saatgut handelt. Außerdem unterfallen Kopplungsgeschäfte den Generalklauseln der §§ 19 Abs. 1,4,20 Abs. 1 GWB fiir marktbeherrschende und §§ 20 Abs. 2, 4 GWB für sogenannte relativ marktstarke Unternehmen.
1. Anwendbare Vorschriften Die Rechtsfolgen der die Kopplungsgeschäfte betreffenden Vorschriften im GWB sind ebenso wie im EGV unterschiedlich. Computerprogramme können zwar neben dem urheberrechtlichen auch patentrechtlichen oder warenzeichenrechtlichen Schutz genießen und deshalb den §§ 17, 18 GWB unterfallen. 63 Je nachdem kommen also entweder die §§ 17, 18 oder § 16 GWB zur Anwendung. Die §§ 19 und 20 GWB bleiben neben diesen Vorschriften jedoch jedenfalls anwendbar. 64 Die Beurteilung nach Art. 86 EGV hat ergeben, daß Microsoft deutlich als marktbeherrschend im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Ein - zwar noch näher darzustellendes - davon abweichendes Ergebnis nach deutschem Recht wäre sinnwidrig, so daß von der Anwendbarkeit der §§ 19, 20 GWB zunächst auszugehen ist. Kopplungsverträge sind nach deutschem Recht jedenfalls dann nicht mehr als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie von marktbeherrschenden Unternehmen abgeschlossen werden, weil in diesem Fall davon auszugehen ist, daß Macht vom beherrschten Markt auf dritte Märkte ausgedehnt werden sol1.65 Kartellbehörden und Gerichte gehen in solchen Fällen in der Regel denn auch von einem Verstoß gegen §§ 20, 21 Abs. 2 GWB aus.
63 Dazu umfangreich Dreiss, S. 95 ff. ImmengaIMestrnäcker-Emmerich, § 20 GWB, Rdnr. 340. 65 Emmerich, Kartellrecht, S. 265 f.
64
190
G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
2. Verbot der mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1,4 GWH Im Gegensatz zum europäischen Kartellrecht enthält das GWB Legaldefinitionen und gesetzliche Vermutungen zum Begriff der Marktbeherrschung. Die Anwendung dieser Vorschriften setzt jedoch zunächst die Abgrenzung des Marktes voraus. a) Sachliche und räumliche Mark/abgrenzung
Wie im europäischen Recht erfolgt die Marktabgrenzung in sachlicher Hinsicht nach der funktionellen Austauschbarkeit aus der Sicht des Verbrauchers. 66 Es kann also sinngemäß auf die Ausftlhrungen auf S. 127 ff. verwiesen werden. Auch rur die Beurteilung der Lizenzpraxis von Microsoft nach dem GWB ist also zwischen dem von dem Unternehmen beherrschten Markt filr Betriebssysteme und dem beeinflußten Markt filr Internet-Browser zu unterscheiden. Für die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes ist auf die räumlich gegebenen Austauschmöglichkeiten aus der Sicht der Abnehmer abzustellen. 67 Der räumlich relevante Markt ist nach oben durch das Bundesgebiet begrenzt68 und ist in kleinere räumliche Teilmärkte zu spalten, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen regional limitiert sind. 69 Das ist vorliegend nicht der Fall. Microsoft-Software-Lizenzen werden bundesweit vertrieben, treten mit Konkurrenzprodukten bundesweit in Wettbewerb und sind deshalb bundesweit mit diesen austauschbar. Es gibt also einen bundesweiten Markt filr Betriebssystem-Lizenzen und einen bundesweiten Markt filr Browser-Lizenzen. b) Beherrschung des Markts
Vorliegend geht es darum, ob Microsoft seine Marktmacht vom Markt filr Betriebssystem-Lizenzen auf den Markt filr Browser-Lizenzen durch entsprechende Kopplungsgeschäfte ausgedehnt hat. Zu untersuchen ist also die 66 BGH WUW/E 1445, 1447 ("Valium"); BGH WUW/E 1711, 1714 ("Mannesmann-Brueninghaus"); BGH WUW/E 2150, 2153 ("Edelstahlbestecke") stellen ebenfalls auf Eigenschaften, Verwendungszweck und Preislage ab. 67 Langen/Bunte-Ruppelt, § 22 GWB, Rdnr. 25. 68 BGH WUW /E 3026, 3029 ("Backofenmarkt") 69 BGH WUW/E 3037, 3042 ("Raiffeisen").
IV. Kontrolle nach dem GWB
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marktbeherrschende Stellung des Unternehmens auf dem Markt fUr Betriebssystem-Lizenzen nach § 19 GWB. Wie die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens zu bestimmen ist, richtet sich nach § 19 Abs. 2 G WB danach, ob es noch andere Anbieter auf dem Markt gibt und ob zwischen dem Unternehmen und diesen Anbietern wesentlicher Wettbewerb besteht. Wie bereits ausgefUhrt, beträgt der Marktanteil von Microsoft auf dem Markt fUr Betriebssysteme 88,2 %. Die umfangreiche Untersuchung, ob bei diesen Marktverhältnissen noch wesentlicher Wettbewerb möglich ist, kann unterbleiben, wenn bereits die Marktbeherrschungsvermutungen nach § 19 Abs. 3 GWB eingreifen. Nach § 19 Abs. 3 Satz. t GWB ist ein Unternehmen als marktbeherrschend anzusehen, wenn sein Marktanteil fUr eine bestimmte Art von Waren mindestens ein Drittel beträgt. Das Unternehmen Microsoft mit einem Marktanteil von über 80 % kann also als marktbeherrschend im Sinne des GWB bezeichnet werden. c) Kopplungsgeschäfte als Behinderungsmißbrauch im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB oder als Ausbeutungsmißbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB
Ein Behinderungsmißbrauch liegt nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB vor, wenn die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer fUr den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt werden. Kopplungsgeschäfte können einen Behinderungsmißbrauch bezogen auf Drittmärkte darstellen, weil die Gefahr besteht, daß marktbeherrschende Unternehmen ihre Macht auf den Markt fUr das gekoppelte Gut übertragen und dadurch ihre Abnehmer sowie Wettbewerber auf diesem Markt in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit behindern. 70 Demgegenüber können Kopplungsgeschäfte auch als Ausbeutungsmißbrauch im Sinne eines Konditionenmißbrauchs nach §§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB bewertet werden. 71 Dazu müßte die Kopplung als Geschäftsbedingung angesehen werden, die von denjenigen abweicht, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Für die Unterscheidung soll es darauf ankommen, ob die horizontale oder vertikale Behinderung oder der Ausplünderungseffekt gegenüber dem Vertragspartner im Vordergrund steht. 72 Im Fall Microsoft flillt es angesichts der unentgeltlichen Abgabe der Explorer-Lizenz schwer, von Ausplünderung des Vertragspartners zu sprechen. 70 Westrick/Loewenheim, § 22 GWB, Rn. 50; LangenIBunte-Schultz, § 22 GWB, Rdnrn. 105, 115 ff.; Imrnenga/Mestmäcker-Möschel, § 22 GWB, Rdnr. 132. 71 Burkert, S. 392. 72 Immenga-Mestmäcker-Möschel, § 22 GWB, Rdnr. 172.
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Vielmehr wird es dem Unternehmen darum gehen, den Wettbewerber Netscape durch den Einsatz seiner Macht auf dem Markt rur Betriebssysteme aus demjenigen rur Browser-Software zu verdrängen, um den verspäteten Start auf diesem Markt wieder wettzumachen. Einschlägig ist hier also ein Behinderungsmißbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB. Ob ein sachlich rechtfertigender Grund rur die Beeinträchtigung vorliegt, kann nur durch eine umfassende Abwägung der Interessen aIIer Beteiligten ermittelt werden, die die Zielsetzung des Gesetzes, die Freiheit des Wettbewerbs zu sichern, zu berücksichtigen hat. 73 Als objektive Maßstäbe innerhalb dieser Wertungsfrage fungieren Wertentscheidungen, die der Gesetzgeber selbst in vergleichbaren FäIIen vorgenommen hat. Behinderungshandlungen marktbeherrschender Unternehmen können nicht sachlich gerechtfertigt sein, wenn das Verhalten andere karteIIrechtliche Verbotstatbestände erruIIt. 74 In Frage kommt hier ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB. AIIerdings setzt auch ein Verbot nach dieser Vorschrift eine Interessenabwägung voraus, um die Unbilligkeit der Maßnahme bzw. das Fehlen eines sachlich gerechtfertigten Grundes zu ermitteln. 3. Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 1 GWB § 20 Abs. I GWB verbietet marktbeherrschenden Unternehmen die unbillige Behinderung anderer Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.
a) Anwendbarkeit aufDrittmärkte Die Anwendung von § 20 Abs. 1 GWB auf Drittmarktbehinderungen ist problematisch. Ein solcher problematischer Fall sind Kopplungsgeschäfte mit Produkten, die unterschiedlichen sachlichen Märkten zuzurechnen sind. 75 Kernpunkt der zur Drittmarktbehinderung nach § 20 Abs. I G WB bestehenden Kontroverse ist, auf welche Weise der beherrschte und der behinderte Markt miteinander verknüpft sein müssen, um die Anwendung der Vorschrift zu rechtfertigen. Der BGH entschied zunächst, daß es rur die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB auf eine Behinderungshandlung ausreiche, wenn sich die marktbeherrschende Stellung des diese Maßnahme vornehmenden Unter-
73
74 75
Langen/Bunte-Schultz, § 22 GWB, Rdnr. 109. Langen/Bunte-Schultz, § 22 GWB, Rdnr. 110. Immenga/Mestmäcker-Markert, § 26 GWB, Rdnr. 81.
