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German Pages 709 Year 2023
Hans Peter Latscha Uli Kazmaier Helmut Klein
Organische Chemie Chemie-Basiswissen II 8. Auflage
Organische Chemie
Hans Peter Latscha Uli Kazmaier Helmut Klein
Organische Chemie Chemie-Basiswissen II 8. Auflage
Hans Peter Latscha Universität Heidelberg Heidelberg, Deutschland
Helmut Klein Bundesministerium für Arbeit u. Soziales Bonn, Deutschland
Uli Kazmaier Universität des Saarlandes Saarbrücken, Deutschland
ISBN 978-3-662-67009-5 https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
ISBN 978-3-662-67010-1 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 1982, 1990, 1993, 1997, 2002, 2008, 2016, 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Charlotte Hollingworth Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Vorwort zur achten Auflage
Die Organische Chemie ist der zweite Band der Reihe Chemie Basiswissen. Nach den grundlegenden Überarbeitungen bei den letzten Auflagen wurde in dieser Neuauflage das neue Kapitel Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht mit aufgenommen, in dem die Richtlinien und Vorgaben zum Umgang mit Chemikalien von Seiten des Gesetzgebers erläutert werden. Damit wird auch aktuellen politischen Diskussionen im Zusammenhang mit der Verwendung und dem Einsatz von Chemikalien in den unterschiedlichsten Lebensbereichen Rechnung getragen. Ebenfalls neu hinzugekommen sind Übungsaufgaben und deren Lösungen, die am Ende des Buches im Anhang zu finden sind. Die Bearbeitung der Übungsaufgaben dient dazu, das erlernte Wissen zu überprüfen und zu vertiefen. Durch den didaktischen Aufbau dieses Buch sollte das Erlernen der Grundlagen der Organischen Chemie für die Zielgruppen
Chemiker vor dem Vorexamen und im Bachelorstudium, Nebenfachstudenten, Studenten des Lehramts, Studenten der Ingenieurwissenschaften
ziemlich einfach möglich sein. Saarbrücken Februar 2023
Uli Kazmaier
V
Vorwort zur ersten Auflage
Dieses Buch ist der zweite Band der Reihe Chemie-Basiswissen. Er enthält die Grundlagen der Organischen Chemie. Band I bringt eine Einführung in die Allgemeine und Anorganische Chemie. Die Bände können unabhängig voneinander benutzt werden. Sie basieren auf den Büchern Chemie für Mediziner von Latscha/ Klein (7. Auflage 1991) und Chemie für Pharmazeuten und Biowissenschaftler von Latscha/Klein (4. Auflage 1996). Diese Bücher sind Begleittexte zu den vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz herausgegebenen Gegenstandskatalogen. Der Band Organische Chemie wurde so gestaltet, dass er – nach unserer Meinung – das Basiswissen in Organischer Chemie enthält für
Chemiker vor dem Vorexamen, Biologen und andere Nebenfachstudenten, Studenten des höheren Lehramtes, Studenten der Ingenieurwissenschaften.
Umfangreiche Literaturzitate bieten die Möglichkeit, sich über den Rahmen des Basistextes hinaus zu informieren. Bei der Abfassung des Manuskripts halfen uns viele Anregungen von Lesern unserer früher erschienenen Titel. Zu Dank verpflichtet sind wir für konstruktive Kritik und sorgfältiges Lesen einzelner Kapitel mehreren Kollegen von den Universitäten Heidelberg und Kiel. Unser weiterer Dank gilt dem Springer-Verlag, Heidelberg, insbesondere Herrn Dr. F. L. Boschke, für sein verständnisvolles Entgegenkommen bei der Ausführung unserer Ideen und seine wertvollen Hinweise während der Abfassung des Manuskripts. Heidelberg Januar 1982
Hans Peter Latscha Helmut Klein
VII
Liebe Leser,
dieses Buch soll die organische Chemie so präsentieren, wie es uns aufgrund unserer langjährigen Erfahrung in der Ausbildung von Studenten wünschenswert erscheint.
Teil I bis V Im Teil I–IV werden die elementaren Stoffklassen besprochen, und es wird gezeigt, wie man diese durch Synthesen erhält. Von typischen Vertretern werden physikalische und chemische Eigenschaften genannt, und ihre charakteristischen Reaktionen werden an Beispielen vorgestellt. Teil V widmet sich verschiedene Reaktionen und ihren Mechanismen, sowie der Stereochemie. Die Einteilung nach Verbindungsklassen und Reaktionstypen hat den Vorteil, dass die Kapitel unabhängig voneinander studiert werden können.
Teil VI und VII Die Teile VI und VII enthalten hauptsächlich ausgewählte Stoffgruppen aus den Bereichen Biochemie und Naturstoffe (Teil VI) sowie von Verbindungen des Alltags (Teil VII). Hier findet sich auch das Kapitel über Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht. Die Kapitel können je nach Bedarf und Interessenlage unabhängig voneinander gelesen und bearbeitet werden. Für die Arbeit im Praktikum empfehlen wir die Kapitel über Reaktionsmechanismen aus Teil V und das Methodenregister im Anhang.
IX
X
Liebe Leser
Tipps zum Lernen Das Springer-Lehrbuch Organische Chemie ist ein Kurzlehrbuch, das relativ viel Information auf engem Raum enthält. Dem Vorteil des handlichen Vademecums steht die hohe Informationsdichte gegenüber. Leser mit unzureichenden Vorkenntnissen sollten Teil I–V vollständig durcharbeiten. Die Kapitel in Teil VI und VII können anschließend nach Bedarf hinzugenommen werden.
Vorschläge
1. Überfliegen Sie zunächst den Inhalt eines Kapitels, bevor Sie sich in Einzelheiten vertiefen. Lesen Sie aufmerksam den Text und beachten Sie auch die Abbildungen und Tabellen. Es ist nicht erforderlich, alle physikalischen Daten oder dergl. zu lernen. Versuchen Sie lieber, Ihre Stoffkenntnis allgemein zu erweitern. 2. Machen Sie sich Randbemerkungen (unter Benutzung des Sachregisters). Beachten Sie auch die Querverweise im Text. Üben Sie sich in der Nomenklatur mit Hilfe von Abschn. 2.2 und den im Text angegebenen Beispielen (Tabellen verwenden). 3. Üben Sie die Formulierung von Reaktionsmechanismen schriftlich. Geben Sie mit Pfeilen an, wohin Elektronen verschoben werden bzw. welche Zentren miteinander reagieren. 4. Wählen Sie auch kompliziertere Verbindungen für die Formulierung chemischer Reaktionen. 5. Benutzen Sie, wenn möglich, Molekülmodelle, um Ihr räumliches Vorstellungsvermögen zu fördern. Dies gilt besonders für das Kapitel Stereochemie. 6. Versuchen Sie nicht, möglichst viele Kapitel in einem Zug durchzulesen. Machen Sie öfter eine Pause und wiederholen Sie das Gelesene. 7. Arbeiten Sie aktiv mit, d. h. stellen Sie sich Fragen und versuchen Sie, diese zu beantworten. Benutzen Sie dabei das Sachregister. 8. Verschaffen Sie sich von Zeit zu Zeit einen Überblick über zusammenhängende Gebiete. Das Inhaltsverzeichnis kann dabei eine Hilfe sein.
XI
Inhaltsverzeichnis
Teil I 1
2
Grundwissen der organischen Chemie Chemische Bindung in organischen Verbindungen . . . . . . . . . . . 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Grundlagen der chemischen Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Wellenmechanisches Atommodell des Wasserstoff-Atoms; Atomorbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Mehrelektronen-Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung) . . . . . 1.3.1 MO-Theorie der kovalenten Bindung . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Valence-Bond-Theorie der kovalenten Bindung . . . . . . . 1.4 Bindungslängen und Bindungsenergien . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 6 7 8 10 14
Allgemeine Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Systematik organischer Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Stammsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Substituierte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Gruppennomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Chemische Formelsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Isomerie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen . . . . . . . . . 2.5.1 Reaktionen zwischen ionischen Substanzen . . . . . . . . 2.5.2 Reaktionen von Substanzen mit kovalenter Bindung . . 2.5.3 Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile . . . . 2.5.4 Substituenten-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.5 Zwischenstufen: Carbokationen, Carbanionen, Radikale 2.5.6 Übergangszustände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.7 Lösemittel-Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.8 Hammett-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 18 18 18 20 21 22 25 25 25 27 28 31 32 33 34
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3 3 3
XIII
XIV
Inhaltsverzeichnis
Teil II
Kohlenwasserstoffe
3
Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane) . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Offenkettige Alkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Bau der Moleküle, Konformationen der Alkane . . . . 3.1.2 Vorkommen, Gewinnung und Verwendung der Alkane 3.1.3 Herstellung von Alkanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Eigenschaften gesättigter Kohlenwasserstoffe . . . . . 3.2 Cyclische Alkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Bau der Moleküle, Konformationen der Cycloalkane . 3.2.2 Herstellung von Cycloalkanen . . . . . . . . . . . . . . .
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39 39 41 43 44 45 45 46 52
4
Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR) . . . . . . . . 4.1 Herstellung von Radikalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Struktur und Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ablauf von Radikalreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Selektivität bei radikalischen Substitutions-Reaktionen 4.5 Beispiele für Radikalreaktionen . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Umsetzungen von Alkanen . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Umsetzungen von Alkenen in Allylstellung . . .
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53 53 54 55 56 58 58 60
5
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine) . . . . . . . . . . . 5.1 Alkene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Nomenklatur und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Vorkommen und Herstellung von Alkenen . . . . . . . . . 5.1.3 Verwendung von Alkenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Elektronenstrukturen von Alkenen nach der MO-Theorie 5.2 Alkine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Biologisch interessante Alkene und Alkine . . . . . . . . . . . . . .
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63 63 63 64 66 69 72 74
6
Additionen an Alkene und Alkine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Elektrophile Additionen AE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Additionen symmetrischer Verbindungen . . . . . . . . 6.1.2 Additionen unsymmetrischer Verbindungen (Markownikow-Regel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Stereospezifische Syn-Additionen . . . . . . . . . . . . . 6.2 Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 [2+1]-Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 [2+2]-Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 [3+2]-Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 [4+2]-Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Nucleophile Additionen AN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Nucleophile Additionen von Aminen . . . . . . . . . . . 6.3.2 Nucleophile Epoxidierung von ’;“-ungesättigten Carbonylverbindungen (Scheffer-Weitz-Epoxidierung) 6.3.3 Michael-Additionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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77 77 78
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79 82 84 84 85 85 86 89 89
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89 90
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Inhaltsverzeichnis
6.4 6.5 7
8
XV
Radikalische Additionen AR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Di-, Oligo- und Polymerisationen, Dominoreaktionen . . . . . . . .
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene) . . . . . . . . . . . . 7.1 Chemische Bindung in aromatischen Systemen . . . . . . 7.2 Elektronenstrukturen cyclisch-konjugierter Systeme nach der MO-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Beispiele für aromatische Verbindungen; Nomenklatur . 7.4 Vorkommen und Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Eigenschaften und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Reaktionen aromatischer Verbindungen . . . . . . . . . . . 7.6.1 Additionsreaktionen aromatischer Verbindungen . 7.6.2 Reaktionen von Alkylbenzolen in der Seitenkette
...... ...... . . . . . . .
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93 93
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95 96 98 100 102 102 104
Die aromatische Substitution SAr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Die elektrophile aromatische Substitution (SE,Ar ) . . . . . . . . . . 8.1.1 Allgemeiner Reaktionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Mehrfachsubstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.3 Substitutionen an kondensierten Aromaten . . . . . . . . . 8.2 Beispiele für elektrophile Substitutionsreaktionen . . . . . . . . . 8.2.1 Nitrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Sulfonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Halogenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Alkylierung nach Friedel-Crafts . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.5 Acylierung nach Friedel-Crafts . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Die nucleophile aromatische Substitution (SN,Ar ) . . . . . . . . . . 8.3.1 Monomolekulare nucleophile Substitution am Aromaten (SN 1,Ar ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.2 Bimolekulare nucleophile Substitution am Aromaten (SN 2,Ar ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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107 107 107 108 113 114 114 115 117 118 119 121
Teil III
. . . . . . .
90 91
. 121 . 121
Verbindungen mit einfachen funktionellen Gruppen
9
Halogen-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Chemische Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Herstellungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Biologisch interessante Halogen-Kohlenwasserstoffe
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127 127 128 129 131
10
Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom 10.1 Der SN 1-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Auswirkungen des Reaktionsmechanismus . . . 10.2 Der SN 2-Mechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 SN -Reaktionen mit Retention . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVI
Inhaltsverzeichnis
10.4 Das Verhältnis SN 1/SN 2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer SN -Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Konstitution des organischen Restes R . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Das angreifende Nucleophil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.3 Lösemitteleffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.4 Ambidente Nucleophile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 138 140 141 141
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2) . . . . . . . . . . . . . 11.1 ’- oder 1,1-Eliminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 “- oder 1,2-Eliminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Eliminierung nach einem E1-Mechanismus . . . . 11.2.2 Eliminierung nach einem E1cB-Mechanismus . . 11.2.3 Eliminierung nach einem E2-Mechanismus . . . . 11.3 Das Verhältnis von Eliminierung zu Substitution . . . . . 11.4 Isomerenbildung bei Eliminierungen . . . . . . . . . . . . 11.5 Beispiele für wichtige Eliminierungs-Reaktionen . . . . . 11.5.1 anti-Eliminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5.2 syn-Eliminierungen (thermische Eliminierungen)
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12
Sauerstoff-Verbindungen . . . . . . . . . . . 12.1 Alkohole (Alkanole) . . . . . . . . . . . 12.1.1 Beispiele und Nomenklatur . . . 12.1.2 Herstellung von Alkoholen . . . 12.1.3 Reaktionen der Alkohole . . . . 12.2 Phenole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Beispiele und Nomenklatur . . . 12.2.2 Herstellung von Phenolen . . . . 12.2.3 Eigenschaften von Phenolen . . 12.2.4 Reaktionen von Phenolen . . . . 12.2.5 Biologisch interessante Phenole 12.3 Ether . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Herstellung . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Eigenschaften der Ether . . . . . 12.3.3 Reaktionen der Ether . . . . . . .
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13
Schwefel-Verbindungen 13.1 Thiole . . . . . . . . 13.1.1 Herstellung . 13.1.2 Vorkommen 13.1.3 Reaktionen . 13.2 Thioether (Sulfide) 13.2.1 Herstellung . 13.2.2 Reaktionen .
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175 175 176 177 177 178 178 178
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Inhaltsverzeichnis
13.3 Sulfonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.1 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3.2 Verwendung von Sulfonsäuren . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Technisch und biologisch wichtige Schwefel-Verbindungen
XVII
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180 180 180 181
14
Stickstoff-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Herstellung von Aminen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.3 Eigenschaften der Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.4 Reaktionen der Amine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.5 Biochemisch wichtige Amine . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Nitroverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Nomenklatur und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Eigenschaften und Reaktionen von Nitroverbindungen 14.2.4 Verwendung von Nitroverbindungen . . . . . . . . . . . 14.3 Azoverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Herstellung der Azoverbindungen . . . . . . . . . . . . . 14.4 Hydrazoverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Herstellung der Hydrazoverbindungen . . . . . . . . . . 14.4.2 Reaktionen der Hydrazoverbindungen . . . . . . . . . . 14.5 Diazoverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.1 Herstellung von Diazo- und Diazoniumverbindungen . 14.5.2 Reaktionen von Diazo- und Diazoniumverbindungen .
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183 183 183 184 189 191 194 196 196 196 197 199 200 200 202 202 202 203 203 204
15
Elementorganische Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Bindung und Reaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Synthetisch äquivalente Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Eigenschaften elementorganischer Verbindungen . . . . . . . . . . 15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen (angeordnet nach dem Periodensystem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.1 I. Gruppe: Lithium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.2 II. Gruppe: Magnesium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.3 III. Gruppe: Bor, Aluminium . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.4 IV. Gruppe: Silicium, Zinn, Blei . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.5 V. Gruppe: Phosphor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.6 I. Nebengruppe: Kupfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4.7 II. Nebengruppe: Zink, Cadmium, Quecksilber . . . . . . .
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207 207 208 209
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209 209 209 211 212 214 216 217
XVIII
Inhaltsverzeichnis
Teil IV 16
17
Verbindungen mit ungesättigten funktionellen Gruppen
Aldehyde, Ketone und Chinone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Nomenklatur und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Herstellung von Aldehyden und Ketonen . . . . . . . . . . . 16.2.1 Oxidation von Alkoholen . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2.2 Oxidation aktivierter CH-Bindungen . . . . . . . . 16.2.3 Reduktion von Carbonsäurederivaten . . . . . . . . . 16.2.4 Umsetzung von Carbonsäurederivaten mit metallorganischen Verbindungen . . . . . . . . . 16.2.5 Friedel-Crafts-Acylierungen . . . . . . . . . . . . . . 16.2.6 Oxidative Spaltungsreaktionen . . . . . . . . . . . . . 16.3 Spezielle Carbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 ’-Hydroxycarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . 16.3.2 “-Hydroxycarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . 16.3.3 1,2-Dicarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . 16.3.4 1,3-Dicarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 1,4-Dicarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . 16.3.6 1,5-Dicarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . . . . 16.3.7 ’-Halogencarbonylverbindungen . . . . . . . . . . . 16.3.8 ’,“-Ungesättigte (vinyloge) Aldehyde und Ketone 16.4 Eigenschaften und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen . . . . . . . . 16.5.1 Reduktion zu Alkoholen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5.2 Reduktion zu Kohlenwasserstoffen . . . . . . . . . . 16.5.3 Oxidationsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.5.4 Redoxverhalten der Chinone . . . . . . . . . . . . . .
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221 221 222 222 224 225
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226 227 228 228 228 230 231 232 233 234 234 235 236 237 237 238 239 240
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen . . . . . . . . . 17.1 Additionen von Hetero-Nucleophilen . . . . . . . . . 17.1.1 Addition von „Hydrid“ . . . . . . . . . . . . . 17.1.2 Reaktion mit O-Nucleophilen . . . . . . . . . 17.1.3 Reaktion mit N-Nucleophilen . . . . . . . . . 17.1.4 Reaktion mit S-Nucleophilen . . . . . . . . . . 17.2 Additionen von Kohlenstoff-Nucleophilen . . . . . . 17.2.1 Umsetzungen mit Blausäure bzw. Cyanid . . 17.2.2 Umsetzungen mit Grignard-Reagenzien . . . 17.2.3 Umsetzungen mit Acetyliden . . . . . . . . . . 17.2.4 Umsetzungen mit Phosphor-Yliden . . . . . . 17.3 Additionen von Carbonylverbindungen . . . . . . . . 17.3.1 Bildung und Eigenschaften von Carbanionen 17.3.2 Aldol-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.3 Mannich-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.4 Perkin-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.3.5 Erlenmeyer Azlactonsynthese . . . . . . . . .
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245 246 246 248 250 253 254 254 256 256 256 257 257 258 261 262 263
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Inhaltsverzeichnis
17.3.6 17.3.7 17.3.8 17.3.9
XIX
Knoevenagel-Reaktion . . . . . Darzens Glycidester-Synthese Michael-Reaktion . . . . . . . . Robinson-Anellierung . . . . .
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263 264 264 265
18
Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Nomenklatur und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Herstellung von Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Eigenschaften von Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3.1 Substituenteneinflüsse auf die Säurestärke . . . . . . 18.4 Reaktionen von Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.1 Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4.2 Abbau unter CO2 -Abspaltung (Decarboxylierung) . 18.4.3 Bildung von Derivaten (s. Kap. 19) . . . . . . . . . . 18.5 Spezielle Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.1 Dicarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.2 Hydroxycarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.3 Oxocarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.4 Halogencarbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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267 267 268 269 270 272 272 272 272 272 272 276 280 283
19
Derivate der Carbonsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 Reaktionen von Carbonsäurederivaten . . . . . . . . . . . . . . . 19.1.1 Hydrolyse von Carbonsäurederivaten zu Carbonsäuren 19.1.2 Umsetzung von Carbonsäurederivaten mit Aminen . . 19.1.3 Umsetzung mit Alkoholen zu Carbonsäureestern . . . 19.2 Herstellung und Eigenschaften von Carbonsäurederivaten . . 19.2.1 Carbonsäureanhydride . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Carbonsäurehalogenide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.3 Carbonsäureamide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.4 Carbonsäureester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.5 Lactone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2.6 Spezielle Carbonsäurederivate . . . . . . . . . . . . . . .
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287 288 289 289 290 291 291 293 293 295 298 300
20
Reaktionen von Carbonsäurederivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Reaktionen an der Carbonylgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1.1 Reaktionen von Carbonsäureestern . . . . . . . . . . . . . . . 20.1.2 Reaktionen von Carbonsäurehalogeniden und -anhydriden 20.1.3 Reaktionen von Carbonsäureamiden . . . . . . . . . . . . . . 20.1.4 Reaktionen von Nitrilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Reaktionen in ’-Stellung zur Carbonylgruppe . . . . . . . . . . . . . 20.2.1 Reaktionen von Carbonsäureestern . . . . . . . . . . . . . . . 20.2.2 Reaktionen von 1,3-Dicarbonylverbindungen . . . . . . . . . 20.2.3 Reaktionen von Carbonsäurehalogeniden und -anhydriden 20.2.4 Reaktionen von Carbonsäurenitrilen . . . . . . . . . . . . . .
301 301 301 304 305 306 308 308 313 317 319
XX
Inhaltsverzeichnis
21
Kohlensäure und ihre Derivate . . . . . . . . . . . . . . 21.1 Beispiele und Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Herstellung von Kohlensäurederivaten . . . . . . . 21.3 Harnstoff und Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3.1 Synthese von Harnstoff . . . . . . . . . . . . 21.3.2 Eigenschaften und Nachweis . . . . . . . . . 21.3.3 Verwendung von Harnstoff . . . . . . . . . . 21.3.4 Synthesen mit Harnstoff . . . . . . . . . . . . 21.3.5 Derivate des Harnstoffs . . . . . . . . . . . . 21.4 Cyansäure und Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5 Schwefel-analoge Verbindungen der Kohlensäure
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321 321 322 323 323 323 324 325 326 327 329
22
Heterocyclen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Heteroaliphaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Heteroaromaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.1 Fünfgliedrige Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.2 Sechsgliedrige Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3.3 Tautomerie der Heteroaromaten . . . . . . . . . . . . . 22.4 Retrosynthese von Heterocyclen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.5 Synthesen von Heterocyclen über Dicarbonylverbindungen 22.6 Weitere Synthesen für heterocyclische Fünfringe . . . . . . . 22.7 Weitere Synthesen für heterocyclische Sechsringe . . . . . . 22.7.1 Pyridin-Synthese nach Hantzsch . . . . . . . . . . . . . 22.7.2 Chinoline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.7.3 Indole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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331 331 332 334 334 338 340 341 342 343 345 345 346 347
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351 351 351 353 354 356 357 357 358 359 362 363 364 364 365
Teil V Reaktionsmechanismen und Stereochemie 23
Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick . . . 23.1 Reaktive Zwischenstufen . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.1 Carbeniumionen . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.2 Carbanionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.3 Carbene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.1.4 Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2 Reaktionstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.1 Additions-Reaktionen . . . . . . . . . . . . 23.2.2 Eliminierungs-Reaktionen . . . . . . . . . 23.2.3 Substitutions-Reaktionen . . . . . . . . . . 23.2.4 Radikal-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . 23.2.5 Umlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23.2.6 Redox-Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . 23.2.7 Heterolytische Fragmentierung . . . . . . 23.2.8 Phasentransfer-Katalyse und Kronenether
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Inhaltsverzeichnis
XXI
24
Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen . . . 24.1 Chemische Bindung und Orbital-Symmetrie . . . . 24.2 Elektrocyclische Reaktionen . . . . . . . . . . . . . 24.3 Cycloadditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3.1 Diels-Alder-Reaktion . . . . . . . . . . . . . 24.3.2 [2 +2 ]-Cycloadditionen . . . . . . . . . . . 24.3.3 Antarafaciale und suprafaciale Reaktionen 24.4 Sigmatrope Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4.1 Wasserstoffverschiebungen . . . . . . . . . . 24.4.2 Kohlenstoffverschiebungen . . . . . . . . . .
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369 369 371 373 373 375 376 377 378 379
25
Stereochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.1 Stereoisomere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2 Molekülchiralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.2.1 Prochiralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3 Schreibweisen und Nomenklatur der Stereochemie . . . . . . . 25.3.1 D,L-Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.3.2 R,S-Nomenklatur (Cahn-Ingold-Prelog-System) . . . . 25.4 Beispiele zur Stereochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25.4.1 Verbindungen mit mehreren chiralen C-Atomen . . . . 25.4.2 Verbindungen mit gleichen Chiralitätszentren . . . . . 25.4.3 Chirale Verbindungen ohne chirale C-Atome . . . . . . 25.5 Herstellung optisch aktiver Verbindungen . . . . . . . . . . . . 25.5.1 Trennung von Racematen (Racematspaltung) . . . . . . 25.5.2 Stereochemischer Verlauf von chemischen Reaktionen 25.5.3 Asymmetrische Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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381 381 383 386 388 389 389 391 391 392 393 394 394 396 398
26
Photochemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1 Multiplizität M von elektronischen Zuständen 26.2 Jablonski-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . 26.3 Beispiele für photochemische Reaktionen . .
Teil VI
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401 401 402 404
Chemie von Naturstoffen und Biochemie
27
Chemie und Biochemie . . . . 27.1 Einführung und Überblick 27.2 Biokatalysatoren . . . . . . 27.3 Stoffwechselvorgänge . . .
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409 409 412 415
28
Kohlenhydrate . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.1 Monosaccharide . . . . . . . . . . . . . 28.1.1 Struktur und Stereochemie . . 28.1.2 Reaktionen und Eigenschaften 28.1.3 Synthese von Zuckern . . . . .
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417 417 417 421 425
XXII
Inhaltsverzeichnis
28.2 Disaccharide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28.2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 28.2.2 Beispiele für Disaccharide . . . . . 28.3 Oligo- und Polysaccharide (Glycane) . . . 28.3.1 Makromoleküle aus Glucose . . . . 28.3.2 Makromoleküle mit Aminozuckern
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426 426 427 429 429 431
29
Aminosäuren, Peptide und Proteine . . . . . . . . . . . . . 29.1 Aminosäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.1.1 Einteilung und Struktur . . . . . . . . . . . . . . 29.1.2 Aminosäuren als Ampholyte . . . . . . . . . . . 29.1.3 Gewinnung und Synthesen von Aminosäuren . 29.1.4 Reaktionen von Aminosäuren . . . . . . . . . . 29.2 Peptide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.1 Hydrolyse von Peptiden . . . . . . . . . . . . . . 29.2.2 Peptid-Synthesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.2.3 Biologisch wichtige Peptide . . . . . . . . . . . 29.3 Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.1 Struktur der Proteine . . . . . . . . . . . . . . . . 29.3.2 Beispiele und Einteilung der Proteine . . . . . 29.3.3 Eigenschaften der Proteine . . . . . . . . . . . .
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435 435 435 437 439 442 443 444 446 451 453 453 456 457
30
Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.1 Überblick über die Lipid-Gruppe . . . . . . . . . . . . 30.2 Fettsäuren und Fette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3 Komplexe Lipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3.1 Phospholipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3.2 Glycolipide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30.3.3 Biochemische Bedeutung komplexer Lipide 30.4 Wachse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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459 459 460 462 462 463 464 464
31
Nucleotide und Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1 Nucleotide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.1.1 Energiespeicherung mit Phosphorsäureverbindungen 31.1.2 Nucleotide in Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Nucleinsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2.1 Aufbau der DNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2.2 Aufbau der RNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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467 467 468 470 471 473 474
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Terpene und Carotinoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 32.1 Biogenese von Terpenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 32.2 Beispiele für Terpene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
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Inhaltsverzeichnis
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Steroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.1 Biosynthese der Steroide . . . . . . . . . . . 33.2 Beispiele für Steroide . . . . . . . . . . . . . 33.2.1 Sterine . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33.2.2 Gallensäuren . . . . . . . . . . . . . . 33.2.3 Steroid-Hormone . . . . . . . . . . . 33.2.4 Corticoide . . . . . . . . . . . . . . . 33.2.5 Herzaktive Steroide . . . . . . . . . . 33.2.6 Sapogenine und Steroid-Alkaloide
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Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.1 Pyrrolidin- und Piperidin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . 34.2 Pyridin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.3 Tropan-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.4 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide . 34.5 Indol-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.1 Substituierte Indole . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.2 Carbazol-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.3 Carbolin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.5.4 Ergolin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.6 Isochinolin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.7 Chinolin-Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.8 Weitere Alkaloide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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491 492 493 493 495 496 497 497 498 499 500 502 503
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Natürliche Farbstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
Teil VII 36
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Angewandte Chemie
Organische Grundstoffchemie . . . . . . . . 36.1 Erdöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.1.1 Vorkommen und Gewinnung . . 36.1.2 Erdölprodukte . . . . . . . . . . . 36.1.3 Verfahren der Erdölveredelung . 36.2 Erdgas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3 Kohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.3.1 Vorkommen und Gewinnung . . 36.3.2 Kohleveredelung . . . . . . . . . 36.4 Acetylen-Chemie . . . . . . . . . . . . . 36.5 Oxo-Synthese (Hydroformylierung) . . 36.6 Wichtige organische Chemikalien . . .
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511 511 511 512 512 515 515 515 515 516 517 518
XXIV
Inhaltsverzeichnis
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Kunststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1 Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1.1 Reaktionstypen . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1.2 Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1.3 Polykondensation . . . . . . . . . . . . . . . 37.1.4 Polyaddition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.1.5 Metathese-Reaktion . . . . . . . . . . . . . 37.2 Polymer-Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 37.2.1 Durchführung von Polymerisationen . . . 37.2.2 Verarbeitung von Kunststoffen . . . . . . . 37.3 Charakterisierung von Makromolekülen . . . . . 37.4 Strukturen von Makromolekülen . . . . . . . . . . 37.4.1 Polymere aus gleichen Monomeren . . . . 37.4.2 Polymere mit verschiedenen Monomeren 37.4.3 Polymere mit Chiralitätszentren . . . . . . 37.5 Reaktionen an Polymeren . . . . . . . . . . . . . . 37.5.1 Abbaureaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 37.5.2 Aufbaureaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 37.5.3 Polymeranaloge Reaktionen . . . . . . . . 37.6 Gebrauchseigenschaften von Polymeren . . . . . 37.7 Beispiele zu den einzelnen Kunststoffarten . . . . 37.7.1 Bekannte Polymerisate . . . . . . . . . . . 37.7.2 Bekannte Polykondensate . . . . . . . . . . 37.7.3 Bekannte Polyaddukte . . . . . . . . . . . . 37.7.4 Halbsynthetische Kunststoffe . . . . . . . .
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523 523 523 524 526 527 527 528 528 529 529 531 531 532 533 534 534 534 534 535 537 537 538 539 540
38
Farbstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38.1 Theorie der Farbe und Konstitution der Farbmittel . 38.2 Einteilung der Farbstoffe nach dem Färbeverfahren 38.3 Einteilung der Farbstoffe nach den Chromophoren .
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541 541 543 545
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Chemie im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.1 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.1.1 Antibiotika . . . . . . . . . . . . . . 39.1.2 Antivirale Arzneistoffe . . . . . . 39.1.3 Antitumor-Arzneistoffe . . . . . . 39.1.4 Blutdrucksenkende Arzneistoffe . 39.1.5 Cholesterinsenkende Arzneistoffe 39.1.6 Entzündungshemmer . . . . . . . . 39.1.7 Potenzmittel . . . . . . . . . . . . . 39.1.8 Psychopharmaka . . . . . . . . . . 39.2 Tenside . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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549 549 550 552 553 553 555 556 556 556 558
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Inhaltsverzeichnis
39.3 Biozide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.3.1 Insektizide . . . . . . . . . . . . . . . . 39.3.2 Fungizide . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.3.3 Herbizide . . . . . . . . . . . . . . . . . 39.3.4 Vorratsschutz . . . . . . . . . . . . . . 39.3.5 Neuere Entwicklungen . . . . . . . . . 39.3.6 Natürlich vorkommende Insektizide 40
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Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht . . . . . . . . . . . . . . 40.1 Einführung und rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 40.1.1 Entwicklung von 1980 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . 40.1.2 Rechtliche Begriffe in der EU und in Deutschland zur Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40.1.3 Wichtige chemikalienrechtliche Regelungen in der EU . . 40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40.2.1 CLP – Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40.2.2 REACH – Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien . . . . . . . . . . . . . . . . 40.2.3 ChemG – Chemikaliengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40.2.4 GefStoffV – Gefahrstoffverordnung . . . . . . . . . . . . . 40.2.5 ChemVerbotsV – Inverkehrbringen von Chemikalien . . .
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560 560 561 561 562 562 564
. 565 . 565 . 565 . 566 . 568 . 571 . 571 . . . .
576 581 584 587
Nobelpreise für Chemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Methodenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Lösungen zu den Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 Literaturnachweis und Literaturauswahl an Lehrbüchern . . . . . . . . . . 677 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
Teil I Grundwissen der organischen Chemie
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
1.1 Einleitung Die Chemie befasst sich mit der Zusammensetzung, Charakterisierung und Umwandlung von Materie. Die Organische Chemie ist der Teilbereich, der sich mit der Chemie der Kohlenstoff-Verbindungen beschäftigt. Der Begriff „organisch“ hatte im Lauf der Zeit unterschiedliche Bedeutung. Im 16. und 17. Jhdt. unterschied man mineralische, pflanzliche und tierische Stoffe. In der zweiten Hälfte des 18. Jhdt. wurde es üblich, die mineralischen Stoffe als „unorganisierte Körper“ von den „organisierten Körpern“ pflanzlichen und tierischen Ursprungs abzugrenzen. Im 19. Jhdt. wurde dann der Begriff „Körper“ auf chemische Substanzen beschränkt. Jetzt benutzte man auch den Ausdruck „organische Chemie“. Untersucht man Substanzen auf die Kräfte, die ihre Bestandteile zusammenhalten, so stellt sich zwangsläufig die Frage nach der „chemischen Bindung“.
