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German Pages [384] Year 2006
Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben
Herausgegeben von Albrecht Dihle, Siegmar Döpp, Dorothea Frede, Hans-Joachim Gehrke, Hugh Lloyd-Jones, Günther Patzig, Christoph Riedweg, Gisela Striker Band 165
Vandenhoeck & Ruprecht
Jochen Walter
Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Vandenhoeck & Ruprecht
Verantwortlicher Herausgeber: Christoph Riedweg
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-25264-1 Hypomnemata ISSN 0085-1671
© 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co.KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Umschlagkonzept: Groothuis, Lohfert, Consorten, Hamburg Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
1
2
Einleitung 1.1 Vom ehrwürdigen Kirchenvater zum faszinierenden Visionär 1.2 Antike und Christentum ......................................................... 1.3 Leben, Werk und Zeit des Lactanz ........................................ 1.4 Forschungsüberblick: Lactanz zwischen Antike und Christentum.......................................................................................... 1.5 Zur Fragestellung dieser Arbeit .............................................
11 12 16 22 29
Konzeptualisierungen des lactanzischen Umgangs mit paganen Texten 2.1
2.2
Hermeneutische Schlüsselbegriffe 2.1.1 Einleitung............................................................... 2.1.2 Ausgrenzende und vereinnahmende Argumentationsform ................................................................ 2.1.3 Explizite und implizite Umdeutung....................... 2.1.4 Christliche Konzeptualisierungen: Chrêsis und Synkatábasis........................................................... 2.1.5 Möglichkeiten und Risiken .................................... Methodologische Aussagen bei Lactanz 2.2.1 Einleitung............................................................... 2.2.2 Voraussetzungen christlicher Normenpropagierung aus lactanzischer Sicht................................... 2.2.3 Methodologische Aussagen in den Divinae institutiones .............................................. 2.2.4 Methodologische Aussagen in der Schrift De ira dei ............................................................... 2.2.5 Argumenta, exempla, testimonia............................ 2.2.6 Explizite Umdeutung/Chrêsis ................................ 2.2.7 Schluß ....................................................................
32 32 36 39 42 46 47 58 77 81 87 89
6 3
Inhalt
Zum Stellenwert paganer Texte 3.1 3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
Zum Stellenwert der Historiographie..................................... Zum Stellenwert der Dichter 3.2.1 Einleitung............................................................... 3.2.2 Theoretische Aussagen des Lactanz über die Dichter...................................................... 3.2.3 Zum praktischen Umgang des Lactanz mit klassischer Dichtung .............................................. 3.2.4 Der lactanzische Umgang mit einzelnen Dichtern 3.2.5 Schluß .................................................................... Zum Stellenwert der Philosophen 3.3.1 Einleitung............................................................... 3.3.2 Forschungsstand..................................................... 3.3.3 Theoretische Aussagen .......................................... 3.3.4 Praktischer Umgang............................................... 3.3.5 Schluß .................................................................... Zum Stellenwert der Hermetik 3.4.1 Einleitung............................................................... 3.4.2 Forschungsüberblick .............................................. 3.4.3 Konvergenzen zwischen hermetischen und christlichen Vorstellungen ..................................... 3.4.4 Stellenwert der Hermetica bei Lactanz .................. 3.4.5 Schluß .................................................................... Zum Stellenwert der Oracula Sibyllina 3.5.1 Zur Forschungslage................................................ 3.5.2 Entwicklungs- und Überlieferungsgeschichte der Oracula Sibyllina ................................................... 3.5.3 Die Oracula Sibyllina bei frühchristlichen Schriftstellern......................................................... 3.5.4 Die Oracula Sibyllina bei Lactanz......................... 3.5.5 Zum unterschiedlichen Stellenwert der Sibylle bei Lactanz und Kaiser Constantin .............................. 3.5.6 Schluß .................................................................... Zum Stellenwert der Apollo-Orakel 3.6.1 Einleitung............................................................... 3.6.2 Forschungsüberblick .............................................. 3.6.3 Apollo-Orakel bei Lactanz..................................... 3.6.4 Schluß ....................................................................
90 96 100 111 124 126 130 132 135 139 150 152 156 157 160 170 172 174 178 181 188 189 192 194 195 204
Inhalt
3.7
4
7
Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel 3.7.1 Einleitung............................................................... 206 3.7.2 Die Hystaspes-Orakel bei Lactanz......................... 208 3.7.3 Schluß .................................................................... 212
Pagane Wertvorstellungen bei Lactanz 4.1 Zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption 4.1.1 Einleitung............................................................... 4.1.2 Die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption in inst. 5,14,7 – 5,14,20...................................................... 4.1.3 Spätere Veränderungen in den beiden Hauptbestandteilen der Gerechtigkeitskonzeption .......... 4.1.4 Einordnung der Gerechtigkeitskonzeption in den göttlichen Heilsplan ............................................... 4.1.5 Schluß .................................................................... 4.2 Zum Stellenwert religiöser und philosophischer Wertvorstellungen bei Lactanz 4.2.1 Einleitung............................................................... 4.2.2 Der religiöse und philosophische Diskurs zur Zeit des Lactanz............................................................. 4.2.3 Zur lactanzischen Behandlung von Religion und Philosophie............................................................. 4.2.4 Natur als normsetzender Faktor? ........................... 4.2.5 Menschliche Vernunft und Überlegung als normsetzende Faktoren?................................................. 4.2.6 Erfahrungswerte als normsetzende Faktoren? ....... 4.2.7 Das lactanzische Stufenmodell der Gotteserkenntnis .............................................. 4.2.8 Schluß .................................................................... 4.3 Zum Stellenwert politischer Wertvorstellungen 4.3.1 Einleitung............................................................... 4.3.2 Frühere Schriften: Polemik gegen Staat und weltliche Gesetze ................................................... 4.3.3 Kaiseranreden und die Schrift De mortibus persecutorum: Proconstantinische Propaganda ..... 4.3.4 Spätere Schriften: Partielle Annäherung an den Staat ............................................................ 4.3.5 Schluß ....................................................................
214 215 228 229 229
232 233 235 242 251 256 258 263 265 269 278 280 285
8
Inhalt
4.4
4.5
Zum Stellenwert gesellschaftlicher Wertvorstellungen 4.4.1 Einleitung............................................................... 4.4.2 aequitas .................................................................. 4.4.3 pietas ...................................................................... 4.4.4 Bildung................................................................... 4.4.5 Schluß .................................................................... Lactanz – ein Vorkämpfer für Toleranz? 4.5.1 Einleitung............................................................... 4.5.2 Lactanzische Ansätze zur Toleranz ....................... 4.5.3 Einwände................................................................ 4.5.4 Schluß ....................................................................
289 290 299 303 304 306 310 311 318
Schlußwort .............................................................................................. 320 Anhang: Ein textkritisches Problem im Honigbechergleichnis .............. 328 Literaturverzeichnis................................................................................. 334 Indices I II III
Bibelstellen............................................................................. 360 Sonstige antike Quellen ......................................................... 361 Namen und Sachen................................................................. 380
Vorwort
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich unter dem Titel »Untersuchungen zum Stellenwert paganer Texte und Wertvorstellungen« im September 2003 an der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg eingereicht habe. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Professor Hans Armin Gärtner, der meine Arbeit stets mit dem genau richtigen Maß an fachlicher und menschlicher Zuwendung unterstützt hat. Professor Herwig Görgemanns hat mir als Zweitgutachter viele wertvolle Hinweise gegeben. Danken möchte ich auch Professor Christian Gnilka, der bereits während meines Studiums an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mein Interesse an den Kirchenvätern geweckt und auch dieser Arbeit wichtige Anstöße gegeben hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mich im Rahmen des Heidelberger Graduiertenkollegs »Religion und Normativität« von Oktober 1999 bis zum Auslaufen des Graduiertenkollegs im Herbst 2002 durch ein Stipendium gefördert hat, spreche ich meinen Dank aus, ebenso allen Angehörigen dieses Graduiertenkollegs, die mich mit konstruktiver Kritik unterstützt haben. Als sehr förderlich habe ich auch die gute Atmosphäre im Seminar für Klassische Philologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz empfunden, wo ich seit Herbst 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter bin. Zahlreiche Freunde und Kollegen haben mich in vielfältiger Weise unterstützt, insbesondere Johannes Breuer, M.A., Celia Krause, M.A., Ronald F.R. Mayer-Opificius, MSt., Dr. Christina Schindler, Dr. Claudia Schindler und Dr. Marion Steinicke. Ihnen allen danke ich herzlich. Außerdem danke ich den Herausgebern, insbesondere Professor Christoph Riedweg, für die freundliche Aufnahme in die Reihe »Hypomnemata« sowie Dr. Ulrike Blech vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die hervorragende Betreuung. Ich widme das Buch meinen Eltern, die mir ein Studium gemäß meinen Neigungen ermöglicht und mich auch sonst stets unterstützt haben. Mainz im April 2006
1. Einleitung
1.1 Vom ehrwürdigen Kirchenvater zum faszinierenden Visionär Die Erforschung der Spätantike hat in den letzten Jahrzehnten einen ungeheuren Aufschwung erfahren. Damit ging auch ein Perspektivwechsel einher: An die Stelle des konfliktorientierten Paradigmas der Auseinandersetzung zwischen Antike und Christentum ist das konziliante Paradigma einer Synthese getreten. Auch vor Lactanz (ca. 250 – ca. 325), dem christlichen Rhetorikprofessor, Apologeten und Zeitgenossen der Constantinischen Wende, hat dieser Paradigmenwechsel nicht haltgemacht. Seine Schriften werden weithin als Beispiele gelungener Synthese zwischen Antike und Christentum gewertet. Interpretationen, die Lactanz einen Exklusivitätsanspruch für die christliche Lehre zuschreiben, geraten vor diesem Hintergrund leicht in den Geruch von Rückständigkeit und Frömmelei. Neue Interpretationen der lactanzischen Schriften – allein zwischen 1999 und 2002 sind nicht weniger als sieben Bücher zu Lactanz erschienen, dazu eine Vielzahl von weiteren Beiträgen wie Aufsätzen und Lexikonartikeln – inspirieren sich zumeist an Stichworten wie Ambiguität, inklusives Christentum, Theologie der Religionen, interreligiöser oder interkultureller Dialog. Dabei geht man weit über die Inanspruchnahme des Lactanz als eines christlichen Vorkämpfers für Toleranz und Religionsfreiheit hinaus, wie sie etwa noch das Zweite Vatikanische Konzil vornahm. Aus dem ehrwürdigen Kirchenvater ist inzwischen ein faszinierender Visionär geworden: Eine beeindruckende Reihe von heutigen westlichen Wertvorstellungen meint man in seinen Schriften – ausformuliert oder doch zumindest angedacht – vorfinden zu können. In der vorliegenden Arbeit wollen wir prüfen, inwiefern sich diese vielversprechenden Ansätze allgemein für den Umgang des Lactanz mit paganen1 Texten und Wertvorstellungen fruchtbar machen lassen. Zu diesem 1 Die Begriffe »pagan« und »polytheistisch« sind Fremdbezeichnungen, mit denen Juden und Christen jeweils die restliche Menschheit ausgrenzten beziehungsweise sich selbst von dieser in identitätsstiftender Weise abgrenzten. Ihre Verwendung im (altertums-)wissenschaftlichen Diskurs ist deshalb als diskriminierend und/oder irreführend kritisiert worden (vgl. etwa zu »Paganismus« Cancik: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe 4 (1998), 302; zu »Polytheismus« Ahn 1993, passim). In dieser Arbeit werden trotzdem unter anderem auch diese Begriffe Verwendung finden. Vgl. auch Athanassiadi – Frede 1999, 5; Barnes 2001, 142; Garnsey – Humfress 2001, passim, die für die Weiterverwendung des Begriffes »pagan« eintreten beziehungs-
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Zwecke werden wir in dieser Einleitung zunächst kurz auf das Thema »Antike und Christentum« eingehen, dann Leben, Werk und Zeit des Lactanz vorstellen und schließlich nach einem summarischen Forschungsüberblick die Fragestellung dieser Arbeit präzisieren.
1.2 Antike und Christentum Die Frage, wie sich Antike und Christentum2 zueinander verhalten, ist seit dem Beginn des Christentums aktuell gewesen und wurde sowohl von Anhängern des Christentums als auch von seinen Kritikern teilweise leidenschaftlich diskutiert. Als heuristisches Konzept ist diese Frage von dem katholischen Kirchenhistoriker Franz Joseph Dölger (1879-1940) maßgeblich geprägt worden.3 Zeugnis seines Lebenswerkes sind unter anderem das nach seinem Tode ins Leben gerufene »Reallexikon für Antike und Christentum« und die zugehörigen »Jahrbücher für Antike und Christentum« mit entsprechenden Supplementbänden. Was aber ist mit dem Stichwort »Antike und Christentum« genau gemeint? Franz Joseph Dölger selbst hat seine Vorstellungen nie systematisch formuliert.4 In der jüngsten Ausgabe des Lexikons »Religion in Geschichte und Gegenwart« heißt es dazu:5
weise diesen Begriff weiterhin benutzen. Denn es fehlt an besseren Alternativen (vgl. Athanassiadi – Frede 1999, 4-8): Die Rede von »traditionally pious« (Digeser 2000, passim) beispielsweise reduziert unter anderem die Differenz auf den Gegensatz alt – neu; gegen die Rede von »griechischrömischer Religion« oder »nichtchristlichen Religionsformen« läßt sich unter anderem einwenden, daß sie den Begriff »pagan« zu eng (nicht alle paganen Religionen sind griechisch oder römisch) beziehungsweise zu weit (auch das Judentum ist eine nichtchristliche, nicht aber eine pagane Religion) faßt. Für die christliche Polemik spielte die Vorstellung eine große Rolle, daß die paganen Religionsformen anhängenden Griechen und Römer vom religiösen Standpunkt auf demselben Niveau standen wie die finstersten und unzivilisiertesten Barbaren. Im übrigen läßt sich die Verwendung der Begriffe »pagan« und »polytheistisch« auch dadurch rechtfertigen, daß – wie wir im folgenden, insbesondere im Abschnitt 2.2.2.2 sehen werden – Lactanz selbst die mit diesen Begriffen verbundenen Ausgrenzungsstrategien verfolgt. So problematisch, pauschalisierend und irreführend die Begriffe »pagan« und »polytheistisch« also für eine ›objektive‹ Behandlung der Spätantike sind, so treffend sind sie für die subjektive Grenzziehung, die unser Autor vornimmt. Es ist kaum weniger problematisch, Texte durch Hineininterpretieren politisch korrekter Begriffe gewissermaßen zu veredeln, als es zu versäumen, diskriminierend-polemische Begriffe dieser Texte in der Interpretation kritisch zu hinterfragen. Lactanz benutzt das Wort »pagan« nicht, spricht aber häufig von Götterverehrern (cultores deorum, [inst. 1,7,6 u.ö.]), Götterverehrung (cultus deorum [inst. 2,16,9 u.ö.], auch im Plural: Götterkulte [vgl. inst. 2,3,11 u.ö.]), womit er durch den Plural des Genitiv-Objekts offenkundig den Begriff des »Polytheismus« impliziert. 2 Vgl. allgemein zu diesem Thema Judge 1979; Schöllgen 1993; Burkert 1996; Betz: RGG4 1 (1998), 542-546 s.v. Antike und Christentum; dens. 1998b. 3 Zu Dölger vgl. Klauser 1980. 4 So Betz 1998b, 6. 5 Betz: RGG4 1 (1998), 542.
Einleitung
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Er [der Begriff »Antike und Christentum«, J.W] steht in enger Beziehung zum Problemkomplex Hellenismus und bezeichnet das Spannungsverhältnis von antiker Kultur und dem in ihrer Mitte entstehenden Christentum, wobei »Antike« die Gesamtheit der mit diesem Stichwort gegebenen historischen, kulturellen und religiösen Sachverhalte in Beziehung setzt zum »Christentum« als Besonderheit.
Vor diesem Hintergrund lassen sich drei große Ansätze unterscheiden, mit denen das komplexe Verhältnis zwischen Antike und Christentum konzeptualisiert werden kann: Christianisierung, Hellenisierung und Synthese. Aus der Perspektive der europäischen Tradition liegt es vielleicht am nächsten, im ›Christlichen‹ das Überlegene zu sehen: Man kann damit von einem Paradigma der Christianisierung der Antike sprechen. Die Anhänger dieses Paradigmas können dabei zu ganz unterschiedlichen Bewertungen des von ihnen vorausgesetzten Sieges des Christentums kommen: Aus christlicher Perspektive mag man sich etwa an der Errettung einer antiken Welt erfreuen, die von Sünde gekennzeichnet ist und Gutes und Wahres immer nur in partieller und/oder kontaminierter Form beinhaltet.6 Eine ganz andere Einschätzung vertrat etwa Edward Gibbon, der christliche Einflüsse für den Niedergang Roms mitverantwortlich machte.7 Dem Paradigma der Christianisierung erscheint die christliche Lehre häufig als ein monolithischer Block. Dabei besteht die Gefahr, die dynamische Entwicklung christlicher Vorstellungen zu marginalisieren beziehungsweise zu harmonisieren. Auch kann eine unsachgemäße Anwendung dieses Paradigmas dazu führen, jeden Bezug auf außerchristliche Texte und Normen von vornherein als bloßes Mittel zum apologetischen Zweck aufzufassen und das jeweils eigene christliche Idealbild – oder auch Feindbild – in beliebige Texte hineinzulesen. Andererseits ist es auch möglich, das ›antike‹ Element als überlegen zu betrachten. Diese Interpretationsrichtung kann man unter dem Stichwort Hellenisierung des Christentums fassen.8 Die Benutzung außerchristlicher Texte oder Vorstellungen zu christlichen Zwecken gilt hier entweder als gänzlich mißlungen (unbeabsichtigte Hellenisierung) oder von Anfang an nur vorgetäuscht (absichtliche Hellenisierung). Wo Texte oder Vorstellungen dem Ideal- oder Feindbild, das man sich vom Christentum macht, 6 Vgl. etwa Gnilka 1984; 1993. 7 In seinem 1776-1788 publizierten Werk »The History of the Decline and Fall of the Roman Empire.« nennt Gibbon unter den »four principal causes of the ruin of Rome« als zweiten Grund »II. The hostile attacks of the Barbarians and Christians« (chapter 71, zitiert nach: Gibbon 1851, VI 519). Dabei lehnte Gibbon freilich das Christentum nicht grundsätzlich ab. Vgl. zu seiner Einschätzung des Niedergangs Roms auch Demandt 1984, 132-134. 8 Vgl. dazu auch Drumm: LThK 4 (1995), 1407-1409 s.v. Hellenisierung und Wyrwa: RGG4 3 (2000), 1608f. s.v. Hellenisierung des Christentums. Zu Hellenisierung in einem über die Auseinandersetzung zwischen Antike und Christentum hinausweisenden Sinne vgl. Gerber: DNP 5 (1998), 301-309 s.v. Hellenisierung I. Geschichte.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
widersprechen, ermöglicht es das Hellenisierungs-Paradigma, die dann als unchristlich erscheinenden Elemente als Ergebnisse von Hellenisierung zu denunzieren beziehungsweise zu nobilitieren. Die Immunisierung des vorgegebenen Begriffes von Christentum wird hier durch das umgekehrte Urteil erreicht wie im Falle des Christianisierungs-Paradigmas.9 Sowohl das Paradigma der Christianisierung als auch das der Hellenisierung insinuieren eine binäre Opposition zwischen Antike und Christentum. Die Wurzeln dieser Paradigmen liegen letztlich in den Auseinandersetzungen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte selbst, sie sind religiös stark aufgeladen. In den letzten Jahrzehnten hat ein Ansatz an Gewicht gewonnen, der die mit Christianisierung und Hellenisierung verbundene Polarität überwindet und die vielfältigen Interdependenzen zwischen Christianisierung und Hellenisierung berücksichtigt. Hier wird eine Synthese zwischen Antike und Christentum postuliert.10 Das Kräfteverhältnis zwischen Antike und Christentum wird als annähernd ausgeglichen aufgefaßt, ja die Trennlinie zwischen beiden erscheint tendenziell unklar. Das Lexikon »Religion in Geschichte und Gegenwart« findet dafür die folgenden Worte:11 In diesem Prozeß stehen sich AuC [sic, J.W.] nicht als unveränderliche Blöcke, sondern als in geschichtlichem Wandel befindliche Bezugsgrößen gegenüber. Ihre Einwirkung aufeinander vollzieht sich nicht bloß als Entgegen- oder Auseinandersetzung von klassischen griech.-röm. Idealen und Christentum, sondern zugleich als »Ineinandersetzung« (Fontaine, Christentum 9), als Integration und Neuschöpfung.
Der hier zitierte Aufsatz von Jacques Fontaine12 erwies sich als um so wirkungsmächtiger für die Klassische Philologie, als auch andere Faktoren das Synthese-Paradigma besonders attraktiv erscheinen lassen. Dies hängt nicht nur damit zusammen, daß eine Synthese sozusagen auf einer dialektisch höheren Ebene zu sein scheint als die These »Christianisierung« und die entsprechende Antithese »Hellenisierung«.
9 Vgl. etwa die etwas gewundene Argumentation von Maier 1999, 229, der der christlichen Lehre einen entscheidenden Anteil an der Grundlegung der Menschenrechte zuspricht und die erstaunliche Tatsache, daß »diese christlichen Keime erst nach mehr als eineinhalb Jahrtausenden aufgegangen sind«, mit Hilfe des Hellenisierungs-Paradigmas erklärt (»hat seinen Grund in der Entwicklung der dogmatischen Theologie, die sich von der Bibel entfernte und sich antike Denkpositionen zu eigen machte« (ebd.). 10 Der Begriff der Synthese ist nicht kanonisch, taucht aber in diesem Zusammenhang immer wieder auf, vgl. beispielsweise Wlosok: TRE 20 (1990), 373; Beierwaltes 1998, 7-20 (der seine Entscheidung für das Synthese-Paradigma im Gegensatz zum Großteil der Forschung thematisiert, begründet und sich dabei auch gegen überzogene Umsetzungen des Synthese-Paradigmas wendet); kritisch gegenüber dem Synthese-Paradigma Blümer 1991, 5. 7 in Verbindung mit 179182; Buchheit 2002b, 309. 11 Betz: RGG4 1 (1998), 542. 12 Fontaine 1982.
Einleitung
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In der Alten Geschichte hat etwa Peter Brown schon vor einiger Zeit im Anschluß an anthropologische Theorien von Mary Douglas die »Stile« sozialer Interaktion in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gestellt. Religiöse Veränderungen – etwa der ersten nachchristlichen Jahrhunderte – erscheinen vor diesem Hintergrund tendenziell lediglich als Reflexe veränderter sozialer Kommunikationsstile.13 Diese Perspektive hat die althistorische Forschung nachhaltig beeinflußt, so daß Peter Garnsey und Caroline Humfress die folgende Bilanz ziehen können: »In fact, modern historians increasingly reject the concept of the victory of Christianity and also question the whole idea of a clash of cultures between Christians and pagans in late antiquity.«14 Auch die Entwicklungen in der jüngeren Literaturtheorie geben dem Synthese-Paradigma Auftrieb. Als maßgebliche Eigenschaft eines jeden Textes erscheint in vielen Arbeiten seine Multiplizität und Ambiguität.15 Auch wenn die dekonstruktionistische These, Texte hätten überhaupt keinen Sinn, meist nicht bis in die letzte Konsequenz übernommen wird: Konzepte, die einem Text einen bestimmten Sinn, etwa im Sinne des Christianisierungs-Paradigmas oder Hellenisierungs-Paradigmas, zusprechen, geraten leicht in den Verdacht, die Komplexität der Texte zugunsten einer letztlich willkürlichen Betonung des einen oder anderen Aspektes zu vernachlässigen. Mit der Zuschreibung einer grundsätzlichen Multiplizität und Ambiguität an die Texte verbindet sich eine Abwendung von der Intentionalität des Autors.16 Im Mittelpunkt der Textinterpretation steht nicht mehr die ursprüngliche Absicht seines Verfassers. Vielmehr wird betont, daß jeder Text von Anfang an Teil eines Textsystems ist und seine Bedeutung durch das Textsystem beziehungsweise die verschiedenen Prätexte17 bereits vorgegeben ist.18 Spielt also etwa ein christlicher Autor auf Inhalte der klassischen Bildung an, so folgt daraus nach Maßgabe dieser literaturtheoretischen Grundsätze zweierlei: 1. Der pagane Prätext ist entscheidender für die Aussage des Textes als die Intention des christlichen Autors. 2. Wie alle Texte, so zeichnen sich auch Texte aus dem Spannungsfeld »Antike und 13 Vgl. etwa Brown 1995 (1978), 28f. 14 Garnsey – Humfress 2001, 134. 15 Vgl. etwa Fowler 2000, 118f. 134: »inherently open-ended, multiple, and unstable in opposition to notions of univalent, self-contained meaning«; Sharrock 2000, 9 (»unstable, ambivalent auctorial voice«) 10. 12. Vgl. auch Edmunds 2001, 143f. 151. 153. 16 Vgl. Barthes 1984 (1968) mit dem Titel »La mort de l’auteur«. 17 Zum Vorrang des Textsystems vgl. Fowler 2000, 118f. 127. Zum Vorrang der Prätexte vgl. Fowler 2000, 119. 121; Edmunds 2001, 150f. 18 Eine andere Richtung moderner Literaturtheorie, die ebenfalls die Bedeutung der Intentionalität des Autors relativiert, ist die Rezeptionsforschung: Sie stellt ganz den Leser, sein Verständnis und die für dieses Verständnis maßgeblichen Zeitumstände in den Vordergrund, vgl. Fowler 2000, 127. 130.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Christentum« durch eine prinzipielle und unaufhebbare Multipliziät und Ambiguität aus, so daß die Frage nach der Prävalenz des antiken oder des christlichen Elements geradezu absurd erscheinen muß. Andererseits lassen sich einige Ansätze der jüngeren Literaturtheorie auch für das Christianisierungs- oder Hellenisierungs-Paradigma fruchtbar machen.19 Schließlich scheint das Synthese-Paradigma auch bei dem verdienstvollen Versuch hilfreich sein zu können, der Spätantike einen Platz in der öffentlichen Diskussion zu sichern. Denn es orientiert sich zum einen weniger an der damaligen Auseinandersetzung zwischen Antike und Christentum als vielmehr an ihrem bis heute nachwirkenden Ergebnis, etwa dem christlichen Abendland. Die Konflikte, die zu den Geburtswehen dieses christlichen Abendlandes gehörten, können so teleologisch – etwa im Sinne einer wunderbaren Kommensurabilität – gedeutet und damit marginalisiert beziehungsweise harmonisiert werden. Zum anderen erleichtert es das Synthese-Paradigma auch, heutige Wertvorstellungen wie Toleranz und Pluralismus in der Spätantike wiederzufinden und die Epoche so für moderne Zeitgenossen interessant zu machen.20
1.3 Leben, Werk und Zeit des Lactanz Lucius Cae(ci)lius21 Firmianus Lactantius wurde in der Mitte des 3. Jahrhunderts geboren, sein Geburtsort ist unbekannt. In dieser Zeit sah sich das römische Reich mit zahlreichen außen- und innenpolitischen Problemen konfrontiert, die in der Forschung unter dem Begriff »Reichskrise« diskutiert werden.22 Lactanz wurde unter anderem bei dem Rhetoriklehrer Arno19 So thematisiert Edmunds 2001, 160-162, daß Texte durch die Art und Weise, wie sie in späteren Texten durch intertextuelle Bezüge in Erinnerung gebracht werden, normativ entwertet oder zumindest bei erneuter Lektüre ganz anders wahrgenommen werden können. Vgl. dazu auch unten S. 36 Anm. 17. 20 Ein eindrucksvolles Beispiel bietet etwa ein vom Presse- und Informationsamt der damaligen Bundesregierung herausgegebenes Büchlein mit dem identitätsstiftenden Titel »Europa. Werte. Wege. Perspektiven« (= Thiede 2000), das lange Zeit u.a. in deutschen Stadtbüchereien zum Mitnehmen auslag. Kaiser Constantin, so liest man dort, »hütete sich davor, die heiligen Stätten anderer Religionen zu beschädigen oder zu zerstören. Nur die Orte heidnischer Kulte opferte er« (S. 52). An dieser absurden Formulierung wird deutlich, welch starken Einfluß das Paradigma der Synthese auf die Darstellung spätantiker Begebenheiten nehmen kann. 21 Beide Namensformen sind handschriftlich überliefert; wahrscheinlich lautete das Gentilnomen Caelius, vgl. Wlosok 1989a, 378. 22 Außenpolitisch mußten römische Armeen immer wieder herbe Niederlagen hinnehmen, und feindliche Verbände drangen weit ins römische Reich vor. Innenpolitisch sehen wir das Phänomen der sogenannten Soldatenkaiser: Kaiser, die aus militärischen Rängen stammten beziehungsweise vom Militär abhängig waren. Immer wieder kam es zu Usurpationen, die nicht selten erfolgreich waren – häufige Bürgerkriege und Herrschaftswechsel waren die Folge und machten
Einleitung
17
bius in Sicca Veneria (heute El-Kef/Tunesien) ausgebildet. In den folgenden Jahren muß sich unser Autor als Rhetoriklehrer einen glänzenden Ruf erworben haben. Denn Kaiser Diocletian berief ihn – wahrscheinlich zwischen 290 und 300 n. Chr. – an seinen Hof in das als Kaiserresidenz neu ausgebaute Nikomedeia (am Marmarameer). Inzwischen hatte sich die Lage des römischen Reiches verändert – so sehr, daß die Forschung im allgemeinen den Regierungsantritt des Diocletian im Jahre 284 mit dem Ende der ›Reichskrise‹ zusammenfallen läßt. Diocletian führte eine Vielzahl von Reformen und Neuerungen durch, insbesondere schuf er die tetrarchische Herrschaftsordnung.23 Seine Innovationen zielten auf Effizienz und reichsweite Vereinheitlichung der Verwaltung. Für unsere Fragestellung interessiert aber primär, daß zur Zeit der Tetrarchie auch ein gewandeltes Verhältnis zur Religion deutlich zu werden scheint.24 Von jeher galten die Götter den Römern als Garanten ihrer Herrschaft.25 Ein ungetrübtes Verhältnis zu den Göttern (pax deorum) wurde daher als Voraussetzung für das Wohlergehen des Imperium Romanum angesehen. Diesen Frieden mit den Göttern hatte insbesondere der Kaiser als pontifex maximus zu gewährleisten. Umgekehrt galt der Kaiserkult als eine der wichtigsten Loyalitätsbezeugungen gegenüber dem römischen Staat überhaupt. Die krisenhaften Entwicklungen im 3. Jahrhundert führten nun besonders seit Gallienus (253-268) zu einer Rückbesinnung auf die Religion.26 Zahlreiche Inschriften, Renovierungen und Neubauten von Heiligtümern deuten auf eine staatlich geförderte Renaissance traditioneller Religiosität hin. Die Tetrarchen selbst stilisierten sich zu Nachfahren von Göttern, Diocletian als Iovius (von Jupiter, der ja als Jupiter Optimus Maximus die römische Staatsmacht besonders stark repräsentierte), Maximian als Herculius. Darüber hinaus meint man am Heirats- und Manichäeredikt Diocletians festmachen zu können, daß die tetrarchischen Vorstellungen von Religion dogmatische Züge annahmen und darin von der Tradition abwichen. Derartige Ansprüche waren der bisherigen öffentlichen die außenpolitische Lage des Reiches um so prekärer. In dieser Situation ereigneten sich auch die ersten überregionalen Christenverfolgungen (zu der Verfolgung unter Decius vgl. Rives 1999; zu der Verfolgung unter Valerian vgl. Schwarte 1989). Zur »Reichskrise« vgl. Strobel 1993, passim und Zimmermann 1999, passim. 23 Seine Herrschaft teilte er – ohne dabei an seiner eigenen Vorrangstellung Zweifel aufkommen zu lassen – mit drei weiteren Männern: Zusammen mit dem im Westen residierenden Maximian führte er den Augustus-Titel. Jedem der beiden Augusti war ein Machthaber mit dem Titel Caesar untergeordnet (der Caesar Galerius dem Augustus Diocletian, der Caesar Constantius dem Augustus Maximian). Für dieses Herrschaftssystem hat sich der Begriff »Tetrarchie« eingebürgert. Weitere Reformen betrafen das Militär, die Provinzverwaltung, das Steuer-, Münz-, Wirtschafts- und das Rechtswesen. Zu Diocletian allgemein vgl. Kolb 1987; 1988; 1995. 24 Vgl. Demandt 1989, 58. 25 Vgl. Gärtner, RAC 17 (1996) passim. 26 Vgl. Alföldy 1989, passim.
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Religion weitgehend fremd: Weniger die Orthodoxie als vielmehr die Orthopraxie stand im Vordergrund. Diocletian nun erhob den Anspruch, zur Durchsetzung von ein für alle Mal von den Göttern festgesetzten Normen verpflichtet zu sein.27 In der Forschung wird ein enger Zusammenhang zwischen diesem religiösem Selbstverständnis der Tetrarchen und gegen das Christentum gerichteten Schriften, etwa des Porphyrios oder des Hierokles, gesehen:28 Im Mittelpunkt dieser Kritik standen nicht mehr Vorwürfe von Greueltaten, sondern eine massive literarische und historische Kritik an den heiligen Schriften der Christen, sowohl am Alten als auch am Neuen Testament. Besonders effizient waren in diesem Zusammenhang die Schriften des Neuplatonikers Porphyrios: Einerseits untergrub er in der Schrift »Gegen die Christen« die Autorität der Bibel, indem er sowohl auf innere Widersprüche hinwies als auch aufzeigte, daß das biblische Buch Daniel seine Prophezeiungen ex eventu vornimmt.29 Andererseits bot er in der Schrift Philosophie aus Orakeln mit Götterorakeln selbst andere normative30 Texte und mit der Theurgie einen Erlösungsweg für alle Menschen an. Damit stellte Porphyrios eine offenkundig ernstzunehmende Alternative zum Christentum bereit, ohne die traditionellen Religionsformen zu beeinträchtigen.31 Daß antichristliche Schriften zum geistigen Hintergrund der 303 beginnenden Christenverfolgung gehören, trifft sicherlich zu. Die Frage, ob sie alle Gewalt als Mittel zur religiösen Auseinandersetzung intendiert oder auch nur gerechtfertigt haben, bedarf allerdings einer näheren Untersuchung.32 Gegen Ende der 90er Jahre des dritten Jahrhunderts erreichten die Tetrarchen eine innen- und außenpolitische Konsolidierung des Reiches. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts ging man dann mit großer Härte gegen ›neue‹ Religionen wie den Manichäismus (im Jahre 302) und das Christentum (seit dem Jahr 303) vor. Die große Christenverfolgung, die 304 in einem allgemeinen Opferbefehl33 an die gesamte Reichsbevölkerung gipfelte und erst 313 endgültig eingestellt wurde, übertraf in ihren Auswirkungen die voraus27 Vgl. Coll. Mos. et Rom. Leg. 6,4; 15,3 (FIRA2 II 558-560; 580f.); Liebeschuetz 1979, 244. 28 Zum Folgenden vgl. Simmons 1995, 22-32. 29 Vgl. Wilken 1984, 137-143; Simmons 1995, 29. 30 Ich gebrauche das Wort »normativ« im Sinne von (1) »normsetzend«, oder (2) »Normen beziehungsweise Normsetzung betreffend«. 31 Vgl. Simmons 1995, 23. 32. 32 Vgl. zu dieser Frage auch unten den Abschnitt 4.5.3.3. 33 Nach den Forschungsergebnissen von Schwarte 1994, 220f. 229 gab es nicht mehrere Edikte zur diocletianischen Christenverfolgung, sondern nur ein einziges. Bei dem Opferbefehl des Jahres 304 handelte es sich demgemäß lediglich um eine Ausführungsbestimmung. Für Schwarte Partei ergreifen Kolb 1995, 27; Bleckmann: DNP 3 (1997), 584 s.v. Diocletianus; kritisch dagegen Barnes 1997, 104 Anm. 31; Löhr 2002, passim.
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gehenden Christenverfolgungen – zumeist lokale Pogrome – bei weitem. Die Gründe für die Christenverfolgung sind in der Forschung umstritten.34 In den 90er Jahren des dritten Jahrhunderts war es mehrmals zu Problemen mit christlichen Soldaten gekommen, die sich unter Berufung auf ihr Christentum weigerten, den Kriegsdienst für den Kaiser fortzusetzen. Im Jahre 299 sollen Christen durch Bekreuzigung kaiserliche Opfer gestört haben; eine Entfernung der Christen aus dem Heer folgte. Die Durchführung der großen Christenverfolgung stieß allerdings auf Probleme: Weite Kreise der nichtchristlichen Bevölkerung zeigten sich wenig motiviert,35 und einzelne Herrscher setzten die christenfeindlichen Maßnahmen in ihren Herrschaftsgebieten nur teilweise oder gar nicht um. Hier spielte auch das Scheitern der sogenannten zweiten Tetrarchie eine Rolle: Im Jahre 305 waren Diocletian und Maximian von ihren Caesares Constantius und Galerius als Augusti abgelöst worden, Flavius Severus und Maximinus Daza rückten als neue Caesares nach. Doch Constantius starb schon im folgenden Jahre (306), und sein Sohn Constantin ließ sich von seinen Truppen zum Augustus ausrufen; weitere Usurpationen folgten und mit ihnen Konflikte zwischen den einzelnen Herrschern. Vor diesem Hintergrund waren nun auch wieder die Christen eine potentiell umworbene Gruppe. Als die große Christenverfolgung in Nikomedia am 23. Februar 303 begann, hatte sich Lactanz bereits dem Christentum zugewandt. Er verlor sein Amt am kaiserlichen Hofe – oder legte es angesichts der Zeitumstände nieder. In der Zeit der beginnenden Christenverfolgung dürfte Lactanz die kryptochristliche36 Schrift »Über das Schöpfungswerk Gottes« (De opificio dei [opif.]) geschrieben haben, in der er die ästhetischen und funktionalen Qualitäten des menschlichen Körpers als Beweis für die göttliche Providenz deutet. In dieser Zeit hat unser Autor möglicherweise auch ein kryptochristliches Gedicht über den Vogel Phönix (De ave Phoenice [Phoen.] verfaßt.37 Das Hauptwerk des Lactanz aber sind die Divinae institutiones [inst.],38 die erste systematische Einführung in den christlichen Glauben auf Latein: Im ersten Buch (De falsa religione) propagiert Lactanz die Einheit Gottes und stellt zu diesem Zweck unter anderem einen Testimonienkatalog vor. Im zweiten Buch (De 34 Vgl. etwa die Ausführungen bei Schwarte 1994, 233-240. 35 Vgl. Sordi 1983, 131. 36 Daß Lactanz dieses Werk bereits nach seiner Konversion zum Christentum verfaßt hat, geht vor allem aus Anspielungen am Anfang und Schluß hervor (opif. 1,9; 19,8-20,1). 37 So die überwiegende Forschungsmeinung, vertreten beispielsweise durch Wlosok 1989a, 400. 38 Zum Titel des Werkes, den man u.a. mit »Göttliche Unterweisungen«, aber auch etwa mit »Einführung in die Religion« übersetzen könnte, vgl. Görgemanns: DNP 5 (1998), 1113 s.v. Isagoge; Winger 1999, 493-503; Heck 2005, 218f.
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origine erroris) bietet unser Autor eine Religionsgeschichte der Menschheit und erklärt die paganen Religionsformen als Abfall von einem Urmonotheismus hin zu einer Verehrung von der Menschheit übel gesonnenen Dämonen. Im dritten Buch (De falsa sapientia) propagiert Lactanz die Nichtigkeit der Philosophie. Im vierten Buch (De vera sapientia et religione) stellt unser Apologet seine Christologie vor. Im fünften Buch (De iustitia) expliziert Lactanz seine Gerechtigkeitskonzeption vor dem Hintergrund der Christenverfolgungen. Gerechtigkeit und Christentum sind demnach identisch. Im sechsten Buch (De vero cultu) artikuliert unser Autor die ethischen Forderungen, die einem Christen obliegen. Im siebten Buch (De vita beata) erörtert Lactanz die Unsterblichkeit der Seele und die Eschatologie.
Die sieben Bücher sind möglicherweise aus einzelnen Traktaten hervorgegangen. Mit seinem Werk verfolgt Lactanz nach eigenen Angaben drei Ziele: erstens die Konversion nichtchristlicher Mitmenschen, insbesondere der Christenverfolger selbst, zweitens die Stärkung von insbesondere gebildeten Christen, deren Glauben vor dem Hintergrund der Christenverfolgung ins Wanken geraten ist, und drittens die Erbauung der eigenen Seele.39 Unklarheit herrscht über die Frage, wann genau (304-311?) und wo Lactanz die Divinae institutiones verfaßt hat. Zum einen weiß man nicht, wo sich Lactanz während der Christenverfolgungen aufgehalten hat.40 Zum anderen sind die Divinae institutiones in zwei verschiedenen Versionen überliefert: diese unterscheiden sich dadurch, daß in der einen Anreden an Kaiser Constantin und einige (›dualistische‹) Textpassagen stehen, die in der anderen fehlen. In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, daß die kürzere Version die ursprüngliche ist und später zu der längeren Version erweitert worden ist. Auch geht man davon aus, daß Lactanz selbst die Erweiterungen vorgenommen habe. Eberhard Heck vertritt die Ansicht, daß Lactanz die Umarbeitung erst kurz vor seinem Tod (wahrscheinlich im Jahre 325) begonnen hat und nicht mehr zu Ende führen konnte.41 Dagegen ist Elizabeth DePalma Digeser mit der These hervorgetreten, daß Lactanz die Kaiserdedikationen bereits viel früher eingefügt habe, nämlich spätestens im Jahre 310 anläßlich einer öffentlichen Rezitation seiner Werke am Hofe Constantins.42 Im allgemeinen geht man dagegen davon aus, daß Constantin unseren Autor erst später (314/315?) an seinen Hof bestellt und mit der Erziehung seines Sohnes Crispus betraut habe. Inzwischen hatten sich die politischen Verhältnisse im römischen Reich zugunsten der Christen verändert: Im Jahre 311 räumte Galerius kurz vor seinem Tod das Scheitern der Christenverfolgung ein und legalisierte das Christentum. Im Jahre 312 be39 Vgl. inst. 5,1,8f. 12. 40 Vgl. Wlosok 1989a, 378. 41 Diese Meinung hat sich weitestgehend durchgesetzt, vgl. etwa Ogilvie 1978, 3; Barnes 1981, 291 Anm. 96; Wlosok 1989a, 378. 42 Vgl. Digeser 1996, 63-91. 93.
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siegte Constantin den in Rom residierenden Maxentius und schwang sich so zum Herrscher des gesamten westlichen Reiches auf. Erneute Christenverfolgungen gab es im Osten des Reiches unter Maximinus Daza,43 der allerdings im Jahre 313 von dem damals mit Constantin verbündeten Licinius entscheidend geschlagen wurde. Die Mailänder Vereinbarung, in der Constantin und Licinius allen Reichsbewohnern Religionsfreiheit gewährten, gelangte damit auch im östlichen Reichsteil zur Geltung.44 Recht bald nach dem Ende der Christenverfolgung, also etwa in den Jahren 313-316, schrieb Lactanz einen Traktat über die »Todesarten der Verfolger« (De mortibus persecutorum [mort. pers.]). Hier schildert er triumphierend das grausame Ende der Christenverfolger von Nero bis zu den Tetrarchen. Außerdem sind zwei weitere Werke auf uns gekommen, die Lactanz nach dem Ende der Christenverfolgung verfaßt hat, aber nicht zuverlässig genauer datiert werden können. Die sogenannte »Epitome« (Epitome divinarum institutionum [epit.]) bietet eine überarbeitete und etwa auf ein Siebtel des ursprünglichen Textumfangs gekürzte Zusammenfassung der Divinae institutiones. In der Schrift »Vom Zorne Gottes« (De ira dei [ira]) wendet sich Lactanz gegen die – insbesondere von Stoikern und Epikureern – vertretene Auffassung, Gott könne nicht zürnen. Außerdem wissen wir von weiteren Werken, die Lactanz verfaßt haben soll. Die umfangreichen Briefsammlungen, das Symposion und ein Gedicht über seine Reise von Afrika nach Nikomedien gelten bisher als verloren.45 Jüngst hat allerdings Anne Friedrich vorgeschlagen, in dem »Symposion der 12 Weisen« das lactanzische Symposion zu erblicken.46 Dieses Werk hat nichts spezifisch Christliches an sich.47 Vieles spricht dafür, daß Lactanz – möglicherweise am kaiserlichen Hofe – im Jahre 325 gestorben ist, also im Jahre des Konzils von Nikaia und ein Jahr nach dem Sieg des Constantin über Licinius, der ersteren zum Alleinherrscher machte und auch den Beginn einer forcierten Förderung des Christentums markierte.
43 Zur Namensform vgl. Mackay 1999, 207-209. 44 Zur immer noch verbreiteten Rede von einem ›Edikt von Mailand‹ vgl. Seeck 1891, passim; Knipfing 1922, passim; Barnes 1998, 280, Anm. 24. 45 Vgl. Wlosok 1989a, 401f. 46 Vgl. Friedrich 2002, 481-494. Gegen diesen Vorschlag wendet sich Resellini 2002, passim. 47 Vgl. Friedrich 2002, 493. Die Forscherin datiert das Symposion »Ende der 70er beziehungsweise in die 80er Jahre des dritten Jahrhunderts« (S. 508).
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1.4 Forschungsüberblick: Lactanz zwischen Antike und Christentum Schon in der Spätantike wird Lactanz sehr unterschiedlich beurteilt: So impliziert Hieronymus (gestorben 419/420), Lactanz sei aus christlicher Perspektive über das Niveau Ciceros nicht hinausgekommen.48 Ja Hieronymus macht Lactanz sogar denselben Vorwurf, den dieser an die Philosophen richtet: nur Falsches widerlegen, aber nichts Wahres beweisen zu können.49 Dagegen führt Augustinus (354-430) unseren Autor gerade als Musterbeispiel für gelungenen christlichen Umgang mit paganen Kulturgütern an.50 Durchgesetzt hat sich aber in diesem Fall die kritische Einschätzung des Hieronymus: Sie prägt bis heute weitgehend die Lactanzrezeption. Dabei wird kaum die Frage gestellt, inwiefern Hieronymus bei der Bewertung des lactanzischen Vorgehens eigene Nöte und Konflikte – man denke an den berühmten Traum des Hieronymus, in dem ihm vom göttlichen Richter vorgeworfen wird: »Ciceronianus es, non Christianus!«51 – auf unseren Autor projiziert hat. Im 6. Jahrhundert brandmarkt das Decretum Galesianum die Schriften des Lactanz, indem es sie zu den apocrypha zählt.52 Im Mittelalter ist Lactanz ein häufig gelesener Autor und erhält den Ehrentitel »Cicero Christianus«.53 Größter Beliebtheit und zahlreicher gedruckter Ausgaben erfreut sich unser Autor in der Renaissance.54 Im 18. Jahrhundert finden wir dann im von Johann Heinrich Zedler herausgegebenen Universallexikon wiederum zwei gegensätzliche Stränge der Lactanzinterpretation: Der eine sieht in Lactanz einen allzu strengen Kritiker der paganen Philosophen, der andere bezweifelt, daß sich Lactanz überhaupt ernsthaft dem Christentum zugewandt habe.55 48 Vgl. Hier. epist. 70,5,2. 49 Hier. epist. 58,10,2: Lactantius, quasi quidam fluvius eloquentiae Tullianae, utinam tam nostra adfirmare potuisset, quam facile aliena destruxit! 50 Aug. doctr. chr. 2,146: nam quid aliud fecerunt multi boni fideles nostri? Nonne aspicimus quanto auro et argento et veste suffarcinatus exierit de Aegypto Cyprianus [...], quanto Lactantius ...? Vgl. dazu Gnilka 1984, 88-91. 51 Vgl. Hier. epist. 22,30,4. 52 Zum Verhängnis wird ihm wohl unter anderem, daß er in seinen Schriften dem Heiligen Geist kaum Beachtung schenkt. In Briefen (fr. 3 und 4) soll er die Existenz des Heiligen Geists sogar geleugnet haben. Möglicherweise handelte es sich hier auch um eine lediglich vorübergehende Anpassung an die Erfordernisse der Argumentation, eine condescensio. Die Unterscheidung zwischen solchen Inhalten, die taktisch-protreptisch bedingt sind und solchen, von denen Lactanz seine Leser dauerhaft überzeugen will, ist eine der Hauptschwierigkeiten der Lactanzinterpretation, vgl. dazu unten das Kapitel 2.1. 53 Vgl. dazu Wlosok 1989a, 403. 54 Vgl. Ocker 1986, 348. 55 Vgl. Zedler 16 (1737), 136-142 s.v. Lactantius, hier 141: »So tadelt man auch an ihm, daß er die Heydnischen Welt-Weisen so verächtlich gehalten, und offt härter, als der Christliche Glaube zuläst, geschrieben auch offt andern hierdurch Unrecht gethan habe [...] Doch scheinet es zu hart geurtheilet zu seyn, wenn Arnold in seiner Kirchen- und Ketzer-Historie [...] meldet, er sey
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Der folgende Überblick konzentriert sich auf diejenigen Aspekte, die das Verhältnis zwischen Antikem und Christlichem bei Lactanz betreffen. Vielfach liegen die Schwerpunkte und Verdienste der Beiträge auch auf anderen Gebieten. Eine umfassende Würdigung aller Ansätze und Verzweigungen der reichhaltigen Lactanzforschung kann an dieser Stelle nicht erfolgen; sie würde den Stoff für eine eigene kleine Monographie abgeben. Den Anfang der modernen Lactanzforschung markieren gleichsam zwei Paukenschläge: die erste kritische Ausgabe (1890-1897) von Samuel Brandt im Jahre 1890 sowie die erste große wissenschaftliche Lactanz-Studie aus der Feder von Réné Pichon aus dem Jahre 1901. Bereits in diesem Werk herrscht das Synthese-Paradigma vor: Zwar arbeitet der französische Forscher auch Beispiele für christliche Umdeutung heraus. Im Ganzen erscheint Lactanz aber als mittelmäßiger Geist, der dem überwältigenden Einfluß der griechisch-römischen Kultur erlegen ist.56 Entscheidende Impulse für die Lactanzforschung ergaben sich erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier ist insbesondere Antonie Wlosok zu erwähnen, die mit ihrer 1960 publizierten Dissertation Lactanz in die Tradition gnostisch-hermetischer Lehren einordnete. Die Verfasserin ermittelt ein gnostisch-hermetisch geprägtes religiöses Vorverständnis57 unseres Autors. Insbesondere habe dieser den »anfänglichen, hermetisch bestimmten Gottesbegriff [...] nicht aufgegeben, [...] ihn aber weitergeführt und der praktischen Theologie dienstbar gemacht«.58 Antonie Wlosok konstatiert eine »Synthese von römischem Religions- und Gottesbegriff und gnostischer Erlösungs- und Offenbarungslehre«.59 Dabei scheint sie aber sowohl in dem römischen Religionsbegriff als auch in der gnostischen Erlösungslehre eher formale Strukturen zu erkennen, die christlichen Inhalten dienstbar gemacht werden: Die Synthese vollzieht sich demnach nicht auf inhaltlicher Ebene zwischen Christlichem und Nichtchristlichem, sondern auf formaler Ebene zwischen nicht (spezifisch) christlichen Vorstellungen.
bey dem Heydnischen Schein-Wesen geblieben; und kurz darauf fortfährt: Im übrigen lässet sichs an solchen Scribenten erkennen, wie wenig die damahligen Christen in den wahren lebendigen Glauben, und in der Ablegung des Heydnischen Tandes gegründet gewesen«. 56 Vgl. Pichon 1901, 217: »Il reste classique et païen« und ebd. VIII: »Lactance est ›médiocre‹ au sens latin du mot – et un peut aussi au sens français.« und ebd. 218: »Les sources profanes sont bien plus nombreuses chez Lactance que les sources religieuses, et surtout bien plus importantes. Tandis qu’il ne songe aux livres saints que lorsqu’ils lui sont nécessaires pour son raisonnement, au contraire, son esprit est sans cesse sous l’influence des grands penseurs et des grands poètes de la Grèce ou de Rome; il les a étudiés pour eux-mêmes, par une attraction naturelle; il s’est vraiment formé à leur école, et revient vers eux spontanément, sans même que les circonstances l’exigent.« 57 Vgl. Wlosok 1960, 228. 58 Wlosok 1960, 230. 59 Vgl. Wlosok 1960, 230.
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Allerdings weist die von Antonie Wlosok und Heinrich Kraft andernorts postulierte wunderbare »Kommensurabilität römischen und biblischen Denkens«60 in eine andere Richtung. Die Konzepte von »Synthese« und »Kommensurabilität« haben in der Folgezeit weite Teile der späteren Forschung geprägt. Die in der Arbeit von Antonie Wlosok durchaus vorhandenen Hinweise auf christliche Umdeutung sind demgegenüber in der Wahrnehmung häufig stark zurückgetreten. Christianisieren die lactanzischen Schriften pagane Inhalte, hellenisieren sie christliche Inhalte oder stellen sie pagane und christliche Inhalte in eine mehr oder weniger gleichberechtigte Synthese? Diese Frage wird in der Forschung kaum explizit angesprochen, sondern zumeist stillschweigend im Sinne der letzteren Option (Synthese) gelöst. Im Mittelpunkt der meisten Beiträge zu Lactanz steht sein Verhältnis einerseits zum klassischen Bildungsgut, das heißt vor allem zu Philosophen und Dichtern, und andererseits zu den christlichen Schriftstellern. Dabei ging es zunächst vor allem um die Eruierung seiner Quellen. Nicht immer wurde beachtet, daß Lactanz seine Quellen nicht unkritisch übernimmt, sondern häufig entscheidend umformt. Vor diesem Hintergrund entbrannte in den 70er Jahren eine teilweise erbittert geführte Debatte um die Frage, ob Lactanz einzelne Autoren des klassischen Bildungskanons, etwa Cicero oder Vergil, als göttlich inspiriert angesehen habe. Hauptexponenten dieser Diskussion waren Eberhard Heck, der diese Frage bejahte und Vinzenz Buchheit, der sie vehement verneinte. Die Diskussion ist 1994 durch einen Aufsatz von Alain Goulon zu einem gewissen Abschluß gebracht worden, schwelt aber noch weiter.61 Einige Forscher orientieren sich an dem Paradigma der Christianisierung; zu nennen sind hier insbesondere Serafino Prete, Vinzenz Buchheit und Christian Gnilka. Auch theologische Beiträge betonen den christlichen Charakter der lactanzischen Schriften.62 Vinzenz Buchheit und Christian Gnilka haben an Beispielen wie dem lactanzischen Gerechtigkeitsbegriff, der lactanzischen Nutzung des Mythos vom Goldenen Zeitalter oder seiner Verwendung des Wegegleichnisses herausgearbeitet, daß und wie Lactanz hellenistisch-römische Kulturelemente zu seinen ›christlichen‹ Zwecken instrumentalisiert.63 Christian Gnilka hat dazu auf den von ihm entwickelten 60 So Kraft – Wlosok 41983, XXV; vgl. auch Wlosok 1989a, 403 (»Kommensurabilität biblisch-alttestamentlichen und römischen Denkens«). 61 Vgl. einerseits Meßmer 1974, 22; Goulon 1978, 151 Anm. 194; Heck 1978, 177 A. 17; Heck 1988, 173f.; um Ausgleich bemüht Goulon 1994, 35 und andererseits Buchheit 1979a, 234; 1990, passim; 1996, passim; 2002b, 309. Winger 1999, 200 Anm. 1318 scheint der Heck’schen Position etwas näher zu stehen. 62 Vgl. beispielsweise Kinzig 1994, 486-517. 63 Vgl. Buchheit 1979a-d; Buchheit 1982 sowie Gnilka 1990, 25-30 = Gnilka 1993, 35-40.
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Ansatz der Chrêsis zurückgegriffen, der seinerseits auf frühchristlichen Konzepten christlichen Umgangs mit antiken Kulturgütern fußt.64 Die Betonung der Differenz zwischen ›Christlichem‹ und ›Nichtchristlichem‹ bei Lactanz hat auch zu harmonisierenden und idealisierenden Interpretationen geführt. So übersehen etwa Serafino Prete und Vinzenz Buchheit die Veränderungen innerhalb der Gerechtigkeitskonzeption des Lactanz.65 Dem Christianisierungs-Paradigma nahe – ohne harmonisierende oder idealisierende Tendenzen – steht auch Michel Perrin.66 In seinem Werk »Lactance et la Bible« (1982) betont Pierre Monat, daß unser Autor sehr wohl die Differenz zwischen der Bibel und paganen Textgruppen hervorgehoben hat.67 Mit dieser Einsicht hat sich aber Monat, der selbst bei anderer Gelegenheit eher auf dem Boden des Synthese-Paradigmas zu stehen scheint,68 bisher nicht durchsetzen können. Alain Goulon hat sich intensiv mit dem lactanzischen Verhältnis zur klassischen Dichtung auseinandergesetzt. Er betont immer wieder die christliche Umdeutung poetischer Prätexte bei Lactanz. Seine beschwichtigende Stellungnahme zur Auseinandersetzung um die Frage, ob Lactanz Vergil für einen Propheten gehalten habe, untertreibt allerdings die Relevanz dieser Fragestellung.69 Ansonsten steht die frankophone Forschung weitgehend in der Tradition des Buches von Réné Pichon. Maurice Testard etwa gibt dem SyntheseParadigma insofern eine neue Wendung, als er Lactanz bescheinigt, die Meisterwerke klassisch-antiker Kultur überhaupt sakralisiert zu haben.70 Hervé Inglebert ordnet Lactanz in seine Geschichte des christlichen Geschichtsbildes ein und geht dabei explizit von einer Synthese (synthèse)71 aus. Lactanz habe zwischen Beredsamkeit, philosophischer Vernunft und christlichem Glauben keinen wesentlichen Unterschied gesehen,72 sei Cicero verhaftet73 und ein Gefangener der senatorischen Tradition74 gewesen.75 64 Vgl. dazu unten den Abschnitt 2.1.4. 65 Vgl. Prete 1956, passim; Buchheit 1979c, 362. Zu solchen idealisierenden Einschätzungen kommen auch einige Beiträge, die das lactanzische Verhältnis zur hellenistisch-römischen Kultur nicht weiter problematisieren. Ein Beispiel dafür ist Kinzig 1994, 504, der in Lactanz einen Gegner der Sklaverei zu erkennen glaubt. 66 Vgl. insbesondere Perrin 1987, passim. 67 Monat 1982, I 52. 54. 59. 63 (»... Lactance n’a pas accompli un naif effort de syncrétisme en mêlant poètes, oracles et prophètes. Les Écritures ont à ses yieux une spécificité certaine«). 68 Vgl. Monat 1973, I 50; 2001, 65 (»Cicéron, le maître à penser et à écrire de Lactance«). 69 Vgl. Goulon 1994, 35 und unten den Abschnitt 3.2.2.1. 70 Vgl. Testard 1997, 218. 71 Vgl. Inglebert 1996, 121 (»synthèse entre apport classique et christianisme«). 134. 72 Vgl. Inglebert 1996, 120: »Pour lui, il n’existait aucune contradiction essentielle entre l’éloquence des orateurs, la raison des philosophes et la religion chrétienne; aussi la rétorsion faitelle place à la discussion.« 73 Vgl. Inglebert 1996, 117 Anm. 169: »Pour Lactance, Cicéron est la référence absolue.« 74 Vgl. Inglebert 1996, 135: »... prisonnier de la tradition sénatoriale«.
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Im Jahre 1999 veröffentlichte der katholische Theologe und Philologe Wolfram Winger seine im Fach systematische Theologie vorgelegte Dissertation. In dieser Arbeit ist unter anderem ein vollständiger Lesetext von inst. 5 und inst. 6 sowie von inst. 3,7,1–3,13,6 und inst. 4,22–4,26. 30 inklusive Übersetzung enthalten. Im Rahmen seiner umfassenden Interpretation lactanzischer Ethik mißt der Autor der Einführung des Naturrechtsparadigmas in die christliche Ethik eine zentrale Rolle zu.76 In diesem Zusammenhang betont er die normsetzende Vernunftbegründung77 und Anthropozentrik78 der lactanzischen Ethik ebenso wie ihre für Religionsfreiheit eintretende Toleranz.79 Lactanz habe die Moral nicht durch – etwa von der Bibel und/oder kirchlicher Autorität dekretierte – absolute Normen80 festlegen wollen, sondern alle ethischen Entscheidungen jedem einzelnen Individuum beziehungsweise seinem Gewissen überlassen.81 Das Verhältnis zwischen Christlichem und Nichtchristlichem in der lactanzischen Ethik stellt sich für Wolfram Winger nur marginal als Instrumentalisierung – nichtchristlicher Elemente durch christliche Zielsetzungen – dar.82 Bezeichnend für seine Interpretation dieses Verhältnisses sind vielmehr Begriffe wie Synthese, Verschmelzung, Kongruenz, Koinzidenz, Konvergenz und Integration.83 Insbesondere die normsetzende Kraft der biblischen Schriften sieht Wolfram Winger bei Lactanz zugunsten der – schöpfungstheologisch aufgewerteten – menschlichen Vernunft in Anlehnung an antike Naturrechtsvorstellungen empfindlich relativiert. Im angelsächsischen Raum hat die Lactanzforschung aus der Perspektive der Alten Geschichte neue Impulse erhalten: Jüngst hat Elisabeth DePalma Digeser eine Monographie vorgelegt, in der sie die lactanzische Toleranzvorstellung als eines der Grundprinzipien des als Christian Empire aufgefaßten constantinischen Staates interpretiert.84 Dabei unterscheidet sie zwischen toleration, einer prinzipiengebundenen Duldung ohne Erwartung eines Einlenkens der geduldeten Gruppe einerseits und concord, einer prinzi75 Rambaux 1994 erkennt unter recht einseitiger Beiziehung ›liberaler‹ Bibelstellen eine Hellenisierung, die sich vor allem in engstirnigem Rigorismus niedergeschlagen habe. Ders. 2001 rehabilitiert Lactanz als bibeltreuen Christen. 76 Vgl. Winger 1999, 257-562 (= Teil III: Interpretation: Zentrale Gedanken und Begriffe der lactanzischen Ethik – die Transformation des Naturrechts in das Christentum), besonders 417f. 77 Vgl. zur Einschätzung der Vernunft etwa Winger 1999, 47. 78. 410. 613. 78 Vgl. zur Zuschreibung der Anthropozentrik etwa Winger 1999, 612. 79 Vgl. zur Zuschreibung von Toleranz etwa Winger 1999, 14. 47f. 614. 80 Vgl. Winger 1999, 309. 347 81 Vgl. etwa Winger 1999, 269. 613. 82 So etwa Winger 1999, 35f. 83 Vgl. Winger 1999, passim. 84 Digeser 2000, 111: »a Christian Rome modeled on the theories of the Divine Institutes« und überhaupt Digeser 2000, 115-143 (unter der Überschrift »Constantine and the New Rome«) mit Anmerkungen auf S. 167-175.
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piengebundenen Duldung in der Erwartung, daß die geduldete Gruppe letztlich einlenkt und ihren Standpunkt aufgibt, andererseits. Das constantinische Vorgehen beschreibt sie als policy of concord.85 Die lactanzischen Schriften propagieren ihrer Ansicht nach ein inklusives Christentum (inclusive christianity), das zwischen Christen und Nichtchristen nicht scharf unterscheide. Dabei faßt sie die Inklusivität dezidiert nicht als missionarisch-methodische Technik, sondern als Wesenszug des von Lactanz propagierten Christentums auf.86 Auch glaubt sie, daß Lactanz im Unterschied zu früheren Kirchenvätern es für möglich gehalten habe, daß Gotteserkenntnis dem Menschen allein schon durch die gottgegebene Vernunft und Wahrnehmung zuteil werde – ohne Hinzutreten einer Offenbarung.87 Mit ihrer inkludierenden Auffassung des Christentums schreibt sie Lactanz den Versuch zu, eine Koalition aller – auch nichtchristlicher – Monotheisten zu bilden.88 In der lactanzischen Auseinandersetzung mit der römischen Gesellschaft und dem römischen Rechtssystem erblickt sie sogar eine Vorlage für sozialen Wandel und das Ideal eines monotheistischen Rechtssystems unter Gleichsetzung von christlichem Gesetz, göttlichem Gesetz und ciceronianisch verstandenem Naturgesetz.89 Außerdem rückt die amerikanische Forscherin auch die – bisher vielfach geleugnete – Auseinandersetzung des Lactanz mit Porphyrios in den Vordergrund. Ihre These, daß Lactanz einen abstrakten Monotheismus ohne scharfe Unterscheidung zwischen Christen und Nichtchristen vertreten habe, macht sie u.a. auch am lactanzischen Umgang mit der Hermetik fest. Die Hermetik gehört zu den von Lactanz zitierten paganen Texten mit Offenbarungsanspruch. Solche Texte haben bis vor kurzem in der Lactanzforschung keine große Rolle gespielt. Von den paganen Texten mit Offenbarungsanspruch waren nur die Hermetica durch die Dissertation von Antonie Wlosok90 eingehender behandelt worden. Im Mittelpunkt des Interesses stand vielmehr das lactanzische Verhältnis zur klassischen Dichtung und Philosophie. Erst in der allerjüngsten Vergangenheit hat man auch den ›offenbarten‹ paganen Texten mehr Aufmerksamkeit geschenkt. So widmet Andreas Löw in seiner Dissertation über die Rezeption des Hermes Trismegistos im frühen Christentum ca. 170 Seiten Lactanz.91 Seine Ergebnisse ordnen das lactanzische Vorgehen im Gegensatz zum allgemeinen Trend in der Lactanzforschung eher dem Christianisierungs-Paradigma zu. Der Alt85 86 87 88 89 90 91
Digeser 2000, 110f. 126f. 133-138. Digeser 2000, 16. 84. Digeser 2000, 89. Digeser 2000, 16. 32. 83. 140. Digeser 2000, 15. Wlosok 1960. Löw 2002, 88-253.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
historiker Oliver Nicholson, der mit einer Reihe von Aufsätzen zu Lactanz hervorgetreten ist, hat den »foreign prophets« kürzlich einen eigenen, wenngleich recht kurzen Aufsatz gewidmet.92 Erst nachdem ich die vorliegende Arbeit an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg eingereicht hatte, erschien eine von Anthony Bowen und Peter Garnsey besorgte Übersetzung der Divinae institutiones mit Anmerkungen. Die Einleitung bietet auf über 50 Seiten einen guten Überblick über den Inhalt der Divinae institutiones und die wichtigsten Interpretationsansätze. Wo sie über den bisherigen Forschungsstand hinaus eigene Beobachtungen anstellt, kommt sie teilweise – insbesondere in Bezug auf die politische Dimension93 – zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie meine Arbeit. Mit diesen Angaben kann freilich nur eine grobe Skizze der auffälligsten Entwicklungen in der Lactanzforschung geboten werden.94 In den meisten der folgenden Kapitel findet sich daher ein eigener Forschungsüberblick speziell zu dem dort je behandelten Thema.
92 Auf den 11 Seiten seines Aufsatzes arbeitet Nicholson 2001a Grundzüge des lactanzischen Umgangs mit den »foreign prophets« (Hermes Trismegistos, Sibyllen, Apollo, Hystaspes) heraus: Demnach bleiben diese divina testimonia in lactanzischer Perspektive stets von ihrem normativen Rang her der Bibel untergeordnet: Nicht ihre eigenständige Normativität, sondern ihr Ansehen bei dem von Lactanz anvisierten Publikum bringt unseren Autor dazu, sie zu zitieren. Problematisierungswürdig erscheint es allerdings, wenn Nicholson annimmt, Hermes Trismegistos zähle für Lactanz zu den divina testimonia (Nicholson 2001a, 367; vgl. dazu unten den Abschnitt 2.2.5 und dort besonders Anm. 114), Lactanz zitiere Hermes, die Sibylle, Apollo und Hystaspes grundsätzlich mit Zustimmung (Nicholson 2001a, 367; vgl. dazu unten die Abschnitte 3.4.4.3, 3.5.4.4, 3.6.3 und 3.7.2), oder die paganen Dichter hätten Visionen vom Geist Gottes erhalten (Nicholson 2001a, 372; vgl. dazu unten die Abschnitte 3.2.2 und 3.2.3). 93 Die politische Dimension wird im Kapitel 4.3 behandelt. Übereinstimmungen ergeben sich, wo Peter Garnsey etwa davon ausgeht, daß Lactanz im fünften Buch der Divinae institutiones das weltliche Gesetz für überflüssig erklärt (Bowen-Garnsey 2003, 38. 45) und insgesamt kein politisches Programm entworfen habe (S. 36. 45). Auch deckt sich seine Einschätzung, bei Lactanz ersetzten die Märtyrer die altrömischen Helden als »true models of virtue« (S. 29), mit der meinen (vgl. dazu unten S. 91f.). 94 Keine weitere Berücksichtigung in dieser Arbeit finden die Monographien von Tjulenev 2000 und Laszlo 2002 – aus unterschiedlichen Gründen: Das bisher nur in russischer Sprache publizierte Werk von Tjulenev, dessen Titel man mit »Lactanz: ein christlicher Historiker an einer Epochenwende« übersetzen kann, ist offenbar dem Synthese-Paradigma verpflichtet (vgl. Freund 2003, 63. 65). Da meine Russischkenntnisse aber nicht ausreichen, um mich eingehend mit der Argumentation auseinanderzusetzen, muß ich eine weitergehende Behandlung dieser Monographie auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Die Monographie von Laszlo dagegen enttäuscht so sehr, daß man der Rezension von Freund 2003, 69 (»... Inhaltlich hat es nichts zu bieten [...] Dass an L.s Ausführungen überhaupt nichts Haltbares ist, liegt auf der Hand...«) kaum zu widersprechen wagt.
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1.5 Zur Fragestellung dieser Arbeit Die gegenwärtige Forschung orientiert sich größtenteils am Synthese-Paradigma und gelangt so zu Ergebnissen, die unseren Autor einerseits als Verfechter moderner Werte wie der Toleranz erscheinen lassen und ihn andererseits in engen Zusammenhang mit der Constantinischen Wende bringen, und zwar nicht nur als Zeitzeuge, sondern auch als einen Vordenker dieser Wende. Lassen sich diese teilweise geradezu spektakulären Ergebnisse auch allgemein auf den lactanzischen Umgang mit paganen Texten und Vorstellungen übertragen? Oder ist es vielmehr fraglich, ob sich das Synthese-Paradigma auf Lactanz anwenden läßt? Welche Rolle spielt Lactanz innerhalb des spannungsreichen Verhältnisses zwischen Antike und Christentum? Um diese Fragen zu beantworten, möchten wir die von Lactanz zitierten paganen Textgruppen möglichst vollständig behandeln. Denn bisher fehlt eine Untersuchung, die nicht nur einzelne, sondern alle Textgruppen kritisch auf ihren Stellenwert bei Lactanz überprüft.95 Diesen Weg beschreitet die vorliegende Arbeit. Dabei kann den einzelnen paganen Textgruppen freilich auch nicht annähernd so viel Raum gegeben werden, wie dies bei einer Beschränkung auf eine einzige Textgruppe möglich wäre. Dementsprechend können in der Regel hier nicht alle bei Lactanz jeweils einschlägigen Stellen diskutiert werden. Andererseits ermöglicht es dieses Vorgehen jedoch, einen allgemeinen Überblick über den lactanzischen Umgang mit paganen Prätexten zu gewinnen, anstatt für die Einordnung einer einzigen – oder einiger weniger – paganen Textgruppe(n) auf die Übernahme bisweilen widersprüchlicher Ergebnisse der bisherigen Forschung angewiesen zu sein.96 Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit werden die Divinae institutiones als apologetisches Hauptwerk des Lactanz stehen. Aber auch die übrigen Prosawerke unseres Autors werden berücksichtigt, insbesondere, um etwaige Entwicklungen im lactanzischen Umgang mit paganen Texten und Wertvorstellungen aufdecken und verfolgen zu können. Zwei in Versen abgefaßte Schriften, das »Symposium der 12 Weisen« [XII sapientes] und das Lied »Vom Vogel Phönix« [De ave Phoenice] wer95 Lediglich Buchheit 2002b widmet den testimonia veritatis einen eigenen Beitrag. Auf den 10 Seiten seines Aufsatzes kann er freilich nur einige Aspekte behandeln; Apollo- und HystaspesOrakel werden beispielsweise von ihm nicht einmal erwähnt. Dadurch wiederum ergibt sich eine durchaus problematisierungswürdige Vereinfachung der lactanzischen Unterscheidung zwischen divina testimonia und humana testimonia. 96 Ein besonders eindrückliches Beispiel für dieses Problem bieten die Aufsätze von Pricoco über die Apollo-Orakel bei Lactanz. Pricoco gewinnt dabei durch sorgfältige Interpretation wertvolle Ergebnisse, kommt aber im Vertrauen auf die Ergebnisse anderer meines Erachtens zu einer höchst problematisierungswürdigen Einschätzung der Rolle, welche die Apollo-Orakel für Lactanz gespielt haben.
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den dagegen nicht in die Untersuchung einbezogen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind nicht so sehr Zweifel, ob Lactanz tatsächlich der Verfasser dieser Werke ist.97 Gewichtiger sind inhaltliche Einwände: Das Symposion trägt offensichtlich keine christlichen Züge. Selbst Anne Friedrich geht davon aus, daß Lactanz es vor seiner Konversion zum Christentum verfasst hat.98 Insofern kann es uns keine Aufschlüsse zum Verhältnis von Antike und Christentum bei Lactanz geben. Komplizierter liegt der Fall bei dem Gedicht De ave Phoenice. Diese Schrift wird im allgemeinen als christliche Dichtung aufgefaßt: als erste und insofern epochemachende christliche Dichtung, die formalen Kriterien der paganen Klassik genügt.99 Zahlreiche Beiträge zeigen, daß man De ave Phoenice sehr wohl als christlich verstehen kann.100 Methodologische Aussagen, die eine christliche Intention besonders nahelegen, sind in dem Gedicht nicht enthalten. Die Interpretation von De ave Phoenice anhand methodologischer Aussagen aus den Divinae institutiones ist zwar möglich, beruht aber auf der Annahme, daß Lactanz mit dem Gedicht dieselben apologetisch-protreptischen Zwecke verfolgt wie mit den Divinae institutiones. Und so ist es angesichts des allegorischen Charakters des Phönixgedichtes fraglich, ob die christliche Interpretation die einzig mögliche oder auch nur die ursprünglich vom Verfasser intendierte ist.101 Die vorliegende Untersuchung geht in drei Schritten vor: Im folgenden Kapitel (2.) geht es um theoretische Konzepte des lactanzischen Umgangs mit paganen Texten. Dabei erörtert der Abschnitt 2.1 die hermeneutischen Schlüsselbegriffe, die dieser Arbeit zugrundeliegen. Der Abschnitt 2.2 beantwortet die Frage, wie Lactanz selbst seinen Umgang mit paganen Textgrupen in seinen methodologischen Aussagen darstellt. Im daran anschließenden Kapitel (3.) sollen diese theoretischen Konzepte dann anhand einzelner Textgruppen überprüft werden: Lassen sich die von uns zugrunde gelegten Schlüsselbegriffe auf den konkreten Umgang des Lactanz mit seinen paganen Prätexten anwenden? Und in welchem Verhältnis steht sein praktisches Vorgehen zu seinen eigenen theoretischen Aussagen? Im Rahmen dieser Fragestellungen versuchen wir, den Stellenwert der einzelnen paganen Textgruppen für Lactanz zu bestimmen. 97 Die Zuschreibung des Symposions an Lactanz wird von Freund 2003, 67-69 gebilligt (Widerspruch dagegen bei Rosellini 2002, passim). Das Gedicht De ave Phoenice scheint in seiner Zuweisung an Lactanz heute kaum noch umstritten zu sein. 98 Vgl. Friedrich 2002, 493. 99 Vgl. Wlosok 1989a, 399; von Albrecht 21994, 1264. 100 Vgl. beispielsweise Walla 1969; Wlosok 1982; Delbey 1998, vgl. auch weitere Literatur bei Wlosok 1989a, 398. 101 Das Gedicht wurde unter anderem auch schon als poetische Gestaltung des weiblichen Menstruationszyklus gedeutet, vgl. Heffernan 1988, passim.
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Dabei gehen wir – weitgehend dem lactanzischen Testimonienkatalog im ersten Buch der Divinae institutiones folgend – die einzelnen paganen Textgruppen durch, namentlich die Historiographie, die klassische Dichtung, die Philosophie, die Hermetik, die Oracula Sibyllina, die ApolloOrakel und die Hystaspes-Orakel. Viele der interessantesten Fragen der Lactanzforschung sprengen dagegen den engen Rahmen einer einzigen Textgruppe. Daher setzt das vierte Kapitel dieser Arbeit einen inhaltlichen Schwerpunkt und erörtert das lactanzische Verhältnis zu paganen und heutigen Wertvorstellungen. Schließlich ist es beispielsweise denkbar, daß Lactanz zwar gegen die klassischen Texte der Antike polemisiert, ihre Inhalte aber stillschweigend übernimmt. Nach einer kurzen Einführung in den für Lactanz zentralen Gerechtigkeitsbegriff (Abschnitt 4.1) wenden wir uns der Frage nach dem Stellenwert philosophischer und religiöser (Abschnitt 4.2), politischer (Abschnitt 4.3) und gesellschaftlicher (Abschnitt 4.4) außerchristlicher Wertvorstellungen bei Lactanz zu. Der Abschnitt 4.5. geht schließlich der Frage nach, ob und inwiefern man unserem Autor Toleranz zuschreiben kann.
2. Konzeptualisierungen des lactanzischen Umgangs mit paganen Texten
2.1 Hermeneutische Schlüsselbegriffe 2.1.1 Einleitung Um den lactanzischen Umgang mit paganen Texten adäquat beurteilen zu können, ist es notwendig, eine Sensibilität für die verschiedenen rhetorischen und hermeneutischen Techniken zu entwickeln, die Lactanz einsetzt. Dies ist ein in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung häufig vernachlässigter Aspekt. In der Konsequenz werden dann die bei Lactanz häufigen Rekurse auf nicht spezifisch christliche Kulturelemente als Belege für eine mehr oder weniger gleichberechtigte Synthese christlicher und antiker Kulturelemente im lactanzischen Denken verstanden. In diesem Kapitel geht es daher um hermeneutische Modelle, die den lactanzischen Umgang mit außerchristlichen Texten und Normen zu erklären versuchen, und um die Möglichkeiten und Risiken, welche die Berücksichtigung dieser hermeneutischen Modelle birgt. 2.1.2 Ausgrenzende und vereinnahmende Argumentationsform Wir gehen aus von einem Redner, der die ›bisherige Einstellung seines Publikums‹ (Ealt) durch eine ›andere Einstellung‹ (Eneu) ersetzen will.1 Ihm stehen dabei verschiedene Persuasionsstrategien offen. Eine Möglichkeit, diese Persuasionsstrategien zu unterscheiden, bietet die Frage, ob und wie Ealt thematisiert wird: 1. Der Redner kann einerseits ganz darauf verzichten, Ealt – und damit die aus seiner Sicht notwendige Veränderung – anzusprechen. Er sagt dann nur, was das Publikum fürderhin denken (und tun) soll. 2. Häufiger thematisiert der Redner aber durchaus die bisherige Einstellung des Publikums. Hier ergeben sich wiederum zwei Möglichkeiten: a) die ausgrenzende Argumentationsform: Der Redner kann den Unterschied zwischen Ealt und Eneu offen zur Sprache bringen und als kontradikto1
Vgl. Knape: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 6 (2003), 874 s.v. Persuasion.
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rische Differenz kennzeichnen. Dabei besteht die Neigung, Ealt zu diskreditieren und zu denunzieren, Eneu dagegen zu nobilitieren. Die Vorteile dieser Argumentationsform liegen darin, daß Eneu durch den Kontrast zu Ealt um so klarer und deutlicher hervortreten kann. Ein Nachteil dieser Argumentationsstrategie ist die Gefahr, daß das Publikum die Kritik an Ealt als Kritik an der eigenen Person auffaßt und diese dem Redner verübelt. Der Redner verfehlt dann nicht nur das rhetorische Gebot, sich das Wohlwollen des Publikums zu erwerben. Er droht auch an dem eigentlichen Ziel seiner Vortrages, der Persuasion selbst, zu scheitern. b) die vereinnahmende Argumentationsform: Der Redner verzichtet darauf, den Unterschied zwischen Ealt, der bisherigen Einstellung des Publikums, die der Redner bekämpft, und Eneu, der Einstellung, die der Redner erst im Publikum installieren will, explizit zum Ausdruck zu bringen. Wo die ausgrenzende Argumentationsform von einer kontradiktorischen Differenz ausgeht, konstruiert die vereinnahmende Argumentationsform häufig einen lediglich graduellen Unterschied zwischen Ealt und Eneu – oder erweckt gar den Anschein, daß ein solcher Unterschied gar nicht existiere. Diese Strategie weist Berührungspunkte mit der dissimulatio/simulatio (»politisch-taktisch-dialektische[n] Verwendung der Ironie«) auf, wie sie Heinrich Lausberg vorstellt.2 Der Redner vereinnahmt bestimmte Elemente von Ealt, deren Wertschätzung er vordergründig zu teilen scheint, um sich so Vertrauen und Wohlwollen des Publikums zu sichern. Gestützt auf diese Elemente von Ealt kann er dann das Publikum in seinem Sinne beeinflussen. Dabei tritt der Konflikt zwischen Ealt und Eneu nicht offen zutage. Wesentlich ist, daß diese Elemente von Ealt de facto nicht mit der neuen Einstellung, für die der Redner wirbt, vereinbar sind, sondern der Redner nur vorübergehend die Perspektive seines Publikums einnimmt. Mit dieser Argumentationsform holt der Redner das Publikum – bildlich gesprochen – da ab, wo es von seinen Denkvoraussetzungen her steht. Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen auf der Hand: Das Publikum wird in vertrauten Bildern angesprochen, fühlt sich ernst genommen, in seiner Identität bestätigt und ist dementsprechend eher bereit, dem Redner zu folgen. Andererseits besteht die Gefahr, daß das Publikum sich den tatsächlichen Unterschied zwischen Ealt und Eneu nicht nur von Anfang an nicht bewußt macht, sondern ihn auch im späteren Verlauf der Argumentation überhaupt nicht wahrnimmt, Ealt und Eneu also für dauerhaft miteinander vereinbar hält. Damit wäre aber die vom Redner intendierte Persuasion des Publikums fehlgeschlagen. Die vereinnahmende Argumentationsform strebt daher im
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Vgl. Lausberg 1990, 447f. = § 902 3).
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allgemeinen von Anfang an nur eine vorübergehende Wirkung an.3 Sie ist nur ein rhetorisches Mittel zum Zweck und wird früher oder später durch die abgrenzende Argumentationsstrategie beendet.4 In den Zusammenhang der vereinnahmenden Argumentationsform gehört das rhetorisch-pädagogische Verfahren der Synkatábasis/descensio. Nach Rudolf Brändle finden wir das Wort IJȤȗȜįijչȖįIJțȣ in dieser Bedeutung (Anpassung des Redners an das Niveau des Publikums) zum ersten Mal bei dem epikureischen Philosophen Philodem.5 Quintilian, der erste Inhaber eines staatlich finanzierten Lehrstuhls für Rhetorik im römischen Reich, erwähnt die Methode in engerem Zusammenhang mit der Pädagogik: Der Lehrer läßt sich aus didaktischen Gründen auf das als tieferstehend angesehene Niveau seiner Schüler hinab, um sie nicht zu überfordern.6 Besonders einschlägig für unsere Fragestellung ist eine Stelle bei Diogenes Laertios (3,65): Dort geht es um die Exegese der platonischen Dialoge.7 Die vereinnahmende Argumentationsform weist auch eine Schnittmenge mit der Nutzlüge, der simulatio utilis, auf. Sogar Platon hatte dieses – doch sehr sophistisch anmutende – Konzept unter bestimmten Umständen gebilligt.8 In der Antike wurde kontrovers diskutiert, ob, und wenn ja, unter welchen
3 Vgl. dazu auch Lausberg 1990, 448 = § 902 3) über die dissimulatio/simulatio: »Ziel ist nicht die Lächerlichmachung des Gegners, sondern der Sieg über den Gegner durch Abwarten des günstigen Moments in der Zukunft.« 4 Angedeutet finden sich vorübergehender Charakter und Abschluß der vereinnahmenden Argumentationsform durch zutage tretende ausgrenzende Argumentationsstrategie mutatis mutandis auch bei Lausberg 1990, 448 = § 902 3): »Während nun die dissimulatio auch ein Mittel zur Erreichung eines für beide Parteien nützlichen Friedenszustandes sein kann [...], ist die simulatio meist eine heimtückische Heuchelung der Konformität. Die unterlegene Partei heuchelt Konformität mit der obsiegenden Partei, und zwar mit dem Ziel, der obsiegenden Partei die coniectura animi [...] über die wahre Gesinnung und die wahren Absichten der unterlegenen Partei unmöglich zu machen. Der so mit der obsiegenden Partei äußerlich hergestellte verdachtlose Friedenszustand kann von der unterlegenen Partei benutzt werden, sei es um sich die eigene soziale Nutznießung an dem für endgültig gehaltenen Sieg der obsiegenden Partei zu sichern [...], sei es um Zeit zu gewinnen zur Vorbereitung eines im Augenblick noch nicht opportunen Gegenschlages.« Dem Gegenschlag entspricht die ausgrenzende Argumentationsform. 5 Vgl. Philod. rhet. II 25,15; LSJ 1662 s.v. IJȤȗȜįijչȖįIJțȣ; Brändle 1996, 297. 6 Quint. inst. 1,2,27: quod adeo verum est, ut ipsius etiam magistri, si tamen ambitiosis utilia praeferet, hoc opus sit, cum adhuc rudia tractabit ingenia, non statim onerare infirmitatem discentium, sed temperare vires suas et ad intellectum audientis descendere. Vgl. auch Orig. c. Cels. 4,12 und dazu Gnilka 1993, 82 Anm. 66. 7 ԪIJijț İպ ԭ ԚȠսȗșIJțȣ įijȡ ףijȟ ȝցȗȧȟ ijȢțʍȝ׆ǝ ʍȢijȡȟ Ȟպȟ ȗոȢ ԚȜİțİչȠįț ȥȢռ Ց ijț ԚIJijվȟ ԥȜįIJijȡȟ ijȟ ȝıȗȡȞջȟȧȟǝ Ԥʍıțijį, ijտȟȡȣ ıՁȟıȜį ȝջȝıȜijįț, ʍցijıȢį Ȝįijո ʍȢȡșȗȡփȞıȟȡȟ Ԯ Ԛȟ ıԼȜցȟȡȣ ȞջȢıț, Ȝįվ ıԼȣ İȡȗȞչijȧȟ ȜįijįIJȜıȤռȟ Ԯ ıԼȣ Ԥȝıȗȥȡȟ ijȡ ףʍȢȡIJİțįȝıȗȡȞջȟȡȤǝ ijր İպ ijȢտijȡȟ, ıԼ ՌȢȚȣ ȝջȝıȜijįț. 8 Vgl. Plat. rep. 389b2-389b10.
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Umständen Nutzlügen zulässig seien. Diese Diskussion wurde auch auf jüdischer und christlicher Seite eifrig geführt.9 Ein Beispiel für diese beiden Argumentationsformen, die vereinnahmende und die ausgrenzende, bietet die lactanzische Bewertung des Sokrates an verschiedenen Stellen der Divinae institutiones. Im zweiten Buch wirft Lactanz seinem literarischen Vorbild Cicero vor, er habe es aus Furcht, dasselbe Schicksal wie Sokrates – Inhaftierung und Todesstrafe – zu erleiden, versäumt, die Sache der Wahrheit zu vertreten.10 Im fünften Buch (inst. 5,14,13f.) erklärt Lactanz, Sokrates habe versucht, das umzusetzen, was sein Schüler Platon versäumt habe: nämlich die Vernichtung der Götterreligionen. Dafür sei Sokrates ins Gefängnis geworfen worden. Unser Autor sieht darin eine Vorausdeutung auf das Schicksal der Christen.11 Wären dies die einzigen Stellen, an denen sich Lactanz über Sokrates äußert – und würden nicht die methodologischen Aussagen in den lactanzischen Werken dagegensprechen12 – so erschiene uns der Sokrates der lactanzischen Schriften uneingeschränkt positiv als Vorkämpfer der Wahrheit und Vorläufer der christlichen Märtyrer.13 Tatsächlich behandelt Lactanz Sokrates aber auch im dritten Buch der Divinae institutiones. Dort bekämpft er die Philosophie als gefährliche Konkurrentin des Christentums, und sein Urteil über Sokrates fällt gänzlich anders aus: Zwar behält der Lehrer des Platon seinen relativen Vorrang unter den Philosophen,14 aber Lactanz übt an ihm harsche Kritik (inst. 3,20,917) – ganz im Gegensatz zu den Textstellen aus dem zweiten und fünften Buch, die wir eben vorgestellt haben. Lactanz wirft ihm vor, die Religion überhaupt bekämpft zu haben (inst. 3,20,12) und nicht – wie Lactanz im fünften Buch (inst. 5,14,13f.) nahelegt – nur die Götterkulte. Gleichzeitig 9 Vgl. Phil. Cher. 15; quaest. Gen. 4,67. 204; vgl. allgemein zum antiken Diskurs über die Nutzlüge (allerdings unter besonderer Berücksichtigung von Origenes und Hieronymus) Fürst 1998, passim. 10 Inst. 2,3,5: sed nimirum Socratis carcerem times ideoque patrocinium veritatis suscipere non audes (sc. Cicero). at mortem ut sapiens contemnere debuisti... 11 Lactanz benutzt hier – wie so häufig – eine Umschreibung: qui iustitiam veram defendere deoque singulari servire coepissent (inst. 5,14,14). 12 Vgl. dazu unten das nächste Kapitel 2.2. 13 Vgl. auch Winger 1999, 159 Anm. 1051: »SOKRATES als erster Märtyrer, der für ein Gerechtigkeitsethos stirbt«. Für Lactanz ist allerdings das religiöse Moment von entscheidender Bedeutung: In inst. 5,14,5–5,15,5 stellt unser Autor seine Definition der Gerechtigkeit vor. Die Erwähnung Platons und Sokrates’ erfolgt zwar im Anschluß an die Aussage, daß, wer die Religion Gottes nicht festhalte, auch die Gerechtigkeit nicht kenne (inst. 5,14,12), doch wird von Platon explizit gesagt, daß er Gott nicht erkannt habe (inst. 5,14,13). Bei Sokrates fehlt eine solche lactanzische Feststellung mangelnder Gotteserkenntnis. Sokrates wird dadurch ebenso aufgewertet wie durch die typologische Deutung seiner Inhaftierung (inst. 5,14,14). 14 Inst. 3,20,1f., besonders 3,20,2: non infiteor fuisse illum paulo cordatiorem quam ceteros (sc. philosophos)... Dabei drückt die Qualifikation des Komparativs durch paulo freilich schon eine gewisse Kritik, wenn nicht Depreziation aus.
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sei Sokrates im dumpfesten Aberglauben befangen gewesen (inst. 3,20,16). Ja Lactanz geht sogar soweit, daß er die geistige Gesundheit des Sokrates und insbesondere der Anhänger des Sokrates in Frage stellt (inst. 3,20,17). Hier fassen wir eine ausgrenzende Argumentationsform, in der sich Lactanz eindeutig von Sokrates distanziert. Die übrigen Stellen, an denen Sokrates in so günstigem Licht erscheint,15 werden dadurch relativiert und als Beispiele für eine vereinnahmende Argumentationsform entlarvt.16 Am Beispiel der lactanzischen Darstellung des Sokrates werden charakteristische Züge von vereinnahmender Argumentationsform und ausgrenzender Argumentationsform deutlich: Einerseits nutzt Lactanz das hohe Ansehen, dessen sich Sokrates in der Antike erfreute, indem er zu seinen Zwecken – etwa der Kritik an Cicero – eine vereinnahmende Argumentationsstrategie einsetzt. Andererseits erkennt Lactanz selbst aber diese Autorität des Sokrates nicht an, wie seine ausgrenzende Argumentationsstrategie im dritten Buch der Divinae institutiones zeigt. 2.1.3 Explizite und implizite Umdeutung Eine kompliziertere Technik der Auseinandersetzung mit Ealt als das absichtsvolle Spielen mit vereinnahmender und ausgrenzender Argumentationsform stellt die Umdeutung dar.17 Dabei werden Elemente von Ealt in einen neuen Kontext versetzt und dadurch in Teilen umgedeutet, in anderen Teilen marginalisiert, so daß die gegnerische Anschauung oder Auffassung einen neuen Sinn erhält. In der von Heinrich Lausberg in seinem »Handbuch der literarischen Rhetorik« gebotenen Systematik entspricht sie weitgehend der Argumentationsart der conciliatio.18 Umdeutungen können entweder explizit oder implizit erfolgen, und entweder dauerhaft oder nur vorübergehend wirksam sein. Hier interessieren uns vor allem zwei Formen der Umdeutung: explizite und auf Dauer ange15 Neben den schon erwähnten Stellen (inst. 2,3,5; 5,14,14) könnte man hier auch an das auf die eben besprochene ausgrenzende Passage folgende Kapitel (inst. 3,21) denken. Dort führt Lactanz den platonischen ›Kommunismus‹, und insbesondere auch die von unserem Autor bejahte Verbindung von Gerechtigkeit und Gleichheit auf Sokrates zurück (inst. 3,21,2). Auch in inst. 6,17,4 wird Sokrates im Kontext des christlichen Martyriums erwähnt, glänzt dort aber eher durch intellektuelle (arguta [...] conclusione) als durch ethische Überlegenheit. 16 Zur Beurteilung des Sokrates durch Christen vor Lactanz vgl. Döring 1979, 143-161. 17 Daß Texte ihre Prätexte umdeuten und normativ entwerten können, zeigt auch Due 1974, 18f. (bestätigend zitiert von Edmunds 2001, 161f.): »Among many other works, the Annals of Ennius, were a ›model of reading‹ for the Aeneid – besides being, of course, one of Vergil’s ›models of writing‹. But once the Aeneid had come into existence, that poem became a ›model of reading‹ for the Annals. After the Aeneid it was impossible to read the Annals in the same way as before the Aeneid, and, eventually, the Annals were eclipsed as the national epos of Rome.« 18 Vgl. Lausberg 1990, 385f. = § 783.
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legte einerseits und die implizite und lediglich zeitlich begrenzte Wirkung entfaltende andererseits. Eine explizite Umdeutung liegt dann vor, wenn der Autor deutlich erkennbar eine größere Deutungskompetenz für sich in Anspruch nimmt und auf dieser Basis innerhalb von Ealt das ›Richtige‹ – oder gar ›Wahre‹ vom ›Falschen‹, das ›Nützliche‹ vom ›Schädlichen‹, das ›Gute‹ vom ›Bösen‹ trennt. Das durch diesen Prozeß gewonnene ›Richtige‹, ›Wahre‹, ›Nützliche‹ oder ›Gute‹ kann dann selbst normative Kraft entwickeln, die sich allerdings nicht etwa aus einer Verbindlichkeit von Ealt speist, sondern aus der Normativität von Eneu, nach dessen Maßgabe Ealt instrumentalisiert wurde. Ein Beispiel für explizite Umdeutung bietet uns die lactanzische Behandlung des Zwei-Wege-Gleichnisses (inst. 6,3,1–6,4,24), das Christian Gnilka erörtert hat:19 Das im antiken Diskurs geläufige Motiv veranschaulicht die ethische Entscheidung zwischen Tugend und Laster durch das räumliche Bild einer Weggabelung und die dem Wanderer aufgegebene Entscheidung, auf welchem der beiden Wegzweige er seine Reise fortsetzen will. Lactanz übt an dieser Konzeption in der Form, in der sie sowohl von Philosophen als auch Dichtern der griechisch-römischen Kultur propagiert wird, offen Kritik.20 Dabei nimmt er explizit eine höhere Deutungskompetenz für sich in Anspruch. Denn die ›Fehler‹ der griechisch-römischen Dichter und Philosophen führt Lactanz auf einen Mangel an Kenntnissen zurück, die ihm selbst nach eigener Aussage sehr wohl zur Verfügung stehen.21 Dabei verurteilt Lactanz Philosophen und Dichter nicht in Bausch und Bogen. Was sie gesagt haben, war seiner Ansicht nach nicht in seiner Gesamtheit falsch, bedarf aber gleichwohl der Korrektur.22 Diese lactanzische Korrektur des antiken Zwei-Wege-Gleichnisses umfaßt dabei im wesentlichen fünf Punkte:23 Erstens findet die Tugend nach lactanzischer Auffassung ihren Lohn nicht schon im Diesseits, sondern erst im Jenseits. Zweitens gibt es – entgegen der antiken Auffassung – nicht nur für den Pfad der Tugend, sondern 19 Gnilka 1990, mit Veränderungen abgedruckt in Gnilka 1993, 19-61. Gnilka weist die lactanzische Behandlung des Zwei-Wege-Gleichnisses als Paradebeispiel für Chrêsis (zum Konzept der Chrêsis vgl. unten S. 42) aus. Es illustriert aber auch die explizite Instrumentalisierung, von der die christliche Chrêsis einen Sonderfall darstellt. 20 Zum Beispiel inst. 6,3,5; 6,3,9-11. 21 Inst. 6,3,5: non enim didicerant (sc. philosophi ac poetae) vel quae sint (sc. virtutes) vel quid eas mercedis a deo maneat: quod nos his duobus libris docebimus... In dem Gegensatz zwischen non enim didicerant und quod nos docebimus klingt die von Lactanz häufig geäußerte Auffassung an, daß der Mensch das heilbringende Wissen nicht aus eigener Kraft erwerben kann, sondern von außen erhalten, muß, und daß dieses Wissen allein den Christen offenbart worden sei, vgl. unten die Abschnitte 2.2.2.1 und 2.2.2.2. 22 Daher auch das auf den ersten Blick paradoxe lactanzische Urteil über Philosophen und Dichter (inst. 6,3,9): utrique ergo vere, sed tamen utrique non recte... 23 Vgl. Gnilka 1993, 36f. 39f.
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auch für den Pfad des Lasters einen Führer. Der Führer auf dem Pfad der Tugend ist Gott beziehungsweise Christus, der Führer auf dem Pfad des Lasters ist der Teufel. Drittens betont Lactanz, daß die Entscheidung zwischen Tugend und Laster, die das Zwei-Wege-Gleichnis illustriert, nicht auf die Jugendzeit beschränkt bleibt, sondern in jedem Lebensalter aktuell ist. Viertens kritisiert Lactanz die Symbolisierung des Zwei-Wege-Gleichnisses durch die littera Pythagorea Ypsilon. Bei einer durch den Buchstaben Y symbolisierten Weggabelung laufen ja die Wege der Tugend und des Lasters zwar auseinander, aber nur in spitzem Winkel. Lactanz sieht dadurch den Gegensatz zwischen Tugend und Laster nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht. Er möchte daher als Symbol für das Zwei-Wege-Gleichnis lieber den Buchstaben T verwenden, da sich dort beide Wege diametral – nicht in spitzem, sondern in 180°-Winkel, gegenüberstehen. Fünftens ist der Weg des Lasters nach lactanzischer Auffassung vielgestaltig und vermag so den Anschein zu erwecken, ein Pfad der Tugend zu sein. Der Weg des Lasters steht damit als via multiplex dem Weg der Tugend als einer via simplex gegenüber. Mit diesen fünf Korrekturen stellt Lactanz das Zwei-Wege-Gleichnis explizit in einen neuen Zusammenhang und löst es gleichzeitig aus seinem ursprünglichen Zusammenhang heraus: Denn läßt sich der Leser erst einmal von Lactanz überzeugen, so wird er in jeder nichtchristlichen Version des Zwei-Wege-Gleichnisses nunmehr Mangel und Unvollkommenheit erblicken. Eine implizite Umdeutung liegt dagegen dann vor, wenn dem Leser die Umdeutung und Umorientierung (zunächst) nicht deutlich wird, sondern diese stillschweigend erfolgen. Die implizite Umdeutung spielt sich gewissermaßen auf zwei Ebenen ab: Formal, das heißt hinsichtlich der Zugehörigkeit des implizit umgedeuteten Textes zu dem beim Publikum etablierten und normativ aufgeladenen Kanon, ähnelt die implizite Umdeutung der vereinnahmenden Argumentationsform. Die normative Bedeutung, die Ealt beim Publikum genießt, wird nicht explizit hinterfragt, sondern für die Zwecke von Eneu implizit instrumentalisiert. Erst bei genauerer Betrachtung wird deutlich, daß inhaltlich eine Umdeutung erfolgt und der Text in dieser umgedeuteten Form nicht mehr mit Ealt vereinbar ist. Sobald diese Umdeutung aber deutlich geworden ist, ist die Instrumentalisierung nicht mehr implizit, sondern explizit. Die implizite Umdeutung ist damit eher vorübergehender Natur. Der Redner spekuliert dabei darauf, daß das Publikum dem weiteren Fortgang der Rede folgt und die implizite Instrumentalisierung zunächst weder als solche wahrnimmt noch gar hinterfragt. So kann der Redner unter dem zweckentfremdeten Schutz des vom Publikum akzeptierten Kanons eigene Vorstellungen, auch wenn sie dem Kanon widersprechen, vorüber-
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gehend plausibel machen. Das Kalkül des Redners zielt dabei darauf ab, daß das Publikum sich erst dann der impliziten Instrumentalisierung voll bewußt wird, wenn es von dem Standpunkt des Redners so überzeugt ist, daß es die Umdeutung des Inhaltes wie auch die Zweckentfremdung – und damit Relativierung – des Kanons als gerechtfertigt akzeptiert. Als Beispiel für implizite Umdeutung läßt sich eine Stelle aus dem fünften Buch der Divinae institutiones anführen, in der Lactanz aus Ciceros Schrift De legibus zitiert (inst. 5,8,10f.).24 Unser Autor erblickt darin einen Hinweis auf das eine Gesetz (des christlichen) Gottes, dessen Einhaltung ein von allen Übeln freies Leben ermöglicht, und auf die gemeinsame Gotteskindschaft aller Menschen. Erst wenn man sich klar macht, in welchem Kontext die von Lactanz zitierte Stelle bei Cicero ursprünglich stand, wird deutlich, daß Lactanz eine implizite Umdeutung vorgenommen hat: Die Aussagen Ciceros beziehen sich auf einen kosmotheistischen Hintergrund, der sich schwerlich mit dem personalen Gottesbild vereinbaren läßt, das Lactanz hat. Lactanz deutet vielmehr die Stelle bei Cicero implizit um. Er spekuliert darauf, daß der Leser den Widerspruch zwischen dem Sinn bei Cicero und der lactanzischen Deutung zunächst nicht wahrnimmt, sondern die Deutung aufgrund des hohen Ansehens Ciceros fürs erste akzeptiert. Unser Autor gewinnt dadurch Zeit, den Leser von seiner christlichen Anschauung zu überzeugen. Wird dann dem bereits zum Christentum bekehrten Leser der Widerspruch zwischen ciceronianischer und lactanzischer Interpretation schließlich klar, so wird er nicht die lactanzische Interpretation, sondern die Autorität Ciceros in Frage stellen. Mit ein und derselben Methode, nämlich der impliziten Umdeutung, kann sich Lactanz also erst auf die Autorität Ciceros berufen, um seine christlichen Vorstellungen zu untermauern, und später, wenn die Umdeutung dem Leser klar wird, die Autorität Ciceros untergraben. 2.1.4 Christliche Konzeptualisierungen: Chrêsis und Synkatábasis Diese Techniken sind auch von frühchristlichen Schriftstellern benutzt – und reflektiert – worden, die sich mit der Stellung beschäftigten, die ein Christ gegenüber der antiken Kultur einnehmen sollte. Christian Gnilka hat auf dieser Grundlage einen Forschungsansatz entwickelt, der den Umgang der christlichen Autoren mit der hellenistisch-römischen Kultur aus system-
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Vgl. dazu unten S. 249f.
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immanent-christlicher Perspektive erhellt.25 Dieser Forschungsansatz trägt den Namen Chrêsis (Nutzung). Das Wort ist prägnant als schöpferische Nutzung aus christlicher Perspektive zu verstehen. Mit dieser Benennung greift Christian Gnilka auf die Terminologie spätantiker christlicher Autoren zurück, mit deren Hilfe diese ihren Umgang mit vor- beziehungsweise außerchristlichen Kulturgütern reflektiert und konzeptualisiert haben. Die meisten Beispiele für diesen Begriff stammen aus nachlactanzischer Zeit.26 Er läßt sich allerdings bereits bei vorlactanzischen christlichen Schriftstellern nachweisen.27 Im Anschluß an den frühchristlichen Diskurs erörtert Christian Gnilka neben der Chrêsis, die seinem Forschungsansatz den Namen gegeben hat, auch die Synkatábasis:28 Synkatábasis meint ein vorübergehendes Sich-Herablassen auf das als tieferstehend aufgefaßte Niveau des Lesers. Wir kennen sie bereits als eine Form der vereinnahmenden Argumentationsform, die ihren ›Sitz im Leben‹ unter anderem in der antiken Rhetorik und Pädagogik hatte. Von christlicher Seite wird diese Technik übernommen. Sie erhält allerdings hier einen weiteren, tieferen Sinn: So sprechen schon jüdische Texte von der Synkatábasis29 eines Engels, der zu den drei Jünglingen im Feuerofen herabsteigt (Dan 3,49), der Synkatábasis der Logoi Gottes (Phil. de somniis 1,147) und der Synkatábasis der Weisheit (Weish 10,13f.).30 Christen gingen diesen Weg weiter und erblickten in der Synkatábasis des christlichen Gott Vaters und erst recht in der Synkatábasis Christi, der im Rahmen seiner Inkarnation zu den Menschen herabgestiegen ist, ein unüberbietbares Vorbild für das Verfahren der Synkatábasis überhaupt. Daß die Menschen die göttliche Synkatábasis nachahmen sollten, ließ sich auch dadurch plausibilisieren, daß das Verhalten der Apostel in verschiedenen Situationen als Synkatábasis aufgefaßt wurde. Solchermaßen durch göttliches wie apostolisches Vorbild legitimiert, konnte die Synkatábasis von frühen Christen in zahlreichen Zusammenhängen angewandt werden. Die rhetorische Applikation innerhalb der Auseinandersetzung mit der griechischrömischen Kultur, die in diesem Kapitel im Vordergrund steht, war nur eine 25 Vgl. die Bände aus der Reihe »ȌȈǿȉȀȉ. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur«. Von grundlegender Bedeutung sind die beiden ersten Bände (Gnilka 1984 und Gnilka 1993). Vgl. außerdem Gnilka 1999, passim. 26 Vgl. etwa Gnilka 1984, 63-65. 73-91 (zu Didymos dem Blinden, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Augustinus). 27 Vgl. etwa Gnilka 1984, 45-63 (zu Tertullian, Clemens von Alexandrien, Origenes). 28 Die Synkatábasis kennen wir schon aus dem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang; die Chrêsis stellt eine Form der expliziten Instrumentalisierung dar. Die implizite Instrumentalisierung, die gewissermaßen sowohl Züge der Synkatábasis als auch solche der Instrumentalisierung trägt, wird innerhalb dieses Ansatzes nicht eigens berücksichtigt. 29 Im Text steht jeweils nicht das Substantiv, sondern eine Verbform. 30 Vgl. Brändle 1996, 297.
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unter vielen: So verwendete man die Synkatábasis etwa auch in der Auseinandersetzung mit dem Judentum, benutzte sie als hermeneutischen Schlüssel für die Exegese der Bibel oder leitete aus ihr ethische Appelle an die Christen ab.31 Einschlägige Texte zur Anwendung der Synkatábasis finden sich insbesondere bei Didymos dem Blinden (313-398)32 und – besonders zahlreich – bei Johannes Chrysostomos (349?-407).33 Der ›Goldmund‹ zieht die Synkatábasis als »hermeneutisches und ethisches Prinzip«34 auch sonst in zahlreichen Zusammenhängen heran. Aus den einschlägigen Stellen bei Johannes Chrysostomos ergeben sich einige wichtige Strukturmerkmale: So ist die Synkatábasis keine auf Dauer angelegte, sondern eine vorübergehende Maßnahme;35 sie hat ein Maß, das nicht überschritten werden darf.36 Die Synkatábasis ist eine Technik, die bewußt und absichtsvoll angewendet wird; sie setzt gleichzeitig die Ahnungslosigkeit des Publikums voraus.37 Damit ist Synkatábasis eine Form der rhetorischen dissimulatio und weist insofern eine gewisse Nähe zu Lüge und Verstellung – freilich zu einem ›guten Zweck‹ – auf.38 Diese Strukturelemente, die Johannes Chrysostomos hier in einen christlichen Zusammenhang stellt, dürften freilich auch die vor- beziehungsweise außerchristliche Synkatábasis in Rhetorik und Pädagogik geprägt haben. Auffällig sind auch die Vergleiche, durch die Johannes Chrysostomos das erzieherische Prinzip der Synkatábasis illustriert: Wenn er der Milchspeise des Alten Testaments die feste Speise des Neuen Testaments gegenüberstellt oder Synkatábasis mit dem Verhalten des Arztes gegenüber dem Kranken vergleicht,39 so fällt es nicht schwer, in den methodologischen Gleichnissen des Lactanz Parallelen zu erkennen.40 Daraus können wir schließen, daß bei Lactanz dasselbe Konzept gemeint ist, auch wenn die Be-
31 Vgl. Brändle 1996, 306f. 32 Vgl. Gnilka 1984, 63-65. 33 Vgl. Gnilka 1993, 31. 81f. und – offenbar ohne Gnilka zur Kenntnis genommen zu haben Brändle 1996, passim. 34 Brändle 1996, 297. 35 Vgl. Brändle 1996, 302. 304. 36 Vgl. Brändle 1996, 304. 37 Vgl. Brändle 1996, 305: »Wer IJȤȗȜįijչȖįIJțȣanwendet, muß darum wissen. Wer daraus aber Nutzen ziehen soll, darf nichts wissen davon.« 38 Vgl. Brändle 1996, 298. 307. Im frühen Christentum läßt sich die Synkatábasis insbesondere durch den hohen religiösen Anspruch und die göttlichen beziehungsweise apostolischen Präzedenzfälle legitimieren. 39 Vgl. Brändle 1996, 300f. 40 Ich meine das Säuglingsnahrungsgleichnis (inst. 5,4,6) und das Honigbechergleichnis (inst. 5,1,14), das implizit auf Lucr. 1,933-950 verweist. Mit den methodologischen Passagen bei Lactanz beschäftigt sich das Kapitel 2.2.
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griffe Synkatábasis – oder das lateinische Äquivalent condescensio – bei unserem Autor nicht fallen. Chrêsis meint dagegen in unserem Zusammenhang eine Form der Instrumentalisierung nichtchristlicher Kulturelemente zu christlichen Zwecken. Chrêsis ist im Gegensatz zur Synkatábasis nicht nur Mittel zum apologetisch-missionarischen Zweck, sondern – systemimmanent betrachtet – auch Zweck an sich: Denn jedes Gut – also auch alle Kulturgüter – läßt sich theologisch als Besitz Gottes beziehungsweise seiner Verehrer fassen. Die Inbesitznahme aller (Kultur-)güter erscheint vor diesem Hintergrund als Recht und Pflicht aller Christen. Diese Inbesitznahme erfordert einen diakritischen Prozeß, in dem ›gute‹ und ›schlechte‹ Elemente innerhalb vorgefundener außerchristlicher Verhältnisse unterschieden werden. Die ›guten‹ Elemente gilt es in Besitz zu nehmen, die ›schlechten‹ zu verurteilen beziehungsweise zu vernichten. Durch diesen Prozeß gehen besagte Kulturgüter – wiederum systemimmanent betrachtet – aus dem Besitz der Nichtchristen in den rechtmäßigen Besitz der Christen über: Chrêsis ist somit im Gegensatz zur Synkatábasis auf Dauer angelegt. Nicht nur die Synkatábasis, sondern auch die Chrêsis unterscheidet sich deutlich von der schroffen und pauschalen Ablehnung nichtchristlicher Kultur, wie sie sich bei einigen frühchristlichen Schriftstellern, etwa bei Tatian, findet. Daraus folgt aber nicht, daß Synkatábasis oder Chrêsis als Symptome von Hellenisierung oder Synthese (zwischen Antike und Christentum) aufzufassen wären. Vielmehr setzen beide Verfahren, Synkatábasis und Chrêsis, die Annahme einer scharfen Trennung zwischen Christentum und ›Heidentum‹, also nichtchristlichen Kultur- bzw. Religionselementen, voraus und postulieren eine Überlegenheit des Christentums gegenüber der Antike. Dieses Programm der Chrêsis bezieht sich nicht nur auf abstrakte Bildungsgüter, sondern auf Kulturelemente überhaupt. Neuere Forschungen zur frühchristlichen Kunst weisen in eine ähnliche Richtung: Es wird deutlich, daß die christlichen Künstler das etablierte Formengut mit einer ausgrenzenden Intention benutzen: In dem Maße, wie die Christen sich das traditionelle Formengut aneignen, versuchen sie die Nichtchristen dieses Formengutes zu enteignen.41 2.1.5 Möglichkeiten und Risiken Die Brisanz dieser Techniken – der vereinnahmenden Argumentationsstrategie/Synkatábasis, der impliziten oder expliziten Instrumentalisierung, der 41 Vgl. Mathews 1993, 108. 179 (ich danke Herrn Prof. Angelos Chaniotis für diesen Literaturhinweis).
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Synkatábasis oder Chrêsis – liegt darin, daß sie, wo nicht erkannt, leicht den Eindruck vermitteln können, der Redner unterscheide nicht klar zwischen Ealt und Eneu oder ziehe sogar Ealt vor. Auf Lactanz bezogen heißt das: Nicht das Christentum stehe im Zentrum der lactanzischen Intention, sondern die Antike oder doch eine Synthese, in der Antike und Christentum mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander stehen. Interpretationen, die den Einsatz dieser Techniken als Argumentationsstrategien leugnen oder marginalisieren, drohen daher an der Oberflächenstruktur des Textes zu verharren und seinen in der Tiefenstruktur angelegten Sinn zu verfehlen. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es daher, die Existenz und Wirksamkeit dieser Techniken bei Lactanz nachzuweisen und für die Interpretation fruchtbar zu machen. Umgekehrt besteht freilich auch die Gefahr, diese Techniken in allen möglichen Formulierungen des Lactanz zu ›entdecken‹ und durch eine solchermaßen vorausgesetzte Ubiquität dieser Techniken ein vorgefaßtes Interpretationsmuster – wie etwa das der Christianisierung – zu bestätigen. Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, den Kontext und Argumentationszusammenhang der einzelnen Textstellen zu untersuchen. Denn neben Fällen scheinbarer Anpassung an außerchristliche Normen, wie sie die hier dargestellten Techniken darstellen, gibt es zweifelsohne auch Fälle, in denen Lactanz eine tatsächliche Anpassung durchführt – etwa an die mit der constantinischen Wende verbundenen Veränderungen. Hier gilt es, der Versuchung zu widerstehen, alle zweifelhaften Fälle pauschal entweder als ausschließlich scheinbare Anpassung oder aber als ausschließlich tatsächliche Anpassung aufzufassen.42 Die Deutung eines Textes als Beispiel vereinnahmender Argumentationsform beziehungsweise als Synkatábasis erfordert daher den Nachweis einer komplementären ausgrenzenden Argumentation, die diesen Text als vorübergehende Zwischenstufe entlarvt und damit relativiert. Um eine explizite Instrumentalisierung oder Chrêsis nachzuweisen, müssen wir glaubhaft machen können, daß Lactanz hier von einer explizit höheren Warte – die im Fall der Chrêsis als christlich apostrophiert wird – in einem diakritischen Prozeß das ›Richtige‹ oder ›Wahre‹ vom ›Falschen‹ oder ›Bösen‹ trennt. Wesentlich schwieriger ist die Diagnose einer impliziten Instrumentalisierung. Das hängt mit dem Doppelcharakter dieser Technik zusammen: Hinsichtlich der Form ähnelt sie eher der Synkatábasis: Die Normativität der Form wird ja nicht in Frage gestellt. Hinsichtlich des Inhaltes zeigt sich aber dann der Unterschied zur Synkatábasis: Der Inhalt wird nicht – und sei es auch nur vorübergehend – übernommen, sondern absichtsvoll umgedeu42 Ein solcher Eindruck mag sich freilich auch ungerechtfertigterweise durch die begrenzte Zielsetzung eines bestimmten Beitrages aufdrängen.
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tet. Daß eine solche Umdeutung überhaupt vorliegt, ergibt sich erst aus dem Vergleich des Ergebnisses mit dem ursprünglichen Kontext der Textstelle oder Vorstellung, die implizit instrumentalisiert wird. Daher ist eine genaue Untersuchung des Prätextes vonnöten. Selbst dann bleibt die Frage zu beantworten, ob tatsächlich eine absichtsvolle Umdeutung vorliegt. Alternativ wäre ja auch ein versehentliches Mißverständnis möglich oder auch eine Pluralität der Deutungsmöglichkeiten innerhalb des Diskurses, in dem der Prätext normative Bedeutung hat.43 Aufgrund dieser Eigenschaften ist die implizite Instrumentalisierung vielleicht die interessanteste der hier ins Auge gefaßten Techniken. Freilich könnte man auch in die entgegengesetzte Richtung argumentieren: Die bisher als vereinnahmend-argumentierend aufgefaßten Passagen würden dann der eigentlichen Intention des Lactanz entsprechen, die ausgrenzend argumentierenden Passagen wären dann bewußte Ablenkungsmanöver, um den Texten einen christlichen Anstrich zu geben. Vereinnahmend und ausgrenzend argumentierende Passagen würden ihre Funktionen vertauschen. An den implizit instrumentalisierenden Passagen wären nicht die Umdeutungen das Entscheidende, sondern der Hinweis auf die Prätexte, deren Normativität Lactanz dann anerkennen würde. Entsprechendes gälte dann auch für die Fälle expliziter Instrumentalisierung. Ein solcher Ansatz ist bisher nicht vertreten worden – auch nicht von den Vertretern eines Paradigmas der Hellenisierung oder Synthese. Das dürfte auch damit zusammenhängen, daß die hier behandelten Techniken in den Beiträgen der Anhänger dieser Paradigmen häufig nur wenig Aufmerksamkeit finden. Im strengen Sinne widerlegen läßt sich der oben skizzierte Ansatz, der die rhetorischen und hermeneutischen Techniken des Lactanz nicht dem Christianisierungs-, sondern dem Hellenisierungs- oder Synthesebestreben unseres Autors zuschreibt, selbstverständlich nicht. Wohl aber lassen sich Indizien ins Feld führen, die diesen Ansatz unwahrscheinlich erscheinen lassen: Verlangen die von Lactanz herangezogenen Techniken doch schon, wenn sie der Christianisierung dienen, dem Leser nicht wenig ab. Denn hinter den nichtchristlichen Inhalten an der Oberfläche des Textes stehen christliche Inhalte. Dienten die lactanzischen Techniken vielmehr der Hellenisierung oder Synthese, so würde Lactanz vom Leser die Erkenntnis erwarten, daß hinter der nichtchristlichen Oberflächenstruktur nicht nur eine christliche Tiefenstruktur existiert, sondern auch diese christliche Tiefenstruktur wieder von einer zweiten, nichtchristlichen Tiefenstruktur konterkariert wird. Es stellt sich die Frage, ob ein Leser, der gleich zweimal ›um die Ecke denken‹ muß, nicht überfordert werden könnte – zu43 Diese Alternativen werden zum Beispiel im Zusammenhang mit dem lactanzischen Verhältnis zu den Hermetica in Betracht gezogen, siehe dazu unten S. 162-165.
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mal er dann auch sämtliche methodologischen Passagen als bloßes Scheinmanöver ›durchschauen‹ müßte.44 Diese methodologischen Ausführungen in den lactanzischen Schriften sind bisher in der Forschung häufig nicht stark genug gewichtet oder gar mißverstanden worden. Wir wollen sie daher im folgenden Kapitel untersuchen.
44 Außerdem eröffnet sich damit eine unendliche Spirale, da man, selbst wenn man sich auf die einfache Polarität christlich/nichtchristlich beschränkt, immer wieder eine neue, der vorigen entgegengesetzte Tiefenstruktur postulieren kann.
2.2 Methodologische Aussagen bei Lactanz 2.2.1 Einleitung Lactanz äußert sich an einer Reihe von Stellen über die Methoden, die er wählt, um das Christentum zu propagieren, und deren Grundlagen. Den etablierten Stand der Forschung gibt Antonie Wlosok wieder. In ihrem Beitrag finden sich als Grundzüge der lactanzischen Methodologie der »Verzicht auf biblische Testimonien [...], die Widerlegung der Gegner suis auctoribus [...]; speziell der Philosophen suis armis [...]; die Überzeugung mit Hilfe der Rhetorik und reizvoller sprachlicher Gestaltung«.1 Wichtig ist auch ihr Hinweis, es sei »damit zu rechnen, daß übernommene ›klassische‹ Topoi und Formeln gar nicht im ursprünglichen, sondern in einem späteren oder gar schon christlichen Sinn rezipiert sind.«2 Gleichwohl ist die Frage nach der lactanzischen Methode beim Umgang mit paganen Texten und Wertvorstellungen bisher nicht systematisch und erschöpfend erörtert worden. Bei der Auswertung methodologischer Aussagen des Lactanz konzentrierte sich die Forschung vor allem auf das lactanzische Verhältnis zu Dichtern und Philosophen,3 während sein Umgang mit der Orakelliteratur wesentlich weniger Beachtung gefunden hat.4 Fraglich ist, wie die methodologischen Aussagen zu interpretieren sind: Zunächst scheinen sie auf die christliche Instrumentalisierung außerchristlicher Elemente hinzudeuten. Daraus würde eine normative Unterlegenheit der außerchristlichen Texte folgen, die dann nur Mittel zum Zweck wären. Verschiedentlich wird aber auch angenommen, daß die methodologischen Aussagen dazu dienen, außerchristliche Kulturgüter zu ›maskieren‹ und so zu bewahren.5 Auffällig ist, daß gerade die jüngsten größeren Arbeiten über Lactanz, die Dissertation von Wolfram Winger und die Monographie von 1 Wlosok 1989a, 390. 2 Wlosok 1989a, 381. 3 Vgl. etwa Hagendahl 1983, 41, der Apollo- und Hystaspes-Orakel nicht einmal erwähnt und auf Hermes Trismegistos und insbesondere Sibyllinische Orakel kaum eingeht. Vgl. auch Heck 1988: Dieser arbeitet eindrucksvoll heraus, daß Lactanz sowohl seine rhetorischen Fähigkeiten als auch die Klassiker absichtsvoll in den Dienst des Christentums gestellt hat, vertritt aber gleichwohl die äußerst fragwürdige These, Lactanz habe die Klassiker, wo sie mit den Christen übereinstimmten, als »inspiriert« betrachtet (S. 173f.). 4 Vgl. etwa Heck / Schickler 2001, 28f., wo die Orakelliteratur nicht einmal erwähnt wird. 5 Vgl. Heim 1996, 367: »L’héritage antique est écrasant chez Lactance. Pour le masquer, il met en oeuvre son talent et ses compétences de rhéteur et son ardeur de converti.« Dagegen geht Leadbetter 1998, 250 von einer unabsichtlichen Synthese zwischen Antikem und Christlichen bei Lactanz aus.
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Elizabeth DePalma Digeser, kaum auf die methodologischen Passagen eingehen. Die Beiträge, die dem Christianisierungs-Paradigma näherstehen, beschäftigen sich eingehender mit den lactanzischen Ausführungen zur Methodologie und haben auf diesem Gebiet entscheidende Fortschritte erzielt.6 Auch sie beschränken sich aber weitgehend auf das lactanzische Verhältnis zu Dichtern und Philosophen. Es besteht außerdem die Gefahr, die lactanzische Methodologie ausgehend von dem christlichen Engagement des Lactanz zu sehr zu vereinfachen beziehungsweise zu harmonisieren.7 Diese Umstände dürften dazu beigetragen haben, daß sich das Christianisierungs-Paradigma in der Lactanzinterpretation gegenüber dem Synthese-Paradigma bisher nicht recht durchsetzen konnte. In diesem Kapitel möchte ich daher ausführlicher zunächst auf die Grundlagen lactanzischer Normenpropagierung eingehen und danach die im engeren Sinne methodologischen Passagen interpretieren. Schwerpunkt werden dabei die Divinae institutiones sein, die auch die meisten methodologischen Aussagen bieten. 2.2.2 Voraussetzungen christlicher Normenpropagierung aus lactanzischer Sicht Im folgenden möchte ich einige Vorstellungen aufzählen, die für Lactanz und seine Auffassung von christlicher Normenpropagierung von grundlegender Bedeutung sind. 2.2.2.1 Offenbarungscharakter des heilsvermittelnden Wissens Gleich zu Beginn der Divinae institutiones, und im weiteren Verlauf dieses Werkes immer wieder, weist Lactanz darauf hin, daß der Mensch heilsvermittelndes Wissen nicht aus eigener Kraft,8 sondern nur durch göttliche 6 Vgl. Buchheit 1979a; 1979c; 1990; 2002a; 2002b; Bender 1983; Gnilka 1993. 7 Dabei werden häufig solche Textpassagen, die auf den ersten Blick gegen das Christianisierungs-Paradigma zu sprechen scheinen, nicht hinreichend thematisiert und analysiert, vgl. beispielsweise Buchheit 2002a, 114, der als divina testimonia bei Lactanz nur »selbstverständlich« die Bibel und »überraschend« die (jüdisch-christlichen) Sibyllinischen Orakel aufzählt und dabei die Apollo-Orakel übersieht, so daß die divina testimonia weitestgehend identisch mit den Christiana testimonia erscheinen. 8 Vgl. inst. 1,1,5f.: sed neque adepti sunt id quod volebant et operam simul atque industriam perdiderunt, quia veritas id est arcanum summi dei, qui fecit omnia, ingenio ac propriis sensibus non potest conprehendi; alioquin nihil inter deum hominemque distaret, si consilia et dispositiones illius maiestatis aeternae cogitatio adsequeretur humana. (6) quod quia fieri non potuit ut homini per se ipsum ratio divina notesceret, non est passus hominem deus lumen sapientiae requirentem diutius errare ac sine ullo laboris effectu vagari per tenebras inextricabiles: aperuit oculos eius aliquando et notionem veritatis munus suum fecit, ut et humanam sapientiam nullam esse monstraret et erranti ac vago viam consequendae immortalitatis
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Offenbarung erhalten und bewahren kann. Nach lactanzischer Auffassung ist die Wahrheit nämlich verborgen.9 Dafür macht Lactanz teils den Heilsplan Gottes verantwortlich,10 teils die Bosheit des Teufels,11 teils stellt er einfach nur fest, daß die Wahrheit dem (nichtchristlichen) Menschen entzogen ist.12 Der Mensch verfügt seiner Ansicht nach zwar über eine Ahnung von und Sehnsucht nach dem Göttlichen,13 auch verfügt er über die Fähigkeit, das heilsvermittelnde Wissen aufzunehmen.14 Dieses offenbarte Wissen muß aber von außen kommen.15 Aus eigener Kraft ist der Mensch nach ostenderet; inst. 2,3,19: non sum equidem tam iniquus, ut eos putem divinare debuisse, ut veritatem per se ipsos invenirent, quod ego fieri non posse confitear, sed hoc ab iis exigo quod ratione ipsa praestare potuerunt; inst. 2,3,21: videre enim nullo modo poterant quare aut a quo et quemadmodum religio vera opprimeretur, quod est divini sacramenti et caelestis arcani. id vero nisi doceatur, aliquis scire nullo pacto potest; inst. 3,1,6: ... nec si philosophi doctrina litterarum mirabiles extiterunt, ego illis etiam scientiam veri cognitionemque concesserim, quam nemo cogitando aut disputando adsequi potest; inst. 3,3,2f.: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipo habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. 3,4,14: si autem ut docui nulla in homine potest esse interna et propria scientia ob fragilitatem condicionis humanae, Arcesilae manus vincit; inst. 3,6,8: itaque coarguit (sc. Arcesilas) existimationem philosophorum, qui putassent ingeniis suis erutam esse atque inventam veritatem. 9 Vgl. Buchheit 1990, 365-367; 2002a, 114f., der den biblischen Hintergrund dieser Vorstellung betont. 10 Inst. 4,2,3: qui (sc. philosophi) quoniam peragratis et exploratis omnibus nusquam ullam sapientiam conprehenderunt et alicubi esse illam necesse est, apparet ibi potissimum esse quaerendam ubi stultitiae titulus apparet: cuius velamento deus, ne arcanum sui divini operis in propatulo esset, thensaurum sapientiae ac veritatis abscondit; inst. 4,2,5: sed aversos esse arbitror divina providentia, ne scire possent veritatem, quia nondum fas erat alienigenis hominibus religionem dei veri iustitiamque notescere. statuerat enim deus adpropinquante ultimo tempore ducem magnum caelitus mittere, qui eam perfido ingratoque populo ablatam exteris nationibus revelaret...; inst. 5,18,11; inst. 6,7,3. 11 Inst. 3,29,14: hic (gemeint ist Satan) ergo insidiatur universis: sed eos qui deum nesciunt errore inpedit, stultitia obruit, tenebris circumfundit, ne quis possit ad divini nominis pervenire notitiam... 12 Inst. 4,5,2: ... ut inlustrata veritas pateat multique ab errore atque interitu liberentur, qui eam sub velamine stultitiae latentem aspernantur ac respuunt. Vgl. auch Formulierungen wie caelestis arcani (inst. 4,8,8); veritatis arcana (inst. 7,22,4); veritatis arcanum (epit. 62,8) u.ä. 13 Inst. 3,10,7f. (stoisch geprägtes Cicero-Zitat). 14 Inst. 3,3,2f: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipso habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. 3,9,19: expedita est igitur hominis ratio, si sapiat: cuius propria est humanitas. ipsa humanitas quid est nisi iustitia? quid iustitia nisi pietas? pietas autem nihil aliut quam dei parentis agnitio (daraus folgt, daß ratio im Vollsinne nur bei den Christen vorhanden und bei Nichtchristen nur potentiell angelegt ist); inst. 3,10,6: equidem sic arbitror universis animalibus datam esse rationem, sed mutis tantummodo ad vitam tuendam, homini etiam ad propagandam. et quia in homine ratio ipsa perfecta est, sapientia nominatur, quae in hoc eximium facit hominem, quod soli datum est intellegere divina; inst. 3,25,5: natura hominis sapientiae capax; epit. 65,1: ad discendum capax (sc. animus); ira 14,2: solus est enim qui sentiens capaxque rationis intellegere possit deum. 15 Inst. 2,3,21: videre enim nullo modo poterant quare aut a quo et quemadmodum religio vera opprimeretur, quod est divini sacramenti et caelestis arcani. id vero nisi doceatur, aliquis
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lactanzischer Auffassung lediglich dazu in der Lage, falsche (religiöse) Vorstellungen zu widerlegen,16 nicht aber, wahre zu entdecken. 2.2.2.2 Exklusivität christlicher Offenbarung Ein weiterer Eckpfeiler der lactanzischen Theologie ist die Auffassung, daß ausschließlich die Christen im Besitz von besagter Offenbarung sind. Lacscire nullo pacto potest; inst. 2,3,23-25: ... verum autem scire divinae sapientiae est; homo autem per se ipsum pervenire ad hanc scientiam non potest, nisi doceatur a deo. (24) ita philosophi quod summum fuit humanae sapientiae adsecuti sunt, ut intellegerent quid non sit: illud adsequi nequiverunt, ut dicerent quid sit [...] (25) quod quia vires humanae condicionis excedit, eius officii facultas nobis attributa est, quibus tradidit deus scientiam veritatis. cui explicandae quattuor posteriores libri servient; inst. 3,3,2f.: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipso habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. 3,3,15f. (andeutungsweise): ... philosophi, qui disputant in caelo quid agatur, sed eo se impune id facere arbitrantur, quia nullus exsistit qui errores eorum coarguat. (16) quodsi existimarent descensurum aliquem (offenkundig wird hier auf Christus angespielt) qui eos delirare ac mentiri doceret, numquam quicquam de iis rebus quas scire non possunt disputarent. nec tamen ideo felicior putanda est eorum inpudentia et audacia, quia non redarguuntur: redarguit enim deus, cui soli veritas nota est...; inst. 3,4,14: si autem ut docui nulla in homine potest esse interna et propria scientia ob fragilitatem condicionis humanae, Arcesilae manus vincit; inst. 3,13,13: a quo enim posset audire, cum sciret id nemo?; inst. 3,20,7: ... non enim descendit aliquis e caelo qui sententiam de singulorum opinionibus ferat; inst. 3,29,13: quare non invideant nobis, quibus aperuit veritatem deus...; inst. 3,30,7f.: vox ecce de caelo veritatem docens et nobis sole ipso clarius lumen ostendens. quid nobis iniqui sumus et sapientiam suscipere cunctamur, quam docti homines contritis in quaerendo aetatibus suis numquam reperire potuerunt? (8) qui vult sapiens ac beatus esse, audiat dei vocem, discat iustitiam, sacramentum nativitatis suae norit, humana contemnat, divina suscipiat...; inst. 4,2,5: sed aversos esse arbitror divina providentia, ne scire possent veritatem, quia nondum fas erat alienigenis hominibus religionem dei veri iustitiamque notescere. statuerat enim deus adpropinquante ultimo tempore ducem magnum caelitus mittere, qui eam perfido ingratoque populo ablatam exteris nationibus revelaret…; inst. 4,8,8: … ille (sc. Christus) vocem dei ac voluntatem nobis revelaret; inst. 4,12,11: idcirco enim missus est a deo patre, ut universis gentibus quae sub caelo sunt singularis et veri dei sanctum mysterium revelaret ablatum perfido populo, qui adversus deum saepe deliquit; inst. 4,12,15: ut suscepta hominis figura et condicione mortali doceret homines iustitiam et cum mandatis dei functus veritatem gentibus revelasset, multaretur etiam morte, ut…; inst. 7,2,3: ea (sc. ratio mundi, quae totam sapientiam continet) vero sensu proprio et interna intellegentia non potest conprehendi: quod illi (sc. philosophi) sine doctore per se ipsos facere voluerunt; inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus); inst. 7,7,4: ... verum autem scire non nisi eius est qui sit doctus a deo; epit. 35,5; 55,1. 16 Inst. 2,3,12f.: inpugnatae sunt ergo a prudentioribus falsae religiones, quia sentiebant esse falsas, sed non est inducta vera, quia qualis aut ubi esset ignorabant. (13) itaque sic habuerunt tamquam nulla esset omnino, quia veram non poterant invenire...; inst. 2,3,19: non sum equidem tam iniquus, ut eos putem divinare debuisse, ut veritatem per se ipsos invenirent, quod ego fieri non posse confitear, sed hoc ab iis exigo quod ratione ipsa praestare potuerunt; inst. 2,3,23f.: falsum vero intellegere est quidem sapientiae, sed humanae, ultra hunc gradum procedi ab homine non potest, itaque multi philosophorum religiones ut docui sustulerunt. verum autem scire divinae sapientiae est; homo autem per se ipsum pervenire ad hanc scientiam non potest, nisi doceatur a deo. (24) ita philosophi quod summum fuit humanae sapientiae adsecuti sunt, ut intellegerent quid non sit; illud adsequi nequiverunt, ut dicerent quid sit...
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tanz erhebt also für das Christentum einen Exklusivitätsanspruch.17 Umgekehrt läßt er keinen Zweifel daran, daß seine paganen Mitmenschen keinen Anteil an der Offenbarung haben. Häufig sind beide Elemente – exklusive Offenbarung für die Christen und Ausschluß der Heiden von der Offenbarung – in den lactanzischen Aussagen eng miteinander verbunden.18 Als Christ nimmt Lactanz auch selbst eine Art göttlicher Inspiration für sich in Anspruch.19 Auch hebt unser Autor die universelle Geltung des Christentums hervor (inst. 3,16,10). Mit seinem Festhalten am christlichen Exklusivitätsanspruch wendet sich Lactanz implizit auch gegen Porphyrios, der in seiner »Orakelphilosophie« zwar Christus selbst große Wertschätzung entgegenbringt, den christlichen Exklusivitätsanspruch aber zurückweist.20 2.2.2.3 Abstufung des Wissens in drei Bereiche Daraus folgt in der lactanzischen Konzeption jedoch nicht, daß alles, was die nichtchristlichen Angehörigen der griechisch-römischen Kultur gedacht, 17 Inst. 2,1,4: ...cuius vim condicionemque non aliter posse retineri, nisi cultum veri parentis sui deposita pravitate susceperint; inst. 3,15,5: nam illa terrena quoniam falsa est, varia et multiplex sibique tota contraria est. et sicut unus est huius mundi constitutor et rector deus, una veritas, ita unam esse ac simplicem sapientiam necesse est, quia quidquid est verum ac bonum, id perfectum esse non potest, nisi fuerit singulare. quodsi philosophia vitam posset instruere, nulli alii nisi philosophi essent boni et qui eam non didicissent, essent omnes semper mali... inst. 3,22,4: ... detracta enim divitibus insolentia et iniquitate nihil intererit utrumne alii divites, alii pauperes sint, cum animi pares fuerint, quod efficere nulla res alia praeter religionem dei potest; inst. 3,30,3: una igitur spes homini, una salus in hac doctrina quam defendimus posita est, omnis sapientia hominis in hoc uno est, ut deum cognoscat et colat: hoc nostrum dogma, haec sententia est; inst. 4,14,3: nec potest nisi per eum qui constituit ad templum et ad conspectum dei perveniri; inst. 6,10,2; inst. 7,7,4: ... verum autem scire non nisi eius est qui sit doctus a deo; epit. 47,1. 18 Inst. 3,15,4: nulla itaque ratio vel scientia vel lex bene vivendi nisi in hac unica et vera et caelesti sapientia constituta est, quae philosophis fuerat ignota; inst. 3,26,1: quod ergo illi poscente natura faciendum esse senserunt, sed tamen neque ipsi facere potuerunt neque a philosophis fieri posse viderunt, sola haec efficit doctrina caelestis, quia sola sapientia est; inst. 3,27,12f.: beatus est igitur sapiens in tormentis: sed cum torquetur pro fide, pro iustitia, pro deo, illa patientia doloris beatissimum faciet. (13) est enim deus qui solus potest honorare virtutem, cuius merces inmortalitas sola est. quam qui non adpetunt nec religionem tenent, cui aeterna subiacet vita, profecto neque virtutis vim sciunt, cuius praemium ignorant, neque in caelum spectant, quod ipsi facere se putant, cum res non vestigabiles quaerunt, ...; inst. 6,14,6; epit. 44,1f.: nulla igitur alia spes homini proposita est, nisi veram religionem veramque sapientiam, quae in Christo est, fuerit secutus; quem qui ignorat, a veritate ac deo semper alienus est. (2) nec sibi de summo deo vel Iudaei vel philosophi blandiantur; qui filium non agnovit, nec patrem potuit agnoscere. haec est sapientia et hoc mysterium summi dei. per illum se deus et agnosci et coli voluit. 19 Er benutzt dabei Ausdrücke wie inst. 3,1,4: deo […] adiuvante; 5,4,7: deo inspirante; 6,1,1: divino spiritu instruente ac suffragante ipsa veritate (dazu Buchheit 1990, 359f. 364 mit weiteren Stellen aus inst. 6, beispielsweise 6,2,16: quodsi hoc illi faciunt quibus non est veritas cognita quanto magis nos facere debemus qui a deo eruditi et inluminati possumus vera praecipere). Wo Lactanz in der ersten Person Plural davon spricht, Offenbarung erhalten zu haben, ist es schwierig zu unterscheiden, ob er für sich selbst oder für die gesamte Christenheit spricht. 20 Vgl. Porph. frg. 345,40-46 Smith, Hargis 1999, 88 und Riedweg 2005, 179.