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nehmens über den beherrschten Markt hinaus auf einen anderen Markt auswirke. 76
aa) Restriktive Interpretation Ob die diesem Urteil folgende Entscheidung77 des BGH diese Rechtsprechung konkretisierte oder einschränkte, ist eine Frage der Interpretation. In diesem Urteil fUhrt der BGH aus, bislang seien nur Fälle entschieden worden, in denen das behindernde sowie das behinderte Unternehmen auf demselben Markt tätig gewesen seien und eines von ihnen die marktbeherrschende oder marktmächtige Stellung innegehabt hätte. Hingegen sei nicht der Fall erfaßt gewesen, daß das behinderte Unternehmen auf dem beherrschten Markt nicht tätig war. 78 Auch nach einer in Literatur und Rechtsprechung der Obergerichte vertretenen Ansiche9 ist die Anwendung von § 20 Abs. 1 GWB auf Drittmarktbehinderungen restriktiv zu handhaben. Die Auswirkungsrechtsprechung des BGH sei nicht so zu verstehen, daß jegliche wirtschaftliche Auswirkung auf Drittmärkte ausreiche, solange das behindernde Unternehmen auf einem beliebigen Markt eine beherrschende Stelluung innehabe. Vielmehr sei gemeint, daß der Erfolg der wo immer stattfmdenden Behinderungshandlung auf dem beherrschten Markt eintreten müsse, mit anderen Worten also beherrschter und behinderter Markt identisch sein müßten80, jedenfalls aber der Marktbeherrscher auch auf dem behinderten Markt tätig sein müsse. 81 Insbesondere sei § 20 Abs. 1 GWB kein Instrumentarium, marktbeherrschende Unternehmen an der Ausdehnung ihrer Marktmacht auf Drittmärkte zu hindern. 82 bb) Schutzzweckorientierte erweiterte Interpretation Demgegenüber läßt sich argumentieren, es sei gerade ein Grund fUr die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB, wenn die durch die beherrschende Stellung BGH WUWIE 1911, 1914 ("Meierei-Zentrale"). BGH WUWIE 2483, 2490 ("Sonderungsverfahren"). 78 So liegt es jedoch hier: Die zur Abnahme der Explorer-Lizenz gezwungenen ComputerherstelIer sind auf dem Markt rur Computersoftware nicht tätig. 79 OLG Düsseldorf, WUWIE 725, 729 f. ("Marktfreie Milcherzeugnisse"); KG WUWIE OLG 3183, 3184 ("Versicherung von Fernsehreparaturkosten"): Pescher, S.143. 80 OLG Düsseldorf, WUWIE 725, 729 f. ("Marktfreie Milcherzeugnisse"). 81 KG WUWIE OLG 3183, 3184 ("Versicherung von Fernsehreparaturkosten"). 82 Pescher, S. 143. 76
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13 Kreutzmann
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auf dem einen Markt erlangten Verbindungen zu Abnehmern auf einem anderen Markt als Zugkraft für den Absatz eines Produktes eingesetzt wür" den. 83 Es komme nämlich darauf an, daß mittels der Machtstellung sonst im Wettbewerb nicht erreichbare machtbedingte Vorteile durchgesetzt würden, was den Zielsetzungen des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderlaufe. 84 Gerade hierin bestehe die Auswirkung von Marktmacht auf den Drittmarkt, die die Anwendung von § 20 Abs. 1 GWB rechtfertige. Einer zu befürchtenden Ausweitung des Tatbestands könne zum einen im Wege der Interessenabwägung85 , zum anderen durch eine normative KausalitätsprUfung in dem Sinne begegnet werden, daß die Wettbewerbsbenachteiligung gerade durch die Marktbeherrschung, wenn auch auf einem anderen Markt, verursacht worden sei. 86 Auf diese Weise trage man den Ausstrahlungen Rechnung, die der marktbeherrschenden Stellung und den durch sie eröffneten Verhaltensspielräumen auf angrenzenden Märkten zukommen. 87 Kopplungsgeschäfte seien ein solcher FaIl der Auswirkung von Marktmacht auf Drittmärkte und deshalb von der Vorschrift in der Regel erfaßt. 88 Die Erfassung von Drittmarktbehinderungen durch § 20 Abs. 1 GWB sei außerdem gesetzessystematisch begrUndbar: Die Vorschrift sei im Falle marktbeherrschender Unternehmen ein konkretisierender UnterfaIl des § 19 GWB, der sich kraft ausdrücklicher Normierung auf Drittmarktauswirkungen erstrecke. 89 Eine einheitliche Behandlung dieser Fälle durch beide Vorschriften sei im Hinblick auf deren weitgehend identischen Schutzzweck geboten. 90
cc) Kritische Würdigung Die im Zusammenhang mit der Drittmarktproblematik ergangenen Entscheidungen beziehen sich jeweils auf eine bestimmte FallkonsteIlation, wodurch es schwer gemacht wird, bei der Komplexität der denkbaren Fallgestaltungen in bezug auf die Ausnutzung von Marktmacht dieser Rechtsprechung
83 84
KG WUWIE OLG 3124,3132 f. ("Milchaustauschfuttermittel") BKartA WUWIE 1781, 1783 f. ("ldentteile"); Immenga, in: GRUR 1989,
S. 146, 147. 85 ImmengaIMestmäcker-Marleert, § 26 GWB, Rdnr. 81. 86 Immenga, in: GRUR 1989, S. 146, 147; Mäschel, Pressekonzenztration, S. 129. 87 Ulmer, Schranken, S. 114; rur eine Drittmarkterstreckung auch Bellee, in: ZHR 138 (1974), S. 227,260. 88 WestrickILoewenheim-Loewenheim, § 26 GWB, Rdnr. 41; Baur, S. 204, Fn. 17. 89 Mäschel, Rdnr. 624. 90 ImmengaIMestmäcker-Marleert, § 26 GWB, Rdnr. 81.
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verallgemeinerungsfllhige Aussagen zu entnehmen. Hiervon macht die generelle Aussage des BGH, Maßnahmen marktbeherrschender Unternehmen seien dann von § 20 Abs. 1 GWB erfaßt, wenn die marktbeherrschende Stellung gerade auf dem Markt bestehe oder sich auswirke, auf dem das betroffenen Unternehmen behindert oder unterschiedlich behandelt werde, eine Ausnahme, weil sie im Wege eines obiter dictum erfolgt ist. Bei Licht betrachtet, handelt es sich bei den folgenden Entscheidungen des OLG, des KG und des BGH immer wieder um mehr oder weniger - meistens weniger - generalisierende Interpretationen und Einschränkungen dieser Aussage im Hinblick auf den konkret zur Entscheidung stehenden Fall. Bis auf eine Ausnahme 91 hat die Auswirkungsrechtsprechung des BGH in der Literatur im Grundsatz allgemeine Zustimmung gefunden. Man ist sich einig darin, daß Identität zwischen beherrschtem und behindertem Markt im Hinblick auf die Zielsetzungen des GWB beim Umgang mit marktbeherrschenden Unternehmen nicht erforderlich ist. Daß der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 GWB nicht absolut auf den beherrschten Markt zu begrenzen ist, sondern es auf die Auswirkungen der Marktbeherrschung auf Drittmärkte ankommt, kann also festgestellt werden. Zur Diskussion steht jedoch weiterhin, welche Anforderungen an diese Auswirkungen zu stellen sind. Die Argumentation der herrschenden Meinung in der Literatur läuft darauf hinaus, daß die tatsächlich erfolgte Behinderung eines Unternehmens auf einem Drittmarkt durch wettbewerb lieh nicht durchsetzbare Praktiken ein Indiz filr die Auswirkung der Marktbeherrschung auf diesen Markt darstellt. Wäre dem nicht so, könnte das behindernde Unternehmen seine Maßnahmen nicht durchsetzen und damit das andere Unternehmen nicht behindern. Das Problem wird dadurch von der Frage der Marktbeherschung auf die Frage verlagert, ob die in Rede stehende Maßnahme mit den Mitteln des Wettbewerbs erreichbar ist oder sich als Folge der Ausübung von Marktmacht darstellt. Dadurch nähert man die TatbestandsprUfung nach § 20 Abs. 1 GWB derjenigen nach § 19 GWB an, was im Hinblick auf die von dieser Ansicht hervorgehobenen identischen Schutzzwecke der bei den Vorschriften auch nur konsequent ist. Diese Sichtweise genießt gegenüber den gegenteiligen Meinungen in der Rechtsprechung bereits den Vorzug, daß sie eine schlüssige, nachvollziehbare Begründung liefert, die nicht auf den Einzelfall bezogen ist, sondern generelle Aussagen enthält. Die dogmatische Richtigkeit und damit die Vorzugswürdigkeit dieser Ansicht hängt davon ab, ob die Vorschriften des § 19 und des § 20 Abs. 1 G WB sich ihrem Schutzzweck nach tatsächlich so nahe stehen, daß die von der herr-
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Pescher, S. 142 f.
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schenden Lehre vorgeschlagene einander angenäherte TatbestandspTÜfung gerechtfertigt ist. Zweck beider Vorschiften ist die Wahrung der vom GWB erstrebten Wettbewerbsordnung im Hinblick auf die gesteigerte Marktmacht von Unternehmen. 92 Dieser Institutionsschutz wird erreicht durch den Individualschutz in Form von Erhaltung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, Schutz vor Behinderungen und Marktzugangsbeschränkungen und anderem mißbräuchlichen Einsatz wirtschaftlicher Macht. Das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB kann dabei als Regulativ zum erweiterten Handlungsspielraum angesehen werden, der sich einem Unternehmen aufgrund seiner Marktbeherrschung eröffnet.93 Es ist nicht einsichtig, weshalb dieses Prinzip auf den beherrschten Markt begrenzt werden sollte. Daß ein Unternehmen andere Unternehmen auch auf nicht von ihm beherrschten Märkten behindern kann, zeigt gerade, daß sein Handlungsspielraum aufgrund seiner Marktmacht in diesem Maße erweitert ist und also in demselben Maße durch die Mißbrauchsaufsicht im Interesse der Erhaltung eines funktionsfiihigen Wettbewerbs reguliert werden muß. Für diese Fragen kann es keine Rolle spielen, ob das behindernde und das behinderte Unternehmen auf demselben Markt tätig sind und ob es sich bei diesem Markt um den beherrschten oder einen diesem benachbarten Markt handelt. Vielmehr ist entscheidend, ob sich die Behinderung auf dem Drittmarkt als ein Ausfluß von Marktbeherrschung darstellt, also nicht mit den Mitteln des Wettbewerbs erreichbar gewesen ist. Als Ausgleich zu dieser schutzzweckorientierten erweiterten Auslegung des § 20 Abs. 1 GWB ist ist eine sorgflUtige KausalitätspTÜfung der Drittmarktbehinderung sowie eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. b) Gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr
Dieses Merkmal ist objektiv zu bestimmen, um zu verhindern, daß dessen Maßstäbe durch das marktbeherrschende Unternehmen gesetzt werden. 94 Ihm kommt vor allem in Diskriminierungsfällen Bedeutung zu, da eine unterschiedliche Behandlung nur bei Vergleichbarkeit der Objekte festgestellt werden kann. Hier geht es um die Behinderung des Wettbewerbers Netscape. Auf die Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen kommt es insoweit nicht an.
92 93 94
ImmengaIMestmäcker-Markert, § 22 GWB, Rdnr. 11,§ 26 GWB, Rdnr. 69. LangenlBunte-Schultz, § 26 GWB, Rdnr. 58. Emmerich, Kartellrecht, S. 304.
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c) Unbillige Behinderung durch Kopplungsbindungen
Durch die Lizenzkopplung von Windows und Explorer wird Netscape in der Lizenzierung seiner Navigtor-Software behindert. Diese Behinderung findet auf dem Browser-Markt statt, während die marktbeherrschende Stellung Microsofts auf dem Markt filr Betriebsysteme besteht. Nach der hier vertretenen Ansicht zu Drittmarktbehinderungen ist zunächst zu prüfen, ob diese Behinderung auf den Einsatz von Marktrnacht oder den Gebrauch wettbewerblicher Mittel zurückzuftlhren ist. Zwar sind die Gerüchte, Microsoft habe die Computerhersteller zur einheitlichen Lizenzabnahme gezwungen, von Compaq selbst dementiert worden. Tatsache ist jedoch, daß es von Abnehmerseite deutliche Tendenzen gegen die Kopplung gegeben hat, die sich im Hinblick auf die Marktmacht Microsofts in bezug auf Betriebssysteme nicht haben durchsetzen können. Das Vorgehen des Unternehmens stellt sich denn auch als Fortftlhrung der bewährten Erfolgsstrategie dar: Zunehmende Integration in das Betriebssystem unter Einsatz von Marktrnacht zur Steigerung derselben. Die Kopplung kann also nicht als das Ergebnis eines Wettbewerbsprozesses eingestuft werden, sondern stellt sich als Ausdehnung von Marktmacht auf einen Drittmarkt dar. Die Anwendung des § 20 Abs. I GWB auf diesen Fall der Drittmarktbehinderung ist also gerechtfertigt. Auf der folgenden Stufe ist zu klären, ob die Behinderung unbillig ist. Dies erfolgt durch eine Interessenabwägung im Hinblick auf die im Einzelfall ausgelöste Hebelwirkung und den mit der Kopplung verfolgten Zweck. 95 Die hier ausgelöste Hebelwirkung besteht darin, daß der Marktanteil Netscapes um 15 % gesunken ist. Dem steht der behauptete Zweck gegenüber, die einwandfreie Funktionsflihigkeit der gekoppelten Programme zu gewährleisten. Hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung im Hinblick auf die technische Zusammengehörigkeit der gekoppelten Produkte kann auf die Ausführungen zu Art. 86 EGV verwiesen werden (s. o. S. 186 ff.). Gründe der einwandfreien Funktionsflihigkeit der gekoppelten Produkte haben in der Entscheidungspraxis des BKartA wiederholt eine Rolle gespielt. 96 Eine einheitliche Behandlung nach EG-Kartellrecht und GWB ist in diesem Zusammenhang auch notwendig: Die sachliche und handelsübliche Zugehörigkeit stellt eine Unterordnung des Kartellrechts unter die tatsächlichen Gegebenheiten dar. Das Kartellrecht darf nicht der bloßen Vermarktung einheitlicher Produkte entgegenstehen, gleich, worauf diese Einheitlichkeit beruht, solange sie tatsächlich besteht.