1.2 Grundlagen der chemischen Bindung Die Grundlagen der chemischen Bindung werden in Basiswissen I ausführlich diskutiert, daher sollen hier nur die für die organische Chemie wichtigen Punkte wiederholt werden. In Molekülen sind die Atome durch Bindungselektronen verknüpft. Zur Beschreibung der Elektronenzustände der Atome, insbesondere ihrer Energie- und Ladungsdichteverteilung, gibt es Modellvorstellungen. Die nachfolgend skizzierte wellenmechanische Atomtheorie liefert eine Grundlage zur Erklärung der Kräfte, die den Zusammenhalt der Atome im Molekül bewirken.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_1
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4
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
1.2.1 Wellenmechanisches Atommodell des Wasserstoff-Atoms; Atomorbitale Das wellenmechanische Modell geht von der Beobachtung aus, dass sich Elektronen je nach der Versuchsanordnung wie Teilchen mit Masse, Energie und Impuls oder aber wie Wellen verhalten. Ferner beachtet es die Heisenbergsche Unschärfebeziehung, wonach es im atomaren Bereich unmöglich ist, von einem Teilchen gleichzeitig Ort und Impuls mit beliebiger Genauigkeit zu bestimmen. Das Elektron des Wasserstoff-Atoms wird als eine kugelförmige, stehende (in sich selbst zurücklaufende) Welle im Raum um den Atomkern aufgefasst. Die maximale Amplitude einer solchen Welle ist eine Funktion der Ortskoordinaten x, y und z, also §.x; y; z/. Das Elektron kann durch eine solche Wellenfunktion beschrieben werden. § selbst hat keine anschauliche Bedeutung. Nach M. Born kann man jedoch das Produkt §2 dxdydz als die Wahrscheinlichkeit interpretieren, das Elektron in dem Volumenelement dV D dxdydz anzutreffen (Aufenthaltswahrscheinlichkeit). Nach E. Schrödinger lässt sich das Elektron auch als eine Ladungswolke mit der Dichte §2 auffassen (Elektronendichteverteilung). 1926 verknüpfte Schrödinger Energie und Welleneigenschaften eines Systems wie des Elektrons im Wasserstoff-Atom durch eine Differentialgleichung zweiter Ordnung. Vereinfachte Form der Schrödinger-Gleichung:
H § D E§
H heißt Hamilton-Operator und bedeutet die Anwendung einer Rechenoperation auf §. H stellt die allgemeine Form der Gesamtenergie des Systems dar. E ist der Zahlenwert der Energie für ein bestimmtes System. Wellenfunktionen §, die Lösungen der Schrödinger-Gleichung sind, heißen Eigenfunktionen. Die Energiewerte E, welche zu diesen Funktionen gehören, nennt man Eigenwerte. Lösungen der Schrödinger-Gleichung können in der Form angegeben werden: §n;`;m D Rn;` .r/ Y`;m .ª; ®/ Atomorbitale Diese Eigenfunktionen (Einteilchen-Wellenfunktionen) nennt man Atomorbitale (Mulliken, 1931). Das Wort Orbital ist ein Kunstwort (englisch: orbit D Planetenbahn, Bereich). Die Indizes n, `, m entsprechen der Hauptquantenzahl n, der Nebenquantenzahl ` und der magnetischen Quantenzahl m. Die Quantenzahlen ergeben sich in diesem Modell gleichsam von selbst. §n;`;m kann nur dann eine Lösung der Schrödinger-Gleichung sein, wenn die Quantenzahlen folgende Werte annehmen: n D 1; 2; 3; : : :; 1 (ganze Zahlen) ` D 0; 1; 2; : : :; bis n 1 m D C`; C.` 1/; : : :0; : : : .` 1/; `I m kann maximal 2` C 1 Werte annehmen
1.2 Grundlagen der chemischen Bindung
5
Atomorbitale werden durch ihre Nebenquantenzahl ` gekennzeichnet, wobei man den Zahlenwerten für ` aus historischen Gründen Buchstaben in folgender Weise zuordnet: ` D 0; 1; 2; 3; : : : j j j j s; p; d; f; : : : Man sagt, ein Elektron besetzt ein Atomorbital, und meint damit, dass es durch eine Wellenfunktion beschrieben werden kann, die eine Lösung der SchrödingerGleichung ist. Speziell spricht man von einem s-Orbital bzw. p-Orbital und versteht darunter ein Atomorbital, für das die Nebenquantenzahl ` den Wert 0 bzw. 1 hat. Zustände gleicher Hauptquantenzahl bilden eine sog. Schale. Innerhalb einer Schale bilden die Zustände gleicher Nebenquantenzahl ein sog. Niveau (Unterschale): z. B. s-Niveau, p-Niveau, d-Niveau, f-Niveau. Den Schalen mit den Hauptquantenzahlen n D 1; 2; 3; : : : werden die Buchstaben K, L, M usw. zugeordnet. Elektronenzustände, welche die gleiche Energie haben, nennt man entartet. Im freien Atom besteht das p-Niveau aus drei, das d-Niveau aus fünf und das f-Niveau aus sieben entarteten AO. Elektronenspin Die Quantenzahlen n, ` und m genügen nicht zur vollständigen Erklärung der Atomspektren, denn sie beschreiben gerade die Hälfte der erforderlichen Elektronenzustände. Dies veranlasste 1925 Uhlenbeck und Goudsmit zu der Annahme, dass jedes Elektron neben seinem räumlich gequantelten Bahndrehimpuls einen Eigendrehimpuls hat. Dieser kommt durch eine Drehung des Elektrons um seine eigene Achse zustande und wird Elektronenspin genannt. Der Spin ist ebenfalls gequantelt. Je nachdem, ob die Spinstellung parallel oder antiparallel zum Bahndrehimpuls ist, nimmt die Spinquantenzahl die Werte C1=2 oder 1=2 an. Die Spinrichtung wird durch einen Pfeil angedeutet: " bzw. #. (Die Werte der Spinquantenzahl wurden spektroskopisch bestätigt.) Graphische Darstellung der Atomorbitale Der Übersichtlichkeit wegen zerlegt man oft die Wellenfunktion §n;`;m in ihren sog. Radialteil Rn;` .r/, der nur vom Radius r abhängt, und in die sog. Winkelfunktion Y`;m .ª; ®/. Beide Komponenten von § werden meist getrennt betrachtet. Die Winkelfunktionen Y`;m sind von der Hauptquantenzahl n unabhängig. Sie sehen daher für alle Hauptquantenzahlen gleich aus. Zur bildlichen Darstellung der Winkelfunktion benutzt man häufig sog. Polardiagramme. Die Diagramme entstehen, wenn man den Betrag von Y`;m für jede Richtung als Vektor vom Koordinatenursprung ausgehend aufträgt. Die Richtung des Vektors ist durch die Winkel ® und ª gegeben. Sein Endpunkt bildet einen Punkt auf der Oberfläche der räumlichen Gebilde in Abb. 1.1 und 1.2. Die Polardiagramme haben für unterschiedliche Kombinationen von ` und m verschiedene Formen oder Orientierungen.
6
1
a
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
b
ψ2
z
x
+ y
s-Funktion (l = 0)
r = Abstand vom Kern
Kern
Abb. 1.1 a Graphische Darstellung der Winkelfunktion Y0;0 . b Elektronendichteverteilung im 1s-AO
a
b z
z
_ + y py-Funktion (m = -1)
_
x
z
ψ2
+ +
x y
y px-Funktion (m = +1)
_ pz-Funktion (m = 0)
x
Kern
r
Abb. 1.2 a Graphische Darstellung der Winkelfunktion Y`;m . b Darstellung von §2 von 2p-Elektronen
Für s-Orbitale ist ` D 0. Daraus folgt: m kann 2 0 C 1 D 1 Wert annehmen, d. h. m kann nur Null sein. Das Polardiagramm für s-Orbitale ist daher kugelsymmetrisch (Abb. 1.1). Für p-Orbitale ist ` D 1. m kann demnach die Werte 1; 0; C1 annehmen. Diesen Werten entsprechen drei Orientierungen der p-Orbitale im Raum. Die Richtungen sind identisch mit den Achsen des kartesischen Koordinatenkreuzes. Deshalb unterscheidet man meist zwischen px -, py - und pz -Orbitalen. Die Polardiagramme dieser Orbitale ergeben hantelförmige Gebilde (Abb. 1.2). Beide Hälften einer solchen Hantel sind durch eine sog. Knotenebene getrennt. In dieser Ebene ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons praktisch Null. Die Vorzeichen in den Abb. 1.1 und 1.2 ergeben sich aus der mathematischen Beschreibung der Elektronen durch Wellenfunktionen. Bei der Kombination von Orbitalen bei der Bindungsbildung und der Konstruktion von Hybrid-Orbitalen werden die Vorzeichen berücksichtigt (vgl. Abschn. 1.3.2).
1.2.2 Mehrelektronen-Atome Die Schrödinger-Gleichung lässt sich für Atome mit mehr als einem Elektron nicht exakt lösen. Man kann aber die Elektronenzustände in einem Mehrelektronen-Atom durch Wasserstoff-Orbitale wiedergeben, wenn man die Abhängigkeit der Orbitale von der Hauptquantenzahl berücksichtigt. Die Anzahl der Orbitale und ihre Winkelfunktionen sind die gleichen wie im Wasserstoffatom.
1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung)
I
7
Jedes Elektron eines Mehrelektronen-Atoms wird wie das Elektron des Wasserstoff-Atoms durch die vier Quantenzahlen n, `, m und s beschrieben.
Nach einem von Pauli ausgesprochenen Prinzip (Pauli-Prinzip, Pauli-Verbot) stimmen zwei Elektronen nie in allen vier Quantenzahlen überein. Haben zwei Elektronen z. B. gleiche Quantenzahlen n, `, m, müssen sie sich in der Spinquantenzahl s unterscheiden. Hieraus folgt: I
Ein Atomorbital kann höchstens mit zwei Elektronen, und zwar mit antiparallelem Spin, besetzt werden.
Besitzt ein Atom energetisch gleichwertige (entartete) Elektronenzustände, z. B. für ` D 1 entartete p-Orbitale, und werden mehrere Elektronen eingebaut, so erfolgt der Einbau derart, dass die Elektronen die Orbitale zuerst mit parallelem Spin besetzen (Hundsche Regel). Anschließend folgt eine paarweise Besetzung mit antiparallelem Spin, falls genügend Elektronen vorhanden sind. Beispiel Es sollen drei und vier Elektronen in ein p-Niveau eingebaut werden p3
p4 aber
I
Niveaus unterschiedlicher Energie werden in der Reihenfolge zunehmender Energie mit Elektronen besetzt.
Die Elektronenzahl in einem Niveau wird als Index rechts oben an das Orbitalsymbol geschrieben. Die Kennzeichnung der Schale, zu welcher das Niveau gehört, erfolgt, indem man die zugehörige Hauptquantenzahl vor das Orbitalsymbol schreibt. Beispiel: 1s2 (sprich: eins s zwei) bedeutet: In der K-Schale ist das sNiveau mit zwei Elektronen besetzt. Die Elektronenanordnung in einem Atom nennt man auch seine Elektronenkonfiguration. Jedes Element hat seine charakteristische Elektronenkonfiguration (s. Basiswissen I).
1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung) Die kovalente Bindung (Atom-, Elektronenpaarbindung) bildet sich zwischen Elementen ähnlicher Elektronegativität aus: „Ideale“ kovalente Bindungen findet man nur zwischen Elementen gleicher Elektronegativität und bei Kombination der Elemente selbst (z. B. H2 , Cl2 , N2 ). Im Gegensatz zur elektrostatischen Bindung ist sie gerichtet, d. h. sie verbindet ganz bestimmte Atome miteinander. Zwischen den
8
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
Bindungspartnern befindet sich ein Ort erhöhter Elektronendichte. Zur Beschreibung dieser Bindungsart benutzt der Chemiker im wesentlichen zwei Theorien. Diese sind als Molekülorbitaltheorie (MO-Theorie) und Valenzbindungstheorie (VB-Theorie) bekannt. Beide Theorien sind Näherungsverfahren zur Lösung der Schrödinger-Gleichung für Moleküle.
1.3.1 MO-Theorie der kovalenten Bindung In der MO-Theorie beschreibt man die Zustände von Elektronen in einem Molekül ähnlich wie die Elektronenzustände in einem Atom durch Wellenfunktionen §MO . Die Wellenfunktion, welche eine Lösung der Schrödinger-Gleichung ist, heißt Molekülorbital (MO). Jedes §MO ist durch Quantenzahlen charakterisiert, die seine Form und Energie bestimmen. Zu jedem §MO gehört ein bestimmter Energiewert. §2 dxdydz kann wieder als die Wahrscheinlichkeit interpretiert werden, mit der das Elektron in dem Volumenelement dV D dxdydz angetroffen wird. Im Gegensatz zu den Atomorbitalen sind die MO mehrzentrig, z. B. zweizentrig für ein Molekül AA (z. B. H2 ). Eine exakte Formulierung der Wellenfunktion ist in fast allen Fällen unmöglich. Man kann sie aber näherungsweise formulieren, wenn man die Gesamtwellenfunktion z. B. durch Addition oder Subtraktion (Linearkombination) einzelner isolierter Atomorbitale zusammensetzt (LCAO-Methode D linear combination of atomic orbitals:) §MO D c1 §AO ˙ c2 §AO Die Koeffizienten c1 und c2 werden so gewählt, dass die Energie, die man erhält, wenn man §MO in die Schrödinger-Gleichung einsetzt, einen minimalen Wert annimmt. Minimale potentielle Energie entspricht einem stabilen Zustand. Durch die Linearkombination zweier Atomorbitale (AO) erhält man zwei Molekülorbitale, nämlich MO(I) durch Addition der AO und MO(II) durch Subtraktion der AO. MO(I) hat eine kleinere potentielle Energie als die isolierten AO. Die Energie von MO(II) ist um den gleichen Betrag höher als die der isolierten AO. MO(I) nennt man ein bindendes Molekülorbital und MO(II) ein antibindendes oder lockerndes. (Das antibindende MO wird oft mit * markiert.) Abb. 1.3 zeigt das Energieniveauschema des H2 -Moleküls, Abb. 1.4 die MO-Bildung. Der Einbau der Elektronen in die MO erfolgt unter Beachtung von Hundscher Regel und Pauli-Prinzip in der Reihenfolge zunehmender potentieller Energie. Ein MO kann von maximal zwei Elektronen mit antiparallelem Spin besetzt werden. Abb. 1.5 zeigt die Verhältnisse für H2C , H2 , He2C und „He2 “. Die Bindungseigenschaften der betreffenden Moleküle sind in Tab. 1.1 angegeben. Aus Tab. 1.1 kann man entnehmen, dass H2 die stärkste Bindung hat. In diesem Molekül sind beide Elektronen in dem bindenden MO. Ein „He2 “ existiert nicht,
1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung) Abb. 1.3 Bildung des bindenden und des antibindenden MO aus zwei AO beim H2 -Molekül
9
Energie
II ψ σ∗1s (antibindend) ψ1s
ψ1s
I ψ σ1s (bindend)
HA
HA H B
HB
Atomorbital
Molekülorbital
Atomorbital
Energie
Knotenebene
Subtraktion
. ψ1s
+_
.
.
ψ σ*1s
.
.
ψ σ1s
. ψ1s
Addition
Abb. 1.4 Graphische Darstellung der Bildung von §ls-MO
Energie
H2
H2
He2
He2
Abb. 1.5 MO-Schema zu Tab. 1.1
Tab. 1.1 Bindungseigenschaften einiger zweiatomiger Moleküle Molekül HC 2 H2 HeC 2 „He2 “
Valenzelektronen 1 2 3 4
Bindungsenergie (kJ=mol) 269 436 300 0
Kernabstand (pm) 106 74 108 –
10
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
weil seine vier Elektronen sowohl das bindende als auch das antibindende MO besetzen würden. In Molekülen mit ungleichen Atomen wie CO können auch sog. nichtbindende Zustände auftreten (s. Basiswissen I). Die Konstruktion der MO von mehratomigen Molekülen geschieht prinzipiell auf dem gleichen Weg. Jedoch werden die Verhältnisse mit zunehmender Anzahl der Bindungspartner immer komplizierter. I
In der MO-Theorie befinden sich die Valenzelektronen der Atome nicht in der Nähe bestimmter Kerne, sondern in Molekülorbitalen, die sich über das Molekül erstrecken.
1.3.2 Valence-Bond-Theorie der kovalenten Bindung Nach der Valence Bond (VB)-Theorie kommt eine Bindung zwischen Atomen dadurch zustande, dass sich ihre Ladungswolken durchdringen, d. h. dass sich ihre Orbitale „überlappen“. Der Grad der Überlappung ist ein Maß für die Stärke der Bindung. In der Überlappungszone ist eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit für die beiden Elektronen vorhanden. Die reine kovalente Bindung ist meist eine Elektronenpaarbindung. Die beiden Elektronen der Bindung stammen von beiden Bindungspartnern. Es ist üblich, ein Elektronenpaar, das die Bindung zwischen zwei Atomen herstellt, durch einen Strich (Valenzstrich) darzustellen. Eine mit Valenzstrichen aufgebaute Molekülstruktur nennt man Valenzstruktur. Elektronenpaare eines Atoms, die sich nicht an einer Bindung beteiligen, heißen einsame oder freie Elektronenpaare. Sie werden am Atom ebenfalls durch einen Strich symbolisiert. Beispiel H2 O, NH3 , RNH2 , H2 S, ROH, ROR, HFj
1.3.2.1 Moleküle mit Einfachbindungen 1. Beispiel: das Methan-Molekül CH4 Strukturbestimmungen am CH4 -Molekül haben gezeigt, dass das Kohlenstoff-Atom von vier Wasserstoff-Atomen in Form eines Tetraeders umgeben ist. Die Bindungswinkel HCH sind 109ı 280 (Tetraederwinkel). Die Abstände vom C-Atom zu den H-Atomen sind gleich lang. Eine mögliche Beschreibung der Bindung im CH4 ist folgende: Im Grundzustand hat das Kohlenstoff-Atom die Elektronenkonfiguration 1s2 2s2 2 2p . Es könnte demnach nur zwei Bindungen ausbilden mit einem Bindungswinkel von 90ı (denn zwei p-Orbitale stehen senkrecht aufeinander). Damit das Kohlenstoff-Atom vier Bindungen eingehen kann, muss ein Elektron aus dem 2s-Orbital in das leere 2p-Orbital angehoben werden (Abb. 1.6). Die hierzu nötige Energie (Promotions- oder Promovierungsenergie) wird durch den Energiegewinn, der bei der Molekülbildung realisiert wird, aufgebracht. Das Kohlenstoff-Atom befin-
1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung)
11
Energie
2p
2s 1s
2p
2s 1s
C(Grundzustand)
sp
3
1s
C*(angeregterZustand)
C(hybridisierterZustand)
Abb. 1.6 Bildung von sp3 -Hybrid-Orbitalen am C-Atom Abb. 1.7 Hybridisierung
1
+
s
4
3
p
Abb. 1.8 CH4 -Tetraeder
H
sp3
H
H
H
det sich nun in einem „angeregten“ Zustand. Gleichwertige Bindungen aus sund p-Orbitalen mit Bindungswinkeln von 109,3ı erhält man nach Pauling durch mathematisches Mischen (Hybridisieren) der Atomorbitale. Aus einem s- und drei p-Orbitalen entstehen vier gleichwertige sp3 -HybridOrbitale, die vom C-Atom ausgehend in die Ecken eines Tetraeders gerichtet sind (Abb. 1.7 und 1.8). Die Bindung zwischen dem C-Atom und den vier WasserstoffAtomen im CH4 kommt nun dadurch zustande, dass jedes der vier Hybrid-Orbitale des C-Atoms mit je einem 1s-Orbital eines Wasserstoff-Atoms überlappt (Abb. 1.8). Bindungen, wie sie im Methan ausgebildet werden, sind rotationssymmetrisch um die Verbindungslinie der Atome, die durch eine Bindung verknüpft sind. Sie heißen ¢-Bindungen (¢ D sigma). ¢-Bindungen können beim Überlappen folgender AO entstehen: s C s, s C p und p C p. Beachte: Die p-Orbitale müssen in der Symmetrie zueinander passen. Substanzen, die wie Methan die größtmögliche Anzahl von ¢-Bindungen ausbilden, nennt man gesättigte Verbindungen. CH4 ist also ein gesättigter Kohlenwasserstoff. Hinweis zur Formulierung von Valenzstrichformeln Die Elemente der 2. Periode wie C, N, O haben nur s- und p-Valenzorbitale zur Verfügung. Bei der Bindungsbildung streben sie die Edelgaskonfiguration des Ne (s2 p6 ) an; dieses Oktett kann von ihnen nicht überschritten werden (Oktettregel). Durch einfaches Abzählen der Valenzstriche lässt sich leicht die Richtigkeit einer Valenzstruktur kontrollieren.
12
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
H H C2H6
H C C H H H
Abb. 1.9 Rotation um die CC-Bindung im Ethan
2. Beispiel: Ethan C2 H6 Aus Abb. 1.9 geht hervor, dass beide C-Atome in diesem gesättigten Kohlenwasserstoff mit jeweils vier sp3 -hybridisierten Orbitalen je vier ¢-Bindungen ausbilden. Drei Bindungen entstehen durch Überlappung eines sp3 -Hybridorbitals mit je einem 1s-Orbital eines Wasserstoff-Atoms, während die vierte Bindung durch Überlappung von zwei sp3 -Hybridorbitalen beider C-Atome zustande kommt. Bei dem Ethanmolekül sind somit zwei Tetraeder über eine Ecke miteinander verknüpft. Am Beispiel der CC-Bindung ist angedeutet, dass bei Raumtemperatur um jede ¢-Bindung prinzipiell freie Drehbarkeit (Rotation, vgl. Abschn. 3.1.1) möglich ist.
1.3.2.2 Moleküle mit Mehrfachbindungen Als Beispiele für ungesättigte Verbindungen betrachten wir das Ethen (Ethylen) C2 H4 und das Ethin (Acetylen) C2 H2 . (Die Besonderheiten bei delokalisierten Elektronensystemen in organischen Verbindungen wie Polyenen und Aromaten werden in Abschn. 5.1.3.1 und Kap. 7 behandelt.) Ungesättigte Verbindungen lassen sich dadurch von den gesättigten unterscheiden, dass ihre Atome weniger als die maximale Anzahl von ¢-Bindungen ausbilden. 1. Beispiel: Ethen C2 H4 Im Ethen (Ethylen) bildet jedes C-Atom drei ¢-Bindungen mit seinen drei Nachbarn (zwei H-Atome, ein C-Atom). Der Winkel zwischen den Bindungen ist etwa 120ı . Jedes C-Atom liegt in der Mitte eines Dreiecks. Dadurch kommen alle Atome in einer Ebene zu liegen (Molekülebene s. Abb. 1.10). Das ¢-Bindungsgerüst lässt sich durch sp2 -Hybridorbitale an den C-Atomen aufbauen. Hierbei wird ein Bindungswinkel von 120ı erreicht. Wählt man als Verbindungslinie zwischen den C-Atomen die x-Achse des Koordinatenkreuzes, besetzt das übrig gebliebene Elektron das pz -Orbital. Dieses nicht hybridisierte p-Orbital steht somit senkrecht zur Molekülebene (Winkel: 90ı ). Aufgrund der
pz-Orbital H C2H4
H C C
H
H
H H
. .
H
σ
H
H H
. . π
π
H H
Abb. 1.10 Bildung einer -Bindung durch Überlagerung zweier p-AO im Ethen
1.3 Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung) Abb. 1.11 Bildung der Bindungen beim Ethin (Acetylen)
C2H2
H C C H
13
H
. .
H
parallelen Orientierung können die pz -Orbitale beider C-Atome wirksam überlappen. Dadurch bilden sich Bereiche hoher Ladungsdichte oberhalb und unterhalb der Molekülebene. In der Molekülebene selbst ist die Ladungsdichte (Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen) praktisch Null. Eine solche Ebene nennt man Knotenebene. Die Bindung heißt -Bindung. Bindungen aus einer ¢- und einer oder zwei -Bindungen nennt man Mehrfachbindungen. Im Ethen haben wir eine sog. Doppelbindung >CDC< vorliegen. ¢- und Bindungen beeinflussen sich in einer Mehrfachbindung gegenseitig. Mehrfachbindungen heben die Rotationsmöglichkeit um die Bindungsachsen auf. Grund hierfür ist die erhöhte Energiebarriere. Sie beträgt beim Ethen ca. 250 kJ mol1 , beim Ethan dagegen nur 12,5 kJ mol1 . Rotation wird erst wieder möglich, wenn die Mehrfachbindung gelöst wird (z. B. indem man das ungesättigte Molekül durch eine Additionsreaktion in ein gesättigtes überführt). 2. Beispiel: Ethin C2 H2 Ethin (Acetylen) enthält eine ¢-Bindung und zwei -Bindungen (Abb. 1.11). Das Bindungsgerüst ist linear, und die C-Atome sind sp-hybridisiert (]180ı ). Die übrig gebliebenen zwei p-Orbitale an jedem C-Atom ergeben durch Überlappung zwei -Bindungen. Tab. 1.2 gibt einen Überblick über CC-Bindungen in organischen Molekülen. Vgl. hierzu Tab. 12 in Basiswissen I.
1.3.2.3 Mesomerie Für manche Moleküle lassen sich mehrere Valenzstrukturen angeben. Beispiel: Benzen (Benzol) Tab. 1.2 Eigenschaften der Einfach- und Mehrfachbindungen zwischen zwei Kohlenstoff-Atomen Bindung C C
Bindende Orbitale Bindungstyp Winkel zw. den Bindungen Bindungslänge (pm) Bindungsenergie (kJ mol1 ) Freie Drehbarkeit um CC
sp3 ¢ 109,5ı 154 331 Ja
C C
sp2 , pz ¢ C z 120ı 134 620 Nein
C C
sp, py , pz ¢ C y C z 180ı 120 812 Nein
14
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
Die tatsächliche Elektronenverteilung kann durch keine Valenzstruktur allein wiedergegeben werden. Man findet keine alternierenden Einfach- und Doppelbindungen, also keine unterschiedlich lange Bindungen. Vielmehr können die senkrecht zur Ringebene stehenden p-Orbitale mit beiden benachbarten pOrbitalen gleich gut überlappen. Der CC-Abstand im Benzol beträgt 139,7 pm, und liegt somit zwischen dem der Einfach- (147,6 pm) und der Doppelbindung (133,8 pm). Jede einzelne Valenzstruktur ist nur eine Grenzstruktur („mesomere Grenzstruktur“). Die wirkliche Elektronenverteilung ist ein Resonanzhybrid oder mesomerer Zwischenzustand, d. h. eine Überlagerung aller denkbaren Grenzstrukturen (Grenzstrukturformeln). Diese Erscheinung heißt Mesomerie oder Resonanz. Je mehr vergleichbare Grenzstrukturen man formulieren kann, desto stabiler wird das System. Das Mesomeriezeichen $ darf nicht mit einem Gleichgewichtszeichen • verwechselt werden!!!
1.4 Bindungslängen und Bindungsenergien Wie im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt, hängt die Bindungslänge und die Bindungsenergie in erster Linie von der Hybridisierung und der Art der Bindung ab (s. a. Tab. 1.2). Weitere Substituenten haben meist nur einen geringen Einfluss, so dass sich für die meisten Bindungen typische Bindungslängen angeben lassen (Tab. 1.3), die weitestgehend konstant sind. Dass die zusätzliche Einführung einer -Bindung zu einer Verkürzung der Bindungslänge führt ist nicht überraschend, wohl aber die Tatsache, dass CH und CC-Einfachbindungen keine einheitliche Länge aufweisen. Dies hängt mit der Hybridisierung der C-Atome zusammen. Wie die aufgeführten Beispiele zeigen, verkürzt sich die Bindung mit zunehmendem s-Anteil der Hybridorbitale. Auch für die Bindungsenergien der meisten Bindungen lassen sich Durchschnittswerte angeben, welche z. B. für die Berechnung von Reaktionsenthalpien herangezogen werden können. Einige typische Beispiele sind in Tab. 1.4 zusammengestellt. Beim genaueren Betrachten spezifischer Bindungen findet man jedoch teilweise beträchtliche Abweichungen von diesen gemittelten Werten. Einige signifikante Beispiele finden sich in Tab. 1.5. Tab. 1.3 Bindungslängen in Kohlenwasserstoffen in pm sp3 sp2 sp
CH CH CH
109 108,6 106
sp3 sp3 sp3 sp2 sp3 sp
CC CC CC
154 150 147
sp2 sp2 sp2 sp2 spsp
CC CDC CC
146 134 120
1.4 Bindungslängen und Bindungsenergien
15
Tab. 1.4 Durchschnittliche Bindungsenergien (kJ mol1 ) HH CC OO
431 339 142
ClCl 238 BrBr 188 II 151
CH NH OH
410 385 456
ClH 427 BrH 364 IH 297
CDC 607 CC 828 NN 941
CDO CO CN
724 331 276
Tab. 1.5 Spezifische Bindungsdissoziationsenergien (kJ mol1 ) CH3 H CH3 CH2 H CH2 DCHH CH2 DCHCH2 H PhCH2 H
435 410 435 356 356
H3 CCH3 H5 C2 CH3 (CH3 /2 CHCH3 H5 C2 C2 H5 PhCH2 CH3
368 356 343 326 293
Die in Tab. 1.4 und 1.5 angegebenen Bindungsdissoziationsenergien beziehen sich auf eine homolytische Bindungsspaltung zu ungeladenen Radikalen (s. a. Abschn. 2.5.2). Radikale sind demzufolge Verbindungen mit einem ungepaarten Elektron. Je stabiler die gebildeten Radikale sind, desto leichter werden diese Bindungen gespalten (s. Kap. 4). So entstehen bei der Dissoziation des Methans und des Ethens besonders instabile Radikale, was sich in einer relativ hohen Dissoziationsenergie niederschlägt. Auf der anderen Seite sind Allyl- und Benzyl-Radikale durch Mesomerie besonders stabilisiert, weshalb diese Bindungen besonders leicht gespalten werden. Dies zeigt sich sowohl bei der Spaltung der CH-Bindung des Toluols als auch der CC-Bindung des Ethylbenzols. Allylradikal: CH2
CH CH2
CH2
CH CH2
Benzylradikal: CH2
CH2
CH2
CH2
Höher substituierte Radikale sind stabiler als primäre Radikale. Dies erklärt den Trend zu schwächeren Bindungen mit zunehmendem Substitutionsgrad. I
Generell gilt für die Stabilität von Radikalen: tertiäre Radikale > sekundäre Radikale > primäre Radikale
Dies lässt sich anhand der Hyperkonjugation erklären. Hierbei kommt es zu einer Überlappung des einfach besetzten p-Orbitals des radikalischen C-Atoms mit einer benachbarten CH oder CC-¢-Bindung. Dies führt zu einer gewissen Delokalisierung des Radikalelektrons und dementsprechend lassen sich auch hier mesomere Grenzstrukturen formulieren. Dies sei hier am Beispiel des Ethylradikals (primäres Radikal) verdeutlicht.
16
1
H H H
H
H
H
H
H
H
H
Chemische Bindung in organischen Verbindungen H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Da die mit dem Radikal in „Konjugation“ tretende ¢-Bindung jedoch nicht exakt parallel zum p-Orbital steht, sondern etwas davon „wegzeigt“, ist dieser Effekt bei weitem nicht so stark wie die Mesomeriestabilisierung beim Allyl- und Benzylradikal. Jedoch sollte hierbei der statistische Faktor nicht unberücksichtigt bleiben: So verfügt jede Methylgruppe über drei solcher ¢-Bindungen, so dass sich drei solcher mesomerer Grenzstrukturen formulieren lassen. Noch besser stabilisiert sind daher sekundäre Radikale mit zwei Alkylgruppen (sechs zusätzliche mesomere Grenzstrukturen) und tertiäre Radikale (neun mesomere Grenzstrukturen). Das Methylradikal verfügt über keinerlei stabilisierende Substituenten und ist daher besonders instabil.
2
Allgemeine Grundbegriffe
2.1 Systematik organischer Verbindungen Organische Substanzen bestehen in der Regel aus den Elementen C, H, O, N und S. Im Bereich der Biochemie kommt P hinzu. Die Vielfalt der organischen Verbindungen war schon früh Anlass zu einer systematischen Gruppeneinteilung. Eine generelle Übersicht ist in Abb. 2.1 dargestellt. Weitere Unterteilungen in Untergruppen sind natürlich möglich. Grundlage der Systematisierung ist stets das Kohlenstoffgerüst. Die daran hängenden „funktionellen Gruppen“ werden erst im zweiten Schritt beachtet. Dies gilt im Prinzip auch für die Nomenklatur organischer Verbindungen.
Organische Verbindungen
Cyclische Verbindungen
Acyclische Verbindungen
(ringförmige Atomanordnung)
(kettenförmige Atomanordnung)
Carbocyclen gesättigte Kohlenwasserstoffe
ungesättigte Kohlenwasserstoffe
(Alkane)
(Alkene, Alkine)
Heterocyclen gesättigt
Alicyclen
Aromaten
ungesättigt
aromatisch
Abb. 2.1 Systematik der Stoffklassen
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_2
17
18
2 Allgemeine Grundbegriffe
2.2 Nomenklatur Es ist das Ziel der Nomenklatur, einer Verbindung, die durch eine Strukturformel gekennzeichnet ist, einen Namen eindeutig zuzuordnen und umgekehrt. Bei der Suche nach einem Namen für eine Substanz hat man bestimmte Regeln zu beachten. Einteilungsprinzip der allgemein verbindlichen IUPAC- oder Genfer Nomenklatur: Jede Verbindung ist (in Gedanken) aus einem Stamm-Molekül (Stamm-System) aufgebaut, dessen Wasserstoffatome durch ein oder mehrere Substituenten ersetzt sind. Das Stammmolekül liefert den Hauptbestandteil des systematischen Namens und ist vom Namen des zugrunde liegenden einfachen Kohlenwasserstoffes abgeleitet. Die Namen der Substituenten werden unter Berücksichtigung einer vorgegebenen Rangfolge (Priorität) als Vor-, Nach- oder Zwischensilben zu dem Namen des Stammsystems hinzugefügt. Sind mehrere gleiche Substituenten im Molekül enthalten, so wird dies durch die Vorsilben di-, tri- tetra, penta, usw. ausgedrückt. Die Verwendung von Trivialnamen ist auch heute noch verbreitet (vor allem bei Naturstoffen), weil die systematischen Namen oft zu lang und daher meist zu unhandlich sind.
2.2.1 Stammsysteme Stammsysteme sind u. a. die acyclischen Kohlenwasserstoffe, die gesättigt (Alkane) oder ungesättigt (Alkene, Alkine) sein können. Zur Nomenklatur bei Verzweigungen der Kohlenwasserstoffe s. Abschn. 3.1. Weitere Hinweise zur Nomenklatur finden sich auch bei den einzelnen Substanzklassen. Weitere Stammsysteme sind die cyclischen Kohlenwasserstoffe. Auch hier gibt es gesättigte (Cycloalkane) und ungesättigte Systeme (Cycloalkene, Aromaten). Das Ringgerüst ist entweder nur aus C-Atomen aufgebaut (isocyclische oder carbocyclische Kohlenwasserstoffe), oder es enthält auch andere Atome (Heterocyclen). Ringsysteme, deren Stammsystem oft mit Trivialnamen benannt ist, sind die poly-cyclischen Kohlenwasserstoffe (z. B. einfache kondensierte Polycyclen und Hete-rocyclen). Cyclische Kohlenwasserstoffe mit Seitenketten werden entweder als kettensubstituierte Ringsysteme oder als ringsubstituierte Ketten betrachtet.
2.2.2
Substituierte Systeme
In substituierten Systemen werden die funktionellen Gruppen dazu benutzt, die Moleküle in verschiedene Verbindungsklassen einzuteilen. Sind mehrere Gruppen in einem Molekül vorhanden, z. B. bei Hydroxycarbonsäuren, dann wird eine funktionelle Gruppe als Hauptfunktion ausgewählt, und die restlichen werden in alphabetischer Reihenfolge in geeigneter Weise als Vorsilben hinzugefügt (s. Anwendungsbeispiel). Die Rangfolge der Substituenten ist verbindlich festgelegt. Die Tab. 2.1 und 2.2 enthalten hierfür Beispiele.