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gesagt oder geschrieben haben, rundweg und vollständig falsch ist. Lactanz führt vielmehr eine Stufung des Wissens ein.21 Der erste Bereich des Wissens ist dem Menschen aus eigener Kraft zugänglich.22 Der zweite Bereich des Wissens umfaßt heilsvermittelnde Kenntnisse und erschließt sich allein den Christen aufgrund göttlicher Offenbarung.23 Ein dritter Bereich des Wissens ist nur Gott zugänglich.24 Dieser dritte Bereich betrifft unter anderem viele Gegenstände der heutigen Naturwissenschaften,25 insbesondere etwa astronomische Phänomene. Nach lactanzischer Auffassung können solche Phänomene nicht durch menschliches Denken enträtselt werden. Gleichzeitig sind sie auch nicht Bestandteil der göttlichen Offenbarung, also auch den Christen nicht bekannt. Kenntnisse in diesem dritten Bereich tragen aber nicht zum Heil des Menschen bei. Versuche griechischer und römischer Philosophen, derartige Phänomene zu erklären, sind daher nicht nur anmaßend und frevlerisch, 21 Inst. 3,5,3: debuit ergo Arcesilas, si quid saperet, distinguere quae sciri possent quaeve nesciri: beschränktes Wissen: inst. 3,6,2-4: ubi ergo sapientia est? ut neque omnia scire te putes, quod est dei, neque omnia nescire, quod pecudis. est enim aliquid medium quod sit hominis, id est scientia cum ignoratione coniuncta et temperata. (3) scientia in nobis ab animo est, qui oritur e caelo, ignoratio a corpore, quod ex terra: […] (4) […] pars nobis data est scientiae, pars ignorantiae. per hunc quasi pontem transire sine cadendi periculo licet: nam illi omnes qui se in alteram partem inclinaverunt, aut dextro aut sinistro versus ceciderunt... In der Auseinandersetzung mit Arkesilaos ergreift Cicero für die Position Zenons Partei, derzufolge einige Dinge erkannt werden können, andere dagegen nicht. Dabei verteidigt Cicero allerdings die Beschäftigung mit der Naturphilosophie, auch wenn sie keine endgültigen, sondern nur wahrscheinliche Erklärungen zu vermitteln vermöge (vgl. dazu Gärtner 1995, 143), während Lactanz die Beschäftigung mit solchen Fragen ablehnt. 22 Inst. 3,5,1: sunt enim multa quae scire nos natura ipsa et usus frequens et vitae necessitas cogit... 23 Inst. 2,8,70: denique cum aperiret homini veritatem deus, ea sola scire nos voluit quae interfuit hominem scire ad vitam consequendam, quae vero ad curiosam et profanam cupiditatem pertinebant, reticuit, ut arcana essent. 24 Inst. 2,5,2f.; inst. 2,8,68f.: opera ipsius videntur oculis, quomodo autem illa fecerit, ne mente quidem videtur, quia, ut Hermes ait, mortale immortali, temporale perpetuo, corruptibile incorrupto propinquare non potest id est propius accedere et intellegentia subsequi. et ideo terrenum adhuc animal rerum caelestium perspectionem non capit, quia corpore quasi custodia saeptum tenetur, quominus soluto ac libero sensu cernat omnia. (69) sciat igitur, quam inepte faciat qui res inenarrabiles quaerat. hoc est enim modum condicionis suae transgredi nec intellegere, quousque homini liceat accedere; inst. 2,9,1: nunc quoniam refutavimus eos qui de mundo et de factore eius deo aliter sentiunt quam veritas habet, ad divinam mundi fabricam revertamur, de qua in arcanis religionis sanctae litteris traditur; inst. 2,11,19f.: deus ergo veri patris officio functus est, ipse corpus effinxit, ipse animam qua spiramus infudit, illius est totum quidquid sumus (20) quomodo id fecerit si nos oporteret scire, docuisset, sicut docuit cetera quae cognitionem nobis et pristini erroris et veri luminis attulerunt; inst. 3,6,16f.: quanto faceret sapientius ac verius, si exceptione facta diceret causas rationesque dumtaxat rerum caelestium seu naturalium quia sunt abditae nec sciri posse, quia nullus doceat, nec quaeri oportere, quia inveniri quaerendo non possint, (17) qua exceptione interposita et physicos admonuisset, ne quarerent ea quae modum excederent cogitationis humanae. Vgl. dazu auch opif. 1,15; 14,1. 25 Vgl. Geffcken 1907, 293f.: »Er tobt geradezu gegen die Naturforschung«.
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weil nach lactanzischer Auffassung dieses Wissen allein Gott zukommt, sondern auch sinnlos, weil das Heil des Menschen nicht von diesem Wissen abhängt.26 Mit dieser Einteilung des Wissens in drei Bereiche ist auch ein weitgehender Verzicht auf Spekulation verbunden. Lactanz ermöglicht damit angesichts der Komplexität und Widersprüchlichkeit eines pluralen Angebotes an Weltanschauungen und Orientierungsangeboten eine Entlastung des überforderten – oder sich überfordert fühlenden – Menschen.27 2.2.2.4 Defizienz menschlichen Wissens gegenüber göttlicher Offenbarung Das dem Menschen aus eigener Kraft zugängliche Wissen weist zahlreiche Parallelen zu dem christlichen Offenbarungswissen auf. Dabei wird Lactanz allerdings nicht müde, die Defizite zu betonen, die das menschliche Wissen gegenüber dem göttlichen Offenbarungswissen kennzeichnen. Diese Mängel drückt Lactanz auf vielfältige Art und Weise aus: Am weitesten scheint er den Nichtchristen entgegenzukommen, wenn er erklärt, die Nichtchristen hätten die Wahrheit zwar berührt, aber nicht behaupten können.28 Sehr weit scheint unser Autor auch zu gehen, wenn er sagt, die Philosophen seien auf dem richtigen Weg gewesen und hätten es nur versäumt, ihn zuendezugehen (inst. 3,12,28). Hier schließt Lactanz jedoch gleich massive Kritik an dem Lebenswandel der Philosophen an, denen die virtus gefehlt habe, ihre theoretischen Erkenntnisse praktisch durch ein tugendhaftes Leben umzusetzen (inst. 3,12,29). Als Grund für dieses nichtchristliche Unvermögen gibt Lactanz die Erkenntniswege29 der Nichtchristen an. Diese seien von Anfang an mangel-
26 Inst. 2,8,71: quid ergo quaeris quae ne potes scire nec si scias, beatior fies? perfecta est in homine sapientia, si et deum esse unum et ab ipso facta esse universa cognoscat; inst. 2,11,20. Vgl. auch Fögen 1993, 307-315. Allerdings erscheint fraglich, ob inst. 5,1,10 (ebd. S. 311) in diesen Zusammenhang gehört. Ist dort mit scientia litterarum nicht weniger die aktiv forschende Wissenschaft gemeint als vielmehr die passiv erworbene Bildung, deren aktives Potential (im Kontext von inst. 5,1,10) nicht in den Erwerb von Wissen, sondern in der Beeinflussung von Menschen besteht? Wenn Lactanz »Bildung und Glauben« »versöhnt« (ebd. S. 313), dann doch wohl nur durch die Unterordnung der einen unter den anderen, vgl. dazu auch unten S. 58-64. 27 Vgl. Fögen 1997, passim, die hinsichtlich des Überdrusses an der Pluralität von Orientierungsangeboten eine Parallele zu heutigen Tendenzen beobachtet. 28 Inst. 1,5,28; inst. 7,7,14: totam igitur veritatem et omne divinae religionis arcanum philosophi attigerunt, sed aliis refellentibus defendere id quod invenerant nequiverunt, quia singulis ratio non quadravit, nec ea quae vera senserant in summam redigere potuerunt, sicut nos superius fecimus; inst. 6,24,13 (Platon berührt die Weisheit). An anderer Stelle erklärt Lactanz dagegen, die Nichtchristen hätten die göttliche Wahrheit nicht einmal berührt (inst. 7,3,14). 29 Vgl. die Kritik in inst. 3,28,2: quia non rite quaerebant (sc. sapientiam), dort auf die Philosophen bezogen. Vgl. auch inst. 6,8,3: eadem namque ratione hanc vitae viam quaeri oportet qua in alto iter navibus quaeritur: quae nisi aliquod caeli lumen observent, incertis cursibus vagantur.
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haft: Denn die Nichtchristen sind auf menschliches Denken (cogitatio),30 ihre Begabung (ingenium),31 bloße Vermutung (coniectura/suspicio)32 oder allenfalls menschlichen Diskurs (disserendo)33 angewiesen. Mit dieser Methode können die Nichtchristen nach lactanzischer Auffassung nur zufällig (casu) auf die Wahrheit stoßen.34 Und selbst dann können sie diese Wahrheit nicht verteidigen, weil sie ohne christliche Offenbarung nicht die Bewandtnis (ratio),35 den größeren Zusammenhang36 oder die Grenzen (ter30 Inst. 3,1,6 ... nec si philosophi doctrina litterarum mirabiles extiterunt, ego illis etiam scientiam veri cognitionemque concesserim, quam nemo cogitando aut disputando adsequi potest...; inst. 3,3,2f.: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipso habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. 3,16,10: nos ab hac calumnia inmunes ac liberi sumus qui philosophiam tollimus, quia humanae cogitationis inventio est, sophiam defendimus, quia divina traditio est...; inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus); ira 1,5. 31 Inst. 1,1,1. 3 und besonders inst. 1,1,5f.: sed neque adepti sunt id quod volebant et operam simul atque industriam perdiderunt, quia veritas id est arcanum summi dei, qui fecit omnia, ingenio ac propriis sensibus non potest conprehendi; inst. 1,5,28; inst. 2,7,7; inst. 2,19,6: modo illud verum sit quod ipsi solent profiteri, studio investigandae veritatis se teneri, efficiam profecto, ut quaesitam veritatem diu et aliquando inventam esse credant et humanis ingeniis inveniri non potuisse fateantur; inst. 3,2,8; inst. 3,3,2f.: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipso habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; 3,6,8: itaque coarguit (sc. Arcesilas) existimationem philosophorum, qui putassent ingeniis suis erutam esse atque inventam veritatem; inst. 4,1,12; epit. 35,5; ira 1,3. 32 Inst. 3,3,5; 3,6,9; inst. 3,27,3: praeterea nihil aput eos certi est, nihil quod a scientia veniat, sed cum omnia coniecturis agantur, multa etiam diversa et varia proferantur, stultissimi est hominis praeceptis eorum velle parere, quae utrum vera sint an falsa dubitatur: et ideo nemo paret, quia nemo vult ad incertum laborare; inst. 7,1,11: quod quoniam nobis deus revelavit nec coniecturis id adsequimur sed traditione caelesti; inst. 7,8,3: nos igitur certioribus signis eligere possumus veritatem, qui eam non ancipiti suspicione colligimus, sed divina traditione cognovimus. 33 Inst. 3,16,16f.: ... sed videlicet Graeci quia sacras veritatis litteras non attigerant, quemadmodum depravata esset sapientia nescierunt; (17) et ideo cum vacare sapientia humanam vitam putarent, philosophiam commenti sunt id est latentem atque ignotam sibi veritatem disserendo eruere voluerunt: quod studium per ignorantiam veri sapientiam putaverunt; inst. 3,1,6 ... nec si philosophi doctrina litterarum mirabiles extiterunt, ego illis etiam scientiam veri cognitionemque concesserim, quam nemo cogitando aut disputando adsequi potest; inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus). 34 Vgl. inst. 3,18,1: non scientia, sed casu inciderunt in veritatem. itaque in eo ipso quod recte sentiebant, aliquid errarunt; inst. 7,7,5; epit. 64,6: quoniam casu ad eam, non ratione pervenerat (vom Erkenntnisweg Platons). 35 Inst. 2,9,17: unde et philosophi quidam et poetae ›discordi concordia‹ mundum constare dixerunt, sed rationem penitus non videbant; inst. 3,28,18f.: sed ne illi quidem qui scientiam sibi adsumpserunt, id ipsum, quod scire se putabant, constanter defendere potuerunt, (19) qui, quoniam ratio illis non quadrabat per ignorantiam rerum divinarum, tam varii, tam incerti fuerunt sibique saepe contraria disserentes, ut quid sentirent, quid vellent, statuere ac diiudicare non posses; inst. 4,30,6f. (hier allerdings von Häretikern); inst. 5,17,9: sensit igitur Carneades, quae sit natura iustitiae, nisi quod parum alte perspexit [...] non enim vere existimavit eum stultum esse, qui iustus est, sed cum sciret non esse et rationem tamen, cur ita videretur, non comprehenderet,
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mini)37 dieser Aspekte, auf die sie durch Zufall gestoßen sind, erkennen können. Daher können sie sich auch nie sicher sein, daß das, worauf sie gerade gestoßen sind, der Wahrheit entspricht.38 Und so sind sie auch nicht in der Lage, andere davon zu überzeugen, daß sie auf die Wahrheit gestoßen sind. Das führt dazu, daß selbst diejenigen ethischen Anweisungen, die die Philosophen zu Recht geben, von niemandem umgesetzt werden.39 Um die Mangelhaftigkeit nichtchristlicher Erkenntnis zum Ausdruck zu bringen, benutzt Lactanz auch das Bild des Träumens (somniare).40 An voluit ostendere latere in abdito veritatem...; inst. 7,2,2.: in primis causa errorum omnium philosophis haec fuit, quod rationem mundi, quae totam sapientiam continet, non conprehenderunt; inst. 7,3,12. 14; inst. 7,3,15: ergo, […], cum adsumpsissent id quod erat verum […] tamen quoniam eos in consequentibus ratio defecit, non potuerunt defendere id quod adsumpserant; inst. 7,3,24: corrupit ergo quod recte viderat et totam rationem penitus ignorantia rationis evertit redegitque mundum et omnia quae in eo geruntur ad similitudinem cuiusdam vanissimi somnii... ; inst. 7,5,1f.: reddamus nunc rationem quare hominem ipsum fecerit; quod si philosophi scissent, aut defendissent illa quae vera invenerant aut in maximos errores non incidissent. (2) haec enim summa, hic cardo rerum est, quem qui non tenuerit, veritas illi omnis elabitur, hoc est denique, quod efficiat illis non quadrare rationem: quae illis si adfulsisset, si sacramentum hominis omne cognossent, nunquam disputationes eorum et omnem philosophiam de transverso Academia iugulasset; inst. 7,7,1: quam summam quia philosophi non conprehenderunt, nec veritatem conprehendere potuerunt, quamvis ea fere quibus summa ipsa constat et viderint et explicaverint. sed diversi ac diverse illa omnia protulerunt non adnectentes nec causas rerum nec consequentias nec rationes, ut summam illam quae continet universa et conpingerent et inplerent; inst. 7,7,14: totam igitur veritatem et omne divinae religionis arcanum philosophi attigerunt, sed aliis refellentibus defendere id quod invenerant nequiverunt, quia singulis ratio non quadravit, nec ea quae vera senserant in summam redigere potuerunt, sicut nos superius fecimus; inst. 7,8,2: Platonis argumenta quamvis ad rem multum conferant, tamen parum habent firmitatis ad probandam et inplendam veritatem, quoniam nec rationem totius mysterii magni consummaverat in unumque collegerat nec summum bonum conprehenderat. 36 Inst. 3,8,37: sed illi cum ignorarent quid efficeret virtus aut quo tenderet, honestius autem nihil reperirent, substiterunt in ipsius virtutis nomine, quam nullo proposito emolumento adpetendam esse dixerunt, ut bonum sibi constituerent, quod bono indigeret; epit. 62,8: ... sed cum vera sentirent, huius tamen divini operis atque consilii nec causas nec rationes nec exitus perspexerunt, ut omne veritatis arcanum consummarent atque aliquo veluti fine concluderent; epit. 63,7; epit. 64,1: dicam nunc, quae sit illa summa, quam ne ii quidem, qui vera dixerunt, collatis in unum causis atque rationibus conectere potuerunt. 37 Inst. 6,3,5: sapiens prorsus disputatio, si virtutum ipsarum formas ac terminos scirent; inst. 6,19,1: recte id quidem, si singularum rerum veros terminos scirent. 38 Inst. 7,2,11: quare necesse est omnes philosophiae sectas alienas esse a veritate, quia homines erant qui eas constituerunt, nec ullum fundamentum aut firmitatem possunt habere quae nullis divinarum vocum fulciuntur oraculis. 39 Inst. 3,27,1-3: quid ergo? nihilne illi simile praecipiunt? immo permulta, et ad verum frequenter accedunt, sed nihil ponderis habent illa praecepta, quia sunt humana et auctoritate maiore id est divina carent. (2) nemo igitur credit, quia tam se hominem putat esse qui audit, quam est ille qui praecipit. (3) praeterea nihil aput eos certi est, nihil quod a scientia veniat, sed cum omnia coniecturis agantur, multa etiam diversa et varia proferantur, stultissimi est hominis praeceptis eorum velle parere, quae utrum vera sint an falsa dubitatur: et ideo nemo paret, quia nemo vult ad incertum laborare. 40 Inst. 3,8,20: audiamus etiam Zenonem: nam is interdum virtutem somniat; inst. 3,17,23; inst. 5,14,13: ...somniaverat (sc. Plato) enim deum, non cognoverat...; inst. 7,3,24.
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einer anderen Stelle (inst. 7,1,11) vergleicht Lactanz die mangelhafte Erkenntnis der Philosophen mit der olfaktorischen Wahrnehmung eines Duftes, dessen Herkunft man nicht ermitteln kann. Solche ›Zufallstreffer‹, so Lactanz weiter, können also schon aufgrund der Art und Weise ihres Zustandekommens keinen normativen Wert für sich in Anspruch nehmen: Denn sie beruhen seiner Ansicht nach eben auf Zufall (casu) und nicht auf einer vernünftigen Durchdringung des Gesamtzusammenhangs (ratio), den nur göttliche Offenbarung ermöglicht.41 Das Ergebnis solcher indirekter und unvollkommener Erkenntnis beschreibt Lactanz auch mit den Begriffen umbra und imago42. Es handelt sich um bloße Abbilder. An anderen Stellen führt die Natur zu einer – freilich auch nur unvollkommenen – Erkenntnis.43 Weiterhin spricht Lactanz
41 Epit. 64,6: amputatis enim mediis incidit (sc. Plato) potius in veritatem quasi per abruptum aliquod praecipitium nec ulterius progressus est, quoniam casu ad eam, non ratione pervenerat. 42 Inst. 1,20,24: qui enim sic virtutes colunt, id est qui umbras et imagines virtutum consectantur, ea ipsa quae vera sunt tenere non possunt; inst. 1,20,20: virtus enim colenda est, non imago virtutis; inst. 2,11,17: videsne hominem quamvis longe a veritatis notitia remotum tamen, quoniam imaginem sapientiae tuebatur, intellexisse non nisi a deo hominem potuisse generari?; inst. 3,27,10: ita qui haec locuti sunt, umbram quandam virtutis videbant, ipsam virtutem non videbant; inst. 3,29,20: nemo enim potest veris armis instrui, si hostem contra quem fuerit armandus ignorat, nec adversarium vincere qui in dimicando non hostem verum, sed umbram petit; inst. 5,17,6: illi enim depingebant verbis et imaginabantur iustitiam quae in conspectu non erat, nec praesentibus exemplis confirmare poterant, quae adserebant (vgl. dazu auch Buchheit 1990, 360362 und dens. 2002a, 114 [Winger 1999 bevorzugt in inst. 5,17,6 die Lesart afferentes gegenüber adserentes und begründet dies S. 157 A. 1038]); inst. 6,6,25: ›sed nos‹ inquit (sc. Cicero [= off. 3,69]) ›veri iuris germanaeque iustitiae solidam et expressam effigiem nullam tenemus, umbra et imaginibus utimur: easque ipsas utinam sequeremur! feruntur enim ab optimis naturae et veritatis exemplis.‹ Umbra est igitur et imago iustitiae, quam illi iustitiam putaverunt; inst. 6,7,1: nam illi omnes qui per aliorum confessam stultitiam sapientes existimantur, specie virtutis inducti umbras et imagines adprehendunt, nihil verum; inst. 6,11,18: abice umbras illas imaginesque iustitiae atque ipsam veram et expressam tene; inst. 6,12,14: quod ut ei possit ignosci, testificatus est non ad veram iustitiam, quam non teneat, praecepta se dare, sed ad umbram imaginemque iustitiae. ignoscendum est igitur umbratico et imaginario praeceptori nec ab eo veritas exigenda est qui se nescire fateatur; ira 10,26: et qui simile veritatis in ficto, cum summum et excellens artificium nihil aliud nisi umbram et extrema corporis lineamenta possit imitari? Die Rede von Schatten und (Ab)bildern gehört der philosophischen Terminologie an. Die Begriffe dürften den gebildeten Zeitgenossen des Lactanz insbesondere an das Höhlengleichnis Platons (rep. 514a-517c) erinnert haben. Die Gefangenschaft in der Höhle im platonischen Gleichnis entspräche dann bei Lactanz der Nichtzugehörigkeit zum Christentum. Davon zu unterscheiden ist die Verwendung des Wortes imago in anderen Zusammenhängen, wo nicht die Differenz, sondern die Ähnlichkeit zwischen Bild und Vorlage betont wird (inst. 1,21,21 mit euhemeristischer Stoßrichtung bezüglich des Isiskultes; inst. 4,26,14. 16. 38 [allegorische, geradezu typologische Ausdeutung der Wunder Christi]). 43 Dabei ist allerdings nicht immer klar, ob mit natura die Natur des Menschen gemeint ist oder aber diejenige der Wahrheit. Im letzteren Fall wäre auf die lactanzische Vorstellung von der eigenständigen Wirksamkeit der Wahrheit (siehe unten S. 74-77) zu verweisen. Die Textstellen:
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auch davon, die paganen Dichter und Denker seien der Wahrheit mehr oder weniger nahegekommen, ohne sie aber wirklich zu erreichen.44 Außerdem kennzeichnet Lactanz die Minderwertigkeit nichtchristlicher Erkenntnis häufig auch dadurch, daß er ein quantitatives oder graduelles Defizit diagnostiziert: Hier lesen wir etwa Ausdrücke wie in parte/particulatim45 beziehungsweise paene/fere46 oder quasi/tamquam.47 Mit solchen Wörtern markiert Lactanz zwar einerseits einen hohen Grad der Übereinstimmung zwischen nichtchristlich-menschlichem und geoffenbart-christlichem Wissen, andererseits macht er aber die Differenz zwischen diesen beiden Wissensbereichen deutlich und weist so auf die Unvollkommenheit des menschlich-nichtchristlichen Wissens hin.48 2.2.2.5 Spannungsverhältnis zwischen normativ-inhaltlicher und ästhetischformaler Qualität der Wahrheit Diese Unvollkommenheit und Mangelhaftigkeit nichtchristlicher Erkenntnismöglichkeiten verpflichtet nach lactanzischer Auffassung die Christen dazu, das Unvollkommene zu vervollkommnen, die Lücken zu schließen, die nichtchristlichen Defizite durch christliches Wissen auszugleichen.49 Bei diesem Unterfangen sieht sich Lactanz mit einem Spannungsverhältnis zwiinst. 1,5,6: natura igitur et ratione ducente; inst. 2,1,7: adeo veritas ipsa cogente natura etiam ab invitis pectoribus erumpit; inst. 7,9,12: ipsa cogente natura... 44 Vgl. inst. 1,5,11: nostrorum primus Maro non longe afuit a veritate; 6,12,26; inst. 7,7,7: ob has eorum pertinacissimas contentiones nulla extitit philosophia quae ad verum propius accederet; epit. 33,1 (von Platon); ira 5,8. 45 Inst. 7,22,4; ira 5,8 (in parte); inst. 7,7,7 (particulatim). 46 Vgl. insbesondere inst. 7,7,1-4, wo sowohl fere als auch paene vorkommt; außerdem zu paene inst. 1,5,28 (summo ingenio viri); 4,9,3 (Hermes Trismegistus); 5,22,11 (Seneca); 6,8,6 (Cicero, vgl. dazu Buchheit 1990, 360-364). Vgl. zu paene bei Lactanz auch Grossmann 2004, 175 A. 19. 47 Vgl. Buchheit 1990, 364. Vgl. zu quasi inst. 5,9,6 (quasi divino spiritu instinctus); 5,12,7 (quasi divinaret, von Cicero); 6,8,10 (tamquam divinarent spiritu aliquo instincti). 48 Vgl. Buchheit 1990, 360. 364. 49 Inst. 2,3,25: quod quia vires humanae condicionis excedit, eius officii facultas nobis attributa est, quibus tradidit deus scientiam veritatis. cui explicandae quattuor posteriores libri servient; inst. 6,8,10-12: quis sacramentum dei sciens tam significanter enarrare legem dei posset quam illam homo longe a veritatis notitia remotus expressit? ego vero eos qui vera imprudentes loquuntur sic habendos puto, tamquam divinent spiritu aliquo instincti. (11) quodsi ut legis sanctae vim rationemque pervidit, ita illut quoque scisset aut explicasset, in quibus praeceptis lex ipsa consisteret, non philosophi functus fuisset officio, sed prophetae. (12) quod quia facere ille non poterat, nobis faciendum est, quibus ipsa lex tradita est ab illo uno magistro et imperatore omnium deo; inst. 7,3,14f.: ... nostrum hoc officium est, sacramentum mundi et hominis exponere, cuius illi expertes sacrarium veritatis nec attingere nec videre potuerunt; epit. 62,8f.: alii vero ex adverso et deum esse unum et ab eo mundum factum et hominum causa factum et animas esse immortales existimaverunt. sed cum vera sentirent, huius tamen divini operis atque consilii nec causas nec rationes nec exitus perspexerunt, ut omne veritatis arcanum consummarent atque aliquo veluti fine concluderent. (9) sed quod illi facere non potuerunt, quia veritatem perpetuo non tenebant, nobis faciendum est, qui eam cognovimus deo adnuntiante.
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schen normativer und ästhetischer Qualität konfrontiert. Das in der Bibel geoffenbarte christliche Heilswissen besitzt demnach zwar höchsten normativen Rang, findet aber bei den gebildeten Menschen aufgrund seiner geringen ästhetischen Attraktivität keinen Anklang.50 Die ausgefeilten Texte der Dichter und Philosophen entfalten dagegen zwar eine große ästhetische Anziehungskraft, aber sie führen die Menschen nicht zum Heil, sondern häufig eher ins Verderben.51 Ein Weg, dieses Dilemma aufzuheben, ist die Vorstellung von einer eigenständigen Wirksamkeit der Wahrheit, die Lactanz häufig für das Christentum in Anspruch nimmt.52 Gleichzeitig erklärt er es aber auch zu seiner Aufgabe, der christlichen Lehre den ästhetischen – und das heißt für ihn vor allem rhetorischen – Glanz zu verleihen, der für die wohlwollende Rezeption beim gebildeten Publikum gemäß seiner Darstellung notwendig ist.53 Entscheidend bleibt für ihn dabei aber – so erklärt er wenigstens selbst – der wahre Inhalt, nicht der rhetorische Schmuck seiner Ausführungen.54 Mit der Konzentration auf das Spannungsverhältnis zwischen normativ-inhaltlicher und ästhetisch-formaler Qualität der Wahrheit lenkt Lactanz geschickt von der Tatsache ab, daß die pagane Kritik an der Bibel sich häufig weniger auf die Form als vielmehr auf den Inhalt bezog.55
50 Inst. 1,1,7; 6,21,3-6; epit. 57,7. 51 Inst. 6,21,3-5; epit. 57,6 ... qui autem rapitur auditu […] compositis certe orationibus numerosisque carminibus aut argutis disputationibus ad impios cultus facile traducitur. 52 Opif. 20,5; inst. 3,1,3f.: sed quoniam deus hanc rei voluit esse naturam, ut simplex et nuda veritas esset luculentior, quia satis ornata per se est ideoque ornamentis extrinsecus additis fucata corrumpitur, mendacium vero specie placeret aliena, quia per se corruptum vanescit ac diffluit, nisi ornatu aliunde quaesito circumlitum fuerit ac politum, aequo animo fero ingenium mihi mediocre esse concessum. (4) verum ego non eloquentiae, sed veritatis fiducia suscepi hoc opus maius fortasse quam ut possit meis viribus sustineri: quod tamen, etiamsi ego defecerim, deo cuius hoc munus est adiuvante veritas ipsa complebit; inst. 3,13,12: equidem tametsi operam dederim ut quantulamcumque dicendi adsequerer facultatem propter studium docendi, tamen eloquens numquam fui, quippe qui forum ne adtigerim quidem: sed necesse est ipsa me faciat causae bonitas eloquentem, ad quam diserte copioseque defendendam scientia divinitatis et ipsa veritas sufficit; inst. 3,26,13: pauca vero dei praecepta sic totum hominem inmutant et exposito vetere novum reddunt, ut non cognoscas eundem esse; inst. 7,7,5; inst. 7,12,5: victus est (sc. Lucretius) veritate et inprudenti ratio vera subrepsit. 53 Inst. 3,1,2: quod quidem duabus ex causis fieri vellem: vel quod magis possent credere homines ornatae veritati, qui etiam mendacio credunt capti orationis ornatu lenocinioque verborum, vel certe ut ipsi philosophi suis armis potissimum, quibus placere sibi et confidere solent, opprimerentur a nobis. 54 Inst. 3,1,4: verum ego non eloquentiae, sed veritatis fiducia suscepi hoc opus... 55 Vgl. etwa Porph. Adv. Christ. frg. 4f. 8. 20f. 25, wo Porphyrios gegen Evangelisten und Apostel polemisiert.
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2.2.3 Methodologische Aussagen in den Divinae institutiones 2.2.3.1 Methodologische Aussagen in inst. 5 Im fünften Buch der Divinae institutiones finden sich zahlreiche methodologische Aussagen. Insbesondere illustriert Lactanz seine Technik, im Sinne der Synkatábasis/condescensio christliche Inhalte ästhetisch-rhetorisch auszuschmücken, in drei kunstvollen Gleichnissen: einem Honigbechergleichnis, einem Lichtgleichnis und einem Säuglingsnahrungsgleichnis. Aber auch die Gedankengänge, die den Kontext aller drei Gleichnisse bilden, sind für unsere Fragestellung relevant: Lactanz beginnt das fünfte Buch mit einem Appell an die Christenverfolger, das Christentum nicht zu verurteilen, bevor sie es kennengelernt haben (inst. 5,1,1f.). Die Vorverurteilung des Christentums durch die Christenverfolger und ihre Weigerung, die christlichen Argumente anzuhören, beruhen vielmehr gerade auf dem Wissen der Christenverfolger, Unschuldige zu verfolgen (inst. 5,1,3-7). Im Anschluß an diese Situationsbeschreibung, die eine Gerichtsverhandlung fingiert, nennt unser Autor die dreifache Zielsetzung, die er mit seinem Werk verfolgt: Erstens will er seinen nichtchristlichen Mitmenschen die Wahrheit nahebringen und sie so für das Christentum gewinnen (inst. 5,1,8f.), zweitens wankende Christen – und das sind insbesondere gebildete Christen – in ihrem Glauben stärken (inst. 5,1,9-11) und drittens die eigene Seele erbauen (inst. 5,1,12): inst. 5,1,8-12: cum talibus nunc congredi et disputare contendimus, hos ad veritatem ab inepta persuasione traducere, qui sanguinem facilius hauserint quam verba iustorum.
(9) quid igitur? operamne perdemus? minime. nam si lucrari hos a morte, ad quam concitatissime tendunt, non potuerimus, si ab illo itinere devio ad vitam lucemque revocare, quoniam ipsi saluti suae repugnant, nostros tamen confirmabimus, quorum non est stabilis ac solidis radicibus fundata et fixa sententia. nutant enim plurimi ac maxime qui litterarum aliquid attigerunt.
Mit solchen Leuten bemühen wir uns jetzt, uns auseinanderzusetzen und zu diskutieren, diese von ihrer albernen Überzeugung hin zur Wahrheit zu führen, welche das Blut von Gerechten leichter als ihre Worte in sich aufnehmen. (9) Was sollen wir also sagen? Werden wir unsere Mühe vergeuden? In keiner Weise. Denn wenn wir diese vom Tod, zu dem sie voller Hast streben, nicht loskaufen können, wenn wir sie von jenem abschüssigen Weg nicht zum Leben und zum Licht zurückrufen können, weil sie selbst sich gegen ihr eigenes Heil wehren, dann werden wir doch unsere Leute bestärken, deren Gesinnung nicht stabil und in festen Wurzeln gegründet
Methodologische Aussagen bei Lactanz
(10) nam et in hoc philosophi et oratores et poetae perniciosi sunt, quod incautos animos facile irretire possunt suavitate sermonis et carminum dulci modulatione currentium.
(11) ob eamque causam volui sapientiam cum religione coniungere, ne quid studiosis inanis illa doctrina possit officere, ut iam scientia litterarum non modo nihil noceat religioni atque iustitiae, sed etiam prosit quam plurimum, si is, qui eas didicerit, sit in virtutibus instructior, in veritate sapientior.
(12) praeterea etiamsi nulli alii, nobis certe proderit: delectabit se conscientia, gaudebitque mens in veritatis se luce versari, quod est animae pabulum incredibili quadam iucunditate perfusum.
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und unerschütterlich ist. Denn es wanken sehr viele und besonders diejenigen, die über irgendein Maß von Bildung verfügen. (10) Denn auch darin sind die Philosophen und die Redner und die Dichter verderblich, daß sie Unvorsichtige leicht umgarnen können durch den angenehmen Klang ihrer Rede und durch den sanften melodischen Rhythmus ihrer fortlaufenden Gedichte. (11) Aus diesem Grund wollte ich die Weisheit mit der Religion verbinden, damit jene nichtige Lehre den Bildungsbeflissenen nicht schaden kann, so daß nunmehr die Kenntnis der Bildung nicht nur in keiner Weise der Religion und Gerechtigkeit schadet, sondern sogar in möglichst großem Maße nützt, wenn derjenige, der sie gelernt hat, in den Tugenden unterwiesener, in der Wahrheit wieser ist. (12) Wenn es im übrigen auch niemandem anderen nützt, so doch sicherlich uns: das Gewissen wird sich erbauen, und der Geist wird sich freuen, sich im Lichte der Wahrheit aufzuhalten, welche eine mit einer Art unglaublichem Wohlgefühl verbundene Seelennahrung ist.
Sollte Lactanz bei seinen nichtchristlichen Mitmenschen keinen Erfolg haben, so hofft er doch wenigstens schwankenden, durch ihre heidnische Bildung verunsicherten Christen zu helfen. Auf alle Fälle werden sich Gewissen und Geist des Lactanz – und dies ist der Höhe- und Endpunkt dieser Reihe – freuen, im Lichte der christlichen Wahrheit zu sein, denn diese Seelenspeise stellt einen frommen Genuß dar, der in gegensätzlicher Beziehung zu dem Genuß steht, den der Wohllaut der rhetorischen Bildung (inst. 5,1,10) hervorruft. Auffällig ist die ausführliche Darstellung der zweiten Zielsetzung, insbesondere die dort angesprochene Verbindung von Weisheit und Religion56 56 Der Begriff sapientia kann bei Lactanz verschiedene Bedeutungen haben, vgl. dazu unten S. 138 Anm. 41. Aus dem Kontext geht hervor, daß sapientia hier für die weltliche Weisheit, die Bildung steht, während religio dagegen hier die christliche Religion bezeichnet. Von einer Verbindung von sapientia und religio spricht Lactanz auch anderswo (beispielsweise inst. 4,3,4-10), dort
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(inst. 5,1,11). Finden wir hier einen Hinweis auf eine Synthese aus weltlicher Weisheit und christlicher Religion? Dürfen wir aus dieser Stelle gar folgern, daß weltliche Weisheit die Christen »in den Tugenden unterwiesener« und »in der Wahrheit weiser« macht? Womit vergleichen die Komparative instructior und sapientior? Welche Funktion hat der si-Satz? Expliziert er einen Nutzen, den die mit den Begriffen religio et iustitia bezeichnete christliche Religion durch die weltliche Weisheit hat, oder gibt er vielmehr die Voraussetzung an, die erfüllt sein muß, damit dieser Nutzen überhaupt eintreten kann? Es ergeben sich insbesondere zwei Möglichkeiten, inst. 5,1,11 aufzufassen und dementsprechend auch zu übersetzen: Möglichkeit A: Aus diesem Grund wollte ich die Weisheit mit der Religion verbinden, damit jene nichtige Lehre den Bildungsbeflissenen nicht schaden kann, so daß nunmehr die Kenntnis der Bildung nicht nur in keiner Weise der Religion und Gerechtigkeit57 schadet, sondern sogar in möglichst großem Maße nützt, wenn derjenige, der sie58 gelernt hat, in den Tugenden unterwiesener, in der Wahrheit weiser ist (als vor seiner Beschäftigung mit der Bildung). Möglichkeit B: Aus diesem Grund wollte ich die Weisheit mit der Religion verbinden, damit jene nichtige Lehre den Bildungsbeflissenen nicht schaden kann, so daß nunmehr die Kenntnis der Bildung nicht nur in keiner Weise der Religion und Gerechtigkeit59 schadet, sondern sogar in möglichst großem Maße nützt, wenn derjenige, der sie60 gelernt hat, in den Tugenden unterwiesener, in der Wahrheit weiser ist (als ein Nichtchrist).
Gehen wir von den letzten Worten von inst. 5,1,11 (in virtutibus instructior, in veritate sapientior) aus! Was ist hier mit virtutes und veritas gemeint? Eine Überprüfung anderer Stellen, an denen Lactanz virtu(te)s und veritas gemeinsam erwähnt, ergibt, daß unser Autor diese beiden Eigenschaften, vor allem aber die veritas, für das Christentum zu monopolisieren sucht.61 geht es aber um die Verbindung von wahrer Weisheit mit wahrer Religion, die ausschließlich im Christentum gegeben sei. 57 Gemeint ist das Christentum, vgl. inst. 5,1,9. 58 Nämlich die Bildung, eas bezieht sich auf litterarum, vgl. unten S. 61 Anm. 63. 59 Gemeint ist das Christentum, vgl. inst. 5,1,9. 60 Nämlich die Bildung, eas bezieht sich auf litterarum, vgl. unten S. 61 Anm. 63. 61 Virtus und veritas werden im weiteren Verlauf des fünften Buches an einer aufschlußreichen Stelle noch einmal zusammen erwähnt (inst. 5,15,1a): duobus igitur illis iustitiae fontibus immutatis omnis virtus et omnis veritas tollitur et ipsa iustitia remigrat in caelum... Mit illi iustitiae fontes sind dort pietas und aequitas gemeint, die nach lactanzischer Auffassung ausschließlich den Christen zukommen (vgl. inst. 5,15,1b: ...ideo non est verum illud bonum a philosophis repertum,
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Veritas wird durch göttliche Offenbarung vermittelt, die den Christen – und nur ihnen – zuteil wird.62 Da sich also die virtutes und die veritas auf das Christentum beziehen müssen, kann sich eas nicht auf religioni et iustitiae, sondern nur auf litterarum beziehen, da die Formulierung sonst tautologisch wäre.63 Bleibt die Frage, womit die Komparative instructior und sapientior vergleichen. Während man aus einigen Stellen im sechsten Buch der Divinae institutiones argumentieren könnte, daß Christen in den Tugenden sehr
quia ignorabant vel unde oreretur vel quid efficeret: quod nullis aliis praeterquam nostro populo revelatum est). iustitia selbst steht hier für das Christentum, vgl. dazu auch unten den Abschnitt 4.1.2. Die gemeinsame Erwähnung von virtus und veritas kommt auch andernorts bei Lactanz vor und bestätigt unsere Annahme, daß er etwas spezifisch Christliches meint, vgl. inst. 1,1,19: nobis autem qui sacramentum verae religionis accepimus cum sit veritas revelata divinitus, cum doctorem sapientiae (hier ist die himmlische Weisheit gemeint) ducemque virtutis deum sequamur, universos sine ullo discrimine vel sexus vel aetatis ad caeleste pabulum convocamus; inst. 6,3,17: ... quoniam qui veritatem ac iustitiam sequitur, is accepto immortalitatis praemio perenni luce potietur, qui autem ab illo malo duce inlectus praetulerit vitia virtutibus, mendacium veritati, necesse est ad occasum et tenebras deferatur (der Kontext ist das Wegegleichnis, es werden jeweils Gegensätze dargestellt zwischen dem christlichen Weg, der zu Gott führt, und dem Weg des Satans, der ins Verderben führt); inst. 6,7,9 - 6,8,1: haec autem via, quae est veritatis et sapientiae (gemeint ist wiederum die himmlische Weisheit) et virtutis et iustitiae, quorum omnium fons unus est, una vis, una sedes, et simplex est, quo paribus animis summaque concordia unum sequamur et colamus deum, et angusta, quoniam paucioribus virtus data est, et ardua, quoniam ad bonum quod est summum atque sublime nisi cum summa difficultate ac labore non potest perveniri. (inst. 6,8,1) haec est via quam philosophi quaerunt, sed ideo non inveniunt, quia in terra potius ubi apparere non potest quaerunt. errant ergo velut in mari magno nec quo ferantur intellegunt, quia nec viam cernunt nec ducem sequuntur ullum; 7,1,22: (von den Reichen) his acerba sunt, his venena quae deus ad iustitiam praecipit quaeque nos dei magisterio de virtute ac veritate disserimus. In anderen Zusammenhängen kann Lactanz auch Nichtchristen virtutes zu sprechen, vgl. inst. 5,14,10. In inst. 6,14,6f. unterscheidet Lactanz ebenfalls zwischen christlichen und nichtchristlichen virtutes und läßt dabei keinen Zweifel an der Minderwertigkeit der nichtchristlichen virtutes: ... nam parcum esse aut constantem aut cautum aut quietum aut fortem aut severum virtutes sunt quidem, sed huius temporariae vitae. nos autem, qui hanc vitam contemnimus, alias nobis virtutes propositas habemus, de quibus philosophi ne suspicari quidem ulla ratione potuerunt. (7) itaque et virtutes quasdam pro vitiis et vitia quaedam pro virtutibus habuerunt... Bezeichnenderweise werden diese nichtchristlichen virtutes nicht in Zusammenhang mit der Wahrheit gebracht. 62 Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.2.1 und dort insbesondere Anm. 8. 63 Zwar stehen die Wörter religioni atque iustitiae von allen potentiellen Bezugswörtern am nächsten bei eas und nur halb so weit (acht Wörter) von eas entfernt wie das durch 15 Wörter getrennte litterarum; doch bei Bezug von eas auf religioni atque iustitiae ergäbe sich die geradezu tautologische Voraussetzung, »wenn derjenige, der Religion und Gerechtigkeit (=die christliche Lehre) gelernt hat, in den (spezifisch christlichen) Tugenden unterwiesener und in der (spezifisch christlichen) Wahrheit weiser ist«. Lactanz setzt deshalb mit didicerit ein Perfekt und markiert so die Vorzeitigkeit gegenüber dem si-Satz, weil er davon ausgeht, daß die literarische Bildung (scientia litterarum, vermittelt bereits in der Jugend durch den grammaticus) selbstverständlicher Bestandteil der Sozialisation seiner Leser ist, während die Konversion zum Christentum – wenn überhaupt – in der Regel erst später erfolgt.
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wohl verschiedene Grade der Vollkommenheit erreichen können,64 fällt der Befund hinsichtlich der veritas anders aus: Zwar kann auch hier entweder in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang die Wahrheit des Christentums der Lüge und Falschheit aller anderen Religionen entgegengesetzt werden oder aber in einem eher konzilianten Argumentationszusammenhang der vollen Wahrheit des Christentums eine – stets unvollkommene und nicht ausreichende – Teilerkenntnis der Wahrheit gegenübergestellt werden. Der graduelle Fortschritt bezieht sich aber nur auf den nichtchristlichen Bereich. Die christliche Kenntnis der Wahrheit ist kategorial von den nichtchristlichen Teilkenntnissen geschieden, und innerhalb der christlichen Wahrheit erwähnt Lactanz nirgends graduelle Unterschiede, sondern betont vielmehr Einheit und Einfachheit.65 Damit erscheint es ausgeschlossen, daß es im Bereich christlicher Wahrheit einen graduellen Fortschritt geben kann. Ein gradueller Fortschritt ist lediglich in Bezug auf das Ablegen von Irrmeinungen möglich und kann dann auch durch Menschen vermittelt werden. Positive Erkenntnis vermittelt dagegen allein die ausschließlich den Christen vorbehaltene göttliche Offenbarung.66 Insofern kann der Komparativ sapientiores und damit mittelbar auch der Komparativ instructiores nicht einen Vergleich mit einem ungebildeten Christen zum Ausdruck bringen, sondern nur einen Vergleich mit einem Nichtchristen. Der si-Satz bietet keine Explikation des 64 Vgl. inst. 6,12,32-40 und dazu unten S. 295f. 65 Vgl. inst. 6,7,9–6,8,1. 66 Ein kritischer Beobachter könnte auf die schwankenden Christen verweisen, um doch einen graduellen Unterschied innerhalb der Christenheit zu konstatieren. Offenbar lag allerdings ein entsprechendes Problembewußtsein bei Lactanz nicht vor. Ähnlich steht es mit dem impliziten Widerspruch, in den Lactanz gerät, wenn er einerseits von einer eigenständigen Wirkkraft der (christlichen) Wahrheit spricht, andererseits aber hervorhebt, wie sinnvoll es ist, auf dem Gebiete der Präsentation der christlichen Wahrheit durch Rhetorik zu Hilfe zu kommen, vgl. dazu unten S. 74-77. Wenn man dies außer Acht lassen möchte, könnte man freilich einwenden, daß die weltliche Weisheit zwar nach lactanzischer Auffassung ohne christlichen Glauben unnütz, ja schädlich sei, sie aber, wenn die Konversion zum Christentum erst erfolgt sei, zur weiteren Vervollkommnung des Christen beitragen könne. Dem ist entgegenzuhalten, daß das lactanzische Programm einer Verbindung von sapientia und religio in inst. 5,1,11 gerade auf die schwankenden Christen zielt, die Lactanz durch ihre weltliche Bildung eben nicht gefördert, sondern gefährdet sieht. Nirgends wird gesagt, daß ungebildete Christen einer Unterweisung in weltlicher Weisheit oder einer Verbindung zwischen weltlicher Weisheit und christlicher Religion bedürfen. Das Programm der Verbindung von sapientia und religio nützt dem Christentum nicht insofern, als bessere Christen herangebildet werden, sondern insofern, als der von weltlicher Bildung ausgehende vom Christentum wegführende Impuls eliminiert wird. Die in der Formulierung non modo nihil noceat religioni atque iustitiae, sed etiam prosit quam plurimum zum Ausdruck gebrachte Überbietung bezieht sich nicht darauf, daß ein Christ sozusagen christlicher wird und auf dem Gebiet der virtutes und der veritas Fortschritte macht, sondern darauf, daß er seine christlichen Einsichten über virtutes und veritas mit Hilfe einer durch weltliche sapientia unterstützten Präsentation seinen nichtchristlichen oder am Christentum zweifelnden Mitmenschen effizienter nahebringen kann.
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Nutzens, den das Christentum von der weltlichen Bildung gewinnen kann, sondern nennt die Voraussetzung dafür, daß überhaupt ein Nutzen eintreten kann. Bei der Verbindung von sapientia und religio kann es also nicht darum gehen, Menschen, die bereits Christen sind, durch die weltliche Weisheit ›christlicher‹ zu machen, zu besseren Christen, die mehr von der göttlichen Wahrheit erkennen können. Damit ergibt sich die Frage nach der Art, wie Lactanz überhaupt Weisheit und Religion miteinander verbinden will. Auch die Bezeichnung der weltlichen Weisheit (sapientia) als »jene eitle Lehre« (inanis illa doctrina) schließt aus, daß hier eine gleichberechtigte Verbindung im Sinne einer Synthese intendiert ist. Vielmehr spricht der Kontext der Stelle, der im Spannungsfeld zwischen professioneller Präsentation religiös-ethisch minderwertiger Gehalte und unprofessioneller Präsentation christlicher Gehalte steht, dafür, die Verbindung zwischen sapientia und religio so zu verstehen, daß die sapientia die Präsentation, die religio aber den Gehalt bestimmt. Der Nutzen der weltlichen Weisheit liegt also in der Möglichkeit, Nichtchristen und solchen, die dem Christentum abtrünnig zu werden drohen, christliche Inhalte in einer dem paganen Bildungsdiskurs angemessenen Form zu präsentieren.67 inst. 5,1,11 sollte also im Sinne der Möglichkeit B aufgefaßt werden, die folgendermaßen paraphrasiert werden könnte: Ich will die weltliche Weisheit (als normativ untergeordnete Instanz) mit dem Christentum (als normativ übergeordneter Instanz) verbinden. Damit bezwecke ich, daß die Kenntnis der Bildungsgüter nicht länger dem Christentum schadet (wie das bisher der Fall ist ). Vielmehr sollen solche Kenntnisse möglichst großen Nutzen bringen. Das aber setzt voraus, daß der Gebildete Christ ist und dadurch seine Bildungsgüter nun zugunsten des Christentums (etwa im Rahmen von Apologie und Mission) einsetzen kann.
Daß mancher Leser bei der ersten Lektüre den Satz eher im Sinne der Möglichkeit A auffassen mag, ist von Lactanz vielleicht sogar im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio beabsichtigt – der Kontext stellt aber klar, daß unser Autor hier weder eine Synthese zwischen Christentum und antiker Bildung propagiert noch Bildung als Voraussetzung für tieferes Eindringen
67 Vgl. inst. 5,4,8: ac si hortatu nostro docti homines ac diserti huc se conferre coeperint et ingenia sua vimque dicendi in hoc veritatis campo iactare maluerint, evanituras brevi religiones falsas et occasuram esse omnem philosophiam nemo dubitaverit, si fuerit omnibus persuasum cum hanc solam religionem, tum etiam solam veram esse sapientiam; inst. 1,1,10: multum tamen nobis exercitatio illa fictarum litium contulit, ut nunc maiore copia et facultate dicendi causam veritatis peroremus. quae licet possit sine eloquentia defendi, ut est a multis saepe defensa, tamen claritate ac nitore sermonis inlustranda et quodammodo disserenda est, ut potentius in animos influat et vi sua instructa et luce orationis ornata.
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in die christliche Wahrheit anpreist, sondern der Bildung vielmehr eine dienende Aufgabe im Rahmen christlicher Apologetik zuweist. Im weiteren Verlauf des ersten Kapitels setzt sich Lactanz kritisch mit seinen lateinisch schreibenden apologetischen Vorgängern auseinander:68 Er stellt fest, daß sowohl die Bibel (inst. 5,1,15. 18) als auch die christlichen Bibelexegeten69 (inst. 5,1,18) von den Eliten70 abgelehnt werden. Er führt dies darauf zurück, daß das Publikum sich in seinen an die Präsentationsform herangetragenen Erwartungen enttäuscht sieht. In diesem Zusammenhang beklagt Lactanz, daß selbst gebildete Apologeten wirkungslos geblieben seien (inst. 5,1,21). Vor dem Hintergrund dieser Publikumserwartungen an eine rhetorisch ausgefeilte Präsentation seien die zahlreichen rhetorisch ungebildeten Apologeten daher erst recht chancenlos gewesen (inst. 5,1,28). Später grenzt Lactanz seine Methode nochmals gegenüber der des Tertullian71 und des Cyprian72 ab: Tertullian sei rein defensiv vorgegangen und habe es an konstruktiver Unterweisung fehlen lassen73 (inst. 5,4,3); Cyprian sei nicht ausreichend auf die – aus lactanzischer Sicht – mangelhafte religiöse Fassungsgabe seiner nichtchristlichen Leser eingegangen (inst. 5,4,37): Nicht auf Bibelstellen (scripturae testimonia), sondern auf vernünftige Argumentation (argumenta et ratio) hätte er seine Apologie stützen sollen.74 Lactanz erhebt also den Anspruch, eine neue Art von Apologie zu betreiben. Dabei steht ihm von seinen Vorgängern Minucius Felix noch am nächsten.75 An diesem kritisiert Lactanz lediglich, daß er sich nicht voll in den Dienst der Apologetik gestellt und es bei der Abfassung eines kleinen Dialoges belassen habe (inst. 5,1,22). Im vierten Kapitel verzichtet Lactanz sogar darauf, Minucius Felix unter denjenigen Apologeten zu erwähnen, von denen er sich abgrenzt. An Tertullian rügt Lactanz dort die dunkle Ausdrucksweise und die rein defensive Grundhaltung. Cyprians Sprachgewalt schließlich wird von Lactanz mehr noch bewundert als die seiner übrigen
68 Vgl. dazu Fredouille 1992, 228f. 69 Die relative Unbildung christlicher Schriftsteller räumt Lactanz ein (inst. 5,1,18), erklärt sie aber bezeichnenderweise mit einer der Rhetorik inhärenten Tendenz zum Bösen (inst. 5,1,1921). 70 Vgl. inst. 5,1,15: ... aput sapientes et doctos et principes huius saeculi... 71 Zum Verhältnis des Lactanz zu Tertullian vgl. Bender 1983, 171-173. 72 Zum Verhältnis des Lactanz zu Cyprian vgl. Bender 1983, 173f. 73 Dieser Vorwurf ist allerdings so nicht berechtigt: Die Verbindung von Apologie und Unterweisung liegt auch schon bei Tertullian vor, vgl. Heck 1987, 93f. 74 Inst. 5,4,4: [...] non enim scripturae testimoniis, quam ille (gemeint ist der Christengegner Demetrianus, an den sich Tertullian wandte) utique vanam fictam commenticiam putabat, sed argumentis et ratione fuerat refellendus. 75 Zum Verhältnis des Lactanz zu Minucius Felix vgl. Bender 1983, 174-177. 189f. Dort wird allerdings vielleicht die Distanz des Minucius Felix zu den nichtchristlichen Klassikern zu wenig und seine Distanz zu Lactanz zu sehr betont.
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Vorgänger.76 Daß aber ein so begabter Rhetoriker wie Cyprian bei den Nichtchristen dennoch – so Lactanz – ohne Erfolg geblieben ist, sei auf den esoterischen Charakter der cyprianischen Schriften zurückzuführen. Offenkundig nütze die hervorragendste Sprachbehandlung nichts, wenn die Argumentation auf Faktoren aufbaut, die für den nichtchristlichen Leser von vornherein keine normative Bedeutung haben oder gar unverständlich sind. Daraus will Lactanz nun lernen und stellt dies als eine methodische Neuorientierung dar. Lactanz möchte den nichtchristlichen Leser schrittweise und zunächst im bewußt instrumentalisierten Anschluß an nicht- beziehungsweise außerchristliche Diskurse zum Christentum hinführen. In der Tat sind schon Apologeten – insbesondere Minucius Felix – vor ihm so verfahren. Lactanz geht auf diesem Weg allerdings weiter als seine Vorgänger. Dies betrifft sowohl die Zahl der Zitate und Anspielungen als auch ihre Einbettung in den Gesamttext. Trotzdem kann man sich fragen, inwieweit Lactanz hier nicht im Rahmen des Erstheitstopos einen graduellen Widerspruch zwischen ihm und seinen apologetischen Vorgängern als einen kontradiktorischen darstellt. Immerhin wird bei unserem Autor allerdings auch eine methodologische Reflexion und Durchdringung dieser Strategie deutlich. Zeugnis davon legen seine methodologischen Gleichnisse ab. Beginnen wir mit dem Honigbechergleichnis. Dieses Gleichnis ist in der Forschung häufig genannt, zitiert und gelobt,77 jedoch kaum78 konsequent durchdacht worden, wie ich im folgenden zu zeigen versuche.
inst. 5,1,13-18:79 (13) verum non est desperandum, fortasse ›non canimus surdis‹. nec enim tam in malo statu res est, ut desint sanae mentes, quibus et veritas placet et monstratum sibi rectum iter et videant et sequantur.
(13) Aber man darf nicht verzweifeln, vielleicht singen wir nicht für taube (Ohren). Denn die Sache steht nicht so schlecht, daß es keine Leute mit gesundem Verstand gäbe, die sowohl an der Wahrheit Gefallen finden als auch den rechten Weg, wenn man ihn ihnen gezeigt hat, sowohl sehen als auch be-
76 Die Auseinandersetzung mit Cyprian nimmt bezeichnenderweise weit mehr Raum ein als die mit Tertullian und Minucius Felix zusammen. 77 Vgl. allein Hagendahl 1958, 64; Monat 1973, II 26f.; van der Nat 1976, 210f.; Heck 1988, 169; Wimmer 1998, 60-63; Winger 1999, 128. 78 Ausnahmen: Meßmer 1974, 11 Anm. 1 und Gnilka 1988, 79 mit Anm. 1 auf S. 87. 79 Zur Herstellung des lateinischen Textes in inst. 5,1,14 vgl. Meßmer 1974, 11 Anm. 1 und unten den Anhang.
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(14) circumlinatur modo poculum caeleste melle sapientiae, ut possint ab inprudentibus amara remedia sine offensione potari, dum inliciens prima dulcedo acerbitatem saporis asperi sub praetexto suavitatis occultat.
(15) nam haec in primis causa est cur aput sapientes et doctos et principes huius saeculi scriptura sancta fide careat, quod prophetae communi ac simplici sermone ut ad populum sunt locuti.
(16) contemnuntur itaque ab iis qui nihil audire vel legere nisi expolitum ac disertum volunt nec quicquam haerere animis eorum potest nisi quod aures blandiore sono mulcet, illa vero quae sordida videntur, anilia inepta vulgaria existimantur.
(17) adeo nihil verum putant nisi quod auditu suave est, nihil credibile nisi quod potest incutere voluptatem: nemo rem veritate ponderat, sed ornatu.
(18) non credunt ergo divinis, quia fuco carent, sed ne illis quidem qui ea interpretantur, quia sunt et ipsi aut omnino rudes aut certe parum docti. nam ut plane sint eloquentes, perraro contingit: cuius rei causa in aperto est.
schreiten. (14) Es möge nur der himmlische Becher mit dem Honig der (sc. weltlichen) Weisheit ringsum bestrichen werden, damit von den Unverständigen die bitteren Heilmittel getrunken werden können, ohne daß sie Anstoß daran nehmen, während die verlockende Süße des ersten Augenblicks die Herbheit des bitteren Geschmacks unter dem Mantel des süßen Geschmacks verbirgt. (15) Denn dies ist ganz besonders der Grund, warum bei den Weisen und Gelehrten und führenden Leuten dieser Welt der Heiligen Schrift kein Vertrauen entgegengebracht wird, daß die Propheten in einer gewöhnlichen und einfachen Sprache gesprochen haben, wie nicht anders zu erwarten bei Leuten, die sich an das Volk wenden. (16) Verachtet werden sie deshalb von denjenigen, die nichts hören oder lesen wollen, wenn es nicht rhetorisch ausgefeilt ist und in deren Herzen nur das Halt finden kann, was die Ohren durch einen recht angenehmen Klang streichelt. Jenes aber, was verachtenswert erscheint, wird für unsinniges, albernes und triviales Zeug gehalten. (17) So sehr halten sie nur das für wahr, was angenehm zu hören ist, nur das für glaubhaft, was Vergnügen bereiten kann: Niemand beurteilt eine Sache nach ihrer wahren Bedeutung, sondern man beurteilt sie nach der schmuckreichen Präsentation. (18) Nicht glauben sie also den göttlichen Schriften, weil sie ungeschminkt daherkommen, aber sie glauben auch nicht einmal denjenigen, die diese ausdeuten, weil auch diese selbst entweder gänzlich ungebildet oder mit Sicherheit nicht hinreichend gebildet sind. Denn daß sie wirklich über rhetorisches Geschick verfügen, kommt sehr selten vor: der Grund dafür ist offenkundig.
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Bisher wird in inst. 5,1,14 statt caeleste caelestis gelesen. Der Becher würde dann mit dem Honig nicht der weltlichen, sondern der himmlischen Weisheit bestrichen. Ich möchte mich hier aber dem Vorschlag von Ernst Meßmer anschließen: Vielleicht kann man aus der sonst zuverlässigen Handschrift B die Lesart caeleste ohne das dort für poculum eingedrungene pabulum übernehmen. Poculum caeleste wäre in diesem Fall eine bildliche Bezeichnung für die von Gott geoffenbarte Wahrheit (vgl. I 1,19: caeleste pabulum; VII 27, 12: caelestis cibus).
Die vor über 25 Jahren in einer Fußnote geäußerte Anregung80 ist bisher unbeachtet geblieben. Aber sowohl der unmittelbare Kontext der Lactanzstelle als auch der literarische Prätext bei Lucrez (1,933-950) und auch weitere Belege für das Bild machen deutlich, daß mit dem Honig am Rand des Bechers die äußere Präsentation, mit dem Heilmittel auf dem Grund des Bechers aber der wahre Inhalt, die christliche Lehre gemeint ist: Äußere Präsentation einerseits und wahrer Inhalt andererseits werden scharf unterschieden. Bitter ist die ästhetische Enttäuschung, die der rhetorisch gebildete Leser bei der Lektüre der Bibel empfindet. Der – eben nicht bittere, sondern süße – Honig am Rand des Bechers kann daher mit der christlichen Lehre nicht identisch sein.81 Aus dem Honigbechergleichnis wird deutlich, daß der rhetorische Schmuck – zu dem im weiteren Sinne auch die am vorherrschenden, nichtchristlichen Diskurs orientierte Argumentation gehört – für Lactanz kein Selbstzweck ist. Vielmehr stellt er ein Mittel dar, mit dem Lactanz das propagieren will, was er für christliche Wahrheit hält. Wie im Gleichnis die Ärzte den Becher mit der bitteren Medizin mit Honig bestreichen, weil sie wissen, daß dieser den unverständigen Patienten82 schmeckt, und diese so zu ihrem Besten täuschen, so gestaltet Lactanz seine Hinführung zum heilbringenden christlichen Glauben mit Klassikerzitaten und engem Anschluß an nichtchristliche Diskurse aus, weil er weiß, daß solche Texte den Leser ansprechen, und täuscht so den in nichtchristlichen Vorstellungen ›befangenen‹ Leser, wie er meint, zu seinem Besten. Eine besondere Pointe liegt zweifelsohne darin, daß das Honigbechergleichnis, mit dem Lactanz seine Methode der Normpropagierung illustriert, sogar selbst – wie schon bei Lucrez – innerhalb der auf der Gleichnisebene eröffneten Kategorien »Honig« und »Heilmittel« eingeordnet wer80 Meßmer 1974, 11 Anm. 1. Ähnliches meint wohl Gnilka 1988, 87 Anm. 1, wenn er von »kritische[n] und exegetische[n] Schwierigkeiten« an der betreffenden Stelle spricht. 81 Eine eingehende Behandlung dieses sowohl textkritisch als auch interpretatorisch hochinteressanten Problems bietet der Anhang dieser Arbeit. 82 Während es bei Lucrez ausdrücklich Kinder sind, die von den Ärzten behandelt werden, spricht Lactanz allgemeiner von den imprudentes.
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den kann: und zwar als »Honig«. Es illustriert damit nicht nur die von Lactanz programmatisch in Anspruch genommene Methode, sondern stellt auch selbst bereits eine Kostprobe jenes Honigs dar, mit dem Lactanz seinen – mit christlicher Lehre gefüllten – Becher dem Leser darreicht. Doch ist das Honigbechergleichnis nicht das einzige methodologische Gleichnis im fünften Buch der Divinae institutiones: Im Zusammenhang mit seiner Kritik an Cyprian verdeutlicht Lactanz die von ihm bevorzugte Methode anhand eines Licht- und eines Säuglingsnahrungsgleichnisses:83 inst. 5,4,4-7: qua materia non est usus (sc. Cyprianus) ut debuit: non enim scripturae testimoniis, quam ille utique vanam fictam commenticiam putabat, sed argumentis et ratione fuerat refellendus.
(5) nam cum ageret contra hominem veritatis ignarum, dilatis paulisper divinis lectionibus formare hunc a principio tamquam rudem debuit eique paulatim lucis principia monstrare, ne toto lumine obiecto caligaret.
(6) nam sicut infans solidi ac fortis cibi capere vim non potest ob stomachi teneritudinem, sed liquore lactis ac mollitudine alitur, donec firmatis viribus vesci fortioribus possit, ita et huic oportebat, quia nondum poterat capere divina, prius humana testimonia offerri id est philosophorum et historicorum, ut suis potissimum refutaretur auctoribus.
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Vgl. dazu auch Heck 1988, 171.
Diesen Stoff hat er (sc. Cyprian) nicht so verwendet, wie er es hätte tun sollen: denn nicht durch Zeugnisse der (Heiligen) Schrift, welche jener auf jeden Fall für nichtig, erdichtet und erlogen hielt, sondern durch vernünftige Argumentation hätte er (sc. Cyprians Gegner Demetrianus) widerlegt werden müssen. (5) Denn da er gegen einen der Wahrheit unkundigen Menschen argumentierte, hätte er für eine Weile die göttlichen Texte aufschieben und ihn von Anfang an wie einen Ungebildeten bilden und ihm allmählich die Grundlagen der Erleuchtung zeigen müssen, damit ihm nicht schwarz vor Augen würde, wenn ihn das Licht in seiner ungebrochenen Stärke anstrahlte. (6) Denn wie ein Säugling die Mächtigkeit fester und robuster Nahrung nicht vertragen kann wegen der Zartheit seines Magens, sondern von flüssiger und weicher Milch genährt wird, bis sich seine Kräfte stärken und er sich von robusterer Nahrung ernähren kann, so hätte man auch diesem, weil er die göttlichen noch nicht vertragen konnte, vorher die menschlichen Zeugnisse anbieten müssen, das heißt die der Philosophen und Geschichtsschreiber, damit er hauptsächlich durch die eigenen Leute wi-
Methodologische Aussagen bei Lactanz (7) quod quia ille non fecit raptus eximia eruditione divinarum litterarum, ut iis solis contentus esset quibus fides constat, accessi deo inspirante, ut ego facerem et simul ut viam ceteris ad imitandum pararem.
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derlegt werde. (7) Weil jener das nicht getan hat, hingerissen von seiner überaus großen Studiertheit in den göttlichen Schriften, so daß er allein mit denjenigen zufrieden war, auf denen der Glauben beruht, bin ich unter göttlicher Inspiration darangegangen, es selbst zu tun und gleichzeitig den übrigen den Weg zur Nachahmung zu bereiten.
Die den beiden Gleichnissen unmittelbar vorangehende Kritik an der cyprianischen Vorgehensweise macht unmißverständlich deutlich, daß es auch hier um zwei ihrer Natur nach vollkommen unterschiedliche Elemente geht: Die Zeugnisse der Bibel entsprechen der heilsamen Medizin des Honigbechergleichnisses, die vernünftige Argumentation dem Honig am Rande des Bechers. Im Gegensatz zum Honigbechergleichnis, wo der Honig am Rand des Bechers von der heilsamen Medizin im Becher auch räumlich deutlich unterschieden wird, bringen das Licht- und Säuglingsnahrungsgleichnis eher einen graduellen Unterschied zum Ausdruck. Beide Gleichnisse lehren, daß die Wahrheit nicht unmittelbar84 gelehrt werden darf. Vielmehr muß sie allmählich85 vermittelt werden. Grund ist in beiden Fällen die Schwäche und Unvollkommenheit des Rezipienten. Im Lichtgleichnis vergleicht Lactanz den nichtchristlichen Leser mit jemandem, der vom vollen Licht geblendet zu werden droht. Diese Gefahr ist besonders dann gegeben, wenn man sich längere Zeit im Dunkeln aufgehalten hat und sich die Augen an diese Verhältnisse gewöhnt haben. Das Lichtgleichnis veranschaulicht damit also nicht nur das von Lactanz empfohlene apologetische Vorgehen, sondern auch die Defizienz des Nichtchristen: Dessen drohende Reaktion auf das volle Licht, dem nach lactanzischer Auffassung die Lehren der Bibel entsprechen, illustriert seinen langen Aufenthalt im Dunklen, also im Irrtum der Götterverehrung. Mit seinem Gleichnis entwickelt Lactanz die platonische und neutestamentliche Lichtsymbolik weiter.86 Im Säuglingsnahrungsgleichnis wird diese Defizienz des nichtchristlichen Lesers durch seine Gleichsetzung mit einem unmündigen, lallenden (infans) Säugling gekennzeichnet. Auch hier liegt insofern ein gradueller 84 Inst. 5,4,5: toto lumine obiecto. 85 Inst. 5,4,5: paulatim. 86 Zu dieser Lichtsymbolik vgl. Buchheit 2002a, 114f. mit Verweis auf 2 Kor 4,3-6. Vgl. aber auch etwa das Höhlengleichnis bei Platon (rep. 514a-517c), wo ebenfalls die Notwendigkeit einer allmählichen Gewöhnung an das volle Licht betont wird.
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Unterschied vor, als die Milch, die dem Säugling verabreicht wird, ebenso wie die später erwähnte festere Speise selbst zu den Nahrungsmitteln zählt. Aus heutiger Sicht könnte man versucht sein, in der dem Säugling verabreichten Milch das bessere, gesündere, ergiebigere Nahrungsmittel zu sehen. Aber Lactanz kommt es hier auf etwas ganz anders an. Bei ihm steht die Verträglichkeit der Milch, nicht ihr Nährwert, im Vordergrund. Das folgt nicht nur aus dem Kontext des Gleichnisses, der inzwischen hinreichend umrissen sein dürfte, sondern auch aus den Eigenschaften, mit denen Lactanz die Milch beschreibt (liquor und mollitudo). Beide Eigenschaften haben jedoch auch eine ästhetische Dimension: Milch steht hier offenkundig als Metonymie für schöne Sprache und Sprechweise. Darauf könnte auch der Name hindeuten, den unser Autor selbst als Supernomen trägt: Lactantius paßt daher sehr wohl in besonderem Maße zu einem Rhetoriklehrer. Für das Säuglingsnahrungsgleichnis bleibt festzuhalten, daß die Milch auch für die ansprechende ästhetische Form der lactanzischen Darstellung steht.87 Zu dem Säuglingsnahrungsgleichnis lassen sich potentielle Prätexte sowohl aus dem jüdischen als auch aus dem christlichen Bereich anführen.88 Beide Gleichnisse machen deutlich, daß die nichtchristlichen Zeugnisse nur einen gewissen propädeutischen Dienst leisten89 und den biblischen deutlich untergeordnet werden. Entscheidend ist weiterhin, daß der Grund für die Notwendigkeit dieses Vorgehens nicht etwa in einer – etwa stilistisch zu fassenden – Minderwertigkeit von Altem und Neuem Testament liegt, sondern im Gegenteil in den Defiziten des nichtchristlichen Lesers. Lactanz reagiert hier offensichtlich auf die scharfe literarische Kritik, die Christengegner wie Porphyrios und Hierokles an biblischen Schriften als kruden Lügengeschichten geäußert haben.90 In dem Vergleich des gebildeten nichtchristlichen Lesers mit einem gänzlich Ungebildeten (inst. 5,4,5: rudis) oder Säugling (inst. 5,4,6: infans) drückt sich pointiert der veränderte Wertmaßstab aus.
87 Freilich besteht ein grundsätzlicher Unterschied zu dem Honigbechergleichnis darin, daß der Honig lediglich Lock- und Täuschungsmittel ist (theoretisch genügte es, wenn die Kinder nur die Medizin und nicht den Honig zu sich nähmen), während das Trinken der Milch Voraussetzung dafür ist, festere Nahrung zu sich nehmen zu können (ein Säugling könnte nicht sofort robustere Nahrung zu sich nehmen). 88 Zum jüdischen Bereich vgl. Philo agric. 9. Seine Zuordnung zum »heidnischen« Bereich bei Buchheit 1979a, 164 mit Anm. 16 ist sicherlich nicht unproblematisch. Zum christlichen Bereich vgl. mit Monat 1973, II 61f. 1 Kor 3,1f. und Hebr 5,12. Monat II 61 und Buchheit 1979a, 164 mit Anm. 16 weisen auch auf ein stoisches Fragment hin (SVF III 537) hin, wo offenkundig Nichtphilosophen mit Kindern verglichen werden. 89 Vgl. Heck 1988, 171: »bewußte Maßnahme im Dienst einer beabsichtigten Wirkung«. 90 Vgl. Simmons 1995, 22-32.
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Lactanz nimmt damit als seine Methode in Anspruch, den Anschluß an nichtchristliche Autoritäten nur vordergründig, nämlich im Zuge einer Art praeparatio evangelica – wenn auch dieser Ausdruck bei Lactanz selbst nicht fällt – zu suchen. In diesem Zusammenhang ist es auch zu sehen, daß Lactanz seine Leser mehrmals dazu ermuntert, Sachverhalte und Erklärungen, die er selbst übergehen müsse oder nur andeuten könne, in der Bibel nachzulesen.91 Die vereinnahmende Argumentationsstrategie läßt sich der propädeutischen formalen Methode zuordnen, die ausgrenzende Argumentationsstrategie dagegen dem eigentlichen Inhalt, den Lactanz propagieren will. Bei der Anwendung der vereinnahmenden Argumentationsform handelt es sich demnach um eine vorübergehende Anpassung (Synkatábasis) an die nichtchristliche Umwelt. Die auf der nächsten Seite folgende Tabelle faßt die Kernaussagen der drei methodologischen Gleichnisse noch einmal zusammen. Die Gleichnisse erläutern unterschiedliche Aspekte der von Lactanz propagierten apologetischen Methode: Beim Honigbechergleichnis steht die heilsame Täuschung des Lesers im Mittelpunkt. Implizit erscheint dadurch die christliche Unterweisung weniger als Prozeß als vielmehr als punktuelles Ereignis, das gelungen ist, sobald die Täuschung Erfolg hat, das heißt der Leser zur Aufnahme der christlichen Lehre bereit ist. Dagegen erscheint die christliche Unterweisung im Licht- und Säuglingsnahrungsgleichnis als ein Prozeß, der durch eine allmähliche Steigerung der ›Dosis‹ gekennzeichnet ist. Diese graduelle Steigerung vollzieht sich beim Lichtgleichnis auf quantitativer92 Ebene, beim Säuglingsnahrungsgleichnis auf qualitativer93 Ebene. Die Bereitschaft des Lesers, der dargebotenen Unterweisung Aufmerksamkeit zu schenken, spielt hier im Gegensatz zum Honigbechergleichnis nur implizit eine Rolle.94
91 Vgl. inst. 6,24,31; 7,25,1f.; epit. 65,8. 92 Der ›Stoff‹ (Licht) bleibt gleich, nur die Menge nimmt zu. 93 Nicht die Menge, sondern die Art der Nahrung verändert sich. 94 Eine Überforderung des Lesers durch die apologetischen Äquivalente von zu hellem Licht oder zu fester Nahrung hätte ja wohl negative Auswirkungen auf die Bereitschaft des Lesers, die Lektüre fortzusetzen.
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Übersicht über die drei methodologischen Gleichnisse bei Lactanz für das Wohlergehen des Rezipienten entscheidender Inhalt
für die Rezeption des Lesers entscheidende Form
Sender
Empfänger / Rezipient
Lactanzische Methode der Apologie und Mission
Bibel
Klassikerzitate; vernünftige Argumentation
Christ / Apologet
Honigbechergleichnis
Medizin
Honig
Arzt
unverständiger Patient
Lichtgleichnis
volles Licht
abgeschattetes Licht
—
—
Säuglingsnahrungsgleichnis
feste Nahrung
Milch
Mutter / Amme / Ernährer
Kind
Gebildeter Nichtchrist oder schwankender Christ
2.2.3.2 Weitere methodologische Aussagen Doch auch die nicht gleichnishaften methodologischen Stellen der lactanzischen Schriften sprechen eine deutliche Sprache. Das wird auch im ersten Buch der Divinae institutiones deutlich, wo Lactanz für die Einheit Gottes plädiert und eine Reihe von Testimonien aufzählt, die er für sich geltend macht. Die biblischen Texte (prophetae)95 nennt er dabei zuerst (inst. 1,4). Die eigentliche Argumentation läuft dann aber eben nicht über die biblischen Texte, sondern über gerade die Zeugnisse, auf welche sich die Christengegner stützen: Dichter (inst. 1,5,1-14), Philosophen (inst. 1,5,15-28), hermetische Schriften (inst. 1,6,1-5) und Götterorakel (inst. 1,6,6-1,7). Lactanz begründet sein Vorgehen ausdrücklich: Er wolle auf den Verständnishorizont der am klassischen Bildungskanon orientierten Intellektuellen eingehen, welche er bekehren möchte:
95 Prophetae bezieht sich in erster Linie auf alttestamentliche Texte (vgl. inst. 4,20,4), kann sich aber auch auf neutestamentliche Texte beziehen, wie aus inst. 7,26,8 deutlich wird.
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inst. 1,5,1f.; 1,6,6; 1,6,17: Sed omittamus sane testimonia prophetarum, ne minus idonea probatio videatur esse de his quibus omnino non creditur. (2) veniamus ad auctores et eos ipsos ad veri probationem testes citemus, quibus contra nos uti solent, poetas dico ac philosophos. ex his unum deum probemus necesse est, non quod illi habuerint cognitam veritatem, sed quod veritatis ipsius tanta vis est, ut nemo possit esse tam caecus, quin videat ingerentem se oculis divinam claritatem. [...]
(inst. 1,6,6) superest de responsis sacrisque carminibus testimonia quae sunt multo certiora proferre. nam fortasse ii contra quos agimus nec poetis putent esse credendum tamquam vana fingentibus nec philosophis, quod errare potuerint, quia et ipsi homines fuerint. [...]
(inst. 1,6,17) [...] sed cum defendamus causam veritatis apud eos qui aberrantes a veritate falsis religionibus serviunt, quod genus probationis adversus eos magis adhibere debemus quam ut eos deorum suorum testimoniis revincamus?
Aber wir wollen freilich die Zeugnisse der Propheten beiseite lassen, damit eine Beweisführung anhand von diesen Schriften, denen überhaupt nicht geglaubt wird, nicht unpassend erscheint. (2) Wir wollen zu den Autoren kommen und gerade diejenigen zum Beweis der Wahrheit als Zeugen anführen, welche sie immer gegen uns einsetzen, ich meine die Dichter und die Philosophen. Es ist notwendig, daß wir aus diesen die Einheit Gottes beweisen, nicht weil jene die Wahrheit erkannt hätten, sondern weil der Wahrheit selbst eine so große Kraft innewohnt, daß niemand so blind sein kann, daß er nicht die sich seinen Augen aufdrängende göttliche Klarheit sieht. [...] (inst. 1,6,6) Es bleibt noch übrig, von den Orakeln und heiligen Sprüchen her Zeugnisse, die viel zuverlässiger sind, vorzulegen. Denn vielleicht meinen diejenigen, gegen die wir uns wenden, daß man weder den Dichtern als Erfindern von eitlem Zeug glauben dürfe noch den Philosophen, weil sie sich geirrt haben könnten, da auch sie selbst Menschen gewesen seien. [...] (inst. 1,6,17) Aber da wir die Sache der Wahrheit bei jenen verteidigen, die von der Wahrheit abirren und falschen Religionen dienen, welche Art der Beweisführung sollen wir da eher gegen diese anwenden, als daß wir sie durch die Zeugnisse ihrer eigenen Götter widerlegen?
Lactanz kennzeichnet seine Argumentation über normative Schriften der christenfeindlichen Intelligenzia also eindeutig als Synkatábasis. Gleich im ersten Buch der Divinae institutiones stellt er eine Reihe potentiell normsetzender Instanzen vor und gewichtet sie dabei nach ›tatsächlichem‹ normati-
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vem Wert einerseits und Ansehen bei den gebildeten Christengegnern, also nach rhetorischer Brauchbarkeit, andererseits. Daß Lactanz für diese Aufzählung und Gewichtung deutlich mehr als ein Zehntel des gesamten ersten Buches der Divinae institutiones verwendet, ist sicherlich kein Zufall. Vielmehr erlaubt er uns damit die Vermutung, daß die im ersten Buch dargelegten methodologischen Überlegungen auch für die übrigen Bücher der Divinae institutiones Geltung beanspruchen. Diese Vermutung wird durch die bereits behandelten methodologischen Gleichnisse aus dem fünften Buch der Divinae institutiones, aber auch durch weitere explizite methodologische Überlegungen in anderen Büchern bestätigt.96 Besonders eng sind die Verbindungen der eben zitierten Passage aus dem ersten Buch mit den methodologischen Überlegungen am Beginn des dritten Buches. Auch dort wird die Methode anhand des Verhältnisses zwischen Form und Inhalt reflektiert und ein eigentlich inkonsequentes Verhalten des Lactanz mit Verweis auf eine selbständige Wirkkraft der Wahrheit gerechtfertigt: Das Verhältnis von Form und Inhalt problematisiert Lactanz anhand der Begriffe Beredsamkeit (eloquentia, ~ Form) und Wahrheit (veritas, ~ von Lactanz beanspruchter Inhalt). Dabei werden zwei nicht vollständig kompatible Anschauungen angeführt: Einerseits rechtfertigt Lactanz das Streben nach Beredsamkeit mit der dadurch erzielten Überzeugungskraft und dem Bemühen, die Philosophen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.97 Andererseits betont er die ureigene und geradezu selbsttätige Kraft der Wahrheit.98 In dem letzteren Zusammenhang wird die kunstvolle rhetorische Form sehr kritisch gesehen; Form und Inhalt treten in einen Gegensatz; die Wahrheit werde durch äußeren Redeschmuck verdorben, die Lüge sei dagegen auf ihn angewiesen.99 Diesen zweiten Gedanken nimmt 96 Vgl. inst. 4,5,3; 4,22,1f.; 4,27,15; 7,13,1f.; 7,25,1f. 97 Vgl. inst. 3,1,2: quod quidem duabus ex causis fieri vellem: vel quod magis possent credere homines ornatae veritati, qui etiam mendacio credunt capti orationis ornatu lenocinioque verborum, vel certe ut ipsi philosophi suis armis potissimum, quibus placere sibi et confidere solent, opprimerentur a nobis. Vgl. auch inst. 1,1,10 und dazu Heck 1988, 168, außerdem opif. 20,3. 98 Zu der Metapher von der vis veritatis vgl. Blumenberg 1959, 489f. 496. 99 Zu Form und Inhalt vgl. inst. 3,1,3f. (Stichwörter für Form und Inhalt von mir jeweils durch punktierte oder durchgezogene Unterstreichung hervorgehoben): sed quoniam deus hanc rei voluit esse naturam, ut simplex et nuda veritas esset luculentior, quia satis ornata per se est ideoque ornamentis extrinsecus additis fucata corrumpitur, mendacium vero specie placeret aliena, quia per se corruptum vanescit ac diffluit, nisi ornatu aliunde quaesito circumlitum fuerit ac politum, aequo animo fero ingenium mihi mediocre esse concessum. (4) verum ego non eloquentiae, sed veritatis fiducia suscepi hoc opus maius fortasse quam ut possit meis viribus sustineri: quod tamen, etiamsi ego defecerim, deo cuius hoc munus est adiuvante veritas ipsa complebit. Die Unterordnung der Beredsamkeit unter die Wahrheit wird schon inst. 3,1,1 angedeutet: [...] ut quantum veritas vi sua propria valet, tantum ingenii quoque viribus nixa exereret se aliquando. Vgl. zu inst. 3,1,3 (...vanescit ac diffluit, nisi ornatu aliunde quaesito circumlitum fuerit ac politum) das Honigbechergleichnis in inst. 5,1,14 (circumlinatur modo poculum caeleste melle sapientiae, ut possint ab inprudentibus amara remedia sine offensione potari, dum inliciens prima dulcedo acerbitatem
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Lactanz später in inst. 3,13,12 auf: Dort sieht er seine angeblich mangelnde Eloquenz durch den als causae bonitas charakterisierten Inhalt aufgrund seiner scientia divinitatis kompensiert.100 Doch verweilen wir zunächst am Beginn des dritten Buches: inst. 3,1,10-12: cum enim sit nobis divinis litteris traditum cogitationes philosophorum stultas esse, id ipsum re et argumentis docendum est, ne quis honesto sapientiae nomine inductus aut inanis eloquentiae splendore deceptus humanis malit quam divinis credere.
(11) quae quidem tradita sunt breviter ac nude. nec enim decebat ut cum deus ad hominem loqueretur, argumentis adsereret suas voces, tamquam aliter fides ei non haberetur, sed ut oportuit locutus est tamquam rerum omnium maximus iudex, cuius est non argumentari, sed pronuntiare. (12) verum ipse, ut deus: nos autem cum ad res singulas testimonia divinae vocis habeamus, profecto monstrabimus quanto certioribus argumentis possint vera defendi, cum etiam falsa sic defendantur, ut vera soleant videri.
Denn da es uns durch die göttlichen Schriften überliefert ist, daß die Überlegungen der Philosophen töricht sind, muß man gerade dies durch Augenschein und Argumente lehren, damit niemand sich von dem ehrenvollen Namen der Weisheit verführen oder von dem Glanz eitler Beredsamkeit täuschen läßt und dann lieber menschlichen als göttlichen Lehren/Texten glauben will. (11) Diese (göttlichen) sind nämlich knapp und schmucklos überliefert. Denn es ziemte sich nicht, daß Gott, als er zum Menschen sprach, seine Worte durch Argumente bekräftigte, als ob ihm sonst nicht geglaubt würde, sondern er hat angemessenerweise als größter Richter des Alls gesprochen, der nicht zu argumentieren, sondern zu verkünden pflegt. (12) Indessen: Er selbst sprach, wie es Gott geziemt: wir aber, obwohl wir für die einzelnen Sachverhalte Zeugnisse des göttlichen Wortes haben, werden in der Tat zeigen, mit um wieviel sichereren Argumenten die wahren Behauptungen verteidigt werden können, da doch auch die unwahren Behauptungen in der Weise verteidigt werden, daß sie wahr zu sein scheinen.
saporis asperi sub praetexto suavitatis occultat): In beiden Fällen wird das Anbringen des für die Rezeption entscheidenden, aber von dem – in inst. 3,1,3 ›falschen‹, in inst. 5,1,14 ›richtigen‹ – Inhalt unabhängigen rhetorischen Glanzes mit dem Verb circumlinere ausgedrückt. 100 Inst. 3,13,12: equidem tametsi operam dederim ut quantulamcumque dicendi adsequerer facultatem propter studium docendi, tamen eloquens numquam fui, quippe qui forum ne adtigerim quidem: sed necesse est ipsa me faciat causae bonitas eloquentem, ad quam diserte copioseque defendendam scientia divinitatis et ipsa veritas sufficit.
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Normative Bedeutung haben demnach die tradierten göttlichen Schriften (divinae litterae), also die Bibel (Altes und Neues Testament). Daß die Bibel ihre Inhalte nicht durch Argumentation absichere, stellt Lactanz fest. Diesen Umstand stellt er aber nicht etwa als einen Mangel, sondern insofern als einen Vorzug dar, als er in Anbetracht der Majestät Gottes besonders passend sei.101 Dies kommt in der Antithese argumentari — pronuntiare (inst. 3,1,11) pointiert zum Ausdruck. Der göttlichen Redeweise (pronuntiare) wird die menschliche (argumentari) gegenübergestellt. Die menschliche – und hier eben lactanzische – Argumentation trägt also nichts zur Normativität der von Gott verkündeten göttlichen Lehren bei; das menschliche Argumentieren findet vielmehr auf einer niedrigeren Ebene statt als das göttliche Verkündigen und ist diesem wie ein Mittel seinem Zweck untergeordnet. Vor diesem Hintergrund kann certioribus (inst. 3,1,12) einen höheren Grad von Sicherheit der lactanzischen Argumentation nur gegenüber denjenigen Argumenten bezeichnen, mit denen unwahre Behauptungen verteidigt werden, keinesfalls aber gegenüber den Zeugnissen des göttlichen Wortes. Der Entschluß zur Argumentation ist vielmehr eine methodologische Entscheidung, die auf die leicht verführbare menschliche Schwäche (vgl. inst. 3,1,10) reagiert. Rigoros in der Beurteilung menschlicher Argumente zeigt sich Lactanz auch in inst. 3,27,1, wo er diese (humana) deutlich in ihrem Mangel an »größerer, das heißt göttlicher Autorität« bloßstellt. Es ergibt sich für Lactanz, daß die Philosophen sich zwar in puncto eloquentia auszeichnen, in puncto veritas aber völlig versagen, weil sie die Wahrheit nicht von dem dazu Befähigten gelernt haben.102 In Anbetracht dieser Überlegungen erscheint Lactanzens eigenes Verhalten paradox:103 Wirkt nämlich die Wahrheit an sich und ohne rhetorischen Schmuck, was Lactanz in inst. 3,1,3f. nahelegt, so ist der von Lactanz betriebene rhetorische Aufwand sinnlos. Trägt umgekehrt der rhetorische Schmuck signifikant zur Überzeugungskraft bei, was Lactanz in inst. 3,1,1. 10-12 nahelegt, kann es um die selbsttätige Kraft der Wahrheit nicht so gut bestellt sein, wie Lactanz dies beansprucht. Natürlich lassen sich Form und 101 Gigon 1979, 198 verweist in diesem Zusammenhang auf eine von Seneca abgelehnte Auffassung des Poseidonios (frg. 178 Edelstein – Kidd = Sen. epist. 94,38: ...[sc. lex] velut emissa divinitus vox sit: iubeat, non disputet). 102 Offenkundig ist Christus gemeint, ohne daß dies explizit gesagt wird, vgl. inst. 3,1,14: loqui enim bene potuerunt (sc. philosophi) ut homines eruditi, vere autem loqui nullo modo, quia veritatem non didicerant ab eo qui eius potens esset. Der Singular (eo, qui) ist vielsagend. Vermittlung von Wissen allein durch einen himmlischen Boten wird auch in inst. 3,20,7 impliziert, wo Lactanz angesichts der Fruchtlosigkeit der Philosophie, in der sich die wahren Positionen nicht durchzusetzen vermögen, schreibt: non enim descendit aliquis e caelo qui sententiam de singulorum opinionibus ferat. 103 Vgl. dazu auch Blumenberg 1959, 496f. und Fisher 1982, 365.
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Inhalt nicht so säuberlich trennen, wie die lactanzische Argumentation das nahezulegen scheint. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat vielmehr eine vielfältige Interdependenz betont.104 Gleichwohl ist festzuhalten, mit wieviel Aufwand Lactanz den Vorrang des ›Inhaltes‹ vor der ›Form‹ beansprucht. 2.2.4 Methodologische Aussagen in der Schrift De ira dei Zu Beginn des Epilogs seiner Schrift über den Zorn Gottes erklärt Lactanz (ira 22,2), in Anlehnung an Cicero sein Buch mit göttlichen Zeugnissen schließen zu wollen. Bevor er dann aber die Sibyllinischen Orakel und am Schluß ein Apollo-Orakel anführt, schiebt er eine wichtige methodologische Zwischenbemerkung ein: ira 22,3f.: Prophetae universi divino spiritu repleti nihil aliud quam de gratia dei erga iustos et ira eius adversus inpios loquuntur. quorum testimonia nobis quidem satis sunt, verum his quoniam non credunt isti qui sapientiam capillis et habitu iactant, ratione quoque et argumentis a nobis fuerant refellendi.
(4) sic enim praepostere agitur ut humana divinis tribuant auctoritatem, cum potius humanis divina debuerint. quae nunc sane omittamus, ne et nihil apud istos agamus et in infinitum materia procedat. ea igitur quaeramus testimonia quibus illi possint aut credere aut certe non repugnare.
Die Propheten, die vom göttlichen Geist erfüllt sind, sprechen allesamt über nichts anderes als über die Huld Gottes gegenüber den Gerechten und seinen Zorn gegenüber den Gottlosen. Ihre Zeugnisse reichen uns jedenfalls aus, aber da diese da, welche ihre Weisheit durch Haartracht und Kleidung zur Schau stellen, ihnen kein Vertrauen schenken, war es notwendig gewesen, daß wir sie durch rationale Argumentation widerlegten. (4) Daß die menschlichen Dinge den göttlichen Autorität verleihen, obgleich stattdessen den menschlichen die göttlichen Dinge Autorität verleihen müßten, ist nämlich eine Umkehrung der eigentlichen Prioritäten. Diese (göttlichen) Dinge wollen wir an dieser Stelle freilich beiseite lassen, um zu vermeiden, daß wir einerseits bei denen da nichts ausrichten und andererseits der zu besprechende Stoff sich ins Uferlose ausweitet. Also wollen wir diejenigen Zeugnisse
104 Vgl. u.a. Fontaine 1982, 12-21, der den Begriff der »Ineinandersetzung« (S. 21) vorschlägt.
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Die Bemerkung klingt erst einmal paradox. Die Oracula Sibyllina werden aufgrund ihrer Wirksamkeit angeführt, nicht etwa deswegen, weil sie tatsächlich normative Bedeutung hätten. Lactanz macht vielmehr klar, daß er die Oracula Sibyllina Orakel entgegen seiner Ankündigung in ira 22,2 nicht zu den göttlichen, sondern zu den menschlichen Zeugnissen zählt. Nur die göttlichen Zeugnisse, also hier die biblischen Propheten (prophetae), haben nach lactanzischer Aussage normative Bedeutung. Die Argumentation über menschliche Zeugnisse wie die Sibyllinischen Orakel ist also an sich ein Beispiel für eine verkehrte Argumentation (inst. 22,4: sic enim praepostere agitur). Die göttlichen Zeugnisse sollten die menschlichen stützen und nicht umgekehrt (ira 22,4). Dies gilt aber nicht nur für die folgende Argumentation mit den Sibyllinischen Orakeln, sondern vielmehr auch für das Vorausgehende: Indem Lactanz sich im Hauptteil der Schrift auf rationale Argumentation (ratio und argumenta) stützt, macht er nichts anderes, als göttliche Zeugnisse – sein als christlich-offenbarte Wahrheit aufgefaßtes Argumentationsziel, also den Inhalt der Bibel – durch menschliche Argumentation und Zeugnisse zu erweisen. Dieser Zusammenhang wird auch durch das Wörtchen enim (ira 22,4) hergestellt. Die methodologische Zwischenbemerkung in ira 22,3f. wird in ihrer vollen Bedeutung somit erst dann verstanden, wenn man die dort geschilderte paradoxe Methode auch auf den Hauptteil (ira 3-21) bezieht. Insgesamt ergeben sich damit für die Schrift De ira dei zwei Ebenen der Argumentation: In den ersten beiden Kapiteln und der methodologischen Zwischenbemerkung macht Lactanz die überragende Bedeutung der Offenbarung deutlich. Im Hauptteil (ira 3-21) setzt er auf rationale Argumentation und die Autorität der Philosophen, am Beginn des Epilogs (ira 22f.) auf die Autorität der Sibyllinischen Orakel. Dabei herrscht im Hauptteil eine induktive, in ira 22,5-23,9 im Zusammenhang mit den Oracula Sibyllina eine deduktive Argumentationsstrategie vor.105 Sowohl im Hauptteil als auch in ira 22f. läßt sich Lactanz im Rahmen des rhetorischen Mittels der Synkatábasis/condescensio aus protreptischen Rücksichten auf die Voraussetzungen und Erwartungen seines Publikums ein. Wenn Lactanz sich also im größten Teil seines Traktates auf rationale Argumentation, Philosophen, Dichter, Sibyllinische Orakel und ein Apollon-Orakel – und eben nicht auf die Bibel – beruft, so ist dieses Vorgehen durch methodologische Überle105 Das Apollo-Orakel (ira 23,12) steht auffälligerweise wieder in einem induktiven Argumentationszusammenhang (ira 23,10-14).
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gungen, nicht etwa durch eine aus seiner Sicht eingeschränkte Normativität der Bibel begründet. Das Schlußkapitel (ira 24) hat Appellcharakter. Obgleich die Bibel nicht explizit erwähnt wird, bildet es zusammen mit den ersten beiden Kapiteln den christlichen Rahmen des Traktates. In den diesem Rahmen zuzuordnenden Passagen – man könnte unter Einbeziehung der methodologischen Überlegungen in ira 22,3f. auch von einem Gerüst sprechen – formuliert Lactanz seine Vorstellungen weitgehend direkt und ohne größere rhetorische Verbrämung. Der in dieses Gerüst eingepaßte, größte Teil des Traktates widmet sich der indirekten Vermittlung der lactanzischen Vorstellungen mittels des Umwegs über rationale Argumentation, Philosophen, Dichter und Orakel. Diesen Sachverhalt macht die Tabelle am Schluß dieses Abschnittes deutlich. Der Unterschied zwischen einem Gerüst direkter Normvermittlung einerseits und der indirekt vermittelnden Textmasse andererseits wurde bisher in der Forschung106 übersehen.107 Die Untersuchung der rhetorischen Technik in der Schrift De ira dei zeigt, daß in dem Traktat ›direkt‹ unterweisende Passagen anderen, ›indirekt‹ unterweisenden Passagen gegenüberstehen. Die indirekt vermittelnden Passagen propagieren im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio lactanzische Vorstellungen mittels eines Umwegs über nicht spezifisch christliche Instanzen. Die direkt unterweisenden Passagen geben dem Leser einen Schlüssel für das Verständnis der indirekt unterweisenden Passagen an die Hand. Die Interpretation sollte diese rhetorische Technik berücksichtigen, anstatt die von Lactanz bewußt gewählten und instrumentalisierten Umwege seiner Argumentation mit den eigentlichen Zielen seiner Argumentation zu verwechseln.
106 Vgl. Pichon 1901, 212; Micka 1943, passim. Ingremeau 1982, merkt zwar zutreffend an, daß Lactanz die biblische Vorstellung vom göttlichen Zorn als für pagane Rationalität annehmbar zu vermitteln sucht (S. 24) und der protreptische Charakter des Traktates die Wahrnehmung des Inhaltes erschwere (S. 53). Daß Lactanz selbst in diesem Unternehmen eine descensio erblickt, ist ihr aber nicht deutlich, und so kommt sie zu der Einschätzung, daß es Lactanz vor allem um Politik und Justiz gehe (S. 54-55). Ranchina 1985 kommt am Anfang seines Beitrages auf das Verhältnis von Form und Inhalt nur allgemein und ohne auf de ira einzugehen zu sprechen und behandelt im übrigen das Zusammenfließen verschiedener philosophischer Richtungen in diesem lactanzischen Traktat. Van den Broek 1993, betont, Lactanz habe sich bemüht, seine Bezüge auf den Gott der Bibel neutral erscheinen zu lassen (S. 41). 107 Anders sieht es freilich mit dem von Lactanz ins Auge gefaßten Publikum aus. Seine Strategie geht davon aus, daß sein Publikum die von ihm in den Vordergrund gestellten Instanzen – rationale Argumentation, Philosophie, Dichtung, Orakel – tatsächlich erst einmal für überzeugender hält als die Bibel. Diese Haltung sollte allerdings nicht unreflektiert auf Lactanz selbst projiziert werden.
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Direkt und indirekt unterweisende Passagen in der Schrift De ira dei Kapitel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22,1f. 22,3f. 22,5ff. 23 24
Inhalt VORSTELLUNG DES THEMAS; INSUFFIZIENZ MENSCHLICHER WEISHEIT GEGENÜBER GÖTTLICHER Stufenleiter und Gliederung 1. Möglichkeit: Gott des Zornes, aber nicht der Güte teilhaftig 2. Möglichkeit: Gott weder des Zornes noch der Güte teilhaftig 3. Möglichkeit: Gott der Güte, aber nicht des Zornes teilhaftig 4. Möglichkeit: Gott sowohl des Zornes als auch der Güte teilhaftig Religion und Gotteserkenntnis einziges wirkliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Gott und Mensch Affektlosigkeit Gottes zerstört die Religion Widerlegung der Atheisten Beweis der göttlichen Providenz Widerlegung des Polytheismus religio = sapientia u. iustitia; Gottesfurcht notwendig für menschliche (Ko-)existenz alle guten und üblen Dinge zum Zwecke der Gotteserkenntnis von Gott eingerichtet Mensch für Gott geschaffen, biblisch fundierte Gerechtigkeitskonzeption Erklärung der Gerechtigkeit bei den Menschen durch dualistische Anthropologie Affekte Gottes: ira in malos, miseratio in Unterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem Zorn, Akzeptanz der Todesstrafe Zorn gegen Gleich- oder Höhergestellte zu unterdrücken, gegen Untergebene zu wecken Ungläubige Gerechte können Gott erzürnen, Gnade möglich prä- und postmortale Vergeltung Gottes Man darf nicht im Zorne verharren.
Art der Unterweisung DIREKT UNTERWEISEND
indirekt unterweisend
METHODOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN Herrschaft kann nur auf Furcht beruhen, also auch Gottes Herrschaft APPELL
DIREKT UNTERWEISEND indirekt unterweisend DIREKT UNTERWEISEND
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2.2.5 Argumenta, exempla, testimonia Um sein christliches heilsvermittelndes Wissen zu propagieren, greift Lactanz auf Argumente, Beispiele und Zeugnisse zurück.108 Damit hält er sich an die rhetorische Theorie. Diese unterscheidet zwischen einem genus artificiale probationum und einem genus inartificiale probationum: zwischen »künstlichen« und »kunstlosen« Beweisen:109 Argumente und Beispiele entsprechen den »künstlichen«,110 die Zeugnisse den »kunstlosen« Beweisen.111 Für die Fragestellung dieser Arbeit sind insbesondere die Zeugnisse von Belang; ihnen wird darum besondere Beachtung geschenkt. Unter den argumenta werden wir uns insbesondere mit denjenigen Argumentationsmustern beschäftigen, in deren Mittelpunkt die Begriffe ratio und natura stehen. Indem Lactanz sich auf diese Instanzen – menschlichen Verstand und natürliche Veranlagung und Orientierung des Menschen – beruft, will er den Eindruck unmittelbarer Evidenz für seine Ansichten erwecken. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß Lactanz die Begriffe ratio und natura auch in ganz anderen Zusammenhängen gebraucht.112 Lactanz verwendet Beispiele (exempla) aus einer Fülle von Bereichen. Besonders häufig entnimmt er sie der Geschichte der Ausbreitung des Christentums und der Geschichte der römischen Republik. Als zentrales exemplum dient ihm freilich das Leben und Wirken Jesu Christi.113 Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt jedoch auf von Lactanz beigebrachten Zeugnissen (testimonia). Unser Autor unterscheidet innerhalb der testimonia zwei Gruppen: menschliche Zeugnisse (humana testimonia) und göttliche Zeugnisse (divina testimonia). Zu den menschlichen Zeugnissen gehören etwa die etablierten Dichter und Philosophen sowie Hermes Trismegistos, zu den göttlichen Zeugnissen die Oracula Sibyllina, die Apollo-Orakel sowie die Hystaspes-Orakel (und an einigen Stellen die Bibel).114 108 Explizit verweist Lactanz auf argumenta und testimonia, vgl. etwa inst. 1,7,3: satis ut opinor et argumentis docui et testibus confirmavi...; inst. 5,14,2; 7,13,1f.: declaravi, ut opinor, animam non esse solubilem: superest citare testes, quorum auctoritate argumenta firmentur. (2) neque nunc prophetas in testimonium vocabo, quorum ratio et divinatio in hoc solo posita est, ut ad cultum dei et ad inmortalitatem ab eo accipiendam creari hominem doceant, sed eos potius quibus istos qui respuunt veritatem credere sit necesse; epit. 3,2; 65,6. 109 Vgl. Lausberg 1990, 191 = § 350. 110 Vgl. Lausberg 1990, 194 = § 357. 111 Vgl. Lausberg 1990, 192 = § 354. 112 Vgl. dazu unten die Abschnitte 4.2.4 und 4.2.5. 113 Vgl. dazu weite Teile von inst. 4 und dazu Heim 1996, 371f.; Digeser 2000, 74-76. 114 Vgl. inst. 1,6,1: Nunc ad divina testimonia transeamus... nach Behandlung der Dichter und Philosophen und vor der Behandlung der Oracula Sibyllina und der Apollo-Orakel. Hermes Trismegistos wird zwar auch erst in inst. 1,6,1-5 behandelt, aber eindeutig als einem göttlichen Zeugnis nur ähnlich (und damit als menschliches Zeugnis) gekennzeichnet: inst. 1,6,1: ... sed prius
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Darüber hinaus trifft Lactanz aber eine zusätzliche Unterscheidung, indem er die biblischen Propheten (prophetae) als allein hinreichend und ausschlaggebend von den übrigen Zeugnissen abgrenzt (inst. 1,4). Diese übrigen Zeugnisse führt er nach eigenem Bekunden nur aus Rücksicht auf das mangelhafte Fassungsvermögen seiner in der klassisch-antiken Kultur sozialisierten Leser an. Prinzipiell sind diese außerbiblischen Zeugnisse aber demnach zur Erkenntnis der Wahrheit unnötig. Sie können daher zwar mithelfen, die den Christen offenbarte Wahrheit zu propagieren, besitzen aber, wie sich den methodologischen Passagen bei Lactanz entnehmen läßt, keinerlei eigenständigen normativen Wert. Wie wir bereits sahen, nennt Lactanz etwa im Testimonienkatalog am Anfang der Divinae institutiones (inst. 1,4-7) zunächst die prophetae als normativ ausschlaggebende, aber beim klassisch gebildeten Publikum unglaubwürdige Gewährsleute, und dann eine aufsteigende Reihe von lediglich aus taktischen Gründen herangezogenen Testimonien: Dichter, Philosophen und Hermes Trismegistos als menschliche Zeugnisse und schließlich Oracula Sibyllina und Apollo-Orakel als göttliche Zeugnisse. Es ergibt sich damit eine Stufenleiter, die von den menschlichen Zeugnissen über die göttlichen Zeugnisse empor zu den (biblischen) Propheten führt. Dabei haben die beiden unteren Stufen, menschliche und göttliche Zeugnisse, keine eigenständig normative Bedeutung. Sie sind vielmehr nur Mittel zu dem Zweck, die Wahrheit der Propheten dem klassisch gebildeten Publikum glaubhaft zu machen. Nur die menschlichen und göttlichen Zeugnisse (mit Ausnahme der Bibel) sind also testimonia insofern, als sie für Lactanz bloße Mittel sind, ein über sie hinausweisendes Beweisziel glaubhaft zu machen. Die Lehre der prophetae stellt dagegen das Beweisziel selbst dar; als testes kommen die prophetae aber nur theoretisch in Frage, weil ihnen das von Lactanz anvisierte Publikum keinen Glauben schenkt:115
unum proferam, quod est simile divino et ob nimiam vetustatem et quod is quem nominabo ex hominibus in deos relatus est. Insofern ist die Zuordnung des Hermes Trismegistos unter die lactanzischen divina testimona, wie sie Heck 1988, 173 vornimmt, fragwürdig. Zu den HystaspesOrakeln, die Lactanz erst im siebten Buch der Divinae institutiones anführt, vgl. inst. 7,18,3, wo unser Autor die Hystaspes-Orakel auf dämonische Inspiration zurückführt und insofern mit den Apollo-Orakeln auf eine Stufe stellt, und dazu unten S. 209-212. Zu biblischen Texten als divina testimonia vgl. unten Anm. 115. 115 Vgl. etwa inst. 1,5,1; 7,13,2; 7,25,1f. In inst. 7,1,5 erklärt Lactanz: satis et huic parti faciamus cum testimoniis divinarum litterarum tum etiam probabilibus argumentis, ut aeque clarum sit et futura praesentibus et divina terrenis et perpetua brevibus esse anteponenda, quoniam temporalia sunt praemia vitiorum, sempiterna virtutum. Hier würde die Bibel (die sonst immer mit divinae litterae gemeint ist) ausdrücklich als testimonium aufgefaßt. Allerdings zitiert Lactanz die Bibel zwar mehrmals implizit, nirgends jedoch explizit zur Unterstützung seiner Aussagen. Sollten die divinae litterae hier ausnahmsweise auf außerbiblische Texte bezogen sein? Dafür könnte neque nunc prophetas in testimonium vocabo... (inst. 7,13,2) sprechen.
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Scheinbare Wertigkeit der von Lactanz herangezogenen Textgruppen nach inst. 1,4-7: BEWEISZIEL, eigenständig normativ
Biblische Propheten ApolloOrakel
TESTIMONIA Bewertung innerhalb der außerbiblischen testimonia (gehört zur Synkatábasis)
Oracula Sibyllina Hermes Trismegistos Philosophen Dichter
Die Reihenfolge der testimonia, die Lactanz hier aufstellt, ist nicht absolut, sondern gehört selbst schon zu seiner Strategie der Synkatábasis: Denn je nachdem, wie es sich gerade in seine Argumentation fügt, bevorzugt Lactanz nicht (wie hier) die Philosophen gegenüber den Dichtern, sondern auch die Dichter gegenüber den Philosophen.116 Die Apollo-Orakel ›entlarvt‹ unser Autor gleich im Anschluß an den Testimonienkatalog als Dämonenwerke (inst. 1,7,9). Die Oracula Sibyllina erfreuen sich bei Lactanz von allen außerbiblischen Texten der mit Abstand größten Wertschätzung, obwohl sie den Apollo-Orakeln gemäß dem Testimonienkatalog eigentlich untergeordnet (inst. 1,6,17-1,7,1) sein müßten. Aus all dem wird deutlich, daß Lactanz die Wertigkeit der (außerbiblischen) Testimonien innerhalb des Testimonienkataloges ausschließlich an ihrer Autorität beim nichtchristlichen Leser, nicht aber an ihrem ›tatsächlichen‹ Wert festmacht. Allerdings ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit. Denn erstens zählt Lactanz zuweilen unter die göttlichen Zeugnisse auch die Bibel.117 Damit scheint die kategoriale Unterscheidung, die er sonst zwischen Bibel und (menschlichen oder göttlichen) Zeugnissen macht, implizit aufgehoben zu sein. Zweitens ist der Begriff divina testimonia vor dem Hintergrund der 116 Vgl. inst. 5,5,1; 6,3,9. 117 Vgl. inst. 5,4,6. In epit. 65,6 scheinen sogar die biblischen Texte als divina testimonia von den Oracula Sibyllina und den Apollo-Orakeln abgegrenzt zu werden, in ira 22,2-4 ist diese Abgrenzung eindeutig. Nicht eindeutig ist inst. 2,11,18, wo Lactanz divina testimonia ankündigt und dann zunächst die Oracula Sibyllina zitiert und danach Übereinstimmung mit der Bibel (den sanctae litterae) feststellt. Ebenfalls nicht eindeutig inst. 3,1,12, wo Lactanz testimonia divinae vocis den argumenta gegenüberstellt, und inst. 5,19,10, wo Lactanz den Götterverehrern vorwirft, sie könnten im Gegensatz zu ihm keine divina testimonia anführen (ähnlich inst. 7,7,5 von den Philosophen). Auch in inst. 3,17,34 könnten mit divina testimona lediglich die Oracula Sibyllina und nicht die Bibel gemeint sein. Auch aus inst. 5,14,2 und inst. 6,14,1 geht die Identität der divina testimonia nicht hervor. Nicht unter die divina testimonia rechnet Lactanz die Bibel dagegen in inst. 1,6,1.
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lactanzischen Theologie problematisch oder doch erklärungsbedürftig. Denn eine der Maximen lactanzischer Theologie ist die Propagierung des Monotheismus, der Einheit und Einzigkeit (des Christen-)Gottes. Wenn Lactanz aber nun auch etwa die Apollo-Orakel zu den divina testimonia rechnet,118 so stellt sich die Frage, wie das mit seiner sonstigen Theologie vereinbar ist: Gibt es mit Apollo noch einen weiteren Gott außer dem einen Gott der Christen? Oder ist etwa Apollo mit dem Christengott identisch? Unser Autor selbst läßt keinen Zweifel daran, daß Apollo kein Gott, sondern nur ein Dämon ist – aus lactanzischer Perspektive ein kategorialer Unterschied (inst. 1,7,9). Die Bezeichnung etwa der Apollo-Orakel als testimonia divina sollte daher wohl als Synkatábasis aufgefaßt werden. Lactanz nutzt die in der antiken Rhetorik etablierte Unterscheidung zwischen menschlichen und göttlichen Zeugnissen.119 Um also etwa die Apollo-Orakel in den Augen des Lesers als besonders vertrauenswürdig herauszustellen, bezeichnet sie Lactanz als göttliche Zeugnisse und übernimmt damit absichtlich vorübergehend das rhetorische Schema, obwohl er dessen Grundlagen – hier etwa die Auffassung, daß Apollo ein Gott ist – nicht teilt. Ebenfalls als Synkatábasis läßt es sich auffassen, wenn Lactanz die prophetae zu den testimonia divina zählt: Damit will er gegenüber dem gebildeten Leser den Rang und Wert der Bibel hervorheben, nicht aber etwa eine Gleichrangigkeit zwischen Bibel und Apollo-Orakeln oder anderen als göttliche Zeugnisse bezeichneten Textgruppen anzeigen. Nach dieser Erklärung paßt Lactanz also seine Erklärungsmuster als gewiefter Rhetoriker jeweils seinen aktuellen Zielen an und nimmt dafür einen Widerspruch im System in Kauf.120 Das illustriert die folgende Tabelle :
118 Das geht aus inst. 1,6f. eindeutig hervor. Buchheit 2002a, 114 rechnet zu den divina testimonia nur die Bibel und die Oracula Sibyllina. Durch diese Ausblendung der Apollo-Orakel ›verchristlicht‹ er die Gruppe der divina testimonia, obwohl auch er die Anwesenheit der Oracula Sibyllina in dieser Gruppe als »überraschend« bezeichnen muß. 119 Vgl. etwa Cic. part. 6; top. 76f. 120 Diese Erklärung erscheint wesentlich wahrscheinlicher als die Annahme, Lactanz selbst habe kein klares Konzept von der Wertigkeit der verschiedenen Textgruppen gehabt und daher wahllos sich gegenseitig widersprechende Wertungen vorgenommen.
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Aufteilung der von Lactanz zitierten Textgruppen in menschliche und göttliche Zeugnisse in inst. 1,4-7 Rhetorischformale Einteilung Zuzuordnende Textgruppen Normativinhaltliche Einteilung
menschliche Zeugnisse Dichter Philosophen
Hermes Trismegistos
Zeugnisse
göttliche Zeugnisse Oracula Sibyllina
ApolloOrakel
biblische Propheten (prophetae) biblische Propheten (prophetae)
Lactanz benutzt im Hinblick auf die Bibel verschiedene Ausdrücke:121 Sehr häufig spricht er nur von den prophetae und damit genau genommen nur von einem Teil der Bibel. Für seine Argumentation über den Altersbeweis ist freilich das Alte Testament wesentlich geeigneter als das Neue. Daraus folgt aber keine normative Differenzierung zwischen Altem und Neuem Testament.122 Im fünften Buch der Divinae institutiones sieht sich Lactanz genötigt, die Schriften der Apostel, insbesondere des Petrus und des Paulus, gegen Kritik von paganer Seite zu verteidigen. Im Rahmen dieser Verteidigung (inst. 5,2,17 – 5,3,3) betont er ihre Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit und damit – obwohl er das Wort testis nicht benutzt – auch ihren Wert als Zeugen. Die Bibel, und das heißt sowohl Altes als auch Neues Testament, haben einen besonderen Stellenwert, da sie – um im Bilde des Prozesses zu bleiben – nicht nur ›Entlastungszeugen‹ der Verteidigung darstellen, sondern selbst die ›Angeklagten‹ darstellen, welche Lactanz zu verteidigen sucht. Insofern haben sie als ›Entlastungszeugen‹ beim paganen Publikum wenig Gewicht, am ehesten noch die jüdischen Propheten. Über die normative Sonderstellung der Bibel sollten auch nicht die zahlreichen Stellen hinwegtäuschen, an denen Lactanz eine Übereinstimmung
121 Lactanz gebraucht verschiedene Bezeichnungen wie beispielsweise sacrae litterae, divinae litterae, caelestes litterae, sanctae litterae, testimonia divinae vocis, scripta caelestia, scriptura sancta, scriptura sacra u.a. (vgl. dazu Monat 1982, I 35-40). 122 Vgl. inst. 4,20,4f.: verum scriptura omnis in duo testamenta divisa est. illut quod adventum passionemque Christi antecessit, id est lex et prophetae, vetus dicitur, ea vero quae post resurrectionem eius scripta sunt, novum testamentum nominatur. (5) Iudaei vetere utuntur, nos novo: sed tamen diversa non sunt, quia novum veteris adinpletio est et in utroque idem testator est Christus, qui pro nobis morte suscepta nos heredes regni aeterni facit abdicato et exheredato populo Iudaeorum, sicut Hieremias propheta testatur, cum loquitur talia: und Monat 1982, I 73.
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zwischen der Bibel und den Zeugnissen feststellt:123 Denn neben diesen Beispielen für vereinnahmende Argumentationsform finden wir immer wieder auch ausgrenzend argumentierende Stellen, in denen Lactanz auf die Andersartigkeit und Überlegenheit der Bibel hinweist.124 Darüber hinaus wird die überragende Bedeutung der Bibel auch dadurch deutlich, daß Lactanz verschiedentlich den Leser dazu ermuntert, weitere und genauere Informationen durch eigene Bibellektüre zu erwerben.125 Dadurch erhellt gleichzeitig, daß ein propädeutischer Charakter die Divinae institutiones auszeichnet: Es handelt sich um eine praeparatio evangelica.126 Dieser Sonderstatus der Bibel wird noch deutlicher in der Schrift De ira dei und wohl auch in der Epitome. Dort scheint das Adjektiv divinus nämlich auf die biblischen Schriften beschränkt zu sein:127 Aufteilung der von Lactanz zitierten Textgruppen in menschliche und göttliche Zeugnisse in den späteren Schriften (ira, wohl auch epit.) rhetorisch-formale Einteilung zuzuordnende Textgruppen normativ-inhaltliche Einteilung
göttliche Zeugnisse
menschliche Zeugnisse Dichter Philosophen
Hermes Trismegistos
Zeugnisse
Orakelliteratur (vates)
biblische Propheten (prophetae) biblische Propheten (prophetae)
123 Etwa inst. 7,14,16; 7,18,1; 7,19,9; 7,24,9; epit. 29,1 (Übereinstimmung mit Philosophen); epit. 31,6 (Übereinstimmung von philosophi omnes – publica persuasio – responsa vatum – carmina Sibyllina (– ipsae divinae voces prophetarum); epit. 40,3; 65,6; 66,1; 68,1. 124 Vgl. etwa inst. 6,8,10-12; 7,22,1f. (Dichter). 125 Vgl. inst. 6,24,31; 7,25,1f.; epit. 65,8. 126 Vgl. dazu auch oben S. 65-68. 127 Vgl. ira 22,2-4 (oben im Abschnitt 2.2.4 zitiert und ausführlich kommentiert); epit. 65,6: sed quid argumentis colligimus aeternas esse animas, cum habeamus testimonia divina? id enim sacrae litterae ac voces prophetarum docent. quod si cui parum videtur, legat carmina Sibyllarum, Apollinis quoque Milesii responsa consideret... Die Orakel der Sibyllen und des Apollo erscheinen durch die Formulierung quod si cui parum videtur von den mit den biblischen Schriften gleichgesetzten testimonia divina abgesetzt. Gegen die Möglichkeit, in dem quod si lediglich eine Abgrenzung innerhalb der testimonia divina zu sehen, spricht epit. 31,6: quem refellunt non modo philosophi omnes et publica persuasio, verum etiam responsa vatum, carmina Sibyllarum, ipsae denique divinae voces prophetarum. Die von mir unterstrichenen Konjunktionen non modo, verum etiam und denique machen eine Dreiteilung deutlich, in der die Stimmen der Propheten als göttlich gekennzeichnet von der Orakelliteratur (responsa vatum, carmina Sibyllina) abgesetzt werden. Die bisher unter die divina testimonia gerechnete Orakelliteratur faßt Lactanz dagegen jetzt (epit. 3,2) unter dem Begriff vates, eine Entwicklung, die sich bereits am Ende der Divinae institutiones abzeichnet, vgl. inst. 7,14,17; 7,23,5.
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Wie steht es aber nun mit den anderen lactanzischen Schriften? In der kryptochristlichen Schrift De opificio dei bekennt sich Lactanz zu dem Unternehmen, die Philosophen unter anderem auch mit ihren eigenen Waffen schlagen zu wollen. Dabei verzichtet er allerdings angesichts des kryptochristlichen Charakters dieses Werkes darauf, auf die Bibel zu verweisen.128 In dem nach Ende der Christenverfolgung verfaßten, polemisch christlichen Essay De mortibus persecutorum fehlen solche explizit methodologischen Aussagen. 2.2.6 Explizite Umdeutung/Chrêsis Die methodologischen Passagen bei Lactanz beleuchten also die Methode der Synkatábasis auf vielfältige Weise. Zur expliziten Umdeutung äußert sich unser Autor dagegen wesentlich zurückhaltender. Ein klares Beispiel für das Programm der Chrêsis finden wir etwa in seinen Ausführungen über den bestrickenden Reiz von Gesang und Poesie (inst. 6,21,4-11): Lactanz ist sich dort durchaus der damit verbundenen Gefahren bewußt, verurteilt Gesang und Poesie aber nicht pauschal: Vielmehr seien beide – und implizit auch die sinnliche Freude daran – dem Menschen angeboren – freilich zu einem bestimmten Zweck, nämlich der Unterweisung in der Lehre von Gott. Diakritisch habe man nun zu fragen, ob Gesang und Poesie je ihrem vorgegebenen Ziel gerecht werden oder aber ›zweckentfremdet‹, das heißt, außerhalb des christlichen Rahmens, eingesetzt werden. Hier werden Gesang und Poesie also als gottgegebene Güter konstruiert, die in außerchristlichem Zusammenhang stets zweckentfremdet und mißbraucht werden und erst durch christliche Nutzung ihrer ursprünglichen, gottgewollten Bestimmung gerecht werden. Außerdem lohnt es, diejenigen Stellen zu untersuchen, an denen Lactanz seine Aufgabe beschreibt: Diese erkennt Lactanz in der Verkündung und Erklärung der christlichen Lehre, die aus seiner Sicht mit der Wahrheit identisch ist. Als Christ fühlt er sich dazu nicht nur in besonderer Weise befähigt,129 sondern auch verpflichtet.130 Mit diesem Bewußtsein besonderer 128 Opif. 20,1-3, besonders 2f.: statui enim quam multa potero litteris tradere quae ad beatae vitae statum spectent, et quidem contra philosophos, quoniam sunt ad turbandam veritatem perniciosi et graves. (3) incredibilis enim vis eloquentiae et argumentandi disserendique subtilitas quemvis facile deceperit: quos partim nostris armis, partim vero ex ipsorum inter se concertatione sumptis revincemus, ut appareat eos induxisse potius errorem quam sustulisse. Diese Praxis, Argumente der Gegner gegen diese selbst zu wenden, war ein typisches Verfahren der skeptischen Akademie, vgl. Long: Historisches Wörterbuch der Philosophie 9 (1995), 945 s.v. Skepsis, Skeptizismus I. Antike. 129 Inst. 2,3,25; 6,8,10-12; inst. 7,7,4: quodsi extitisset aliquis qui veritatem sparsam per singulos per sectasque diffusam colligeret in unum ac redigeret in corpus, is profecto non dissentiret
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Befähigung ist eine der Voraussetzungen für die explizite Umdeutung gegeben. Denn Lactanz nimmt hier für sich eindeutig eine höhere Deutungskompetenz in Anspruch. Das Bewußtsein besonderer Befähigung und Verpflichtung kennzeichnet außerdem auch die frühchristliche Konzeption der Chrêsis.131 Darüber hinaus finden wir den Gedanken der Vervollkommnung außerchristlicher Elemente (epit. 62,8). Diese Elemente können aus christlicher Sicht eben aufgrund ihrer Verbindung mit nichtchristlicher Kultur und Religion als »verändert, entstellt, ihrer natürlichen und gottgewollten Bestimmung entzogen«132 und insofern unvollkommen, der Vervollkommnung bedürftig aufgefaßt werden. Die vielfältige Kritik des Lactanz insbesondere an Philosophen und Dichtern, die Wahrheit nur unvollkommen erfaßt und propagiert zu haben,133 impliziert, daß Lactanz diese Vervollkommnung leisten will. Mit der Unvollkommenheit nichtchristlicher Kulturelemente und dem Programm einer Vervollkommnung dieser Kulturelemente, zu der allein der Christ befähigt und verpflichtet ist – und zwar durch die göttliche Offenbarung, die gleichzeitig auch Ziel und Maßstab dieser Vervollkommnung darstellt, können wir die Grundstrukturen der Chrêsis als eines Sonderfalles der expliziten Umdeutung auch in den theoretisch-reflektierenden Aussagen des Lactanz wenigstens ansatzweise ausmachen. Wesentlich deutlicher wird diese Technik aber bei Lactanz erst in der konkreten Auseinandersetzung
a nobis. sed hoc nemo facere nisi veri peritus ac sciens potest, verum autem scire non nisi eius est qui sit doctus a deo; epit. 62,8f. Hinzuzufügen wäre ein Großteil der Stellen, die wir oben in den Abschnitten 2.2.2.1 und 2.2.2.2 angeführt haben. 130 Inst. 2,3,25: quod quia vires humanae condicionis excedit, eius officii facultas nobis attributa est, quibus tradidit deus scientiam veritatis. cui explicandae quattuor posteriores libri servient; inst. 6,8,10-12: quis sacramentum dei sciens tam significanter enarrare legem dei posset quam illam homo longe a veritatis notitia remotus expressit? ego vero eos qui vera imprudentes loquuntur sic habendos puto, tamquam divinent spiritu aliquo instincti. (11) quodsi ut legis sanctae vim rationemque pervidit, ita illut quoque scisset aut explicasset, in quibus praeceptis lex ipsa consisteret, non philosophi functus fuisset officio, sed prophetae. (12) quod quia facere ille non poterat, nobis faciendum est, quibus ipsa lex tradita est ab illo uno magistro et imperatore omnium deo; inst. 7,3,14: ... nostrum hoc officium est, sacramentum mundi et hominis exponere, cuius illi expertes sacrarium veritatis nec attingere nec videre potuerunt; epit. 62,8f.: alii vero ex adverso et deum esse unum et ab eo mundum factum et hominum causa factum et animas esse immortales existimaverunt. sed cum vera sentirent, huius tamen divini operis atque consilii nec causas nec rationes nec exitus perspexerunt, ut omne veritatis arcanum consummarent atque aliquo veluti fine concluderent. (9) sed quod illi facere non potuerunt, quia veritatem perpetuo non tenebant, nobis faciendum est, qui eam cognovimus deo adnuntiante. 131 Chrêsis ist ein diakritischer Prozeß, dessen Maßstab die christliche Offenbarung ist, vgl. Gnilka 1984, passim; 1993, passim. 132 Gnilka 1984, 44. 133 Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.2.4.
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mit außerchristlichen Texten – so tritt etwa bei der lactanzischen Behandlung der Apollo-Orakel das diakritische Moment stark hervor.134 2.2.7 Schluß Die methodologischen Aussagen des Lactanz reflektieren in vielfältiger Weise die Technik der vereinnahmenden Argumentationsstrategie. Auf die Technik der expliziten Umdeutung in ihrer frühchristlichen Form, der Chrêsis, deuten sie wenigstens ansatzweise hin. Dabei sind die methodologischen Passagen selbst schon Teile und Beispiele der Prozesse, die sie beschreiben. Dies zeigte sich unter anderem am Honigbechergleichnis, aber auch bei der Untersuchung der ›göttlichen Zeugnisse‹: Lactanz versteht darunter an verschiedenen Stellen seines Werkes verschiedene Textgruppen. Bestehen die ›göttlichen Zeugnisse‹ anfangs vor allem aus nichtchristlichen Texten, so engt Lactanz diesen Begriff mehr und mehr auf die Bibel ein – ein Prozeß, der in der Schrift De ira dei mit der sich abzeichnenden Beschränkung des Adjektivs divinus auf die Bibel seinen Höhepunkt findet. Die Auffassung außerchristlicher Offenbarungsliteratur als ›göttliche Zeugnisse‹ ist auch vom Standpunkt des Christianisierungs-Paradigmas gut erklärbar – nämlich als Teil einer vereinnahmenden Argumentationsstruktur. Nun haben sich große Teile der Forschung freilich von den methodologischen Aussagen des Lactanz nicht soweit beeindrucken lassen, daß sie das Paradigma der Synthese kritisch hinterfragt hätten: Ja gerade diese Passagen sind sogar als Mittel interpretiert worden, mit denen Lactanz seine Loyalität gegenüber den von ihm so geschätzten antiken Bildungsgütern kaschiert habe.135 Wir wollen deshalb in den nächsten Kapiteln (3.1–3.7) die theoretische Ebene der methodologischen Aussagen verlassen und uns der Fragestellung zuwenden, wie Lactanz konkret mit den potentiellen außerchristlichen Quellen der Normativität umgeht. Widerspricht die Art und Weise, wie sich Lactanz praktisch mit den außerbiblischen Textgruppen auseinandersetzt, seinen methodologischen Aussagen, oder finden wir unsere in diesem Kapitel erhärtete These einer Christianisierung, das heißt einer absichtsvollen Instrumentalisierung außerbiblischer Schriften, bestätigt?
134 Vgl. insbesondere inst. 4,13,11-17 und dazu den Abschnitt 3.6.3.3. 135 Leadbetter 1998, 250.
3. Zum Stellenwert paganer Texte
3.1 Zum Stellenwert der Historiographie In den beiden voraufgehenden Kapiteln haben wir einige theoretische Grundlagen des lactanzischen Verhältnisses zu paganen Texten und Wertvorstellungen untersucht. Die von uns zugrundegelegten hermeneutischen Schlüsselbegriffe fanden wir dabei in den methodologischen Aussagen des Lactanz bestätigt – wenn auch durchaus nicht alle in derselben Eindeutigkeit und Explizität. In den folgenden Kapiteln wollen wir nun überprüfen, welche Stellung die einzelnen Textgruppen bei Lactanz einnehmen. Erhebt unser Autor nur theoretisch den Anspruch auf Christianisierung der paganen Texte und Wertvorstellungen, oder wird er diesem Anspruch in seinem praktischen Umgang mit den Texten auch tatsächlich gerecht? Dabei sollen auch die Strategien der vorübergehenden Anpassung (Synkatábasis/condescensio) sowie der impliziten und expliziten Umdeutung an weiteren konkreten Beispielen aufgezeigt werden. Während in diesem Kapitel (3.) im wesentlichen die Texte beziehungsweise die einzelnen Textgruppen im Vordergrund stehen, hat das folgende Kapitel (4.) einen thematischen Focus: Dort geht es um die vielfach miteinander verbundenen Werte und Normen, die die sozialen, politischen, philosophischen und religiösen Diskurse der Spätantike durchdringen und so ein Wertegeflecht1 bilden, das – nicht nur, aber gerade auch im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Antike und Christentum – immer wieder neu bewertet und neu zusammengestellt worden ist. In den jetzt folgenden Kapiteln (3.1–3.7) liegt der Schwerpunkt jedoch auf den Textgruppen, die Lactanz als Zeugnisse für seine Argumentation heranzieht. Hier unterscheidet Lactanz menschliche und göttliche Zeugnisse, wie wir bereits im letzten Kapitel sahen. Dabei entsprechen die göttlichen Zeugnisse weitgehend den Texten mit Offenbarungsanspruch.2 Die Reihenfolge, in der die Testimoniengattungen in diesem Kapitel abgehandelt werden, entspricht ungefähr der Abfolge im Testimonienkatalog des ersten Buches der Divinae institutiones (inst. 1,4,1–1,7,3). Dort fehlen freilich die beiden in dieser Abteilung behandelten Zeugnisgruppen der Histo1 Zu diesem Begriff vgl. Gärtner 2000, 101, A. 2; 2001, 223, A. 3. 2 Ausnahmen stellen die Hermetica und die Orphischen Hymnen dar. Zu den Hermetica vgl. unten das Kapitel 3.4, zu den Orphica vgl. unten S. 126 mit Anm. 144.
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riographie und der Hystaspes-Orakel. Da Lactanz in diesem Katalog offenbar von den normativ unerheblicheren zu den normativ bedeutsameren Zeugnisgruppen fortschreitet, könnte die Wahrscheinlichkeit, daß eine Textgruppe tatsächlich für Lactanz eigenständig normsetzende Bedeutung hat, von Zeugnisgruppe zu Zeugnisgruppe zunehmen. Ob und wie sich diese Annahme auch in den Ergebnissen unserer Untersuchungen niederschlägt, werden die kommenden Seiten erweisen. Neben Poesie, Philosophie und Hermetica zieht Lactanz auch andere »menschliche Zeugnisse« (humana testimonia) heran, die er in seinem Zeugniskatalog inst. 1,4,1-1,7,3 nicht erwähnt. Dabei können wir Stellen wie etwa inst. 5,7,7 angesichts unserer Fragestellung auf sich beruhen lassen. Lactanz beruft sich dort – möglicherweise zu Unrecht3 – auf Quintilian, um seine Auffassung zu untermauern, die Seltenheit der Tugend mache diese erst wertvoll. Wohl kaum jemand käme auf die Idee, aus diesem Zitat auf eine normative Überlegenheit Quintilians zu schließen.4 Interessanter ist da schon das Verhältnis des Lactanz zur römischen Historiographie5 und ihren Wertungen. Lactanz vergleicht altrömische Helden mit christlichen Märtyrern, um letztere zu preisen (inst. 5,13,13-15). Entscheidend ist nun aber, daß die altrömischen Helden nach lactanzischer Auffassung von den christlichen Märtyrern weit übertroffen werden.6 Unser Autor setzt die Kenntnis der Geschichtsschreiber bei seinem Publikum voraus; doch in der Bewertung altrömischer Tugenden weicht Lactanz von seinen historiographischen Prätexten signifikant ab: Verglichen mit denen der Märtyrer erscheinen die Leistungen der Heroen der römischen Vorzeit nicht nur gering, sondern auch moralisch zweifelhaft: Was in den Darstellungen aus der römischen Geschichte als furchtlose Taten des Regulus und des Mucius Scaevola gerühmt wird,7 stellt Lactanz als bloßen Eigennutz dar.8 Ihre Vorbildfunktion haben die alt3 Vgl. Winger 1999, 140 A. 913; Schneider 2003, 64f. 4 Allgemein zu Quintilian bei Lactanz vgl. Pichon 1901, 232f.; Schneider 2003, 63-68. 5 Allgemein zur Historiographie bei Lactanz vgl. Pichon 1901, 227-232. 6 Den Vorrang der Märtyrer betont später auch Augustinus (civ. 5,12–5,16 p. 211,7 – 221,24). 7 Vgl. Monat 1973, II 117f. mit reichen Literaturangaben. 8 Vgl. inst. 5,13,13: eant Romani et Mucio glorientur aut Regulo, quorum alter necandum se hostibus tradidit, quod captivum puduit vivere, alter ab hostibus deprehensus cum videret mortem se vitare non posse, manum foco iniecit, ut pro facinore suo satisfaceret hosti quem voluit occidere, eaque poena veniam quam non meruerat accepit. Minucius Felix 37,3-6 kritisiert nur Scaevola (37,3: qui [...] perisset in hostibus, nisi dexteram perdidisset), und auch nicht so harsch wie Lactanz; aber auch bei Minucius Felix übertreffen die Christen die altrömischen Helden. Das Ehrgefühl, das Regulus dazu treibt, sich den Karthagern zur Hinrichtung auszuliefern, wird bei Lactanz marginalisiert. Vielmehr unterstellt er Regulus, er habe sich geschämt, sei sich sozusagen zu gut gewesen, als Gefangener zu leben, und habe sich dadurch selbst erst in die prekäre Situation gebracht, in der er nur zwischen Hinrichtung und einem Leben als Wortbrüchiger wählen konnte.