ImmengaJMestmäcker-Markert, § 26 GWB, Rdnr. 272. WuW /E BKartA 1781, 1787 f. ("Handpreisauszeichnungsgerät"); WUWfE BKartA 1189, 1193 f. ("Identteile"). 95
96
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
V. Zusammenfassung Die TatbestandsertUlIung nach § 20 Abs. I GWB und damit auch das Bestehen eines sachlich gerechtfertigten Grundes nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB hängt ebenso wie das Bestehen einer sachlichen Rechtfertigung im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit. d) EGV von der technischen Zusammengehörigkeit der Programme Windows und Explorer ab. Im Falle dieser Zusammengehörigkeit kann die Kopplung zwischen den tUr diese Programme erforderlichen Lizenzen weder nach dem EGV noch nach dem GWB verboten werden. Ob eine sachliche Rechtfertigung tatsächlich besteht, kann hier nicht geklärt werden. Wenn aber die Installation des Explorers tUr die einwandfreie Funktion von Windows erforderlich ist, dürfen die Kartellvorschriften von EGV und GWB der Weiterentwicklung des Betriebssystems nicht entgegenstehen. Nur so kann das wettbewerbspolitisch tOrderungswürdige Ziel erreicht werden, den Verbrauchern den Zugang zu einem erreichten Forschungs- und Entwicklungsstand der am Markt präsenten Produkte zu ermöglichen. Kartellvorschriften sind nicht Selbstzweck, sondern haben die Aufgabe, das Funktionieren des Wettbewerbs zu gewährleisten. Dieses Ziel läuft leer, wenn zwischen den Produkten am Markt keine Konkurrenz besteht. Grundvoraussetzung tUr die Konkurrenz von Produkten ist aber die Möglichkeit, das eigene Produkt ständig weiterzuentwickeln und ihm so einen Vorsprung am Markt zu verschaffen.
VI. Darstellung der Rechtslage in den Vereinigten Staaten Zum Vergleich und besseren Verständnis soll im folgenden die amerikanische Rechtslage in ihren Grundzügen dargestellt werden: Unter "tying arrangements" oder "tie-ins" versteht das amerikanische Kartellrecht die Bedingung seitens des Veräußerers oder Lizenzgebers, daß das gewünschte Produkt nur bei Abnahme eines weiteren - gewünschten oder nicht gewünschten - Produkts abgegeben wird. 97 Begrifflich davon zu unterscheiden sind "tyings", die allgemein die Bindung des Lizenznehmers bezeichnen. 98 Die spezielle Norm tUr tying arrangements ist § 3 Clayton Act, der immer dann Anwendung findet, wenn durch eine Vertragsbestimmung der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird oder der Veräußerer oder Lizenzgeber eine Monopolstellung innehat. 99 Im letzteren Fall oder in Fällen des Aufbaus einer Monopolstellung können "tying arrangements" aber auch § 2 Sherman Act unterfallen. Schließ97 98
99
Black, "Tying arrangements", S. 1519. Black, "Tying", S. 1519. Antitrust Law Developments, S. 41.
VI. Darstellung der Rechtslage in den Vereinigten Staaten
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lich können "tying arrangements" nach der "rule of reason" des § 1 Sherman Act verboten sein. 100 Auch im amerikanischen Kartellrecht gilt die "ursprüngliche, fortdauernde und grundlegendste Sorge der Hebelfunktion der Kopplungsbindungen".lol Das Prinzip, das die auf dem einen Markt gebildete wirtschaftliche Macht benutzt wird, um die Wettbewerbs strukturen auf einem anderen Markt für die eigene Position günstig bis zur Bildung von MonopolsteIlungen zu beeinflussen, wird demnach auch vom amerikanischen Kartellrecht mißbilligt. Der "rule of reason" soll nach der Rechtsprechung des Supreme Court dann Genüge getan sein, wenn eine Partei eines "tying arrangements" über ausreichend wirtschaftliche Macht verfügt, um den freien Wettbewerb auf dem Markt des gekoppelten Produkts zu beschränken. 102 Diese wirtschaftliche Macht wird im Falle eines Ausschließlichkeitsrechts für das koppelnde Produkt als gegeben erachtet 103 , so daß § 1 Sherman Act nach der Rechtsprechung des Supreme Court im Regelfall auf "tying arrangements" im Zusammenhang mit (Patent-) Lizenzvereinbarungen Anwendung findet. 104 Im Fall Microsoft ist das Kriterium der wirtschaftlichen Macht indessen bereits aufgrund von Größe und Bedeutung des Unternehmens als gegeben zu erachten. Wie im deutschen und europäischen Kartellrecht sind Kopplungsbindungen im amerikanischen Recht allerdings nicht schlechthin, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen verboten. Dazu gehört, das es sich bei koppelndem ("tying") und gekoppeltem ("tied") Gut um zwei verschiedene Produkte handelt lO5 und daß der Käufer oder Lizenznehmer in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Abnahme des gekoppelten Gutes beschränkt wird. 106 Bezüglich dieser tatbestandlichen Schranken besteht also Kongruenz hinsichtlich der europäischen und deutschen Rechtslage. Weiterhin existiert auch nach amerikanischem Recht die Möglichkeit der Rechtfertigung der Wettbewerbsbeschränkung (,justified ties"). Die "rule of reason" kann hierfür jedoch nur im Rahmen des § 1 Sherman Act herangezogen werden, da es auf das Vorliegen eines "unreasonable restraint" nur im Rahmen der Prüfung dieser Norm ankommt. 107
Areeda, S. 10. Areeda, S. 6, wörtlich übersetzt. 102 Northern Pacific Railway v. United States, 356 U. S. I (1958). 103 United States v. Loew's Inc., 371, U. S. 38 (1962). 104 United States v. Loew's Inc., 371, U. S. 49-50 (1962). 105 Antitrust Law Developments, S. 41, Areeda, S. 11. 106 Areeda, S. 11. 107 Black, "Rule ofreason", S. 1332. 100 101
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G. Kartellrechtliche Beurteilung von Lizenzkopplungen
Eine sachliche Rechtfertigung ist jedoch auch als Ausnahme nach § 2 Shennan Act und § 3 C1ayton Act anerkannt, wenn ihre legitime Funktion nachgewiesen und diese nicht durch eine weniger wettbewerbsbeschränkende Maßnahme errullt werden kann. 108 Als legitime Funktion ist die Verbesserung des koppelnden Produkts, auf die Microsoft sich beruft lO9, anerkannt.!10 Das Augenmerk richtet sich also auch innerhalb der Diskussion in den Vereinigten Staaten um den Microsoft-Fall auf die Frage, ob die Lizenzen rur das Betriebssystem Windows und den Browser Explorer aufgrund ihrer technischen Zusammengehörigkeit ein "integriertes"!!! Produkt bilden oder ob zwischen ihnen eine Kopplung von sachlich und technisch voneinander unabhängigen Produkten besteht.
108 Areeda, S. 370. 109S.F.A.Z.v.17.12.1997,S.24. 110 Areeda, S. 212. 111 So Microsoft, vgl. F. A. Z. v. 13.12.1997, S. 15.
H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung Sollen bereits bestehende Werke in ein Multimedia-Werk integriert werden, muß von jedem einzelnen Rechtsinhaber eine Lizenz eingeholt werden, wenn das Multimedia-Produkt legal entstehen soll. Die zu erwerbenden Lizenzen lassen sich ihrem Verwendungszweck entsprechend in Gruppen einteilen: Erforderlich sind zunächst Lizenzen fiir die Verwertung von Musikwerken, und zwar die Nutzungsrechte fiir das Vervielfiiltigungs- und Verbreitungsrecht sowie in einigen europäischen Ländern das Synchronisationsrecht zur Verbindung des Musikwerkes mit Wort und Bild.\ Weiterhin notwendig ist der Erwerb von Lizenzen fiir die Bereiche Text, Fotographien und Werke der bildenden Kunst sowie Filme und Videos. Nun ist es keinesfalls so, daß mit ein bis zwei Lizenzen aus jedem dieser Bereiche die Multimedia-Produktion in der Regel urheberrechtIich legalisiert wäre. Die Besonderheit der neuen Technologie gegenüber traditionellen Medien liegt gerade in ihrer Multidimensionalität. Die durch sie eröffueten Möglichkeiten der vielfiiltigen Integration machen es notwendig, bei Produktionen, die diese Möglichkeiten ausschöpfen, mehrere hundert Lizenzen einzuholen. 2 Ein derart umständlicher Rechteerwerb ist unwirtschaftlich. Es ist also nötig, den Rechteerwerb zu vereinfachen, wenn das Gewinnstreben der Multimedia-Produzenten wirkungsvoll fiir den Fortschritt und die Etablierung der neuen Technologie eingesetzt werden sol1.3
I. Kollektive Modelle Auf die Möglichkeiten der vereinfachten Rechtewahrnehmung im Multimedia-Bereich durch Permission Clearance Services oder One-Stop-ShopSysteme ist bereits hingewiesen worden (s.o S.34). Die Europäische Kommission hat in ihrem Grünbuch zum Urheberrecht und verwandten Schutzrechten in der Informationsgesellschaft angeregt, daß derartige Organisationen \ KreiielBecker, in: GRUR Int. 1996, S. 677, 690. KreiielBecker, in: GRUR Int. 1996, S. 677, 690 nehmen Bezug auf eine CDROM über Carl OrtT mit musikalischen, tänzerischen oder schauspielerischen Darbietungen, Fotographien, Werken der bildenden Kunst und der Literatur, also ein "Standard-Werk" im Offline-Multimedia-Bereich. J Gaster, in: ZUM 1995, S. 740, 751. 2
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung
in der EG zur Vereinfachung der Verwaltung von Rechten im MultimediaBereich geschaffen werden mögen. 4 Daneben soll jedoch die Möglichkeit der individuellen Rechtewahrnehmungjedenfalls erhalten bleiben. 5 Ein wesentliches Problem bei der kollektiven Rechtewahrnehmung im Multimedia-Bereich besteht darin, ob die Wahrnehmungsverträge, die die Verwertungsgesellschaften mit den Rechtsinhabern geschlossen haben, auch die Digitalisierung von Werken und ihre Aufnahme in eine Multimedia-Produktion umfassen. Die Verwertungsgesellschaften können in die zentralen AnlaufsteIlen nämlich nur das einbringen, was sie selbst besitzen. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Maß an Rechtsunsicherheit, dem durch Vertragsanpassung zu begegnen ist 6 1. Permission Clearance Service
Ein erster Schritt in Richtung eines vereinfachten Rechteerwerbs wird durch die Informationsbeschaffung und Rechtevermittlung durch Permission Clearance Services getan. Die Rechtevergabe erfolgt hier immer noch zwischen dem Multimedia-Produzenten oder -Nutzer und dem individuellen Rechtsinhaber, während dem Service nur vermittelnde Funktion zukommt. Durch die Einrichtung einer solchen "zentrale AnlaufsteIle" werde nach Ansicht der Kommission eine Neuordnung des Angebots an bereits bestehenden und neuen Werken, die den Erfordernissen des Werkschaffens im Multimedia-Zeitalter entspreche, sowie eine allen Beteiligten zum Vorteil gereichende erhöhte Transparenz erreicht. 7 Die einzige zentrale AnlaufsteIle Europas mit vornehmlich vermittelnder Funktion besteht in der am 25. 11. 1996 in Deutschland gegründeten "CMMV ClearingsteIle Multimedia fiir Verwertungsgesellschaften von Urheber- und Leistungsschutzrechten". Sie ist ein Projekt der deutschen Verwertungsgesellschaften. 8 Nach eigenen Angaben unterstützt die CMMV den Multimedia-
In UFITA 130 (1996), S. 163,211. Grünbuch, in: UFITA 130 (1996), S. 163,213. 6 KilianlHeussen-Hoeren, Abschnitt 141, Rdnr. 55. 7 In UFITA 130/1996, S. 163, 212, unter Bezeichnung auch als "Clearing Houses". 8 Gesellschaft für musikalische Auffiihrungs- und mechanische VervielfiUtigungsrechte (GEMA), Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT), Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst), Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten (VFF), Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken (VGF), Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten (GWFF), Gesellschaft zur Übernahme 4
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I. Kollektive Modelle
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Produzenten bei der aufwendigen Suche nach den Rechtsinhabern musikalischer, künstlerischer und visueller Werke und erleichtert ihm damit seine Produktion. 9 Damit trägt sie den im Grünbuch der Kommission zum Ausdruck kommenden Forderungen Rechnung. Es ist vorgesehen, daß die CMMV als elektronisches Clearingsystem von einer Datenbank aus im Internet operieren wird, die dem Multimedia-Produzenten 24 Stunden online gegen Entrichtung einer Bearbeitungsgebühr zur Verfügung steht. 10 Am Anfang des Clearing-Prozesses steht die Informationsanfrage bei der CMMV durch den Multimedia-Produzenten. Die CMMV leitet diese Anfrage, bereits nach dem jeweiligen Repertoire getrennt, an die Verwertungsgesellschaften weiter, die über Wahrnehmungs- und Berechtigungsverträge sowie Mandatsverträge mit den individuellen Rechtsinhabern verbunden sind. 11 Die Lizenzierung erfolgt dann direkt zwischen dem Rechtsinhaber und dem Multimedia-Produzenten. Hier weicht die CMMV von dem Bild einer ClearingsteIle ab, die über die Informationsbeschaffung hinaus auch die Lizenzen vermittelt. Diese Aufgabe wird in Deutschland nach wie vor von den Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Aber auch wenn die Rechtevermittlung im Multimedia-Bereich durch die ClearingsteIle vorgenommen würde, würden die Verwertungsgesellschaften keinesfalls überflüssig. 12 Vertragspartner der Rechtsinhaber wären nämlich nach wie vor sie, und darüber hinaus geht die Rechtevermittlung außerhalb des Multimedia-Bereiches weiter. 2. One-Stop-Shop-System Über diese Konzeption hinaus geht das One-Stop-Shop-System. Wie der Name schon sagt, erfolgt hier der Rechterwerb einheitlich und aus einer Hand. Insbesondere entfällt gegenüber einer bloßen ClearingsteIle die verwaltungsmäßige Unterteilung nach Werkkategorien und die Zwischenschaltung einer Informationsinstanz, wodurch der Rechteerwerb nochmals erheblich vereinfacht wird. Dieses Ziel kann nur durch den Zusammenschluß von Verwertungsgesellschaften unterschiedlicher Werkkategorien erreicht werden. 13
und Wahrnehmung von Filmauftllhrungsrechten (GÜFA). Urheberrechtsschutz (AGICOA). 9 CMMV, Kurzbeschreibung. 10 CMMV, Kurzbeschreibung. 11 Nach der graphischen Darstellung des Ablaufplanes der CMMV. 12 Melichar, in: Internet- und Multimediarecht, S. 205, 208 f. 13 Melichar, in: Internet- und Multimediarecht, S. 305, 213.