2.2 Nomenklatur
19
Tab. 2.1 Funktionelle Gruppen, die als Vor- oder Nachsilben auftreten können. C-Atome, die in den Stammnamen einzubeziehen sind, wurden unterstrichen Verbindungsklasse
Formel
Vorsilbe
Nachsilbe
Beispiel
Kationen
O R 2, N R3
-onio-
-onium
Ammoniumchlorid
-diazonium
Diazoniumhydroxyd
Carboxy-
-carbonsäure
Propancarbonsäure
– Sulfo-
-säure -sulfonsäure
Butansäure Benzolsulfonsäure
Metall-carboxylato
Metall- carboxylat
Natriummethancarboxylat =
–
Metall- oat
Natriumethanoat (= Na-Acetat = Na-Salz der Essigsäure)
-yloxycarbonyl
-yl carboxylat
–
-yl oat
Ethylmethancarboxylat = Ethylethanoat (= Ethylacetat = Ethylester der Essigsäure)
O R C X
Halogenformyl-
-carbonsäure-halogenid
Benzoesäurechlorid
O R C X
–
-oylhalogenid
Ethanoylchlorid (= Acetylchlorid)
O R C NH2
Carbamoyl-
-carboxamid
Methancarboxamid =
O R C NH2
–
-amid
Essigsäureamid
RC N
Cyano-
-carbonitril
Cyanwasserstoff
RC N
–
-nitril
Ethannitril
R CHO
Formyl-
-carbaldehyd
Methancarbaldehyd =
R CHO
Oxo-
-al
Ethanal
Oxo-
-on
Propanon
Hydroxy-
-ol
Ethanol
–
-olat
Natriumethanolat
MercaptoAmino-
-thiol -amin
Ethanthiol Methylamin
Carbonsäure
Sulfonsäure CarbonsäureSalze
RN N O R C OH O R C OH R SO 3 H R COO M
R COO M
Priorität
CarbonsäureEster
CarbonsäureHalogenide
Carbonsäure-Amide
Nitrile
Aldehyde
O R C OR' O R C OR'
R C O
Keton
R' Alkohol, Phenol
R OH
und Salze
RO M R SH
Thiol Amin
R NH 2
Tab. 2.2 Funktionelle Gruppen, die nur als Vorsilben auftreten Gruppe F Cl Br I DN2
Vorsilbe FluorChlorBromIodDiazo-
Gruppe NO2 NO OCN OR SR
Vorsilbe NitroNitrosoCyanatoAlkyloxy- bzw. AryloxyAlkylthio- bzw. Arylthio-
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2 Allgemeine Grundbegriffe
Beachte: Bei den Carbonsäuren und ihren Derivaten sind zwei Bezeichnungsweisen möglich. Anwendungsbeispiel Gesucht: der Name des folgenden Moleküls
Lösung: Bei der Betrachtung des Moleküls lassen sich für seinen Namen folgende Feststellungen treffen: 1. Die wichtigste funktionelle Gruppe ist: –CONH2 , -säureamid. 2. Das Molekül enthält eine Kohlenstoffkette von 10 C-Atomen: Dekansäureamid. 3. Es besitzt eine Dreifachbindung in 3-Stellung: 3-Dekinsäureamid. 4. Die Substituenten sind in alphabetischer Reihenfolge: a) Hydroxygruppe an C-9, b) 1,1-Dimethyl-2-propenyl-Gruppe an C-5, c) 3,5-Dinitrophenyl-Gruppe an C-8. Ergebnis: Aus der Zusammenfassung der Punkte 1–4 ergibt sich als nomenklaturgerechter Name: 9-Hydroxy-5-(1,1-dimethyl-2-propenyl)-8-(3,5-dinitrophenyl)3-dekinsäureamid.
2.2.3 Gruppennomenklatur Neben der vorstehend beschriebenen substitutiven Nomenklatur wird bei einigen Verbindungsklassen auch eine andere Bezeichnungsweise verwendet. Dabei hängt man an den abgewandelten Namen des Stammmoleküls die Bezeichnung der Verbindungsklasse an (Tab. 2.3).
2.3 Chemische Formelsprache
21
Tab. 2.3 Gruppennomenklatur Funktionelle Gruppe
O
Verbindungsname -halogenid, -cyanid
Beispiel Acetylchlorid
-cyanid -keton
Methylcyanid Methylphenylketon
-alkohol -ether oder -oxid -sulfid -halogenid -amin
Isopropylalkohol Diethylether Diethylsulfid Methylendichlorid Methylethylamin (CH3 NHC2 H5 )
R C X RC N
R C O R' ROH ROR0 RSR0 RHal RNH2 , RR0 NH, RR0 R00 N
2.3 Chemische Formelsprache In der Organischen Chemie gibt es eine ganze Reihe verschiedener Formeln mit unterschiedlichem Informationsgehalt. Dies sei am Beispiel der Glucose illustriert. Verhältnisformel Die Verhältnisformel gibt die Art und das kleinstmögliche Verhältnis der Elemente einer organischen Verbindung an. Beispiel (CH2 O)n Summenformel Die Summenformel gibt die Anzahl der einzelnen Elemente an, sagt aber noch nichts über den Aufbau de Moleküls. Beispiel C6 H12 O6 Konstitutionsformel Die Konstitutionsformel gibt an, welche Atome über welche Bindung miteinander verknüpft sind, macht jedoch keine Aussage über die räumliche Anordnung der Atome und Bindungen. Beispiel
H
O C H C OH H C OH H C OH H C OH H C OH H
H OH C H C OH H C OH H C OH H C H C OH H
O
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2 Allgemeine Grundbegriffe
Konfigurationsformel Die Konfigurationsformel gibt an, welche räumliche Anordnung die Atome in einem Molekül bekannter Konstitution haben. Sie berücksichtigt aber nicht Rotationen um Einfachbindungen. H
Beispiel
C
O CH2OH
H C OH HO C H
O H
H H OH
H C OH H C OH
H OH
HO
H C OH H Fischer-Projektion
H
OH
Haworth-Ringformel
Konformationsformel Die Konformationsformel beschreibt die räumliche Anordnung der Atome unter Berücksichtigung von Rotationen um Einfachbindungen. Beispiel OH H H 2C H HO HO
H H
CH2OH O OH OH
H
H
H OH
Sessel-Konformation I
OH
OH O
H H
H
OH
Sessel-Konformation II
2.4 Isomerie Als Isomere bezeichnet man Moleküle mit der gleichen Summenformel, die sich jedoch in der Sequenz der Atome (Konstitutionsisomere) oder deren räumlichen Anordnung (Stereoisomere) unterscheiden (Abb. 2.2).
Isomere
Konstitutionsisomere
Stereoisomere
Valenzisomere
Konfigurationsisomere
Protonenisomere (Tautomere) Skelettisomere
Abb. 2.2 Isomere
Geometrische Isomere (cis / trans-Isomere ) Konformationsisomere (Rotationsisomere)
2.4 Isomerie
23
Konstitutionsisomere unterscheiden sich vor allem in der Verknüpfung der Atome untereinander, und werden daher häufig auch als Strukturisomere bezeichnet. Man kann diese Gruppe weiter unterteilen in: Valenzisomere unterscheiden sich in der Anzahl von ¢- und -Bindungen. Beispiel Benzol C6 H6 H H
H H
H
H H
H
H
H
H
H H H H
H
H
H H
H H H
H H
Neben diesen vier Strukturen gibt es noch eine Vielzahl weiterer Valenzisomerer mit dieser Summenformel. Protonenisomere unterscheiden sich durch die Stellung eines Protons. Beispiel Keto-Enol-Tautomerie H O C C
H O C C
Enol-Form
Keto-Form
Skelettisomere unterscheiden sich im Kohlenstoffgerüst. Beispiel Pentan C C C C C C
C C C C C
C C C C
Stereoisomere besitzen die gleiche Summenformel und Atomsequenz, unterscheiden sich jedoch in der räumlichen Anordnung der Substituenten. Konfigurationsisomere treten immer bei Molekülen mit mindestens einem asymmetrischen Atom auf. Dies ist der Fall, wenn an einem Atom vier verschiedene Substituenten sitzen, man spricht dann von einem stereogenen Zentrum oder Chiralitätszentrum. Auf dieses Phänomen wird im Kap. 25 (Stereochemie) ausführlicher eingegangen. Verbindungen mit nur einem asym. Atom kommen als Enantiomere vor, mit einem zweiten asym. Zentrum kommen zusätzlich noch Diastereomere hinzu. Bei Verbindungen mit n Chiralitätszentren existieren insgesamt 2n Stereoisomere.
24
2 Allgemeine Grundbegriffe
Enantiomere verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. Sie lassen sich nicht durch Drehung zur Deckung bringen. Enantiomere haben die gleichen physikalischen und chemischen Eigenschaften (Schmelzpunkte, Siedepunkte, etc.), sie unterscheiden sich nur in ihrer Wechselwirkung mit polarisiertem Licht. Dieses Phänomen bezeichnet man als optische Aktivität. Beispiel Milchsäure (Fischer Projektion)
O
C
OH
HO
H C OH
O
HO C H
CH3
(D)-
O
C
OH
H C OH
CH3
Milchsäure
C
HO
C
O
HO C H CH3
CH3
(L)-
Im Gegensatz hierzu verhalten sich Diastereomere nicht wie Bild und Spiegelbild. Sie haben unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften. Beispiel Weinsäure (2 Zentren ! 22 D 4 Stereoisomere) Diastereomere
Enantiomere
COOH
HOOC
HO C H
H C OH
H C OH
HO C H HOOC
COOH (D)-
COOH
COOH
H C OH
HO C H
H C OH
HO C H
COOH
COOH
(DL)-Weinsäure Meso-Weinsäure
(L)Weinsäure optisch aktiv
optisch inaktiv
Geometrische Isomere unterscheiden sich in der räumlichen Anordnung von Substituenten an einer Doppelbindung. Bei 1,2-disubstituieren Verbindungen spricht man von cis/trans-Isomerie. Diese Isomere haben unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften (Dipolmoment , etc.), die trans-Form ist die in der Regel etwas energieärmere Form. Beispiel 1,2-Dichlorethen Cl
Cl
Cl Sdp. 60 °C μ = 1.85 D cis
Cl trans
Sdp. 48 °C μ=0D
2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen
25
Bei höher substituierten Verbindungen muss eine Gewichtung der Substituenten vorgenommen werden. Dies geschieht mit Hilfe der Regeln von Cahn, Ingold und Prelog (CIP), die in Abschn. 25.3.2 ausführlich besprochen werden. Konformationsisomere unterscheiden sich in der räumlichen Anordnung von Substituenten an einer Einfachbindung. Diese können durch einfache Rotation um diese Bindung ineinander umgewandelt werden (s. a. Abschn. 3.2.1). Bei cyclischen Strukturen führt dies häufig zu einem „Umklappen“ der Struktur. Beispiel 1,4-Dimethylcyclohexan CH3
CH3 CH3
H3C Sessel 1
CH3 Wanne
Sessel 2
CH3
2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen Man unterscheidet Reaktionen zwischen ionischen Substanzen und solchen mit kovalenter Bindung.
2.5.1
Reaktionen zwischen ionischen Substanzen
Hier tritt ein Austausch geladener Komponenten ein. Ursachen für die Bildung der neuen Substanzen sind z. B. Unterschiede in der Löslichkeit, Packungsdichte, Gitterenergie oder Entropie. Allgemeines Schema Lösemittel
1. .AC B /fest ! ACsolvatisiert C Bsolvatisiert Lösemittel
2. .CC D /fest ! CCsolvatisiert C Dsolvatisiert 3. ACsolv: C Bsolv: C CCsolv: C Dsolv: ! .AC D /fest C .B CC /fest C Lösemittel Manchmal fällt auch nur ein schwerlösliches Reaktionsprodukt aus.
2.5.2
Reaktionen von Substanzen mit kovalenter Bindung
Werden durch chemische Reaktionen aus kovalenten Ausgangsstoffen neue Elementkombinationen gebildet, so müssen zuvor die Bindungen zwischen den Komponenten der Ausgangsstoffe gelöst werden. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
26
2 Allgemeine Grundbegriffe
1. Bei dieser homolytischen Spaltung erhält jedes Atom ein Elektron (). Dies wird durch einen „halben Pfeil“ ( ) angedeutet. Es entstehen sehr reaktionsfähige Bruchstücke, die ihre Reaktivität dem ungepaarten Elektron verdanken und die Radikale heißen. A + B
A B
2. Bei der heterolytischen Spaltung entstehen ein positives Ion (Kation) und ein negatives Ion (Anion). Aj bzw. Bj haben ein freies Elektronenpaar und reagieren als Nucleophile („kernsuchende“ Teilchen). AC bzw. BC haben Elektronenmangel und werden Elektrophile („elektronensuchend“) genannt. Die heterolytische Spaltung ist ein Grenzfall. Meist treten nämlich keine isolierten (isolierbaren) Ionen auf, sondern die Bindungen sind nur mehr oder weniger stark polarisiert, d. h. die Bindungspartner haben eine mehr oder minder große Partialladung. a)
A
+
B
Al + B
b)
A
+
B
A + Bl
3. Bei den elektrocyclischen Reaktionen, die intramolekular (D innerhalb desselben Moleküls) oder intermolekular (D zwischen zwei oder mehreren Molekülen) ablaufen können, werden Bindungen gleichzeitig gespalten und neu ausgebildet. Man kann sich diese Reaktionen als cyclische Elektronenverlagerungen vorstellen, bei denen gleichzeitig mehrere Bindungen verschoben werden: A
C
A
C
A
+ B
D
B
D
B
C +
D
Zusammenfassung der Begriffe mit Beispielen Kation positiv geladenes Ion; IonC Anion negativ geladenes Ion; Ion Elektrophil Ion oder Molekül mit einer Elektronenlücke (sucht Elektronen), wie Säuren, Kationen, Halogene, z. B. HC , NO2C , NOC , BF3 , AlCl3 , FeCl3 , Br2 (als BrC ), nicht aber NH4C ! Nucleophil Ion oder Molekül mit Elektronen-„Überschuss“ (sucht Kern), wie Basen, Anionen, Verbindungen mit mindestens einem freien Elektronenpaar, z. B. HOj , ROj , RSj , Hal , H2 O, R2 O, R3 N, R2 S, aber auch Alkene und Aromaten mit ihrem -Elektronensystem: R2 CDCR2 Radikal Atom oder Molekül mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen wie Cl, Br, I, RO, O2 (Diradikal).
2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen
27
2.5.3 Säuren und Basen, Elektrophile und Nucleophile 2.5.3.1 Definition nach Brønsted 1923 schlug Brønsted folgende Definition vor, die für die organische Chemie sehr gut geeignet ist: I Eine Säure ist ein Protonen-Donor, eine Base ein Protonen-Akzeptor. Die Tendenz ein Proton abzuspalten bzw. aufzunehmen bezeichnet man als Säure- bzw. Basestärke. Ein Maß für die Säurestärke ist der pKs -Wert, der negative dekadische Logarithmus der Säurekonstante Ks (pKs D lgKs ). Eine ausführliche Behandlung dieses Themas findet sich in Basiswissen I, so dass hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. In Tab. 2.4 sind die für den Organiker wichtigsten pKs -Werte zusammengestellt, weitere detaillierte Angaben finden sich auf der 2. Umschlagsseite. Die hier angegebenen pKs -Werte sollte man sich gut einprägen, erleichtern sie einem doch das Verständnis vieler Reaktionen ungemein.
Tab. 2.4 pKs -Werte organischer Verbindungen im Vergleich mit Wasser Säure RCOOH CH3 COCH2 COCH3 HCN ArOH RCH2 NO2 NCCH2 CN CH3 COCH2 COOR ROOCCH2 COOR CH3 OH H2 O CH2
ROH RCONH2 RCOCH2 R RCH2 COOR RCH2 CN HCCH NH3 PhCH3 CH4 H3 OC
Base RCOO
CH3 COCHCOCH3 CN ArO RCHNO2 NCCHCN CH3 COCHCOOR ROOCCHCOOR CH3 O OH −
pKs 4–5 9 9,2 8–11 10 11 11 13 15,2 15,74 16
CH
RO RCONH RCOCHR RCHCOOR RCHCN HCC| NH2 PhCH2 CH3 H2 O
16–17 17 19–20 24–25 25 25 35 40 48 1;74
28
2 Allgemeine Grundbegriffe
2.5.3.2 Definition nach Lewis Etwa zur selben Zeit wie Brønsted formulierte Lewis eine etwas andere, allgemeinere Säure-Base-Theorie. Auch hier ist eine Base eine Verbindung mit einem verfügbaren doppelt besetzten Orbital, sei es ein freies Elektronenpaar oder eine -Bindung. I Eine Lewis-Säure ist eine Verbindung mit einem unbesetzten Orbital. In einer Lewis Säure-Base-Reaktion kommt es nun zu einer Wechselwirkung des Elektronenpaars der Base (Elektronenpaardonor) mit dem unbesetzten Orbital der Säure (Elektronenpaarakzeptor) unter Bildung einer kovalenten Bindung. Typische Lewis-Basen sind H2 O, NH3 , Amine, CO, CN . Typische Lewis-Säuren sind z. B. AlCl3 , BF3 , etc. mit nur sechs Valenzelektronen (anstatt acht). Teilchen mit (einem) freien Elektronenpaar(en) haben in der Regel sowohl basische als auch nucleophile Eigenschaften. Von Basizität spricht man, wenn der beteiligte Reaktionspartner ein Proton ist, andere Elektrophile werden von einem Nucleophil angegriffen. Beispiel Umsetzung eines Carbonsäureesters mit Natriumamid. Na + O _ HC OR + NH3
O
O NaNH2 als Base
H2C R
R
OR
NaNH2 als Nukl.
H2C
NH2 + RONa
R
Das NaNH2 kann hierbei als sehr starke Base (pKs D 35) das relativ acide Proton des Esters (pKs 25) entfernen unter Bildung des Esterenolats. Andererseits kann es aber als Nucleophil auch an der positivierten Carbonylgruppe angreifen unter Abspaltung von Alkoholat (pKs 17) und Bildung des Amids. Beide Prozesse können parallel ablaufen, was oft zu Produktgemischen führt. Während Acidität bzw. Basizität eindeutig definiert sind und gemessen werden können (thermodynamische Größen), ist die Nucleophilie auf eine bestimmte Reaktion bezogen und wird meist mit der Reaktionsgeschwindigkeit des Reagenz korreliert (kinetische Größe). Sie wird außer von der Basizität auch von der Polarisierbarkeit des Moleküls, sterischen Effekten, Lösemitteleinflüssen u. a. bestimmt.
2.5.4
Substituenten-Effekte
Der Mechanismus der Spaltung einer Bindung hängt u. a. ab vom Bindungstyp, dem Reaktionspartner und den Reaktionsbedingungen. Meist liegen keine reinen Ionenoder Atombindungen vor, sondern es herrschen Übergänge (je nach Elektronegativität der Bindungspartner) zwischen den diskreten Erscheinungsformen der chemischen Bindung vor. Überwiegt der kovalente Bindungsanteil gegenüber dem ionischen, spricht man von einer polarisierten (polaren) Atombindung. In einer solchen Bindung sind die Ladungsschwerpunkte mehr oder weniger weit voneinander
2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen
29
Tab. 2.5 Polare Kohlenstoffbindungen (CX) Bindungstyp CF CCl CBr CI
Dipolmoment (D) 1,5 1,6 1,5 1,3
Bindungstyp CO CDO CN CN
Dipolmoment (D) 0,9 2,4 0,5 3,6
entfernt, die Bindung besitzt ein Dipolmoment (s. Tab. 2.5). Zur Kennzeichnung der Ladungsschwerpunkte in einer Bindung und einem Molekül verwendet man meist die Symbole • C und • (• bedeutet Teilladung). Auch unpolare Bindungen können unter bestimmten Voraussetzungen polarisiert werden (induzierte Dipole). Induktive Effekte Mit der Ladungsasymmetrie einer Bindung bzw. in einem Molekül eng verknüpft sind die induktiven Substituenteneffekte (I-Effekte). Hierunter versteht man elektrostatische Wechselwirkungen zwischen polaren (polarisierten) Substituenten und dem Elektronensystem des substituierten Moleküls. Bei solchen Wechselwirkungen handelt es sich um Polarisationseffekte, die meist durch ¢-Bindungen auf andere Bindungen bzw. Molekülteile übertragen werden. Besitzt der polare Substituent eine elektronenziehende Wirkung und verursacht er eine positive Partialladung, sagt man, er übt einen I-Effekt aus. Wirkt der Substituent elektronenabstoßend, d. h. erzeugt er in seiner Umgebung eine negative Partialladung, dann übt er einen CI-Effekt aus. Beispiel δδδ+ CH3
δδ+ CH2
δ+ CH2
δ− Cl
1–Chlorpropan
Das Chloratom übt einen induktiven elektronenziehenden Effekt (I-Effekt) aus, der eine positive Partialladung am benachbarten C-Atom zur Folge hat. Man erkennt, dass die anderen CC-Bindungen ebenfalls polarisiert werden. Die Wirkung nimmt allerdings mit zunehmendem Abstand vom Substituenten sehr stark ab, was durch eine Vervielfachung des •-Symbols angedeutet wird. Bei mehreren Substituenten addieren sich die induktiven Effekte im Allgemeinen. Durch den I-Effekt wird hauptsächlich die Elektronenverteilung im Molekül beeinflusst. Dadurch werden im Molekül Stellen erhöhter bzw. verminderter Elektronendichte hervorgerufen. An diesen Stellen können polare Reaktionspartner angreifen. Durch Vergleich der Acidität von ’-substituierten Carbonsäuren (s. Abschn. 18.3.1) kann man qualitativ eine Reihenfolge für die Wirksamkeit verschiedener Substituenten R festlegen (mit H als Bezugspunkt): R CH2 COOH
R CH2 COO
+ H
30
2 Allgemeine Grundbegriffe
Substituenteneinfluss: (CH 3 ) 3 C < (CH 3 ) 2 CH < C 2 H 5 < CH 3 < H < C 6 H 5 < CH 3 O < OH < I < Cl < F < CN < NO 2
+I-Effekt (elektronenabstoßend)
I
–I-Effekt (elektronenziehend)
Auch ungesättigte Gruppen zeigen einen I-Effekt, der zusätzlich durch „mesomere Effekte“ verstärkt werden kann.
Mesomere Effekte Als mesomeren Effekt (M-Effekt) eines Substituenten bezeichnet man seine Fähigkeit, die Elektronendichte in einem -Elektronensystem zu verändern. Im Gegensatz zum induktiven Effekt kann der mesomere Effekt über mehrere Bindungen hinweg wirksam sein, er ist stark von der Molekülgeometrie abhängig. Substituenten (meist solche mit freien Elektronenpaaren), die mit dem -System des Moleküls in Wechselwirkung treten können und eine Erhöhung der Elektronendichte bewirken, üben einen CM-Effekt aus. Beispiele für Substituenten, die einen CM-Effekt hervorrufen können: Clj; Brj; Ij; O H; O R; NH2 ; S H Beispiel zum CM-Effekt Im Vinylchlorid überlagert sich das nichtbindende p-AO des Cl-Atoms teilweise mit den -Elektronen der Doppelbindung, wodurch ein delokalisiertes System entsteht. Die Elektronendichte des -Systems wird dadurch erhöht, die des Chlorsubstituenten erniedrigt, was sich in der Ladungsverteilung der mesomeren Grenzformel ausdrückt. H CH2
−
CH Cl
CH2
H C C
+
CH Cl
Cl
H
Substituenten mit einer polarisierten Doppelbindung, die in Mesomerie mit dem -Elektronensystem des Moleküls stehen, sind elektronenziehend. Sie verringern die Elektronendichte, d. h. sie üben einen M-Effekt aus. Er wächst mit dem Betrag der Ladung des Substituenten. Beispiel: CHDNRC 2 hat einen starken M-Effekt der Elektronegativität der enthaltenen Elemente. Beispiel: CHDNR < CHDO < CN < NO2 der Abnahme der Stabilisierung durch innere Mesomerie. Beispiel: O
O C
C O
O
O
O
0
A−B + C Reaktionskoordinate
Abb. 2.5 Reaktion mit Zwischenprodukt
Energie ÜZ 1
ÜZ 2 ZP
Edukt Produkt Reaktionskoordinate
2.5.7 Lösemittel-Einflüsse Viele Reaktionen erfolgen zwischen polaren oder polarisierten Substanzen. Wie bei Umsetzungen mit geladenen Carbanionen oder Carbokationen spielt dabei das Lösemittel eine wichtige Rolle, weil es den aktivierten Komplex im Übergangszustand solvatisieren kann.
34
2 Allgemeine Grundbegriffe
I
Der Lösemitteleinfluss ist gering, wenn die Reaktanden und der aktivierte Komplex neutral und unpolar sind.
Kationen werden durch nucleophile Lösemittel solvatisiert, Anionen durch elektrophile Lösemittel, insbesondere solche, die Wasserstoffbrücken bilden können. H
O
δ−
+
M
H
δ− H O
δ+ Y H
X
δ+ H Y
H
Lösemittel lassen sich einteilen in polar-protische Lösemittel, z. B. Wasser, Alkohole, Ammoniak, Carbonsäuren, dipolar-aprotische Lösemittel (hohe Dielektrizitätskonstante, große Dipolmomente): CH3 CN, CH3 COCH3 , Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid, Pyridin, apolar-aprotische Lösemittel (niedrige Dielektrizitätskonstante, kleine Dipolmomente): CS2 , CCl4 , Cyclohexan.
2.5.8
Hammett-Beziehung
Die Hammett-Gleichung ist geeignet zur Abschätzung von Gleichgewichtskonstanten, Geschwindigkeitskonstanten und Substituenteneffekten. Sie ist weitgehend auf m- und p-substituierte aromatische Verbindungen beschränkt und nur näherungsweise gültig. Die Beziehung lautet lg
k D ¢ ¡ bzw. k0
lg
K D¢¡ K0
k D Geschwindigkeitskonstante der Reaktion substituierter aromatischer Verbindungen, K D Gleichgewichtskonstante der Reaktion substituierter aromatischer Verbindungen, k0 D Geschwindigkeitskonstante der Reaktion unsubstituierter aromatischer Verbindungen, K0 D Gleichgewichtskonstante der Reaktion unsubstituierter aromatischer Verbindungen, ¢ D Substituentenkonstante, ¡ D Reaktionskonstante. ¢ ist – im Vergleich zu Wasserstoff als Substituent – ein Maß für den Einfluss eines Substituenten auf die Reaktivität des Substrats. ¡ ist ein Maß für die Empfindlichkeit der betreffenden Reaktion auf polare Substituenteneinflüsse. Großes ¡ bedeutet, dass die Reaktion stark durch Substituenteneffekte beeinflusst wird.
2.5 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen
35
Theoretische Begründung für die Hammet-Beziehung: lg k ist proportional G Dj und lg K ist proportional G 0 bei konstanter Temperatur und reversibler Reaktion. Die Hammett-Gleichung ist somit eine lineare Freie Energiebeziehung. Eine Anwendung der Hammett-Beziehung sei hier kurz illustriert: Beispiel Berechnung des pKs von m-Nitrophenol, pKm-NO2 Aus der HammettBeziehung folgt: Km-NO2 D ¡ ¢m-NO2 KH lg Km-NO2 lg KH D ¡ ¢m-NO2 pKm-NO2 D pKH ¡ ¢m-NO2 lg
Aus Tabellen entnimmt man: pKH D pKs von Phenol D 10,0. ¡ D Reaktionskonstante für die „Dissoziation“ von Phenolen D 2,11 ¢m-NO2 D Substituentenkonstante der m-ständigen Nitrogruppe D C0,71. Damit ergibt sich: pKmNO2 D 10 2;11 0;71 D 10 1;50 D 8;5 (exp. 8.4!)
Teil II Kohlenwasserstoffe
Kohlenwasserstoff-Moleküle enthalten nur Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie werden nach Bindungsart und Struktur eingeteilt in gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane oder Paraffine), ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene oder Olefine, Alkine) und aromatische Kohlenwasserstoffe. Eine weitere Gliederung erfolgt in offenkettige (acyclische) und in ringförmige (cyclische) Verbindungen.
3
Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
3.1 Offenkettige Alkane Das einfachste offenkettige Alkan ist das Methan, CH4 (Abb. 1.8). Durch sukzessives Hinzufügen einer CH2 -Gruppe lässt sich daraus die homologe Verbindungsreihe der Alkane mit der Summenformel Cn H2nC2 ableiten. Eine homologe Reihe ist eine Gruppe von Verbindungen, die sich um einen bestimmten, gleich bleibenden Baustein unterscheiden. Während die chemischen Eigenschaften des jeweils nächsten Gliedes der Reihe durch die zusätzliche CH2 -Gruppe nur wenig beeinflusst werden, ändern sich die physikalischen Eigenschaften im Allgemeinen regelmäßig mit der Zahl der Kohlenstoff-Atome (Tab. 3.1). Die ersten vier Glieder der Tabelle haben Trivialnamen. Die Bezeichnungen der höheren Homologen leiten sich von griechischen oder lateinischen Zahlwörtern ab, die man mit der Endung -an versieht. Durch Abspaltung eines H-Atoms von einem Alkan entsteht ein Alkyl-Rest R (Radikal, Gruppe), der die Endung -yl erhält (s. Tab. 3.1): Beispiel Alkan
minus 1 H
Alkyl
CH3 CH3
CH2 CH3
Ethan
Ethyl
Verschiedene Reste an einem Zentralatom erhalten einen Index, z. B. R0 , R00 oder R1 , R2 usw. Zur formelmäßigen Darstellung der Alkane ist die in Tab. 3.1 verwendete Schreibweise zweckmäßig. Die dort aufgeführten Alkane sind unverzweigte oder normale Kohlenwasserstoffe (n-Alkane). Die ebenfalls übliche Bezeichnung „geradkettig“ ist etwas irreführend, da Kohlenstoffketten wegen der Bindungswinkel von etwa 109ı am Kohlenstoffatom keineswegs „gerade“ sind (vgl. Abschn. 3.1.1). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_3
39
40
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
Tab. 3.1 Homologe Reihe der Alkane Summen- Formel formel
Name
CH4 C2 H6 C3 H8 C4 H10 C5 H12 C6 H14 C7 H16 C8 H18 C9 H20 C10 H22 :: : C17 H36 C20 H42
CH4 CH3 –CH3 CH3 –CH2 –CH3 CH3 –(CH2 /2 –CH3 CH3 –(CH2 /3 –CH3 CH3 –(CH2 /4 –CH3 CH3 –(CH2 /5 –CH3 CH3 –(CH2 /6 –CH3 CH3 –(CH2 /7 –CH3 CH3 –(CH2 /8 –CH3
Methan Ethan Propan Butan Pentan Hexan Heptan Octan Nonan Decan
CH3 –(CH2 /15 –CH3 CH3 –(CH2 /18 –CH3
Heptadecan Eicosan
Eigenschaften Schmp. (ı C) 184 171,4 190 135 130 93,5 90 57 53,9 32 C22,5 C37
Sdp. (ı C) 164 93 45 0,5 C36 C68,7 C98,4 C126 C150,6 C173
Alkyl Cn H2nC1 Methyl Ethyl Propyl Butyl Pentyl (Amyl) Hexyl Heptyl Octyl Nonyl Decyl
C303 –
Heptadecyl Eicosyl
Abkürzungen: Methyl D Me, Ethyl D Et, Propyl D Pr, Butyl D Bu Hinweis: Diese Abkürzungen und auch andere nur verwenden, wenn keine Missverständnisse auftreten können. So kann Me D Metall und Pr D Praseodym bedeuten.
Nomenklatur und Struktur Von den normalen Kohlenwasserstoffen, den n-Alkanen, unterscheiden sich die verzweigten Kohlenwasserstoffe, die in speziellen Fällen mit der Vorsilbe iso- gekennzeichnet werden. Das einfachste Beispiel ist iso-Butan. Für Pentan kann man drei verschiedene Strukturformeln angeben. (unter den Formeln stehen die physikalischen Daten und die Namen gemäß den Regeln der chemischen Nomenklatur). Isomere Pentane: CH3
CH3
CH
CH3
CH3
(CH2)3
CH3
CH2
CH
CH3
CH3
CH3
Methylpropan (iso-Butan)
CH3
CH3
C
CH3
CH3
n-Pentan
2-Methyl-butan (iso-Pentan)
2,2-Dimethylpropan (neo-Pentan)
Sdp. 36 °C Schmp. –129,7 °C
Sdp. 27,9 °C Schmp. –158,6 °C
Sdp. 9,5 °C Schmp. –20 °C
Eine Verbindung wird nach dem längsten geradkettigen Abschnitt im Molekül benannt. Die Seitenketten werden wie Alkyl-Radikale bezeichnet und alphabetisch geordnet (Bsp.: Ethyl vor Methyl). Ihre Position im Molekül wird durch Zahlen angegeben. Taucht ein Substituent mehrfach auf, so wird die Anzahl der Reste durch Vorsilben wie di-, tri-, tetra-, etc. ausgedrückt. Diese Vorsilben werden
3.1 Offenkettige Alkane
41
bei der alphabetischen Anordnung der Reste nicht berücksichtigt (Bsp.: Ethyl vor Dimethyl). Manchmal findet man auch Positionsangaben mit griechischen Buchstaben. Diese geben die Lage eines C-Atoms einer Kette relativ zu einem anderen an. Man spricht von ’-ständig, “-ständig etc. Weitere Hinweise zur Nomenklatur finden sich in Abschn. 2.2. Beispiel H3C 1
2
3
H3C C CH CH2 CH3
3-Ethyl-2,2 dimethyl-hexan
H3C CH2 CH2 CH3 4
5
6
An diesem Beispiel lassen sich verschiedene Typen von Alkyl-Resten unterscheiden, die wie folgt benannt werden (R bedeutet einen Kohlenwasserstoff-Rest): Benennung Primäre Gruppenprimäres C-Atom C
C-Atom Formelauszug 1,6 CH2 CH3 CH3 ;
Sekundäre Gruppensekundäres C-Atom C 4,5 Tertiäre Gruppentertiäres C-Atom C
3
CH2 CH2 CH3
CH CH2 CH2
Quartäres C-Atom C
2
H3C H3C C CH H3C
Allgemein R CH3 R CH2
R
R CH R R
R R C R R
Strukturisomere nennt man Moleküle mit gleicher Summenformel, aber verschiedener Strukturformel (s. Kap. 2). Wie am Beispiel der isomeren Pentane gezeigt, unterscheiden sie sich in ihren physikalischen Eigenschaften (Schmelzund Siedepunkte, Dichte, etc.), denn diese Eigenschaften hängen in hohem Maße von der Gestalt der Moleküle ab. So zeigen hochverzweigte, kugelige Moleküle in der Regel eine höhere Flüchtigkeit (niederer Sdp.) als lineare, unverzweigte.
3.1.1 Bau der Moleküle, Konformationen der Alkane Im Ethan sind die Kohlenstoff-Atome durch eine rotationssymmetrische ¢-Bindung verbunden (s. Kap. 1). Die Rotation der CH3 -Gruppen um die C–C-Bindung gibt verschiedene räumliche Anordnungen, die sich in ihrem Energieinhalt unterscheiden und Konformere genannt werden (s. a. Kap. 2). Zur Veranschaulichung der Konformationen (s. Abb. 3.1) des Ethans CH3 –CH3 verwendet man folgende zeichnerische Darstellungen:
42
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
Abb. 3.1 Verlauf der potentiellen Energie bei der inneren Rotation eines Ethanmoleküls (Diederwinkeldiagramm)
Energie (kJ/mol)
12.5 kJ/mol
1. Sägebock-Projektion (perspektivische Sicht):
H
H
H H H C
H
H H
C
C
H
H
gestaffelt (staggered)
C
H
H
ekliptisch (eclipsed)
2. Stereo-Projektion (Blick von der Seite). Die Keile zeigen nach vorn, die punktierten Linien nach hinten. Die durchgezogenen Linien liegen in der Papierebene: H
H
H
C C H H H gestaffelt (staggered)
H
H
C C H H H H ekliptisch (eclipsed)
3. Newman-Projektion (Blick von vorne in die C–C-Bindung). Die durchgezogenen Linien sind Bindungen zum vorderen C-Atom, die am Kreis endenden Linien Bindungen zum hinteren C-Atom. Die Linien bei der ekliptischen Form müssten streng genommen aufeinander liegen (verdeckte Konformation). Bei der gestaffelten Konformation stehen die H-Atome exakt auf Lücke. H
H
H
H
H
120°
60°
H
H
H
gestaffelt (staggered)
H
H
HH ekliptisch (eclipsed)
Neben diesen beiden extremen Konformationen gibt es unendlich viele konformere Anordnungen.
3.1 Offenkettige Alkane
43
Energie (kJ/mol) 0°
60°
120°
180°
240°
300°
360°
18.4 kJ/mol 14.6 kJ/mol 3.6 kJ/mol
CH3
CH3 CH3
CH3
CH3 CH3
synperiplanar
+
synclinal
+
anticlinal
CH3
CH3 H3C
CH3 H3C antiperi− planar anticlinal
−
synclinal
CH 3
synperiplanar
Abb. 3.2 Potentielle Energie der Konformationen des n-Butans
Der Verlauf der potentiellen Energie bei der gegenseitigen Umwandlung ist in Abb. 3.1 dargestellt. Aufgrund der Abstoßung der Bindungselektronen der CHBindungen ist die gestaffelte Konformation um 12,5 kJ=mol energieärmer als die ekliptische. Im Gitter des festen Ethans tritt daher ausschließlich die gestaffelte Konformation auf. Größere Energieunterschiede findet man beim n-Butan. Wenn man n-Butan als 1,2-disubstituiertes Ethan auffasst (Ersatz je eines H-Atoms durch eine CH3 -Gruppe), ergeben sich verschiedene ekliptische und gestaffelte Konformationen, die man wie in Abb. 3.2 angegeben unterscheidet. Die Energieunterschiede, Torsionswinkel und Bezeichnungen sind zusätzlich aufgeführt. Da der Energieunterschied zwischen den einzelnen Formen gering ist, können sie sich (bei 20 ı C) leicht ineinander umwandeln. Sie stehen miteinander im Gleichgewicht und können deshalb nicht getrennt isoliert werden; man kann sie jedoch z. B. IR-spektroskopisch nachweisen.