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römischen Helden bei Lactanz eingebüßt – an ihre Stelle sind die Märtyrer getreten, und zwar nicht ergänzend, sondern ersetzend.9 Hier wird ein grundsätzlicher Unterschied zu der Art und Weise deutlich, wie dieses historische Exempel schon in vorlactanzischer Zeit im philosophischen Diskurs benutzt wurde.10 Der lactanzische Rekurs auf römische Geschichtsschreibung kann also nicht etwa als Indiz für eine die christliche Intentionalität relativierende Romanitas des Lactanz geltend gemacht werden. Im dritten Buch findet sich tatsächlich eine Stelle, an der Lactanz den Helden der Vorzeit und ihren Taten eine besondere Weihe zu verleihen scheint: Er erklärt nämlich dort, daß all die todesverachtenden Heldentaten nur dadurch erklärbar seien, daß die betreffenden Helden eine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode vor Augen gehabt hätten. Dabei merkt Lactanz zwar ausdrücklich an, die Helden hätten lediglich an ein Weiterleben im ehrenden Gedächtnis ihrer Mitbürger gedacht, aber er übt keine explizite Kritik.11 Vielmehr nutzt er die Berichte von diesen Heldentaten für seine Zwecke, indem er sie in einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie heranzieht. Aus anderen Passagen, in denen Lactanz etwa die altrömischen Helden – wie oben gesehen – diskreditiert (inst. 5,13,13) oder den Glauben an ein jenseitiges Leben nach dem Tode als spezifisch christlich darstellt (inst. 5,18,4), wird freilich deutlich, daß die lactanzische Behandlung der todesmutigen Helden im dritten Buch als Synkatábasis aufzufassen ist. Doch auch in anderen Zusammenhängen beruft sich Lactanz auf die antike Geschichtsschreibung. Insbesondere im ersten Buch der Institutionen rekurriert unser Autor auf historische Schriften,12 um seine euhemeristische Bezüglich Scaevola erweckt Lactanz den Anschein, als liege seiner Tat nicht Heldenmut zugrunde, sondern die Berechnung, der wohlverdienten Strafe durch eine Showeinlage zu entkommen. Zu der Angewohnheit des Lactanz zu psychologisieren, um seine häufig tendenziöse Interpretation von Verhaltensweisen oder Lehren bestimmter Personen zu rechtfertigen, vgl. Goulon 2003, 21f. 9 Inglebert 1996, 129f. stellt die Wertschätzung der altrömischen Helden bei Lactanz hier zu stark heraus. Gerade in inst. 5,13,13 dienen Mucius Scaevola und Regulus vielmehr als negative Kontrastfiguren. 10 Vgl. Sen. dial. 1,3,4f.; Sen. benef. 4,27,2; 7,15,2. Heim 1996, 374 sieht sowohl eine »imitation des héros romains« als auch eine »nouveauté chrétienne«. Er verweist zu Recht darauf, daß – nach lactanzischer Auffassung – die Märtyrer einen ganz anders gearteten Lohn erhalten als die altrömischen Helden, nämlich postmortale Unsterblichkeit statt diesseitigen Ruhm. 11 Inst. 3,12,22: denique nemo umquam extitisset qui hanc ipsam brevem [sc. vitam] contemneret aut subiret nisi spe vitae longioris. nam illi qui pro salute civium voluntariae se neci optulerunt, sicut Thebis Menoeceus, Athenis Codrus, Romae Curtius et Mures duo, numquam mortem vitae commodis praetulissent, nisi se inmortalitatem opinione civium consequi putavissent. qui tamenetsi nescierunt inmortalitatis viam, res eos tamen non fefellit. 12 Inst. 1,11,33f.: veteres historiae (gemeint sind Euhemeros und Ennius, wobei freilich in jüngster Zeit bestritten wird, daß Lactanz direkte Kenntnis der ennianischen Euhemeros-Übersetzung hatte, vgl. Winiarczyk 2002, 130. 133. 135); inst. 1,11,47: antiquarum rerum scriptores; inst. 1,13,8: omnes ergo non tantum poetae, sed historiarum quoque ac rerum antiquarum scriptores hominem fuisse (sc. Saturnum) consentiunt [...] Graeci Diodorus et Thallus, Latini Nepos et
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Göttererklärung glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang führt Lactanz auch epigraphische13 und numismatische14 Zeugnisse an. Besondere Vorlieben unter den Historikern sind kaum zu erkennen; im folgenden nehme ich nur ein paar Stellen, die sich auf Sallust, Livius und Tacitus beziehen, in den Blick.15 Neben Varro16 spielt Lactanz am häufigsten auf Sallust an, den er auch zwei Mal namentlich und einmal als historicus erwähnt. Nur an einer dieser drei Stellen verwendet Lactanz den Historiker in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang, aber selbst dort versäumt er es nicht, den Lebenswandel des Sallust zu tadeln.17 Damit nimmt er in Kauf, daß Sallust auch seinem Leser als nur bedingt vertrauenswürdig erscheint. An den beiden anderen Stellen finden wir ausschließlich Kritik.18 Demnach hat Lactanz durchaus eine kritische Distanz gegenüber Sallust bewahrt. Darüber können auch diejenigen Stellen nicht hinwegtäuschen, an denen Lactanz Reminiszenzen an Sallust bietet, um allgemeine moralische Lehren oder historische ›Fakten‹ zu belegen.19 Besonders markant ist die lactanzische Neuinterpretation an drei Stellen: Bei Lactanz bezeichnen dolus und astutiae Satan und nicht mehr wie bei Sallust (Catil. 26,2) Catilina.20 Aus dem moralischen Vorwurf des Sallust (Catil. 20,11) an die Reichen, ihre Villen ins Meer hineinzubauen, wird bei LacCassius et Varro. Eine Untersuchung einschlägiger Stellen aus Augustins de civitate dei legt nahe, daß Lactanz die bereits bei Tertullian (apol. 10,7; nat. 2,12,26) und Minucius Felix (23,9) vorgefundene Liste zu Unrecht um Varro erweitert hat, vgl. Wifstrand Schiebe 1994, passim. Winiarczyk 2001, 50 verweist auf die – auch schon von Wifstrand Schiebe 1994, 168 ins Auge gefaßte – Möglichkeit, daß Varro den Euhemerismus immerhin gekannt hat. Neben der Historiographie beruft sich Lactanz auch auf pontificum scripta (inst. 1,21,44). 13 So soll Euhemeros sich u.a. auf uralte Tempelinschriften gestützt haben, vgl. inst. 1,11,33. 14 Inst. 1,13,7: nummi veteres. 15 Daneben verzeichnet bereits die Ausgabe von Brandt 1890-1897 weitere Bezüge auf beziehungsweise Erwähnungen von u.a. Nikanor, Cornelius Nepos, Diodor, Valerius Maximus und Florus. 16 Vgl. dazu Pichon 1901, 231f.; Wifstrand Schiebe 1994, passim. 17 Inst. 2,12,12-14: quod quidem non fugit hominem nequam Sallustium, qui ait: ›sed nostra omnis vis in animo et corpore sita est: (13) animi imperio, corporis servitio magis utimur.‹ recte, si ita vixisset ut locutus est. (14) servivit enim foedissime voluptatibus suamque ipse sententiam vitae pravitate dissolvit..., vgl. inst. 6,1,7 und Sall. Catil. 1,2. Die kritische Grundhaltung des Lactanz gegenüber Sallust wird bei Pichon 1901, 230f. übersehen. Kritisch zu Sallust äußert sich auch Cass. Dio 43,9,2f. 18 Inst. 1,21,41f.; 3,29,8. 19 Allgemeine moralische Lehren: inst. 2,1,14-19 – Sall. Catil. 1,1 (Menschen sollen sich von Tieren unterscheiden); inst. 2,12,12f.; 6,1,7 – Sall. Catil. 1,2 (Geist soll über Körper herrschen); inst. 6,1,8 – Sall. Catil. 12,2 (verderblicher Einfluß des Reichtums); inst. 4,16,3 – Sall. Iug. 1,3 (wahre Tugend ist über Einflußmöglichkeiten des Schicksals erhaben); historische ›Fakten‹: inst. 7,15,15 – Sall. Catil. 10 (römischer Sittenverfall nach dem Untergang Karthagos, vgl. dazu auch Adamik 2000, 7f.). 20 Opif. 19,8 additam. 5; inst. 3,29,15. In opif. 19,8 additam. 5 ist allerdings astutiis von Brandt an Stelle des überlieferten studiis konjiziert, in inst. 3,29,15 steht dolis et astu.
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tanz (inst. 7,3,9) ein theologisches, gegen kosmotheistische Vorstellungen gerichtetes Argument. Während bei Sallust das Recht des Stärkeren offenkundig durch den Wegfall außenpolitischer Feinde Roms um sich greift, ist das Recht des Stärkeren bei Lactanz Folge der beginnenden Götterverehrung – eine deutliche Verschiebung von der politischen zur religiösen Dimension.21 Auf Livius beruft sich Lactanz im ersten Buch, um seine Polemik gegen den Götterkult zu stützen. Dabei geht es ihm darum, zum einen die Göttin Larentina als Prostituierte darzustellen22 und zum anderen die Einführung religiöser Bräuche in Rom als billigen Trick, um Ruhe und Ordnung durchzusetzen, zu präsentieren.23 Eine weitere Reminiszenz trägt dazu bei, den lactanzischen Text ›livianischer‹ und damit aus der Sicht des klassisch gebildeten Lesers vertrauenswürdiger erscheinen zu lassen.24 Im ersten Buch der Divinae institutiones bemüht sich Lactanz um eine euhemeristische Erklärung der nichtchristlichen Götter und beruft sich dabei unter anderem auf Vergil, der Juppiter bei dem Unterweltsfluß, der Styx, schwören läßt. Daraus folgert unser Autor, die Götter seien sich ihrer Sterblichkeit bewußt und stellt eine rhetorische Frage, in der Samuel Brandt eine Reminiszenz an Tacitus erblickt:25 In der Tacitusstelle wird der Kult der germanischen Göttin Nerthus beschrieben. Deren Bild bekommen nur Sklaven zu Gesicht, die gleich darauf geopfert werden. Sollte der Leser die Anspielung als solche bemerken, so liegen einige Assoziationen nahe, die durchaus in lactanzischem Interesse liegen: Die Assoziation barbarischer Menschenopfer diskreditiert – wie auch in anderen Lactanzpassagen – die Götter, den ihnen erwiesenen Kult und ihre Verehrer. Der historiographische und ethnographische Diskurs über Menschenopfer grenzt hier nicht mehr die Griechen beziehungsweise Römer als wahre, zivilisierte Menschen von den barbarischen Unmenschen ab, sondern die zivilisierten Christen von den unmenschlichen Heiden.26 Die Assoziation der Hilflosigkeit 21 Epit. 54,7 – Sall. hist. frg. 1,18. Dadurch, daß die moralische Depravation bei Lactanz so viel früher eintritt, wird implizit der moralische Wert der römischen Frühzeit geleugnet. Der Zusammenhang, in den das Sallustfragment gehört, ist nicht klar. Wahrscheinlich geht es um die Zunahme innenpolitischer Gewalt in der römischen Republik nach dem Fall Karthagos (vgl. die Einordnung in der Ausgabe von Maurenbrecher 1891). 22 Inst. 1,20,2, vgl. dazu Liv. 1,4,7. 23 Inst. 1,22,1-4, vgl. dazu Liv. 1,19,4f.; 1,20; 1,21,3. 24 Inst. 2,6,13f. zu Liv. 1,8,4-7. 25 Inst. 1,11,12: quid metuant (gemeint sind die nichtchristlichen Götter) eam (sc. mortem), quam visuri non sunt nisi quos mori necesse est? und Tac. Germ. 40,4: ... arcanus hinc terror sanctaque ignorantia, quid sit illud quod tantum perituri vident. 26 Vgl. Rives 1995, 76 verweist auf die lactanzische Anprangerung von Menschenopfern durch Götterverehrer im ersten Buch der Divinae institutiones und fährt fort: »The manipulation of the motif of human sacrifice thus played an important role in the Christian construction of the category of ›pagan‹. Although the use of the actual word ›pagan‹ in its modern sense did not
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der Sklaven vor ihrem gewaltsamen Tod bringt die Sterblichkeit und Ohnmacht der nichtchristlichen ›Götter‹ drastisch zum Ausdruck. Und die sancta ignorantia aus dem Tacitustext kontrastiert einerseits damit, daß die Götter nach lactanzischer Auffassung sehr wohl wissen, daß sie sterben müssen, und entspricht andererseits gerade mit ihrem makabren Unterton dem, was Lactanz den Götterverehrern unterstellt: eine verhängnisvolle Unkenntnis in Sachen Religion. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Lactanz zwar auf die – vor allem römische – Historiographie und deren Stoffe und exempla zurückgreift, um seinen eigenen Standpunkt zu verdeutlichen. Insgesamt erwähnt er die Historiographen aber nur verhältnismäßig selten. Als Testimoniengruppe gewinnen sie kaum Profil. Die Helden der Geschichtsschreiber werden dagegen denunziert und in ihrer Vorbildfunktion durch die christlichen Märtyrer ersetzt. Der historiographische Diskurs über Menschenopfer erfährt bei Lactanz eine grundlegende Neuorientierung: Nicht mehr die ethnische – oder vielmehr kulturelle – Zugehörigkeit ist entscheidend, sondern die religiöse. Eine eigenständig normsetzende Bedeutung haben also bei Lactanz weder die etablierten Geschichtsschreiber noch ihre Helden.
become established until the late fourth century C.E., the lack of an accepted name does non mean that the category itself lacked definition [...]. On the contrary, it was clearly defined by such markers as stories about human sacrifice. As we have seen, earlier Graeco-Roman writers used similar stories to define the cultural distance which they insisted separated themselves from barbarians. Christian writers, by citing examples of Graeco-Roman human sacrifice, were able to demonstrate that this vaunted cultural distance was in fact of no real significance: all those who maintained traditional beliefs and practices, whether Greeks, Romans, or barbarians, were stained with the same crimes and thus belonged to the same category. In this way the Christian writers of the second and early third centuries C.E. reworked the Graeco-Roman discourse about cultural distance to suit their own needs. The key categories were now ›Christian‹, representing the cultural norms of humanity, and ›pagan‹, representing deviation from those norms, yet they were marked as before by the absence or presence of human sacrifice.«
3.2 Zum Stellenwert der Dichter 3.2.1 Einleitung 3.2.1.1 Forschungsüberblick Kaum eine pagane Textgruppe hat die Lactanzforschung so sehr beschäftigt wie die klassische Dichtung. Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, daß die Dichter nicht nur bei den Zeitgenossen des Lactanz in der Antike, sondern auch bei den Klassischen Philologen der Neuzeit in außerordentlich hohem Ansehen standen. Dabei erfreute man sich im 20. Jahrhundert insbesondere an der Wertschätzung, die Lactanz – im Gegensatz zu vielen Apologeten vor ihm – der Poesie entgegenbrachte und griff begierig alles auf, was diese Sonderrolle des Lactanz zu bestätigen schien. Dazu trug auch die Tatsache bei, daß die Überlieferung Lactanz ein Gedicht mit dem Titel De ave Phoenice zuschreibt, das – unter Umständen nach den Versen des Commodian – das älteste uns erhaltene christliche Gedicht in lateinischer Sprache darstellt. Das lactanzische Oeuvre erschien damit als wichtiger Wendepunkt von einem fanatischen, bildungsfeindlichen Christentum hin zu einer Anerkennung antiker Kultur und Werte. Das schlägt sich auch in der Bewertung des lactanzischen Verhältnisses zur klassischen Dichtung nieder: Die Forschung orientiert sich weitgehend an dem Paradigma der Synthese. In diesen Rahmen stellt schon Réné Pichon den lactanzischen Umgang mit den Dichtern.1 Demnach hat Lactanz die klassische Dichtung sakralisiert. Diese These ist zwar nicht unwidersprochen geblieben,2 behauptet aber seit Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Lactanz das Feld.3 Dabei verändern sich allerdings 1 Pichon 1901, 242: »... et ces souvenirs [...] prouvent combien il est imprégné de cette culture profane et combien il s’applique à unir les pensées nouvelles et les formes classiques« und noch deutlicher ders. ebd. 217: »il [Lactance] reste classique et paien.« 2 Buchheit 1979a, 220; 1988, 164f.; 1990, 370f.; Bender 1983, 44f. 187-193; Meßmer 1974, 123 und insbesondere Gnilka 1993, 35-40 setzen sich zwar nicht explizit mit der Lactanzforschung auseinander, betonen aber ebenfalls, daß Lactanz die klassischen Dichter nicht als normativ verbindlich anerkannt habe. Gnilka ebd. sieht in dem Zwei-Wege-Gleichnis bei Lactanz und der Art und Weise, wie unser Autor hier mit Philosophen und Dichtern umgeht, geradezu ein Paradebeispiel für die von ihm erforschte christliche Strategie der Chrêsis. Goulon 1994, 35 äußert sich sehr vorsichtig und diplomatisch: »S’il y a inspiration, ce ne peut être qu’une sorte d’inspiration, partielle en tout cas comme celle que soupçonnait Justin, bien différente de l’inspiration des auteurs bibliques comme l’a bien montré Pierre Monat. Vinzenz Buchheit vient de consacrer un article à rappeler cette vérité que personne, à mon sens, n’avait sérieusement mise en doute.« Vgl. auch Goulon 1999, 232f. 3 Die Auffassung, Lactanz habe in klassischer Dichtung göttliche Offenbarung erblickt, vertreten Pichon 1901, 219 (über Terenz); Ussani 1932, 15f., bes. 15: »l’ingresso di Virgilio
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die jeweils gesetzten Schwerpunkte: Wurde anfangs recht offen behauptet, Lactanz habe in den – oder doch einigen – klassischen Dichtern selbst Propheten erblickt, so steht in jüngster Zeit eher die Sakralisierung der Texte im Vordergrund. Von Anfang an meinte man, bestimmte Textpassagen für den (quasi-)prophetischen Charakter der Dichter in den Augen des Lactanz geltend machen zu können. Gegen diese Auffassung ist im deutschsprachigen Raum ein wohlbegründeter Widerspruch laut geworden.4 Andererseits wird inzwischen eine Sakralisierung der klassischen Dichter angenommen.5 In diesem Zusammenhang erscheint auch die Auffassung brisant, daß Lactanz bei der Interpretation der Dichter hermeneutische Techniken angewandt habe, die im frühen Christentum bei der Bibelexegese üblich waren.6 Nach einigen einführenden Bemerkungen zur antiken und apologetischen Tradition der Dichterbenutzung wende ich mich zunächst der theoretischen Bewertung der Dichter durch Lactanz, dann seinem praktischen Umgang mit ihnen zu. Um die Frage zu beantworten, wie Lactanz die Dichter theoretisch beurteilt hat, stelle ich die apologetische Strategie des Lactanz in Bezug auf die Dichter vor. Dabei gehe ich auch der Frage nach, ob die theoretischen Aussagen des Lactanz klassischen Dichtern prophetischen Rang zuweisen.7 Daraufhin wende ich mich der komplexen Poetologie des Lactanz zu, die unser Autor als theoretisches Fundament seiner apologetischen Strategie nutzt.8 Danach geht es um den praktischen Umgang des Lactanz mit der klassischen Dichtung: Werden die theoretischen Aussagen unseres Autors durch seine Praktiken bestätigt oder widerlegt? Zunächst erläutere ich allgemeine Beispiele, die illustrieren, wie Lactanz klassische Prätexte umdeutet. Dann setze ich mich mit zwei Interpretationsrichtungen auseinander, die für das Synthese-Paradigma zu sprechen scheinen, da sie implizie-
nell’orbita delle profezia cristiana«; Courcelle 1957, 295; Campenhausen 1960, 66; Monat 1973, I 50 (»transformation de Virgile en prophète«); Herzog 1975, 198 (»Laktanz hat den Einsatz der christlichen Vergilexegese noch mit Kautelen vom Typ Maro non longe afuit a veritate (inst. 1,5,11) begleitet47. Doch beweist die Praxis seiner Vergilauslegung (Typ: inst. 7,24,11), daß hier ein sakraler Text in der gleichen dichten, sich dem Cento nähernden Perikopenform kommentiert wird wie die Schrift in der Bibelexegese […].«); van der Nat 1976, 216 (»eine Art göttlicher Inspiration«); Heck 1988, 174. Testard 1997, 218 sieht im lactanzischen Umgang mit klassischen Texten eine Sakralisierung dieser Texte. Vgl. auch Digeser 2000, 86: »Poets see with divine clarity (1.5.6,10) [...] He [Lactantius] also considers Vergil a prophet«. 4 Vgl. dazu unten den Abschnitt 3.2.2.1. 5 Testard 1997, 218. 6 Vgl. Goulon 1994, 32. Bereits Herzog 1975, 198 sieht Parallelen zwischen lactanzischer Bibel- und Dichterexegese und impliziert, Lactanz habe in der Dichtung Vergils einen heiligen Text gesehen. 7 Vgl. den Abschnitt 3.2.2.1. 8 Vgl. den Abschnitt 3.2.2.2.
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ren, Lactanz habe in klassischen Dichtern Propheten beziehungsweise in klassischer Dichtung heilige Texte erblickt.9 3.2.1.2 Zur antiken und apologetischen Tradition der Dichterbenutzung Die Praxis, Dichter zur Beglaubigung eigener Ansichten zu zitieren, war in der Antike weit verbreitet.10 Insbesondere sahen Neuplatonisten in Homer eine Quelle transzendentaler Wahrheiten, die es durch allegorische Deutung zu eruieren galt.11 Andererseits konnte die wörtliche Aufnahme von Versen in Prosatexte als ungehöriger Stilbruch empfunden werden. Das mußte freilich nicht dazu führen, auf überhaupt jede Bezugnahme auf Dichtertexte zu verzichten. Nur wählte man statt wörtlicher Zitate Paraphrasen in ungebundener Rede.12 Verschiedentlich reflektieren antike Autoren den Gebrauch von Dichterzitaten in Prosatexten: Der Stoiker Kleanthes (331/330? – 230/229 v. Chr.) etwa verglich die Wirkung von Versen mit dem Klang einer Trompete.13 In der lateinischen philosophischen Literatur kennen wir Dichterzitate vor allem bei Cicero und Seneca. Von beiden Autoren sind auch Äußerungen zur Motivation der Dichterzitate erhalten. Dabei beruft 9 Vgl. den Abschnitt 3.2.3. 10 Vgl. dazu und zum Folgenden Hagendahl 1947, 122-124; Meßmer 1974, 110. Goulon 1978, 107-109, Hagendahl 1983, 45f.; Freund 2000, 17f. mit weiterer Literatur. Insbesondere Chrysipp war für seine zahlreichen Dichterzitate bekannt (Diog. Laert. 7,180f.). Die Praxis des Dichterzitates dürfte Lactanz auch aus Cicero bekannt gewesen sein. 11 Vgl. Lamberton 1989, passim. 12 Hagendahl 1947, 123f.; 1983, 45; Freund 2000, 20f. Henke 2002, 186 sieht – zumindest bei Ambrosius und vielleicht auch bei Cyprian – eher inhaltliche als stilistische Gründe als ausschlaggebend für den Verzicht auf explizite Dichterzitate an: »Nach meiner Meinung entsprach es seiner [des Ambrosius, J.W.] seelsorgerlichen Zielsetzung, den jeweiligen Predigtgegenstand so sehr in den Vordergrund zu schieben, daß die Hinweise auf Vergil, Horaz und andere vorchristliche Autoren ganz zurücktreten mußten, auf ihre untergeordnete Hilfsfunktion beschränkt blieben, welche ihnen im Rahmen des Verfahrens der Chrêsis angewiesen war. Ausführlich und ausdrücklich zitiert im eigentlichen Sinne des Wortes wird von Ambrosius nur die Hl. Schrift. So wurde der Bischof von Mailand einerseits den religiösen Bedürfnissen der ungebildeten Gemeindemitglieder gerecht, befriedigte aber auch die gehobenen Ansprüche der literaturkundigen Hörer, welche die sublimen, versteckten Bezugnahmen zu goutieren vermochten. Jedenfalls entging Ambrosius aufgrund dieser subtileren Form der Allusion Angriffen der Art, wie sie Rufin gegen Hieronymus richten konnte.« Daß explizite Zitate außerchristlicher Autoren für christliche Schriftsteller mit einem nicht unbeträchtlichen Risiko verbunden gewesen sein konnten, mag Ambrosius auch bereits an Lactanz gesehen haben, dem beispielsweise Hieronymus – vielleicht nicht zuletzt auch wegen seiner Zitierpraxis – Versäumnisse in der Darstellung der christlichen Lehre vorwirft. Im Gegensatz zu dem Paradigma einer konzilianten Synthese läßt Hieronymus allerdings keinen Zweifel an der Frontstellung Lactanzens gegenüber nichtchristlichen Religionsformen (vgl. Hier. epist. 58,10,2: Lactantius, quasi quidam fluvius eloquentiae Tullianae, utinam tam nostra adfirmare potuisset, quam facile aliena destruxit!; 84,7,2: quis mihi interdicere potest, ne legam Institutionum eius (sc. Lactantii) libros, quibus contra gentes scripsit fortissime...?). 13 Cleanthes ap. Sen. epist. 108,10: Nam ut dicebat Cleanthes, ›quemadmodum spiritus noster clariorem sonum reddit cum illum tuba per longi canalis angustias tractum patentiore novissime exitu effudit, sic sensus nostros clariores carminis arta necessitas efficit.‹
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sich Cicero (Tusc. 2,26) auf die Praxis griechischer Philosophen, während Seneca mehr die Effizienz dieser Taktik in den Vordergrund stellt (epist. 108,9-11). Auch der Rhetorikprofessor Quintilian weist auf die Praxis der Dichterzitate bei Rednern und Philosophen hin. Dabei betont er, und das ist für unsere Fragestellung besonders interessant, daß Redner und Philosophen ihren eigenen Texten einen höheren normativen Stellenwert als den von ihnen zitierten Dichtern einräumen. Für Quintilian selbst impliziert das Zitieren eines Dichters also noch keineswegs, daß der zitierende Autor den Dichter beziehungsweise dessen Texte als normativ verbindlich oder überlegen anerkennt.14 Daneben gab es auch ausdrückliche Kritik an der Dichtung, insbesondere von philosophischer Seite; die berühmtesten Beispiele dürften der Vorsokratiker Xenophanes und Platon selbst sein.15 Auch in der frühchristlichen Tradition hatten die klassischen Dichter ihren Platz: Schon der Apostel Paulus hatte etwa Menander und Epimenides zitiert. Am bedeutendsten ist jedoch das Aratzitat, das er in der Areopagrede bringt (Act. Ap. 17,28). Hier ist bereits die vereinnahmende Verwendung poetischer Klassiker vorgezeichnet.16 So verwundert es nicht, daß die 14 Quint. inst. 5,11,39: nam sententiis quidem poetarum non orationes modo sunt refertae, sed libri etiam philosophorum, qui quamquam inferiora omnia praeceptis suis ac litteris credunt, repetere tamen auctoritatem a plurimis versibus non fastidierunt. Mit auctoritas meint Quintilian hier also nicht die Verbindlichkeit der Dichter für die Redner und Philosophen selbst, sondern ihre Verbindlichkeit für das von Rednern und Philosophen anvisierte Publikum. 15 Vgl. Xenophan. 21 B 11f. Diels/Kranz; Plat rep. 377d. 379d-e. 595a-b. 598d-601b. 607a (Platon möchte die Dichtung freilich unter bestimmten Bedingungen [Zensur der Inhalte, vgl. 379a. 380b-c; in 607a wird die Dichtung auf Götterhymnen und den Lobpreis ›guter‹ Menschen beschränkt] in seinem Idealstaat zulassen). Deutlich positiv bewertet Platon Homer und Hesiod dagegen im Symposium (209d-e). Allgemein zur Haltung Platons gegenüber der Dichtung vgl. Görgemanns 1994, 59f.; Murray 1996, passim. 16 Auf die Tradition der philosophischen Diatribe (vgl. dazu auch Schmeller 1987, passim) wurde bereits hingewiesen. Die Rolle der griechisch-römischen Dichtung in der jüdischen Apologetik zu bestimmen, ist schwierig, da abgesehen von den zwei Büchern »Gegen Apion« (zum Wortlaut des Titels vgl. Goodman 1999, 45) des Flavius Josephus nur Fragmente erhalten sind (vgl. Schürer – Vermes – Millar – Goodman 1986, 609-616). Aristobulos (Mitte 2. Jahrhundert vor Christus) erklärt, griechische Dichter und Philosophen hätten nur wiederholt, was Moses in der Torah schon vorgegeben habe (Aristob. ap. Eus. Pr. Ev. 8,10,4; 13,12) und fälscht in diesem Zusammenhang auch Verse griechischer Dichter (vgl. Goodman 1999, 48). Bei Josephus finden wir sowohl die ausgrenzende als auch die vereinnahmende Argumentationsform: So entzündet sich einerseits seine Kritik an den griechischen Göttern, teilweise auch an den von den Dichtern erzählten Mythen (c. Ap. 2,239. 242-248). Kurz darauf (c. Ap. 2,251) führt er den – seiner Ansicht nach – katastrophalen Zustand der griechischen Religion darauf zurück, daß die alten (griechischen) Gesetzgeber den Dichtern zuviel Freiheit eingeräumt hätten (vgl. Thackeray 1973 [1929], 165). Andererseits zieht Josephus aber den griechischen Dichter Choirilos (5. Jahrhundert) in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang heran, um ihn gegen andere griechische Schriftsteller (vor allem Historiker) ins Feld führen zu können: Das einzige explizite Zitat aus der griechischen Dichtung findet sich im ersten Buch (c. Ap. 1,173), wo Josephus fünf Hexameter des Choirilos zitiert und im nächsten Paragraphen (c. Ap. 1,174) auf die Juden bezieht. Choirilos selbst dürfte in den betreffenden Versen dagegen wohl die homerischen Äthiopen gemeint haben.
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griechische Apologetik nicht nur harsche Kritik an der als moralisch depravierend empfundenen Dichtung übte, sondern auch selbst – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß17 – Dichterzitate anführte, und zwar nicht nur in einem ausgrenzenden, sondern auch in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang. Demgegenüber zeigt sich die lateinische Apologetik vor Lactanz wesentlich zurückhaltender. Selbst Minucius Felix, dessen apologetische Methode der des Lactanz besonders nahe steht, zitiert keinen einzigen vollständigen Hexameter. Auch Arnobius, bei dem Lactanz Rhetorik studiert hat, vermeidet wörtliche Zitate und setzt die entsprechenden Verse in Prosa um. Mit seinen sehr häufigen und bisweilen sehr ausführlichen Dichterzitaten steht Lactanz daher den klassischen Autoren Cicero und Seneca, aber auch der griechischen Apologetik näher als der lateinischen Apologetik.18 3.2.2 Theoretische Aussagen des Lactanz über die Dichter Lactanz setzt sich am Beginn der Divinae institutiones zunächst vor allem mit den Philosophen auseinander. Die Dichter treten erst am Anfang des Kataloges außerbiblischer Testimonien (inst. 1,5,2) in den Mittelpunkt seines Interesses. Wie wir bereits oben (S. 72f.) gesehen haben, versucht unser Autor mit diesem Katalog, die Einheit Gottes glaubhaft zu machen. Nachdem er die Propheten als eigentlich ausschlaggebende Autoritäten genannt und ihren Stil und ihre Glaubwürdigkeit verteidigt hat (inst. 1,4), fährt er fort: inst. 1,5,1-3: Sed omittamus sane testimonia prophetarum, ne minus idonea probatio videatur esse de his quibus omnino non creditur. (2) veniamus ad auctores et eos ipsos ad veri probationem testes citemus, quibus contra nos uti solent, poetas dico ac philosophos. ex his unum deum probemus necesse est, non quod illi habuerint cog-
Aber wir wollen durchaus die Zeugnisse der Propheten beiseite lassen, damit eine Beweisführung ausgehend von den Texten, denen man überhaupt keinen Glauben schenkt, nicht unpassend erscheint. (2) Kommen wir zu den Autoren und zitieren wir sie selbst zur Beglaubigung des Wahren als Zeugen, sie, welche man gewöhnlich gegen uns einsetzt, ich meine die Dichter und Philosophen. Aus die-
17 Relativ wenig Dichterzitate finden sich bei Justin und Tatian, bedeutend mehr bei Athenagoras und Theophilos, besonders ausführliche im Protreptikos des Clemens Alexandrinus, vgl. auch Goulon 1978, 109. 18 Goulon 1978, 111.
Zum Stellenwert der Dichter nitam veritatem, sed quod veritatis ipsius tanta vis est, ut nemo possit esse tam caecus, quin videat ingerentem se oculis divinam claritatem.
(3) poetae igitur quamvis deos carminibus ornaverint et eorum res gestas amplificaverint summis laudibus, saepissime tamen confitentur spiritu vel mente una contineri regique omnia.
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sen müssen wir den einen Gott beweisen, nicht weil sie die Wahrheit als erkannte in ihrem Besitz gehabt hätten, sondern weil die Wahrheit selbst so große Kraft hat, daß niemand so blind sein kann, daß er nicht die seinen Augen entgegenströmende göttliche Helligkeit sehen würde. (3) So sehr die Dichter also die Götter in ihren Gedichten ausgeschmückt und ihre Leistungen durch die höchsten Lobpreisungen vergrößert haben, bekennen sie doch sehr häufig, daß alles durch einen einzigen Geist oder Verstand festgehalten und gelenkt wird.
Im folgenden geht Lactanz, beginnend mit Orpheus, auf einzelne Dichter ein. Uns interessiert aber zunächst einmal der eben zitierte allgemeine Teil seiner Ausführungen über die Dichter. Hier zeichnen sich zwei Themenkomplexe ab, zum einen die apologetische Strategie des Lactanz, zum anderen seine Poetologie. 3.2.2.1 Zur apologetischen Strategie des Lactanz Lactanz artikuliert mehrmals seinen Anspruch, die Dichter nicht etwa wegen ihres tatsächlichen normativen Ranges,19 sondern vielmehr wegen ihrer Glaubwürdigkeit beim gebildeten Publikum anzuführen:20 Dieses Spannungsverhältnis zwischen normativ-inhaltlicher und ästhetisch-formaler Dimension haben wir bereits in einem größeren Zusammenhang betrachtet.21 Es trat insbesondere auch in den methodologischen Gleichnissen des Lactanz deutlich zutage.22 In der zitierten Textstelle erwähnt Lactanz – sowohl antiker als auch apologetischer Tradition23 folgend – Dichter und Philosophen in einem Atemzuge: In diesem Zusammenhang stellt sich uns die Frage, wie unser Autor das normative Verhältnis zwischen Dichtern und Philosophen eingeschätzt hat. Insbesondere das Verhältnis zwischen Philosophen und Dichtern beurteilt Lactanz in gegensätzlicher Weise: Wie es seine Argumentation gerade erfordert, gibt er der Poesie den Vorrang gegenüber
19 Vgl. inst. 1,5,2: non quod illi (sc. poetae ac philosophi) habuerint cognitam veritatem... 20 Vgl. inst. 5,1,10f. 14-18; 6,21,1-9; epit. 57,6f. und dazu Meßmer 1974, 7-11. Vgl. auch Buchheit 1979a, 163; Goulon 1994, 29f.; dens. 1999, 232f. 21 Vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.5. 22 Vgl. oben S. 65-72. 23 Vgl. Meßmer 1974, 21 mit Verweis auf Stellenangaben bei Pellegrino 1947, 172.
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der Philosophie oder umgekehrt.24 Die Überlegenheit der Dichter über die Philosophen drückt Lactanz allerdings häufiger aus als die Überlegenheit der Philosophen über die Dichter. Dabei beruft sich Lactanz im letzteren Fall auf das Urteil Dritter,25 während er im ersteren Fall selbst urteilt. Die Überordnung der Philosophen entspricht somit vielleicht eher dem lactanzischen Bemühen, sich an den Erwartungen des Publikums zu orientieren, als der eigenen Überzeugung unseres Autors.26 Brisanter als die Frage nach dem normativen Verhältnis zwischen Dichtern und Philosophen ist eine andere: Bescheinigt Lactanz Verfassern klassischer Dichtung göttliche Inspiration oder nicht? Sollte diese Frage bejaht werden können, so müßten wir unser Bild von der lactanzischen Strategie im Umgang mit paganen Texten revidieren: Zumindest in Bezug auf die Dichter würden dann die zahlreichen ins Auge fallenden Zitate aus nichtchristlichen Texten und Anspielungen auf dieselben nicht nur eine apologetische Strategie reflektieren. Vielmehr würde Lactanz dann die paganen Texte aufwerten, ja geradezu mit dem Alten Testament auf eine Stufe stellen. In der Forschung ist es hinsichtlich dieses Themas zu einer teilweise erbittert geführten Auseinandersetzung gekommen, die an dieser Stelle kurz skizziert sei: Die These, Lactanz habe klassische Dichter wie etwa Vergil für inspiriert gehalten, blickt auf eine lange Tradition zurück.27 Diese These wird von Vinzenz Buchheit leidenschaftlich angegriffen.28 Alain Goulon hat 24 Vgl. zum Vorrang der Dichter inst. 1,11,22-25. 36f.; 6,3,9f.; höheres Alter der Dichter: inst. 5,5,1; 7,22,2; zum Vorrang der Philosophen inst. 1,5,15; epit. 4,1. 25 Inst. 1,5,15: sed hactenus de poetis. ad philosophos veniamus, quorum gravior est auctoritas certiusque iudicium, quia non rebus commenticiis, sed investigandae veritati studuisse creduntur; epit. 4,1: veniamus ad philosophos, quorum certior habetur auctoritas quam poetarum. Vgl. zu diesen Stellen Bender 1983, 194; Goulon 1994, 33. 26 Das legen auch die Beobachtungen von Meßmer 1974, 25 nahe: »Nicht zufällig erscheint es, daß er bei den Ausführungen über den rechten Gottesbegriff die Zeugen in der steigenden Rangfolge Dichter – Philosophen – göttliche Zeugnisse bringt (I 5,15-6,6), daß er sie aber im Kapitel über die Auferstehung in der Reihenfolge Seher – Dichter – Philosophen aufführt und den Philosophen nicht die Aufmerksamkeit schenkt wie den Dichtern (VII 23,5). Von Plato sagt er VII 22,19 ausdrücklich, er sei bei seiner Seelenwanderungslehre den Dichtern gefolgt.« Buchheit 1988, 164 A. 14 erklärt, daß Lactanz ausgehend von »einer antiken Theorie der Dichtereinschätzung [...] den Dichtern bezüglich der Wahrheitsfindung einen höheren Rang« zuerkannt habe als den Philosophen. 27 Vgl. schon Pichon 1901, 219 (über Terenz); Ussani 1932, 15f.; Courcelle 1957, 295; Campenhausen 1960, 66; Monat 1973, I 50; Herzog 1975, 198 (»sakraler Text« [von Vergil]); van der Nat 1976, 216 (»eine Art göttlicher Inspiration« [mit Bezug auf Terenz]); Digeser 2000, 86: »He [sc. Lactantius] also considers Vergil a prophet«. Vgl. auch Heck 1988, 174, der diese These allerdings meines Wissens in späteren Beiträgen nicht explizit wiederholt. 28 Vgl. Buchheit 1979a, 219f.; 1990, 370f.; 2002b, 312. Vgl. auch Bender 1983, 188f. Daß Lactanz einen deutlichen Unterschied zwischen Vergil und den Propheten macht, betont auch schon Meßmer 1974, 123.
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versucht, durch Einführung eines differenzierteren Inspirationsbegriffes zwischen beiden Positionen zu vermitteln.29 Ausgangspunkt der Diskussion sind Stellen wie beispielsweise inst. 5,9,6: Dort erklärt Lactanz die Christenverfolgung damit, daß die (christliche) Wahrheit Haß (nämlich den der Christenverfolger) gebäre, und beruft sich dazu auf den Komödienschreiber Terenz, der mit seiner Formulierung veritas odium parit (Ter. Andr. 68), quasi divino spiritu instinctus, »gleichsam vom göttlichen Geist angetrieben«, gesprochen habe.30 In Verbindung mit der Beobachtung, daß Lactanz die Dichter wesentlich häufiger zitiert als seine apologetischen Vorgänger und daß er ihnen offenkundig auch wesentlich größere Wertschätzung entgegenbringt, hat man das Wörtchen quasi (gleichsam), mit dem Lactanz die Zuschreibung von Inspiration an Terenz empfindlich relativiert, als quantité négligeable angesehen: Schon Réné Pichon schreibt: »comme si Térence était ›inspiré de Dieu [...]‹.«31 Indem der französische Forscher nur die Worte »inspiré de Dieu« als Zitat kennzeichnet, erweckt er den Eindruck, Lactanz selbst habe den terenzischen Ausspruch mit einem inspirierten Ausspruch nicht nur verglichen, sondern vielmehr gleichgesetzt.32 Diese Auffassung hat die Forschung in der Folgezeit geprägt. Wenig Beachtung hat auch Ernst Meßmer gefunden, der darauf hinweist, daß bereits Cicero poetische mit göttlich inspirierten Texten vergleicht.33 Die Auffassung, Lactanz habe in Werken klassischer Dichter göttlich inspirierte Texte erblickt, wird auch von Eberhard Heck geteilt, der in seinem einflußreichen Aufsatz »Laktanz und die Klassiker« viele andere Grundzüge des lactanzischen Umgangs mit den klassischen Dichtern überzeugend herausarbeitet.34 Gegen die Zuschreibung von göttlicher Inspiration an griechische und römische Dichter erheben sich jedoch schwere Bedenken: Zunächst einmal ist es unstatthaft, ›unbequeme‹ Textbestände wie etwa das Wörtchen quasi in der Interpretation völlig zu übergehen. Dies gilt umso mehr, als es eine geläufige lactanzische Praxis ist, gleichzeitig Nähe und kategoriale Differenz 29 Goulon 1994, 35. 30 Zu weiteren Stellen dieses Typs vgl. den Abschnitt 2.2.2.4. 31 Pichon 1901, 219. 32 In ähnlicher Weise erklärt Fontaine 1980 (1978), 230: »Lactance reprend ce thème, en affirmant que ›Virgile fut le premier de nos écrivains à ne point se trouver éloigné de la vérité‹ [wohl mit Bezug auf inst. 1,5,11: nostrorum primus Maro non longe afuit a veritate; die Übersetzung von non longe afuit mit »ne point éloigné« wird dem lateinischen Wortlaut nicht gerecht, J.W.]; et de citer le discours d’Anchise, au chant VI de l’Énéide, et la célèbre page théologique de la quatrième Géorgique.« 33 Meßmer 1974, 22 Anm. 2 mit Verweis auf Cic. Arch. 18: poetam natura ipsa valere […] et quasi divino quodam spiritu inflari sowie Cic. Tusc. 1,64. Zur dichterischen Inspiration seit Hesiod und Homer vgl. Thraede, RAC 18 (1998), 332-337 s.v. Inspiration. 34 Heck 1988, passim.
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zwischen außerchristlichen Autoritäten und christlicher Offenbarung durch Wörter wie quasi, tamquam, fere oder paene etc. auszudrücken. Dies haben wir bereits oben in dem Kapitel 2.2 gesehen.35 Diese Unvereinbarkeit einer Inspiration der Dichter mit den Grundannahmen lactanzischer Methodologie sollte wenigstens problematisiert werden. Eine Interpretation, die einschränkende Ausdrücke wie quasi stillschweigend athetiert, ist inakzeptabel. Auch durch die Einführung eines verfeinerten und abgestuften Inspirationsbegriffes läßt sich die Zuweisung von Inspiration an die klassischen Dichter nicht halten. Zwar lenkt Alain Goulon nicht zu Unrecht die Aufmerksamkeit auf die Frage, wer in der Diskussion jeweils welchen Inspirationsbegriff zugrunde legt. Er unterscheidet dabei die biblische Inspiration von derjenigen, die Lactanz nichtchristlichen Autoren zuschreibe und die eben nur eine Art von Inspiration (»une sorte d’inspiration«) sei.36 Mit diesem Konzept sucht er die Zuschreibung einer Quasi-Inspiration an einzelne Philosophen und Dichter zu halten. Jedoch erheben sich auch hier schwerwiegende Bedenken: Zum einen bezeichnet Lactanz immerhin nicht die klassischen Dichter selbst, sondern lediglich einige ihrer Aussagen als »quasi-inspiriert« – wenn man diesen Begriff denn benutzen will. Zum anderen bietet sich für eine Ausdifferenzierung des Inspirationsbegriffes eher ein anderer Weg an. Denn Lactanz kennt durchaus eine weitere Form der Inspiration: die der christlichen Autoren, die etwa auch unser Apologet selbst für sich beansprucht.37 Sowohl für die Inspiration der Bibel als auch für die der Christen nimmt Lactanz eine unmittelbare Verbindung zur göttlichen Wahrheit an, die er den Nichtchristen dagegen abspricht. Dies haben wir oben im Abschnitt 2.2.2.2 gezeigt. Angesichts dieser kategorialen Unterscheidung erscheint es ausgeschlossen, daß eine solche ›QuasiInspiration‹ einzelner Dichter nicht nur rhetorisch-strategische, sondern auch normative Bedeutung haben sollte. Hinzu treten die Fälle, in denen Lactanz sich in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang zu Dichtern äußert.38 Lactanz möchte die Dichter nach eigener Aussage als gewichtige Zeugen zur Darstellung und Bekräftigung christlicher Inhalte benutzen. Zu diesem Zweck äußert er sich mehrmals außerordentlich positiv39 über einzelne 35 Vgl. dort insbesondere den Abschnitt 2.2.2.4. 36 Vgl. Goulon 1994, 35. 37 Vgl. z.B. inst. 6,1,1. 38 Vgl. beispielsweise inst. 1,14,1: ... aperiamus ea quae veris litteris continentur, ne poetarum ineptias in accusandis religionibus sequi ac probare videamur; inst. 5,10,3-9 (harsche Kritik an Vergil; vgl. dazu unten den Abschnitt 3.2.3.4 u.ö.). 39 Vgl. inst. 1,5,14: quodsi vel Orpheus vel hi nostri (sc. poetae) quae natura ducente senserunt in perpetuum defendissent, eandem quam nos sequimur doctrinam conprehensa veritate te-
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Stücke klassischer Dichtung und betont an diesen Stellen die partielle Nähe der Dichtung zur Offenbarung, ohne aber den kategorialen Unterschied zwischen Dichtung und Offenbarung jemals in Frage zu stellen. Wie es zu dieser – wenn auch unvollkommenen – Nähe zwischen Dichtung und Offenbarung gekommen ist, erklärt Lactanz nicht etwa dadurch, daß die Dichter selbst göttlich inspiriert gewesen wären, sondern durch eine besondere Quellengeschichte der Poesie, der wir uns im folgenden zuwenden wollen: 3.2.2.2 Die lactanzische Poetologie Wie wir sahen, räumt Lactanz den Dichtern offenkundig keine eigenständig normsetzende Bedeutung ein. Er läßt es aber nicht bei der parallelen Betonung von publikumsrelevanter Attraktivität und normativer Relativierung bewenden. Vielmehr entwickelt er eine durchaus komplexe Poetologie, die den Anspruch erhebt, über hermeneutische Willkür hinauszugehen und rationalen Prinzipien zu folgen: Theologischer Kern dieser Poetologie ist, daß die Dichter partiell mit der Wahrheit übereinstimmten.40 Diese Konstruktion einer teilweisen Übereinstimmung erlaubt es Lactanz, die Dichter sowohl in einem vereinnahmenden Zusammenhang – im Bereich der ›Übereinstimmungen‹ mit der Wahrheit – als auch in einem ausgrenzenden Zusammenhang – im Bereich der ›Abweichungen‹ von der Wahrheit – heranzuziehen. Eine solche unvollständige Teilhabe an der Wahrheit, die stets nur Stückwerk bleibt, spricht Lactanz auch anderen Testimoniengruppen zu.41 Bei der Erklärung dieser Übereinstimmungen wird allerdings ein Sonderstatus der Dichter unter den außerchristlichen Testimoniengruppen deutlich. Denn Lactanz begründet die in der Dichtung enthaltenen Elemente der Wahrheit nicht nur mit der natürlichen Veranlagung (natura) und damit verbundenen Vernunftbegabung (ratio) des – dichtenden – Menschen,42 sondern auch durch einen – freilich indirekten – Kontakt mit der biblischen, das heißt in diesem Zusammenhang alttestamentarischen Offenbarung.43 Während Lactanz Naturanlage und Vernunftbegabung etwa auch bei den Philosophen – und überhaupt allen Menschen – am Werke sieht,44 gesteht er nuissent (vgl. auch unten den Abschnitt 4.2.4.1); inst. 1,9,8: ›quid tu?‹ inquiet aliquis, ›poetisne credendum putas‹ – quidni putem?; inst. 7,22,4: quamvis igitur veritatis arcana in parte corruperint (sc. poetae), tamen ipsa res eo verior invenitur, quod cum prophetis in parte consentiunt: quod nobis ad probationem rei satis est. 40 Vgl. Buchheit 1979a, 164f. 220; 1990, 360-362; 2002a, 114; 2002b, 30f.; Bender 1983, 192f.; so ist wohl auch van der Nat 1976, 216f. zu verstehen. 41 Vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.4. 42 Vgl. beispielsweise inst. 1,5,6: natura igitur et ratione ducente intellexit (sc. Orpheus) esse praestantissimam potestatem, caeli ac terrae conditricem. Vgl. auch inst. 1,5,14. 43 Vgl. inst. 2,10,5f.; 7,22,1-6. 44 Vgl. inst. 2,1,7; 2,3,19 (ratio); 3,26,1; 7,9,12 (natura).
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die indirekte Rezeption biblischer Offenbarung alleine den Dichtern zu. Allerdings ist diese Rezeption scharf zu unterscheiden von tatsächlicher göttlicher Offenbarung, wie sie nach lactanzischer Auffassung den biblischen Propheten zuteil wurde. Denn Lactanz betont mehrmals und nachdrücklich, daß die biblische Offenbarung in einem langen Prozeß mündlicher Überlieferung stark modifiziert und entstellt worden sei, bevor sie zu den Dichtern gelangte.45 Neben diese apologetische Quellengeschichte der Poesie stellt Lactanz in seiner Poetologie ein weiteres Element, das einerseits die christliche Interpretation der Dichter plausibilisiert und andererseits die Differenz zwischen den Aussagen der Dichter und der biblischen Offenbarung weiter betont. Es ist dies die Auffassung von Poesie als einer Rede, die durch Übertreibungen und Allegorie über die Realität beziehungsweise die eigentlichen Inhalte hinausgeht. Die in der Bibel offenbarte Wahrheit ist daher nach Auffassung unseres Apologeten doppelt modifiziert, entfremdet und entstellt: nicht nur durch lange mündliche Überlieferung durch das Hörensagen, sondern auch durch die Anwendung spezifischer Techniken, die Poesie erst zur Poesie machen.46 Umgekehrt gewinnt Lactanz so die Freiheit, diese doppelte Codierung poetischer Texte rückgängig zu machen und so die ›ursprüngliche‹, 45 Vgl. inst. 2,10,5f.: de hac hominis fictione poetae quoque quamvis corrupte, tamen non aliter tradiderunt. namque hominem de luto a Prometheo factum esse dixerunt. res eos non fefellit, sed nomen artificis. (6) nullas enim litteras veritatis attigerant, sed quae prophetarum vaticinio tradita in sacrario dei continebantur, ea de fabulis et obscura opinione collecta et depravata, ut veritas a vulgo solet variis sermonibus dissipata corrumpi nullo non addente aliquid ad quod audierat, carminibus suis comprehenderunt. et hoc quidem inepte, quod tam mirabile tamque divinum opificium homini dederunt; inst. 7,22,2: aliter enim quam res habet traditur a poetis: qui licet sint multo antiquiores quam historici et oratores et cetera genera scriptorum, tamen quia mysterium divini sacramenti nesciebant et ad eos mentio resurrectionis futurae obscuro rumore pervenerat, eam vero temere ac leviter auditam in modum commenticiae fabulae prodiderunt; inst. 7,22,4-6: quamvis igitur veritatis arcana in parte corruperint, tamen ipsa res eo verior invenitur, quod cum prophetis in parte consentiunt: quod nobis ad probationem rei satis est. (5) errori tamen eorum subest ratio non nulla. nam cum prophetae adsiduis contionibus praedicarent iudicaturum esse de mortuis filium dei et haec adnuntiatio non lateret, quoniam rectorem caeli deum non alium putabant esse quam Iovem, iudicare aput inferos Iovis filium tradiderunt, sed tamen non Apollinem aut Liberum aut Mercurium, qui caelestes putantur, sed eum, qui et mortalis fuerit et iustus, vel Minoem vel Aeacum vel Rhadamanthum. (6) corruperunt igitur poetica licentia quod aceperant, vel opinio veritatem per diversa ora sermonesque varios dissipatam mutavit. und dazu van der Nat 1976, 216f.; Buchheit 1979a, 164f.; Goulon 1994, 34. 46 Vgl. inst. 1,11,23f.: non ergo res ipsas gestas finxerunt poetae, quod si facerent, essent vanissimi, sed rebus gestis addiderunt quendam colorem. non enim obtrectantes illa dicebant, sed orare cupientes. (24) hinc homines decipiuntur, maxime quod dum haec omnia ficta esse a poetis abitrantur, colunt quod ignorant. nesciunt enim qui sit poeticae licentiae modus, quousque progredi fingendo liceat, cum officium poetae in eo sit, ut ea quae vere gesta sunt in alias species obliquis figurationibus cum decore aliquo conversa traducat.; inst. 1,11,30. 34; epit. 11f. im Anschluß an antike literaturwissenschaftliche Theorie, vgl. Pépin 1958, 439-442 und insbesondere Meßmer 1974, 14-21.
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mit der biblischen Offenbarung übereinstimmende Bedeutung poetischer Texte – oder vielmehr einzelner ihrer Teile – freizulegen.47 Am Ende dieses Kapitels befindet sich ein Schaubild zur »Codierung und Decodierung von Teilen poetischer Texte nach Lactanz«. Die allegorische Dichterinterpretation als solche ist ein Verfahren, das zu Lebzeiten des Lactanz bereits auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken konnte. Seine Anfänge pflegt man ins ausgehende 6. Jahrhundert zu datieren.48 Die Allegorese, die Texten einen neuen Sinn gibt, ohne ihren Wortlaut anzutasten, diente einer Vielzahl von Zwecken: so der Rechtfertigung anstößiger Verspartien, aber auch schon bald der Beglaubigung eigener, beispielsweise philosophischer Anschauungen.49 Diese pagane Tradition der Dichterallegorese wird von Lactanz kaum erwähnt. Im ersten Buch der Divinae institutiones kommt er allerdings auf die stoische Allegorisierung der Götter zu sprechen. Lactanz polemisiert mit aller Schärfe dagegen und sieht darin vielmehr einen Hinweis auf die Nichtigkeit der Götter.50 Daß auch Porphyrios die Allegorese praktizierte, erwähnt Lactanz nirgends. Überhaupt verzichtet er darauf, die Frage51 explizit zu problematisieren, warum die christliche Allegorese der Dichtung – ganz zu schweigen von der christlichen Allegorese der Bibel – seriös und angemessen sei, die pagane Allegorese der Dichter dagegen nicht. Jedenfalls schlägt Lactanz, indem er klassische Dichtung allegorisch deutet, Gegner wie Porphyrios mit ihren eigenen Waffen. Die Texte der Dichter selbst erscheinen nun – zumindest in Teilen – nicht mehr als frei erfunden, sondern lediglich als modifiziert – und zwar nach ganz bestimmten, rational rekonstruierbaren Grundsätzen. Die Poesie muß daher nicht mehr in jeder ihrer Ausprägungen abgelehnt werden – sie muß nur ›richtig‹, das heißt für Lactanz in christlichem Sinne gelesen werden. Gleichwohl folgt daraus für Lactanz nicht, daß jeder poetische Text eine wahre Aussage enthält, die lediglich durch die poetische Darstellungsweise verborgen ist und daher durch christliche Interpretation ›freigelegt‹ werden muß: Aus lactanzischer Sicht verkündet selbst der von ihm so hoch geschätzte Vergil teilweise aus Unwissenheit die Unwahrheit, legt
47 Im Zuge dieses Bemühens, Dichter als testimonia für christliche Aussagen zu verwenden, betont Lactanz die – freilich relative – Zuverlässigkeit der Dichter. In anderen Zusammenhängen kommt er aber auch zu sehr harschen Beurteilungen der Dichter, beispielsweise in inst. 5,1,10f.; 6,21,4f., wo Dichtung als manipulativ und verderblich verurteilt wird. 48 Vgl. Cancik-Lindemaier – Sigel, DNP 1 (1996), 519 s.v. Allegorese. 49 Vgl. Cancik-Lindemaier – Sigel, DNP 1 (1996), 519-521 s.v. Allegorese. 50 Vgl. inst. 1,12,3-10; 1,17,1-3 (wobei Lactanz jeweils auf Ciceros Schrift De natura deorum verweist beziehungsweise daraus zitiert). 51 Vgl. Pépin 1958, 437.
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beispielsweise seinem Helden Äneas und damit der gesamten Äneis einen vollkommen falschen pietas-Begriff zugrunde (inst. 5,10,4-9).52 Wo Lactanz in poetischen Texten biblische Aussagen ›wiederentdeckt‹, vermeidet er es sorgsam, den Eindruck willkürlicher oder gar gewaltsamer Um- und Neuinterpretation der Dichtertexte zu vermitteln. In diesen Zusammenhang lassen sich seine Bemühungen einordnen, die Art und Bewandnis dichterischer ›Modifikationen‹ genau zu identifizieren. Indem Lactanz die Motive poetischer Umarbeitung präzise ›herausarbeitet‹,53 verleiht er seiner Interpretation einen – freilich nicht im modernen Sinne – rationalwissenschaftlichen Anstrich.54 Mit dieser christlichen Instrumentalisierung antiker Literaturtheorie kann Lactanz die gebildeten Götterverehrer auf ihrem eigenen Terrain, den Klassikern und dem intellektuellen Diskurs über ihre Interpretation, angreifen und gleichzeitig Vorurteile, die Christen seien intellektuell nicht satisfaktionsfähig, zurückweisen. In letzter Zeit hat man in der Forschung betont, wie ähnlich Lactanz Dichter und Altes Testament behandele.55 Mit diesem Ansatz werde ich mich weiter unten ausführlicher beschäftigen, wo es um den praktischen Umgang des Lactanz mit den klassischen Dichtern gehen wird.56 An dieser Stelle mögen einige Überlegungen zu den theoretischen Aussagen des Lactanz genügen: Die Hermeneutik, mit der Lactanz an die Dichter herangeht, weist gewisse Parallelen zu seiner Hermeneutik des Alten Testaments auf: Denn die Propheten waren zwar seiner Auffassung nach im Gegensatz zu den Dichtern in direktem Besitz göttlicher Offenbarung. Andererseits unterstellt Lactanz aber – wenn auch nur an einer einzigen Stelle – den Propheten, ihre Botschaften nur indirekt zum Ausdruck gebracht zu haben (inst. 7,24,9).57 Dort möchte Lactanz die poetischen Darstellungen des Goldenen Zeitalters als Testimonien für die christliche Eschatologie heranziehen. In diesem Zusammenhang erklärt er, daß die Propheten zukünftige Ereignisse als vergangene Ereignisse beschrieben hätten. Diese Praxis führt er im Alten Testament allerdings nicht wie bei den Dichtern auf formale, gat-
52 Zu positiv stellt daher Fontaine 1980 (1978), 230 die lactanzische Haltung gegenüber den Dichtern dar, wenn er erklärt, Lactanz habe in der Dichtung ausschließlich eine durch die poetische Darstellung entfremdete Aussage wahrer Inhalte erblickt. 53 Vgl. dazu Meßmer 1974, 15-17. 25 und etwa die dortigen Beispiele auf den Seiten 39 (zu inst. 1,20,6-10). 43 (zu inst. 1,21,25-30). 54f. (zu inst. 2,10,5-10). 74 (zu inst. 7,22,5-9). 54 Vgl. auch inst. 7,22,5: errori tamen eorum subest ratio non nulla... 55 Vgl. Goulon 1994, 32. 56 Vgl. insbesondere unten den Abschnitt 3.2.3.2. 57 Zur typologischen Auslegung der Bibel bei Lactanz vgl. Monat 1982, I 133-149; zur allegorischen Auslegung der Bibel in bezug auf die jüdischen Kultvorschriften bei Lactanz vgl. Monat 1982, I 150-164. Hier geht es allerdings nicht um Typologie im engeren Sinne des Wortes.
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tungstheoretische Gründe im Sinne einer poetischen Codierung zurück, sondern auf die spezifische Natur der Visionen.58 Von außen betrachtet, scheint die lactanzische Hermeneutik gegenüber den Dichtungen der klassischen Antike also mit derjenigen gegenüber den Texten des Alten Testamentes vergleichbar: Beide Textgruppen dienten ursprünglich nicht der Verbreitung christlicher Inhalte, beide werden daher als codiert und damit decodierungsbedürftig hingestellt, um die christliche Um- und Neuinterpretation theoretisch abzusichern. Diesem in vieler Hinsicht parallelen Ansatz in der Hermeneutik entspricht aber – und das gilt es festzuhalten – bei Lactanz keine parallele normative Wertschätzung.59 So ähnlich aus der Außenperspektive des modernen Beobachters der lactanzische Umgang mit dem Alten Testament dem lactanzischen Umgang mit Dichtertexten auch zu sein scheint – aus lactanzischer Perspektive besteht ein gewaltiger normativer Unterschied zwischen dem Alten Testament und der klassischen Dichtung: Denn jenes gilt ihm als göttlich inspiriert und verbürgt damit die geoffenbarte Wahrheit, diese beinhaltet dagegen nur Spuren der biblischen Offenbarung in mehr oder weniger stark entstellter Form – und daneben sogar eine Menge Unwahrheiten.60 Damit geht Lactanz in der Beurteilung der Dichter im Vergleich zu seinen apologetischen Vorgängern neue Wege. Diese hatten, was sie in den Dichtertexten als zutreffend erkennen wollten, auf einen allgemein waltenden göttlichen Logos zurückgeführt oder aber auf Diebstahl der göttlichen Geheimnisse von den Juden, der teilweise mit dämonischer Hilfe durchgeführt worden sei.61 Nach lactanzischer Auffassung wirken dagegen bei den Dichtern Eigenkraft der Wahrheit,62 menschliche Natur und Vernunft sowie durch lange mündliche Überlieferung stark entstellte Spuren biblischer Offenbarung. Damit ist nicht nur der aggressive Ton des Diebstahlsvorwurfes geschwunden; die lactanzische Konzeption wirkt auch auf den ersten 58 Vgl. inst. 7,24,9: ... prophetae futurorum pleraque sic proferunt et enuntiant quasi iam peracta. visiones enim divino spiritu offerebantur oculis eorum et videbant illa in conspectu suo quasi fieri ac terminari (vgl. Tert. adv. Marc. 3,5 p. 382, 1-3: duas itaque causas prophetici eloquii adlego agnoscendas abhinc adversariis nostris: unam, qua futura interdum pro iam transactis enuntiantur). Möglicherweise liegt der ›Beobachtung‹ des Lactanz auch die eigentümliche Verwendung des Imperfekts im Hebräischen zugrunde. Bezüglich der typologischen Exegese vgl. Monat 1982, I 133. Die Frage, warum die allegorische Exegese nicht bei den Dichtern, wohl aber bei den Kultvorschriften des Alten Testaments erlaubt sei, spricht Lactanz nicht an, vgl. Monat 1982, I 163. 59 Vgl. inst. 1,5,1f.; 1,14,1; 2,10,5f.; 5,10,1-11 (bes. 5,10,7); 7,22,2. 4-6. 60 Zur Entschuldigung unwahrer Aussagen bei den Dichtern durch die poetische Form vgl. van der Nat 1976, 217; Goulon 1994, 34. An anderer Stelle zeigt sich Lactanz allerdings weniger gnädig, spricht beispielsweise von poetarum ineptiae (inst. 1,14,1) und übt selbst an Vergil harte Kritik (inst. 5,10,1-11; in inst. 5,10,7 sogar mit persönlicher Schuldzuweisung an den Dichter). 61 Vgl. van der Nat 1976, 216; Goulon 1978, 150f.; 1994, 34. 62 Vgl. inst. 7,12,5: victus est (sc. Lucretius) veritate et inprudenti ratio vera subrepsit.
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Blick rationaler und religiös weniger stark aufgeladen. Mit der Rede von der eigenständigen Wirksamkeit der Wahrheit sowie von menschlicher Naturanlage und Vernunftbegabung konnte Lactanz sein Publikum auf der Ebene des etablierten gebildeten Diskurses ansprechen. Eine indirekte, unvollständige und – im Gegensatz zu der Diebstahlsthese – offenkundig unabsichtliche Rezeption biblischer Texte durch Hörensagen mochte auf manchen Skeptiker glaubhafter wirken als die These, die klassischen Dichter hätten samt und sonders den überragenden Stellenwert des Alten Testaments eingesehen und seine Weisheiten hinterrücks gestohlen beziehungsweise mit Hilfe finsterer Dämonen acquiriert. Neben dieser bloßen Instrumentalisierung antiker Dichtung, die große Affinität zur rhetorischen Strategie der Synkatábasis/dissimulatio aufweist, zeichnet sich bei Lactanz aber auch schon eine christliche Nutzung der Poesie ab, die nicht nur auf den Augenblick berechnet ist, sondern eine dauerhafte Inbesitznahme intendiert. Denn trotz all seiner Warnungen vor den Gefahren der Dichtkunst bringt Lactanz auch die Möglichkeit einer christlichen, auf das Lob Gottes umorientierten Poesie ins Spiel.63 In diesem Zusammenhang wird gerne auf das Gedicht De ave Phoenice verwiesen, das die handschriftliche Überlieferung und auch ein Großteil der Forschung Lactanz zuschreibt.64 Sollte das Gedicht tatsächlich von Lactanz und mit christlicher Intention verfaßt sein, so hätte unser Autor selbst ein eindrucksvolles Beispiel für die Umsetzung der von ihm angedachten christlichen Umorientierung der Poesie geschaffen.65 63 Vgl. inst. 6,21,9-12 und dazu Wlosok 1989a, 380f.; 1989b, 138. 64 Es gibt aber auch Gegenstimmen, und insbesondere die Frage, ob das Gedicht – wie zumeist angenommen – als kryptochristliches nicht nur gelesen werden kann oder könnte, sondern auch muß, scheint mir angesichts der vielfältigen und komplexen Interpretationsmöglichkeiten des Phoenix-Stoffes nur sehr schwer zu beantworten sein: So unterscheidet etwa Heffernan 1988 in De ave Phoenice unter anderem nicht nur eine Geburtssequenz (82-101), sondern auch eine Empfängnissequenz (68-81) und sogar eine Menstruationssequenz (41-67). Mögliche politische Implikationen rücken Hubaux – Leroy 1939, 214-252, besonders 251f. und Fontaine 1981, 53-66 in den Vordergrund. Zur christlichen Interpretation des Gedichtes vgl. Walla 1969, passim und Delbey 1998, passim. Vgl. auch allgemein Wlosok 1989a, 398-401 mit weiterer Literatur. 65 In diesem Sinne verstehen das Gedicht De ave Phoenice unter anderen Wlosok 1989a, 399 (»Implizit enthält es (in dem ›wunderschönen Gesang‹ des Phoenix im Dienste und zum Lobe Gottes, 45-50) eine neue Funktionsbestimmung des Ästhetischen, wie sie inst. 6,21,4ff. angedeutet ist, und ist als Ganzes ein Bekenntnis zum Wert der schönen sprachlichen Form und literarischer Gestaltung. Mit dieser Elegie hat Lactanz, so scheint es, ein erstes Beispiel christlicher Poesie geliefert, das bruchlos an die pagane Dichtungstradition anschließt und diese für die neue protreptische Apologetik fruchtbar macht.«) und Delbey 1998, passim, der die Nutzung und damit Unterordnung paganer Literatur zu christlichen Zwecken hervorhebt (S. 225: »le De ave Phoenice fait servir la séduction des mises en scène mythiques, qui sont les prestiges de la littérature paienne, à la vérité chrétienne«). Ob es Lactanz dagegen tatsächlich in dem von Delbey implizierten Maße um die Aufwertung der Gattung Elegie gegenüber der epischen Form ging, erscheint mir fraglich; insbesondere die Formulierung »fonction de rassemblement des significations paiennes et
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Wie wir sahen, betreffen die theoretischen Aussagen des Lactanz über die Dichter vor allem zwei Themen: seine apologetische Strategie und seine Poetologie. Unser Autor konstruiert dabei ein Spannungsverhältnis zwischen normativ-inhaltlicher und ästhetisch-formaler Dimension.66 Dabei erhebt er den Anspruch, die ästhetisch-formale Überlegenheit der Dichtung zugunsten der normativ-inhaltlich überlegenen Lehre des Christentums zu instrumentalisieren. Auch dort, wo Lactanz sich sehr positiv über Dichter beziehungsweise einzelne ihrer Verse äußert, zeigt sowohl der Wortlaut als auch der apologetische Zusammenhang, daß Lactanz weit davon entfernt ist, Dichtern den Rang von Propheten einzuräumen. In seinen poetologischen Aussagen führt Lactanz von ihm als wahr anerkannte Inhalte der klassischen Dichtung nicht nur auf menschliche Natur und Vernunft zurück, sondern auch auf eine – freilich vielfach verderbte und entstellte – mündliche Tradition biblischer Lehren. Unter Berufung auf die spezifisch poetische Ausdrucksweise der Dichter gewinnt Lactanz eine quasiliteraturwissenschaftliche Rechtfertigung für die christliche Allegorese poetischer Texte, während er diese Technik sonst – etwa im Falle der stoischen Allegorese poetischer Götterdarstellungen – ablehnt. Dabei bleibt allerdings ein kategorialer Unterschied zwischen seiner Bewertung klassischer Dichtung einerseits und der Bibel andererseits stets erhalten. Die Möglichkeit einer auf Dauer angelegten christlichen Umorientierung der Dichtung wird von Lactanz zwar angesprochen, sie spielt aber in seinen apologetischen Schriften keine große Rolle. Insgesamt läßt sich festhalten, daß die theoretischen Aussagen des Lactanz über die Dichter die Anwendung des Synthese-Paradigmas nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. 3.2.3 Zum praktischen Umgang des Lactanz mit klassischer Dichtung Nach diesem Überblick über die theoretischen Aussagen des Lactanz zu den Dichtern und seiner Dichterrezeption wenden wir uns nun dem praktischen Umgang unseres Autors mit poetischen Prätexten zu: ›Hält‹ Lactanz in der Praxis, was er in der Theorie ›verspricht‹? Um diese Frage zu beantworten, genügt es nicht, darauf zu verweisen, daß Lactanz die Dichter sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang anführt: So spricht – um jeweils nur einen Fall herauszuheben – Lactanz in inst. 1,9,8 davon, daß man den Dichtern Verchrétiennes, politiques et religieuses, qui la place en position de rivaliser avec la mémoire épique, parmi les divers arts de la mémoire« (S. 225) scheint mir den gattungstheoretischen Gegensatz auf Kosten des religiösen Gegensatzes zu sehr zu betonen. 66 Vgl. inst. 6,21,3-6 und überhaupt oben den Abschnitt 2.2.2.5.
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trauen schenken müsse; in inst. 1,14,1 spricht er dagegen von den Albernheiten der Dichter (poetarum ineptiae), denen man gerade nicht folgen dürfe! Unser Autor wählt Verse klassischer Dichtung nicht nur mit Bedacht passend zu seinem aktuellen Argumentationsziel aus,67 sondern modifiziert sie teilweise auch beziehungsweise deutet sie um: Daher werde ich im folgenden einige Beispiele für die Umdeutung poetischer Prätexte durch Lactanz darstellen. Danach werde ich die beiden für das Synthese-Paradigma sprechenden Interpretationen, wonach Lactanz erstens klassische Dichter für Propheten und zweitens klassische Dichtung für heilige Texte gehalten habe, mit Blick auf konkrete intertextuelle Bezüge widerlegen. Wie wir sehen werden, schiebt unser Autor nicht einfach nur ihm passend erscheinende Verse aus der antiken Dichtung in seine Argumentation ein. Seine Berücksichtigung der Poesie ist wesentlich komplexer. Wo Lactanz in seinen Zitaten einen anderen Text bietet als den – nach heutiger Sicht – ursprünglichen, muß dies weder mit Varianten in den unserem Autor vorliegenden Texten zusammenhängen noch damit, daß Lactanz häufig aus dem Kopf zitiert und ihm deshalb zahlreiche Versehen unterlaufen.68 In vielen Fällen scheint Lactanz seine Vorlagen vielmehr absichtlich zu korrigieren, um ihre – seiner Ansicht nach – wahre Bedeutung herauszuarbeiten.69 Teilweise setzt Lactanz auch Verse in Prosa um, statt sie wörtlich zu zitieren. Antikem Stilbewußtsein mag diese Technik, in philosophischen Texten Zitate von Versen zu vermeiden, angemessen erscheinen, da die Mischung von Poesie und Prosa in ein und demselben Text als unziemlich empfunden werden konnte.70 In der Antike gehörte die Wiedergabe poetischer Texte in Prosaform schon im Grammatikunterricht zu den häufigen Übungsformen.71 Für Lactanz, der sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern zumindest in der lateinischen Apologetik nicht scheut, Verse auch in größerer Anzahl wörtlich zu zitieren, mag ein weiteres Motiv für die Umsetzung von Versen in Prosa in Frage kommen: Angesichts des überwältigenden Zaubers der poetischen Form, auf den Lactanz mehrmals aufmerksam macht,72 wollte unser Autor möglicherweise ihm allzu ›gefährlich‹ erscheinende, weil den Leser in der ›falschen‹ Richtung beeinflussende, Verspartien ihrer poeti-
67 Vgl. Goulon 1999, 233. 68 So beispielsweise Ogilvie 1978, 15f. 69 Vgl. Goulon 1994, 31, der als Beispiel inst. 1,21,48 (mit Lucr. 2,14 [gemäß der Ausgabe von Heck / Wlosok 2005 hat Lactanz dagegen Lucrez korrekt, das heißt mit miseras zitiert]) und inst. 3,27,10 (mit Lucr. 1,64) anführt. 70 Vgl. Hagendahl 1947, 123f.; 1983, 45. 71 Vgl. beispielsweise Quint. inst. 1,9,2 und Bonner 1977, 253-256. 72 Vgl. inst. 5,1,10; 6,21,1-9; epit. 57,6f. und zu diesen Stellen Meßmer 1974, 7-11.
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schen Form entkleiden und so entschärfen.73 Am interessantesten für unsere Fragestellung sind aber die Stellen, an denen unser Autor seinen poetischen Prätexten eine gänzlich neue inhaltliche Stoßrichtung gibt.74 3.2.3.1 Umdeutung poetischer Prätexte So macht Lactanz etwa aus einer vergilischen Ätiologie ein Eingeständnis der Nichtigkeit des Götterkultes, worauf Alain Goulon hinweist:75 C’est de Crète, selon Virgile, que vient le silence assuré aux mystères: hinc fida silentia sacris (Aen. 3,112). Les cultes païens s’adressent à des morts déclare Lactance et si le peuple le savait, il aurait vite fait de déserter les autels: hinc fida silentia sacris. De local, hinc est devenu causal. Il y a là une rouerie qui pourrait s’apparenter à un tour de passe-passe.
Den lucrezischen Vers denique caelesti sumus omnes semine oriundi (Lucr. 2,991)76 reißt Lactanz aus seinem atomistischen – und daher aus der Sicht unseres Autors atheistischen – Zusammenhang und verwendet ihn zur Illustration des christlichen Gott Vaters.77 Am Schluß der Divinae institutiones (inst. 7,27,6) zitiert Lactanz eine Gruppe von Lucrezversen, die Epikur verherrlichen. Diesen Lobpreis bezieht er aber stillschweigend auf Christus. Auch diese Stelle interpretiert unser Apologet also um: Indem Lucrez unserem Autor die Verse für das Lob Christi liefert, soll er die Nichtigkeit seiner eigenen Lehre eingestehen, das heißt die Nichtigkeit der Lehre Epikurs, dem die lucrezischen Verse ursprünglich gewidmet waren.78 Von der ursprünglichen Intention der Verse bleibt nur der Ausdruck der Erlösungsbedürftigkeit der Menschen, die Stelle des Erlösers nimmt aber nun Christus statt Epikur ein. Lactanz sucht offenbar nicht etwa einen Ausgleich mit den Gehalten der von ihm zitierten Verse, sondern kehrt durch seine Umdeutungen den Sinn der Prätexte gewaltsam um. Damit demonstriert unser Autor 73 So Goulon 1994, 30f. mit Verweis auf inst. 1,21,25 (Ov. fast. 6,319-348) und inst. 7,12,14 (Lucr. 3,459-509) und ders. 1999, 232. 74 Selbstverständlich bringt jeder intertextuelle Bezug notwendigerweise schon allein durch die bloße Neukontextualisierung eine gewisse Veränderung der inhaltlichen Aussage des Prätexts mit sich. Diese kann jedoch unterschiedlich groß ausfallen. 75 Vgl. inst. 5,19,19, Verg. Aen. 3,112 und dazu Goulon 1994, 31f. 76 Zur Messung und Bedeutung von oriundi vgl. Bailey 1950, II 958. 77 Vgl. inst. 6,10,7 und dazu Goulon 1994, 32, der auf das Aratzitat des Paulus vor dem Areopag (Act. Ap. 17,28) verweist (so auch Schrijvers 1999, 265f. zu opif. 19,3, wo Lactanz ebenfalls Lucr. 2,991f. zitiert). Nicht zu folgen vermag ich dagegen Goulon ebd. in dem Schluß, Lactanz habe in dem Lucrezvers »une parole en quelque sorte prophétique« erblickt. 78 Vgl. Heck 1988, 175-179. Dieser Interpretation schließt sich Goulon 1994, 32 an. So auch Buchheit 2002b, 312-314, der allerdings – meines Erachtens zu Recht – gegen die These (angedeutet bei Heck 1988, 178 A. 105) polemisiert, Lactanz habe in Lucrez eine prophetengleiche Zitierautorität erblickt. Vgl. zu dieser Stelle außerdem Schmid, RAC 5 (1962), 813f. s.v. Epikur; Ingremeau 1989, 346.
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seinen Willen zur Unterwerfung der klassischen Poesie unter den Überlegenheitsanspruch des christlichen Glaubens. Dieser Überlegenheitsanspruch des Christentums tritt auch dann zutage, wenn Lactanz Vergilstellen aus ihrem Zusammenhang reißt, um damit christliche Glaubensgeheimnisse zu illustrieren: Die nach vergilischer Auffassung nichtsexuelle Genese der Bienen aus Blättern und Gräsern79 soll in der lactanzischen Darstellung die Fähigkeit Gottes glaubhaft machen, auf nichtsexuelle Weise Söhne80 zu erzeugen.81 Die sich vor dem Volk Israel beim Zug durch das Rote Meer teilenden Wassermassen beschreibt Lactanz mit einem weiteren Vergilvers aus den Georgica (Verg. georg. 4,361), wo dem Aristaeus der Zugang zur eigentlich den Göttern vorbehaltenen Unterwasserwelt gewährt wird.82 Ähnlich wie die nichtsexuelle Entstehung der Engel plausibilisiert Lactanz auch die jungfräuliche Geburt oder vielmehr Empfängnis Christi durch behutsame Anspielung auf von Vergil verbürgte ›Beobachtungen‹ aus der Naturforschung, hier die Befruchtung von Stuten durch den Wind Zephyr.83
79 Verg. georg. 4,200f.: verum ipsae (sc. apes) e foliis natos, e suavibus herbis / ore legunt... Vgl. zu dieser Theorie auch schon Aristot. gen. an. 759a31; hist. an. 553a17-25. 80 Offenbar denkt Lactanz dabei nicht nur, wie Goulon 1994, 32 nahelegt, an die ›Geburt‹ des präexistenten Christus (»la naissance éternelle du Verbe au sein du Père sans intervention féminine«), sondern auch an die Engel, wie der Plural filios (inst. 1,8,7) nahelegt. 81 Inst. 1,8,8: nam si quibusdam minutis animalibus id praestitit (sc. deus), ut sibi ›e foliis natos, e suavibus herbis ore legant‹, cur existimet aliquis ipsum deum nisi ex permixtione sexus alterius non posse generare? 82 Inst. 4,10,7: transiecit enim (sc. deus) populum medio mari rubro praecedente angelo et scindente aquam, ut populus per siccum gradi posset, quem verius (der Bononiensis 701 [B] bietet Vergilius) ut ait poeta ›curvata in montis faciem circumstetit unda‹. Goulon 1994, 33 erblickt in dem Adverb verius einen Hinweis auf die Überlegenheit des Christlichen in der lactanzischen Konzeption: »L’expression virgilienne [...] trouve ainsi son véritable sens dans le récit biblique: verius«. So überzeugend der Hinweis auf den Überlegenheitsanspruch des Christentums erscheint, bleibt doch fraglich, ob sich verius in diesem Sinne auffassen läßt. Unklar ist nämlich, worauf sich der in dem Komparativ verius enthaltene Vergleich bezieht: Soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß die Ausdrucksweise bei Vergil wahrheitsgemäßer sei als die bei Lactanz selbst? Meint Lactanz, daß die in dem Vergilvers beschriebene Situation eine Entsprechung in der Realität eher in der faktischen Durchquerung des Roten Meeres hat als im erfundenen Mythos, daß man den Vergilvers, um der Wahrheit näher zu kommen, eher auf das Volk Israel als auf Aristaeus beziehen muß? Was mit verius gemeint ist, ist also außerordentlich dunkel. Möglicherweise ist die Lesart in B Vergilius doch ursprünglich, und die Variante verius ein Beleg für die Aufwertung nichtchristlicher Zeugnisse gegen die von Lactanz zur Geltung gebrachten methodologischen Überlegungen. Auch in inst. 5,1,14 bietet B gegen die Mehrheit der handschriftlichen Überlieferung eine Lesart, die den besonderen Rang der Offenbarung wahrt. 83 Inst. 4,12,2: quodsi animalia quaedam vento et aura concipere solere omnibus notum est, cur quisquam mirum putet, cum dei spiritu, cui facile est quidquid velit, gravatam esse virginem dicimus? mit Ankang an Verg. georg. 3,274f., vgl. dazu Pichon 1901, 240 und Goulon 1994, 32.
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Als körperlose Luftbewegung84 erscheint der Wind dabei dem spiritus dei (inst. 4,12,2) recht gut vergleichbar. Besonders deutlich ist das Motiv der Überbietung an der Stelle, wo Lactanz von Jesu Gang auf dem Wasser des Sees Genezareth berichtet.85 Unser Autor vergleicht Jesus mit Orion, der nach vergilischer Darstellung mit der Schulter aus dem Meer herausragt (Verg. Aen. 10, 763-767). Dieser Vergleich geschieht per negationem. Dabei überbietet unser Apologet die dichterische Erzählung von Orion: Erstens betont Lactanz, daß Jesus mit seinem gesamten Körper über dem Wasser bleibt, während Orion nur seine Schulterpartie über dem Wasser halten kann und mit dem Rest des Körpers einsinkt (demersa corporis parte). Zweitens schreibt er explizit, daß die gesamte Oriongeschichte von den Dichtern erlogen ist.86 3.2.3.2 Typologische Dichterexegese bei Lactanz? In den vier zuletzt genannten intertextuellen Bezügen auf Vergil ist eine typologische Hermeneutik erkannt worden, die auf die frühchristliche Exegese des Alten Testamentes zurückgehe.87 Daneben lassen sich allerdings auch wichtige Differenzen zwischen lactanzischer Dichterexegese und typologischer Bibelexegese aufzeigen: Es fällt auf, daß Lactanz in zwei der vier Stellen nicht auf ein bestimmtes Ereignis, sondern vielmehr auf eine ›naturwissenschaftliche‹ Beobachtung innerhalb des vergilischen Werkes – so stellt er selbst es wenigstens dar – verweist. Derartige Bezüge nicht auf konkrete Geschehnisse, sondern auf allgemeine naturwissenschaftliche oder auch paradoxographische Gegebenheiten sind aber im Rahmen typologischer Hermeneutik zumindest ungewöhnlich. Wir haben es hier nicht mit Typoi, sondern mit rhetorischen Beispielen (ʌĮȡĮįİȓȖȝĮIJĮ, exempla) zu tun. Darüber hinaus läßt Lactanz in seinem Bemühen, die jungfräuliche Empfängnis Jesu durch Maria zu beglaubigen, auf die Anspielung an Vergil Prophezeiungen des Alten Testaments folgen. Dabei macht er unmißverständlich deutlich, daß er allein letztere, also die Bibel, als ausschlaggebend verstanden wissen will.88 Die beiden übrigen vergilischen Prätexte betreffen 84 Aura (vgl. Verg. georg. 3,274) und ventus (Verg. georg. 3,275) aufgenommen in inst. 4,12,2. 85 Vgl. inst. 4,15,21, Mt 14,22-33 und dazu Goulon 1994, 33. 86 Inst. 4,15,21: cumque iam medium fretum tenerent, tum pedibus mare ingressus consecutus est (sc. Christus) eos tamquam in solido gradiens, non ut poetae Orionem mentiuntur in pelago incedentem, qui demersa corporis parte ›umero supereminet undas‹ [Verg. Aen. 10,765]. Pate dürfte dieser Darstellung freilich die Position des Sternbildes Orion gestanden haben, von dem zu bestimmten Zeiten nur die oberen, die ›Schultern‹ markierenden Sterne zu sehen sind. 87 Goulon 1994, 32. Bereits Herzog 1975, 198 postuliert bezüglich inst. 7,24,11 eine solche mit der Bibelexegese vergleichbare lactanzische Hermeneutik. 88 Lactanz schreibt zwar (inst. 4,12,2): quodsi animalia quaedam vento et aura concipere solere omnibus notum est, cur quisquam mirum putet, cum dei spiritu, cui facile est quidquid velit,
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mythologische Erzählungen. Im Falle des Orion bezichtigt Lactanz die Dichter dabei explizit der Lüge, im Falle des Aristaeus verzichtet er auf eine rationalisierende Erklärung. Die poetologischen Aussagen des Lactanz verbieten es zudem, den Aristaeus-Mythos als wahr aufzufassen, und lassen stattdessen nur eine poetische Überformung und Übertreibung historischer Vorgänge denkbar erscheinen. Die Prätexte betreffen also entweder quasibiologisches ›Fachwissen‹ oder erlogene, im wahrsten Sinne des Wortes ›erdichtete‹ Mythen. Mißverständlich erscheint daher die Verwendung des eine typologische Exegese implizierenden Begriffes »figure«89 in diesem Zusammenhang: Denn unter Typologie versteht man in der modernen Forschung etwas anderes. Dort unterscheidet man nämlich zwischen Allegorie und Typologie insofern, als sich die Allegorie auf den bloßen Wortlaut bezieht – gleichgültig, ob dieser Wortlaut irgendeine Entsprechung in der Realität hat –, während die Typologie sich auf reale Begebenheiten bezieht.90 Nach dem modernen Sprachgebrauch würde also die Aussage, Lactanz deute die Dichter typologisch, implizieren, daß er in den typologisch gedeuteten Erzählungen der Dichter historische Ereignisse, Personen oder Einrichtungen erblickt habe. Dem ist aber, wie an den vier oben genannten Beispielen gezeigt, eben nicht so. Gewisse Parallelen zwischen frühchristlicher Exegese des Alten Testaments und der lactanzischen Hermeneutik der klassischen Dichtung sind tatsächlich nicht von der Hand zu weisen: So konnten beispielsweise die frühen Christen den Juden und Marcioniten ein falsches Haften am Wortsinn vorwerfen und diesem die Tradition der Apostel gegenüberstellen.91 Ähnlich kann auch Lactanz seinen paganen Mitmenschen vorwerfen, die Dichtertexte allzu wörtlich aufzufassen.92 Auch mag man sich den Kirchenvater Melito von Sardes ins Gedächtnis rufen, nach dessen Auffassung das Alte im Rahmen typologischer Exegese des Alten Testamentes »in paradogravatam ese virginem dicimus? Aber er fügt gleich darauf (inst. 4,12,3) hinzu: quod sane incredibile posset videri, nisi hoc futurum ante multa saecula prophetae cecinissent. 89 Goulon 1994, 32; Ingremeau 1989, 352f., die allerdings auf S. 353 auch von »allégorie« spricht. 90 Vgl. Hall, TRE 34 (2002) 209 s.v. Typologie mit Verweis auf de Lubac 1950, 384-388; vgl. außerdem den sogar ausschließlich Ereignisse als Gegenstand der Typologie anerkennenden Hanson 1959, 7. Vgl. auch Goppelt 1990 (1966,1939) 18 (von Hall ebd. zitiert): »Gegenstand typologischer Deutung können nur geschichtliche Fakta, d.h. Personen, Handlungen, Ereignisse und Einrichtungen, sein, Wort und Darstellungen nur insofern, als sie von solchen handeln«. Jacob, LThK 1 (1993) 401 s.v. Allegorie III. Geschichte der Schriftauslegung setzt die Akzente etwas anders: »... allegor. Deutungen sind daher nicht auf einen Verweisauftrag der Texte zu überprüfen (Typologie)«. Aber auch das Kriterium des Verweisauftrages erfüllen die Dichter beziehungsweise ihre Texte nach lactanzischer Auffassung nicht. 91 Vgl. Hall, TRE 34 (2002) 210 s.v. Typologie. 92 Vgl. inst. 1,20,6-10.
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xer Weise zugleich entleert [...] und erfüllt«93 wird, und das Alte Testament »um dessentwillen als lesenswert«94 erscheint, »auf den es verweist, nämlich Christus.«95 Ähnlich tritt auch bei Lactanz Sinn und Eigenwert der Dichtertexte gegenüber der christlichen Botschaft unseres Autors ganz zurück. Demgegenüber ist aber auch nicht zu vergessen, daß Lactanz die normative Überlegenheit der Propheten über die Dichter betont. Vor allem ist das Alte Testament seiner Auffassung nach göttlich inspiriert (inst. 1,4,1) und von Anfang an zur christlichen Interpretation bestimmt. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Dichtern, die – im scharfen Gegensatz zum Alten Testament – teilweise auch vollkommen Falsches96 mitteilen. Der Begriff der Allegorese, der den Wortlaut97 in den Mittelpunkt rückt, ist daher zur Beschreibung des lactanzischen Vorgehens einer typologische Exegese nahelegenden Begrifflichkeit wie »figure« vorzuziehen, da Typologie – nicht nur im modernen Sprachgebrauch – historische Fakten impliziert, insbesondere aber auch die theologische Vorstellung einer Begründung dieser Entsprechung in der göttlichen Heilsordnung.98 Auch zwischen Turnus und Satan sowie Prometheus und dem christlichen Gott liegt bei Lactanz kein typologisches Verhältnis vor:99 Lactanz bezeichnet Satan mit denselben Worten, mit denen Vergil Turnus bezeichnet hatte: caput horum et causa malorum.100 Und die Verse, mit denen Lactanz seine Kosmogonie erläutert, beziehen sich in den Metamorphosen des Ovid nicht auf die Weltentstehung, sondern auf die Erschaffung des Menschen – und zwar durch Prometheus.101 Hier bieten die poetischen Prätexte tatsächlich konkrete Personen. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, jede derartige implizite Gegenüberstellung auch als Typologie aufzufassen. Denn Satan und Gott stellen nach lactanzischer Auffassung eben nicht die Erfüllung dessen dar, was in Turnus und Prometheus heilsge93 Vgl. Hall, TRE 34 (2002) 210 s.v. Typologie. 94 Vgl. Hall, TRE 34 (2002) 210 s.v. Typologie. 95 Vgl. Hall, TRE 34 (2002) 210 s.v. Typologie. 96 Etwa die irrige pietas-Konzeption, die Vergil – nach lactanzischer Auffassung – in der Aeneis zugrunde legt (inst. 5,10,4-9). 97 Vgl. auch Ingremeau 1989, 353, die die Nutzung der dichterischen Texte an und für sich betont (»l’utilisation des textes pour eux-mêmes«). 98 »Der Grund für solche [typologischen, J.W.] Entsprechungen wurde in der göttl. Heilsordnung gesehen« (Dohmen – Ditscherl, LThK 10 [2001] 332 s.v. Typologie II. Biblisch-theologisch). 99 Zu Turnus vgl. Verg. Aen. 11,361 und inst. 2,7,2. Zu Prometheus vgl. Ov. met. 1,79-86 und inst. 2,1,14-17 und dazu Le Bonniec 1986, 80. Vgl. außerdem Ingremeau 1989, 350. Schon Pichon 1901, 241 hatte auf solche Verbindungen hingewiesen, sie aber noch nicht als typologisch aufgefaßt: »[…] il applique ces locutions virgiliennes à l’expression d’idées toutes nouvelles et toutes théologiques.« 100 Inst. 2,8,2 beziehungsweise Verg. Aen. 11,361. 101 Vgl. Ov. met. 1,72 und dazu Le Bonniec 1986, 80; Ingremeau 1989, 350. 352.
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schichtlich angelegt war.102 Vielmehr füllen bei unserem Apologeten Satan und Gott diejenigen Rollen – als Bösewicht beziehungsweise Schöpfer der Menschheit – tatsächlich aus, welche die antike griechisch-römische Kultur – aus lactanzischer Sicht zu Unrecht – Turnus und Prometheus zuschreibt. Die Anspielung ist illustrativ, nicht typologisch. Die lactanzischen Ausführungen zur Kosmogonie, in denen Prometheus so indirekt und nur für den Ovidkenner erkennbar ins Spiel gebracht wird, sind aber auch darüber hinaus von Bedeutung. Denn hier mischt Lactanz – offenbar in voller Absicht – sprachliche Elemente aus der biblischen Schöpfungsgeschichte, aus den Metamorphosen des Ovid und vielleicht sogar aus Cicero zu einer eigenen Schöpfungsgeschichte, von deren Bestandteilen nur die Ovidreminiszenzen explizit dem Leser vor Augen geführt werden. Christiane Ingremeau hat gezeigt, daß es sich hier nicht etwa um eine gleichberechtigte oder gar wahllose Mischung handelt, sondern die christliche Stoßrichtung im Vordergrund steht und eine Umdeutung der anderen Elemente hervorruft.103 Selbst dort, wo Lactanz auf den ersten Blick christliche und antike Texte wahllos zu vermischen scheint, läßt sich also zeigen, daß er absichtsvoll handelt und es ihm um die Propagierung christlicher Botschaften geht. Durch diese Neukontextualisierung werden die poetischen Texte – beziehungsweise ihre Spuren – christlich umgedeutet. Somit spricht gerade auch die lactanzische Umdeutung poetischer Texte dafür, daß Lactanz für das Christentum gegenüber der antiken Kultur und insbesondere auch gegenüber den Dichtern einen Überlegenheitsanspruch erhebt. Es läßt sich also für Lactanz keine typologische Dichterexegese nachweisen, die der Annahme einer Sakralisierung klassischer Dichtung durch Lactanz Vorschub leisten würde. 3.2.3.3 Sakralisierung klassischer Dichtung ohne typologische Dichterexegese? Doch verbindet sich die These, Lactanz habe in der klassischen Dichtung heilige Texte erblickt, nicht notwendigerweise mit der Zuschreibung einer typologischen Dichterexegese an Lactanz: So sieht Maurice Testard in der lactanzischen Behandlung des Lucrez einen Schritt hin in Richtung auf eine Sakralisierung des Lucreztextes und letztlich überhaupt aller großen Werke
102 »Der Grund für solche [typologischen, J.W.] Entsprechungen wurde in der göttl. Heilsordnung gesehen« (Dohmen – Ditscherl, LThK 10 [2001] 332 s.v. Typologie II. Biblisch-theologisch). 103 Ingremeau 1989, 347-352.
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der antiken Literatur und Kunst.104 Dabei weist er auf die Tatsache hin, daß Lactanz am Schluß der Divinae institutiones (inst. 7,27,6) Lucrezverse zitiert und auf Christus bezieht, Verse, in denen der epikureische Lehrdichter seinen Meister Epikur verherrlicht hatte. Zunächst einmal erscheint es mehr als fraglich, ob man bereits dann von Sakralisierung sprechen kann, wenn ein Stück eines nichtchristlichen Textes auf Christus bezogen wird. Dagegen sprechen nicht nur die methodologischen Aussagen des Lactanz. Man könnte auch darauf verweisen, daß es nur wenige Lucrezverse sind, die den Beifall unseres Dichters finden. Vor allem ist aber die explizite und harsche Kritik des Lactanz an Lucrez wie auch an konkreten lucrezischen Texten mit dem Konzept einer Sakralisierung der Lucreztexte unvereinbar.105 Darüber hinaus läßt sich an der von Maurice Testard herangezogenen Textstelle selbst eine weitere Beobachtung machen, die zusätzlich gegen die Sakralisierungsthese spricht: Selbst die wenigen aus dem Epikurlob stammenden Lucrezverse, die Lactanz auf Christus bezieht, bedürfen nach lactanzischer Auffassung offenbar der korrigierenden Ergänzung. Das macht unser Autor deutlich, wenn er eigens darauf hinweist, daß Christus den Weg für die rechte Lebensführung nicht nur, wie es in den zitierten Lucrezversen steht,106 gezeigt habe, sondern auch selbst darauf vorangeschritten sei.107 Die ›Unvollkommenheit‹ der Lucrezverse zeigt sich damit nicht nur in dem ›falschen‹ Adressaten, sondern auch darin, daß Christus nach lactanzischer Auffassung sogar noch mehr geleistet hat als Lucrez seinem Meister Epikur verherrlichend bescheinigte. Die gewaltige These, bei Lactanz sei allgemein eine Sakralisierung paganer Literatur und Kunst greifbar, lastet also auf einem völlig unzureichenden Fundament. 3.2.3.4 Vergil als Prophet? Nachdem wir die These, Lactanz habe klassische Dichtung sakralisiert, sowohl in ihrer typologischen als auch in ihrer nichttypologischen Variante widerlegt haben, wollen wir uns mit jener anderen und früheren These auseinandersetzen, die dem Synthese-Paradigma entspricht: Lactanz habe in 104 So Testard 1997, 218: »Ne faudrait-il pas dire des grandes oeuvres de la littérature et de l’art, qu’au-delà d’une certaine profondeur ou d’une certaine élévation – ce qui revient au même – elles ne sont plus simplement profanes?« 105 Vgl. op. 6,1; 8,12; inst. 3,17,11 (wo Lactanz bei Lucrez nicht einmal eine exigua veritatis aura erkennen mag). Hingewiesen sei auch auf die in op., inst., ira und epit. immer wieder hervorbrechende antiepikureische Polemik und auf die Tatsache, daß Lactanz Lucrez und Epikur geradezu miteinander identifiziert (vgl. Pichon 1901, 224; Althoff 1999, 46). 106 Lactanz zitiert unmittelbar vorher (inst. 7,27,6) Lucr. 6,24-28; hier geht es um Lucr. 6,27: viam monstravit. 107 Inst. 7,27,7: nec monstravit tantum, sed etiam praecessit, ne quis difficultatis gratia iter virtutis horreret. Freilich schreitet auch bei Lucrez der Meister (dort Epikur) seinen Schülern voran (Lucr. 3,3f.), eine Tatsache, die Lactanz bezeichnenderweise außer Acht läßt.
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klassischen Dichtern Propheten erblickt. Diese These wollen wir am Beispiel des römischen Dichters Vergil prüfen.108 Unter den Dichtern spielt Vergil109 bei Lactanz die bedeutendste Rolle. Verschiedentlich geht man in der Sekundärliteratur sogar davon aus, daß Lactanz in Vergil einen Propheten erblickt habe.110 Schon die in diesem Kapitel bereits angesprochenen Beispiele für den lactanzischen Umgang mit Vergil sprechen dagegen: So haben wir bereits zur Kenntnis genommen, daß Lactanz den großen römischen Dichter der Lüge zeiht.111 Auch die übrigen Stellen in ihrer Gesamtheit eingehend zu behandeln, würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Ich möchte aber wenigstens noch auf zwei Beispiele für den lactanzischen Umgang mit Vergil näher eingehen, die in der Forschung größere Beachtung gefunden haben: die Kritik unseres Autoren am vergilischen pius Aeneas und die Art und Weise, wie er Vergils vierte Ekloge verarbeitet. Lactanz läßt die vierte Ekloge wohl an drei Stellen in den Divinae institutiones anklingen.112 Die ersten beiden Stellen befinden sich im vierten113 und fünften114 Buch, beziehen sich auf das erste Kommen Christi und sind, wenn überhaupt, nur für den Vergilkenner als solche erkennbar. Im siebten Buch dagegen zitiert Lactanz mehrere Verse der Ekloge (inst. 7,24,11) und bietet sowohl vorher (inst. 7,24,9f.) als auch nachher (inst. 7,25,1f.) eine methodologische Reflexion seines Umganges mit den von ihm herangezogenen Dichtern. Hier bezieht sich Lactanz nicht mehr auf das erste Kommen Christi, sondern auf das nach dem zweiten Kommen Christi einsetzen108 Die Diskussion um den angeblich (quasi-)prophetischen Rang klassischer Dichter bei Lactanz ist eindeutig auf Vergil zentriert. Daneben werden gelegentlich auch etwa Terenz (vgl. Pichon 1901, 219) oder Lucrez (vgl. Heck 1988, 178 A. 105) als in lactanzischen Augen göttlich inspiriert aufgefaßt. Lucrez und Terenz – beziehungsweise ihre Behandlung durch Lactanz – sind in diesem Kapitel (3.2) bereits angesprochen worden. Wie wir dabei sahen, ist Lactanz weit davon entfernt, diesen Dichtern einen prophetischen Rang einzuräumen. 109 Allgemein zum lactanzischen Verhältnis zu Vergil vgl. Pichon 1901, 239-242; Monat 1973, I 55-61; Meßmer 1974, 121-126; Wlosok 1990 (1984, 1983), 437-444. 110 Vgl. Heck 1988, 174 (sogar mit über Vergil hinausgehendem Bezug auf »[n]ahezu alle Klassiker«) und Digeser 2000, 86. Ähnlich schon Ussani 1932, 15f.; Courcelle 1957, 295 (der von »divers modes de révélation« spricht und so impliziert, daß auch die vergilische Ekloge nach lactanzischer Auffassung offenbart ist); Campenhausen 1960, 66; Monat 1973, I 50; Herzog 1975, 198 (»sakraler Text«). 111 Vgl. inst. 4,15,21: cumque iam medium fretum tenerent, tum pedibus mare ingressus consecutus est (sc. Christus) eos tamquam in solido gradiens, non ut poetae Orionem mentiuntur in pelago incedentem, qui demersa corporis parte ›umero supereminet undas‹ [= Verg. Aen. 10,765]. 112 Vgl. Buchheit 1979a, 219-222. 113 Inst. 4,2,5: statuerat enim deus adpropinquante ultimo tempore ducem magnum caelitus mittere, qui eam (sc. iustitiam) perfido ingratoque populo ablatam exteris nationibus revelaret. Vgl. Verg. ecl. 4,6f.: iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna, iam nova progenies caelo demittitur alto. 114 Inst. 5,7,1: sed deus ut parens indulgentissimus adpropinquante ultimo tempore nuntium misit, qui vetus illut saeculum (sc. aureum) fugatamque iustitiam reduceret...
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de messianische Zeitalter. Dabei nimmt unser Autor umfangreiche Änderungen vor, indem er die Verse, die er zitiert, sorgsam auswählt und in ihrer Reihenfolge verschiebt:115 Pierre Courcelle spricht von »einer Art Cento«.116 Diese weitgehenden textlichen Veränderungen, insbesondere Umstellungen, bilden gewissermaßen die von Lactanz postulierten theoretischen Voraussetzungen ab: Lactanz hätte sich gegen Kritik an seiner ›Fälschung‹117 mit dem Hinweis verteidigen können, daß er nur die im Laufe mündlicher Überlieferung biblischer Inhalte erfolgten Um- und Entstellungen ›korrigiert‹ habe. Kurz bevor unser Apologet die Verse zitiert, ›entlarvt‹ er den Mythos vom Goldenen Zeitalter als Mißverständnis der Dichter, welche die durch die biblischen Propheten verkündeten Zustände in die ferne Vergangenheit projiziert hätten. Für diesen ›Irrtum‹ der Dichter gibt unser Autor drei Gründe an: Erstens hätten schon die Propheten den Gegenstand ihrer Prophezeiungen in ihren göttlichen Visionen meistens als etwas Gegenwärtiges erlebt und beschrieben.118 Damit wäre das ›Missgeschick‹ der Dichter, die Zustände des messianischen Zeitalters einer goldenen Frühzeit zuzuschreiben, bereits erklärt. Trotzdem gibt Lactanz auch eine zweite und eine dritte Erklärung: Er betont, daß die Dichter die Prophezeiungen der biblischen Propheten zum einen nur vom Hörensagen kannten und zum anderen aufgrund ihres Unglaubens nicht richtig einschätzen konnten.119 Daß er diese beiden Punkte spontan anführt, ohne durch den Gang seiner Argumentation dazu gezwungen zu sein, zeigt, wie wichtig ihm die Differenzierung zwischen Propheten und Dichtern ist. Im Anschluß an die Verse aus Vergils vierter Ekloge führt Lactanz mit der Bemerkung, Vergil habe auf die Prophezeiungen der Cumäischen Sibylle zurückgegriffen,120 Verse aus den Oracula Sibyllina an (inst. 7,24,12115 Dazu Näheres bei Meßmer 1974, 75. Vgl. auch Pfättisch 1907, 641. 116 Courcelle 1957, 294: »une sorte de centon«. Lactanz bietet freilich mit seiner Konzeption der doppelten Codierung von Teilen klassischer Dichtung eine theoretische Erklärung und Rechtfertigung, die sein ›Cento‹ weniger als Ergebnis künstlerischen als vielmehr als Ergebnis rationalwissenschaftlichen, ja textkritischen Handelns – wenn auch unter theologischer Zielsetzung – erscheinen läßt. Damit unterscheidet sich Lactanz deutlich sowohl von vorchristlichen als auch von christlichen Ausprägungen dieser Gattung. 117 So Pfättisch 1907, 641. 118 Inst. 7,24,9: denique tum fient illa quae poetae aureis temporibus facta esse iam Saturno regnante dixerunt, quorum error hinc ortus est, quod prophetae futurorum pleraque sic proferunt et enuntiant quasi iam peracta. visiones enim divino spiritu offerebantur oculis eorum et videbant illa in conspectu suo quasi fieri ac terminari. 119 Inst. 7,24,10: quae vaticinia eorum cum paulatim fama vulgasset, quoniam profani a sacramento ignorabant quatenus dicerentur, conpleta esse iam veteribus saeculis illa omnia putaverunt, quae utique fieri conplerique non poterant homine regnante. 120 Inst. 7,24,12: quae poeta (sc. Vergilius) secundum Cymaeae Sibyllae carmina prolocutus est.
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14). Wenig später rechtfertigt Lactanz seine Zitierpraxis – und insbesondere seinen Verzicht auf biblische Zitate – mit methodologischen Überlegungen (inst. 7,25,1f.): Er wolle seine Anliegen aus den von seinen Gegnern anerkannten Schriften bestätigen und lehren, daß nicht nur bei den Christen, sondern auch bei den Christenverfolgern die Wahrheit in versiegelter Form aufbewahrt werde.121 Vinzenz Buchheit hat gegen eine jahrzehntelange Traditionslinie der Interpretation122 darauf bestanden, daß Lactanz von einer prinzipiellen Differenz zwischen Vergil und den Propheten ausgeht und diese Differenz auch nirgends in Frage stellt.123 Auch räumt Lactanz Vergil nicht denselben Rang ein wie den Oracula Sibyllina; der von Lactanz implizierte sibyllinische Einfluß auf Vergil bedeutet keine normative Gleichsetzung Vergils mit den Sibyllen.124 Unser Autor bewertet also die vierte Ekloge wesentlich kritischer als etwa sein Zeitgenosse Kaiser Konstantin in seiner »Rede an die Versammlung der Heiligen« und die damit eröffnete Hauptlinie der christlichen Interpretation dieser Ekloge im 4. und 5. Jahrhundert.125 Selbst wenn Lactanz Vergil – wie im Falle der vierten Ekloge – in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang heranzieht, bewahrt er also eine kritische Distanz und ist weit davon entfernt, in Vergil beziehungsweise seinen Versen eigenständig normsetzende Faktoren zu erblicken.126
121 Inst. 7,25,1: haec sunt quae a prophetis futura dicuntur: quorum testimonia et verba ponere opus esse non duxi, quoniam esset infinitum nec tantam rerum multitudinem mensura libri caperet tam multis uno spiritu similia dicentibus simulque ne fastidium legentibus fieret, si ex omnibus collecta et translata congererem, praeterea ut ea ipsa quae dicerem non nostris, sed alienis potissimum litteris confirmarem doceremque non modo aput nos, verum etiam aput eos ipsos qui nos insectantur, veritatem consignatam teneri, quam recusent adgnoscere. Allerdings ist es nach lactanzischer Auffassung ausschließlich den Christen möglich, das Siegel – um im Bild zu bleiben – zu brechen, vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.2. 122 Vgl. oben S. 120 Anm. 110. 123 Buchheit 1979a, 220; 1990, 370f. So auch schon Meßmer 1974, 123. 124 Dies betont schon Buchheit 1990, 370 A. 78 gegen Guillaumin 1978, 191. Als »prophètes antiques du christianisme« stellt auch Fontaine 1980 (1978), 230 Vergil u.a. mit den Sibyllen auf eine Stufe. Aber Lactanz geht es nicht (nur) um die Konvergenz (ebd.: convergence), sondern um die Abhängigkeit Vergils von der Sibylle. 125 Vgl. zu dieser Linie Pfättisch 1907, passim; Benko 1980, 671-678 und Wlosok 1990 (1984, 1983), 444-455. 126 Insofern läßt sich der Satz »Vergil gehört als Dichter auch den christlichen Römern« (Heck 1990, 119) dahingehend präzisieren, daß für Lactanz die Einheit der vergilischen Texte nicht mehr gegeben ist und angesichts der diakritischen Entscheidung von Wahrem, Brauchbarem und Falschem, Unbrauchbarem das erstere nicht auch, sondern ausschließlich den Christen gehört (dies ist der Sinn, in dem man sehr wohl von Aneignung sprechen kann) und letzteres (wie das am pius Aeneas dargestellte pietas-Ideal) ausschließlich den Nichtchristen. Fontaine 1980 (1978), 230 ist von der lactanzischen Wertschätzung des Vergil sogar so überzeugt, daß er den Wortlaut einer Lactanzstelle, die er in Übersetzung zitiert, – offenbar unabsichtlich – entscheidend abwandelt: Aus inst. 1,5,11: nostrorum primus Maro non longe afuit a veritate wird in seiner Übersetzung:
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Nur selten äußert Lactanz unverhohlene Ablehnung gegenüber Vergil. Aber auch dazu ist er fähig, wie er im Rahmen seiner Kritik an dem vergilischen pius Aeneas zeigt: Im fünften Buch der Divinae institutiones setzt sich Lactanz mit dem Anspruch der Götterverehrer auseinander, Gerechtigkeit (iustitia) zu praktizieren. In diesen Zusammenhang rückt er auch den Anspruch der Christenverfolger, Gerechtigkeit gegen die Christen durchzusetzen. Dabei beansprucht er die Verbindung von theozentrischer und anthropozentrischer Ausrichtung der Gerechtigkeit, das heißt die Verbindung von Frömmigkeit und Ethik, ausschließlich für das Christentum. So schließt er im neunten Kapitel aus dem – seiner Darstellung zufolge – ethisch minderwertigen Lebenswandel der Götterverehrer auf deren mangelnde Gotteserkenntnis und Frömmigkeit (pietas). Im zehnten Kapitel beschreitet er den umgekehrten Weg: Ausgehend von dem, was die Götterverehrer seiner Darstellung nach für pietas halten, sucht er zu erweisen, daß diese nicht gerecht sein können. Als Beispiel zieht Lactanz die Gestalt des pius Aeneas heran. Insbesondere wirft er dem römischen Nationalhelden vor, er habe zur Vergeltung für Pallas’ Tod besiegte Feinde im Rahmen sakraler Kulthandlungen getötet,127 dabei mehrmals eine erflehte Begnadigung verweigert128 und sich dem Rachezorn hingegeben.129 Aus alledem ergibt sich, so Lactanz, daß Aeneas das Prädikat pius in keiner Weise verdient.130 Lactanz sieht in Aeneas’ Verhalten die tatsächlichen Vorstellungen Vergils widergespiegelt und nicht etwa eine versteckte Kritik des Dichters an seinem Helden.131 Sowohl die lactanzische Verarbeitung der vierten Ekloge des Vergil als auch seine Kritik am vergilischen pius Aeneas bestätigen also unsere These, daß Lactanz in Vergil keinen Propheten erblickt hat.
»Virgile fut le premier de nos écrivains à ne point se trouver éloigné de la vérité« (Unterstreichungen von J.W.). 127 Vgl. Verg. Aen. 11,81f. (zitiert in inst. 5,10,3, kommentiert in inst. 5,10,4) und Verg. Aen. 10, 517-520 (zitiert in inst. 5,10,5). Möglicherweise ist hier Verg. Aen. 12,945-951 mitgemeint – Lactanz zitiert davon nur Aen. 12,946b (in inst. 5,10,8). 128 Vgl. inst. 5,10,8: ...›bonus Aeneas haud aspernanda precantis‹ (=Verg. Aen. 11,106). Dieses Vergilzitat stammt allerdings aus einer Szene, in der Aeneas die erflehte Gnade durchaus gewährt; unbarmherzig zeigt er sich dagegen in Verg. Aen. 10,523-536; 12,931-951. 129 Vgl. Verg. Aen. 12,946b (zitiert in inst. 5,10,8, kommentiert in inst. 5,10,9). 130 Hierbei spielt Lactanz die pietas des Aeneas gegenüber seinem Vater Anchises und die pietas gegenüber Pallas gegeneinander aus: Selbst wenn das Prädikat pius sich allein auf die Achtung vor dem Vater Anchises beziehe (vgl. inst. 5,10,7: videlicet ob hoc unum pius vocatur, quod patrem dilexit), so habe sich Aeneas dieses Prädikates doch als nicht würdig erwiesen, da er es versäumt habe, sich durch den Appell an die Manen seines Vaters erweichen zu lassen (vgl. inst. 5,10,9: manium patris per quem rogabatur oblitus). 131 Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Claud. Don. Aen. 10,520 p. 360,2-11.
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3.2.4 Der lactanzische Umgang mit einzelnen Dichtern Untersucht man, welche Rolle die einzelnen Dichter bei Lactanz spielen, so stellt man fest, daß die griechischen Dichter im ganzen stark zurücktreten. Im Testimonienkatalog des ersten Buches der Divinae institutiones geht Lactanz eine Reihe von Dichtern durch. Er beginnt mit Orpheus (inst. 1,5,47), äußert sich dann kurz zu Homer (inst. 1,5,8) und etwas ausführlicher zu Hesiod (inst. 1,5,8-10). Dann kommt er auf Vergil (inst. 1,5,11f.) und Ovid (inst. 1,5,13) zu sprechen. Schließlich faßt er die vereinnahmende Behandlung der Dichter in einem Satz (inst. 1,5,14) zusammen, in dem auffälligerweise nur noch von Orpheus und den lateinischen Dichtern (hi nostri) die Rede ist. Im folgenden gehe ich kurz auf das Verhältnis des Lactanz zu einzelnen Dichtern ein. Dabei berücksichtige ich auch solche Poeten, die Lactanz in seinem Testimonienkatalog nicht eigens erwähnt, nicht aber Vergil, auf den ich oben bereits ausführlicher eingegangen bin. Unter den Dichtern nimmt Ovid132 nach Vergil vielleicht den höchsten Rang ein. Häufig wird er von unserem Autor gelobt, manchmal aber auch kritisiert. Auch im Falle Ovids haben wir bereits einige Reminiszenzen bei Lactanz besprochen, an denen die absichtsvolle christliche Umdeutung der Prätexte durch Lactanz deutlich wurde. Diese und weitere Beispiele für die christliche Ausbeutung der Ovidtexte durch Lactanz bietet H. Le Bonniec.133 Lactanz benutzt Ovidstellen in einer Vielzahl von Zusammenhängen. Dabei berührt er nicht nur die Theologie, sondern auch die Anthropologie und Kosmologie.134 Sogar für die Eschatologie weiß unser Apologet sich ein Stück aus den Metamorphosen dienstbar zu machen: So zitiert er zweieinhalb Hexameter aus Ovid,135 um seine Lehre vom Jüngsten Gericht zu plausibilisieren. Nur geht es bei Ovid im Gegensatz zu Lactanz nicht um postmortale Vergeltung, sondern um die in der Antike geläufige Ermahnung, daß man niemanden zu Lebzeiten glücklich preisen solle.136 In der Schrift De ira dei postuliert Lactanz offenbar einen sibyllinischen Einfluß auf Ovid.137 Damit würde Ovid in dieser Hinsicht mit Vergil auf eine Stufe gestellt.
132 Allgemein zum lactanzischen Verhältnis zu Ovid vgl. Pichon 1901, 243f., Alfonsi 1960, passim; Meßmer 1974, 126-130; Goulon 1978, 122f.; Le Bonniec 1986, passim. 133 Le Bonniec 1986, passim. 134 So behandelt Lactanz etwa den Euhemerismus, das Fest Floralia, die Geschichte von Vesta und dem Esel, das Goldene Zeitalter, die Welterschaffung und den status rectus (vgl. dazu Le Bonniec 1986, passim). 135 Ira 20,2: ›sed scilicet ultima semper/ exspectanda dies homini dicique beatus/ ante obitum nemo supremaque funera debet‹ (~ Ov. met. 3,135-137). 136 Vgl. Le Bonniec 1986, 81. 137 Ira 23,6: unde aput Nasonem de Iove ita dicitur:... [Lactanz zitiert Ov. met. 1,256-258].
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Der dritte von Lactanz außerordentlich häufig zitierte Dichter ist Lucrez.138 Unser Autor zitiert außer Vergil keinen Dichter häufiger als den epikureischen Lehrdichter. Dabei hebt er hervor, daß Lucrez gleichzeitig zu den Dichtern und zu den Philosophen zu zählen ist.139 Wie im Falle von Vergil und Ovid finden sich auch im Falle von Lucrez Beispiele sowohl für die vereinnahmende als auch für die ausgrenzende Argumentationsstrategie. Ähnlich wie Vergil und Ovid wird auch Lucrez von Lactanz häufig umgedeutet beziehungsweise ›falsch‹ verstanden. Wir sahen bereits, daß unser Autor an exponierter Stelle, am Schluß des letzten Buches der Divinae institutiones, mehrere Verse eines lucrezischen Epikurpreises auf Christus überträgt.140 Außerdem weisen auch die düsteren Schilderungen der Erlösungsbedürftigkeit der Nichtchristen auf Lucrez hin:141 Lactanz will offenbar als Christ gegenüber den Nichtchristen gerade den Anspruch einlösen, den Lucrez für die epikureische Lehre – nach lactanzischer Auffassung ungerechtfertigterweise – erhoben hat. Vergil, Ovid und Lucrez stechen auch dadurch hervor, daß Lactanz ihre Texte häufig zitiert, ohne den Namen der Verfasser zu erwähnen. Damit setzt er ihre Kenntnis bei seinem Publikum voraus und bringt im Rahmen einer impliziten captatio benevolentiae die hohe Meinung, die er von dem Bildungsstand des Lesers hat, zum Ausdruck. Daneben zitiert er zahlreiche weitere lateinische Dichter.142 Als ältesten Dichter bezeichnet er Orpheus, den er als Zeugen für die Einheit Gottes in Anspruch nimmt.143 Homer hat nach lactanzischer Auffas138 Allgemein zum lactanzischen Verhältnis zu Lucrez vgl. Pichon 1901, 237-239; Goulon 1999, passim. 139 Inst. 2,3,10; in dieser Hinsicht wird Lucrez mit Empedokles verglichen in inst. 2,12,4. 140 Vgl. inst. 7,27,6 und dazu oben den Abschnitt 3.2.3.1. 141 Meßmer 1974, 120f. 142 So beispielsweise Catull (vgl. inst. 6,13,11 und Catull. 115,3); Ennius (vgl. Pichon 1901, 235f.; Meßmer 1974, 116); Horaz (vgl. Pichon 1901, 242f.; Henke 2002, 173f.); Juvenal (vgl. inst. 3,29,17 und Iuv. 10,365f.); Lucan (vgl. Pichon 1901, 245 A. 2; Meßmer 1974, 130f.; Brena 1999, 296-299, der die Tatsache, daß Lactanz inst. 1,21,20 einen Ovidvers [met. 9,693] als Lucanvers ausgibt, dadurch erklärt, daß in der Erinnerung des Lactanz oder in dem Text der Lactanz vorliegenden Ausgabe der Ovidvers als Randglosse in den Text eingedrungen sei); Lucilius (vgl. Pichon 1901, 236f.; Meßmer 1974, 117f.; Scholz 2002, passim); Persius (vgl. Pichon 1901, 244f.; Meßmer 1974, 131); Plautus (vgl. Pichon 1901, 237; Meßmer 1974, 116); Properz (vgl. inst. 2,6,14 und Prop. 4,1,11-14 und dazu Loi 1965, 76) und Terenz (Meßmer 1974, 116f.). 143 Vgl. inst. 1,5,4. 14; epit. 3,3. Wahrscheinlich bezieht er sich dabei auf das sogenannte Testament des Orpheus, eine jüdische ›Fälschung‹. Während etwa Clemens Alexandrinus (protr. 74,3) und der Verfasser der Cohortatio ad Graecos (14f.) explizit zwischen polytheistischen und monotheistischen Schriften des Orpheus unterscheiden und zu erklären versuchen (etwa durch die Vorstellung einer monotheistischen Palinodie des Orpheus), wird diese Problematik bei Lactanz nicht eigens thematisiert: Außer an der oben angegebenen Stelle beruft sich Lactanz noch einmal (inst. 1,13,11) in einem vereinnahmenden Argumentionszusammenhang auf Orpheus, um zu zeigen, daß auch der Gott Saturn in Wahrheit ein Mensch (gewesen) ist. Seine übrigen Angaben über
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sung nichts, Hesiod Falsches zur Gotteserkenntnis beigetragen.144 Von den griechischen Dramatikern bringt Lactanz einen – sonst nicht überlieferten – Euripidesvers.145 Wenn Lactanz am Ende seiner Bestandsaufnahme unter den Dichtern also nur noch Orpheus und die römischen Dichter erwähnt, dann bringt er gerade diejenigen Dichter wieder in Erinnerung, die er in seinem Werk besonders häufig in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang heranzieht. 3.2.5 Schluß Die theoretischen Aussagen des Lactanz über die Dichter betreffen, wie wir sahen, insbesondere zwei Themen: erstens die apologetische Strategie und zweitens die Poetologie, welche die apologetische Strategie stützt. Lactanz ordnet seine Dichterzitate einer apologetischen Strategie zu, die außerchristliche Texte nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Mittel zum Zweck verwendet. Die Glaubwürdigkeit beim – insbesondere nichtchristlichen – Leser ist für Lactanz ausschlaggebend, nicht der tatsächliche normative Wert der Dichtertexte, den unser Autor insgesamt sehr gering einschätzt. Lactanz besteht stets auf einem prinzipiellen Unterschied zwischen der nicht inspirierten klassischen Dichtung und den inspirierten biblischen Texten. Um Teile der klassischen Dichtung trotzdem für seine Argumentation nutzen zu können, entwickelt Lactanz eine komplexe poetologische Konzeption. Diese betont einerseits die Nähe, andererseits aber auch die prinzipielle Differenz von klassischer Dichtung und biblischer Offenbarung. Die Texte der klassischen Dichtung spiegeln nach lactanzischer Auffassung die biblische Offenbarung wieder, aber nur in einer quantitativ und qualitativ mangelhaften Weise: Die quantitative Beeinträchtigung ergibt sich daraus, daß jeweils nur Teile der Texte auf Inhalte biblischer Offenbarung hindeuOrpheus zeigen Differenzen zwischen der orphischen und der lactanzischen Gottesvorstellung auf: inst. 1,7,7 (Existenz von 365 Göttern); inst. 1,22,15 (Einführung der sacra Liberi patris durch Orpheus in Griechenland); inst. 4,8,4 (Zweigeschlechtlichkeit Gottes). Vgl. auch Bender 1983, 181183. 144 Hier liegt ein auffälliger Kontrast zu der mit Lactanz zeitgenössischen griechischen Cohortatio ad Graecos vor, in der Homer ausgiebig zitiert wird, und zwar nicht nur als Kronzeuge zur Diskreditierung der von ihm besungenen Götter, sondern auch positiv zur Bezeugung der Einheit Gottes (vgl. 17,1f.). Insofern kann man fragen, ob die Tatsache, daß Lactanz Homer so leicht abtut, weniger mit seiner persönlichen Einschätzung des Homer zu tun hat als vielmehr damit, daß er als lateinischer Rhetorikprofessor sich nicht der Aufgabe gewachsen fühlte, Homer ebenso effizient und filigran für seine Zwecke zu instrumentalisieren wie er als Vergilkenner den römischen Nationaldichter instrumentalisieren konnte. 145 Lactanz bietet lediglich eine lateinische Übersetzung (inst. 5,15,11 = TGF frg. 1118 Kannicht).
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ten. Die qualitative Beeinträchtigung ergibt sich aus einer doppelten Codierung der Texte, die den ›ursprünglichen‹ Sinn der biblischen Offenbarung weitestgehend verdorben, entstellt und verfälscht hat. Das Schaubild »Codierung und Decodierung poetischer Texte nach lactanzischer Auffassung« am Ende dieses Kapitels stellt diese doppelte Codierung dar: Die erste146 Codierung erfolgte demnach durch die unabsichtliche und unzuverlässige mündliche Überlieferung biblischer Inhalte. Diese durchliefen auf den zahlreichen Stationen ihrer Überlieferung zahlreiche Veränderungen, Ergänzungen und Mißverständnisse und gelangten erst in dieser entstellten Form zu den Dichtern – beziehungsweise zu den Quellen, aus denen die Dichter schöpften. Die zweite Codierung erfolgte nach lactanzischer Konzeption absichtlich, und zwar durch die spezifisch poetische Darstellungsweise. Aufgabe des Lesers klassischer Dichtung ist es demnach, die codierten poetischen Texte zu decodieren und so auf den wahren – nach lactanzischer Auffassung christlichen – Kern vieler ihrer Aussagen zu kommen. Dadurch, daß Lactanz die erste Codierung, die Rezeption biblischer Lehre, als unabsichtlich auffaßt und die zweite Codierung, die poetische Darstellungsweise, so eng mit literaturwissenschaftlichen Überlegungen der Antike verbindet, vermochte er mit seiner Poetologie vielleicht seriöser zu erscheinen als seine apologetischen Vorgänger. Er bietet eine quasirationale Rechtfertigung für eine sehr weitgehende Allegorese einzelner Ausschnitte klassischer Dichtung. Andererseits wahrt er durch das Konzept einer doppelten Codierung aber auch den prinzipiellen normativen Unterschied zwischen klassischer Dichtung und biblischer Offenbarung. Obwohl die lactanzische Hermeneutik des Alten Testaments teilweise Übereinstimmungen mit seiner Hermeneutik der klassischen Dichtung aufweist, läßt er nie einen Zweifel daran, daß er beide durch eine unüberwindliche kategoriale Differenz getrennt sieht. Das Spannungsverhältnis, das sich daraus ergibt, daß Lactanz Altes Testament und klassische Dichtung von seiner Hermeneutik her recht ähnlich, von seiner Zuschreibung normativer Autorität her aber so unterschiedlich behandelt, wird von unserem Autor nicht thematisiert. Darüber hinaus findet sich bei Lactanz aber auch schon der Gedanke einer dauerhaften Umorientierung der Dichtung auf das Lob des christlichen Gottes. Bei seinem Umgang mit den Dichtern greift Lactanz zu verschiedenen Techniken: Teils begnügt er sich damit, Verse in Prosa umzuarbeiten und so möglicherweise zu ›entschärfen‹, teils beläßt er die Verse in gebundener Rede, nimmt aber diskrete – oder weniger diskrete – Modifikationen im 146 An einer einzigen Stelle (inst. 7,24,9) weist Lactanz auf eine Differenz zwischen biblischen Texten und göttlicher Offenbarung hin, und zwar in einem Einzelfall: Die Propheten hätten die glückselige Endzeit fälschlich der Vergangenheit zugeordnet.
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Text vor, teils deutet er die Texte tiefgreifend um. In diesem letzteren Fall verzichtet er häufig, aber nicht immer auf Eingriffe in die von ihm zitierten Texte. Der lactanzische Umgang mit den Dichtern weist zwar einige Parallelen zu seiner Behandlung des Alten Testamentes auf, dennoch bleibt eine kategoriale Differenz: Im Gegensatz zu den alttestamentlichen Propheten sind die Dichtertexte nach lactanzischer Auffassung nicht geoffenbart, sie bieten vielmehr neben vielen ›wahren‹ auch viele ›falsche‹ Informationen, und sie sind anders als das Alte Testament auch insofern nicht Teil der göttlichen Heilsgeschichte, als sie nicht von Anfang an zur christlichen Entschlüsselung bestimmt waren. Hinsichtlich des lactanzischen Umgangs mit den Dichtern sollte man daher eine typologische Zusammenhänge nahelegende Begrifflichkeit vermeiden und stattdessen von Allegorese sprechen. Auch der Umgang des Lactanz mit den einzelnen Dichtern bestätigt unsere These von der kategorialen Differenz zwischen Propheten und Dichtern. Das gilt sogar hinsichtlich des von Lactanz am meisten geschätzten Dichters: Vergil. In scharfem Gegensatz etwa zu Kaiser Konstantin billigt unser Autor nämlich der vierten Ekloge keineswegs einen prophetischen Rang zu. Lactanz war also kein willenloses Opfer in den Fängen berückender Dichtung. Für das Paradigma einer Synthese von Christentum und Antike – beziehungsweise hier Altem Testament und klassischer Dichtung – läßt er sich nicht vereinnahmen. Stattdessen konnten wir auf Schritt und Tritt eine absichtsvolle Instrumentalisierung und Umdeutung beobachten, die den von Lactanz für das Christentum erhobenen Überlegenheitsanspruch über die antike Kultur illustriert.
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Codierung und Decodierung von Teilen poetischer Texte nach Lactanz
Zahlreiche Veränderungen, Ergänzungen, Mißverständnisse148
Zweite Codierung
QUELLEN DER DICHTER
Poetische Darstellungsweise149
TEILE POETISCHER TEXTE
GÖTTLICHE OFFENBARUNG / BIBLISCHE TEXTE147
Erste Codierung
Lactanzische Interpretation
147 Zu ihrem Verständnis ist die Zugehörigkeit zum Christentum erforderlich (inst. 5,3,17), ansonsten können sie missverständlich sein, vgl. inst. 4,17,9-13 (typologischer Bezug von Jesus Sohn des Nun auf Jesus Christus); inst. 4,17,14-21 (übertragener Sinn des jüdischen Gesetzes, besonders von Beschneidung und Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch), inst. 7,24,9. An einer einzigen Stelle (inst. 7,24,9) weist Lactanz auf eine Differenz zwischen biblischen Texten und göttlicher Offenbarung hin, und zwar in einem Einzelfall: Die Propheten hätten die glückselige Endzeit fälschlich der Vergangenheit zugeordnet. 148 Vgl. inst. 2,10,5f.; 7,22,1-6. 149 Vgl. inst. 1,11,23f. 30. 34; epit. 11f.
3.3 Zum Stellenwert der Philosophen 3.3.1 Einleitung Theologie als diskursive Reflexion über Religion fand in der Antike im Rahmen von Philosophie statt. Nicht umsonst unterscheidet etwa das antike Konzept der theologia tripertita auch eine eigene philosophische Dimension neben der dichterisch-mythologischen und der staatlichen.1 Der philosophische Diskurs spielt daher für die Art und Weise, wie die gebildeten Menschen der Antike Religion wahrnahmen und religiöse Vorstellungen entwickelten, neben anderen Faktoren eine große Rolle. Wer in die Diskussion über Religion wirksam eingreifen wollte, tat daher gut daran zu zeigen, daß er die etablierten Philosophen, Philosopheme und Argumentationsmuster kannte und in seinem Sinne ins Feld zu führen wußte. Mit einer entsprechenden Erwartungshaltung sahen sich auch die jüdischen und christlichen Apologeten konfrontiert. Dabei greift bereits die jüdische Apologetik auf den sogenannten Altersbeweis2 zurück: Selbst die älteste griechische Philosophie, so suchte man es darzustellen, sei von Moses beziehungsweise den Juden abhängig.3 Damit wurde eine partielle Übereinstimmung griechischer Weisheit mit jüdischer zugegeben. Gleichzeitig ließ man aber auch keinen Zweifel daran, daß die jüdische Weisheit chronologische – und damit auch normative – Priorität genieße. Die Christen4 setzen diese apologetische Tradition fort. Das schließt freilich nicht aus, daß unterschiedliche apologetische Schriften unterschiedliche Schwerpunkte setzen: So polemisiert etwa Tatian mit beißendem Spott gegen die griechische Kultur. Andererseits faßt beispielsweise Justin den Begriff »Christen« sehr weit5 und Clemens von Alexandrien erscheint häufig aufgeschlossen gegenüber der paganen Philosophie. Letztlich benutzen aber auch diese wie die übrigen Kirchenväter ein Nebeneinander von vereinnahmender und ausgrenzender Argumentationsform, um ihrem grundsätzlichen An-
1 Einen Überblick über dieses Konzept bietet Lieberg 1982, passim. 2 Vgl. dazu Pilhofer 1990, passim; zum Hintergrund dieser Argumentationsfigur in der griechischen und lateinischen Literatur vgl. bes. S. 26-141. 3 Vgl. Aristob. ap. Clem. Al. strom. 1,150,1; Ios. c. Ap. 1,162-165; 2,167f. 257. Vgl. zum Altersbeweis in der jüdisch-hellenistischen Literatur allgemein Pilhofer 1990, 143-220. 4 Vgl. dazu Görgemanns: Historisches Wörterbuch der Philosophie 7 (1989), 616-623 s.v. Philosophie II A Griechische Patristik und Wlosok: Historisches Wörterbuch der Philosophie 7 (1989), 626-630 s.v. Philosophie II C Lateinische Patristik. 5 Vgl. Just. Mart. apol. 7,3; 46,3f.
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spruch auf Überlegenheit6 des Christentums gegenüber der paganen Philosophie Ausdruck zu verleihen.7 Welche Bedeutung Lactanz selbst der Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie beimißt, macht er an verschiedenen Stellen deutlich: Bereits in den ersten Sätzen der Divinae institutiones ist von den Philosophen die Rede.8 Die Philosophen sind außerdem die einzige Testimoniengruppe, der Lactanz ein eigenes Buch in den Divinae institutiones – nämlich das dritte mit dem Titel De falsa sapientia – widmet. Und schließlich sagt Lactanz selbst, daß er mit den Divinae institutiones unter anderem auch auf die Schriften eines Philosophen reagiert, der das Christentum angegriffen hatte.9 Um so erstaunlicher schien es, daß Lactanz auf aktuelle philosophische Entwicklungen wie etwa den Neuplatonismus offenkundig überhaupt nicht einging und sich stattdessen mit früheren Philosophen und ihren Lehren auseinandersetzte, selbst dann, wenn sie zu seiner Zeit bereits aus der Mode gekommen waren. Dieser Befund hat sogar zu der These geführt, die lactanzische Auseinandersetzung mit paganer Philosophie sei nicht mehr als ein rhetorisches Scheingefecht in der Tradition der Zweiten Sophistik.10 Dagegen lassen sich verschiedene Einwände geltend machen: So erklärt Lactanz, daß die Lehre Epikurs sich schon immer größter Beliebtheit erfreut habe und impliziert damit, daß sie auch zu seiner Zeit noch en vogue sei.11 Auch die Beschäftigung mit anderen Philosophen wie etwa Platon erscheint nicht unmotiviert: Denn zum einen hat Platon auch außerhalb des Neuplatonismus noch eine bedeutende Rolle im philosophischen Diskurs und im Bildungswesen zur Zeit des Lactanz gespielt. Zum anderen bean6 Vgl. Just. Mart. apol. 44,8-10; 59f.; Tatian orat. 2f.; 19,1f.; Theophil. ad Autol. 1,14,2; Clem. Al. Strom. 1,28,1; 1,81,4; 1,150,1; 5,99,3; 6,55,3f. (vgl. auch Gnilka 1984, 52f.); Tert. apol. 47,2-4; nat. 2,2,5; Min. Fel. 34,5. 7 Zum Altersbeweis bei christlichen Apologeten bis Minucius Felix vgl. Pilhofer 1990, 221-284. 289-292. 8 Vgl. inst. 1,1,1-5. 9 Vgl. inst. 5,2,2-11; 5,4,1. Dieser Philosoph wird in der neueren Forschung gerne mit Porphyrios identifiziert, so von Chadwick 1959, 142f.; Wilken 1984, 134-137; Pirioni 1985, passim; Beatrice 1993, passim; Digeser 1998, passim; 2000, 5f.; 2001, 522 (dies schon die Auffassung von Cesare Baronio im ausgehenden 16. Jahrhundert, vgl. Beatrice 1993, 33); Fiedrowicz 2001, 72. Barnes 2001, 158 interpretiert inst. 5,2,9 dahingehend, daß der fragliche Philosoph physisch blind gewesen sein müsse und daher nicht Porphyrios gewesen sein könne. Aber es spricht nichts dagegen, die Lactanzstelle bildlich im Sinne einer geistigen Blindheit aufzufassen, wie sie die Apologeten gerne ihren Gegnern vorwerfen. Vielmehr sprechen die zwei folgenden parallel konstruierten Phrasen (reducturum... eruditurum... ) für die bildliche Auffassung. Abgesehen davon ist Barnes insofern zuzustimmen, als die Identifikation des von Lactanz genannten Philosophen spekulativer Natur ist; Zweifel an dieser Identifikation legt auch Riedweg 2005, 155-158 dar. 10 Vgl. Casey 1972, 231; 1971-1980, 219. 11 Inst. 3,17,2 und dazu Ferguson 1990, 2313; Althoff 1999, 44. 51. Freilich bringt Lactanz damit möglicherweise auch nur ein weiteres Mal seine Ansicht zum Ausdruck, daß die gesamte nichtchristliche Menschheit moralisch verkommen sei.
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spruchte gerade der Neuplatonismus, die Texte Platons vollgültig zu interpretieren. Daher erlaubte es die Auseinandersetzung mit den Texten des Platon, dem etwa bei Porphyrios durchaus gegen das Christentum gerichteten Neuplatonismus gewissermaßen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Vor dem Hintergrund der antiken Auffassung, daß ein höheres Alter auch eine größere Nähe zur Wahrheit bedeute, konnte Lactanz durch Auseinandersetzung mit alten und etablierten philosophischen Lehren zweierlei zeigen: daß er die älteren und daher bedeutenderen philosophischen Lehren widerlegen oder für sich vereinnahmen konnte und daß er die jüngeren Entwicklungen der Philosophie wie den Neuplatonismus einer Auseinandersetzung gar nicht erst für würdig befand. Der häufig gegen das Christentum gerichtete Vorwurf der Neuheit und Neuerungssucht würde von Lactanz damit tendenziell auf den Neuplatonismus zurückgeworfen. Indem Lactanz den Gegner nicht einmal der Erwähnung für wert erachtet, verweigert er ihm einen Platz in dem von ihm geschaffenen Diskurs und disqualifiziert ihn damit viel weitreichender, als wenn er ihn explizit angreifen würde. Dies alles bedeutet aber nicht, daß Lactanz die aktuellen Entwicklungen der zeitgenössischen Philosophie nicht zur Kenntnis genommen hätte. Vielmehr hat Elizabeth DePalma Digeser zeigen können, daß sich Lactanz sehr wohl gerade mit von Porphyrios aufgeworfenen Fragen befaßt: Das gilt insbesondere für die lactanzische Dämonologie, die Rolle, die unser Autor den Dichtern in diesem Zusammenhang zuweist, und die Bedeutung der öffentlichen Kulte.12 3.3.2 Forschungsstand Zahlreiche Beiträge, die sich mit der Frage beschäftigen, welchen Standpunkt Lactanz gegenüber den Philosophen einnimmt, betonen – sozusagen aus der Perspektive der antiken Philosophie heraus – vor allem die Differenz zwischen Lactanz und dem philosophischen Denken der Antike. Die Betrachtung aus einem solchen Blickwinkel sensibilisiert einerseits die For12 Vgl. Digeser 2001, passim. Allerdings kann ich nicht zustimmen, wenn dies. 2001, 528 schreibt: »Both [sc. Porphyry and Lactantius] agreed that poets and oracles could be divinely inspired.« Lactanz hielt vielmehr die Dichter für überhaupt nicht und die Orakel höchstens für dämonisch inspiriert, vgl. oben die Abschnitte 3.2.2 und 3.2.3 sowie unten die Abschnitte 3.5.4.3, 3.5.4.4, 3.6.3 und 3.7.2. Auch bei der Interpretation der – meist nur fragmentarisch erhaltenen – Texte des Porphyrius vermag ich ihr nicht immer zu folgen (vgl. dazu unten S. 235 Anm. 24). Andererseits läßt sich den von Digeser angeführten Stellen, an denen Lactanz sich indirekt mit Porphyrios auseinandersetzt, möglicherweise sein Rekurs auf die Gestaltlosigkeit Gottes in ira 2,5 hinzufügen, vgl. unten S. 261 mit Anm. 153.