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung
Die Vereinigung SESAM wird von den Urhebergesellschaften Frankreichs 14 gebildet. Jede der beteiligten Urhebergesellschaften vertritt innerhalb dieser Vereinigung eine andere Werkart. Sie ist so angelegt, daß sie im Bereich Multimedia alle wesentlichen Funktionen einer Verwertungsgesellschaft einschließlich der Vergabe von Lizenzen selbst wahrnehmen kann. 3. Funktion der Verwertungsgesellschaften
Aus der Sicht des Multimedia-Produzenten ist ein einheitlicher Rechteerwerb im Wege eines One-Stop-Shoppings, weil am effizientesten und damit wirtschaftlichsten, die beste Lösung. Eine schnelle, unbürokratische und zuverlässige Rechtseinräumung liegt demgegenüber auch im Interesse der Rechtsinhaber, wenn diese an den Leistungen und Chancen der Digitalisierung teilhaben wollen. 15 Allerdings ist es hierfilr nicht notwendig, daß die Rechtevergabe kollektiv erfolgt, gewissermaßen als Verlagerung der traditionellen Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften in den Multimedia-Bereich. Vorgeschlagen wird in der Literatur vielmehr ein Mischsystem aus zentraler, kollektiver und individueller Rechtevergabe. 16 Zentral ist nämlich keineswegs gleichbedeutend mit kollektiv, sondern ging nur vor der digitalen Werknutzung der Not gehorchend häufig mit diesem Begriff einher: Wegen der fehlenden Nachprilfbarkeit der öffentlichen Werkwiedergabe durch Bild- oder Tonträger oder durch Funksendung waren die Urheber zur kollektiven Werkverwertung in dem Sinne gezwungen, daß die Verwertungsgesellschaften auf die objektive Nutzungsmöglichkeit abstellend pauschale Summen kassierten und diese nach bestimmten Verteilungsregeln an die Rechtsinhaber ausschütteten. Neben der Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten erleichtert die digitale Technologie aber auch die Erfassung der Nutzungsvorgänge. 17 Angesichts der immensen Kapazität moderner elektronischer Speicher stellt die dabei aufkommende Informationsflut kein technisches Problem dar, so daß dieser Ansicht zufolge im Multimedia-Bereich Raum für eine zunehmende individuelle - wenn auch zentrale - Rechtewahrnehmung wäre. Einer individuellen Rechteverwaltung steht jedoch nach wie vor entgegen, daß der Rechtsinhaber über jede einzelne Lizenzerteilung gesondert entschei-
14 Societe des auteurs dans les arts Graphiques et plastiques (ADAGP), Societe des auteurs et compositeurs dramatiques (SACD), Societe des auteurs, compositeurs et editeurs de musique, Societe civile des auteurs multimedia (SCAM), Societe des auteurs des arts visuels (SPADEM). 15 Gaster, in: ZUM 1995, S. 740, 751. 16 KreilelBecker, in: GRUR Int. 1996, S. 677, 691. 17 Melichar, in: Intemet- und Multimediarecht, S. 205, 215 f.
I. Kollektive Modelle
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den kann und muß. Wenn sich die Rolle der Verwertungsgesellschaften künftig auf die Vermittlung zwischen Rechtsinhaber und Verwerter beschränkt, ist hinsichtlich der Vereinfachung des Rechteerwerbs nichts gewonnen, außer daß die jeweiligen Urheber schneller ausfindig gemacht werden können. Diese Lösung ist daher unpraktikabel. Negative Erfahrungen, die auf den Multimedia-Sektor übertragen werden können, bestehen mit der individuellen Rechtewahrnehmung bereits hinsichtlich des Synchronisations- (Einblendungs-) Rechts von Musikwerken in Kinofilmproduktionen. 18 Diese Rechte werden in der Regel nicht von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen, weshalb es bei der Filmproduktion zu erheblichen Verzögerungen und Kosten kommt. Wegen der Multidimensionalität der digitalen Werkverwertung würden sich diese Probleme bei einer individuellen Werkverwertung in diesem Bereich noch vervielfachen. Sachgerecht ist es daher, daß in den Wahrnehmungsvertrag zwischen Verwertungsgesellschaft und Urheber das Recht zur digitalen Werknutzung einbezogen wird, damit den Verwertern dieses Recht in effektiver Weise an einer Vielzahl von Werken verschafft werden kann. Neben den dargestellten Modellen zur Vereinfachung der Rechtevergabe auf der Basis von Verwertungsgesellschaften muß daher jedenfalls die Möglichkeit zur individuellen Rechtevergabe bestehen und diese Modelle auf den freiwilligen Bereich begrenzt bleiben. 19 Die Hauptfunktion der Verwertungsgesellschaften wird also im Multimedia-Bereich in der zentralen Rechtswahrnehmung auf freiwilliger Bais liegen.
4. Das Problem der Marktbeherrschung Verwertungsgesellschaften sind in der Regel als marktbeherrschende Unternehmen anzusehen. 20 Denn durch den Zusammenschluß zu einer Verwertungsgesellschaft kommt es zu einem Monopol fiir eine Vielzahl gleicher Rechte. 21 Ein Mißbrauch dieser Machtfiille kann insbesondere in der Verweigerung der Rechtewahrnehmung gegenüber deren Inhabern oder in der Forderung unangemessener Vergütungen oder Geschäftsbedingungen gegenüber den Rechtsverwertern liegen. Diese Gefahr vergrößert sich noch, wenn es rur eine oder mehrere Arten von Urheberrechten nur eine Verwertungsgesellschaft gibt, die dann das Monopol rur alle Rechte dieser Art innehat. Siehe dazu Maser, in: Musik im Film, S. 29, 34. Komm. Grünbuch, in: UFITA 130/1996, S. 163,213. 20 BT-Drucks. IV/271, S. 12; EuGH Sig. 1989, S. 2565, 2576 f. (Ministere publiclTornier); S. 2823, 2830 f. (LucazeauiSACEM); EuGH Sig. 1979, S. 3275, 3288 f. (SACEM); EuGH Slg. 1974, S. 313, 316 (SABAM). 21 BT-Drucks. IV/271, S. 9. 18
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahmehmung
Die Vereinfachung des Rechteerwebs im Multimedia-Bereich durch neue kollektive Modelle fUhrt jedenfalls zur Konzentration von Marktmacht, weil die bisher sektoriell getrennte Rechtevergabe nun gebündelt aus einer Hand erfolgt. Dies kann neben den erwünschten Wirkungen auf die Entwicklung des Multimedia-Sektors auch unerwünschte Wirkungen auf den Wettbewerb haben. Die Gefahr wird um so größer, je mehr Marktmacht durch Bündelung tatsächlich in einer Hand konzentriert wird. Besonders bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang das One-Stop-Shop-System. Zwar vereinfacht das OneStop-Shop-System den Rechteerwerb am effektivsten, es birgt aber auch das größte Risiko der mißbräuchlichen Ausnutzung zulasten der Rechteverwerter. 22 Demgegenüber treten die beschriebenen Gefahren bei Clearing-Services nicht so stark auf, weil hier die Rechtevergabe noch durch die jeweils sektoriell betroffenen Verwertungsgesellschaften und nicht zentral erfolgt. Die Rechtsinhaber sind dem Risiko eines möglichen Mißbrauchs durch die Verwertungsgesellschaften zwar auch ausgesetzt, fUr sie hat die Konzentration von Marktmacht in den Händen zentraler AnlaufsteIlen jedoch auch positive Effekte: Der Medienmarkt zeichnet sich durch eine zunehmende Vermachtung aus. Dabei steht im engen oligopolistischen Markt, der durch Konzentration entstanden ist, der wachsenden Macht der Medienkonzeme die wachsende Ohnmacht der schöpferisch Tätigen gegenüber, die sich häufig in der Situation des "take it or leave it" befinden. 23 Durch den Zusammenschluß zu starken und effizienten Verwertungsgesellschaften werden die Urheber in die Lage versetzt, ihre Interessen auch gegenüber den wirtschaftlich stärkeren Nutzern zu vertreten und durchzusetzen. 24 Durch Konzentration auf dem Markt für die Vergabe von Lizenzen kann so die Marktmacht auf dem Medienmarkt, die sich auf den Lizenzmarkt einwirkt, ausgeglichen werden.