3.1.2 Vorkommen, Gewinnung und Verwendung der Alkane Gesättigte Kohlenwasserstoffe (KW) sind in der Natur weit verbreitet, so z. B. im Erdöl (Petroleum) und im Erdgas. Die wirtschaftliche Bedeutung des Erdöls liegt darin, dass aus ihm neben Benzin, Diesel- und Heizöl sowie Asphalt und Bitumen bei der fraktionierten Destillation und der weiteren Aufarbeitung viele wertvolle Ausgangsstoffe für die chemische und pharmazeutische Industrie gewonnen werden (Tab. 3.2).
44
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
Tab. 3.2 Verwendung wichtiger Alkane (E D Energie) Verbindung
Verwendung CO2
!
CO2 + E
Heizzwecke
!
CO + H2
H2 -Herstellung
!
C
Ruß als Füllmaterial
!
HCN
Synthese
!
CO2 + E
Heizzwecke
!
CH3 CH2 Cl
Chlorethan
!
CH2 DCH2
Ethen
Propan, Butan
!
CO2 + E
Heizzwecke
Pentan, Hexan
! Alkene Synthese Extraktionsmittel (z. B. Speiseöle aus Früchten)
Methan
CH2 O CO2
CO2 =NH3
Ethan
CO2
CCl2 H2
CO2 H2
3.1.3 Herstellung von Alkanen Neben zahlreichen, oft recht speziellen Verfahren zur Gewinnung bzw. Herstellung von Alkanen bieten die Wurtz-Synthese und die Kolbe-Synthese allgemein gangbare Wege, gezielt Kohlenwasserstoffe bestimmter Kettenlänge zu erhalten.
3.1.3.1 Wurtz-Synthese Ausgehend von Halogenalkanen (s. Kap. 9) lassen sich zahlreiche höhere Kohlenwasserstoffe aufbauen. So konnten Verbindungen bis zur Summenformel C70 H142 aufgebaut werden. Beispiel Synthese von Eicosan aus 1-Ioddecan C 10 H 21 I + 2 Na ⎯ ⎯→ C 10 H 21 Na + NaI C 10 H 21 Na + C 10 H 21 I ⎯ ⎯→ H 21 C 10 −C 10 H 21 + NaI
3.1.3.2 Kolbe-Synthese Die Kolbe-Synthese eignet sich zum Aufbau komplizierter gesättigter Kohlenwasserstoffe. Dabei werden konzentrierte Lösungen von Salzen von Carbonsäuren elektrolysiert. Man kann auch Gemische verschiedener Carbonsäuren einsetzen, erhält dabei jedoch auch Gemische von Kohlenwasserstoffen. Dem Carboxylat-Anion wird an der Anode ein Elektron entzogen, wobei ein Radikal entsteht. Nach Abspaltung von CO2 kombinieren die Alkyl-Radikale zum gewünschten Kohlenwasserstoff.
3.2 Cyclische Alkane
45
Beispiel Synthese von n-Butan: O Radikal-Bildung
CH3
CH2
C
-e-
O CH3
CH2
C
O −
O Radikal
Propionat-Anion
O Radikal-Zerfall
CH3
CH2
CH3
C O
Radikal-Rekombination
2 CH3
CH2
CH2
+ CO2
Ethyl-Radikal
CH3
CH2
CH2
CH3
n-Butan
3.1.4 Eigenschaften gesättigter Kohlenwasserstoffe Alkane sind ziemlich reaktionsträge und werden daher oft als Paraffine (parum affinis D wenig verwandt bzw. reaktionsfähig) bezeichnet. Der Anstieg der Schmelzund Siedepunkte innerhalb der homologen Reihe (s. Tab. 3.1) ist auf zunehmende van der Waals-Kräfte zurückzuführen. Die neu hinzutretende CH2 -Gruppe wirkt sich bei den ersten Gliedern am stärksten aus. Die Moleküle sind als ganzes unpolar und lösen sich daher gut in anderen Kohlenwasserstoffen, hingegen nicht in polaren Lösemitteln wie Wasser. Solche Verbindungen bezeichnet man als hydrophob (Wasser abweisend) oder lipophil (fettfreundlich). Substanzen mit OHGruppen (z. B. Alkohole) sind dagegen hydrophil (wasserfreundlich) (vgl. Basiswissen I). Obwohl Alkane weniger reaktionsfreudig sind als andere Verbindungen, erlauben sie doch mancherlei Reaktionen, die über Radikale als Zwischenstufen verlaufen (s. Kap. 4).
3.2 Cyclische Alkane Die Cycloalkane sind gesättigte Kohlenwasserstoffe mit ringförmig geschlossenem Kohlenstoffgerüst. Sie bilden ebenfalls eine homologe Reihe. Als wichtige Vertreter seien genannt (neben der ausführlichen Strukturformel ist hier auch die vereinfachte Darstellung angegeben):
46
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
60°
H2C CH2
90°
CH2
H2C CH2
Cyclopropan
H2C
H2C CH2
Cyclobutan
C H2
108°
CH2
H2C
109°
H2C H2C
CH2
CH2
CH2
CH2 CH2
Cyclohexan
Cyclopentan
Cyclopropan findet Verwendung als Inhalationsnarkotikum, Cyclohexan als Lösemittel. Durch Oxidation erhält man hieraus Cyclohexanol, Cyclohexanon und unter oxidativer Ringspaltung Adipinsäure (s. Abschn. 18.2), ebenfalls wichtige synthetische Bausteine. Außer einfachen Ringen gibt es auch kondensierte Ringsysteme, die vor allem in Naturstoffen, wie z. B. den Steroiden (s. a. Kap. 33) zu finden sind: H H H Dekalin
Hydrindan
H
5α-Gonan (Steran)
Cycloalkane haben die gleiche Summenformel wie Alkene, nämlich Cn H2n . Sie zeigen aber ein ähnliches chemisches Verhalten wie die offenkettigen Alkane. Ausnahmen hiervon sind Cyclopropan und Cyclobutan, die relativ leicht Reaktionen unter Ringöffnung eingehen. Dies ist auf die kleinen Bindungswinkel und die damit verbundene Ringspannung zurückzuführen.
3.2.1 Bau der Moleküle, Konformationen der Cycloalkane Im Gegensatz zum Sechsring sind im Drei- und Vierring die Bindungswinkel deformiert. Es tritt eine Ringspannung auf, die Baeyer-Spannung genannt wird: Alle C-Atome sollten sp3 -hybridisiert sein und Bindunswinkel von 109,3ı bilden. Wegen der Winkeldeformation ist die Überlappung der Orbitale jedoch nicht optimal. Es wird vermutet, dass die Änderung der Bindungswinkel durch Änderungen in der Hybridisierung der C-Atome zustande kommt und dadurch die Bindung einer CDC-Bindung ähnlich wird. Abb. 3.3a zeigt dies am Beispiel der bindenden sp3 -Orbitale des Cyclopropans. Die außerhalb der Kernverbindungslinien liegenden „gekrümmten“ Bindungen sind gut zu erkennen. Das neuere Walsh-Modell in Abb. 3.3b geht davon aus, dass die C–C-Bindungen des Rings durch Überlappung dreier p-Orbitale mit je einem sp2 -Orbital entstehen. Dabei tritt auch eine
3.2 Cyclische Alkane
47
Abb. 3.3 a Bindende sp3 -Orbitale im Cyclopropan. b Walsh-Modell des Cyclopropans Cyclopropan
Cyclobutan
H
H
Cyclohexan H
H
H H
Cyclopentan
H H
H
H
H H
H
H H
HH
H
HH
HH
H H
H
H H
H H
H
"Schmetterling"
H
H
H
H
H
H H
H H
H H
H H
H
H bevorzugte Konformation
HH
H
H
H
H
H
HH
H "Briefumschlag"
H
H
H
H H
H H
H
H
H
H
Sessel
Abb. 3.4 Konformationsspannung und Vorzugskonformationen bei Cycloalkanen
antibindende Wechselwirkung auf. Damit lässt sich die hohe Reaktivität des Cyclopropans gegenüber Br2 oder H2 SO4 im Vergleich zu Cyclobutan und den anderen Cycloalkanen erklären, die keine entsprechende Reaktion zeigen. Bei unsubstituierten Cycloalkanen tritt überdies – infolge von Wechselwirkungen zwischen den H-Atomen – eine Konformationsspannung auf, die man oft als Pitzer-Spannung (Abb. 3.4) bezeichnet. Sie ist besonders ausgeprägt bei Cyclopropan mit seinem relativ starren, planaren Molekülgerüst. Cyclobutan und Cyclopentan versuchen diese Wechselwirkungen durch einen gewinkelten Molekülbau zu vermindern, wobei sich die aus der Ebene herausgedrehten CH2 -Gruppen durch ständiges Umklappen abwechseln. Der Cyclohexanring liegt bevorzugt in der Sesselkonformation vor. Das Cyclohexan-Ringsystem Die sicherlich bekannteste Konformation von Cycloalkanen ist die bereits angesprochene Sesselkonformation des Cyclohexans. Sie ist die energetisch günstigste Konformation, und liegt daher bevorzugt vor. Durch Drehung um CC-Bindungen kann man die Sesselkonformation über eine andere wichtige Konformation, die
48
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane) a
a e
e
e
e
e
e
e
a
a
a
a
a
Sessel I
Wanne
a
Sessel II
a
a
e
e
e
e
e
e
a
e
e
e
a
e
a
e a
a
a
a
a
a e e
a
a
a
a
Abb. 3.5 Sessel- und Wannenform von Cyclohexan mit den verschiedenen Positionen der Substituenten (perspektivische und Newman-Projektionen) Abb. 3.6 Potentielle Energie verschiedener Konformationen von Cyclohexan
Energie (kJ/mol)
Halbsessel Wanne
Sessel 46 23
29
Twist Reaktionskoordinate
Wannenkonformation, in einen zweiten Sessel umwandeln. Beide Formen stehen bei Raumtemperatur miteinander im Gleichgewicht. Ihr Nachweis gelingt nur mit spektroskopischen Methoden (z. B. NMR-Spektroskopie). Anhand der Projektionsformeln der Molekülstrukturen in Abb. 3.5 erkennt man, dass die Sesselformen energieärmer sind, weil bei den Substituenten keine sterische Hinderung auftritt. Die H-Atome bzw. die Substituenten stehen auf Lücke (gestaffelt, staggered). Im Gegensatz hierzu stehen sie bei der Wannenform verdeckt (ekliptisch, eclipsed). Bei der gegenseitigen Umwandlung der beiden Sesselformen ineinander werden neben der Wannenform eine Reihe weiterer Konformationen, wie die Halbsessel- und Twist-Konformationen durchlaufen. Auch diese sind energetisch weniger günstig als die Sesselkonformation (Abb. 3.6). Beim Sessel unterscheidet man zwei Orientierungen der Substituenten. Sie können einerseits axial (a) stehen, dann ragen sie senkrecht zu dem gewellten Sechsring abwechselnd nach oben und unten heraus. Andererseits sind auch äquatoriale (e) Stellungen möglich, wobei die Substituenten hierbei in der Ringebene liegen. Zur korrekten zeichnerischen Darstellung richtet man die Bindungen zu den äquatorialen Substituenten parallel zur übernächsten Bindung im Ring aus.
3.2 Cyclische Alkane
49
Substituierte Cyclohexane Die gegenseitige Umwandlung der Sesselkonformationen ineinander bewirkt eine Wanderung von Atomen aus der axialen Position in die äquatoriale und umgekehrt. Bei substituierten Cyclohexanen führt dies dazu, dass Substituenten mit der größeren Raumbeanspruchung vorzugsweise die äquatorialen Stellungen einnehmen, weil die Wechselwirkungen mit den axialen H-Atomen geringer sind, und der zur Verfügung stehende Raum am größten ist. H H
H
H
CH3
H H
H
H H
H
H
äquatoriale Methyl-Gruppe (um 7,5 kJ/mol stabiler als die Struktur mit der axialen MethylGruppe)
H
H
H
H H
H
H
H
H
H
H
CH3
Sterische Wechselwirkungen bei axialer Methyl-Gruppe
Disubstituierte Cycloalkane unterscheiden sich durch die Stellung der Substituenten am Ring. Stehen zwei Substituenten auf derselben Seite der Ringebene, werden sie als cis-ständig, stehen sie auf entgegengesetzten Seiten, als trans-ständig bezeichnet. Diese cis-trans-Isomere sind Stereoisomere (s. Abschn. 2.4) und lassen sich nicht ineinander umwandeln, da hierzu CC-Bindungen gespalten werden müssten. 1,2-disubstituierte Cyclohexan-Derivate
I
trans
II
I
cis
II
Aus der Stellung der Substituenten in der trans (a,a oder e,e)- bzw. der cis (e,a)- Form ergibt sich, dass erstere stabiler ist: Im trans-Isomer I können beide Substituenten die energetisch günstigere äquatoriale Stellung einnehmen. Bei den entsprechenden cis-Isomeren befindet sich immer ein Substituent in der weniger günstigen axialen Position.
50
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
1,3-disubstituierte Cyclohexan-Derivate
I
trans
cis
I
II
II
Hier ist aus den gleichen Gründen von den beiden cis-Formen Form II stabiler. Man beachte, dass in diesem Fall entsprechend obiger Definition die Stellungen a,a bzw. e,e als cis und a,e als trans bezeichnet werden. 1,4-disubstituierte Cyclohexan-Derivate
I
trans
II
cis
I
II
Von den beiden trans (a,a oder e,e)- und cis (e,a)-Isomeren ist die diäquatoriale trans-Form I am stabilsten. Kondensierte Ringsysteme Sind cyclische Verbindungen über eine gemeinsame Bindung verknüpft, so spricht man von kondensierten Ringen. Beispiel Decalin (Decahydronaphthalin) Beim trans-Decalin (Sdp. 185 ı C) sind die beiden Ringe e/e-verknüpft. Hierdurch entsteht ein sehr starres Ringsystem. Das trans-Decalin ist um 8;4 kJ mol1 stabiler als das cis-Decalin. H
H e
a
e
e
e a
H
H
Beim cis-Decalin (Sdp. 194 ı C) liegt eine a/e-Verknüpfung der beiden Ringe vor. Hierdurch wird das System sehr flexibel, wobei die Substituenten beim Umklappen von Konformation I in II aus der axialen in die äquatoriale Position wandern und umgekehrt. H
H
a
e
H
H e H
I
a
II
H
3.2 Cyclische Alkane
51
Beispiel Das Steran-Gerüst Die beim Decalin gezeigte cis-trans-Isomerie findet man auch bei anderen kondensierten Ringsystemen. Besonders wichtig ist das Grundgerüst der Steroide, das Steran (Gonan). Das Molekül besteht aus einem hydrierten Phenanthren-Ringsystem (drei anellierte Cyclohexan-Sechsringe A, B, C), an das ein Cyclopentan-Ring D kondensiert ist. Es handelt sich also um ein tetracyclisches Ringgerüst. In fast allen natürlichen Steroiden sind die Ringe B und C sowie C und D trans-verknüpft. Die Ringe A und B können sowohl trans- (5’-Steran, Cholestan-Reihe) als auch cis-verknüpft (5“-Steran, Koprostan-Reihe) sein. Die relative Konfiguration der Substituenten bezieht sich auf die Gruppe am C-Atom 10. Bindungen, die nach oben aus der Molekülebene herausragen, werden als “-Bindungen bezeichnet. Sie werden in den vereinfachten Formeln mit durchgezogenen Valenzstrichen geschrieben. ’-Bindungen zeigen nach unten, sie werden mit punktierten Linien kenntlich gemacht. Danach stehen ’-Bindungen in trans-Stellung, “-Bindungen in cis-Stellung zur Gruppe am C-10-Atom. H
12
β
17
11
H
1 2
A
C H 13 14 9
10 5
3 4
8
BH
D
16
9
H
5
H
H
6
13
8
15
7
H
10
1
H
H
H
14
H
α
A/B trans: 5’-Steran (ausgewählte ’- und “-Positionen sind markiert) 12
H
17
11
C H 13 14 9
H
1 2
10
A
5
3 4
8
BH
H
H
H D
16
10
1
9
H
15
5
7
8
H 13
14
H
H
6
H
A/B cis: 5“-Steran Beispiel Cholesterol (D Cholesterin; 3“-Hydroxy-5-cholesten; Cholest-5-en3“-ol) 21
12 19 11 1 CH3 2
10
3
HO
5 4
24
22
18
CH3
20
26 18
23
25
19
17 13 H 14 9
H
8 7
6
H
16
CH3
27
10
1 15
H 9
HO 3
5
H 6
8
CH3 13
14
H
17
20 25
52
3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
3.2.2 Herstellung von Cycloalkanen Cyclopropan 1. Umsetzung von 1-Brom-3-chlorpropan mit Natrium nach Wurtz CH2
CH2 Cl H2C
H2C
+ 2 Na
+ NaBr + NaCl CH2
CH2 Br
2. Durch Cycloaddition aliphatischer Diazoverbindungen (s. a. Abschn. 6.2.1) Durch eine 1,3-dipolare Cycloaddition (s. a. Abschn. 6.2.3) eines Diazoalkans an ein Alken bildet sich ein Pyrazolinderivats (Abschn. 22.3.1), welches anschließend thermisch Stickstoff abspalten kann, unter Bildung des Cyclopropanringes. R R H C C H
R CH CH R + CH2N2 Alken
N N
Diazomethan
Δ − N2
CH2
R R H C C H C H H
'Pyrazolin'
Cyclobutan 1. Reduktion von Cyclobutanon nach Wolff-Kishner (s. Abschn. 16.5.2.2) NH2 O + N 2H 4
N
- H 2O
C2H5ONa
+ N2
2. Durch [2+2]-Cycloaddition (s. a. Abschn. 6.2.2) Substituierte Cyclobutane erhält man durch Dimerisierung aktivierter Doppelbindungen, welche thermisch oder photochemisch cyclisiert werden können. 2 C6H5
CH CH COOH Zimtsäure
hν
C6H5 C6H5
CH CH COOH + CH CH COOH Truxinsäure
C6H5
CH CH COOH
HOOC CH CH C6H5 Truxillsäure
Cyclopentan Clemmensen-Reduktion von Cyclopentanon (s. Abschn. 16.5.2.1) O
Zn(Hg), HCl - H 2O
Cyclohexan Katalytische Hydrierung von Benzol am Nickel-Kontakt. Größerer Ringe erhält man durch intramolekulare Ringschlussreaktionen bei sehr niedrigen Konzentrationen (Verdünnungsprinzip) (s. a. Abschn. 20.2.1.2).
4
Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR)
Obwohl Alkane weniger reaktionsfreudig sind als andere Verbindungen, erlauben sie dennoch Reaktionen, die über Radikale als Zwischenstufen verlaufen. Typische Reaktionen gesättigter Kohlenwasserstoffe sind daher radikalische Substitutionen.
4.1 Herstellung von Radikalen Radikale sind Atome, Moleküle oder Ionen mit ungepaarten Elektronen. Sie bilden sich u. a. bei der photochemischen oder thermischen Spaltung neutraler Moleküle. Während eine thermische Spaltung (Symbol: ) immer gelingt, setzt eine photochemische Bindungsspaltung (h) die Absorption der Strahlung voraus. „Farbige Verbindungen“ wie etwa Halogene werden besonders leicht gespalten. Photochemisch generierte Halogenradikale spielen auch bei der Zersetzung des Ozons in der Stratosphäre eine wichtige Rolle. Moleküle mit niedriger Bindungsdissoziationsenergie wie 1 (125 kJ=mol) und 2 (130 kJ=mol) werden oft als Initiatoren (Starter) benutzt, die beim Zerfall eine gewünschte Radikalreaktion einleiten. Bei dem aus 1 gebildeten Phenylradikal befindet sich das ungepaarte Elektron in einem sp2 -Orbital welches senkrecht zum -System steht. Das Phenylradikal ist somit nicht mesomeriestabilisiert und besonders reaktiv. a) photochemisch Cl Cl
hν
2 Cl
Br
Br
hν
2 Br
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_4
53
54
4 Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR)
b) thermisch 2 CO2 Δ
C O O C O
H 3C H 3C
2
O
Dibenzoylperoxid (1)
N C C
C O
2
O
Benzoyloxy-Radikal
CH3 N N C C N
Phenyl-Radikal
CH3
Δ
CH3
N C C
2
N C C CH3
CH3 N2
AIBN (2) (Azobisisobutyronitril)
CH3
2-Cyano-2-propyl-Radikal
Auch durch Redoxreaktionen lassen sich Radikale erzeugen. Beispiele die Kolbe-Synthese von Kohlenwasserstoffen (s. Abschn. 3.1.3.2) die Sandmeyer-Reaktion von Aryldiazonium-halogeniden (s. Abschn. 14.5.2) die Reaktion von Peroxiden mit Fe2C zur Zerstörung von Etherperoxiden: R–O–O–H + Fe
2+
⎯ ⎯→ Fe3+ + R–O· + OH–
4.2 Struktur und Stabilität Radikale nehmen von der Struktur her eine Zwischenstellung ein zwischen den Carbanionen und Carbeniumionen. Bei einfachen Radikalen R3 C liegt vermutlich eine Geometrie vor, die zwischen einem flachen Tetraeder und einem planaren sp2 -Gerüst liegt.
3 C sp
Carbanion
C
sp 3 /sp 2
Radikal
C
sp 2
Carbeniumion
Die Stabilität von Radikalen nimmt in dem Maße zu, wie das ungepaarte Elektron im Molekül delokalisiert werden kann (s. a. Abschn. 1.4). Für Alkyl-Radikale gilt daher – wie bei den Carbeniumionen – die Reihenfolge: primär < sekundär < tertiär Mesomere Effekte können Radikale zusätzlich stabilisieren. Beim Benzylradikal befindet sich im Gegensatz zum Phenylradikal das ungepaarte Elektron in einem
4.3 Ablauf von Radikalreaktionen
55
p-Orbital das parallel zum -System steht. Hier ist eine Delokalisierung über den Ring möglich (4 mesomere Grenzstrukturen). CH H 2C
CH CH2
CH2
H 2C
CH2
Allylradikal
CH2
CH2
CH2
Benzylradikal
Beim Triphenylmethyl- (Trityl-) Radikal gibt es sogar 10 mesomere Grenzstrukturen. Die Dimerisierung dieses Radikals erfolgt aus sterischen Gründen nicht wie erwartet zum Hexaphenylethan, sondern zum 1-Diphenylmethylen-4-triphenylmethyl-2,5-cyclohexadien. Da die Rekombination dieses Radikals behindert ist, hat es eine vergleichsweise hohe Lebensdauer. Man spricht in solchen Fällen von persistenten Radikalen.
H
Triphenylmethylradikal 10 mesomere Grenzstrukturen !
O2N 1,1-Diphenyl-2-pikrylhydrazyl-Radikal N N
NO2
(violett, zum Nachweis anderer Radikale geeignet)
O2N
4.3
Ablauf von Radikalreaktionen
Alle radikalischen Substitutionsreaktionen sind Kettenreaktionen, welche in der Regel durch die Spaltung eines Initiatormoleküls (I2 ) ausgelöst werden. Die in dieser Startreaktion gebildeten reaktiven Radikale I setzen dann die eigentlich Reaktionskette in Gang, die sich immer wiederholt. Die Anzahl der durchlaufenen Cyclen pro Startreaktion bezeichnet man als Kettenlänge. Die Kettenlänge hängt ab von der Anzahl der Kettenabbruchsreaktionen, bei welcher die für die Kette benötigten reaktiven Radikale verbraucht werden. Je mehr Abbruchreaktionen, desto kürzer die Kette.
56
4 Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR) I2
2I
Startreaktion
I + A−B
I−A + B
B + C−D
B−C + D
D + A−B
D−A + B
B + C−D
B−C + D
2B
B2
2D
D2
B + D
Reaktionskette
Kettenabbruch
B−D
Ob, wie schnell und wie selektiv eine solche Kettenreaktion abläuft, hängt von der „Energiebilanz“ der Reaktion ab. Hierzu vergleicht man die Energie, die benötigt wird um die A–B- bzw. die C–D-Bindungen zu spalten, mit der Energie die bei der Bildung der D–A- und der B–C-Bindung frei wird. Insgesamt endotherme Reaktionen laufen nicht ab, exotherme Reaktionen umso schneller und unselektiver, je mehr Energie frei wird. Die zur Spaltung des Initiators benötigte Energie muss hierbei nicht berücksichtigt werden.
4.4 Selektivität bei radikalischen Substitutions-Reaktionen Bei radikalischen Reaktionen kann man verschiedene Arten von Selektivitäten unterscheiden: Regioselektivität Man bezeichnet eine Umsetzung dann als regioselektiv, wenn bevorzugt eine ganz bestimmte C-H-Bindung im Molekül substituiert wird. In der Regel ist dies die Position, wo sich das stabilste Radikal bildet. Betrachtet man z. B. die radikalische Chlorierung von Toluol, so erfolgt der Angriff ausschließlich an der CH3 -Gruppe (keine Chlorierung des aromat. Rings), wobei die erste Chlorierung sehr viel schneller erfolgt als die zweite. Es wird also vorwiegend Benzylchlorid gebildet. CH3 Cl
+ HCl
CH3
Δ
+ Cl 2 Toluol
Δ
CH2 Cl
Benzylchlorid
Chemoselektivität Von Chemoselektivität spricht man, wenn ein Reagenz in einem Substrat mehrere verschiedene Reaktionen eingehen kann, aber nur eine Reaktion erfolgt. Bei der Umsetzung von Propen mit Chlor kann es prinzipiell zu einer Addition des Chlors an die Doppelbindung und/oder zu einer Substitution in Allylstellung kommen. Bei der technischen Heißphasenchlorierung erfolgt jedoch ausschließlich die allylische Substitution (die Gründe hierfür werden in
4.4 Selektivität bei radikalischen Substitutions-Reaktionen
57
Abschn. 4.5.2.1 erläutert). Diese Reaktion ist also nicht nur regioselektiv sondern auch chemoselektiv. Cl Cl CH2
CH
500°C CH3
CH2
CH
CH3
+ Cl2
500°C CH2
CH
CH2
Cl
Allylchlorid
Homolysen verlaufen umso leichter, je kleiner die Bindungsenergie der aufzuspaltenden Elektronenpaarbindung ist. Eine Zusammenstellung der Bindungsdissoziationsenergien relevanter Bindungen findet sich in Abschn. 1.4. Unter den Alkylradikalen entstehen die tertiären Radikale am leichtesten und sind auch am stabilsten. Dennoch erhält man bei vielen Reaktionen, wie z. B. Halogenierungen oftmals Isomerengemische. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Anzahl der primären H-Atome in einem Alkan größer ist als z. B. die Anzahl der tertiären. Es ist somit eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen radikalischen Angriff gegeben (statistischer Faktor). Die Produktverteilung hängt jedoch nicht nur vom Kohlenwasserstoff ab, sondern vor allem auch vom verwendeten Halogen. Fluorierungen z. B. sind extrem exotherme Reaktionen und lassen sich überhaupt nicht kontrollieren; C–C-Bindungen werden hierbei genauso gespalten wie C–H-Bindungen. Auch Chlorierungen verlaufen in der Regel recht unselektiv, wobei es hierbei häufig auch zu Mehrfachchlorierungen kommt. Bei Bromierungen kann sich allerdings die Reaktivität der H-Atome am Reaktionszentrum (Reihenfolge: tertiär > sekundär > primär) so stark bemerkbar machen, dass bevorzugt ein Isomer entsteht (Regioselektivität). So bildet sich bei der Bromierung von Isobutan zu 99 % tertiäres Butylbromid (2-Brom-2-methylpropan). CH2 X
CH3 CH3 C H
+
X2
hν
CH3 C H
CH3 +
CH3
CH3 X = Cl X = Br
64 1
CH3 C X CH3
: :
36 99
Der Selektivitäts-bestimmende Schritt ist hierbei die Abstraktion eines H-Atoms aus dem Kohlenwasserstoff durch ein Halogenradikal, unter Bildung eines Alkylradikals und Halogenwasserstoff. Betrachtet man die Bindungsdissoziationsenergien der hierbei beteiligten Bindungen, so erkennt man, dass dieser Schritt bei der Bromierung endotherm ist, und zwar umso mehr, je instabiler das gebildete Alkylradikal ist. Bindungsdissoziationsenergien: HBrW 366 kJ=mol RCH2 HW 410 kJ=mol
HClW 431 kJ=mol R3 CHW 381 kJ=mol
58
4 Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR)
So wird bei der Bildung von HBr weniger Energie frei, als zur Spaltung der CHBindung benötigt wird. Die Differenz ist jedoch bei der tertiären CH-Bindung relativ gering, so dass diese selektiv angegriffen wird. Bei der Chlorierung ist dieser Reaktionsschritt insgesamt exotherm und demzufolge weniger selektiv. Relative Reaktivitäten gegenüber Halogenradikalen:
F Cl Br
RCH2 H R2 CHH R3 CH 1 1;2 1;4 1 4;7 9;8 1 250 6300
4.5 Beispiele für Radikalreaktionen 4.5.1 Umsetzungen von Alkanen 4.5.1.1 Photochlorierung von Alkanen mit Cl2 RCH3 + Cl2 Alkan
hν
RCH2 Cl
+ H−Cl
Halogenalkan
Die bei der Halogenierung entstehenden Halogenalkane (Alkylhalogenide) sind wichtige Lösemittel und reaktionsfähige Ausgangsstoffe. Aufgrund der geringen Selektivität der Chlorierung erhält man bei der Umsetzung von Methan außer Chlormethan (Methylchlorid, CH3 Cl) noch Dichlormethan (Methylenchlorid, CH2 Cl2 /, Trichlormethan (Chloroform, CHCl3 / und Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff, CCl4 ). Höhere Alkane ergeben ebenfalls Produktgemische die destillativ getrennt werden müssen. Einige dieser halogenierten Kohlenwasserstoffe sind häufig verwendete Lösemittel und haben narkotische Wirkungen. In einer Startreaktion wird zunächst ein Chlorradikal gebildet. Danach wird aus einem Alkan durch Abstraktion eines H ein Alkylradikal erzeugt, das seinerseits ein Chlormolekül angreift und so eine Reaktionskette in Gang setzt, die bei Bestrahlung mit Sonnenlicht explosionsartig verlaufen kann. Wenn diese Kette einmal gestartet wurde, kann sie Längen bis zu 106 Cyclen erreichen, bevor sie abbricht. Möglichkeiten des Kettenabbruchs sind Radikalrekombinationen sowie Disproportionierungsreaktionen (bei höheren Alkanen). Durch Zugabe von Inhibitoren (Radikalfängern) wie Sauerstoff, Phenolen, Chinonen, Iod etc. können Radikalketten künstlich gesteuert werden, indem sie abgebrochen oder von vornherein unterbunden werden (Zugabe von „Stabilisatoren“ zu lichtempfindlichen Substanzen).
4.5 Beispiele für Radikalreaktionen Cl2
hν
59 Startreaktion
2 Cl
Cl + RCH2 CH3
HCl + RCH CH3
RCH CH3 + Cl2
Reaktionskette
RCH CH3 + Cl Cl
2 Cl
Cl2
Cl + RCH CH3 2 RCH CH3
RCH CH3 Cl
Kettenabbruch
RCH CH2 + RCH2 CH3
(Disproportionierung)
4.5.1.2 Die Chlorierung von Alkanen mit Sulfurylchlorid, SO2 Cl2 Hierbei wird z. B. Dibenzoylperoxid als Starter benutzt. Δ
(C6H5COO)2
2 C6H5COO Startreaktion
C6H5 + CO2
C6H5COO
C6H5Cl + SO2Cl
C6H5 + SO2Cl2
R
SO2Cl + R−H R + SO2Cl2
+ HSO2Cl
HCl + SO2
Reaktionskette
R−Cl + SO2Cl
Diese Reaktion liefert prinzipiell dasselbe Reaktionsprodukt wie die Chlorierung mit elementarem Chlor, jedoch verläuft diese Chlorierung selektiver. Dies lässt sich anhand einer höheren Stabilität, und daher auch höheren Selektivität des intermediär gebildeten Chlorsulfonylradikals erklären.
4.5.1.3 Chlorsulfonierung Bei der Chlorsulfonierung (nach Reed) lässt man Chlor und Schwefeldioxid unter UV-Bestrahlung auf Alkane einwirken. Hierbei kommt es wie bei der Photochlorierung zur Spaltung des Chlors und zur Bildung eines Alkylradikals. Dieses reagiert dann sehr schnell mit SO2 , das dabei gebildete Sulfonylradikal reagiert anschließend mit Cl2 zum Sulfonylchlorid und Cl, das den nächsten Cyclus einleitet. Da der erste Schritt wie bei der Photochlorierung wenig selektiv erfolgt, entstehen auch bei diesem Prozess Produktgemische. Technisch ist dieses Verfahren interessant, da aus höheren Alkanen langkettige Sulfonylchloride gebildet werden, die wichtige Ausgangsverbindungen z. B. für Waschmittel darstellen. Cl2 Cl + RCH3 RCH2 + SO2 RCH2 SO2
+
Cl2
hν
2 Cl
Startreaktion
HCl + RCH2 RCH2 SO2 RCH2 SO2Cl + Cl
Reaktionskette
60
4 Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR)
4.5.1.4 Pyrolysen Unter Pyrolyse versteht man die thermische Zersetzung einer Verbindung. Die technische Pyrolyse langkettiger Alkane wird als Cracken bezeichnet (bei ca. 700– 900 ı C). Dabei entstehen kurzkettige Alkane, Alkene und Wasserstoff durch Dehydrierung. Die Bruchstücke gehen bei den hohen Temperaturen z. T. Folgereaktionen ein (Isomerisierung, Ringschlüsse u. a.).
4.5.2
Umsetzungen von Alkenen in Allylstellung
Alkene können mit Radikalen zum einen unter Addition an die Doppelbindung reagieren (s. Abschn. 6.1.1), zum anderen auch unter Substitution in Allylposition, je nach Reaktionsbedingungen. Hohe Konzentrationen z. B. an Halogen führen in der Regel zum Additionsprodukt, während niedere Halogenkonzentrationen die Substitution begünstigen. Dies lässt sich verstehen, wenn man die beteiligten Intermediate betrachtet: Bei der Addition entsteht aus dem relativ stabilen Halogenradikal ein weit weniger stabiles Alkylradikal. Bei hoher Halogenkonzentration findet dieses Radikal schnell einen Reaktionspartner und reagiert zum Additionsprodukt ab. Bei niederen Konzentrationen zerfällt es jedoch wieder. X
H 2C
CH
CH2
X
R
Addition
H 2C
CH
CH2
R
X Substit.
H 2C
X H 2C
CH
CH
R
X2
X2
X
CH
X + H 2C
R +X CH2
CH
CH X
R
Ganz anders ist die Situation bei der Substitution. Greift das Halogenradikal an der Allylposition unter H-Abstraktion an, so bildet sich ein mesomeriestabilisertes Allylradikal, das von sich aus keine Folgereaktionen eingehen kann. Dieses Radikal muss also „warten bis es einen Reaktionspartner findet“. Ähnliche Reaktionen lassen sich auch an der Benzylposition alkylierter Aromaten durchführen (Abschn. 7.6.2.2).