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schenden für die Wahrnehmung des von Lactanz für das Christentum erhobenen Überlegenheitsanspruches und der daraus resultierenden christlichen Umdeutung beziehungsweise Instrumentalisierung philosophischer Texte und Gedanken.13 Andererseits kann das Ausgehen von der Philosophie auch dazu verführen, Konvergenzen als Abhängigkeit unseres Autors von antiker Philosophie aufzufassen: Man sieht eine – möglicherweise unbewußte – Beeinflussung des Lactanz durch philosophische Prätexte14 oder möchte lediglich eine Art biblischer Patina über Fragestellungen antiker Philosophie erkennen.15 Olaf Gigon konstatiert gar eine »Synthese eines Literaten, der weder Philosoph noch Theologe gewesen ist«, bei der wohl »weder die Philosophie noch das Christentum zu seinem Rechte« gekommen sei.16 Gerade auch in jüngster Zeit finden sich Beiträge, die davon ausgehen, daß Lactanz auf eine trennscharfe Unterscheidung zwischen christlicher Offenbarung und Philosophie verzichtet habe, darunter die beiden jüngst erschienenen Monographien zu Lactanz von Wolfram Winger und Elizabeth DePalma Digeser.17 Auf einer solchen trennscharfen Unterscheidung besteht dagegen Vinzenz Buchheit.18 Aber auch andere Beiträge betonen, daß Lactanz seine philosophischen Prätexte aufgrund des christlichen Überlegenheitsanspruches umgedeutet und instrumentalisiert hat. Ihre Ergebnisse sprechen gegen das Synthese-Paradigma, ohne daß die Verfasser diese Problematik und die daraus resultierende Forschungsdiskussion explizit thematisieren.19 Diese Auseinandersetzung um den Stellenwert der Philosophen bei Lactanz entzündet sich insbesondere an der folgenden Stelle des sechsten Buches der Divinae institutiones: In diesem Buch legt Lactanz einen christlichen Entwurf zur Ethik vor. Nach dem Proöm (inst. 6,1f.) , der Zwei-Wege-Lehre (inst. 6,3f.) und einer scharfen Kritik an paganen Tugendkonzeptionen (inst. 6,5-7) setzt Lactanz nun den christlichen, ›guten‹ Weg der Zwei-Wege-Lehre mit dem stoischen Naturgesetz gleich. Kurz bevor er zu diesem Zwecke ein explizites – anderweitig nicht überliefertes – Cicerozitat anführt, erklärt er: 13 Vgl. etwa Harloff 1911; Lausberg 1975; Gigon 1979; Ranchina 1985; Althoff 1999. 14 Vgl. Lausberg 1975, 31f. 34. 15 So Ranchina 1985, 175. 179: »patina biblica«. 16 Gigon 1979, 213. 17 Winger 1999; Digeser 2000; Garnsey 2002, 167 A. 58. Früher schon findet sich diese Richtung der Interpretation bei Pichon 1901, 246f. und Heck 1966, 90; 1978, 177 A. 17; 1988, 173. 18 Buchheit 1990, 358; 2002b, 309 (ohne auf Winger 1999 und Digeser 2000 Bezug zu nehmen). So auch Buchheits Schüler Bender 1983, 203. 19 Vgl. Becker: RAC 3 (1957), 106-112 s.v. Cicero; Lausberg 1975; Perrin 1978; Roots 1987; LoCicero 1991a; Ingremeau 1996; Greer 1998; Althoff 1999, Goulon 2003 (insbes. 21f. zu der Angewohnheit des Lactanz zu psychologisieren, um seine häufig tendenziöse Interpretation philosophischer Ideen zu plausibilisieren).
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inst. 6,8,6: suscipienda igitur dei lex est, quae nos ad hoc iter dirigat – illa sancta, illa caelestis, quam Marcus Tullius in libro de re publica tertio paene divina voce depinxit...
Man muß also das Gesetz Gottes annehmen, das uns auf diesen Weg lenkt – jenes heilige, jenes himmlische, welches im dritten Buch De re publica Marcus Tullius mit fast göttlicher Stimme abgebildet hat...
Hier wird nun der Ausdruck paene divina voce äußerst kontrovers diskutiert: Ein Teil der Forschung – darunter die Verfasser der letzten beiden größeren Monographien über Lactanz – übergeht das Wörtchen paene in der Interpretation ganz oder teilweise: So meint Eberhard Heck, mit paene divina voce werde »exactement l’inspiration par Dieu«20 zum Ausdruck gebracht. Gegen Eberhard Heck wendet sich Vinzenz Buchheit, der an dem Wort paene in der Bedeutung »fast, beinahe« festhält.21 Alain Goulon suchte noch 1994 die Wogen der Auseinandersetzung um inst. 6,8,6 mit der Einschätzung zu glätten, niemand habe den Unterschied zwischen biblischer Offenbarung und paganen Texten wirklich in Frage stellen wollen.22 Aber auch die aktuelle Forschungsdiskussion scheint dazu zu neigen, den kategorialen Unterschied zwischen biblischer Offenbarung und paganen Texten, den Lactanz macht, zu verwischen: Wolfram Winger schreibt: »So kommt LACTANZ dazu, vorausgehende wissenschaftliche Leistungen anzuerkennen. Er mißt ihnen teilweise (paene) gar Offenbarungsartigkeit zu (6,8,6).«23 Elizabeth DePalma Digeser ist der Auffassung, Lactanz habe Cicero für einen »man inspired by God«24 gehalten und verweist dafür auf inst. 6,8,6-12.25 Wie betörend das Synthese-Paradigma wirken kann, läßt 20 Heck 1978, 177 A. 17, ähnlich ders. 1966, 90; 1988, 173. 21 Buchheit 1990, 358; 2002b, 309 (ohne auf Winger 1999 und Digeser 2000 Bezug zunehmen); auch Greer 1998, 167 übersetzt paene divina voce mit »with ›almost a divine voice‹«. 22 Vgl. Goulon 1994, 35. Ders. 2001, 22 formuliert allerdings selbst ambivalent: »Rien d’étonnant, après cela, s’il arrive que, souvenir des temps anciens ou inspiration divine, des poètes sans doute, mais aussi des philosophes, apparaissent remplir une mission prophétique.« 23 Winger 1999, 37. 24 Digeser 2000, 87. Ähnlich Garnsey 2002, 167 A. 58: »Cicero divinely inspired«. 25 In der Tat scheint ein Satz in inst. 6,8,10 für die Auffassung der amerikanischen Forscherin zu sprechen. Lactanz schreibt dort: ego vero eos qui vera inprudentes loquuntur sic habendos puto, tamquam divinent spiritu aliquo instincti. Gleich im nächsten Satz (inst. 6,8,11) aber schärft unser Autor sofort wieder ein, daß Cicero den Philosophen und nicht den Propheten zuzuordnen ist und betont damit diese kategoriale Unterscheidung: quodsi ut legis sanctae vim rationemque pervidit, ita illut quoque scisset aut explicasset, in quibus praeceptis lex ipsa consisteret, non philosophi functus fuisset officio, sed prophetae. Und wie um ganz sicher zu gehen, weist Lactanz sogar eigens noch einmal darauf hin, daß das göttliche Gesetz dem Cicero von Gott eben nicht offenbart worden ist (inst. 6,8,12): quod quia facere ille [sc. Cicero] non poterat, nobis faciendum est, quibus ipsa lex tradita est ab illo uno magistro et imperatore omnium deo.
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sich auch daraus ersehen, daß sowohl Wolfram Winger als auch Elizabeth DePalma Digeser den Ausdruck paene divina voce an anderen Stellen ihrer Schriften anders, nämlich unter Wahrung des paene in der gewöhnlichen Bedeutung »fast, beinahe«, wiedergeben und sich so in Widersprüche verwickeln: Obwohl Wolfram Winger das Wörtchen paene sonst mit »beinahe« übersetzt,26 spricht er auf S. 37 stattdessen von »teilweise«. Er impliziert damit an dieser Stelle, daß Lactanz zumindest Teile der Texte Ciceros für göttlich offenbart hielt und geht an der Bedeutung des lateinischen Wortes paene vorbei.27 Die sonst von ihm gebotene gewöhnliche Übersetzung von paene mit »beinahe« bringt dagegen neben der Nähe auch die Differenz der Texte Ciceros gegenüber der göttlichen Offenbarung deutlich zum Ausdruck. Elizabeth DePalma Digeser übersetzt noch auf derselben Seite,28 auf der sie Cicero als »man inspired by God« bezeichnet, die Worte paene divina voce – meines Erachtens zutreffend – mit »with a voice almost heavenly«. Die erbittert geführte Diskussion um das Wörtchen paene und den angeblichen Status Ciceros als eines Propheten beziehungsweise Trägers göttlicher Offenbarung ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Virulenz des Synthese-Paradigmas in der Lactanzforschung. 3.3.3 Theoretische Aussagen Die Aussagen, mit denen Lactanz die Philosophen allgemein und theoretisch charakterisiert, führen uns auf Denkfiguren zurück, die uns aus dem Kapitel 2.2 wohlbekannt sind: Betont wird sowohl die Nähe als auch die Differenz der Philosophen zur mit der christlichen Lehre gleichgesetzten Wahrheit.29 Nach lactanzischer Auffassung haben die Philosophen – wie die Dichter auch – nach der Wahrheit gesucht, aber später gelebt als diese (inst. 5,5,1). Wie die Dichter können sie aufgrund der selbständigen Wirkkraft der Wahrheit zu einer – allerdings nur unvollständigen – Teilhabe an der Wahrheit gelangen. Die Grenze dieser Partizipation sieht Lactanz im wesentlichen darin, daß die Philosophen zwar Falsches widerlegen, nicht aber
26 Winger 1999, 200. 416. 27 Vgl. Thome, Gabriele: ThLL X,1,1 (1982) 40,75-50,31 s.v. paene. Am nächsten käme der Bedeutung »teilweise« vielleicht noch die dort unter ebd. 43,67-70 erörterte Benutzung »de eis, quae fere semper fiunt« (ebd. 43,67) mit zwei späten Belegstellen: Pomp. gramm. V 232,32 und Cod. Iust. 8,17,12,2. Jedoch ist diese Benutzung erstes offenkundig spät und selten. Zweitens spricht auch die gesamte lactanzische Praxis bei der Charakterisierung nichtchristlicher ›Autoritäten‹ dagegen, vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.4. 28 Digeser 2000, 87. 29 Goulon 2001 listet methodologische Aussagen, die Lactanz über die Philosophen beziehungsweise seinen Umgang mit ihnen macht, auf und wertet sie aus.
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Wahres beweisen können.30 Selbst diese unvollkommenen Bruchstücke der Wahrheit werden den Philosophen nur durch Zufall (inst. 3,20,7) oder bloße Vermutung (inst. 3,27,1-3), nicht aber durch eigene Leistung zugänglich. Je nachdem, wie es seine Argumentation gerade erfordert, gibt Lactanz den Philosophen den Vorzug gegenüber den Dichtern oder umgekehrt. Allerdings entscheidet er sich seltener für die Philosophen als für die Dichter, und da, wo er den Philosophen anstatt den Dichtern folgt, beruft er sich auf das Urteil Dritter.31 Daraus folgt freilich sicherlich keine absolute normative Abwertung der Philosophie gegenüber den Dichtern. Denn in einigen Fällen verschmäht Lactanz die Aussagen der Dichter zugunsten derer der Philosophen. Trotzdem impliziert Lactanz eine gewisse Inferiorität der Philosophen gegenüber den Dichtern. Während er den Dichtern einen Zugang zu einer – wenn auch vielfach verderbten und entstellten – Tradition des Alten Testaments zubilligt, spricht er ihn den Philosophen ausdrücklich ab: Denn diese hatten seiner Ansicht nach überhaupt keinen Zugang zu den Offenbarungen des Alten Testaments: Selbst die berühmtesten Philosophen – wie Pythagoras und Platon – seien auf ihren ausgedehnten Reisen32 wohl nach Ägypten, nicht aber zu den Juden gelangt. Damit bricht Lactanz mit einer apologetischen Tradition, welche die von ihr gebilligten philosophischen Lehren als Ergebnisse eines Diebstahls alttestamentarischer Weisheit ansah.33 Lactanz geht sogar noch einen Schritt weiter: Er macht die göttliche Providenz dafür verantwortlich, daß die Philosophen nicht mit der alttestamentarischen Weisheit in Kontakt kamen.34 Im Rahmen der lactanzischen Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Philosophen sind drei Aspekte besonders markant. Erstens die normative Bedeutungslosigkeit der Philosophie aus christlicher Sicht: Hinsichtlich ihrer Kenntnis alttestamentarischer Inhalte steht die Philosophie sogar noch hinter der Dichtung zurück. Zweitens dürfte die lactanzische Position vielen Skeptikern glaubwürdiger erschienen sein als die vorher in der Apologetik gepflegte Vorstellung, die bedeutendsten Philosophen hätten biblische Inhalte als wahr anerkannt, heimtückisch gestohlen und dann als eigene Einsichten dargestellt. Drittens gibt sich Lactanz konziliant: Obwohl er das vollständige Scheitern der Philosophie proklamiert, hebt er an exponier30 Vgl. inst. 2,3,23f. und (in Bezug auf die Menschen allgemein) ira 11,10. 31 Vgl. zum Vorrang der Dichter inst. 1,11,22-25. 36f.; 6,3,9f.; höheres Alter der Dichter: inst. 5,5,1; 7,22,2; zum Vorrang der Philosophen inst. 1,5,15; epit. 4,1 und zu diesen Stellen Bender 1983, 194; Goulon 1994, 33. 32 Vgl. inst. 4,2,4 und Dörrie 1973, passim. 33 Zur Diebstahlsthese, die sich auch schon in der jüdischen Apologetik findet (vgl. ZeegersVan den Vorst 1972, 180f.), vgl. die Stellenangaben bei Goulon 1978, 150, A. 190f. 34 Vgl. inst. 4,2,3-5 und dazu Buchheit 1979a, 165f.; 1990, 366f.; 2002a, 115; 2002b, 308.
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ter Stelle, nämlich im Proöm des ersten Buches der Divinae institutiones, den ›guten Willen‹ der Philosophen hervor.35 Auch würdigt er die Philosophen dadurch, daß er schreibt, sie hätten es verdient, die von ihnen gesuchte Wahrheit zu finden.36 Indem Lactanz die göttliche Providenz ins Spiel bringt (inst. 4,2,5), entschuldigt er sogar bis zu einem gewissen Grad das Scheitern der Philosophen. Anstatt vom Alten Testament leitet Lactanz bestimmte von ihm gebilligte Ansichten der Philosophen vielmehr von Hermes Trismegistos her und damit von einer Autorität, die bei vielen der zeitgenössischen Philosophen sehr großes Ansehen genoß.37 Neben diesen offenkundig protreptisch bedingten38 Aussagen übt Lactanz aber auch harsche Kritik an der Philosophie. Das trifft in besonderem Maße für das dritte Buch der Divinae institutiones zu, in dem unser Autor die Philosophie als gefährliche Konkurrentin des Christentums bekämpft. Vier Hauptkritikpunkte seien im folgenden kurz angesprochen: erstens der Name der Philosophie, der bereits selbst von ihrer Nichtigkeit zeuge, zweitens die falsche Methode der Philosophie, die jeglichen Erfolg unmöglich mache, drittens die fehlende ethisch-praktische Umsetzung der wenigen im Theoretischen gewonnenen zutreffenden Einsichten der Philosophie und viertens die zahlreichen Widersprüche sowohl innerhalb der einzelnen philosophischen Systeme als auch zwischen den einzelnen Systemen. Lactanz unterscheidet die Philosophie anhand ihrer Bezeichnung (ĴțȝȡIJȡĴտį) als bloßes Streben nach Weisheit von der tatsächlichen Weisheit (IJȡĴտį) selbst.39 Die Philosophie wird damit dem menschlichen Bereich zugeordnet, die Weisheit dagegen ist nach lactanzischer Auffassung göttlicher Provenienz und bedarf, um zum Menschen zu kommen, der Vermittlung Gottes. Nur das Streben nach Wahrheit sei schöpfungsbedingt, der Erfolg dieses Strebens aber davon abhängig, daß man wisse, was wahr sei (!), sowie, wie und mit welcher Absicht man suche.40 Im Zuge einer ausgrenzend35 Vgl. inst. 1,1,1f. 36 Vgl. inst. 1,1,3: erant illi quidem veritatis cognitione dignissimi, quoniam scire tantopere cupiverunt atque ita, ut eam rebus omnibus anteponerent. 37 Zum lactanzischen Verhältnis zur Hermetik vgl. das folgende Kapitel (3.4). 38 Vgl. inst. 1,5,2 und oben S. 72-74. 39 Vgl. inst. 3,2,2-10; inst. 3,16,10; vgl. auch Gigon 1979, 198f.; einige vorlactanzische Philosophiedefinitionen bei Riedweg 1994, 498. Für seine Definition der Philosophie beruft sich Lactanz auf Pythagoras (inst. 3,2,6). Heracleides Ponticus (fragm. 87 Wehrli) berichtet, daß Pythagoras das Wort »Philosophie« erfunden habe, vgl. Burkert 1960, passim, der darin eine Verfälschung pythagoreischer Ansichten erblickt. Im ursprünglichen Zusammenhang bei Herakleides (oder doch schon bei Pythagoras?) dürfte das Wort freilich weniger Selbstbescheidung als vielmehr Überbietung bezeichnet haben, vgl. Riedweg 2002, 128. 40 Vgl. inst. 3,1,7: neque ego nunc reprehendo eorum studium qui veritatem scire voluerunt, quia naturam hominis deus veri adipiscendi cupientissimam fecit, sed id arguo, id revinco, quod honestam illorum et optimam voluntatem non sit secutus effectus, quia neque quid esset verum ipsum sciebant neque quomodo aut ubi aut qua mente quaerendum; außerdem inst. 3,14,10, wo sa-
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polemischen Argumentationsstrategie kann Lactanz die Philosophie dann als bloßes — und fruchtloses — Streben nach Weisheit der von ihm beanspruchten tatsächlichen Weisheit gegenüberstellen.41 Philosophie als Streben nach Weisheit entlarvt sich in Lactanzens Augen geradezu als Beleg für die Unkenntnis tatsächlicher Weisheit, die mittels der Philosophie kompensiert werden solle (inst. 3,16,16f.). Philosophie erscheint damit bei Lactanz als eine Reaktion der Menschen auf ihr Bewußtsein, die Wahrheit nicht zu kennen. Außerdem beruhe ihre Methode nicht auf der Bibel (sacrae veritatis litterae), ihre Methode sei vielmehr die Disputation beziehungsweise der Diskurs (disserere), der im günstigsten Fall zu Zufallstreffern42 und unvollkommenen Erkenntnissen führe.43 Ja sie erweise sich sogar insofern als kontraproduktiv, als die Philosophie, das bloße Streben nach Weisheit, mit dem Besitz der tatsächlichen Wahrheit zu Unrecht gleichgesetzt werde. Lactanz stellt damit Philosophie als durch Unkenntnis der Bibel pervertiertes Weisheitsstreben dar.44 Darüber hinaus verfehle die Philosophie insbesondere auch das Ziel, die Menschen zu bessern und die von ihr propagierten ethischen Maßstäbe auch in die Tat umzusetzen.45 Besonders großen Wert legt Lactanz darauf, die Widersprüche zwischen den einzelnen philosophischen Schulen hervorzuheben und daraus auf die Nichtigkeit der gesamten Philosophie zu schließen. Er verwendet damit ein Mittel, das in der Antike äußerst beliebt war, um den Gegner zu desavoupientia – hier als Fähigkeit zur Erlangung der tatsächlichen Weisheit – unter die schöpfungsbedingten Gottesgaben gezählt wird. 41 In diesem Kontext gilt es allerdings zu beachten, daß Lactanz das Wort sapientia in (mindestens) fünf verschiedenen Bedeutungen gebraucht: 1. sapientia = doctrina caelestis (inst. 3,15,4; 3,26,1. 10f.; 3,30,7); 2. sapientia = Allwissenheit Gottes (vgl. dazu Loi 1970, 80f.); 3. sapientia = sapientia philosophorum = Weisheit der gebildeten Philosophen, die letztlich abgelehnt wird (inst. 3,26,12), 4. sapientia = sapientia communis, der auch beim ungebildeten Volk verbreitete ›gesunde Menschenverstand‹ (inst. 3,28,2), 5. sapientia als bloße Fähigkeit, der eigentlichen sapientia (im Sinne von 1.) teilhaftig zu werden (inst. 3,25,2). 42 Vgl. inst. 3,18,1: non scientia, sed casu inciderunt in veritatem. itaque in eo ipso quod recte sentiebant, aliquid errarunt; inst. 7,7,5; epit. 64,6: quoniam casu ad eam, non ratione pervenerat (vom Erkenntnisweg Platons). 43 Vgl. inst. 3,16,16f. und oben den Abschnitt 2.2.2.4. 44 Inst. 3,16,16f.: ... sed videlicet Graeci quia sacras veritatis litteras non attigerant, quemadmodum depravata esset sapientia nescierunt; et ideo cum vacare sapientia humanam vitam putarent, philosophiam commenti sunt id est latentem atque ignotam sibi veritatem disserendo eruere voluerunt: quod studium per ignorantiam veri sapientiam putaverunt; inst. 3,1,6 ... nec si philosophi doctrina litterarum mirabiles extiterunt, ego illis etiam scientiam veri cognitionemque concesserim, quam nemo cogitando aut disputando adsequi potest; inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus). 45 Inst. 3 passim, insbesondere inst. 3,13-16. Als weitere Stellen seien etwa inst. 5,14,6; 5,15,1; 5,17,4 genannt.
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ieren,46 und auch von den christlichen Apologeten immer wieder eingesetzt wurde.47 Lactanz tritt damit möglicherweise der Taktik von Christengegnern wie Kelsos und Porphyrios entgegen, die Widersprüche innerhalb der Bibel herausarbeiteten und auf diese Weise den normsetzenden Rang der Bibel zu unterminieren trachteten.48 In seinen theoretischen Aussagen über die Philosophen stellt Lactanz damit also fest, daß diese im Gegensatz zu den Dichtern keinen wie auch immer gearteten Kontakt zur biblischen Offenbarung hatten. Dafür macht Lactanz den göttlichen Heilsplan verantwortlich. Obwohl unser Autor den Philosophen an einigen Stellen guten Willen bescheinigt, steht es für ihn fest, daß sie wenn überhaupt nur unvollkommene Teilerkenntnisse gewonnen haben, die Wahrheit selbst ihnen aber – im Gegensatz zu den Christen – vorborgen blieb. Nur Falsches können die Philosophen widerlegen, aber nichts Wahres beweisen. In einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang weiß Lactanz die falsche Methode, vor allem aber die fehlende ethisch-praktische Umsetzung der ohnehin unvollkommenen Erkenntnisse sowie die horrende Widersprüchlichkeit der Philosophie immer wieder effektvoll in Szene zu setzen. 3.3.4 Praktischer Umgang 3.3.4.1 Vorbemerkungen In diesem Abschnitt werden wir uns hauptsächlich mit der lactanzischen Umdeutung philosophischer Prätexte beschäftigen. In diesem Zusammenhang werden wir uns freilich hüten müssen, jegliche Umdeutung vorschnell zum Ausgangspunkt allzu weitreichender Interpretationen zu nehmen: Natürlich bedingt jeder intertextuelle Bezug eine Neukontextualisierung und damit auch bis zu einem gewissen Grad eine Umdeutung des Prätextes. Dies trifft in besonders starkem Maße auch auf die philosophische Diskussion der Antike zu.49 Wenn wir also feststellen, daß Lactanz seine philosophischen Prätexte umdeutet, so ist mit diesem Befund allein noch nicht unbedingt bewiesen, daß unser Autor mit philosophischen Texten anders umgeht als etwa ein Platoniker mit seinem Platon. Dieser Unterschied ergibt sich allerdings in Verbindung mit den theoretischen und methodologischen Aussagen, die Lactanz über die Philosophen trifft. Daß Lactanz den paganen Verfassern seiner Prätexte wesentlich weni46 Vgl. Harloff 1911, 14f. 47 Vgl. Riedweg 1994, 109-115. 48 Vgl. etwa Porph. Chr. fr. 15 sowie Nestle 1941, 62. 49 Vgl. dazu Whittaker 1989, passim (ich danke Herrn Prof. Christoph Riedweg für diesen Literaturhinweis) und Runia 1997, passim.
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ger Autorität zubilligt als etwa die Anhänger der Platons ihrem Meister, dessen Werke sie bisweilen umdeuten, geht besonders deutlich daraus hervor, daß die Verfasser der von unserem Autor angeführten paganen Texte wie alle anderen Nichtchristen auch gemäß der lactanzischen Eschatologie der ewigen Verdammnis anheimfallen.50 Für unsere Fragestellung ist die Umdeutung philosophischer Prätexte bei Lactanz trotzdem relevant. Denn das Synthese-Paradigma legt die Frage nahe, ob Lactanz nicht vielleicht – im Gegensatz etwa zu Platonikern, die sich explizit zu Platon bekennen und seine Lehren implizit umdeuten oder sogar in ihr Gegenteil verkehren – seinerseits umgekehrt seine philosophischen Prätexte zwar explizit verurteilt, implizit aber weitgehend unverändert übernommen hat. Die explizite Verurteilung der Philosophen durch Lactanz wäre dann nichts weiter als eine Schutzbehauptung, die von einer faktischen Synthese ablenken sollte. Nehmen wir nun die von Lactanz im Zuge seiner Auseinandersetzung mit der Philosophie am häufigsten ins Felde geführten Texte in den Blick: Sie stammen von Cicero, Seneca und Lucrez. Griechische Philosophen treten demgegenüber zurück; ihre Ansichten werden vor allem aus Cicero, im Falle Epikurs auch häufig aus Lucrez belegt. Es verwundert nicht, daß die drei genannten philosophischen Hauptzeugen das Interesse der Lactanzforschung auf sich gezogen haben. Zu den wichtigsten Ergebnissen der einschlägigen Beiträge möchte ich im folgenden kurz Stellung nehmen: 3.4.4.2 Cicero Welche Rolle spielt Cicero für Lactanz? Schon das Urteil des Hieronymus betont die starke Nähe unseres Autors zu Cicero und impliziert damit, Lactanz sei aus christlicher Perspektive über das Niveau Ciceros nicht hinausgekommen.51 Hieronymus macht Lactanz sogar denselben Vorwurf, den dieser an die Philosophen richtet: nur Falsches widerlegen, aber nichts Wahres beweisen zu können.52 Dagegen führt Augustinus unseren Autor gerade als Musterbeispiel (!) für gelungenen christlichen Umgang mit paganen Kulturgütern an.53 Ähnlich disparat fällt die Bewertung auch am Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Lactanz vor gut 100 Jahren bei Réné Pichon aus: Der französische Forscher meint, Cicero sei für Lac50 Vor der ewigen Verdammung vermag allein die Zugehörigkeit zur christlichen Religion zu bewahren, vgl. unten die Abschnitte 4.1.5 und 4.2.4.3. 51 Vgl. Hier. epist. 70,5,2. 52 Hier. epist. 58,10,2: Lactantius, quasi quidam fluvius eloquentiae Tullianae, utinam tam nostra adfirmare potuisset, quam facile aliena destruxit! 53 Aug. doctr. chr. 2,146: nam quid aliud fecerunt multi boni fideles nostri? Nonne aspicimus quanto auro et argento et veste suffarcinatus exierit de Aegypto Cyprianus [...], quanto Lactantius ...?
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tanz wichtiger als die Bibel54 und spricht sogar vom »culte de Lactance pour Cicéron«.55 Andererseits weist er darauf hin, daß Lactanz in mehreren Punkten von Cicero abweicht und sogar Widersprüche in dessen Texten findet.56 Die kontroverse Diskussion über den Ausdruck paene divina voce (inst. 6,8,6) haben wir bereits oben besprochen. Sie zeigt, daß der Platz, den Cicero im Denken und Schreiben des Lactanz einnimmt, nach wie vor umstritten ist. Verschiedentlich ist angemerkt worden, daß sich Lactanz eher für den Philosophen Cicero interessiert als für den Advokaten oder Politiker Cicero.57 Sowohl Cicero als auch Lactanz sind als Eklektiker bezeichnet worden. Leider wird nicht immer betont, daß Lactanz nicht dasselbe Auswahlkriterium zugrundelegt wie Cicero: Im Mittelpunkt des ciceronianischen Denkens steht die res publica, im Mittelpunkt des lactanzischen Denkens dagegen der (christliche) Gott.58 Dementsprechend führt Lactanz Cicero, je nachdem, wie es sein aktuelles Argumentationsziel erfordert, sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang an: Neben enthusiastischem Lob und stillschweigender Korrektur findet sich auch harsche Kritik sowie die Bemängelung von Widersprüchen innerhalb der ciceronianischen Schriften.59 Unter den zahlreichen Fällen, in denen Lactanz bereits von Cicero angesprochene Frage- und Problemstellungen behandelt oder Zitate beziehungsweise Anspielungen auf Texte des Arpinaten sogar in seine Ausführungen integriert, ist besonders die stoische Naturrechtskonzeption zu erwähnen. Diese stellt auch einen Schwerpunkt der aktuellen Forschungsdiskussion dar: Die Frage, wie Lactanz das antike Naturrechtsparadigma christianisiert habe, steht im Mittelpunkt der Dissertation von Wolfram Winger. Sie spielt auch eine sehr wichtige Rolle sowohl in der Dissertation als auch in der 54 Pichon 1901, 246f.: »... l’influence de Cicéron sur notre [247] auteur est d’une espèce toute spéciale; il se l’est incorporée pleinement, lui qui garde si bien son indépendance devant les autres écrivains. La Bible lui fournit des preuves, Varron et Valère Maxime des faits, Virgile et Ovide des ornements de style, Sénèque de belles maximes: mais d’action profonde, envahissante et souveraine, il n’y a que Cicéron qui en ait exercé sur lui. Celui-là, il ne le consulte pas, il ne l’utilise pas: il se pénètre de lui, il façonne sur lui sa forme de pensée et d’éloquence. Il y a cette fois assimiliation complète et étroite adhérence.« 55 Pichon 1901, 262. 56 Pichon 1901, 247. 256-258. 260. 57 So Pichon 1901, 247; anders Digeser 2000, 57. 59, die betont, daß Lactanz wie Cicero einen Entwurf für einen idealen römischen Staat vorgelegt habe. 58 Die parallele Charakterisierung von Cicero und Lactanz als Eklektiker findet sich etwa bei Pichon 1901, 249. 251 und Winger 1999, 89, A. 574; 323, A. 2159; 346f.; 373. Dem Eklektizismus ordnen Lactanz auch Prete 1956, 377 und Thomas 1959, 42 zu. Den Unterschied im Auswahlkriterium betont und identifiziert Pichon 1901, 251. 59 Vgl. Pichon 1901, 256; Becker: RAC 3 (1957), 106-112 s.v. Cicero; Greer 1998, 157159. 166-168.
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Monographie von Elizabeth DePalma Digeser. Rowan A. Greer hat sich in einem eigenen Aufsatz mit der lactanzischen Christianisierung des stoischen kosmopolitischen Ideals beschäftigt.60 Von zentraler Bedeutung sind dabei die miteinander verbundenen Themen von natürlicher Gotteserkenntnis, Naturrecht, Gerechtigkeitsproblematik und Ethik: Cicero schreibt, daß den Menschen die Religion angeboren ist, auch wenn sie nicht wissen sollten, welche Götter sie anbeten sollen (leg. 1,24). Lactanz zitiert diese Stelle61 zunächst, um die Religion überhaupt zu verteidigen. Kurz darauf (inst. 3,11,3) interpretiert er sie aber zugunsten eines christlichen Monotheismus. Für Cicero steht die natürliche Gotteserkenntnis im Vordergrund; für ihn ist die Frage nach der Identität der zu verehrenden Götter nachrangig und dient vor allem dazu, die schiere Existenz der natürlichen Gotteserkenntnis hervorzuheben. Lactanz dagegen setzt die Akzente anders: Bei ihm steht die Frage im Mittelpunkt, wen die Menschen verehren. Viel stärker als bei Cicero ist die natürliche Gotteserkenntnis bei Lactanz als natürliches Streben nach Gott charakterisiert und insofern von der eigentlichen Gotteserkenntnis scharf getrennt. Diese ist aber nach lactanzischer Auffassung erst mit der Einsicht gegeben, allein den Christengott verehren zu dürfen. Den bei Cicero gegen ›unzivilisierte‹ Barbaren gerichteten eher nebensächlichen Vorwurf, die falschen Götter zu verehren, lenkt Lactanz damit letztlich auf die gesamte pagane Menschheit um und stellt ihn dabei in den Mittelpunkt.62 Besonders bedeutsam für die lactanzische Auseinandersetzung mit Cicero sind die Bücher 5 und 6 der Divinae institutiones. So zitiert Lactanz beispielsweise in inst. 5,8,10 ein sonst nicht überliefertes Textstück, das er offenbar der ciceronianischen Schrift De legibus zuordnet. An dieser Stelle ist von der Harmonie der Welt und aller ihrer Teile einschließlich des Menschen die Rede. Sähen die Menschen ein, daß sie – auch untereinander – in diese Harmonie eingebunden sind, so könnten sie das Leben von Göttern führen.63 Lactanz reißt die Stelle aus ihrem Zusammenhang. Er instrumenta60 Digeser 1996; 2000; Greer 1998; Winger 1999. Vgl. auch unten den Abschnitt 4.2.4.4. 61 Inst. 3,10,7: qua de re Ciceronis vera sententia est: ›Ex tot‹, inquit, ›generibus nullum est animal praeter hominem, quod habeat notitiam aliquam dei, ipsisque in hominibus nulla gens est neque tam mansueta neque tam fera, quae non etiamsi ignoret qualem haberi deum deceat, tamen habendum sciat [...]‹. Zum Verhältnis dieses lactanzischen Zitates zu dem heute für ciceronianisch gehaltenen Text vgl. Winger 1999, 103f., A. 661-668. 62 Vgl. inst. 3,11,1: ... sed quomodo in ea (sc. religione) erretur, explicandum est, und die daran anschließende Argumentation (inst. 3,11,2-4), die implizit auch die Einschränkung Ciceros (inst. 3,10,7 = Cic. leg. 1,24: etiamsi ignoret (sc. gens) qualem haberi deum deceat) erklärt. Vgl. auch Gigon 1979, 210. Winger 1999 kommt auf diese Lactanzstelle mehrmals zu sprechen (S. 302. 371. 432. 463. 482), erwähnt aber nicht die entscheidenden Akzentverschiebungen, die Lactanz an seinem Prätext vornimmt. 63 Inst. 5,8,10: nunc autem mali (sc. cultores deorum) sunt ignoratione recti ac boni. quod quidem Cicero vidit. disputans enim de legibus ›sicut una‹, inquit, ›eademque natura mundus
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lisiert sie für die Belange eines exklusiven Monotheismus. Unserem Autor geht es nicht um die pythagoreischen, stoischen beziehungsweise pantheistischen Belange dieser Stelle, sondern im Gegenteil um Polemik gegen den Götterkult zugunsten einer personalen Loyalität gegenüber (dem christlichen) Gott. Wiederum können wir die vereinnahmende Verwendung eines Cicerozitates bei schärfstem Gegensatz zur ursprünglichen Intention des ciceronianischen Prätextes beobachten.64 In dieses Schema läßt sich auch die lactanzische Behandlung der philosophischen Dimension der Gerechtigkeit einordnen (inst. 5,14-18), wo sich unser Autor unter anderem mit dem dritten Buch von Ciceros De re publica kritisch befaßt.65 In diesen Zusammenhang gehören auch seine Ausführungen zur Ethik im sechsten Buch der Divinae institutiones. Dort setzt er sich insbesondere mit der ciceronianischen Schrift De officiis auseinander.66 Darüber hinaus benutzt unser Autor Cicero als Fundgrube und Gewährsmann für ein breites Spektrum philosophischer Ansichten. So weist, um ein Beispiel zu nennen, die Reihe der Philosophen, die Lactanz innerhalb seines Testimonienkataloges im ersten Buch der Divinae institutiones (inst. 1,5,1523) anführt, weitgehende Parallelen mit Ciceros Schrift De natura deorum auf. Abermals deutet Lactanz um: Die Aufzählung philosophischer Lehrmeinungen kündet bei Cicero davon, wie umstritten die Frage nach der Gottheit in der Philosophie sei und auf wie unterschiedliche Weise diese Frage beantwortet werde. Was wird nun aus dieser Reihe bei Lactanz, der sich – wie wir sahen, keine Gelegenheit entgehen läßt, Widersprüche unter antiken Philosophen zu monieren? Wieder einmal ordnet unser Autor alles seinem Argumentationsziel unter: Von Widersprüchen ist keine Rede, vielmehr bezeugen alle angeführten Philosophen – so will es Lactanz seine Leser glauben machen – die Einheit Gottes!67 Lactanz war des Griechischen durchaus mächtig und zitiert Texte wie das Corpus Hermeticum oder Orakelliteratur – auch in längeren Stücken – auf griechisch. Warum er demgegenüber griechische Philosophen nicht im Original zitiert, läßt sich nicht sicher ermitteln. Denkbar wäre unter anderem, daß ihm die griechischen Vorlagen fehlten, daß er des Griechischen nicht mächtige Leser nicht abschrecken wollte oder daß er längere griechische Zitate auf pagane Texte mit (von ihm freilich nicht geteiltem) Offenbaomnibus partibus inter se congruentibus cohaeret ac nititur, sic omnes homines inter se natura confusi pravitate dissentiunt neque se intellegunt esse consanguineos et subiectos omnes sub unam eandemque tutelam: quod si teneretur, deorum profecto vitam homines viverent‹. 64 Vgl. Greer 1998, 163. 65 Vgl. Greer 1998, 165f. 66 Vgl. Cavalcanti 1990, 49-59; Greer 1998, 166-168. 67 Vgl. Cic. nat. deor. 1,25-40 und Hagendahl 1947, 117. Eine vergleichbare Taktik hatte auch schon Minucius Felix (19,3-10) angewandt, den Lactanz stellenweise fast wörtlich zitiert.
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rungsanspruch (Hermetika, Apollo-Orakel, Oracula Sibyllina) beschränken wollte, um bei diesen den Nimbus des Geheimnisvollen zu verstärken. Ein Großteil dessen, was er etwa über Platon, die Stoa und Epikur zu sagen hat, scheint so durch Cicero vermittelt zu sein. Für Stoisches hat er freilich auch auf Seneca, für Epikureisches sehr häufig auf Lucrez zurückgegriffen. Für seine Darstellung Platons und seiner Lehre ist dagegen Cicero von entscheidender Bedeutung. Lactanz benutzt Cicero als Sprachrohr für Platon und nimmt so – je nach Kontext vereinnahmend oder ausgrenzend – Bezug auf die Lehren Platons über die Welt, Gott, Religion, die Unsterblichkeit der Seele, Weisheit, Erkenntnis und Moral. Unter anderem kritisiert Lactanz, daß Platon Gott nicht erkannt, sondern höchstens erträumt habe und daß er es versäumt habe, gegen den Götterkult vorzugehen. Auch die Güter-, vor allem aber die Frauengemeinschaft lehnt Lactanz leidenschaftlich ab.68 An einer Stelle der Epitome (epit. 37,4-9) beruft sich Lactanz auf das neuplatonische Konstrukt des Zweiten Gottes Platons, um seine Christologie plausibel erscheinen zu lassen. Die dabei apologetisch überschriebene69 Lehre Platons führt Lactanz freilich nicht auf eine wie auch immer geartete Kenntnis der biblischen Offenbarung zurück. Er erwägt vielmehr einen Kontakt mit hermetischen Lehren (epit. 37,4). Wir haben hier nach lactanzischer Auffassung ein Beispiel für einen ›Zufallstreffer‹, bei dem ein Philosoph der Wahrheit zwar sehr nahekommt, sie letztlich aber in ihrer so nur bei den Christen zu findenden Gesamtheit verfehlt.70 Damit ergibt sich, daß Cicero in den lactanzischen Texten sowohl aufgrund seiner eigenen philosophischen Überlegungen als auch als Vermittler griechischer Philosophie eine große Rolle spielt. Gleichzeitig haben wir aber auch gesehen, daß Lactanz zu scharfer Kritik an Cicero in der Lage ist und die Intentionen seiner ciceronianischen Prätexte auch dort, wo er sie in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang heranzieht, häufig gewaltsam umkehrt. Dabei ist es sein Ziel, das zu propagieren, was er für die christliche Wahrheit hält. Eine eigenständige Normativität der ciceronianischen Texte für Lactanz ist daher auszuschließen. 3.3.4.3 Seneca Die Werke des Lactanz bieten wesentlich weniger intertextuelle Bezüge auf Seneca als auf Cicero. Doch spielt auch der stoische Philosoph, Prinzenerzieher und zeitweise wohl reichste Mann Roms eine nicht zu unterschätzen68 Vgl. inst. 3,21,3-12. 69 Vgl. dazu unten den Abschnitt 3.4.4.2. 70 Auf die Defizite Platons verweist Lactanz etwa in inst. 2,10,25; 3,18,8f.; 3,19,17-25; 3,21,2-12; 7,1,6; 7,3,16; 7,14,4; 7,22,19; ira 10,47; epit. 64,5 (vgl. Perrin 1978, 208-211).
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de Rolle in dem Bemühen unseres Autors, pagane Texte für die Propagierung des Christentums zu instrumentalisieren. Lactanz zitiert Seneca so häufig wie kein anderer frühchristlicher Autor.71 Dabei verwendet er Texte oder Einsichten Senecas sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang.72 Dies schlägt sich auch in expliziten Stellungnahmen nieder: So erklärt Lactanz etwa, der stoische Philosoph habe in einer seiner Schriften73 »vieles nicht einfach aus weltlicher Unkenntnis, sondern weise und beinahe auf göttliche Inspiration hin ausgesprochen«.74 Lactanz unterscheidet einmal mehr deutlich innerhalb seines Prätextes zwischen den – in diesem Fall – zahlreichen aus seiner Sicht wahren Informationen einerseits und aus seiner Sicht falschen Informationen, die den gesamten Rest dieser Schrift Senecas ausmachen, andererseits. Wiederum betont unser Autor sowohl die Nähe als auch die Differenz zur Offenbarung (inst. 5,22,11: paene divinitus). An der eben zitierten Stelle geht es um die Theodizee. Warum müssen die ›guten‹ und gerechten Menschen leiden? Diese Frage ist für Lactanz von um so größerer Tragweite, als sie während der Christenverfolgungen aus seiner Sicht besonders aktuell war: Christen mußten sich von ihren Verfolgern die Frage stellen lassen (inst. 5,21,7) – oder gerieten möglicherweise auch selbst in Zweifel – , warum die Christenverfolgungen überhaupt von Gott zugelassen wurden, wenn doch – wie es christlichem Selbstverständnis entsprach – allein die Christen ihn erkannten und verehrten. In diesem Zusammenhang führt Lactanz das erwähnte Seneca-Zitat an. Aus diesem geht hervor, daß Gott die ›guten‹ Menschen mit Unglück konfrontiert und damit drei Zwecke verfolgt: Erstens will er die guten Menschen züchtigen, zweitens ihnen Gelegenheit zur Ausübung ihrer Tugend geben und sie drittens vor der Korruption durch vergängliche Güter bewahren. Alle drei Zwecke werden als Ausdruck besonderer göttlicher Zuwendung interpretiert. 75 Carla LoCicero hat nun wahrscheinlich machen können, daß der von Lactanz als Seneca-Zitat ausgegebene Text kein wörtliches Zitat des sto71 Vgl. Trillitzsch 1971, I 130. Vgl. allgemein zum lactanzischen Verhältnis zu Seneca Trillitzsch 1971 I 130-143; Dominguez del Val 1972, passim. 72 Vgl. beispielsweise inst. 5,22,11 (vereinnahmend) und 3,15,1f.; 3,25,16f. (ausgrenzend) und außerdem Trillitzsch 1971, I 137.143. 73 Lactanz nennt inst. 5,22,11 den Titel mit »quare bonis viris multa mala accidant, cum sit providentia«, vgl. auch Winger 1999, 180 A. 1197. 74 Inst. 5,22,11: multa non plane inperitia saeculari, sed sapienter ac paene divinitus elocutus est. 75 Inst. 5,22,12: ›deus‹ , inquit, ›homines pro liberis habet, sed corruptos et vitiosos luxuriose ac delicate patitur vivere, quia non putat emendatione sua dignos. bonos autem, quos diligit (göttliche Zuwendung), castigat saepius (Züchtigung der Guten) et assiduis laboribus ad usum virtutis exercet (Ermöglichung zur Aus- und Einübung der Tugend) nec eos caducis ac mortalibus bonis conrumpi ac depravari sinit (Bewahrung vor Korruption)‹.
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ischen Philosophen ist, ja noch nicht einmal eine Zusammenfassung seiner Schriften beziehungsweise Ansichten. Lactanz biete in seinem ›Zitat‹ neben Positionen Senecas nicht nur eine biblisch fundierte Antwort auf die Theodizeefrage, sondern füge – offensichtlich aus dem Bereich der Historiographie – den Gedanken der Prävention hinzu: So wie die römischen Könige oder Feldherren es nicht zulassen, daß ihre Leute durch otium korrumpiert werden, benutzt Gott demnach die Christenverfolgungen als präventive Maßnahme, um eine Verschlechterung des christlichen Lebenswandels erst gar nicht möglich werden zu lassen.76 Im Rahmen der apologetischen Aufgabe, die Lactanz sich gestellt hat, hat dieses historiographische Modell des göttlichen ›Präventionsschlages‹ einen gewichtigen Vorteil gegenüber dem biblischen Modell der nachträglichen göttlichen Züchtigung: Das letztere setzt nämlich tatsächliche Vergehen der Gezüchtigten voraus, deren Zugehörigkeit zu den ›guten‹ Menschen damit zumindest implizit in Frage gestellt wird. Dagegen ist das Modell des göttlichen ›Präventivschlages‹ dem von Lactanz berichteten Vorwurf der Christenverfolger, die Christen hätten göttlichen Zorn auf sich geladen, diametral entgegengesetzt: Ist die Christenverfolgung eine präventive Maßnahme Gottes, so läßt sich die binäre Opposition zwischen ›bösen‹ Götterverehrern und ›guten‹ Christen wesentlich glaubhafter machen. Lactanz ist damit seinem Programm, christliche Vorstellungen unter Rückgriff auf pagane Texte und Vorstellungen zu propagieren, einmal mehr treu geblieben. Obwohl Lactanz im allgemeinen – soweit wir das beurteilen können – für antike Verhältnisse recht genau zu zitieren scheint, nimmt er weitgehende Eingriffe in die von ihm angeführten Prätexte vor, wo er das von seiner apologetischen Intention her für nützlich hält. Schon von daher ist es unwahrscheinlich, daß er in den Texten Senecas eigenständig normsetzende Faktoren erblickte.77 Dieser Eindruck wird auch von solchen Stellen be76 Die in dem ›Zitat‹ erwähnten drei Gründe entstammen unterschiedlichen Hintergründen: Nur die Rechtfertigung des Leidens der ›Guten‹ durch das Anliegen, den ›Guten‹ Gelegenheit zur Ausübung (und Vervollkommnung) der Tugend zugeben, finden wir schon in der von Lactanz angesprochenen Schrift De benevolentia. Die Vorstellung, Gott züchtige die ›guten‹ Menschen durch Unglück spielt dagegen bei Seneca keine große Rolle (vgl. LoCicero 1991a, 386). Für diese – natürlich auch sonst verbreitete – Vorstellung lassen sich dagegen mehrere Bibelstellen anführen, so Hebr. 12,6; Spr 3,12; Apk 3,19 (vgl. LoCicero 1991a, 388. 390). Der Gedanke, daß widrige Lebensumstände vor Korruption bewahren und daher als präventive Maßnahme absichtlich herbeigeführt werden, findet sich dagegen bei dem römischen Historiographen Livius (vgl. Liv. 1,22,2; 35,35,9 und LoCicero 1991a, 399, die auch auf André 1966, 437. 439f. verweist; LoCicero ebd. erwähnt in diesem Zusammenhang auch Verg. georg. 1,124). 77 Theoretisch könnte man freilich auch daran denken, daß Lactanz Texte Senecas bereits in einer christianisierten Form angetroffen hat. Dazu ließe sich mit dem gefälschten Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus zumindest eine Parallele im weiteren Sinn des Wortes anführen. Dem selbständigen Umgang des Lactanz mit Aussagen Senecas zu Prüfung und Bewährung der ›Guten‹ durch Gott spürt LoCicero auch in zwei anderen Aufsätzen (dies. 1989 und dies. 1991b, bes.
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stärkt, an denen Lactanz sich von Seneca ausdrücklich distanziert, seine Texte also im Rahmen eines ausgrenzenden Argumentationszusammenhanges anführt. Marion Lausberg hat gezeigt, daß Lactanz den stoischen Philosophen sogar in mehreren Punkten zu Unrecht kritisiert, indem er eine von ihm gebilligte Auffassung als ausschließlich christlich kennzeichnet und ihr Fehlen bei Seneca bemängelt, obwohl dieser sie durchaus vertreten hatte: So ereifert sich Lactanz zum einen darüber, daß die stoische Philosophie neben allen anderen Affekten auch den des Mitleids ablehnt. Er folgert daraus, daß mit dem Mitleid auch die Hilfe für Hungernde und Notleidende abgelehnt werde und verurteilt diese Ablehnung in aller Schärfe (inst. 6,10,11f.). Er ignoriert dabei, daß die Stoa zwar Mitleid als Affekt ablehnt, aber nicht die Hilfestellung selbst.78 Diese Denuntiation der Stoa dürfte Lactanz um so leichter gefallen sein, als misericordia eben nicht nur »Mitleid«, sondern insbesondere im Christenlatein auch »Mildtätigkeit, Almosen« umfaßt.79 Zum anderen stellt Lactanz auch die Kritik an den Gladiatorenspielen als ausschließlich christlich dar und verurteilt die pagane Philosophie dafür, auf entsprechende Kritik verzichtet zu haben (inst. 6,20,8f.). Wieder läßt sich zeigen, daß der lactanzische Vorwurf nicht gerechtfertigt ist.80 Zum dritten pocht Lactanz darauf, daß es nicht genüge, dem Mitmenschen nicht zu schaden: Vielmehr müsse man ihm nützen. Die pagane Philosophie aber habe allein das Schaden verboten. Das Nützen gebiete allein das Christentum (inst. 6,10,10f.). Auch in diesem Fall können wir die von Lactanz für das Christentum monopolisierte Ansicht schon bei Seneca nachweisen.81 Besonders fragwürdig ist schließlich die lactanzische Behauptung, die pagane Philosophie sei in engstirnigem Utilitarismus verfangen und vermöge die Unterstützung anderer Menschen oder die Bestattung Unbekannter nur durch Eigennutz zu motivieren.82 Denn die Differenz zwischen Eigennutz und Uneigennützigkeit ist hier gar nicht gegeben. Vielmehr erwartet ja gerade der Christ nach lactanzischer Auffassung, daß er für sein Tun belohnt wird: nur eben nicht notwendigerweise im Diesseits und durch die Menschen, sondern vielmehr im Jenseits durch Gott.83
1260f. [»lo scrittore cristiano ha fatto uso del pagano non riportandone episodicamente singole espressioni [...], ma rielaborandone il dettato secondo il suo ripensamento di quanto il filosofo aveva scritto«]) nach. 78 Vgl. Sen. clem. 2,6,2f.; Lausberg 1975, 31; Sørensen 1995 (1984), 192. 79 Vgl. Rehm, Bernhard: ThLL 8 (1957), 1124,4-1128,64 s.v. misericordia, insbesondere 1125,31-67; Bolkestein 1939, 62-65. 80 Vgl. Sen. epist. 95,33 sowie Lausberg 1970, 146f. Anm. 54; 1975, 32. 81 Vgl. Sen. epist. 95,51 sowie Lausberg 1975, 31f. 82 Inst. 6,11,6-19. 83 Vgl. Lausberg 1975, 32-34. Anders Winger 1999, 296f. und Fuhrmann 1999, 285: »Vor der christlichen Forderung schrankenloser Nächstenliebe vermochte die kalkulierende Wohltätig-
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Die Kritik des Lactanz an Seneca zeigt also nicht nur, daß unser Autor dem stoischen Philosophen nicht blind gefolgt ist. Die lactanzischen Vorwürfe machen vielmehr auch deutlich, daß Lactanz gerade dort, wo er Seneca gerade aus seiner christlichen Warte heraus problemlos hätte loben können, eine Konfrontation vorzieht, ja diese Konfrontation sogar nicht nur vorzieht, sondern erst konstruiert! Die Trennlinie zwischen christlicher Wahrheit und paganer Philosophie ist ihm so wichtig, daß er sie sogar dann in den stärksten Farben malt, wenn die Sache selbst eher Konvergenz als Konfrontation hergibt. Um so erstaunlicher ist es, daß man verschiedentlich den lactanzischen Umgang mit Seneca im Sinne einer unbewußten Synthese deutet: Lactanz habe demnach unversehens unter dem Einfluß des Seneca gestanden, als er etwa die besagten ethischen Grundsätze, die sich auch bei Seneca finden, allein für das Christentum in Anspruch genommen hat.84 Damit schlägt das Pendel in der Lactanzforschung sozusagen in die andere Richtung aus: Unser Autor hatte Seneca in mehreren Punkten zu Unrecht massive ethische Defizite vorgeworfen. Läge nun eine unbewußte Synthese vor, so wäre Lactanz gerade in den von ihm bei Seneca inkriminierten Punkten selbst der Abhängigkeit von Seneca überführt. Seneca wäre dadurch gewissermaßen posthum durch die Forschung für das ihm von Lactanz zugefügte ›Unrecht‹ gerächt oder doch rehabilitiert. Mit absoluter Sicherheit ausschließen läßt sich diese These einer Beeinflussung des Lactanz durch Seneca naturgemäß nicht. Aber es ist schwer vorstellbar, daß Lactanz die besagten ethischen Ansichten nur und ausschließlich aus Seneca gekannt und nirgends in anderen, zum Beispiel christlichen Zusammenhängen kennengelernt haben sollte. Wie wir sahen, verwendet Lactanz Seneca sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang. Dabei geht er offenkundig so weit, die Positionen des Seneca gewaltsam zu verfälschen: sie an die eigene christliche Position anzunähern, wo er ihn loben will, und Übereinstimmungen des Seneca mit der eigenen christlichen Position zu leugnen, um ihn besser kritisieren und den Exklusivitätsanspruch des Christentums hervorkehren zu können. Dieser außerordentlich selbständige Umgang des Lactanz mit den Texten und Ansichten des Seneca spricht dafür, auch hier eine Instrumentalisierung paganer Texte mit christlich-protreptischer Stoßrichtung anzunehmen.
keitsethik der Antike nicht zu bestehen. Der erste Kirchenvater, der sie als unzulänglich zu erweisen suchte, war Laktanz in den ›Divinae institutiones‹.« 84 Vgl. Trillitzsch 1971, I 141; Domínguez del Val 1972, 323, der einen nicht geringen Einfluß Senecas auf Lactanz annimmt; Lausberg 1975, 31f. 34; Hagendahl 1983, 44.
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3.3.4.4 Lucrez Daß Lucrez für Lactanz als Philosoph keine eigenständige normative Bedeutung hatte, ist in der Forschung unumstritten. Nachdem wir bereits im vorhergehenden Kapitel einiges über das Verhältnis des Lactanz zu Lucrez als Dichter gesagt hatten, seien an dieser Stelle nur zwei Punkte hinzugefügt: die Funktion des Lucrez als Sprachrohr für Epikur und die These, Lactanz habe Lucrez mißverstanden. Lucrez wird von Lactanz geradezu mit Epikur identifiziert.85 Er wird daher meist in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang herangezogen. Unser Autor verschmäht es allerdings auch nicht, auf Lucrez zurückzugreifen, um etwa gegen pagane Religionsformen zu polemisieren. In seinem Bemühen, die epikureische Lehre zu diskreditieren, geht Lactanz außerordentlich geschickt vor; er besitzt offenbar durchaus weitgehende Kenntnisse der epikureischen Philosophie.86 Sollte er sich über die eingehende Kenntnis des lucrezischen Lehrgedichtes und der ciceronianischen Schriften hinaus sogar noch weitere Informationen über den Epikureismus angeeignet haben? Für diesen Verdacht spricht die Art der lactanzischen Wiedergabe eines epikureischen Lehrsatzes über die Bedeutung des Todes.87 Angesichts dieser sehr weitreichenden Kenntnisse, die Lactanz von der epikureischen Lehre besaß,88 ist es erstaunlich, daß unserem Autor vorgehalten worden ist, er habe Lucrez mißverstanden.89 Immer wieder wird dagegen in der Forschung darauf hingewiesen, daß es Lactanz nicht um eine argumentativ-sachliche Auseinandersetzung auf Augenhöhe mit Lucrez zu tun ist, sondern um die polemische Zurückweisung des epikureischen Systems, bei der sich Lactanz häufig eher auf seine rhetorischen als auf seine philosophischen Fähigkeiten verläßt.90 Das lactanzische Verhältnis gegenüber Lucrez als Philosophen ist damit ein aufschlußreiches Beispiel für den Umgang unseres Autoren mit seinen philosophischen Prätexten. Mehr noch als bei anderen Philosophen beziehungsweise Philosophierichtungen hätte Lactanz die Kenntnisse und damit auch die Gelegenheit gehabt, sich mit Lucrez auf Augenhöhe und sachlich 85 Vgl. Pichon 1901, 224; Althoff 1999, 46. 86 Vgl. Harloff 1911, 52f., Ferguson 1990, 2312f.; Goulon 1999, 218. 87 Die Formulierung in inst. 3,17,30 (quando nos sumus, mors non est, quando mors est, nos non sumus. mors ergo nihil ad nos) steht dem epikureischen Original, soweit wir es bei Diog. Laert. 10,125 greifen, näher als die entsprechenden Formulierungen bei Cicero und Lucrez. Darauf verweist Althoff 1999, 49. 88 Vgl. auch Goulon 2003, 25. 89 Vgl. Hagendahl 1958, 63f., Stevenson 1961, 501. Gegen die These eines Mißverständnisse schon Bryce 1990, 235f. Vgl. auch Goulon 1999, 218: »De même, quand Lactance interprète la pensée de Lucrèce en la gauchissant, voire en la travestissant, il essaye plutôt de donner le change, mais il a bien compris la doctrine.« 90 Vgl. Harloff 1911, passim, Gigon 1979, 196f. 202. 206f. 209. 212f.; Althoff 1999, 43f. 47f. 51-53.
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auseinandersetzen. Daß er darauf trotzdem weithin verzichtet, ist ein aussagekräftiges Beispiel sowohl für seine Intention als auch für seine Methode. 3.3.5 Schluß Um das von ihm anvisierte gebildete Publikum zu erreichen, mußte Lactanz seine Beherrschung des philosophischen Diskurses demonstrieren. Dabei geht unser Autor zwar explizit nur auf die klassischen Philosophen wie zum Beispiel Platon ein, implizit aber auch etwa auf seinen Zeitgenossen Porphyrios, der sich gegen das Christentum gewandt hatte. Lactanz erhebt für das Christentum gegenüber der Philosophie einen Überlegenheitsanspruch. Häufig kommt es ihm weniger auf eine sachliche Auseinandersetzung als vielmehr auf eine effektvolle Verdammung der Philosophie an. Nichtsdestoweniger gehen viele Forscher davon aus, daß Lactanz beispielsweise Cicero zumindest teilweise für göttlich inspiriert gehalten habe. Wie oben gezeigt wurde, übergehen solche Einschätzungen den eindeutigen Textbefund und verwickeln sich darüber hinaus häufig in Widersprüche. In seinen theoretischen Aussagen über die Philosophie übt Lactanz scharfe Kritik: So beruhe die Philosophie auf einer falschen Methode, widerspreche sich selbst und sei unfähig, ihre ethischen Ansprüche auch in die Tat umzusetzen. Außerdem vertritt Lactanz die Meinung, Gott selbst habe verhindert, daß die Philosophen wenigstens einen eingeschränkten und unvollkommenen Zugang zur biblischen Offenbarung hatten, wie er den Dichtern offenstand. Die nähere Betrachtung des lactanzischen Umgangs mit Cicero, Seneca und Lucrez zeigt, daß unser Autor seine Prätexte tatsächlich sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang verwendet. Besonders deutlich wird dies bei Seneca: Bald sieht Lactanz Texte Senecas, die christlichen Vorstellungen ferne stehen, durch die christliche Brille, um Seneca loben und als Unterstützung für seine Position anführen zu können, bald erhebt er schwere Vorwürfe gegen Seneca in Punkten, wo dieser christlichen Vorstellungen recht nahestand. Auch gegenüber Cicero, an den er sich sprachlich engstens anlehnt, bewahrt sich Lactanz eine unabhängige und kritische Position: Zwar spielt Cicero sowohl aufgrund eigener philosophischer Überlegungen als auch als Vermittler griechischer Philosophie eine wichtige Rolle, und es fehlt nicht an Stellen, an denen Lactanz Cicero Recht gibt. Dies führt jedoch nicht dazu, daß Lactanz irgendwelche Konzessionen machen oder auch nur ein wenig von seinem für das Christentum erhobenen Überlegenheitsanspruch abrücken würde. Wie er die ciceronianische Sprache zu protreptischen Zwecken übernimmt, andererseits aber die biblische Sprache als überlegen
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– wenn auch für die verblendeten Nichtchristen weniger attraktiv – kennzeichnet, so sind auch seine häufigen Anspielungen auf oder Zitate aus Cicero nicht Ausdruck der Abhängigkeit, sondern souveräner und absichtsvoller Instrumentalisierung. Die lactanzische Behandlung des Lucrez schließlich ist ein Beispiel dafür, daß unser Autor nicht etwa im Zuge einer Vorform der Diskursethik mit den klassischen Philosophen in einen ernsthaften Dialog auf Augenhöhe tritt, sondern lediglich die Unterlegenheit der einzelnen Philosophen gegenüber der einen, christlichen und von Anfang an feststehenden Wahrheit demonstriert. Daraus können wir auch folgern, daß der Verzicht auf eine sachliche Auseinandersetzung nicht unbedingt durch mangelnde philosophische Sachkenntnis des Lactanz bedingt sein muß. Unserem Autor geht es vielmehr eher um rhetorische Effizienz als um das Zurschaustellen fachlicher Brillanz. Als normativ eigenständiger Faktor fällt die pagane Philosophie jedenfalls für Lactanz aus.
3.4 Zum Stellenwert der Hermetik 3.4.1 Einleitung Hermes Trismegistos ist diejenige menschliche Autorität im nichtchristlichen Bereich, der Lactanz den höchsten normativen Rang zubilligt. In der Tat weist Lactanz den Hermetica andeutungsweise eine Art Mittelstellung zwischen menschlichen und göttlichen Zeugnissen zu. Viele Forscher haben – vielleicht mit Blick auf die Wirkungsgeschichte der Hermetica, besonders im Europa des 15.-17. Jahrhunderts1 – bei Lactanz eine Synthese zwischen Hermetik und Christentum gesehen. Es gibt aber auch andere Einschätzungen. Insbesondere ist kürzlich Andreas Löw zu dem Ergebnis gekommen, daß die Hermetikzitate bei Lactanz fast ausschließlich subsidiäre Funktion haben und den biblischen Texten nie gleichgestellt werden.2 Das lactanzische Verhältnis zur Hermetik auch nur annähernd zu bestimmen, ist deswegen besonders schwierig, weil in der Hermetikforschung trotz mancher Fortschritte noch zahlreiche grundlegende Fragen offen geblieben sind.3 Um die verschiedenen Lösungsansätze nachvollziehen und beurteilen zu können, scheint eine kurze Einführung in die hermetischen Schriften angebracht: 3.4.1.1 Die hermetischen Schriften Die Hermetica stellen eine äußerst heterogene Gruppe von pseudepigraphischen Schriften dar, die Hermes Trismegistos zugeschrieben werden, einer Gottheit, die Züge des griechischen Gottes Hermes4 und des ägyptischen Gottes Thoth in sich vereint.5 Im allgemeinen unterscheidet man zwischen ›technischen‹ und ›philosophischen‹ Schriften.6 Die technischen Schriften beschäftigen sich mit ›Magie‹, Astrologie, Alchimie und Medizin, die philosophischen Schriften verbinden religiöse, ethische und philosophische Anliegen. Die beiden Kategorien ergänzen sich allerdings gegenseitig oder 1 Vgl. Yates 1964, passim; Faivre, ER 6 (1995) 293-302 s.v. Hermetism, darin 295-299 (weitere Literatur bei Gonzáles Blanco 1984, 2261f.). Schon im 12. Jahrhundert führt Alanus Hermes Trismegistos an, um zu zeigen, daß die Dreieinigkeit auch allein durch die menschliche Vernunft, ohne biblische Offenbarung, erkannt werden könne, vgl. van den Broek 2000, 122. 124. 130. 2 Vgl. Löw 2002, 101. 252. 3 Vgl. dazu etwa Löhr 1997, 3f. 4 Zur hellenistischen Vorstellung von Hermes als Logos der Götter vgl. Fowden 1993, 24. 5 Vgl. Löw 2002, 24-34. 6 Vgl. Löw 2002, 8f. mit Anm. 22f. Derselbe bietet auch (S. 10f.) eine Liste der zur Zeit zum philosophischen Zweig der Hermetik gerechneten Texte.
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wurden doch zu Lactanzens Lebzeiten in diesem Sinne interpretiert.7 Sowohl die ›technischen‹ als auch die ›philosophischen‹ Hermetica versuchen, dem Leser das Verständnis seiner selbst, der Welt und Gottes zu vermitteln. Dazu ist nach hermetischer Auffassung nicht menschliche Vernunft, sondern allein göttliche Offenbarung in der Lage.8 Die so erlangte Erkenntnis ermöglicht ihrerseits Unsterblichkeit. Dabei wird Unsterblichkeit allerdings teilweise9 als eine Art Aufgehen in Gott und nicht etwa als individuelles Fortleben aufgefaßt. Für unsere Fragestellung sind vor allem die philosophischen Hermetica von Bedeutung.10 Als dramatis personae treten dort neben Hermes Trismegistos zahlreiche weitere göttliche oder menschliche Personen auf.11 Die Entstehung der meisten philosophischen Hermetica wird gewöhnlich zwischen dem ausgehenden ersten und dem ausgehenden dritten Jahrhundert angesetzt.12 Eindeutige Ergebnisse sind aber hier nur schwer zu erzielen. Neben einer fortwährenden Bearbeitung im Laufe der Tradierung13 ist auch die Möglichkeit einer christlichen Zensur in byzantinischer Zeit14 in Rechnung zu stellen. Das Verständnis der Hermetica wird auch dadurch erschwert, daß sich die einzelnen Schriften möglicherweise an Personen richten, die innerhalb der hermetischen Lehre unterschiedlich weit vorangekommen sind. Die Lehren für Anfänger und die Lehren für Fortgeschrittene könnten sich demnach teilweise durchaus widersprechen.15 Insgesamt eignet den Hermetica ein stark ägyptisch-griechisches Kolorit, wobei sich die Frage stellt, wie authentisch das ägyptische Element ist. Ihren Ursprung glaubt man seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts bis auf die ägyptische Priesterreligion zurückführen zu können.16 Als Träger einer solchen ägyptisch-griechischen Kultur kommen etwa Ägypter in Frage, die sich im Rahmen eines sozialen Aufstiegs griechische Kultur aneigneten.17 7 Vgl. Fowden 1993, XXIVs. 116-120 8 Vgl. Fowden 1993, 32; Löw 2002, 18f. 9 So CH 1,26. 10 Vgl. Löw 2002, 9. 11 Eine Aufzählung der Namen bieten etwa Sheppard, RAC 14 (1988) 789 s.v. Hermetik A. Pagane Hermetik; Fowden 1993, 32; Löw 2002, 35. 12 Vgl. Sheppard, RAC 14 (1988) 788 s.v. Hermetik A. Pagane Hermetik und Fowden 1993, 11. Anders Burkert 1996, 40: »[...] im wesentlichen wohl ans Ende des dritten und ins vierte nachchristliche Jahrhundert zu setzen.« Vgl. auch Löw 2002, 11: »Die Zeitspanne für einen terminus ante quem ist zwischen der Mitte des zweiten Jahrhunderts [...] und dem frühen fünften Jahrhundert anzusetzen.« 13 Vgl. Fowden 1993, 2. 14 Vgl. Fowden 1993, 8f. 15 Vgl. Fowden 1993, 99f.; kritisch dazu Löw 2002, 20f. Anm. 71; einen literaturgeschichtlichen Erklärungsansatz bietet Mahé 1982, 408-440; vgl. außerdem Löhr 1997, 15-17. 16 Vgl. Löhr 1997, 5f. mit weiterer Literatur. 17 Vgl. Fowden 1993, 18.
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Im hermetischen Schrifttum wird teilweise durchaus ägyptisches Nationalbewußtsein18 deutlich. Außerdem nimmt man jüdisch-hellenistische19 und – in deutlich geringerem Ausmaß – auch iranische Einflüsse20 auf die Hermetica an.21 Schon seit langem hat man engste Verbindungen zwischen Hermetik und Gnosis gesehen. Die Hermetik erscheint in dieser Sichtweise etwa als »eine Form der Gnosis, die sich, mit dem Christentum konkurrierend, von diesem wieder distanzieren will«.22 Die hermetische Schrift »Poimandres« (CH 1) ist sogar schon als »paganisiertes Evangelium« gedeutet worden.23 In der neueren Forschung faßt man dagegen teilweise gnostischen Einfluß auch als ein sehr spätes, auf jeden Fall sekundäres Phänomen auf.24 Die seit Jahrzehnten kontrovers diskutierte Frage, ob die Hermetik auch Kultgemeinschaften ausgebildet habe, wird inzwischen von den meisten Autoren vorsichtig bejaht.25 Schon in der Antike war umstritten, ob Hermes Trismegistos eher der menschlichen oder eher der göttlichen Sphäre zuzuordnen sei.26 Die lactanzische Akzentuierung in inst. 1,6,127 spiegelt insofern den zeitgenössischen Stand der Diskussion wider. 3.4.1.2 Zur Rezeption der Hermetik vor Lactanz Im Gegensatz zu den weitverbreiteten technischen Hermetica wurden die philosophischen Hermetica wohl erst seit dem 2. nachchristlichen Jahrhundert außerhalb Ägyptens auf breiterer Front rezipiert. Zum einen beschäftigte sich möglicherweise der mittelplatonische Philosoph Albinus mit Hermes Trismegistos.28 Zum anderen führt ihn auch der Apologet Athenagoras (leg. 28,3) an, um seine euhemeristische Deutung der ägyptischen Könige zu stützen.29 Der erste uns überlieferte lateinisch schreibende Kirchenvater, Tertullian, erwähnt Hermes Trismegistos dann mehrmals, sowohl in einem 18 Besonders CH 16 und Ascl. 24-26. Vgl. Fowden 1993, 37-44 und Assmann 2000b, 77-82, der allerdings auch an ägyptisierende griechische Selbstkritik denkt (S. 78). 19 Vgl. Fowden 1993, 36f. Anm. 139 mit weiterer Literatur. 20 Vgl. zu iranischen Einflüssen Reitzenstein-Schaeder 1926 und dazu Nock 1972, 195-199; Nilsson 1961, II 605-609. 21 Vgl. Löw 2002, 22 Anm. 73: »An philosophischen Traditionen sind vor allem die Stoa, der (Mittel-)Platonismus und der Neupythagoreismus zu nennen; die religiösen Traditionen lassen sich auf das Judentum, auf Mysterien-Material, gnostisches Gedankengut, ekstatische Erlebnisse, mystische Vorstellungen der Zeit sowie astrologische und magische Lehren zurückführen.« 22 Burkert 1996, 40. 23 Büchli 1987; Löhr 1997, 11 äußert sich dazu vorsichtig zustimmend. 24 Vgl. Löhr 1997, 7-9. Kritisch zur Annahme einer engeren Verbindung zwischen Hermetik und Gnosis auch Löw 2002, 256f. 25 Vgl. den Überblick bei Löhr 1997, 285-291. 26 Vgl. Fowden 1993, 28-31. 27 Nunc ad divina testimonia transeamus. sed prius unum proferam, quod est simile divino et ob nimiam vetustatem et quod is quem nominabo ex hominibus in deos relatus est. 28 Vgl. Tert. anim. 28,1 und dazu Fowden 1993, 198. 29 Vgl. dazu Löw 2002, 41-46.
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ausgrenzenden (anim. 2,3) als auch in einem vereinnahmenden (anim. 33,2) Argumentationszusammenhang.30 Nach ihm rekurrierten eine Reihe weiterer afrikanischer Kirchenväter auf die Hermetica, so Arnobius, Lactanz und Augustinus.31 Daß Apuleius – auch er ein Afrikaner – die Hermetica kannte und schätzte, läßt sich leicht vermuten, aber keineswegs beweisen.32 Arnobius, der Rhetoriklehrer des Lactanz, spielt im Rahmen seiner Kritik an der zeitgenössischen Intelligenz offenbar auf die Hermetica an (Arnob. nat. 2,13).33 Daraus könnte man schließen, daß die Hermetica zu Beginn des 4. Jahrhunderts innerhalb des philosophischen, insbesondere neuplatonischen Diskurses sehr bedeutsam waren. Setzt man sich allerdings mit den Exponenten des Neuplatonismus näher auseinander, so ist das Ergebnis ernüchternd:34 Denn Plotin, der Begründer des Neuplatonismus, zeigt sich uninteressiert an den Hermetica. Plotins Schüler Porphyrius, der das Christentum literarisch bekämpfte, rezipierte die Hermetica zwar, maß ihnen aber offenbar keine besondere Bedeutung zu: Als Offenbarungsschriften erkannte er nicht etwa das hermetische Schrifttum, sondern vielmehr die Chaldäischen Orakel an. Erst Porphyrios’ Schüler Iamblichos zeigt nicht nur bloße Kenntnis der Hermetica, sondern greift auch in umfassender Weise auf sie zurück. Insbesondere zieht er Hermetica zur Legitimation seiner theurgischen Vorstellungen heran. Zu diesem Zweck spricht er den hermetischen Schriften auch normsetzenden Charakter zu. Nichtsdestoweniger geht es ihm aber in erster Linie um Theurgie – und weniger um die Hermetica selbst.35 Möglicherweise wurden die hermetischen Schriften auch im Manichäismus rezipiert. Allerdings kann sich diese These nur auf Ephraem den Syrer und Augustinus stützen,36 zwei begnadete christliche Polemiker mit häresiologischen Interessen. Die in nachlactanzischer Zeit übliche christliche Praxis, ›häretische‹ Lehren auf Hermes Trismegistos zurückzuführen und auf diesem Wege auszugrenzen,37 mahnt zur Vorsicht
30 Weitere Erwähnungen in Tert. adv. Val. 15,1 und anim. 28,1. Vgl. zur Hermetikrezeption bei Tertullian Löw 2002, 47-64, der auch (ohne freilich diese Begriffe zu benutzen) eine vereinnahmende und eine ausgrenzende Argumentationsstrategie des Tertullian in Bezug auf Hermes Trismegistos herausarbeitet (S. 64). 31 Außerdem erwähnt auch der Verfasser der Schrift Quod idola dii non sint Hermes Trismegistos, vgl. dazu Löw 2002, 65-70. 32 Vgl. Fowden 1993, 199. Kritischer dazu Löw 2002, 255. 33 [...] vos, vos appello qui Mercurium, qui Platonem Pythagoramque sectamini [...]. Vgl. zur Hermetikrezeption bei Arnobius Löw 2002, 71-87. 34 Zum Folgenden vgl. Fowden 1993, 200f. 35 Vgl. Fowden 1993, 131-141. 36 Vgl. Ephraem den Syrer, Gegen Mani 208-210. Der Manichäer Faustus von Milaeum hat nach Aug. c. Faust. 13,1 den Hermetica einen höheren Rang als den hebräischen Propheten eingeräumt. Zur nachlactanzischen christlichen Hermetikrezeption vgl. Fowden 1993, 208-211. 37 Vgl. Fowden 1993, 209.
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bei der Übernahme derartiger Angaben.38 Wurde die Hermetik tatsächlich mit dem Manichäismus assoziiert, so dürfte dies dem Ansehen der Hermetica allerdings in den Augen der meisten Nichtmanichäer eher geschadet haben. 3.4.2 Forschungsüberblick Ein Strang der Forschung nimmt eine tatsächliche, inhaltliche Anpassung an hermetische beziehungsweise gnostische Einflüsse an.39 Häufig wird die lactanzische Instrumentalisierung hermetischer Texte und Vorstellungen zwar erwähnt, letztlich aber bei der Interpretation nicht hinreichend berücksichtigt: Die betreffenden Autoren diagnostizieren dann trotz allem so etwas wie eine Synthese oder gar Hermetisierung.40 Dieses Muster wiederholt sich auch in jüngster Zeit: So betont Fowden einerseits die lactanzische Instrumentalisierung der Hermetica,41 andererseits impliziert er, Lactanz habe in Hermes Trismegistos einen christlichen Propheten (!) erblickt.42 Auch Elizabeth DePalma Digeser kommt nicht umhin, Aspekte der Instrumentalisierung anzusprechen, postuliert dann aber eine bewußte Hermetisierung des Christentums. Dies habe zu einem inklusiven Christentum (inclusive christianity) geführt, das zwischen Christen und Hermetikern nicht mehr trennscharf unterscheide.43 Auch Roelof van den Broek stellt die apologetischen Bemühungen des Lactanz in Rechnung, schreibt der Hermetik aber dennoch einen eigenständig normativen Stellenwert im lactanzischen Denken zu. Ja aus seiner Sicht entspricht die lactanzische Haltung gegenüber der Hermetik derjenigen der mittelalterlichen Theologen, die Hermes Trismegistos anführten, um zu zeigen, daß etwa die Dreieinigkeit Gottes allein durch den menschlichen Ver-
38 Wesentlich zuversichtlicher Fowden 1993, 203f. 39 Vgl. Loi 1965, 115; 1966, 602. 613. 623f.; Ogilvie 1978, 36; Fowden 1999, 205. 209; Digeser 2000, 70-78. 40 So betont Wlosok 1960 zwar (m.E. vollkommen zutreffend) immer wieder das Moment der Umdeutung und Instrumentalisierung – so z.B., daß Lactanz »alte Formeln« mit einem »neuen Inhalt« (S. 207) füllt und »zwar bewußt anknüpft, aber auch ebenso bewußt umdeutet« (S. 6f.). Aber dann postuliert sie doch trotz allem einen starken hermetischen Einfluß auf Lactanz (S. 7). In der späteren Forschung wird sie dann tatsächlich als Vertreterin eines solchen hermetischen Einflusses auf Lactanz gelesen, so etwa von Stevenson 1963, 80f. (der selbst davon ausgeht, Lactanz habe sich unbewußt durch die Hermetica beeinflussen lassen), McGuckin 1982, 148. 155 und Winger 1999, 81. 41 Vgl. Fowden 1993, 207f. 42 Vgl. Fowden 1993, 205. 43 Vgl. Digeser 2000, 83f.
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stand, also auch ohne die biblische Offenbarung, erkannt werden könne.44 Dazu fügt sich auch die Vorstellung, Lactanz habe die Hermetik in seiner Jugend, lange vor seiner Konversion zum Christentum, liebgewonnen und es später nicht übers Herz gebracht, sich davon zu distanzieren.45 Abweichende Einschätzungen, die lediglich von einer rhetorisch-taktischen Anpassung an die Hermetik ausgehen, sind dagegen sehr selten und bis vor kurzem weitestgehend folgenlos geblieben.46 Jüngst hat allerdings Oliver Nicholson die protreptische Funktion und Motivation der Hermetikzitate betont,47 und Andreas Löw hat eine Arbeit vorgelegt, in der er unter anderem sämtliche expliziten Hermetikzitate bei Lactanz untersucht.48 Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß abgesehen von der Lehre der Unaussprechlichkeit des Namens Christi49 die hermetischen Texte für Lactanz ausschließlich subsidiären Charakter, das heißt Belegfunktion haben.50 Unser Autor billige der Hermetik eine Zwischenstellung zwischen menschlichen und göttlichen Zeugnissen mit größerer Nähe zu den göttlichen Zeugnissen zu,51 nicht aber einen mit der Bibel vergleichbaren Rang, vielmehr sei und bleibe die Bibel für Lactanz der Maßstab der Wahrheit.52 3.4.3 Konvergenzen zwischen hermetischen und christlichen Vorstellungen Andreas Löw bietet eine Interpretation sämtlicher expliziter Hermetikzitate. Wir wollen uns daher vor allem zwei Themenbereiche herausgreifen, um darzustellen, wie weit die Konvergenzen zwischen christlicher und hermeti44 Vgl. van den Broek 2000, 130: »More than any other early Christian author, Lactantius presented Hermes Trismegistus in his works as a witness to the Christian truth. [...] Lactantius obviously does so for apologetic reasons, but it also answered to a deeply rooted conviction.«; ders. ebd. 139: »But to Augustine Hermes was by no means an authority, as he had been to Lactantius and centuries later was to become once more to the medieval theologians.« 45 Vgl. Dronke 1990, 9: »Lactantius (like Eliot) passionately wanted to save something of value from the speculative tradition with which he had grown up – and this passion will both have spurred his writing and inclined his judgement.« Van den Broek 2000, 132 gesteht Lactanz immerhin in Detailfragen eine gewisse Eigenständigkeit zu: »There is no doubt that the conception of God current in the Hermetically tinted Platonism in which Lactantius was reared lost none of its validity for him even after his conversion to Christianity. Yet a certain autonomy on points of detail cannot be denied him.« 46 Buchheit 1979c, 365f.; McGuckin 1982, 155f. 47 Nicholson 2001a, 365f. 48 Vgl. Löw 2002, 88-255. 49 Vgl. dazu Löw 2002, 211-218: Lactanz benutzt die hermetische Lehre von der Unaussprechlichkeit des Namens Gottes, um die Gottheit Christi herauszustellen. 50 Vgl. Löw 2002, 252. 51 Vgl. Löw 2002, 100. 102. 105f. 110. 114-117. 124. 151. 162. 230. 251. 52 Vgl. Löw 2002, 101.
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scher Lehre in der lactanzischen Darstellung gehen können: Gotteslehre und Christologie. 3.4.3.1 Konvergenzen in der Gotteslehre Im ersten Buch der Divinae institutiones geht Lactanz – wie inzwischen schon mehrfach erwähnt – eine Reihe von Testimonien durch, um die Einheit Gottes zu bekräftigen. In diesem Zusammenhang kommt er auch auf Hermes Trismegistos zu sprechen. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen hebt Lactanz drei Punkte positiv hervor (inst. 1,6,4f.): Erstens habe Hermes Trismegistos die Majestät des höchsten und einzigen Gottes propagiert, zweitens bezeichne er diesen Gott mit denselben Prädikaten wie die Christen selbst, nämlich als »Herr« und »Vater«, und drittens verweise auch die Gott in der Hermetik zugeschriebene Namenlosigkeit53 auf die Einheit Gottes.54 Dennoch ist das Zitat, das Lactanz hier anführt, interessant: Nicht nur, weil Asclepius tatsächlich die Namenlosigkeit Gottes von der Einheit Gottes herleitet, sondern auch wegen des griechischen Wortlautes des Zitates selbst, das möglicherweise auf biblischen Einfluß hindeutet. Es fällt nämlich auf, daß Trismegistos nicht die einfachere Formulierung ԤIJijț ȗոȢ ԐȟօȟȤȞȡȣ wählte, sondern vielmehr schreibt: ԤIJijț ȗոȢ Ս ժȟ ԐȟօȟȤȞȡȣ. Man ist versucht, in dem Ս լȟ einen Einfluß biblischer Formulierung (Ex 3,14: Ԧȗօ ıԼȞț Ս լȟ) zu sehen, wo auch die Namenlosigkeit Gottes thematisiert wird.55 Dabei muß freilich die Konvergenz in der Formulierung nicht mit einer Konvergenz in der Vorstellung einhergehen.56 Lactanz zieht die Hermetica außerdem auch heran, um zu zeigen, daß Gott mutterlos und vaterlos ist,57 und daß er vom Menschen weder verstanden noch beschrieben werden kann.58
53 Fowden 1993, 206 Anm. 58 verweist auf Parallelen in CH 5,10, Ascl. 20. 54 Vgl. dazu auch Löw 2002, 129-138. 55 Vgl. dazu Mahé 1984, 63. 56 Vgl. dazu auch Wilson, RAC 14 (1988) 798 s.v. Hermetik C. Hermetik u. Christentum (allerdings in Bezug auf das Verhältnis zwischen Hermetik und Christentum): »Ähnlichkeit der Formulierung oder Inhalt sowie der Gebrauch einer gemeinsamen Terminologie beweisen durchaus noch nicht notwendig, daß irgendeine Beziehung vorliegt, da die Wörter u. Ideen in sehr verschiedener Weise u. in ganz unterschiedlicher Absicht verwendet sein können.« 57 Vgl. inst. 1,7,2; 4,8,5; 4,13,2; epit. 4,4 und dazu Fowden 1993, 205 Anm. 57. 58 Vgl. inst. 1,8,1; 4,7,3; epit. 4,5 (wo Lactanz eine Stelle aus einem hermetischen Text zitiert, die CH frg. 1,1 entspricht); epit. 37,8; ira 11,11f. und Wlosok 1960, 202f.; Fowden 1993, 206; Löw 2002, 140-142. 178. 186-195; zur Rolle von Plat. Tim. 28C in diesem Zusammenhang vgl. Wlosok 1960, 202f. und Löw 2002, 186-195.
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3.4.3.2 Konvergenzen im Rahmen der Christologie Doch nicht nur für die Darstellung des christlichen Gott Vaters,59 sondern auch für die Darstellung Christi60 greift Lactanz – teils explizit, teils implizit – auf hermetische Texte und Vorstellungen zurück. Nach Elizabeth DePalma Digeser benutzt Lactanz hermetische Vorstellungen, um drei entscheidende Elemente seiner Christologie den Hermetikern und Neuplatonikern seiner Zeit plausibel zu machen:61 die Präexistenz Christi, seine Inkarnation und seinen Heilsauftrag. So nähere Lactanz den präexistenten Christus dem hermetischen transzendenten Logos als Gottessohn und –wort an62 und betone – hier allerdings Hermes Trismegistos widersprechend – seine nichtsexuelle Genese.63 Die Inkarnation suche Lactanz unter Rückgriff auf die hermetische Gottesprädikation als mutterlos und vaterlos plausibel zu machen: Da Christus auch hinsichtlich der Mutter- und Vaterlosigkeit mit seinem Vater (!) habe übereinstimmen müssen,64 sei er zweimal geboren worden (inst. 4,13,3f.): einmal, mutterlos, als Logos von seinem Vater und dann, vaterlos, von einer Jungfrau. Auch entspreche der Status Christi – zwischen Mensch und Gott – hermetischen und neuplatonischen Vorstellungen von weisen Männern wie Platon, Apollonios von Tyana und anderen.65 Außerdem, so Elisabeth DePalma Digeser weiter, hat Lactanz auch seine Darstellung des Heilsauftrages Christi an hermetischen und neuplatonischen Vorstellungen orientiert: Die Passion Christi trete nicht als Erlösungstat in Erscheinung, mit der alle Sünden der Menschen aufgewogen werden. Betont werde vielmehr die Rolle Jesu als Lehrer.66 Lactanz stellt den Tod Christi lediglich als Höhepunkt eines heilsvermittelnden Lehramtes dar: Der Lehrer muß die von ihm gelehrten Tugenden auch selbst vorleben, damit sie von den Jüngern nachgeahmt werden können. Lehre (inst. 4,8,8: doctrina) und Tugend (inst. 4,24f.: virtus), das heißt die praktische Umsetzung dieser Lehre, erscheinen bei Lactanz als die entscheidenden Momente. Damit entspricht die Darstellung Christi in einem weiteren wichtigen Punkt dem bei Hermetikern und Neuplatonikern etablierten Ideal des weisen Mannes: Auch in der apostolischen Nachfolge Christi könne man Ähnlichkeiten mit hermetischen Vorstellungen sehen, nach denen der Logos sich jeweils in denjenigen Menschen verkörpert, die der hermetischen 59 60 61 62 63 64 65 66
Vgl. dazu Löw 2002, 127-144. Vgl. dazu Löw 2002, 195-218. gl. Digeser 2000, 68-78. Vgl. inst. 2,8,3; 4,6,1-4. 9; 4,8,4; 4,9,3. Vgl. inst. 4,8,3-5. Vgl. inst. 4,6,4, wo Lactanz aus Ascl. 8 zitiert und Digeser 2000, 73. Vgl. Digeser 2000, 73f. Vgl. Digeser 2000, 74f. mit Verweis auf inst. 4,11,14; 4,13,1; 4,24,12-18.
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Erkenntnis teilhaftig werden und diese Weisheit dann an ihre Schüler weitervermitteln.67 In diesen Zusammenhang ordnet Elizabeth DePalma Digeser auch die lactanzische Erklärung ein, mit welchem Name der Logos bezeichnet werde, sei unwichtig. Hier wird – so die Forscherin – der Hermetiker dazu eingeladen, den hermetischen Logos mit Christus gleichzusetzen.68 Elizabeth DePalma Digeser betont die Einzigartigkeit vieler christologischer Aussagen des Lactanz und beschließt den Abschnitt mit den zusammenfassenden Worten: » [...] Lactantius again moved Christianity significantly closer to philosophical monotheism.«69 3.4.3.3 Weitere Konvergenzen Auch in anderen Bereichen sind auffällige Konvergenzen zwischen den lactanzischen und den hermetischen Schriften zu beobachten, von denen hier nur zwei erwähnt werden sollen: So stellt Lactanz Hermes Trimegistos in den Divinae institutiones als leuchtendes Vorbild für die rechte Art der Gottesverehrung, eine Verbindung von Religion und Ethik, dar (inst. 6,25,1012): Einen gerechten Lebenswandel und Lobpreis, nicht materielle Opfergaben, fordert demnach Gott von den Menschen. Auch zur Darstellung der Letzten Dinge im siebten Buch der Divinae institutiones verwendet Lactanz ein hermetisches Zitat (Logos Teleios ähnlich Ascl. 26 in inst. 7,18,4). 3.4.4 Stellenwert der Hermetica bei Lactanz Wie sind diese teilweise sehr weitgehenden Konvergenzen nun zu bewerten? Gegen die These einer tatsächlichen, inhaltlichen Anpassung lactanzischer Vorstellungen an hermetische Vorstellungen sprechen vier Punkte: erstens bereits vor Lactanz bestehende Konvergenzen zwischen christlichen und nichtchristlichen Lehren, zweitens die implizite Umdeutung hermetischer Texte, drittens die expliziten Werturteile des Lactanz über Hermes Trismegistos und viertens der von Lactanz dem Hermes Trismegistos unterstellte Erkenntnisweg. 3.4.4.1 Vorgegebene Konvergenzen Themen wie Verbindung von Religion und Ethik oder Einheit Gottes scheinen auf eine enge Verwandtschaft hermetischer und lactanzischer Vorstellungen hinzudeuten. Eine nähere Untersuchung zeigt aber, daß sich gerade 67 68 69
Digeser 2000, 77 mit Verweis auf Fowden 1993, 29f. Digeser 2000, 77. Digeser 2000, 78. Dies entspricht dem Hellenisierungs-Paradigma.
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diese Konvergenzen nicht für das Paradigma einer Synthese zwischen Hermetik und lactanzischem Christentum geltend machen lassen: Die Verbindung von Religion und Ethik, die Lactanz für das Christentum zu monopolisieren sucht, ist natürlich auch in nichtchristlichen Religionsformen – und bei weitem nicht nur in der Hermetik – eingefordert worden.70 Sie stellt daher kein besonderes Bindeglied zwischen hermetischem und lactanzischem Denken dar. Nicht anders steht es mit dem Konzept der Einheit Gottes: Die Hermetica verarbeiten hier sowohl (neu?)platonische Vorstellungen als auch stoische – kosmo- beziehungsweise pantheistische – Vorstellungen. Sowohl der (neu)platonische als auch der stoische Zugang zur Einheit Gottes war in der Philosophie längst etabliert.71 Abgesehen davon, daß Lactanz das in den Hermetica vorherrschende kosmo- beziehungsweise pantheistische Gottesbild eben nicht teilt, stellt also auch die Vorstellung von der Einheit Gottes keine besondere Verbindung zwischen hermetischem und lactanzischem Denken dar. Auch die Bezeichnung dieses Gottes als ›Herr‹ und ›Vater‹ (inst. 1,6,4; epit. 4,4)72 stellt an und für sich noch keinen spektakulären Sachverhalt dar. Diese soziomorphen Gottesprädikate sind in zahlreichen Religionen – auch des antiken Mittelmeerraumes – weit verbreitet. Nur selten gehen damit monotheistische Tendenzen einher.73 Auch die Vorstellung von der Namenlosigkeit Gottes ist in zahlreichen Religionen beheimatet.74 Desgleichen stellt die Betonung der Lehrerrolle Christi keine besondere Verbindung zwischen lactanzischem Christentum und Hermetik dar. Das ursprünglich auf jüdischen Kontext verweisende Lehramt Christi war vielmehr auch unabhängig von der Hermetik in den christlichen Vorstellungen bedeutsam. Das zeigen anschaulich die Sarkophage und Katakombenmalereien aus der Zeit des Lactanz, auf denen Christus nahezu ausschließlich als Lehrer dargestellt wird.75 Aus all dem erhellt, daß viele auf den ersten Blick verblüffende Übereinstimmungen zwischen Hermetica und lactanzischen Schriften nicht notwendigerweise auf eine lactanzische Synthese zwischen Hermetik und Christentum hinweisen. Vielmehr handelt es sich um Konvergenzen, die schon vor Lactanz gegeben waren. Eine Synthese ließe sich erst dann nachweisen,
70 Vgl. allein Chaniotis 1997, passim zur griechischen Religion und Wiseman 1994, passim zur römischen. 71 Vgl. dazu Athanassiadi – Frede 1999, 19; Frede 1999, passim; MacMullen 1984, 12. 72 Fowden 1993, 205 Anm. 56 verweist auf Parallelen in CH 5,2; 13,21; Ascl. 20. 22f. 26. 29. 73 Vgl. auch Löw 2002, 132. 74 Vgl. Copenhaver 1992, 233f. mit weiterer Literatur. Nach Ascl. 20 kommt Gott freilich nicht nur kein Name, sondern auch jeder Name zu, vgl. Copenhaver 1992, ebd. 75 Vgl. Görgemanns: Historisches Wörterbuch der Philosophie 7 (1989) 620 s.v. Philosophie II A Griechische Patristik; Zanker 1995, 274.
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wenn Lactanz die Zusammenhänge selbst hergestellt und nicht schon vorgefunden hätte. 3.4.4.2 Implizite Umdeutung Hermes Trismegistos wird von Lactanz tatsächlich sehr häufig76 und fast ausschließlich in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang herangezogen. Oft belegt Lactanz seine Argumentationsziele mit einem mehr oder weniger ausführlichen Zitat aus den Hermetica. Von dieser Praxis kann man allerdings nicht darauf schließen, daß die hermetischen Lehren für Lactanz verbindlich gewesen wären. Das zeigt auch seine implizite Umdeutung einiger hermetischer Textstellen. Insofern erscheint die Darstellung von Elizabeth DePalma Digeser hier in mehreren Punkten ergänzungsbedürftig: Elizabeth DePalma Digeser geht davon aus, daß Lactanz sein Christusbild hermetischen Vorstellungen eines transzendenten Zweiten Gottes als Gottessohn und Gotteswort angenähert habe. Was hat es nun mit diesem Zweiten Gott auf sich? Der Mittelplatoniker Numenios (2. Jh. n. Chr.) nahm neben (dem Ersten) Gott noch einen Zweiten und einen Dritten Gott an. Dabei betonte er die Einheit des Zweiten mit dem Dritten Gott (Numenios ap. Eus. Pr. Ev. 11,18,3), so daß umstritten ist, ob man eher von einer Zweigötter- oder von einer Dreigötterlehre sprechen sollte. Den Zweiten Gott kennzeichnet Numenios als Schöpfer der Welt (Numenios ap. Eus. Pr. Ev. 11,18,6). Der Dritte Gott entspricht der Welt. Gemäß dieser Konzeption übernimmt der Zweite Gott die Vermittlung zwischen Gott (dem Ersten Gott) und Welt (dem Dritten Gott).77 Aus christlicher Sicht bot sich hier eine Gelegenheit, philosophisch gebildeten Mitmenschen das Verhältnis zwischen (christlichem) Gott Vater und Gott Sohn plausibel zu machen. Zu diesem Zweck ließ sich nämlich das Verhältnis des Ersten Gottes und des
76 McGuckin 1982, 155 führt gegen die These eines gnostischen/hermetischen Einflusses auf Lactanz drei Punkte an: Erstens führe Lactanz die Hermetica viel seltener an als die Bibel, zweitens werde Hermes Trismegistos zu apologetischen und eben nicht zu theologischen Zwecken angeführt und drittens würden die Hermetica der Bibel als Testimonien deutlich untergeordnet. Gegenüber dem ersten Punkt ist allerdings einschränkend anzumerken, daß außerhalb von inst. 4 Hermes Trismegistos sehr wohl eine quantitativ wesentlich prominentere Rolle spielt als die Bibel: Von den 99 Stellen, an denen Lactanz nach der Tabelle von McGuckin 1982, 161-163 auf die Bibel rekurriert, stehen nur 14 (!) außerhalb von inst. 4. Von diesen 14 sind 13 (!) lediglich Anspielungen und nur eine ein explizites Zitat. Damit ist der biblische Einfluß für einen in Judentum und Christentum nicht bewanderten Leser außerhalb von inst. 4 weitestgehend unsichtbar. 77 Ein ähnliches Konzept findet sich bei dem Mittelplatoniker Harpokration, (2. Jh. n. Chr.), vgl. Dillon 1977, 259. Den Logos als Vermittler zwischen Gott und Welt kennen auf jüdischer beziehungsweise christlicher Seite auch schon Philon, Klemens von Alexandrien und Origenes, vgl. Ierodiakonou: DNP 7 (1999), 404f. s.v. Logos [1] Philosophisch.
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Zweiten Gottes bei Numenios als Vergleich heranziehen.78 Unter Umständen ist dies der Hintergrund, vor dem Lactanz einige Zeilen aus dem griechischen Traktat Logos Teleios zitiert, um zu belegen, daß es einen Sohn des Höchsten Gottes gebe, der mit größter Macht ausgestattet ist.79 Lactanz identifiziert diesen Sohn des Höchsten Gottes freilich mit Jesus Christus. Nimmt Lactanz diese Identifikation zu Recht vor? Die von unserem Autor zitierte Textstelle selbst schafft da kaum Klarheit.80 Der Logos Te78 In diesem Zusammenhang stehen auch die eben im Haupttext zitierten Numenios-Fragmente bei Eusebios. 79 Inst. 4,6,3: esse... summi dei filium, qui sit potestate maxima praeditus. 80 Inst. 4,6,4: Hermes in eo libro qui ȝցȗȡȣ ijջȝıțȡȣ inscribitur, his usus est verbis: Ս ȜփȢțȡȣ Ȝįվ ijȟ ʍչȟijȧȟ ʍȡțșijսȣ, Տȟ Țıրȟ Ȝįȝıהȟ ȟıȟȡȞտȜįȞıȟ, Ԛʍıվ ijրȟ İıփijıȢȡȟ ԚʍȡտșIJı Țıրȟ ՍȢįijրȟ Ȝįվ įԼIJȚșijցȟ - įԼIJȚșijրȟ İջ ĴșȞț ȡ İțո ijր įԼIJȚչȟıIJȚįț įijցȟ, ʍıȢվ ȗոȢ ijȡփijȡȤ, ʍցijıȢȡȟ įijրȣ įԼIJȚչȟıijįț , Ԑȝȝո Ցijț ıԼȣ įՀIJȚșIJțȟ ՙʍȡʍջȞʍıț Ȝįվ ıԼȣ ՑȢįIJțȟ - Ԛʍıվ ȡ՞ȟ ijȡףijȡȟ ԚʍȡտșIJı ʍȢijȡȟ Ȝįվ Ȟցȟȡȟ Ȝįվ ԥȟį, Ȝįȝրȣ İպ įij ԚĴչȟș Ȝįվ ʍȝșȢջIJijįijȡȣ ʍչȟijȧȟ ijȟ ԐȗįȚȟ, ԬȗչIJȚș ijı Ȝįվ ʍչȟȤ ԚĴտȝșIJıȟ թȣ Հİțȡȟ ijցȜȡȟ. In der Epitome übersetzt Lactanz das Zitat aus dem Logos Teleios ins Lateinische, läßt aber dabei die letzten acht Wörter des in den Divinae institutiones zitierten Textes fort (epit. 37,4f.; daß Lactanz in der Epitome auch Platon erwähnt, paßt zu seiner allgemeinen Tendenz, in den späteren Schriften die Bedeutung der paganen divina testimonia zurücktreten zu lassen): denique Plato de primo ac secundo deo non plane ut philosophus, sed ut vates locutus est, fortasse in hoc Trismegistum secutus. cuius verba de Graecis conversa subieci: (5) dominus et factor universorum, quem deum vocare existimavimus, secundum fecit deum visibilem et sensibilem. sensibilem autem dico non quod ipse sensum accipiat, sed quod in sensum mittat et visum, cum ergo hunc fecisset primum et solum et unum, optimus ei apparuit et plenissimus omnium bonorum. Die Bezeichnung des Zweiten Gottes als ՍȢįijցȣ und įԼIJȚșijցȣ im Logos Teleios-Zitat in den Divinae institutiones scheint auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, daß es sich bei dem Zweiten Gott um den Kosmos handelt. Allerdings wird der Begriff įԼIJȚșijցȣ in dem hermetischen Traktat selbst problematisiert: Eine Deutung wird explizit abgelehnt und eine andere als gültig vorgestellt. Die Stelle ist sprachlich schwierig. Löw 2002, 197f., A. 643 interpretiert in Anlehnung an Monat 1992, 65, daß įԼIJȚșijցȣ sich nicht auf aktive, sondern auf passive Wahrnehmung beziehe. Dafür spricht die vergleichbare (offenkundig aus dem Logos Teleios ins Lateinische übersetzte) Stelle im Asclepius (Ascl. 8): non ideo, quod ipse sentiat (de hoc enim, an ipse sentiat an non, alio dicemus tempore), sed eo, quoniam videntium sensus incurrit Der so charakterisierte Zweite Gott des Logos Teleios wäre insofern dem Dritten Gott bei Numenios vergleichbar. Allerdings ergibt sich das Problem, daß man den aktivischen Ausdrücken ՙʍȡʍջȞʍıț (inst. 4,6,4) und mittat (epit. 37,5) dann eine passivische Bedeutung zuschreiben muß. Sollte Lactanz hier bei seinem Zitat in den hermetischen Text eingegriffen haben? Oder greifen wir hier vielmehr einen inhaltlichen Unterschied zwischen Logos Teleios und Asclepius? Denkbar wäre vielleicht auch, daß įԼIJȚșijցȣ nicht als passivisch, sondern als kausativ aufgefaßt werden soll, etwa im Sinne der unentwegten Weltschöpfung beziehungsweise Weltinganghaltung, welche Wahrnehmung erst ermöglicht und in diesem Sinne hervorruft (vgl. etwa CH 9,8: ʍչȟijȧȟ ȡ՞ȟ ijȟ Șȧȟ ԭ įՀIJȚșIJțȣ Ȝįվ ȟցșIJțȣ ԤȠȧȚıȟ ԚʍıțIJջȢȥıijįț, ıԼIJʍȟջȡȤIJį ՙʍր ijȡ ףʍıȢțջȥȡȟijȡȣ, Ս İպ ȜցIJȞȡȣ, ԕʍįȠ ȝįȖքȟ ԕȞį ij ȗıȟջIJȚįț, ՙʍր ijȡ ףȚıȡ ףȝįȖքȟ Ԥȥıț). Dann wäre der Zweite Gott des Logos TeleiosFragments eher dem Zweiten Gott bei Numenios vergleichbar. Vorstellbar wäre vielleicht auch, daß die Adjektive ՍȢįijցȣund įԼIJȚșijցȣ zu zwei ganz unterschiedlichen Dimensionen des Kosmos gehören, nämlich einerseits zum sinnlich wahrnehmbaren ՍȢįijցȣ Weltkörper und andererseits zur die Wahrnehmung ermöglichenden (įԼIJȚșijցȣ) Weltseele. Gloning 1967, 39 deutet die Erklärungen des Lactanz als »Hinweis auf die Lehr- und Mittlerfunktion des Sohnes«; dieser führe »durch die Mitteilung des göttlichen Geheimnisses die Menschen zur Erkenntnis und zum Leben«. Für diese Interpretation verweist er auf den lactanzischen Gebrauch von sensus in inst. 4,8,10
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leios selbst ist nicht überliefert, so daß wir den Kontext, aus dem die von Lactanz zitierte Textstelle stammt, nicht kennen. Allerdings haben wir die hermetische Schrift Asclepius, die offenbar eine lateinische Übersetzung des Logos Teleios darstellt. Die dem Logos Teleios-Fragment entsprechende Textstelle findet sich im Paragraphen 8 des Asclepius.81 Der Kontext im Asclepius nun ist eindeutig: Dort wird der Zweite Gott mit dem Kosmos identifiziert.82 Gerade diejenige Stelle aus dem Logos Teleios, welche Lactanz zur Bestätigung seiner Christologie auf Christus bezieht, betrifft also im Kontext des Asclepius den Gottessohn als Kosmos.83 Daran ändert auch die sehr bedeutende Wirkungsgeschichte nichts, die die lactanzische Interpretation dieser hermetischen Passage entfaltet hat.84 Die Vorstellung, daß man in der Hermetik tatsächlich einen transzendenten, persönlichen Logos als Gottessohn annahm, entpuppt sich somit als lactanzische Interpretation, für die es in den hermetischen Schriften keine eindeutigen Belege gibt.85
(dazu Gloning 1967, 63f.) und visus in inst. 4,26,4f. (dazu Gloning 1967, 288). Für Lactanz nun stand wohl die Aussage ijրȟ İıփijıȢȡȟ ԚʍȡտșIJı Țıցȟ im Vordergrund, besonders wenn man sein Beweisziel an dieser Stelle betrachtet. Was mit ՙʍȡʍջȞʍıț dagegen im lactanzischen Kontext gemeint sein soll, ist unklar. Vielleicht wurde diese Passage nur mit zitiert, um einem mit der Hermetik nur halbvertrauten Leser eine nichtkosmotheistische Deutung des Adjektivs įԼIJȚșijցȣ nahezulegen. Vielleicht sah Lactanz diese Formulierung auch im Zusammenhang mit der Inkarnation Christi (so auch Löw 2002, 202). 81 Ascl. 8:... dominus et omnium conformator, quem recte dicimus deum, quom a se secundum fecerit, qui videri et sentiri possit – eundum secundum sensibilem ita dixerim non ideo, quod ipse sentiat (de hoc enim, an ipse sentiat an non, alio dicemus tempore), sed eo, quoniam videntium sensus incurrit – quoniam ergo hunc fecit ex se primum et a se secundum visusque ei pulcher, utpote qui sit omnium bonitate plenissimus, amavit eum ut divinitatis partum suae... 82 Ascl. 3: caelum ergo, sensibilis deus, administrator est omnium corporum... Mit »world« übersetzt Gersh 1992, 147 mit Anm. 175 (S. 163) und Anm. 182 (S. 164) an dieser Stelle caelum. Läßt man den Kontext in der hermetischen Schrift Logos Teleios außer Acht, so könnte man das įԼIJȚșijցȣ vielleicht aus christlicher Perspektive auf die Inkarnation Christi, der als Mensch ja sinnlich wahrnehmbar war – vgl. nur die Thomas-Geschichte – erklären (so auch Löw 2002, 202). Möglicherweise schwebte auch Lactanz eine solche Deutung vor. 83 Vgl. zu Ascl. 8 Siniscalco 1966/67, 90; Fowden 1993, 206; Holzhausen 1997, 263 Anm. 83; Holzhausen, DNP 3 (1997) 205 s.v. Corpus Hermeticum; van den Broek 2000, 135f.; Löw 2002, 200. 84 Vgl. van den Broek 2000, 135. 85 Gersh 1992, 146f. und besonders Anm. 171 (S. 163). In den Hermetica ist unter anderem neben einem ›Gott Vater‹ auch von einem zweiten Gott die Rede, der mit dem Kosmos gleichzusetzen ist und den ersten Gott abbildet (vgl. CH 4,1f.; 8,1f.; 9,8). Dieser Zweite Gott scheint zwar auch transzendent zu sein und als eine Art Demiurg aufgefaßt werden zu können, doch unterscheidet er sich vom (etwa präexistenten) Christus darin, daß er die Welt nicht nur schafft, sondern auch eins, also identisch mit ihr ist. Als eine Art Weltseele bringt der Zweite Gott die Welt, das heißt den Weltkörper (vergleichbar dem Dritten Gott bei Numenios) unentwegt (vgl. auch das Präsens ՙʍȡʍջȞʍıț [Logos Teleios ap. Lact. inst. 4,6,4] beziehungsweise mittat [Logos Teleios ap. Lact. epit. 37,5]) aus sich hervor (Ascl. 8; CH 8,1f.), während der Sohn Gottes nach lactanzischer Auffassung die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit erschaffen hat.
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Lactanz interpretiert also hier aus den Hermetica ihr pantheistisches beziehungsweise kosmotheistisches Gottesbild heraus und etwas ganz Neues hinein.86 Während im Christentum Christus (als eine Art ›Zweiter Gott‹) in gewisser Weise zwischen dem Gott Vater einerseits und dessen Abbild und Geschöpf, dem Menschen, vermittelt, nimmt in der Hermetik der Zweite Gott eine Mittelstellung87 zwischen dem Ersten Gott und dessen Abbild und Geschöpf, dem Kosmos, ein. Während Christus auch Mensch ist, ist der Zweite Gott der Hermetik (fast) identisch mit dem Kosmos. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Lactanz mit hermetischen Texten umgeht, bietet auch die schon erwähnte Stelle, an der Lactanz Hermes Trismegistos als Zeugen für die Einheit Gottes einführt (inst. 1,6,4f.): Was nun den ersten dort erwähnten Punkt – Majestät des höchsten und einen Gottes – angeht, so lassen sich zwar entsprechende Textstellen in den Hermetica finden,88 aber neben diesem höchsten Gott treten in den hermetischen Schriften noch zahlreiche weitere mehr oder weniger göttliche Personen auf. Selbst wenn man annimmt, daß es höhere Stufen hermetischer Erkennntnis gab, auf denen die explizit polytheistischen Aspekte zurücktraten, läßt das kaum auf einen exklusiven Monotheismus schließen, wie er etwa dem Judentum und Christentum eignet.89 Stattdessen sind im Corpus Hermeticum wie auch im Asclepios kosmotheistische beziehungsweise pantheistische Vorstellungen dominant: Gott ist »als der Eine alles (oder: das All) und als alles (oder: das All) der Eine« (CH 16,3).90 Weiterhin folgert Lactanz in inst. 1,6,4f. unter Berufung auf Hermes Trismegistos aus der Namenlosigkeit Gottes die Einheit Gottes. Der Begriff »Gott« wird damit als Gattungsbegriff ad absurdum geführt und läßt sich nur noch als Eigenname halten. Der von Lactanz an dieser Stelle zitierte 86 Vgl. Siniscalco 1966/67, 91, der gleichwohl von platonisch-hermetischem Einfluß auf Lactanz ausgeht. Nach Fowden 1993, 206 Anm. 61 und 62 bezieht Lactanz auch in inst. 4,6,9, 4,7,3 und 4,9,3 hermetische Passagen unzulässigerweise auf Christus. Van den Broek 2000, 136 weist darauf hin, daß Lactanz bei der christologischen Deutung des hermetischen Textes ebenso – das heißt nach modernen Maßstäben rücksichtslos – vorgegangen sei wie die Christen des 4. Jahrhunderts überhaupt bei der christologischen Deutung des Alten Testaments. Daraus folgt freilich noch nicht, daß die Hermetica eine der Bibel auch nur annähernd gleichwertige normative Bedeutung für Lactanz gehabt hätten. 87 Vgl. auch Dodd 1963, 22 (auch bei Löw 2002, 200 A. 654 zitiert): »It is to be observed that the (sc. Hermetic) idea that man knows God through His Son the cosmos sometimes finds expression in terms which recall Christian language about the revelation of God in his Son Jesus Christ. Such statements as John i.18, xiv 9b, would readily have been accepted by many Hermetists, though by the ›Son‹, they would have understood the cosmos.« 88 Vgl. etwa CH 1,31; 11,5; 14,3; 16,3; Ascl. 41. 89 So auch Löw 2002, 131. 90 Vgl. außerdem etwa CH 5,10; Ascl. 2-4. 8. 20. 29f.: teilweise wird zwischen dem einen Gott und dem Kosmos als zweitem Gott als Abbild und Schöpfung des ersten Gottes unterschieden (CH 8,1f.; 12,15), der Zusammenhang zwischen beiden bleibt aber äußerst eng: Bezeichnenderweise wird in Ascl. 2 ausgesagt, Gott sei als der Eine alles oder selbst der Schöpfer von allem.
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griechische hermetische Text ist weder in den griechischen Traktaten des Corpus Hermeticum noch im Asclepius enthalten. Es gibt aber ein 1951 erstmals publiziertes hermetisches Papyrusfragment, das sich nach Maßgabe des Lactanztextes sinnvoll ergänzen läßt und paläographisch auf die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert datiert wird.91 Wie wurde aber die Namenlosigkeit Gottes in den Hermetica interpretiert? Das eben genannte Papyrusfragment (Papyrus Vindobonensis Graeca 29828ro) hilft uns hier nicht weiter, da es selbst erst durch die Ergänzung aus der Lactanzstelle seinen Sinn erhält. Ich ziehe daher das 20. Kapitel des Asclepius heran, das als weitgehend repräsentativ für die hermetischen Vorstellungen gelten darf. Auch Lactanz könnte diesen Text sehr wohl gekannt haben, da er an anderer Stelle aus der griechischen Fassung des Asclepius, den er als Logos Teleios bezeichnet, zitiert und die von ihm in inst. 1,6,4 herausgestellten Gottesprädikate gerade auch in Ascl. 20 auftauchen.92 Es ist überdeutlich, daß der Traktat Asclepius die Namenlosigkeit Gottes auf das engste mit seiner pantheistischen Gottesauffassung verbindet. Gott hat – nach Auffassung des Asclepius – nicht deshalb keinen Eigennamen, weil es keine anderen Götter gäbe, sondern weil kein Name diesem Gott, der gleichzeitig die Allnatur ist, gerecht würde. Dementsprechend zeichnet sich der Gott im Asclepius nicht nur durch Namenlosigkeit, sondern auch durch Allnamigkeit93 aus. Diese Interpretation der Namenlosigkeit Gottes ist wie die gesamte dortige Gottesvorstellung mit der lactanzischen Auffassung von Gott unvereinbar. Lactanz übernimmt daher die Herleitung der Einheit Gottes aus seiner Namenlosigkeit und verschweigt die hermetische Vorstellung von der Viel- oder Allnamigkeit Gottes.94 Lactanz interpretiert also auch hier stillschweigend den Pantheismus aus der Hermetik heraus und 91 Vgl. Mahé 1984, passim; zur Datierung ebd. S. 51. 92 Vgl. inst. 1,6,4: dominum et patrem [...] ԐȟօȟȤȞȡȟ mit Ascl. 20: pater vel dominus omnium [...] omniumque rerum patrem vel dominum [...] innominem. 93 Ascl. 20: non enim spero totius maiestatis effectorem omniumque rerum patrem vel dominum uno posse quamvis e multis conposito nuncupari nomine, hunc vero innominem vel potius omninominem siquidem is sit unus et omnia, ut sit necesse aut omnia esse eius nomine aut ipsum omnium nominibus nuncupari. 94 Diese Ausmerzung der Vielnamigkeit findet sich etwa auch im Zitat des Apollo-Orakels in inst. 1,7,1, wo bei Lactanz im Gegensatz zu der durch die Inschrift von Oinoanda belegten Version einen Text ohne Hinweis auf die Vielnamigkeit Gottes bietet. Doch stillschweigende Liquidierung ist nicht der einzige Modus für Lactanz, sich mit der Vielnamigkeit Gottes auseinanderzusetzen: Im vierten Buch der Divinae Institutiones erkennt Lactanz in der stoischen Gleichsetzung von – stoischem – Logos, des Schicksals, der Notwendigkeit, Gottes und des Geistes Jupiters einen Hinweis auf Christus und belegt dies ebenfalls mit der hermetischen Vorstellung, der Name Gottes sei für den Menschen unaussprechlich (inst. 4,9,3, bezugnehmend auf wörtliches griechisches Zitat in inst. 4,7,3), und erklärt: sed nihil obstant verba, cum sententia congruat veritati (inst. 4,9,3). Die pantheistische Allnamigkeit Gottes wird hier zu einer monotheistischen Vereinnahmung aller Götter umgebogen.
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den Monotheismus in die Hermetik hinein.95 Wieder stellen wir eine implizite Instrumentalisierung der Hermetik fest. Bietet etwa der lactanzische Gerechtigkeitsbegriff eine feste Handhabe, um einen hermetischen Einfluß auf Lactanz anzunehmen? Antonie Wlosok erkennt in dem Satz pietas autem nihil aliut est quam dei notio (inst. 5,14,11), das wie eine Übersetzung des hermetischen ıIJջȖıțį İջ ԚIJijț Țıȟ ȗȟIJțȣ96 wirkt, einen Hinweis auf eine der Gnosis wie dem lactanzischen Christentum gemeinsame Heilsformel: demnach entspricht den lactanzischen Formulierungen cognitio dei ac iustitia (inst. 2,15,5) beziehungsweise cultus autem dei unus est malum non esse (vgl. inst. 6,25,1097) die hermetische Junktur ȗȟIJțȣ Ȝįվ ıIJջȖıțį.98 Auf dieser Grundlage nimmt Vincenzo Loi einen gnostischen Einfluß auf den lactanzischen Gerechtigkeitsbegriff an.99 Vinzenz Buchheit konnte jedoch zeigen, daß Lactanz sowohl in CH 9,4 (inst. 5,14,11) als auch in CH 12,23 (inst. 6,25,10) den Gerechtigkeitsbegriff erst in den Text hineingelesen hat: In CH 9,4 ist zwar von Tugend und Besonnenheit die Rede, aber eben nicht von Gerechtigkeit. Die Hermetiker werden dort der Masse gegenübergestellt, von der sie gehaßt, verfolgt und getötet werden. Auch in CH 12,23 wird zwar Gottesdienst als »Nichtschlecht-sein« identifiziert, von Gerechtigkeit ist hier aber nicht ausdrücklich die Rede.100 In beiden hermetischen Textstellen kommt also lediglich die Verbindung von Religion und Ethik zum Ausdruck. Diese Verbindung will Lactanz zwar ausschließlich für das Christentum in Anspruch nehmen, sie gehörte aber auch zum Selbstverständnis der von ihm bekämpften Religionsformen. Vor allem aber ist eine implizite Umdeutung der hermetischen Gotteserkenntnis zu konstatieren: Der hermetische Begriff von Gotteserkenntnis bezieht sich auf einen inkludierenden Monotheismus, während Lactanz mit diesem Begriff die Frontstellung gegen den Polytheismus im Sinne eines exklusiven Monotheismus verbindet.101 Die Beispiele für implizite Umdeutung, insbesondere durch Nichtbeachtung des pan95 Auch Löw 2002, 136 sieht – ohne Bezug auf die hermetische Lehre der Allnamigkeit Gottes – an dieser Stelle eine »Spannung, die zwischen einer [...] pantheistischen und einer transzendenten Gottesauffassung besteht«. 96 CH 9,4, zitiert in inst. 2,15,6 mit leichter Veränderung: de iustitia sic locutus est [...] ԭ ȗոȢ ıIJջȖıțį ȗȟIJտȣ ԚIJijț ijȡ ףȚıȡף. Vgl. Wlosok 1960, 211. 97 Trismegistus Hermes idoneus testis est, qui nobiscum, id est cum prophetis quos sequimur, tam re quam verbis congruit. de iustitia sic locutus est: ›[...] cultus autem dei unus est malum non esse.‹ 98 Vgl. Wlosok 1960, 212. 99 Vgl. Loi 1965, 115 und Loi 1966, 602. 613. 623f. 100 Vgl. Buchheit 1979c, 365f. 101 Vgl. Löw 2002, 220. Gegen die These eines hermetischen Einflusses auf Lactanz an dieser Stelle wendet sich auch Grossmann 2004, passim, besonders 175 180f. Vgl. auch unten den Abschnitt 4.1.2.1.
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theistischen Hintergrundes hermetischer Aussagen, ließe sich mühelos in den Themenbereichen Schöpfungslehre, Anthropologie, Dämonologie, rechte Gottesverehrung und Eschatologie fortsetzen.102 3.4.4.3 Explizite Werturteile Sogar einige der affirmativ eingesetzten hermetischen Zitate wecken also ernsthafte Zweifel an Vorstellung, daß Lactanz eine christlich-hermetische Synthese oder gar eine Hermetisierung christlicher Vorstellungen angestrebt oder durchgeführt habe. Dazu kommt noch die eine Textstelle, an der Lactanz eine hermetische Position als die eindeutig falsche kennzeichnet (inst. 4,8,4f.).103 Schon allein dadurch scheiden die Hermetica als eigenständig normsetzender Faktor aus. Nun könnte man freilich auf den heterogenen Charakter der Hermetica verweisen und mit Elizabeth DePalma Digeser postulieren, daß die hermetischen Schriften zumindest von einigen Hermetikern genauso aufgefaßt wurden wie von Lactanz. Für diese Annahme gibt es allerdings keine eindeutigen Belege.104 Daß Lactanz sich nur einer vereinnahmenden Argumentationsform bedient – und nicht etwa inhaltlich ein inklusives Christentum, das zwischen Christen und Nichtchrististen nicht scharf unterscheidet, vertritt, wird noch deutlicher aus den Stellen, an denen Lactanz explizit über Hermes Trismegistos urteilt: Wie wir sahen, weist Lactanz ihm im ersten Buch der Divinae institutiones eine Mittelstellung zwischen menschlichen und göttlichen Zeugnissen zu (inst. 1,6,1). Noch entscheidender ist allerdings, daß alle dort aufgezählten menschlichen und göttlichen Zeugnisse ihrerseits gegenüber der christlichen Bibel abgewertet werden und ihnen, wie Lactanz deutlich macht, Normativität nur im rhetorisch-protreptischen Zusammenhang, nicht aber an sich eignet.105 So betont Lactanz auch an anderer Stelle, daß Hermes Trismegistos fast die gesamte Wahrheit ergründet habe (inst. 4,9,3). Lactanz wertet ihn an dieser Stelle sicherlich auf – die entscheidende Qualifikation durch paene (fast) ist allerdings nicht zu übersehen.106 102 Vgl. nur die Interpretationen bei Löw 2002, 148 (zur Schöpfungslehre). 157. 159 (zur Anthropologie). 164f. 174 (zur Dämonologie). 223f. (zur rechten Gottesverehrung). 228 (zur Eschatologie). 248. 250. 103 Vgl. dazu Löw 2002, 203-206. 250. 104 Vgl. oben S. 164 Anm. 85. 105 Vgl. inst. 1,4,1-1,7,3, dabei besonders 1,5,1: sed omittamus sane testimonia prophetarum, ne minus idonea probatio videatur esse de his quibus omnino non creditur. 106 Vgl. auch die weiteren Aussagen über Hermes Trismegistos: In inst. 4,27,20 wird in dem Gegensatz von multa und omnia die Unvollkommenheit des Hermes Trismegistos deutlich: qui de deo patre omnia, de filio locutus est multa quae divinis continentur arcanis; in inst. 6,25,10 stellt Lactanz bezüglich immaterieller Gottesverehrung eine Kongruenz zwischen Christentum und Hermetik fest, die so gar nicht gegeben ist (vgl. Fowden 1993, 207): qui nobiscum, id est cum prophetis quos sequimur, tam re quam verbis congruit.
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3.4.4.4 Erkenntnisweg Schließlich äußert Lactanz die Vermutung, Hermes Trismegistos sei durch Nekromantie zu seinem Wissen gelangt: inst. 4,27,18-20: nam si quis studet altius inquirere, congreget eos quibus peritia est ciere ab inferis animas. evocent Iovem Neptunum Volcanum Mercurium Apollinem patremque omnium Saturnum: respondebunt ab inferis omnes et interrogati loquentur et de se ac deo fatebuntur.
(19) post haec evocent Christum: non aderit, non adparebit, quia non amplius quam biduo aput inferos fuit. (20) quid hac probatione certius proferri potest? ego vero non dubito quin ad veritatem Trismegistus hac aliqua ratione pervenerit, qui de deo patre omnia, de filio locutus est multa quae divinis continentur arcanis.
Denn wenn einer sich bemüht, nähere Informationen darüber einzuholen, möge er die zusammenrufen, die sich damit auskennen, Seelen aus der Unterwelt zu beschwören. Sie sollen Jupiter, Neptun, Vulcan, Mercur, Apoll und Saturn, den Vater von allen, beschwören: Sie alle werden aus der Unterwelt antworten und auf Fragen hin sprechen und über sich und Gott Bekenntnisse abgeben. (19) Danach sollen sie Christus beschwören: er wird nicht da sein, nicht erscheinen, weil er nicht länger als zwei Tage in der Unterwelt gewesen ist. (20) Welcher Beweis könnte angeführt werden, der noch sicherer ist als dieser hier? Ich zweifle in der Tat nicht daran, daß Trismegistos irgendwie auf diese Weise zur Wahrheit gelangt ist, der über Gott Vater alles, über den Sohn vieles gesagt hat, was zu den göttlichen Geheimlehren gehört.
An der zitierten Stelle fordert Lactanz den Leser auf, selbst nekromantische Beschwörungen vornehmen zu lassen. Dieser Vorschlag ist allerdings wohl kaum ernst gemeint, sondern stellt offenkundig eine Synkatábasis dar. Denn Nekromantie ist für Lactanz ein von den bösen Dämonen erfundenes Verbrechen (inst. 2,16,1),107 eine Inszenierung der Dämonen, die zwar über übermenschliches Wissen verfügen, dieses aber nur deshalb und nur teilweise an die Menschen weitergeben, um sie im übrigen leichter durch Lügen ins Verderben stürzen zu können.108 Lediglich um der rhetorischen Dra107 Eorum (sc. daemonum) inventa sunt astrologia et haruspicina et auguratio et ipsa quae dicuntur oracula et necromantia et ars magica et quidquid praeterea malorum exercent homines vel palam vel occulte... Vgl. zur jüdisch-christlichen Verurteilung von Nekromantie auch im Alten Testament Lv 20,6. 27. 108 Vgl. dazu unten den Abschnitt 3.6.3.2.
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matisierung willen greift Lactanz zum Mittel der dissimulatio und benutzt hier den (mangelnden) Erfolg nekromantischer Praktiken als Testimonium für seinen Standpunkt. Denn die Nekromantie gehört seiner Ansicht zu den Dingen, die an und für sich trügerisch sind (inst. 2,16,1: ... omnia per se falsa). Lactanz geht es an der oben zitierten Textstelle also nicht um eine Rehabilitierung der Nekromantie, sondern vielmehr um seine schon im voraufgehenden Paragraphen (inst. 4,27,17) geäußerte Auffassung, daß die nichtchristlichen Götter gar keine rechten Götter sind. Als Beweis führt er in dem obigen Textstück nun an, daß diese Scheingötter – im Gegensatz zu Christus – den Künsten menschlicher Nekromanten unterliegen. In diesem Zusammenhang unterstellt er auch Hermes Trismegistos, durch Nekromantie zu seinen Kenntnissen gekommen zu sein. Möglicherweise spielt der Apologet hier mit dem Vorwurf der Nekromantie auf theurgische Praktiken an. Im spätantiken Diskurs über Magie spielte die Unterscheidung zwischen ›niederer‹, ›böser‹, ›nekromantischer‹ Magie einerseits und ›höherer‹, ›philosophischer‹ Magie beziehungsweise Theurgie andererseits eine große Rolle.109 Das zeigen auch entsprechende Passagen bei Lactanzens Zeitgenossen, den Neuplatonikern Porphyrios und Iamblichos.110 Unbestreitbar aber ist, daß die Herleitung hermetischen Wissens aus Nekromantie Hermes Trismegistos wohl nicht gerade für einen normativen Rang, schon gar nicht den eines christlichen Propheten,111 prädestiniert, sondern vielmehr als Praktizierer von Nekromantie diskreditiert. So wahr einzelne hermetische Lehren nach lactanzischer Auffassung auch sind – sie stammen seiner Ansicht nach letztlich aus dem Munde von Dämonen, gefallenen Engeln, die sich der Wahrheit keineswegs verpflichtet fühlen und ihr übermenschliches Wissen nur dazu einsetzen, den Menschen langfristig um so effizienter zu schaden. 3.4.5 Schluß Sowohl die rücksichtslose Umdeutung der Hermetica als auch die expliziten Werturteile über Hermes Trismegistos und schließlich auch die Unterstellung von Nekromantie machen es sehr unwahrscheinlich, daß Lactanz eine hermetisierte Form des Christentums vertrat. Sein nirgends zurückgenom109 Vgl. auch Flint – Gordon – Luck – Ogden 1999, 227-229. 110 Porphyrios frg. 286 Smith (= Aug. civ. 10,9 p. 415,5-16); Iamb. myst. 3,31. 111 Daß Lactanz Hermes Trismegistos als christlichen Propheten aufgefaßt habe, impliziert Fowden 1993, 205. Löw 2002, 122-124 wertet inst. 4,27,18-20 als Indiz dafür, daß Hermes Trismegistos nach lactanzischer Auffassung doch eher den divina testimonia zuzuordnen sei, da er durch Dämonen vermittelte Kenntnisse propagiere.
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mener Exklusivitätsanspruch verbietet auch die These, Lactanz habe ein inklusives, zwischen Christen und Hermetikern nicht trennscharf unterscheidendes Christentum propagiert. Freilich vermag auch das Paradigma der christlichen Instrumentalisierung hermetischer Texte nicht alle Konvergenzen zu erklären. Solche allgemeinen Konvergenzen wie der Glaube an die Offenbarungsnotwendigkeit wohnten aber auch schon dem vorlactanzischen Christentum inne112 und können daher nicht zugunsten einer Anwendung eines Synthese- oder Hermetisierungsparadigmas geltend gemacht werden. Die Hermetica scheiden als eigenständig normsetzende Instanz aus. Durch die christliche Vereinnahmung entzieht Lactanz vielmehr den Konkurrenten und/oder Gegnern des Christentums – den Hermetikern und insbesondere den Neuplatonikern wie Iamblichos – die Hermetica als normative Texte.
112 Vgl. auch etwa die Betonung der Gotteserkenntnis im Johannesevangelium und dazu Wilson, RAC 14 (1988) 798 s.v. Hermetik C. Hermetik und Christentum.
3.5 Zum Stellenwert der Oracula Sibyllina Lactanz rechnet die Oracula Sibyllina zu den nichtchristlichen »göttlichen Zeugnissen«1 (divina testimonia) für die christliche Lehre. Dabei thematisiert er insbesondere Monotheismus, Christologie und Eschatologie. Unser Autor greift weitaus häufiger als alle christlichen Schriftsteller vor ihm auf diese Prophezeiungen zurück und äußert an der Wahrheit ihres Inhaltes kaum auch nur einen leisen Zweifel. Auf den ersten Blick scheint die lactanzische Behandlung der Oracula Sibyllina damit ein Paradebeispiel für die Anwendbarkeit eines konzilianten Paradigmas der Synthesee zu sein. Für diese Arbeit ist die Frage nach dem lactanzischen Verhältnis zu den Oracula Sibyllina daher von besonderer Relevanz. 3.5.1 Zur Forschungslage Das Urteil in der Forschung ist fast einhellig: Réné Pichon sieht die lactanzische Verwendung der Oracula Sibyllina im Zusammenhang mit der apologetischen Methode unseres Autors.2 Gleichzeitig meint der französische Forscher aber, diese Texte hätten Lactanz stark beeinflußt, vielleicht stärker noch als die Bibel.3 Ja die Rolle der Oracula Sibyllina bei Lactanz zeige, in welch erstaunlichem Maße Lactanz sogar in spezifisch religiösen Fragen Heide (païen) geblieben sei.4 Réné Pichon beruft sich dabei vor allem darauf, daß Lactanz die Taufe Christi und die Apokalypse nach Maßgabe der Oracula Sibyllina dargestellt habe.5 Auch Bard Thompson verkennt zwar nicht die Instrumentalisierung der Oracula Sibyllina zu protreptischen Zwecken, er sieht aber auch Lactanz selbst im Banne der Sibylle – »bewitched by the prophetess«.6 Marie-Louise Guillaumin ordnet die Verwendung der Oracula Sibyllina in das lactanzische Bestreben ein, die Christengegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen,7 deutet aber gleich darauf an, 1 Der Begriff ist insofern problematisch, als Lactanz hier die seinem Publikum vertraute Einteilung in menschliche und göttliche Zeugnisse übernimmt und von Göttern spricht, obwohl es sich seiner Überzeugung nach in Wirklichkeit lediglich um Dämonen handelt. Göttlichkeit kommt nach lactanzischer Auffassung als Eigenschaft ausschließlich dem christlichen Gott zu (vgl. etwa inst. 1,6,4-6 und oben S. 83f.). 2 Pichon 1901, 213. 3 Pichon 1901, 209-212. 4 Pichon 1901, 217. 5 Pichon 1901, 211. 6 Thompson 1951, 117. 7 Guillaumin 1978, 189f.
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Lactanz selbst habe die Oracula Sibyllina für verständlicher und interessanter gehalten als die Propheten.8 Vinzenz Buchheit ordnet dagegen die Oracula Sibyllina pauschal der frühchristlichen Tradition zu, der Lactanz seinen Gerechtigkeitsbegriff entnommen habe. Daß die lactanzische Aussage, wonach die Sibyllen der außerchristlichen Tradition angehören (inst. 4,15,26-28), vor diesem Hintergrund einige Brisanz birgt, thematisiert er nicht.9 Nach Herbert William Parke mißt Lactanz den Oracula Sibyllina eine mehr oder weniger mit den alttestamentlichen Propheten vergleichbare Bedeutung zu.10 Salvatore Pricoco geht davon aus, daß Lactanz die Oracula Sibyllina auf einer Stufe mit den biblischen Propheten ansiedelt.11 Nach Peter Dronke war Lactanz geradezu besessen von den Sibyllen, die ihm seit seiner Jugendzeit vertraut gewesen seien. Diese Leidenschaft für die Sibyllen habe auch sein Urteil geprägt: Die Aufnahme und quantitative Prävalenz der Oracula Sibyllina diente – so impliziert der Mittellateiner – daher primär dem Zweck, diese Schriften auch im christlichen Kontext zu bewahren.12 David Potter diagnostiziert eine Preisgabe der biblischen Propheten zugunsten von griechisch-römischer Philosophie, Dichtung und Prophetie.13 Giulia Sfameni Gasparro erkennt die protreptische Taktik des Lactanz, unterscheidet sie aber nicht von den Überzeugungen, die Lactanz selbst vertrat und kommt damit zu dem Ergebnis, Lactanz habe die Oracula Sibyllina mit der alttestamentarischen Prophetie auf eine Stufe gestellt.14 Auch Teresa Sardella sieht die protreptische Methode in den Schriften des Lactanz, geht aber trotzdem von einer absoluten Gleichwertigkeit von Sibylle und alttestamentarischen Propheten aus.15 Dabei rekonstruiert sie ein politisches Panorama, in dem sich sowohl Christen als auch Christengegner auf die Sibylle berufen.16 Die Sibylle erscheint ihr in diesem Zusammenhang unter anderem auch als Beispiel für die Toleranz der constantinischen Herrschaft.17
8 Guillaumin 1978, 191f. 9 Buchheit 1979c, 367f. mit Anm. 95 und 102 auf S. 373f. 10 Parke 1988, 161: »[...] on much the same footing as the Hebrew prophets, regarding them [sc. the Sibyls] as God’s mouthpieces uttering his word to the Greeks.« 11 Pricoco 1989, 373. 12 Dronke 1990, 9. 13 Potter 1994, 210. 14 Sfameni Gasparro 1998, 549. 15 Sardella 1998, 596. 16 Sardella 1998, 597. 17 Sardella 1998, 601. Die Argumentation von Teresa Sardella stützt sich vor allem auf eine Stelle aus dem constantinischen Edikt an die östlichen Provinzialen (Eus. Vita Const. 2,48-60) aus dem Jahre 324. Dort läßt Eusebios den Kaiser von einem Apollo-Orakel reden (Eus. Vita Const. 2,50), welches Teresa Sardella mit einem Sibyllen-Orakel gleichsetzt (S. 593). An der betreffenden Stelle ist jedoch nur allgemein von einer Priesterin, nicht speziell von einer beziehungsweise
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Oliver Nicholson betont, daß Lactanz die Oracula Sibyllina absichtsvoll mit Blick auf Bildung und Neigungen seines Publikums zitiere.18 Der lactanzische Umgang mit den Oracula Sibyllina wird damit in beinahe der gesamten Forschung sowohl als protreptische Taktik und Instrumentalisierung verstanden als auch als Ausdruck der Tatsache, daß Lactanz diese Texte als eigenständigen normsetzenden Faktor auf einer Stufe mit den alttestamentarischen Propheten anerkannt habe. Dieser Befund würde auch nahelegen, daß Lactanz eine Synthese aus Antike und Christentum hergestellt hat. Der inhärente Widerspruch zwischen dieser Deutung der Oracula Sibyllina als bloßem Objekt bewußter Instrumentalisierung einerseits und Träger eigenständiger Normsetzung andererseits wird dabei nicht gesehen. 3.5.2 Entwicklungs- und Überlieferungsgeschichte der Oracula Sibyllina Die Frage nach dem lactanzischen Verhältnis zu den Oracula Sibyllina ist auch deswegen besonders schwierig, weil diese Prophezeiungen eine äußerst komplexe Entwicklungs- und Überlieferungsgeschichte aufweisen: Die als Oracula Sibyllina bezeichnete Textsammlung ist nur ein Teil der jüdisch-christlichen Sibyllentradition. Diese wiederum ist selbst das Produkt jüdischer beziehungsweise christlicher Auseinandersetzung mit der hellenistisch-römischen Kultur und eine verhältnismäßig junge Entwicklung in der Geschichte sibyllinischer Orakel überhaupt: Sibyllinische Orakel sind Weissagungen in Hexametern, die einer Wahrsagerin namens Sibylle zugeschrieben wurden und vor allem Kriege, den Untergang von Königreichen sowie Naturkatastrophen voraussagten. Die ersten Sibyllinischen Orakel sind wohl im hellenisierten Kleinasien des 6. vorchristlichen Jahrhunderts entstanden. Der Typus der Sibylle verbreitete sich mit der Zeit in der ganzen hellenistischen Welt.19 Seit dem vierten vorchristlichen Jahrhundert20 unterschied man mehrere Sibyllen, ja erstellte schließlich ganze Sibyllenlisten. Dabei wurden die Sibyllen geographisch zugeordnet: Neben Sibyllen aus dem kleinasiatischen, griechischen und italischen Raum finden sich unter anderem auch eine libysche, eine hebräische, eine persische usw.21 Die Sibyllinischen Orakel erfüllten einerseits eine soziale Funktion: Katastrophen erschienen nicht mehr als der Sibylle die Rede. Fragwürdig erscheint ihre Rekonstruktion der politischen Bedeutung der Oracula Sibyllina in lactanzischer Zeit. 18 Nicholson 2001a, 365-367. 19 Vgl. Parke 1988, 1-23. 20 Aristot. probl. 954a36; Herakleides Ponticus ap. Clem. Al. strom. 1,108,3. 21 Vgl. Gauger 1998, 348-350.