11. Machtmißbrauch durch Verwertungsgesellschaften 1. Art. 86 EGV
Wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung wird das Verhalten der Verwertungsgesellschaften bei gemeinschaftsrechtlichem Bezug nach Art. 86 EGV beurteilt. 25 Sie unterliegen also den allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift. Der EuGH hat dazu entschieden, daß von einem Mißbrauch nur dann BT-Drucks. IV/27I, S. 9. Götting, in: Schricker-FS, S. 61. 24 KreilelBecker, in: GRUR Int. 1996, S. 677, 680. 25 Zum Verhältnis zum unter Umständen gleichfalls verwirklichten Art. 85 EGV (s. o. S. 158 f.). 22
23
11. Machtmißbrauch durch Verwertungsgesellschaften
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auszugehen ist, wenn die umstrittenen Praktiken über das zum Zweck der effektiven kollektiven Rechtswahrnehmung Unentbehrliche hinausgehen. 26 Dabei sollen auch die Interessen der einzelnen Urheber an der freien Verfilgung über ihr Werk berücksichtigt werden. In der Entscheidungspraxis von Kommission und EuGH sind verschiedene Verhaltensweisen von Verwertungsgesellschaften als mißbräuchlich bewertet worden: Die Kommission entschied, daß die GEMA ihre marktbeherrschende SteIlung mißbräuchlich ausgenutzt habe, indem sie Angehörige anderer Mitgliedstaaten diskriminiert habe, eine übermächtige Bindung der Mitglieder an sich durch Wahrnehmungsverträge herbeigefilhrt sowie Importeure von Schallplatten und Ton- und Bildaufzeichnungsgeräten diskriminiert habe?7 Nach Ansicht des EuGH habe weiterhin die belgische Verwertungsgesellschaft SABAM die urheberrechtliche Ausübungsfreiheit ihrer Mitglieder unbillig beeinträchtigt, weil sie diesen mit dem Verlangen nach der vollständigen Rechteeinräumung Verpflichtungen auferlegt habe, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes nicht unentbehrlich seien. 28 Später gab der EuGH der Kommission darin recht, daß es eine mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung seitens der deutschen Verwertungsgesellschaft GVL darstelle, wenn diese sich weigere, mit Leistungsschutzberechtigten ohne Wohnsitz in Deutschland Wahrnehmungsverträge abzuschließen. 29 Im Fall der französischen Verwertungsgesellschaft SACEM entschied der EuGH, daß es ebenfalls als mißbräuchlich anzusehen sei, wenn von Discotheken wesentlich höhere Gebühren verlangt würden, als sie in anderen Mitgliedstaaten gefordert würden, falls die Höhe der Tarife auf einheitlicher Grundlage verglichen werde. 30 Der Beurteilung der Tätigkeit der Verwertungs gesellschaften steht auch nicht Art. 90 EGV entgegen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift gelten insbesondere die Wettbewerbsregeln des EGV fiir Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, nur insoweit, als sie nicht die Erfilllung der diesen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindern. Zwar sind Verwertungsgesellschaften als Dienstleistungsunternehmen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. 31 Die Anwendung von Art. 90 Abs. 2 EGV ist aber schon deshalb zweifelhaft, weil die Verwertungsgesellschaften neben den wirtschaftlichen
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30
JI
EuGH Sig. 1974, 313, 317 (SABAM). Komm. ABI. 1971, L 134, S. 15,22 ff. EuGH Sig. 1974, S. 313,316 f. (SABAM) EuGH Sig. 1983, S. 483, 509 (GVL). EuGH AbI. 1989, C 210, S. 9 (SACEMIDebelle-Soumagnac). Groeben/ThiesinglEhlermann-Hochbaum, Art. 90 EGV, Rdnr. 47.
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahmehmung
auch kulturellen Belangen dienen. 32 Der EuGH wendet Art. 90 Abs. 2 EGV jedenfalls dann nicht auf Verwertungsgesellschaften an, wenn die Wahrnehmung von Schutzrechten nicht von Gesetzes wegen auf die Gesellschaft übertragen wurde, sondern das betreffende Gesetz die Tätigkeit der Gesellschaften lediglich allgemein regelt. 33 Dies steht im Einklang mit der generell restriktiven Handhabung34 der Ausnahmevorschrift des Art. 90 Abs. 2 EGV durch den EuGH. 35 Solange die Rechtewahrnehrnung im Multimedia-Bereich durch die zentralen AnlaufsteIlen also nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, können sie nach der Rechtsprechung des EuGH nicht der Bereichsausnahrne des Art. 90 Abs. 2 EGV unterfallen. Sie unterliegen damit uneingeschränkt der Mißbrauchskontrolle nach Art. 86 EGV. Innerhalb der Kommission herrscht über die Schaffung der zentralen AnlaufsteIlen auch keineswegs Einigkeit. Nach Aussage des Grünbuches seien die Wettbewerbsregeln zwar von grundlegender Bedeutung, dürften aber nicht von Vornherein im Widerspruch zur Idee zentral ausgerichteter Systeme zur Vereinfachung des Rechteewerbs im Multimedia-Bereich stehen. 36 Die filr Wettbewerbsrecht zuständige Generaldirektion IV hat sich jedoch gegen die im Grünbuch zum Ausdruck kommenden Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Rechteerbwerbs gewandt, weil hierdurch die angestrebte wettbewerb liehe Öffnung der Verwertungsgesellschaften verhindert werde. 37 Für die Zukunft ist also mit einer besonders strengen Handhabung der EG-Wettbewerbsregeln gegenüber den zentralen AnlaufsteIlen durch die Kommission zu rechnen.
2. Die Freistellungsvorschrift des § 30 GWB Das GWB enthält in § 30 eine spezielle Freistellungsvorschrift von den §§ 1 und 14, wenn und soweit sie sich auf eine nach § 1 WahmG erlaubnisbedürftige Tätigkeit beziehen und der Aufsichtsbehörde gemeldet sind. Die Vorschrift wurde in das GWB eingefilgt, um der Einsicht, daß eine kollektive Rechteverwertung notwendig ist und den Interessen aller Beteiligten dient, auch kartellrechtlich Rechnung zu tragen. 38 Von einem Mißbrauch ist bei ihrer Anwendung dann auszugehen, wenn freigestellte Verträge, Beschlüsse und auf 32 Zum Problem der kulturellen Belange innerhalb des Art. 90 Abs. 2 EGV siehe GrabitzJHilf-Pernice, Art. 90 EGV, Rdnr. 37. 33 EuGH Slg. 1983, S. 483, 484 (GVL). 34 Nach EuGH Slg. 1974, S. 313, 318 (SABAM) ist die Vorschrift eng auszulegen. 3S Di/lenz, in: GRUR Int. 1997, S. 315, 318. 36 Komm., in: Grünbuch, UFITA 130 (1996), S. 163,213. 37 Vgl. Kilian/Heussen-Hoeren, Abschnitt 141, Rdnr. 56. 38 Vgl. BT-Drucks. IV/271, S. 9.
11. Machtmißbrauch durch Verwertungsgesellschaften
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diesen beruhende Verhaltensweisen dem Freistellungszweck widersprechen 39, also über das hinausgehen, was im Rahmen der rechtlichen Grenzen (WahrnG) zur kollektiven Wahrnehmung der Rechte notwendig ist. 40 Die hier denkbaren mißbräuchlichen Maßnahmen ähneln denen nach Art. 86 EGV: Es geht um Fälle, in denen Vertragspartner der Verwertungsgesellschaften entweder durch zusätzliche Bindungen, unverhältnismäßige Entgelte oder eine übermäßige Einschränkung der Handlungsfreiheit geschädigt werden. 41 Allerdings handelt es sich hier um theoretische Konstruktionen, weil die praktische Bedeutung der Vorschrift gering ist. 42 Möglicherweise wird sich das durch die Tätigkeit der CMMVändem.
3. §§ 19 Abs. 1,4,20 Abs. 1 GWB Durch § 30 GWB sind die Verwertungsgesellschaften nur von den §§ I und 14 GWB freigestellt. Demgegenüber unterfallen sie weiterhin dem Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 4 GWB und dem Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB. 43 Zwar unterliegen die deutschen Verwertungsgesellschaften den Abschlußzwängen nach den §§ 11 und 12 WahrnG, dies ist jedoch keine Garantie dafiir, daß ein Mißbrauch der bestehenden Marktmacht unterbleibt. Im Rahmen des § 19 Abs. 4 GWB kommt sowohl ein Behinderungs- wie auch ein Ausbeutungsmißbrauch durch die zuvor beschriebenen Verhaltensweisen in Frage. 44 Durch das Diskriminierungsverbot des §§ 20 Abs. 1 GWB werden die Verwertungsgesellschaften daran gehindert, gleichartige Unternehmen in einem gleichartigen Unternehmen zugänglichen Geschäftsverkehr ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich zu behandeln. Es wird also die einheitliche Anwendung von Geschäftsbedingungen gegenüber allen vergleichbaren Vertragspartnern sichergestellt. Als Maßstab können hier die Angemessenheitsgesichtspunkte nach den §§ 11, 12 WahrnG dienen. 45 Langen/Bunte-Jaestaedt, § \02 a, Rdnr. 9, Held, in: FuR 1980, S. 71, 75. Der Grund dafür liegt darin, daß das Verhalten der Verwertungsgesellschaften in praxi ein Problem der §§ 22, 26 GWB darstellt und bei der nach diesen Vorschriften erforderlichen Interessenabwägung darauf ankommt, welche Maßnahmen zur Erfüllung der Wahrnehmungsaufgabe erforderlich sind, ImmengalMestmäcker-Mäschel, § 102 a GWB, Rdnr. 14. 41 LangenlBunte-Jaestaedt, § 102 a GWB, Rdnr. 9. 42 LangeniBunte-Jaestaedt, § \02 a GWB, Rdnr. 9. 43 Zu den Einzelheiten bei der Anwendung dieser Vorschriften (s. o. S. 171 ff.). 44 Vgl. Held, in: FuR 1980, S. 71, 75 f. 45 So Held, in: FuR 1980, S. 71, 76. 39 40
t4
Kreutzmann
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung
4. Ausblick auf die zentralen AnlaufsteIlen
Durch die Einrichtung von zentralen AnlaufsteIlen, insbesondere auf der Basis eines One-Stop-Shop-Systems, wird Marktmacht konzentriert. Damit wächst die Gefahr, das diese Macht auf die eben beschriebene Weise mißbraucht wird, so daß die Bedeutung der kartellrechtlichen Behandlung von Verwertungsgesellschaften zunehmen wird. Wegen der Supranationalität der erforderlichen Lizenzen wird in diesem Zusammenhang die Beurteilung nach EG-Kartellrecht gegenüber der nationalen Kontrolle weit größere Relevanz erlangen.
111. Andere Modelle Die eben dargestellten Probleme können umgangen werden, wenn die Vereinfachung des Rechteerwerbs auf andere Weise als durch erweiterte kollektive Systeme auf der Basis von Verwertungsgesellschaften erreicht wird. Dies kann geschehen, indem es zwar eine einheitliche Vergabestelle ftlr digitale Verwertungsrechte gibt, die aber nicht in der Hand der Verwertungsgesellschaften liegt. Es würde sich dabei um ein digitales Informationssystem zur Klärung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten handeln, das zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Verwertem vermittelt. 46 Von der CMMV unterscheidet sich ein solches Modell darin, daß die ClearingsteIle von den Verwertungsgesellschaften unabhängig ist und es damit nicht zu der beftlrchteten verstärkten Konzentration von Marktmacht in deren Hand und den damit verbundenen Konsequenzen ftlr den Wettbewerb kommt. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Einrichtung sektoriell getrennter digitaler Referenzdatenbanken in der Hand der jeweiligen Rechtsinhabel7 sowie in Modellen ftlr die digitale Übertragung von Rechten parallel zur digitalen Werkübertragung. 48 Mit diesen Modellen gibt es jedoch noch keine praktischen Erfahrungen. Es ist jedoch zu befilrchten, daß die Vermeidung von Machtkonzentration in der Hand der Verwertungsgesellschaften mit einem erheblichen Mangel an Praktikabilität einhergehen wird.
46 So vorgeschlagen von Maaßen gern. Kilian/Heussen-Hoeren, Abschnitt 141, Rdnr.58. 47 So geplant von den Photographen tUr veröffentlichtes Bildrnaterial gern. KilianlHeussen-Hoeren, Abschnitt 141, Rdnr. 58. 48 Vgl. Hoeren, in: Internet- und Multirnediarecht, S. 79, 92.
IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen
211
IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen Außerdem könnte der Rechteerwerb durch die Schaffung von gesetzlichen Lizenzen oder Zwangslizenzen erleichtert werden. Bei einer gesetzlichen lizenz erlangt der Verwerter das Nutzungsrecht kraft Gesetzes, während eine Zwangslizenz zwar durch Lizenzvertrag entstanden ist, der jedoch nicht auf der Vertragsfreiheit, sondern auf einer gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluß beruht. 49 Als Ausgleich rur die Beschränkungen seines Urheberrechts steht dem Urheber im Falle einer gesetzlichen Lizenz ein Vergütungsanspruch zu. 50 Demgegenüber wird die Lizenzgebühr bei der Zwangslizenz autonom festgesetzt, sie muß sich aber, wie alle Bedingungen der Zwangslizenz, im Rahmen des Angemessenen halten. Im UrhG fmden sich gesetzliche Lizenzen in den §§ 45 ff. Es handelt sich dabei um Einschränkungen des Urheberrechts im Hinblick auf dessen Sozialgebundenheit. 51 Das dadurch geschlitzte Allgemeininteresse wird in den §§ 45 ff. UrhG in vielfacher Hinsicht konkretisiert. Demgegenüber kennt das UrhG nur eine Zwangslizenz, und zwar zur Herstellung von Tonträgern in § 61 unter der Voraussetzung der vorhergehenden Rechtseinräumung an einen anderen Hersteller. 1. Gesetzliche Lizenzen zur digitalen Verwertung?
Gesetzliche Lizenzen tragen zwar zur Vereinfachung des Rechteerwerbs bei, weil sie diesen aus dem rechtsgeschäftlichen Bereich herausnehmen. Deshalb bieten sie auch die größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit aus der Sicht der Werkverwerter. 52 Außerdem wird die gesetzliche Vergütungspflicht in der Regel der Höhe nach hinter einer rechtsgeschäftlich ausgehandelten Lizenzvergütung zurückbleiben, so daß diese Lösung aus der Sicht der MultimediaProduzenten wohl die meisten Vorzüge bietet. Jedoch stellt sie einen erheblichen Eingriff in das Urheberrecht dar und muß dementsprechend durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sein. Zwar besteht ein erhebliches Allgemeininteresse an der Entwicklung des Multimedia-Marktes, dem steht jedoch auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Produzenten gegenüber. Durch einen gesetzlichen Vergütungsanspruch wären die Urheber der verarbeiteten Werke an den immensen digitalen Verwertungsmöglichkeiten nur unangemessen beteiligt. Indem die gesetzliche Lizenz den Rechteerwerb aus dem 49
50
SI 52
Schricker, Vor §§ 28 UrhG tT., Rdnrn. 114 f. FrommINordemann-Nordemann, Vor § 45 UrH, Rdnr. 4. FrommINordemann-Nordemann, Vor § 45 Rdnr. 1. Kotthoff, in: GRUR 1997, S. 597,603.
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rechtsgeschäftlichen Bereich herausnimmt, schwächt sie die Position des Urhebers, der nur noch über die Angemessenheit der Vergütung verhandeln kann, wenn sein Werk bereits genutzt wird oder wurde. 53 Demgegenüber darf bei einer auch ungerechtfertigt nicht erteilten Zwangslizenz das Werk nicht genutzt werden, so daß dem Urheber im Falle eines Verstoßes gegen dieses Verbot die Rechte der §§ 97 ff. UrhG zur Seite stehen. 54 In dieser Hinsicht ist zweifelhaft, ob durch eine gesetzliche Lizenz zur digitalen Werkverwertung dem Grundsatz, daß der Urheber an jedem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seinem Werk gezogen wird, zu beteiligen ist, entsprochen werden kann. Überdies würde durch eine gesetzliche Lizenz den Urhebern die Möglichkeit genommen, ihr Marktgewicht durch den Eintritt in eine Verwertungsgesellschaft zu erhöhen und damit ihre Verhandlungsposition zu verbessern. Die Funktion der Verwertungsgesellschaften verkümmerte im Falle einer gesetzlichen Lizenz zu einer Gebühren-Inkasso- und -Verteilungsstelle. Das IuKDG sieht gesetzliche Lizenzen denn auch nur in engen Grenzen vor, die sich in die Systematik der §§ 45 ff. UrhG einfiigen. Es handelt sich dabei auch nicht um gesetzliche Lizenzen zur digitalen Werkverarbeitung in Multimedia-Produktionen, sondern um Entnahmerechte aus Datenbanken zu besonderen Zwecken. Die Vorschriften des § 87 c UrhG konkretisieren Art. 9 der Datenbankrichtlinie, nach dem die Mitgliedstaaten fiir Zwecke des privaten Gebrauchs, der Veranschaulichung im Unterricht oder der wisssenschaftlichen Forschung sowie der öffentlichen Sicherheit und von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren Ausnahmen vom Schutzrecht sui generis festlegen können, sofern es sich um die Entnahme eines wesentlichen Teils des Inhalts einer öffentlich zugänglichen Datenbank handelt. Durch § 87 c UrhG wird also privaten und öffentlichen Belangen Rechnung getragen, die bereits in den §§ 45 ff. UrhG als dem ausschließlichen Urheberrecht vorrangig bewertet worden sind. Von einem eine gesetzliche Lizenz rechtfertigenden überwiegendem Allgemeininteresse an der digitalen Werkverarbeitung und -verbreitung schlechthin ist demgegenüber nicht auszugehen55 , so daß sich die Schaffung weiterer gesetzlicher Lizenzen verbietet. 2. Zwangslizenzen
Die Rechtfertigung von Zwangslizenzen besteht darin, Monopolstellungen auf Märkten fiir Ausschließlichkeitsrechte zu unterbinden. 56 Eine gesetzlich 53 54 55
56
FrommINordemann-Nordemann, Vor § 45, Rdnr. 7. Schricker-Melichar, Vor §§ 45 ff. UrhG, Rdnr. 29. So auch Kotthoff, in: GRUR 1997, S. 597, 603. Schricker-Melichar, § 61 UrhG, Rdnr. l.
IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen
213
angeordnete Zwangslizenz stellt allerdings einen erheblichen Eingriff in das Urheberrecht dar. Deshalb ist zu untersuchen, ob das Problem dadurch gelöst werden kann, daß auf der Grundlage der geltenden deutschen und europäischen Kartellgesetze der Abschluß eines Lizenzvertrages im Einzelfall gerichtlich angeordnet werden kann. Dadurch träfen die Nachteile einer Zwangslizenz nur den tatsächlich - und nicht nur potentiell - mißbräuchlich handelnden Marktbeherrscher. Die Gefahr einer Monopolisierung im Multimedia-Bereich besteht angesichts der unaufhaltsamen Entwicklung der Informationsübermittlung über Datenbanken insbesondere in diesem Sektor. 57 Da der sui-generis-Schutz von Datenbanken nicht von der Erreichung einer schöpferisch-geistigen Schwelle abhängt, sondern als Investitionsschutz des Datenbankbetreibers zu begreifen ist (s. o. S. 102), besteht die Gefahr, daß dieser an sich gemeinfreies Wissen nur demjenigen zur Verfilgung stellt, mit dem vertragliche Beziehungen bestehen. Nach Erwägungsgrund (47) zur Datenbankrichtlinie soll der suigeneris-Schutz aber nicht den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung erleichtern, insbesondere wenn die Datenbank einen geistigen, dokumentarischen, technischen, wirtschaftlichen oder kommerziellen Mehrwert aufweisen. Deshalb sollen die gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Wettbewerbsvorschriften von der Richtlinie unberührt bleiben. Der sui-generisSchutz von Datenbankinhalten steht also nicht einer kartellrechtlichen Überprüfung entgegen.
a) Zwangs lizenzen durch richterliche Anordnung
aa) Rechtslage nach dem EGV unter Berücksichtigung des Falles "Magill TV,,58 Die Rechtsgrundlage filr die Verpflichtung zum Abschluß eines Lizenzvertrages im Einzelfall nach europäischem Recht fmdet sich in Art. 86 EGV i. V. m. Art. 3 der VO Nr. 17, wenn diese das einzige Mittel zur Abstellung von Zuwiderhandlungen gegen Art. 86 EGV darstellt. In diesem Zusammmenhang ist problematisch, ob die Lizenzverweigerung, der durch eine Zwangslizenz zu begegnen wäre, als mißbräuchlich im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit b) EGV betrachtet werden kann, wenn sie durch ein marktbeherrschendes Unternehmen ausgeübt wird. Zwar hat der EuGH entschieden, daß die Weigerung, eine Lizenz zu erteilen, als solche keinen Miß-
57 58
Flechsing, in: ZUM 1997, S. 577, 591. EuGH Slg. 1995, S. 743 ff. (RTE-ITP).
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H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung
brauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann. 59 Im Hinblick auf den grundlegenden Rechtsbestand der Schutzrechte, zu dem es auch gehört, Dritte an der Verwertung des Schutzrechtsgegenstands zu hindern,60 ist das auch nur konsequent. Mit der Formulierung "als solche" sowie einen ausdrücklichen Hinweis hat der EuGH allerdings deutlich gemacht, daß es sich bei der oben genannten Aussage um einen Grundsatz handelt und im Einzelfall durchaus davon abweichende Ergebnisse möglich sind. Insofern stehen die Entscheidungen von EuG 61 und EuGH 62 im Fall "Magill TV" nicht im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung, wie stellenweise behauptet wird. 63 Es ist allerdings zu untersuchen, ob die im Fall "Magill TV" vom EuGH aufgestellten Grundsätze verallgemeinerungsfähig sind. Im Fall "Magill TV" ging es um die Lizenzierung der Wochenvorschau rur Fernsehprogramme. Die Fernsehanstalten erteilten zwar Lizenzen, diese jedoch, zwar unentgeltlich, nur an Tageszeitungen filr den jeweiligen Tag. Ein Wochenprogramm wurde nur rur die einzelnen Fernsehsender von den diese betreibenden Anstalten vertrieben. Es gab also kein senderübergreifendes Wochenprogramm. Zu dessen Erstellung benötigte die Firma MagilI TV Guide Ud. nach dem irischen Urheberrecht Lizenzen der Fernsehanstalten. Diese wurden verweigert. Nach Ansicht des EuG dehnten die Fernsehanstalten ihr Monopol auf dem Markt rur Programmvorschauen hinsichtlich ihres eigenen Senders auf den abgeleiteten Markt filr umfassende wöchentliche Programmzeitschriften aus. In einer solchen Verhaltensweise sei nach der Rechtsprechung des EuGH der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu erblicken. 64 Es sei zur Verwirklichung der Funktion des Urheberrechts nicht notwendig, ein Monopol aufrechtzuerhalten, indem der Vertrieb eines neuen Erzeugnisses auf einem abgeleiteten Markt verhindert und jeglicher Wettbewerb auf diesem Markt ausgeschlossen werde. 65 Diese Ziele ständen vielmehr in einem offensichtlichen Widerspruch zu denen des Art. 86 EGV. 66 Der EuGH schloß sich dieser Bewertung in allen Punkten an. 67
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EuGH Sig. 1988, S. 6232, 6235 (VolvoNeng).
60 EuGH Sig. 1988, S. 6232, 6235 (VolvoNeng). 61 EuG Sig. 1995 11, S. 485 ff. (RTE) 62 EuGH Sig 1995 I, S. 743 ff. (RTE-ITP) Jaestedt, in: WuW 1995, S. 483, 484. EuG Sig. 1995 11, S. 485, 520 (RTE). 65 EuG Sig. 199511, S. 485, 520 f. (RTE). 66 EuG Sig. 1995 11, S. 485, 522 (RTE). 67 EuGH Sig. 1995, S. 743, 822 ff. (RTE-ITP).