4.5.2.1 Heißphasenchlorierung Eine Möglichkeit die Konzentration an Halogen möglichst gering zu halten besteht in der Durchführung der Reaktion bei hoher Temperatur in der Gasphase. So erhält man aus Propen Allylchlorid. H 2C
CH
Cl2 CH3
500 °C
H 2C
CH
CH2
Cl
+ HCl
4.5 Beispiele für Radikalreaktionen
61
4.5.2.2 Halogenierung mit N -Brom-Succinimid (Wohl-Ziegler-Reaktion) Halogenierungen können anstatt mit elementaren Halogenen auch mit halogenierten Verbindungen ausgeführt werden. Für Chlorierungen und Bromierungen in der Allylstellung (Erhalt der Doppelbindung!) verwendet man N-Halogen-Succinimid (NBS D N-Brom-Succinimid, NCS D N-Chlor-Succinimid). Diese Verbindung erhält man durch Umsetzung von Succinimid mit dem entsprechenden Halogen in Gegenwart von Natronlauge. O H2C
CH
CH3
+
O
N Br
Starter H2C
CH
CH2
Br
+
N H O
O
Das so gebildete N -Bromsuccinimid ist daher häufig durch Spuren von Brom verunreinigt, was sich jedoch sehr positiv auf die Reaktion auswirkt. Denn diese Spuren an Brom sind für die selektive Halogenierung in Allylposition verantwortlich. Der Mechanismus sei am Beispiel der Bromierung von Cyclohexen kurz illustriert: Die Radikalreaktion wird durch einen Starter initiiert, wobei das in geringer Konzentrationen gebildete Halogenradikal das Alken in Allylposition angreift (stabilisiertes Radikal) unter Bildung von HBr. Diese setzt dann aus dem Halogenimid in einer nicht-radikalischen sondern ionischen Reaktion das Halogen erst während der Reaktion frei. Dadurch wird die Konzentration an freiem Halogen während der Reaktion konstant niedrig gehalten. Man verwendet zudem Tetrachlorkohlenstoff CCl4 als Lösemittel, in dem das NBS so gut wie unlöslich ist. Auch dies hilft die Konzentration niedrig zu halten. Außerdem lässt sich der Reaktionsverlauf sehr schön verfolgen: NBS ist schwerer als CCl4 und liegt daher zu Beginn der Reaktion am Kolbenboden. Während der Reaktion bildet sich Succinimid, ebenfalls nicht löslich in CCl4 aber leichter als dieses. Es schwimmt also nach der Reaktion an der Oberfläche. Ist der Bodensatz verbraucht, ist die Reaktion beendet. Br2
Mechanismus:
Br
Starter
2 Br
+
+ HBr
O N Br + HBr O Br2 +
O Br2
N H
+ Br
O +
Br
5
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
5.1
Alkene
5.1.1 Nomenklatur und Struktur Die Alkene, häufig auch noch als Olefine bezeichnet, bilden eine homologe Reihe von Kohlenwasserstoffen mit einer oder mehreren CDC-Doppelbindungen. Die Namen werden gebildet, indem man bei dem entsprechenden Alkan die Endung -an durch -en ersetzt und die Lage der Doppelbindung im Molekül durch Ziffern, manchmal auch durch das Symbol , angibt. Ihre Summenformel ist Cn H2n . Wir kennen normale, verzweigte und cyclische Alkene. Bei den Alkenen treten erheblich mehr Isomere (s. a. Abschn. 2.2) auf als bei den Alkanen. Zu der Verzweigung kommen die verschiedenen möglichen Lagen der Doppelbindung (Konstitutionsisomerie) und die cis-trans-Isomerie hinzu. Beispiele (die ersten drei Verbindungen unterscheiden sich um eine CH2 -Gruppe D homologe Reihe): CH3 CH2
CH2
Ethen (Ethylen)
H2C H2C
H2 C C H2
CH2
CH CH3
CH2
Propen (Propylen)
CH3
1-Buten
H3C
CH
H
CH2
CH
H
H
CH
Vinyl (Ethenyl)
CH3
CH2
H C C
trans-2-Buten E-2-Buten
CH2
C CH3
2-Methylpropen (Isobuten)
C C
Cyclohexen
Reste:
CH CH2
CH CH2
H3C
CH3
cis-2-Buten Z-2-Buten
Allyl (2-Propenyl)
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_5
63
64
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
cis-trans-Isomerie (geometrische Isomerie) Diese Art von Isomerie tritt auf, wenn die freie Drehbarkeit um die KohlenstoffKohlenstoff-Bindung aufgehoben wird, z. B. durch einen Ring (s. Abschn. 3.2.1) oder eine Doppelbindung. Bei letzterer wird die Rotation durch die außerhalb der Bindungsachse liegenden Überlappungszonen der p-Orbitale eingeschränkt (s. Abschn. 1.3.2). Beim trans-2-Buten befinden sich jeweils gleiche Substituenten an gegenüberliegenden Seiten der Doppelbindung, beim cis-2-Buten auf derselben Seite. Diese cis-trans-Benennung ist sehr gut geeignet zur Beschreibung 1,2-disubstituierter Doppelbindungen, sie bereitet jedoch Probleme bei drei- und vierfach substituierten Systemen. Hinzu kommt, dass die geometrische Isomerie auch bei Molekülen mit andersartigen Doppelbindungen wie CDN oder NDN auftreten kann. Daher hat man ein Bewertungssystem ausgewählt, bei dem die Substituenten gemäß den Cahn-Ingold-Prelog-Regeln (s. Abschn. 25.3.2) nach fallender Ordnungszahl geordnet werden. Dies gilt auch für größere Gruppen. Befinden sich die Substituenten mit höherer Priorität auf derselben Seite der Doppelbindung, liegt eine Z-Konfiguration (Z von „zusammen“) vor. Liegen diese Substituenten auf entgegengesetzten Seiten, spricht man von einer E-Konfiguration (E von „entgegen“). Beispiele H3C
CH2 CH3
H3C
C C Br
CH2 CH3
E
Cl
H3C
Z
C
C2H5 > CH 3
Br
E
1-Brom-1-chlor-2-methyl-1-buten Br > Cl
C
C Br
CH2 CH3
Cl
C
C Cl
CH2 CH3
Cl
C
CH3
Br
Z
2-Brom-3-chlor-2-penten Prioritäten
Br > CH 3
Cl > C2H5
Im Gegensatz zu Konformeren können cis-trans-Isomere getrennt werden, sie unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften (Schmelzpunkt, Siedepunkt, oft auch charakteristisch im Dipolmoment).
5.1.2 I
Vorkommen und Herstellung von Alkenen Alkene werden großtechnisch bei der Erdölverarbeitung durch thermische Crack-Verfahren oder katalytische Dehydrierung gewonnen.
1. Im Labor werden oft Eliminierungs-Reaktionen (s. Kap. 11) für die OlefinHerstellung benutzt. Analoges gilt für die Alkine.
5.1 Alkene
65
Beispiel Dehydratisierung von Alkoholen thermisch und/oder im sauren Milieu Die saure Dehydratisierung erfolgt durch Protonierung der OH-Funktion und Bildung eines Carbeniumions unter H2 O-Abspaltung (E1-Mechanismus, s. Abschn. 11.2.1). Daher können bei höheren Alkoholen Nebenreaktionen wie Umlagerungen auftreten, was zu Produktgemischen führen kann. H2SO 4 150°C
CH3
CH2
OH
CH2
Al2O 3
Ethanol
CH2 + H2O
Ethen
400°C
Beispiel Eliminierung von Halogenwasserstoff im basischen Milieu Die Eliminierung erfolgt in der Regel nach einem E2 -Mechanismus (Abschn. 11.2.3), wobei bei cyclischen Verbindungen das abgespaltene Proton trans zum austretenden Chlorid orientiert sein muss. Eine analoge Eliminierung aus trans-1Chlor-2-methylcyclohexan ist daher nicht möglich. H
OH
−
CH3
CH3
− + H2O + Cl
Cl cis-1-Chlor-2-methylhexan
1-Methylcyclohexen
2. Die partielle Reduktion von Alkinen erlaubt durch geeignete Wahl der Reaktionsbedingungen die selektive Herstellung von cis- oder trans-Alkenen. Die Verwendung eines teilweise vergifteten Katalysators, des sog. Lindlar-Katalysators (Pd/CaCO3 /PbO) erlaubt eine partielle Hydrierung der Dreifachbindung. Der zu übertragende Wasserstoff und das Alkin werden gleichzeitig an den Katalysator gebunden und der Wasserstoff ausschließlich auf „eine Seite“ der Dreifachbindung übertragen. Es wird stereospezifisch ein cis-Alken gebildet.
R C C R
H2 LindlarKatalysator
R
R stereospezifisch !
C C H
cis
H
Bei der Reduktion mit Natrium in flüssigen Ammoniak kommt es zu einer Übertragung von Elektronen vom Natrium auf die Dreifachbindung. Es bildet sich intermediär ein Dianion, wobei die neg. Ladungen sich gegenseitig abstoßen und daher auf „maximale Distanz“ zueinander gehen. Anschließende Protonierung liefert daher bevorzugt (aber nicht ausschließlich) das trans-Produkt. Diese Reaktion verläuft stereoselektiv (s. a. Abschn. 25.5.2).
66
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
2 Na / NH3
R C C R
2
R
−
R
H stereoselektiv
C C
C C R
2 Na+
H
trans
R
3. Die Wittig-Reaktion (s. Abschn. 15.4.5) und die verwandte Horner-EmmonsReaktion sind sehr beliebte Methoden zur Einführung von Doppelbindungen in Moleküle vor allem deshalb, weil sich unter C–C-Knüpfung auch komplexe Moleküle aufbauen lassen. Ein Problem bei diesen Reaktionen ist die Kontrolle der Doppelbindungsgeometrie während des Knüpfungsschrittes. R
PPh3+X−
starkeBase
Phosphonium-Salz (Wittig-Reagenz)
R
R'CHO
PPh3
R
R'
'Phosphor-Ylen'
5.1.3 Verwendung von Alkenen Die wichtigsten Reaktionen der Alkene sind Additionsreaktionen (s. Kap. 6), die zu einer Reihe auch technisch wichtiger Produkte führen Eine Zusammenfassung der wichtigsten Produkt zeigt Tab. 5.1. Tab. 5.1 Verwendung und Eigenschaften einiger Alkene Ethen H2 CDCH2 Schmp. 169 ı C Sdp. 102 ı C
O2 .Ag/
! Cl2
!
Vinylchlorid (! PVC)
!
Acetaldehyd
O2 .PdCl2 / C6 H6
! HCl
! H2 O
! H2 CDCH2
! Propen CH2 DCHCH3 Schmp. 185 ı C Sdp. 48 ı C
O2 =NH3
Ethylbenzol (! Styrol) Ethylchlorid Ethanol Polyethylen
!
Acrylnitril (! Polyacrylnitril)
!
Aceton
O2 .PdCl2 / H2 O
! Cl2
! C6 H6
! H2 CDCHCH3
Buten CH3 CH2 CHDCH2 Schmp. 186 ı C, Sdp. 6 ı C
Ethylenoxid
Propanol (! Aceton) Alkylchlorid Cumol (! Aceton, Phenol)
!
Polypropylen
!
1,3-Butadien
H2
H2 O
!
2-Butanol
5.1 Alkene
67
5.1.3.1 Diene und Polyene Neben Molekülen mit nur einer Doppelbindung gibt es auch solche, die mehrere Doppelbindungen enthalten, z. B. die Diene und Polyene. Man unterscheidet kumulierte (direkt benachbarte) Doppelbindungen konjugierte Doppelbindungen (alternierende Doppel- und Einfachbindungen) isolierte Doppelbindungen (keine Wechselwirkungen zwischen den Doppelbindungen). Beispiele CH2
C CH CH2
CH3
CH2
CH CH CH CH3
CH2
CH CH2
1,3-Pentadien konjugiert
1,2-Pentadien kumuliert
CH CH2
1,4-Pentadien isoliert
Kumulene Verbindungen mit zwei oder mehr aneinander gereihten Doppelbindungen heißen Kumulene. Das einfachste Kumulen ist das Propadien (Allen), das zwei sp2 und ein sp-hybridisiertes C-Atom enthält: H2 CDCDCH2. Die p-Orbitale der beiden -Bindungen stehen hierbei senkrecht zueinander. Kumulene sind stereochemisch besonders interessant, da sie bei gerader Anzahl von Doppelbindungen chiral sind und bei ungerader Anzahl als cis-transIsomere auftreten (s. Abschn. 25.4.3). Konjugierte Diene Während sich Moleküle mit isolierten Doppelbindungen wie einfache Alkene verhalten, haben Moleküle mit konjugierten Doppelbindungen andere Eigenschaften. Dies macht sich besonders bei Additionsreaktionen (s. Kap. 6) bemerkbar. Die Addition von Br2 an Butadien gibt neben dem Produkt der „üblichen“ 1,2Addition auch ein 1,4-Additionsprodukt: CH2
CH CH CH2
CH2
Br2
Br
CH CH CH2 Br 1,2-Addukt
+
CH CH CH2
CH2 Br
Br 1,4-Addukt
Der Grund hierfür ist, dass als Zwischenstufe ein substituiertes Allyl-Kation (Carbeniumion) auftritt, in dem die positive Ladung auf die C-Atome 2 und 4 verteilt ist (Mesomerie-Effekte): CH2 Br
+
CH CH CH2
CH2 Br
+
CH CH CH2
CH2 Br
δ+ δ+ CH CH CH2
68
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
Das Mengenverhältnis beider Isomere hängt von den Reaktionsbedingungen ab. Bei tiefen Temperaturen entsteht meist überwiegend das schneller gebildete 1,2Addukt („kinetische Kontrolle“), bei höheren Temperaturen das thermodynamisch stabilere 1,4-Addukt („thermodynamische Kontrolle“). Von Bedeutung ist außerdem, dass die Hydrierungs-Enthalpien der konjugierten Verbindungen (z. B. 1,3-Butadien) stets kleiner sind als die der entsprechenden nichtkonjugierten Verbindungen (z. B. 1,2-Butadien). Konjugierte -Systeme haben also einen kleineren Energieinhalt und sind somit stabiler. Der Grund hierfür ist die Delokalisierung von -Elektronen in den konjugierten Polyenen wie z. B. beim Butadien. Alle C-Atome liegen hier in einer Ebene, daher können sich alle vier mit je einem Elektron besetzten p-Atomorbitale überlappen. Es bildet sich eine über das ganze Molekülgerüst verteilte Elektronenwolke (Einzelheiten s. Abschn. 5.1.4).
Besonders wichtige Reaktionen solcher konjugierter Diene sind Diels-AlderReaktionen, so genannte [4+2]-Cycloadditionen, welche im nächsten Kapitel (s. Abschn. 6.2.4) ausführlich behandelt werden. Valenzisomerie Einige Polyene zeigen eine Isomerie, die man Valenzisomerie oder Valenztautomerie nennt. Valenzisomere entstehen durch intramolekulare Umordnungen von Bindungen. Reaktand und Produkt sind bei diesen Mehrzentrenprozessen Konstitutionsisomere (s. a. Kap. 2). Valenzisomere können getrennt werden, wenn die Energiebarriere für ihre gegenseitige Umwandlung hoch genug ist. Andernfalls können sie indirekt, z. B. spektroskopisch, nachgewiesen werden. Als degenerierte (entartete) Valenzisomere werden Verbindungen bezeichnet, bei denen Reaktand und Produkt die gleiche Molekülstruktur haben und die Bindungen sich reversibel ineinander umwandeln („fluktuieren“). Fluktuierende Bindungen sind keine mesomeren Systeme wie etwa Benzol! Besonders gut untersucht ist das abgebildete 1,3,5,7-Cyclooctatetraen (Darst. s. Abschn. 5.2), eine nicht-aromatische Verbindung, die in einer Wannenform vorliegt. Die valenzisomeren Formen können NMR-spektroskopisch unterschieden werden. Man beobachtet eine Ringinversion (k1 ), eine entartete Valenztautomerie (k2 ) und eine Valenztautomerie (k3 ) zu cis-Bicyclo-[4,2,0]octatrien-(2,4,7) mit einem Gleichgewichtsanteil von 0,01 %.
5.1 Alkene
69 2
5
4
3
6
2
k2
1 7
8
k1
4
3
2
6
7
5
k1 = 10 s k2 = 70 s
1
k3
8
k_ 3
4
H
_1 _1
k3 = 6 10
_
H
E A (2) = 57,3 kJ mol 10 _ 1
k_ 3 = 9,1 10
s
_4 _ 1
s
_1 _1
EA (3) = 113,8 kJ mol _ E A (-3) = 78,2 kJ mol 1
k D Geschwindigkeitskonstante bei 0 ı C, EA D Aktivierungsenergie
5.1.4 Elektronenstrukturen von Alkenen nach der MO-Theorie Ergänzend zu den bindungstheoretischen Ausführungen in Abschn. 1.3 sollen hier die Energieniveau-Schemata von Alkenen betrachtet werden.
5.1.4.1 Ethen Das Molekülorbital (MO)-Schema enthält sechs bindende und sechs antibindende MO (Abb. 5.1). Das bindende -MO (E1 ) ist doppelt besetzt und zugleich das höchste besetzte MO (HOMO D highest occupied MO) des Grundzustandes. Das antibindende -MO (E2 ) ist demnach das niedrigste unbesetzte MO (LUMO D lowest unoccupied MO). Die Lage von HOMO bzw. LUMO auf der Energieskala liefert eine einfache Erklärung für die Reaktivität einer Bindung. Sie bestimmt in erster Näherung das chemische Verhalten und die spektroskopischen Eigenschaften (vgl. Kap. 26). In Abb. 5.2 wurden daher nur noch diese -MO berücksichtigt; zusätzlich sind die Basis-AO dargestellt, aus denen sie entstehen. Den ersten angeregten Zustand erhält man durch den Übergang eines Elektrons aus dem HOMO in das LUMO ( ! *Übergang, Abb. 5.3). Abb. 5.1 Grundzustand des Ethen-Moleküls (Energieniveauschema)
Energie
E2
π∗-Orbital
LUMO
E1
π-Orbital
HOMO
70
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
Abb. 5.2 a Basis-AO der MO im Ethen. b Die delokalisierten -MO
Abb. 5.3 Besetzungsschema der -MO im Ethen
Energie
E2
π∗
E1
π Grundzustand
angeregter Zustand
5.1.4.2 Butadien Betrachtet man das -Bindungssystem des Butadiens, so entstehen aus vier 2pz AO vier -MO, die über alle vier C-Atome delokalisiert sind. Abb. 5.4 gibt die Wellenfunktionen für die -MO des Butadiens wieder (vgl. mit Abb. 5.2). Im Grundzustand sind §1 und §2 mit je zwei Elektronen besetzt. Die Konfiguration ist §12 §22 . §2 hat eine Knotenebene, d. h. es ist antisymmetrisch bezüglich einer Ebene zwischen C-2 und C-3, §3 hat zwei und §4 hat drei Knotenebenen. 5.1.4.3 Allyl-Gruppe Die Allyl-Gruppe ist ein weiteres Beispiel für ein einfaches, delokalisiertes Elektronensystem. Das Allyl-System kann als Kation, als Radikal oder als Anion vorliegen. +
CH2 CH CH2
CH2 CH CH2
Allyl-Kation
Allyl-Radikal
CH2 CH CH2
Allyl-Anion
Aus den drei p-Orbitalen der C-Atome lassen sich drei MO bilden (§1 bis §3 , Abb. 5.5). §1 umfasst alle drei C-Atome: Allyl-Systeme werden daher durch Delokalisierung stabilisiert. §2 hat am mittleren C-Atom eine Knotenebene und besitzt die gleiche Energie wie ein isoliertes p-Orbital: es ist nichtbindend. §3 ist antibindend und besitzt zwei Knotenebenen. (Die Knotenebenen an den beiden Enden der Systeme sind in allen Abbildungen wie üblich nicht eingezeichnet worden.)
5.1 Alkene
71
Abb. 5.4 a Basis-AO der -MO im Butadien Grundzustand; b Delokalisierte -MO im Butadien ( D Knotenebene); c Besetzungszustand im Grundzustand
Abb. 5.5 Allyl-System. Besetzungszustand der -MO im Kation, Radikal und im Anion
72
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
5.2 Alkine Eine weitere homologe Reihe ungesättigter Verbindungen bilden die unverzweigten und verzweigten Alkine. Der Prototyp für diese Moleküle mit einer CCDreifachbindung ist das Ethin (Acetylen), HCCH (bindungstheoretische Betrachtung s. Abschn. 1.3.2). Beachte, dass bei Alkinen zwar Konstitutionsisomere, jedoch wegen der Linearität der Dreifachbindung keine cis-trans-Isomere möglich sind. Wichtige Vertreter der „Acetylen-Reihe“ sind: Propin (Methyl-acetylen)
CH3
1-Butin (Ethyl-acetylen)
C2H5
C
CH
2-Butin (Dimethyl-acetylen)
CH3
C
C
2-Methyl-3-hexin (Ethylisopropyl-acetylen)
C2H5
5-Methyl-2-hexin (Methylisobutyl-acetylen)
CH3
C
CH
C
CH3
C
CH
CH3
CH3
CH
CH2
C
C
CH3
CH3
Betrachtet man die Kernabstände der beiden C-Atome bzw. der C–H-Bindung im Ethan, Ethen und Ethin, so erhält man folgende Werte: 133.7 pm
153.4 pm
H H C H
H C H sp3 H 110.2 pm
Ethan
C H
120.7 pm
H
H
C sp2 H
sp
H C C H 105.9 pm
108.6 pm
Ethen
Ethin
Die Verkürzung des C–C-Abstandes in den Mehrfachbindungen erklärt sich durch die zusätzlichen -Bindungen. Der C–H-Kernabstand verringert sich in dem Maße, wie der s-Anteil an der Hybridisierung des C-Atoms wächst. Mit der Verkürzung der Kernabstände ist eine Vergrößerung der Bindungsenergien verbunden, zusätzlich erhöht sich die Elektronegativität der C-Atome mit dem Hybridisierungsgrad in der Reihenfolge sp3 < sp2 < sp, was dazu führt, dass die HAtome im Acetylen acide (pKs : 25, s. Tab. 2.4) sind. Entsprechend lassen sich die H-Atome, im Gegensatz zu olefinischen H-Atomen, leicht durch Metallatome ersetzen, wobei Acetylide gebildet werden. Hiervon sind besonders die Schwermetall-acetylide wie Ag2 C2 und Cu2 C2 sehr explosiv. Dies geht auch mit anderen endständigen Alkinen. H C C H Acetylen
+ NaNH2 − NH3
H C C
Na
+
Natriumacetylid
5.2 Alkine
73
Das Acetylid-Ion ist ein Nucleophil und kann mit verschiedenen Elektrophilen weiter umgesetzt werden (Reppe-Chemie), z. B. mit dem elektrophilen CO2 : O H C C – Na +
O– H C
C
+
C C
Na +
O
O
oder mit Halogenalkanen: H C C – Na +
CH3
Br
H C C CH3 + NaBr
Weitere, vor allem auch technisch wichtige Umsetzungen sind: Die Ethinylierung: Reaktion des Acetylens mit Aldehyden oder Ketonen und Kupferacetylid (CuC2 ) als Katalysator, wobei die CC-Bindung erhalten bleibt. Es entstehen Alkinole oder Alkindiole. Diese Reaktion dient auch zur Herstellung von Isopren (für die Kunststoffherstellung) aus Aceton:
Der ungesättigte Charakter der Ethine zeigt sich in zahlreichen Additionsreaktionen (s. Kap. 6): H2 Kat.
Cl2
Ethen
ClHC CHCl 1,2-Dichlorethen
HC CH Ethin
H2C CH2
H2O
H2C CHOH Vinylalkohol
ROH
H2
H3C CH3
Kat.
Ethan
Cl2
Cl2HC CHCl2 1,1,2,2-Tetrachlorethan
Tautom.
CH3 CHO Acetaldehyd
H2C CHOR Vinylether
Cyclisierung: Durch Polymerisation von Acetylen bilden sich Cycloolefine, z. B. Cyclooctatetraen (COT), Benzol u. a.
74
5 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
Tab. 5.2 Verwendung und Eigenschaften einiger Alkine (Acetylene) HCl
!
Acetylen HCCH Sdp. 84 ı C (bei 760 Torr) Schmp. 81 ı C (bei 890 Torr)
Vinylchlorid
HCN
!
Acrylnitril
H2 O
!
Acetaldehyd
ROH
!
Vinylether
RCOOH
!
Chloropren (2-Chlorbutadien)
H2 O
!
Methylvinylketon
H2
!
CH CH2 + Benzol
Vinylester
HCl
!
Vinylacetylen H2 C=CH–CC–H Sdp. 5 ı C
Butadien
+
(Ni) Polymerisation
HC CH
(Ni2 ) Polymerisation
Cyclooctatetraen
Styrol
Carbonylierung: Aus Acetylen und Kohlenmonoxid erhält man mit Wasser, Alkoholen oder Aminen ungesättigte Carbonsäuren oder ihre Derivate:
HC CH + CO
+ H OH
H2C CH COOH
Acrylsäure
+ H OR
H2C CH COOR
Acrylsäureester
H2C CH CONR2
Acrylsäureamide
+ H NR2
Eine Übersicht über Verwendungsmöglichkeiten der Alkine gibt Tab. 5.2.
5.3
Biologisch interessante Alkene und Alkine
Vor allem Alkene sind in der Natur weit verbreitet, man findet sie besonders häufig in der Gruppe der Isoprenoide (s. a. Kap. 32), Verbindungen die aus dem Grundkörper Isopren (2-Methyl-1,3-butadien) aufgebaut sind. Aus zwei solchen Bausteinen erhält man die Terpene, von denen sowohl offenkettige Vertreter wie Myrcen als auch cyclische Strukturen wie Limonen oder Pinen bekannt sind. Myrcen, das vor allem im Lorbeeröl vorkommt enthält ein konjugiertes Diensystem. Durch Cyclisierung erhält man Limonen (eine Doppelbindung weniger), welches z. B. im Fichtennadelöl enthalten ist. Aus dem Harzsaft von Pinien kann man das bicyclische Terpen ’-Pinen gewinnen, ein wichtiger Bestandteil des Terpentinöls.
H
CH3 H C C H C C H
H Isopren
Myrcen
Limonen
α-Pinen
5.3 Biologisch interessante Alkene und Alkine
75
Aus zwei solchen Terpeneinheiten erhält man die Diterpene, wobei vor allem dem Vitamin A (Retinol) eine große Bedeutung zukommt. Durch Oxidation entsteht hieraus Retinal, ein Bestandteil des „Sehfarbstoff“ Rhodopsin, der eine entscheidende Rolle beim Sehprozess spielt. Hierbei kommt es zu einer cis/transIsomerisierung einer Doppelbindung. 11 11
CHO
1
β-Iononring
5
hν
12
12
11-E-Retinal
CHO
11-Z-Retinal
Durch Polymerisation von Isopreneinheiten bildet sich Kautschuk, welcher sich aus dem Milchsaft (Latex) tropischer Bäume isolieren lässt. Im Kautschuk sind die Isopreneinheiten (Z)-verknüpft (das (E)-konfigurierte Polymer wird Guttapercha genannt), durch Vulkanisation (Quervernetzen der Ketten) erhält man hieraus Gummi (Goodyear 1838).
Kautschuk
Guttapercha
Besonders aus pharmakologischer Sicht sind die sog. Polyenantibiotika von großem Interesse. Viele dieser Antibiotika, wie z. B. Amphotericin und Fumagillin, enthalten ein mehr oder minder ausgedehntes -System aus konjugierten Doppelbindungen (meist trans). Ein besonders interessanter Vertreter dieser Klasse ist das Mycomycin: Dieses enthält neben trans auch eine konjugierte cis-Doppelbindung, sowie zwei konjugierte Dreifachbindungen. Als Besonderheit fällt hier auch die kumulierte Doppelbindung (DD) ins Auge. OH
OH
O
H3C HO
O CH3
OH
OH
OH
OH
OH
O
COOH
H3C Amphotericin B O
O
OCH3 O
O
O HO
COOH Fumagillin
O
CH3 OH
NH2
HOOC Mycomycin
6
Additionen an Alkene und Alkine
Additionen sind die bei weitem wichtigsten Reaktionen ungesättigter Verbindungen, wobei man zwischen vier verschiedenen Mechanismen unterscheiden kann. Drei davon verlaufen stufenweise. Im ersten Schritt addiert ein Elektrophil, ein Nucleophil oder ein Radikal an ein Ende der Mehrfachbindung. Das hierbei gebildete Intermediat reagiert in einem zweiten Schritt zum Reaktionsprodukt ab. Prinzipiell können nach diesen Mechanismen auch cyclische Verbindungen aufgebaut werden. Im Gegensatz hierzu werden bei konzertierten Cycloadditionen beide Bindungen gleichzeitig gebildet. Solche Reaktionen nennt man pericyclische Reaktionen. Prinzipiell besitzen Alkene (und Alkine) zwei reaktive Zentren. Zum einen die Doppelbindung, und zum anderen die benachbarte allylische Position. Diese ist vor allem für (radikalische) Substitutionsreaktionen aktiviert, so dass Reaktionen an dieser Position in Abschn. 4.5.2 besprochen werden.
6.1 Elektrophile Additionen AE Elektrophile Additionen an Doppel- und Dreifachbindungen laufen immer nach einem zweistufigen Mechanismus ab, bei dem im ersten Schritt ein Elektrophil (E) mit dem relativ gut polarisierbaren -System wechselwirkt. Es kommt zur Umwandlung einer -Bindung in eine ¢-Bindung und zur Bildung eines Carbeniumions, welches nun mit einem Nucleophil (Nu) abreagiert. E C C
+
E
+
+
C C
E C C+
Nu
−
E
Nu C C
Das angreifende Elektrophil muss nicht unbedingt eine positive Ladung tragen, oft genügt das positivierte Ende eines Dipols oder induzierten Dipols, wobei das negativ geladene Gegenstück erst bei der Bindungsbildung abgespalten wird. Der zweite Schritt, die „Rekombination“ des Carbeniumions mit dem Nucleophil ist identisch mit dem zweiten Schritt der SN 1-Reaktion (s. Abschn. 10.1). © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_6
77
78
6 Additionen an Alkene und Alkine
6.1.1 Additionen symmetrischer Verbindungen 6.1.1.1 Halogenierung Die Bromierung ist ein besonders interessantes Beispiel für eine elektrophile Addition. Das angreifende Elektrophil ist hierbei ein neutrales Brommolekül, welches mit der Doppelbindung einen sog. -Komplex bildet. Hierdurch kommt es zu einer Polarisierung der BrBr-Bindung und letztendlich zur Abspaltung eines Bromid-Ions. Das sich bildende Carbeniumion kann über ein freies Elektronenpaar am Brom stabilisiert werden. Es bildet sich ein Bromoniumion. Dieser Vorgang ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Das verbrückte Carbeniumion kann nun von Nucleophilen im zweiten schnellen Reaktionsschritt angegriffen werden, aber nur noch von der dem Brom gegenüber liegenden Seite. Die Addition erfolgt stereospezifisch anti. Bei symmetrischen Alkenen ist der nucleophile Angriff an beiden Positionen gleich wahrscheinlich. Bei unsymmetrischen Alkenen erfolgt der Angriff des Nucleophils bevorzugt an der sterisch weniger gehinderten Position des Bromoniumions. Br δ− Br δ+ C
Br2
C
C
Br
Br C+C
C
+ Br−
C
C
anti
π-Komplex
Br
Bromoniumion
Dieser Mechanismus gilt prinzipiell auch für die anderen Halogenierungen, jedoch ist bei der Chlorierung das Chloratom zu klein um ein symmetrisch verbrücktes Chloroniumion zu bilden. Das Intermediat hat mehr den Charakter eines Carbeniumions, so dass der Angriff bevorzugt an dieser Position erfolgt, und der Angriff auch nicht mehr stereospezifisch sondern nur noch stereoselektiv anti erfolgt. Bei Anwesenheit von anderen Nucleophilen im Reaktionsgemisch treten diese in den Endprodukten auf. Dies zeigt eindeutig, dass die Halogenierung in zwei Stufen abläuft. Br
Br 2
C
C
C
+ 2 Br 2 + LiCl
C
+ Br
C
+ LiBr
C Cl
Interessant verläuft auch die Addition an konjugierte Diene (s. Abschn. 5.1.3.1). Hierbei bilden sich Produktgemische aus 1,2- und 1,4-Additionsprodukt. Grund hierfür ist die Mesomeriestabilisierung des primär gebildeten Carbeniumions (Allylkation). CH2
CH CH CH2
Br2
CH2 Br
CH CH CH2 Br 1,2-Addukt
+
CH2
CH CH CH2
Br
Br 1,4-Addukt
6.1
Elektrophile Additionen AE
79
Die Addition von Chlor (oder Brom) an Ethin (Acetylen) führt stufenweise über (E)-1,2-Dichlorethen zum 1,1,2,2-Tetrachlorethan. H HC CH + Cl2 Cl
Ethin (Acetylen)
Cl
Cl2
C C
Cl2HC CHCl2
H
(E)-1,2-Dichlorethen
1,1,2,2-Tetrachlorethan
Enthält das Alken ein nucleophiles Zentrum, so kann dieser Angriff auch intramolekular unter Bildung eines cyclischen Produkts erfolgen. Besonders günstig sind hierbei Reaktionen die zu Fünfringen führen.
6.1.1.2 Iodlactonisierung Durch Umsetzung von ungesättigten Carbonsäuren in Gegenwart von Base mit Iod erhält man stereospezifisch die entsprechenden anti-konfigurierten Iodlactone.
+
I2
NaHCO3 O
OH
−
O
O
−
O
O
O
O
I
I
Iodlacton
6.1.2 Additionen unsymmetrischer Verbindungen (MarkownikowRegel) 6.1.2.1 Addition von Halogenwasserstoff Bei der Addition einer unsymmetrischen Verbindung (z. B. HHal) an ein Alken können prinzipiell zwei Produkte (I und II) entstehen. Experimentell stellt man aber fest, dass fast ausschließlich Produkt II gebildet wird. Der Grund hierfür ist in der relativen Stabilität der Carbeniumionen zu suchen, die im ersten Reaktionsschritt gebildet werden. Da sekundäre Carbeniumionen stabiler sind als primäre (s. a. Abschn. 10.4.1), entsteht fast ausschließlich II. H +
H3C CH CH2 H3C CH CH2
Hal−
H H3C CH CH2
I
Hal
H+ H +
H3C CH CH2
Hal−
H H3C CH CH2 Hal
II
80
I
6 Additionen an Alkene und Alkine
Allgemein gilt: Bei der Addition einer unsymmetrischen Verbindung addiert sich der elektrophile Teil des Reagenz so, dass das stabilste Carbeniumion gebildet wird.
Regel von Markownikow Für die häufig durchgeführten Additionen von Protonensäuren (HCl, HBr, etc.) gilt: Der Wasserstoff (HC ) wandert an das C-Atom der Doppelbindung das die meisten H-Atome trägt: „Wer hat, dem wird gegeben!“ Wie die Halogenierung, so verläuft auch die Addition von Halogenwasserstoff an Ethin stufenweise. Zuerst bildet sich das entsprechende Vinylhalogenid, welches dann (nach Markownikow) in die geminale Dihalogenverbindung überführt wird. HC CH + HI
H2C CHI
Acetylen
Iodethen (Vinyliodid)
HI
H3C CHI2 1,1-Diiodethan
6.1.2.2 Addition von hypohalogenigen Säuren Beachte, dass bei der Addition von HOCl und HOBr die Rolle der elektrophilen Spezies dem Halogen zukommt! Das Halogen geht an das C-Atom mit der größeren Zahl von H-Atomen. Deprotonierung der OH-Gruppe in einem zweiten Reaktionsschritt führt über eine intramolekulare SN -Reaktion zur Bildung von Epoxiden (vgl. Abschn. 6.1.3.2). H 3C C CH2
+
OH H3C C CH2 Br
δ− δ+ HO−Br
H 3C 2-Methylpropen
H 3C
KOtBu
H 3C
H 3C Hypobromige Säure
O C CH2
1-Brom-2-methyl-2-propanol
1,1-Dimethyloxiran
6.1.2.3 Addition von Interhalogenverbindungen
H3C CH CH2 + Propen
δ+ δ− I Cl
Cl H3C CH CH2 I 2-Chlor-1-iodpropan
6.1.2.4 Die Addition von Wasser (Hydratisierung) Wasser kann nur in Gegenwart einer Säure addiert werden, da H2 O selbst nicht elektrophil genug ist. Auch hier bildet sich das Markownikow-Produkt (vgl. Hydroborierung/Oxidation, Abschn. 12.1.2.1).