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furchtbare Folgen eines blinden Zufalls, sondern immerhin als geweissagte Erfüllung eines vorbestimmten Schicksals.22 Daneben wirkten die Sibyllinischen Orakel aber auch auf politischer Ebene. Das zeigt sich insbesondere an Prophezeiungen über den Untergang von Hegemonialmächten. Sibyllinische Orakel konnten damit auch zu Trägern politischen Widerstands werden. Träger und Adressaten Sibyllinischer Weissagungen waren offenbar weite Kreise der Bevölkerung, weniger die Oberschichten.23 Unter den zahlreichen Sibyllen gab es auch eine in Cumae an der kampanischen Küste.24 Die Cumaeische Sibylle gewann dadurch besondere Bedeutung, daß der römische Staat seine Sammlung Sibyllinischer Orakel auf sie zurückführte. Vielleicht seit der ausgehenden Königszeit befand sich in Rom auf dem Capitolshügel eine Sammlung von sibyllinischen Büchern, Orakeln in griechischen Hexametern, die von einem speziellen Kollegium verwahrt und gegebenenfalls eingesehen wurden. Von den übrigen Sibyllinischen Orakeln unterschieden sich die römischen – als libri Sibyllini bekannt – dadurch, daß sie nicht nur Katastrophen ankündigten, sondern auch rituelle Abwehrmöglichkeiten an die Hand gaben. Diese Abwehrmöglichkeiten konnten in Menschenopfern, aber auch in der Einführung neuer Kulte oder dem Bau neuer Tempel in Rom bestehen. Am 06.07.83 vor Christus brannte der Tempel des Iupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol ab. Mit ihm gingen auch die libri Sibyllini unter. Der Senat bildete daraufhin (im Jahre 76 vor Christus) eine eigene Kommission. Diese veranstaltete eine neue Sammlung aus anderen sibyllinischen Versen italischer und griechischer sowie kleinasiatischer Abkunft und schuf so ein neues Corpus von römischen Sibyllinischen Orakeln.25 Die eminent politische Bedeutung26 der Sibyllinischen Orakel wird auch an den Maßnahmen Octavians, des späteren Augustus, deutlich: Im Jahre 12 v. Chr. ließ er die libri Sibyllini in den im Jahre 28 v. Chr. eingeweihten Apollontempel überführen. Alle in Privatbesitz befindlichen fatidici libri, also Bücher mit Prophezeiungen, wurden eingezogen. Mehr als 2000 solcher Bücher wurden verbrannt, der Rest staatlich verwahrt und der Öffentlichkeit unzugänglich gemacht.27 Diese Aktionen verdeutlichen den Anspruch des römischen Staates, Orakeltexte
22 Vgl. Parke 1988, 18. 23 Vgl. Parke 1988, 16. Die hellenistische Zeit kennt allerdings auch das Akrostichon als Kennzeichen für sibyllinische Texte (vgl. Varro ap. Dion. Hal. ant. 4,62,6; Cic. div. 2,112.). 24 Näheres zum dortigen Orakelbetrieb bei Parke 1988, 71-99. 25 Vgl. Dion. Hal. ant. 4,62; Tac. ann. 6,12; Parke 1988, 138. 26 Vgl. dazu Wiseman 1994, 58-66. 27 Vgl. Suet. Aug. 31,1; Tac. ann. 6,12,2: … simul commonefecit (sc. Tiberius), quia multa vana sub nomine celebri vulgabantur, sanxisse Augustum, quem intra diem ad praetorem urbanum deferrentur neque habere privatim liceret; MacMullen 1967, 130; Parke 1988, 141f.
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wie die Sibyllinischen Orakel ob ihrer politischen Bedeutung zu monopolisieren.28 Die Sibyllinischen Orakel haben ihre Bedeutung offensichtlich auch während der Kaiserzeit nicht verloren. So wurden sie beispielsweise im Zusammenhang mit den Säkularspielen konsultiert.29 Im Jahre 19 n. Chr. sorgten sibyllinische Verse, die den Untergang Roms ankündigten, für Unruhe. Kaiser Tiberius sah sich veranlasst, das gesamte prophetische Schrifttum seiner Zeit untersuchen und ›Fälschungen‹ von ›echten‹ Texten unterscheiden zu lassen (Cass. Dio 57,18,4f.). Der christliche Apologet Justinus Martyr (apol. 44,12) berichtet in der Mitte des zweiten Jahrhunderts vom Verbot mehrerer Weissagungstexte, darunter insbesondere auch der (nichtstaatlichen) sibyllinischen Orakel. Mehrere Kaiser der hohen und späteren Kaiserzeit sollen die römischen libri Sibyllini zu Rate gezogen haben.30 Diese Befragungen würden auf eine fortdauernde politische Relevanz der römischen Sibyllina hinweisen. Ob man den entsprechenden antiken Berichten aber in diesem Punkt glauben darf, ist in der Forschung umstritten.31 Seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert entwickelte sich ein neuer Typus sibyllinischer Weissagungen: Juden bedienten sich der sibyllinischen Form, um der nichtjüdischen Umgebung jüdische Vorstellungen in griechischen Hexametern zu präsentieren:32 Zu der politischen Propaganda (mit teils proptolemäischer, teils prorömischer, zumeist aber antirömischer Stoßrichtung), die in den Zusammenhang hellenistischer Widerstandsorakel einzuordnen ist,33 tritt hier religiöse Propaganda. Diese polemisiert vor allem gegen ›Götzendienst‹, thematisiert teilweise aber auch innerjüdische rituelle Fragen wie die Bedeutung des Jerusalemer Tempels oder das Opfer. Ein Großteil der jüdischen Sibyllina stammt aus Ägypten. Das politische Anliegen einiger dieser Texte äußert sich in scharfer antirömischer Polemik.34 So 28 Vgl. Momigliano 1987, 409f. 29 Vgl. Phlegon Macr. 37,5,4 (FGrH 257 F 37,5,4). Auf dem commentarium ludorum saecularium septimorum (CIL VI 32326-32336), einer Inschrift anläßlich der Säkularspiele des Jahres 204 nach Christus, erkennt Theodor Mommsen in der nur lückenhaft erhaltenen Zeile 20 von CIL VI 32326 eine Anspielung auf die ersten beiden bei Phlegon überlieferten Sibyllenverse, vgl. dazu Mommsen 1899, 280. 30 Vgl. Hist. Aug. Hadr. 2,8; Hist. Aug. Gord. 26,2; Hist. Aug. Aurelian. 20,4-8; Hist. Aug. Tac. 16,6 (hier ist der Kaiser nicht Befrager, sondern Gegenstand der Sibyllini libri); Zosimos 2,16,1f.; Amm. 23,1,7. 31 Faktizität der Befragungen - mit Ausnahme derer durch Julian (Amm. 23,1,7) – bestritten von Parke 1988, 211: »probably fictitious decorations«; offengelassen von Gauger 1998, 400f. 32 Momigliano 1987, 412. 421 sieht als Zielgruppe aber auch Juden, denen ein ›gemeinsamer Nenner‹ mit den Nichtjuden gegeben werden sollte. 33 Vgl. dazu Gauger 1998, 404-408. 34 Daneben findet sich auch eine prorömische Grundhaltung (Orac. Sib. 11-14). Dem entspricht die Tatsache, daß das uns überlieferte Corpus der Oracula Sibyllina selbst wieder in zwei Sammlungen zerfällt, deren erste (Orac. Sib. 1-8) eschatologische und ethische Fragen in den Vor-
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stellen die Bücher Orac. Sib. 1, 2, 4, 5 und 8 eindrucksvolle Exponenten des geistigen Widerstands gegen Herrschaftsanspruch und Herrschaftspraxis Roms dar.35 Innerhalb der jüdischen Sibyllina lassen sich einzelne Verse oder auch größere Versgruppen unterscheiden, die offenbar nichtjüdischen, teilweise christlichen Ursprungs sind:36 Die nichtchristlichen außerjüdischen Elemente sollten offenbar den Anschluß an die gewachsene Sibyllentradition bestärken und so den Orakeln insbesondere beim hellenistisch-römischem Publikum eine größere Glaubwürdigkeit verschaffen. Die christlichen Interpolationen bezeugen dagegen das christliche Interesse an der Sibyllentradition:37 Das 6. und 7. Buch der Oracula Sibyllina sind von Grund auf christlich,38 daneben die zweite Hälfte des 8. Buches (8,216-500).39 Außerdem wurden auch die (jüdischen) ersten beiden Bücher, die eine Einheit bilden, christlicherseits überarbeitet.40 Die christlichen Interpolatoren ließen die Sibylle vor allem Christus und seine Inkarnation vorhersagen. Außerdem bauten sie die – teilweise schon in den jüdischen Sibyllina greifbaren – eschatologischen Vorstellungen aus, indem sie eine individuelle Vergeltung im Jenseits betonten. Christen waren es auch, die aus den jüdischen beziehungsweise christlichen Sibyllina – wohl zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert41 – diejenige Auswahl trafen, die uns jetzt als Oracula Sibyllina vorliegt: Offenbar verstanden sie auch die nicht (spezifisch) christlichen Passagen, die den Großteil der Sammlung bilden, christlich. Die Oracula Sibyllina als christliche Sammlung jüdischen und christlichen Materials, die uns in über 4000 Versen vorliegt, sind damit scharf zu unterscheiden erstens von sonstigen Sibyllinischen Orakeln christlicher Provenienz, die nicht Eingang in diese Sammlung gefunden haben, zweitens von sonstigen Sibyllinischen Orakeln jüdischer Provenienz, die nicht Eindergrund stellt, während die zweite (Orac. Sib. 9-15, davon die Bücher 11-14 am besten erhalten) vor allem dynastische Prophezeiungen bietet. Vgl. dazu Potter 1994, 88. 35 Vgl. Fuchs 1938, 7f. 36 Christlich z.B. Orac. Sib. 3,776; 5,256-259, vgl. Collins 1987, 430. 436; wahrscheinlich weder christlich noch jüdisch z.B. Orac. Sib. 3,350-488, vgl. Collins 1987, 433f. 37 Andererseits weist Momigliano 1987, 413 auf die Möglichkeit einer jüdischen Nutzung christlicher Sibyllina hin. Ob man mit Momigliano 1987, 408 von »collaborazione di Ebrei e Cristiani in questa produzione e conservazione di oracoli sibillini« sprechen sollte, halte ich für zweifelhaft. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die beträchtlichen Spannungen zwischen Juden und Christen in der Auseinandersetzung mit den Oracula Sibyllina keine Rolle gespielt hätten. 38 Vgl. Collins 1987, 449-451. 39 Vgl. Collins 1987, 448. 40 Vgl. Collins 1987, 444-446. 41 Für Abfassung der Sammlung im 6. Jahrhundert plädieren Parke 1988, 1 und Gauger 1998, 334. Potter 1994, differenziert zwischen zwei Sammlungen der Oracula Sibyllina, deren erste (Orac. Sib. 1-8) er ins späte 5. Jahrhundert und deren zweite (Orac. Sib. 9-15) er ins frühe 7. Jahrhundert datiert.
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gang in diese Sammlung gefunden haben, und drittens von den paganen Sibyllinischen Orakeln, die uns überhaupt nur in Fragmenten erhalten sind. Daß der Begriff Oracula Siybllina im engeren Sinne nur die überlieferte christliche Sammlung meint, ist daher eine Konvention, die leicht Mißverständnisse auslöst.42 Seit dem 1. vorchristlichen Jahrhundert fanden die Sibyllinischen Weissagungen auch in der Literatur weitere Verbreitung.43 Hier ist insbesondere Vergil zu nennen. Durch seine Darstellung der Sibylle von Cumae im 6. Buch der Aeneis prägte er weithin die Vorstellungen der römischen Eliten. In seiner 4. Ekloge nahm er messianische Züge der jüdisch überarbeiteten Oracula Sibyllina auf und prophezeite ein neues Goldenes Zeitalter. Beide Verarbeitungen rückten die Sibylle in die Nähe des römischen Kaiserhauses. Daneben fand die Sibylle insbesondere als Symbol für Langlebigkeit Eingang in die Dichtung.44 Die Sibyllinischen Orakel waren demnach potentiell hochbrisante Texte: Als libri Sibyllini waren sie geheimgehaltene ›heilige‹ Texte des römischen Staates; außerhalb dieser Sammlung liefen unter diesem Namen aber auch zahlreiche andere sibyllinische Texte um, von denen einige in teilweise drastischer Weise Haß, Feindschaft und Widerstand gegen Rom bezeugten. Auch religiös waren sie nicht eindeutig zuzuordnen. Denn die jüdischen und christlichen Sibyllenorakel standen mit ihrer gegen die übrigen Religionsformen, insbesondere gegen den ›Götzendienst‹ gerichteten Polemik im Widerspruch zu den paganen Sibyllenorakeln, die in die klassische Literatur Eingang gefunden hatten und damit zu einem Bestandteil der antiken Bildungstradition geworden waren. 3.5.3 Die Oracula Sibyllina bei frühchristlichen Schriftstellern Die Wirkung der judaisierten beziehungsweise christianisierten Sibyllina auf die paganen Eliten scheint gering gewesen zu sein. Dafür spricht jedenfalls die Tatsache, daß sich bisher lediglich zwei Verse aus dem uns überlieferten (jüdisch-christlichen) Corpus der Oracula Sibyllina (= Orac. Sib. 4,97f.) bei einem paganen Autor wiederfinden lassen.45 Bei den christlichen 42 Vgl. dazu auch Parke 1988, 19 Anm. 1: »In the text I use the term ›Oracula Sibyllina‹ for the oracles extant in manuscript and fragments attributed to them, and ›Sibylline oracles‹ for the oracles quoted or referred to in pagan classical authors.« 43 Vgl. Parke 1988, 144-148. 44 Vgl. Parke 1988, 147f. 45 Vgl. Strab. 1,3,7; 12,2,4 und dazu Parke 1988, 133 mit 135 Anm. 20, wo auch die (geringfügigen) Abweichungen zwischen dem überlieferten Text Strabons und dem der Oracula Sibyllina genannt werden.
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Schriftstellern entfalteten die Oracula Sibyllina dagegen eine breite Wirkung. Übereinstimmend gingen die christlichen Apologeten davon aus – oder versuchten zumindest, den Leser davon zu überzeugen –, daß die Oracula Sibyllina dem griechisch-römischen Kultur- und Religionskreis angehören und eben nicht dem jüdisch-christlichen.46 Ansonsten gibt es aber manche Unterschiede in der Bewertung, wie der folgende kurze Überblick zeigt: Im Hirten des Hermas wird der potentielle Normenkonflikt zwischen Sibylle und christlicher Kirche deutlich: Die Vision einer weisen alten Frau wird dort zunächst mit der Sibylle identifiziert. Im folgenden wird aber deutlich, daß es sich in Wirklichkeit um die Kirche handelt (Hermas 8,1). In der Verwechslung der Kirche mit der Sibylle und der Behauptung zeitlicher Priorität der Kirche vor der Sibylle thematisiert Hermas einen Normenkonflikt und löst ihn zugunsten der Kirche.47 Auch Athenagoras (leg. 30,1) bezeichnet die Sibylle noch nicht als Prophetin. Er erwähnt sie allerdings schon innerhalb einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie. Von einem Normenkonflikt ist nichts zu spüren. Theophilos (ad Autolyc. 2,36,1; 2,38,3) und Clemens Alexandrinus (protr. 27,5; 50,1. 4; 77,2) gehen dann einen Schritt weiter: Sie vereinnahmen die Sibylle nicht nur in ihrer Argumentation, sondern bezeichnen sie sogar als Prophetin. Die größte Bedeutung messen Theophilus und Tertullian der Sibylle zu: Bei Theophilus (ad Autolyc. 2,9,2) erscheint sie fast auf derselben Stufe wie die biblischen Propheten, Tertullian bezeichnet sie als »des wahren Gottes wahre Seherin«.48 Theophilus zitiert neben kleineren Versgruppen (ad Autolyc. 2,3,2; 2,31,6) auch längere Passagen (ad Autol. 2,36,1-15) aus den jüdischen Sibyllina. Clemens Alexandrinus rekurriert recht häufig auf die Sibylle, der er einen sehr hohen Status zuerkennt: So bezeichnet er sie als von Gott inspirierte Prophetin (protr. 77,2f.) und beruft sich sogar auf ein apokryphes Pauluswort, das zur Lektüre von Sibylle und Hystaspes aufruft, da dort biblische Wahrheiten klarer ausgedrückt seien (str. 6,43,1). In diesem Zusammenhang wird die Sibylle als gottgegebene Prophetin der Griechen mit den biblischen Propheten in gewisser Weise parallelisiert; bei der chronologischen Einordnung der Sibylle in str. 1,108,1 wird sogar gesagt, die Sibylle habe wie Moses früher als Orpheus gelebt. Aus all dem folgt allerdings nicht unbedingt eine normative Gleichstellung der Sibylle mit biblischen Propheten im allgemeinen oder Moses selbst,49 wie die konkrete Verwen46 47 48 49 dikativ,
Vgl. Pépin 1986, 41. Vgl. dazu Parke 1988, 152-154. Tert. nat. 2,12,35: veri vera vates. Sardella 1995 verwechselt offenkundig den Imperativ ֆIJչijȧ in protr. 77,2 mit einem Inwenn sie schreibt (S. 325): »Ancora più significativo è il fatto che la Sibille ebraica non
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dung der Sibylle etwa in str. 3,3,14 zeigt: Dort wird die Sibylle unterschiedslos zwischen griechischen Philosophen und Dichtern zitiert. Der potentielle Normenkonflikt zwischen Sibylle und Kirche wird erst wieder in der Erwiderung des Origenes auf den Christengegner Kelsos deutlich: Kelsos hatte auf eine der Sibylle besonders zugetane christliche Gruppe, die sogenannten Sibyllistae, verwiesen und ironisch vorgeschlagen, die Christen sollten doch statt Jesus lieber gleich die Sibylle zur Heilsgestalt erkiesen (Celsus ap. Orig. c. Cels. 7,53). In seiner Erwiderung auf Kelsos leugnet Origenes rundweg die Existenz der Sibyllistae.50 Auch den Vorwurf des Kelsos, die Christen hätten Sibyllinische Orakel interpoliert, will Origenes nicht gelten lassen und verlangt von seinem – inzwischen längst verstorbenen – Widersacher die Vorlage nichtinterpolierter Textversionen. Dem von Kelsos aufgeworfenen Problem des Normenkonflikts zwischen Sibylle und Kirche geht er damit geflissentlich aus dem Weg. Die christlichen Schriftsteller zur Zeit des Lactanz bezeichnen die Sibylle nicht mehr als Prophetin: Sein Rhetoriklehrer Arnobius, inzwischen wie Lactanz zum Christentum übergetreten, verwendet die Autorität, die die Sibylle bei den Götterverehrern hat, an einer Stelle (Arn. 1,62) zu seinen Zwecken, ohne der Sibylle aber selbst eine normative Bedeutung einzuräumen. Die mit Lactanz »etwa zeitgleiche«51 griechische Cohortatio ad Graecos und Eusebs Praeparatio Evangelica, vielleicht relativ bald nach den Divinae Institutiones entstanden,52 kennen beide die Sibylle zwar nicht mehr als Prophetin, ziehen sie aber weiterhin heran, um eigene Aussagen zu bestätigen.53 Allerdings erscheint die Sibylle in der bei Eusebios überlieferten Rede an die Versammlung der Heiligen des Kaisers Constantin auf dem Konzil von Nikaia (im Jahre 325) als von Christus auserwählte Prophetin.54 Unter den Kirchenvätern spricht dann erst Augustinus wieder von der Prophetie der erythräischen/cumäischen Sibylle.55 In diesem Zusammenhang erwähnt er auch die lactanzische Nutzung der Oracula Sibyllina, an der er nichts auszusetzen hat (civ. dei 18,23). Bis ins 3. Jahrhundert hinein scheint also die Wertschätzung der Sibylle bei denjenigen christlichen Schriftstelsolo è collocata tra i profeti veterotestamentari, ma è anche la prima tra essi ad aver intonato, ispirata da Dio, il canto di salvezza«. 50 Es ist fraglich, ob es je Christen gegeben hat, die sich selbst als besondere Gruppe empfanden und mit dem Namen ȉțȖȤȝȝțIJijįտ bezeichneten. Vielleicht stellt der Begriff auch nur eine ironisch-polemische Überspitzung des Kelsos dar. 51 Vgl. Riedweg 1994, 28-53, hier 52 Anm. 174. 52 Vgl. Sirinelli – des Places 1974, 13: »entre la fin des persécutions et le guerre finale contre Licinius«. 53 Vgl. Ps.-Iust. coh. ad Graecos 16. 37f.; Eus. Pr. Ev. 9,15,1; 13,13,35. 42. 54 Constantin ap. Eus. oratio ad sanctos 18,5. 55 Aug. in Rom. imperf. 3,3; vgl. auch civ. dei 18,23 p. 287,14-16 (ut in eorum numero deputanda videatur (sc. Sibylla), qui pertinent ad civitatem dei).
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lern, die überhaupt die Sibylle erwähnen, mehr und mehr zuzunehmen. Zu Lebzeiten des Lactanz ist man dagegen – sehen wir von Kaiser Constantin ab – kritischer: Die Sibylle erscheint nicht mehr als Prophetin. 3.5.4 Die Oracula Sibyllina bei Lactanz Auch Lactanz selbst bezeichnet die Sibylle nicht als Prophetin. Er steht damit in einer Reihe mit Origenes, dem Verfasser der Cohortatio ad Graecos und Eusebios. Dagegen rekurriert er durch Zitate oder Anspielungen über 70 Mal56 auf die Oracula Sibyllina – bei weitem häufiger als alle seine christlichen Vorgänger und Zeitgenossen. Außer einigen in den Oracula Sibyllina nicht überlieferten Fragmenten scheint Lactanz nur die Bücher Orac. Sib. 3-8 gekannt zu haben. Die besonders häufige Verwendung dieser Texte spricht für eine intensive Auseinandersetzung. Auch hebt Lactanz die Sibyllen positiv nicht nur von Philosophen und Dichtern, sondern sogar von Hermes Trismegistos ab (inst. 1,6,6). Läßt diese quantitativ beeindruckende Bilanz auch Rückschlüsse auf eine besondere Wertschätzung der Sibylle zu? Stand Lactanz etwa in dieser Hinsicht dem die Sibylle als Prophetin Gottes feiernden Kaiser Constantin näher als den zeitgenössischen Apologeten? 3.5.4.1 Die Vorstellung der Oracula Sibyllina in inst. 1,5f. In seiner Bestandsaufnahme potentieller Testimonien (inst. 1,4-7) ordnet Lactanz die Oracula Sibyllina57 den (paganen) göttlichen Zeugnissen zu (inst. 1,5f.). Um die Autorität der Sibylle zu untermauern, greift Lactanz auf eine Sibyllenliste des Varro zurück (inst. 1,6,7-12). Unter den dort genannten zehn Sibyllen habe die erythraeische die größte Bedeutung, und ihr allein könnten bestimmte Texte zugeschrieben werden, während die Zuordnung der übrigen sibyllinischen Texte zu den einzelnen Sibyllen nicht mehr möglich sei (inst. 1,6,13f.). Eine hebräische Sibylle kennt Lactanz nicht. Interessant ist allerdings die Hervorhebung der erythräischen Sibylle, die, wie Lactanz sagt, in Wirklichkeit aus Babylon stammt (inst. 1,6,13). Aus Orac. Sib. 3,813-818 könnte Lactanz durchaus den Schluß gezogen haben, hier sei die hebräische Sibylle am Werke.58 Die Worte Țıȡ ףȞıȗչȝȡțȡ ʍȢȡĴ׆ijțȟ 56 Vgl. Gauger 1998, 555. Lactanz scheint nur die Bücher 3-8 der Oracula Sibyllina gekannt zu haben. Stellensammlungen bieten Pichon 1901, 209-212; Thompson 1951, 135f.; Ogilvie 1978, 28-32 und Sfameni Gasparro 1998, 548-551. 57 Lactanz spricht von Sibyllarum carmina (inst. 1,6,13) beziehungsweise carmina Sibyllarum (epit. 31,6). 58 Schon Pausanias (10,12,9) berichtet über eine hebräische Sibylle, die bei anderen als babylonische oder ägyptische Sibylle bezeichnet werde, vgl. Gauger 1998, 358f. Zu Indizien dafür,
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(Orac. Sib. 3,818) ließen sich freilich auch christlich verstehen, oder aber als Beleg einer göttlichen Inspiration außerhalb des Judentums in vorchristlichen Zeiten deuten oder gar ganz innerhalb des Bezugsrahmens der griechischen Religion interpretieren.59 In seiner Präsentation der Oracula Sibyllina in inst. 1,6,6-17 impliziert Lactanz allerdings, daß es überhaupt keine sibyllinischen Prophezeiungen christlicher oder jüdischer Herkunft gebe: Die einzige Gruppe sibyllinischer Texte, die er nicht herangezogen habe, seien vielmehr die auf die Sibylle von Cumae zurückgehenden Teile der römischen libri Sibyllini:60 Diese würden ja vom Staat unter Verschluß gehalten und seien daher unzugänglich (inst. 1,6,13). Durch die explizite Erwähnung der römischen Sibyllinischen Orakel und ihrer Geheimhaltung und Unzugänglichkeit61 überspielt Lactanz das ungeheure Spannungsverhältnis zwischen den vom römischen Staat monopolisierten und das römische Staatswohl fördernden libri Sibyllini einerseits und den von Lactanz herangezogenen, zum großen Teil romfeindlichen, ja den Untergang Roms triumphierend prophezeienden Oracula Sibyllina andererseits: Die römischen libri Sibyllini werden nicht abgewertet, sondern erscheinen bei Lactanz als normale – nur eben unzugängliche – sibyllinische Schriften. Das hat seinen guten Grund: So erreicht Lactanz nämlich umgekehrt auch eine Aufwertung der von ihm zitierten, in Wirklichkeit jüdischchristlichen Oracula Sibyllina, die seinen protreptischen Zwecken zugute kommt. Denn der an römischer Tradition orientierte Leser kann die Oracula Sibyllina, insofern sie Lactanz nicht in Gegensatz zu den römischen libri Sibyllini stellt, so eher als normativ relevantes Zeugnis anerkennen.62 3.5.4.2 Oracula Sibyllina und Bibel Ob und wie weit Lactanz über diese taktisch-rhetorischen Überlegungen hinaus selbst an eine Vereinbarkeit der libri Sibyllini mit den Oracula Sibyllina dachte, bleibt fraglich. Sicher ist jedoch, daß Lactanz die Oracula Sibyllina von der Bibel absetzt. Diese Absetzung erfolgt zum einen räumlich
daß im Kontext von Orakeln die Begriffe »Chaldäer« und »Hebräer« austauschbar sein konnten, vgl. unten S. 200 Anm. 39. 59 Die Verse wären dann Teile älterer sibyllinischer Orakel, die erst später als Versatzstücke in das jüdische dritte Buch der Oracula Sibyllina inkorporiert worden wären. 60 Lactanz berichtet in inst. 1,6,14 unter Berufung auf Fenestella, daß die Römer nach der Wiederherstellung des Kapitols sich ungefähr 1000 Verse der erythräischen Sibylle in Form von Abschriften beschafften. 61 Inst. 1,6,13; ira 22,5f.; 23,2. 62 In ira 23,2 betont Lactanz sogar eigens, daß die außerhalb der Sammlung des römischen Staates befindlichen sibyllinischen Orakel in der Regel nicht verboten seien: Cymaeae quidem volumina quibus Romanorum fata conscripta sunt, in arcanis habentur. Ceterarum tamen fere omnium libelli quominus in usu sint omnibus non vetantur.
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innerhalb des Testimonienkatalogs.63 Sie erfolgt aber auch durch mehrere Passagen, welche die alleinige normative Verbindlichkeit der Bibel betonen.64 Und sie erfolgt implizit dadurch, daß Lactanz das Wort prophetae fast ausschließlich mit Bezug auf die biblischen Schriften, nie mit Bezug auf die Oracula Sibyllina verwendet. An der einzigen Stelle, an der Lactanz mit prophetae nicht Bezug auf die Bibel nimmt, macht er dies durch Hinzufügen des aussagekräftigen Adjektivs saecularis sehr deutlich.65 Und doch sind die Oracula Sibyllina die einzige – wenigstens nach lactanzischem Anspruch – nichtchristliche Testimoniengruppe, welche unser Autor in den Divinae institutiones nirgends kritisiert oder gar eines Irrtums zeiht. Dabei betont Lactanz sogar ausdrücklich den nichtchristlichen Charakter der Oracula Sibyllina: Die Kritik, die Oracula Sibyllina seien christlich ›gefälscht‹ oder interpoliert, weist er explizit zurück (inst. 4,15,26-28). Während Lactanz die Frage nach einer möglichen christlichen Verfasserschaft der Oracula Sibyllina vehement verneint, verzichtet er von vornherein darauf, die Frage nach der möglichen jüdischen Verfasserschaft der Oracula Sibyllina zu stellen. Freilich entdeckt Lactanz zwischen den Oracula Sibyllina und den biblischen Propheten eine Parallele: inst. 4,15,30: iacuerunt (sc. carmina Sibyllina) igitur multis saeculis, postea vero animadversa sunt quam nativitas Christi et passio patefecit arcana, sicut etiam voces prophetarum.
Sie lagen also viele Jahrhunderte unbeachtet herum und haben in der Tat erst Beachtung gefunden, als die Geburt und die Passion Christi ihre Geheimnisse enthüllt hatte, wie auch die Worte der Propheten.
Letztlich geht es Lactanz hier darum, im Rahmen der im 4. Buch der Divinae Institutiones gebotenen Christologie die Geburt und Passion Christi durch die Oracula Sibyllina zu bestätigen. Er stellt es aber so dar, als ob vielmehr die Oracula Sibyllina durch die Geburt und Passion Christi bestätigt würden. Unmittelbar zuvor zitiert Lactanz eine Stelle aus den Oracula Sibyllina, an der die Sibylle sich selbst als Prophetin ʍȢȡĴ׆ijțȟ bezeichnet 63 Die biblischen Propheten werden inst. 1,4, genannt, danach beginnt der Katalog griechisch-römischer Testimonien, in dem die Sibyllen recht weit hinten (inst. 1,6,6-17) stehen. 64 Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.2.5 und Monat 1982, 52. 65 Vgl. inst. 7,14,16, wo Lactanz weltliche Propheten (saeculares prophetae) von himmlischen Propheten (caelestes prophetae) unterscheidet (sed et saecularium prophetarum congruentes cum caelestibus voces finem rerum et occasum post breve tempus adnuntiant [...]). Die fundamentale Differenz zwischen biblischem und außerbiblischem Bereich bleibt durch die attributiven Adjektive unvermindert erhalten!
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(inst. 4,15,29). Auf den ersten Blick könnte man daher meinen, daß Lactanz die Sibylle selbst zu den prophetae zählt. Einer näheren Betrachtung hält eine solche Vermutung aber nicht stand; dagegen sprechen inhaltliche, aber auch sprachliche Überlegungen: Möglicherweise antwortet Lactanz mit inst. 4,15,30 auf einen – von Lactanz nicht ausgesprochenen – Einwand, daß in den älteren Zitaten der Sibyllen von Christus-Vorhersagen keine Rede ist, die Bezüge auf Christus also später von christlicher Seite interpoliert sein könnten.66 Lactanz würde demgegenüber erklären, daß die Christus-Bezüge zwar schon vorher in den Oracula Sibyllina enthalten waren, aber vor Geburt und Passion Christi nicht die Aufmerksamkeit der Menschen erregten und deswegen auch nicht zitiert wurden. Der Sinn der Formulierung sicut etiam voces prophetarum wäre demnach nicht etwa eine normative Gleichsetzung von Oracula Sibyllina und prophetae, sondern das – nach lactanzischer Auffassung – gemeinsame Phänomen, daß einzelne der darin enthaltenen Vorhersagen erst nach ihrem Eintreten als solche erkannt und beachtet wurden. Indem Lactanz die Oracula Sibyllina mit den biblischen Propheten vergleicht, weist er vielmehr auf die Differenz zwischen Sibylle(n) und Bibel hin.67 Diese Differenz läßt sich eindeutig ablesen an dem Wörtchen etiam in dem oben zitierten Text (inst. 4,15,30).68 Die Sibyllen stellen keine Untergruppe der Propheten dar. Durch den Hinweis auf eine Parallele zwischen Oracula Sibyllina und biblischen Propheten betont Lactanz also in bemerkenswertem Kontrast zum Sprachgebrauch der von ihm gerade zitierten Sibylle nicht etwa die Identität, sondern die Differenz von Oracula Sibyllina und Propheten. 3.5.4.3 Wer hat die Sibylle(n) inspiriert? Bemerkenswerterweise bleibt unklar, von wem die Sibyllen denn nun eigentlich nach lactanzischer Auffassung inspiriert sind. Der von unserem Autor inst. 1,6,16 zitierte Sibyllinenvers69 könnte nahelegen, daß durch die Sibylle der von Lactanz für das Christentum beanspruchte eine Gott spricht. Auch die Gestaltung des Übergangs von den Oracula Sibyllina zu den Apollo-Orakeln scheint in diese Richtung zu weisen.70 Auffällig ist auch, 66 Gegen den Vorwurf, die Oracula Sibyllina seien christlich gefälscht oder überarbeitet, wendet sich Lactanz kurz zuvor (inst. 4,15,26f.). 67 Der Vergleich zweier Texte setzt nicht deren Identität, sondern deren Differenz voraus. Ein ähnliches Mißverständnis in der Forschung (bezüglich Josephus Bell. Jud. 6,312) deckt Kippenberg 1983, 41 auf. 68 Dort steht nicht sicut prophetae, sondern sicut etiam prophetae. Sfameni Gasparro 1998, 548 übersieht diese Differenz und konsequenterweise bei ihrer Übersetzung der Stelle auch das Wörtchen etiam. 69 Orac. Sib. 8,377: Ȟȡףȟȡȣ ȗոȢ Țıցȣ ıԼȞț Ȝįվ ȡȜ ԤIJijțȟ Țıրȣ Ԕȝȝȡȣ. 70 Inst. 1,6,17-1,7,1: Exsequerer nunc testimonia ceterarum (sc. Sibyllarum), nisi et haec sufficerent et illa opportunioribus locis reservarem. sed cum defendamus causam veritatis apud
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daß Lactanz keinerlei Zusammenhang zwischen der Sibylle und Apollo herstellt, obwohl Apollo in der griechisch-römischen Tradition zumeist als Quelle der sibyllinischen Inspiration auftritt.71 Dagegen deutet eine Stelle aus dem siebten Buch der Divinae Institutiones auf dämonische Inspiration der Sibylle hin.72 3.5.4.4 Statusverlust der Oracula Sibyllina in den späteren Schriften Das dennoch bemerkenswerte Maß an normsetzender Bedeutung, das Lactanz den Oracula Sibyllina zuschreibt, relativiert er in der Schrift De ira dei: Gegen Ende dieses Traktates versucht Lactanz die Ergebnisse des überwiegend induktiv von rationaler Argumentation, Philosophen- und Dichterzitaten ausgehenden Hauptteiles in einer deduktiv argumentierenden Passage durch Orakel zu bestätigen.73 Diese Orakel – Oracula Sibyllina (ira 22,5-23,11) und ein Apollo-Orakel – gelten Lactanz allerdings dort nicht mehr (wie in den Divinae Institutiones) als göttliche, sondern nur noch als menschliche Zeugnisse (ira 22,4). Diesen veränderten Status spiegelt offenbar auch die Epitome wider: Auch dort scheint die Sibylle nicht mehr zu den göttlichen Zeugnissen zu zählen (epit. 65,6).74 Vollends im Zwielicht erscheint die Sibylle in der Schrift De mortibus persecutorum, wo Lactanz das furchtbare Ende der Christenverfolger als moralisches und religiöses Exempel darstellt. Dort bürgt die Sibylle für die Lehre, daß Nero als Christenverfolger kurz vor Ankunft des Antichristen erneut auftreten werde.75 Lactanz lehnt diese Vorstellung vehement ab.76 Allerdings ist die fragliche Stelle textkritisch unter anderem aufgrund mehrerer Lücken nicht unproblematisch. Der von von den Herausgebern gebotene Text, nach dem
eos qui aberrantes a veritate falsis religionibus serviunt, quod genus probationis adversus eos magis adhibere debemus quam ut eos deorum suorum testimoniis revincamus? (1,7,1) Apollo enim... Das Wörtchen enim deutet an, daß mit deorum suorum testimoniis (inst. 1,6,17) die Apollo-Orakel im Unterschied zu den Oracula Sibyllina gemeint sind. Deorum suorum (sc. eorum, qui aberrantes a veritate falsis religionibus serviunt) testimonia sind aber die Zeugnisse der von Lactanz bekämpften etablierten Götter. Damit wird impliziert, daß die Oracula Sibyllina, da sie nicht zu den deorum suorum testimonia gehören, auch nicht von den Dämonen/etablierten Göttern inspiriert sind. 71 Vgl. dazu Pricoco 1989a, 370. 72 In inst. 7,18,1 kündigt Lactanz die Zeugnisse dämonisch inspirierter Seher – in explizitem Gegensatz zu den von Gott inspirierten Propheten – an: haec ita futura esse cum prophetae omnes ex dei spiritu tum etiam vates ex instinctu daemonum cecinerunt. Daraufhin zitiert unser Autor Hystaspes (inst. 7,18,2f.), Hermes Trismegistos (inst. 7,18,3f.) und die Sibylle (inst. 7,18,5-8). 73 Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.4. 74 Vgl. dazu oben S. 86 Anm. 127. 75 Mort. pers.. 2,8: …Sibylla dicente matricidam profugum a finibus esse venturum… 76 Vgl. mort. pers. 2,8 und MacMullen 1967, 146.
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Lactanz hier gegen die Sibylle Stellung bezieht, ist daher zwar plausibel, aber nicht völlig sicher. 3.5.4.5 Zum sibyllinischen Einfluß auf lactanzische Darstellungen der Heilsgeschichte Réné Pichon weist darauf hin, daß Lactanz Ereignisse der christlichen Heilsgeschichte wie die Taufe Jesu oder die Apokalypse nach Maßgabe der Oracula Sibyllina darstelle. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, daß die Oracula Sibyllina für Lactanz selbst die gleiche oder gar eine größere Bedeutung als die Bibel gehabt hätten: Wenn unser Autor gemäß den Oracula Sibyllina77 erzählt, daß bei der Taufe Christi eine weiße Taube erschienen sei, obwohl das Lukasevangelium die Farbe der Taube nicht spezifiziert, stellt er dadurch den Geltungsanspruch der Bibel nicht in Frage: Den biblischen Berichten und Prophezeiungen wird ja nirgends widersprochen, ihre Inhalte werden lediglich weiter ausgemalt. Die Vorstellung, neben den Bösen würden auch die Gerechten dem göttlichen Feuer ausgesetzt78 scheint dagegen nicht recht mit den diesbezüglichen biblischen Aussagen vereinbar. Das Feuerordal geht wohl letztlich auf iranische Anschauungen zurück, die vielleicht auch in die Hystaspes-Orakel eingegangen sind. An dieser einen Stelle scheint sich Lactanz tatsächlich eher nach den Oracula Sibyllina – beziehungsweise den Hystaspes-Orakeln – als nach der Bibel zu richten. Damit schließt er sich freilich an eine christliche Minderheitenposition an.79 3.5.4.6 Hielt Lactanz die Bibel für langweilig? Auch die These, Lactanz selbst habe die Oracula Sibyllina für verständlicher und interessanter gehalten als die Propheten, ist fragwürdig: Es wird auf drei Stellen aus dem 7. Buch der Divinae institutiones80 verwiesen, an denen die biblischen Propheten als dunkel, schwierig und langweilig bezeichnet würden. Bei einer genauerem Untersuchung der Stellen entdeckt man Folgendes: In inst. 7,15,17f. erklärt Lactanz, der Untergang Roms sei in der Bibel indirekt (inst. 7,15,17: sub ambage aliorum nominum) angedeutet, plädiert also für eine allegorische Deutung, während die Sibylle den Untergang Roms offen (inst. 7,15,18: aperte) vorhergesagt habe. Daß aber aus der Notwendigkeit einer allegorischen Exegese eine Geringschätzung des normsetzenden Ranges der Bibel folgt, deutet unser Autor nirgends an. An 77 78 79 80
Vgl. inst. 4,15,3; Orac. Sibyll. 6,7 und Pichon 1901, 211. Vgl. inst. 7,21,6f.; Orac. Sibyll. 2,253-256; 8,410f. Vgl. dazu unten S. 211. Vgl. inst. 7,15,17; 7,24,10; 7,25,1 und Guillaumin 1978, 192.
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der zweiten Stelle (inst. 7,24,10) erklärt Lactanz, die Dichter hätten die Weissagungen der biblischen Propheten vom Hörensagen gekannt, aber mißverstanden, da sie – die Dichter – nicht im Besitz des göttlichen Geheimnisses gewesen seien. Auch damit ergibt sich keine normative Relativierung der Bibel. Besonders erhellend – auch für die beiden voraufgehenden Stellen – ist schließlich die letzte von Marie-Louise Guillaumin herangezogene Textpassage, aus der sie folgert, Lactanz habe die biblischen Propheten langweilig (ennuyeux)81 gefunden. Es handelt sich hier vielmehr um eine methodologische Reflexion: inst. 7,25,1f. haec sunt quae a prophetis futura dicuntur: quorum testimonia et verba ponere opus esse non duxi, quoniam esset infinitum nec tantam rerum multitudinem mensura libri caperet
tam multis uno spiritu similia dicentibus simulque ne fastidium legentibus fieret, si ex omnibus collecta et translata congererem, praeterea ut ea ipsa quae dicerem non nostris, sed alienis potissimum litteris confirmarem doceremque non modo aput nos, verum etiam aput eos ipsos qui nos insectantur, veritatem consignatam teneri, quam recusent adgnoscere.
(2) si quis autem diligentius haec voluerit scire, ex ipso fonte hauriat et plura quam nos in his libris conplexi sumus admirabilia reperiet.
Dies ist es, was von den Propheten vorhergesagt wird: Es war meiner Ansicht nach nicht nötig, ihre Zeugnisse und Worte niederzuschreiben, weil es ein unendliches Werk geworden wäre und das Maß eines Buches nicht eine so große Menge von Gegenständen aufnähme. Denn so viele haben von einem einzigen Geist beseelt Ähnliches gesagt. Und zugleich wollte ich nicht, daß die Leser sich langweilen, wenn ich aus allen gesammelte und übersetzte Stellen aufhäufen würde. Außerdem lag mir daran, eben das, was ich sagen wollte, nicht durch unsere eigenen, sondern gerade durch fremde Schriften zu bestätigen und zu lehren, daß die Wahrheit, deren Anerkennung sie verweigern, nicht nur bei uns, sondern auch bei eben denjenigen, die uns verfolgen, versiegelt aufbewahrt wird. (2) Wenn jemand diese Dinge aber genauer wissen möchte, möge er aus der Quelle selbst schöpfen und wird mehr erstaunliche Fakten vorfinden, als wir in diesen Büchern eingearbeitet haben.
Es geht hier um eine Synkatábasis/condescensio, eine vorübergehende Anpassung an den Verstehenshorizont des Lesers. Mit dem Begriff fastidium 81
Guillaumin 1978, 192.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
(Überdruß, Langweile) wird ja gerade auf den Aspekt der Präsentation angespielt, nicht auf den Inhalt. Im Rahmen der lactanzischen Präsentation hätte, so Lactanz, ein Übermaß an Zeugnissen aus der sprachlich plumpen und unbeholfenen Bibel die Leser gelangweilt und abgestoßen, der Inhalt der Bibel selbst ist aber in seinen Augen alles andere als langweilig, sondern hochinteressant (inst. 7,25,2: admirabilia). Der Rückgriff auf die Oracula Sibyllina ist also protreptisch bedingt und orientiert sich am gebildeten Leser, der sibyllinische Orakel82 als Teil seiner hellenistischen Tradition begreift. Der Leser wird sogar eigens dazu ermuntert, selbst seine durch die Lactanzlektüre gewonnenen Kenntnisse durch Bibelstudium zu vertiefen. Der normative Vorrang der als Quelle (inst. 7,25,2: fons) qualifizierten Bibel ist auch an dieser Stelle unbestritten. Es erscheint daher äußerst fragwürdig, aus dieser Textstelle zu folgern, Lactanz selbst hätte die Oracula Sibyllina interessanter gefunden als die Bibel. Richtig ist, daß Lactanz den protreptischen Wert der Oracula Sibyllina höher veranschlagt als den der Bibel. Denn als – wie Lactanz behauptet – nichtchristliche Texte sind sie dem Nichtchristen ›unverdächtig‹ und hinterlassen durch ihre Abfassung in Versen83 beim gebildeten Leser auch einen ästhetisch wesentlich erfreulicheren Eindruck. 3.5.5 Zum unterschiedlichen Stellenwert der Sibylle bei Lactanz und Kaiser Constantin Constantins84 »Rede an die Versammlung der Heiligen« scheint teilweise lactanzische Vorstellungen widerzuspiegeln.85 Der Kaiser zieht wie Lactanz die Oracula Sibyllina und Vergil als Zeugen für die christliche ›Wahrheit‹ heran. In Übereinstimmung mit Lactanz erklärt er auch, Vergil sei kein Prophet gewesen (Eus. oratio ad sanctos 20,8). De facto schätzt er aber sowohl die Sibylle als auch Vergil ganz anders als Lactanz ein: Für Constantin ist 82 Dabei läßt Lactanz freilich den entscheidenden Unterschied zwischen den paganen sibyllinischen Orakeln und den jüdisch-christlichen ›Fälschungen‹ außer Acht. Ob das absichtlich oder unabsichtlich geschieht, läßt sich nicht ermitteln. 83 Auch die Hexameter der Oracula Sibyllina sind freilich nicht alle von gleicher metrischer Qualität, sprachästhetisch gleichwohl aus Sicht des an klassischen Vorbildern geschulten Lesers immer noch wesentlich angenehmer als die Bibel (insbesondere in den zu Lactanzens Zeiten umlaufenden lateinischen Bibelübersetzungen). 84 Barnes 1998, 275 (dort weitere Literatur) nimmt mit dem Großteil der Forschung an, daß Kaiser Constantin diese Rede am Karfreitag des Jahres 325 vor einem christlichen Publikum gehalten hat. Bleckmann 1997, 199f. tritt dafür ein, die Rede zeitlich im Jahre 328 zu verorten. Die Echtheit der Rede ist aber nicht unumstritten (vgl. Hanson 1973; Cataudella 2001). 85 Vgl. etwa Guillaumin 1978, 195; Edwards 1999, 269. Bereits Ivar A. Heikel, der Herausgeber, betont (Heikel 1902, xciv s.) gegenüber wiederum früheren Beiträgen die Grenzen der Beeinflussung Constantins durch Lactanz.
Zum Stellenwert der Oracula Sibyllina
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die Sibylle eine von Christus auserwählte Prophetin (Eus. oratio ad sanctos 18,5) und verkündigt Vergil wissentlich das Kommen Christi und verhüllt die Wahrheit absichtlich, um etwaigen Beschuldigungen zu entgehen (Eus. oratio ad sanctos 19,9). Für Lactanz stehen dagegen sowohl die Sibylle als auch Vergil eindeutig außerhalb des Christentums. Hinter der äußeren Übereinstimmung zwischen Lactanz und Constantin verbirgt sich also ein entscheidender und tiefgreifender Gegensatz in der normativen Bewertung der von beiden angeführten Testimonien. Das Paradigma der Synthese ist hier möglicherweise durchaus fruchtbar für die Interpretation der constantinischen Position. Es ist aber problematisch, dieses Paradigma aus der constantinischen in die lactanzische Position zu projizieren. 3.5.6 Schluß Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß der gegenwärtige Stand der Forschung stark revisionsbedürftig ist. Auch bei der lactanzischen Behandlung der Oracula Sibyllina ist das Wie? von dem Wozu?, die protreptische Methode von den inhaltlichen Zielsetzungen, zu unterscheiden. Die Bezeichnung der Bibel als langweilig und schwierig innerhalb methodologischer Äußerungen relativiert, wie gezeigt werden konnte, keineswegs den normativen Rang der Bibel gegenüber den Oracula Sibyllina. Vielmehr weist Lactanz diesen Prophezeiungen eine propädeutische Funktion hinsichtlich der Bibel zu. Die Oracula Sibyllina sind also den biblischen Schriften aus lactanzischer Sicht eindeutig untergeordnet. Im Gegensatz zu den übrigen von Lactanz herangezogenen außerbiblischen Testimoniengruppen gehören die Oracula Sibyllina – anders als von Lactanz behauptet – der jüdisch-christlichen Tradition an. De facto spielt sich die lactanzische Auseinandersetzung mit den Oracula Sibyllina also innerhalb des (jüdisch-)christlichen Diskurses ab.86 Lactanz legt dagegen – entsprechend seiner Methode – Wert auf den nichtchristlichen Charakter der Oracula Sibyllina, er bezeichnet sie als fremde Schriften (alienae litterae).87 Von einer göttlichen Inspiration unter den Griechen – parallel zu der göttlichen Inspiration der biblischen Propheten – ist dagegen bei Lactanz anders als bei Clemens Alexandrinus (str. 6,5,43) nirgends die Rede. Ob 86 Insofern als die jüdisch-christlichen Sibyllina die griechisch-römischen Sibyllina für ihre Zwecke instrumentalisieren und innerhalb der Oracula Sibyllina die christlichen die jüdischen Sibyllina instrumentalisieren (und vielleicht umgekehrt) und Lactanz darauf zurückgreift, könnte man auf einer Metaebene dann doch wieder das Modell der Instrumentalisierung anwenden. Dies führte aber über die Fragestellung dieser Arbeit hinaus. 87 Vgl. inst. 7,25,1 und außerdem die explizite Zurückweisung des Vorwurfes, die Oracula Sibyllina seien christlich interpoliert, in inst. 4,15,26-28.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Lactanz selbst an die nichtchristliche Herkunft der Oracula Sibyllina glaubte, läßt sich nicht ermitteln. Vor dem Hintergrund seiner protreptischen Methode könnte sich seine scheinbare »Naivität«88 allerdings aber auch als besonders raffiniertes taktisches Mittel erweisen. Nun gibt es in der Tat bemerkenswerte Auffälligkeiten, welche die Oracula Sibyllina von den übrigen außerbiblischen Testimoniengruppen unterscheiden: Auf den ersten Blick mag man darin ein lactanzisches Vorgehen nach dem Muster der Synthese vermuten: Dabei fällt die besonders hohe Frequenz der Sibyllenzitate und –anspielungen noch am wenigsten ins Gewicht. Bedeutsamer ist da schon die Tatsache, daß die Oracula Sibyllina die einzige Testimoniengruppe darstellen, deren Vorstellungen Lactanz den biblischen Aussagen zumindest an einer Stelle (Ablauf des Jüngsten Gerichts) vorzieht. Das beweist freilich noch nicht, daß diese Prophezeiungen für Lactanz eine eigenständige Quelle der Normsetzung darstellen: In der Schrift De mortibus persecutorum scheint die Sibylle deutlich negativer gesehen zu werden. Angesichts des christlichen Charakters der von Lactanz herangezogenen Oracula Sibyllina stellt sich darüber hinaus die Frage, woran Lactanz denn überhaupt hätte Anstoß nehmen können. Drittens könnte man auch in dem Status der Oracula Sibyllina einen Hinweis auf eine Synthese zwischen Christlichem und – nach lactanzischer Auffassung – Außerchristlichem erblicken. Die sibyllinischen Prophezeiungen genießen als göttliche Zeugnisse Vorrang vor den menschlichen Zeugnissen. Da Lactanz die hermetischen Schriften letztlich doch unter die menschlichen Zeugnisse zählt und die beiden anderen Testimoniengruppen, die den Status von göttlichen Zeugnissen haben, also die Apollo- und Hystaspesorakel,89 nur sehr selten von Lactanz angeführt werden, zeigt sich diese Überlegenheit der göttlichen Zeugnisse vor allem an den Oracula Sibyllina: diese nehmen bisweilen als krönender Abschluß und ›endgültige‹ Beglaubigungsinstanz am Ende von Testimonienreihen90 diejenige Rolle ein, die – so darf man annehmen – die Bibel gespielt hätte, wenn Lactanz sie nicht aus protreptischen Beweggründen ganz oder weitgehend zurückgestellt hätte. Schließlich ist der Status der Oracula Sibyllina als göttliche Zeugnisse auch deswegen prekär, weil die Frage, von wem diese Prophezeiungen denn inspiriert sind – vom christlichen Gott oder doch von den Göttern/Dämonen – in der lactanzischen Darstellung unklar bleibt. Bei alledem 88 Dronke 1990, 9 spricht in diesem Zusammenhang von »critical naiveness«. 89 Die Apollo-Orakel werden in inst. 1,6,17 als deorum suorum testimonia bezeichnet (vgl. außerdem inst. 1,6,1, wo explizit der Übergang zu den divina testimonia markiert wird). Da die Hystaspes-Orakel ebenso wie die Apollo-Orakel (vgl. etwa inst. 1,7,9) auf dämonische Inspiration (unter Gleichsetzung von etablierten Göttern und Dämonen) zurückgeführt werden (inst. 7,18,1), dürften sie auch den gleichen Status als divina testimonia besitzen. 90 Vgl. beispielsweise inst. 7,18,3-8; 7,23,3f.
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sprechen sowohl die methodologischen Aussagen bei Lactanz als auch die implizite Degradierung der Oracula Sibyllina zu nur noch menschlichen Zeugnissen (humana testimonia) in den späteren Schriften gegen ein lactanzisches Verfahren nach dem Muster der Synthese. Die Oracula Sibyllina stellen innerhalb der von Lactanz aufgezählten Testimonien einen Sonderfall dar, an dem sich die Lactanz im allgemeinen unterstellte Synthese zwischen Christlichem und Außerchristlichem zwar als außerordentlich unwahrscheinlich erweisen, nicht aber sicher widerlegen läßt. Sicher ist, das Lactanz diese Prophezeiungen für weit weniger bedeutsam hielt als die biblischen Schriften. Einige andere Fragen lassen sich dagegen nicht eindeutig klären.
3.6 Zum Stellenwert der Apollo-Orakel 3.6.1 Einleitung Apollo ist in der griechisch-römischen Welt der Orakelgott par excellence. In klassischer und vor allem archaischer Zeit hatte sein Orakel in Delphi überragende Bedeutung genossen. Von dem erneuten Aufblühen des Orakelwesens im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus profitierten vor allem die kleinasiatischen Orakelstätten, allen voran Didyma und Klaros. Zu den traditionellen Themen – zum Beispiel politische oder in hellenistischer Zeit vor allem private Entscheidungsfragen – waren theologische Inhalte getreten. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts nach Christus zeigten auch die römischen Kaiser verstärktes Interesse an den Orakelstätten. Ja ein Apollo-Orakel soll sogar maßgeblich am Ausbruch der diocletianischen Christenverfolgung beteiligt gewesen sein.1 Andererseits maß Porphyrios in seiner »Orakelphilosophie« den Apollo-Orakeln eine besonders wichtige Rolle bei der von ihm anvisierten Rettung der Seele zu.2Auch Lactanz – so könnte man meinen – ließ sich von den Apollo-Orakeln stark beeindrucken: zitierte er sie doch im Zusammenhang mit so entscheidenden Fragen wie denen nach Gott, Christus, der Seele und ihrer Unsterblichkeit.3 Dies erscheint um so auffälliger, als christliche Schriftsteller die Götterorakel regelmäßig als böses Dämonenwerk abgelehnt haben. Dabei griffen sie auf dämonologische Vorstellungen zurück, um Existenz und Funktion der Orakel zu erklären. Schon die vor- und außerchristliche Philosophie hatte eine Verbindung zwischen Orakeln und Dämonen hergestellt.4 Auch auf christlicher Seite finden wir die Auffassung, daß die – hier allerdings ausschließlich als böse aufgefaßten – Dämonen den Orakelbetrieb ermöglichen. Zutreffende Orakel konnten damit erklärt werden, daß die Dämonen eine – wenn auch eingeschränkte – Kenntnis der Wahrheit besitzen.5 Vor diesem Hintergrund ist auch die Bewertung der Apollo-Orakel bei den frühchristlichen Schriftstellern zu sehen: Klar liegt der Fall bei Athenagoras. Der griechische Apologet verurteilt Apollo als ȦıȤİցȞįȟijțȣ.6 1 Vgl. mort. pers. 11,7 und Constantin ap. Eus. Vita Const. 2,50-54. 2 Vgl. Eus. Pr. Ev. 4,6,3 und Riedweg 2005, 167. 3 Vgl. Pricoco 1989a, 374. 4 Vgl. Zintzen: RAC 9 (1976) 641. 653f. 646 s.v. Geister (Dämonen) B. III. c. Hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie. 5 Vgl. Sardella 1995, 302. 6 Athenagoras (leg. 21,4) beruft sich dabei auf den Tragödiendichter Aischylos, von dem er TGF 350,5-9 Radt zitiert.
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Ein wesentlich komplexeres Bild bietet die Behandlung der Apollo-Orakel bei Clemens Alexandrinus: Im Protreptikos verurteilt er die Götterorakel überhaupt auf das schärfste als unmoralisch und gefährlich. Besonders harte Kritik trifft dabei Apollo,7 den Clemens etwa für den Mord des Orest verantwortlich macht (protr. 76,3f.).8 Auch gegen die Orakelstätten polemisiert der alexandrinische Kirchenvater heftig (protr. 11) und erwähnt dabei auch Didyma und Klaros, deren Orakel Lactanz zitiert. In den Stromateis scheint Apollo dagegen teilweise eine positivere Rolle zu spielen: So leitet Clemens an einer Stelle (str. 1,164,3) den Namen Apollo von Ԑʍցȝȝȡț(»nicht viele«) ab9 und macht somit aus dem Namen eine Bestätigung für seine – auf den christlichen Gott bezogene – Vorstellung von der Einheit Gottes. An einer anderen Stelle verweist Clemens auf die eigentümlich dunkle Ausdrucksweise der Apollo-Orakel (str. 5,21,4), um damit letztlich seine allegorische Auslegung der Bibel zu rechtfertigen (str. 5,32,1). Der scheinbare Widerspruch zwischen solchen ›positiven‹ Deutungen in den Stromateis und der harschen Kritik an Apollo und seinen Orakeln, die Clemens sonst übt, löst sich aber auf, wenn man Kontext, Motiv und Publikum der einzelnen Stellen und Werke bedenkt, wie Teresa Sardella zutreffend bemerkt.10 Der Verfasser der Cohortatio ad Graecos, wohl ein Zeitgenosse des Lactanz, zitiert an zwei Stellen (Coh. ad Graecos 11,2; 24,2) zwei Hexameter aus einem Orakel, ohne den weissagenden Gott zu nennen. Dabei handelt es sich offenkundig um ein Apollo-Orakel.11 In der Cohortatio ad Graecos werden die beiden besagten Verse in einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie12 verwendet, gleichzeitig markiert der Verfasser aber unmißverständlich seine Distanz zu den Orakeln, wenn er etwa vom »Trug der Orakel« spricht.13 Eusebios wiederum zitiert in seiner Praeparatio Evangelica zahlreiche Apollo-Orakel, besonders in den Büchern 2-6. Er behandelt diese Weissagungen allerdings fast ausschließlich in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang: Auf breitem Raum wird die Nichtigkeit der
7 Vgl. protr. 32,3; 35,1. 3; 43,3f.; 50,1. 8 Clemens zitiert dazu Eurip. Orest. 591f.; 594-596 und 417. 9 Diese Etymologie findet sich freilich auch schon in der nichtchristlichen Philosophie, vgl. Plut. de E 9, 388F; Plot. 5,5,6. 10 Vgl. Sardella 1995, 318. 11 Vgl. Eusebios (Pr. Ev. 9,10,4), der aus der Philosophie aus Orakeln des Porphyrios (= Porph. De philos. ex orac. haur. I, frg. 324,11f. Smith) dieselben Verse mit leichter Veränderung zitiert, vgl. dazu Riedweg 1994, 298f. 12 Es geht um die Hebräer als Besitzer des Eingottglaubens. 13 Vgl. Ps.-Iust. Coh. ad Graecos 11,1: ijռȟ ijȟ ȥȢșIJijșȢտȧȟ Ԑʍչijșȟ und die pointierte Formulierung in 11,2: ȡȜȡףȟ ԚʍıțİսʍıȢ ȡՀıIJȚı ʍįȢո ijȟ ȥȢșIJijșȢտȧȟ ՙȞȟ İփȟįIJȚįț ijԐȝșȚ׆ ȞįȟȚչȟıțȟ...
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Apollo-Orakel erwiesen,14 zur Bestätigung positiv-christlicher Lehrinhalte zieht Euseb die apollinischen Orakel dagegen nicht heran. Die genannten Apologeten verurteilen also alle die Apollo-Orakel. Clemens Alexandrinus und der Verfasser der Cohortatio ad Graecos zeigen darüber hinaus Ansätze, die Apollo-Orakel auch als positive Zeugnisse für Einzelfragen heranzuziehen. 3.6.2 Forschungsüberblick Lactanz zieht die Apollo-Orakel insgesamt nur sehr selten als Testimonien heran. Die Frage, wie unser Autor mit diesen Weissagungen umgeht, und welchen Stellenwert er ihnen zuerkennt, hat in der Forschung bisher nur wenig Beachtung gefunden. Réné Pichon zählt ebenso wie die übrigen von Lactanz als göttliche Zeugnisse eingestuften Testimoniengruppen auch die apollinischen Orakel zu denjenigen Texten, die Lactanz sowohl beeinflußt hätten als auch von ihm instrumentalisiert worden seien.15 R.M. Ogilvie behandelt die Apollo-Orakel unter der Rubrik »Greek Poetry« und nimmt zur lactanzischen Haltung gegenüber diesen Orakeln überhaupt nicht Stellung.16 Erst Salvatore Pricoco hat die Forschung hier mit seinen Aufsätzen ein entscheidendes Stück vorangebracht, indem er sich nicht nur um Quellenforschung und eine Einordnung der Orakel in den philosophiehistorischen Kontext bemüht, sondern auch den absichtsvollen Umgang des Lactanz mit diesen Texten würdigt.17 Insbesondere verdient seine These Beachtung, daß mehrere der von Lactanz zitierten Apollo-Orakel18 ursprünglich für die jüdische antichristliche Polemik vorgesehen waren und auch von Porphyrios gegen die Christen eingesetzt wurden.19 Dagegen erscheint die Rolle, die Salvatore Pricoco den Apollo-Orakeln im Kreise der nichtchristlichen Zeugnisse zuweist, fragwürdig: Der Forscher hebt hervor, daß Lactanz die Apollo-Orakel als einzige nichtchristliche Orakeltexte mit Dämonen in Verbindung bringe und die apollinischen Prophezeiungen daher einen Rang deutlich unterhalb von Oracula Sibyllina und Hermes Trismegistos, eher auf einer Stufe mit Dichtern und Philosophen, einnähmen.20 Grundlage 14 Vgl. Barnes 1981, 181. 15 Pichon, 1901. 207f. 16 Ogilvie 1978, 22-26. 17 Vgl. besonders Pricoco 1989a, 357f. 365. 18 Inst. 1,7,10; 4,13,11; ira 23,12. 19 Vgl. besonders Pricoco 1989a, 356-359. Jüdisch-christliche Fabrizierung der in inst. 4,13,11 und ira 23,12 zitierten Orakel nimmt – offenbar unabhängig von Pricoco – Fontenrose 1988, 225 an. 20 Vgl. Pricoco 1989a, 374.
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dieses Urteils ist freilich nicht etwa eine falsche Einschätzung der ApolloOrakel, sondern eine These, die ich in den vorhergehenden Kapiteln widerlegt habe: daß Lactanz nämlich sibyllinische und hermetische Texte auf einer Stufe mit den biblischen Propheten ansiedle.21 Auch Oliver Nicholson vertritt – offenbar ohne die Aufsätze von Salvatore Pricoco zu kennen – die Meinung, daß Lactanz die Apollo-Orakel bewußt und in protreptischer Absicht zitiert habe.22 3.6.3 Apollo-Orakel bei Lactanz 3.6.3.1 Apollo-Orakel in inst. 1 Bei Lactanz scheinen die Apollo-Orakel eine große Rolle zu spielen: Im Testimonienkatalog des ersten Buches der Divinae Institutiones stellen die apollinischen Orakel die Krönung einer langen Reihe außerchristlicher Zeugnisgattungen dar. In der Überleitung (inst. 1,6,17) von sibyllinischen zu apollinischen Orakeln erklärt Lactanz, daß diese Orakel für seine apologetischen Zwecke (cum defendamus causam veritatis) noch geeigneter seien als die Oracula Sibyllina. Sein erstes Zitat aus den Apollo-Orakeln leitet er mit den folgenden Worten ein: inst. 1,7,1: Apollo enim, quem praeter ceteros divinum maximeque fatidicum existimant, Colophone residens, quo Delphis credo migraverat amoenitate Asiae ductus, quaerenti cuidam, quis aut quid esset omnino deus, respondit viginti et uno versibus, quorum principium hoc est: ...
Denn Apollo, den die Leute in höherem Maße als die übrigen für göttlich und außerordentlich weissagekräftig halten, hat in Colophon, wohin er – ich glaube, aus Delphi – von der landschaftlichen Schönheit Kleinasiens angezogen gewandert war, jemandem, der ihm die Frage stellte, wer oder was Gott überhaupt sei, in einundzwanzig Versen geantwortet, deren Anfang folgendermaßen lautet: ...
Durch den ersten Relativsatz (quem... existimant) weist Lactanz dem Apollo eine absolute (praeter ceteros) Vorrangstellung zu. Diese Vorrangstellung wird allerdings subtil durch die Wahl der 3. Person Plural existimant wieder relativiert: Apollo ist größter Orakelgott in den Augen der – nicht weiter be21 Vgl. Pricoco 1989a, 366f. 373. 22 Nicholson 2001a, 365. 367. Mit »close reading« (367) faßt Nicholson möglicherweise Erscheinungen zusammen, die wir als implizite und explizite Umdeutung bezeichnet haben.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
zeichneten, aber doch wohl mit den Götterverehrern zu identifizierenden – Leute, nicht aber unbedingt in den Augen des Lactanz. Kritische Distanz gegenüber Apollo zeigt auch der zweite Relativsatz (quo... ductus). Lactanz deutet hier in subtiler Ironie an, daß er Apollo eben nicht als Gott, sondern euhemeristisch als Mensch auffaßt. Noch deutlicher wird die lactanzische Einstellung im Laufe der Auslegung des nun folgenden Apollo-Orakels: inst. 1,7,1: įijȡĴȤռȣ ԐİտİįȜijȡȣ ԐȞսijȧȢ ԐIJijȤĴջȝțȜijȡȣ
ȡ՜ȟȡȞį Ȟșİպ ȝցȗ ȥȧȢȡփȞıȟȡȣ, Ԛȟ ʍȤȢվ ȟįտȧȟ
ijȡףijȡ Țıցȣ, ȞțȜȢո İպ Țıȡ ףȞıȢվȣ Ԕȗȗıȝȡț ԭȞıהȣ.
Aus sich selbst entstanden, von niemandem belehrt, mutterlos, der Mißhandlung entzogen, nicht einmal für den Verstand einen Namen hergebend, im Feuer wohnend, das ist Gott, ein kleiner Teil Gottes wir, seine Boten.
Die Konzeption von einem höchsten Gott, der mit einzelnen etablierten Göttern gleichgesetzt werden kann23 und/oder dessen Diener die jeweils übrigen Götter sind, gewinnt in der griechisch-römischen Kultur seit dem zweiten Jahrhundert nach Christus mehr und mehr an Bedeutung.24 Das von Lactanz zitierte Orakel, das in veränderter Form auch inschriftlich in Oinoanda (2./3. Jh. nach Christus, 6 Verse) sowie in der Tübinger Theosophie (Ende 5. Jahrhundert nach Christus, 16 Verse) überliefert ist,25 gehört zweifelsohne in diesen Kontext. Lactanz formt die Konzeption aber in seiner Exegese signifikant um: In seiner Interpretation wird aus dem höchsten Gott der christliche Gott. Dieser habe zwar auch Diener, aber diese seien eben nicht mit den etablierten Göttern identisch. Weder wollten noch dürften diese Diener des christlichen Gottes als Gott bezeichnet werden (inst. 1,7,5). Apollo, der sich selbst zu den Boten, also Dienern Gottes zählt, verdient demnach keine göttliche Verehrung. Die eben angedeutete Unterscheidung zwischen etablierten Göttern einerseits und den Dienern des christlichen Gottes andererseits macht Lactanz anhand weiterer Verse aus Apollo-Orakeln deutlich (inst. 1,7,9f.). 23 Sogar mit dem Gott der Juden erscheint eine solche Gleichsetzung möglich, vgl. das bei Macrob. sat. 1,18,9f. zitierte Orakel und dazu Parke 1985, 163. 24 Vgl. Parke 1985, 163-166. 25 SEG 27 (1977) Nr. 933. Zu diesem Orakel vgl. Robert 1971, passim; Hall 1978, passim; van den Broek 1981, passim, Parke 1985, 164-168; Pricoco 1987, passim; 1989a, 352f. Merkelbach – Stauber 1996, 44f. gehen dagegen davon aus, daß es sich um drei ganz verschiedene Orakel handelt: »Wahrscheinlich sind die Verse nicht nur dreimal benützt worden, sondern hundertmal.«
Zum Stellenwert der Apollo-Orakel
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Dabei faßt er die Begriffe İįտȞȧȟ (ҏdaemon) und Ԕȗȗıȝȡȣ (angelus) als Gegensätze auf: So gelingt es Lactanz, den Sinn der von ihm zitierten Apollo-Orakel umzukehren – beziehungsweise aus seiner Sicht erst wirklich zu erhellen. Der Begriff Ԕȗȗıȝȡȣ bezeichnet gemäß dieser Deutung nicht mehr die etablierten Götter als Boten des einen höchsten Gottes,26 sondern die Diener des christlichen Gottes. Der Begriff İįտȞȧȟ,ҏein neutrales, sowohl für positive als auch für negative Konnotationen offenes27 griechisches Wort für Gott(heit), wird dagegen von Lactanz entwertet. In den drei (Auszügen aus) Apollo-Orakeln, die unser Autor in inst. 1,7,9f. zitiert, verwendet er das Wort İįտȞȧȟ in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen: in den ersten beiden Zitaten als wertneutrale Bezeichnung für »Gott«, die auch Apollo selbst in Anspruch nimmt und nach der Lehre des Oinoanda-Orakels (inst. 1,7,1) mit Ԕȗȗıȝȡȣ Țıȡף, Bote Gottes, identisch ist, im dritten Zitat dagegen in Bezug auf ›böse‹ Gottheiten – worunter im Kontext der apollinischen Orakel wohl kaum Apollo selbst verstanden werden sollte. Salvatore Pricoco sieht so große Unterschiede zwischen den ersten beiden (inst. 1,7,9) und dem dritten (inst. 1,7,10) Apollo-Orakel, daß er einen unterschiedlichen Ursprung annimmt: Die ersten beiden ApolloOrakel stammen seiner Ansicht nach aus dem Heiligtum von Klaros,28 das dritte Apollo-Orakel – das seiner Ansicht nach jüdisch-christliche Lehren wiedergibt und daher mit dem in ira 23,12 zitierten apollinischen Orakel vergleichbar ist – weist er dem Heiligtum von Didyma zu.29 Allerdings ist die negative Bewertung von İįտȞȡȟıȣ keineswegs auf Juden und Christen beschränkt,30 Salvatore Pricocos Einordnung des in inst. 1,7,10 zitierten Apollo-Orakels in den Kontext judaisierender Orakel erscheint daher nicht zwingend. Lactanz läßt nun die unterschiedlichen Verwendungen des Begriffes İįտȞȧȟ in eins fallen: ǼįտȞȡȟıȣ sind daher in seinen Augen keine wirklichen Götter, sondern Dämonen im negativ-christlichen Sinne, die freilich in der griechisch-römischen Kultur als etablierte Götter gelten. Folgt man dieser polemischen Exegese des Apollo-Orakels, so entlarvt sich Apollo tatsächlich selbst als Dämon und bloßer ›Möchtegern-Gott‹: So sucht Lactanz seine Behauptung zu beweisen, Apollo sei in Wirklichkeit ein Dämon, habe 26 Vgl. Parke 1985, 168. 27 Vgl. Johnston, DNP 3 (1997) 261 s.v. Dämonen V. Griechenland und Rom A. Definition. 28 Pricoco 1989b, 339-345. 29 Pricoco 1989b, 346-353. 30 Vgl. Zintzen, RAC 9 (1976) 640-668 s.v. Geister (Dämonen) B. II. c. Hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie. »Der Mittel- und Neuplatonismus hat wie die Stoa in der Annahme u. Bestreitung von bösen Dämonen geschwankt.« (ebd. 647) Insbesondere postulierten die Chaldäischen Orakel, Porphyrios und Iamblichos böse Dämonen. Auch in der Hermetik findet sich diese Vorstellung, vgl. Ascl. 25 (teilweise von Lact. inst. 2,15,7f. in griechischer Fassung [Logos Teleios]zitiert).
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aber gelogen, um sich als Engel Gottes zu präsentieren.31 Während die Konzeption des Apollo-Orakels die traditionellen Vorstellungen konziliant in Richtung auf Henotheismus zu reformieren bemüht ist,32 sucht Lactanz durch seine Degradierung der traditionellen Götter die offene Konfrontation. Apollo erscheint als Dämon und Lügner – die positiven Wertungen, die Lactanz zu Beginn seiner Ausführungen über Apollo (inst. 1,6,17 1,7,1) abgibt, sind daher als taktisch bedingte Synkatábasis/condescensio zu verstehen, denn die lactanzische Wertschätzung Apollos ist nur vorübergehender Natur. Apollo und seine Orakel müssen erst zu relevanten Testimonien aufgewertet werden, bevor sie die lactanzische Gottes- und Engellehre beweisen und sich dabei selbst als lügnerisch entlarven können. 3.6.3.2 Apollo-Orakel in inst. 2 Aber als Dämon ist Apollo aus lactanzischer Sicht nicht nur ein Lügner, sondern auch ein – wenn auch nur unvollkommener – Teilhaber der Wahrheit. Das geht insbesondere aus dem zweiten Buch der Divinae Institutiones hervor, in dem Lactanz unter anderem einen Abriß seiner Dämonologie bietet: Die Götter sind demnach – sofern sie überhaupt Wirkung zeigen und nicht bloße Produkte menschlicher Einbildung sind – Dämonen, gefallene Engel des christlichen Gottes (inst. 2,14,1-5), die sich nun zum Schaden der Menschheit unter dem Namen verstorbener Menschen als Götter verehren lassen33 und auch sonst die Menschen zu bösen Taten anstiften.34 Bis zu einem gewissen Grade können sie die Zukunft vorhersehen.35 Diese geben sie bisweilen – in Form von wahren Voraussagen – preis, um die Menschen in Sicherheit wiegen und damit um so effektiver täuschen und ins Verder-
31 Inst. 1,7,9: de se quidem ille (sc. Apollo) mentitus est, qui cum sit e numero daemonum, angelis se dei adgrevavit. 32 Vgl. Athanassiadi 1992, 54. 33 Vgl. inst. 2,14,8; 2,16,3. 9. 19. Vgl. auch die wahrscheinlich seit Xenokrates faßbare und u.a. bei Porphyrios und Iamblichos geläufige Vorstellung, nach der Dämonen zumindest teilweise als Menschenseelen vor oder nach der Inkarnation aufzufassen sind, vgl. Zintzen: RAC 9 (1976) 641 s.v. Geister (Dämonen) B. III. c. Hellenistische und kaiserzeitliche Philosophie. Die Verbindung zwischen Euhemerismus und Dämonologie stellt auch schon Tert. spect. 10 p. 13,4-18; 12 p. 14,25f.; 13 p. 15,17-23; idol. 15,2 her, vgl. dazu van der Nat: RAC 9 (1976) 740f. s.v. Geister (Dämonen): C. III. Apologeten und lateinische Väter. 34 Vgl. inst. 2,14,5; 2,16,1. 5. Die lactanzische Dämonologie scheint gewisse Überschneidungen mit derjenigen des Porphyrios aufzuweisen, der zwar anderes als Lactanz die Existenz ›guter‹ Dämonen und Götter annahm, aber ähnlich wie Lactanz von der Existenz ›schlechter‹ Dämonen ausging, deren Eigenschaften (lügen, Unheil über die Menschen bringen, religiöses Engagement der Menschen desorientieren und die Verehrung usurpieren) mutatis mutandis stark den von Lactanz postulierten ähneln, vgl. Porph. De abst. 2,41,2 – 2,42,2 und dazu Riedweg 2005, 176. 35 Vgl. inst. 2,14,6: sciunt illi quidem futura multa, sed non omnia, quippe quibus penitus consilium dei scire non liceat [...].
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ben stürzen zu können.36 Dieser von Lactanz angenommene Doppelcharakter der Götter, die als Dämonen zwar aus ihrer Zeit als Engel weitgehende Erkenntnis der Wahrheit besitzen, aufgrund ihrer dämonischen Bosheit aber zur Lüge neigen, trifft innerhalb der lactanzischen Konzeption auch auf Apollo zu. Gleichzeitig läßt dieser Doppelcharakter auch das diakritische Verfahren des Lactanz, der innerhalb des Orakels ›Wahres‹ und ›Falsches‹ unterscheidet, systemimmanent besonders plausibel erscheinen. Denn Lactanz verwendet das Apollo-Orakel nicht nur destruktiv, um Apollo und die ursprüngliche Lehre seines Orakels zu desavouieren, sondern auch konstruktiv, um eigene theologische Auffassungen zu präsentieren. Für wahr hält er die Existenz eines höchsten Gottes und übernatürlicher Diener dieses Gottes, für falsch dagegen die Identifizierung dieser Diener Gottes mit den etablierten Göttern im allgemeinen und mit Apollo im besonderen. Falsch ist es seiner Ansicht nach auch, die Diener des höchsten Gottes als Götter zu verehren. Über Kommentierung und Interpretation hinaus wird die lactanzische Instrumentalisierung der apollinischen Weissagungen aber möglicherweise auch bereits am Wortlaut des zitierten Orakels selbst deutlich: Wo die Inschrift aus Oinoanda nämlich an die lange, mit der Namenlosigkeit Gottes schließende Reihe von Ausdrücken negativer Theologie die Vielnamigkeit Gottes anschließt, ist eben diese Vielnamigkeit in der lactanzischen Version gestrichen: der freiwerdende Raum wird durch eine längere Beschreibung der Namenlosigkeit Gottes ausgefüllt. Daß diese signifikante Veränderung auf Lactanz selbst zurückgeht, läßt sich nicht beweisen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.37 3.6.3.3 Apollo-Orakel in inst. 4 Ein weiteres Beispiel für die Instrumentalisierung von Apollo-Orakeln durch Lactanz findet sich im vierten Buch der Divinae Institutiones, in dem unser Autor dem Leser das Leben und die Bedeutung Jesu nahezubringen sucht. Im Rahmen seiner Darstellung der Inkarnation Christi zitiert Lactanz ein Apollo-Orakel aus Didyma:
36 Vgl. inst. 2,16,5. 13f. 19; darunter vor allem inst. 2,16,13 mit speziellem Bezug auf die Orakel: in oraculis autem vel maxime fallunt, quorum praestrigias profani a veritate intellegere non possunt, ideoque ab ipsis adtribui putant et imperia et victorias et opes et eventus prosperos rerum, denique ipsorum nutu saepe rem publicam periculis inminentibus liberatam, quae pericula et responsis denuntiaverint et sacrificiis placati averterint. 37 Parke 1985, 168 und offenkundig davon unabhängig Pricoco 1987, 30 meinen, Lactanz müsse die Veränderung schon vorgefunden haben. Andere, wie Ogilvie 1978, 23, van den Broek 1981, Anm. 36 auf S. 24 und ders. 2000, 132, Anm. 54 lassen die Frage – meines Erachtens zu Recht – offen. Nach Robert 1971, 608 und Lane Fox 1986, 171 hat Lactanz die Veränderung selbst vorgenommen.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
inst. 4,13,11: Țȟșijրȣ Ԥșȟ Ȝįijո IJչȢȜį IJȡĴրȣ ijıȢįijօİıIJțȟ ԤȢȗȡțȣ
Ԑȝȝ ՙʍր ȌįȝİįտȡțIJț İțȜįIJʍȡȝտįțIJțȟ ԑȝօIJįȣ
ȗȡȞĴȧȚıվȣ IJȜȡȝցʍıIJIJț ʍțȜȢռȟ ԐȟջʍȝșIJı ijıȝıȤijսȟ.
Sterblich war er dem Fleische nach, geschickt in Wunderwerken, aber von den Chaldäern durch Rechtssprüche gefangen genommen wurde er gekreuzigt und starb einen bitteren Tod.
Gleich darauf setzt Lactanz seine Exegese an. Seine Methode besteht wiederum in einem diakritischen Verfahren: Wahres (inst. 4,13,12: verum) und Falsches (vgl. inst. 4,13,12: fefellit [sc. Apollo]) sucht er innerhalb des Orakels zu unterscheiden.38 Dabei beschäftigt sich Lactanz ausschließlich mit dem ersten der drei von ihm zitierten Verse – daß mit Ȍįȝİįהȡț nicht Babylonier, sondern Juden gemeint sind, setzt er offenkundig als selbstverständlich voraus.39 Den ersten Vers des Orakels behandelt Lactanz sehr eingehend – gleich drei verschiedene Aussagen hält Lactanz hier für kommentierungsbedürftig: zunächst die – für seine laufende Darstellung der Inkarnation Christi relevante – Qualifikation Jesu als sterblich »gemäß dem Fleische« Ȝįijո IJչȢȜį . Hier diagnostiziert Lactanz einerseits eine heimtückische Lüge Apollos, der den Eindruck erwecke, Jesus sei kein Gott gewesen. Andererseits interpretiert er die Tatsache, daß das allein für sich bereits zur Kennzeichnung der Sterblichkeit hinreichende Adjektiv »sterblich« Țȟșijցȣ durch den Zusatz »gemäß dem Fleische« (Ȝįijո IJչȢȜį) ergänzt wird, dahingehend, daß damit eine Unsterblichkeit und damit Göttlichkeit Jesu angedeutet sei (inst. 4,13,12). Die zweite Anmerkung des Lactanz geht von dem auf Jesus bezogenen Adjektiv IJȡĴցȣ aus und übersetzt es mit »weise« (sapiens). Lactanz folgert daraus nicht nur, daß, wenn Jesus selbst weise sei, auch seine Anhänger – die Christen – weise seien, sondern er erhebt sogar den Anspruch, daß nur und ausschließlich die Christen weise seien. Lactanz benutzt das Wort IJȡĴցȣ also nicht nur, um den gegen die Christen geschleuderten Vorwurf der 38 Vgl. auch Nicholson 2001a, 369: »Lactantius believed that after exact sifting he was able to winnow truth from falsehood.« 39 In den Orakeln, die Euseb aus der »Philosophie aus Orakeln« des Porphyrios zitiert, werden häufig »Chaldäer« und »Hebräer« nebeneinander erwähnt, vgl. Eus. Pr. Ev. 9,10,4f.; 14,10,5. Auf Eus. Pr. Ev. 9,10,4 Bezug nehmend folgert Pricoco 1989a, 358, daß die Begriffe »Chaldäer« und »Hebräer« in diesem Kontext austauschbar seien. Vgl. außerdem die Cohortatio ad Graecos, die im Zusammenhang mit eben diesem von Porphyrios und Euseb zitierten Orakel (Eus. Pr. Ev. 9,10,4) die »Chäldäer« mit »Hebräern« geradezu identifiziert (Ps.-Iust. Coh. ad Graecos 11,2).
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Torheit40 zu widerlegen, nein, er geht selber zum Angriff über, indem er die Weisheit ausschließlich den Christen zuschreibt und damit die restliche Menschheit zu Toren erklärt. Dabei läßt er geflissentlich außer acht, daß der Ausdruck ijıȢįijօİıIJțȟ ԤȢȗȡțȣ sich auf IJȡĴցȣ bezieht, mit IJȡĴցȣ daher also an dieser Stelle lediglich eine technische Geschicklichkeit im Hervorrufen von Wunderwerken gemeint ist, die als solche aber noch keine Rückschlüsse auf besondere Weisheit zuläßt (inst. 4,13,13).41 Daß die Worte IJȡĴրȣ ijıȢįijօİıIJțȟ ԤȢȗȡțȣ zusammengehören, überspielt Lactanz auch dadurch, daß er die letzten beiden Worte dieses Ausdrucks wie auch des ganzen Verses zum Ausgangspunkt für Erörterungen über ein ganz neues Thema, nämlich die von Jesus gewirkten Wunder (portentifica opera) nimmt. Wieder unterscheidet Lactanz ›Lüge‹ und ›Wahrheit‹: Zur ›Lüge‹ rechnet er die Charakterisierung Jesu als Zauberer, der nicht aus göttlicher, sondern nur aus magischer Kraft seine Wunder vollbracht habe (inst. 4,13,16). Daß Jesus Wunder vollbracht habe, sei dagegen wahr und bestätige die christlichen Wundererzählungen (inst. 4,13,15). Lactanz beendet seine Ausführungen zu diesem Orakel mit einem Seitenhieb auf die Juden, welche sich durch die von Jesus gewirkten Wunder nicht hätten überzeugen lassen (inst. 4,13,17). Salvatore Pricoco nun sieht hier das eigentlich Anliegen der lactanzischen Polemik.42 Er geht davon aus, daß das von Lactanz zitierte ApolloOrakel von Juden – und später von Porphyrius – zu Zwecken antichristlicher Polemik eingesetzt worden sei: Jesus sei darin zum bloßen Zauberer degradiert worden.43 Ob das Orakel allerdings von Juden oder Christen ›gefälscht‹ oder tatsächlich im Apollo-Heiligtum zu Didyma erteilt wurde, ist in der Forschung umstritten.44 Erwähnenswert ist auch die ironische Dramatisierung des zwischen drängender Wahrheit45 und lügnerisch-trügerischer, weil dämonischer Natur46 hin- und hergerissenen Apollo, der letztlich zum Verräter an den etablierten Göttern und sich selbst (inst. 4,13,16: deorum ac sui proditor) wird.47 In 40 Vgl. dazu besonders inst. 5. 41 Diese Bedeutung gibt LSJ 1622 s.v.IJȡĴցȣ: »skilled in any handicraft or art, clever« als Grundbedeutung an. 42 Vgl. Pricoco 1989a, 358: »Questo della sapienzia di Cristo, divina e non magica, è il centro dialettico e polemico di queste paghine.« 43 Pricoco 1989a, 358f. 44 Vgl. einerseits Parke 1985, 104: »obviously not a Christian’s forgery [...] authentic attempt of the prophets of Apollo to define their position with regard to the claims of Christianity« und andererseits Fontenrose 1988, 222: »surely a Christian’s forgery«. 45 Inst. 4,13,13: veritate pressus (sc. Apollo); 4,13,16: cum enim verum necessitate dixisset [...] quod ab eo veritas expresserat. 46 Inst. 4,13,12: argute [...] fefellit; 4,13,16: sed colligit se tamen et ad daemoniacas fraudes redit [...] mendacio fallente curasset. 47 Vgl. dazu auch Pricoco 1989a, 373f.
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Übereinstimmung mit seiner Dämonologie (inst. 2,16,13) erklärt Lactanz auch, daß Apollo nur diejenigen zu täuschen vermag, denen die Wahrheit unbekannt ist. Das betont er sowohl am Anfang (inst. 4,13,12) als auch am Ende (inst. 4,13,17) seiner Exegese des Orakels. Gegenüber den Christen, die aus lactanzischer Sicht im alleinigen Besitz der Wahrheit sind,48 erscheint Apollo also machtlos. Dieses Urteil, ebenso wie die kühl sezierende Unterscheidung zwischen ›Lüge‹ und ›Wahrheit‹ und die ironische Dramatisierung des hilflos in die Enge gedrängten Apollo, zeigt einen souveränen Lactanz, der über Apollo und seine Orakel frei verfügt und sie zu seinen missionarischen Zwecken instrumentalisiert. 3.6.3.4 Apollo-Orakel in inst. 7 Das letzte Zitat aus einem Apollo-Orakel innerhalb der Divinae Institutiones befindet sich im siebten und letzten Buch, in dem Lactanz das Schicksal der Seele nach dem Tode und den Verlauf der Letzten Dinge behandelt. Die Unsterblichkeit der Seele sucht unser Autor zunächst mit Argumenten zu erschließen und fügt dann (inst. 7,13) Testimonien an, um seine Ergebnisse zu bestätigen. Zunächst zitiert er Hermes Trismegistus, dann Apollo Milesius,49 dessen Orakel er als bedeutenderes Zeugnis (inst. 7,13,5: maius testimonium) positiv von der hermetischen Textpassage abhebt. Der Charakter des Orakels als göttliches Zeugnis wird ebenfalls – wenn auch nur implizit durch Kontrastierung mit Hermes (inst. 7,13,4f.) erwähnt. Das Orakel selbst bietet eine auf sechs Verse kondensierte Seelenlehre, die der von A.J. Festugière herausgearbeiteten Struktur spätantiker Seelenlehren entspricht: göttlicher Ursprung der Seele – Abstieg und Einkörperung der Seele – Tod des Körpers – Rückkehr der Seele zum Himmel.50 Im Gegensatz zu den zuvor behandelten Apollo-Orakeln fehlt hier ein lactanzischer Kommentar, der in dem Orakel ›Wahres‹ von ›Falschem‹ scheiden und auf den dämonisch-negativen Charakter Apollos eigens hinweisen würde.51
48 Vgl. alleine an dieser Stelle inst. 4,13,14: si sapiens fuit (sc. Christus), ergo doctrina eius sapientia est nec ulla alia, et sapientes qui secuntur nec ulli alii. 49 Es könnte sich um ein authentisches Orakel aus Didyma handeln, vgl. Parke 1985, 91 und Fontenrose 1988, 222f. 50 Vgl. die Gliederung bei Festugière 1953. Die Struktur läßt sich auch bei Platonikern, Hermetikern, Christen und Gnostikern nachweisen. Eine ausführliche Interpretation der im ApolloOrakel zutage tretenden Seelenlehre bietet Pricoco 1995, 173-190, bes. 188. 51 Nach den deutlichen Worten, die Lactanz an den eben behandelten Stellen findet, um seine Distanz gegenüber Apollo auszudrücken, dürfte er die Kenntnis dieser seiner Haltung beim Leser vorausgesetzt haben. In den späteren lactanzischen Schriften verlieren die Apollo-Orakel sogar ihren Rang als göttliche Zeugnisse, vgl. unten die Abschnitte 3.6.3.5 und 3.6.3.6.
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3.6.3.5 Apollo-Orakel in der Schrift De ira dei Ein weiteres Zitat eines Apollo-Orakels befindet sich in der Schrift De ira dei, in der Lactanz die Fähigkeit Gottes zu zürnen als Voraussetzung für menschliche Religion und göttliche Gerechtigkeit verteidigt. Im Hauptteil des Traktates hatte Lactanz sich ausschließlich auf Argumente sowie Zitate aus Philosophie und Dichtung verlassen. Gegen Ende der Schrift führt er dann Orakel an, um seine im Hauptteil gewonnenen Ergebnisse zu bestätigen (ira 22,5-23,13). Nach mehreren Passagen aus den Oracula Sibyllina zitiert er drei griechische Verse (ira 23,12), die er dem Apollo Milesius, also dem Orakel von Didyma, zuschreibt und die offenkundig nur einen Teil eines längeren Orakels darstellen.52 Die von Lactanz zitierte Passage spricht von Gott als König, vor dem der Kosmos (Erde, Himmel, Meer und Unterwelt) sowie die İįտȞȡȟıȣ erzittern. An der Authentizität des Orakels äußert Lactanz – im Gegensatz zur modernen Forschung53 – nicht den geringsten Zweifel. Hier problematisiert unser Autor aber im Gegensatz zu inst. 1,7,5-10 nicht etwa die Identität der İįտȞȡȟıȣ – in dieser Hinsicht zeigt er sogar eine auffällige Nonchalance. Vielmehr geht es Lactanz hier um den Zorn Gottes, ohne den dieser seine Herrschaft über die Welt nicht ausüben könne (ira 23,13f.). Wie im siebten Buch der Divinae Institutiones verwendet Lactanz auch hier das Apollo-Orakel lediglich in einem vereinnahmenden Sinn: Hinweise auf den dämonisch-lügnerischen Charakter Apollos bleiben ebenso aus wie die lactanzische Unterscheidung zwischen ›Wahrem‹ und ›Falschem‹. Allerdings muß das Apollo-Orakel – wie auch die Oracula Sibyllina – in der Schrift De ira dei verglichen mit den Divinae institutiones einen Statusverlust hinnehmen: Es zählt nicht mehr zu den göttlichen Zeugnissen.54 3.6.3.6 Apollo-Orakel in der Epitome In der Epitome spielen Apollo-Orakel kaum noch eine Rolle, wörtliche Zitate finden sich überhaupt nicht mehr. In epit. 32,3 spielt Lactanz auf ein Apollo-Orakel an, das Sokrates zum weisesten Mann (sapientissimus) er52 Die drei Verse allein bieten lediglich einen mit Ԛȣ eingeleiteten Präpositionalausdruck, von dem ein Relativsatz abhängt. 53 Pricoco 1989a, 356f.; 1989b, 348-353 stellt eine Verbindung zu projüdischer antichristlicher Polemik in Porphyrius’ Philosophie aus Orakeln her. Nach Fontenrose 1988, 225 gehört es zusammen mit dem in inst. 4,13,11 zitierten Orakel zu einer »class of oracles which adherents of Judaism and Christianity framed as testimony of pagan Oracles to the truth of these religions and their doctrines«. 54 Zwar erklärt Lactanz in ira 22,2, er wolle nunmehr zu den göttlichen Zeugnissen übergehen, als solche erwähnt er dann aber die biblischen Propheten, und aus ira 22,4 geht hervor, daß er die divina testimonia, also doch wohl die Propheten, aus protreptischen Gründen beiseite läßt. Vgl. dazu auch oben den Abschnitt 2.2.4.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
klärt habe,55 gegen Ende der Schrift zieht er die Orakel des Apollo Milesius heran, um die Unsterblichkeit der Seele zu bestätigen. Aber gerade in diesem Zusammenhang wird auch der Statusverlust der apollinischen Orakel deutlich (epit. 65,6):56 Sie scheinen nicht mehr zu den göttlichen Zeugnissen zu zählen. In epit. 18,2 wird Apollo mit Menschenopfern in Rom in Verbindung gebracht. Legt man diese Stelle zugrunde, so erscheint auch der in den Divinae Institutiones im Zusammenhang mit eben diesen römischen Menschenopfern zitierte (inst. 1,21,7) griechische Vers Ȝįվ ȜıĴįȝոȣ Ԙדİׄ Ȝįվ ij ʍįijȢվ ʍջȞʍıijı Ĵijį als Apollo-Orakel.57 In der Forschung wird betont, daß Lactanz eine Verwechslung unterlaufen sei und das Orakel in Wirklichkeit dem Zeus-Orakel von Dodona zuzuschreiben sei.58 Für unsere Fragestellung ist aber hier die Frage interessanter, ob Lactanz in den Divinae Institutiones die – nach seiner in epit. 18,2 geäußerten Ansicht – apollinische Herkunft des mörderischen Orakels etwa absichtlich verschwiegen hat, um den Status der ohnehin schon als dämonisch inspiriert bezeichneten Apollo-Orakel dort nicht noch weiter herabzusetzen. In der Epitome, wo die Apollo-Orakel nur noch eine sehr geringe Rolle spielen und wohl auch nicht mehr als göttliche Zeugnisse gelten, war ein Hinweis auf eine solche Verbindung zu Menschenopfern leichter zu verschmerzen. 3.6.4 Schluß Lactanz setzt die Apollo-Orakel sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang ein. Dadurch wird deutlich, daß diese Orakel für Lactanz keine eigenständige normative Instanz darstellen. Im siebten Buch der Divinae institutiones und in den späteren Schriften, dem Traktat De ira dei und der Epitome der Divinae institutiones, bleibt zwar die polemische Distanzierung von den Apollo-Orakeln aus. Es deutet aber nichts darauf hin, daß Lactanz die apollinischen Weissagungen dort in einem günstigeren Licht sieht: Vielmehr büßen die ApolloOrakel in den späteren Schriften sogar ihren Status als göttliche Zeugnisse ein; um Distanz gegenüber den apollinischen Orakeln zu bekunden, ist Lac55 Vgl. Plat. apol. 21a. 56 Vgl. epit. 65,6: sed quid argumentis colligimus aeternas esse animas, cum habeamus testimonia divina? id enim sacrae litterae ac voces prophetarum docent. quod si cui parum videtur, legat carmina Sibyllarum, Apollinis quoque Milesii responsa consideret... Mit quod si leitet Lactanz zu einer neuen Kategorie von Zeugnissen über, die eben keine testimonia divina mehr sind. Vgl. auch epit. 31,6 und oben S. 86 Anm. 127. 57 Davon geht Pichon 1901, 208 aus. 58 Vgl. Ogilvie 1978, 24-26 sowie die Ausgaben von Brandt 1890-1897, Perrin 1987 und Heck – Wlosok 1994 im Apparat zur Stelle.
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tanz deshalb in den späteren Schriften nicht auf weitere explizite Aussagen angewiesen. Durch die Instrumentalisierung der apollinischen Weissagungen greift Lactanz nicht nur – wie von Salvatore Pricoco gezeigt – in die religiösen und philosophischen Kontroversen seiner Zeit ein. Auch die politische Ebene ist berührt, da die Apollo-Orakel sich um besondere Nähe zum Kaiserhaus bemühten59 und insbesondere das Apollo-Orakel von Didyma eine wichtige Rolle beim Beginn der diocletianischen Christenverfolgung spielte.60 Indem Lactanz die apollinischen Orakel für die Verkündigung des Christentums verwendet, nimmt er literarisch Rache: In den Divinae Institutiones demontiert sich der Christenfeind Apollo selbst. In der Tat setzt sich Lactanz so intensiv mit den Apollo-Orakeln auseinander wie kein christlicher Schriftsteller vor ihm. Unser Autor schenkt den apollinischen Weissagungen mehr Aufmerksamkeit als seine Vorgänger, aber nicht mehr Wertschätzung. Die lactanzische Behandlung der apollinischen Orakel illustriert vielmehr auf eindrucksvolle Weise die verschiedenen Techniken, mit deren Hilfe Lactanz außerchristliche Kulturelemente zur Darstellung des Christentums instrumentalisiert.
59 Vgl. Athanassiadi 1989-1990, 272. 274; 1992, 56. 60 Vgl. mort. pers. 11,7 und Constantin in Eus. Vita Const. 2,50-54. Dazu Weiteres bei Parke 1985, 106-108, Fontenrose 1988, 206-208. Daß die Angaben von Constantin eine stark christliche Perspektive widerspiegeln und kaum wörtliche Wiedergaben des Orakeltextes darstellen, wird leider nicht immer erkannt, vgl. etwa Cameron-Hall 1999, 245. Hintergrund der antichristlichen Einstellung des Orakels von Didyma war möglicherweise eine sich über Jahre hinziehende Auseinandersetzung zwischen dem Propheten des Apollo-Orakels von Didyma und auf dem Tempelgelände kampierenden Menschen, unter denen sich offenbar viele Christen befanden. Im Laufe dieses Konfliktes kam es, so die Annahme von Polymnia Athanassiadi, auch zu Ausschreitungen, bei denen Teile des Apollo-Heiligtums in Brand gesetzt wurden, vgl. Athanassiadi 1989-1990, 273f. mit einer neuen Rekonstruktion der Inschrift Rehm-Harder 1958, Nr. 306 (= Fontenrose 1988, Nr. 33) in Anm. 31 auf S. 275.
3.7 Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel 3.7.1 Einleitung 3.7.1.1 Einführung zu den Hystaspes-Orakeln Neben sibyllinischen und apollinischen Orakeln spielen auch die Hystaspes-Orakel für Lactanz eine wichtige Rolle. Ja, Lactanz scheint sogar von der etablierten christlichen Lehrmeiung abzuweichen, um den Vorstellungen der Hystaspes-Orakel folgen zu können. Ließe sich dieser Verdacht bestätigen, so hätten wir endlich eine außerchristliche Testimoniengruppe mit eigenständig normsetzender Kraft gefunden. Die bisher erhärtete These, daß Lactanz außerchristliche Texte bewußt zu seinen Zwecken instrumentalisiert, ließe sich dann zumindest für die Hystaspes-Orakel nicht aufrechterhalten. Wer sich ein Bild davon machen will, welchen Stellenwert diese Orakel für Lactanz hatten, sieht sich mit der fragmentarischen Überlieferung der Hystaspes-Orakel konfrontiert. Ja die meisten dieser wenigen Fragmente stammen sogar aus den lactanzischen Schriften selbst.1 Dabei erwähnt Lactanz Hystaspes namentlich nur drei Mal.2 Die restlichen Fragmente sind lediglich durch inhaltliche Parallelen mit in mittelpersisch abgefaßten zoroastrischen Apokalypsen als solche zu erkennen.3 Im folgenden werde ich die Hystaspes-Orakel kurz vorstellen, ihre Rolle bei den Kirchenvätern vor Lactanz beleuchten und schließlich die einzelnen einschlägigen Lactanzstellen durchgehen, um zu eruieren, welche Haltung Lactanz ihnen gegenüber einnahm. Als »Hystaspes-Orakel« werden die hier behandelten Schriften erst in der nachlactanzischen Theosophie, einer Orakelsammlung des 5. Jahrhunderts, bezeichnet ȌȢսIJıțȣ աIJijչIJʍȡȤ . Diese Benennung erscheint aber wegen des »apokalyptisch-historischen Inhalts, ihres Offenbarungsanspruchs u. der Inanspruchnahme des H.[ystaspes, J.W.] als Empfängers von Traumvisionen, die er weitersagt«, gerechtfertigt.4 Häufig wird – wie etwa bei den Sibyllinischen Orakeln auch – nur die Person erwähnt, von der die Orakel stammen sollen. »Der griech. Name H. setzt den awestischen u. altpers. Namen VištƗspa (wohl ›der mit den scheuen [oder: angeschirrten?
1 Von den 13 bei Bidez-Cumont gezählten Fragmenten der Hystaspes-Apokalypse (frg. 618; frg. 1-5 sind lediglich biographische Zeugnisse) stammen 8 (frg. 11-18) aus den Divinae Institutiones beziehungsweise der Epitome. 2 Inst. 7,15,19; 7,18,2; epit. 68,1. 3 Vgl. dazu Colpe, RAC 16 (1994) 1065 s.v. Hystaspes. 4 Colpe, RAC 16 (1994) 1060 s.v. Hystaspes.
Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel
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trainierten?] Pferden‹) um.«5 Ob damit freilich der königliche Beschützer des Propheten Zarathustra oder aber der Vater des Großkönigs Dareios I. gemeint ist, läßt sich nicht mehr ermitteln.6 Die ersten Hystaspes-Orakel setzt Carsten Colpe in der Persis des dritten oder zweiten Jahrhunderts vor Christus an.7 Nationaliranisch gesinnte Mager sollen auf diese Weise gegen griechische Fremdherrschaft agitiert haben.8 Im zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhundert richteten sich die Orakel dann gegen einen neuen Gegner: Rom, das im zweiten Jahrhundert in Kleinasien Fuß faßte und in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor Christus in eine erbitterte Auseinandersetzung mit Mithridates VI., dem König von Pontos, verwickelt war.9 Die brutale Ausbeutung der östlichen Provinzen durch römische Steuereintreiber führte zu einem – vielleicht gesamtvorderasiatischen10 – Wunsch nach Rache, der sich auch in den Hystaspes-Orakeln artikulierte. Möglicherweise war auch das von Flavius Josephus, Tacitus und Sueton genannte Orakel von dem Weltenherrscher aus Judäa11 ein – freilich judaisiertes – Hystaspes-Orakel.12 Wie im allgemeinen das Verhältnis zwischen iranischer und jüdischer Apokalyptik, so ist auch im besonderen das Verhältnis der Hystaspes-Orakel zu jüdischen und christlichen apokalyptischen Texten umstritten.13 7.1.1.2 Die Hystaspes-Orakel bei frühchristlichen Autoren Unter den vorlactanzischen christlichen Schriftstellern kommen nur Justin und Clemens Alexandrinus auf die Hystaspes-Orakel zu sprechen: Justin erwähnt Hystaspes an zwei Stellen, und zwar in beiden Fällen zusammen mit der Sibylle: An der ersten Stelle (apol. 20,1 = frg. 6 Bidez-Cumont) geht es um die Zerstörung der Welt durch Feuer, an der zweiten Stelle (apol. 44,12 = frg. 7 Bidez-Cumont) um das Verbot des Hystaspes, der Sibylle und der Prophetenbücher, für das Justin den Einfluß böser Dämonen verantwortlich macht.14 Vielleicht lag Justin bereits eine christanisierte Version der Hy5 Colpe, RAC 16 (1994) 1057 s.v. Hystaspes. 6 Vgl. Windisch 1929, 10-12; Colpe, RAC 16 (1994) 1057-1059 s.v. Hystaspes. 7 Windisch 1929, 96 und Bidez-Cumont 1938, I 217f. datieren die ersten Hystaspes-Orakel dagegen ins 1. vor- oder nachchristliche Jahrhundert. 8 Vgl. Colpe 1970, 85 und dens., RAC 16 (1994) 1067-1069 s.v. Hystaspes. 9 Vgl. Colpe, RAC 16 (1994) 1069f. s.v. Hystaspes. 10 Vgl. Kippenberg 1983, passim. 11 Flavius Josephus, Bell. Jud. 6,312-314; Tac. hist. 5,13,2; Suet. Vesp. 4,5. 12 Vgl. Kippenberg 1983, 40-43. 48. 13 Vgl. Colpe, RAC 16 (1994) 1070-1074 s.v. Hystaspes. Ders. (1970, 86. 99f.) diagnostiziert eine unabhängige Entwicklung unter weithin vergleichbaren Umständen. Flusser 1982, passim ist der Meinung, daß die uns erhaltenen Fragmente einer jüdischen Apokalypse angehörten, die eine der Hauptquellen der Offenbarung des Johannes gewesen sei. 14 Colpe 1970, 88f. sieht darin kein faktisches Verbot, sondern vielmehr eine Aussage der Hystaspes-Orakel selbst. Anders Windisch 1929, 32: »Ein Orakelbuch, in dem ein persischer Kö-
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staspes-Orakel vor.15 Auch Clemens von Alexandrien erwähnt Hystaspes im Zusammenhang mit der Sibylle (str. 6,43,1 = frg. 8 Bidez-Cumont): Er zitiert ein apokryphes Pauluswort, das zur Lektüre der griechischen Bücher, der Sibylle und des Hystaspes auffordert. Dort, so besagtes Pauluswort weiter, sei Christus viel klarer beschrieben als bei den Propheten. Daß es hier um eine bereits christianisierte Version der Hystaspes-Orakel geht,16 ist daher bei Clemens Alexandrinus deutlicher als bei Justin. Außerdem erscheint Hystaspes – wie die Sibylle – bei Clemens als Beispiel für eine Art göttlicher Offenbarung an die Griechen (str. 6,42,3 – 6,43,1). 3.7.2 Die Hystaspes-Orakel bei Lactanz Im Gegensatz zu Justin und Clemens Alexandrinus äußert sich Lactanz zu der Identität des Hystaspes (inst. 7,15,19): Demnach war er ein medischer König in vortrojanischer Zeit, der einen wundersamen Traum hatte, den er sich von einem prophetisch begabten Kind deuten ließ17 und der Nachwelt überlieferte. Inhalt des Traumes war die Zerstörung des römischen Reiches. Der Untergang Roms gilt unserem Autor aber bereits als Teil der Eschatologie. Seine explizite oder implizite Benutzung der HystaspesOrakel ist auf die Darstellung der letzten Dinge im siebten Buch der Divinae Institutiones und die entsprechenden Passagen in der Epitome beschränkt. Die erste Lactanz-Passage, die bei Bidez-Cumont als Hystaspesfragment (frg. 12) gewertet wird, findet sich in inst. 7,14,8-17. Lactanz beschreibt dort, daß in den ersten sechs Jahrtausenden die Schlechtigkeit auf der Welt vorherrscht, im siebten Jahrtausend aber – analog zu dem Ruhetag Gottes nach der biblischen Schöpfungsgeschichte – die Gerechtigkeit regieren werde. Diese eschatologische Chronologie geht allerdings wohl eher auf jüdisch-christliche als auf zoroastrische Lehren zurück.18 – In frg. 13 BidezCumont (= inst. 7,15,11. 19) kündigt Hystaspes den Untergang des römischen Reiches an: der Osten werde wieder über den Westen herrschen. Wir greifen hier massive Romkritik, die sich in den Kontext hellenistischer antinig den Untergang Roms profezeite [sic], konnte innerhalb der Grenzen des imperium Romanum nur als eine hochverräterische, revolutionäre Schrift gelten.« 15 Vgl. Sardella 1995, 307f. Windisch 1929, 29 vermutet dagegen einen nichtjüdischparsistischen oder parsistisch-hellenistischen Verfasser. 16 Vgl. Windisch 1929, 36f.; Bidez-Cumont 1938, I 222; II 362; Sardella 1995, 301. 17 Das Kind interpretierte den Traum des Königs und nicht – wie Potter 1994, 211 meint – umgekehrt. 18 Vgl. Colpe, RAC 16 (1994) 1070 s.v. Hystaspes. Colpe 1970, 87 verweist auch auf die Hebdomas des griechischen Kalenders, der in hellenistischer Zeit in der Persis eingeführt worden sei.
Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel
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römischer Widerstandsorakel einordnen läßt.19 In diesen Zusammenhang gehört auch die jüdische und christliche Apokalyptik, in der der Untergang Roms ein zentrales Thema war.20 – Frg. 14 Bidez-Cumont (= inst. 7,16,4/ epit. 66,3) behandelt den allmählichen Weltuntergang. Dazu finden sich Parallelen in der mittelpersischen zoroastrischen, aber auch in der jüdischapokalyptischen Literatur.21 Auch die Lehre von den zwei antichristlichen Herrschern der Endzeit22 geht nicht unbedingt auf die Hystaspes-Orakel zurück.23 Frg. 15 Bidez-Cumont (= inst. 7,17,9-11; 7,18,1-3a; 7,19,5-9a/epit. 66,1f.; 66,10-67,2) schildert den Triumph der Ungerechtigkeit. Auch für dieses Fragment lassen sich Parallelen aus der mittelpersischen zoroastrischen Literatur angeben.24 Besonders interessant für unsere Belange ist inst. 7,18,1-3, wo Hystaspes auch namentlich erwähnt wird: inst. 7,18,1-3: Haec ita futura esse cum prophetae Daß diese Dinge sich so in der Zukunft omnes ex dei spiritu tum etiam vates ex ereignen werden, haben neben allen Proinstinctu daemonum cecinerunt. pheten aus dem göttlichen Geist heraus insbesondere auch Seher duch den Antrieb von Dämonen vorhergesagt. (2) Hystaspes enim, quem superius nomi- (2) Denn der oben genannte Hystaspes navi, descripta iniquitate saeculi huius erklärt nach einer Beschreibung der Unextremi ›pios ac fideles a nocentioribus gerechtigkeit dieses letzten Zeitalters, segregatos ait cum fletu et gemitu exten- daß die Frommen und Gläubigen von turos esse ad caelum manus et inplo- den Bösen getrennt unter Tränen und raturos fidem Iovis: Iovem respecturum Seufzen die Hände zum Himmel ausad terram et auditurum voces hominum strecken und die Hilfe des Jupiter erfleatque inpios extincturum‹. quae omnia hen werden. Jupiter werde auf die Erde vera sint praeter unum, quod Iovem dixit blicken und die Stimmen der Menschen 19 Vgl. Colpe, RAC 16 (1994) 1069f. s.v. Hystaspes. 20 Vgl. Windisch 1929, 49. 21 Auf Bahman Yascht 2,42-47; 3,2 als mittelpersische Parallele verweisen Bidez-Cumont 1938, II 369; Colpe 1970, 89; ders., RAC 16 (1994) 1065.1071.1073 s.v. Hystaspes. Widengren 1989, 123f. bietet weitere iranische Parallelen. Daneben lassen sich aber auch jüdische Parallelen angeben, vgl. zu epit. 66,3 etwa Colpe 1970, 90: »Aus der jüdischen Apokalyptik ist dieses alles ganz geläufig«. 22 Inst. 7,16,3 (Feind aus dem Norden); 7,17,2 (König aus Syrien). 23 Vgl. Colpe, RAC 16 (1994) 1075 s.v. Hystaspes gegen Fuchs 1938, 34f. und Flusser 1982, 21-23. 24 Auf Bahman Yascht 2,28-31 verweisen Bidez-Cumont 1938, II 371f.; Widengren 1989, 122f. auch mit weiteren Paralleltexten aus dem iranischen Bereich; Colpe 1970, 90f. sieht hier in der Beschreibung des Verlusts ritterlicher Tugenden (vgl. inst. 7,17,9-11) ursprünglich iranische Vorstellungen. Berger 1976, 68-70 erkennt hier Spuren älterer jüdischer Tradition, zum Beispiel Parallelen zwischen inst. 7,17,10f. und 4 Esra 13 (besonders Anm. 316. 320 auf S. 331f.).
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
illa facturum quae deus faciet.
hören und die Unfrommen ausrotten. Das alles ist wahr mit der einen Ausnahme, daß nach seinen (sc. des Hystaspes) Worten Jupiter das tun wird, was (sc. in Wirklichkeit) Gott tun wird. (3) sed et illut non sine daemonum frau- (3) Aber auch dies ist nicht ohne den de subtractum, missuiri a patre tunc fi- Betrug von Dämonen heimlich vorentlium dei, qui deletis omnibus malis pios halten worden, daß dann vom Vater der liberet. Sohn Gottes gesandt werden wird, der alle Bösen vernichten und die Frommen befreien wird.
In den Lactanz vorliegenden Hystaspes-Orakeln war also Jupiter derjenige, der den Retter aus dem Himmel auf die Erde schickte, um die Herrschaft der Ungerechtigkeit zu beenden. Lactanz lag demnach offenbar eine nichtchristliche Version der Hystaspes-Orakel vor. Ursprünglich sandte vielleicht Ahura-Mazda den Sonnengott Mithras aus und in den griechischen Hystaspes-Orakeln Zeus den Apollo.25 Nach lactanzischer Überzeugung jedenfalls entsendet der christliche Gott Vater den Christus. Interessant ist, auf welche Weise Lactanz sein Vorgehen, Jupiter an dieser Stelle der Hystaspes-Orakel als christlichen Gott Vater zu interpretieren, rechtfertigt: Hystaspes gehört nämlich – so Lactanz – nicht zu den von Gott inspirierten Propheten (prophetae [...] ex dei spiritu), sondern nur zu den von den Dämonen inspirierten Sehern (vates ex instinctu daemonum).26 Diese Annahme ermöglicht es Lactanz, innerhalb des Hystaspes-Orakels zwischen ›Wahrem‹ und ›Falschem‹ zu unterscheiden.27 Ja unter Verweis auf das betrügerische Wesen der Dämonen (inst. 7,18,3: non sine daemonum fraude) kann Lactanz sogar suggestiv das Fehlen eines klareren christlichen Bezugs monieren. Doch in dem Maße, wie Lactanz durch die Behauptung dämonischer Inspiration die Hystaspes-Orakel für seine christliche Interpretation öffnet, vermindert er den normativen Wert dieser Texte. Von einer göttlichen Inspiration im christlichen Sinne, wie sie Joseph Bidez und Franz Cumont nahelegen,28 kann demnach keine Rede sein.
25 Vgl. Bidez-Cumont 1938, II 372. Ähnlich Cumont 1931, 86. Auch Widengren 1989, 125 erkennt in dem vom Himmel herab Gesandten den Gott Mithras und beruft sich in diesem Zusammenhang auf den Titel dux sanctae militiae, mit dem dieser Gesandte in inst. 7,19,5 bezeichnet wird. Anders Colpe 1970, 107-109, der hier vielmehr eine Anspielung auf die Wiederkehr eines nationalen Königs sieht. 26 Vgl. dazu auch van Rooijen-Dijkman 1967, 122-124. 27 Vgl. inst. 7,18,2: quae omnia vera sunt praeter unum, quod Iovem dixit illa facturum quae deus faciet. 28 Vgl. Bidez-Cumont 1938, I 219: »L’apologiste latin regardait ce ›très ancien roi des Mèdes‹ comme favorisé d’une inspiration divine...«.
Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel
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In frg. 16 Bidez-Cumont (= inst. 7,21,3-7) erörtert Lactanz das Jüngste Gericht, in dem das göttliche Feuer29 eine entscheidende Rolle spielt. Lactanz weicht hier, so die Forschung,30 von den etablierten christlichen Vorstellungen ab. Nach seiner Darstellung kommen nämlich nicht nur die ›Bösen‹, sondern auch die ›Guten‹ im Verlaufe des Jüngsten Gerichts mit dem Feuer in Berührung: Nur tragen die ›Guten‹ im Gegensatz zu den ›Bösen‹ dabei keinerlei Schaden oder Schmerz davon. Diese Vorstellung ist wohl persischen Ursprungs, findet sich aber auch schon in den Oracula Sibyllina.31 Auch im äthiopischen Henochbuch (äthHen 67,9) finden sich noch Spuren der Ordalvorstellung, indem der Grad der Verbrennung mit dem Grad der Schuld korrespondiert.32 Darüber hinaus können aber auch – und dies wurde bisher in der Lactanzforschung nicht zur Kenntnis genommen – 1 Kor 3,14f. und der Hirte des Hermas (24,4) im Lichte einer eschatologischen Feuerprobe interpretiert werden.33 Lactanz hat sich also hier de facto einer christlichen Minderheitenposition angeschlossen. Aus dieser Lactanzstelle läßt sich also nicht nachweisen, daß Lactanz die Hystaspes-Orakel höher geschätzt habe als die Bibel beziehungsweise die christliche Tradition. In die Epitome nimmt Lactanz die Vorstellung von einem Feuerordal nicht mehr auf. Ob dafür neben der schieren Notwendigkeit, den Text der Divinae Institutiones zusammenzufassen und zu verkürzen, auch theologische Überlegungen verantwortlich waren, entzieht sich unserer Kenntnis. In frg. 17 Bidez-Cumont (= inst. 7,24,7/epit. 67,3f.) und frg. 18 BidezCumont (= inst. 7,24,5; 7,26,1/epit. 67,2) malt Lactanz die Segnungen des Milleniums in den hellsten Farben. Dabei schildert er in frg. 18 Bidez-Cumont, daß Satan (princeps daemonum) auf 1000 Jahre gefesselt wird. Diese Lehre weist Parallelen zu mittelpersischen zoroastrischen Texten auf.34 Sie ist aber auch in der Offenbarung des Johannes (20,2) und bei jüdischen und christlichen Chiliasten zu finden.35 In der Epitome erwähnt Lactanz den Hy29 Colpe 1970, 91-94 betont im Anschluß an Windisch 1929, 30f., daß Hystaspes nicht nur auf iranische, sondern auch auf griechische (Heraklit, Stoa) Vorstellungen zurückgegriffen haben könnte. 30 Vgl. Bidez-Cumont 1938, II 373; Sardella 1995, 307 Anm. 50. 31 Vgl. Orac. Sib. 2,253-256; 8,410f. van Rooijen-Dijkman 1967, 133 verweist auf diese Stellen und außerdem auf äthHen 52 und Psalmen Salomos 15,4-6. An den beiden letzteren Stellen ist aber nicht davon die Rede, daß auch die Frommen mit dem Feuer in Berührung kommen. 32 Vgl. Colpe 1970, 102. 33 Vgl. Peterson 1959a, 188, der auch unsere Passage (inst. 7,21,3) ausschreibt (ebd. Anm. 23) und sie eindeutig in diesen Zusammenhang stellt. Vgl. auch Flusser 1982, 34f. mit weiterer Literatur. 34 Vgl. etwa Bahman Yascht 3,53-57 und Pahlavi Rivajat 2 und dazu Colpe 1970, 88. 35 Vgl. Bidez-Cumont 1938, II 375f.; Lohmeyer 1953, 161 sowie Aune, RGG4 2 (1999) 137 s.v. Chiliasmus II. Neues Testament; Fitschen, RGG4 2 (1999) 138 s.v. Chiliasmus III. Kirchengeschichtlich mit näheren Stellenangaben. Peterson 1959b, 294 Anm. 38 betont daher auch, daß »die Herkunft der Lactanz-Stelle aus Hystaspes nicht sicher« ist.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
staspes namentlich nur einmal, nämlich am Schluß. Hystaspes wird dort als Zeuge neben Hermes Trismegistos und den Sibyllen genannt und gleichzeitig von den biblischen Propheten abgesetzt.36 3.7.3 Schluß Die Stellen, an denen Lactanz explizit oder implizit auf die Hystaspes-Orakel zurückgreift, weisen allesamt Parallelen zu jüdisch-christlichen Vorstellungen auf. Das beweist zwar für sich genommen noch nicht, daß die Hystaspes-Orakel hier nur sekundäre und normativ nicht eigenständige Testimonien sind. Die These, daß Lactanz aus Rücksicht auf die Hystaspes-Orakel christliche Positionen aufgegeben habe, läßt sich aber angesichts dieses Befundes auch nicht stützen. An einer Stelle bietet Lactanz allerdings eine deutliche Einschätzung der Hystaspes-Orakel: In inst. 7,18,1-3a (= frg. 15 Bidez-Cumont) erklärt er, daß die Hystaspes-Orakel auf dämonische Eingebungen zurückgehen und unterscheidet innerhalb der dort behandelten Hystaspes-Prophezeiung zwischen »Wahrheit« und »dämonischem Betrug«. Dieses Verhalten haben wir mit der gleichen Begründung bereits bei der lactanzischen Behandlung der Apollo-Orakel kennengelernt: Als dämonisch inspirierte Texte, in denen nur der Christ37 Wahrheit und Lüge zu unterscheiden vermag, stehen die Hystaspes-Orakel auf der gleichen Stufe wie die Apollo-Orakel: Es sind keine eigenständig normsetzenden Instanzen. Damit räumt Lactanz den Hystaspes-Orakeln einen wesentlich geringeren Stellenwert ein als seine apologetischen Vorgänger Justin und Clemens Alexandrinus. Billigt Clemens den Hystaspes-Orakeln eine göttliche Inspiration zu, so unterstellt Lactanz den Hystaspes-Orakeln eine dämonische – und damit zumindest teilweise widergöttliche – Inspiration. Daher erklärt es sich auch, daß Lactanz im Gegensatz zu seinen beiden apologetischen Vorgängern auch offene Kritik an den Hystaspes-Orakeln äußert.38 Jedenfalls werden Stellungnahmen, die unserem Autor als »einer Art enzyklopädistischem Verwandten des [...] Isidor v. Sevilla« eine »konsequent gestaltete 36 Epit. 68,1 (frg. 11 Bidez-Cumont): quare cum haec omnia vera et certa sint prophetarum omnium consona adnuntiatione praedicta, cum eadem Trismegistus, eadem Hystaspes, eadem Sibyllae cecinerint, dubitari non potest, quin spes omnis vitae ac salutis in sola dei religione sit posita. Wenn der zweite cum-Satz vom ersten abhinge, würde man erwarten, daß im zweiten cumSatz auch die Propheten erwähnt würden. Fragwürdig die Interpretation von Colpe 1970, 89, der in der Gewißheit, worauf alle Hoffnung sich zu gründen hat, eine besondere Eigenschaft der Endzeit sieht. Für Lactanz folgt diese Gewißheit dagegen an dieser Stelle aus den Weissagungen der Bibel, des Hermes Trismegistos, des Hystaspes und der Sibyllen. 37 Vgl. inst. 4,13,12. 17 und dazu oben den Abschnitt 3.6.3.3. 38 Dies hängt wohl damit zusammen, daß Lactanz eine nicht christianisierte Version der Hystaspes-Orakel vor sich hatte.
Zum Stellenwert der Hystaspes-Orakel
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christl. Positivität im Verhältnis zu den unverkürzten Testimonien der heidn. wie der jüd.-chr. Vergangenheit« bescheinigen,39 der durchaus kritischen Grundhaltung des Lactanz nicht vollends gerecht.
39
Colpe, RAC 16 (1994) 1077 s.v. Hystaspes. Auch die Formulierung von Nicholson 2001a, 367, der -–wie Colpe – m.E. überzeugend die protreptischen Ambitionen des Lactanz hervorhebt, neigt dazu, die bei Lactanz durchaus vorhandene ausgrenzende Argumentationsform bezüglich der Hystaspes-Orakel zu marginalisieren, wenn er schreibt: »Yet Hermes, the Sibyls, Apollo and Hystaspes are cited with approval. They are sometimes subjected to close reading, but they do not come in for the sort of discussion or hostile criticism which Cicero on occasion receives«.
4. Pagane Wertvorstellungen bei Lactanz
4.1 Zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption 4.1.1 Einleitung Nachdem wir in den vorhergehenden Kapiteln (3.1 – 3.7) ermittelt haben, welchen Rang Lactanz verschiedenen paganen Textgruppen beimißt, untersuchen wir nunmehr sein Verhältnis zu paganen Wertvorstellungen. Um dieses genauer bestimmen zu können, wollen wir zunächst die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption in den Blick nehmen. Hier greifen wir einen entscheidenden Kristallisationspunkt der Wertvorstellungen des Lactanz. Dabei werden wir zunächst die lactanzische Konzeption der Gerechtigkeit mit ihren beiden Hauptbestandteilen1 der Frömmigkeit (pietas) und des Gleichheitsbewußtseins2 (aequitas) erörtern. Hier interessieren uns insbesondere ihre Verbindungen zu vor- und außerchristlichen Vorstellungen. Daraufhin werden wir etwaigen Veränderungen in den beiden genannten Hauptbestandteilen der Gerechtigkeit nachgehen und schließlich die Gerechtigkeitskonzeption des Lactanz in seiner Vorstellung vom Heilsplan Gottes verorten. In der Forschung ist umstritten, ob und inwieweit die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption3 selbst paganen Vorstellungen verpflichtet ist. Massiven außerchristlichen Einfluß auf Lactanz nehmen Vincenzo Loi4 und insbesondere Wolfram Winger5 an. Im Gegensatz dazu sehen Vinzenz Buchheit und Christiane Grossmann6 in der Konzeption einen genuin christlichen Entwurf.
1 Vgl. inst. 5,14,9. 2 Zur Übersetzung »Gleichheitsbewußtsein« vgl. unten den Abschnit 4.1.2.2. 3 Zur Bedeutung des Begriffes iustitia in der Antike vgl. Thome 1999, passim; vgl. außerdem Dihle, RAC 10 (1978) s.v. Gerechtigkeit (speziell zu Lactanz 335). 4 Vgl. Loi 1966, 621: »Possiamo, pertanto, concludere la nostra analisi affermando con tutta sicurezza che Lattanzio ha adottato il principio fondamentale dell’etica stoica, trasponendolo su un piano gnostico-religioso, dietro suggestione della letteratura gnostico-ermetica.« 5 Vgl. Winger 1999, 479. 481. 6 Vgl. Buchheit 1979c; Grossmann 2002; 2004.
Zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption
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4.1.2 Die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption in inst. 5,14,7 – 5,14,20 Das fünfte Buch der Divinae institutiones trägt den Titel De iustitia. Die für die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption aussagekräftigste Stelle findet sich ungefähr in der Mitte des Buches. In den vorhergehenden Kapiteln zeigt Lactanz, daß die Christen und damit die – seiner Ansicht nach – Gerechten tatsächlich weise sind. Jetzt (ab inst. 5,14) soll gezeigt werden, warum die Christen trotzdem für töricht gehalten werden. Lactanz geht dabei aus von der Vorstellung, daß die Gerechtigkeit wesensgemäß einen gewissen Schein von Torheit an sich habe.7 Mit Rücksicht auf sein Publikum will Lactanz zunächst anhand von Texten nichtchristlicher Autoren nachweisen, daß der Gerechte notwendigerweise als Tor erscheinen muß (inst. 5,14,1f.).8 In diesem Zusammenhang zieht Lactanz das Beispiel des Philosophen Karneades heran. Dieser hatte im Rahmen der Philosophengesandtschaft des Jahres 155 v. Chr. in Rom an einem Tag eine Rede für und am nächsten Tag eine Rede gegen die Gerechtigkeit gehalten. Lactanz weist darauf hin, daß Karneades nicht die (aus seiner Sicht mit dem Christentum identische) wirkliche Gerechtigkeit widerlegt habe, sondern nur diejenige, welche Platon und Aristoteles lehrten: eine Gerechtigkeit also, die keine Wurzeln habe, da es damals – hier greift Lactanz auf seine Nutzung des Weltaltermythos (inst. 5,5,9. 13) zurück – gar keine Gerechtigkeit gegeben habe und sie auch nicht erkannt worden sei. Er fährt fort: inst. 5,14,7-11: Atque utinam tot ac tales viri quantum eloquentiae, quantum animi, tantum etiam scientiae ad inplendam defensionem summae virtutis (sc. iustitiae) habuissent, cuius origo in religione, ratio in aequitate est! sed ii qui primam illam partem nescierunt, ne secundam quidem tenere potuerunt.
Und wenn doch so viele und solche Männer wieviel an Beredsamkeit, wieviel an Geist, soviel auch an Wissen zur Erfüllung der Verteidigung der besonders vorzüglichen Tugend gehabt hätten, deren Ursprung in der Religion, deren Art der Anwendung im Gleichheitsbewußtsein liegt! Aber diejenigen, welche jenen ersten Teil nicht kannten, konnten nicht einmal den zweiten erfassen. (8) volo autem prius circumscripte ac (8) Ich will nun vorher knapp und kurz 7 Da Gerechtigkeit nach lactanzischer Auffassung gleichzeitig Weisheit ist, kann er sich dabei auf den biblischen Gegensatz zwischen irdischer Weisheit, die im Himmel Torheit ist, einerseits und himmlischer Weisheit, die auf Erden Torheit ist, andererseits berufen, vgl. 1 Kor. 3,1820. 8 Man beachte die Verschärfung der Aussage gegenüber dem Cicero-Zitat (rep. 3,27) in inst. 5,12,5f., wo es noch darum ging, daß der Gerechte als Tor erscheinen kann – und nicht, wie hier, notwendigerweise muß.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
breviter quid sit ostendere, ut intellegatur philosophos ignorasse iustitiam nec id quod minime noverant potuisse defendere. (9) iustitia quamvis omnes simul virtutes amplectatur, tamen duae sunt omnium principales quae ab ea divelli separarique non possunt, pietas et aequitas. nam fides temperantia probitas innocentia integritas et cetera eiusmodi vel natura vel institutis parentum possunt esse in iis hominibus qui iustitiam nesciunt, sicuti semper fuerunt:
(10) nam Romani veteres, qui iustitia gloriari solebant, iis utique virtutibus gloriabantur quae, ut dixi, proficisci a iustitia possunt et ab ipso fonte secerni.
(11) pietas vero et aequitas quasi venae sunt eius, his enim duobus fontibus constat tota iustitia: sed caput eius et origo in illo primo est, in secundo vis omnis ac ratio.
zeigen, was sie ist, damit man versteht, daß die Philosophen die Gerechtigkeit nicht kannten und das, was sie überhaupt nicht kannten, nicht haben verteidigen können. (9) Obwohl die Gerechtigkeit alle Tugenden auf einmal umfaßt, gibt es doch zwei unter allen hervorragende, welche von ihr nicht losgerissen und getrennt werden können, Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein. Denn Treue, Mäßigung, Rechtschaffenheit, Unschuld, Unbescholtenheit und andere derartige Dinge können von Natur aus oder auch durch die Unterweisungen der Eltern bei denjenigen Menschen vorkommen, welche die Gerechtigkeit nicht kennen, so wie sie auch immer vorgekommen sind. (10) Denn die alten Römer, welche sich der Gerechtigkeit zu rühmen pflegten, rühmten sich jedenfalls derjenigen Tugenden, welche, wie ich gesagt habe, von der Gerechtigkeit ausgehen und von der Quelle selbst getrennt werden können. (11) Die Frömmigkeit aber und das Gleichheitsbewußtsein sind gleichsam ihre Adern, denn auf diesen beiden Quellen beruht die ganze Gerechtigkeit. Aber ihr Haupt und Ursprung liegt in jenem Ersten, im Zweiten alle Wirkung und Anwendungsart.
Ziel der Definition ist im unmittelbaren Argumentationszusammenhang der Nachweis, daß die Philosophen die Gerechtigkeit nicht kannten und sie eben daher nicht verteidigen konnten. Darüber hinaus beginnt hier aber auch die ausführlichste Darstellung der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption, die überhaupt in der Überlieferung zu finden ist (inst. 5,14,7 – 5,15): Nach lactanzischer Auffassung umfaßt die Gerechtigkeit (iustitia) zwar alle Tugenden gleichzeitig. Unter den Tugenden gibt es aber eine entscheidende Differenzierung: Zwei Tugenden, Frömmigkeit (pietas) und Gleichheitsbewußtsein (aequitas) sind weit über die anderen Tugenden er-
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hoben:9 Nur sie sind nämlich nach lactanzischer Ansicht untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden und ausschließlich bei den Christen vorhanden.10 Alle übrigen Tugenden können demnach sowohl in Verbindung mit der Gerechtigkeit als auch ohne diese Verbindung auftreten, also sowohl bei Christen wie auch bei Nichtchristen (inst. 5,14,9f.). Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein machen damit innerhalb der lactanzischen Konzeption den Unterschied zwischen christlicher und nichtchristlicher Gerechtigkeit (iustitia) aus: Die bei Nichtchristen verbreitete Vorstellung von iustitia erscheint aus dieser Sicht nämlich insofern defektiv, als sie nur solche Elemente enthält, die von der Gerechtigkeit getrennt werden können. Dagegen umfaßt die christliche iustitia als vollkommene, wirkliche Gerechtigkeit alle Elemente der Gerechtigkeit und insbesondere auch die beiden untrennbar mit der Gerechtigkeit verbundenen: Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein. Dementsprechend werden nichtchristliche und christliche Gerechtigkeit auch auf unterschiedliche Weise vermittelt: Die nichtchristliche durch Natur oder Unterweisungen der Eltern (inst. 5,14,9), die christliche dagegen durch Offenbarung (inst. 5,15,1). Darüber hinaus stehen die Tugenden Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein in einem besonderen Verhältnis sowohl zur Gerechtigkeit als auch zueinander, so daß man zusammenfassen kann: 1. Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein sind untrennbar mit der Gerechtigkeit verbunden, beruhen auf Offenbarung und sind ausschließlich bei Christen anzutreffen. 2. Frömmigkeit ist Hauptsache und Ursprung (caput bzw. origo) der Gerechtigkeit (inst. 5,14,11). 3. Gleichheitsbewußtsein ist Wirkung und Anwendungsart (vis bzw. ratio) der Gerechtigkeit (inst. 5,14,7. 11). 4. Frömmigkeit ist Voraussetzung für das Gleichheitsbewußtsein und damit diesem übergeordnet (inst. 5,14,7. 11).11
9 Es ist bemerkenswert, daß pietas und aequitas ausgerechnet diejenigen Herrschertugenden sind, die am häufigsten auf den Münzen der hohen Kaiserzeit propagiert werden: Von den 18.187 Münzen, die in den Jahren 69 n. Chr. bis 235 Herrschertugenden propagieren, zeigen 24% aequitas und 20% pietas. Auf dem dritten Platz folgt mit deutlichem Abstand virtus (13%), vgl. Norena 2001, 356. 10 Vgl. inst. 5,14,9; 5,15,1. 11 Dies wird bei Winger 1999, 473, der annimmt, daß »Lactanz Gerechtigkeit (iustitia) auf Gleichheit (aequitas) fundiert« habe, meines Erachtens nicht hinreichend deutlich. Derselbe spricht im Rahmen seiner Behandlung des iustitia-Modells fast ausschließlich von der aequitasDimension der lactanzischen Gerechtigkeit (und setzt sie fälschlicherweise mit dem von Cicero gebilligten Grundsatz suum cuique gleich). Den Begriff der pietas führt Winger erst einige Seiten später (478) als »zweiten, weiteren konstitutiven Eckpfeiler der iustitia« ein. Dadurch impliziert er eine Priorität der aequitas gegenüber der pietas und kehrt damit die lactanzische Gewichtung von pietas und aequitas geradezu um. Denn Lactanzens Bezeichnung von pietas/aequitas als prima
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Im folgenden geht Lactanz sowohl auf die Frömmigkeit als auch auf das Gleichheitsbewußtsein näher ein: 4.1.2.1 Zur Rolle der pietas in der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption Verfolgen wir zunächst die lactanzische Argumentation noch etwas weiter: inst. 5,14,11b-12: pietas autem nihil aliut est quam Die Frömmigkeit aber ist nichts anderes als die dei notio, sicut Trismegistus veris- Erkenntnis Gottes, wie Trismegistus sehr wahr sime definivit, ut alio loco diximus. definiert hat, wie wir an anderer Stelle gesagt haben. (12) si ergo pietas est cognoscere (12) Wenn also Frömmigkeit heißt, Gott zu erdeum, cuius cognitionis haec sum- kennen, von dessen Erkenntnis dies die Hauptma est ut colas, ignorat utique ius- sache ist, daß man ihn verehrt, dann kennt jetitiam qui religionem dei non tenet. denfalls derjenige die Gerechtigkeit nicht, der quomodo enim potest eam ipsam die Verehrung Gottes nicht kennt. Wie kann nosse qui unde oriatur ignorat? nämlich derjenige, der nicht weiß, woher sie entsteht, sie selbst kennen?
Gotteserkenntnis ist also Voraussetzung der Gerechtigkeit. Lactanz zeigt damit, daß die Philosophen als Nichtchristen die Gerechtigkeit nicht kannten – und daher nicht verteidigen konnten. Damit ist das kurzfristige Argumentationsziel erreicht. Aus dieser starken Hervorhebung der Gotteserkenntnis hat man auf hermetischen beziehungsweise gnostischen Einfluß auf den lactanzischen Gerechtigkeitsbegriff geschlossen.12 Elizabeth DePalma Digeser sieht hier eine Annäherung des Christentums an die Hermetik, so daß die Grenze zwischen Christen und Hermetikern verschwommen sei, und zwar nicht im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio, sondern der Sache nach.13 Dagegen spricht zunächst schon einmal der Exklusivitätsanspruch, den Lactanz immer wieder für das Christentum erhebt.14 Doch wäre es nicht möglich, daß Lactanz an dieser Stelle unter Mißachtung des von ihm propagierten Exklusivitätsanspruches praktisch eine Synthese zwischen Christentum und
pars/ secunda pars (inst. 5,14,7) beziehungsweise primum/secundum (inst. 5,14,11) signalisiert eine Priorität der Frömmigkeit gegenüber dem Gleichheitsbewußtsein. 12 Vgl. Wlosok 1960, 211f.; Loi 1965, 115; 1966, 602. 613. 623f. Dagegen wendet sich Buchheit 1979c, 365f. 13 Digeser 2000, 83f. 14 Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.2.2.