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IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen
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Die dargestellte Entscheidungspraxis ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. 68 So wird vorgebracht, mit seinen AustUhrungen zur Funktion des Urheberrechts stelle der EuG den Gestaltungsspielraum der nationalen Gesetzgeber hinsichtlich der Schutzrechte in Frage, indem er eine Bewertung der nationalgesetzlichen Entscheidungen vornehme. Diese Einschätzung ist jedoch nicht richtig. Es ist eben nicht so, daß der grundlegende Rechtsbestand als Mittel gebraucht werde, "die gewerblichen Schutzrechte der Mitgliedstaaten in Einzelheiten gleichzuschalten,,69. Vielmehr werden mit seiner Hilfe das gemeinschaftliche Kartellrecht und die nationalgesetzlichen Schutzrechte unter Berücksichtigung des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze zum Ausgleich gebracht. Außerdem wird argumentiert, eine Verallgemeinerung der "Magill-TV"Entscheidungen berge Gefahren tUr die Inhaber von Schutzrechten, die in Bereichen der Hochtechnologie Verwertungsmöglichkeiten fanden, weil dort das Schutzrecht in einer Vielzahl von Fällen zur Herstellung neuartiger Produkte notwendig sei und diesen Schutzrechtsinhabern die Möglichkeit zur Lizenzverweigerung allein durch diesen Umstand von vornherein entzogen sei. 70 Auch dieser Einwand ist unberechtigt. Ein Verstoß gegen Art. 86 EGV wurde in den genannten Entscheidungen nicht allein aufgrund der Tatsache angenommen, daß die wöchentliche umfassende Programmzeitschrift als neuartiges Produkt nicht entstehen konnte. Vielmehr kam es darauf an, daß die Abriegelung des benachbarten Marktes dazu benutzt wurde, das Monopol auf dem Markt tUr senderbezogene Programme zu sichern. Es bleibt also bei dem vom EuGH aufgestellten Grundsatz, daß die Lizenzverweigerung als solche keinen Mißbrauch im Sinne von Art. 86 Abs. 2 lit b) EGV zu begründen vermag, es sei denn, es kommen zusätzliche Umstände hinzu. Diese bestehen in einer faktischen Begründung der Marktbeherrschung über den bloßen Schutzrechtsbestand hinaus 71 sowie die wettbewerbsbeschränkende Auswirkung dieser Stellung auf einem abgeleiteten Markt. Unter diesen Voraussetzungen ist dem EuGH zuzustimmen. 72 Die "Magill-TV"-Entscheidung steht nach alle dem im Einklang mit der Rechtsprechung, die zum Schutzrechtsmißbrauch marktbeherrschender Un68 Eilmannsberger, in: EuZW 1992, S. 625, 632 f.; Jestaedt, in: WuW 1995, S. 483 ff.; Langen/Bunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 41. 69 Jaestaedt, in: WuW 1995, S. 483, 485. 70 Jaestaedt, in: WuW 1995, S. 483, 484. 71 Insofern ist Langen/Bunte-Dirksen, Art. 86 EGV, Rdnr. 41, zu widersprechen, nach dessen Ansicht die "Magill-TV"-Rechtsprechung der Auffassung, daß allein das Bestehen eines Schutzrechts eine marktbeherrschende Stellung begründe, "bedenklich nahe" komme. 72 So auch Bechtold, in: EuZW 1995, S. 345, 346 f. und Thompson, in: EWS 1992, S. 178, 184.
216
H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahrnehmung
temehmen ergangen ist. Außerdem trägt sie dem gemeinschaftsrechtlichen Begriff des gewerblichen und kommerziellen Eigentums Rechnung, das im Zusammenhang mit den sonstigen Bstimmungen des Vertrages zu sehen ist, die die Offenhaltung der Märkte bezwecken. 73 Für die Rechtewahmehmung im Multimedia-Bereich bedeutet das, daß Verwertungsgesellschaften und auch nicht zusammengeschlossene Rechtsinhaber auf der Grundlage des Art. 86 EGV im Einzelfall verpflichtet werden können, Lizenzen zu vergeben. 74
bb) Rechtslage nach dem GWB Nach deutschem Recht besteht die Möglichkeit, den mißbräuchlich handelnden Marktbeherrscher nach §§ 20 Abs. 1, 33 Satz 1 GWB i. V. m. § 249 BGB auf Abschluß eines Lizenzvertrages zu verklagen. 75 Eine unbillige Behinderung oder eine sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung kann nämlich auch in der Lizenzverweigerung in bezug auf Rechte des geistigen Eigentums liegen. 76 Allerdings ergibt sich auch hier das Problem, daß es nach Maßgabe des UrhG dem Urheber grundsätzlich freistehen muß, ob er eine Lizenz erteilen will, auch wenn er eine marktrnächtige Position innehat. Hierzu kann auf das oben Gesagte verwiesen werden (Kap. D. III, S. 48 ff.), wonach Verhaltensweisen, die von der Schutzfunktion des Urheberrechts gedeckt sind, im Grundsatz nicht der kartellrechtlichen Kontrolle unterliegen. Der Situation im Gemeinschaftsrecht vergleichbar, müssen dazu auch hier Umstände hinzukommen, die einen Eingriff in das Urheberrecht, wie ihn eine Zwangslizenz darstellt, rechtfertigen. Davon ist dann auszugehen, wenn der rechtliche Schutz geistigen Eigentums über seine Gewährleistungsfunktion für Produktion und eine angemessene Vergütung am Markt hinaus als Mittel für Wettbewerbsbeschränkungen mißbraucht wird. 77 Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der Beurteilung der Billigkeit und sachlichen Rechtfertigung der Lizenzverweigerung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB zu berücksichtigen. 78 Mäschel, in: EG-Wettbewerbsrecht, Art. 86, Rdnr. 239. Komm., in: Grünbuch UFITA 130 (1996), S. 163,213 f. 75 Zum Kontrahierungszwang nach diesen Vorschriften BGHZ 107, S. 273, 279; von der Möglichkeit eines Kontrahierungszwanges gehen auch die in der Entscheidung erwähnten Urteile BGH WUWIE 1587 tf. und 2491 ff. aus, ohne den Anspruch im konkreten Fall zuzubilligen. 76 ImmengalMestmäcker-Markert, § 26 EGV, Rdnr. 239. 77 Lehmann, in: BB 1985, S. 1209, 1212. 78 ImmengalMestmäcker-Markert, § 26 GWB, Rdnr. 239; Dreiss, S. 220; Lehmann, in: BB 1985, S. 1209, 1213. 73
74
IV. Gesetzliche Lizenzen und Zwangslizenzen
217
b) Gesetzlich angeordnete Zwangslizenzen
Vor diesem Hintergrund der Möglichkeit einzelfallorientierter Entscheidungen fragt es sich, ob die gesetzliche Festschreibung einer Zwangslizenz überhaupt notwendig ist. Weder die Datenbankrichtlinie noch das IuKDG sehen denn auch Zwangs lizenzen vor. 79 Diese grundsätzliche Entscheidung hat in der Literatur Zustimmung gefunden80 und steht auch im Einklang mit der Ansicht der Kommission, nach der das aktive Marketing im Wege der individuellen Rechtewahrnehmung durch Zwangslizenzen behindert würde. 81 Die belebende Wirkung, die vom Elektronischen Publizieren auf den Wettbewerb zwischen den Verlagen durch die differenzierte Endnutzung und die Erschließung neuer Märkte ausgeht, würde dann auf umgekehrtem Wege wieder aufgehoben. 82 Im Interesse des Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt sollte also auch nach Ansicht der Kommission auf jedwede Zwangslizenz verzichtet werden. 83 Darüber hinaus begegnen Zwangs lizenzen auch praktischen Bedenken. Im Hinblick auf den hier diskutierten Zweck, die Vereinfachung des Rechteerwerbs, vermag diese Lösung keine Alternative zu den Modellen kollektiver Rechtewahrnehmung zu liefern, weil das Problem der notwendigen Bündelung der zu erwerbenden Rechte nicht gelöst wird. Anders als bei der gesetzlichen Lizenz erwirbt der Verwerter bei der Zwangs lizenz kein Nutzungsrecht, sondern nur den Anspruch auf Einräumung eines Nutzungsrechts zu angemessenen Bedingungen. Er muß also weiterhin jeden einzelnen Rechtsinhaber kontaktieren, was mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Die Zwischenschaltung von Clearing-Stellen oder One-Stop-Shops wäre also weiterhin notwendig, so daß die befilrchtete Machtkonzentration auf Seiten der Verwertungsgesellschaften nicht umgangen, sondern allenfalls in ihren Auswirkungen abgemildert werden könnte. 3. Bedenken gegen gesetzliche Eingriffe in die digitale Werkverwertung Bei gesetzlicher und Zwangslizenz tritt weiterhin gleichermaßen das Problem auf, daß es sich bei der digitalen Werkverwertung um eine Nutzungsart
Zu den gegenteiligen Vorschlägen vgl. Kappes, S. 283 f. Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 406; KreilelBecker, in: GRUR Int. 1996, S. 677, 678; Kappes, S. 283 f. 81 Komm., in: Grünbuch 130 (1996), S. 163,213. 82 Heker, in: ZUM 1993, S. 400, 406. 83 Grünbuch, abgedruckt in UFIT A 130/1996, S. 163, 211. 79
80
218
H. Kartellrechtliche Probleme der Rechtewahmehmung
mit spezifischen Chancen und Risiken handelt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die vielfliltigen Manipulationsmöglichkeiten und die außerordentlich weite und vielschichtige Verbreitung im Falle der Online-Übertragung hinzuweisen. Es fragt sich, ob es unter dem Gesichtspunkt der Sozialgebundenheit des Urheberrechts zu rechtfertigen ist, dem Urheber die freie Entscheidung darüber, ob er sein Werk in dieser Weise verwertet wissen will, durch die gesetzliche Einschränkung seines Urheberrechts abzuschneiden. Ein solches Vorgehen widerspräche auch der Vorschrift des § 31 Abs. 4 UrhG über die Unwirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten. Diese Bestimmung ist Ausdruck des Schutzgedankens, daß dem Urheber, wenn neue Nutzungsarten entwickelt werden, die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben soll, ob und gegen welches Entgelt er der Nutzung seines Werkes im Wege der neuen Nutzungsart zustimmt. 84 Schwierigkeiten beim Rechteerwerb bieten keine Rechtfertigung rur eine Aushöhlung des Urheberrechts, wie sie mit gesetzlichen oder Zwangslizenzen verbunden ist. 8s Gegen gesetzliche Eingriffe in die digitale Werkverwertung spricht auch Art. 9 Abs. 2 RBÜ. Nach dieser Vorschrift bleibt es den Gesetzgebern der Verbandsländer vorbehalten, die VervielflUtigung in Sonderfällen unter der Voraussetzung zu gestatten, daß eine solche VervielflUtigung weder die normale Auswertung des Werks beeinträchtigt, noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt. Auch die Ausnahmevorschrift des Art. 13 RBÜ kann nicht zur Rechtfertigung von gesetzlichen Lizenzen oder Zwangslizenzen fil.r Multimedia-Produktionen aller Werkkategorien angefilhrt werden, da diese sich nur auf Werke der Musik zur Aufuahme auf einen Tonträger bezieht. Die vom RBÜ vorgesehene und durch die Existenz der Ausnahmeregelung des Art 13 RBÜ indizierte restriktive Handhabung von gesetzlichen Beschränkungen des urheberrechtlichen Verwertungsrechts läßt demnach keinen derart weitgehenden Eingriff wie generelle gesetzliche lizenzen oder Zwangslizenzen zur digitalen Werkverwertung ZU. 86
v. Zusammenfassung Nach alledem steht fest, daß sowohl der EGV als auch das GWB in der Lage sind, Machtkonzentrationen im Bereich des geistigen Eigentums zu
84
85
86
Amt!. Begr., Haertel/Schiefler, S. 187. Komm., Grünbuch, in: UFITA 130 (1996), S. 163,206. So auch Melichar, in: Intemet- und Multimedia-Recht, S. 205, 209.
v. Zusammenfassung
219
kontrollieren. Vor diesem Hintergrund ist das One-Stop-Shop-System als begrüßenswerte Lösung des Problems des einheitlichen Rechteerwerbs im Multimedia-Bereich zu bewerten, solange die Teilnahme daran freiwillig ist. Die in der Datenbankrichtlinie und im IuKDG zum Ausdruck kommende Entscheidung, weder gesetzliche noch Zwangslizenzen zur digitalen Werkverwertung einzuftlhren, ist nicht zu beanstanden.
J. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Zwischen gewerblichen und geistigen Ausschließlichkeitsrechten und Kartellrecht besteht ein einheitliches Spannungsverhältnis, dessen Auflösung anhand der kollidierenden Schutzrichtungen vorzunehmen ist. Das bedeutet rur das Gemeinschaftsrecht, daß der Bestand der Schutzrechte auch gegenüber dem Kartellrecht gewährleistet sein muß. Ausübungshandlungen können durch die Art. 85, 86 EGV nur dann verboten sein, wenn sie zur Aufrechterhaltung der wesentlichen Schutzfunktionen des Urheberrechts nicht erforderlich sind. Besonderheit des Verhältnisses von Kartellrecht und Ausschließlichkeitsrechten im Gemeinschaftsrecht ist aber, daß daß Kartellrecht gemeinschaftlich geregelt ist, während die AusschließIichkeitsrechte nationalgesetzlich eingeräumt werden. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts verbietet daher ein Abstellen auf den "spezifischen Gegenstand" des Schutzrechts im Sinne seines nationalgesetzlich bestimmten Inhalts bezogen auf den jeweiligen Einzelfall. Vielmehr sind die schutzrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zur Bestimmung der Schutzfunktion des jeweiligen Ausschließlichkeitsrechts einheitlich heranzuziehen. Eine Schutzrechtsausübung unterflillt insbesondere dann dem Gemeinschaftskartellrecht, wenn sie zu einer über die Schutzrechtsfunktion hinausgehenden Wettbewerbsbeschränkung instrumentalisiert wird. Die Kollision von UrhG und GWB als besondere Ausprägung des einheitlich bestehenden Spannungsverhältnisses von Ausschließlichkeitsrechten und Kartellrecht ist im Hinblick auf Sinn und Zweck der beiden Rechtmaterien im Einzelfall aufzulösen. Die §§ 17, 18 GWB finden auf Urheberrechte keine Anwendung, wohl aber der in ihnen enthaltene Grundgedanke der Maßgeblichkeit des Schutzrechtsinhalts rur die kartellrechtliche Beurteilung. Im Grundsatz ist die Ausübung des Urheberrechts kartellrechtlich zulässig, wenn sie sich innerhalb der dem Urheber durch das Schutzrecht eingeräumten Befugnisse hält. Davon ist abzuweichen, wenn das Ergebnis im konkreten Fall Sinn und Zweck des GWB widerspricht. Maßgeblich ist also auch im GWB die funktionale Ergänzung der kollidierenden Rechtsmaterien. 2. Der Eintritt der Erschöpfungswirkung bei der Werkverbreitung ist fiir die kartellrechtliche Beurteilung maßgeblich, weil durch sie die urheberrechtlichen Befugnisse begrenzt werden. Da bei der Online-Verbreitung auch bei Erstellung eines körperlichen Vervielfältigungsstücks im Gegensatz zur Offline-Verbrei-
1. Zusammenfassung der Ergebnisse
221
tung keine Erschöpfungswirkung eintritt, kommt es bei der kartellrechtlichen Kontrolle von Weiterverbreitungsverboten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei der Anwendung des Art. 85 EGV können diese Wertungsunterschiede, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, im Rahmen der Freistellung nach Abs. 3 der Vorschrift abgemildert werden. Diese Möglichkeit besteht bei der Kontrolle nach dem GWB nicht. 3. Bei Freistellungsentscheidungen nach Art. 85 Abs. 3 EGV ist bei der Prüfung der durch die Wettbewerbsbeschränkung bewirkten Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts das erhebliche Entwicklungspotential der Multimedia-Technologie zu berücksichtigen. Es muß der Sachlage Rechung getragen werden, daß dieses Potential nur durch private Investitionen erschlossen werden kann, fiir die ein Anreiz geschaffen werden muß. Ein solcher Anreiz kann eine erleichterte kartellrechtliche Beurteilung sein. 4. Der Begriff des Verlagserzeugnisses nach § 15 GWB ist normzweckorientiert, funktional und entwicklungsoffen auszulegen. Die Anwendung dieser Grundsätze auf Multimedia-Produkte ergibt, daß diese preisbindungsflihig sind, wenn und soweit sie hinsichtlich traditioneller Verlagserzeugnisse Substitutionscharakter besitzen und technische oder multimediale Zusatzfunktionen im Hinblick auf die Buchsubstitution lediglich unterstützend wirken. Für den Substitutionscharakter kommt es auf buch gleiche Inhalte sowie darauf an, daß diese Inhalte durch einen Vorgang verlegerischer Publikationstätigkeit erstellt worden sind. Diese Grundsätze gelten fiir on- und offline publizierte Multimedia-Produkte gleichermaßen. Unter denselben Voraussetzungen können Preisbindungen fiir MultimediaProdukte vom Kartellverbot des Art. 85 EGV freigestellt werden, wenn die übrigen Freistellungsvoraussetzungen vorliegen. 5. Die Kopplung von Lizenzen fiir den Browser Explorer an Lizenzen fiir das Betriebssystem Windows durch Microsoft ist nach Art. 86 EGV bzw. §§ 19 Abs. 4, 20 Abs. I GWB verboten, wenn dafiir keine sachliche Rechtfertigung im Hinblick auf die technische Zusammengehörigkeit der beiden Softwareprodukte besteht. 6. Im Hinblick auf die Vielfalt der fiir eine Multimedia-Produktion benötigten Lizenzen besteht das Bedürfnis nach einer Vereinfachung des Rechteewerbs. Ein One-Stop-Shopping-System auf der Basis von Verwertungsge15 Kreutzmann
222
J. Zusammenfassung der Ergebnisse
sellschaften bietet hierfiir die beste Lösung. Der dadurch herbeigeführten Machtkonzentration kann durch die Kartellvorschriften wirksam begegnet werden. Insbesondere kann eine Verwertungsgesellschaft sowohl nach europäischem wie auch nach deutschem Recht im Falle der Lizenzverweigerung zur Erteilung der Lizenz verurteilt werden. Die Teilnahme an einem zentralen System zur Vermittlung digitaler Nutzungsrechte muß jedoch freiwillig sein. Demgegenüber ist von der Einfiihrung gesetzlicher Lizenzen oder gesetzlich angeordneter Zwangslizenzen abzusehen. Für einen so weitgehenden Eingriff in das Urheberrecht besteht keine Rechtfertigung.
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Sachregister Abonnement-Mietvertrag 161
Datenbankrichtlinie 43, 102, 112
Absatzbeschränkung 93, 170
Dienstleistungsverkehr, freier 72
AnlaufsteIle, zentrale 202, 205, 208, 210
Digitalisierung 24, 54
Anwendungsvorrang 61 ff., 76, 78, 83
Dokumentation 28
Ausbeutungsmißbrauch 191, 209 f.
Download, Downloading 112
Ausschließlichkeitsklausel 57 f.
Drittmarktbehinderung 192 ff.
Austauschbarkeit 129, 145 ff., 178 tT., 191
Ausübungsregelung 74 "Bagatellbekanntmachung" 143 f., 146 Bedingungsdefinition 175 Behinderungsmißbrauch 191 Bereichsausnahme 64, 72 f., 78, 208 Berner Übereinkunft (RBÜ) 83, 120 Bestandsschutz 75 f., 79 "Briefmarkenalben" 127 f., 129, 132
Eigentumsanspruch 162 Einzelfreistellung 65 ff., 151 ff. Erschöpfungsgrundsatz 111 f., 121 f., 160 ff. Erschöpfungswirkung 160 f., 165, 169, 171 f. Exportverbot 59 Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts 163 ff., 149 f., 152 ff.
Buchersetzungsfunktion 139 Buchsubstitut 125
Gegenstand, spezifischer 75 f., 78 ff., 122
Bündeltheorie 61
Geltungsvorrang 62 f. Geschäftsbedingung, unangemessene 188
ClearingsteIle 202 f., 210
Graue Liste 67
CMMV 202 f., 209, 210
GruppenfreisteIl ungsverordnung (GV 0) 66 f., 149 ff., 163 ff.
Comfort letter 65, 68 f. Computeranimation 27,30 f. Computer Based Training (CBT) 28 f. Computerspiel 21, 29 f. Cyberspace 30
Handelsbrauch 185 f. Hebelwirkung 175, 197 Host 36, 47 Hypertext-Software 41, 43
Sachregister Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) 41 f., 102 Informationsmarkt 102, 145 Infringement-Test 84, 87 Integration 33, 41, 45 f., 48, 110
233
Nebenbenrecht 58 Negativattest 65, 67 f. Nutzungsart, neue 44 f., 103, 108 f. Nutzungsbeschränkung 50, 55 ff, 117, 120, 122, 161
Intra-brand-Wettbewerb 158 On demand 51, 106 f. Komplementärerzeugnis \37 Kopplungsbindung 196 f., 198 f.
One-Stop-Shop 52 f., 20 I ff., 206, 210, 219 Parallelimportverbot 59
Lizenz, - ausschließliche 40 f. - bedingte 41 - einfache 40 f. - gegenständliche 39 f. - gesetzliche 52, 211 tf., 217 f. - schuldrechtliche 39 f. - unbedingte 41
Point of sale (POS) 26
Lizenzkette 54 ff., 140, 147, 158
Produktionslizenz 48 f.
Lizenzkopplung 173 ff. Lizenznehmerbeschränkung 84,87,95 f. Lizenzsystem 45 ff., 53 ff., 117 ff., 158 Lizenztarifsystem 118 Lizenzverweigerung 214 ff.
Permission Clearance Service 52, 201 ff. Point ofinformation (POl) 26 Präsentation, multimediale 27 f. Preisbindung 123 ff. Preisbindungssystem 139 f., 153 Provider 35 f. Publikationslizenz 49 ff., 57 Realität, virtuelle 27, 30 Rechtewahmehmung 51 ff., 201 ff., 204 ff., 216 f.
"MagilI TV" 213 ff.
Rechtfertigung, wirtschaftliche 185 f.
Machtmißbrauch 206 ff Markt, - räumlich relevanter 148, 159, 18lf.,190 - sachlich relevanter 145 ff., 177 ff., 190
Rechtsbestand, grundlegender 78 ff., 100, 119,122
Marktabgrenzung 146, 148 ff., 178 ff., 190
Reimportpreisbindung 59, 140, 149 Retrieval-Software 38, 43 Reversvertrag 57, 160 Rule ofreason 198 f.
Marktplatz, audiovisueller 154
"Schallplatten" 126 f.
Mehrplatzsystem 117
Schutzhüllenvertrag 160
Multidimensionalität 23, 33
234
Sachregister
Schutzrecht sui generis 102, 150, 212
Vergütungsanspruch, gesetzlicher 211 ff.
Schutzrechtsmißbrauch 216
Verlagserzeugnis 123 ff., 152 ff., 157 f.
Sendung 106 ff.
Verlagsvertrag 48
Server 35 f.
Vermittlungsbindung 55
SESAM 204
Vertriebsbindung 55, 140, 162 ff., 169 f.
Simulation 27
Verursachungsdefinition 175
Sozialgebundenheit 211 Speichermedium, magnetisches 37 optisches 37 f.
Verwendungsbeschränkung 169
Spürbarkeit 141 f. Substituierbarkeit 129 Substitutionsprodukt 128 ff.
Verwendungs bindung 169 Verwertungsgesellschaft 52, 57, 122, 202 ff. Warenverkehr, freier 72 Weiße Liste 67
Technologietransferverordnung 150 f.
Weiterverbreitungsverbot 111, 122, 160 ff.
Tie-ins 198
Werkintegrität 56, 115 f., 121
Tying arrangements 198 f.
Werkschutzrecht 121 Wiedergabe, öffentliche 106 ff.
Urheberpersönlichkeitsrecht 120 f. Zwangs lizenz 211 ff. Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung 151 ff., 163 ff. Verbietungsrechte, schutzrechtsimmanente 83 f. Vergabestelle, einheitliche 210 f.
Zweckübertragungstheorie 44 f. Zweischrankentheorie 62 Zwischenstaatlichkeitsklausel 60 f., 64, 68, 139 ff., 162, 177