6.1
Elektrophile Additionen AE
H
H3C CH CH2
+
81
+
H3C CH CH3
H + H O
H 2O
H3C CH CH3
−H
OH
+
H3C CH CH3
Propen
2-Propanol
Es ist darauf zu achten, dass eine Säure verwendet wird, deren Anion möglichst wenig nucleophil ist, damit dieses nicht in Konkurrenz zum Wasser tritt, da sonst Produktgemische entstehen. Bei Verwendung von konz. H2 SO4 als Katalysator bilden sich z. B. auch Alkylhydrogensulfate. Diese Schwefelsäureester werden jedoch in der Regel durch Wasser rasch hydrolysiert, weshalb Schwefelsäure sehr gerne verwendet wird. +
H3C CH CH3
HSO4
O SO3H
−
OH H 2O
H3C CH CH3
+ H2SO4
H3C CH CH3
Bei längerkettigen Alkenen kann es zu Produktgemischen kommen, da es auf der Stufe des Carbeniumions zu typischen Carbeniumion-Nebenreaktionen (Abschn. 10.1.1) kommen kann. Neben Wagner-Meerwein-Umlagerungen müssen vor allem auch Eliminierungen (Rückreaktion der Protonierung) berücksichtigt werden, was letztendlich zu einer Wanderung der Doppelbindung führen kann. Die umgekehrte Reaktion, die Eliminierung von H2 O aus Alkoholen, dient zur Herstellung von Alkenen (Abschn. 5.1.2). Alkine sind gegenüber elektrophilen Reaktionen etwas weniger reaktionsfähig als Alkene. Daher gelingt eine sauer katalysierte Hydratisierung nicht ohne weiteres. Hier bedarf es eines Katalysators. In der Regel verwendet man Quecksilbersalze. Dabei bildet sich primär Vinylalkohol, der jedoch als solcher nicht stabil ist und sich in Acetaldehyd umwandelt (Keto-Enol-Tautomerie, Abschn. 2.4). HgSO4 H2SO4
HC CH + H2O
O
OH H3C C
H2C C
H Acetaldehyd
H Vinylalkohol
Zum Mechanismus der Reaktion Das zugesetzte Quecksilbersalz wirkt als Lewis-Säure und koordiniert an das System (Lewis-Base, s. Abschn. 2.5.3) des Alkins. Dabei kommt es zur Bildung eines cyclischen Mercuriniumions (vgl. Bromoniumion), welches nun vom Wasser angegriffen wird. Die gebildete Vinylquecksilber-Verbindung ist unter den sauren Reaktionsbedingungen nicht stabil, und wird zum gewünschten Vinylalkohol gespalten. H C C H
H + Hg
2+
C H
Hg
C
2+
+
C H
C
H
HO + H C
C
C
HO
H
C
Hg+
H 2O
+
H + H
Hg+
H
H
Hg+
H
HO C C H
+ Hg H
2+
82
6 Additionen an Alkene und Alkine
Analog lassen sich auch Alkohole und Carbonsäuren an Alkine addieren: 2 C2H5OH
H3C CH(OC2H5)2
Hg 2
Acetaldehyd-diethylacetal
H3CCOOH
HC CH
+
Hg 2
+
H3CCOO HC CH2 Vinylacetat
Oxymercurierung Die Quecksilber-katalysierte Hydratisierung lässt sich auch mit Alkenen durchführen, das Quecksilber kann anschließend reduktiv entfernt werden. Auch hierbei wird das Markownikow-Produkt bevorzugt gebildet. OH HgOAc R CH CH2
+ Hg(OH)OAc
R CH CH2
NaBH4
OH R CH CH3
6.1.3 Stereospezifische Syn-Additionen 6.1.3.1 Hydroborierung (Nobelpreis für Chemie für Herbert C. Brown, 1952) Im Gegensatz zur sauer katalysierten Hydratisierung und der Oxymercurierung ist die Hydroborierung (für R2 BH wird häufig BH3 eingesetzt) mit anschließender H2 O2 -Oxidation und Hydrolyse formal eine anti-Markownikow-Addition von Wasser: R CH CH2
R2BH
H
BR2
H2O2
R CH CH2
H
OBR2
R CH CH2
H
H2O − R2BOH
OH
R CH CH2
Diese Methode zur Herstellung primärer Alkohole verläuft als syn-Addition eines Bor-Derivates an ein Alken. Das Additionsprodukt wird dann mit H2 O2 /OH oxidiert und zum Alkohol hydrolysiert. Geht man von BH3 aus, so lassen sich alle drei H-Atome übertragen. Zum Mechanismus der Reaktion Analog zu den Quecksilbersalzen wirken auch Borane als Lewis-Säuren und koordinieren an das -System des Alkens. Die Doppelbindung wechselwirkt dabei mit dem leeren p-Orbital des Bors. Danach wird der Wasserstoff über einen Vier-Zentren-Übergangszustand auf das eine C-Atom, das B auf das andere der Doppelbindung übertragen. Die Hydroborierung verläuft daher syn-stereospezifisch.
R CH CH2
R2BH
R CH CH2
R CH CH2 H
H
B R
R
BR2
R CH CH2 H
BR2
6.1
Elektrophile Additionen AE
83
Die Reaktion erfolgt nicht nur stereo- sondern auch regioselektiv. Das Boratom addiert sich bevorzugt an das sterisch weniger gehinderte Ende der Doppelbindung. Die Selektivität wird umso größer, je größer die Reste R sind.
6.1.3.2 Epoxidierung Prileschajew-Oxidation: Persäuren (R–C(O)OOH) oxidieren Alkene stereospezifisch zu Epoxiden (Oxirane) (vgl. Abschn. 6.1.2), deren Dreiring anschließend z. B. im sauren Medium zu einem 1,2-Diol hydrolysiert werden kann. Formal lässt sich auch für diese Reaktion ein cyclischer Übergangszustand formulieren, in dem das -System des Alkens am elektrophilen Sauerstoffatom der Persäure angreift. Besonders gerne wird meta-Chlorperbenzoesäure (MCPBA) verwendet. H
R
O +
R
H
+
−
δ δ H O O
R
H
R'
H O
H
R
H
R O
O R
H
R'
O
HO R'
+ O
Der elektrophile Charakter der Reaktion zeigt sich auch im Reaktionsverhalten substituierter Alkene: Je elektronenreicher ein Alken, desto schneller erfolgt die Epoxidierung. Tetrasubstituierte Alkene werden daher am schnellsten umgesetzt. Die Behandlung von Epoxiden mit Wasser in Gegenwart von Säure führt zur Bildung von Diolen, wobei das Wasser am protonierten Epoxid von der Rückseite angreift. Es handelt sich also letztendlich um eine anti-Dihydroxylierung eines Alkens. Aus (E)-2-Buten enthält man auf diese Weise selektiv meso-2,3-Butandiol. H 3C
H CH3
H
2) H2O, H+
CH3 H
HO
1) MCPBA
H 3C
OH
H
meso-2,3-Butandiol
(E)-2-Buten
6.1.3.3 Cis-Dihydroxylierung Alkene können in schwach alkalischer Kaliumpermanganat-Lösung auch zu Diolen oxidiert werden, wobei zunächst in einer syn-Addition cyclische Mangan-(V)-Ester entstehen, die anschließend hydrolysiert werden. Diese Reaktion dient auch zum Nachweis von Doppelbindungen (Baeyer-Probe). R
H
R
H
O
+ KMnO4 H
R
O Mn
H
R O
O
−
R
H
O
O Mn
R H
O
O
H 2O −
R
H
R H
OH OH
Dieser elektrocyclische Prozess verläuft analog auch mit Osmiumtetroxid (OsO4 ). OsO4 ist zwar giftig und sehr teuer, jedoch gelingt diese Reaktion bereits mit katalytischen Mengen an OsO4 , wenn man ein Oxidationsmittel zugibt, wel-
84
6 Additionen an Alkene und Alkine
ches das bei der Reaktion gebildete Os(VI) zu Os(VIII) reoxidiert. Diese Reaktion verläuft sauberer als die Oxidation mit KMnO4 und wird daher heute bevorzugt angewendet.
6.2 Cycloadditionen Cycloadditionen sind ringbildende Additionsreaktionen, bei denen die Summenformel des Produkts (Cycloaddukt) der Summe der Summenformeln der Edukte entspricht. Wie die zuletzt besprochenen Beispiele, so verlaufen alle einstufigen Cycloadditionen syn-stereospezifisch. Cycloadditionen werden vor allem zum Aufbau von drei- bis sechsgliedrigen Ringen verwendet.
6.2.1 [2+1]-Cycloadditionen 6.2.1.1 Addition von Carbenen Carbene sind sehr reaktionsfähige Verbindungen mit einem Elektronensextett an einem zweibindigen Kohlenstoff. Man unterscheidet zwischen Singulett-Carbenen, bei denen die freien Elektronen am C gepaart sind, und Triplett-Carbenen, welche als Diradikal aufgefasst werden können. Nur Additionen von SingulettCarbenen verlaufen stereospezifisch cis (einstufige Reaktion), bei Triplett-Carbenen können Rotationen der radikalischen Zwischenstufen auftreten (s. a. Radikalische Additionen, Abschn. 6.4). H
H 103°
C H
ICH2
bzw.
CH2
136°
C H
Singulett-Carben
Triplett-Carben
Der Grundzustand des Methylens (CH2 ) ist das Triplett-Carben, das Singulett-Carben der erste angeregte Zustand. Einige Halogencarbene liegen jedoch im Singulett-Grundzustand vor. Dichlorcarbene lassen sich sehr leicht aus Chloroform im basischen Milieu erzeugen. Führt man diese Reaktion in Gegenwart von Alkenen durch, so erhält man stereospezifisch cis-substituierte Cyclopropane.
CHCl3
KOH − HCl
R
R
R
Cl
R
R
Cl C
C
ICCl2
Cl
R
Cl
6.2.1.2 Simmons-Smith-Reaktion Die Simmons-Smith-Cyclopropanierung liefert ebenfalls stereospezifisch halogenfreie Cyclopropane, ist jedoch im strengen Sinne keine Cycloaddition, da ein
6.2 Cycloadditionen
85
Teil des Reagenzes nicht in das Produkt eingebaut wird. Sie ist ansonsten der Carbenaddition vergleichbar und wird daher hier behandelt. Das Simmons-Smith-Reagenz erhält man durch Umsetzung von Diiodmethan mit aktiviertem Zink. Dabei bildet sich wahrscheinlich Iodmethylzinkiodid, ein metallorganisches Reagenz (s. Abschn. 15.4.7), welches dann mit dem Alken reagiert. CH2I2 R R
R
H +
I−CH2−Zn−I
+ Zn H
I−CH2−Zn−I R
H
H
H I CH2 ZnI
R + ZnI2 R
H
6.2.2 [2+2]-Cycloadditionen Obgleich Alkene normalerweise beim Erhitzen keine Cycloadditionen eingehen, tun sie dies beim Bestrahlen, wobei Cyclobutanderivate gebildet werden (s. Abschn. 3.2.2). H
COOR
2 ROOC
hν
ROOC ROOC
H
COOR COOR
6.2.3 [3+2]-Cycloadditionen Unter diese Rubrik fallen die so genannten 1,3-dipolaren Cycloadditionen.
6.2.3.1 Ozonolyse Durch Anlagerung von Ozon, O3 , an eine Doppelbindung entstehen explosive Ozonide, deren Reduktion (Zn/Essigsäure oder katalytische Hydrierung) zwei Carbonylverbindungen liefert, die sich leicht isolieren und identifizieren lassen. Die Ozonolyse wird daher oft bei der Strukturaufklärung von Naturstoffen verwendet. Eine Reduktion mit stärkeren Reduktionsmitteln (z. B. NaBH4 ) ergibt die entsprechenden Alkohole. Oxidative Aufarbeitung (z. B. mit H2 O2 ) führt zu den entsprechenden Carbonsäuren, sofern eine Oxidation der Carbonylverbindung möglich ist. Reduktion R H
R' R''
O3 -78 °C
R H
O
R' R''
O O "Ozonid"
Oxidation
+
R' CO R'' Keton
R COOH +
R' CO R'' Keton
R CHO Aldehyd
Carbonsäure
86
6 Additionen an Alkene und Alkine
Zum Mechanismus der Reaktion Die Bildung der Ozonide lässt sich zwanglos als eine Reaktionsabfolge über zwei 1,3-dipolare Cycloadditionen erklären. Dabei addiert O3 als 1,3-Dipol in einer stereospezifischen syn-Addition an die Doppelbindung. Das dabei gebildete Primärozonid ist nicht stabil und zerfällt in eine polare Carbonylverbindung und einen weiteren Dipol. Entsprechend der Polarität dieser beiden Fragmente kommt es zu einer zweiten 1,3-dipolaren Cycloaddition und der Bildung des Sekundärozonids. −
O
O
O
δ− O
O
+
O
R
R'
H
R''
R
O
−
O
+
R' R δ+ H
H
R'' Primärozonid
R'
R H
O +
O
R' R''
O O
R''
Sekundärozonid
6.2.3.2 Addition von Diazoverbindungen Neben Ozon können auch andere Dipole wie etwa Diazoverbindungen (s. Abschn. 14.5) in Cycloadditionen eingesetzt werden. Diese Reaktionen sind vor allem wichtig für die Synthese von heterocyclischen Verbindungen (Kap. 22). Erfolgt die Addition an ein polarisiertes Alken, lässt sich die Additionsrichtung gut vorhersagen. So erhält man bei der Umsetzung von Acrylnitril mit Diazomethan ein 1 -Pyrazolin. Thermische Zersetzung solcher Pyrazoline führt unter Stickstoffabspaltung zu Cyclopropanderivaten (vgl. Abschn. 6.2.1). N δ+ δ− H2C CH CN Acrylnitril
+ − CH2
N
H 2C N+
Diazomethan
N
H2C CH CN 3-Cyano-1-pyrazolin
6.2.4 [4+2]-Cycloadditionen Diels-Alder-Reaktionen (Nobelpreis Chemie für Otto Diels und Kurt Alder, 1950) Eine für 1,3-Diene charakteristische Cycloaddition ist die Diels-Alder-Reaktion. Diese Cycloaddition erfolgt streng stereospezifisch mit einem möglichst elektronenarmen Alken als sog. Dienophil. Die Reaktion verläuft konzertiert (Synchronreaktion) und es werden keine Zwischenstufen durchlaufen. Dabei entsteht nur das Produkt einer syn-Addition.
6.2 Cycloadditionen
87
Beispiel CH3
CH3
CH3
CH3
kein
+ CN
CN
CN
"Dien"
"Dienophil"
Butadien
2-Butennitril
konzertierter Übergangszustand
"syn- Addukt"
CN "anti- Addukt"
Man kann so in einem Reaktionsschritt einen Sechsring aufbauen, wobei zwei Bindungen gelöst und zwei neue ¢-Bindungen geknüpft werden. Daher findet diese Reaktion sehr häufig Anwendung in der Naturstoffsynthese. Die Diels-Alder-Reaktion lässt sich auch mit Chinonen (s. Kap. 16) durchführen. Aus 1,4-Naphthochinon und Butadien erhält man so technisch Anthrachinon: O
O
O
O
+
Verwendet man elektronenarme Alkine als Dienophile, so gelangt man zu substituierten 1,4-Cyclohexadienen. (s. a. Birch-Reduktion, Abschn. 7.6.1.2). COOR'
R
R
COOR'
+ COOR' COOR'
Selektivität bei Diels-Alder-Reaktionen Bei Diels-Alder-Reaktionen muss man zwischen zwei Arten von Selektivitäten unterscheiden: 1. Stereoselektivität: Die Reaktionspartner können sich einander von verschiedenen Seiten nähern. Dabei kann ein exo- oder endo-Produkt gebildet werden. I Definition „endo“ (griechisch: ©K •o D innen, innerhalb) besagt, dass in biund höhercyclischen Verbindungen funktionelle Gruppen oder Moleküle einander zugekehrt oder ins Innere eines Ringsystems gerichtet sind. „exo“ (griechisch: ©KŸ¨ D außen, außerhalb, nach außen) ist das Gegenteil von „endo“.
88
6 Additionen an Alkene und Alkine
Beispiel: Dimerisierung von Cyclopentadien
+
endoHauptprodukt
endoÜbergangszustand
Cyclopentadien
exoÜbergangszustand
exoNebenprodukt
Dieses Beispiel zeigt, dass Diene auch mit einer Doppelbindung als Dienophil reagieren können. Im Falle des Cyclopentadiens erfolgt die Dimerisierung bereits bei Raumtemperatur, wobei unter diesen milden Bedingungen das kinetisch kontrollierte endo-Produkt bevorzugt gebildet wird. Das thermodynamisch stabilere exo-Produkt (geringere sterische Hinderung) entsteht bevorzugt bei höheren Temperaturen. Die kinetische Bevorzugung des endo-Produkts resultiert aus sekundären Orbitalwechselwirkungen, wobei die „unbeteiligte Doppelbindung“ des „unteren Cyclopentadiens“ mit dem -System des „darüberliegenden“ wechselwirkt. Dieses Beispiel zeigt auch, dass solche Cycloadditionen auch reversibel verlaufen können. So setzt beim Erhitzen des Dimers eine Retro-Diels-Alder-Reaktion ein, und das Cyclopentadien kann so durch einfache Destillation gewonnen werden. 2. Regioselektivität: Bei unsymmetrisch substituierten Dienen und Dienophilen muss man zudem mit dem Auftreten von Regioisomeren rechnen. R
R'
R
R
R' +
+
R'
Daher sollte man darauf achten, dass immer eine der beiden Komponenten symmetrisch gebaut ist. Besonders gerne verwendet man daher Butadien und Cyclopentadien als Dien, Fumarsäureester und Maleinsäureanhydrid als Dienophil. Bei polaren Substraten lässt sich aufgrund der Ladungsverteilung das bevorzugte Produkt ganz gut vorhersagen: OCH3
OCH3 δ− δ+
δ+
−
δ
CHO
CHO
+ −
δ
1-Methoxybutadien
δ+ Acrolein
2-Methoxy-cyclo-3hexen-1-carbaldehyd
fast ausschließlich!
6.3
6.3
Nucleophile Additionen AN
89
Nucleophile Additionen AN
Die Doppelbindung kann auch nucleophil angegriffen werden, falls elektronenziehende Substituenten vorhanden sind (z. B. COR, COOR, CN, NO2 ). Hierunter fallen z. B. auch die Verbindungen, die bei Diels-Alder-Reaktionen als Dienophile in Betracht kommen. Der Angriff erfolgt hierbei am positivierten Ende der Doppelbindung. Bei ’,“-ungesättigten Carbonylverbindungen (s. Abschn. 16.3.8) spricht man von einer 1,4-Addition. Der Angriff kann auch direkt an der Carbonylgruppe erfolgen (1,2-Addition), diese Reaktionen werden jedoch bei den Carbonylverbindungen besprochen (Kap. 17 und 20). O
− +
OH H2C CH C Nu
H2C CH C NuH −
R
δ δ+ δ− δ+ O HNu H2C CH C R
HNu CH2
1,2-Addukt
1,2-Angriff 1,4-Angriff O
−
+
Folgereaktionen
R
O
+
HNu CH2
CH C
−
O Nu CH2 CH2 C
CH C
R
R
R
1,4-Addukt
6.3.1 Nucleophile Additionen von Aminen Ammoniak und Amine addieren relativ glatt an ’,“-ungesättigte Carbonylverbindungen und Nitrile. Durch Addition an Acrylsäureester erhält man “-Aminosäurederivate: R2NH
+
O β α R2N CH2 CH2 C OR
O β α H2C CH C OR
6.3.2 Nucleophile Epoxidierung von ’;“-ungesättigten Carbonylverbindungen (Scheffer-Weitz-Epoxidierung) H2 O2 addiert sich in Gegenwart katalytischer Mengen an Base ebenfalls an ’,“ungesättigte Carbonylverbindungen. Das eigentlich angreifende Teilchen ist hierbei HOO .H2 O2 C OH • HOO C H2 O/. Das intermediär gebildete Anion reagiert unter Abspaltung von OH zum Epoxid. HO HO O
−
O + H2C CH C
O −
O
CH2 CH C R
R
O O − + OH CH2 CH C R
90
6 Additionen an Alkene und Alkine
6.3.3 Michael-Additionen Handelt es sich bei dem angreifenden Nucleophil um ein Carbanion, wird die Additionsreaktion als Michael-Addition bezeichnet. Vor allem Umsetzungen von CHaciden Verbindungen (siehe Abschn. 20.2.2.4) wie Nitromethan oder Malonsäureestern sind hierbei von Bedeutung. Auch hier gilt es zu beachten, dass der Angriff an ’,“-ungesättigte Carbonylverbindungen auch am Carbonyl-C erfolgen kann. Beispiel COOR CH2 COOR
RO− − ROH
Malonsäureester
COOR HC
−
COOR H2C CH C N
+
COOR
ROH − RO−
CH CH2 CH2 C N COOR
Malonat-Anion
Acrylnitril
2-Cyanoethylmalonsäureester
6.4 Radikalische Additionen AR Bromwasserstoff lässt sich außer über eine elektrophile Addition auch radikalische an Alkene addieren, wobei die radikalische Reaktion die schnellere ist. Hierbei gilt die Markownikow-Regel nicht, es entsteht das regioisomere Produkt. So bildet sich bei der Reaktion von Propen mit HBr in Gegenwart von Peroxiden 1-Brompropan. Der Grund hierfür ist in der höheren Stabilität des gebildeten sekundären Alkylradikals zu suchen (s. a. Abschn. 4.2). Dieses Phänomen, die Addition nach antiMarkownikow, wird oft auch als Peroxid-Effekt bezeichnet. Zum Verlauf von radikalischen Reaktionen s. Kap. 4. RO OR RO + HBr
Br
Δ
2 RO
Startreaktion
ROH + Br
Br + H2C CH CH3
Br
CH2 CH CH3
CH2 CH CH3 + HBr
Br
CH2 CH2 CH3 + Br
Kettenreaktion
Die Addition von HBr verläuft sehr gut, da beide Schritte der Reaktionskette exotherm sind. Weniger gut verlaufen Additionen von HCl und HI. Bei der HClAddition ist der 2. Schritt, die Spaltung der starken HCl-Bindung endotherm, bei der HI-Addition der erste Schritt. Man verdeutliche sich dies anhand der Bindungsdissoziationsenergien (s. Abschn. 1.4).
6.5 Di-, Oligo- und Polymerisationen, Dominoreaktionen
91
6.5 Di-, Oligo- und Polymerisationen, Dominoreaktionen Die bisher beschriebenen Arten von Additionsreaktionen können auch verwendet werden um Alkene mit sich selbst umzusetzen. Dabei addiert ein Katalysator (Kat) an ein Alken, dieses an ein nächstes, usw. Es bilden sich zuerst Dimere, dann Trimere, Oligomere und schließlich Polymere (s. Kap. 37, Kunststoffe). Kat
C C
C C
C C
C C
Kat
C C
C C C C C C C
Als Katalysatoren können sowohl elektrophile Teilchen (z. B. HC ), Nucleophile (z. B. Carbanionen) als auch Radikale (z. B. RO ) verwendet werden. So lässt sich z. B. 2-Methylpropen im Sauren leicht dimerisieren, wobei zwei regioisomere Alkene gebildet werden können, je nachdem welches Proton abgespalten wird. CH3 H 2C C CH3
H+
H 3C
C+ CH3
CH3 CH3 H3C C CH2 C + CH3 CH3
CH3
CH3 H 2C C
CH3
2-Methylpropen CH3
−H
CH3
CH3
H3C C CH C CH3
+
+
−H
CH2
H3C C CH2 C CH3
CH3
CH3
2,4,4-Trimethyl-2-penten 2,4,4-Trimethyl-1-penten Nebenprodukt
Hauptprodukt
Ähnliche Reaktionen laufen auch in der Natur ab, z. B. bei der Bildung von Steroiden aus mehrfach ungesättigten Verbindungen. Dabei handelt es sich zwar nicht um Di- oder Oligomerisierungen, weil nicht verschiedene Teilchen miteinander reagieren, sondern der Angriff intramolekular erfolgt; mechanistisch gesehen verlaufen sie aber analog. Auch hier kommt es z. B. unter Säurekatalyse zur Addition eines Alkens an ein anderes. So wird z. B. das Sesquiterpen (s. Abschn. 32.2) Squalen an einer endständigen Doppelbindung enzymatisch zum Squalenoxid epoxidiert. In Gegenwart von Säure bildet dieses, nach Protonierung am Epoxidsauerstoff, ein gut stabilisiertes Carbeniumion, das mit der benachbarten Doppelbindung reagiert (der Übersichtlichkeit halber sind die Methylgruppen im Schema nur als Striche dargestellt, im Endprodukt sind sie jedoch ausgeschrieben). Unter Cyclisierung entsteht wiederum ein tert. Carbeniumion, welches erneut von einer benachbarten Doppelbindung angegriffen wird, usw. Anschließend finden noch einige Wagner-Meerwein-Umlagerungen statt, unter Bildung des Lanosterins.
92
6 Additionen an Alkene und Alkine
O2
H+
Enzym
Enzym O
Squalen
Squalenoxid
+
H
H
H HO
+
HO
H
H 3C H CH3
H
CH3
_ H+
CH3 H 3C
CH3 HO
H H3C CH3
Lanosterin
Wie mit einem „Reißverschluss“ erfolgt so die Cyclisierung der linearen Vorstufe Squalen zum tetracyclischen Grundgerüst der Steroide. Reaktionen, welche wie diese aus mehreren hintereinander ablaufenden Einzelschritten bestehen, bezeichnet man als Dominoreaktionen (sequentielle Reaktionen). Manchmal findet man hierfür auch den Begriff Tandemreaktionen.
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
7.1 Chemische Bindung in aromatischen Systemen Während im Ethen die Mehrfachbindung zwischen zwei Kohlenstoff-Atomen lokalisiert ist, gibt es in anderen Molekülen „delokalisierte“ oder Mehrzentrenbindungen, so im Benzen (Benzol), C6 H6 . Hier bilden die Kohlenstoff-Atome einen ebenen Sechsring und tragen je ein H-Atom. Das entspricht einer sp2 -Hybridisierung am Kohlenstoff. Die Bindungswinkel sind 120ı . Nach den Vorstellungen der Bindungs-Theorie beteiligen sich die übrig gebliebenen Elektronen nicht an der ¢-Bindung, sondern durch Überlappung der pz Orbitale kommt es zu einer vollständigen Delokalisation dieser Elektronen. Es bilden sich zwei Bereiche hoher Ladungsdichte ober- und unterhalb der Ringebene ( -System, Abb. 7.1). I
Die Elektronen des -Systems sind gleichmäßig über das Benzol-Molekül verteilt (cyclische Konjugation). Alle C–C-Bindungen sind daher gleich lang (139,7 pm) und gleichwertig.
Will man die elektronische Struktur des Benzols nach dem VB-Modell durch Valenzstriche darstellen, so muss man hierfür Grenzformeln (Grenzstrukturen) angeben. Sie sind für sich nicht existent, sondern sind lediglich Hilfsmittel zur Beschreibung des tatsächlichen Bindungszustandes, wofür man oft Formel VI verwendet. Die wirkliche Struktur kann jedoch durch Kombination dieser (fiktiven) Grenzstrukturen nach den Regeln der Quantenmechanik beschrieben werden; den energieärmeren „Kekulé-Strukturen“ I und II kommt dabei das größte Gewicht zu.
I
II
III
IV
V
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_7
VI
93
94
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
Abb. 7.1 Bildung des -Bindungssystems des Benzols durch Überlappung der p-AO. Die ¢-Bindungen sind durch Linien dargestellt
Dieses Phänomen bezeichnet man als Mesomerie oder Resonanz. Die Delokalisierung der Elektronen führt zu einer Mesomeriestabilisierung des aromatischen Systems im Vergleich zu einem fiktiven Cyclohexatrien. Der Energiegewinn („Resonanzenergie“, Stabilisierungsenergie) lässt sich z. B. aus Hydrierungsenthalpien abschätzen. So liefert die Hydrierung einer Doppelbindung im Cyclohexen 120 kJ=mol, für ein fiktives Cyclohexatrien (ohne Mesomeriestabilisierung) würde man also 360 kJ=mol erwarten. Tatsächlich findet man jedoch bei der Hydrierung von Benzol nur 209 kJ=mol, die Differenz von 151 kJ=mol ist die Resonanzenergie. + H2
+ 3 H2
ΔH = -120 kJ/mol
ΔH = -209 kJ/mol
Kohlenwasserstoffe, die das besondere Bindungssystem des Benzols enthalten, zählen zu den „aromatischen“ Verbindungen (Aromaten). Es gibt auch zahlreiche Verbindungen mit Heteroatomen, die aromatischen Charakter besitzen und mesomeriestabilisiert sind (Heteroaromaten, s. Abschn. 22.3). Quantenmechanische Berechnungen ergaben, dass monocyclische konjugierte Cyclopolyene mit .4n C 2/ -Elektronen aromatisch sind und sich durch besondere Stabilität auszeichnen (Hückel-Regel). Dies gilt sowohl für neutrale als auch für ionische -Elektronensysteme, sofern eine planare Ringanordnung mit sp2 hybridisierten C-Atomen vorliegt, denn dies ist die Bedingung für maximale Überlappung von p-Orbitalen. H
H
−
H
H
H H
H
H
H
H
H H
H
H H
H H
H
H
H
H
H
H
+
+
H
H
H
H
H
H
n=0 2π-Elektronen
n=1 6π-Elektronen
n=1 6π-Elektronen
n=1 6π-Elektronen
n=2 10π-Elektronen
Cyclopropenylkation
Cyclopentadienylanion
Benzol
Cycloheptatrienylkation (Tropylium-Kation)
Cyclooctatrienyldianion
7.2 Elektronenstrukturen cyclisch-konjugierter Systeme nach der MO-Theorie
95
Als anti-aromatisch bezeichnet man cyclisch konjugierte Systeme mit 4n Elektronen (z. B. Cyclobutadien, Cyclooctatetraen).
7.2 Elektronenstrukturen cyclisch-konjugierter Systeme nach der MO-Theorie Am 1,3-Butadien (s. Abschn. 5.1.4) wurde gezeigt, dass die Delokalisierung von Elektronen für das betreffende System einen Energiegewinn bedeutet. Das aromatische Benzol mit einem cyclisch konjugierten System benachbarter Doppelbindungen ist wesentlich energieärmer als ein entsprechendes offenkettiges konjugiertes System. Das Energieniveauschema für die -Elektronen im Benzol zeigt Abb. 7.2. Man erkennt, dass ein zweifach Symmetrie-entartetes -MO vorhanden ist: E2 D E3 (entartet bedeutet energiegleich). Daraus und aus der vollständigen Besetzung aller bindenden MO (Abb. 7.3) resultiert der Energiegewinn im Vergleich zu einem offenkettigen konjugierten System. Abb. 7.2 Energieniveauschema das Benzols
Energie E6 E4
E5
E2
E3 E1
Abb. 7.3 Konfiguration der -Elektronen im Grundzustand des Benzols
antibindend bindend
96
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
Energie
antibindend bindend
Cyclopentadienylanion
Benzol
Cycloheptatrienylkation
Abb. 7.4 Besetzung der bindenden -MO für aromatische Systeme mit n D 1 Energie antibindend bindend
+
Kation
Radikal
Anion
Abb. 7.5 Besetzung der bindenden -MO beim Cyclopropen mit n D 0
Abb. 7.4 und 7.5 zeigen, dass dies auch für andere cyclische Polyene (Annulene) gilt, die der Hückel-Regel gehorchen. Man erkennt: Es sind .4n C 2/ -Elektronen notwendig, um die bindenden MO vollständig zu besetzen. Genau diese Anzahl von Elektronen bewirkt also die größtmögliche Stabilität aromatischer Moleküle. Abb. 7.5 zeigt die Verhältnisse am Beispiel des Cyclopropenyl-Systems. Das Kation enthält 2 -Elektronen, ist aromatisch (n D 0) und relativ stabil. Das Radikal mit 3 -Elektronen ist schon weniger stabil, das Anion mit 4 -Elektronen kann bereits als instabil bezeichnet werden.
7.3
Beispiele für aromatische Verbindungen; Nomenklatur
Die H-Atome des Benzol-Ringes können sowohl durch Heteroatome wie auch durch andere Kohlenstoffketten (Seitenketten) ersetzt (substituiert) werden. Sind mehrere Benzolringe über eine gemeinsame Bindung verknüpft, so spricht man von kondensierten (anellierten) Ringen.
7.3 Beispiele für aromatische Verbindungen; Nomenklatur
97
Ansaverbindungen sind Verbindungen, bei denen zwei Positionen eines aromatischen Rings über einen „Henkel“ verknüpft sind. Handelt es sich hierbei um eine reine Kohlenstoffkette, spricht man von Cyclophanen. Vor allem bei Verbindungen mit einer kurzen Kohlenstoffkette liegt eine hohe Ringspannung vor, was zu einer Verformung des Benzolringes führt (Wannenform). Beispiele 10
1
9
CH CH2
CH3
1 (α)
8 7 6
Styrol
3
2'
2 1
4 5
6
3
6 5
9
2
1
10
4
Anthracen (linear anelliert)
2
8
3
7
3 4 5 6
Phenanthren (angular anelliert)
3' 4'
1
4
1'
4' 1''
4''
H C
5'
p-Terphenyl
Biphenyl
X
7
Naphthalin
1' 6'
2 (β)
4
5
Toluol
8
Y
Ansa-Verbindung
H2C
CH2
H2C
CH2
Triphenylmethan
2,2-Paracyclophan
Nomenklatur Wegen der Symmetrie des Benzolrings gibt es nur ein einziges Methylbenzol (Toluol), jedoch drei verschiedene Dimethylbenzole (Xylole). Die Stellungsisomere werden anhand der substituierten Chlorbenzole vorgestellt (Tab. 7.1). Substituenten in 1,2-Stellung werden als ortho- (o-), in 1,3-Stellung als meta- (m-) und in 1,4Stellung als para- (p-) ständig bezeichnet. Trägt eine aromatische Verbindung mehrere verschiedene Substituenten, so werden diese wie bei den aliphatischen Verbindungen (s. Abschn. 3.1) in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Tritt ein aromatischer Rest selbst als Substituent in einer Verbindungen auf, wird er als Aryl-Rest (Ar-) bezeichnet, speziell im Falle des Benzols als Phenyl-Rest (Ph-) (Bsp.: Triphenylmethan). Bei anellierten aromatischen Systemen gibt man an, an welche Bindung ein weiteres aromatisches System ankondensiert ist. Hierzu werden die Bindungen mit a; b; c; : : : durchnumeriert, beginnend am Ring „rechts oben“. Ein angelagerter Benzolring wird als Benzo-, ein Naphthylring als Naphtho-, usw. bezeichnet.