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Hermetik/Gnosis15 vollzogen hat? Immerhin fällt in der Tat die außerordentlich starke Rolle auf, welche die Gotteserkenntnis bei Lactanz spielt. Diese starke Betonung der Gotteserkenntnis zeichnet allerdings nicht nur die Gnosis, sondern auch die Stoa und den Neuplatonismus aus.16 Außerdem ist hier an die Strategie des Lactanz zu erinnern, die Nichtchristen – also auch Gnostiker und Neuplatoniker – in vertrauten Vorstellungen anzusprechen. Vor allem aber nimmt Lactanz aus seiner Sicht nur rechtmäßigerweise das in Anspruch, was Gnosis und Neuplatonismus zu Unrecht beanspruchen: nämlich eben die Gotteserkenntnis. Bei der Betonung der Gotteserkenntnis hatte er in dem Evangelisten Johannes ein bedeutendes Vorbild.17 Vor diesem Hintergrund läßt sich aus der Betonung der Gotteserkenntnis nicht nachweisen, daß Lactanzens Denken selbst von der Gnosis beeinflußt ist. Vielmehr ist damit zu rechnen, daß Lactanz im Sinne einer Synkatábasis/ condescensio gnostische Ausdrucksweisen mit Absicht protreptisch verwendet.18 Die soeben erläuterte Frömmigkeit nimmt Lactanz nun (inst. 5,14,13f.) zum Maßstab, um Platon und Sokrates zu bewerten: Platon habe zwar von dem einen Schöpfergott gesprochen, aber – und das macht Lactanz ihm zum Vorwurf – nicht von seiner Verehrung. Zur Verteidigung der Gerechtigkeit sei aber die Vernichtung der Götterkulte notwendig. Sokrates habe diese versucht, sein Schicksal habe ihn zu einer Art Vorläufer der Märtyrer gemacht.19 Im Anschluß wendet sich Lactanz dem Gleichheitsbewußtsein (aequitas) zu: 4.1.2.2 Zur Rolle der aequitas in der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption inst. 5,14,15-20: altera est iustitiae pars aequitas: aequitatem dico non utique bene iudicandi, quod et ipsum laudabile est in homine iusto, sed se cum ceteris coaequandi,
Der andere Teil der Gerechtigkeit ist das Gleichheitsbewußtsein (aequitas). Mit Gleichheitsbewußtsein meine ich nicht in jedem Fall die Tugend, die darin besteht,
15 Es ist problematisch, Hermetik und Gnosis in eins zu setzen, vgl. dazu oben den Abschnitt 3.4.1.1. 16 Vgl. etwa Merki 1952, 9-12 (zur Stoa) und 30 (zum Neuplatonismus). 17 Vgl. Bultmann: ThWNT I (1933), 712f. s.v. ȗțȟօIJȜȧ, ȗȟIJțȣ, ԚʍțȗțȗȟօIJȜȧ, ԚʍտȗȟȧIJțȣ, ȜįijįȗțȗȟօIJȜȧ, ԐȜįijչȗȟȧIJijȡȣ, ʍȢȡȗțȟօIJȜȧ, ʍȢցȗȟȧIJțȣ, IJȤȗȗȟօȞș, ȗȟօȞș, ȗȟȧȢտȘȧ, ȗȟȧIJijցȣ; Thomas (1959) 53; Schmithals: EWNT (1980) 603f. s.v. ȗțȟօIJȜȧ, ȗȟIJțȣ, ȗȟȧIJijցȣ; Haacker: ThBegrLexNT I (1997), 357 s.v. ȗțȟօIJȜȧ III 3). Zur Rolle der Gotteserkenntnis im Neuen Testament allgemein vgl. auch Grossmann 2004, 175-178 mit weiterer Literatur. 18 So auch Grossmann 2004, 175-178. 180f. 19 Deutlich negativer beurteilt Lactanz Sokrates dagegen in inst. 3,20.
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quam Cicero aequabilitatem vocat.
(16) deus enim, qui homines generat et inspirat, omnes aequos id est pares esse voluit, eandem condicionem vivendi omnibus posuit, omnes ad sapientiam genuit, omnibus inmortalitatem spopondit: nemo a beneficiis eius caelestibus segregatur. (17) nam sicut omnibus unicum suum lumen aequaliter dividit, emittit omnibus fontes, victum sumministrat, quietem somni dulcissimam tribuit, sic omnibus aequitatem virtutemque largitur. nemo aput eum servus est, nemo dominus: si enim cunctis idem pater est, aequo iure omnes liberi sumus.
(18) nemo deo pauper est nisi qui iustitia indiget, nemo dives nisi qui virtutibus plenus est, nemo denique egregius nisi qui bonus et innocens fuerit, nemo clarissimus nisi qui opera misericordiae largiter fecerit, nemo perfectissimus nisi qui omnes gradus virtutis inpleverit.
(19) quare neque Romani neque Graeci iustitiam tenere potuerunt, quia dispares multis gradibus homines habuerunt, a pauperibus ad divites, ab humilibus ad potentes, a privatis denique usque ad regum sublimissimas potestates.
gut zu urteilen – was auch für sich lobenswert ist bei einem gerechten Menschen – , sondern die, welche darin besteht, sich mit den übrigen gleich zu machen, welche Cicero aequabilitas nennt. (16) Denn Gott, der die Menschen erzeugt und belebt, hat gewollt, daß alle gleichgestellt, das heißt gleich sind, die gleiche Lage des Lebens hat er allen gesetzt, alle hat er zur Weisheit erzeugt, allen Unsterblichkeit versprochen: niemand wird von seinen himmlischen Wohltaten getrennt. (17) Denn so wie er allen sein eines Licht gleichmäßig zuteilt, allen die Quellen emporsprudeln läßt, den Lebensunterhalt zur Verfügung stellt, die herrlich angenehme Ruhe des Schlafes zuteilt, so schenkt er allen Gleichheitsbewußtsein und Tugend. Niemand ist bei ihm Sklave, niemand Herr: Denn wenn derselbe allen Vater ist, dann sind wir nach gleichem Recht alle seine Kinder.20 (18) Niemand ist für Gott arm, außer wenn er der Gerechtigkeit bedarf, niemand reich, außer wenn er voll von Tugenden ist, niemand schließlich egregius, außer wenn er gut und unschuldig gewesen sein sollte, niemand clarissimus, außer wenn er die Werke der Barmherzigkeit großzügig geleistet haben sollte, niemand perfectissimus, außer wenn er alle Stufen der Tugend erfüllt haben sollte. (19) Daher konnten weder Römer noch Griechen die Gerechtigkeit einhalten, da sie die Menschen für durch viele Abstufungen ungleich hielten, von den Armen zu den Reichen, von den Niedrigen zu den Mächtigen, von den Privatleuten schließlich bis zu den höchsten Machtstellungen von Königen.
20 Liberi kann neben »Kinder« auch »frei« bedeuten und damit sowohl mit der Rolle Gottes als Vater als auch mit der Rolle Gottes als Herr korrelieren. Die Doppeldeutigkeit ist sicherlich nicht zufällig, im Deutschen aber schwierig wiederzugeben.
Zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption (20) ubi enim non sunt universi pares, aequitas non est, et excludit inaequalitas ipsa iustitiam, cuius vis omnis in eo est, ut pares faciat eos qui ad huius vitae condicionem pari sorte venerunt.
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(20) Denn wo nicht alle gleich sind, ist keine Gleichheit, und die Ungleichheit selbst schließt die Gerechtigkeit aus, deren ganze Wirkung darin liegt, daß sie diejenigen gleich macht, welche zu der Lage dieses Lebens unter dem gleichen Los gekommen sind.
Diese harsche Kritik an sozialer Ungleichheit sucht in der Antike ihresgleichen und erscheint geradezu revolutionär.21 Um so notwendiger ist es, auf die nicht unumstrittene Frage einzugehen, was Lactanz hier eigentlich genau meint: Schon der Begriff der aequitas ist schwierig. Im Lateinischen umfaßt er eine Vielzahl von Bedeutungen, unter anderem: Gerechtigkeit allgemein, Billigkeit (als ein Prinzip, welches das bloße Recht zu korrigieren vermag),22 auch Gleichheit als Rechtsordnung.23 Hier bei Lactanz bezeichnet aequitas eine Tugend, und da das deutsche »Gerechtigkeit« bereits als Übersetzung für iustitia besetzt ist, möchte ich die lactanzische aequitas mit »Gleichheitsbewußtsein« übersetzen. Dadurch wird der Tugendcharakter betont und der Gleichheitsaspekt wenigstens angesprochen. Lactanz möchte seinen Begriff der aequitas24 von dem herkömmlichen Sprachgebrauch abgegrenzt wissen: Einerseits deklariert er aequitas als ausschließlich christliche Tugend. Andererseits weist er eigens darauf hin (inst. 5,14,15), daß er unter aequitas nicht zutreffendes Bewerten und Differenzieren (bene iudicare) – etwa im juristischen Sinne (suum cuique) – versteht, sondern vielmehr das Bemühen, sich mit den übrigen Menschen auf eine Stufe zu stellen (se cum ceteris coaequare). Dieses Bemühen werde, so Lactanz, von Cicero aequabilitas genannt. Dieser gebraucht den Begriff aequabilitas verschiedentlich und insbesondere auch an einer Stelle seiner Schrift De republica (rep. 1,43).25 An dieser Stelle geht es um den staatstheoretischen Grundgedanken einer aequabilitas, die trotz aller Gleichheit je nach der Leistung des einzelnen für den Staat Rangunterschiede zuläßt.26 21 Vgl. etwa Garnsey-Humfress 2001, 204: »These are views that are rarely expressed in the literature that survives from antiquity. Social inequality was a given in the ancient world. It is nowhere else roundly condemned (as far as we know), as it is here.« Allerdings verweist Thraede: RAC 11 (1981), 140. 151 s.v. Gerechtigkeit darauf, daß schon Seneca Kritik an politischer und sozialer Ungleichheit übte. 22 Vgl. Dihle: RAC 10 (1978) 285f s.v. Gerechtigkeit. 23 Vgl. Dihle: RAC 10 (1978) 282 s.v. Gerechtigkeit. 24 Gnilka 2005, 21-23 betont, daß Lactanz Konzept wie Begriff der aequitas mit Blick auf das Gebot der Nächstenliebe aus Gedanken Cyprians entwickelt habe. 25 Vgl. den textkritischen Apparat in der Ausgabe von Brandt ad locum. 26 Vgl. dazu auch Messana 1995, 213 (besonders Anm. 16) und Garnsey-Humfress 2001, 204f.
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Ziel wäre demnach der Anschluß an den staatstheoretischen Diskurs, um die himmlische Belohnung für christliche Lebensführung zu illustrieren.27 Darüber hinaus impliziert unser Autor, daß die mit dem Begriff der aequabilitas verbundenen Ansprüche nicht im Bereich der Politik, sondern nur im Bereich der Religion zu erfüllen sind.28 Dies begründet Lactanz damit, daß nach dem Willen Gottes alle Menschen gleich seien. Gott habe für alle Menschen die gleiche Lage des Lebens festgelegt (inst. 5,14,16. 20). Wolfram Winger möchte in der aequabilitas nur einen Teilbereich der aequitas sehen und umgekehrt die ciceronische aequitas (im Sinne des Mottos »suum cuique«)29 als wesentlichen, durch die aequabilitas lediglich erweiterten Teil der lactanzischen aequitas sehen.30 Damit wäre die Differenz zwischen lactanzischem und ciceronianischem Gerechtigkeitskonzept – ganz im Sinne des Synthese-Paradigmas – minimal. Doch Lactanz bringt seine Prioritäten deutlich zum Ausdruck: Über die aequitas im Sinne von bene iudicare verliert er kaum eine Zeile, sein ganzes Augenmerk gilt der aequitas im Sinne von se cum ceteris coaequare, und darüber läßt er sich ausführlich aus (inst. 5,14,16-20; 5,15,2-6). Der Nebensatz quod et ipsum laudabile est in homine iusto bezieht sich demnach darauf, daß Lactanz die ciceronianische aequitas (im Sinne von suum cuique) den in inst. 5,14,9 genannten sonstigen Tugenden zuordnet, die zwar auch zur Gerechtigkeit gehören, aber im Gegensatz zu pietas und aequitas auch Nichtchristen zugänglich sind. Die retributive Dimension der Gerechtigkeit bleibt bei Lactanz vielmehr Gott vorbehalten. Obgleich unser Autor diesseitige göttliche Vergeltung nirgends explizit ausschließt, liegt die überwältigende Betonung doch auf der jenseitigen göttlichen Vergeltung.31
27 Vgl. inst. 5,18; 5,23. Christes (1984) 94 schreibt: »Wie für Cicero, so geht auch für Laktanz die aequabilitas mit der Anerkennung der gradus dignitatis zusammen. Da sich für Cicero in ihnen der diesseitige Lohn für die Leistung des einzelnen im staatlichen Leben ausdrückt, kann er sich eine aequabilitas nicht vorstellen, die nicht von vornherein dem Gegebensein von Rangunterschieden Rechnung trägt. Laktanz dagegen geht von einer Gleichheit aller Menschen vor Gott aus und sieht in den dignitatis gradus den Ausdruck des himmlischen Lohnes, der sich nach den im diesseitigen Leben erworbenen Verdiensten bemißt.« An anderen Stellen bei Cicero scheint allerdings der Gedanke der Gleichheit stärker im Vordergrund zu stehen (off. 1,88; de or. 1,188). In de or. 2,209 tritt implizit ein Gegensatz zwischen aequabilitas und den gradus dignitatis zutage. Indem Lactanz die gradus dignitatis auf den spirituellen beziehungsweise jenseitigen Bereich überträgt, ist er imstande, den in de or. 2,209 angesprochenenen Widerspruch zu lösen. Zu den Differenzen zwischen aequitas bei Lactanz und aequabilitas bei Cicero vgl. auch Gnilka 2005, 22f. 28 Zur Spiritualisierung des Gleichheitsgebotes vgl. unten den Abschnitt 4.4.2.1. 29 Vgl. Cic. off. 2,78. 85. 30 Vgl. Winger 1999, 478. 481. 31 Diesseitige göttliche Vergeltung thematisiert Lactanz etwa in inst. 5,17,19 um den Fortlauf der Argumentation zu retardieren. Auch die negative Bewertung diesseitigen Erfolges, die aus inst. 5,15,8 und inst. 5,22,10 hervorgeht, spricht gegen eine allzu große Betonung der diesseitigen göttlichen Vergeltung.
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Grundlage der christlichen aequitas ist die durch gemeinsame Gotteskindschaft und gemeinsam von Gott erhaltene Gaben32 – hier wird die Abhängigkeit von der pietas, der Frömmigkeit beziehungsweise Gotteserkenntnis, deutlich – konstituierte gemeinsame Lebenslage (condicio vivendi) aller Menschen. Diese condicio vivendi versteht Lactanz spirituell. Das zeigt seine folgende Versicherung, Gott habe alle zu Weisheit und Unsterblichkeit bestimmt. In diesem Sinne sind auch die beneficia caelestia zu verstehen, von denen niemand ausgeschlossen ist. Zwar spricht Lactanz gleich darauf von Licht, Quellen, Lebensunterhalt und Schlaf, die Gott allen zuteilt. Diese Wohltaten – die auch, wo möglich, geteilt werden müssen, wenn auch nicht unbedingt zu gleichen Teilen (inst. 5,6,12) – dienen hier aber vor allem der Betonung und Illustration der geistigen Gaben: aequitas und virtus (inst. 5,14,17). Aus den allen Menschen von Gott geschenkten Gaben folgt, daß alle Menschen vor Gott33 gleich sind. Wenn die Gotteskindschaft aller Menschen auch den Unterschied zwischen Sklaven und Herrn beseitigt,34 so ist doch zu beachten, daß sich dies erst einmal ausschließlich auf den geistigreligiösen Bereich bezieht (aput eum [sc. deum]!). Die scharfe Unterscheidung zwischen irdischem und himmlischem Bereich ist auch Voraussetzung dafür, daß Lactanz die Stratifikation der römisch-hellenistischen Gesellschaft für seine missionarischen Zwecke nutzen kann: In der lactanzischen Darstellung wird ökonomische35 beziehungsweise politische36 Machtstellung als Kriterium der Abstufung durch ethisch-religiöse Leistung ersetzt. Daraus folgt aber keine Forderung nach materieller Gleichheit aller Menschen: Die Gerechtigkeit fundierende Gleichheit, die identisch mit der gottgegebenen condicio vivendi ist, bezieht sich nicht auf irdische Güter, sondern auf himmlische: Tugend (virtus), Weisheit (sapientia), Unsterblichkeit
32 Unter diesen göttlichen Gaben findet sich paradoxerweise auch die aequitas selbst. Aequitas ist damit sowohl eigene Leistung des Christen als auch Geschenk Gottes. Logisch läßt sich das nur nachvollziehen, wenn man die von Gott geschenkte aequitas hier als Möglichkeit beziehungsweise Fähigkeit zur aequitas auffaßt. 33 Vgl. inst. 5,14,17: aput eum [sc. deum], inst. 5,14,18: deo. Gnilka 2005, 21 verweist auf biblische Fundierung in Mt 5,45. 34 Auf biblische Fundierung ohne Bezug auf Gotteskindschaft (etwa 1 Kor 7,22; Gal 3,28) verweist Buchheit 1979c, 370, Anm. 25. 35 Das biblische Bild von Schätzen im Himmel, die dem irdischen Reichtum gegenübergestellt werden (vgl. Mt 6,19; Lk 12,33) dürfte Lactanz einen Teil des Weges gebahnt haben. Von den von Buchheit 1979c, 359 mit Anm. 29 auf S. 370 angeführten Bibelstellen weist allerdings meines Erachtens nur Iak 2,5 einen näheren Bezug zu der vorliegenden Lactanzstelle auf. 36 Egregius wurde als eine Art Rangtitel von Personen geführt, die Ämter der ritterlichen Laufbahn bekleidet hatten, vgl. OLD 595 s.v. egregius e); clarissimus war ein senatorischer Rangtitel, vgl. OLD 333 s.v. clarus 7); perfectissimus war ein vor allem ritterlicher Rangtitel, vgl. Reinicke: ThLL 10 (1995), 1379,71f. s.v. perficio.
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(immortalitas).37 Dementsprechend erfordert die aequitas nicht die Anerkennung des gleichen Zugangs aller Menschen zu den irdischen Gütern, sondern zu den himmlischen Gütern. Nicht die äußeren Güter sind entscheidend, sondern die innere, sich allerdings auf der kommunikativen Ebene ausdrückende Haltung.38 Das heißt jedoch nicht, daß diese innere Haltung keine praktischen Konsequenzen hätte; nur äußern diese sich eben in Wohltätigkeit sowie einem bestimmten kommunikativen Stil und nicht etwa in einer Gütergemeinschaft.39 Aequitas bezeichnet damit einerseits als Zustandsbeschreibung die Gleichheit aller Menschen40 und andererseits als Tugend in ihrer dynamischen Bedeutung ein absichtsvolles Verhalten, das diese Gleichheit anerkennt beziehungsweise – zumindest kommunikativ – herstellt.41 Darüber hinaus bringt Lactanz die aequitas mit der christlichen Tugend der Demut in Verbindung. Diese Seite der lactanzischen aequitas wird unten im Kapitel 4.4 behandelt.42 4.1.2.3 Das Grundschema iustitia – pietas – aequitas In der Forschung ist die Frage umstritten, ob und inwieweit die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption iustitia – pietas – aequitas von vor- beziehungsweise außerchristlichen Vorstellungen abhängt. So nehmen insbesondere Vincenzo Loi und Pierre Monat einen maßgeblichen Einfluß Ciceros an.43 Dagegen wendet sich Vinzenz Buchheit, der vielmehr auf biblische Fundierung in Mt 22,36-40 verweist.44 Wolfram Winger und Elizabeth DePalma Digeser erkennen diesen Bezug auf Mt 22,36-40 an, postulieren darüber hinaus aber einen entscheidenden Bezug auf Cicero. Elizabeth DePalma Digeser stellt den schon früher45 angenommenen Zusammenhang mit Cic. part. 129 in den Kontext der von ihr angenommenen Orientierung weltlicher Gesetze am Naturgesetz (bei Cicero) beziehungsweise am göttlichen Gesetz (bei Lactanz).46 Wolfram Winger verweist ebenfalls auf Cic. part. 37 Vgl. inst. 5,14,16: deus [...] omnes ad sapientiam genuit, omnibus immortalitatem spopondit...; inst. 5,14,17: ... omnibus aequitatem virtutemque largitur. 38 Vgl. inst. 5,15,3: nam cum omnia humana non corpore, sed spiritu metiamur, tametsi corporum sit diversa condicio, nobis tamen servi non sunt, sed eos et habemus et dicimus spiritu fratres, religione conservos. Vgl. auch inst. 3,22,3: qui ergo vult homines adaequare, non matrimonia, non opes subtrahere debet, sed adrogantiam superbiam tumorem, ut illi potentes et elati pares esse se etiam mendacissimis sciant und dazu Bigelmair 1922, 90. 39 Vgl. Bigelmair 1922, 90f. 93. 40 Vgl. inst. 5,14,20: ubi enim non sunt universi pares, aequitas non est. 41 Vgl. inst. 5,14,20: cuius [sc. iustitiae] vis omnis in eo est, ut pares faciat eos qui ad huius vitae condicionem pari sorte venerunt. 42 Vgl. unten S. 292. 43 Vgl. Loi 1965, 115; 1966, 589. 605; 1977, 154; 1981, 844; Monat 1973, I 60. 44 Vgl. Buchheit 1979c, passim. 45 Vgl. etwa Loi 1965, 115; Monat 1973, II 123; Buchheit 1979c, 363f. 46 Vgl. Digeser 2000, 57f. und dazu unten S. 274f.
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129, erklärt aber darüber hinaus, daß Lactanz »in seiner Sicht der iustitia (...) stark von leg. 1,22-30 geprägt« sei und rechnet offenbar mit der Möglichkeit, die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption aus dem dritten Buch von Ciceros De re publica herzuleiten.47 Die jetzt mehrfach erwähnte Stelle aus den Partitiones oratioriae des Cicero lautet: quod (sc. ius) et dividitur in duas primas partis, naturam atque legem, et utriusque generis vis in divinum et humanum ius est distributa, quorum aequitatis est unum, alterum religionis. Hier fallen die Stichworte religio und aequitas, übergeordnet ist nicht die iustitia, aber immerhin das ius. Mit der Differenz zwischen ius und iustitia liegt schon der erste Unterschied vor; weitere sind zu beobachten: Als primae partes werden nicht religio und aequitas, sondern vielmehr natura und lex bezeichnet; religio und aequitas differenzieren unmittelbar nicht das ius, sondern einerseits natura und andererseits lex. Vinzenz Buchheit verweist darauf, daß es an dieser Stelle weniger um Gerechtigkeit als vielmehr um Rechtsprechung geht.48 Ebenfalls angeführt wird Cic. nat. deor. 2,153:49 quae contuens animus accipit cognitionem deorum, e qua oritur pietas, cui coniuncta iustitia est reliquaeque virtutes. Die Elemente cognitio deorum / pietas – iustitia – reliquae virtutes ließen sich leicht mit der lactanzischen Konzeption vergleichen, die neben dei notio / pietas und aequitas auch andere, nicht spezifisch christliche Tugenden beinhaltet.50 Allerdings fehlt bei Cicero an dieser Stelle eine übergeordnete Instanz; die iustitia steht vielmehr – wie bei Lactanz die aequitas – neben der pietas. Auch ist die scharfe Trennung, die Lactanz zwischen pietas und aequitas einerseits und den übrigen Tugenden andererseits vornimmt, bei Cicero nicht festzustellen. Neben diesen beiden gibt es noch zahlreiche weitere Stellen, auf die im Zusammenhang mit der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption verwiesen worden ist. Die Übereinstimmungen sind in diesen Fällen allerdings eher allgemeinerer Art: So
47 Vgl. Winger 1999, 158f., Anm. 1045. Allerdings ist in leg. 1,22-30 zwar von Gerechtigkeit die Rede. Deren Aufteilung in einen theozentrischen und einen anthropozentrischen Teil wird aber zwar von Lactanz bei seinem Zitat in ira 14,5 unmittelbar angeschlossen, findet sich jedoch nicht an der fraglichen Stelle bei Cicero. Das weckt Zweifel an dem Schluß, den Winger 1999, 159, Anm. 1045 zieht: »Letztlich hieße das: Die Überordnung der Gerechtigkeit über die anderen Tugenden ist platonisch, ihre Überordnung auch über die religio ist ciceronisch.« 48 Vgl. Buchheit 1979c, 363f. (allerdings stammt der von ihm in diesem Zusammenhang in Anm. 62 angeführte Text mitnichten aus den Partitiones oratoriae, sondern aus einer – noch dazu wahrscheinlich interpolierten – Stelle aus top. 90) und insbesondere Anm. 62, wo er verweist auf Cic. part. 130: etiam aequitas tripertita dicitur esse, una ad superos deos, altera ad manes, tertia ad homines pertinere. 49 Vgl. Wlosok 1960, 199, Anm. 51; Loi 1966, 605; Monat 1973, I 60. 50 Vgl. inst. 5,14,9. 11. Freilich ist die cognitio deorum bei Cicero kosmotheistisch geprägt.
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wird etwa tugendhaftes Verhalten in dasjenige gegenüber den Göttern und dasjenige gegenüber den Menschen aufgeteilt.51 Es ist das Verdienst von Vinzenz Buchheit, nachdrücklich auf die biblische Fundierung der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption hingewiesen zu haben. Er führt in diesem Zusammenhang ira 14,3-5 an und erblickt in ira 14,5 (... deus ergo vult omnes homines esse iustos, id est deum et homines caros habere, deum scilicet honorare tamquam parentem, hominem diligere velut fratrem; in his duobus tota iustitia consistit) eine Anspielung auf Mt 22,36-40.52 Demnach ensprechen pietas und aequitas der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption den beiden Hauptgeboten der Gottes- und Nächstenliebe im Matthäus-Evangelium.53 Freilich ist an dieser Bibelstelle die Gerechtigkeit nirgends explizit erwähnt. Allerdings kann Vinzenz Buchheit darauf verweisen,54 daß bei Justin die Gerechtigkeit im Rahmen einer Anspielung auf Lk 10,27 beziehungsweise Mt 22,36-40 in Gottes- und Nächstenliebe aufgeteilt wird.55 Auch in diesen Fällen scheint das von Lactanz so stark betonte Gleichheitsmoment jedoch zu fehlen.56 Jedenfalls setzt Lactanz in ira 14,5 wie auch an anderen Stellen (etwa im fünften Buch der Divinae institutiones) Gerechtigkeit und Christentum in eins. Wie wir bei unserem kurzen Überblick festgestellt haben, gibt es eine Fülle von paganen wie christlichen Texten, die eine gewisse Nähe zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption aufweisen. Allerdings zeigen diese 51 Vgl. etwa Antiphon 1,25; Plat. Gorg. 507b1-5. 523a7. 523b2; Xenophon mem. 4,8,11; Sen. ep. 90,3; 95,47-53. Bei Plat. Euthyphr. 12e5-8 findet sich eine Stelle, die Gerechtigkeit (beziehungsweise das Gerechte) in solche gegenüber den Göttern und solche gegenüber dem Menschen aufteilt. Buchheit 1979c, 363 gibt zu bedenken, daß diese Platonstelle in den von Lactanz benutzten Quellen nicht rezipiert worden sei und nicht nachzuweisen sei, daß Lactanz Platon selbst gelesen habe. Darüber hinaus ließe sich ins Feld führen, daß die inhaltliche Füllung der beiden Teile entweder differiert (Dienst beziehungsweise Pflege bei Platon, Erkenntnis bei Lactanz – wenngleich sich anderswo bei Lactanz freilich auch der Ausdruck cultus dei findet) oder bei Platon gar fehlt, während Lactanz das Gleichheitsmoment stark betont. Zum sogenannten Zweitugendkanon vgl. auch Dihle 1968, passim. Außerdem ließen sich zahlreiche Stellen anführen, in denen die Gerechtigkeit als die größte oder vornehmste Tugend hervorgehoben wird, vgl. Dihle: RAC 10 (1978), 256. 262. 269f. 278 s.v. Gerechtigkeit. 52 Vet. lat. Mt. 22,36-40: Magister, quod est mandatum magnum in lege? (37) ait illis Iesus: diliges Dominum Deum tuum in toto corde tuo et in tota anima tua et in tota mente tua. (38) Hoc est maximum et primum mandatum. (39) secundum autem simile est huic: diliges proximum tuum sicut te ipsum. (40) in his duobus mandatis universa lex pendet et prophetae. 53 Vgl. Buchheit 1979c, 267f. Demgegenüber erscheint der Vorschlag von Christiane Grossmann, Gal 5,17-24 als Grundlage von inst. 5,8,5-9, 1 Kor 13,4-7 als Grundlage von inst. 5,22,7-10 (Grossmann 2002, passim) und 2 Petr 1,5-8 als Grundlage von inst. 5,14,11f. anzunehmen (Grossmann 2004, 179f.), weniger zwingend. 54 Vgl. Buchheit 1979c, 258f. 55 Iust. Mart. dial. 93,3. 56 Das Motiv der Gleichheit spielte in antiken Überlegungen zum Problemfeld Gerechtigkeit eine große Rolle, vgl. Dihle: RAC 10 (1978), 245. 252-254. 256. 260. 266. 268. 270 s.v. Gerechtigkeit.
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Aussagen entweder wichtige Unterschiede in Einzelheiten oder sie sind so unspezifisch gehalten, daß man kaum mehr als eine allgemeine Konvergenz feststellen kann. So finden sich zwar einzelne oder auch mehrere Elemente der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption auch schon in früheren Entwürfen paganer, jüdischer oder christlicher Provenienz,57 die spezifische Konstellation dieser Elemente scheint aber auf Lactanz zurückzugehen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Abgrenzung von pietas und aequitas als spezifisch christlichen Tugenden von den übrigen Tugenden, die nach lactanzischer Auffassung auch ohne Gerechtigkeit ausgeübt werden können. Durch diese Abgrenzung wird die – in christlichem Sprachgebrauch bereits geläufige – Gleichsetzung von Gerechtigkeit und Christentum gleichsam theoretisch untermauert. Auch das Ideal der Demut58 scheint über die Konzepte griechischer und römischer Philosophie hinauszuführen. All dies weckt Zweifel an der Einschätzung von Albrecht Dihle: »Lactanz’ Entwurf kann nicht spezifisch christlich genannt werden.«59 Wahrscheinlicher erscheint, daß die formale Nähe zu Aussagen paganer Autoren einmal mehr dem protreptischen Zweck dient, gebildete Nichtchristen für eine aufgeschlossene Lektüre zu gewinnen. 4.1.2.4 Zusammenfassung: pietas und aequitas Die lactanzische Ethik beschreibt die rechte Position des einzelnen Menschen innerhalb des Kosmos. Diese Position läßt sich ablesen am Verhältnis gegenüber Gott einerseits und am Verhältnis gegenüber den Mitmenschen andererseits. Das rechte Verhalten des Menschen ist in seiner theozentrischen Dimension (pietas) durch Furcht und Liebe gegenüber Gott als Herrn und Vater, in seiner anthropozentrischen Dimension (aequitas) durch Nächstenliebe gegenüber dem Mitmenschen als Bruder definiert. Wie Lactanz 57 Vgl. etwa die folgenden Elemente: Gerechtigkeit als wichtigste Tugend (dazu Dihle: RAC 10 (1978), 248. 256. 262. 265. 270. 278 s.v. Gerechtigkeit); Gleichheit als wichtiger Bestandteil der Gerechtigkeit (dazu Dihle: RAC 10 [1978], 245. 252-254. 256. 260. 266. 268. 270 s.v. Gerechtigkeit); der Gedanke, daß die Gleichheit auf Menschen, aber nicht auf die Götter anwendbar sei; die Aufteilung tugendhaften Verhaltens oder sogar der Gerechtigkeit selbst in einen anthropozentrischen und einen theozentrischen Teil (vgl. dazu oben Anm. 50); die Überbietung der reinen Gleichheit durch Menschenfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft (dazu Dihle: RAC 10 [1978], 253. 272-274. 279 s.v. Gerechtigkeit); die herausgehobene Rolle der Frömmigkeit (dazu Dihle: RAC 10 [1978], 269. 271f. s.v. Gerechtigkeit) sowie die herausgehobene Rolle der Philanthropie (dazu Dihle: RAC 10 [1978], 272-274 s.v. Gerechtigkeit). 58 Vgl. dazu unten S. 292. 59 Dihle: RAC 10 (1978), 336 s.v. Gerechtigkeit, der etwas inkonsequent fortfährt: »Christliche G. [sic, J.W.] ist für ihn die durch neue Gotteserkenntnis ermöglichte Vervollkommnung eben jener G., welche die Philosophen gelehrt hatten u. die durch die Naherwartung des Weltendes eine besondere aktuelle Bedeutung bekommt. Christlich ist freilich auch Lactanz’ Meinung, G. könne nicht durch Änderung der Institutionen (zB. Abschaffung des Eigentums) hergestellt werden, sondern allein durch den Wandel der menschlichen Haltung (inst. 3,22,3).«
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im weiteren Verlauf seiner Argumentation erklärt, umfaßt diese Nächstenliebe neben geschwisterlichem Verhalten allerdings zwei weitere Anforderungen: Einerseits wird, insbesondere gegenüber Tieferstehenden, Demut gefordert (inst. 5,15,5-10). Andererseits trägt das Familienoberhaupt (pater familias) für seine Untergebenen die Verantwortung und ist bei Fehlverhalten dieser Untergebenen zur Züchtigung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet.60 Im Gegensatz zu den übrigen Tugenden sind Frömmigkeit und Gleichheitsbewußtsein nach lactanzischer Auffassung Gegenstände göttlicher Offenbarung (inst. 5,15,1) und ausschließlich im Besitz der Christen.61 Das am Schluß dieses Kapitels folgende Schaubild illustriert diese Gerechtigkeitskonzeption. 4.1.3 Spätere Veränderungen in den beiden Hauptbestandteilen der Gerechtigkeitskonzeption Das gegenüber Gott erforderliche Verhalten ist nach lactanzischer Auffassung nur durch die Verehrung Christi im Rahmen der Kirche (ecclesia) möglich (inst. 4,14,1-3) und schließt alle anderen Götter oder Menschen von der Verehrung aus. An diesen Forderungen nimmt Lactanz keinerlei Modifikationen vor. Die inhaltlichen Forderungen der Nächstenliebe unterliegen dagegen tiefgreifenden Veränderungen: Die in den Divinae institutiones von Lactanz vertretene absolute Unantastbarkeit menschlichen Lebens relativiert er in den späteren Werken empfindlich. Todesstrafe und Kriegsdienst, zunächst in aller Schärfe abgelehnt, werden später überhaupt nicht mehr problematisiert, ja, sofern überhaupt noch erwähnt, als selbstverständlich hingenommen.62 Im Gegensatz zur bloß rhetorischen Technik greifen wir hier offenbar reale inhaltliche Anpassungen an die veränderten Zeitumstände.63
60 Vgl. inst. 6,19,6 und dazu unten den Abschnitt 4.4.2.2. 61 Vgl. inst. 5,14,9; 5,15,1. 62 Vgl. zur früheren lactanzischen Haltung gegenüber der Unantastbarkeit menschlichen Lebens inst. 5,9,2; 6,20,16f.; zur späteren lactanzischen Haltung gegenüber der Todesstrafe ira 17,6f. und zum Kriegsdienst epit. 56,4. 63 Diese Veränderungen innerhalb der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption – freilich bei Aufrechterhaltung des Verhältnisses zwischen iustitia, pietas und aequitas – werden bei Buchheit 1979c meines Erachtens nicht stark genug gewichtet (S. 362: »Sie [die lactanzische Lehre von der Gerechtigkeit, J.W.] ist im Kern dieselbe geblieben; lediglich in der Formulierung läßt sich eine gewisse christliche Nuancierung erkennen.«).
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4.1.4 Einordnung der Gerechtigkeitskonzeption in den göttlichen Heilsplan Die lactanzische Ethik findet ihrerseits ihre Letztbegründung im göttlichen Heilsplan:64 Demnach hat Gott die Welt und den Menschen geschaffen, auf daß der Mensch Gott (1) (an-)erkenne und (2) verehre. Der von Gott festgesetzte Lohn für diese Gotteserkenntnis und –verehrung ist die Unsterblichkeit, ein ewiger Gottesdienst in engelgleicher (inst. 7,26,5) Form. Entscheidend an dieser »heilsgeschichtlichen Summa«65 (Antonie Wlosok) ist die rein theozentrische und wesentlich eschatologische Ausrichtung: Alles dreht sich um das Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott, die zwischenmenschliche Dimension wird in der Summa gar nicht erst erwähnt. Ausschlaggebendes Kriterium für das Handeln im Diesseits ist die ewige Vergeltung (Belohnung oder Verdammnis) im Jenseits. 4.1.5 Schluß Die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption rückt zwei Tugenden in den Vordergrund, die unser Autor als ausschließlich christlich kennzeichnet: die theozentrische pietas (Frömmigkeit, Pflichtbewußtsein) und die auf die zwischenmenschliche Ebene bezogene aequitas (Gleichheitsbewußtsein). Die pietas setzt Lactanz auch mit der Gotteserkenntnis gleich, die aequitas führt er auf die Einsicht zurück, daß Gott der Vater aller Menschen ist. Pietas und aequitas sind aufeinander bezogen. Dabei nimmt die pietas allerdings eine eindeutige Vorrangstellung gegenüber der aequitas ein. Darauf deutet auch die Rolle, die die Gerechtigkeit nach lactanzischer Auffassung im Heilsplan Gottes spielt, hin wie auch der folgende Sachverhalt: Die pietas mit ihrem christlichen Exklusivitätsanspruch bleibt gewissermaßen als Standbein der Gerechtigkeitskonzeption unverändert, während die aequitas gewissermaßen als Spielbein der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption mancherlei teilweise tiefgreifenden Veränderungen unterliegt, durch die Lactanz offenbar reale inhaltliche Anpassungen an veränderte Zeitumstände vornimmt. An der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption können wir auch geradezu ein Paradigma für die Einstellung unseres Autors gegenüber paganen Wertvorstellungen ablesen: So zählt Lactanz durchaus eine Reihe von Tugenden auf, die seiner Ansicht nach Teile der Gerechtigkeit sind und auch bei Götterverehrern vorkommen können (inst. 5,14,9f.). Dieser für sich genommen konzilianten Aussage steht jedoch die andere, ausgrenzende Aus64 65
Vgl. inst. 7,6,1f.; epit. 64,1; Wlosok 1960, 215. Wlosok 1960, 215.
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sage gegenüber, daß diese ›paganen‹ Tugenden auch getrennt von der Gerechtigkeit vorkommen können, und zwar immer dann, wenn sie ohne Verbindung zu den ausschließlich christlichen Tugenden der pietas und der aequitas, also von Nichtchristen, praktiziert werden. Bestimmte pagane Wertvorstellungen gehören also zwar auch zum lactanzischen Gerechtigkeitsbegriff. Ohne die als ausschließlich den Christen offenbarten Tugenden der pietas und der aequitas sind sie aber sinnlos und absurd und verhindern insbesondere nicht die ewige Verdammnis der sie Praktizierenden.66 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die These von Elizabeth DePalma Digeser, Lactanz habe ein inklusives Christentum (»inclusive christianity«) propagiert, das zwischen Christen und Nichtchristen nicht genau unterscheide,67 mehr als fragwürdig: Wir sehen vielmehr, daß Lactanz auch hier die Grenze zwischen Christen und Nichtchristen sehr deutlich zieht.68 Der Begriff der Gerechtigkeit wird von Lactanz für das Christentum monopolisiert, ja die Begriffe Gerechtigkeit und Christentum werden von ihm teilweise als geradezu identisch aufgefaßt. Wie sich weiterhin zeigte, läßt sich die verschiedentlich aufgestellte These von einer paganen Fundierung der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption beziehungsweise ihrer Hauptbestandteile der pietas und der aequitas nicht halten: Weder müssen wir einen gnostischen Einfluß auf den lactanzischen pietas-Begriff noch einen ciceronianischen Einfluß auf den lactanzischen aequitas-Begriff annehmen. Vielmehr wird an der dominanten Stellung der theozentrischen pietas deutlich, daß das Grundanliegen des Lactanz nicht politischer69 oder sozialer,70 sondern religiös-missionarischer Natur ist.
66 67 68 83,15. 69 70
Vgl. etwa inst. 5,18,14-16 und unten den Abschnitt 4.2.4.3. Vgl. Digeser 2000, 16. 84. Den exklusiven Status der christlichen Gerechtigkeit betont auch Aug. civ. 2,21 p. 82,34 – So die Tendenz bei Digeser 2000, passim. So die Tendenz bei Winger 1999, passim.
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Zur lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption
Schaubild: Die lactanzische Gerechtigkeitskonzeption in inst. 5,14,7 – 5,15
vermittelt durch revelatio (5,15,1)
PIETAS
vermittelt durch natura und instituta parentum (15,14,9)
mit iustitia verbunden; aber auch von iustitia getrennt vorkommend; in dieser Form auch bei Nichtchristen (5,14,9)
untrennbar mit iustitia verbunden, ausschließlich bei Christen (5,14,9; 5,15,1)
IUSTITIA
Voraussetzung für aequitas (5,14,7) theozentrische Dimension caput, origo (5,14,7. 11) unde oritur iustitia (5,15,1) = dei notio (5,14,11) Gott ungleich dem Gotte Platons (5,14,13) Voraussetzung für Verteidigung der Gerechtigkeit: Vernichtung des Polytheismus (5,14,13)
AEQUITAS anthropozentrische Dimension vis, ratio (5,14,7. 11) quod efficit iustitia (5,15,1) = se cum ceteris coaequare (nicht: bene iudicare) ĺ aequabilitas (5,15,15)
Grundlage: gemeinsame Gotteskindschaft (5,14,16f.) Ökonomische, soziale, politische Abstufung der Menschen durch ethische Abstufung bei Gott ersetzt (5,14,17-20) Demut: minorem se gerere (5,15,6) CETERAE VIRTUTES beispielsweise fides, temperantia, probitas, innocentia, integritas... (5,14,9)
4.2 Zum Stellenwert religiöser und philosophischer Wertvorstellungen bei Lactanz 4.2.1 Einleitung In welchem Verhältnis stehen die Gehalte der lactanzischen Schriften zu den religiösen und philosophischen Strömungen seiner Zeit? In der Forschung geht man verschiedentlich von einer absichtlichen oder unwillkürlichen Synthese zwischen christlichen Vorstellungen und solchen paganer Religionen und Philosophien aus: Eine unwillkürliche Synthese scheint angedeutet, wenn man etwa davon spricht, daß der Gottesbegriff des Lactanz römisch geprägt sei1 oder unser Autor pagane Vorstellungen lediglich mit einer christlichen Patina überzogen habe.2 Das Modell einer absichtlichen Synthese liegt zugrunde, wenn der Theologe Wolfram Winger unseren Autor für eine Theologie der Religionen in Anspruch nimmt3 oder die Historikerin Elizabeth DePalma Digeser davon ausgeht, daß unser Autor nicht scharf zwischen Christen und nichtchristlichen Monotheisten unterschieden habe.4 Das folgende Kapitel wird zunächst einen kurzen Überblick über das religiöse und philosophische Leben im römischen Reich zur Zeit des Lactanz geben, um dann der Frage nachzugehen, welche Perspektive Lactanz gegenüber den Wertvorstellungen paganer Religionsformen und Philosophien einnimmt. Daraufhin werde ich auf drei Konzepte eingehen, die pagane Religionsformen Philosophen, aber auch breiteren Schichten des Volkes plausibel erscheinen ließen und im normativen Diskurs (nicht nur) der Antike die Rolle bedeutender Wertvorstellungen innehatten: Ich meine 1. die Vernunft, 2. die Natur und 3. die empirische Erfahrung. Schließlich möchte ich noch kurz auf die Stufenleiter der Erkenntnis eingehen, die Lactanz in der Schrift De ira dei vorstellt. Diese Stufenleiter ist jüngst als Beweis dafür interpretiert worden, daß Lactanz nicht scharf zwischen Christen und nichtchristlichen Monotheisten unterschieden habe.5
1 Vgl. Wlosok 1960, 246; TRE 20 (1990), 373 s.v. Lactantius; Heck: LthK 6 (1997), 584 s.v. Lactantius; Colot 2001, 30. 32. 2 Vgl. Ranchina 1985, 175. 179. 3 Winger 1999, 441. 4 Vgl. Digeser 2000, 16. 79-84. Vgl. auch Girardet 1998, 29. 5 Vgl. Girardet 1998, 29 und besonders Digeser 2000, 79-83.
Zum Stellenwert religiöser und philosophischer Wertvorstellungen
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4.2.2 Der religiöse und philosophische Diskurs zur Zeit des Lactanz Die religiöse und philosophische Welt der Spätantike ist durch eine ungeheure Vielfalt gekennzeichnet. Neben zahlreichen lokalen religiösen Zentren – die freilich teilweise eine außerordentliche Ausstrahlungskraft ausüben konnten – gab es auch übergreifende Strukturen: Hier ist vor allem an den staatlichen Herrscherkult zu denken, der insbesondere der Loyalitätsbezeugung gegenüber Kaiser und Römischem Reich diente.6 Daneben sind noch Mysterienreligionen7 und religiöse Ausprägungen der Philosophie zu erwähnen, beispielsweise der Neuplatonismus.8 In diesem Rahmen wurden auch Konzepte eines inkludierenden Monotheismus entworfen.9 Der monotheistischen Konzepten offenbar ebenfalls sehr nahe kommende Kult eines Theos Hypsistos ist im Ostteil des Reiches epigraphisch breit belegt und war offenkundig keineswegs auf die gebildeten Eliten beschränkt.10 Der religiöse Geschmack der Zeit betonte neben der Orthopraxie in zunehmendem Maße auch die Orthodoxie.11 Immer stärker in den Vordergrund rückten auch Texte mit Offenbarungsanspruch, allen voran die Orakel.12 Klassische und neuere Orakelstätten reagierten mit sogenannten theologischen Orakeln auf das seit dem 2. Jahrhundert zunehmende Interesse an Theologie und insbesondere an dem Verhältnis der vielen Götter zueinander und zu dem einen über allen anderen stehenden Gott. Auch rituelle Fragen, insbesondere bezüglich des Opfers, waren stark umstritten.13 Daneben gab es noch die mit Exklusivitätsansprüchen auftretenden Religionen des Judentums, des Christentums und des Manichäismus. Die bedeutendste Strömung in der antiken Philosophie zur Zeit des Lactanz war der Neuplatonismus. Als Begründer dieser Richtung gilt Plotin (205-270). Zwei weitere hervorragende Vertreter des Neuplatonismus, Porphyrios (ca. 234-305/310) und Iamblichos (ca. 240-325), waren Zeitgenossen des Lactanz. Der Neuplatonismus entwickelte platonische Konzepte weiter fort und bezog dabei auch aristotelische und neupythagoreische Vor6 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 134. 163. 7 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 156. 8 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 157. 9 Vgl. den Sammelband Athanassiadi – Frede 1999 und Garnsey-Humfress 2001, 156. 10 Vgl. Mitchell 1999, passim, zur sozialen Zusammensetzung der Anhängerschaft S. 26; Stein 2001, passim, der sich gegen die Deutung des Theos Hypsistos als Kristallisationspunkt eines pagan-jüdischen Synkretismus wendet. 11 Vgl. Athanassiadi 1999, 181; Garnsey-Humfress 2001, 132. 153. 12 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 157f. 13 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 157. Die christliche Polemik gegen pagane Opferrituale schrieb dem Opfer eine zentrale, ja geradezu konstitutive Rolle für pagane Religionsformen zu. Es ist aber problematisch, diese Auffassung unkritisch zu übernehmen, vgl. Garnsey-Humfress 2001, 153f.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
stellungen ein. Er räumte geoffenbarten Texten wie den sogenannten theologischen Orakeln, auch den Hermetica, vor allem aber den Chaldäischen Orakeln einen sehr hohen Stellenwert ein.14 Die ›Wahrheiten‹ des Neuplatonismus fand man auch in homerischer Dichtung wieder, wobei man sich der Allegorese bediente.15 Der Neuplatonismus ist kein monolithischer Block. Verschiedene Themen wurden kontrovers diskutiert. So unterscheidet die Forschung grob zwischen einem noetischen Neuplatonismus und einem theurgischen Neuplatonismus:16 Die noetische Version, für die etwa Porphyrios steht, betont demnach etwas mehr Vernunft und kritisch-distanziertes Hinterfragen religiöser Praktiken wie etwa des Opfers oder der Theurgie. Die theurgische Version, für die etwa Iamblichos steht, legt dagegen etwas mehr Wert auf ein weitgehendes Ineinander von Philosophie und Religion. Die Theurgie möchte dem Menschen auf rituellem Wege den Aufstieg der Seele zum Göttlichen ermöglichen.17 Sie war allerdings nicht unumstritten. Iamblichos sah sich genötigt, gegenüber kritischen Anfragen des Porphyrios die Differenz zwischen Theurgie und Magie herauszuarbeiten.18 Weitere wichtige Themen des Neuplatonismus sind das Verhältnis der Seele zum Göttlichen einerseits und zum Körper anderseits: So betonte etwa Iamblichos anders als Porphyrios, daß die Seele den Aufstieg zum Göttlichen nicht aus eigener Kraft erreichen könne, sondern auf göttliche Gnade angewiesen sei.19 Was das Verhältnis zum Körper angeht, so betont man in der Forschung häufig die radikale Körperfeindlichkeit des Neuplatonismus.20 Angesichts mehrerer extremer Formulierungen von Neuplatonikern vermag die christliche Wertung des Körpers als geradezu gemäßigt und damit vom Standpunkt westlicher Kultur aus sympathischer zu erscheinen.21 Allerdings standen auch die Neuplatoniker dem Körper nicht ausschließlich feindlich gegenüber.22 Umstritten war auch die Art des Fortlebens der Seele nach dem Tode. Die Neuplatoniker vertraten eine Seelenwanderungslehre.23 14 Vgl. Hadot 1987, passim (zur Bedeutung ›offenbarter‹ Texte in der Antike auch über den Neuplatonismus hinaus); Johnston 1997, 165. 167-169; Athanassiadi 1999, 153. 178-181; Chadwick 1999, 68. Zur Wertschätzung der Apollo-Orakel durch Porphyrios vgl. Eus. Pr. Ev. 4,6,3. 15 Ein klassisches Beispiel ist die Schrift des Porphyrios De antro nympharum, in der er Hom. Od. 13,102-112allegorisch auslegt. 16 Vgl. etwa Garnsey-Humfress 2001, 157. Freilich spielt auch etwa für Porphyrios die Religion und für Iamblichos die Vernunft eine große Rolle. 17 Näheres zur Theurgie bei Johnston 1999, passim. 18 Vgl. Iambl. de myst., passim; Garnsey-Humfress 2001, 161. Christen ergriffen begierig die Gelegenheit, Theurgie als (schwarze) Magie darzustellen und so abzuwerten, vgl. Chadwick 1999, 73; Garnsey-Humfress 2001, 159. 19 Chadwick 1999, 71; Garnsey-Humfress 2001, 158. 20 Vgl. beispielsweise Chadwick 1999, 62f. 68f. 21 Vgl. etwa Chadwick 1999, 80. 22 Vgl. Chadwick 1999, 65. 23 Vgl. Habermehl: RAC 17 (1996), 323-327 s.v. Jenseits.
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Uneinigkeit herrschte aber darüber, ob menschliche Seelen auch in den Körpern unvernünftiger Tiere inkarniert werden oder nur in den Körpern von Menschen.24 4.2.3 Zur lactanzischen Behandlung von Religion und Philosophie 4.2.3.1 Zur lactanzischen Behandlung von Religion In der lactanzischen Konzeption zerfällt nun die Menschheit im wesentlichen in zwei große Gruppen, diejenige der Christen und diejenige der Götterverehrer. Als dritte Gruppe, die aber nur am Rande in Erscheinung tritt, werden die Juden erwähnt. Verschiedene Gruppen des Judentums unterscheidet Lactanz nicht. Bei den Christen betont er mit großem Aufwand die Eintracht und sucht Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen möglichst nicht zu thematisieren.25 Letztlich erkennt er jedoch ›Christen‹ mit abweichenden Auffassungen nicht als Glaubensbrüder an.26 Der Heilige Geist tritt bei Lactanz nur schemenhaft in Erscheinung. Das Konzil von Nikaia (325) hatte freilich über den Heiligen Geist auch nicht mehr als dessen Existenz auszusagen.27 Lactanz zeichnet seine paganen Mitmenschen zwar gerne als amorphe Masse von Unwissenden, unterscheidet aber doch meist zwei Gruppen: die 24 Vgl. Chadwick 1999, 67. Zwar gab es Mythen postmortaler Vergeltung und einer Bestrafung der ›Bösen‹ in der Unterwelt, die auch in Texten Platons gebilligt werden. In der Forschung schreibt man Porphyrios verschiedentlich (Chadwick 1999, 67; Digeser 2001, 524f.) zu, eine ewige Bestrafung der ›Bösen‹ in der Unterwelt vertreten zu haben und beruft sich dafür auf Porph. Sent. 29. Eine sorgfältige Untersuchung dieses Textes weckt aber ernste Zweifel an dieser Interpretation: So spricht Porphyrios beispielsweise die ewige Dauer des Aufenthalts der Seele in der Unterwelt nicht an. Entscheidend ist aber, daß der Strafcharakter des Aufenthalts in der Unterwelt viel blasser oder zumindest ganz anders geartet ist: Kennzeichnen in der christlichen Konzeption – und besonders bei Lactanz (inst. 6,4,5; 7,21,2f. 5) – ewige Qualen den Aufenthalt in der Hölle, so ist bei Porphyrios von physischer oder psychischer Qual überhaupt keine Rede. Vielmehr ist es der Zustand der Unwissenheit, die den Zustand der Seelen in der Unterwelt auszeichnet (vgl. Porph. Sent. 29: Ԕȗȟȡțį ԥʍıijįț ijȡ ףՐȟijȡȣ ijıȝıտį Ȝįվ IJȜցijȧIJțȣ Ȝįվ ȟșʍțցijșȣ. Diese massiven Unterschiede zwischen porphyreischer und christlicher Unterweltskonzeption legen vielmehr die Vermutung nahe, daß Porphyrios hier die überkommene Unterweltsvorstellung nutzt, um deutlich zu machen, daß aus seiner philosophischen Perspektive Unwissenheit ein mit dem Aufenthalt im Hades vergleichbares Übel ist. Wollte man sent. 29 unbedingt in den Kontext postmortaler Existenz der Seele einordnen, ließe sich der dort beschriebene Hades als Aufenthaltsort ›böser‹ Seelen bis zur nächsten Inkarnation – und eben nicht für alle Ewigkeit – denken. 25 Vgl. beispielsweise inst. 6,7,9. Näher auf das Problem der ›Häretiker‹ geht Lactanz in den uns erhaltenen Schriften nur in inst. 4,30,1-14 ein. Die Thematisierung unterschiedlicher christlicher Strömungen erschien Lactanz unter Umständen auch von seinem protreptischen Anliegen her unangebracht. Schließlich verwendet er den Vorwurf innerer Zerstrittenheit und Widersprüchlichkeit mit Vorliebe gegen pagane Götterverehrer und Philosophen (vgl. etwa inst. 3,4,1-3. 5. 8). 26 Vgl. inst. 4,30,10; ira 2,6. 27 Vgl. Denzinger – Hünermann – Hoping 2001, 63.
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breite, als ungebildet und naiv gekennzeichnete Masse des Volkes einerseits und die Philosophen andererseits.28 Tendenziell weist Lactanz dabei dem ›Volk‹ den konventionellen Götterkult zu, in dem die Frömmigkeit des Volkes ohne dessen Wissen von den Dämonen verleitet und verdorben worden sei.29 In den alternativen Religionskonzeptionen der Philosophen mag er demgegenüber häufig nur einen verhängnisvollen Hang zum Atheismus zu entdecken.30 Beide Gruppen, Anhänger der volkstümlichen Götterverehrung einerseits und Philosophen andererseits, spielt Lactanz häufig gegeneinander aus31 und konstruiert damit gleichzeitig das Dilemma einer Unvereinbarkeit von Frömmigkeit und Vernunft.32 Vor diesem Hintergrund kann er dann seine christliche Botschaft als einzigen Ausweg aus dieser Aporie darstellen.33 Lactanz läßt die Vielfalt des außerchristlichen religiösen Lebens zwar in dem Bild von den vielen Wegen des Teufels aufscheinen (inst. 6,7,1-7), opfert sie aber im allgemeinen seinen polemischen Interessen. Pagane Riten, insbesondere Opfer, stellt unser Autor als rein äußerlich und von Oberflächlichkeit und Heuchelei geprägt dar. Damit konstruiert er einen wesensmäßigen Zusammenhang zwischen ethischer Inferiorität und Partizipation an paganen Kultformen.34 Pythagoreismus35 und Neuplatonismus werden von Lactanz kaum, der Manichäismus gar nicht explizit thematisiert.36 Alternative Religionsformen im außerchristlichen Bereich werden somit syste28 Vgl. beispielsweise inst. 2,3,1; 3,1,1. 29 Vgl. beispielsweise inst. 2,14,5 – 2,16,13 zum Einfluß der Dämonen. 30 Dabei charakterisiert Lactanz die Philosophie nicht immer in derselben Weise: Teils werden die Philosophen den Götterverehrern gegenübergestellt und erscheinen so tendenziell als Atheisten (inst. 4,4,5f.), teils als Monotheisten, die es aber versäumen, aus ihrer Erkenntnis des höchsten Gottes die richtigen und notwendigen Konsequenzen zu ziehen (inst. 4,4,6). Als Grund für diese ›Inkonsequenz‹ (die nach lactanzischer Auffassung darin besteht, zu erkennen, daß es einen höchsten Gott gibt, dem Götterkult aber nicht öffentlich abzuschwören) gibt Lactanz einerseits Furcht vor Verfolgung durch die Mitmenschen an (inst. 2,3,1-5), andererseits die mangelnde Erkenntnis der ausschließlich durch Offenbarung zugänglichen Wahrheit (inst. 2,3,12f.). 31 Vgl. beispielsweise inst. 3,10,14f. 32 Vgl. inst. 3,11,2: sed homines ideo falluntur, quod aut religionem suscipiunt omissa sapientia aut sapientiae soli student omissa religione, cum alterum sine altero verum esse non possit; inst. 2,3,14-19; 4,3,4-10; 6,4,23f. Vgl. auch Garnsey 2002, 164. 33 Vgl. inst. 4,3,7. 34 Vgl. beispielsweise inst. 5,6,12f.; 5,8,4f.; 5,9,15-20; 5,19,30-34. Griechische beziehungsweise römische Religion entfalteten freilich durchaus ethische Wirksamkeit, vgl. allein Chaniotis 1997, passim und Wiseman 1994, passim. 35 Dabei hätte etwa das Ideal der pythagoreischen Freundschaft einige Ähnlichkeiten zu der von Lactanz für die Christen in Anspruch genommenen Lebensform aufgewiesen, vgl. Freyburger 1997, passim. 36 Dabei erinnern die stark dualistischen Züge der lactanzischen Konzeption auf den ersten Blick stark an manichäische Vorstellungen. Sollte Lactanz sich hier mit manichäischen Anschauungen auseinandersetzen? Leider würde es zu weit führen, diese Frage im Rahmen dieser Arbeit zu beantworten.
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matisch marginalisiert. Ihre partielle Nähe zu christlichen Lehren wird häufig gar nicht erst erwähnt. Thematisiert Lactanz solche Vorstellungen tatsächlich, so bemüht er sich, die potentiellen Konkurrenten des Christentums schon im Vorfeld in Mißkredit zu bringen. Zu diesem Zweck präsentiert er insbesondere die ›monotheistischen‹ Ausprägungen nichtchristlicher Religion nicht als ernst zu nehmende Religionen, sondern als unausgegorene und unvollkommene bloße Philosopheme.37 Lactanz lehnt alle von ihm als nichtchristlich aufgefaßten Religionen ab und ist insofern auch nicht mit Wolfram Winger für eine »Theologie der Religionen« zu vereinnahmen.38 4.2.3.2 Zur lactanzischen Behandlung von Philosophie Zahlreiche Beiträge gehen davon aus, daß Lactanz die Inhalte paganer Philosophie lediglich mit einer Art christlicher Patina versehen oder gar in Cicero einen Propheten erblickt habe.39 Dabei finden sich in den lactanzischen Schriften immer wieder Beispiele für den bewußten und zielorientierten Umgang mit zeitgenössischen Konzepten wie etwa der Stoa, der Skepsis, des Atheismus, der Hermetik und der Gnosis: So greift Lactanz etwa zur Darstellung seiner ethischen Vorstellungen häufig auf stoische Argumentationen oder Testimonien zurück. Allerdings unterscheidet er sich auch markant von der Stoa, so etwa durch seinen Glauben an die Offenbarung der Bibel und sein nicht kosmotheistisches Gottesverständnis.40 Skeptische Argumentationen und Testimonien zieht Lactanz einerseits im Zuge seiner Kritik am Götterkult heran. Andererseits sieht er hier eine Möglichkeit, auf die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu verweisen. Insbesondere die in der skeptischen Philosophie beliebte Methode, Gegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, wendet Lactanz häufig an. In seinen eigenen Glaubensüberzeugungen läßt Lactanz sich freilich von der Skepsis nicht erschüttern, sie bleibt ein bloßes Mittel zur Widerlegung nichtchristlicher Philosopheme oder Theologumena.41 So teilt Lactanz beispielsweise Ciceros Meinung, daß die Philosophie nur Falsches widerlegen, aber nichts Wahres beweisen könne. Nur verrät diese Haltung bei Lactanz nicht – wie bei Cicero – einen vorsichtigen Skeptizismus, sondern das Bewußtsein einer absoluten Überlegenheit der offenbarten christli-
37 Vgl. dazu beispielsweise die Behandlung außerchristlicher Jenseitsvorstellungen durch Lactanz und dazu Abschnitt 4.2.3.5. 38 Vgl. Winger 1999, 441, der die lactanzischen Vorstellungen für mit einer Theologie der Religionen vereinbar hält. 39 Vgl. oben den Abschnitt 3.3.2. 40 Vgl. dazu etwa unten die Abschnitte 4.2.4.4 und 4.2.4.5. 41 Vgl. inst. 3,4,1-3,6,20 und unten den Abschnitt 4.2.6.
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chen Lehre.42 Ähnlich wie den Skeptizismus lehnt Lactanz auch den Epikureismus als solchen in aller Schärfe ab, instrumentalisiert ihn aber zur Widerlegung nichtchristlicher Philosopheme oder Theologumena.43 Lactanz setzt sich auch mit dem zu seiner Zeit aufblühenden Neoplatonismus – zu nennen ist hier vor allem Porphyrios – auseinander. In der Forschung beginnt man allerdings gerade erst, auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu werden.44 Statt allerdings Vertreter des Neuplatonismus offen anzusprechen, zieht Lactanz es vor, sich mit Platon selbst auseinanderzusetzen. Dieses Verfahren dient offenkundig dazu, dem Neuplatonismus durch christliche Interpretation oder Kritik seiner normativen Texte die Grundlage zu entziehen.45 Lactanz schätzt die monotheistischen Tendenzen bei Platon, verwirft aber die Frauen- und Gütergemeinschaft in Platons »Staat« als unpraktikabel und unmoralisch.46 Darüber hinaus grenzt sich Lactanz an mehreren Stellen47 von nichtchristlichen Verehrern des summus deus polemisch ab. Die Hermetik liefert Lactanz viele Testimonien. Viele lactanzische Vorstellungen stehen allerdings auch in klarem Widerspruch zu denen der Hermetik. Diese Abweichungen hebt Lactanz allerdings kaum eigens als solche hervor, offenkundig, um den Wert der hermetischen Schriften als Testimonien nicht zu schmälern.48 Lactanz stellt die Rolle der Erkenntnis Gottes außerordentlich deutlich heraus.49 Darin folgt er allerdings einer bereits im Johannesevangelium beginnenden christlichen Tradition. Es ist daher problematisch, hier einen Beweis für einen außerchristlichen gnostischen Einfluß auf Lactanz zu sehen.50 4.2.3.3 Monotheismus Die Propagierung des Monotheismus spielt bei Lactanz wie bei anderen Apologeten auch eine bedeutende Rolle. In der Regel konstruiert unser Autor dabei eine binäre Opposition zwischen (christlichen) Monotheisten 42 Vgl. inst. 2,3,23-25, wo (inst. 2,3,24) Lactanz Cic. nat. deor. 1,91 zitiert: utinam tam facile vera invenire possem (bezeichnenderweise setzt Lactanz hier den Konjunktiv Imperfekt (possem) und kennzeichnet damit den Wunsch als unerfüllbar, während Cicero den Konjunktiv Präsens (possim) setzt und damit die Erfüllbarkeit des Wunsches zumindest impliziert) quam falsa convincere. 43 Vgl. etwa oben den Abschnitt 3.3.4.4. 44 Hier hat sich insbesondere Elizabeth DePalma Digeser große Verdienste erworben, vgl. Digeser 1998, dies. 2000 und insbesondere dies. 2001. 45 Vgl. oben den Abschnitt 3.3.1. 46 Zu den monotheistischen Tendenzen vgl. inst. 1,5,23; 4,4,6; 5,14,13. Zur Bewertung der platonischen Frauen- und Gütergemeinschaft vgl. inst. 3,21,2-3,22,11. 47 Vgl. inst. 1,11,39-43; 4,4,6. 48 Zur Hermetik vgl. oben das Kapitel 3.4. 49 So ist auch die These aufgestellt worden, daß die Gnosis einen bedeutenden Einfluß auf Lactanz ausgeübt habe, vgl. Wlosok 1960, 228; Heck: LThK 6 (1997), 584. 50 Vgl. oben den Abschnitt 4.1.2.1.
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und (paganen) Polytheisten.51 Nichtchristliche Formen des Monotheismus oder Henotheismus werden dabei marginalisiert: Monotheismus und Christentum erscheinen bei Lactanz als nahezu identisch. An einigen Stellen geht Lactanz dagegen auch auf pagane Konzeptionen des Monotheismus ein: In einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang benutzt er in dieser Weise verschiedene pagane Textgruppen, um dem gebildeten Leser den Monotheismus plausibel erscheinen zu lassen. Einerseits profitiert er dabei von dem allgemeinen Trend seiner Zeit zum – freilich keineswegs immer als christlich verstandenen – Monotheismus, andererseits ist er bemüht, diesen Trend als vereinzelte Ahnung einer Erkenntnis darzustellen, die sich erst im Christentum vollendet.52 In einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang setzt sich Lactanz dagegen von allen – seiner Auffassung nach – nichtchristlichen monotheistischen Gottesauffassungen ab, so insbesondere vom Kosmotheismus,53 dem Monotheismus Platons54 oder den nichtchristlichen Anhängern eines summus deus.55 An einer Stelle arbeitet Lactanz im Rahmen seiner Engel- und Dämonenlehre recht präzise eine entscheidende Differenz zwischen christlichem Monotheismus und entsprechenden paganen Konzepten heraus: Zwar glaubten auch die Christen an eine Schar übernatürlicher, dem einen Gott unterstellter Wesenheiten, nämlich die Engel. Nur hätten sie im Gegensatz zu den Heiden – deren Göttern im übrigen auch gar keine Engel in Diensten des höchsten Gottes, sondern finstere Dämonen im Dienste Satans seien – erkannt, daß nur Gott, nicht aber die Engel angebetet werden dürften.56 4.2.3.4 Offenbarung/Orakel Lactanz betont ausdrücklich die Relevanz der Offenbarung. Gleichzeitig erhebt er den Anspruch, daß die Offenbarung allein den Christen zuteil geworden sei.57 Damit bezieht er Stellung in einer heftigen Auseinanderset51 Dies zeigt sich beispielsweise an der Bezeichnung paganer Mitmenschen als cultores deorum, vgl. inst. 1,7,6 u.ö. 52 Ein Beispiel ist der Testimonienkatalog im ersten Buch der Divinae Institutiones (inst. 1,5,1 – 1,7,13). 53 Vgl. dazu unten in diesem Kapitel den Abschnitt 4.2.4.5. 54 In inst. 4,4,6 kritisiert Lactanz, daß Platon Gott die geschuldete Verehrung vorenthalten habe, in inst. 5,14,13 erklärt unser Autor, Platon habe Gott nicht erkannt, sondern nur erträumt und es versäumt, die polytheistischen Religionsformen zu vernichten. 55 Vgl. inst. 1,11,39-43; 4,4,6 und ira 2,1-6 (zu dieser Stelle vgl. unten den Abschnitt 4.2.7). Den Begriff summus deus verwendet Lactanz selbst häufig in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang mit Bezug auf den christlichen Gott. Unklar ist, in welcher Beziehung der summus deus des Lactanz zu dem ՝ȦțIJijȡȣ Țıցȣ des Kaisers Constantin und insbesondere zu dem Kult des ՝ȦțIJijȡȣ Țıցȣ (vgl. dazu Colpe – Löw, RAC 16 (1994), passim s.v. Hypsistos (Theos) und Mitchell 1999, passim) steht. 56 Vgl. inst. 1,7,4-11. 57 Vgl. oben die Abschnitte 2.2.2.1 und 2.2.2.2.
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zung um die Frage, welche Texte als offenbart zu werten sind und daher allegorisch ausgelegt werden dürfen, sollen oder müssen. Christen hielten dabei im allgemeinen allein die Bibel für offenbart und rechtfertigten die allegorische Auslegung von – insbesondere auf den ersten Blick anstößigen – biblischen Texten. Viele pagane Philosophen sprachen dagegen der Bibel jeden normativen Wert ab, in die Nähe heiliger Texte rückte bei ihnen dagegen Orakelliteratur; auch Teile der klassischen Dichtung (etwa Homers) genossen ein so großes Ansehen bei ihnen, daß sie eine Allegorese für statthaft hielten.58 Lactanz selbst stellt die Bibel aufgrund von protreptischen Rücksichten zurück und entscheidet sich statt dessen dafür, über die pagane Offenbarungsliteratur wie die Hermetik, die Oracula Sibyllina, die Apollo- oder die Hystaspes-Orakel zu argumentieren. Unser Autor begründet diese Praxis in mehreren methodologischen Passagen.59 Wie wir bei der Untersuchung des Stellenwertes der einzelnen paganen Textgruppen feststellten, hat kein frühchristlicher Autor vor Lactanz die pagane Offenbarungsliteratur so systematisch, so extensiv und so intensiv benutzt wie Lactanz. Gleichzeitig ließ sich in keinem Fall nachweisen, daß diese paganen Textgruppen einen eigenständigen normsetzenden Einfluß auf Lactanz ausüben. Es überrascht daher nicht, daß Lactanz auf die gesamte von ihm angeführte pagane Offenbarungsliteratur nicht nur in vereinnahmenden, sondern auch in ausgrenzenden Argumentationszusammenhängen verweist. Den von ihm als nichtchristlich ausgegebenen Oracula Sibyllina widerspricht er allerdings nur an einer textkritisch nicht endgültig gesicherten Stelle.60 4.2.3.5 Jenseitsvorstellungen Wie Lactanz mit den religiös-philosophischen Überzeugungen seiner paganen Umwelt umgeht, zeigt sich auch an seiner Benutzung paganer Jenseitsvorstellungen.61 Grundsätzlich versucht unser Autor, die Lehre vom Leben nach dem Tode für das Christentum zu monopolisieren.62 An anderen Stellen nimmt er dagegen pagane Vorstellungen vom Jenseits zur Kenntnis. Dabei nutzt er diese Vorstellungen sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang: Im Falle der Vereinnahmung sollen die paganen Texte beziehungsweise Vorstellungen die
58 59 60 61 62
Vgl. Hadot 1987, passim; Johnston 1997, 167f. Vgl. oben den Abschnitt 2.2.3. Mort. pers. 2,8f., vgl. dazu oben den Abschnitt 3.5.4.4. Zur lactanzischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele vgl. Perrin 1981, 334-370. Vgl. beispielsweise inst. 5,18,4.
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christliche Lehre vom ewigen Leben bestätigen.63 Im Falle der Ausgrenzung läßt Lactanz es nicht dabei bewenden, Differenzen zwischen den christlichen und den jeweiligen paganen Jenseitsvorstellungen aufzuzeigen.64 Vielmehr diskreditiert unser Autor pagane Jenseitsvorstellungen: So verhöhnt er die Seelenwanderungslehre der Pythagoreer.65 Während er die Hoffnung auf das ewige Leben bei den Christen geradezu als Ermöglichungsgrund tugendhaften Verhaltens betrachtet,66 wirft er den Unsterblichkeitskonzepten paganer Philosophen67 vor, die Menschen in den Selbstmord zu treiben.68 Wieder können wir also erkennen, wie selbständig Lactanz mit den paganen Wertvorstellungen umgeht. Lactanz betont entweder polemisch die Differenzen unter Vernachlässigung der Konvergenzen oder aber die Konvergenzen unter Vernachlässigung der Differenzen oder aber er marginalisiert die paganen Vorstellungen bis hin zur Leugnung ihrer Existenz.
63 Vgl. beispielsweise inst. 5,18,3; 7,8,2. 4-9. An beiden Stellen korrespondiert mit der vereinnahmenden Argumentationsform eine in unmittelbarer Nähe stehende ausgrenzende Textstelle (vgl. inst. 5,18,1; 7,8,3. 10). 64 So macht Lactanz beispielsweise in inst. 3,19 deutlich, daß die christliche Lehre nicht nur die Fortexistenz der ›Guten‹, sondern auch die Fortexistenz der ›Bösen‹ nach dem Tode annimmt. Freilich waren auch in griechischer und römischer Religion Konzepte verbreitet, die eine postmortale Bestrafung der ›Bösen‹ vorsahen, vgl. Colpe – Dassmann – Engemann – Habermehl – Hoheisel: RAC 17 (1996), 268-272. 275. 279f. 298. 311-313. 325 s.v. Jenseits (Jenseitsvorstellungen). Zu Gerechtigkeit als maßgeblichem Kennzeichen der Gerechtigkeit in der griechischen Religion vgl. Chaniotis 2000, 168f. 65 Vgl. inst. 3,18,15-17; 3,19,19. Die Seelenwanderungslehre wurde auch von den Neuplatonikern vertreten. Wir greifen hier ein weiteres Beispiel für die indirekte Auseinandersetzung des Lactanz mit dem Neuplatonismus. 66 Vgl. inst. 3,19,8; 5,18, passim (bes. 1-3). Vgl. auch Perrin 1981, 334. 67 Lactanz nennt vor allem Pythagoreer und Stoiker (inst. 3,18,1), aber auch andere Philosophen wie beispielsweise Empedokles und Demokritos (inst. 3,18,5). 68 Vgl. inst. 3,18,8f.: homicidae igitur illi omnes philosophi et ipse Romanae sapientiae princeps Cato, qui antequam se occideret, perlegisse Platonis librum dicitur qui est scriptus de aeternitate animarum, et ad summum nefas philosophi auctoritate conpulsus est. et hic tamen aliquam moriendi causam videtur habuisse, odium servitutis. (9) quid Ambraciotes ille, qui cum eundem librum perlegisset, praecipitem se dedit nullam aliam ob causam nisi quod Platoni credidit? execrabilis prorsus ac fugienda doctrina, si abigit homines a vita und inst. 3,18,5f. Damit antwortet Lactanz möglicherweise auch auf pagane Vorwürfe, die Christen würden ihr Leben leichtfertig wegwerfen (vgl. etwa Epict. diss. 4,7,1-7).
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
4.2.4 Natur als normsetzender Faktor? It is the abiding paradox of the Divine Institutes that it should require so much effort and subtlety on the part of Lactantius to reestablish in the minds of his contemporaries what he considered to be the natural religion of mankind.69
In einer jüngst erschienenen Dissertation wird die Auffassung vertreten, daß Lactanz die normative Relevanz der geoffenbarten Heiligen Schrift zugunsten von Natur und Vernunft relativiere oder gar leugne:70 Gott ist Erfinder dieses Naturgesetzes und sein Überwacher: Deshalb ist es lex dei. Es ist als solches immerdauernd und ewig. Als den Menschen eingestiftetes ist es universal. Das Gesetz ist damit zugleich bezogen auf die Natur (naturae congruens) und korreliert mit der ratio als recta ratio. Die Begriffe lex dei, naturae congruens und recta ratio sind hier noch nicht eindeutig geschieden. Das sollte in aller Klarheit THOMAS VON AQUIN vorbehalten bleiben.2820 Aber durch die Übernahme der Definition geschieht – und das ist theologisch-ethisch höchst bedeutsam – folgendes: Normativ relevant ist nicht mehr (nur) das, was ›buchstäblich‹ im geoffenbarten Gotteswort, also in AT und NT steht, sondern das ›Natürliche‹, weil Gott sein Gesetz bereits in die Schöpfung hineinverlegt hat. Der Mensch weiß bereits von Natur aus, was gut und böse ist. Die ratio des Menschen, die sich an das Gewissen hält, ist recta ratio und stimmt als solche mit der lex dei überein. Der Mensch gewinnt mit seinen kulturellen und sittlichen Leistungen Eigengewicht. Der Naturbegriff bricht einen strengen Bibelfundamentalismus auf, bleibt aber trotzdem in den Gesamtrahmen des jüdischchristlichen Glaubens integriert. Damit kann jetzt die gesamte dagewesene Kultur unter dem Kriterium der recta ratio in das Christentum einfließen. CICERO macht den Anfang. Das Verhältnis von Theologie und Philosophie ist noch nicht letztgültig ausgeklärt.
Allerdings scheinen einige Stellen in den Divinae institutiones tatsächlich eine eigenständige normsetzende Bedeutung der Natur nahezulegen. Denn Lactanz verwendet die Natur nicht nur als eine Art Evidenzmarker, sondern bezeichnet damit auch die schöpfungsbedingte Grundbefindlichkeit des Menschen, aus der er weitreichende Schlüsse bezüglich der menschlichen Fähigkeit zu Wissen und Tugend zieht:
69 70
Nicholson 1997, 321. Winger 1999, 417.
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4.2.4.1 Natura als Evidenzmarker Häufig setzt Lactanz das Wort natura allgemein als Evidenzmarker ein: Der bloße Hinweis auf die (angebliche) Vereinbarkeit – oder Unvereinbarkeit – mit der Natur soll damit einen Gedanken als wahr – oder falsch – erweisen. Unter den zahlreichen Belegen für diese Verwendung des Begriffes natura zeichnen sich insbesondere drei Typen ab: Geht es Lactanz um die Affirmation einer Aussage, so benutzt er meist einen Ablativus Absolutus mit aktivischem Partizip. In dieser Form spricht Lactanz davon, daß die Natur führe,71 zwinge,72 laut widerspreche73 und fordere.74 Diese Personifikation könnte durchaus einen Verdacht verstärken, daß Lactanz in der Natur ein eigenständig wirksames Prinzip erblickt habe. Weniger suggestiv sind die Typen 2 und 3, die beide die Unvereinbarkeit einer Aussage mit der natura zum Ausdruck bringen: contra naturam75 und non secundum naturam.76 Neben diesen drei Typen gibt es auch andere Fügungen, in denen Lactanz natura als Evidenzmarker verwendet.77 Bisweilen koppelt Lactanz auch natura und ratio als Evidenzmarker zusammen.78 4.2.4.2 Natura als schöpfungsbedingte Grundbefindlichkeit des Menschen Häufig verwendet Lactanz den Begriff natura auch dort, wo es um die schöpfungsbedingte Grundbefindlichkeit des Menschen geht. Dabei schätzt unser Autor besonders die antike Argumentation über den status rectus. Dieses Argumentationsmuster interpretiert die aufrechte Haltung des Menschen als Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Tieren, das ihn dazu disponiere, auf den Himmel und damit auf das Höhere, Göttliche zu blicken. Lactanz verwendet das Motiv des status rectus, um eine ganz bestimmte, nämlich die christliche Form der Gottesverehrung zu propagieren.79 Aber auch ohne expliziten Bezug auf den status rectus spricht Lactanz von einem 71 Inst. 1,5,6: natura igitur et ratione ducente intellexit...; inst. 1,5,14: quodsi vel Orpheus vel hi nostri quae natura ducente senserunt in perpetuum defendissent, eandem quam nos sequimur doctrinam conprehensa veritate tenuissent; inst. 5,16,3: natura ducente; epit. 51,2: ipsa ducente natura (die beiden letzten Stellen aus der Rede des Karneades/Philus). 72 Inst. 2,1,7: veritas ipsa cogente natura etiam ab invitis pectoribus erumpit; inst. 7,9,12: ipsa cogente natura. 73 Inst. 3,21,10: perit ergo illi uni communitas ipsa reclamante natura. 74 Inst. 3,26,1: poscente natura. 75 Inst. 1,10,12; inst. 3,22,10; inst. 4,3,13; inst. 4,3,19; inst. 6,11,2; inst. 6,23,8; ira 14,6 (wobei natura hier allerdings theologisch aufgeladen ist durch ira 14,5: ... deus ergo vult omnes homines [...] deum [...] honorare tamquam parentem, hominem diligere velut fratrem...). 76 Inst. 4,3,11; inst. 6,18,21; inst. 7,9,15. 77 Inst. 4,3,18: naturae necessitate; epit. 52,3: neque ratio neque natura ipsa permittit... 78 Inst. 1,5,6; inst. 4,3,19; inst. 7,5,19; epit. 52,3. 79 Vgl. etwa inst. 2,1,13-19; 2,18,1 und zum Ganzen Wlosok 1960, 8-76. 118-126. 144-163. 175-179 (zu vorlactanzischen Konzeptionen des status rectus); 195-197 zu Lactanz. Vgl. auch Perrin 1981, 68-78.
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naturgegebenen Gefühl, daß es Gott gibt,80 und einem natürlichen Streben des Menschen, Wissen über Gott zu erwerben.81 Diesem Streben entspricht die Fähigkeit des Menschen, Wissen über Gott – das heißt aus dem zweiten Bereich des Wissens82 - aufzunehmen.83 Einen zweiten Bereich schöpfungsbedingter Grundbefindlichkeit bildet die Ethik. Lactanz erklärt mehrmals, daß von der Natur des Menschen ein Antrieb zu ethischem Wohlverhalten ausgehe.84 Selbst die Triebe des Menschen seien an sich gut.85 Das herausragende Beispiel für die natürliche Veranlagung und Befähigung des Menschen zum Guten finden wir aber bei Lactanz in dem Athener Kimon. Ihm wollen wir uns daher näher zuwenden: 4.2.4.3 Das Beispiel Kimons Der konservative Politiker und Feldherr Kimon (* um 510 vor Christus) erscheint bei Plutarch (Kim. 10,1-7) unter anderem auch als großer Euerget und Musterbeispiel von Philanthropie.86 Lactanz kommt auf ihn im sechsten Buch der Divinae Institutiones zu sprechen. Dort versucht unser Autor, die antike Konzeption des Naturrechts zu christianisieren. Zu diesem Zweck zitiert er zustimmend eine lange Passage aus Cicero.87 Zu Beginn des näch80 Vgl. inst. 1,5,14: quodsi vel Orpheus vel hi nostri quae natura ducente senserunt [gemeint ist die Einheit Gottes, vgl. inst. 1,5,3-13] in perpetuum defendissent, eandem quam nos sequimur doctrinam conprehensa veritate tenuissent; inst. 3,10,7: qua de re Ciceronis sententia vera est:›Ex tot‹, inquit, ›generibus nullum est animal praeter hominem quod habeat notitiam aliquam dei, ipsisque in hominibus nulla gens est neque tam mansueta neque tam fera, quae non etiamsi ignoret, qualem haberi deum deceat, tamen habendum sciat (ähnlich und ebenfalls mit Bezug auf Cic. leg. 1,24: inst. 7,9,10; ira 7,6). 81 Inst. 3,1,7; 3,11,2; 7,8,1 (Streben nach Unsterblichkeit); inst. 7,9,12: quia deum [...] et quaerit et diligit (sc. anima), ipsa cogente natura sentiens vel unde orta sit vel quo reversura. 82 Zu der Unterscheidung von drei Bereichen des Wissens vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.3. 83 Inst. 3,25,5 (natura hominis sapientiae capax); inst. 3,26,1; 7,9,12. 84 Inst. 3,15,21; 5,17,34; auch in inst. 5,10,17 und inst. 5,14,9 impliziert Lactanz einen positiven Einfluß der Natur auf das Verhalten der Menschen. An diesen beiden Stellen macht er aber gleichzeitig auch unmißverständlich klar, daß dieser natürliche Einfluß allein völlig unzureichend ist. 85 Inst. 6,19,4-11; epit. 56,3: non enim per se mala sunt, quae deus homini rationabiliter insevit, sed cum sint utique natura bona, quoniam ad tuendam vitam sunt attributa, male utendo fiunt mala. 86 Vgl. Stein-Hölkeskamp 1989, 212f., die dort die Wohltätigkeit Kimons und insbesondere deren Zielsetzung diskutiert (vgl. dazu besonders A. 26 mit verschiedenen Interpretationen der Forschung und A. 27 zu den bereits in der Antike divergierenden Berichten – neben Plutarch Kim. 10, Arist. Ath. pol. 24,3 und Theopomp. FGrHist 115 F 89 – über die Zielgruppe des kimonischen Euergetismus). Ihrer Ansicht nach ist das Verhalten des Kimon vor allem als geschickte Modifikation und Fortentwicklung und Anpassung aristokratischer Selbstdarstellung an demokratische Verhältnisse zu werten; vgl. auch dies., DNP 6 (1999) 462 s.v. Kimon [2]. 87 Inst. 6,8,7-9 (= rep. 3,33): ›est quidem vera lex recta ratio, naturae congruens, diffusa in omnis, constans, sempiterna, quae vocet ad officium iubendo, vetando a fraude deterreat, quae tamen neque probos frustra iubet aut vetat nec improbos iubendo aut vetando movet. (8) huic legi nec obrogari fas est neque derogari aliquid ex hac licet neque tota abrogari potest, nec vero aut
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sten Kapitels behauptet er dann, Teil des von Cicero so vortrefflich, aber ohne tieferes Verständnis (inst. 6,8,10f.) gepriesenen Naturgesetzes sei der exklusive Monotheismus (inst. 6,9,1). Im folgenden konstruiert unser Autor eine Interdependenz zwischen Erkenntnis und Verehrung des einen Gottes – damit meint er die christliche Religion – auf der einen Seite und der Gerechtigkeit auf der anderen Seite. Ohne Gotteserkenntnis (d.h. aus lactanzischer Sicht: ohne Zugehörigkeit zum Christentum) kann der Mensch nur über diejenige Art der Gerechtigkeit verfügen, die von Volk zu Volk differiert und letztlich auf bloßem Nützlichkeitskalkül beruht. Diese utilitaristische Gerechtigkeit ist aber nach lactanzischer Auffassung mit der wahren christlichen Gerechtigkeit nicht identisch und erweist sich somit als bloße Scheingerechtigkeit. In diesem Zusammenhang kommt Lactanz auf Kimon zu sprechen:88 inst. 6,9,8: Sed putemus fieri posse, ut aliquis naturali et ingenito bono veras virtutes capiat, qualem fuisse Cimonem Athenis accepimus, qui et egentibus stipem dedit et pauperes invitavit et nudos induit et mortuos sepelivit.89 tamen, cum illud unum
Aber nehmen wir an, es sei möglich, daß jemand durch eine natürliche und angeborene gute Veranlagung zur Ausübung der wahren Tugenden fähig ist – so wie Kimon in Athen, wie wir erfahren haben, war, der sowohl den Bedürftigen Almo-
per senatum aut per populum solvi hac lege possumus, neque est quaerendus explanator aut interpres Sextus Aelius. (9) nec erit alia lex Romae, alia Athenis, alia nunc, alia posthac, sed et omnes gentes et omni tempore una lex et sempiterna et immutabilis continebit unusque erit communis quasi magister et imperator omnium deus: ille legis huius inventor, disceptator, lator, cui qui non parebit, ipse se fugiet ac naturam hominis aspernatus hoc ipso luet maximas poenas, etiamsi cetera supplicia, quae putantur, effugerit.‹ Diese Stelle gehört eigentlich in einen anderen Zusammenhang: Im dritten Buch von De re publica erörtert Cicero die Gerechtigkeit und setzt sich dabei auch mit dem griechischen Philosophen Karneades auseinander, der im Jahre 155 an einem Tage eine Rede für und am folgenden Tage eine Rede gegen die Gerechtigkeit gehalten hatte. Bei Cicero hält nun zunächst Philus eine Rede gegen die Gerechtigkeit, die Laelius dann zu entkräften sucht. Lactanz hat diese Problematik ausgiebig in inst. 5,14-18 diskutiert (und uns dabei wichtige Fragmente überliefert). Die in inst. 6,8,7-9 zitierte Stelle stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Laelius-Rede. Lactanz, der die Laelius-Rede in inst. 5 scharf kritisiert, läßt die hier zitierte und von ihm hochgelobte Stelle in inst. 5 geflissentlich unerwähnt und gibt auch hier keinen Hinweis auf ihren Kontext, um die Stoßkraft seiner Argumentation im fünften und sechsten Buch der Divinae institutiones nicht zu gefährden, wie Ingremeau 2002, 161; 2003, 47 beobachtet hat. 88 Auffällig ist, daß Plutarch dem Kimon bescheinigt, das Goldene Zeitalter durch seine großzügigen Wohltaten gegenüber seinen Mitmenschen gewissermaßen wieder neu errichtet zu haben (Plut. Kim. 10,7). Damit erhebt er für Kimon genau den Anspruch, den Lactanz in inst. 5,7 für Christus beziehungsweise das Christentum erhebt. Das Beispiel Kimons legt nahe, daß die Verhältnisse des Goldenen Zeitalters auch ganz ohne das Christentum zu verwirklichen sind – ein Gedanke, der dem auch von Lactanz unterstrichenen Exklusivitätsanspruch des Christentums geradezu entgegengesetzt ist. Daher ist der ›Fall‹ Kimon für Lactanz von großer Bedeutung, auch wenn unser Autor den Hinweis des Plutarch auf das Goldene Zeitalter nicht erwähnt. 89 Vgl. Heck 1972, 192.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
quod est maximum deest, agnitio dei, iam bona illa omnia supervacua sunt et inania, ut frustra in his assequendis laboraverit.
sen gab als auch die Armen einlud, die Nackten bekleidete und die Toten bestattete: Trotzdem, wenn jener eine Punkt, der der wichtigste ist, fehlt, nämlich die Erkenntnis Gottes, dann sind gleich alle jene guten Taten überflüssig und unnütz, so daß er sich vergeblich damit abgemüht hat, sie zu verwirklichen.
Lactanz gibt hier zunächst zu, daß Kimon auch ohne Gotteserkenntnis sogar solche guten Werke vollbracht hat, die unser Autor sonst als spezifisch christlich kennzeichnet. Das geht sowohl aus dem allgemeinen Ausdruck veras virtutes hervor als auch aus der Aufzählung der einzelnen Tugenden.90 Damit scheint Lactanz offenbar implizit seinen eigenen, immer wieder und insbesondere auch kurz zuvor geäußerten Grundsätzen zu widersprechen, nach denen wahre Gerechtigkeit ausschließlich in Verbindung mit der christlichen Religion praktiziert werden kann beziehungsweise mit ihr identisch ist. Dies wäre ein bedeutendes Indiz für eine eigenständige und von der schriftlichen Offenbarung unabhängige normative Bedeutung der Natur, wie sie Wolfram Winger annehmen zu wollen scheint. Doch schon der Beginn der hier wiedergegebenen Lactanzstelle verweist in eine andere Richtung: Die Formulierung sed putemus fieri posse, ut läßt das rhetorische Stilmittel der concessio erwarten: Ähnlich deutlich beginnt Lactanz kurz zuvor bereits inst. 6,9,6 mit sed concedamus sane, ut... Das Urteil, das Lactanz schließlich über Kimon fällt, bestätigt diesen Verdacht: All die guten Taten des Kimon werden als vollkommen sinnlos (supervacua et inania) bezeichnet. Denn unser Autor macht im folgenden deutlich, daß auch das beste Verhalten gegenüber den Mitmenschen das Defizit, Gott nicht zu erkennen, das heißt für Lactanz, kein Christ zu sein, nicht ausgleichen kann: Kimon verdient also trotz seines vorbildlichen Verhaltens die ewige Verdammnis und damit dasselbe Schicksal wie der schlimmste Verbrecher.91 Kimon wandelt sich damit von einem beeindruckenden Beispiel für die natürliche Güte des Menschen zu einem abschreckenden Beispiel für die Sinnlosigkeit jeder natürlichen Güte des Menschen, die nicht im Kontext christlicher Religion steht. Lactanz führt so die absolute Notwendigkeit 90 Inst. 6,9,8: et egentibus stipem dedit et pauperes invitavit et nudos induit et mortuos sepelivit. 91 Vgl. inst. 6,9,16 in Verbindung mit dem Wegegleichnis in inst. 6,3f., besonders inst. 6,4,5. Außerdem vergleicht Lactanz den tugendhaften Nichtchristen auch mit einem menschlichen Körper ohne Kopf, der notwendigerweise empfindungs- und leblos sein müsse, während ein sündiger Christ einem Körper vergleichbar sei, dem eine Gliedmaße fehle, und der so – wenn auch geschwächt – leben könne, vgl. inst. 6,9,9-12 und Ingremeau 2003, 48f.
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der christlichen Verehrung Gottes noch wesentlich drastischer vor Augen, als wenn er auf die concessio verzichtet und Kimon seine Verdienste von Anfang an abgesprochen hätte.92 4.2.4.4 Weitere Passagen, die gegen eine eigenständige Normativität der Natur sprechen Hier lassen sich drei Argumentationszusammenhänge unterscheiden: Teils wertet Lactanz die Natur zwar positiv, kennzeichnet den von ihr ausgehenden Impuls aber als in irgendeiner Weise unvollkommen. Teils wertet Lactanz die Natur eher negativ und sieht sogar einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Natur (natura) und Tugend (virtus).93 Beide Perspektiven finden sich in einem dritten Zusammenhang, nämlich bei der lactanzischen Behandlung der menschlichen Triebstruktur wieder: Die natürlichen Triebe – Zorn, Gier, Geschlechtstrieb94 – sind nach lactanzischer Auffassung an und für sich gut, aber immer auch der Gefahr ausgesetzt, korrumpiert zu werden. Sie müssen daher in den ihnen von Gott gesetzten Schranken gehalten werden.95 Die Unvollkommenheit der von der Natur ausgehenden positiven Impulse drückt Lactanz in verschiedenen Formen aus, die im Folgenden untersucht werden sollen: Sie kann sich darin niederschlagen, daß man ein richtiges Verhalten, das man durch natürliche Veranlagung an den Tag legt, nicht vernünftig erklären kann – so wie einige Philosophen, wie Lactanz kurz nach seiner Behandlung des Kimon erklärt96 – sie kann sich aber auch darin zeigen, daß die Natur inhaltlich unvollkommene Kenntnisse vermittelt97 und daher nicht eigenständig ist, sondern auf Hilfe von außen, auf Gott bezie-
92 Nicht anzuschließen vermag ich mich daher Winger 1999, 406f., der die concessio nicht als solche erkennt/auffaßt und daher schreibt: »Aber das 6,9,8 angeführte Beispiel KIMON unterstreicht, daß LACTANZ diese Proprietät [spezifisch christlicher Tugenden, J.W.] keineswegs als Ausschließlichkeit versteht. Gerade hierin nun unterscheidet sich LACTANZ zunächst von AUGUSTIN, der Tugendhaftigkeit exklusiv an das Christsein – und das meint konkret an das Getauft sein – anbindet und der die Naturrechtskonzeption damit engführt.« 93 Vgl. inst. 5,11,10 (wo von der naturalis mentis feritas einiger Christenverfolger die Rede ist); inst. 6,3,4 (delenimenta naturalia locken zu vitia); inst. 6,23,28: nulla igitur laus est non facere, quod facere non possis. ideo autem pudicitia in homine laudatur, quia non naturalis est, sed voluntaria; vgl. außerdem inst. 7,5,17-20; 7,9,16; epit. 65,3. 94 Zur libido vgl. Nicholson 1997, passim. 95 Vgl. inst. 6,15-23, besonders inst. 6,16,11: omnis igitur ratio in eo versari debuit, ut, quoniam earum rerum impetus inhiberi nec potest nec debet, quia necessario est insitus ad tuenda officia vitae, derigeretur potius in viam rectam, ubi etiam cursus offensione ac periculo careat. 96 Inst. 6,9,13: haec res efficit, ut philosophi etiamsi natura sint boni, tamen nihil sciant, nihil sapiant...; ähnlich inst. 6,12,22: verum haec opera proprie nostra sunt, qui legem, qui verba ipsius dei praecipientis accepimus. nam illi sentiunt quidem natura esse iustum tueri eos, qui tutela carent, sed cur ita sit non perspiciunt. 97 Inst. 5,14,9; 6,9,6.
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hungsweise die Gotteserkenntnis angewiesen bleibt.98 Diese inhaltliche Dimension wurde bereits bei der lactanzischen Behandlung des Kimon deutlich. In eine ähnliche Richtung zielt die Vorstellung, die Natur stelle zwar geeignete ethische Anforderungen, versetze den Menschen aber nicht in die Lage, diesen Anforderungen auch tatsächlich zu genügen.99 Insbesondere reicht die natürliche Güte des Menschen nach lactanzischer Auffassung nicht aus, um ihn vor der Depravation durch den Götterkult zu bewahren.100 Zu dieser qualitativen Relativierung des positiven Einflusses der Natur tritt außerdem eine quantitative: Denn die natürliche Befähigung und Veranlagung zum Guten bezieht sich nach lactanzischer Auffassung eben nicht auf alle Menschen, sondern nur auf wenige;101 unser Autor thematisiert diese natürliche Befähigung in inst. 3,15,7 vor allem in der Absicht, den Anspruch der Philosophen zu widerlegen, die behaupten, die Menschen überhaupt bessern zu können.102 Als einziges System, Wissen und Gesetz, gut zu leben, preist Lactanz vielmehr im selben Kapitel (inst. 3,15,4) die himmlische Weisheit. Damit erweist er die Rede von der natürlichen Güte einiger Philosophen als Synkatábasis/condescensio. Auch der Ausdruck natura hominis sapientiae capax (inst. 3,25,5) meint nicht eine eigene normsetzende Kraft der Natur, sondern lediglich das Potential, eine von außen hinzutretende erkenntnisvermittelnde Instanz – sapientia – aufzunehmen.103 Im nächsten Kapitel (inst. 3,26) führt Lactanz das Wissen um das rechte ethische Verhalten auf die Natur zurück. Wieder spricht aber der Kontext gegen eine eigenständige Normativität der Natur: Denn unser Autor wendet sich gegen die Philosophen; seine Pointe ist, daß die Philosophen nicht nur an der praktischen Umsetzung ihrer ethischen Maßstäbe scheitern, sondern daß auch die Auffindung gewisser ethischer Maßstäbe – die er ihnen durchaus zugesteht – keine Leistung der Philosophen darstelle, da diese Maßstäbe 98 Inst. 3,3,3: mortalis enim natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. interpol. 7,26,16: illi (sc. antiqui principes) quidem natura fortasse tantum similes iustis fuerunt: qui enim moderatorem universitatis deum ignorat, similitudinem iustitiae assequi potest, ipsam vero non potest. 99 Inst. 3,26,1: quod ergo illi poscente natura faciendum esse senserunt, sed tamen neque ipsi facere potuerunt neque a philosophis fieri posse viderunt, sola haec efficit doctrina caelestis, quia sola sapientia est. 100 Inst. 5,10,17: possuntne inter haec iusti esse homines, qui etiamsi natura sint boni, ab ipsis tamen diis erudiantur ad iniustitiam? 101 Bei einigen Menschen wirkt sich die natürliche Anlage eher negativ aus: So kann Lactanz etwa auch von der naturalis mentis feritas einiger Christenverfolger sprechen (inst. 5,11,10). 102 Inst. 3,15,7: cum vero innumerabiles exsistant et semper extiterint qui sint aut fuerint sine ulla doctrina boni, ex philosophis autem perraro fuerit qui aliquid in vita fecerit laude dignum, quis est tandem qui non videat eos homines virtutis, qua ipsi egent, non esse doctores? 103 Vgl. dazu inst. 3,26,1: quod ergo illi poscente natura faciendum esse senserunt, sed tamen neque ipsi facere potuerunt neque a philosophis fieri posse viderunt, sola haec efficit doctrina caelestis, quia sola sapientia est und oben den Abschnitt 2.2.2.1.
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bereits durch die Natur gegeben seien.104 Auch hier geht es also nicht um eine eigenständig normsetzende Bedeutung der Natur, sondern vielmehr um die Nutzlosigkeit der Philosophie. In inst. 5,8,10 zitiert Lactanz im Rahmen einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie aus Ciceros Schrift De legibus, um zu zeigen, daß sowohl die Welt als auch alle Menschen untereinander durch ein und dieselbe Natur miteinander zusammenhängen.105 Aus dem Kontext geht jedoch hervor, daß Lactanz hier eine implizite Umdeutung vornimmt: Bevor er das Cicero-Zitat anführt, preist er das eine Gesetz Gottes an, das an die Stelle aller anderen (menschlichen) Gesetze treten soll und so alle Übel der Welt beseitigen würde.106 Von der Natur ist dort nicht die Rede. Durch diesen Kontext wird die Natur aus dem Cicero-Zitat implizit mit dem exklusiv christlichen einen Gesetz Gottes gleichgesetzt: Beide ermöglichen ein von allen Übeln freies Leben. In dem Paragraphen, der auf das Cicero-Zitat unmittelbar folgt, spricht Lactanz dann von Gott als dem gemeinsamen Vater aller Menschen.107 Dadurch wird die wahre, aber vom Menschen verdrängte natura des Menschen wiederum implizit umgedeutet, diesmal aber nicht zum einen Gesetz Gottes, sondern zur schöpfungsbedingten Tatsache der gemeinsamen Gotteskindschaft aller (Menschen). Lactanz nutzt hier den etymologischen Zusammenhang von natura und nasci (geboren werden) für seine Zwecke aus. Festzuhalten bleibt, daß das Cicero-Zitat und insbesondere der dort vorgefundene Begriff der natura durch seine Kontextualisierung im lactanzischen Text implizit aber deswegen nicht weniger wirkungsvoll umgedeutet wird: Weder das eine, exklusiv christliche Gesetz Gottes noch die christlich verstandene Gotteskindschaft haben viel mit dem philosophischen Naturbegriff zu tun, von dem Cicero ausgegangen war. Zwar kennt die Stoa durchaus die Vorstellung eines naturrechtlich gegebenen Gesetzes und einer Verwandtschaft des Menschen mit Gott, aber diese Vorstellungen sind in ein kosmotheistisches Gottesbild eingebettet und nicht wie bei Lactanz in ein 104 Inst. 3,26,12: ... qui cum aetates suas in studio philosophiae conterant, neque alium quemquam neque se ipsos, si natura paululum obstitit, possunt facere meliores. Hier liegt das lactanzische Augenmerk weniger auf der Unfähigkeit zur praktischen Umsetzung der ethischen Richtlinien als vielmehr darauf, daß die Philosophen – im Gegensatz zu den Christen – ausschließlich solchen Menschen nützen können, die durch ihre natürliche Veranlagung ohnehin schon zur Tugend neigen. 105 Nunc autem mali sunt [gemeint sind die Nichtchristen] ignoratione recti ac boni. quod quidem Cicero vidit. disputans enim de legibus ›sicut una‹, inquit, ›eademque natura mundus omnibus partibus inter se congruentibus cohaeret ac nititur, sic omnes homines inter se natura confusi pravitate dissentiunt neque se intellegunt esse consanguineos et subiectos omnes sub unam eandemque tutelam: quod si teneretur, deorum profecto vitam homines viverent.‹ 106 Vgl. inst. 5,8,6-9, besonders 5,8,8: non essent igitur, ut dixi, haec omnia in terris mala, si ab omnibus in legem dei coniuraretur, si ab universis fierent, quae unus noster populus operatur. 107 Inst. 5,8,11.
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monotheistisches. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß bei Cicero dem Zusammenhalt der Menschen durch die Natur ausdrücklich der Zusammenhalt des Kosmos durch die Natur entspricht, während bei Lactanz der Kosmos in diesem Zusammenhang gar keine Rolle spielt.108 4.2.4.5 Natur als ›Konkurrentin‹ Gottes Schließlich setzt sich Lactanz anhand des Begriffes natura auch mit dem Kosmotheismus auseinander. So erwähnt er im ersten Buch der Divinae Institutiones stoische kosmotheistische Konzeptionen in einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie, um dadurch ein Testimonium für die Einheit Gottes zu gewinnen. In diesem Zusammenhang verzichtet er auf eine genaue Unterscheidung zwischen Gott und Natur. Entscheidend sei nicht die jeweilige Benennung, sondern die dahinterstehende Bedeutung.109 Die Art und Weise, wie Lactanz Seneca im zweiten Buch der Divinae Institutiones bei seiner Darstellung der Schöpfung verwendet, ist zunächst ähnlich.110 Dann aber wechselt unser Autor die Argumentationsform (inst. 2,8,24-26): Hatte Lactanz Seneca vorher für die Gleichsetzung von Gott und Natur gelobt, so wirft er ihm jetzt vor, daß er der Natur Eigenschaften zuschreibe, die allein Gott zukommen. Jetzt, im Zuge der ausgrenzenden Argumentationsstrategie, betont Lactanz die Differenz zwischen Gott und Natur, jetzt mißt er auch der Benennung größere Bedeutung111 zu. Insbesondere wendet er sich gegen die Vorstellung, die Materie sei ungeschaffen beziehungsweise eine selbständig schöpferische Kraft. Diese Eigenschaften kommen seiner Ansicht nach Gott gerade im Unterschied zur Natur zu. Die Natur sei vielmehr bloße Materie, geschaffen und nicht eigenständig kreativ.112 Dem Thema der Kosmologie und der Unterscheidung zwischen Gott und Natur widmet Lactanz auch im siebten Buch der Divinae Institutiones eine längere Passage (inst. 7,3,1-12). Auch dort polemisiert er gegen stoisch108 Inst. 5,8,10: disputans enim de legibus ›sicut una‹, inquit, ›eademque natura mundus omnibus partibus inter se congruentibus cohaeret ac nititur, sic omnes homines inter se natura confusi pravitate dissentiunt neque se intellegunt esse consanguineos et subiectos omnes sub unam eandemque tutelam: quod si teneretur, deorum profecto vitam homines viverent.‹ 109 Vgl. inst. 1,5,11, wo Lactanz Verg. Aen. 6,724-727 vereinnahmend zitiert und inst. 1,15,20f., wo Lactanz Chrysipp und Zenon nennt und mit dem Satz endet: nec obstat appellationum diversitas, cum ipsa significatione ad unum omnia revolvantur. 110 Inst. 2,8,23: melius igitur Seneca omnium Stoicorum acutissimus, qui vidit nihil aliud esse naturam quam deum. 111 Inst. 2,8,24: ... a quo enim fieri negas, ab eodem plane fieri mutato nomine confiteris. 112 Vgl. inst. 2,8,24-46; insbesondere 2,8,37f.: nec tamen commoveat aliquem quod animalia quaedam de terra nasci videntur. haec enim non terra per se gignit, sed spiritus dei, sine quo nihil gignitur. (38) non ergo deus ex materia, quia sensu praeditum ex insensibili, sapiens ex bruto, impatibile de patibili, expers corporis de corporali numquam potest oriri, sed materia potius ex deo est.
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kosmotheistische Vorstellungen. Dabei zitiert er anderthalb Vergilverse (Verg. Aen. 6,726f.), die er schon im ersten Buch zitiert (inst. 1,5,11) und dort in einer vereinnahmenden Argumentationsstrategie verwendet hatte: Hier im siebten Buch erscheint die Aussage der Verse dagegen eindeutig als Irrlehre.113 4.2.4.6 Zusammenfassung Die Natur wird also teilweise in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang angesprochen. Im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio dient die Berufung auf die Natur mehrmals dazu, gegnerische Ansichten zu entkräften. Eine noch größere Rolle spielt die Natur im lactanzischen Werk aber als ›Konkurrentin‹ Gottes: In diesem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang ist Lactanz darauf bedacht, die Begriffe »Natur« und »Gott« scharf voneinander zu trennen und die Natur als untergeordnetes Produkt göttlicher Schöpfung darzustellen. Als eigenständig normsetzender Faktor scheidet sie damit aus. 4.2.5 Menschliche Vernunft und Überlegung als normsetzende Faktoren? In der neuesten Forschung wird angenommen, daß Lactanz der menschlichen Vernunft den schöpfungstheologisch gerechtfertigten Stellenwert eines eigenständigen, jedenfalls von einer Offenbarung unabhängigen Faktors zugeschrieben habe.114 Damit habe Lactanz sogar neue Wege in der christlichen Apologetik eingeschlagen: »Lactantius parted company with earlier Christian literature by arguing consistently the view that knowledge about God can come from everyone’s own God-given reason and perception.«115 4.2.5.1 Ratio als Evidenzmarker, Erkenntnisweg und Vermittlungsweg Von zentraler Bedeutung für den lactanzischen Diskurs über die menschliche Vernunft ist neben Begriffen wie beispielsweise cogitatio insbesondere das Wort ratio. Wie natura verfügt auch das lateinische Wort ratio über eine Vielzahl von Bedeutungen. Uns interessieren in diesem Zusammen-
113 Vgl. dazu auch Meßmer 1974, 81. 114 Vgl. Winger 1999, 47. 78. 410. 613. 115 Digeser 2000, 89. Was sie gleich im nächsten Satz allerdings – meines Erachtens zutreffenderweise – über Lactanz schreibt, ist auch für die vorlactanzische Apologetik keineswegs ungewöhnlich: »He believed that people throughout time had been able to catch glimmers of the truth about God and, once enlightened by Christ, would be able to see the entire classical tradition as testifying to this truth.«
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hang vor allem die Bedeutungen als »Vernünftigkeit« oder »menschliche Vernunft«.116 Lactanz verwendet ähnlich wie die Natur auch die ratio, die Vernünftigkeit oder Vernunftgemäßheit, als Evidenzmarker. Bisweilen stehen beide Elemente auch beisammen.117 Im Vergleich zu der lactanzischen Verwendung von natura fällt auf, daß unser Autor ratio in Präpositionalausdrücken und vor allem Partizipialausdrücken wesentlich seltener verwendet. Er forciert die Personifikation vielmehr dadurch, daß er ratio als Subjekt mit einem finiten Verb verbindet: Die ratio lehrt,118 verkündet,119 führt zu den Schlupfwinkeln der Wahrheit (ira 2,10) oder scheint in anderer Weise als Autorität tätig zu werden.120 Das menschliche Denken (cogitatio) führt zum höchsten Gut.121 Die menschliche Vernunft ist für Lactanz also nicht nur ein Evidenzmarker, sondern auch ein Erkenntnisweg. Die so gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich vor allem auf den ersten Bereich des Wissens.122 Sehr häufig scheint dieses vernunftgestützte Wissen aber bis in den zweiten Bereich des Wissens hineinzureichen, wenn etwa abstrakt von der Wahrheit oder dem höchsten Gut die Rede ist123 oder aber Lactanz konkret eine Verbindung zu Gott herstellt.124 Dieser zweite Bereich des Wissens scheint auch dann tangiert, wenn Lactanz die ratio mit dem status rectus-Motiv in Verbindung bringt.125 Vor allem ist die ratio aber nach lactanzischer Auffassung dazu in der Lage, falsche Aussagen und Vorstellungen zu widerlegen. So beruft sich Lactanz insbesondere häufig im Zuge seiner Polemik gegen die Götterverehrung auf die menschliche Vernunft (ratio). In diesem Zusammenhang stellt unser Autor die menschliche Vernunft (ratio) auch pointiert als besseren Erkenntnisweg dem seiner Ansicht nach schlechteren Erkenntnisweg gegenüber, nämlich der Tradition mit ihrer Berufung auf die normative Bedeutung der Sitte der Vorfahren (mos maio116 Am ehesten entspricht diesen Bedeutungen der Eintrag in OLD 1576 s.v. ratio 7 The exercise of reason. b the faculty of reason. 117 Inst. 1,5,6; inst. 4,3,19; inst. 7,5,19; epit. 52,3. 118 Inst. 5,7,8; 5,17,25 (docet). 119 Inst. 4,4,7; ira 10,51 (declarat). 120 Inst. 5,17,29: quod quidam nobis et ratio et veritas ipsa praescribit; inst. 7,4,12: ratio ac necessitas exigebat; epit. 52,3: nam neque ratio neque natura ipsa permittit... 121 Inst. 3,11,16; inst. 3,12,24: ipsa igitur cogitatio per ordinem gradiens et universa considerans perducit nos ad eximium illut ac singulare cuius causa nascimur bonum. 122 Inst. 7,4,13-15 (vgl. aber die theologische Wendung in inst. 7,4,16); ira 10,41. Zu den verschiedenen Bereichen des Wissens vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.3. 123 Ira 2,10 (veritas); inst. 3,11,16; 3,12,24 (summum bonum). 124 Inst. 3,10,6: et quia in homine ratio ipsa perfecta est, sapientia nominatur, quae in hoc eximium facit hominem, quod soli datum est intellegere divina; inst. 7,4,16; ira 14,2: solus est enim qui sentiens capaxque rationis intellegere possit deum. 125 Inst. 2,1,14f.
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rum).126 Dabei betont er, daß jeder sich über den Sinn des Lebens ein eigenes Urteil bilden und die umlaufenden Theorien mit Hilfe der allen Menschen von Gott gegebenen Weisheit sorgfältig und kritisch prüfen müsse.127 Hier scheint Lactanz tatsächlich in der seiner Ansicht nach entscheidenden Frage der Religion gegenüber von außen herangetragenen Vorgaben das persönliche kritische Urteil und die persönliche Verantwortung des einzelnen zu betonen:128 Die vernunftbegabte Entscheidung des einzelnen wiegt schwerer als die gewachsene Tradition. Das Eintreten für die ratio und gegen ihr (angebliches) Fehlen bei den Götterverehrern bezieht sich aber nicht nur auf die ratio als Erkenntnisweg, sondern auch auf die ratio als Vermittlungsmethode: Lactanz wirft den Christenverfolgern vor, ihre religiösen Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen und nicht, wie es sich gehöre, durch vernünftige Argumentation (inst. 5,19,8-14). Daraus folgert er, daß die Götterverehrer – im Gegensatz zu den Christen – keine vernünftige Begründung für ihre religiösen Vorstellungen anzuführen imstande seien (inst. 5,19,18). Doch nicht nur den Götterverehrern, auch Mitchristen wirft Lactanz vor, bei der Propagierung ihrer Ansichten nicht auf ratio zu setzen: So kritisiert unser Autor insbesondere Cyprian dafür, daß er in seiner Apologie nicht mit vernünftiger Argumentation (inst. 5,4,4: argumentis et ratione), sondern mit Bibelstellen gearbeitet habe.129
126 Inst. 2,6,7-2,7,6; insbesondere inst. 2,6,11: si rationem mavis, discedere te necesse est ab institutis et auctoritate maiorum, quoniam id solum rectum est quod ratio praescribit: si autem pietas maiores sequi suadet, fatere igitur et illos stultos fuisse, qui excogitatis contra rationem religionibus servierunt, et te ineptum, qui id colas quod falsum esse conviceris (die Dimension der ratio ist durch normale Unterstreichung, die Dimension des mos maiorum durch gewellte Unterstreichung hervorgehoben). 127 Inst. 2,7,1-4: quare oportet in ea re maxime in qua vitae ratio versatur sibi quemque confidere suoque iudicio ac propriis sensibus niti ad investigandam et perpendendam veritatem, quam credentem alienis erroribus decipi tamquam ipsum rationis expertem. (2) dedit omnibus deus pro virili portione sapientiam, ut et inaudita investigare possent et audita perpendere. nec quia nos illi temporibus antecesserunt, sapientia quoque antecesserunt, quae si omnibus aequaliter datur, occupari ab antecedentibus non potest. (3) inlibabilis est tamquam lux et claritas solis, quia ut sol oculorum sic sapientia lumen est cordis humani. (4) quare cum sapere id est veritatem quaerere omnibus sit innatum, sapientiam sibi adimunt, qui sine ullo iudicio inventa maiorum probant et ab aliis pecudum more ducuntur. Die Gleichsetzung von sapere und veritatem quaerere steht in einem recht krassen Gegensatz zu der lactanzischen Argumentation in inst. 3,2,3-10, wo Lactanz das Streben nach Weisheit von dem Besitz der Weisheit deutlich unterscheidet. 128 Vgl. Winger 1999, 269. 613. 129 Dementsprechend rechtfertigt Lactanz sein Vorgehen in der Schrift De ira dei damit, daß seine Gegner (hier die Philosophen) ratione quoque et argumentis hätten widerlegt werden müssen (ira 22,3).Vgl. oben den Abschnitt 2.2.4.
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4.2.5.2 Grenzen des Einflusses menschlicher Vernunft und Überlegung Trotzdem stellt das menschliche Denk(vermög)en aus lactanzischer Sicht keine eigenständige Quelle der Normsetzung dar. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Stellen, an denen Lactanz allgemein auf die Notwendigkeit göttlicher Offenbarung verweist,130 sondern auch solche Passagen, in denen Lactanz konkret menschliches Denken und menschlichen Diskurs kritisiert:131 Erkenntnisse aus dem zweiten Bereich des Wissens können demnach durch die menschliche Vernunft und ihre Funktionen allein nicht gewonnen werden. Die Möglichkeiten der bloßen Vernunft beschränken sich vielmehr darauf, Falsches zu widerlegen, wie Lactanz explizit sagt.132 Dem entspricht die lactanzische Praxis, den normativen Wert der ratio gerade dann hervorzuheben, wenn es um die Widerlegung gegnerischer Positionen geht. Lactanz will also seine Kontrahenten – wie er selbst in methodologischen Aussagen betont133 – mit den eigenen Waffen – hier dem Rekurs auf ratio – schlagen. Daraus folgt aber keine absolute oder generelle Aufwertung der ratio. Für den zweiten Bereich des Wissens garantiert die ratio lediglich die potentielle, passive Möglichkeit, einer von außen – nämlich letztlich von Gott – kommenden Offenbarung teilhaftig zu werden.134 4.2.5.3 ›Rationaler Diskurs‹ im Spannungsfeld zwischen Christentum und etablierter Bildungselite Wie kommt es aber nun, daß Lactanz sich immer wieder auf menschliche Überlegung und Rationalität beruft, wenn er doch, wie wir sahen, diesen Faktoren keinerlei eigenständige Normativität zubilligt? Offenkundig reagiert unser Autor auf die immer wieder von Gegnern des Christentums vorgetragene Polemik, die Christen seien ungebildete, leichtgläubige Leute bar 130 Vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.1. 131 Inst. 1,1,5; inst. 3,1,6 ... nec si philosophi doctrina litterarum mirabiles extiterunt, ego illis etiam scientiam veri cognitionemque concesserim, quam nemo cogitando aut disputando adsequi potest...; inst. 3,3,2f.: scientia venire ab ingenio non potest nec cogitatione conprehendi, quia in se ipso habere propriam scientiam non hominis, sed dei est. (3) mortalis autem natura non capit scientiam nisi quae veniat extrinsecus; inst. 3,16,10: nos ab hac calumnia inmunes ac liberi sumus qui philosophiam tollimus, quia humanae cogitationis inventio est, sophiam defendimus, quia divina traditio est...; inst. 3,16,16f.: ... sed videlicet Graeci quia sacras veritatis litteras non attigerant, quemadmodum depravata esset sapientia nescierunt; (17) et ideo cum vacare sapientia humanam vitam putarent, philosophiam commenti sunt id est latentem atque ignotam sibi veritatem disserendo eruere voluerunt: quod studium per ignorantiam veri sapientiam putaverunt; inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus); ira 1,5. 132 Inst. 2,3,19: non sum equidem tam iniquus, ut eos putem divinare debuisse, ut veritatem per se ipsos invenirent, quod ego fieri non posse confitear, sed hoc ab iis exigo quod ratione ipsa praestare potuerunt. 133 Etwa opif. 20,3; inst. 3,1,2; 6,10,21. 134 Ira 14,2: solus est enim qui sentiens capaxque rationis intellegere possit deum.
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jeder Vernunft, die christliche Lehre aber eine unheilige Mischung aus dreisten Lügen und tumber Leichtgläubigkeit. Daher könne das Christentum auch nicht mittels rationaler Argumentation verteidigt werden, sondern müsse die Leute zu blindem Glauben zwingen.135 Damit wird das Christentum als außerhalb des antiken Diskurses über Philosophie und Religion stehend ausgegrenzt. Christliche Schriftsteller haben freilich das Ihrige zu dieser Fremdwahrnehmung beigetragen. Zwar hätten nicht alle Christen in Tertullians certum est, quia impossibile (carn. 5 l. 28f.) einstimmen wollen, und die Alexandriner Clemens und Origenes maßen dem menschlichen Denken eine bedeutende Rolle bei.136 Dennoch wird auf christlicher Seite gegenüber menschlicher Vernunft und ihren Erkenntnismöglichkeiten die durch Bibel und göttliche Gnade geschenkte Offenbarung betont, und zwar als etwas Überlegenes, kategorial Höherstehendes. Und das jüdisch-christliche Konzept von der »Weisheit der Welt«137 läuft durchaus darauf hinaus, die außerchristlichen – beziehungsweise außerjüdischen – Erkenntnisse und Erkenntniswege, die für sich Rationalität in Anspruch nehmen, in empfindlicher Weise abzuwerten, zu diskreditieren oder gar vollständig zu entwerten. Die normative Konkurrenz zwischen christlichen und griechisch-römischen Vorstellungen erstreckte sich also auch und gerade auf die intellektuelle Dimension. Und die mehr oder weniger vollständige Entwertung des in der Antike etablierten, auf der klassischen Bildung fundierenden Diskurses war ein Schlag ins Gesicht der nichtchristlichen Gebildeten, die gerade aus diesem Diskurs und ihrer Fähigkeit, daran teilzunehmen, ihre Identität und ihr Selbstwertgefühl schöpften. In lactanzischer Zeit erreichte dieser Konflikt offenbar einen neuen Höhepunkt, obgleich die Rolle von offenbarten oder doch zumindest normativ stark aufgeladenen Texten im außerchristlichen Kontext stark an Gewicht gewonnen hatte.138 Die Vehemenz, mit der nicht nur Lactanz, sondern auch seine Zeitgenossen Arnobius und Eusebios sich selbst auf Vernunft, Plausibilität und vernünftige Erklärbarkeit ihrer Aussagen berufen und dementsprechende Angriffe und Vorwürfe referieren, zurückweisen oder auf die Gegner des Christentums zurückschleudern, spricht jedenfalls für sich.139 135 Vgl. Kelsos ap. Orig. c. Cels. 3,44. 55. Vgl. auch den Niederschlag antichristlicher Kritik bei Eus. Pr. Ev. 1,2,4; Dem. Ev. 1,1. Vgl. auch Guyot-Klein 1994, II 361f.; Fiedrowicz 22001, 164166. 136 Vgl. Markschies 2001, 19. Zu Origenes vgl. auch Görgemanns 1999 passim. 137 Vgl. dazu Guyot-Klein 1994, II 280 mit Verweis auf Jes 29,14; Dan 2,20; Mt 11,25-30 und Stockmeier 1976, 529. 138 Über die große Bedeutung offenbarter Texte in der griechischen Philosophie nicht nur, aber gerade auch in der Spätantike handelt Hadot 1987, passim. 139 Vgl. Simmons 1995, 31. 274f. 277. 335-337.
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Indem Lactanz seine Wertschätzung der menschlichen Vernunft beteuert, unterläuft er die Strategie der Gegner des Christentums, christliche Intellektuelle aus dem gehobenen antiken Diskurs über Religion und Philosophie auszuschließen.140 Darüber hinaus bietet der Rekurs auf menschliche Vernunft Lactanz auch die Möglichkeit, seine Gegner entsprechend seinem Programm mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür bietet seine Gegenüberstellung von ratio und mos maiorum, wo er gerade das kritische Denkvermögen, dessen Unterdrückung den Christen vorgeworfen wurde, als unvereinbar mit der Götterverehrung (inst. 2,6,7 2,7,6) darstellt. Daraus folgt freilich keine normativ eigenständige Bedeutung menschlichen Denkvermögens: es ist, wie Lactanz sehr präzise angibt, zwar zur Widerlegung falscher Aussagen in der Lage, nicht aber zu einem mehr als zufälligen Auffinden positiver Erkenntnis aus dem zweiten, heilsnotwendigen Bereich des Wissens.141 Diese Erkenntnis muß seiner Ansicht nach vielmehr von außen kommen. 4.2.5.4 Zusammenfassung Wie wir sahen, beruft sich Lactanz in der Tat sehr häufig auf Rationalität im allgemeinen wie auch auf menschliche Vernunft und Überlegung im besonderen. Für dieses Verhalten haben wir zwei Gründe gefunden: Erstens will Lactanz seinen Vorstellungen beim in der antiken Kultur und ihrem Diskurs sozialisierten Leser Glaubwürdigkeit verleihen. Zweitens stellt die Betonung der Rationalität eine Reaktion auf den zu seiner Zeit mit besonderer Verve vorgetragenen Vorwurf dar, die Christen seien ungebildete, leichtgläubige Toren. Trotz Ansätzen zu einer schöpfungstheologischen Würdigung menschlicher Vernunft in der Schrift De ira dei reicht diese aber nach lactanzischer Auffassung nicht zur Gotteserkenntnis aus und stellt damit keine eigenständig normsetzende Instanz dar. 4.2.6 Erfahrungswerte als normsetzende Faktoren? Lactanz beruft sich in seiner Argumentation mehrmals auf ›gesunden Menschenverstand‹ und evidente Alltagserfahrungen. In jüngster Zeit hat man dies zum Anlaß genommen, in der Alltagspraxis und den dabei gewonnenen 140 Eine Strategie, die möglicherweise später Kaiser Julian mit seinem sogenannten Rhetorenedikt fortgesetzt hat, vgl. Bowersock 1978, 84. 141 Inst. 2,3,19f.: non sum equidem tam iniquus, ut eos putem divinare debuisse, ut veritatem per se ipsos invenirent, quod ego fieri non posse confitear, sed hoc ab iis exigo quod ratione ipsa praestare potuerunt. (20) facerent enim prudentius, si et intellegerent esse aliquam veram (sc. religionem) et falsis impugnatis aperte pronuntiarent eam quae vera esset ab hominibus non teneri.
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Erfahrungen und Erkenntnissen eine für die lactanzische Ethik eigenständig normsetzende Instanz zu sehen.142 Aus dieser Perspektive lassen sich dann sogar geradezu wissenschaftliche Züge an der lactanzischen Ethik sehen. Denn diese scheint sich auf empirische Daten und auf Begründungszusammenhänge zu stützen, die aus diesen Daten abgeleitet werden:143 Handeln, das Sicherheit im Bereich der humana verlangt und nicht auf dem Feld der obscura vonstatten gehen kann, richtet sich nach empirisch greifbaren (experimentum) und aus dem praktischen Vollzug herleitbaren, der Vernunft zugänglichen (usus) Gründen.
In der Tat betont Lactanz den praktischen Umgang mit den Dingen (inst. 3,7,3: usus rerum) und Erfahrungen aus dem Alltag144 als Grundlagen ethischer Erkenntnis – die Physik komme demgegenüber nicht über bloßes Vermuten hinaus. Auch hier ist aber der Kontext zu beachten. Die Berufung auf praktische Erfahrung ist in inst. 3,7,4 nämlich nur Mittel zum Zweck. Die Relevanz der Ethik und die relative Bedeutungslosigkeit der Physik stellen Topoi dar, die in der Antike weit verbreitet sind. Darüber hinaus geht es Lactanz vor allem um die Nichtigkeit des akademischen Skeptizismus145 – den unser Autor freilich hier mit dem zu seiner Zeit vorherrschenden pyrrhonischen Skeptizismus146 gleichsetzt. Wie wenig Bedeutung Lactanz tatsächlich der praktischen Erfahrung beimißt, wird schon im nächsten Kapitel deutlich: Dort ist es nämlich kein anderer als Gott, der angesichts der Vielfalt philosophischer ›Lehrangebote‹
142 Vgl. Winger 1999, 460-465 unter der Überschrift »Das erkenntnistheoretische Fundament der Ethik: usus et experimenta (3,7,1-6) – die Rolle der Erfahrung«. Vgl. auch Vanderjagt 1997, 367f.: »He [Lactantius, J.W.] does, however, in this book [inst. 3, J.W.] accentuate that in his vision of wisdom nature itself, daily usage and the necessities of life teach us the foundation of wisdom.« Derselbe fügt freilich (S. 368) hinzu, daß nach lactanzischer Auffassung wirkliches Wissen nur durch biblische Propheten, Evangelisten und Apostel erreicht werden könne. 143 Winger 1999, 465. Ebd. reduziert Winger auch den Glauben auf ein bloßes Motivationsinstrument. – Auf Seite 464 widerspricht er sich allerdings selbst, wenn er im Haupttext schreibt »Grundlage ethischer Kenntnis sind usus et experimenta, Alltagspraxis und Erfahrung:3109 Grundlage dessen, was der Mensch über das göttliche Geheimnis weiß, ist die Offenbarung.3110« und die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen den Grundlagen ethischer Kenntnis einerseits und Grundlagen der Offenbarung andererseits durch die Anmerkung 3110 (»Das hat freilich Auswirkungen auf die Fundamente der Ethik.«) wieder aufhebt. Hier werden moderne Philosopheme in Lactanz hineingelesen, die ihm ferngelegen haben dürften. Einen ähnlichen Eindruck vermittelt Winger 465, Anm. 3115-3117. 3119f. und 3121, wo die Anwendung moderner Positionen »als hermeneutischer Hintergrund für die Positionsbestimmung des Lactanz« gerechtfertigt werden soll. 144 Inst. 3,7,4; 3,26,3: cottidiana experimenta. 145 Vgl. Faes de Mottoni 1982, 366f., die insbesondere auch betont, daß die Empirie hier nicht etwa als Quelle der Wissenschaft angesehen wird, sondern der Wissenschaft vielmehr gegenübergestellt wird und diese ersetzt. 146 Vgl. Gärtner 1995, 142.
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die Grundlage für die ethische Entscheidung des Menschen ist147 – von praktischen Erfahrungswerten ist keine Rede mehr. Diese sind stattdessen lediglich für den ersten Bereich des Wissens bedeutsam, in dem es um profane Probleme des Alltags geht. Zu Erkenntnissen aus dem zweiten, heilsnotwendigen Bereich des Wissens können dagegen die praktischen Erfahrungswerte nichts beitragen.148 In diese Richtung weist auch die Schrift De ira dei: Dort erklärt Lactanz, daß menschliche Wahrnehmungsmöglichkeiten (nostri beziehungsweise humani sensus) niemals die Wahrheit offenbaren können (ira 1,5; 11,10). Als evidente Alltagserfahrung präsentiert Lactanz auch die schlagartige ethische Besserung böser und lasterhafter Menschen durch die christliche Lehre beziehungsweise Taufe, deren Wirkung er werbewirksam mit den Worten gratis ista fiunt, facile, cito (inst. 3,26,11) anzupreisen weiß. Lactanz verwendet also menschliche Erfahrungswerte zwar dort, wo ihm das vorteilhaft erscheint, in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang. Für die Gotteserkenntnis oder auch nur Ethik bieten diese Erfahrungswerte aber aus seiner Sicht keinen hinreichenden Maßstab. 4.2.7 Das lactanzische Stufenmodell der Gotteserkenntnis Wie leicht die lactanzische Praxis, sich im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio – und sei es nur formal – an den außerchristlichen Diskurs anzupassen, zu Mißverständnissen führen kann, zeigt das Stufenmodell der Gotteserkenntnis aus der Schrift De ira dei: Es wird gerade in jüngster Zeit im Sinne des Synthese-Paradigmas als Beleg dafür interpretiert, daß Lactanz jeden Menschen in gewisser Weise als Christen auffasse und zwischen Christen und Nichtchristen – insbesondere Neuplatonikern oder anderen philosophischen Monotheisten – nicht mehr scharf unterscheide.149 Ich zitiere die betreffende Textstelle daher in vollem Wortlaut:
147 Vgl. inst. 3,8,1f.: quid ergo superest nisi ut [...] veniamus ad iudicem, illum scilicet datorem simplicis et quietae sapientiae, quae non tantum formare nos et inducere in viam possit, verum etiam de controversiis istorum ferre sententiam? (2) haec nos docet quod sit hominis verum ac summum bonum... 148 Möglicherweise entspricht der Wingersche »Bereich der humana« dem hier angenommenen ersten Bereich des Wissens, die »obscura« aus Winger 1999, 465 dem zweiten Bereich des Wissens. Gleichwohl bleibt festzuhalten, daß für die lactanzische Ethik ja gerade der zweite Bereich des Wissens von entscheidender Bedeutung ist. 149 Vgl. Girardet 1998, 29 und besonders Digeser 2000, 79-83.
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ira 2,1-6a: Nam cum sint gradus multi per quos ad domicilium veritatis ascenditur, non est facile cuilibet evehi ad summum. caligantibus enim veritatis fulgore luminibus, qui stabilem gressum tenere non possunt revolvuntur in planum.
(2) primus autem gradus est intellegere falsas religiones et abicere inpios cultus humana manu fabricatorum, secundus vero perspicere animo quod unus sit deus summus, cuius potestas ac providentia effecerit a principio mundum et gubernet in posterum, tertius cognoscere ministrum eius ac nuntium quem legavit in terram, quo docente, liberati ab errore quo inplicati tenebamur formatique ad veri dei cultum, iustitiam disceremus.
(3) ex quibus omnibus gradibus, ut dixi, pronus est lapsus et facilis ad ruinam, nisi pedes inconcussa stabilitate figantur. (4) de primo gradu eos excuti videmus qui, cum falsa intellegant, tamen verum non inveniunt contemptisque terrenis fragilibusque simulacris non ad colendum se deum conferunt, quem ignorant, sed mundi elementa mirantes, caelum terram mare solem ceteraque astra venerantur. sed horum inperitiam iam coarguimus in secundo Divinarum Institutionum libro.
Denn da es viele Stufen gibt, über die man zum Wohnort der Wahrheit aufsteigt, ist es nicht einfach für jeden beliebigen zum Gipfel zu gelangen. Weil die Augen nämlich von dem Glanz der Wahrheit geblendet werden, stürzen diejenigen, die einen festen Schritt nicht halten können, wieder auf die Ebene. (2) Die erste Stufe aber ist es, die (paganen) Religionen als falsch zu erkennen und sich von dem gottlosen Kult gegenüber Dingen, die durch Menschenhand hergestellt wurden, zu trennen, die zweite Stufe aber, mit dem Geist zu durchschauen, daß der höchste Gott der einzige ist, dessen Macht und Vorsehung von Anfang an die Welt geschaffen hat und fürderhin lenkt, die dritte Stufe, seinen Diener und Boten anzuerkennen, den er mit dem Auftrag auf die Erde geschickt hat, daß wir, befreit von dem Irrtum, in den verwickelt wir festgehalten wurden, und ausgebildet zur Verehrung des wahren Gottes, durch seine Belehrung die Gerechtigkeit erlernen sollten. (3) Von allen diesen Stufen ist wie gesagt der Fall zum Untergang jäh und leicht, sollten die Schritte nicht in unerschütterlicher Festigkeit gesetzt werden. (4) Von der ersten Stufe werden, wie wir sehen, diejenigen gestoßen, welche, obwohl sie die falschen Dinge als solche erkennen, trotzdem das Wahre nicht sehen und, obgleich sie die irdischen und zerbrechlichen Abbilder verachten, sich nicht der Verehrung Gottes zuwenden, welchen sie nicht kennen, sondern die Elemente der Welt, den Himmel, die Erde, das Meer, die Sonne und die übrigen Gestirne bewundern und verehren. Aber deren Unkenntnis haben wir schon im zweiten Buch der Divinae Institutiones
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
(5) de secundo vero gradu eos dicimus cadere qui, cum sentiant unum esse summum deum, idem tamen a philosophis inretiti et falsis argumentationibus capti aliter de unica illa maiestate sentiunt quam veritas habet; qui aut figuram negant habere ullam deum aut nullo adfectu commoveri putant, quia sit omnis adfectus inbecillitatis, quae in deo nulla est.
(6) de tertio vero hi praecipitantur qui, cum sciant legatum dei eumdemque divini et inmortalis templi conditorem, tamen aut non accipiunt eum aut aliter accipiunt quam fides poscit...
überführt. (5) Von der zweiten Stufe aber fallen, so sagen wir, diejenigen, welche, obwohl sie merken, daß der höchste Gott der einzige ist, trotzdem in die Fallstricke der Philosophen geraten und gefangen von falschen Argumentationen andere Ansichten über jene einzigartige Majestät haben als es die Wahrheit zuläßt; diese leugnen entweder, daß Gott irgendeine Gestalt habe oder glauben, daß er affektlos sei, weil jeder Affekt ein Zeichen von Schwäche sei, welche in Gott überhaupt nicht vorhanden ist. (6) Von der dritten Stufe werden aber kopfüber diejenigen gestürzt, welche, obwohl sie wissen, daß er der Gesandte Gottes und derselbe der Gründer des göttlichen und unsterblichen Tempels ist, ihn dennoch entweder nicht annehmen oder anders annehmen als es der Glaube fordert...