98
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
Tab. 7.1 Chlorsubstituierte Benzolderivate Substi- Isotuenten mere 1 1
Summenformel C6 H5 Cl
Beispiele
Cl
2
3
C6 H4 Cl2
Cl 1 2
6
Cl
Cl
Cl
1
1
3
3
5
Dichlorbenzol
Cl
4
4
Cl
3
3
C6 H3 Cl3
4 5 6
3 1 1
C6 H2 Cl4 C6 HCl5 C6 Cl6
1,21,3orthometaom1,2,31,2,4vicinal asymmetrisch vicasym1,2,3,41,2,3,5Pentachlorbenzol Hexachlorbenzol
1,4parap1,3,5symmetrisch sym1,2,4,5-
Trichlorbenzol
Tetrachlorbenzol
Beispiele l 10 m n 1 a 9
j
k
b c d
i h
6
g
f
e
4
Pyren
Benzo[a]pyren
7.4 Vorkommen und Herstellung Die aromatischen Kohlenwasserstoffe werden im Allgemeinen aus Steinkohlenteer oder aus Erdöl gewonnen, wobei jedoch der Anteil im Erdöl in der Regel recht gering ist. Steinkohlenteer ist ein Nebenprodukt der Verkokung von Steinkohle. 1000 ı C
Steinkohle ! Koks C Teer C Ammoniakwasser C Leuchtgas 80 %
5%
5%
10 %
Der hauptsächlich gebildete Koks dient vor allem zur Reduktion von Erzen. Der Teer wird wie das Erdöl mit speziellen Verfahren auf die Aromaten hin aufgearbeitet (s. Tab. 7.2). Unter den hunderten von Verbindungen findet man auch eine ganze
7.4 Vorkommen und Herstellung
99
Tab. 7.2 Verfahren zur technischen Aromaten-Gewinnung (Benzol, Toluol, Xylole = BTX) Trennproblem BTX-Abtrennung aus Pyrolysebenzin und Kokereigas
Verfahren Azeotrop-Dest. (für Aromatengehalt > 90%)
Durchführung Hilfsstoffe Nichtaromaten werden Amine, Ketone, azeotrop abdestilliert: Alkohole, Wasser Aromaten bleiben im Sumpf BTX-Abtrennung Extraktiv-Dest. Nichtaromaten werden Dimethyl-formamid, aus Pyrolysebenzin (Aromatengehalt: abdestilliert; SumpfN-Methyl-pyrrolidon, 65–90%) produkt (Aromaten + N-Formyl-morpholin, Lösemittel) wird destil- Tetrahydro-thiophenlativ getrennt dioxid (Sulfolan) BTX-Abtrennung Flüssig-FlüssigGegenstromextraktion Sulfolan, aus Reformatben- Extraktion (Aroma- mit zwei nicht mischba- Dimethylsulfoxid/H2 O, zin tengehalt: 20–65%) ren Phasen. Trennung Ethylenglykol/H2 O, v. Aromaten u. SelekN-Methylpyrrolidon/H2 O tiv-Lösemitteln durch Destillation Isolierung Kristallisation durch o-Xylol wird vorab abdestilliert. Das Gemisch von p-Xylol Ausfrieren wird getrocknet und mehrstufig kristallisiert aus m,p-Gemischen Schmp. Adsorption an Fest- p-Xylol wird in der Flüssigphase z. B. an p-Xylol: +13 ı C körper Molekularsiebe adsorbiert und danach durch Lösemittel wieder desorbiert m-Xylol: –48 ı C
Reihe kondensierter Aromaten wie Naphthalin und Anthracen, Phenole sowie heterocyclische Verbindungen (s. Kap. 22) wie etwa Pyridin und Homologe. Einzelheiten zur technischen Aromaten-Gewinnung s. Tab. 7.2. Benzol (Benzen) selbst entsteht z. B. beim thermischen Cracken aus n-Hexan durch dehydrierende Cyclisierung und Aromatisierung, durch Dehydrierung von Methylcyclopentan/Cyclohexan oder cyclisierende Trimerisierung von Ethin (Ace C6 H6 ). tylen) (3 C2 H2 ! Δ Kat. - 3 H2
Δ Kat. - 4 H2 n-Hexan
Benzol
Cyclohexan
Methylcyclopentan
Alkylbenzole Wie Benzol lassen sich auch die homologen Alkylbenzole aus Kokereigas und Steinkohleteer gewinnen, sie lassen sich jedoch auch synthetisieren, z. B. durch Friedel-Crafts-Alkylierung (s. Abschn. 8.2.4). Hierbei bilden sich in der Regel Gemische aus Mono- und Mehrfachalkylierungsprodukten, welche anschließend getrennt werden müssen.
+ R−Cl
AlCl3
R R
R + R
R +
+ R
...
100
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
Kondensierte Aromaten werden ebenfalls überwiegend aus dem Steinkohlenteer gewonnen. Naphthalin kommt darin zu ca. 5 % vor. Die farblosen, glänzenden Blättchen (Schmp. 80 ı C) besitzen einen charakteristischen Geruch (Mottenkugeln) und lösen sich in organischen Lösemittel, nicht in Wasser. Die Eigenschaften von Anthracen (Schmp. 218 ı C) sind ähnlich. Durch Oxidation erhält man hieraus Anthrachinon, ein wichtiges Ausgangsprodukt für die Herstellung von Farbstoffen (Anthrachinonfarbstoffe).
7.5 Eigenschaften und Verwendung Benzol ist eine farblose, stark lichtbrechende Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch. Es brennt mit leuchtender, stark rußender Flamme und ist in Wasser praktisch unlöslich. „Technisches Benzol“ enthält als Verunreinigung Thiophen, welches durch Kochen mit Schwefelsäure entfernt werden kann. Früher wurde Benzol häufig als Lösemittel verwendet. In der Zwischenzeit wurde es jedoch weitestgehend durch die weit weniger toxischen Alkylbenzole (Toluol, etc.) ersetzt. Es dient jedoch nach wie vor als Zusatz zu Motorentreibstoffen und als Grundkörper zur Herstellung weiterer Derivate durch aromatische Substitutionsreaktionen (s. Kap. 8), woraus sich z. B. Farbstoffe, Insektizide und pharmazeutische Präparate gewinnen lassen. Beim längeren Einatmen verursacht Benzol Brechreiz und Schwindel, bis hin zur Bewusstlosigkeit. Chronische Vergiftungen führen zu einer Schädigung nicht nur der Leber und Nieren sondern auch des Knochenmarks, was zu einer Abnahme der Zahl an roten Blutkörperchen führt (Leukämie). Kondensierte Aromaten wie etwa Pyren und Benzo[a]pyren übertreffen das Benzol deutlich in ihrer Toxizität. Die meisten dieser Verbindungen sind krebserregend (carcinogen) und erzeugen bei längerem Einwirken auf die Haut Hautkrebs. Auch das erhöhte Lungenkrebsrisiko von Rauchern ist hierauf zurückzuführen. Besonders gefürchtet ist das Benzo[a]pyren, welches im Körper enzymatisch epoxidiert wird. Die hierbei gebildeten hochreaktiven Intermediate können im Körper mit Nucleophilen wie zum Beispiel der Desoxyribonucleinsäure (DNA) reagieren, wodurch das Erbmaterial geschädigt wird (Tab. 7.3). Tab. 7.3 Verwendung und Eigenschaften von Aromaten Name Benzol Toluol o-Xylol Ethylbenzol Isopropylbenzol (Cumol) Vinylbenzol (Styrol) p-Xylol Diphenyl
Formel C6 H6 C6 H5 –CH3 o-(CH3 /2 C6 H4 C6 H5 –C2 H5 C6 H5 –CH(CH3 /2 C6 H5 –CHDCH2 p-(CH3 /2 C6 H4 H5 C6 –C6 H5
Schmp./Sdp. (ı C) 6/80 95/111 25/144 95/136 96/152 31/145 13/138 70/254
Verwendung Ausgangsprodukt Lösemittel ! Phthalsäure ! Styrol ! Aceton, Phenol ! Polystyrol ! Terephthalsäure Konservierungsmittel
7.5 Eigenschaften und Verwendung
101 O O2 Enzym
H2O Enzym
OH
OH OH
OH O2 Enzym O OH OH
DNA-NH 2 OH HN
DNA
Die Alkylbenzole sind im Gegensatz hierzu nicht oder wenig toxisch, da Oxidationsprozesse bei ihnen nicht am aromatischen Ring, sondern in der Seitenkette stattfinden (s. Abschn. 16.2.2), wobei keine reaktiven Intermediate entstehen. Daher hat z. B. Toluol Benzol fast vollständig als Lösemittel im Labor verdrängt. Einige chlorierte aromatische Verbindungen haben aufgrund ihrer Toxizität ebenfalls für Schlagzeilen gesorgt: Die Gruppe der teilweise sehr giftigen polychlorierten Dibenzodioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF) umfasst zahlreiche Isomere, deren analytische Unterscheidung sehr aufwendig ist. Das durch den Seveso-Unfall (1976) bekannt gewordene TCDD ist ein cyclischer Ether mit zwei ankondensierten Benzolringen, die ihrerseits Chloratome als Substituenten enthalten. TCCD gehört zu den giftigsten bisher hergestellten Verbindungen und entsteht als Nebenprodukt bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln. Toxische Effekte treten bereits im ng=kg-Bereich auf. Die ersten Vergiftungserscheinungen werden als „Chlorakne“ bezeichnet. DDT hat eine stark toxische Wirkung auf verschiedene Insekten, weshalb es lange Zeit als Insektizid verwendet wurde. Es ist jedoch inzwischen sehr umstritten und in vielen Industrieländern verboten, da es biologisch nicht abgebaut wird, und sich daher in der Nahrungskette anreichert. Cl
9 8
10
O
1 2
H
Cl Cl
Cl
7 6
O 5
3 4
Cl
C CCl3
TCDD
DDT
2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-para-dioxin ("Seveso-Gift")
1,1-p,p'-Dichlordiphenyl2,2,2-trichlorethan
Cl
102
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
7.6 Reaktionen aromatischer Verbindungen Die mit Abstand wichtigsten Reaktionen aromatischer Verbindungen sind die aromatischen Substitutionsreaktionen, die im nächsten Kapitel ausführlich besprochen werden. Alle übrigen Reaktionen, die nicht unter diesen Reaktionstyp fallen, werden hier vorgestellt.
7.6.1 Additionsreaktionen aromatischer Verbindungen Aufgrund der Mesomeriestabilisierung sind aromatische Verbindungen relativ reaktionsträge hinsichtlich Additionsreaktionen. Einige Beispiele gibt es dennoch:
7.6.1.1 Katalytische Hydrierung Die Hydrierung von Aromaten gelingt wie bei den Alkenen mit Wasserstoff/Metallkatalysator aufgrund des Mesomerieeffekts jedoch unter deutlich drastischeren Bedingungen. Bei der katalytischen Hydrierung werden alle drei Doppelbindungen hydriert. Sie ermöglicht deshalb einen leichten Zugang zu Cycloalkanen (z. B. Toluol ! Methylcyclohexan). Bei kondensierten Aromaten kann man je nach Reaktionsbedingungen eine teilweise oder vollständige Hydrierung erreichen. Die teilweise Hydrierung erfolgt hierbei so, dass ein aromatisches Ringsystem intakt bleibt. H2 / Ni
H2 / Ni
150°C
200°C
7.6.1.2 Birch-Reduktion Eine selektive Hydrierung gelingt unter den Bedingungen einer Ein-ElektronTransfer-Reaktion (Birch-Reduktion). Lithium oder Natrium in flüssigem Ammoniak dienen als Elektronenüberträger (s. a. Abschn. 5.1.2), Ethanol als Protonendonator. Kinetische Kontrolle der Reaktion führt zu 1,4-Cyclohexadien als einzigem Produkt, obwohl das isomere 1,3-Cyclohexadien thermodynamisch stabiler ist. Reduktionsmittel sind solvatisierte Elektronen, die an den Aromaten addieren unter Bildung eines Radikalanions. Dieses wird durch den Alkohol protoniert, bevor ein weiteres Elektron übertragen wird. Erneute Protonierung des resultierenden Anions führt zum gewünschten Produkt.
e−
ROH - RO−
H H
H H
H H −
e−
ROH - RO− −
H H
Interessant ist die Reduktion substituierter Verbindungen. Elektronenschiebende Substituenten verlangsamen die Reaktion, der Substituent befindet sich im Redukti-
7.6 Reaktionen aromatischer Verbindungen
103
onsprodukt an einer Doppelbindung. Im Gegensatz hierzu beschleunigt ein elektronenziehender Substituent die Reaktion, der Substituent befindet sich anschließend zwischen den Doppelbindungen. Dies ist gut verständlich, denn an dieser Position kann das intermediär gebildete Carbanion besonders gut stabilisiert werden. Bei Elektronen-schiebenden Substituenten ist dieselbe Position benachteiligt. COOH
OCH3
OCH3
COOH Na NH3
Na NH3
7.6.1.3 Radikalische Chlorierung Aromaten können sowohl durch elektrophile Substitutions- (Abschn. 8.2.3) als auch durch radikalische Additions-Reaktionen halogeniert werden. Bei der Addition von Chlor an Benzol werden Cl2 -Moleküle durch eingestrahltes UV-Licht in Cl-Atome gespalten, die sich nach einem Radikalkettenmechanismus an Benzol addieren. Als Endprodukt entsteht Hexachlorcyclohexan, das in 8 isomeren Formen (cis-transIsomere) auftreten kann, wovon das ”-Isomere als Insektizid benutzt wird. H Cl + 3 Cl 2
hν
Cl
Cl
H Cl H
H H Cl
H Cl Hexachlorcyclohexan
Cl Cl Cl Cl
Cl
Cl
Gammexan, Lindan (γ-Isomer)
7.6.1.4 Additionen an kondensierte aromatische Systeme Im Vergleich zum Benzol zeigen kondensierte Aromaten manchmal unerwartete Reaktionen. Dies liegt an der etwas unterschiedlichen Mesomeriestabilisierung. Während beim Benzol alle Bindungen gleichberechtigt und somit z. B. auch gleich lang sind, ist dies bei den kondensierten Aromaten nicht der Fall. Betrachtet man z. B. das Naphthalin, so kann man hier drei mesomere Grenzstrukturen formulieren. Man erkennt, dass innerhalb eines Rings die Mesomerie analog ist wie beim Benzol, dass jedoch der zweite Ring an dieser Mesomerie nicht beteiligt ist (Grenzformeln I und II). Die Bindung zwischen C1 und C2 hat einen höheren Doppelbindungsanteil als die Bindung zwischen C2 und C3. Dies zeigt sich in unterschiedlichen Bindungslängen: C1–C2: 136 pm; C2–C3: 141,5 pm (Vergleich Benzol: 139,7 pm). 1 2 3 4
I
II
III
104
7
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene)
Naphthalin mit drei mesomeren Grenzstrukturen ist zwar insgesamt besser mesomeriestabilisiert als Benzol mit nur zwei Grenzstrukturen, aber nicht etwa doppelt so gut wie Benzol. Daher kann man Naphthalin unter geeigneten Bedingungen z. B. teilweise hydrieren, da hierbei ein Ring mit „Benzolkonjugation“ erhalten bleibt. Noch signifikanter werden diese Effekte, wenn man zu Anthracen (4 Grenzstrukturen) und Phenanthren (5 Grenzstukturen) übergeht. 10 1
9
1
1
9
2 3 4
Resonanz151 kJ/mol Energie
10
255 kJ/mol
351 kJ/mol
385 kJ/mol
So gehen Anthracen und Phenanthren mit Brom eine Additionsreaktion in 9,10-Stellung ein, wobei nach der Reaktion zwei „Benzolringe“ gebildet werden. Auch lassen sich diese Verbindungen an diesen Positionen recht leicht oxidieren, wobei das aus dem Anthracen gebildete Anthrachinon ein wichtiges Ausgangsprodukt für die Herstellung von Farbstoffen ist (s. Kap. 38). H
O
Br Br2
H
Br
9,10-Dibromanthracen
7.6.2
O2
Anthracen
O Anthrachinon
Reaktionen von Alkylbenzolen in der Seitenkette
Alkylierte Aromaten, die sich z. B. durch Friedel-Crafts-Alkylierung (Abschn. 8.2.4) herstellen lassen, sind nicht besonders reaktionsfähig und werden daher häufig als Lösemittel verwendet. Toluol (Methylbenzol) ist ein beliebter Ersatz für das früher häufig verwendete Benzol. Im Gegensatz zu diesem sind bei den Alkylbenzolen auch Reaktionen in der Seitenkette möglich, wobei der benzylischen Position eine Bedeutung zukommt. Vor allem Radikalreaktionen laufen hier bevorzugt ab, da sich ein mesomeriestabilisiertes Benzylradikal bilden kann (s. Abschn. 4.2)
7.6.2.1 Oxidation Im Gegensatz zu Alkanen, die gegenüber Oxidationsmitteln weitestgehend resistent sind, lassen sich alkylierte Aromaten mit KMnO4 oder katalytisch durch Sauerstoff in Carbonsäuren umwandeln. Längere Alkylketten werden hierbei oxidativ abgebaut.
7.6 Reaktionen aromatischer Verbindungen CH2 CH3
105 CH3
COOH
KMnO4 − CO2 Ethylbenzol
COOH CH3
COOH KMnO4
o-Xylol
Benzoesäure
Phthalsäure
Ein technisch wichtiger Prozess ist die Hock’sche Phenolsynthese (s. Abschn. 12.2.2.1), bei der Cumol (Isopropylbenzol) in Gegenwart von Sauerstoff an der Benzylposition zum Hydroperoxid oxidiert wird. Dieses wird anschließend im sauren Milieu unter Bildung von Phenol und Aceton umgelagert. OOH CH3 CH CH3
OH
CH3 C CH3
O H2SO4
O2
Cumol
+
H3C
Phenol
Cumolhydroperoxid
CH3
Aceton
7.6.2.2 Halogenierung Durch radikalische Halogenierung entstehen Aromaten mit halogenierter Seitenkette. Bei der Chlorierung von Toluol erhält man je nach den Reaktionsbedingungen Benzylchlorid, Benzalchlorid und Benzotrichlorid oder ihr Gemisch. Die Reaktion verläuft unter dem Einfluss von UV-Licht und Wärme nach einem Radikalketten-Mechanismus. Bei Verwendung eines Katalysators und ausreichender Kühlung findet eine elektrophile Aromatensubstitution am „Kern“ statt (s. Abschn. 8.2.3). CH3
CH2Cl Cl2 hν oder Δ
CCl3 +
+ Benzylchlorid
I
CHCl2
Benzalchlorid
Es gilt folgende Merkregel: Kälte, Katalysator ) Kern (KKK) Sonnenlicht, Siedehitze ) Seitenkette (SSS)
Benzotrichlorid
8
Die aromatische Substitution SAr
8.1 Die elektrophile aromatische Substitution (SE,Ar ) 8.1.1 Allgemeiner Reaktionsmechanismus Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene), obwohl formal ungesättigte Verbindungen, neigen kaum zu Additions-, sondern hauptsächlich zu Substitutions-Reaktionen (SE ). Bedenkt man die große Stabilität des aromatischen -Elektronensystems und berücksichtigt man die Konzentration der Elektronen ober- und unterhalb der C-Ringebene, so sind elektrophile Substitutionen zu erwarten. Sie galten daher auch lange als Kriterium für den aromatischen Charakter einer Verbindung. Die SE -Reaktion verläuft zunächst analog der elektrophilen Addition an Alkene (s. Kap. 6). Der Aromat bildet mit dem Elektrophil einen ElektronenpaardonorElektronenpaaracceptor-Komplex ( -Komplex 1), wobei das -Elektronensystem erhalten bleibt. Daraus entsteht dann als Zwischenstufe ein ¢-Komplex, in dem vier -Elektronen über fünf C-Atome delokalisiert sind. Dies ist i. a. auch der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Solche Areniumionen konnten in fester Form isoliert und damit als echte Zwischenprodukte nachgewiesen werden. H
H
E H
E
+
+ E
+
E π-Komplex 1
+
+
+ H
σ-Komplex
Der ¢-Komplex stabilisiert sich nun aber nicht durch die Addition eines Nucleophils (vgl. Alkene, Abschn. 6.1), sondern eliminiert ein Proton (über einen zweiten -Komplex) und bildet das 6 -Elektronensystem zurück. Dieser Schritt ist energetisch stark begünstigt und somit relativ schnell. Abb. 8.1 gibt das Reaktionsprofil der Reaktion am Beispiel der Bromierung wieder. Die Bildung eines Additionsprodukts ist um 110 kJ/mol ungünstiger. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_8
107
108
8 Die aromatische Substitution SAr
Abb. 8.1 Energiediagramm für Addition und Substitution am Benzol
Energie
π1 π2 Br
σ
H H Br
110 kJ/mol Br + HBr
+ Br 2
Reaktionskoordinate
8.1.2 Mehrfachsubstitution An monosubstituierten Aromaten können weitere Substitutions-Reaktionen durchgeführt werden. Dabei lässt sich häufig voraussagen, welche Produkte bevorzugt gebildet werden. Bei einer Zweitsubstitution werden die Reaktionsgeschwindigkeit und die Eintrittsstelle des neuen Substituenten von dem im Ring bereits vorhandenen Substituenten beeinflusst. Aus den beobachteten Substituenteneffekten lassen sich Substitutionsregeln ableiten (vgl. Tab. 8.1).
8.1.2.1 Substitutionsregeln 1. Substituenten 1. Ordnung dirigieren in ortho- (o-) und/oder para- (p-) Stellung. Sie können aktivierend wirken wie OH, Oj , OCH3 , NH2 , Alkylgruppen, oder desaktivierend wirken wie F, Cl, Br, I, CHDCR2 . Tab. 8.1 Substituenteneffekte bei der elektrophilen aromatischen Substitution Substituent
OH O OR NH2 , NHR, NR2 Alkyl F, Cl, Br, I NO2 NH3 C , NR3 C SO3 H COX (XDH, R, OH, OR, NH2 ) CN
Elektronische Effekte des Substituenten I, CM CI, CM I, CM I, CM CI I, CM I, M I I, M I, M
Wirkung auf die Reaktivität
Orientierende Wirkung
aktiviert aktiviert aktiviert aktiviert aktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert desaktiviert
o; p o; p o; p o; p o; p o; p m m m m
I, M
desaktiviert
m
1. Ordnung
2. Ordnung
8.1
Die elektrophile aromatische Substitution (SE,Ar )
109
Beispiele OH
OH HNO3 10°C
Phenol
OH +
NO2
O2N p-Nitrophenol
o-Nitrophenol
Phenol wird in o- und p-Stellung nitriert, und zwar schneller als Benzol. Chlorbenzol wird auch in o- und p-Stellung nitriert, jedoch langsamer als Benzol. 2. Substituenten 2. Ordnung dirigieren in meta- (m-) Stellung und wirkendesaktivierend: NH3 C , NO2 , SO3 H, COOR. Beispiel NO2
NO2 HNO3 H2SO4
Nitrobenzol
NO2 m-Dinitrobenzol
Ursache dieser Substituenteneffekte sind unterschiedliche Energiedifferenzen zwischen Grundzustand und aktiviertem Komplex, die durch die verschiedenen induktiven und mesomeren Effekte der Substituenten hervorgerufen werden.
8.1.2.2 Auswirkungen von Substituenten auf die Orientierung und die Reaktivität bei der elektrophilen Substitution Auswirkungen auf die Orientierung Tab. 8.1 zeigt, dass Substituenten, welche die Elektronendichte im Benzolring erhöhen, nach ortho und para dirigieren. CI- und CM-Substituenten aktivieren offenbar diese Stellen im Ring in besonderer Weise. Auf der anderen Seite dirigieren Substituenten, welche die Elektronendichte im Ring erniedrigen, vorzugsweise nach meta. Zwar werden alle Ringpositionen desaktiviert, die m-Stelle jedoch weniger als ortho- und para-Stellen. Zur Erläuterung der Substituenteneffekte wollen wir die ¢-Komplexe für einen monosubstituierten Aromaten betrachten und dabei annehmen, dass diese den Übergangszuständen ähnlich sind. Besonders wichtig ist die durch •C -markierte Ladungsverteilung der positiven Ladung im Carbeniumion in Bezug auf die Lage und Eigenschaften des Substituenten S. Wirkung des Erstsubstituenten durch induktive Effekte CI-Effekt Ist S ein CI-Substituent, dann gilt: S als Elektronendonor kann die positive Ladung des Carbeniumions besonders gut kompensieren, wenn die Zweitsubstitution in o- und p-Stellung erfolgt: Ein CI-Substituent stabilisiert das Car-
110
8 Die aromatische Substitution SAr
beniumion und damit auch den Übergangszustand, der zum Produkt führt, besonders gut in o- und p-Stellung. Der CI-Effekt wirkt sich in der m-Stellung – wegen der anderen Ladungsdelokalisation – am schwächsten aus. I
CI-Substituenten dirigieren also nach ortho und para.
I-Effekt Ist S ein I-Substituent, dann kann S als Elektronenacceptor die positive Ladung des Carbeniumions nicht mehr kompensieren. Ein I-Substituent destabilisiert das Carbeniumion und damit auch den entsprechenden Übergangszustand. Die Wirkung von S macht sich in allen Ringpositionen bemerkbar. Betrachtet man jedoch wieder die Ladungsverteilung, dann erkennt man, dass sich die elektronenziehenden Effekte in der meta-Stellung am schwächsten auswirken. I
I-Substituenten dirigieren also nach meta.
Wirkung des Erstsubstituenten durch mesomere Effekte (D Resonanzeffekte) CM-Effekt Besitzt S ein freies Elektronenpaar (z. B. eine Amino-Gruppe) und übt dadurch einen CM-Effekt aus, können für die o- und p-Substitution im Gegensatz zur m-Substitution noch weitere Grenzformeln formuliert werden. Diese sind besonders energiearm, da das freie Elektronenpaar mit dem -System des Rings in Wechselwirkung treten kann. Die Übergangszustände bei o- und p-Substitution werden dadurch stärker stabilisiert als bei m-Substitution. I
CM-Substituenten wirken also o- und p-dirigierend.
M-Effekt Bei M-Substituenten (z. B. einer Nitro-Gruppe) treten bei o- und pSubstitution Grenzstrukturen mit gleichsinnigen Ladungen an benachbarten Atomen auf. Diese Strukturen sind daher energetisch sehr ungünstig. Im Vergleich zum Benzol sind alle Positionen desaktiviert. Im Falle einer m-Substitution wird das Carbeniumion jedoch am wenigsten desaktiviert, da hier die Ladungen günstiger verteilt sind. Daher wird vorzugsweise meta-Substitution eintreten. I
M-Substituenten wirken m-dirigierend.
Auswirkung von Substituenten auf die Reaktivität Tab. 8.1 gibt auch Auskunft über die Auswirkung von Substituenten auf die Reaktivität bei der SE -Reaktion von mono-substituierten Aromaten. Ebenso wie bei der Frage nach der Orientierung müssen wir hier den Einfluss des Substituenten auf den aktivierten ¢-Komplex betrachten. Induktive Effekte Ist S in Abb. 8.2 ein CI-Substituent, so wird er die Elektronendichte im Ring erhöhen und also aktivierend wirken. Ist S ein I-Substituent, so vermindert er die Elektronendichte im Ring (er erhöht die positive Ladung) und wirkt desaktivierend, was sich bekanntlich in der meta-Position am schwächsten auswirkt.
8.1
Die elektrophile aromatische Substitution (SE,Ar )
111
Angriff in o-Position E
E H
H S
S
E
E
H
H
S
S +
+
+ +
Angriff in m-Position E
E H
H
E
H
E
H
+
+
+
S
S
+
S
S
Angriff in p-Position E
H
E H
E
H
E
H
+
+
+ +
S
S
S
S
Abb. 8.2 Wirkung der induktiven Effekte bei der Zweitsubstitution. S ist jeweils ein CI- bzw. ISubstituent im ¢-Komplex, E der neu eintretende elektrophile Zweitsubstituent
Mesomere Effekte Ist S in Abb. 8.3 ein CM-Substituent, erhöht er die Reaktivität im Vergleich zum unsubstituierten Benzol. Die Delokalisierung der Elektronen ist bei o- und p-Substitution besonders ausgeprägt. Ist S ein M-Substituent wie in Abb. 8.4, wird die Elektronendichte im Ring vermindert und die Reaktivität herabgesetzt. Kooperative Effekte In der Regel treten diese Effekte nicht getrennt voneinander auf, sondern gekoppelt. Bei vielen Substituenten handelt es sich um Heteroatome, die elektronegativer sind als Kohlenstoff und daher einen I-Effekt ausüben. Vor allem bei den Elementen der 2. Periode ist jedoch der mesomere Effekt sehr stark ausgeprägt und überwiegt in der Regel den I-Effekt. Daher sind Sauerstoff- und Stickstoff-Substituenten in der Gesamtbilanz aktivierend und aufgrund des mesomeren Effekts o=p-dirigierend. Aminogruppen aktivieren hierbei stärker als Sauerstoff-Substituenten. Mit zunehmender Größe der Elemente (Übergang im Periodensystem von „oben nach unten“) nimmt der mesomere Effekt ab, so dass bei den Halogenen der I-Effekt überwiegt. Halogenaromaten sind daher im Vergleich zum Benzol desaktiviert, dirigieren jedoch aufgrund ihres (wenn auch schwachen) CM-Effekts ebenfalls o=p.
112
8 Die aromatische Substitution SAr
Angriff in o-Position E
E
H
E
H
S
E H
H
E H
+
+
+
+
S
S
S
S
+
Angriff in m-Position E
E
H
E
H
H
E H +
+
+
S
S
S
+
S
Angriff in p-Position E
E
H
E
H
H
+
+
+
E H
E H
+
S
S
S
S
S+
Abb. 8.3 Mesomerie-Effekte bei der Zweitsubstitution. S ist ein CM-Substituent im ¢-Komplex, E der neu eintretende elektrophile Zweitsubstituent
Angriff in p-Position
Angriff in o-Position O −
E
N O +
O
H − +
N O +
E E
H
E
H
H usw.
usw.
+
+ +
O
N+
O−
O
N+
O−
Angriff in m-Position E
− O + N
O
E
H +
H
E
E H
H
+ − O + N
O
+ −
O + N O
+
−
O + N O
Abb. 8.4 Mesomerie-Effekte bei der Zweitsubstitution. NO2 ist ein M-Substituent im ¢-Komplex, E der neu eintretende elektrophile Zweitsubstituent
8.1
Die elektrophile aromatische Substitution (SE,Ar )
113
Zusammenfassung der polaren Substituenteneffekte bei der SE -Reaktion Induktiver und mesomerer Effekt können zusammen (z. B. NO2 ), aber auch gegeneinander (z. B. Hal, NR2 , OR) wirken (vgl. Tab. 8.1). Bei den meisten Substituenten sind sowohl induktive als auch mesomere Effekte wirksam, die sich im Einzelnen nicht separieren lassen. I- und M-Effekte wirken gemeinsam in eine Richtung: Sie desaktivieren den Ring und dirigieren nach meta. Analog gilt für CI- und CM-Effekte: Sie aktivieren den Ring und dirigieren nach ortho und para. Schwieriger wird es bei CM-Substituenten, die auch einen I-Effekt zeigen: Bei der Amino-Gruppe etwa wirkt sich der I-Effekt kaum aus. Anders ist es bei den Halogenaromaten. Dort kann der CM-Effekt den I-Effekt nicht mehr überkompensieren; Halogenatome wirken desaktivierend. Bei Mehrfachsubstitutionen am gleichen Molekül sind Vorhersagen über den Eintrittsort schwierig. Grundsätzlich kann man sich hierfür aber merken: Der Einfluss irgendeines Substituenten, ob aktivierend oder desaktivierend, macht sich in o- und p-Stellung am stärksten bemerkbar. Sterische Effekte bei der Substitution Neben den polaren Effekten, auf die das aromatische System besonders empfindlich reagiert, wirken sich in manchen Fällen auch sperrige Substituenten auf die Produktverteilung aus. Beispiel R
+ NO2
R = CH 2CH3 R = C(CH 3)3
R
R
Nitrierung
O2N
55% 12%
45% 88%
8.1.3 Substitutionen an kondensierten Aromaten Wie bereits in Abschn. 7.6 erwähnt, unterscheiden sich kondensierte Aromaten in ihrem Reaktionsverhalten von (substituiertem) Benzol. Bei kondensierten Aromaten sind nicht mehr alle Bindungen gleichberechtigt, so dass kein „perfektes mesomeres System“ mehr vorliegt. Sie werden daher im Vergleich zum Benzol leichter angegriffen, wobei einige Positionen deutlich begünstigt sind. Betrachtet man z. B. den elektrophilen Angriff am Naphthalin (Abb. 8.5), so lassen sich für den Angriff an der ’-Position (C1) insgesamt fünf mesomere Grenzstrukturen formulieren, von denen zwei einen intakten Benzolring enthalten. Beim Angriff
114
8 Die aromatische Substitution SAr
Angriff in α -Position
H E
H E E+
+ +
H E
H E
H E +
+
+
Angriff in β -Position E E+
+
E
H
E H
+
E +
E H
+
H
H +
Abb. 8.5 Mesomerie-Effekte bei Substitution am Naphthalin, E ist der neu eintretende elektrophile Substituent
in “-Position (C2) erhält man zwar genauso viele Grenzstrukturen, jedoch verfügt nur eine davon über den intakten Benzolring. Der Angriff in ’-Position ist daher günstiger. Aus denselben Gründen werden Anthracen und Phenanthren überwiegend an Position 9 substituiert. Als Konkurrenz können bei diesen Verbindungen auch Additionsreaktionen auftreten (Abschn. 7.6.1.4).
8.2 Beispiele für elektrophile Substitutionsreaktionen 8.2.1 Nitrierung Aromatische Nitro-Verbindungen sind wichtige Ausgangsstoffe für die Farbstoffund Sprengstoffindustrie und zur Synthese von Arzneimitteln. Zur Nitrierung von Aromaten verwendet man neben rauchender Salpetersäure sog. Nitriersäure, eine Mischung von konz. HNO3 und konz. H2 SO4 . Nitrierendes Agens ist das Nitryl-
8.2 Beispiele für elektrophile Substitutionsreaktionen
115
(Nitronium-)Kation, NO2 C . Dieses entsteht durch Protonierung der Salpetersäure entweder durch sich selbst (Autoprotonierung) oder durch die stärkere Schwefelsäure: +
+
O N O + H 3O + 2 X
HNO3 + 2 HX
-
−
−
−
(X = NO3 , HSO4 )
Die Konzentration des Nitrylkations, und damit die Reaktivität des Nitrierungsmittels, hängt von der Lage des Gleichgewichts ab. Je stärker die protonierende Säure, desto höher die Konzentration an NO2 C . Besonders effektiv ist daher eine Mischung aus konz. HNO3 und Oleum (Schwefelsäure mit SO3 angereichert), mit der auch desaktivierte Aromaten nitriert werden können. Somit lässt sich durch die Zusammensetzung der Nitriersäure sehr schön das „Nitrierungspotential“ der Mischung einstellen. Man kann dadurch Aromaten stufenweise nitrieren. Bei der Nitrierung von Toluol bildet sich im ersten Schritt ein Gemisch aus ound p-Nitrotoluol (wieso?). Der neu eingeführte Nitrosubstituent ist als Substituent 2. Ordnung desaktivierend und m-dirigierend. Mit stärkerer Nitriersäure erhält man daher im nächsten Schritt 2,4-Dinitrotoluol, aus dem durch weitere Nitrierung Trinitrotoluol (TNT) entsteht. Dies ist ein wichtiger Sprengstoff. Die analoge Sequenz mit dem etwas weniger elektronenreichen Benzol führt nur zu der Dinitroverbindung. CH3
NO2
konz. HNO 3 konz. H2SO4
68% HNO3 konz. H2SO4
CH3
CH3
CH3
konz. HNO3
O2N
NO2
Oleum
NO2 o- und pNitrotoluol
NO2 2,4-Dinitrotoluol
NO2 2,4,6-Trinitrotoluol
Konz. Nitriersäure ist jedoch auch ein starkes Oxidationsmittel, so dass sie nicht für oxidationsempfindliche Substrate wie Phenole und Aniline angewendet werden kann. Dies ist jedoch auch gar nicht nötig, da diese als elektronenreiche (aktivierte) Aromaten auch von (verdünnter) Salpetersäure allein schon nitriert werden. Mehrfach nitrierte Phenole wie Pikrinsäure lassen sich jedoch nicht durch direkte Nitrierung von Phenol herstellen (s. Abschn. 8.2.2). Bei Anilinen sollte man eine Schutzgruppe am Stickstoff einsetzen. Beim Naphthalin erfolgt der Angriff überwiegend in der ’-Position.