Jede der drei Stufen ist also mit einer richtigen Erkenntnis verbunden, die aber jeweils eine Gefahr in sich birgt: Stufen der lactanzischen Stufenleiter Richtige Erkenntnis
Gefahr
1. Ablehnung der Götterverehrung
Naturverehrung
2. Monotheismus
Falscher Gottesbegriff
3. Christusglaube
Falsche Christologie
Dieses Modell weist Ähnlichkeiten mit philosophischen und religiösen Konzeptionen auf, die ebenfalls Stufen der (Gottes-)Erkenntnis unterscheiden.150 Diese Ähnlichkeit ist sicherlich kein Zufall. Doch hat sie dazu ver150 Als ältester Beleg für das Modell des stufenweisen Aufstiegs gilt eine Stelle im Symposion Platons, wo Diotima beim Aufstieg zur Schau des Schönen verschiedene Stufen unterscheidet (Plat. Symp. 211c). Das Stufenmodell fand nicht nur in der Philosophie, sondern auch in den Mysterienreligionen Verwendung. Die inhaltliche Füllung der verschiedenen Stufen konnte dabei ebenso wie ihre Zahl variieren. So zeichnet sich beispielsweise in Mysterienreligionen häufig eine
Zum Stellenwert religiöser und philosophischer Wertvorstellungen
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führt, aus der Ähnlichkeit in der Form auch eine Ähnlichkeit im Inhalt zu konstruieren, bei der die Grenzen zwischen Christentum und beispielsweise neuplatonischer Gnosis verschwimmen. So geht Elizabeth DePalma Digeser davon aus, daß sämtliche nichtchristlichen Monotheisten nach dem lactanzischen Stufenmodell die zweite Stufe der Gotteserkenntnis erklommen haben.151 Doch Lactanz betont explizit, daß, wer ›falsche‹ Ansichten über Gott hegt, von der zweiten Stufe stürzt.152 Lactanz nennt hier zwei Gruppen: diejenigen, die die Gestalthaftigkeit Gottes leugnen und diejenigen, die den Zorn Gottes leugnen. Gegen die letztere Gruppe richtet sich explizit die gesamte Schrift De ira dei, in der das hier behandelte Stufenschema steht. Wer ist aber mit der ersten Gruppe (qui figuram negant habere ullam deum) gemeint? Im weiteren Verlauf der Schrift (ira 18,13) nennt Lactanz selbst die Stoiker als Anhänger dieser Lehre. Wesentlich größere Aktualität gewinnt die Frontstellung des Lactanz aber dadurch, daß Porphyrios in seiner Vita Plotini die Gestaltlosigkeit Gottes gerade im Zusammenhang mit dem (Stufen-)Aufstieg der Seele erwähnt.153 Hinter dem vordergründigen Angriff auf die Stoiker verbirgt sich also ein hochaktueller Angriff auf den Neuplatonismus, vielleicht sogar auf Porphyrios persönlich. Ebenfalls problematisch ist die Vorstellung, Lactanz schreibe die dritte und höchste Stufe nicht nur Christen, sondern auch philosophischen Monotheisten zu:154 Demgegenüber erklärt Lactanz ausdrücklich, daß es nicht ausreicht, in Christus den Mittler Gottes zu sehen, sondern daß man eine Abfolge ȜįȚįȢȞցȣ, ijıȝıijս, Ԛʍȡʍijıտį, ȞįȜįȢțIJȞցȣ ab. Bei Theon von Smyrna (2. Jh. n. Chr.), der explizit Philosophie und Mysterien hinsichtlich der Stufenleiter parallelisiert, liegen fünf Stufen vor (ed. Hiller, p. 14-16): ȜįȚįȢȞցȣ (p. 14,21), ijıȝıijս (p. 14,26), Ԛʍȡʍijıտį (p. 15,1), ԐȟչİıIJțȣ Ȝįվ IJijıȞȞչijȧȟ ԚʍտȚıIJțȣ (p. 15,2f.), Ȝįijո ijր ȚıȡĴțȝպȣ Ȝįվ Țıȡהȣ IJȤȟİտįțijȡȟ ıİįțȞȡȟտį (p. 15,6f.) beziehungsweise ıİįțȞȡȟտį Ȝįվ Ȝįij įijրȟ ijրȟ ȇȝչijȧȟį ՍȞȡտȧIJțȣ Țı Ȝįijո ijր İȤȟįijցȟ (p. 15,21–16,2). Bei Plotin kann man, wenn man die teilweise sehr unterschiedlichen Formulierungen zusammennimmt, die Stufen 1) sinnliche Wahrnehmung, 2) logischer Verstand (ȝȡȗțIJȞցȣ), 3) reine Vernunft (ȟȡףȣ), 4) das Eine beziehungsweise das Gute (ijր ԥȟ beziehungsweise ԐȗįȚցȟ) unterscheiden (vgl. Plot. 4,8,1; 6,7,22; 6,9,3. 7). Außerdem ist etwa in Plot. 1,2,3-6 von Reinigungen beziehungsweise Tugenden die Rede. Vgl. allgemein Hopfner: RE VI A,1 (1936), 259 s.v. Theurgie; Pfister 1940, 105-107; Schwyzer: RE XXI,1 (1951) 570f. s.v. Plotin; Pfister: RAC 4 (1959), 979-981 s.v. Ekstase; Chadwick 1999, 66. 75f.; Garnsey-Humfress 2001, 158. 151 Digeser 2000, 83. 152 Ira 2,5: qui [...] aliter de unica illa maiestate sentiunt quam veritas habet. 153 Vgl. Porph. VP 23: (die Rede ist von Plotin) Ȇ՝ijȧȣ İպ ȞչȝțIJijį ijȡփij ij İįțȞȡȟտ Ĵȧijվ ʍȡȝȝչȜțȣ ňԐȟʼnչȗȡȟijț (Konjektur von Kirchhoff, übernommen in der Ausgabe von Brisson u.a.; überliefert ist Ԛȟչȗȡȟijț) ԛįȤijրȟ ıԼȣ ijրȟ ʍȢijȡȟ Ȝįվ ԚʍջȜıțȟį Țıրȟ ijįהȣ Ԛȟȟȡտįțȣ Ȝįվ Ȝįijո ijոȣ Ԛȟ ij »ȉȤȞʍȡIJտ «ՙĴșȗșȞջȟįȣ Սİȡւȣ ij ȇȝչijȧȟț ԚĴչȟș ԚȜıהȟȡȣ Ս Țıրȣ Ս Ȟսijı ȞȡȢĴռȟ Ȟսijı ijțȟո Լİջįȟ Ԥȥȧȟ, ՙʍպȢ İպ ȟȡףȟ Ȝįվ ʍֻȟ ijր ȟȡșijրȟ ԽİȢփȞıȟȡȣ 154 Digeser 2000, 83: »Although he [sc. Lactantius, J.W.] excludes from the last group [der dritten Stufe, J.W.] those who follow various heresies [...] he does not seem to dismiss philosophical monotheists.«
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
ganz bestimmte Christologie bejahen muß.155 Für Lactanz gibt es eine feste christliche Wahrheit – jede Abweichung (aliter sentire, aliter accipere) führt zum Sturz. Zwar stellt Lactanz die Konversion zum Christentum in einem Bild dar, das an antike Aufstiegsmodelle erinnert. Dies ist aber nicht etwa darauf zurückzuführen, daß Lactanz die mit solchen Aufstiegsmodellen verbundenen Vorstellungen selbst als normsetzend anerkennen würde. Vielmehr handelt es sich um eine Instrumentalisierung von Strukturen dieses philosophischen Denkens zugunsten des Christentums im Rahmen einer Synkatábasis/condescensio. Lactanz macht sich zwar das Stufenkonzept zunutze, um beispielsweise Neuplatoniker in vertrauten Bildern anzusprechen. Doch ist die inhaltliche Füllung der Stufen eine andere, und Lactanz läßt die Grenzen zwischen Christen und Nichtchristen nirgends verschwimmen. Für diese Interpretation spricht auch die Funktion, welche die lactanzische Stufenleiter innerhalb des Traktates erfüllt: Lactanz hat diese Stufenleiter in die Einleitung seines Werkes gesetzt. Nach (1.) der Benennung des Themas (Widerlegung der Auffassung, Gott könne nicht zürnen),156 und (2.) der Aussage, daß alle menschliche Weisheit ohne Gott nutzlos sei,157 steht diese Stufenleiter an dritter Stelle. Es folgt in der Einleitung lediglich noch eine Gliederung des Folgenden.158 Innerhalb dieses Kontextes dient die Stufenleiter als Skala, auf der man die von Lactanz verworfene Lehre von der Zornlosigkeit Gottes verorten kann. Das Ergebnis ist – aus christlicher Perspektive – niederschmetternd: Diejenigen Monotheisten, welche die Existenz des göttlichen Zornes leugnen, scheitern auf der zweiten Stufe der lactanzischen Stufenleiter und stürzen in die ›Ebene‹ hinab;159 sie werden also nicht nur als Nichtchristen gebrandmarkt, sondern auch als den Götterverehrern näher als den Christen dargestellt. Die lactanzische Stufenleiter dient also gerade nicht einem vereinnahmenden, sondern einem ausgrenzenden Argumentationsziel. Das auf der folgenden Seite abgebildete Schema veranschaulicht das lactanzische Stufenmodell: Jede der drei Stufen steht für einen weiteren Fortschritt in der Gotteserkenntnis. Doch besteht auf jeder der drei Stufen die Gefahr eines Absturzes, und zwar direkt hinab in die ›Ebene‹, nicht nur auf die nächstniedrigere Stufe. Das Christentum wird bei Lactanz innerhalb des Stufengleichnisses nicht explizit als vierte und Endstufe erwähnt; der Pfeil, der im Schema von der 3. Stufe (Christusglaube) zum Christentum führt, ist daher nicht durchgezogen, sondern gestrichelt. 155 Ira 2,6: qui [...] legatum dei [...] aliter accipiunt quam fides poscit. 156 Ira 1,1f. 157 Ira 1,2-9. 158 Ira 2,9f. 159 Dies wird von Digeser 2000, 83 nicht gesehen: »Although Epicureans would fall away here, any monotheist could mount step two.«
Zum Stellenwert religiöser und philosophischer Wertvorstellungen
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Das Stufenmodell der Gotteserkenntnis nach Lactanz Christentum
3. Stufe: Christusglaube
2. Stufe: Monotheismus
Ebene
1. Stufe: Ablehnung des Götterkultes Gefahr auf der 1. Stufe: Naturverehrung
Gefahr auf der 2. Stufe: falsches Gottesbild
Gefahr auf der 3. Stufe: falsche Christologie
4.2.8 Schluß Lactanz setzt sich mit den philosophischen und religiösen Wertvorstellungen paganer Provenienz sehr tendenziös auseinander. Insbesondere greift er dabei zu Mitteln der Instrumentalisierung, Pauschalisierung, Marginalisierung und Diskreditierung. Wieder konstatieren wir ein Ineinandergreifen von vereinnahmender und ausgrenzender Argumentationsstrategie. Dies ließ sich für die Themen von Monotheismus, Offenbarung und Jenseitsvorstellungen zeigen, die Lactanz alle für das Christentum zu monopolisieren sucht. So sieht er beispielsweise in der christlichen Eschatologie den einzigen hinreichenden Antrieb für ein tugendhaftes Leben: Pagane Jenseitsvorstellungen, die wie die christlichen postmortale Vergeltung propagieren,
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
werden von ihm entweder geleugnet oder aber angeprangert als Konzepte, die nicht die Tugend, sondern die Bereitschaft zum Selbstmord fördern. Wie selbständig Lactanz mit normativen Konzepten des philosophischen Diskurses umgeht, konnten wir auch an seiner Verwendung der Begriffe »Natur«, »Vernunft« und »praktische Erfahrung« sehen: Zwar verwendet Lactanz solche Konzepte häufig in einem vereinnahmenden Argumentationszusammenhang, aber eigenständige Normativität billigt er ihnen nicht zu: »Natur« versteht er beispielsweise nicht kosmotheistisch als vorgegebenes, göttliches Prinzip, sondern als Schöpfung, die sich sehr wohl von ihrem Schöpfer unterscheidet und diesem untergeordnet ist. Auch mit seiner Betonung von Vernunft und praktischen Erfahrungen zielt Lactanz nicht auf moderne Wissenschaftlichkeit ab. Vielmehr geht es ihm darum, als ernstzunehmender Teilnehmer am philosophischen Diskurs seiner Zeit mit seinen Ansichten anerkannt zu werden, ohne freilich die Wertbegriffe dieses Diskurses selbst als normsetzend anzuerkennen. Schließlich spricht auch das lactanzische Stufenmodell der Gotteserkenntnis trotz seiner formalen Ähnlichkeit mit paganen Aufstiegsmodellen nicht dafür, daß Lactanz auf eine klare Unterscheidung zwischen christlichen und nichtchristlichen Monotheisten verzichtete. Hinter der konziliant vereinnahmenden Form verbirgt sich stattdessen ein Argumentationsziel, das nicht nur Nichtchristen, sondern sogar christliche Anhänger abweichender Christologien ausgrenzt.
4.3 Zum Stellenwert politischer Wertvorstellungen 4.3.1 Einleitung 4.3.1.1 Christentum und römischer Staat Unsere Beschäftigung mit Lactanz führt uns auch auf die politische Dimension der lactanzischen Texte. Daher sollen hier einige Aspekte des Verhältnisses zwischen Christentum und römischem Staat dargelegt werden, die für die Lactanzinterpretation besonders bedeutsam sind. Dieses Verhältnis war von Anfang an problematisch. Dies hängt nicht zuletzt mit dem messianischen Charakter des Christentums zusammen. Schon die Fremdbezeichnung, ȌȢțIJijțįȟȡտ, Christiani deutet durch das Suffix –ani darauf hin, daß die Christen als politische Gruppe wahrgenommen wurden.1 Und diese ursprüngliche Fremdbezeichnung haben die Christen bald als Selbstbezeichnung übernommen. Im Verhältnis zum Staat ergab sich der Konflikt insbesondere durch die Weigerung der Christen, sich am Herrscherkult für die römischen Kaiser zu beteiligen. Abgesehen davon konnte die christliche Haltung gegenüber dem Staat zwischen polemischer Verdammung und pragmatischer Mitarbeit schwanken. Einerseits sahen einige Kirchenväter unter Berufung auf die Bibel (2 Thess 2,7) in Rom die Macht, deren Existenz den Weltuntergang hinauszögert.2 Auch betonten die Apologeten eifrig die Verbindung zwischen Monarchie und Monotheismus.3 Andererseits zogen die Christen aber auch von Anfang an eine deutliche Grenze zwischen sich und dem Rest der Menschheit: Der exklusive Anspruch auf alleinigen Besitz der Wahrheit bezog sich eben nicht nur auf die Problematik des Herrscherkultes. Vielmehr konnte er auch dazu führen, in den Juden nicht mehr zu sehen als Gottesmörder und in den Götterverehrern nicht mehr als gewissenlose Diener finsterer Dämonen.4 Die jüdische und pagane Umwelt reagierte häufig auf christliche Agitation ihrerseits mit Verleumdungen, Ausschreitungen oder gar blutigen Christenverfolgungen. Mit der Zeit verstärkte sich der unmittelbare Zugriff des römischen Staates auf Provinzen und Bevölkerung. Ein Schwerpunkt dieser Tendenz lag in der Severerzeit: Die constitutio Antoniniana (212) des Caracalla verlieh allen – freien – Bewohnern des Imperium das Bürgerrecht. Dies brachte ne1 2 3 4
Vgl. Young 2000, 635; Markschies 22001, 17f. Vgl. Young 2000, 639; Fiedrowicz 22001, 199f.; Markschies 22001, 39f. Vgl. Young 2000, 644f. Vgl. Young 2000, 640. 643. 645. 647-649.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
ben Rechten auch Pflichten – insbesondere steuerliche – mit sich, und aufgrund des engen Zusammenhanges von Religion und Politik auch religiöse Pflichten. Seit dem Prinzipat war der Herrscherkult ein wichtiger Mechanismus, um die Loyalität der Untertanen zu kontrollieren.5 Das Versäumnis dieser religiösen Pflichten konnte stärker noch als zuvor als Illoyalität gegenüber Kaiser und römischem Staat aufgefaßt werden. Insofern ergaben sich besondere Probleme für die Christen. Eine weitere Maßnahme, die zur Vereinheitlichung des römischen Staates führte, waren die juristischen Bemühungen der Severerzeit. So verfaßte Ulpian ein Handbuch De officio proconsulis, durch das wenigstens tendenziell eine Grundlage für einheitliche Rechtsprechung in den Provinzen gelegt wurde. Unter Diocletian wurde dieses juristische Engagement wieder aufgenommen: Zwei Kompilationen (Codex Gregorianus und Codex Hermogenianus) dienten ebenso wie direkte legislative Eingriffe (beispielsweise das Heiratsgesetz von 295)6 der Vereinheitlichung der Justiz im römischen Imperium.7 Gleichzeitig ist darin auch ein Versuch zu sehen, den von Kaiser und Imperium erhobenen Anspruch auf Verteidigung der Religion in die Tat umzusetzen.8 In diesen Zusammenhang lassen sich auch die systematischen Christenverfolgungen unter Decius, Valerius und vor allem Diocletian und seinen Nachfolgern einordnen. Das Auftreten des Kaisers Constantin, des ersten Kaisers, der dem Christentum eindeutig zuneigte und es mehr und mehr förderte, war ein epochales Ereignis. Allerdings sind Kaiser Constantin und insbesondere seine religiösen Auffassungen nach wie vor in der Forschung umstritten. Während ein Strang der Forschung vor allem die ›realpolitischen‹ Motivationspotentiale in Rechnung stellt,9 sieht ein anderer Strang in erster Linie genuin religiöse Vorstellungen am Werke.10 Dabei wird auch die Frage kontrovers diskutiert, wie viel spezifisch Christliches der philosophische solare Monotheismus des Constantin an sich hatte.11 Schon seine Ausrufung zum Augustus (306) konstituierte einen Bruch der tetrarchischen Ordnung. Im Jahre
5 Vgl. Fiedrowicz 22001, 196f. 6 Vgl. Coll. Mos. et Rom. Leg. 6,4 (FIRA2 II 558-560). 7 Vgl. zu dieser Entwicklung im 3. Jh. Digeser 2000, 47-53; Drake 2000, 139; GarnseyHumfress 2001, 21f. 8 Coll. Mos. et Rom. Leg. 6,4 (FIRA2 II 558-560; pietas besonders in 6,4,2 betont); Coll. Mos. et Rom. Leg. 15,3,2 (FIRA2 II 580); Corcoran 1996, 174. 9 Vgl. beispielsweise Bleicken 1992, passim. Eine genuine Hinwendung zum Christentum sprach Constantin schon Burckhardt 1853 (1978) ab. 10 Vgl. beispielsweise Bringmann 1995, passim; Girardet 2000, 108-115. 11 Vgl. Drake 1999, 390: »Today there is less dabate over the sincerity of Constantine’s conversion, but also more attention given to the type of Christian he became.«
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310 schwenkte dann12 auch die Legitimation seiner Herrschaft um: Nunmehr wurde nicht mehr der tetrarchische Status des Herculius, der Constantin wie seinen Vater mit Maximian verbunden hatte, sondern eine fiktive Abstammung von dem Kaiser Claudius Gothicus angeführt. Damit war auch eine Abwendung von der tetrarchischen Herrschertheologie verbunden. Meist geht man von einer allmählichen Annäherung an das Christentum aus, die 324 zu einem gewissen Abschluß gelangt sein mag.13 Jedenfalls zeigt Constantin seit der Erringung der Alleinherrschaft 324 ein noch deutlicheres prochristliches Engagement. 4.3.1.2 Fragestellungen in der Forschung Es liegt nun nahe zu fragen, ob und inwiefern die Zeitgenossen Lactanz und Constantin sich gegenseitig beeinflußt haben. Denn wir wissen nicht nur, daß Lactanz von Diocletian an den Kaiserhof von Nikomedia berufen worden ist, um Rhetorik zu unterrichten und daß er mit Personen in führenden Positionen korrespondiert hat: Der Kaiser Constantin selbst hat unseren Autor zum Erzieher seines Sohnes Crispus ausgewählt und ist möglicherweise einmal selbst sein Schüler gewesen.14 Auch die Dedikationen an Kaiser Constantin, die wir in einigen Handschriften der Divinae institutiones finden, und die stark proconstantinische Tendenz der Schrift De mortibus persecutorum lassen diese Frage lohnend erscheinen. Zwar ist auch die These vertreten worden, daß Lactanz selbst von Constantin maßgeblich beeinflußt worden sei.15 Häufiger hat man sich aber zur Aufgabe gestellt zu zeigen, daß Lactanz vielmehr den Kaiser beeinflußt habe.16 Besonders weit geht dabei Elizabeth DePalma Digeser.17 Sie sieht in den Divinae institutiones einen geradezu revolutionären Entwurf für ein christliches Reich: In diesem würde nicht mehr der Kaiserkult, sondern ein auch Nichtchristen inkludierender Monotheismus das Fundament des Staates bilden. Die Verehrung anderer Götter als des Christengottes wäre geduldet. Diese These ist eine konsequente Fortführung und Weiterentwicklung 12 Hintergrund waren nach lactanzischen Angaben (mort. pers. 29,1-30,6) zwei Putschversuche Maximians; die Darstellung scheint allerdings stark proconstantinische Züge zu tragen, vgl. Creed 1984, 109. 13 Anders etwa Girardet 1998, 26-45; 2000, 102, der bereits ab 312 von einer eindeutigen Zugehörigkeit Constantins zum Christentum ausgeht. 14 Vgl. Nicholson 1999, 11 (dessen Charakterisierung des Lactanz als eines »mainstream Christian long involved in politics« aber vielleicht etwas weit greift) und Garnsey 2002, 156. 15 Vgl. Heim 1978, passim. 16 Vgl. Amarelli 1978; Digeser 2000; Nicholson 2001b. Dagegen betont Young 2000, 655: »Justifying the Constantinian revolution is not, however, Lactantius’ primary concern in the Divine Institutes, nor is his work overtly concerned with political thought«. Kritisch gegenüber »der viel zu weit gehenden Annahme literarischer Einflüsse des Lactanz auf Constantin« bei Amarelli 1978 auch Heck 1987, 215 Anm. 40. 17 Digeser 2000, passim.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
einer schon länger in der Forschung kursierenden Interpretation lactanzischer Wertvorstellungen. Nach dieser Interpretation hat Lactanz das (christliche) Gesetz Gottes mit dem Naturrecht Ciceros beziehungsweise Ulpians gleichgesetzt. Diesem christlich interpetierten Naturrecht habe er dann dieselbe korrektive Funktion gegenüber dem positiven Recht zugewiesen, die es in seiner nichtchristlichen Form bei Cicero und Ulpian hatte.18 4.3.1.3 Vorgehen in diesem Kapitel Um diese Thesen zu überprüfen, ist es zweckmäßig, einen Überblick über die allgemeinen politischen Ansichten (oder doch wenigstens Aussagen) des Lactanz zu gewinnen. Wir wollen uns daher vier Fragen zuwenden, die uns helfen, den politischen Standort des Lactanz zu bestimmen: 1. Wie steht er zu weltlichen Gesetzen? 2. Wie steht er zu Inhabern weltlicher Machtpositionen? 3. Wie steht er zu Constantin? 4. Wie steht er zu Rom? Der politische Standort des Lactanz, den wir zu skizzieren suchen, scheint nicht immer derselbe zu sein: So stehen etwa die Kaiserdedikationen in einem Spannungsverhältnis zum Rest der Divinae institutiones,19 und während Lactanz menschliches Leben in den Divinae institutiones für ein absolut unantastbares Gut hält, relativiert er diese Unantastbarkeit menschlichen Lebens in späteren Schriften erheblich.20 Ich möchte daher die Frage nach der Bedeutung von Gesetzen, Machthabern, Constantin und Rom nicht gleichzeitig für alle lactanzischen Prosatexte behandeln, sondern drei Gruppen unterscheiden: 1. Die frühesten, zur Zeit der Christenverfolgung entstandenen Schriften (De opificio dei und die Divinae institutiones in der 1. Auflage) zeigen Polemik gegen Staat und weltliche Gesetze. 2. Die Schrift De mortibus persecutorum und die Kaiserdedikationen in der zweiten Auflage der Divinae institutiones tragen starke Züge proconstantinischer Propaganda. Allerdings setzt Lactanz auch hier eigene Schwerpunkte. 3. In der Schrift De ira dei und der Epitome der Divinae institutiones vollzieht Lactanz eine partielle Annäherung an den Staat; Kaiser Constantin selbst tritt in den Hintergrund. 18 Vgl. dazu Gonella 1937, 37; Winger 1999, 484f.; Digeser 2000, 57-63. Kritisch zu diesem Versuch »to read constructive political theory into the Divine Institutes« zeigt sich Garnsey 2002, 174 Anm. 90. 19 So auch von Garnsey 2002, 174 angemerkt. 20 Dies wurde verschiedentlich festgestellt, vgl. u.a. Loi 1965; 88, Mattioli 1990, 48; Winger 1999, 528 (der allerdings lediglich von »thematische[r] Ausklärung und Zuschärfung« spricht); Garnsey 2002, 175.
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4.3.2 Frühere Schriften: Polemik gegen Staat und weltliche Gesetze 4.3.2.1 Weltliche Gesetze Bereits die Einstellung des Lactanz zu den weltlichen Gesetzen in seinen früeren Schriften ist von großer Bedeutung. Denn in der Forschung sieht man außerordentlich große Übereinstimmungen zwischen den Vortellungen des Lactanz, des Cicero und des Ulpian. Sollten wir hier ein Beispiel für eine Synthese aus christlicher und antiker Rechtsphilosophie entdecken? Um diese Frage zu beantworten, wollen wir uns zunächst mit den einschlägigen Textstellen bei Lactanz beschäftigen und diese mit aussagekräftigen paganen Texten kontrastieren. Auf dieser Grundlage wollen wir uns dann in einem zweiten Schritt mit der aktuellen Forschungstendenz auseinandersetzen. Im fünften Buch der Divinae institutiones äußert sich Lactanz auch zu seinem Verhältnis zu den weltlichen Gesetzen. Im Rahmen seiner christlichen Instrumentalisierung des Weltaltermythos21 diskreditiert er die weltlichen Gesetze als Erfindungen und Instrumente von Verbrechern. Schon und gerade die ersten Gesetze überhaupt seien von ihren Erfindern gerade zu dem Zweck ersonnen worden, Ungerechtigkeit durchzusetzen (inst. 5,6,3). Außerdem seien die weltlichen Gesetze ineffizient; Abhilfe schafft nach lactanzischer Auffassung allein das eine Gesetz Gottes (inst. 5,8,8f.). Im Rahmen seiner Beschreibung des Terrors der Christenverfolgung (inst. 5,11,1–5,12,1) kommt Lactanz erneut auf die weltlichen Gesetze zu sprechen. Die gegen das Christentum gerichtete Gesetzgebung erscheint dort geradezu als Gipfel der Christenverfolgung. Lactanz verurteilt scharf das Treiben der römischen Juristen,22 die sich selbst als gerecht fühlen, aber fürchterliches Unrecht begehen. Darüber hinaus können wir einen prinzipiellen, unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der lactanzischen Position und dem Selbstverständnis der römischen Juristen – und damit der Justiz als einem tragenden Pfeiler der römischen Gesellschaft – erkennen. Dieses Selbstverständnis23 mögen zwei in den Digesten Justinians erhaltene Fragmente illustrieren:
21 22 23
Vgl. dazu Buchheit 1979a, passim; 1979b passim; 1982, passim. Vgl. inst. 5,11,18 – 5,12,4, wo u.a. von den iuris periti (inst. 5,11,18) die Rede ist. Vgl. Waldstein 1978, 222f.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
Ulp. dig. 1,1,1 pr.-1; Ps.-Ulp. dig. 1,1,10 pr.-224 Ulpianus libro primo institutionum. iuri operam daturum prius nosse oportet, unde nomen iuris descendat. est autem a iustitia appellatum: nam, ut eleganter Celsus definit, ius est ars boni et aequi.
(1) cuius merito quis nos sacerdotes appellet: iustitiam namque colimus et boni et aequi notitiam profitemur, aequum ab iniquo separantes, licitum ab illicito discernentes, bonos non solum metu poenarum, verum etiam praemiorum quoque exhortatione efficere cupientes, veram nisi fallor philosophiam, non simulatam affectantes.
(1,1,10 [pr.]) Ulpianus libro primo regularum. iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. (1) iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere. (2) iuris prudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia.
Ulpian im ersten Buch der Divinae institutiones. Wer sich um das Recht bemühen will, muß vorher wissen, woher sich der Begriff »Recht« herleitet. Nun ist er aber nach der Gerechtigkeit benannt: Denn, wie es Celsus elegant definiert, das Recht ist die Kunst des Guten und Billigen. (1) Mit Recht könnte man uns als deren Priester bezeichnen. Denn wir pflegen die Gerechtigkeit und geben die Kenntnis des Guten und Billigen als unsere Profession an, indem wir das Billige von dem Unbilligen trennen, das Erlaubte von dem Unerlaubten unterscheiden, begehren, gute Menschen nicht nur durch die Furcht vor Strafen, sondern auch durch die Ermunterung mit Hilfe von Belohnungen hervorzubringen und nach einer wahren Philosophie, wenn ich nicht irre, nicht nach einer erheuchelten streben. (1,1,10 [pr.]) Ulpian im ersten Buch der Regulae. Gerechtigkeit ist der beständige und andauernde Wille, einem jeden sein Recht zukommen zu lassen. (1) Des Rechtes Vorschriften lauten wie folgt: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zuteilen. (2) Die Jurisprudenz ist die Kenntnis der göttlichen und menschlichen Sachverhalte, das Wissen um das Gerechte und das Ungerechte.
Hier werden für die Juristen gleich mehrere Ansprüche erhoben, die aus lactanzischer Sicht ausschließlich von den Christen erfüllt werden können: die Pflege der Gerechtigkeit, die Kenntnis des Guten, der göttlichen und menschlichen Dinge und die Unterscheidung zwischen dem Gerechten und
24 Ulp. dig. 1,1,10pr.-2 wird heute im allgemeinen nicht mehr Ulpian zugeschrieben, sondern in die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts datiert, vgl. Honoré 1982, 111-113. 128; Liebs 1982, 292; Van der Waerdt 1994, 4889.
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Ungerechten, die Besserung der Menschen und der Besitz der vera philosophia. Angesichts der Christenverfolgung zieht Lactanz (inst. 5,11,18 – 5,12,2) eine ganz andere Bilanz: Dort werden die Juristen (iuris periti) als besonders verbrecherische Mörder, Lehrer der Ungerechtigkeit und Grausamkeit, blind, stumpf und ohne irgendeine Ahnung von dem wahren Sachverhalt ›entlarvt‹. Hinzu kommt das für Lactanz zweifelsohne anstößige (quasi)religiöse Selbstverständnis der römischen Juristen.25 Insbesondere die Junktur bonum et aequum benutzt Lactanz, um zu betonen, daß der dahinterstehende Begriff rechtmäßig allein den Christen eignet.26 Den Anspruch, ius sei für die Juristen ars boni et aequi, sieht Lactanz im Hinblick auf die Christenverfolgung pervertiert (inst. 5,12,1); andererseits ist er aus seiner Sicht prinzipiell nicht gerechtfertigt: Denn die von den Juristen beanspruchte Fähigkeit zur Unterscheidung von Gerecht und Ungerecht27 – Grundlage der Rechtssetzung – sei vor langer Zeit verlorengegangen und ausschließlich den Christen zurückgebracht worden.28 Maßstab beziehungsweise hinreichendes Instrument für die Unterscheidung zwischen Gerecht und Ungerecht ist nach lactanzischer Auffassung auch nicht der menschliche Wille (Ps.-Ulp. dig. 1,1,10 pr.: constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi), sondern die geoffenbarte Wahrheit.29 Auch die römische Rechtswissenschaft geht von vorpositiven Ordnungselementen – etwa im Sinne des ius naturale aus,30 doch leiten sich diese eben nicht von der Offenbarung, sondern von dem Grundsatz »Jedem das Seine gewähren«31 her. Dieser Grundsatz in Verbindung mit dem zweiten »Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches im Verhältnis der Ungleichheit gleich behandeln« stellt eine Maxime dar, für die auch die moderne Rechtsphilosophie »Evidenz im Sinne der allgemein-intersubjektiven Gewißheit derjenigen, die das Prinzip denkend erfassen«32, annimmt. Überhaupt stellt die christenfeindliche Gesetzgebung für Lactanz nicht etwa ein tragisches Versehen oder einen Sonderfall der Justiz dar. Vielmehr 25 Vgl. Ulp. dig. 1,1,1: Cuius [sc. iustitiae] merito quis nos sacerdotes appellet. Vgl. auch von Lübtow 1948, 525f. 562-565. Dort wird auch die offenbar ungebrochene Suggestivkraft dieses Selbstverständnisses deutlich (ebd. passim, besonders 565). 26 Vgl. etwa inst. 5,8,3: estote aequi et boni (ein Appell an die Nichtchristen, den christlichen Glauben anzunehmen) und inst. 5,9,22: nostros autem nihil aliut operari nisi aecum et bonum und dazu Ferrini 1894, 531. 27 So spricht Van der Waerdt 1994, 4888 von »Ulpian’s account of his art as the source of the distribution between fair and unfair, lawful and unlawful«. 28 Vgl. inst. 5,5,13; 5,8,9f. 29 Vgl. oben den Abschnitt 2.2.2.4. 30 Vgl. Wieacker 1977, 323; Waldstein 1976, 82-89; 1978, 228. 31 Henkel 1977, 395. 32 Henkel 1977, 396.
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sind die weltlichen Gesetze in seinen Augen wesensmäßig gegen die Gerechtigkeit gerichtet, wie aus ihrem bereits in inst. 5,6,3 von Lactanz beschriebenen Ursprung erhellt.33 Folgerichtig wären die weltlichen Gesetze überflüssig, wenn das eine Gesetz Gottes beachtet würde: inst. 5,8,9: denique ad regendos homines non opus esset tam multis et tam variis legibus, cum ad perfectam innocentiam dei lex una sufficeret, neque carceribus neque gladiis praesidum neque terrore poenarum, cum praeceptorum caelestium salubritas humanis pectoribus infusa ultro ad iustitiae opera homines erudiret.
Schließlich wären zur Lenkung der Menschen auch nicht so viele und so verschiedene Gesetze nötig, da zu einer Vollkommenheit schuldlosen Verhaltens das eine Gesetz Gottes hinreichen würde, weder (wären nötig) Gefängnisstrafen noch Todesstrafen der Provinzstatthalter noch der Schrecken von Strafen, da die himmlischen Gebote in ihrer Heilsamkeit in die Herzen der Menschen strömen und von sich aus die Menschen zu Werken der Gerechtigkeit ausbilden würden.
Neben der möglichen Anspielung auf Ulpian34 beachte man die Gegenüberstellung der vielen verschiedenen (weltlichen) Gesetze und des einen Gesetzes Gottes, welches die vielen Gesetze de facto allesamt ersetzt.35 Von diesem Gesetz ist unmittelbar nach ›Entlarvung‹ der Juristen (inst. 5,12,3) und nochmals in inst. 5,13,5 die Rede. Es ist als geoffenbarte Wahrheit bereits vollkommen – das weltliche Recht dagegen unvollkommen und veränderlich: Eine Rechtswissenschaft, die das Recht immer weiter fortentwickelt,36 erscheint damit ebenso wie die weltlichen Gesetze überflüssig. Das eine Gesetz, das von Gott kommt,37 tritt damit als Garant und Norm gesellschaftlichen Zusammenlebens an die Stelle der vielen von Menschen gemachten Gesetze, die sowohl durch ihren Ursprung (inst. 5,6,3) als auch durch ihre unrühmliche Rolle bei der Christenverfolgung diskreditiert sind. Dies ist nicht nur ein Bild, sondern beschreibt auch einen Teil der Praxis christli-
33 Leges etiam sibi iustitiae nomine iniquissimas iniustissimasque sanxerunt, quibus rapinas et avaritiam suam contra vim multitudinis tuerentur. tantum igitur auctoritate, quantum viribus aut opibus aut malitia praevalebant. 34 Zu terrore poenarum (inst. 5,8,9) vgl. mit Ferrini 1894, 351 metu poenarum (Ulp. dig. 1,1,1,1). 35 Vgl. dazu auch die Gegenüberstellung von den vielen verschiedenen Wegen und dem Einen, nämlich das Wegegleichnis in inst. 6,3,1–6,4,24. 36 Vgl. von Lübtow 1948, 525f. und Waldstein 1978, 229. 37 Vgl. Loi 1965, 79 mit Verweis auf inst. 6,8,12.
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chen Lebens im Römischen Reich.38 Dies schlug sich auch in der Fremdwahrnehmung der Christen durch den römischen Staat nieder, wie sie aus dem Toleranzedikt des Galerius hervorgeht:
Galerius apud Lact. mort. pers. 34,1: Inter cetera quae pro rei publicae semper commodis atque utilitate disponimus, nos quidem volueramus antehac iuxta leges veteres et publicam disciplinam Romanorum cuncta corrigere atque id providere, ut etiam Christiani, qui parentum suorum reliquerant sectam, ad bonas mentes redirent, siquidem quadam ratione tanta eosdem Christianos voluntas invasisset et tanta stultitia occupasset, ut non illa veterum instituta sequerentur, quae forsitan primum parentes eorundem constituerant, sed pro arbitrio suo atque ut isdem erat libitum, ita sibimet leges facerent quas observarent, et per diversa varios populos congregarent.
Unter den übrigen Dingen, die wir stets zum Vorteil und Nutzen des Staates anordnen, hatten wir jedenfalls vorher gemäß den alten Gesetzen und der öffentlichen Ordnung der Römer alles regeln und dafür sorgen wollen, daß auch die Christen, die die religiöse Überzeugung ihrer Eltern verlassen hatten, zum gesunden Menschenverstand zurückkehrten, da ja auf irgendeine Weise ein so großer Wunsch diese selben Christen befallen hatte und so große Torheit sich ihrer bemächtigt hatte, daß sie sich nicht an jene Einrichtungen der Alten hielten, welche vielleicht am Anfang die Vorfahren derselben eingerichtet hatten, sondern nach eigenem Gutdünken und wie es denselben beliebte, so sich eigene Gesetze machten, um sie zu beachten, und in unterschiedlichen Gegenden verschiedene Völker versammelten.
Indem das Christentum verschiedene Völker unter eigenen Gesetzen beziehungsweise Wertvorstellungen verbindet, setzt es sich geradezu an die Stelle der römischen Vielvölkerstaates.39 Hervorzuheben ist des weiteren der Vorwurf der stultitia und die Betonung der Versammlungen der Christen, die der mißtrauischen40 kaiserlichen Verwaltung suspekt erscheinen 38 Vgl. beispielsweise 1 Kor 6,1-6. Freilich können wir nicht von einem geschlossenen Boykott paganer Justiz durch alle Christen ausgehen; so wandten sich Christen beispielsweise an den Kaiser Aurelian, um gegen den Bischof Paulos von Samosata vorzugehen (Eus. HE 7,30,19). Vgl. auch Young 2000, 649; Garnsey-Humfress 2001, 74. 78. 39 Zum Selbstverständnis der Christen als populus Dei vgl. Loi 1965, 79; zum christlichen Selbstverständnis als tertium genus vgl. Harnack 1924, 262-289; Young 1999, 101f.; Young 2000, 647f.; Garnsey-Humfress 2001, 171f. (zum Selbstverständnis der Christen als ԤȚȟȡȣ). 40 Mayer-Opificius 2002, 366 geht sogar so weit, das Manichäeredikt Diocletians auf eine in der kaiserlichen Verwaltung verbreitete Verschwörungsmentalität zurückzuführen.
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mußten.41 Die Betonung von Harmlosigkeit, Nächsten- und Feindesliebe der Christen (etwa inst. 5,12,3f.) diente sicherlich unter anderem auch dazu, diese Bedenken der kaiserlichen Verwaltung zu zerstreuen. Mit 1 Kor 6,1-6 war darüber hinaus durchaus eine biblische Grundlage für einen Boykott der nichtchristlichen Justiz gegeben. Deutlich aufgeschlossener weltlichen Gesetzen gegenüber zeigt sich Lactanz erst nach der constantinischen Wende in seinem Buch De ira dei (17,6f.).42 Darauf werde ich weiter unten näher eingehen. Erinnern wir uns! Nach dem aktuellen Stand der Forschung hat Lactanz das christliche Gesetz Gottes mit dem Naturrecht im Sinne Ciceros beziehungsweise Ulpians gleichgesetzt. Weiterhin habe er dem christlich interpretierten Naturrecht dann dieselbe korrektive Funktion gegenüber dem positiven Recht zugewiesen, die es in seiner nichtchristlichen Form bei Cicero und Ulpian hatte.43 Wie ist diese Interpretation zu bewerten? Wie wir sahen, ist von einer Anwendung des christlichen Gesetzes auf die weltlichen Gesetze im Sinne einer stetigen Veränderung und Verbesserung der letzteren bei Lactanz nirgends die Rede!44 Außerdem unterscheidet sich das christliche Gesetz in einem fundamentalen Punkt von dem bei Cicero und Ulpian zugrundegelegten Naturrecht: Dieses ist zwar unveränderlich und universal (Cic. rep. 3,18), die Kenntnisnahme bedarf aber nicht der Offenbarung, sondern lediglich der menschlichen Willensanstrengung (voluntas).45 Das christliche Gesetz dagegen ist nach lactanzischer Auffassung in einer endgültig verbindlichen Form offenbart, und zwar ausschließlich den Christen.46 Die Kenntnisnahme des göttlichen Gesetzes wird von Lactanz daher nicht als Ergebnis aktiver Willensanstrengung konzipiert, sondern vielmehr als das Resultat eines passiven Sich-Einlassens auf und Sich-
41 Vgl. Creed 1984, 112. 42 Vgl. auch Mattioli 1990, 48. 43 Vgl. Gonella 1937, 37; Winger 1999, 484f.; Digeser 2000, 57-63. Christliches Recht als Korrektiv zum weltlichen Recht finden wir rund 100 Jahre später, vgl. Garnsey-Humfress 2001, 78. 44 Von den zuletzt bei Digeser 2000, 57 angegebenen vier Belegstellen im Text sind zwei (inst. 5,8,8; 6,8,6) m. E. falsch interpretiert und zwei (inst. 5,8,11; 5,9,1) für die Fragestellung gar nicht relevant. Die von ihr auf Lactanz projizierte Vorstellung findet sich vielmehr mutatis mutandis bei Cic. leg. 2,13. Zu weit geht die Interpretation von Digeser 2000, 57, Lactanzens Anspielung (inst. 1,1,12) auf eine Stelle aus Cic. leg. weise darauf hin, daß die lactanzischen Divinae institutiones dieselbe Zielsetzung verfolgten wie die Cic. leg., nämlich den Entwurf einer idealen Staatsverfassung: Die Anspielung hebt lediglich hervor, wie bedeutsam und gewichtig das Thema der Divinae institutiones ist. 45 Vgl. auch Cic. rep. 3,23, wo ex negativo deutlich wird, daß natura und voluntas als Grundlagen der Gerechtigkeit angenommen werden. 46 Vgl. inst. 1,1,5f.; 2,3,23-25; 3,15,5; 3,30,7; 6,8,12; 7,2,3; 7,7,4; epit. 35,5; 55,1.
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Unterwerfens unter die göttliche Offenbarung.47 Nicht die Orientierung innerhalb einer Pluralität sich teilweise widersprechender Rechtssätze wird von Lactanz eingefordert,48 sondern die Unterwerfung unter das eine Gesetz Gottes. Lactanz setzt das christliche Gesetz mit dem Naturrecht nur insofern gleich, als er die für das Naturrecht reklamierten normativen Ansprüche erst im christlichen Gesetz Gottes verwirklicht sieht. Die lactanzische Einstellung gegenüber den Gesetzen weist damit eine Ähnlichkeit zu derjenigen des Origenes auf. Dieser nutzte ebenfalls die Vorstellung vom Naturrecht, um die normative Relevanz der christlichen Offenbarung zu illustrieren. Er war wie Lactanz der Ansicht, daß die Annahme des göttlichen Gesetzes die weltlichen Gesetze überflüssig mache (Orig. c. Cels. 5,40). In den Divinae institutiones sind die lactanzischen Vorstellungen also als extrem staatsfern oder gar staatsfeindlich zu bezeichnen: Als höchste von Lactanz anerkannte politisch-gesellschaftliche Instanz erscheint in den Divinae institutiones das Familienoberhaupt (pater familias), das die Gerechtigkeit gegenüber seinen Untergebenen durchzusetzen hat (inst. 6,19,6-11). Die weltlichen Gesetze sind, so Lactanz, von Anfang an nichts anderes gewesen als Instrumente von Verbrechern zur Durchsetzung der Ungerechtigkeit (inst. 5,6,3). Zur Durchsetzung der Gerechtigkeit kann dagegen allein das eine Gesetz Gottes beitragen (inst. 5,8,8f.). Das Ziel des Lactanz ist nicht eine Synthese: Es geht nicht darum, in Anlehnung an antike Naturrechtstheorie die weltlichen Gesetze – wie in der Forschung häufig behauptet – durch das eine göttliche zu erweitern oder an dem einen göttlichen Gesetz zu orientieren. Vielmehr sollen die vielen weltlichen Gesetze durch das eine göttliche ersetzt werden:49 Mit römischer Justiz und christlichem Gesetz prallen hier zwei Systeme aufeinander, die durch ihre Normsetzung menschliches Zusammenleben ermöglichen wollen und dazu den Gehorsam der Menschen einfordern. Die lactanzische Eschatologie erhebt implizit dieselben Ansprüche für das Christentum wie der römische Staat für sich selbst. Beide verstehen sich letztlich als Heilsbringer für die Menschheit, welche allein durch ihre Gesetze überhaupt zusammenleben könne. Gemeinsam ist lactanzischem Chri47 Vgl. inst. 7,2,9: homo autem non cogitando aut disputando adsequi eam potest, sed discendo et audiendo ab eo qui scire solus potest et docere (sc. deus); inst. 7,7,4: ... verum autem scire non nisi eius est qui sit doctus a deo; inst. 2,3,21. 23-25; 3,3,2; 3,30,7; und überhaupt den Abschnitt 2.2.2.4. 48 Das Problem, eine ausufernde und teilweise widersprüchliche juristische Tradition zu bewältigen, wurde in der Spätantike häufig als große Belastung empfunden, vgl. Garnsey-Humfress 2001, 58. 61. 66. 70. 49 Vgl. auch Zarini 2004, 79f.: »Le christianisme universel dont Lactance rêve dans l’absolu, en 8,6-9, n’implique manifestement pas la structure impériale; il se dispense même de ces lois toujours plus nombreuses au Bas-Empire!«
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stentum und römischem Staat auch die Anschauung, daß das Lebensrecht des einzelnen von seiner totalen Loyalität abhänge. Wer diese totale Loyalität nicht aufbringt, verdient Folter und Hinrichtung hienieden (römischer Staat) oder aber ewige Verdammnis, welche Folter und Hinrichtung zusammendenkt und sowohl an Intensität als auch an zeitlicher Extensität ins Unendliche steigert (lactanzisches Christentum)50. Insofern wird die irdische Gewalt der Christenverfolgung – wenn man die eschatologische Perspektive mitbedenkt – in der lactanzischen Konzeption weniger überwunden als vielmehr nur verschoben und gleichzeitig überboten. 4.3.2.2 Inhaber weltlicher Machtpositionen; Constantin; Rom Die einzigen menschlichen Machthaber, die Lactanz in den früheren Schriften anerkennt, sind die patres familias.51 Andere, wie Richter, Statthalter oder Kaiser, treten in diesen Schriften vor allem als Christenverfolger in Erscheinung.52 Dabei polemisiert Lactanz insbesondere gegen die Tetrarchen, ohne diese aber namentlich zu nennen.53 Constantin kommt in den früheren Schriften nicht explizit vor. In der zweiten Auflage der Divinae institutiones finden sich freilich Dedikationen an Kaiser Constantin, sie unterscheiden sich aber in ihren inhaltlichen Aussagen stark vom Rest der Divinae institutiones, gehören aller Wahrscheinlichkeit nach einer späteren Phase an und werden hier zusammen mit der Schrift De mortibus persecutorum behandelt. Zwei Stellen scheinen den Gedanken nahezulegen, daß Lactanz für Rom in den Divinae institutiones eine gewisse Sympathie empfand: So ist Rom erstens nach lactanzischer Darstellung ein Ort, an dem der ursprüngliche Monotheismus vom verderbenbringenden Polytheismus offenkundig besonders spät abgelöst wurde.54 Zweitens wertet Lactanz Rom im Rahmen seiner Eschatologie als das Reich, dessen Fall der Beginn vom Ende der Welt ist. Die Erwähnung des Falls Roms entlockt ihm einen Ausruf des Entsetzens.55 Andererseits weiß Lactanz aber schon über die Anfänge Roms wenig Schmeichelhaftes zu berichten: Unser Autor sagt nicht nur, daß der Senat aus ›Hinterwäldlern‹ bestand, wie es die Darstellung bei Oliver Nicholson
50 Vgl. inst. 5,18,16; 7,10,10; 7,11,2; 7,14,3; 7,21,2-5. 51 Vgl. unten den Abschnitt 4.4.2.2. 52 Wohl erklärt Lactanz, daß immer nur ein einziger herrschen könne. In diesen Fällen geht es ihm aber immer nur darum, induktiv auf den Monotheismus zu schließen (vgl. beispielsweise inst. 1,3,18). 53 Vgl. dazu Buchheit 1979a, 172-174; 1979b, passim; 1982, passim; Kolb 1987, 113f. 54 Vgl. inst. 1,22,1-9; Nicholson 1999, 19; 2001a, 372f. 55 Vgl. inst. 7,15,11: horret animus dicere. An einer späteren Stelle desselben Buches (inst. 7,25,8) fordert unser Autor dazu auf, um Aufschub des Falles Roms (und damit freilich auch des Weltenendes) zu beten.
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nahelegt.56 Mit der kulturellen Rückständigkeit verbindet sich vielmehr die ethische Defizienz. Rom erscheint als eine Freistatt übelster Subjekte (pessimi quique).57 Die Einfalt des in Felle gekleideten58 und damit als barbarisch gekennzeichneten Senats wird nicht als ethisch positiv oder neutral gewertet. Der Senat erscheint vielmehr als Abschaum der Menschheit.59 Auch solchen Senatoren, die mit dem Christentum sympathisierten, dürfte es daher schwergefallen sein, die lactanzische Version der Frühgeschichte Roms nicht als Beleidigung aufzufassen. Die Darstellung des Senats als Ansammlung krimineller Elemente ist um so auffälliger, als nach lactanzischer Auffassung Monotheismus und Gerechtigkeit zusammenfallen, demnach die Römer (und ihr Senat) also vor der Einführung des Polytheismus alle gerecht gewesen sein müßten. Daß es Lactanz hier in Kauf nimmt, sich selbst implizit zu widersprechen, um die ›Urrömer‹ in so ungünstiges Licht zu rücken, ist auffällig und läßt eine besondere Wertschätzung unseres Autors für Rom unwahrscheinlich erscheinen. Außerdem übt Lactanz scharfe Kritik am römischen Imperialismus: Das römische Imperium wertet er nicht – wie es dem Selbstverständnis des Imperiums entsprach60 – als Belohnung für Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Tapferkeit der Römer, sondern als Ergebnis von Gewalt und Unrecht.61 Die Einschätzung, Lactanz habe zwar die römische Religion verurteilt, die Stadt selbst aber geschätzt,62 erscheint daher für die früheren Schriften durchaus problematisch.
56 Vgl. Nicholson 1999, 19, der dort von »rude forefathers of the Senate and People«, »primitive senate, with its rustic hearts and animal-skin clothing« und »senatorial bumpkins« spricht und den Leser so eher an eine lustige Parodie als an eine ernstzunehmende Polemik denken läßt. 57 Vgl. inst. 2,6,13: Romulus urbem conditurus pastores inter quos adoleverat convocavit cumque is numerus condendae urbi parum ideoneus videretur, constituit asylum. eo passim confugerunt ex finitimis locis pessimi quique sine ullo condicionis discrimine. Sollte in dieser fragwürdigen Neukonstitution eines Volkes ein Reflex auf gegen das Christentum als tertium genus vorgetragene Angriffe liegen? 58 Vgl. inst. 2,6,15: pelliti senes. 59 Vgl. inst. 2,6,13: Romulus urbem conditurus pastores inter quos adoleverat convocavit cumque is numerus condendae urbi parum ideoneus videretur, constituit asylum. eo passim confugerunt ex finitimis locis pessimi quique sine ullo condicionis discrimine; inst. 2,6,16: est vero quod illorum (sc. patrum/pellitorum senum) auctoritas tanti habeatur a posteris, quos nemo cum viverent neque summus neque infimus adfinitate dignos iudicavit? 60 Vgl. Gärtner: RAC 17 (1996), 1145-1151 s.v. Imperium Romanum. 61 Vgl. vor allem inst. 6,9,4; außerdem inst. 1,18,8-17; 5,10,15 und dazu Loi 1965, 76f. 62 So Nicholson 1999, passim und besonders 19 und 24: »Lactantius’ loyalty to the Roman name was not unreserved; he had harsh things to say about Roman armies and the bloody expansion of the Roman Empire. But unlike the Romanitas of Diocletian and the Tetrarchs, it was a loyalty strongly associated with the City of Rome itself.« Vgl. dagegen Clark 1991, 261: »The most thoroughgoing challenge to the Roman empire comes from Lactantius, in the Divine Institutes.«
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz 4.3.3 Kaiseranreden63 und die Schrift De mortibus persecutorum: Proconstantinische Propaganda
4.3.3.1 Weltliche Gesetze Die weltlichen Gesetze werden weder in den Kaiserdedikationen noch in der Schrift De mortibus persecutorum besonders thematisiert. Jedoch wütet der Christenverfolger Galerius in der lactanzischen Darstellung unter anderem auch gegen das Rechtssystem des römischen Staates.64 4.3.3.2 Inhaber weltlicher Machtpositionen Lactanz schätzt die Kaiser, wenn sie Sympathien für die Christen zeigen. Während er in den Divinae institutiones gegen die Tetrarchen eher indirekt durch Anspielungen polemisiert, nennt er in der Schrift De mortibus persecutorum seine Feinde beim Namen: Die Christenverfolger und alle ihre Unternehmungen schildert er in den finstersten Farben und bedient sich dabei ausgiebig der Tyrannentopik,65 ihr grausiges Ende beschreibt er mit triumphierender Genugtuung. Kaiser Constantin – daneben auch der zunächst noch mit ihm verbündete Licinius – ist zweifelsohne der strahlende Held des Lactanz. Um so bemerkenswerter ist es, daß Lactanz Maxentius, den von Constantin besiegten und als Tyrann diffamierten Rivalen, deutlich weniger stark kritisiert als etwa die Christenverfolger Diocletian und Galerius. Damit weicht Lactanz in gewissem Maße von der proconstatinischen Propaganda ab. Nun hatte Maxentius in seinen Gebieten die Christenverfolgung abgebrochen, ja sogar konfisziertes Kirchengut zurückerstattet. Die am nächsten liegende Erklärung scheint zu sein, daß Lactanz diese christenfreundliche Maßnahme belohnt, indem er seine Kritik an Maxentius mäßigt.66 Lactanz hätte dann der christlichen Perspektive eindeutig den Vorzug gegenüber der proconstantinischen Propaganda gegeben. 4.3.3.3 Constantin Wie bereits erwähnt, feiert unser Autor Constantin als Befreier des Christentums. Sahen wir in der lactanzischen Darstellung des Maxentius ein Beispiel dafür, daß Lactanz sich dem Christentum verbundener fühlte als 63 Inst. interpol. 1,1,13-16; 7,26,11-17 (sogenannte große Kaiseranreden); inst. interpol. 2,1,2; 3,1,1; 4,1,1; 5,1,1; 6,3,1 (sogenannte kleine Kaiseranreden). 64 Vgl. mort. pers. 22,4f.: eloquentia extincta, causidici sublati, iure consulti aut relegati aut necati, litterae autem inter malas artes habitae, et qui eas noverant, pro inimicis hostibusque protriti et execrati. (5) licentia rerum omnium solutis legibus adsumpta et iudicibus data; iudices militares humanitatis litterarum rudes sine adsessoribus in provincias immissi; vgl. auch mort. pers. 21,3-6. 65 Vgl. Städele 2003, 44-54. 66 So Barnes 1973, 41-43, dem Nicholson 1999, 14 Anm. 39 beistimmt.
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dem von ihm verherrlichten Kaiser, so scheint er an einer anderen Stelle andere Prioritäten zu setzen: Lactanz erzählt, daß Constantin einen Eunuchen als eine Art Lockvogel benutzt habe, als er von Plänen des an seinem Hofe befindlichen Maximian, ihn (Constantin) zu ermorden, erfahren habe: Maximian habe den Eunuchen tatsächlich in der Annahme, Constantin vor sich zu haben, ermordet und sei so ›überführt‹ worden (mort. pers. 30,2-5). Nach allem, was Lactanz in den Divinae institutiones über die absolute Unantastbarkeit des menschlichen Lebens schreibt, forderte das Verhalten des Constantin, der den Tod des Eunuchen ja nach lactanzischer Darstellung billigend in Kauf nahm, die Kritik unseres Autors geradezu heraus. Doch Lactanz schildert die Begebenheit ohne auch die geringste Andeutung von Mißbilligung.67 Noch deutlicher wird die Einschränkung der Unantastbarkeit menschlichen Lebens verglichen mit der lactanzischen Position in den Divinae institutiones an der Tatsache, daß Lactanz Kriegsdienst, in den Divinae institutiones noch mit Mord gleichgesetzt, in der Schrift De mortibus persecutorum als selbstverständlich hinnimmt.68 In den Kaiserdedikationen stellt sich Lactanz weitestgehend69 in den Dienst constantinischer Propaganda.70 4.3.3.4 Rom Die Schrift De mortibus persecutorum bietet auch die meisten Belege für die in der Forschung verschiedentlich konstatierte Wertschätzung Roms durch Lactanz.71 So erscheinen etwa die Christenverfolger in der lactanzischen Darstellung als Feinde des römischen Namens;72 sie werden ganz im Sinne der Tyrannentopik73 geschildert. Neben ihrer Tätigkeit als Christenverfolger prangert Lactanz insbesondere ihre barbarische Herkunft und 67 Vgl. mort. pers. 30,3: supponitur quidam vilis eunuchus qui pro imperatore moriatur; dazu Loi 1965, 95f.; Creed 1984, 110; Städele 1998, 196-198. 68 Vgl. mort. pers. passim, besonders 44 und 47. Lactanz berichtet am Schluß der Schrift De mortibus persecutorum auch davon, daß Licinius die Frau und die beiden unmündigen Kinder des Maximinus Daza habe töten lassen. Dies kritisiert er nicht, sondern wertet es triumphierend als göttliche Gerechtigkeit (mort. pers. 50,7). Daraufhin erwähnt er ohne explizite Kritik die Hinrichtung von Diocletians Frau Prisca und seiner Tochter Valeria auf Befehl des Licinius. Bei diesen beiden Opfern, deren Zugehörigkeit zum Christentum Lactanz vorher impliziert hat (vgl. so läßt sich wenigstens mort. pers. 15,1 verstehen, vgl. auch Creed 1984, 95), schließt er allerdings lakonisch mit den Worten: ita illis pudicitia et condicio exitio fuit (mort. pers. 51,2). 69 Vgl. dazu Heck 1972, 165: »Im Ganzen fällt auf, daß Lactanz […] den in Constantins Aussagen faßbaren politischen Aspekt fast ganz zurückdrängt«. 70 Vgl. dazu auch Heck 1972, 165, der schreibt, daß »Lactanz hier constantinische Theologie und Geschichtsauffassung, überhaupt sein Selbstverständnis als christlichen Herscher reproduziert«. 71 Vgl. Loi, 1965, 89-95; Nicholson 1999, passim; Winger 1999, 527: »LACTANZ liebt ROM.« 72 Vgl. mort. pers. 27,8. 73 Vgl. Städele 2003, 44-54.
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dementsprechende Sinnesart74 sowie ihre Übergriffe gegen römische Senatoren75 und die Stadt Rom76 an. 4.3.4 Spätere Schriften: Partielle Annäherung an den Staat 4.3.4.1 Weltliche Gesetze Der lactanzische Respekt gegenüber der weltlichen Gerichtsbarkeit ist in der Schrift De ira dei verglichen mit den Divinae institutiones ungleich größer. Die weltlichen Gesetze und ihre Inhalte werden jetzt als selbstverständlich hingenommen, jedenfalls nicht problematisiert.77 Das schlägt sich eindrucksvoll darin nieder, daß Lactanz die Todesstrafe nicht mehr ablehnt, sondern in seiner Argumentation als selbstverständlich voraussetzt (ira 17,6f.). Die absolute Unantastbarkeit menschlichen Lebens gibt Lactanz damit auf.78 Neben den weltlichen Gesetzen spricht Lactanz auch von einem göttlichen Gesetz.79 Von einer Orientierung der weltlichen Gesetze an dem einen göttlichen ist jedoch entgegen Annahmen der aktuellen Forschung80 nirgends die Rede. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, daß weltliches und göttliches Gesetz recht unvermittelt nebeneinanderstehen. Auch in der Epitome ist Lactanz den weltlichen Gesetzen freundlicher gesonnen als in den Divinae institutiones. Waren in den Divinae institutiones die Gesetze von Verbrechern zum Schutz ihrer Verbrechen erfunden worden (inst. 5,6,3), so spricht Lactanz in der Epitome nur noch allgemein davon, daß die Menschen (homines) Gesetze festgelegt hätten, und zwar für den gemeinsamen Nutzen.81 Lactanz stellt die Genese der Gesetze also in der Epitome wesentlich wohlwollender dar als in den Divinae institutiones – ineffizient bleiben sie aus seiner Sicht aber trotzdem: Sie bewirken seiner Auffassung nach nicht die Einstellung, sondern nur die Verheimlichung der nunmehr gesetzlich unter Strafe gestellten Handlungen (epit. 54,8f.). 4.3.4.2 Inhaber weltlicher Machtpositionen In der Schrift De ira dei argumentiert Lactanz an einer Stelle induktiv, indem er von menschlichen auf göttliche Verhältnisse schließt. Dabei liefert 74 Vgl. mort. pers. 9,1f.; 19,6; 22,4f.; 23,5; 27,8; 38,6. 75 Vgl. mort. pers. 8,4f.; 38,2. 5 und Loi 1965, 92f. 76 Vgl. mort. pers. 7,10; 26,2; 27,2f. 77 Vgl. ira 12,4; 16,4; 16,8; 17,7; 17,16; 20,7. 78 Vgl. Loi 1965, 88; Mattioli 1990, 48. Winger 1999, 528 faßt dies als »thematische Ausklärung und Zuschärfung« auf. Diese Einschätzung untertreibt meines Erachtens die Tragweite der lactanzischen Neuorientierung in beträchtlichem Maße. 79 Vgl. ira 14,6: lex divina; 17,5: voluntas dei bzw. divina lex; 19,5: sanctissima lex. 80 Vgl. Ingremeau 1982, 31; Winger 1999, 420. 81 Vgl. epit. 54,8 pro utilitate communi.
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ihm bemerkenswerterweise nicht der Richter, sondern das Familienoberhaupt (pater familias) das Modell, von welchem er auf die Fähigkeit Gottes zu zürnen schließt. Denn das Familienoberhaupt sei zum Zorn über Vergehen seiner Untergebenen (Frau, Kinder, Sklaven) nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet.82 Der Richter kann in diesem Zusammenhang nach lactanzischer Auffassung nicht als Modell dienen, weil er in keinem persönlichen Verhältnis zu dem Angeklagten steht, den Gesetzen dient und eine emotionale Involvierung von seiner Seite daher unangebracht wäre. Des weiteren sei der Angeklagte in einem Prozeß zumindest potentiell unschuldig. Da der Richter den Gesetzen unterworfen sei, könne er beispielsweise auch niemanden begnadigen.83 Gottes Verhalten gegenüber der Sünde des Menschen gleicht nach lactanzischer Auffassung dagegen dem Verhalten des Familienoberhauptes gegenüber der Verfehlung eines ihm untergebenen Menschen: Denn in beiden Fällen liegt ein persönliches Verhältnis vor, welches persönliche Betroffenheit und damit auch Emotionen auslöst. Während der Richter durch das Gesetz zum Strafen verpflichtet ist, steht Gott über dem Gesetz, kann daher auch Gnade vor Recht ergehen lassen. Anders als die von Gott gewährte Verzeihung erscheint die menschliche Verzeihung bei Lactanz als ambivalent und potentiell sogar sündhaft (ira 18,3): Wer nicht strafe, billige das begangene Unrecht oder scheue die mit dem Strafen verbundene Mühe. Außerdem schade zu häufiges Verzeihen den Delinquenten, welche dadurch nur um so tiefer in ihren Lastern versinken würden. »Sündhaft ist also bei Vergehen die Bezähmung des eigenen Zorns« (ira 18,3). Lactanz warnt daher eindringlich davor, von der Möglichkeit zu verzeihen allzu großzügigen Gebrauch zu machen.84 Die Argumentation über das Familienoberhaupt (pater familias, wobei familia auch die Sklavinnen und Sklaven einschließt) ist nicht nur deshalb geschickt, weil Lactanz an einen zentralen Begriff der überkommenen römischen Werteordnung anschließen kann.85 Gleichzeitig zeugt sein Vorgehen auch von psychologischem Einfühlungsvermögen gegenüber denjenigen unter seinen Lesern, die selbst an der Spitze einer familia, eines Oikos, stehen: Deren eigenes Recht auf Zorn und Intervention innerhalb der Hausgemeinschaft – oder auch nur ihre diesbezügliche Praxis – bringt Lactanz mit dem göttlichen Zorn in enge Verbindung. Ein Familienoberhaupt, das 82 Vgl. ira 17,9. 17f.; 18,10f. 83 Diese Argumentation geht allerdings wohl an der Realität römischer Gerichtsbarkeit zur Zeit des Lactanz (vgl. Rieß 2002, 217-219) vorbei. 84 Damit steht er sowohl in jüdisch-christlicher (vgl. Spr 3,12; Hebr 12,6) als auch in römischer Tradition (vgl. beispielsweise Publil. sent. I 9. 55; Q 35). Zur Vorstellung des pater flagellans vgl. auch De Bruyn 1999, passim. 85 Vgl. Wlosok 1960, 232-246. Die tatsächliche Bedeutung des pater familias im Alltag war dagegen nicht immer so groß, vgl. Saller 1999, 196f.
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den Zorn Gottes leugnet, würde damit – so versucht es Lactanz wenigstens darzustellen – auch seine eigene Position als pater familias in Frage stellen. Auch die Vorstellung, die Gerechtigkeit des Familienoberhauptes stehe der göttlichen Gerechtigkeit näher als die der Richter, klingt für solche Leser, die selbst an der Spitze einer familia stehen, sicherlich schmeichelhaft. Außerdem zieht Lactanz auch das Kaisertum heran, um den Zorn Gottes zu rechtfertigen: So wie jede irdische Herrschaft auf Furcht angewiesen sei, so müsse auch die himmlische Herrschaft auf Furcht beruhen. Wenn Gott aber nicht zürnen könne, gebe es keine Furcht, daher müsse man Gott den Zorn zusprechen (ira 23,10f.). Aber auch über die Position des Familienoberhauptes, des Richters und des Kaisers hinaus erkennt Lactanz implizit die Stratifizierung der Gesellschaft an: So erklärt er, Zorn sei unter anderem immer dann verwerflich, wenn er sich gegen Gleich- oder Höherstehende richte.86 Unter den Personen, denen man nicht zürnen dürfe, erwähnt Lactanz in den Divinae institutiones (inst. 6,19,10) dagegen nur die Gleichstehenden: ein weiteres Indiz dafür, daß Lactanz in der Schrift De ira dei und der Epitome – im Gegensatz zu den Divinae institutiones (!) – oberhalb des pater familias Inhaber weltlicher Macht anerkennt. Vom Ideal der Gleichheit ist in der Schrift De ira dei im Gegensatz zu den Divinae institutiones nirgends mehr die Rede: Das Wort aequitas, mit dem Lactanz in inst. 5 noch den zweiten, zwischenmenschlichen Hauptbestandteil der Gerechtigkeit bezeichnet, taucht in De ira dei nur ein einziges Mal auf und bedeutet dort nicht »Gleichheit« oder »Gleichheitsbewußtsein«, sondern lediglich »Billigkeit« (ira 18,8). 4.3.4.3 Constantin und Rom Constantin wird in der Schrift De ira dei und in der Epitome nicht erwähnt. In der Epitome ist keine Veränderung in der lactanzischen Einstellung gegenüber Rom festzustellen.87 In der Schrift De ira dei wird Rom als politische Größe überhaupt nicht thematisiert.88 4.3.4.4 Säkularisierung göttlichen Zornes oder Theologisierung politischen Zornes in der Schrift De ira dei? Wie ist der Zorn der Menschen auf ihre Mitmenschen nun mit dem Gebot der Nächstenliebe vereinbar? Lactanz beantwortet diese Frage, indem er den Zorn als Konsequenz der Nächstenliebe auffaßt. Wer seine Mitmenschen liebe, müsse notwendigerweise den Übeltätern zürnen – wer sie ge86 Vgl. ira 18,11; epit. 56,4. 87 Vgl. beispielsweise epit. 15,2f. (Prostituierte von den Römern als Göttin verehrt); 51,3 (Kritik am römischen Imperialismus im Referat der Rede des Karneades). 88 Vgl. ira 11,8; 22,6; 23,2.
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währen lasse, schütze seine Mitmenschen nicht vor ihnen (ira 17,7) und schade seinen Mitmenschen dadurch selbst. Daß menschlicher Zorn auch auf einem Irrtum beruhen beziehungsweise sich gegen nur vermeintlich Schuldige richten kann, erwähnt Lactanz lediglich in Zusammenhang mit dem Richteramt, nicht im Zusammenhang mit Stellung und Funktion des Familienoberhaupts. Bei diesem kommt es unserem Autor vielmehr darauf an, daß es tatsächlich über Verfehlungen seiner Untergebenen zürnt und gegen sie einschreitet. Gleichwohl sei der menschliche Zorn sowohl seiner Intensität als auch seiner zeitlichen Ausdehnung nach einzuschränken (ira 21,3. 5f.). Die Aufwertung weltlicher Strukturen überrascht kaum, wenn man bedenkt, daß die Schrift De ira dei aller Wahrscheinlichkeit nach schon in constantinische Zeit fällt.89 Christiane Ingremeau erkennt nun in Politik und Gesetzgebung die Hauptanliegen der lactanzischen Schrift über den göttlichen Zorn. Lactanz weise ausdrücklich (ira 17,18) auf die Vorbildfunktion des göttlichen Zornes für den menschlichen Zorn hin und legitimiere damit einerseits die Machtausübung Constantins als Kaiser und anderseits seine gesetzgeberische Tätigkeit.90 Daran ist sicherlich richtig, daß die induktive, von menschlichen Verhältnissen auf Gott schließende Argumentationsstrategie dazu neigt, umgekehrt auch etwas von der göttlichen Autorität auf die menschlichen Verhältnisse überfließen zu lassen: Was mit Gott oder seinen Eigenschaften verglichen wird, erscheint – zumindest implizit – aufgewertet. Greifen wir hier gar eine Reaktion auf zeitgenössische Kritik an Constantin? Lactanz hätte dann das Theologumenon vom göttlichen Zorn zu Constantins Gunsten säkularisiert. Haben wir es also mit einer Säkularisierung göttlichen Zornes oder aber einer Theologisierung politischen Zornes zu tun? Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll zu beobachten, welche Rolle Inhaber weltlicher Machtpositionen in der Schrift De ira dei spielen. Dabei zeigt sich, daß nicht der Kaiser, sondern das Familienoberhaupt (pater familias) im Vordergrund der lactanzischen Argumentation steht. Auch in ira 17,18, einer Schlüsselstelle, ist nicht vom Kaiser oder Staat, sondern vom »Menschen« die Rede. Ebenso ist von menschlicher Gesetzgebung in dem Traktat nirgends die Rede. Dem den Gesetzen unterworfenen Richter wird ja gerade nicht der gesetzgebende Kaiser, sondern das Familienoberhaupt gegenübergestellt.91 Zwar ist die Weitung der Perspektive von Individuum und Hausgemeinschaft (familia) auf den gesamten Staat nicht zu übersehen, und Christiane Ingremeau unterscheidet hier treffend: »... la patientia est une 89 90 91
Vgl. Ingremeau 1982, 36; Wlosok 1989a, 393. Ingremeau 1982, 54-56. Freilich kann auch der Kaiser als pater patriae diese Rolle übernehmen.
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vertu privée, l’ira une vertu politique.«92 Und doch verortet Lactanz die ›politische Tugend‹ des Zornes primär nicht in den umfassenden Strukturen von Staat und Gesellschaft, sondern in den einzelnen Hausgemeinschaften (familiae): Staat, Kaiser und weltliche Gesetzbarkeit werden zwar aufgewertet, von größerer Bedeutung bleibt aber das schon aus den Divinae institutiones (inst. 6,19,6-11) bekannte Paradigma des pater familias. Vor diesem Hintergrund kann man vielleicht eher von göttlicher »Haushaltsführung« als von einem göttlichen »Richteramt« sprechen. Grundlegend für diese Unterscheidung ist insbesondere die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Diese entscheidet über Wohl und Wehe des Menschen (ira 24,1-10. 15). Dagegen warnt Lactanz ausdrücklich vor Ehrgeiz und politischen Ämtern (ira 24,8). Demnach haben wir es nicht mit einer Säkularisierung des göttlichen Zornes, sondern einer Theologisierung des politischen93 Zornes zu tun. 4.3.4.5 Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Lactanz in den späteren Schriften (ira und epit.) auf einen staatsfreundlicheren Kurs einschwenkt. Im Unterschied zu einer rein rhetorischen Synkatábasis/condescensio haben wir eine reale inhaltliche Anpassung an veränderte Zeitumstände feststellen können: Kriegsdienst und richterliche Tätigkeit werden nicht mehr – wie in den Divinae institutiones – als dem Mord vergleichbar gebrandmarkt. Menschliches Leben ist damit – wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen – wieder dem menschlichen Zugriff ausgesetzt. Die Unantastbarkeit menschlichen Lebens ist daher für Lactanz nicht mehr unbedingt normativ. Höchste politisch-gesellschaftliche Instanz ist nunmehr der Kaiser, der die Gerechtigkeit gegenüber seinen Untergebenen durchzusetzen hat. Die VergeltungsDimension der Gerechtigkeit, in inst. 5 noch allein Gott vorbehalten, geht mehr und mehr auf den Menschen über. Schon in inst. 6 wird auch dem pater familias diese lohnende und strafende Gerechtigkeit zugewiesen. Von über die Familie hinausgehenden Strukturen ist allerdings dort noch nicht die Rede. Erst in den späteren Schriften94 finden sich auch Staat und Kaiser, ja überhaupt alle gesellschaftlichen Rangstufen im normativen System des Lactanz als zu Recht remunerative Gerechtigkeit ausübende Instanzen wieder. Auch die weltlichen Gesetze erscheinen unter constantinischer Herrschaft95 nicht mehr als bloße Instrumente von Verbrechern, um Ungerechtigkeit durchzusetzen. Allerdings ist auch in den späteren Schriften entge92 Ingremeau 1982, 56. 93 Zu Zorn als politischem Affekt vgl. Assmann 1995, passim (86f. 92f. zu Lactanz); 2000a, 54f. 58f. 94 Epit. 56,4; ira 17,7; 18,11. 95 Vgl. ira 17,6f.; epit. 54,8.
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gen der aktuellen Forschungsmeinung96 von einer Christianisierung der weltlichen Gesetze nirgends die Rede. Dennoch richtet sich das Wohl und Wehe des Menschen nach lactanzischer Auffassung auch in den späteren Schriften nicht nach seinem Dienst an Kaiser und Staat, sondern nach seinem Dienst an Gott: Wie in den Divinae institutiones behauptet auch in der Schrift De ira dei das persönliche Verhältnis zwischen Mensch und Gott seine Priorität gegenüber allen weltlichen und insbesondere eben auch zwischenmenschlichen Bindungen (ira 24,1-10. 15). Im Gegensatz zur Reichstheologie des Eusebios97 bleiben religiöse und politische Sphäre getrennt.98 Die politische Sphäre wird zwar aufgewertet. Sie bleibt der religiösen Sphäre aber untergeordnet. 4.3.5 Schluß In den früheren Schriften zeigt Lactanz eine große Staatsferne. Die drastische, wenn auch implizite Polemik gegen die Tetrarchen als Urheber der Christenverfolgung wird entgegen der neuesten Forschung nicht von einem konstruktiven politischen Entwurf begleitet. Vielmehr scheint Lactanz oberhalb des Familienoberhauptes (pater familias) überhaupt keine menschliche Autorität anzuerkennen. Dementsprechend kennzeichnet unser Autor auch die weltlichen Gesetze in den früheren Schriften als von Grund auf verbrecherisch – Besserung verspricht alleine die Einhaltung des einen Gesetzes (des christlichen) Gottes durch alle Menschen. Auch Rom spielt keine schmeichelhafte Rolle: Die Gründung Roms stellt Lactanz als eine Zusammenrottung krimineller Elemente dar, und strahlende Helden der republikanischen Sache wie etwa Cato der Jüngere erscheinen in der lactanzischen Darstellung als von eitler Ruhmsucht getrieben. Wollte man in die lactanzischen Ausführungen ein politisches Ideal hineinlesen, so wäre nicht an das Imperium Romanum republikanischer oder augusteischer Prägung, sondern an eine Art Gottesstaat zu denken. In den Kaiserdedikationen der Zweitauflage der Divinae institutiones und in der Schrift De mortibus persecutorum ergibt sich dagegen ein deutlich anderes Bild. Der Kaiser Constantin ist der strahlende Held dieser Tex-
96 Ingremeau 1982, 31; Winger 1999, 420. 97 Vgl. dazu Inglebert 1996, 153-205. 98 Vgl. Nicholson 1999, 24. Dies ist einer der Punkte, an denen Lactanz Gedanken Augustins vorweggenommen hat. Freilich bestehen auch viele Unterschiede zum politischen Denken Augustins, vgl. Garnsey 2002, 172f. 176, der unter anderem bei Lactanz das Fehlen einer konstruktiven politischen Theorie konstatiert.
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te. Die verhältnismäßig99 zurückhaltende Kritik an Maxentius weist allerdings darauf hin, daß Lactanz sich nicht nur proconstantinischer Propaganda verpflichtet fühlt, sondern auch seinem christlichen Glauben: Denn Maxentius war im Gegensatz zu anderen Gegnern des Constantin kein Christenverfolger. Andererseits scheinen aber auch die religiösen Beweggründe in diesen Texten des Lactanz nicht absolut dominant zu sein: So schildert Lactanz in der Schrift De mortibus persecutorum ohne jede negative Bewertung Verhaltensweisen, die er noch in den Divinae institutiones als Mord und mit der christlichen Ethik vollkommen unvereinbar angeprangert hatte. Dies betrifft insbesondere die absolute Unantastbarkeit menschlichen Lebens, die Lactanz in den Divinae institutiones christlich-religiös begründet und in der Schrift De mortibus persecutorum implizit aufgibt. Hatte Lactanz in den Divinae institutiones noch Christus als denjenigen dargestellt, der die durch den Polytheismus verlorene Gerechtigkeit zurückbringt (inst. 5,7,1f.), so schreibt er diese Rolle in den Kaiserdedikationen (inst. interpol. 1,1,13) dem Kaiser Constantin zu. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, daß diese Kaiserdedikationen und die Schrift De mortibus persecutorum politischen Anliegen mindestens ebenso verpflichtet sind wie religiösen. Wieviel im einzelnen politischen Beweggründen, wie viel einer - gegenüber den Divinae institutiones – stark veränderten religiösen Grundhaltung und wie viel dem taktischen Mittel der Synkatábasis/condescensio geschuldet ist, läßt sich schwer bestimmen. Man könnte alle diese Abweichungen gegenüber den Divinae institutiones als condescensio gegenüber den politischen Ambitionen des Constantin auffassen. Diese Auffassung muß aber Spekulation bleiben, da Beispiele ausgrenzender Argumentationsstrategien – beispielsweise gegenüber Constantin – sich hier nicht finden lassen. Ein wiederum anderes Bild ergibt sich in der Epitome und in der Schrift De ira dei: Hier greifen wir eine vorsichtige Annäherung an den Staat. Die verschiedenen gesellschaftlichen Rangstufen auch oberhalb des Familienoberhauptes werden jetzt akzeptiert, ebenso wie Kriegsdienst und Todesstrafe. Menschliches Leben ist mithin anders als in den Divinae institutiones nicht mehr unantastbar; sein Schutz scheint allerdings größere Priorität zu haben als in der Schrift De mortibus persecutorum. Menschliche Gesetze erscheinen nun nicht mehr – wie noch in den Divinae institutiones – als tendenziell verbrecherisch, sondern nur noch als tendenziell ineffizient; insgesamt vermag Lactanz der weltlichen Gerichtsbarkeit mehr abzugewinnen. Trotz dieser bedeutenden Annäherungen bleibt aber anders als in der Schrift 99 Lactanz spart keinesfalls mit Kritik, und nie kommt auch nur der Hauch eines Zweifels auf, daß er es nicht mit Maxentius, sondern mit Constantin hält. Seine Kritik fällt aber verglichen mit seiner Darstellung der übrigen Gegner Constantins deutlich weniger drastisch aus.
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De mortibus persecutorum der Primat des Religiösen vor dem Politischen eindeutig erhalten. Das Hauptanliegen des Lactanz ist religiös-missionarischer und nicht politischer Natur. In keiner seiner Schriften legt unser Autor einen konkreten politischen Entwurf vor. Wenn man aus den Divinae institutiones überhaupt ein Konzept von einer richtigen Staatsordnung herauslesen will, so müßte es ein Gottesstaat sein, der keine menschlichen Autoritäten oberhalb der Familienoberhäupter anerkennt. In den Kaiserdedikationen und der Schrift De mortibus persecutorum verquickt Lactanz politische und religiöse Beweggründe. In der Epitome und in der Schrift De ira dei ist dagegen der Vorrang des Religiösen vor dem Politischen deutlich, obwohl Lactanz verglichen mit seinen Aussagen in den Divinae institutiones eine gewisse Annäherung an den Staat durchführt und so offenkundig auf Veränderungen in den Zeitumständen reagiert. Die These, Lactanz habe (1.) das (christliche) Gesetz Gottes mit dem Naturrecht Ciceros beziehungsweise Ulpians gleichgesetzt und (2.) diesem christlich interpretierten Naturrecht dieselbe korrektive Funktion gegenüber dem positiven Recht zugewiesen, die es in seiner nichtchristlichen Form bei Cicero und Ulpian hatte, läßt sich nicht halten: Selbst in den späteren, der Staatlichkeit näher stehenden Texten ist von einer Korrektur der menschlichen Gesetze durch das göttliche Gesetz nirgends die Rede. Und in den Divinae institutiones, auf welche die oben genannte These sich vor allem beruft, tritt sogar das eine Gesetz Gottes an die Stelle der vielen Gesetze, und zwar nicht ergänzend, sondern ersetzend. In den Divinae institutiones wird auch ein prinzipieller Gegensatz zwischen römischem Staat und lactanzischem Christentum deutlich: Beide sehen sich als Ermöglichungsgrund menschlicher Gesellschaft, erheben Anspruch auf totale Loyalität des einzelnen und bedrohen alle, die sich diesem Anspruch widersetzen, mit einem gewaltsamen Tod hienieden (Staat) oder spätestens im Jenseits (lactanzisches Christentum). Beide schließen sich damit gegenseitig aus. Der Kaiser Constantin spielt in den Kaiserdedikationen und der Schrift De mortibus persecutorum eine herausragende Rolle; in den übrigen Schriften wird er nicht einmal namentlich erwähnt. Das ist um so erstaunlicher, als sowohl die Epitome als auch die Schrift De ira dei später entstanden sein dürften als die Schrift De mortibus persecutorum. Eine mögliche Erklärung wäre, daß Lactanz nach einer mit dem Eindruck der Christenverfolgung zusammenhängenden Phase äußerster Staatsferne in den ersten Jahren der constantinischen Wende eine besondere Begeisterung für den Kaiser an den Tag gelegt hat. Der Befund in der Epitome und in der Schrift De ira dei könnte dann darauf hindeuten, daß Constantin in den folgenden Jahren nicht alle Erwartungen oder Hoffnungen des Lactanz erfüllt hat. Angesichts der
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schwierigen Datierungsfragen muß aber auch diese Erklärung bis auf weiteres reine Spekulation bleiben.
4.4 Zum Stellenwert gesellschaftlicher Wertvorstellungen 4.4.1 Einleitung Das Verhältnis der Christen zu der je sie umgebenden Gesellschaft barg ein beträchtliches Konfliktpotential in sich. Dieses wird freilich nicht immer gleich groß gewesen sein. Gerade in den ersten Lebensjahrzehnten des Lactanz, vom Ende der valerianischen Verfolgung bis zum Ausbruch der diocletianischen Verfolgung, scheint das Christentum zu einem vielerorts respektierten Bestandteil der griechisch-römischen Gesellschaft aufgestiegen zu sein.1 Dennoch gab es auch sehr heftige und wechselseitige Ausgrenzungsprozesse.2 Christen grenzten ihre nichtchristlichen Mitmenschen als Protagonisten einer in Sünde ertrinkenden, durch und durch verdorbenen ›Welt‹ aus.3 Sie fügten sich häufig nicht in die Gesellschaft ein, sondern verstanden sich selbst als Durchreisende oder Fremdanwohner in einer ihnen fremden und ethisch entgegengesetzten Welt. Wo Christen sich tatsächlich in ein Verhältnis zur Gesellschaft setzten, taten sie das mit dem für viele Nichtchristen zweifelsohne anmaßenden Anspruch, daß von den Christen der Fortbestand der Welt abhänge.4 Da die meisten Feste und Feierlichkeiten in irgendeiner Hinsicht auch religiösen Charakter hatten und von den Christen daher im allgemeinen als unerträgliche Greuel angesehen wurden, verweigerten Christen den Götterverehrern auch die Konvivenz.5 Diesem christlichen Verhalten stand eine Reihe von Vorwürfen und Vorurteilen auf Seiten der Nichtchristen gegenüber: so galten Christen bei vielen Götterverehrern als asoziale6 und bildungsfeindliche7 Atheisten.8 Für den Apologeten Lactanz lag es daher nahe, sich auch mit diesen Vorwürfen auseinanderzu1 Vgl. etwa Eus. HE 8,1,1-6. Während der diocletianischen Christenverfolgung kam es – wie in früheren Verfolgungen auch – offenkundig vor, daß Christen und Götterverehrer zusammenarbeiteten, um die Auswirkungen der Verfolgungsedikte zu minimieren (vgl. P.Oxy. XXXI 2601 und dazu Chadwick 2001, 180f.). Konziliante Verhaltensweisen auf beiden Seiten gab es freilich auch schon vorher, vgl. beispielsweise Tert. Scap. 4,3f. zu wohlwollenden Richtern bei Christenprozessen und Dassmann, RAC 13 (1986) 882 s.v. Haus II zu Christen, die mit ihrer paganen Umwelt Kompromisse eingingen. 2 Vgl. dazu etwa auch Hiltbrunner 1990, passim, der dem Problem anhand der Begriffe ĴțȝįȟȚȢȧʍտį und ȞțIJįȟȚȢȧʍտį nachgeht und auch auf entsprechende Probleme zwischen Juden und ihren Mitmenschen verweist. 3 Vgl. etwa Garnsey – Humfress 2001, 175 und den Diognetbrief. 4 Vgl. etwa den Diognetbrief, Kap. 6,1f. 7; Orig. c. Cels. 8,70. 5 Vgl. Dassmann, RAC 13 (1986) 882 s.v. Haus II. 6 Vgl. beispielsweise Min. Fel. 8,4. 7 Vgl. beispielweise Orig. c. Cels. 3,44. 8 Vgl. beispielsweise Iust. Mart. apol. 6,1; Tert. apol. 10,1.
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setzen. Freilich können die gesellschaftlichen Wertvorstellungen des Lactanz auf den folgenden Seiten nicht in extenso dargestellt werden. Wir beschränken uns daher zunächst auf die Stichwörter aequitas und pietas, die uns bereits als Hauptbestandteile der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption begegnet sind. Die Vorstellungen, die sich mit diesen Begriffen in der antiken Gesellschaft verknüpften, sollen Ausgangspunkt der Überlegungen der folgenden Seiten sein und so die lactanzische Position stärker konturieren. Schließlich wollen wir kurz auch das lactanzische Verhältnis zur antiken Bildung unter einer eigenen Rubrik ansprechen. 4.4.2 aequitas 4.4.2.1 Näheres zum aequitas-Begriff des Lactanz In der Forschung ist insbesondere der lactanzische Wertbegriff der aequitas (Gleichheitsbewußtsein) in seinen verschiedenen Ausprägungen umstritten: Einige betonen mehr oder weniger kritisch, daß Lactanz die religiös motivierte Forderung nach Gleichheit zwar vorgebracht, aber an anderen Stellen seiner Schriften wieder empfindlich relativiert habe. Dies wird dann etwa als Romanisierung ursprünglicher christlicher Wertvorstellungen gedeutet.9 Andererseits können die lactanzischen Äußerungen aber auch als Belege für tatsächliche christliche Leistungen im gesellschaftlichen Bereich gewertet werden. So erkennt Wolfram Winger etwa unserem Autor das Ideal der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu.10 Er vertritt sogar die Auffassung, daß aequitas als zwischenmenschliche Dimension der Gerechtigkeit ein Korrektiv für alle Religionen darstelle.11 Wie wir bereits oben im Kapitel 4.1 sahen, behandelt Lactanz im fünften Buch der Divinae institutiones das Gleichheitsbewußtsein12 (aequitas) als neben Frömmigkeit (pietas) zweiten exklusiv christlichen Bestandteil der Gerechtigkeit.13 Gleichheitsbewußtsein (aequitas) ist demnach die zwischenmenschliche Dimension der Gerechtigkeit und beruht auf der Einsicht in die Tatsache, daß alle Menschen Kinder Gottes sind. Für die Fragestellung dieses Kapitels ist es sinnvoll, die lactanzischen Ausführungen an der Stelle wieder aufzunehmen, wo14 wir sie bei der Darstellung seiner Gerechtigkeitskonzeption verlassen hatten: In inst. 5,15 wird der vorher als aequitas bezeichnete Teil der Gerechtigkeit anhand 9 10 11 12 13 14
Vgl. Loi 1966, 590f.; Cavalcanti 1990, 41. Vgl. Winger 1999, 511. So Winger 1999, 404. 478f. Vgl. zu dieser Übersetzung oben den Abschnitt 4.1.2.2. Vgl. insbesondere inst. 5,14,9 in Verbindung mit inst. 5,15,1. Vgl. oben den Abschnitt 4.1.2.2.
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einer Darstellung von innerchristlichen15 Verhaltensweisen weiter erläutert. In inst. 5,15,1 faßt Lactanz zunächst den erreichten Stand der Argumentation zusammen: Von den beiden geschilderten, ausschließlich den Christen offenbarten Quellen (pietas und aequitas) hänge alle Tugend, alle Wahrheit und die Gerechtigkeit selbst ab.16 Damit sieht Lactanz den Nachweis erbracht, daß die Philosophen die Gerechtigkeit nicht kannten. Im folgenden wendet er sich gegen den Einwand, daß es doch auch bei den Christen soziale Unterschiede, Herren und Sklaven gebe.17 Lactanz stellt demgegenüber heraus, daß die Bezeichnung der Mitchristen als fratres das tatsächliche Vorhandensein des christlichen Gleichheitsbewußtseins belege und erklärt, daß die Christen alles nach dem Geist und nicht nach dem Körper bemessen: inst. 5,15,3-6: nam cum omnia humana non corpore, sed spiritu metiamur, tametsi corporum sit diversa condicio, nobis tamen servi non sunt, sed eos et habemus et dicimus spiritu fratres, religione conservos.
(4) divitiae quoque non faciunt insignes, nisi quod possunt bonis operibus facere clariores. divites sunt enim non quia divitias habent, sed quia utuntur illis ad opera iustitiae, et qui pauperes videntur, eo tamen divites sunt, quia et non egent et nihil concupiscunt.
(5) cum igitur et liberi servis et divites pauperibus humilitate animi pares simus, aput deum tamen virtute discernimur: tanto quisque sublimior est quanto iustior.
Denn da wir alle menschlichen Angelegenheiten nicht nach dem Körper, sondern nach dem Geist bemessen, so sind es für uns, auch wenn die Lage der Körper unterschiedlich ist, doch keine Sklaven, sondern wir betrachten und bezeichnen sie als Brüder im Geiste, Mitsklaven in der Gottesverehrung. (4) Auch Reichtümer zeichnen die Leute nicht aus, außer daß sie sie durch gute Werke angesehener machen. Reich sind sie nämlich nicht, weil sie Reichtümer haben, sondern weil sie sie zu den Werken der Gerechtigkeit gebrauchen, und die, welche arm scheinen, sind dadurch trotzdem reich, daß sie keinen Mangel haben und nichts begehren. (5) Obwohl wir also, sowohl als Freie mit den Sklaven als auch als Reiche mit den Armen durch die Demut des Herzens gleich sind, werden wir bei Gott doch nach der Tugend unterschieden: um so-
15 Vgl. inst. 5,15,2: Nonne sunt aput vos alii pauperes, alii divites, alii servi, alii domini? 16 Mit dem Ausdruck et ipsa iustitia remigrat in caelum (inst. 5,15,1) assoziiert Lactanz wiederum seine Nutzung des Weltaltermythos, in dem die Gerechtigkeit eine Jungfrau ist, die, entsetzt über die Ungerechtigkeit der Menschen, zu Jupiter flieht beziehungsweise von ihm verstirnt wird. 17 Vgl. dazu oben den Abschnitt 4.1.2.2.
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(6) si enim iustitia est parem se etiam minoribus facere, quamquam hoc ipso praecellit, quod se inferioribus coaequavit, tamen si non tantum quasi parem, sed etiam quasi minorem se gesserit, utique multo altiorem dignitatis gradum deo iudice consequetur.
viel steht ein jeder höher, um wieviel gerechter er ist. (6) Wenn nämlich Gerechtigkeit bedeutet, sich auch den Geringeren gleich zu machen, so wird er, obwohl er sich eben dadurch auszeichnet, daß er sich Tieferstehenden gleichmacht, doch, wenn er nicht nur gleichsam das Verhalten eines Gleichen, sondern sogar gleichsam das eines Geringeren an den Tag legt, jedenfalls einen viel höheren Grad an Würde, wenn Gott richtet, erlangen.
Aequitas überwinde damit innerhalb der Gemeinschaft der Christen soziale und ökonomische Unterschiede: Sklaven werden, so Lactanz, als fratres oder conservi angesehen, und nicht Reichtum, sondern der rechte Umgang mit den eigenen ökonomischen Möglichkeiten zeichne im christlichen Diskurs aus. Zur Illustration dieses Gedankens überträgt Lactanz im Anschluß an inst. 5,14,18 soziale Begriffe wie frater, servus, insignis, clarus, divites, pauperes auf eine religiös-spirituelle Ebene. Je größeres Gleichheitsbewußtsein der einzelne zeigt, desto höher ist sein Rang bei Gott. Gleichheit bezieht sich also auf den zwischenmenschlichen Bereich und bildet gleichzeitig die Grundlage für Ungleichheit. Diese Differenzierung der Menschen ist nun nicht in der zwischenmenschlichen, sondern in der auf Gott bezogenen Dimension angesiedelt. Das Gleichheitsbewußtsein18 wird nach lactanzischer Auffassung sogar noch übertroffen durch das Ideal der Demut.19 Gleichheitsbewußtsein zeigt sich hier also nicht mehr im Sich-Gleichstellen, sondern im Sich-Unterordnen gegenüber allen Mitchristen gleichermaßen. Dabei fällt auf, daß dieses Unterordnen im Gegensatz zum Sich-Gleichstellen nicht mehr unmittelbar aus der Gleichheit konstituierenden Gotteskindschaft ersichtlich ist. Dafür lassen sich zugunsten der Demut Bibelstellen20 geltend machen. Gleichzeitig sind aber Gleichstellung und Unterordnung auf die Umgangsformen, einen besonderen, religiös motivierten Stil der Kommunikation, beschränkt und bringen unmittelbar keine darüber hinausgehende tatsächliche Gleichstellung oder Unterordnung bezüglich sozialer, politischer oder ökonomischer Macht mit sich.21 Lactanz fährt fort: 18 Vgl. inst. 5,14,15: se cum ceteris coaequandi. 19 Vgl. inst. 5,15,5: humilitate animi und inst. 5,15,6: si non tantum quasi parem, sed etiam quasi minorem se gesserit. 20 Mt 18,4; Lk 9,48. 21 Vgl. inst. 5,15,6: si non tantum quasi parem, sed etiam quasi minorem se gesserit. Daß die tatsächlichen Machtverhältnisse unangetastet bleiben, betont auch Thraede: RAC 11 (1981)
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inst. 5,15,8-10: sicut enim ›sapientia hominum summa stultitia est aput deum‹, stultitia, ut docui, summa sapientia est, sic deo humilis et abiectus est qui fuerit conspicuus et sublimis in terra. (9) nam ut taceam, quod haec praesentia terrae bona, quibus magnus honos tribuitur, virtuti contraria sunt et vigorem mentis enervant, quae tandem potest firma esse nobilitas, quae opes, quae potentia, cum possit deus reges quoque ipsos inferiores etiam infimis facere? et ideo consulens nobis deus inter divina praecepta illut praecipue posuit: ›qui se extollit, humiliabitur, et qui se humiliat, exaltabitur.‹
(10) cuius praecepti salubritas docet quod qui se aput homines planum fecerit humilemque praebuerit, hic aput deum praecellens et insignis habeatur.22
So wie nämlich die Weisheit der Menschen die höchste Torheit bei Gott ist, die Torheit, wie ich gelehrt habe, die höchste Weisheit ist, so ist für Gott tiefgestellt und niedrig, wer angesehen und hochstehend auf der Erde gewesen ist. (9) Denn um davon zu schweigen, daß diese gegenwärtigen irdischen Güter, durch welche große Ehre zugeteilt wird, der Tugend entgegengesetzt sind und die Geisteskraft schwächen: Welcher Adel kann denn beständig sein, welche Reichtümer, welche Macht, da doch Gott sogar Könige selbst niedriger als die Niedrigsten stellen kann? Und daher hat Gott für uns sorgend unter die göttlichen Weisungen vor allem jenes Gebot gesetzt: Wer sich erhebt, der wird erniedrigt, und wer sich erniedrigt, wird erhoben werden. (10) Die Heilsamkeit dieser Weisung lehrt, daß derjenige, der sich bei den Menschen in die gleiche Ebene eingeordnet und als demütig erwiesen hat, bei Gott für hervorragend und angesehen gehalten wird.
In diesem Abschnitt kommen die beiden einzigen Bibelzitate vor, die im fünften Buch der Divinae institutiones stehen: nur das zweite ist ausdrücklich als solches kenntlich gemacht. Das erste Bibelzitat (1 Kor 3,19) setzt die Weisheit der Menschen mit der Torheit vor Gott gleich. Damit drückt es einen lactanzischen Grundgedanken aus, der sich durch die gesamte Auseinandersetzung mit der philosophischen Dimension der Gerechtigkeit zieht und schon in inst. 5,12,11f. angedeutet wird. Während dies ein für den inneren Aufbau von inst. 5 grundlegender Gedanke ist, fällt seine Rolle in der vordergründigen Argumentation des Lactanz ungleich bescheidener aus: In
150 s.v. Gleichheit. Das schließt natürlich nicht aus, daß der christliche Diskurs auch praktische Konsequenzen gehabt hat. 22 Die in der Ausgabe von Brandt (1890-1897) gesperrt gedruckten Bibelzitate (zum einen 1 Kor 3,19, zum anderen Mt 23,12 beziehungsweise Lk 14,11) sind durch einfache Anführungszeichen hervorgehoben.
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einen Nebensatz verbannt, dient er lediglich als sekundäre Stütze eines scheinbar von ganz anderen Voraussetzungen ausgehenden Gedankens.23 Vordergründig beruft sich Lactanz – in dem letzten einer Reihe von mit nam bzw. enim eingeleiteten Sätzen – auf nicht spezifisch christliche Aspekte: die Gefährlichkeit und Verderblichkeit der irdischen Güter. Lactanz stellt nun aber die irdischen Güter als nicht nur gefährlich, sondern prinzipiell moralisch verderblich (virtuti contraria) dar und führt vor allem die Vergänglichkeit der irdischen Güter auf das Wirken Gottes zurück. Damit verleiht er seiner Argumentation einen christlichen Charakter. Das zweite, als solches kenntlich gemachte Bibelzitat (Mt 23,12) leitet Lactanz vordergründig von dem Voraufgehenden ab (ideo). Selbst wo Lactanz nicht nur implizit von biblischem Gedankengut ausgeht, sondern wie hier auch explizit die Bibel zitiert, läßt er die Bibel – zweifellos aus protreptischen Rücksichten – gegenüber den Argumenten der antiken Philosophie zurücktreten.24 Noch deutlicher wird dieses Bestreben am Schluß des Kapitels, wo Lactanz ein zweifelhaftes25 Euripides-Zitat anführt, das die Gegensätzlichkeit von irdischen und himmlischen Werten zum Inhalt hat. Pierre Monat hat sicherlich recht, wenn er den Sinn dieses Zitats hauptsächlich in der Rücksicht auf die von Lactanz gewählte Taktik sieht: Diese Taktik, die Argumentation vordergründig über außerhalb der biblischen Tradition stehende Autoren laufen zu lassen, hatte Lactanz gerade hier in inst. 5,15,9 durch das offene Bibelzitat vernachlässigt.26 Vincenzo Loi kritisiert, daß durch die Übertragung der aequitas auf die spirituelle Dimension die aequitas die ihr innewohnende praktische revolutionäre Bedeutung verloren habe,27 und erblickt im Festhalten am Privateigentum ein Festhalten an einem zentralen Wert der römischen Gesellschaft und der römischen Rechts. Zwar scheine das Privateigentum in inst. 5,15 der sozialen Pflicht zum Almosengeben untergeordnet zu sein, doch schon in inst. 6 schränke Lactanz die Almosen auf das Spenden von Überschüssen, welches das Vermögen selbst nicht antaste (inst. 6,12,37-39), ein.28 Zum einen ist dazu zu bemerken, daß Lactanz diese eingeschränkten 23 Vgl. Monat 1982, 249. 24 Monat 1982, 249 nimmt offenbar an, daß Lactanz das Bibelzitat hier vor allem einsetzt, um die Bibel gegenüber Mißtrauen und Geringschätzung von Seiten des nichtchristlichen Publikums zu verteidigen, indem er die zitierte Schriftstelle hier als auch von nichtchristlichen Prämissen her sinnvoll darstellt. Dies ist jedenfalls nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Auf jeden Fall ist die These von Wlosok 1960, 5f. Anm. 9, Lactanz zitiere die Bibel nur dort, wo es »unumgänglich« sei, aufgenommen bei Heck: LThK VI (1997) 584 s.v. Lactantius, so nicht haltbar. 25 TGFr Eur. frg. 1118, bei Kannicht unter den fragmenta dubia et spuria eingeordnet. 26 Vgl. Monat 1973, II 132. 27 Vgl. Loi 1965, 70f.; 1966, 591; 1977, 155f.; 1981, 846; dieses Urteil wird aufgenommen von Cavalcanti 1990, 40. 28 Vgl. Loi 1965, 97f.
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Anforderungen ausdrücklich an schwächere Gemüter (inst. 6,12,37: sed si hanc virtutem non capis) richtet und kurz vorher (inst. 6,12,33-36) zum Verzicht auf Reichtum überhaupt aufruft. Wer nicht sein gesamtes Vermögen hingebe, solle sich wenigstens proportional zu seinen finanziellen Möglichkeiten auf dem Gebiete der Mildtätigkeit engagieren. Zum anderen scheint der Vorwurf, Lactanz habe aus römisch-konservativer Gesinnung die Forderung nach materieller Gleichheit aller Menschen preisgegeben, ganz an den Grundsätzen des lactanzischen Denkens vorbeizugehen. Denn für Lactanz ist gerade die spirituelle und nicht die materielle Ebene entscheidend, wie er häufig zu erkennen gibt.29 Das lactanzische Konzept des Gleichheitsbewußtseins (aequitas) relativiert somit alle ›profanen‹ Rangordnungen auf einer bestimmten Ebene bis zur Bedeutungslosigkeit. Dem Bedeutungsverlust von Differenzierungen im Diesseits entspricht die alles entscheidende Bedeutung der Differenzierung der Menschen vor Gott im Himmel.30 Diese Theologisierung des Phänomens menschlicher Rangordnungen treibt Lactanz so weit, daß Erfolg im Diesseits gar als unvereinbar mit Erfolg im Jenseits erscheinen kann:31 Das Gleichheitsmoment korrespondiert in der lactanzischen aequitas also immer mit einer Ungleichheit: Im irdischen Bereich entspricht der Gleichheit, die im innerchristlichen kommunikativen Verhalten zum Ausdruck kommt, eine Ungleichheit bezüglich real existierender Machtmittel. Diese Ungleichheit setzt erst die Dynamik von Recht und Unrecht in Gang, welche wiederum erst gerechtes oder ungerechtes Verhalten ermöglicht. Nach diesem Verhalten bemißt sich nun im himmlischen Bereich der jenseitige Lohn, welcher mit ewiger Verdammung und ewiger Glückseligkeit die größtmögliche Ungleichheit herstellt. Mit dieser Ungleichheit korrespondiert aber wiederum eine fundamentale Gleichheit in Form von gleichen Heilschancen für jeden Menschen.32 Diesen Sachverhalt illustriert die folgende Tabelle:
29 Vgl. allein in inst. 5 neben inst. 5,15,3 inst. 5,14,16-18; 5,15,7; 5,17,34; 5,21,8. Vgl. auch Ingremeau 2003, 50f. 30 Diesseits und Jenseits werden in 5,15,7-11 deutlich gegenübergestellt. Auch deo iudice (inst. 5,15,6) verweist zumindest den christlichen Leser schon auf das Jüngste Gericht. 31 Vgl. inst. 5,15,8: ... deo humilis et abiectus est qui fuerit conspicuus et sublimis in terra. In inst. 6,12,37-39 beruhigt Lactanz allerdings seinen Leser, er brauche, um gute Werke zu verrichten, nicht unbedingt sein eigenes Vermögen anzutasten. 32 Vgl. zu diesen Ausprägungen der Gleichheit im irdischen und im himmlischen Bereich auch Gnilka 2005, 22: »So erreicht er [sc. Lactanz, J.W.], daß das göttliche Vorbild und die menschliche Nachahmung mit demselben Wort belegt werden: der Gleichbehandlung der Menschen durch Gott (vgl. aequaliter dividit) entspricht die aequitas der Menschen untereinander.«
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Gleichheit und Ungleichheit bei der lactanzischen aequitas
Gleichheit (aequitas) irdisch: Beziehung zwischen Menschen
Himmlisch: Beziehung zu Gott
Ungleichheit
Gleichheit
Ungleichheit
Gleichheit
Machtverhältnisse
Kommunikatives
Jenseitige
Gleiche
bzw. Verteilung der
Verhalten
Vergeltung
Heilschancen
Machtmittel
4.4.2.2 Umgang mit Reichtum; Stellung des pater familias Die Betonung des Spirituellen gegenüber dem Materiellen hindert unseren Autor freilich nicht daran, sehr konkrete Verhaltensanweisungen zu geben: So sollen wir unter anderem unser Geld dafür aufwenden, den Armen Almosen zu geben (inst. 6,11,6 – 6,12,4), Fremde oder Mittellose zu bestatten (inst. 6,12,25-31) und Gefangene freizukaufen (inst. 6,12,15-18). Lactanz sieht hierin ein unterscheidendes Merkmal christlichen Lebens im Vergleich zum Verhalten der Nichtchristen: Diese hätten letztlich nur ihr eigenes Wohl im Auge. Dieser Einschätzung des Lactanz hat man sich auch verschiedentlich in der modernen Forschung angeschlossen.33 Allerdings hat Lactanz wohl nicht nur ein Idealbild christlicher Nächstenliebe entworfen, sondern auch die Verhaltensweise seiner nichtchristlichen Mitmenschen einseitig negativ dargestellt.34 Bei aller Betonung der Notwendigkeit tätiger Nächstenliebe stellt Lactanz klar, daß auch das optimale Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich absurd und sinnlos ist und somit nicht vor der ewigen Verdammnis bewahrt, wenn es nicht in Verbindung mit der rechten, das heißt für Lactanz christlichen, Gotteserkenntnis geschieht. Das macht unser Autor eigens am Beispiel des Atheners Kimon deutlich.35
33 Vgl. etwa Uhlhorn 1882, 3; etwas zurückhaltender Dassmann 1996, 78: »... ein Stück Wahrheit liegt doch in den Behauptungen sowohl Uhlhorns als auch des Laktanz.« 34 Vgl. Lausberg 1975, 31f.; Garnsey-Humfress 2001, 175. 35 Vgl. dazu oben den Abschnitt 4.2.4.3.
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Häufig mußten sich Christen mit dem Vorwurf auseinandersetzen, die Position des pater familias zu untergraben.36 Demgegenüber betont Lactanz wie andere frühchristliche Apologeten auch die herausragende Bedeutung des Oberhauptes der Hausgemeinschaft (pater familias). Auch diese soziale Position wird zwar theologisiert – und in diesem Sinne ist dann eben ausschließlich Gott Herr, ausschließlich Gott Vater.37 Aber der pater familias bleibt doch zumindest ›hienieden‹ die Leitfigur, wir bereits im Kapitel 4.3 sahen.38 Daß das Bekenntnis zum Christentum beispielsweise auch zum Konflikt mit dem pater familias führen könnte, wird von Lactanz bemerkenswerterweise nicht thematisiert. Auch das Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal der Demut auch und gerade gegenüber Untergebenen und der Verpflichtung, Untergebene gegebenenfalls zu züchtigen,39 kommt bei Lactanz nirgends zur Sprache. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, daß Lactanz in seinem Publikum vor allem Personen vermutete, die selbst mindestens den Rang eines pater familias innehatten. In den Divinae institutiones ist der pater familias die höchste von Lactanz überhaupt anerkannte gesellschaftliche Institution überhaupt,40 und noch in der Schrift De ira dei gibt nicht der Kaiser, sondern der pater familias das Modell ab, nach dem Lactanz seine Gottesvorstellungen darstellt.41 Eines 36 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 172. Angesichts dieser Auseinandersetzung sei freilich daran erinnert, daß der pater familias außerhalb von Rechtstexten vor allem als Idealbild eine Rolle spielte und im Alltag seine Stellung häufig nicht so zentral war wie häufig angenommen, vgl. Saller 1999, 197. 37 Vgl. inst. 5,18,14-16, bes. 15: nam ille, qui servum pretio comparat, quid in eum beneficii confert praeter alimenta, quae illi utilitatis suae gratia subministrat? Et qui filium generat, non habet in potestate, ut concipiatur, ut nascatur, ut vivat: unde apparet non esse illum patrem, sed tantummodo generandi ministrum. 38 Vgl. dazu dort die Abschnitte 4.3.2.2 und 4.3.4.2. 39 Vgl. inst. 6,19,6-10, bes. 6: irae affectus (sc. datus est) ad coercenda peccata eorum, qui sunt in nostra potestate. Diese Formulierung als solche betrifft Frauen, Kindern und Sklaven (vgl. auch Winger 1999, 232 Anm. 1530). Allerdings fährt Lactanz unmittelbar fort: id est, ut artiore disciplina minor aetas ad probitatem iustitiamque formetur. Hier scheint er tendenziell den Wirkungsbereich der patria potestas auf die Kinder zu beschränken und Ehefrauen und Sklaven implizit davon zu befreien. Zu bedenken ist freilich, daß die meisten Frauen und auch Sklaven in einer familia jünger gewesen sein dürften als der pater familias und insofern auch zu den aetate minores zu zählen wären (wie sich umgekehrt auch kaum vorstellen läßt, Lactanz sei dafür eingetreten, daß ein pater familias einen anderen pater familias, wenn dieser jünger sei als jener, züchtigen dürfe oder solle). Suchte man nach einem Anhaltspunkt für die These, daß Lactanz das Gleichheitsideal nicht nur auf kommunikativer oder spiritualisierter Ebene, sondern auch im konkreten diesseitigen Handeln verwirklicht sehen wollte, wäre diese Textstelle wohl die erfolgversprechendste. Dagegen nennt Lactanz in der späteren Schrift De ira dei unter den Untergebenen neben den Kindern explizit auch Frauen und Sklaven (und Schüler), vgl. ira 17,16: ... de his potissimum dico qui sunt nostrae potestatis, ut servi, ut liberi, ut coniuges, ut discipuli: quos cum delinquere, incitamur ad coercendum... (ira 17,18: haec est ira iusta...). 40 Vgl. dazu oben den Abschnitt 4.3.2.2. 41 Vgl. dazu auch Garnsey-Humfress 2001, 179: »A consequence of juxtaposing the relatives of on the one hand the family head and dependants, and on the other the creator of the world
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
der Merkmale des pater familias ist seine Herrschaft über seine Untergebenen. Bei dieser Frage zeigt sich wiederum ein Beispiel für die Tendenz zeitgenössischer Forschung, Wertvorstellungen der modernen westlichen Gesellschaft auf Lactanz zu projizieren: So wird Lactanz unter anderem das Ideal einer Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Ehe bescheinigt.42 Doch wenn Lactanz nicht nur Frauen, sondern auch Männer zur Treue innerhalb der Ehe auffordert,43 dann hat das mit Anforderungen an die Tugend der Männer zu tun und weniger mit einer Anerkennung einer allgemeinen Gleichberechtigung. Wo Lactanz davon spricht, daß ein Mann, der seine Frau betrügt, nicht mit der Treue seiner Frau rechnen könne, liegt die Annahme zugrunde, daß der Mann als Herr seiner Frau gegenüber dieser gleichzeitig auch Vorbildfunktionen44 wahrnehmen muß – das Ideal einer Gleichberechtigung liegt ihm fern. Lactanzens Einstellung zur Frau wird auch darin deutlich, daß er der Ehefrau ausdrücklich eine Funktion als Ventil für den Sexualtrieb des Ehemannes zuweist.45 4.4.2.3 Zusammenfassung Wie wir sahen, ist das Gleichheitsmoment bei Lactanz auf den Stil46 der zwischenmenschlichen Kommunikation einerseits und gleiche Heilschancen gegenüber Gott beschränkt. Unser Autor hebt die Ungleichheit ökonomischer und gesellschaftlicher Rangstufen nicht auf.47 Vielmehr spiritualiand created, was to exalt the position of the human paterfamilias, widening the gap between him and his dependants.« und oben den Abschnitt 4.3.4.2. 42 Vgl. Winger 1999, 511. 43 Vgl. inst. 6,23,23-25: nondum omnia castitatis officia exsecutus sum: quam deus non modo intra privatos parietes, sed etiam praescripto lectuli terminat, ut cum quis habeat uxorem, neque servam neque liberam habere insuper velit, sed matrimonio fidem servet. (24) non enim, sicut iuris publici ratio est, sola mulier adultera est quae habet alium, maritus autem etiamsi plures habeat, a crimine adulterii solutus est, (25) sed divina lex ita duos in matrimonium, quod est in corpus unum, pari iure coniungit, ut adulter habeatur quisquis compagem corporis in diversa distraxerit. Vgl. auch inst. 6,23,29: servanda igitur fides ab utroque alteri est […] iniquum est enim ut id exigas quod praestare ipse non possis. 44 Vgl. inst. 6,23,29: servanda igitur fides ab utroque alteri est, immo exemplo continentiae docenda uxor ut se caste gerat. iniquum est enim ut id exigas quod praestare ipse non possis. quae iniquitas effecit profecto ut essent adulteria, feminis aegre ferentibus praestare se fidem non exhibentibus mutuam caritatem. 45 Vgl. inst. 6,23,26: nec ob aliam causam deus cum ceteras animantes suscepto fetu maribus repugnare voluisset, solam omnium mulierem patientem viri fecit, scilicet ne feminis repugnantibus libido cogeret viros aliut adpetere eoque facto castitatis gloriam non tenerent. 46 Vgl. Brown 1995 (1978), 28f. 47 Vgl. dazu auch inst. 3,22,3f.: qui ergo vult homines adaequare, non matrimonia, non opes subtrahere debet, sed adrogantiam superbiam tumorem, ut illi potentes et elati pares esse se etiam mendicissimis sciant. (4) detracta enim divitibus insolentia et iniquitate nihil intererit utrumne alii divites, alii pauperes sint, cum animi pares fuerint, quod efficere nulla res alia praeter religionem dei potest.
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siert er die Ungleichheit; er relativiert die Rangstufen im zwischenmenschlichen Bereich bis zur Bedeutungslosigkeit, indem er eine neue Reihe auf Gott bezogener Rangstufen einführt. Für den Wettstreit um christliche Gerechtigkeit ist die ökonomische und soziale Stratifizierung der Gesellschaft sogar notwendige Voraussetzung. Damit läßt sich wahrscheinlich machen, daß unser Autor durch seine Berufung auf aequitas/aequabilitas den Diskurs über Gleichheit und das mit Gleichheitsforderungen zusammenhängende Pathos zu seinen missionarischen Zwecken instrumentalisiert. 4.4.3 pietas Von großer Bedeutung ist auch der schwer übersetzbare Begriff der pietas (»Frömmigkeit, Pflichtgefühl«). Lactanz sucht ihn ausschließlich für die christliche Sache in Besitz zu nehmen.48 Dabei wird der Anwendungsbereich dieses Begriffes um die zwischenmenschliche Dimension verringert und ganz auf die Mensch-Gott-Beziehung beschränkt. Im Kontext der römischen Kultur bezeichnete pietas dagegen aber eben auch diejenigen Kräfte, welche die menschliche Gesellschaft und insbesondere ihre Keimzelle, die Familie, zusammenhalten. 4.4.3.1 Lactanz über den pius Aeneas bei Vergil Ein zentrales Beispiel dafür, wie Lactanz christliche pietas auffaßt und von ›römischer‹ pietas abgrenzt, ist seine Behandlung des stehenden Epithetons pius (»fromm«) des römischen Helden Aeneas, wie ihn Vergil in seinem Nationalepos Aeneis verherrlicht hatte.49 Das Zeugnis hat zum einen paradigmatische Bedeutung für den Umgang des Lactanz mit der antiken Bildung und den Stellenwert, den er dieser beimaß. Denn Vergil war fester Bestandteil der Schullektüre und hat daher die römische Identität der Reichselite, aber auch überhaupt aller einigermaßen Gebildeten, zumindest in der lateinischsprachigen Reichshälfte entscheidend mitgeprägt. Diese Lactanzstelle ist zum anderen auch deshalb interessant, weil sie dahingehend interpretiert worden ist, daß Lactanz in der zwischenmenschlichen Dimension der Gerechtigkeit (aequitas), hier konkret in der Barmherzigkeit und Achtung vor der Würde des Mitmenschen, ein Korrektiv für die Frömmigkeit gesehen habe.
48 Colot 2001, passim möchte den lactanzischen pietas-Begriff dagegen im Rahmen des Synthese-Paradigmas verstanden wissen (vgl. 23: »osmose entre Rome et le christianisme«; 32: »l’univers civique et religieux de Rome, un cadre d’universalité en relation ›juridique‹ avec les res divinae, et dont l’auteur des Institutions divines était lui-même tributaire«). 49 Vgl. dazu auch oben S. 123.
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Das weitergehende Beweisziel des Lactanz ist es an dieser Stelle, nachzuweisen, daß Nichtchristen nicht gerecht sein können. Hauptvorwürfe sind die der Vergeltung für Pallas’ Tod dienenden, als sakrale Kulthandlungen durchgeführten Tötungen besiegter Feinde durch Aeneas,50 teilweise unter Verweigerung der erflehten Begnadigung,51 sowie der Rachezorn des Aeneas. Aus alledem ergibt sich nach lactanzischer Auffassung, daß Aeneas keinesfalls fromm (pius) ist. Hierbei spielt Lactanz die pietas des Aeneas gegenüber seinem Vater Anchises und seine pietas gegenüber Pallas gegeneinander aus: Selbst wenn das Prädikat pius sich allein auf die Achtung vor dem Vater Anchises beziehe,52 so habe Aeneas dieses Prädikat trotzdem nicht verdient, da man ihn ja bei seinem Vater Anchises um Schonung angefleht hatte und er sich durch dieses Flehen nicht erweichen ließ.53 Die lactanzische Argumentation ist auch deshalb geschickt, weil er den Vorwurf, die Christen würden durch ihr Verständnis von pietas die zwischenmenschliche pietas untergraben, umkehrt: Die zwischenmenschliche pietas der Römer kann man hier geradezu als Unmenschlichkeit dargestellt sehen. Der pietas der Götterverehrer stellt Lactanz wiederum die aus seiner Sicht wirkliche pietas entgegen. Diese sei gekennzeichnet von Friedfertigkeit, Eintracht, Feindesliebe, Brüderlichkeit gegenüber allen Menschen und Selbstbeherrschung (inst. 5,10,10). Je eifriger die Menschen, so resümiert Lactanz, den Götterbildern dienen, desto mehr vergehen sie sich gegen den wahren Gott. Lactanz geht im Rahmen seiner deduktiven Argumentation in inst. 5,10,14 noch weiter: Selbst ansonsten unbescholtene Menschen verlieren seiner Ansicht nach schon allein dadurch, daß sie Götter verehren, ihre Fähigkeit, gut und gerecht zu sein.54 Das pietas-Ideal der klassischen Bildung ist durch diese harsche Kritik an dem bedeutendsten römischen Dichter des Bildungskanons überhaupt empfindlich desavouiert. Wolfram Winger55 interpretiert diese Stelle dahingehend, daß Gerechtigkeit und Sittlichkeit aus lactanzischer Sicht Korrektive für die Frömmigkeit darstellen. Die Menschen könnten schon allein dadurch eine religiöse Überzeugung als falsch erkennen, daß sie Grausamkeit gegenüber den Mitmenschen rechtfertige oder gar verlange. Dazu ist zu sagen, daß Gerechtigkeit und Sittlichkeit diese Funktion bei Lactanz tatsächlich wahrnehmen können, soweit es um die Kritik an nichtchristlichen Religionen geht. Da nach lactanzischer Auffassung aber Gerechtigkeit und christliche Frömmigkeit 50 Verg. Aen. 10,517-536; 11,81-84; 12,948-952. 51 Verg. Aen. 10,523-529; 12,931-938. 52 Vgl. inst. 5,10,7: videlicet ob hoc unum pius vocatur (sc. Aeneas), quod patrem dilexit. 53 Vgl. inst. 5,10,9: manium patris per quem rogabatur oblitus [sc. Aeneas]. 54 Vgl. dazu auch die Ausführungen unseres Autors über Kimon und dazu oben den Abschnitt 4.2.4.3. 55 Winger 1999, 404. Vgl. auch ebd. 478f.
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sich gegenseitig bedingen, kann erstere auch keine ernsthafte Korrekturfunktion gegenüber letzterer wahrnehmen. Nach lactanzischer Auffassung verdienen alle Nichtchristen allein schon aufgrund ihrer Nichtzugehörigkeit zum Christentum ewige Verdammnis, also ein noch schlimmeres Schicksal als einen langsamen und qualvollen Tod (inst. 5,18,14-16). Verglichen damit erscheint selbst das Schicksal der von Aeneas unbarmherzig Getöteten geradezu harmlos. Nichtchristen unter den Zeitgenossen des Lactanz könnten sehr wohl zu der Auffassung gelangt sein, daß die Lehre von der ewigen Verdammnis aller Nichtchristen so grausam sei, daß sie das Christentum als Ganzes als falsch erweise. Eine solche Überlegung ist Lactanz dagegen vollkommen fremd.56 4.4.3.2 Die zwischenmenschliche Dimension der pietas Es kam vor, daß christliche Missionserfolge Familien entzweiten oder gar auseinanderrissen. Solche Fälle waren neben weiteren Faktoren mitverantwortlich für die Ablehnung des Christentums in weiten Teilen der römischen Gesellschaft. Tatsächlich gab es im frühen Christentum starke Strömungen, die der Familie als der Keimzelle der antiken Gesellschaft skeptisch oder gar feindselig gegenüberstanden.57 Alle identitätsstiftenden und emotionalen Bindungen an Eltern, Kinder, Ehepartner, überhaupt die Familie wurden relativiert, ja ersetzt durch die Bindung an Gott und die christliche Gemeinschaft.58 Die Anhänger dieser Strömungen konnten sich auf mehrere Herrenworte in den Evangelien berufen.59 Pagane Polemik nahm dies begierig auf und zeichnete das Bild einer christlichen Mission, die sich gezielt an die intellektuell Wehrlosesten – Kinder, Frauen, Ungebildete – wandte, um sie gegen ihre Eltern, Ehemänner und gebildeteren Zeitgenossen aufzuhetzen.60 Welche Wunden solche religiösen Auseinandersetzungen reißen konnten, läßt sich aber auch aus dem innerchristlichen Diskurs ersehen: So do56 Fragwürdig auch die Interpretation von Winger 1999, 404, nach der inst. 5,10,11 als »Mahnung an alle fundamentalistischen Positionen jedweder Religionen heute« aufzufassen und »besonders an die Adresse islamistischer Terrororganisationen« (ebd. Anm. 2729) zu richten sei: Lactanz richtet sich hier eindeutig gegen polytheistische und Götter abbildende (vgl. inst. 5,10,11: quanto enim religiosius terrenis istis simulacris inserviunt...) Religionsformen, also nicht gegen die Juden und erst recht nicht gegen das Christentum. Und zu den Vorwürfen, die man »islamistischen Terrororganisationen« machen kann, zählt Polytheismus nun wirklich nicht... 57 Vgl. dazu etwa Dassmann: RAC 13 (1986), 877-885 s.v. Haus II mit zahlreichen Belegen aus dem Neuen Testament und der frühchristlichen Literatur. 58 Vgl. Dassmann: RAC 13 (1986), 878 s.v. Haus II; Garnsey-Humfress 2001, 172. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich, wenn einzelne Angehörige des Christentums gegen den Willen ihrer nichtchristlichen Eltern oder Ehepartner dem Ideal der Jungfräulichkeit nacheiferten, vgl. Garnsey-Humfress 2001, 183. 59 Vgl. Dassmann, RAC 13 (1986), 877 s.v. Haus II. 60 Vgl. Cels. ap. Orig. Cels. 3,55.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
kumentiert eine Inschrift aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts61 möglicherweise den Selbstmord62 eines jungen Mädchens, das sich der christlichen Gruppe der Novatianer zugewandt hatte und die von ihren ›orthodox‹ christlichen Eltern bereits vorbereitete Hochzeit verweigert hatte. Die Eltern, offenbar von ihrem schlechten Gewissen geplagt, weil sie die Tochter bedrängt hatten, setzten die Grabinschrift.63 Die Synode von Gangra, die 343, also nicht einmal zwei Jahrzehnte nach dem Tod des Lactanz64 stattfand, anathematisiert Personen, die im Namen der Frömmigkeit ihre Familien im Stich lassen (Kanon 15f.) oder Sklaven gegen ihre Herren aufhetzen (Kanon 3). Das sind weitgehend dieselben Verhaltensweisen, die der Gegner des Christentums Celsus den Christen vorgeworfen und damit den empörten Widerspruch des Origenes hervorgerufen hatte. Gleich mehrere Kanones derselben Synode sind dem ›Mißbrauch‹ des Ideals der Jungfräulichkeit gewidmet: Dem Anathema fällt anheim, wer die Ehe verurteilt oder eine Frau dafür verurteilt, daß sie mit ihrem Ehemann schläft (Kanon 1), wer die Jungfräulichkeit aus Abneigung gegen die Ehe wählt (Kanon 9), wer selbst ein jungfräuliches Leben führt und dabei verheiratete Mitmenschen abschätzig behandelt (Kanon 10), und insbesondere eine Frau, die ihren Ehemann verläßt (Kanon 14).65 Welchen Standpunkt vertrat nun Lactanz bei diesem hochbrisanten Thema? Unser Autor verzichtet darauf, diese Probleme explizit anzusprechen. Er preist zwar das jungfräuliche Leben in den höchsten Tönen (inst. 6,23,37-40), polemisiert aber nirgends gegen die Ehe. Den Sexualtrieb hält er für gottgegeben; er rechtfertigt ausdrücklich den Geschlechtsverkehr, solange er innerhalb der Ehe ausgeübt wird und auf die Zeugung von Kindern abzielt.66 An einer Stelle betont Lactanz, daß die Christen niemanden gegen seinen Willen festhalten würden (inst. 5,19,13). Hier geht es Lactanz sicherlich in erster Linie darum, das Verhalten der Christen mit dem der Götterverehrer, die Konversionswillige mit Gewalt bei ihrer alten Religion festhalten wollen, zu kontrastieren. Möglicherweise reagiert er damit auch auf einen 61 Vgl. Buckler-Calder-Cox 1927, 55. 62 Vgl. Buckler-Calder-Cox 1927, Nr. 230, D2: ijտ IJʍıȤİȡփIJ ԤȚįȟıȣ; und D 15: ijռȟ ȡՂIJijȢȡȣ ȚįȟչijȡȤ ȝչȖıȟ und Bucker-Calder-Cox 1927, S. 56. 63 Vgl. Bucker-Calder-Cox 1927, Nr. 230 mit S. 55-58. 64 Wann Lactanz gestorben ist, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Die meisten Indizien sprechen für einen Zeitpunkt um das Jahr 325, vgl. Wlosok 1989a, 378. 65 Vgl. auch Garnsey-Humfress 2001, 193f. 66 In inst. 6,23,18 erklärt Lactanz, der Sexualtrieb sei nur dann gerechtfertigt, wenn er auf die Zeugung von Nachwuchs ziele; in inst. 6,23,26 stellt Lactanz vergleichende Studien zwischen Frauen und weiblichen Tieren an, um zu zeigen, das Geschlechtsverkehr auch bei schon eingetretener Schwangerschaft erlaubt oder gar angezeigt sei, um einen Ehebruch des Mannes zu verhindern.
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heutzutage häufig gegen neureligiöse Bewegungen gerichteten Vorwurf, die Christen würden ›Ausstiegswillige‹ unter massiven psychologischen Druck setzen. Dies läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Sicher ist, daß das Bekenntnis zum Christentum nach lactanzischer Auffassung erfordert, auch die ewige Verdammnis engster Familienmitglieder – so sie sich nicht zum Christentum bekehren – zu bejahen. Lactanz macht eigens deutlich, daß auch das tadelloseste Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich, wenn es nicht von christlichem Glauben motiviert ist, im Jenseits keinen anderen Lohn erfährt als die furchtbarsten Verbrechen. Hier sehen wir, daß nicht nur die lactanzische pietas der lactanzischen aequitas eindeutig übergeordnet ist, sondern dadurch auch die zwischenmenschliche Dimension der pietas bei Lactanz gegenüber der auf Gott bezogenen aufgegeben wird: Am Begriff der pietas läßt sich die Abwertung zwischenmenschlicher Verbindlichkeiten, so wie die spätantike Gesellschaft im römischen Reich sie weithin sah, zugunsten der Verbindlichkeit gegenüber Gott ablesen. 4.4.4 Bildung Bildung war in der Antike ein kostbares und seltenes Gut. In aller Regel konnten sich nur die herrschenden Eliten eine hervorragende Ausbildung ihres Nachwuchses leisten. Bildung vermittelte daher auch – stärker noch als heutzutage – Sozialstatus und spielte im allgemeinen eine zentrale Rolle als reichsweite Geltung beanspruchende Kommunikationsgrundlage der führenden Eliten.67 Im Einzelfall konnte Bildung geradezu von geradezu existentieller Bedeutung sein, beispielsweise dazu beitragen, bei einem Prozeß den Richter von der Zugehörigkeit zu einem hohen Stand zu überzeugen und so der Folterung (!) zu entgehen.68 Außerdem begründete die in Jahren mühsam und teuer erworbene Bildung auch einen nicht unerheblichen Teil der Identität, des Selbstbewußtseins und Selbstwertgefühls der Gebildeten. Aufgrund all dieser Faktoren kann man sich leicht vorstellen, daß antike Bildungsinhalte zumindest tendenziell normativen Einfluß auf die Mentalität der Gebildeten nehmen konnten. Aus diesem normativen Anspruch antiker Bildungsgüter ergab sich auch ein beträchtliches Konfliktpotential69 mit einem Christentum, das die Weisheit dieser Welt verachtete und die Texte des antiken Bildungskanons als normative Texte zugunsten 67 Vgl. dazu insbesondere Brown 1995 (1992), 51-94. 68 Garnsey 1968, 161; MacMullen 1990 (1986), 164f.; Garnsey-Humfress 2001, 95; Rieß 2002, 220f. 69 Vgl. etwa Klein 1990, 53f.
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der biblischen Offenbarung ablehnte. Lactanz spricht nicht nur eben diese Gebildeten an, sondern bringt auch durch seine zahllosen intertextuellen Referenzen auf Klassiker seine eigene Zugehörigkeit zur Bildungsschicht zum Ausdruck. Angesichts dieser Vielzahl intertextueller Referenzen ist der Stellenwert der Bildung für Lactanz von großer Bedeutung: Während einige meinen, Lactanz habe antike Bildungsgüter grundsätzlich absichtsvoll und mit christlicher Intention instrumentalisiert,70 sieht eine Mehrzahl der Beiträge in der Bildung einen mehr oder weniger eigenständigen normsetzenden Faktor für das lactanzische Denken. Unser Autor sei in seiner Kindheit, Jugendzeit oder seiner späteren Berufstätigkeit als Rhetoriklehrer so sehr von antiker Bildung geprägt und durchdrungen worden, daß er Christliches nur in dem Maße akzeptieren konnte, wie es mit den Voraussetzungen der paganen Bildung vereinbar war.71 Wir sehen hier wiederum eine Ausprägung des Synthese-Paradigmas. In seinen methodologischen Aussagen macht Lactanz mehrmals deutlich, wie er sich den idealen Umgang eines christlichen Apologeten mit der paganen Bildung vorstellt: Unser Autor propagiert dort die Instrumentalisierung der paganen Bildungsgüter aus rhetorisch-protreptischen Beweggründen und läßt keinen Zweifel daran, daß die antike Bildung ausschließlich Mittel zum Zweck sein soll.72 Diese theoretischen Aussagen konnten wir bestätigen, als wir den Stellenwert der paganen Textgruppen untersuchten. Für den klassischen Bildungskanon sind dabei vor allem die Dichter, Philosophen und Historiker von Bedeutung. Gerade für diese Textgruppen konnten wir zeigen, daß Lactanz nicht etwa eine konziliante Synthese mit ihnen sucht, sondern sich um eine effiziente Instrumentalisierung ihrer Inhalte zugunsten der von ihm vertretenen christlichen Lehre bemüht.73 4.4.5 Schluß An der Verwendung des aequitas-Begriffes zeigt sich die christliche Stoßrichtung lactanzischen Denkens: Die gesellschaftliche Rangordnung wird spiritualisiert und durch eine religiöse Rangordnung ersetzt. Dabei nutzt Lactanz zwar das Pathos des Gleichheitstopos zu seinen polemischen und 70 Vgl. Buchheit 1979c, 357; implizit Gnilka 1993, 35-40. 71 Vgl. insbesondere Leadbetter 1998, 248-250. Viele Beiträge gehen sogar so weit anzunehmen, daß Lactanz die klassischen Dichter und/oder Philosophen für Propheten beziehungsweise göttlich inspiriert gehalten habe, vgl. dazu oben die Forschungsüberblicke in den Abschnitten 3.2.1.1 und 3.3.2. 72 Vgl. dazu oben die Abschnitte 2.2.3 und 2.2.4; außerdem opif. 20,2f. 73 Vgl. dazu oben die Kapitel 3.1, 3.2 und 3.3.
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protreptischen Zwecken aus. In seiner Konzeption findet sich die Gleichheit allerdings nur in der – allerdings aus seiner Sicht zentralen – Lehre von der Gleichheit der Heilschancen aller Menschen wieder. Spezifisch christlich erscheint auch das Demutsideal. Dagegen steht die sehr starke Betonung der Position des pater familias in engster Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Wertvorstellungen der paganen Antike. Damit ergibt sich, daß Lactanz die gesellschaftlichen Rangordnungen durch Spiritualisierung einerseits durchbricht und entwertet, andererseits aber stabilisiert – denn durch die spirituelle ›Kompensation‹ sinkt der Druck, ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern. Auch der Begriff der pietas gewährt Einblicke in die Stellung des Lactanz zu den gesellschaftlichen Wertvorstellungen seiner Zeit: Dabei verurteilt unser Autor den vergilischen pius Aeneas und entlarvt damit insbesondere die zwischenmenschliche Dimension der paganen pietas als Unmenschlichkeit. Der theozentrische Charakter des lactanzischen pietas-Begriffes zeigt sich auch darin, daß zwischenmenschliche Rücksichtnahme entgegen jüngst vorgetragener Einschätzungen aus lactanzischer Sicht kein Korrektiv für pietas darstellt. Insgesamt verliert also die pietas bei Lactanz ihre zwischenmenschliche Dimension und wird ganz auf die Mensch-GottBeziehung eingeschränkt. Pflichten gegenüber dem Mitmenschen lassen sich zwar von den Pflichten gegenüber Gott ableiten, aber nicht umgekehrt: Verpflichtet ist der Mensch nicht seinen Mitmenschen, sondern allein Gott. Schließlich hatten wir feststellen können, daß auch die klassische Bildung für Lactanz nicht den Rang eines eigenständig normsetzenden Faktors hat. Aus diesen wenigen ›Stichproben‹ können wir die folgenden Schlüsse ziehen: Unser Autor spiritualisiert gesellschaftliche Wertbegriffe beziehungsweise er erhebt sie von der zwischenmenschlichen Dimension auf die Ebene der Gott-Mensch-Beziehung. Daraus folgt für ihn kein aktiver Kampf gegen die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, Lactanz ist insofern kein Revolutionär. Aber seine Position führt zu einer schleichenden Entwertung aller nicht spezifisch christlichen Wertbegriffe, angefangen mit der Familie als Keimzelle gesellschaftlichen Lebens bis hin zu den verschiedenen sozialen und politischen Funktionen, nicht zuletzt der klassischen Bildung.
4.5 Lactanz – ein Vorkämpfer für Toleranz? 4.5.1 Einleitung 4.5.1.1 Zwei Toleranzdefinitionen Neben zahlreichen anderen Wertbegriffen und Tugenden der modernen westlichen Kultur wird auch die Toleranz unserem Autor zugesprochen. Bevor wir uns näher mit dieser Zuschreibung beschäftigen, wollen wir uns kurz der Frage zuwenden, was Toleranz überhaupt ist. Es würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, dieser Problematik in extenso nachzugehen.1 Aber wir wollen doch wenigstens zwei Definitionen anführen, die für die Frage, mit welchem Recht man unseren Autor als Vorkämpfer für Toleranz bezeichnen kann, von großer Bedeutung sind. Da ist zunächst die Definition, die Peter Garnsey in seinem richtungsweisenden Aufsatz über Toleranz in der Antike zugrunde legt: Toleration implies disapproval or disagreement coupled with an unwillingness to take action against those who are viewed with disfavour in the interest of some moral or political principle. It is an active concept, not to be confused with indifference, apathy or passive acquiescence.2
Elizabeth DePalma Digeser unterscheidet dagegen zwischen »toleration« und »concord«, und zwar folgendermaßen: If a state permits practices that it finds offensive because it believes that over the long term such a policy will bring the dissenters around to its position, then the state is aiming to achieve concord, not practicing toleration. […] Both toleration and concord involve forbearance, or an attitude of patience toward practices that one finds disagreeable, but they differ in the expected outcome. Toleration anticipates no change in the status quo; concord works toward ultimate conversion and unity.3
1 Einen Einstieg bieten Zinser: Metzlers Lexikon der Religion 3 (2000), 513-515 s.v. Toleranz und der Sammelband von Wierlacher 1996. 2 Garnsey 1984, 1, der selbst (Anm. 1) diese Definition mit geringen Modifikationen von Crick 1971 , passim übernimmt. 3 Digeser 2000, 110. Dies. führt weiter aus (S. 110f.): »Thus, forbearance, toleration, and concord can be distinguished as related categories of political behaviour. Any state that avoids force and puts up with behaviour that it finds objectionable can be said to be practicing forbearance. A state moves from a policy of simple forbearance to one of toleration if (1) its attitude of forbearance is dictated by some moral or political principle and (2) there is no expectation that because it exercises forbearance, the dissenters will ultimately come around to the state’s position. Concord resembles toleration in that it is also a principled exercise of forbearance, but it is practiced with different expectations and to a different end. A state has adopted a policy of concord if (1) its attitude of forbearance is dictated by some moral, political, or even religious principle and
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Die amerikanische Forscherin geht davon aus, daß Lactanz in den Divinae institutiones einerseits für die Christen »toleration« von Seiten des römischen Staates gefordert habe, seine Theorien andererseits aber einen christlichen Staat nur zu einer »policy of concord« anhalten würden.4 In Anlehnung an diese beiden Definitionen könnte man Toleranz beschreiben als einen an moralische und/oder politische Prinzipien gebundenen Verzicht auf repressive Maßnahmen, die man ansonsten zu ergreifen geneigt wäre. 4.5.1.2 Toleranter Polytheismus – intoleranter Monotheismus? Polytheismus bedeutet Toleranz. Dies ist zumindest eine traditionsreiche Tendenz in der Forschung,5 die erst seit einiger Zeit stärker in Frage gestellt wird. Dabei betont man zum einen, daß von Toleranz keine Rede sein könne, wo ohnehin keine Neigung zu repressiven Maßnahmen bestünde. Auch die Übernahme von Kulten sei keine Toleranz.6 Zum anderen finden sich aber auch in der vorchristlichen antiken Welt zahlreiche Beispiele für Intoleranz.7 So achteten die antiken Stadtstaaten sehr wohl darauf, welche Gottheiten offiziell und öffentlich verehrt wurden. In diesem Zusammenhang werden die Asebieprozesse in Athen oder der Bacchanalienprozeß in Rom häufig erwähnt. Auch die erbittert geführten Auseinandersetzungen der Philosophenschulen sprechen nicht gerade für das Toleranzpotential der Antike. In der römischen Kaiserzeit nahm die Toleranz nicht zu: Nicht umsonst warnt Maecenas den Kaiser Augustus im Geschichtswerk des Cassius Dio (52,36,1f.) in eindringlichen Worten vor religiösen Neuerungen und fordert ihn auf, andere zur Verehrung der Gottheit nach den Gesetzen des Vaterlandes zu zwingen.8 Einen besonders brisanten Kristallisationspunkt (2) it expects that by treating its dissenters with forbearance it is creating conditions under which they will ultimately change their behaviour to conform to what the state accepts.« 4 Vgl. Digeser 2000, 111. 5 Vgl. Vogt 1968, 344: »jene Aufgeschlossenheit gegenüber fremden Göttern […], die wir zumeist bei polytheistischen Systemen feststellen können.« Vgl. auch Schäublin 1975, 213f.; MacMullen 1981, 2. Assmann 1996, 304-306 sieht in den beiden ›polytheistischen‹ Konzepten des Hellenismus und des Synkretismus große Potentiale für den Aufbau einer toleranten Globalkultur heutzutage. 6 Vgl. etwa die eben zitierten Definitionen von Garnsey 1984 und Digeser 2000. 7 Vgl. Garnsey 1984, 3-12. 24f.; Garnsey Humfress 2001, 144. Die Einzelheiten sind auch der älteren Forschung nicht unbekannt, werden dort aber schwächer gewertet, vgl. Vogt 1968, 344f.; Schäublin 1975, 213f. 8 յIJij ıՀʍıȢ ԐȚչȟįijȡȣ Րȟijȧȣ ԚʍțȚȤȞıהȣ ȗıȟջIJȚįț, ijįףijչ ijı ȡ՝ijȧ ʍȢֻijijı, Ȝįվ ʍȢȡIJջijț ijր Ȟպȟ Țıהȡȟ ʍչȟijׄ ʍչȟijȧȣ įijցȣ ijı IJջȖȡȤ Ȝįijո ijո ʍչijȢțį Ȝįվ ijȡւȣ ԔȝȝȡȤȣ ijțȞֻȟ ԐȟչȗȜįȘı, ijȡւȣ İպ İռ ȠıȟտȘȡȟijչȣ ijț ʍıȢվ įijր Ȝįվ ȞտIJıț Ȝįվ ȜցȝįȘı, (2) Ȟռ Ȟցȟȡȟ ijȟ Țıȟ ԥȟıȜį, կȟ ȜįijįĴȢȡȟսIJįȣ ȡİ ԔȝȝȡȤ Ԕȟ ijțȟȡȣ ʍȢȡijțȞսIJıțıȟ, Ԑȝȝ Ցijț Ȝįվ Ȝįțȟչ ijțȟį İįțȞցȟțį ȡԽ ijȡțȡףijȡț ԐȟijıIJĴջȢȡȟijıȣ ʍȡȝȝȡւȣ ԐȟįʍıտȚȡȤIJțȟ ԐȝȝȡijȢțȡȟȡȞıהȟ, ȜԐȜ ijȡփijȡȤ Ȝįվ IJȤȟȧȞȡIJտįț Ȝįվ IJȤIJijչIJıțȣ ԛijįțȢıהįտ ijı ȗտȗȟȡȟijįț, ԕʍıȢ ԱȜțIJijį ȞȡȟįȢȥտֹ IJȤȞĴջȢıț. Ȟսij ȡ՞ȟ ԐȚջ ijțȟվ Ȟսijı ȗցșijț IJȤȗȥȧȢսIJׄȣ ıՂȟįț. Vgl. auch Alföldy 1989, 63f.
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des Konfliktpotentiales zwischen den Christen und dem römischen Staat stellte der Kaiserkult dar. Denn für die Ideologie des Herrscherkultes fallen politische Loyalität und Bereitschaft zum Kaiseropfer zusammen.9 Galt der Polytheismus häufig als besonders tolerant, so hat man umgekehrt in dem Exklusivitätsanspruch von Judentum und Christentum ein tendenziell unüberwindliches Hindernis für gedachte und praktizierte Toleranz gesehen.10 Auch hier haben sich inzwischen die Gegenstimmen gemehrt: So betont schon Peter Garnsey im Jahre 1984 in seinem richtungsweisenden Aufsatz, daß die Ansätze zu Toleranzkonzepten in der Antike zuerst im Rahmen monotheistischer Apologetik entwickelt worden seien. Nach verhältnismäßig bescheidenen Anfängen bei Flavius Josephus11 sei hier insbesondere auf Tertullian zu verweisen: Der lateinische Kirchenvater prägt den Ausdruck »Religionsfreiheit« (libertas religionis).12 Auf dieser Grundlage wird die in der älteren Forschung häufig angenommene Rollenverteilung zwischen tolerantem Polytheismus und intolerantem Monotheismus geradezu ins Gegenteil verkehrt: Lactanz erscheint als Verfechter christlicher Duldsamkeit gegenüber den Gewaltexzessen einer von fanatisch-paganen Politikern und Intellektuellen in einer konzertierten Aktion ins Werk gesetzten Christenverfolgung.13 Als positives Gegenbild zu den Christenverfolgern wird der Kaiser Constantin dargestellt. Mit der Zuwendung des Kaisers zum Christentum ist nun im römischen Reich zum ersten Mal – zumindest theoretisch – die Möglichkeit gegeben, das Christentum mit Gewalt durchzusetzen. Eine solche gewaltsame Christianisierung erlebte beispielsweise im 4. Jahrhundert Armenien.14 Constantin schlug einen ungleich behutsameren Weg ein, der in der Forschung ebenso umstritten ist wie das religiöse Selbstverständnis des Kaisers
9 Vgl. Liebeschuetz 1979, 68. 76; Alföldy 1989, 63f.; Young 1994, passim; 2000, 640. 10 Vgl. beispielsweise Vogt 1968, 347. 11 Vgl. Ios. ant. Iud. 16,31-57 (Rede des Nikolaus von Damaskus vor Agrippa) sowie Garnsey 1984, 13f. (wo außer der genannten Stelle auch Ios. ant. Iud. 16,174-178 angeführt wird) und 25: »Toleration theory was a byproduct of persecution and came from those in an position of weakness. The Christians proved more fertile in this area than the Jews, partly perhaps because they lacked most of the Jews’ assets and bargaining points.« 12 Vgl. Tert. apol. 24,6 (libertatem religionis); Scap. 2,2 (sed nec religionis est cogere religionem, quae sponte suscipi debeat, non vi, cum et hostiae ab animo libenti expostulentur) und dazu Garnsey 1984, 14f. 13 Vgl. Digeser 1998, passim; 2000, 91-114. Gegen die Vorstellung einer inhärenten Intoleranz des Christentums auch Drake 2000, xvi. 14 Kettenhofen 1995, 92-104 (zustimmend angeführt von Seibt 2002, 125) hat jüngst gezeigt, daß die – offenkundig gewaltsame – Christianisierung Armeniens entgegen früherer Annahmen nicht vor, sondern erst nach der constantinischen Wende stattgefunden hat.
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selbst.15 Die weitgehende Toleranz des Kaisers gegenüber den nichtchristlichen Religionsformen wird nun verschiedentlich mit lactanzischen Vorstellungen in Verbindung gebracht. 4.5.1.3 Forschungsüberblick Lactanz gilt als Verfechter von Toleranz oder Religionsfreiheit. So versteht ihn nicht nur die Katholische Kirche (Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung),16 sondern auch neueste Beiträge aus den Bereichen Religionswissenschaft,17 Theologie18 und Alte Geschichte.19 Elizabeth DePalma Digeser geht sogar so weit anzunehmen, Lactanz habe ein inklusives Christentum propagiert, das zwischen Christen und Nichtchristen nicht deutlich unterscheide. Gleichzeitig schreibt sie Lactanz eine prinzipiengebundene Duldung Andersdenkender in der Erwartung, daß diese letztlich einlenken und ihren Standpunkt aufgeben, zu (policy of concord). Diese policy of concord sieht sie in der constantinischen Religionspolitik umgesetzt. Demgegenüber unterstellt sie den Verfassern christenfeindlicher Schriften, auf welche Lactanz geantwortet habe – insbesondere dem Porphyrios –, sie hätten den Terror der Christenverfolgung gerechtfertigt.20 Positionen, welche das lactanzische Eintreten für Toleranz und/oder Religionsfreiheit in Zweifel ziehen, haben vor diesem Hintergrund einen schweren Stand.21 15 Zum religiösen Selbstverständnis Constantins vgl. Girardet 1998, 26-45; 2000, 102. 108f.; Wallraff 2001, passim. Zu Maßnahmen der Heidenverfolgung unter der Regierung Constantins vgl. Noethlichs, Karl Leo: RAC 13 (1986), 1151-1155 s.v. Heidenverfolgung. 16 Declaratio de libertate religiosa 10, Anm. 8 (S. 936 bzw. 732 mit deutscher Übersetzung auf S. 733). Im Kapitel II mit der Überschrift »Libertas religiosa sub luce Revelationis« (»Die Religionsfreiheit im Licht der Offenbarung«) steht am Beginn des 10. Abschnitts der Satz »Caput est ex praecipuis doctrinae catholicae, in verbo Dei contentum et a Patribus constanter praedicatum8, hominem debere Deo voluntarie respondere credendo; invitum proinde neminem esse cogendum ad amplectendam fidem9.« (»Es ist ein Hauptbestandteil der katholischen Lehre, in Gottes Wort enthalten und von den Vätern ständig verkündet8, daß der Mensch freiwillig durch seinen Glauben Gott antworten soll, daß dementsprechend niemand gegen seinen Willen zur Annahme des Glaubens gezwungen werden darf9.«). An der Spitze der Kirchenväterzitate, die Anm. 8 ausmachen, steht Lactanz (inst. 5,19). 17 Vgl. Zinser 1997, 19f.; Zinser: Metzlers Lexikon der Religion 3 (2000), 173 s.v. Religionsfreiheit. 18 Vgl. Winger 1999, 14. 48. 614. 19 Vgl. Digeser 1998, passim; 2000, 110f.; Drake 2000, 211. 20 Digeser 1998, passim; 2000, 91-114. 21 Zweifel an der Zuschreibung von Toleranz an unsren Autor hegen Vogt 1968, 354f. 360; Schäublin 1975, 220 Anm. 61; Heck 1987, 228; in letzter Zeit nur Garnsey-Humfress 2001, 206. Dabei wird bei Heck (1987, 228: »Triumph der neuen Religion ohne eine Spur von Toleranz [...] Man sieht, wie ein ursprünglich nur zum Aufbau einer Gegenposition gegen römische religiöse Exempeltradition, von der römische Religionspolitik mitgetragen war, bestimmter Topos und seine allmähliche Ausweitung, der Topos vom Verfolgertod als Bestrafung der Gottesverächter, zu einem tragfähigen, später sogar erschreckend einsatzfähigen Element christlicher römischer Religionspolitik nach der constantinischen Wende wurde. Haben Tertullian, Cyprian und Lactanz das
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4.5.2 Lactanzische Ansätze zur Toleranz In der Tat verurteilt Lactanz mehrmals das Streben der Christenverfolger, den Christen ihre Religion mit Gewalt aufzuzwingen.22 Dabei diskutiert er auch allgemein die Mittel, mit denen man seiner Ansicht nach für die eigene Religion eintreten darf. Lactanz nennt hier einerseits aktive Mittel:23 Worte,24 das Gespräch,25 die Erörterung,26 die Rede,27 Ermahnungen28 und rationale Argumentation.29 Zum anderen sei auch die Bereitschaft notwendig, die eigene Religion durch geduldige Leidensfähigkeit (patientia) bis hin zur Inkaufnahme des eigenen Todes zu verteidigen.30 Dieses Verhalten nimmt unser Autor für die Christen in Anspruch.31 Dabei führt er insbesondere vier Gründe an, die gegen die Verfolgung der Christen sprechen: Erstens zeige die Christenverfolgung die intellektuelle Hilflosigkeit der Verfolger. Lactanz erweckt den Eindruck, daß die Christenverfolger blind und gegen bessere Vernunfteinsicht für die Religion der Vorfahren eintreten und ihre Entscheidung nicht rational begründen können. Dabei spielt er die beiden Wertbegriffe ratio (Vernunftgemäßheit) und mos maiorum (Sitte der Vorfahren) gegeneinander aus. Lactanz deutet den Rekurs auf Gewalt als Eingeständnis der Unvernunft der Christenverfolger.32 Zweitens zeigt die Christenverfolgung nach lactanzischer Auffassung, daß die Christenverfolger selbst ihre Götter für machtlos halten. Andernfalls könnten sie ja – so wie die Christen – auf göttliches Eingreifen zur Bestrafung der Gottlosen
auch gewollt?«) nicht hinreichend deutlich, daß nach lactanzischer Auffassung auch die bloße Nichtzugehörigkeit zum Christentum dasselbe Schicksal verdient wie die aktive Beteiligung am Terror der Christenverfolgung. 22 Vgl. inst. 5,19, passim; epit. 48,7. 23 An anderen Stellen nimmt unser Autor freilich für die Christen in Anspruch, nicht einmal verbal Widerstand zu leisten (inst. 5,20,10; epit. 48,4). 24 Vgl. epit. 48,7: verba. 25 Vgl. inst. 5,19,6: sermo. 26 Vgl. inst. 5,19,8. 27 Vgl. inst. 5,19,9: oratio. 28 Vgl. inst. 5,19,9. 29 Vgl. inst. 5,19,3; epit. 48,7. 30 Vgl. inst. 5,19,22 und 5,19,24: recta igitur ratio est, ut religionem patientia vel morte defendas. 31 Hier marginalisiert Lactanz freilich das Provokationspotential frühchristlichen Verhaltens. So kam es offenkundig immer wieder vor, daß Christen ihre Verachtung für die paganen Religionsformen demonstrativ zur Schau stellten – beispielsweise durch das Ausspeien vor Götterstatuen oder gar das Schänden derselben. Das Konzil von Elvira (= Ilíberis, ca. 306/309) sah sich gezwungen eigens festzuhalten (Kanon 60), daß Christen, die während Zerstörungsaktionen gegen Götterbilder umkamen, nicht den Status von Märtyrern genössen (vgl. Orlandis – Ramos-Lisson 1981,14). 32 Vgl. inst. 5,1,3-8; 5,19,2-6. 18f.; epit. 47,4f.; 50,1f.
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vertrauen und auf eigene Verfolgungsmaßnahmen verzichten.33 Drittens erklärt Lactanz, daß die Götter schon alleine deswegen, weil sie ihren Kult durch brutale Gewaltanwendung erzwungen sehen wollen, keine Verehrung verdienen (inst. 5,20,8). Die Grausamkeit der Christenverfolger widerlege auch ihre Beteuerung, den Christen nützen zu wollen (inst. 5,20,6). Viertens schließlich argumentiert Lactanz damit, daß die Religion Sache des inneren Menschen sei und daher auch nicht erzwungen werden könne: Der äußerliche Vollzug ritueller Handlungen sei nichtig, wenn er nur auf Zwang hin und nicht mit innerer Zustimmung erfolge.34 Mit seinen Forderungen appelliert Lactanz an das Selbstverständnis der römisch-hellenistischen Bildungselite: Ihrem eigenen Anspruch nach müßte sie in der Lage sein, den Sieg über das Christentum durch vernunftgemäße Argumentation und rhetorisches Geschick, durch Disputation und nicht durch Gewalt davonzutragen. Lactanz erhebt damit eine beeindruckende Forderung nach einem gewaltfreien Diskurs über Religion und entwirft eine Lehre von der rechten Verteidigung der Religion, welche sich nicht auf aktive Gewalt, sondern auf Erdulden bis hin zur Inkaufnahme des eigenen Todes stützt. 4.5.3 Einwände Das hier implizierte Bild eines Toleranz und/oder Religionsfreiheit verfechtenden Lactanz auf der einen Seite und einer Gewalt favorisierenden Schar von Christengegnern auf der anderen Seite ist allerdings in einigen Punkten zu modifizieren: 4.5.3.1 Verschiedenes Zunächst einmal erheben sich gegen die These, Lactanz habe zwischen Christen und Nichtchristen nicht scharf unterschieden, schwere Bedenken: Daß unser Autor diese Unterscheidung durchaus vornimmt, haben wir im Verlauf dieser Arbeit bereits verschiedentlich festgestellt.35 Des weiteren stehen die lactanzischen Gedanken zum Thema Religionsfreiheit allesamt im Kontext des Terrors der diocletianischen Christenverfolgungen. Die Frage möglicher gegen Nichtchristen gerichteter Verfolgungen wird bei ihm nirgends explizit thematisiert. Zur Zeit der diocletianischen Verfolgungen hätte ein gewaltsames Vorgehen gegen die Götterkulte als Strategie aber aufgrund der damaligen Machtverhältnisse wohl kaum Erfolg gehabt. Der 33 34 35
Vgl. inst. 5,20,2. 4; epit. 48,1-4. Vgl. inst. 5,19,23; 5,20,7; epit. 49,1-4. Vgl. dazu oben die Abschnitte 2.2.2.2 und 4.2.7.
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Verzicht auf Gewalt in diesem Kontext ist daher nicht ganz so schwer zu gewichten.36 4.5.3.2 Anprangerung der Götterkulte als Brutstätte sozialschädigenden Verhaltens Dem Verzicht auf zwangsweise Bekehrung zum Christentum entspricht kein grundsätzlicher Verzicht auf Verfolgung der Götterkulte: Die normativen Vorstellungen des Lactanz lassen, wenn man die unausgesprochenen Folgerungen zieht, ein gewaltsames Vorgehen gegenüber den Götterkulten nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten erscheinen:37 Lactanz stellt die Ausübung dieser Götterkulte nicht nur als ethisch negativ, sondern als schlechthin verbrecherisch dar.38 Ethisch negatives beziehungsweise verbrecherisches Verhalten ist aber nach seiner Auffassung durch Ältere (inst. 6,19,6-11) beziehungsweise Vorgesetzte39 zu bestrafen. Diese Konzeption erlaubte also – obwohl Lactanz das nirgends explizit sagt – theoretisch sehr wohl eine Verfolgung von Nichtchristen. 4.5.3.3 Lactanzische Toleranz – porphyreische Intoleranz? Es läßt sich nicht nachweisen, daß alle gegen das Christentum schreibenden Autoren auch Gewaltmaßnahmen einschließlich der Hinrichtung von Christen gefordert oder auch nur gerechtfertigt haben. Zwar interpretiert Elizabeth DePalma Digeser die lactanzische Betonung von Toleranz als Reaktion auf die christenfeindliche Schrift »Philosophie aus Orakeln« und stellt dabei lactanzischen Textpassagen, welche Religionsfreiheit propagieren (inst. 5,19-21) eine Porphyrius zugeschriebene Textpassage gegenüber. Sie stellt diesen Text effektvoll an den Beginn ihres Kapitels »Forging Forbea-
36 Vgl. Garnsey-Humfress 2001, 206. Zur Toleranz gehört nicht nur die prinzipielle Neigung, sondern auch die Möglichkeit zu intolerantem Verhalten, vgl. Schmitt 1992, 60: »Neben der Neigung zur Intervention gehört […] auch die Verfügbarkeit von Machtmitteln zu den Umständen von Toleranz.« Allerdings wiederholt Lactanz grundsätzliche Argumente für Toleranz in epit. 47,4-49,4, als die Christen zwar noch in der Minderheit gewesen sein dürften, die Verfolgungssituation aber zumindest im Westen des Römischen Reiches vorüber war. 37 Zu Fragen der Religionsfreiheit bezieht Lactanz in der Schrift De ira dei nirgends explizit Stellung. Eine Interdependenz zwischen Religion und Ethik ist aber auch hier Grundlage seiner Überlegungen. Ja, nicht die Geduld, sondern der Zorn und das – auch gewaltsame – Einschreiten sind Hauptanliegen der Schrift (vgl. ira 16,5; 17,6-12. 15-21; 18,3). Menschliches Verzeihen wird sehr kritisch gesehen. Zu häufiges Verzeihen schadet nach lactanzischer Auffassung nicht nur den unmittelbaren Opfern des Unrechts, sondern auch den Delinquenten selbst und ist sündhaft. Vor diesem Hintergrund muß eine Duldung nichtchristlicher Religionsformen zumindest tendenziell als Sünde erscheinen. 38 Vgl. beispielsweise inst. 5,8,5: discite igitur, si quid vobis reliquae mentis est, homines ideo malos et iniustos esse, quia dii coluntur… 39 Vgl. ira 18,11; epit. 56,4.
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rance«.40 Diese Textpassage rechtfertigt, wie aus dem Kontext (Eus. Pr. Ev. 1,2) recht deutlich hervorgeht, Gewalt und Terror der Christenverfolgung: Porphyrius (?) frg. 1 Harnack: ȇȡտįțȣ İ ȡȜ Ԓȟ ԚȟİտȜȧȣ ՙʍȡȖȝșȚıהıȟ Welchen Strafen sollten aber nicht zu ijțȞȧȢտįțȣ ȡԽ ijȟ Ȟպȟ ʍįijȢտȧȟ ĴȤȗչİıȣ... recht unterworfen werden diejenigen, die den traditionellen Bräuchen und Werten entlaufen...?
Dieser von Elizabeth Depalma Digeser postulierte Gegensatz zwischen lactanzisch-christlicher Toleranz und porphyreisch-nichtchristlicher Intoleranz ist allerdings aus zwei Gründen zweifelhaft: Einerseits äußert sich Lactanz selbst gegenüber Nichtchristen nicht weniger drastisch. Die Nichtchristen verdienen seiner Ansicht nach ein noch erheblich schlimmeres Schicksal als etwa die Kreuzigung. Seine Ausführungen (inst. 5,18,14-16) kulminieren in der rhetorischen Frage: inst. 5,18,16: Quibus ergo suppliciis dignus est de- Welche Todesstrafen verdient also der sertor eius, qui et dominus verus et pater Verräter an demjenigen, der sowohl der est...? wahre Herr als auch der wahre Vater ist...?
Die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten sind in der Tat groß genug, um einen direkten Bezug des einen auf den anderen tatsächlich anzunehmen: In beiden Fällen liegt eine rhetorische Frage vor. quibus suppliciis entspricht geradezu einer wörtlichen Übersetzung von ʍȡտįțȣ ijțȞȧȢտįțȣ. Die Rechtmäßigkeit der Strafen wird im Griechischen durch das Adverb ԚȟİտȜȧȣ, im lateinischen Text durch das Adjektiv dignis zum Ausdruck gebracht. Das griechische ĴȤȗչİıȣ findet seine Entsprechung in dem lateinischen desertor. Vielleicht kann man auch sagen, daß das griechische ʍįijȢտȧȟ (von ijո ʍչijȢțį, die väterlichen, d.h. traditionellen Bräuche und Werte) und das lateinische pater eine Vater-Kind-Beziehung assoziieren, während das griechische ĴȤȗչİıȣ und das lateinische dominus eine Herr-Sklave-Beziehung assoziieren:
40
Vgl. Digeser 2000, 91.
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Porphyrios (?) frg. 1 Harnack41
Lact. inst. 5,18,16
ȇȡտįțȣ İ ȡȜ Ԓȟ ԚȟİտȜȧȣ ՙʍȡȖȝșȚıהıȟ Quibus ergo suppliciis dignus est deijțȞȧȢտįțȣ ȡԽ ijȟ Ȟպȟ ʍįijȢտȧȟ ĴȤȗչİıȣ... sertor eius, qui et dominus verus et pater est...?
Andererseits erscheint es zweifelhaft, ob hier wirklich ein Porphyrios-Zitat vorliegt: Porphyrios selbst wird im Kontext nicht erwähnt, die Zuordnung ruht offenkundig vor allem auf einem Aufsatz von Ulrich von WilamowitzMoellendorff, der keine schlagenden Argumente enthält.42 Zur Bestätigung der Zuordnung der Textpassage an Porphyrios trägt auch Robert L. Wilken nichts Wesentliches bei.43 Jüngere Beiträge melden daher auch Zweifel an der Zuweisung dieser Textstelle an Porphyrios an.44 Vor diesem Hintergrund erscheint es außerordentlich fragwürdig, auf dieses sogenannte Porphyrios-Fragment die These eines Gegensatzes zwischen lactanzisch-christlicher Toleranz und porphyreisch-nichtchristlicher Intoleranz zu gründen. 4.5.3.4 Die lactanzische Eschatologie Schließlich hängt die im Diesseits gewährte Toleranz unauflöslich mit einer im Jenseits angenommenen maximalen Intoleranz zusammen. Lactanz malt das Schicksal, das Nichtchristen im Jenseits erwartet, detailliert aus und läßt keinen Zweifel daran, daß es schrecklicher ist als das Schicksal der Opfer der Christenverfolgung.45 Um diese Vorstellung adäquat gewichten zu können, muß man sich die bereits oben im Abschnitt 4.1.4 erwähnte heilsgeschichtliche Summa des Lactanz46 nochmals vor Augen führen. Gemäß dieser Summa ist das gesamte Leben des Menschen auf sein ewiges – qualvolles oder herrliches – Fortleben nach dem Tode orientiert und erhält erst durch diese Perspektive seinen Sinn. Erst im Jenseits wird also das wahre Wesen des Menschen durch ewige Herrlichkeit oder Verdammnis offenbar. 41 = Eus. Pr. Ev. 1,2,2-4, hier 1,2,3. 42 Wilamowitz-Moellendorff 1900, passim. Vgl. auch Sirinelli – des Places 1974, 224-226: »En réalité, aucun de ces arguments n’est isolément suffisant (les infinitifs peuvent être interprétés comme exprimant la pensée des adversaires), mais leur ensemble rend très plausible l’analyse de Wilamowitz«. 43 Wilken 1979, passim. 44 Vgl. dazu bereits Meredith 1980, 1128: »… fragments 1; 7; 47; 73 all refer to some unnamed adversary of Christianity and cannot therefore with certainty be assigned to Porphyry«; Barnes 1994b, 65: »Second, and more secure, is what Harnack, following Wilamowitz, printed as the first fragment of Against the Christians (fr. 1=Eusebius, PE 1.2.2-4). […] It is not in fact in any sense a ›fragment‹ of Porphyry.« Barnes ebd. verweist auf Eus. HE 6,19,7, um zu belegen, daß Porphyrios für Verhaftung und Hinrichtung der Christen eingetreten sei. In dem Text steht aber lediglich, daß die christliche Lebensform gesetzwidrig war – damit hätte Porphyrios zunächst lediglich die Gesetzeslage der diocletianischen Zeit wiedergegeben. 45 Vgl. inst. 5,18,14-16 in Verbindung mit inst. 7,21,1-5. 46 Vgl. inst. 7,6,1f.; epit. 64,1 und Wlosok 1960, 215.
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Eschatologie ist daher nicht etwa ein bloßes Trostpflaster für Mutlose. Der jenseitigen Existenz kommt vielmehr nach lactanzischer Auffassung kein geringeres, sondern ein höheres Maß an Realität zu. Insofern ist die von Lactanz propagierte Toleranz lediglich suspensiver beziehungsweise vorübergehender Natur.47 Man kann sie vielleicht präziser mit dem auch von Lactanz selbst verwendeten48 Begriff der Geduld (patientia) bezeichnen.49 Lactanz spricht den Nichtchristen letztlich die Würde zu leben ab50 und verzichtet lediglich darauf, diese Wertlosigkeit nichtchristlichen menschlichen Lebens schon im Diesseits zu aktualisieren. Toleranz ist damit, wo überhaupt gewährt, nicht durch eine Anerkennung der Würde der Nichtchristen bedingt, sondern durch die Würde der Christen, welche ihre Rache Gott anvertrauen. Die Lehre postmortaler Vergeltung und Verdammnis stellt freilich, obwohl Lactanz das so verstanden sehen wollte, kein (jüdisch-)christliches Spezifikum dar, sondern läßt sich durchaus auch in anderen religiösen oder philosophischen Vorstellungen der Antike fassen.51 Die Vorstellung von einer Vergeltung im Jenseits, die sich allein an der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum Christentum orientiert, setzt nicht nur moralische Kräfte frei, um der Verdammung zu entgehen. Vielmehr ließe sich mit dieser Annahme eine Verfolgung von Nichtchristen nicht nur rechtfertigen, sondern sogar als Akt der Nächstenliebe darstellen. Die Christenverfolgung war noch mit dem Wohl des Staates und der Allgemeinheit begründet worden. Eine Verfolgung von Nichtchristen läßt sich aber theologisch als Maßnahme zugunsten des Seelenheils der einzelnen verfolgten Nichtchristen erklären.52 Lactanz selbst hat diese Gedanken, welche eine Verfolgung aller derjenigen Menschen rechtfertigen, die keine ›orthodoxen‹ Christen sind, noch nicht entwickelt. Aber seine Schriften liefern dafür bereits alle Voraussetzungen.
47 Dieselbe ›Toleranz‹ fordert unser Autor auch von den Christenverfolgern ein, wenn er damit argumentiert, die Götter sollten ihre Beleidigung (durch die Existenz der Christen) selbst verfolgen (inst. 5,20,2. 4; epit. 48,1-4). 48 Vgl. beispielsweise inst. 5,7,6; 5,22,2-5; 6,18,17-20. 49 Zur Differenz zwischen Geduld und Toleranz vgl. Schmitt 1992 , 65: »Im Fall von Geduld ist der Umstand der Ablehnung jedoch nicht mit einer Neigung zur Intervention verbunden, denn Geduld beruht auf der Hoffnung oder gar dem Wissen, daß ihr Gegenstand nur vorübergehend existiert. […] Auch wenn Toleranz und Geduld sehr eng miteinander verwandt zu sein scheinen, schließen sie sich gegenseitig aus«. 50 Inst. 5,18,14-16. 51 Vgl. dazu oben den Abschnitt 4.2.3.5. 52 Die in inst. 5,20,5f. gegen die Christenverfolger gerichteten Vorwürfe hätte man christlicherseits leicht durch den Verweis auf die postmortalen Konsequenzen der Nichtzugehörigkeit zum Christentum, das heißt durch Verweis auf die ewige Verdammnis, zurückweisen können.
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4.5.3.5 Constantinische Religionspolitik als Umsetzung einer lactanzischen »policy of concord«? Elizabeth DePalma Digeser hat die These vertreten, daß Constantin eine von Lactanz propagierte »policy of concord« umgesetzt habe – wenn auch vielleicht nicht gegen Häretiker, so doch gegenüber den Anhängern paganer Religionsformen.53 Dabei verweist sie insbesondere auf den Brief des Constantin an die östlichen Provinzialen.54 Ich möchte hier nur auf drei Punkte hinweisen: Zum ersten gibt es einen inhärenten Widerspruch zwischen den Konzepten einer »policy of concord« und der »inclusive christianity«.55 Beide Konzepte gleichzeitig schreibt Elizabeth DePalama Digeser dem Kaiser Constantin – und im übrigen auch Lactanz – zu. Doch wer jemanden bereits ohnehin als Mitglied seiner eigenen Gruppe betrachtet (Inklusivität), vollbringt keine besondere Leistung, wenn er darauf verzichtet, ihn mit Gewalt auf seine Seite zu ziehen (toleration/concord).56 Im übrigen kam es ja unter Constantin durchaus zu Schließungen oder Zerstörungen von Tempeln beziehungsweise zur Enteignung von Tempelgut.57 Zum zweiten ist das Verhalten Constantins gegenüber den Häretikern hinsichtlich der Zuschreibung einer »policy of concord« problematisch. Wenn diese »policy of concord« eine prinzipiengebundene Rücksichtnahme darstellt,58 warum sollte dieses Prinzip dann in den Augen von Lactanz und Constantin nur für die Anhänger paganer Religionsformen, nicht aber für Häretiker gelten? Wenn das leitende Prinzip aber nur selektive Anwendung findet, ist es dann gerechtfertigt, es als ausschlaggebend für die constantinische Religionspolitik anzunehmen? Spielen hier nicht etwa pragmatischere Überlegungen eine Rolle? So ist es gut vorstellbar, daß Constantin die innere Zerstrittenheit der von ihm protegierten Religion als besonders störend empfand, insbesondere wenn er die Kirche zu einer Stütze seiner Herrschaft machen wollte. Andererseits deutete das Scheitern der Christenverfolgung – und erst recht seine eigene Auseinandersetzung mit den Donatisten – darauf 53 Vgl. Digeser 2000, 118. 54 Vgl. Digeser 2000, 127f. Auch Noethlichs: RAC 13 (1986), 1151 sieht in diesem Text ein Zugeständnis von Religionsfreiheit. Er schreibt jedoch auch (ebd.): »Wie bei Licinius waren auch die ersten antiheidn. Maßnahmen Konstantins I von vornherein mit politischen Motiven vermischt. Eine Gesetzgebung gegen bestimmte heidn. Kultformen entwickelte sich erst allmählich u. ungeplant u. keineswegs so schlagartig, wie es Eusebios [...] darstellt.« 55 Vgl. oben den Abschnitt 4.5.1.3. 56 Vgl. dazu auch Garnsey 1984, 24: »In any case, toleration is not synonymous with inclusiveness.« Digeser 2000, 118 selbst schreibt – in einem anderen Zusammenhang – : »…we do not need to tolerate or forbear people whose views we like.« In diesem Zusammenhang dürfte die von Digeser vorgenommene Unterscheidung zwischen toleration und concord nicht ins Gewicht fallen. 57 Vgl. Noethlichs: RAC 13 (1986), 1154f. s.v. Heidenverfolgung. 58 So Digeser 2000, 110f.
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hin, daß die gewaltsame Durchsetzung seiner religiösen Neigungen mit einem ungeheuren Risiko für den Kaiser verbunden gewesen wäre. Zudem wird Constantin auch nicht das quantitative Machtverhältnis zwischen christlicher und paganer Bevölkerung entgangen sein: Die diocletianische Christenverfolgung war an einer bedeutenden, quantitativ deutlich unterlegenen Minderheit gescheitert, und auch nach dem Aufschwung, den das Christentum nach dem Scheitern der Christenverfolgung genommen hatte, hätte Constantin es bei einem frontalen Vorgehen gegen alle paganen Religionsformen mit der absoluten Mehrheit der Bevölkerung zu tun gehabt.59 Prinzip oder Pragmatik? Diese Frage stellt sich in besonderem Maße an den von Elizabeth DePalma Digeser zu Untermauerung ihrer These angeführten Brief Constantins an die östlichen Provinzialen (Eus. Vita Const. 2,48-60), und damit sind wir beim dritten und letzten Punkt. Constantin scheint hier tatsächlich Religionsfreiheit zu gewähren (Eus. Vita Const. 2,56. 60) und darin die Erfüllung eines göttlichen Befehls60 zu sehen. Von seinem auf Frieden und Religionsfreiheit abzielenden Programm grenzt er die vorigen Kaiser (mit Ausnahme seines Vaters) ab, wobei er geschickt die Christenverfolgung und die Bürgerkriege in einen engen Zusammenhang zu stellen weiß.61 Allerdings stellt er am Schluß des Briefes lakonisch fest, daß er die Vernichtung des Heidentums empfohlen hätte, »wenn sich nicht die gewalttätige Rebellion des üblen Irrtums zum Schaden der allgemeinen Rettung in maßloser Weise in der Seele einiger Leute festgesetzt hätte«.62 Mit anderen Worten: Constantin erklärt, er hätte die Vernichtung des Heidentums be- oder wenigstens empfohlen, wenn das Heidentum nicht in Teilen der Bevölkerung so stark verwurzelt gewesen sei. Hier ist bei genauer Betrachtung nicht mehr von religiösen oder politischen Prinzipien, sondern von der aus constantinischer Sicht traurigen Bestandsaufnahme eines noch immer starken Heidentums die Rede. Hinter dem pompösen Ton verbirgt sich – ganz wie bei dem Toleranzedikt des Galerius63 – vielmehr die Ein59 Vgl. Noethlichs: RAC 13 (1986), 1151f. s.v. Heidenverfolgung: »Das politische Gebot der frühen Konsolidierungsphase seiner Herrschaft im Westen war einerseits, schon wegen der religiösen Mehrheitsverhältnisse, Toleranz, andererseits aber auch Absicherung gegen mögliche Usurpationen«. 60 Euseb. Vita Const. 2,57: ʍįȢıȜıȝıփIJȧ 61 Vgl. Euseb. VC 2,49,2 – 2,54, besonders 2,49,2 und 2,54. 62 Vgl. ... ijțȟպȣ թȣ ԐȜȡփȧ ĴįIJվ ijȟ ȟįȟ ʍıȢțׄȢ׆IJȚįț ijո ԤȚș Ȝįվ ijȡ ףIJȜցijȡȤȣ ijռȟ ȡIJտįȟǝ ՑʍıȢ IJȤȟıȖȡփȝıȤIJį Ԓȟ ʍֻIJțȟ ԐȟȚȢօʍȡțȣ, ıԼ Ȟռ ij׆ȣ ȞȡȥȚșȢֻȣ ʍȝչȟșȣ ԭ Ȗտįțȡȣ ԚʍįȟչIJijįIJțȣ Ԛʍվ ȖȝչȖׄ ij׆ȣ Ȝȡțȟ׆ȣ IJȧijșȢտįȣ ԐȞջijȢȧȣ ijįהȣ Ԛȟտȧȟ ȦȤȥįהȣ ԚȞʍıʍսȗıț (Eus. VC 2,60,2). 63 Vgl. mort. pers. 34,4: atque cum plurimi in proposito perseverarent ac videremus nec diis eosdem cultum ac religionem debitam exhibere nec Christianorum deum observare, contemplationem mitissimae nostrae clementiae intuentes et consuetudinem sempiternam, qua solemus cunctis hominibus veniam indulgere, promptissimam in his quoque indulgentiam nostram credidimus porrigendam, ut denuo sint Christiani et conventicula sua componant, ita ut ne quid contra disciplinam agant.
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sicht, daß die vom Herrscher abgelehnte Religion gewaltsam nicht ausgerottet werden kann und der politisch geschickte Schachzug, diese Einsicht nicht als Eingeständnis der kaiserlichen Ohnmacht, sondern als kaiserliche Satzung zu präsentieren.64 4.5.4 Schluß Gerade in jüngster Zeit entdeckt man in den lactanzischen Werken Konzepte wie Toleranz, Religionsfreiheit, inklusives Christentum oder doch zumindest eine prinzipiengebundene Duldung Andersdenkender in der Erwartung, daß diese früher oder später einlenken. Damit erscheint Lactanz als strahlender Verfechter von christlicher Toleranz beziehungsweise Duldsamkeit in einer Welt voller paganer Gewalt und Intoleranz. Insbesondere der neuplatonische Philosoph und Gegner des Christentums Porphyrios wird uns dagegen als Teil einer den Terror der staatlichen Christenverfolgung rechtfertigenden Propagandamaschine vorgestellt. Wie Lactanz mit Porphyrios, so kontrastiert demnach auch Constantin mit den Christenverfolgern: Der Kaiser Constantin habe nämlich die lactanzische Position einer prinzipiengebundene Duldung von Nichtchristen in der Erwartung, daß diese früher oder später einlenken, weitgehend umgesetzt. Gegen diese Vorstellungen erheben sich jedoch schwerwiegende Bedenken: Erstens unterscheidet Lactanz sehr wohl scharf zwischen Christen und Nichtchristen. Zweitens ist bei lactanzischen Ausführungen zur Toleranz ihre Zeitgebundenheit im Angesicht der Christenverfolgungen zu bedenken. Drittens läßt sich bei Lactanz nirgends ein grundsätzlicher Verzicht auf Verfolgung der Götterkulte entdecken. Insbesondere aber läßt sich der postulierte Gegensatz zwischen lactanzisch-christlicher Toleranz (bzw. policy of concord) und porphyreisch-nichtchristlicher Intoleranz nicht halten. Der für die letztere These entscheidende von Elizabeth DePalma Digeser angeführte Text spricht zwar allen, die die traditionellen Bräuche und Werte aufgeben, implizit das Lebensrecht ab. Seine Zuordnung zu Porphyrios ist aber mehr als zweifelhaft. Andererseits schreibt Lactanz in den Divinae institutiones geradezu eine Übersetzung dieses Textes nieder: Bei ihm sind es freilich nicht die Christen, sondern alle Nichtchristen – und nicht etwa nur die Christenverfolger – , denen Recht und Würde zu leben abgesprochen werden. Die Wertlosigkeit nichtchristlichen Lebens aktualisiert sich nach lactanzischer Auffassung nicht unbedingt im Diesseits, sondern regelmäßig 64 Vgl. auch Barnes 1981, 210; 1998, 290: »Constantine was well aware that it was unwise to provoke unnecessary violence, as he stated when explaining why he refrained from suppressing temples and abolishing traditional religion altogether (v.C. II 60,2).«; Drake 2000, 286f.
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erst im Jenseits. Dies ist ein entscheidender Punkt. Allerdings relativiert unser Autor die Wertlosigkeit nichtchristlichen Lebens dadurch keineswegs, da die jenseitige Existenz seiner Ansicht nach nicht bloßes oder sekundäres Trostpflaster ist, sondern Ziel und Sinn menschlicher Existenz überhaupt. Auch die constantinische Religionspolitik gegenüber den paganen Untertanen läßt sich nicht durch maßgeblichen Einfluß des Lactanz erklären. Der in diesem Zusammenhang von Elizabeth DePalma Digeser angeführte Brief Constantins offenbart kein religiöses Prinzip der Toleranz, sondern kaschiert – ähnlich wie das Toleranzedikt des Christenverfolgers Galerius – die Grenzen staatlicher Durchsetzungsfähigkeit als kaiserliche Gnade. Gänzlich fernzuhalten ist damit eine pluralistische Auffassung, wie sie etwa aus der 3. relatio des Symmachus aus dem Jahre 384 hervorzugehen scheint: »Auf einem einzigen Weg kann man nicht zu einem so großen Geheimnis (sc. wie der religiösen Wahrheit) gelangen«.65 Lactanz hat seine Ablehnung eines solchen religiösen Pluralismus – unter anderem mit seinem Gleichnis von den vielen Wegen des Teufels und dem einen Wege Gottes66 – ebenso deutlich wie kunstvoll zum Ausdruck gebracht.
65 66
Uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum (Symm. rel. 3,10). Inst. 6,3,1 – 6,4,24; 6,7,1-9.
Schlußwort
Die Erforschung der Spätantike wurde in den letzten Jahrzehnten weitgehend von dem Paradigma einer konzilianten Synthese von Antike und Christentum dominiert, das unter dem Motto »Christentum ist auch Antike« (Jacques Fontaine) die häufig von pro- oder antichristlicher Polemik überschattete Polarität aufbricht und stattdessen die vielfältigen Interdependenzen zwischen Antike und Christentum, Hellenisierung und Christianisierung betont. Im Falle des Lactanz blickt dieses Paradigma bereits auf eine erheblich ältere Tradition zurück. Aber auch das in den letzten Jahren verstärkte Forschungsinteresse an unserem Autor inspiriert sich zum größten Teil an diesem Interpretationsmuster: Neben anderen haben insbesondere die Arbeiten von Wolfram Winger und Elizabeth DePalma Digeser in Übernahme und Fortentwicklung dieses Paradigmas einer Synthese von Antike und Christentum eine Fülle neuer Perspektiven eröffnet, die Lactanz als faszinierenden Visionär erscheinen lassen. Ziel der hier vorliegenden Arbeit war es, systematisch zu überprüfen, ob diese Impulse sich auch auf den Umgang des Lactanz mit paganen Texten und Wertvorstellungen überhaupt anwenden lassen und welche neuen Erkenntnisse dadurch gewonnen werden können. Zu diesem Zweck haben wir zunächst einige methodologische Schlüsselbegriffe vorgestellt (Kapitel 2.1) und untersucht, wie sich Lactanz selbst zu seinem Vorgehen äußert (Kapitel 2.2). In den folgenden Kapiteln (Kapitel 3.1 – 3.7) haben wir uns dem lactanzischen Umgang mit einzelnen Textgruppen zugewandt, um die Ergebnisse aus den Kapiteln 2.1 und 2.2 zu überprüfen. Dabei wurde angestrebt, nicht nur einzelne Textgruppen wie Dichter, Philosophen oder Hermetica, sondern alle von Lactanz angeführten paganen Textgruppen zu untersuchen. Insbesondere war es uns wichtig, den in der Forschung lange Zeit vernachlässigten Prätexten mit Offenbarungsanspruch (Hermetica, Oracula Sibyllina, Apollo- und HystaspesOrakel) einen gebührenden Platz einzuräumen. In einem dritten Schritt haben wir uns der Frage nach dem Verhältnis zwischen ›Antikem‹ und ›Christlichem‹ bei Lactanz aus einer anderen Perspektive genähert, indem wir nicht von intertextuellen Bezügen, sondern inhaltlichen Sachfragen ausgingen. Dabei beschäftigten wir uns mit der für unseren Autor zentralen Gerechtigkeitskonzeption des Lactanz, stellten seine Texte in den Kontext paganer Wertvorstellungen im Bereich von Philosophie, Religion, Politik
Schlußwort
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und Gesellschaft und setzten uns kritisch mit der Frage auseinander, inwiefern die Position des Lactanz als tolerant beschrieben werden kann. Im Kapitel 2.1 haben wir hermeneutische Schlüsselbegriffe zur Interpretation des Lactanz vorgestellt und erläutert. Dabei ging es um die Techniken, mit denen ein Autor – hier Lactanz – die ›bisherige Einstellung seines Publikums‹ (Ealt) durch eine ›andere Einstellung‹ (Eneu) ersetzen will. Vier verschiedene Techniken traten in den Blickpunkt unseres Interesses: zwei davon lassen die Bedeutung von Ealt unangetastet (vereinnahmende und ausgrenzende Argumentationsform), zwei manipulieren die Bedeutung von Ealt (implizite und explizite Umdeutung). Während es wenig Schwierigkeiten bereitet, ausgrenzende Argumentationsform und explizite Umdeutung auf Anhieb zu erkennen, ist die Diagnose der beiden anderen Techniken ungleich schwieriger, da beide auf den ersten Blick den Anschein erwecken, daß der Redner an dieser Stelle keine Differenz zwischen Ealt und Eneu angenommen habe und da dieser erste Eindruck auch vom Redner intendiert ist. Notwendig ist es daher, solche Passagen, an denen der Redner Ealt und Eneu nur scheinbar oder vorübergehend in eins fallen läßt, von solchen zu unterscheiden, an denen er tatsächlich keinen Unterschied zwischen Ealt und Eneu sieht. Sowohl mangelnde Sensibilität für die Techniken von vereinnahmender Argumentationsform und impliziter Umdeutung als auch die Annahme einer Ubiquität dieser beiden Techniken muß die Interpretation von Texten verzerren. Es ist daher notwendig, Kriterien anzugeben, welche die Diagnose dieser beiden Techniken erlauben. Dabei läßt sich die vereinnahmende Argumentationsform durch den Nachweis einer komplementären ausgrenzenden Argumentation belegen. Die implizite Umdeutung kann erst durch eine sorgfältige Untersuchung des Kontextes innerhalb von Ealt und Eneu aufgezeigt werden. In den lactanzischen Texten findet sich eine Vielzahl von Passagen, in denen unser Autor theoretische Informationen über seinen Umgang mit paganen Texten und Vorstellungen sowie die Grundlagen dieses Umgangs liefert (vgl. das Kapitel 2.2): Er setzt voraus, daß heilsvermittelndes Wissen auf Offenbarung zurückgeht und ausschließlich die Christen im Besitz dieser Offenbarung sind. Außerhalb des Christentums sei dieses heilsvermittelnde Wissen dagegen immer nur in einer irgendwie unvollkommenen, das heißt beispielsweise partiellen und/oder entstellten Weise, zugänglich. Darüber hinaus diagnostiziert Lactanz ein Spannungsverhältnis zwischen normativ-inhaltlicher und ästhetisch-formaler Qualität der Wahrheit: Die heilsvermittelnden Inhalte (der christlichen Schriften, insbesondere der Bibel) seien ästhetisch-sprachlich unattraktiv oder gar abstoßend für viele Gebildete. Die formal herausragenden und den Leser in ihren Bann schlagenden Klassiker der Antike, insbesondere Dichter und Philosophen, könnten dem
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Menschen dagegen nicht den Weg zum Heil weisen und führten ihn vielmehr häufig ins Verderben. Aus dieser Problemstellung ergeben sich für Lactanz insbesondere zwei rhetorische Strategien: die vereinnahmende Argumentationsform und die explizite Umdeutung. Dabei illustriert unser Autor die vereinnahmende Argumentationsform in den Divinae institutiones unter anderem durch mehrere kunstvolle Gleichnisse, insbesondere das Honigbechergleichnis. In den methodologischen Aussagen in der Schrift De ira dei läßt er durchblicken, daß er den Großteil dieser Schrift als Schauplatz vereinnahmender Argumentationsform verstanden wissen will. Verglichen mit dieser reichen Erklärung und Erörterung des Verfahrens der vereinnahmenden Argumentationsform fallen die Ausführungen unseres Autors zur expliziten Instrumentalisierung zurückhaltender aus. Durch die Vorstellung unvollkommener Wahrheitselemente in der außerchristlichen Kultur wird die Herausforderung, innerhalb solcher Texte oder Wertvorstellungen Wahres vom Falschen zu unterscheiden und das Wahre herauszufiltern, freilich bereits impliziert. Besonders deutlich bringt Lactanz dieses diakritische Bemühen bei der Bewertung der Apollo-Orakel, mehr noch aber bei seiner Einschätzung von Musik und Dichtung, die ausschließlich mit christlicher Intention betrieben werden sollen, zum Ausdruck. Die Technik der impliziten Umdeutung findet bei Lactanz dagegen keine ausdrückliche Behandlung. Die von ihm dargelegten Grundsätze1 plausibilisieren allerdings auch dieses von ihm sehr häufig eingesetzte Verfahren. Insbesondere deutet er gerne Formulierungen oder Vorstellungen, die in seinen Vorlagen in einem kosmotheistischen Kontext stehen, mit monotheistischer Intention um. Bei der Untersuchung der verschiedenen paganen Textgruppen ergab sich, daß Lactanz jede einzelne sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang anführt: Bereits der lactanzische Umgang mit der römischen Historiographie (vgl. das Kapitel 3.1) zeigt seinen selbständigen Umgang mit seinen paganen Prätexten. Diese werden absichtsvoll umgedeutet, so daß etwa an die Stelle des Feindbildes »Barbar« das Feindbild »Heide« tritt. Die häufig formulierte These, Lactanz habe in bestimmten Dichtern, insbesondere Vergil, göttliche Inspiration am Werke gesehen, konnten unsere Untersuchungen nicht bestätigen (vgl. das Kapitel 3.2). Unser Autor nimmt für die von ihm so häufig zitierte Poesie weder göttliche noch dämonische Inspiration an – wohl aber einen indirekten und vielfach verderbten Zugang zu alttestamentlicher Weisheit. Daraus folgt für unseren Autor, daß Teile der klassischen Dichtung alttestamentliche Wahrheiten in codierter Form enthalten und der sorgsamen Deco1
Vgl. dazu oben den Abschnitt 2.2.2.
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dierung bedürfen. Dabei zieht Lactanz den kategorialen Unterschied zwischen Bibel und klassischer Dichtung jedoch nie in Zweifel. Anders als den Dichtern spricht Lactanz den Philosophen jeden Zugang zur alttestamentlichen Wahrheit – und sei er auch noch so indirekt und unvollständig – ab (vgl. das Kapitel 3.3). Von den Philosophen spielt Cicero, der unserem Autor als stilistisches Vorbild diente, die bei weitem größte Rolle. Doch räumt Lactanz auch ihm keineswegs einen prophetischen oder prophetengleichen Rang ein. Unserem Autor geht es häufig weniger um eine sachliche, philosophisch fundierte Auseinandersetzung als um eine rhetorisch fulminante Widerlegung der Philosophie im allgemeinen oder einzelner ihrer Schulen oder Vertreter. Aus den methodologischen Überlegungen des Lactanz, aber auch aus seinem Verhalten gegenüber Lucrez geht hervor, daß die mangelnde Sachlichkeit und Tiefe der Diskussion nicht zwangsläufig auf einen mangelnden philosophischen Sachverstand des Lactanz zurückzuführen sind, sondern auch durch die protreptisch-rhetorischen Ambitionen unseres Autors hinreichend erklärt werden können. Auch für die Hermetik ließ sich die Annahme einer Synthese zwischen Antikem und Christlichen nicht bestätigen (vgl. das Kapitel 3.4). Dagegen sprachen neben von Lactanz bereits vorgefundenen Konvergenzen zahlreiche Beispiele impliziter Umdeutung, außerdem die expliziten Werturteile des Lactanz und der von ihm der Hermetik zugeschriebene Erkenntnisweg: Nekromantie beziehungsweise Dämonenbeschwörung. Einen Sonderfall stellen die Oracula Sibyllina dar (vgl. das Kapitel 3.5): Von Lactanz als echte pagane Texte ausgegeben, handelt es sich in Wirklichkeit um jüdisch-christliche ›Fälschungen‹. Ob unser Autor wirklich an den paganen Charakter dieser Texte geglaubt hat, läßt sich nicht ermitteln. Jedenfalls überrascht es angesichts der jüdisch-christlichen Provenienz dieser Texte kaum, daß Lactanz den Oracula Sibyllina nur ein einziges Mal widerspricht. Auch die Quelle der sibyllinischen Inspiration wird bei unserem Autor nicht eindeutig klar. Anders steht es mit den Apollo-Orakeln (vgl. das Kapitel 3.6). Lactanz stellt ihren Urheber als Dämon dar, der in seinen Orakeln Wahres mit Falschem vermischt, Aufgabe des Lesers dieser Orakel sei es demnach, innerhalb der Orakel das Wahre vom Falschen zu trennen, was ausschließlich den Christen möglich sei. Dämonische Inspiration nimmt Lactanz auch für die Hystaspes-Orakel an (vgl. das Kapitel 3.7). Im Gegensatz zu seinen apologetischen Vorgängern übt er dabei auch offene Kritik an diesen Texten. Bei der Untersuchung der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption stellte sich heraus, daß Lactanz auch hier nicht dem Diktat paganer Einflüsse unterliegt (vgl. das Kapitel 4.1). Er setzt Gerechtigkeit und Christentum gleich, indem er pietas (Frömmigkeit/Pflichtbewußtsein) und aequitas (Gleichheitsbewußtsein) als unabdingbare Bestandteile der Gerechtigkeit auffaßt und als ausschließlich christlich kennzeichnet. Die lactanzische Ge-
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rechtigkeitskonzeption ist eingebettet in eine heilsgeschichtliche Summa, deren Stoßrichtung wesentlich theozentrisch und eschatologisch ist. Die von Lactanz propagierten Vorstellungen beruhen nicht auf einer bewußten oder unbewußten Synthese christlicher und paganer Philosophie und Religion (vgl. das Kapitel 4.2). Vielmehr bezieht unser Autor sich auf pagane Wertvorstellungen sowohl in einem vereinnahmenden als auch in einem ausgrenzenden Argumentationszusammenhang. Dabei greift Lactanz insbesondere zu den Mitteln der Instrumentalisierung, der Pauschalisierung, der Marginalisierung und der Diskreditierung. Dies konnten wir insbesondere an den Themen Monotheismus, Offenbarung und Jenseitsvorstellungen zeigen, aber auch an der Rolle, welche die in der antiken Diskussion etablierten Wertbegriffe wie Natur, Vernunft und praktische Erfahrung im lactanzischen Diskurs spielen. Schließlich konnten wir nachweisen, daß auch das lactanzische Stufenmodell der Gotteserkenntnis in der Schrift De ira dei nicht einen inkludierenden, sondern vielmehr einen exklusiven Monotheismus propagiert. Auch gegenüber den paganen Wertvorstellungen religiöser oder philosophischer Provenienz nimmt Lactanz also eine deutliche Grenzziehung vor, die er nur aus rhetorisch-protreptischen Gründen absichtsvoll und vorübergehend verblassen läßt. Die lactanzische Haltung zu Staat und Politik ist nicht einheitlich (vgl. das Kapitel 4.3). In den Divinae institutiones ist die höchste von Lactanz anerkannte menschliche Machtinstanz offenbar das Familienoberhaupt (pater familias). Weltliche Gesetze erscheinen verbrecherisch und sollen allesamt durch das eine Gesetz Gottes ersetzt werden. Damit ergibt sich für die Divinae institutiones eine große Staatsferne. In den Kaiserdedikationen und der Schrift De mortibus persecutorum scheint weder der proconstantinische noch der christliche Standpunkt mit allen Konsequenzen durchgehalten: der Gedanke einer Synthese ist hier zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen. In den späteren Schriften (De ira dei und Epitome) schließlich vollzieht Lactanz eine vorsichtige Annäherung an den Staat. Kaiser Constantin tritt allerdings in den Hintergrund, und der Primat des Religiösen gegenüber dem Politischen ist eindeutig gegeben. Die These, Lactanz habe einen am augusteischen Prinzipat orientierten Entwurf für ein christliches Imperium vorgelegt, erscheint mit diesen Ergebnissen kaum vereinbar. Lactanz spiritualisiert soziale Wertvorstellungen (vgl. das Kapitel 4.4). Dadurch werden die weltlichen Hierarchien der Gesellschaft einerseits entwertet, andererseits stabilisiert. Am lactanzischen Umgang mit zentralen Begriffen wie aequitas und pietas läßt sich eine tiefgreifende Umdeutung mit christlicher Stoßrichtung aufzeigen. Hinsichtlich der wichtigen Stellung des pater familias unterscheidet sich die lactanzische Konzeption freilich wenig von den Konzeptionen seiner Umwelt. Mit seinen auch aus heutiger Perspektive beeindruckenden Plädoyers für Toleranz scheint unser Autor den freien und rationalen Diskurs zum entscheidenden
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Medium religiöser Auseinandersetzung machen zu wollen (vgl. das Kapitel 4.5). Sie sind aber mit seinen Wertvorstellungen (absoluter und exklusiver Wahrheitsanspruch für das Christentum, Ablehnung des religiösen Pluralismus) letztlich unvereinbar und zeigen daher vor allem seien meisterhaften Umgang mit dem Selbstverständnis paganer Bildungseliten. Lactanz vertritt weniger Toleranz und Religionsfreiheit gegenüber Nichtchristen als vielmehr Geduld – auch wenn diese Geduld unter Umständen erst im Jenseits ihre Früchte zeitigt. Wie wir sahen, geht es Lactanz nicht um ein gleichberechtigtes Mit- oder auch nur Nebeneinander von Christlichem und Außerchristlichem, sondern darum, die antike Kultur in den Dienst der Christianisierung zu stellen. Häufig begegneten wir in der Sekundärliteratur Versuchen, Instrumentalisierung antiker Elemente und die normative Anerkennung dieser Elemente im Sinne des Synthese-Paradigmas zusammenzudenken und nicht als Gegensatz aufzufassen. Dabei fällt besonders auf, daß die mit einem solchen Ansatz verbundenen Widersprüche und Probleme häufig gar nicht erst erwähnt oder gar erörtert werden. Auf diese Weise vermag das Paradigma der Synthese eher einen nivellierenden und harmonisierenden Schlußstrich zu ziehen als der Forschung neue Impulse zu geben. Freilich ist auch das Paradigma der Christianisierung nicht überall anwendbar. Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich in Bezug auf die jüdischchristlichen Oracula Sibyllina. Lactanz gibt sie als pagan aus. Sollte er selbst die jüdisch-christliche Herkunft dieser Texte durchschaut haben, so fiele seine Behandlung der Oracula Sibyllina nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich dieser Arbeit, die ja den Stellenwert paganer Texte und Wertvorstellungen untersucht. Noch eher scheint das Synthese-Paradigma anwendbar auf das lactanzische Verhältnis zur Politik in den Kaiserdedikationen und der Schrift De mortibus persecutorum. Außerdem lassen sich auch weitere Veränderungen in den Aussagen der lactanzischen Texte finden, die sich nicht nach dem Paradigma der Christianisierung erklären lassen, sondern offensichtlich einer realen Veränderung und Anpassung der lactanzischen Position an veränderte Zeitumstände geschuldet sind: Zu nennen ist hier die vorsichtige Annäherung an den Staat, die Lactanz unter Beibehaltung des Primates des Religiösen vor dem Politischen in den späteren Schriften vollzieht. Dies schlägt sich auch in seiner Gerechtigkeitskonzeption nieder, deren theozentrisches Standbein, die pietas, gleichbleibt, während die anthropozentrische Dimension, die aequitas, sozusagen als Spielbein weitreichenden Veränderungen unterliegt: So rückt Lactanz in den späteren Schriften unter anderem von der Lehre der absoluten Unantastbarkeit menschlichen Lebens ab. Trotz dieser Differenzierungen ist die christlich geleitete Instrumentalisierung und Umorientierung paganer Texte und Wertvorstellungen der
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Hauptinhalt und –impuls der hier untersuchten lactanzischen Texte. Die Unterscheidung zwischen den drei Möglichkeiten Christianisierung, Hellenisierung und Synthese stellt sicherlich nur einen – wenn auch wichtigen – Zugang unter vielen zu dem hochkomplexen Werk des Lactanz dar. Die vorgelegte Untersuchung zeigt aber, daß die Potentiale des Christianisierungs-Paradigmas für die Lactanzforschung noch nicht ausgeschöpft sind und diesem Ansatz ein deutlich höheres Gewicht eingeräumt werden sollte als bisher. Im Verlaufe unserer Untersuchungen haben wir ein Bild von Lactanz gewonnen, das in vielerlei Hinsicht nüchterner und prosaischer ausfällt als es die Forschungsergebnisse der letzten Jahre hatten vermuten lassen. Lactanz als Schöpfer einer konzilianten Synthese aus Antike und Christentum, als politischer Visionär eines christlichen Imperiums, als Vorkämpfer für Toleranz und Religionsfreiheit, für sozialen Ausgleich und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, für Diskursethik und Wissenschaftsorientierung – diese Vorstellungen haben sich als höchst fragwürdig erwiesen. Denn viele der auf den ersten Blick so modern anmutenden Aussagen und Urteile des Lactanz entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als Mittel zum protreptisch-rhetorischen Zweck. Hinter den raffinierten und methodologisch reflektierten rhetorischen Techniken tritt die Person des Lactanz weitgehend zurück. Wie ein sogenannter ›spin doctor‹ oder Werbefachmann häufig ein wesentlich komplexeres Verständnis der Sachlage hat als die von ihm ins Leben gerufenen Parolen und Schlagworte erkennen lassen, so dürfte auch Lactanz – der nicht umsonst so griffige Sätze wie gratis ea fiunt, facile, cito formulieren konnte – von vielen Fragen ein tieferes Verständnis gehabt haben, als er uns in seinen Schriften unmittelbar erkennen läßt. Was Lactanz selbst dachte und lebte, läßt sich aus seinen Texten freilich nicht zweifelsfrei beweisen.2 Es ließ sich aber zeigen, daß die Schriften unseres Autors einen freien Wechsel religiöser Sinnsysteme zugunsten des Christentums gerade mehr und mehr zurückzudrängen suchen. In jedem Fall legt die Lektüre der lactanzischen Texte den Eindruck nahe, daß unser Autor ein selbständiger Denker war. Wahrscheinlich hatte er in der Tat große Freude an den Klassikern der paganen Antike. Dies führte ihn aber nicht dazu, diesen Texten einen eigenständigen normsetzenden Rang zuzubilligen. Vielmehr stellte er sie in den Dienst seiner apologetischen Bemühungen.
2 Ein freier Wechsel zwischen sich logisch gegenseitig ausschließenden Sinnsystemen (vgl. Gladigow 1995, 33f.) – wie dem Christentum und den verschiedenen paganen philosophischen und religiösen Systemen – läßt sich somit auch für Lactanzens persönliches Denken und Trachten nicht vollständig ausschließen.
Schlußwort
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Lactanz hat sein Werk zum Zwecke der Leserlenkung mit einem Netz kunstvoller und komplexer intra- und intertextueller Referenzen überzogen, die teils expliziter, teils impliziter Natur sind. In diesem Netz soll der Leser sich verfangen und gleichzeitig für die allein heilsvermittelnde christliche Religion gefangen werden. Daß dieses Netz in der Forschung zumeist als Ausgangspunkt oder gar Rechtfertigung für eine Interpretation angesehen wird, die in unserem Autor einen Exponenten eines konzilianten Paradigmas der Synthese von Antike und Christentum erblickt, zeigt die Risiken dieser Methode und gehört zweifelsohne zur Tragik des Menschenfischers Lactanz.
Anhang: Ein textkritisches Problem im Honigbechergleichnis Der von mir zugrundegelegte Text weicht an einem Punkt im Anschluß an eine Überlegung von Ernst Meßmer1 von den modernen Ausgaben von Brandt und Monat und dem Lesetext von Winger ab: In inst. 5,1,14 lese ich circumlinatur modo poculum caeleste melle sapientiae statt circumlinatur modo poculum caelesti melle sapientiae. Die handschriftliche Überlieferung geht an dieser Stelle auseinander: Der Parisinus Regius 1663 (R) und der Valentianensis 147 (olim 140) (V) bieten den Text der genannten Ausgaben, caelesti. Der Parisinus Puteani 1662 (P) bietet ebenfalls caelesti, doch mit veränderter Wortstellung: sapientiae melle caelesti. Der Parisinus 1664 (S) bietet caelesti ªs º, das heißt caelesti mit einem supralinear von einer zweiten Hand hinzugefügten s. Der Palatino-Vaticanus 161 (H) bietet caelestis. Der Bononiensis 701 (B) bietet das von mir in den Text genommene caeleste, hat aber außerdem pabulum statt poculum, dort steht also: circumlinatur modo pabulum caeleste melle sapientiae. Alle Handschriften bis auf B verbinden das Adjektiv caelesti(s) mit dem Honig der Weisheit, sei es mit dem Honig selbst (Ablativ caelesti), sei es mit der Weisheit (Genitiv caelestis). B dagegen stellt dem Honig der Weisheit (melle sapientiae) eine himmlische Nahrung (pabulum caeleste) gegenüber. Zum Stein des Anstoßes wird das in den kritischen Ausgaben des 20. Jahrhunderts aufgenommene caelesti(s) nun, sobald man fragt, was denn genau mit dem himmlischen Honig der Weisheit (PRV) – oder dem Honig der himmlischen Weisheit (HS2)– gemeint ist. Offenkundig geht Lactanz an dieser Stelle von einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen dem süßen Honig aus, mit dem der Becher bestrichen wird, und dem eigentlichen Inhalt des Bechers, dem bitteren Heilmittel. Der Honig selbst hat also keinen Eigenwert, sondern gewinnt seine Bedeutung erst durch die Funktion, die er zugunsten des eigentlichen Becherinhalts ausübt. In der gesamten das Honigbechergleichnis umrahmenden Passage (inst. 5,1,13-18) geht es Lactanz, wie aus seinen Erläuterungen in inst. 5,1,15-18 klar hervorgeht, um die Gegenüberstellung von äußerem, rhetorischem Schmuck (ornatus) und innerer, wahrer Bedeutung (veritas).
1 Vgl. Meßmer 1974, 11 Anm. 1: »Vielleicht kann man aus der sonst zuverlässigen Handschrift B die Lesart caeleste ohne das dort für poculum eingedrungene pabulum übernehmen. Poculum caeleste wäre in diesem Fall eine bildliche Bezeichnung für die von Gott geschaffene Wahrheit (vgl. I 1,19: caeleste pabulum; VII 27,12: caelestis cibus).« Ähnliches meint wohl Gnilka 1988, 87, Anm. 1, wenn er von »kritische[n] und exegetische[n] Schwierigkeiten« an dieser Stelle spricht.
Anhang
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Dabei entspricht im Gleichnis der Honig dem rhetorischen Schmuck2 und das Heilmittel der eigentlichen Bedeutung der Aussage. Lactanz stellt in rhetorischer Tradition fest, daß die Leute den Wahrheitsgehalt eines Textes nach der mehr oder weniger gelungenen Form seiner Präsentation beurteilen. Die scharfe Gegenüberstellung von ornatus und veritas (inst. 5,1,17) – beziehungsweise fucus und divina (inst. 5,1,18) – deutet die Kritik an diesem Verhalten bereits an. Diese Kritik tritt in den folgenden Paragraphen (5,1,19f.) noch stärker hervor. Dort wird die Rhetorik als Dienerin der Welt und Bekämpferin der Wahrheit (insbesondere inst. 5,1,19) hingestellt. Der Wirkzusammenhang zwischen äußerer Präsentation und dem – unter Umständen fälschlicherweise – erschlossenen inneren Wesen, den Lactanz im Rahmen des Honigbechergleichnisses darstellt, ist in 5,1,10 bereits angedeutet3 und Leitmotiv der auf das Honigbechergleichnis folgenden Paragraphen inst. 5,1,15-18. Als Ursache wird hier die gewöhnliche und einfache Sprache der Propheten, ihre Freiheit von rhetorischer Schminke angegeben. Ergebnis dieser Präsentation ist die Ablehnung der Propheten beziehungsweise ihrer Lehren durch die Gebildeten. Auf die Gleichnisebene übertragen entspricht die Lehre der Propheten der bitteren, aber heilsamen Medizin. Kehren wir nun zu unserer Ausgangsfrage zurück: Was ist gemeint, wenn sich das Adjektiv »himmlisch« auf den Honig der Weisheit bezieht? Der himmlische Honig der Weisheit (PRV) oder der Honig der himmlischen Weisheit (HS2) wäre nun dem Bereich der äußeren Präsentation zuzuordnen, der zwar die Rezeption in der gebildeten Öffentlichkeit – beziehungsweise auf der Gleichnisebene die Rezeption durch den zu heilenden, der Medizin bedürftigen Kranken – bestimmt, aber unabhängig von dem Wahrheitsgehalt des Präsentierten ist, ja unter Umständen über diesen sogar hinwegtäuscht. Das Wort caelestis bezieht sich bei Lactanz aber im fünften Buch immer auf den Gott zugeordneten Bereich,4 also gerade auf denjenigen Bereich, der aus lactanzischer Sicht gerade nicht der äußeren und potentiell irreführenden Präsentation, sondern dem inneren, wahren Wesen zukommt. Es ist nun aber der Becherinhalt, nämlich das Heilmittel, dem die heilsame Wirkung zukommt, nicht der süße Honig. Das Honigbechergleichnis ordnet dem äußeren Schmuck (ornatus, fucus) den süßen Honig, dem eigentlichen Inhalt (veritas, divina) die bittere Medizin zu. Vom Sinnzusammenhang her erscheint darum ein Bezug des Adjektivs caelesti(s) auf den
2 Honig beziehungsweise seine Süße ist seit Homer (Il. 1,149) als Bild für Beredsamkeit etabliert, vgl. Wimmer 1998, 54-57. 3 In den codices RS findet sich dort sogar der Zusatz ... Mella sunt haec venena tegentia. Thema ist wiederum die – hier als verderblich dargestellte – Rhetorik. 4 Vgl. inst. 5,6,2; 5,8,9; 5,9,11; 5,14,16; 5,15,7; 5,17,3; 5,17,19; 5,19,26; 5,23,3.
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Honig der Weisheit unmöglich, das Adjektiv »himmlisch« muß sich vielmehr irgendwie auf den Becherinhalt beziehen.5 In diese Richtung weist auch ein Vergleich der Lactanzstelle mit ihrem unmittelbaren Prätext, dem berühmten Honigbechergleichnis des epikureischen Lehrdichters Lucrez.6 Es evoziert die Vorstellung, daß Ärzte, wenn sie Kindern Absinth als Medizin verabreichen, den Rand des Bechers mit Honig bestreichen. Die Kenntnis dieses Gleichnisses, welche bei den gebildeten Zeitgenossen Lactanzens vorausgesetzt werden darf, ermöglicht es Lactanz, trotz der relativ kurzen Anspielung eine Fülle von Assoziationen zu wecken. So spielt etwa das Spannungsverhältnis zwischen Form und Inhalt auch bei Lucrez eine große Rolle und wird dadurch an dieser Stelle auch für die Divinae institutiones wieder in Erinnerung gerufen.7 Im Gleichnis wird der Aspekt der Täuschung, die auf guten Absichten beruht und zu guten Ergeb-
5 Dies entgeht Wimmer 1998, 62, die in dem himmlischen Honig der Weisheit gar den zentralen Begriff der lactanzischen Aussage und offenkundig einen Hinweis auf die göttliche Offenbarung erblickt. Daß das lactanzische Gleichnis – in ihrer Interpretation – eine mangelhafte kontextuelle Einbettung aufweist, ist ihr offenbar selbst aufgefallen: Sie nimmt daher an, daß Lactanz sein Gleichnis im folgenden auf einer anderen Ebene interpretiert, al er es dort, wo es steht, interpretiert sehen will (Wimmer [1998] ebd.: »Erst jetzt kehrt Lactanz auf die Ebene der lucrezschen [sic!] Vorlage zurück, dessen eigentliches Ziel eine verlockende sprachlich - dichterische [sic!] Vermittlung ist«.) Es bleibt festzuhalten, daß die Deutung des Honigs als göttliche Offenbarung das lactanzische Gleichnis ad absurdum führt. 6 Lucr. 1,933-950: 933 deinde quod obscura de re tam lucida pango carmina musaeo contingens cuncta lepore. 935 id quoque enim non ab nulla ratione videtur; sed vel uti pueris absinthia taetra medentes cum dare conantur, prius oras pocula circum contingunt mellis dulci flavoque liquore, ut puerorum aetas inprovida ludificetur 940 labrorum tenus, interea perpotet amarum absinthi laticem deceptaque non capiatur, sed potius tali facto recreata valescat, sic ego nunc, quoniam haec ratio plerumque videtur tristior esse quibus non est tractata, retroque 945 vulgus abhorret ab hac, volui tibi suaviloquenti carmine Pierio rationem exponere nostram et quasi musaeo dulci contingere melle, si tibi forte animum tali ratione tenere versibus in nostris possem, dum perspicis omnem 950 naturam rerum qua constet compta figura. Zu diesem Gleichnis vgl. Schindler 2000, 132-137. 7 Das Spannungsverhältnis ergibt sich bei Lucrez aus der Tatsache, daß Epikur, Lucrezens bewunderter Meister, die Dichtung mißbilligt hatte. Das paradoxe Verhalten Lucrezens, die epikureische Lehre dennoch mit Hilfe der Dichtkunst zu verbreiten, wird gerade eben durch das lucrezische Honigbechergleichnis thematisiert und erklärt.
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nissen führt, ausdrücklich thematisiert und prägnant zusammengefaßt.8 In der Antapodosis deutet Lucrez nun sein Gleichnis explizit in Hinsicht auf seine Vorstellung der epikureischen Lehre aus. Der die Rezeption beim Leser fördernde Honig und die die Heilung bewirkende Medizin werden dabei scharf voneinander abgegrenzt.9 So wie Lucrez auf die Parabole (1,936942) eine ausführliche Antapodosis (1,943-950) folgen läßt,10 haben auch bei Lactanz die auf das Honigbechergleichnis folgenden Paragraphen 5,1,15-18 den Charakter einer Antapodosis. Um so mehr ist es gerechtfertigt, sie – wie oben geschehen – für die Interpretation des lactanzischen Honigbechergleichnisses heranzuziehen. Der Blick auf das Lactanz als Vorlage dienende lucrezische Honigbechergleichnis bestätigt also das Ergebnis, zu dem wir schon durch die Betrachtung der unmittelbaren Textumgebung bei Lactanz gelangt waren: Das Adjektiv »himmlisch« kann sich innerhalb des Gleichnisses nicht auf den Honig, sondern muß sich auf den Becherinhalt beziehen. Dieser Bezug ist nun in B, der caeleste statt caelesti(s) hat, gegeben. Die Tabelle am Ende des Anhangs faßt die eben erfolgte Kontextualisierung des Honigbechergleichnisses zusammen: Die Präsentation (Form der Vermittlung, = 2. Spalte) ist jeweils ethisch indifferent, wenngleich für das Rezeptionsverhalten des Publikums entscheidend. Der Inhalt (Gegenstand der Vermittlung = 3. Spalte) ist dagegen das ethisch ausschlaggebende Element. Das Adjektiv »himmlisch«, das Lactanz dem göttlichen Bereich zuordnet, ist für ihn mit höchster ethischreligiöser Bedeutung aufgeladen. Es kann sich deshalb nur auf den Inhalt (Gegenstand der Vermittlung = 3. Spalte) beziehen. Nun hat B aber nicht nur caeleste statt caelesti, sondern auch pabulum statt poculum. Obwohl pabulum inhaltlich vortrefflich paßt, ist es wohl dennoch nicht in den Text zu nehmen, da die Metaphorik von pabulum circumlinatur auf der Gleichnisebene doch zu kühn wäre und damit insbesondere der Bezug zu dem Prätext, dem lucrezischen Honigbechergleichnis, unerträglich entstellt würde.11 Möglicherweise war das Honigbechergleichnis des epikureischen Lehrdichters aber dem Interpolator auch unbekannt oder unwichtig. Ich schlage nun im Anschluß an Ernst Meßmer12 vor, circumlinatur modo poculum caeleste melle sapientiae zu lesen.13 Der Bezug des Adjektivs
8 9 10 11 12
Lucr. 1,941: ... deceptaque non capiatur. Vgl. Schindler 2000, 134. Zu den Begriffen »Parabole« und »Antapodosis« vgl. Schindler 2000, 44. Brandt 1890, XXIV geht von vorsätzlichem Texteingriff aus. Vgl. oben Anm. 1 des Anhangs.
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»himmlisch« auf poculum ergibt einen vortrefflichen Sinn, wenn poculum metonymisch den Becherinhalt, die bittere, aber heilsame Medizin im Gleichnis, beziehungsweise die christliche Lehre bei Lactanz mitbedeutet. Daß in dem Satz dann sowohl poculum als auch melle mit jeweils einem Attribut verbunden sind – bei einer Annahme von caelesti(s) hätte melle gleich zwei Attribute, poculum dagegen gar keines – ist zwar für sich allein kein schlagendes Argument, soll aber auch nicht unerwähnt bleiben. Bleibt noch zu erklären, wodurch die überlieferten Lesarten zustande gekommen sind: Einerseits ist für das in B überlieferte pabulum ein Schreibfehler nicht ausgeschlossen. Andererseits ist hier insbesondere auf inst. 5,1,12, zu verweisen, wo von animae pabulum die Rede ist, welches mit lux veritatis gleichgesetzt wird. Durch diese Textstelle könnte unbewußt eine Verschreibung befördert worden sein; vielleicht ist sogar mit bewußtem Texteingriff zu rechnen, da sich pabulum ja inhaltlich, wie wir sahen, tatsächlich auf die von Lactanz als Wahrheit apostrophierte christliche Lehre bezieht. Der Ersatz von caeleste durch caelesti(s) in PRVHS2 ist wiederum einerseits durch Schreibfehler zu erklären. Eine solche Verschreibung fällt allerdings um so leichter, je weniger der Kopist erkennt, daß sapientia hier eben die weltliche Weisheit bezeichnet, denn als Attribut zu sapientia im Sinne von göttlicher Weisheit wäre caelestis natürlich bestens geeignet. Folgenschwer dürfte in diesem Zusammenhang auch die Tatsache gewesen sein, daß Honig in der Sprache der Kirchenväter häufig tatsächlich im Zusammenhang mit der göttlichen Sphäre gebraucht wird.14 Nicht auszuschließen ist, daß der Interpolator demselben Irrtum unterlag wie die meisten modernen Erklärer.
13 Eine andere Möglichkeit wäre, von reiner Wortumstellung auszugehen und circumlinatur modo poculum caelestis sapientiae melle im Sinne von »Es möge nur der Becher voll der himmlischen Weisheit mit Honig bestrichen werden« zu konjizieren. 14 Vgl. Wimmer 1998, 47-54, besonders 47-49 zur Gleichsetzung (!) von mel und sapientia.
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Anhang Übersicht zum Kontext des lactanzischen Honigbechergleichnisses Textstelle
Präsentation (Form der Vermittlung)
Lucr. 1,936-942 Lucr. 1,943-945 Lucr. 1,945-950
Honig trübseliger (tristis) Eindruck poetische Darstellung Honig der (weltlichen) Weisheit
Lact. inst. 5,1,14 Lact. inst. 5,1,15
Lact. inst. 5,1,17
Lact. inst. 5,1,18
Auswirkung (auf Rezeptionsverhalten des Publikums) Kinder trinken
epikureische Lehre epikureische Lehre himmlischer Becher
Volk schreckt zurück Aufmerksamkeit wird gefesselt Unkluge trinken
verlockende Süße
bittere Heilmittel
Unkluge trinken
gewöhnliche und einfältige Sprache
biblische Offenbarung beliebig
findet keinen Glauben
streichelt Ohren durch recht angenehmen Klang
beliebig
findet Halt in Herzen
erscheint gewöhnlich
beliebig
angenehm zu hören
beliebig
wird für nichtig, erdichtet und erlogen gehalten wird für wahr gehalten
kann Vergnügen bereiten
beliebig
wird für glaubhaft gehalten
schmuckreiche Präsentation
wirklicher Inhalt
je nach Präsentation15
›ungeschminkt‹
göttliche Schriften
finden keinen Glauben
durch gänzlich ungebildete oder nicht hinreichend gebildete christliche Schriftsteller
Bibelexegese
findet keinen Glauben
nicht rhetorisch ausgefeilt Lact. inst. 5,1,16
Inhalt (Gegenstand der Vermittlung) Heilmittel
Verachtung
15 Mit dem Satz nemo rem veritate ponderat, sed ornatu. bewegt sich Lactanz auf einer abstrakten Ebene.
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Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz
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Indices
I Bibelstellen Exodus 3,14
158
Levitikus 20,6 20,27
1659 A. 107 169 A. 107
Jesaja 29,14
255 A. 137
Weisheit 10,13f.
40
Sprüche 3,12
Daniel 2,20 3,49 Matthäus 6,19 11,25-30 14,22-33 18,4 22,36-40 23,12 Lukas 9,48 10,27 12,33 14,11 Johannes 1,18 14,9
146 A. 76; 281 A. 84
255 A. 137 40
223 A. 35 255 A. 137 115 A. 85 292 A. 20 224; 216 293 A. 22; 294
292 A. 20 226 223 A. 35 293 A. 22
165 A. 87 165 A. 87
Actus Apostolorum (Apostelgeschichte) 17,28 99, 113 A. 77 1 Korinther 3,1f. 3,14f. 3,18-20 3,19 6,1-6 7,22 13,4-7
70 A. 88 211 215 A. 7 293 273 A. 38; 274 223 A. 34 226 A. 53
2 Korinther 4,3-6
69 A. 86
Galater 3,28 5,17-24
223 A. 34 226 A. 53
2 Thessalonicher 2,7
265
Hebräer 5,12 12,6
70 A. 88 146 A. 76; 281 A. 84
Iakobus 2,5
223 A. 35
2 Petrus 1,5-8
226 A. 53
Apokalypse 3,19 20,2
146 A. 76 211
Indices
361
II Sonstige antike Quellen Aischylos TGF 350,5-9 Radt Ammianus Marcellinus 23,1,7
Antiphon 1,25
192 A. 6
176 A. 30; 176 A. 31
226 A. 51
Aristoboulos ap. Clem. Al. strom. 1,150,1 130 A. 3 ap. Eus. Pr. Ev. 8,10,14 99 A. 16 ap. Eus. Pr. Ev. 13,12 99 A. 16 Aristototeles Ath. pol. 24,3
244 A. 86
gen. an. 759a31
114 A. 79
hist. an. 553a17-25 probl. 954a36 Arnobius 1,62 2,13 Asklepios 2-4 3 8
20
114 A. 79
22f. 24-26 25 26 29 29f. 41 Athenagoras leg. 21,4 28,3 30,1
civ. 2,21 p. 82,34-83,15 230 A. 68 5,12-5,16 p. 211,7-221,24 91 A. 6 10,9 p. 415,5-16 170 A. 110 18,23 180 c. Faust. 13,1 doctr. chr. 2,146
in Rom. imperf. 3,3
165 A. 90 164 A. 82 159 A. 64; 163 A. 80; 164 A. 81; 164; 165 A. 90 158 A. 53; 161 A. 72; 161 A. 74; 165 A. 90; 166
192 A. 6 154 179
Augustinus
174 A. 20
180 155
161 A. 72 154 A. 18 197 A. 30 160; 161 A. 72 161 A. 72 165 A. 90 165 A. 88
155 A. 36
22 A. 50; 140 A. 53
180 A. 55
Cassius Dio 43,9,2f. 52,36,1f. 57,18,4f. Catullus 115,3
93 A. 17 307 176 125 A. 142
Celsus ap. Orig. c. Cels. 3,44
255 A. 135
362 ap. Orig. c. Cels. 3,55 ap. Orig. c. Cels. 7,53
Indices 255 A. 135; 301 A. 59 180
Claud. Don. Aen. 10,520 p. 360,2-11
123 A. 131
Cleanthes Cicero apud Sen. epist. 108,10 Arch. 18
98 A. 13
103 A. 33 Clemens Alexandrinus
de or. 1,188 2,209
222 A. 27 222 A. 27
div. 2,112
175 A. 23
leg. 1,22-30 1,24 2,13
225 142; 244 A. 80 274 A. 44
nat. deor. 1,25-40 1,91 2,153
143 A. 67 238 A. 42 225
off. 1,88 2,78 2,85 3,69
222 A. 27 222 A. 29 222 A. 29 55 A. 42
part. 6 129 130
84 A. 119 224 225 A. 48
rep. 1,43 3,18 3,23 3,27 3,33
221 274 274 A. 45 215 A. 8 244 A. 87
top. 76f. 90 Tusc. 1,64 2,26
84 A. 119 225 A. 48
103 A. 33 99
protr. 11 27,5 32,3 35,1 35,3 43,3f. 50,1 50,4 74,3 76,3f. 77,2f. strom. 1,28,1 1,81,4 1,108,1 1,108,3 1,150,1
193 179 193 A. 7 193 A. 7 193 A. 7 193 A. 7 179; 193 A. 7 179 125 A. 143 193 179
1,164,3 3,3,14 5,21,4 5,32,1 5,99,3 6,5,43 6,42,3-6,43,1 6,43,1 6,55,3f. 8,77,2
131 A. 6 131 A. 6 179 174 A. 20 130 A. 3; 131 A. 6 193 180 193 193 131 A. 6 189 208 179; 208 131 A. 6 179 A. 49
Codex Iustinianus 8,17,12,2
134 A. 25
Cohortatio ad Graecos 11,1f. 11,2 14f. 16 17,1f.
193 A. 13 193; 200 A. 39 125 A. 143 180 A. 53 126 A. 144
Indices 24,2 37f.
193 180 A. 53
Coll. Mos. et Rom. Leg. 6,4 18 A. 27; 266 A. 8 15,3 18 A. 27 15,3,2 266 A. 8
363 Dionysius Halicarnasseus ant. 4,62 4,62,6
Ephraem der Syrer Gegen Mani 208-210
Corpus Hermeticum 1 1,26 1,31 4,1f. 5,2 5,10 8,1f. 9,4 9,8 11,5 12,15 12,23 13,21 14,3 16 16,3 frg. 1,1
154 153 A. 9 165 A. 88 164 A. 85 161 A. 72 158 A. 53; 165 A. 90 164 A. 85; 165 A. 90 167 163 A. 80; 164 A. 85 165 A. 88 165 A. 90 167 161 A. 72 165 A. 88 154 A. 18 165 158 A. 58
175 A: 25 175 A. 23
155 A. 36
Epictet diss. 4,7,1-7
241 A. 68
4. Buch Esra 13
209 A. 24
Euripides Orest. 417 591f. 594-596
193 A. 8 193 A. 8 193 A. 8
TGF frg. 1118 (unter den fragmenta dubia et spuria eingeordnet) 126 A. 145; 294 A. 25
Corpus Inscriptionum Latinarum VI 32326-32336 176 A. 29
Eusebios
Diogenes Laertios
Dem. Ev. 1,1
255 A. 135
HE 6,19,7 7,30,19 8,1,1-6
314 A. 44 273 A. 38 289 A. 1
3,65 7,180f. 10,125
34 98 A. 10 149 A. 87
Diognetbrief 6,1f. 6,7
289 A. 4 289 A. 4
Pr. Ev. 1,2 1,2,3 1,2,4 4,6,3 9,10,4 9,10,4f.
313f. 314 255 A. 135 192 A. 2; 234 A. 14 193 A. 11 200 A. 39
364
Indices
9,15,1 11,18,3 11,18,6 13,13,35 13,13,42 14,10,5
180 A. 53 162 162 180 A. 53 180 A. 53 200 A. 39
oratio ad sanctos 18,5 19,9 20,8
180 A. 54; 189 189 188
Vita Const. 2,48-60 2,50-54 2,60,2
173 A. 17; 317 192 A. 1; 205 A. 60 318 A. 64
Galerius
Tac. 16,6
176 A. 30
Homer Od. 13,102-112
234 A. 15
Il. 1,149
329 A. 2
Hystaspes frg. Bidez-Cumont 6f. 8 11 12f. 14f. 15 16-18
207 208 212 A. 36 208 209 212 211
ap. Lact. mort. pers. 34,1 273 Iamblichos äthiopisches Henochbuch 52 211 A. 31 67,9 211
myst. passim 3,31
Herakleides Ponticus ap. Clem. Al. strom. 1,108,3 174 A. 20
Flavius Josephus
Hermas 8,1 24,4
179 211
Hieronymus epist. 22,30,4 58,10,2 70,5,2 84,7,2
22 A. 51 22 A. 49; 98 A. 12; 140 A. 52 22 A. 48; 140 A. 51 98 A. 12
234 A. 18 170 A. 110
ant. Iud. 16,31-57 16,174-178
308 A. 11 308 A. 11
Bell. Jud. 6,312 6,312-314
184 A. 67 207 A. 11
c. Ap. 1,162-165 1,173f. 2,167f. 2,239 2,242-248 2,251 2,257
130 A. 3 99 A. 16 130 A. 3 99 A. 16 99 A. 16 99 A. 16 130 A. 3
Iustinus Martyr Historia Augusta Aurelian. 20,4-8 Gord. 26,2 Hadr. 2,8
176 A. 30 176 A. 30 176 A. 30
apol. 6,1 7,3
289 A. 8 130 A. 5
Indices 20,1 44,8-10 44,12 46,3f. 59f.
207 131 A. 6 176; 207 130 A. 5 131 A. 6
dial. 93,3
226 A. 55
Juvenal 10,365f.
125 A. 142
365 48,1-4 48,4 48,7 49,1-4 50,1f. 51,2 51,3 52,3
54,7 54,8 Konzil von Elvira (Ilíberis) Kanon 60 310 A. 31 Lactanz1 epit. 3,2 3,3 4,1 4,4 4,5 11f. 15,2 18,2 29,1 31,6
32,3 33,1 35,5 37,4f. 37,4-9 37,5 37,8 40,3 44,1f. 47,1 47,4f. 47,4-49,4
54,8f. 55,1 56,3 56,4
81 A. 108; 86 A. 127 125 A. 143 102 A. 24; 102 A. 25; 136 A. 31 158 A. 57; 161 158 A. 58 106 A. 46; 129 A. 149 282 A. 87 204 86 A. 123 86 A. 123; 86 A. 127; 181 A. 57; 204 A. 56 203 56 A. 44 49 A. 15; 53 A. 31; 274 A. 46 163 A. 80 144 164 A. 85 158 A. 58 86 A. 123 50 A. 18 50 A. 17 310 A. 32 312 A. 36
1 Angaben zu besonders einschlägigen Stellen sind unterstrichen.
57,6 57,6f. 57,7 62,8 62,8f. 63,7 64,1 64,5 64,6 65,1 65,3 65,6
65,8 66,1 66,1-3 66,10-67,2 67,2-4 68,1
fr. 3
311 A. 33; 315 A. 47 310 A. 23 310 A. 22; 310 A. 24; 310 A. 29 311 A. 34 310 A. 32 243 A. 71 282 A. 87 243 A. 77; 243 A. 78; 252 A. 117; 252 A. 120 94 A. 21 280 A. 81; 284 A. 95 280 49 A. 15; 274 A. 46 244 A. 85 228 A. 62; 282 A. 86; 284 A. 94; 312 A. 39 57 A. 51 101 A. 20; 112 A. 72 57 A. 50 48 A. 12; 54 A. 36; 88 56 A. 49; 88 A. 129; 88 A. 130 54 A. 36 54 A. 36; 229 A. 64; 314 A. 46 144 A. 70 53 A. 34; 55 A. 41; 138 A. 42 48 A. 14 247 A. 93 81 A. 108; 83 A. 117; 86 A. 123; 86 A. 127; 185; 204 71 A. 91; 86 A. 125 86 A. 123 209 209 211 86 A. 123; 206 A. 2; 212 A. 36
22 A. 52
366 4 inst. 1,1,1 1,1,1f. 1,1,1-5 1,1,3 1,1,5 1,1,5f. 1,1,7 1,1,10 1,1,12 1,1,13 interpol. 1,1,13-16 interpol. 1,1,19 1,3,18 1,4 1,4,1-1,7,3 1,4-7 1,4,1 1,5f. 1,5,1 1,5,1f. 1,5,1f. 1,5,1-3 1,5,1-1,7,13 1,5,2 1,5,3-14 1,5,4 1,5,4-14 1,5,6
1,5,11
1,5,14
1,5,15 1,5,15-23 1,5,15-1,6,6 1,5,23 1,5,28
Indices 22 A. 52
53 A. 31 137 A. 35 131 A. 8 53; A. 31; 137 A. 36 254 A. 131 47 A. 8; 53 A. 31; 274 A. 46 57 A. 50 63 A. 67; 74 A. 97 274 A. 44 286 278 A. 63 61 A. 61; 67; 328 A. 1 276 A. 52 183 A. 63 168 A. 105 72; 82-85 117 181f. 82 A. 115; 168 A. 105 73f. 109 A. 59 100f. 239 A. 52 137 A. 38 244 A. 80 125 A. 143 124 56 A. 43; 105 A. 42; 243 A. 71; 243 A. 78; 252 A. 117 56 A. 44; 97 A. 3; 103 A. 32; 122 A. 126; 250 A. 109; 251 104 A. 39; 105 A. 42; 125 A. 143; 243 A. 71 102 A. 24; 102 A. 25; 136 A. 31 143 102 A. 26 238 A. 46 52 A. 28; 53 A. 31; 56 A. 46
1,6,1 1,6,4 1,6,4f. 1,6,4-6 1,6,6 1,6,6-17 1,6,13 1,6,14 1,6,16 1,6,17 1,6,17-1,7,1 1,7 1,7,1 1,7,2 1,7,3 1,7,4-11 1,7,5-10 1,7,6 1,7,7 1,7,9 1,7,10 1,8,1 1,8,7 1,8,8 1,9,8 1,10,12 1,11,12 1,11,22-25 1,11,23f. 1,11,30 1,11,33 1,11,33f. 1,11,34 1,11,36f. 1,11,39-43 1,11,47 1,12,3-10 1,13,7 1,13,8 1,13,11 1,14,1 1,15,20f. 1,17,1-3
81 A. 114; 154; 168; 190 A. 89 161; 166 158; 165 172 A. 1 73f.; 181 183 A. 63 182 A. 61 182 A. 60 184 73f.; 190 A. 89; 195 184 A. 70; 198 195-198 166 A. 94 158 A. 57 81 A. 108 239 A. 56 203 12 A. 1; 239 A. 51 126 A. 143 190 A. 89 194 A. 18 158 A. 58 114 A. 80 114 A. 81 105 A. 39; 111 243 A. 75 94 A. 25 102 A. 24; 136 A. 31 106 A. 46; 129 A. 149 106 A. 46; 129 A. 149 93 A. 13 92 A. 12 106 A. 46; 129 A. 149 102 A. 24; 136 A. 31 238 A. 47; 239 A. 55 92 A. 12 107 A. 50 93 A. 14 92 A. 12 125 A. 143 104 A. 38; 109 A. 59f.; 112 250 A. 109 107 A. 50
Indices 1,18,8-17 1,20,2 1,20,6-10 1,20,20 1,20,24 1,21,7 1,21,20 1,21,21 1,21,25 1,21,25-30 1,21,41f. 1,21,44 1,21,48 1,22,1-4 1,22,1-9 1,22,15 2,1,2 interpol. 2,1,4 2,1,7 2,1,13-19 2,1,14f. 2,1,14-17 2,1,14-19 2,3,1 2,3,1-5 2,3,5 2,3,10 2,3,11 2,3,12f. 2,3,14-19 2,3,19
2,3,19f. 2,3,21 2,3,23f. 2,3,23-25
2,3,25 2,5,2f. 2,6,7-2,7,6 2,6,13 2,6,13f. 2,6,14
277 A. 61 94 A. 22 108 A. 53; 116 A. 92 55 A. 42 55 A. 42 204 125 A. 142 55 A. 42 113 A. 73 108 A. 53 93 A. 18 93 A. 12 112 A. 69 94 A. 23 276 A. 54 126 A. 143 278 A. 63 50 A. 17 56 A. 43; 105 A. 44; 243 A. 72 243 A. 79 252 A. 125 117 A. 99 93 A. 19 236 A. 28 236 A. 30 35 A. 10; 36 A. 15 125 A. 138 12 A. 1 49 A. 16; 236 A. 30 236 A. 32 48 A. 8; 49 A. 16; 105 A. 44; 254 A. 132 256 A. 141 48 A. 8; 48 A. 15; 275 A. 47 49 A. 16; 136 A. 30 49 A. 15; 238 A. 42; 274 A. 46; 275 A. 47 56 A. 49; 87 A. 129; 88 A. 130 51 A. 24 253 A. 126; 256 277 A. 57; 277 A. 59 94 A. 24 125 A. 142
367 2,6,15 2,6,16 2,7,1-4 2,7,2 2,7,7 2,8,2 2,8,3 2,8,23 2,8,24 2,8,24-26 2,8,24-46 2,8,68f. 2,8,70 2,8,71 2,9,1 2,9,17 2,10,5f. 2,10,5-10 2,10,15f. 2,10,25 2,11,17 2,11,18 2,11,19f. 2,11,20 2,12,4 2,12,12f. 2,12,12-14 2,14,1-5 2,14,5-2,16,13 2,14,6 2,14,8 2,15,5 2,15,6 2,15,7f. 2,16,1 2,16,3 2,16,5 2,16,9 2,16,13 2,16,13f. 2,16,19 2,18,1 2,19,6 3,1,1 3,1,1 interpol. 3,1,2
277 A. 58 277 A. 59 253 A. 127 117 A. 99 53 A. 31 117 A. 100 159 A. 62 250 A. 110 250 A. 111 250 250 A. 112 51 A. 24 51 A. 23 52 A. 26 51 A. 24 53 A. 35 106 A. 45; 109 A. 59; 129 A. 148 108 A. 53 105 A. 43 144 A. 70 55 A. 42 83 A. 117 51 A. 24 52 A. 26 125 A. 139 93 A. 19 93 A. 17 198 236 A. 29 198 A. 35 198 A. 33 167 167 A. 96 197 A. 30 169f.; 198 A. 34 198 A. 33 198 A. 34; 199 A. 36 12 A. 1; 198 A. 33 202 199 A. 36 198 A. 33; 199 A. 36 243 A. 79 53 A. 31 74 A. 99; 76; 236 A. 28 278 A. 63 57 A. 53; 74 A. 107; 254 A. 133
368 3,1,3f. 3,1,4 3,1,6
3,1,7 3,1,10-12 3,1,12 3,1,14 3,2,8 3,2,2-10 3,2,3-10 3,3,2 3,3,2f.
3,3,3 3,3,5 3,3,15f. 3,4,1-3 3,4,1-3,6,20 3,4,5 3,4,8 3,4,14 3,5,1 3,5,3 3,6,2-4 3,6,8 3,6,9 3,6,16f. 3,7,1-6 3,7,3f. 3,8,1f. 3,8,20 3,8,37 3,9,19 3,10,6 3,10,7 3,10,7f. 3,10,14f. 3,11,1-4 3,11,2 3,11,3 3,11,16 3,12,22
Indices 57 A. 52; 74 A. 99; 76 50 A. 19; 57 A. 54 48 A. 8; 53 A. 30; 53 A. 33; 138 A. 44; 254 A. 131 137 A. 40; 244 A. 81 75-77 83 A. 117 76 A. 102 53 A. 31 137 A. 39 253 A. 127 275 A. 47 48 A. 8; 48 A. 14; 49 A. 15; 53 A. 30; 53 A. 31; 254 A. 131 248 A. 98 53 A. 32 49 A. 15 235 A. 25 237 A. 41 235 A. 25 235 A. 25 48 A. 8; 49 A. 15 51 A. 22 51 A. 21 51 A. 21 48 A. 8; 53 A. 31 53 A. 32 51 A. 24 257 A. 142 257 258 A. 147 54 A. 40 54 A. 36 48 A. 14 48 A. 14; 252 A. 124 142 A. 61; 142 A. 62; 244 A. 80 48 A. 13 236 A. 31 142 A. 62 236 A. 32; 244 A. 81 142 252 A. 121; 252 A. 123 92 A. 11
3,12,24 3,12,28f. 3,13-16 3,13,12 3,13,13 3,14,10 3,15,1f. 3,15,4 3,15,5 3,15,7 3,15,21 3,16,10 3,16,16f. 3,17,2 3,17,11 3,17,23 3,17,30 3,17,34 3,18,1 3,18,5 3,18,5f. 3,18,8f. 3,18,15-17 3,19 3,19,8 3,19,17-25 3,19,19 3,20 3,20,1f. 3,20,7 3,20,9-17 3,20,16f. 3,21 3,21,2-12 3,21,2-3,22,11 3,21,3-12 3,21,10 3,22,3 3,22,3f. 3,22,4 3,22,10 3,25,2 3,25,5
252 A. 121; 252 A. 123 52 138 A. 45 57 A. 52; 75 49 A. 15 137 A. 40 145 A. 72 50 A. 18; 138 A. 41; 248 50 A. 17; 274 A. 46 248 244 A. 84 50; 53 A. 30; 137 A. 39; 254 A. 131 53 A. 33; 138; 254 A. 131 131 A. 11 119 A. 105 54 A. 40 149 A. 87 83 A. 117 53 A. 34; 138 A. 42; 241 A. 67 241 A. 67 241 A. 68 144 A. 70; 241 A. 68 241 A. 65 241 A. 64 241 A. 66 144 A. 70 241 A. 65 219 A. 19 35 A. 14 49 A. 15; 76 A. 102; 136 35 36 36 A. 15 144 A. 70 238 A. 46 144 A. 68 243 A. 73 224 A. 38; 227 A. 59 298 A. 47 50 A. 17 243 A. 75 138 A. 41 48 A. 14; 244 A. 83; 248
Indices 3,25,16f. 3,26 3,26,1
3,26,3 3,26,10-12 3,26,11 3,26,12 3,26,13 3,27,1 3,27,1-3 3,27,3 3,27,10 3,27,12f. 3,28,2 3,28,18f. 3,29,8 3,29,13 3,29,14 3,29,15 3,29,17 3,29,20 3,30,3 3,30,7 3,30,7f. 4,1,1 interpol. 4,1,12 4,2,3 4,2,3-5 4,2,4 4,2,5
4,3,4-10 4,3,7 4,3,11 4,3,13 4,3,18 4,3,19 4,4,5f. 4,4,6
4,4,7 4,5,2
145 A. 72 247 A. 93 50 A. 18; 105 A. 44; 138 A. 41; 243 A. 74; 244 A. 83; 248 A. 99; 248 A. 103 257 A. 144 138 A. 41 258 249 A. 104 57 A. 52 76 54 A. 39; 136 53 A. 32 55 A. 42; 112 A. 69 50 A. 18 52 A. 29; 138 A. 41 44 A. 35 93 A. 18 49 A. 15 48 A. 11 93 A. 20 125 A. 142 55 A. 42 50 A. 17 138 A. 41; 274 A. 46; 275 A. 47 49 A. 15 278 A. 63 53 A. 31 48 A. 10 136 A. 34 136 A. 32 48 A. 10; 49 A. 15; 120 A. 113; 137 59 A. 56; 236 A. 32 236 A. 33 243 A. 76 243 A. 75 243 A. 77 243 A. 75; 243 A. 78; 252 A. 117 236 A. 30 238 A. 46; 238 A. 47; 239 A. 54; 239 A. 55 252 A. 119 48 A. 12
369 4,5,3 4,6,1-4 4,6,3 4,6,4 4,6,9 4,7,3 4,8,3-5 4,8,4 4,8,4f. 4,8,5 4,8,8 4,8,10 4,9,3
4,10,7 4,11,14 4,12,2 4,12,3 4,12,11 4,12,15 4,13,1 4,13,2 4,13,3f. 4,13,11 4,13,11-17 4,13,12 4,13,17 4,14,1-3 4,14,3 4,15,3 4,15,21 4,15,26-28 4,15,26f. 4,15,30 4,16,3 4,17,9-21 4,20,4 4,20,4f. 4,22,1f. 4,24,12-18 4,24f. 4,26,4f. 4,26,14
74 A. 96 159 A. 62 163 A. 79 159 A. 64; 163 A. 80; 164 A. 85 159 A. 62; 165 A. 86 158 A. 58; 165 A. 86; 166 A. 94 159 A. 63 126 A. 143; 159 A. 62 168 158 A. 57 48 A. 12; 49 A. 15; 159 163 A. 80 56 A. 46; 159 A. 62; 165 A. 86; 166 A. 94; 168 114 A. 82 159 A. 66 114 A. 83; 115 116 A. 88 49 A. 15 49 A. 15 159 A. 66 158 A. 57 159 194 A. 18; 194 A. 19; 203 A. 53 89 A. 134; 200202 212 A. 37 212 A. 37 228 50 A. 17 186 A. 77 115 A. 85; 115 A. 86; 120 A. 111 173; 183; 189 A. 87 184 A. 66 183f. 93 A. 19 129 A. 147 72 A. 95 85 A. 122 74 A. 96 159 A. 66 159 164 A. 80 55 A. 42
370 4,26,16 4,26,38 4,27,15 4,27,17 4,27,18-20 4,27,20 4,30,1-14 4,30,6f. 4,30,10 5,1,1 interpol. 5,1,1-12 5,1,3-8 5,1,8f. 5,1,8-12 5,1,10 5,1,10f. 5,1,12 5,1,13-18 5,1,14 5,1,14-18 5,1,15 5,1,18 5,1,18-21 5,1,19f. 5,1,21f. 5,1,28 5,2,2-11 5,2,11f. 5,2,17 – 5,3,3 5,3,17 5,4,1 5,4,3-7 5,4,4 5,4,4-7 5,4,6 5,4,7 5,4,8 5,5,1
5,5,9 5,5,13 5,6,2 5,6,3 5,6,12 5,6,12f. 5,7
Indices 55 A. 42 55 A. 42 74 A. 96 170 169f. 168 A. 106 235 A. 25 53 A. 35 235 A. 26 278 A. 63 58 310 A. 32 20 A. 39 58-64 52 A. 26; 112 A. 72; 329 101 A. 20; 107 A. 47 20 A. 39; 332 65-68; 328 41 A. 40; 74 A. 99; 114 A. 82 101 A. 20; 328333 64 64 64 A. 69 329 64 64 131 A. 9 293 85 129 A. 147 131 A. 9 64 253 68-70 41 A. 40; 83 A. 117 50 A. 19 63 A. 67 83 A. 116; 102 A. 24; 135; 136 A. 31 215 215; 271 A. 28 329 A. 4 269; 272; 275; 280 223 236 A. 34 245 A. 88
5,7,1 5,7,1f. 5,7,6 5,7,7 5,7,8 5,8,3 5,8,4f. 5,8,5 5,8,5-9 5,8,6-9 5,8,8 5,8,8f. 5,8,9f. 5,8,9 5,8,10 5,8,10f. 5,8,11 5,9,1 5,9,2 5,9,6 5,9,11 5,9,15-20 5,9,22 5,10,1-11 5,10,3-9 5,10,3-5 5,10,4-9 5,10,7 5,10,8 5,10,9 5,10,10 5,10,11 5,10,14 5,10,15 5,10,17 5,11,1-5,12,1 5,11,10 5,11,18-5,12,4 5,12,3f. 5,12,5f. 5,12,7 5,13,5 5,13,13-15 5,14-18 5,14,1f. 5,14,2
120 A. 114 286 315 A. 48 91 252 A. 118 271 A. 26 236 A. 34 312 A. 38 226 A. 53 249 A. 106; 275 A. 49 274 A. 44 269; 275 271 A. 28 272; 329 A. 4 142; 249f. 39 249 A. 107; 274 A. 44 274 A. 44 228 A. 62 56 A. 47; 103 329 A. 4 236 A. 34 271 A. 26 109 A. 59f. 104 A. 38 123 A. 127 108; 117 A. 96 123 A. 130; 300 A. 52 123 A. 127-129 123 A. 129f.; 300 A. 53 300 301 A. 56 300 277 A. 61 244 A. 84; 248 A. 100 269 247 A. 93; 248 A. 101 269-272 274 215 A. 8 56 A. 47 272 91f. 143; 245 A. 87 215 81 A. 108; 83 A. 117
Indices 5,14,5-5,15,5 5,14,6 5,14,7-11 5,14,7-5,15 5,14,9
5,14,9f. 5,14,10 5,14,11 5,14,11f. 5,14,12-14 5,14,13 5,14,13f. 5,14,14 5,14,15 5,14,15-20 5,14,16 5,14,16-18 5,14,18 5,15 5,15,1
5,15,1-6 5,15,2-6 5,15,3 5,15,5-10 5,15,7 5,15,6-11 5,15,8 5,15,8-10 5,15,9 5,15,11 5,16,3 5,17,3 5,17,4 5,17,6 5,17,9 5,17,19 5,17,25 5,17,29 5,17,34 5,18
35 A. 13 138 A. 45 215-218 216; 231 214 A. 1; 222; 225 A. 50; 228 A. 61; 244 A. 84; 247 A. 97; 290 A. 13 229 61 A. 61 167; 225 A. 50 218f.; 226 A. 53 35 A. 13 54 A. 40; 238 A. 46; 239 A. 54 35; 219 35 A. 11; 36 A. 15 292 A. 18 219-224 329 A. 4 295 A. 29 292 290; 294 60 A. 61; 138 A. 45; 217; 228; 290 A. 13 291f. 222 224 A. 38; 295 A. 29 228 295 A. 29; 329 A. 4 295 A. 30 222 A. 31 293-296 294 126 A. 145 243 A. 71 329 A. 4 138 A. 45 55 A. 42 53 A. 35 222 A. 31; 329 A. 4 252 A. 118 252 A. 120 244 A. 84; 295 A. 29 222 A. 27; 241 A. 66
371 5,18,1 5,18,3 5,18,4 5,18,11 5,18,14-16 5,18,16 5,19 5,19-21 5,19,2-6 5,19,3 5,19,6 5,19,8 5,19,8-14 5,19,9 5,19,10 5,19,13 5,19,18 5,19,18f. 5,19,19 5,19,22 5,19,23 5,19,24 5,19,26 5,19,30-34 5,20,2 5,20,4 5,20,5f. 5,20,6 5,20,7 5,20,8 5,20,10 5,21,7 5,21,8 5,22,2-5 5,22,7-10 5,22,10 5,22,11 5,22,12 5,23 5,23,3 6,1-7 6,1,1 6,1,7 6,1,8 6,2,16 6,3,1 interpol.
241 A. 63 241 A. 63 92; 240 A. 62 48 A. 10 230 A. 66; 297 A. 37; 301; 313-315 276 A. 50 309 A. 16; 310 A. 22 312 310 A. 32 310 A. 29 310 A. 25 310 A. 26 253 310 A. 27; 310 A. 28 83 A. 117 302 253 310 A. 32 113 A. 75 310 A. 30 311 A. 34 310 A. 30 329 A. 4 236 A. 34 311 A. 33; 315 A. 47 311 A. 33; 315 A. 47 315 A. 52 311 311 A. 34 311 310 A. 23 145 295 A. 29 315 A. 48 226 A. 53 222 A. 31 56 A. 46; 145 145 A. 75 222 A. 27 329 A. 4 133 50 A. 19; 104 A. 37 93 A. 17; 93 A. 19 93 A. 19 50 A. 19 278 A. 63
372 6,3f. 6,3,1–6,4,24 6,3,4 6,3,5 6,3,9 6,3,9f. 6,3,17 6,4,5 6,4,23f. 6,6,25 6,7,1 6,7,1-7 6,7,1-9 6,7,3 6,7,9 6,7,9-6,8,1 6,8,3 6,8,6 6,8,6-12 6,8,7-9 6,8,10 6,8,10f. 6,8,10-12
6,8,12 6,9,1 6,9,4 6,9,6 6,9,8 6,9,9-12 6,9,13 6,9,16 6,10,2 6,10,7 6,10,10-12 6,10,21 6,11,2 6,11,6-19 6,11,6-6,12,4 6,11,18 6,12,14 6,12,15-18 6,12,22 6,12,25-31
Indices 246 A. 91 37; 272 A. 35; 319 A. 66 247 A. 93 54 A. 37 83 A. 116 102 A. 24; 136 A. 31 61 A. 61 235 A. 24; 246 A. 91 236 A. 32 55 A. 42 55 A. 42 236 319 A. 66 48 A. 10 235 A. 25 61 A. 61; 62 A. 65 52 A. 29 56 A. 46; 134f.; 141; 274 A. 44 134 244 A. 87; 245 A. 87 56 A. 47 245 56 A. 49; 86 A. 124; 87 A. 129; 88 A. 130; 134 A. 25 272 A. 37; 274 A. 46 245 277 A. 61 246; 247 A. 97 245-247 246 A. 91 247 A. 96 246 A. 91 50 A. 17 113 A. 77 147 254 A. 133 243 A. 75 147 A. 82 296 55 A. 42 55 A. 42 296 247 A. 96 296
6,12,26 6,12,32-40 6,12,33-37 6,12,37-39 6,13,11 6,14,1 6,14,6 6,14,6f. 6,15-23 6,16,11 6,17,4 6,18,17-20 6,18,21 6,19,1 6,19,4-11 6,19,6 6,19,6-10 6,19,6-11 6,19,10 6,20,8f. 6,20,16f. 6,21,1-9 6,21,3-5 6,21,3-6 6,21,4f. 6,21,4ff. 6,21,4-11 6,21,9-12 6,23,8 6,23,18 6,23,23-25 6,23,26 6,23,28 6,23,29 6,23,37-40 6,24,13 6,24,31 6,25,10 6,25,10-12 7,1,5 7,1,6 7,1,11 7,1,22 7,2,2 7,2,3 7,2,9
56 A. 44 62 A. 64 295 294; 295 A. 31 125 A. 142 83 A. 117 50 A. 18 61 A. 61 247 A. 95 247 A. 95 36 A. 15 315 A. 48 243 A. 76 54 A. 37 244 A. 85 228 A. 60 297 A. 39 275; 284; 312 282 147 228 A. 62 101 A. 20; 112 A. 72 57 A. 51 57 A. 50; 111 A. 66 107 A. 47 110 A. 65 87 110 A. 63 243 A. 75 302 A. 66 298 A. 43 298 A. 45; 302 A. 66 247 A. 93 298 A. 43; 298 A. 44 302 52 A. 28 71 A. 91; 86 A. 125 167; 168 A. 106 160 82 A. 115 144 A. 70 53 A. 32; 55 61 A. 61 54 A. 35 49 A. 15; 274 A. 46 49 A. 15; 53 A. 30; 53 A. 33; 138
Indices
7,2,11 7,3,1-12 7,3,9 7,3,12 7,3,14 7,3,14f. 7,3,15 7,3,16 7,3,24 7,4,12 7,4,13-16 7,5,1f. 7,5,17-20 7,5,19 7,6,1f. 7,7,1 7,7,1-4 7,7,4
7,7,5
7,7,7 7,7,14 7,8,1 7,8,2 7,8,2-10 7,8,3 7,9,10 7,9,12
7,9,15 7,9,16 7,10,10 7,11,2 7,12,5 7,12,14 7,13,1f. 7,13,2
A. 44; 254 A. 131; 275 A. 47 54 A. 38 250 94 54 A. 35 52 A. 28; 54 A. 35; 88 A. 130 56 A. 49 54 A. 35 144 A. 70 54 A. 35; 54 A. 40 252 A. 120 252 A. 122 54 A. 35 247 A. 93 243 A. 78; 252 A. 117 229 A. 64; 314 A. 46 54 A. 35 56 A. 46 49 A. 15; 50 A. 17; 87 A. 129; 274 A. 46; 275 A. 47 53 A. 34; 57 A. 52; 83 A. 117; 138 A. 42 56 A. 44; 56 A. 45 52 A. 28; 54 A. 35 244 A. 81 54 A. 35 241 A. 63 53 A. 32 244 A. 80 56 A. 43; 105 A. 44; 243 A. 72; 244 A. 81; 244 A. 83 243 A. 76 247 A. 93 276 A. 50 276 A. 50 57 A. 52; 109 A. 62 113 A. 73 74 A. 96; 81 A. 108 82 A. 115
373 7,13,4f. 7,14,3 7,14,4 7,14,6 7,14,8-17 7,14,16 7,14,17 7,15,11 7,15,15 7,15,17f. 7,15,19 7,16,3 7,16,4 7,17,2 7,17,9-11 7,18,1 7,18,1-3 7,18,1-8 7,18,2 7,18,3 7,18,3-8 7,18,4 7,19,5-9 7,19,9 7,21,1-5 7,21,2f. 7,21,2-5 7,21,3-7 7,21,5 7,21,6f. 7,22,1f. 7,22,1-6 7,22,2
7,22,4 7,22,4-6 7,22,5 7,22,5-9 7,22,19 7,23,3f. 7,23,5 7,24,5 7,24,7 7,24,9
202 276 A. 50 144 A. 70 252 A. 124 208 86 A. 123; 183 A. 65 86 A. 127 208; 276 A. 55 93 A. 19 186 206 A. 2; 208 209 A. 22 209 209 A. 22 209 86 A. 123; 190 A. 89 209f.; 212 185 A. 72 206 A. 2 82 A. 114 190 A. 90 160 209 86 A. 123 314 A. 45 235 A. 24 276 A. 50 211 235 A. 24 186 A. 78 86 A. 124 105 A. 43; 129 A. 143 102 A. 24; 106 A. 45; 109 A. 59; 136 A. 31 48 A. 12; 56 A. 45; 105 A. 39 106 A. 45; 109 A. 59 108 A. 54 108 A. 53 102 A. 26; 144 A. 70 190 A. 90 86 A. 127; 102 A. 26 211 211 86 A. 123; 108; 109 A. 58; 121 A.
374
Indices
118; 127 A. 146; 129 A. 147 7,24,9-11 120 7,24,10 121 A. 119; 186 A. 80; 187 7,24,11 97 A. 3; 115 A. 87 7,24,12-14 121f. 7,25,1 186 A. 80; 189 A. 87 7,25,1f. 71 A. 91; 74 A. 96; 82 A. 115; 86 A. 125; 120; 122; 187f. 7,25,8 276 A. 55 7,26,1 211 7,26,5 229 7,26,8 72 A. 95 7,26,11-17 interpol. 278 A. 63 7,27,2 additamentum 16 248 A. 98 7,27,6 113; 119; 125 A. 140 7,27,7 119 A. 107 7,27,12 67; 328 A. 1 ira 1,1f. 1,2-9 1,3 1,5 2,1-6 2,5 2,6 2,9f. 2,10 3-21 5,8 7,6 10,26 10,41 10,47 10,51 11,8 11,10 11,11f. 12,4 14,2 14,3-5 14,5
262 A. 156 262 A. 157 53 A. 31 53 A. 30; 254 A. 131; 258 239 A. 55; 259263 132 A. 12 235 A. 26 262 A. 158 252 78 56 A. 44; 56 A. 45 244 A. 80 55 A. 42 252 A. 122 144 A. 70 252 A. 119 282 A. 88 136 A. 30; 258 158 A. 58 280 A. 77 48 A. 14; 252 A. 124; 254 A. 134 226 225 A. 47
14,5f. 14,6 16,4 16,5 16,8 17,5 17,6f. 17,6-12 17,7 17,9 17,15-21 17,16 17,17f. 17,18 18,3 18,8 18,10f. 18,11 18,13 19,5 20,2 20,7 21,3 21,5f. 22,2 22,2-4 22,3 22,3f. 22,4 22,5f. 22,5-23,9 22,5-23,11 22,5-23,13 22,6 23,2 23,6 23,10f. 23,10-14 23,12 23,12-14 24 24,1-10 24,15
243 A. 75 280 A. 79 280 A. 77 312 A. 37 280 A. 77 280 A. 79 228 A. 62; 274; 280; 284 A. 95 312 A. 37 280 A. 77; 283; 284 A. 94 281 A. 82 312 A. 37 280 A. 77; 297 A. 39 281 A. 82 283; 297 A. 39 281; 312 A. 37 282 281 A. 82 282 A. 86; 284 A. 94; 312 A. 39 261 280 A. 79 124 A. 135 280 A. 77 283 283 77; 203 A. 54 83 A. 117; 86 A. 127 253 A. 129 77-80 185; 203 A. 54 182 A. 61 78 185 203 282 A. 88 182 A. 61, 182 A. 62; 282 A. 88 124 A. 137 282 78 A. 105 194 A. 18; 194 A. 19; 197 202 79 284f. 284f.
Indices mort. pers. 2,8 2,8f. 7,10 8,4f. 9,1f. 11,7 15,1 19,6 21,3-6 22,4f. 23,5 26,2 27,2f. 27,8 29,1-30,6 30,2-5 34,1 34,4 38,2 38,5 38,6 44 47 50,7 51,2 opif. 1,9 1,15 6.1 8,12 14,1 19,3 19,8 additam. 5 19,8-20,1 20,1-3 20,2f. 20,3 20,5
185 A. 75; 185 76 240 A. 60 280 A. 76 280 A. 75 280 A. 74 192 A. 1; 205 60 279 A. 68 280 A. 74 278 A. 64 278 A. 64; 280 74 280 A. 74 280 A. 76 280 A. 76 279 A. 72; 280 74 267 A. 12 279 273 317 A. 63 280 A. 75 280 A. 75 280 A. 74 279 A. 68 279 A. 68 279 A. 68 279 A. 68
94 A. 22 94 A. 24 94 A. 23 94 A. 23
1,21,3 1,22,2 35,35,9
94 A. 23 146 A. 76 146 A. 76
Lucrez A.
A.
1,64 1,933-950 1,936-950 2,14 2,991 3,3f. 3,459-509 6,24-28
112 A. 69 41 A. 40; 67; 330 A. 6 331; 333 112 A. 69 113 119 A. 107 113 A. 73 119 A. 105
A.
19 A. 36 51 A. 24 119 A. 105 119 A. 105 51 A. 24 113 A. 77 93 A. 20 19 A. 36 87 A. 128 304 A. 72 74 A. 97; 254 A. 133 57 A. 52
Livius 1,4,7 1,8,4-7 1,19,4f. 1,20
A.
375
Macrobius sat. 1,18,9f.
196 A. 23
Minucius Felix 8,4 19,3-10 23,9 34,5 37,3-6
289 A. 6 143 A. 67 93 A. 12 131 A. 6 91 A. 8
Numenios ap. Eus. Pr. ev. 11,18,3 ap. Eus. Pr. ev. 11,18,6
162 162
Oracula Sibyllina 1-8 2,253-256 3,350-488 3,776 3,813-818 3,818 4,97f. 5,256-259 6,7 8,216-500 8,377 8,410f. 9-15
176 A. 34; 177 186 A. 78; 211 A. 31 177 A. 36 177 A. 36 181 182 178 177 A. 36 186 A. 77 177 184 A. 69 211 A. 31 177 A. 34
376 11-14
Indices 176 A. 34
rhet. II 25,15
Origenes c. Cels. 3,44 3,55 4,12 5,40 7,53 8,70
Philodem
255 A. 135; 289 A. 7 255 A. 135; 301 A. 60 34 A. 6 275 180 289 A. 4
34 A. 5
Phlegon von Tralleis Macr. 37,5,4 (FGrH 257 F 37,5,4) 176 A. 29
Platon apol. 21a
204 A. 55
Euthyphr. 12e5-8
226 A. 51
Gorg. 507b1-5 523a7 523b2
226 A. 51 226 A. 51 226 A. 51
Ovid fast. 6,319-348
113 A. 73
met. 1,72 1,79-86 1,256-258 3,135-137 9,693
117 A. 101 117 A. 99 124 A. 137 124 A. 135 125 A. 142
P. Oxy. XXXI 2601
289 A. 1
Pausanias 10,12,9
181 A. 58
Philon agric. 9
99 A. 15 99 A. 15 99 A. 15 99 A. 15 34 A. 8 99 A. 15 99 A. 15 99 A. 15 55 A. 42; 69 A. 86
Symp. 209d-e 211c
99 A. 15 260 A. 150
Tim. 28C
158 A. 58
70 A. 88
Cher. 15
35 A. 9
de somniis 1,147
40
quaest. Gen. 4,67. 204
rep. 377d 379a 379d-e 380b-c 389b2-389b10 395a-b 598d-601b 607a 514a-517c
Plotin
35 A. 9
1,2,3-6 4,8,1 5,5,6 6,7,22 6,9,3 6,9,7
261 A. 150 261 A. 150 193 A. 9 261 A. 150 261 A. 150 261 A. 150
Indices Plutarch de E 9,388F Kim. 10 10,1-7 10,7
Psalmen Salomos 15,4-6
211 A. 31
193 A. 9 Pseudo-Justin s. Cohortatio ad Graecos 244 A. 86 244 245 A. 88
Publilius Syrus sent. I9 I 55 Q 35
Pompeius gramm. V 232,32
377
281 A. 84 281 A. 84 281 A. 84
135 A. 27 Quintilian
Porphyrios Adv. Christ. frg. 1 4f. 8 15 20f. 25
313f. 57 A. 55 57 A. 55 139 A. 48 57 A. 55 57 A. 55
De abstinentia 2,41-42,2
198 A. 34
De antro nympharum
234 A. 15
frg. (Smith) 286 324,11f. 345,40-46 sent. 29 VP 23
170 A. 110 193 A. 11 50 A. 20
inst. 1,2,27 1,9,2 5,11,39
34 A. 6 112 A. 71 99 A. 14
Sallust Catil. 1,1 1,2 10 12,2 20,11 26,2
93 A. 19 93 A. 17; 93 A. 19 93 A. 19 93 A. 19 93 93
hist. frg. 1,18
94 A. 21
Iug. 1,3
93 A. 19
235 A. 24
261 A. 153 Seneca
Poseidonios frg. (Edelstein-Kidd) 178
Properz 4,1,11-14
76 A. 101
125 A. 142
benef. 4,27,2 7,15,2
92 A. 10 92 A. 10
clem. 2,6,2f.
147 A. 78
378 dial. 1,3,4f.
Indices Tatian 92 A. 10
epist. 90,3 94,38 95,33 95,47-53 95,51 108,9-11 108,10
226 A. 51 76 A. 101 147 A. 80 226 A. 51 147 A. 81 99 98 A. 13
Strabon 1,3,7 12,2,4
178 A. 45 178 A. 45
Vesp. 4,5
175 A. 27
Symmachus
Synode von Gangra 1. 3. 9f. 14-16
Terenz Andr. 68
103
adv. Marc. 3,5 p. 382,1-3
109 A. 58
adv. Val. 15,1
155 A. 30
anim. 2,3 28,1 33,2
155 154 A. 28; 155 A. 30 155
apol. 10,1 10,7 24,6 47,2-4
289 A. 8 93 A. 12 308 A. 12 131 A. 6
carn. 5 1. 28f.
255
idol. 15,2
198 A. 33
nat. 2,2,5 2,12,26 2,12,35
131 A. 6 93 A. 12 179 A. 48
207 A. 11
Supplementum Epigraphicum Graecum 27 (1977) Nr. 933 196 A. 25
rel. 3,10
131 A. 6 131 A. 6
Tertullian
Sueton Aug. 31,1
orat. 2f. 19,1f.
319 A. 65
302
Tacitus ann. 6,12 6,12,2
175 A: 25 175 A. 27
Scap. 2,2 4,3f.
308 A. 12 289 A. 1
Germ. 40,4
94 A. 25
spect. 10 p. 13,4-18 12 p. 14,25f. 13 p. 15,17-23
198 A. 33 198 A. 33 198 A. 33
hist. 5,13,2
207 A. 11
Indices Theon von Smyrna ed. Hiller, p. 14-16
11,361
131 A. 6 179 179 179 179 179
Theopompos FGrHist 115 F 89
12,931-938 12,931-951 12,945-951 12,946 12,948-952
117 A. 99; 117 A. 100 300 A. 51 123 A. 128 123 A. 127 123 A. 129 300 A. 50
ecl. 4,6f.
120 A. 113
261 A. 150
Theophilos ad Autol. 1,14,2 2,3,2 2,9,2 2,31,6 2,36,1-15 2,38,3
379
georg. 1,124 3,274f. 4,200f. 4,361
146 A. 76 114 A. 83; 115 A. 84 114 A. 79 114
244 A. 86 Vetus Latina
Ulpian dig. 1,1,1 pr.-1 1,1,1,1 1,1,10 pr.-2 (Ps.-Ulp.)
Mt. 22,36-40 270f. 272 A. 34 270f.
226 A. 52
Xenophanes 21 B 11f. Diels/Kranz
99 A. 15
Stoicorum Veterum Fragmenta III 537
70 A. 88
Varro ap. Dion. Hal. ant. 4,62,6 175 A. 23
Vergil Aen. 3,112 6,724-727 6,726f. 10,517-520 10,517-536 10,523-529 10,523-536 10,763-767 10,765 11,81f. 11,81-84 11,106
113 250 A. 109 251 123 A. 127 300 A. 50 300 A. 51 123 A. 128 115 120 A. 111 123 A. 127 300 A. 50 123 A. 128
Xenophon mem. 4,8,11
226 A. 51
Zosimos 2,16,1f.
176 A. 30
380
Indices
III Namen und Sachen Stichwörter, die auch in Titeln von Kapiteln bzw. Abschnitten vorkommen (siehe Inhaltsverzeichnis) werden in diesem Index im allgemeinen nicht nochmals verzeichnet. Ebenso sind auch die Namen antiker Autoren (die über den Stellenindex bereits erschlossen sind) im allgemeinen nicht verzeichnet. aequitas Almosen Apollo-Orakel in inst. 1 in inst. 2 in inst. 3 in inst. 7 in der Schrift De ira dei in der Epitome Bibel
Bildung
Chrêsis Christentum, sein Verhältnis zum römi-
219-224; 290-296 147; 245f.; 294; 296
schen Staat Christenverfolgung
195-198 198f. 199-202 202 203 203f. 14 A. 9; 18; 25f.; 28 A. 92; 41; 57; 64; 67; 69; 71f.; 76; 78f.; 81-87; 89; 97; 104; 106f.; 111; 115; 138f.; 141; 157; 162 A. 76; 168; 172; 182184; 186-190; 193; 211; 237; 240; 242; 253; 255; 265; 292294; 321; 323; 333 15; 24; 42; 59f.; 61 A. 63; 62 A. 66; 63f.; 72; 89; 94; 96; 101; 108; 110; 125; 130f.; 138 A. 41; 150; 162; 174; 178; 188; 227; 233; 236; 239; 254256; 289f.; 299301; 303-305; 311; 321; 325; 329f.; 333 25; 39-43; 87-89; 96 A. 2; 98 A. 12
Cicero philosophus Constantin
Constantinische Religionspolitik Declaratio de libertate religiosa Defizienz menschlichen Wissens gegenüber göttlicher Offenbarung Dichterbenutzung die dabei von Lactanz verfolgte apologetische Strategie ihre antike und apologetische Tradition Diocletian Eschatologie
Exklusivität christlicher Offenbarung
265-267 17 A. 22; 18-21; 58; 103; 122f.; 145f.; 185; 192; 205; 247 A. 93; 248 A. 101; 253; 265f.; 268f.; 271f.; 276; 278f.; 285-287; 289 A. 1; 308-311; 313319 140-144 19-21; 27; 173; 180f.; 188f.; 192 A. 1; 205 A. 60; 239 A. 55; 266268; 276; 278f.; 282-287; 308f.; 316-319; 324 316-319 u.ö. 309 A. 16
52-56
101-105 98-100 17-19; 266f.; 278 20; 108; 124; 140; 168; 172; 177; 208; 211; 229; 263; 275f.; 314f.; 324 49f. u.ö.
Indices Galerius
Gesetz
17 A. 23; 19f.; 273; 278; 317; 319 27; 28 A. 93; 39; 129 A. 147; 134; 224; 242; 245; 248f.; 266; 268275; 278; 280f.; 283-287; 307; 314 A. 44; 316 A. 54; 324
Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau 298 Gottesstaat 285; 287 Hermetik explizite Werturteile des Lact. über H. 168 ihre Schriften 152-154 ihre implizite Umdeutung durch Lact. 162-168 ihre Rezeption vor Lactanz 154-156 ihr Erkenntnisweg 169f. Hystaspes-Orakel bei frühchristlichen Autoren 207f. Iamblichos 155; 170f.; 197 A. 30; 198 A. 33; 233f. Jenseitsvorstellungen 240f. (vgl. auch unter »Eschatologie«) Juristen 266; 269-272 Kimon 244-247 Konvergenz 26; 122 A. 124; 133; 148; 160f.; 171; 227; 241; 323 Konvergenzen zwischen christlichen und hermetischen Vorstellungen 157-160 Kosmotheismus 39; 94; 161; 163165; 225 A. 50; 237; 239; 249251; 264; 322 Lucretius philosophus 149f. Manichäer 17f.; 155f.; 233; 236; 273 A. 40 Methodologische Aussagen in der Schrift De ira dei 77-80
381 in inst. 5 in inst. 1; 3f.; 7 Monotheismus Musik Natur als Evidenzmarker als ›Konkurrentin‹ Gottes als schöpfungsbedingte Grundbefindlichkeit des Menschen Offenbarung Oracula Sibyllina ihr Einfluß auf lact. Darstellungen der Heilsgeschichte ihre Vorstellung in inst. 1,5f. ihr Verhältnis zur Bibel ihr Statusverlust in späteren Schriften mögliche Quellen ihrer Inspiration Orakel
58-72 72-77 238f. u.ö. 87; 110 A. 65; 322 243 250f.
243f. 47-50; 239f. u.ö.
186 181f. 182-184; 186-188
185f. 184f. 239f. u.ö. (vgl. bes. Kap. 3.5; 3.6) 143; 161 297f.
Pantheismus pater familias pietas Bewertung des pius Aeneas bei Lactanz 299-301 ihre Rolle in der lactanzischen Gerechtigkeitskonzeption 218f. ihre zwischenmenschliche Dimension 301-303 Philosophie, ihre Behandlung bei Lactanz 237f. (vgl. auch Kap. 3.3) Pluralismus; Pluralität 16; 275; 319; 325 Pluralität von Orientierungsangeboten 52 A. 27 Poetologie, lactanzische 105-111 Porphyrios 18; 27; 50; 57 A. 55; 70; 107; 131 A. 9; 132; 139; 150; 155; 170;
382 192; 194; 197 A. 30; 198 A. 33; 198 A. 34; 200 A. 39; 201; 203 A. 53; 233f.; 235 A. 24; 238; 261; 309; 312-314; 318 Prisca (Diocletians Frau) 279 A. 68 Ratio als Evidenzmarker, Erkenntnisweg und Vermittlungsweg 251-253 ›Rationaler Diskurs‹ im Spannungsfeld zwischen Christentum und Bildungselite 254-256 Reichtum 296 Religion, ihre Behandlung bei Lactanz 235-237 Rom, seine Bewertung bei Lactanz 276f., 279f.; 282 Säkularisierung göttlichen Zornes 282-284 Sakralisierung klassischer Dichtung 118f. Seneca philosophus 144-148 Spannungsverhältnis zwischen normativ-
Indices inhaltlicher und ästhetisch-formaler Qualität der Wahrheit 56f. Spiritualisierung gesellschaftlicher Rangordnungen 291-299 Synkatábasis 34; 39-43; 58; 63; 71; 73; 78f.; 83f.; 87; 90; 92; 110; 169; 187; 198; 218f.; 248; 251; 258; 262; 284; 286 Theologisierung politischen Zornes 282-284 Toleranzdefinitionen 306f. Typologie 115-118 Umdeutung poetischer Prätexte 113-115 Valeria (Diocletians Tochter) 279 A. 68 Vergil, für Lactanz kein Prophet 119-123 Weltliche Machtpositionen, ihre Bewertung bei Lactanz 276;278; 280-282
Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben 163: Jonas Grethlein Das Geschichtsbild der Ilias
158: Christopher B. Krebs Negotiatio Germaniae
Eine Untersuchung aus phänomenologischer und narratologischer Perspektive
Tacitus’ Germania und Enea Silvio Piccolomini, Giannantonio Campano, Conrad Celtis und Heinrich Bebel
2006. 381 Seiten, gebunden. ISBN 3-525-25262-5
162: Rene Pfeilschifter Titus Quinctius Flamininus Untersuchungen zur römischen Griechenlandpolitik 2005. 442 Seiten, gebunden. ISBN 3-525-25261-7
161: Tanja Itgenshorst Tota illa pompa Der Triumph in der römischen Republik 2005. 301 Seiten mit 1 CD-ROM, gebunden ISBN 3-525-25260-9
160: Rosario La Sala Die Züge des Skeptikers Der dialektische Charakter von Sextus Empiricus’ Werk 2005. 204 Seiten mit zahlreichen Tab., gebunden ISBN 3-525-25259-5
159: Lothar Spahlinger Tulliana simplicitas Zu Form und Funktion des Zitats in den philosophischen Dialogen Ciceros 2005. 360 Seiten, gebunden. ISBN 3-525-25258-7
2005. 284 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25257-9
157: Demetrios C. Beroutsos A Commentary on the “Aspis” of Menander Part One: Lines 1-298 2005. 112 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25256-0
156: Katharina Luchner Philiatroi Studien zum Thema der Krankheit in der griechischen Literatur der Kaiserzeit 2004. 462 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25255-2
155: Martin Holtermann Der deutsche Aristophanes Die Rezeption eines politischen Dichters im 19. Jahrhundert 2004. 352 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25254-4
Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben 154: Jens Leberl Domitian und die Dichter Poesie als Medium der Herrschaftsdarstellung
150: Adam Nicholas Bartley Stories from the Mountains, Stories from the Sea
2004. 394 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25253-6
The Digressions and Similes of Oppian’s Halieutica and the Cynegetica
153: Anja Bettenworth Gastmahlszenen in der antiken Epik von Homer bis Claudian Diachrone Untersuchungen zur Szenentypik 2004. 543 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25252-8
152: Francesca Schironi I frammenti di Aristarco di Samotracia negli etimologici bizantini Etymologicum Genuinum, Magnum, Symeonis, Μεγαλη Γραμματικη, Zonarae Lexicon. Introduzione, edizione critica e commento 2004. 615 Seiten, gebunden ISBN 3-535-25251-X
2003. XII, 342 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25249-8
149: Augustin Speyer Kommunikationsstrukturen in Senecas Dramen Eine pragmatisch-linguistische Analyse mit statistischer Auswertung als Grundlage neuer Ansätze zur Interpretation 2003. 320 Seiten mit 21 Figuren und 15 Tabellen, gebunden. ISBN 3-525-25248-X
148: Sabine Föllinger Genosdependenzen Studien zur Arbeit am Mythos bei Aischylos 2003. 372 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25247-1
151: Immanuel Musäus Der Pandoramythos bei Hesiod und seine Rezeption bis Erasmus von Rotterdam
147: Mischa Meier Das andere Zeitalter Justinians
2004. 234 Seiten, gebunden ISBN 3-535-25250-1
2. Auflage 2004. 739 Seiten, gebunden ISBN 3-525-25246-3
Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n. Chr.