8.2.2 Sulfonierung Aromatische Sulfonsäuren sind Zwischenprodukte für Farbstoffe, sowie Waschund Arzneimittel. Oft hat die Einführung einer Sulfo-Gruppe (SO3 H) den Zweck, eine Verbindung in ihr wasserlösliches Na-Salz zu überführen. Als elektrophiles Agens fungiert vermutlich das SO3 -Molekül, eine Lewis-Säure, die in rauchender Schwefelsäure enthalten ist:
116
8 Die aromatische Substitution SAr H SO3
SO3
+
SO3H
SO3Benzolsulfonsäure
Die Sulfonierung ist im Vergleich zu anderen elektrophilen aromatischen Substitutions-Reaktionen eine ausgeprägt reversible Reaktion, weil die HO3 S-Gruppe bei ihrer hohen Elektrophilie auch eine gute Abgangsgruppe ist. So lässt sich z. B. die aus Benzol und konz. H2 SO4 gebildete Benzolsulfonsäure mit verd. H2 SO4 wieder spalten. Kinetisch und thermodynamisch kontrollierte Reaktionen Besonders schön lässt sich dieses reversibel Verhalten am Beispiel der Sulfonierung von Naphthalin zeigen. Je nach Reaktionsbedingungen erhält man entweder das ’oder das “-substituierte Produkt. H
SO3H H2SO4
H2SO4
80 °C
160 °C
SO3H
1-Naphthalinsulfonsäure
2-Naphthalinsulfonsäure
(α-Produkt)
(β-Produkt)
Unterhalb 100 °C verläuft die Reaktion so, dass hauptsächlich das instabilere ’-Produkt gebildet wird. Diese Reaktion ist kinetisch kontrolliert, und lässt sich anhand der mesomeren Grenzstrukturen verstehen (Abschn. 8.1.3). Der Übergangszustand für das ’-Substitutionsprodukt (ÜZ’ / liegt energetisch tiefer als der des “-Produkts (ÜZ“ / (Abb. 8.6). Bei 160 °C wird die Reaktion reversibel und thermodynamisch kontrolliert; es entsteht das stabilere “-Produkt. Die geringere Stabilität des ’-Produkts ist auf sterische Wechselwirkungen zwischen der SulfonAbb. 8.6 Energiediagramm der Sulfonierung von Naphthalin
Energie ÜZ β ÜZ α SO 3H
SO 3 H
Reaktionskoordinate
8.2 Beispiele für elektrophile Substitutionsreaktionen
117
säuregruppe und dem parallel dazu angeordneten Wasserstoffatom am Nachbarring zurückzuführen. Durch Umsetzung von aromatischen Sulfonsäuren mit PCl5 erhält man die entsprechenden Sulfochloride. Aus nicht allzu stark desaktivierten Aromaten kann man sie auch direkt mit Chlorsulfonsäure durch Sulfochlorierung erhalten. SO3− Na+
SO2Cl + NaCl + POCl 3
+ PCl 5
SO2Cl + H2 SO4
+ 2 ClSO3H
Reaktionen, die auf eine Sulfonierung folgen können 1. Nucleophile Substitutions-Reaktionen Durch Schmelzen mit Alkalihydroxid entstehen Phenole (s. Abschn. 12.2.2.2). Durch Reaktion mit Cyanid-Ionen kann Benzonitril erhalten werden: −
PhSO3 Na
+
+ NaCN
Δ
PhCN + Na2SO3
2. Elektrophile Substitutions-Reaktionen Darstellung von Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) durch Nitrierung: OH
OH Sulfonierung
Phenol
OH SO3H
Nitrierung
O2N
NO2
SO3H
NO2
Phenol-2,4-disulfonsäure
Pikrinsäure
Beachte: Bei direkter Nitrierung würde Phenol durch die konz. Salpetersäure oxidativ zerstört werden.
8.2.3 Halogenierung Aromaten können sowohl durch elektrophile Substitutions- als auch durch radikalische Additions-Reaktionen (s. Abschn. 7.6.1.3) halogeniert werden. Bei Alkylsubstituierten Derivaten kann zudem eine Halogenierung in der Seitenkette erfolgen (Abschn. 7.6.2.2). Die direkte Chlorierung als Substitutions-Reaktion gelingt nur mit Hilfe von Katalysatoren (wie Fe, FeCl3 und AlCl3 /, welche eine Polarisierung des Halogenmoleküls bewirken, und dadurch einen elektrophilen Angriff erleichtern.
118
8 Die aromatische Substitution SAr δ−
δ+ Cl Cl
δ+ +
Cl Cl
Cl Cl
+ FeCl3
H
−
δ
FeCl3
Cl
Cl
FeCl4
+
FeCl3
−
+ HCl + FeCl3
Die entsprechende Bromierung verläuft analog. Gezielte Fluorierungen lassen sich nicht mit elementarem Fluor durchführen, da es hierbei auch zu CC-Bindungsspaltungen kommt. Fluorbenzol erhält man mit der Balz-Schiemann-Reaktion aus Diazoniumsalzen (s. Abschn. 14.5.2).
8.2.4 Alkylierung nach Friedel-Crafts Alkylierte aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen bei der Reaktion von Halogenalkanen mit Aromaten in Gegenwart eines Katalysators. Hierfür muss man ebenfalls eine Lewis-Säure wie AlCl3 zusetzen, welche die Halogenalkane durch Polarisierung der CHal-Bindung aktiviert. Das positivierte C-Atom greift dann elektrophil am Aromaten an. Da die Lewis-Säure nach der Reaktion zurückgebildet wird, benötigt man bei der Friedel-Crafts-Alkylierung nur katalytische Mengen an Lewis-Säure.
R CH2 Cl
δ+ CH + 2 Cl
+ AlCl3
δ+ R CH2 Cl
H
δ− AlCl3
+
−
δ
AlCl3
CH2R AlCl4
R CH2+ + AlCl4−
CH2R −
+ HCl + AlCl3
R
Diese Alkylierungs-Reaktion wird angewendet um Methyl- oder Ethyl-Gruppen einzuführen. Das intermediär gebildete primäre Carbeniumion neigt dazu, sich in ein stabileres sekundäres oder tertiäres Ion umzulagern, so dass bei längerkettigen Alkylhalogenide oft Isomerengemische erhalten werden. Ferner treten häufig Mehrfachalkylierungen auf, da die bei der Alkylierung gebildeten Produkte elektronenreicher und somit nucleophiler sind als die Ausgangsverbindung. Anstelle der Alkylhalogenide können auch Alkene und Alkohole verwendet werden, die in Gegenwart starker Säuren (z. B. H2 SO4 ) protoniert werden. Wie die Sulfonierung, so ist auch die Friedel-Crafts-Alkylierung reversibel. Daher findet die tert.-Butylgruppe häufig Anwendung als sterisch anspruchsvolle Schutzgruppe, die leicht sauer katalysiert wieder abgespalten werden kann.
8.2 Beispiele für elektrophile Substitutionsreaktionen
119
CH3 H 2C CH3 CH3 CH3 CH3
H+
CH3 H 3C
H+ OH
CH3 CH3 CH3
+
H+
CH3
−H 2O
8.2.5 Acylierung nach Friedel-Crafts Ähnlich wie die Alkylierung verläuft die Friedel-Crafts-Acylierung mit Säurehalogeniden (X D Cl) und -anhydriden (X D RCOO) in Gegenwart von Lewis-Säuren wie AlCl3 . Diese Reaktion ist die wichtigste Methode zur Gewinnung aromatischer Ketone. Sie verläuft über ein Acyliumion bzw. einen Acylium-Komplex. Diese Komplexe sind sterisch sehr anspruchsvoll, so dass bei substituierten Aromaten bevorzugt das p-Produkt gebildet wird. O
O R C
+ AlCl3 X
R C
O bzw.
X
AlCl3
+
R C O
R C X
AlCl3
+ AlCl3X
−
Acylium-Ion
Acylium-Komplexe
Beispiele C6H6 + CH 3COCl
AlCl3
O C6H5
C CH3
Acetophenon
C6H6 + C 6H5COCl
AlCl3
O C6H5
C C6H5
Benzophenon
Die bei der Reaktion gebildeten Ketone sind ebenfalls in der Lage mit AlCl3 Komplexe zu bilden. Daher werden bei der Acylierung stöchiometrische Mengen an Lewis-Säuren benötigt, im Gegensatz zur Alkylierung. Friedel-Crafts-Acylierungen dienen im Labor nicht nur zur Herstellung von Ketonen, sondern auch zur Synthese aliphatisch-aromatischer Kohlenwasserstoffe. Dabei wird oft zunächst der Aromat acyliert und das gebildete Keton mit Zink/Salzsäure (Zn/HCl) (Clemmensen-Reduktion, s. Abschn. 16.5.2.1) oder Hydrazin/Base (N2 H4 /OH / (Wolff-Kishner-Reduktion, s. Abschn. 16.5.2.2) reduziert. Damit lassen sich die Probleme der Friedel-Crafts-Alkylierung umgehen.
120
8 Die aromatische Substitution SAr
Ein Sonderfall ist die Formylierung nach Gattermann/Koch. Sie verläuft bei 30 bar CO-Druck vermutlich über einen Acylium-Komplex HCC DO AlCl4 und nicht über das instabile Formylchlorid HCOCl: AlCl3
C6H6 + CO + HCl
C6H5 CHO Benzaldehyd
Zur Formylierung von Phenolen und Phenolethern verwendet man die Gattermann-Reaktion, bei der Blausäure als Formylierungsreagenz verwendet wird. In Gegenwart von HCl bildet sich sehr wahrscheinlich Formimidchlorid als eigentliches angreifendes Agens. Bei besonders elektronenreichen Aromaten, wie etwa mehrwertigen Phenolen kann auf die Lewis-Säure verzichtet werden. Das primär gebildete Iminiumhydrochlorid wird durch Hydrolyse zum Aldehyd gespalten. Auch hier entstehen bevorzugt die p-Verbindungen. HCN + HCl
OCH3
NH +
H C
OCH3
OCH3 (AlCl3)
H2O
NH4Cl
+
Cl Anisol
Formimidchlorid
H
C
NH2 Cl− +
H
Aldimin-Hydrochlorid
C
O
p-Anisaldehyd
Die beste Methode zur Formylierung von elektronenreichen Aromaten wie Phenolethern und vor allem auch von Dialkylanilinen (einzige Methode für Aniline) ist die Vilsmeier-Haack-Synthese. Als Formylierungsreagenz dient hierbei Dimethylformamid oder das etwas reaktivere N-Methylformanilid. Die Aktivierung erfolgt hierbei nicht wie bisher mit Lewis-Säure sondern mit Phosphoroxychlorid (POCl3 ) (alternativ Phosgen COCl2 ), welches mit dem Formamid ebenfalls einen Komplex I bildet. Auch hier entsteht der gewünschte Aldehyd erst bei der wässrigen Aufarbeitung. O H 5C 6
N
C
O POCl2 H
H 5C 6
+ POCl3
CH3
+
N
C
H
Cl
Cl H 5C 6
−
CH3
N-Methylformanilid
N
C
CH3
H − PO2Cl2
Vilsmeier-Haack-Komplex I R 2N
R 2N
C 6H 5
R 2N
H 2O
+
+ I
+
C H
N
CH3 PO2Cl2
C −
O
H p-Aminobenzaldehyd
8.3 Die nucleophile aromatische Substitution (SN,Ar )
121
8.3 Die nucleophile aromatische Substitution (SN,Ar ) Nucleophile Substitutionen am Aromaten finden im allgemeinen an di- oder polysubstituierten Aromaten statt, die eine oder mehrere elektronenziehende, und somit aktivierende Gruppen tragen. Das Reagenz ist meist ein starkes Nucleophil. Die Reaktionen können mono- oder bimolekular verlaufen oder nach Mechanismen, die Eliminierungen oder Additionen beinhalten. Beachte, dass nur eine formale Ähnlichkeit zur nucleophilen Substitution SN am Aliphaten (Kap. 10) besteht. Häufig stellt man fest, dass dabei ein bereits vorhandener Substituent durch einen anderen (und nicht etwa wie sonst ein Proton) ersetzt wird. Derartige Reaktionen heißen ipso-Substitutionen. Sie können dabei nach verschiedenen Mechanismen ablaufen; es sind elektrophile und nucleophile aromatische ipso-Substitutionen bekannt.
8.3.1 Monomolekulare nucleophile Substitution am Aromaten (SN 1,Ar ) Die monomolekulare Substitution ist viel seltener als die bimolekulare Substitution. Nach ihr verläuft vermutlich die Umsetzung von Diazoniumsalzen (s. Abschn. 14.5.2) in wässriger und alkoholischer Lösung zu Phenolen bzw. Arylethern.
+
N N
H 2O langsam − N2
+
−H
OH
Phenol
OR
Arylether
+
ROH
Diazoniumion
Geschwindigkeitsbestimmend ist wohl die nach erster Ordnung verlaufende Zersetzung des Diazoniumions. Das gebildete reaktive Arylkation reagiert dann weiter z. B. mit einem Lösemittelmolekül. Die heterolytische Spaltung der CN-Bindung wird durch elektronenspendende Substituenten in m-Stellung beschleunigt, durch elektronenziehende hingegen allgemein verlangsamt.
8.3.2 Bimolekulare nucleophile Substitution am Aromaten (SN 2,Ar ) 8.3.2.1 Additions-Eliminierungs-Mechanismus Die bimolekulare aromatische nucleophile Substitution ist ein zweistufiger Prozess (Unterschied zu SN 2 an Aliphaten, Kap. 10), bei dem zuerst durch Angriff eines Nucleophils ein Carbanion gebildet wird. Dieser Schritt ist geschwindigkeitsbestimmend. Im zweiten schnellen Schritt wird dann das aromatische System wiederhergestellt unter Abspaltung der Abgangsgruppe. Wird dabei kein H-Atom abgespalten, handelt es sich um eine ipso-Substitution.
122
8 Die aromatische Substitution SAr
Beispiel NO2
NO2 Cl − + OH
langsam
−
NO2 Cl
OH schnell
OH
− + Cl
Elektronenziehende Substituenten, insbesondere mit M-Effekt, können das Carbanion-Zwischenprodukt vor allem in o- und p-Stellung stabilisieren. NO2
−
NO2
Cl OH
Cl OH
NO2 −
−
Cl OH
O + O− N Cl OH
−
Analoge Grenzstrukturen lassen sich auch für p-Nitrochlorbenzol formulieren! Die Nitrogruppe fördert also die nucleophile Substitution in eben den Stellungen, in denen sie die elektrophile erschwert. Bei Halogenaromaten hat die Art des Halogens kaum einen Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit Ausnahme der Arylfluoride. Hingegen hat das Lösemittel oft einen entscheidenden Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei der SN 2;Ar Reaktion. Sehr schnell verlaufen häufig Reaktionen in aprotischen polaren Medien wie Dimethylsulfoxid, Aceton oder Acetonitril. I
Für nucleophile aromatische Substitutionen gilt bezüglich einer Zweitsubstitution das Umgekehrte wie für die elektrophile Substitution!
Elektronenziehende Substituenten aktivieren den Aromaten und dirigieren den Zweitsubstituenten nach ortho und para. Grund hierfür ist die Stabilisierung des als Zwischenprodukt auftretenden Carbanions durch den Mesomerieeffekt bei Addition des Nucleophils an die o- oder p-Position. Der I-Effekt der Substituenten spielt eine deutlich geringere Rolle. M-Substituenten in o- oder p-Stellung zu einem Halogenatom erleichtern daher erheblich nucleophile Substitutionen an Halogenaromaten. So wird z. B. Pikrylchlorid (2,4,6-Trinitrochlorbenzol) noch wesentlich leichter als Nitrochlorbenzol durch verdünnte Natronlauge hydrolysiert. Das F-Atom im Sanger-Reagenz (2,4-Dinitrofluorbenzol) kann gut durch die nucleophile NH2 -Gruppe einer Aminosäure unter Bildung eines sekundären Amins ersetzt werden. Diese Reaktion nutzt man zur Sequenzanalyse von Peptiden und Proteinen (s. Abschn. 29.2.1).
8.3 Die nucleophile aromatische Substitution (SN,Ar ) NO2 O2N
123 NO2
R
F
+
NHR'
H2N
− HF
O
O2N
R NHR'
HN O
Sanger-Reagenz
Den Additions-Eliminierungs-Mechanismus findet man jedoch nicht nur bei Substraten, die neben dem elektronenziehenden Substituenten noch eine Abgangsgruppe tragen. Fehlt diese, so kann auch Hydrid (H ) substituiert werden. Beispiel Darstellung von o-Nitrophenol NO2
NO2 +
−
OH
−
Nitrobenzol
NO2 OH
OH + H−
H
o-Nitrophenol
Zwischenprodukt
Das Nucleophil OH verdrängt einen Substituenten, hier das Hydrid-Ion, und man erhält über eine Zwischenstufe o-Nitrophenol. Daneben wird p-Nitrophenol gebildet. Im Unterschied zu einer SN 2-Reaktion bei Aliphaten (s. Abschn. 10.2) tritt hier ein echtes Zwischenprodukt auf. Für dieses Zwischenprodukt lassen sich analoge mesomere Grenzstrukturen formulieren wie beim Nitrochlorbenzol diskutiert. Von den nucleophilen Substitutionen, die unter Ersatz eines H-Atoms ablaufen, ist vor allem die Tschitschibabin-Reaktion von Bedeutung. Hierbei wird Pyridin von der sehr starken Base Natriumamid (NaNH2 / angegriffen. Pyridin gehört zu den elektronenarmen Heterocyclen (Abschn. 22.3.2) und ist hinsichtlich seiner Reaktivität dem Nitrobenzol vergleichbar. Über den Additions-Eliminierungs-Mechanismus entsteht 2-Aminopyridin und Natriumhydrid, welches als starke Base das Aminopyridin deprotoniert. Durch wässrige Aufarbeitung erhält man das Amin. +
−
NH2 Na+
NH2
N Pyridin
Na
+
N−
H
+ NaH N
NH2
− H2
N
−
NH Na
+
2-Aminopyridin
8.3.2.2 Eliminierungs-Additions-Mechanismus (Arin-Mechanismus) Eine andere Art der nucleophilen Substitution führt über Arine als Zwischenstufe. Ein Arin oder Dehydrobenzol enthält ein aromatisches System mit einer Dreifachbindung. Eine solche hochreaktive Zwischenstufe wurde erstmals von Wittig
124
8 Die aromatische Substitution SAr
postuliert. Diese Arine werden über einen Eliminierungs-Additions-Mechanismus gebildet. Diesen Mechanismus findet man dann, wenn man Halogenaromaten ohne weitere elektronenziehende Gruppen mit starken Basen umsetzt. Ein Beispiel ist die Umsetzung von Chlorbenzol mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak. Die Bildung des Arins kann man nachweisen, indem man 14 Cmarkiertes Chlorbenzol verwendet. Die Addition des Ammoniaks ist an beiden Positionen der Dreifachbindung gleich wahrscheinlich. Man erhält daher ein Gemisch der beiden markierten Aniline. Verwendet man substituierte Chlorbenzole, wie etwa Chlortoluol, so bildet sich ebenfalls eine Mischung der regioisomeren Produkte. Cl + H
−
NH2 NH2 Na+
+ NH3
− NaCl
+ NH2
Benzin ("Dehydrobenzol")
markiertes Chlorbenzol
regioisomere markierte Aniline
Analog verläuft die Hydrolyse von Chlorbenzol mit NaOH/H2 O zu Phenol (s. Abschn. 12.2.2.3) und von o-Chlorphenol zu Brenzcatechin (o-Dihydroxybenzol). Gezielt lassen sich Arine herstellen durch thermische Zersetzung von Diazoniumsalzen (s. Abschn. 14.5.2), abgeleitet von der Anthranilsäure (o-Aminobenzoesäure). NH2 COOH
+
N N
NO+ − H 2O
O
Δ H
−H
+
+ N2 + CO2
O Diazoniumsalz der Anthranilsäure
Anthranilsäure
Aufgrund der Dreifachbindung sind Arine sehr gespannte und folglich hochreaktive Verbindungen. Sie gehen daher eine Reihe von Reaktionen ein, unter anderem auch Cycloadditionen. Eine gute Möglichkeit zum Nachweis und zum Abfangen dieser Spezies, die auch von synthetischem Interesse ist, ist die Diels-Alder-Reaktion (s. Abschn. 6.2.4) mit einem geeigneten Dien, z. B. Cyclopentadien.
+ Cyclopentadien
Benzonorbornadien
Teil III Verbindungen mit einfachen funktionellen Gruppen
Unter einer funktionellen Gruppe versteht man eine Atomgruppe in einem Molekül, die charakteristische Eigenschaften und Reaktionen zeigt und die das Verhalten des Moleküls wesentlich bestimmt. In einem Molekül können gleichzeitig mehrere gleiche oder verschiedene funktionelle Gruppen vorhanden sein.
9
Halogen-Verbindungen
9.1 Chemische Eigenschaften Ersetzt man in den Kohlenwasserstoffen ein oder mehrere H-Atome durch Halogenatome (X), erhält man organische Halogenverbindungen mit einer C–Hal-Bindung. Die Bindung ist entsprechend der unterschiedlichen Elektronegativität polarisiert nach •C C–X• . Dadurch ist das C-Atom einem Angriff nucleophiler Reagenzien zugänglich. Die Polarität der C–X-Bindung ist abhängig vom Halogenatom und von der Hybridisierung am C-Atom; sie nimmt in der Reihe sp3 > sp2 > sp ab. Stabilisierende Mesomerieeffekte sind zusätzlich zu berücksichtigen. Für die Reaktivität der Halogenverbindungen ist kennzeichnend, dass die Halogenatome (außer F) gut austretende Gruppen sind, und die Reaktivität mit der Polarisierbarkeit ansteigt: Polarität: Polarisierbarkeit: Reaktivität:
CF > CCl > CBr > CI CF < CCl < CBr < CI CF < CCl < CBr < CI
Typische Reaktionen sind: 1. Nucleophile Substitution am C-Atom, bei der das Halogenatom durch eine andere funktionelle Gruppe ersetzt wird (s. Kap. 10); 2. Eliminierungsreaktionen, d. h. Abspaltung von Halogenwasserstoff oder eines Halogenmoleküls unter Bildung einer Doppelbindung (s. Kap. 11); 3. Reduktion durch Metalle zu Organometall-Verbindungen. Hierbei kommt es zu einer „Umpolung“ des Kohlenstoffatoms, das die funktionelle Gruppe trägt (s. Kap. 15). Beispiel: Grignard-Reaktion δ+ δR CH2 Br + Mg
+ δ δ R CH2 MgBr
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_9
127
128
9 Halogen-Verbindungen
Halogenkohlenwasserstoffe sind meist farblose Flüssigkeiten oder Festkörper. Innerhalb homologer Reihen findet man die bekannten Regelmäßigkeiten der Siedepunkte. Halogenalkane sind in Wasser unlöslich, aber in den üblichen organischen Lösemitteln löslich (lipophiles Verhalten). Der qualitative Nachweis von Halogen in organischen Verbindungen gelingt mit der Beilstein-Probe. Hierbei zersetzt man eine Substanzprobe an einem glühenden Kupferdraht. Die entstehenden flüchtigen Kupferhalogenide färben die Bunsenbrennerflamme grün.
9.2 Verwendung Halogenverbindungen sind Ausgangssubstanzen für Synthesen, da sie meist leicht herstellbar sind. Vor allem die Iod- und Bromverbindungen sind zudem sehr reaktionsfähig. Methyliodid (Iodmethan) ist z. B. ein gutes Methylierungsmittel, es erwies sich jedoch im Tierversuch als carcinogen. Chlorierte Verbindungen sind gegenüber vielen Reaktionen inert und können daher als Lösemittel (MethylenchloTab. 9.1 Verwendung und Eigenschaften einiger Halogen-Kohlenwasserstoffe Name
Formel
Chlormethan (Methylchlorid) Brommethan (Methylbromid) Dichlormethan (Methylenchlorid) Trichlormethan (Chloroform) Tetrachlorkohlenstoff Dichlordifluormethan
CH3 Cl
Schmp. (ı C) 98
Sdp. (ı C) 24
CH3 Br
94
4
CH2 Cl2
97
40
CHCl3
63,5
61,2
CCl4
23
76,7
CCl2 F2
111
30
Treibmittel, Kältemittel (Frigen 12)
Difluorchlormethan Chlorethan (Ethylchlorid) Vinylchlorid Tetrafluorethen Halothane Halone Chlorbenzol ”-Hexachlorcyclohexan (Gammexan)
CHF2 Cl
146
41
C2 H5 Cl
138
12
Treibgas, ! CF2 DCF2 (Frigen 22) Anästhetikum
CH2 DCH–Cl CF2 DCF2 z. B. F3 C–CHClBr z. B. F2 BrC–CF2 Br C6 H5 Cl C6 H6 Cl6
154 142,5 – – 45 112
14 76 – – 132 –
Verwendung Methylierungsmittel, Kältemittel Methylierungsmittel, Bodenbegasung Löse- und Extraktionsmittel Extraktionsmittel, Narkosemittel Fettlösemittel
700 ı C
Kunststoffe (PVC) Teflon Anästhesie Feuerlöschmittel ! Phenol, Nitrochlorbenzol etc. Insektizid
Die bisher üblichen Verwendungen sind neuerdings stark beschränkt wegen der Human- und Umwelttoxizität vieler Halogenkohlenwasserstoffe.
9.3 Herstellungsmethoden
129
rid, Chloroform, etc.) verwendet werden. Neben ihrer teilweise narkotisierenden Wirkung (Chloroform, etc.) ist auch eine gewisse Toxizität zu beachten. Vollständig fluorierte Verbindungen sind chemisch völlig inert und ungiftig. Polymere Fluorverbindungen (Teflon) zeigen eine hohe Hitzebeständigkeit und dienen daher z. B. zum Beschichten von Pfannen. Eine ähnlich hohe Resistenz zeigen auch die ungiftigen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Aufgrund der niederen Siedepunkte vor allem der Methan- und Ethanderivate wurden sie früher sehr häufig als Kühlmittel (Freon, Frigen) in Kühlschränken und Klimaanlagen verwendet, ebenso wie als Treibmittel für Kunststoffschäume. Mittlerweile sind diese Verbindungen jedoch umstritten und in Deutschland verboten, da sie die Ozonschicht der Erde zerstören. Aufgrund ihrer hohen Flüchtigkeit und chemischen Inertheit gelangen sie nämlich bis in die Stratosphäre, wo sie unter dem Einfluss der harten UV-Strahlung in Radikale zerfallen, die dann mit dem Ozon reagieren. Dies gilt vor allem für die wasserstofffreien FCKW. Wasserstoffhaltige Derivate (Frigen 22 CHClF2 ) sind weniger stabil und werden bereits in den niederen Schichten der Atmosphäre weitestgehend abgebaut (Tab. 9.1).
9.3
Herstellungsmethoden
1. Aliphatische Halogenverbindungen werden im industriellen Maßstab meist durch radikalische Substitutionsreaktionen (s. Kap. 4) oder durch Umsetzung von Alkohol mit Halogenwasserstoff hergestellt. Bei letzterer Methode handelt es sich jedoch um eine Gleichgewichtsreaktion: R X + H 2O
R OH + HX
Im Laboratorium hat sich neben der Addition von Halogenwasserstoffen oder Halogenen an Alkene (s. Abschn. 6.1) vor allem die Umsetzung von Alkoholen mit Phosphor- oder Thionylhalogeniden (s. Abschn. 10.3 und 12.1.3.2) bewährt. So bildet sich bei der Reaktion mit Thionylchlorid ein wenig stabiles Chloralkylsulfit, welches beim Erwärmen unter Abspaltung von gasförmigem SO2 zerfällt Beispiele 3 R OH + PBr3
R OH + SOCl 2
3 R Br + H 3PO3
R O S Cl − HCl
O
R Cl + SO 2
2. Eine besondere Reaktion ist die Oxidation von Silbercarboxylaten mit Brom (Hunsdiecker-Reaktion): R COO -Ag+ + Br2
R Br + CO2 + AgBr
130
9 Halogen-Verbindungen
In dieser radikalisch verlaufenden Reaktion bildet sich im ersten Schritt ein Intermediat mit einer sehr instabilen OBr-Bindung. Diese wird homolytisch gespalten unter Bildung eine Acylradikals, welches decarboxyliert (s. Kap. 4). Das entstehende Alkylradikal reagiert mit weiterem Brom oder kann mit Bromradikalen rekombinieren. O
O R COO -Ag+ + Br2
− AgBr
Br + R C
R C
O
O Br
− CO2
R
3. Fluorverbindungen lassen sich nicht direkt durch die Umsetzung mit Fluor erhalten, wohl aber durch Austausch von Chloratomen mit Fluoriden oder HF: CCl4 + SbF 3 C7H16 + 32 CoF 3
CCl2F2
(Dichlordifluormethan, 'Freon 12')
C7F16 + 16 HF + 32 CoF 2
4. Iodverbindungen entstehen durch nucleophile Substitution (Kap. 10) aus anderen Halogenverbindungen (Finkelstein-Reaktion). Diese Reaktion ist prinzipiell eine Gleichgewichtsreaktion, das Gleichgewicht lässt sich jedoch sehr einfach auf die Seite der Iodverbindungen verschieben. Hierzu führt man die Reaktion in Aceton durch und nützt den Effekt aus, dass sich Natriumiodid in Aceton löst, nicht jedoch die anderen Natriumhalogenide. Diese fallen demzufolge aus und werden dadurch dem Gleichgewicht entzogen. R X + NaI
Aceton
R
I + NaX
5. Aromatische Halogenverbindungen können durch elektrophile SubstitutionsReaktionen an Aromaten in Gegenwart eines Katalysators hergestellt werden (Kernchlorierung, s. Abschn. 8.2.3). Bei aliphatisch-aromatischen Kohlenwasserstoffen ist auch eine Seitenkettenchlorierung möglich (Radikalreaktion unter dem Einfluss von Sonnenlicht bzw. UV-Licht, s. Abschn. 7.6.2).
9.4 Biologisch interessante Halogen-Kohlenwasserstoffe
131
9.4 Biologisch interessante Halogen-Kohlenwasserstoffe Natürlich vorkommende Halogenverbindungen sind relativ selten. Zu den wichtigen gehören: Fluoressigsäure (in der südafrikan. Giftpflanze Dichapetalum cymosum)
FCH2 COOH
NH COCHCl2 CH CH CH2OH
O2N
OH 1
R H3C OH R 2
N(CH3)2 OH
OH
OH OH O
O
O
N H
Br
I
CONH2
H N
Br
I CH2 CH COOH
O X
Aureomycin = Chlortetracyclin: R1 = Cl, R2 = H Tetramycin: R1 = H, R2 = OH Tetracyclin: R1, R 2 = H (Antibiotika)
6,6'-Dibromindigo (Antiker Purpur, aus Purpurschnecken)
O
NH2 HO
Chloramphenicol (Chloromycetin) (Antibiotikum) Man beachte auch die Nitro-Gruppe!
I
X = H: 3,5,3'-Triiodthyronin X = I: 3,5,3',5'-Tetraiodthyronin (= L-Thyroxin) (Hormone der Schilddrüse)
Bemerkung Polychlorierte Insektizide werden zunehmend weniger verwendet wegen der Anreicherung in der Nahrungskette und wegen ihres langsamen biologischen Abbaus. Immer noch häufig verwendet wird DDT zur Bekämpfung der Überträgerinsekten der Malaria (s. Kap. 7).
10
Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
Die nucleophile aliphatische Substitutions-Reaktion (SN ) ist eine der am besten untersuchten Reaktionen der organischen Chemie. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass ein nucleophiler Reaktionspartner Nu| einen Substituenten X| (Abgangsgruppe, nucleofuge Gruppe) verdrängt und dabei das für die CNuBindung erforderliche Elektronenpaar liefert:
Beispiel:
Nu− +
+ R CH2
– X
R CH2
Nu + X
OH− +
R CH2
Cl
R CH2
OH + Cl
− −
Eine gewisse Polarisierung der CHX-Bindung begünstigt die Reaktion. Das CAtom, an dem die Reaktion stattfinden soll, erhält dadurch eine positive Teilladung. Im Hinblick auf den Reaktionsmechanismus können unterschieden werden: 1. die monomolekulare nucleophile Substitution, die im Idealfall nach 1. Ordnung verläuft (SN 1); 2. die bimolekulare nucleophile Substitution, die im Idealfall eine Reaktion 2. Ordnung ist (SN 2).
10.1 Der SN 1-Mechanismus Typische Substrate für Substitutionen nach dem SN 1-Mechanismus sind tertiäre Halogenide. Wie hier am Beispiel der alkalischen Hydrolyse von tert.-Butylchlorid gezeigt, verläuft die Reaktion monomolekular:
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_10
133
134
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
a
b Energie
+
C
v=
dc(RX) = k c(RX) dt
R-X + Y
R-Y + X
Reaktionskoordinate
Abb. 10.1 Die SN 1-Reaktion. a Geschwindigkeitsgesetz. b Energiediagramm
CH3 H3C C Cl CH3
CH3
CH3 langsam
2-Chlor-2-methyl-propan (tert.-Butylchlorid)
H3C C+ + Cl
-
OH schnell
H3C C OH + Cl CH3
CH3 Carbeniumion
2-Methyl-2-propanol (tert.-Butanol)
Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist der Übergang des vierbindigen tetraedrischen, sp3 -hybridisierten C-Atoms in das dreibindige, ebene Trimethylcarbeniumion (sp2 -hybridisiert). Der Reaktionspartner OH ist dabei nicht beteiligt, man erhält ein Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung (Abb. 10.1a). Das gebildete Carbeniumion ist eine Zwischenstufe und kein Übergangszustand, was sich auch im Reaktionsprofil bemerkbar macht (Abb. 10.1b).
10.1.1 Auswirkungen des Reaktionsmechanismus 10.1.1.1 Racemisierung Die Bildung eines planaren Carbeniumions hat weit reichende Konsequenzen für die Umsetzung chiraler Ausgangsverbindungen (s. a. Abschn. 25.5.2). Geht man zum Beispiel von optisch aktiven Halogenverbindungen wie etwa 3-Chlor-3-methyl-hexan aus, so kann das im ersten Schritt gebildete Carbeniumion von OH von beiden Seiten mit derselben Wahrscheinlichkeit angegriffen werden. Der gebildete Alkohol entsteht demzufolge als racemisches Gemisch (Racemat). I
SN 1-Reaktionen verlaufen also unter weitgehender Racemisierung!
10.1
Der SN 1-Mechanismus
135 OH −
C 3H 7 Cl C
H 7C 3
C 3H 7 +
+ OH C 2H 5 CH3
− Cl −
H 5C 2 H 3C
C2H5
H3C
C 3H 7 C OH + HO C
C 2H 5 CH3
racemisches Gemisch
Ob die Racemisierung vollständig oder nur teilweise erfolgt, wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt: 1. von der Stabilität des bei der Heterolyse gebildeten Carbeniumions, 2. von der Nucleophilie des Lösemittels (Solvens) bei Solvolysen. Eine plausible Erklärung hierfür liefert das Dissoziationsschema: δ+ δ R X
R+ X
R+ solv.
I
X
R+solv. + X solv.
solv.
II
III
Nach der Ionisierung von RX bildet sich zunächst ein inneres Ionenpaar (Kontakt-Ionenpaar) I, dessen Ionen noch in engem Kontakt miteinander stehen und von einer gemeinsamen Lösemittelhülle (Solvat-Hülle) umgeben sind. Daraus entsteht ein externes Ionenpaar II, wobei sich zwischen die Ionen einige SolvensMoeküle geschoben haben. Schließlich erhalten wir selbständige, vollkommen solvatisierte Ionen, III. Das Nucleophil Nul kann nun in jedem dieser Stadien angreifen. Eine vollständige Racemisierung wird man dann erwarten können, wenn RC eine relativ große Lebensdauer hat, d. h. aufgrund seiner Struktur stabil ist, oder wenn das angreifende Teilchen nur schwach nucleophil ist und die Reaktion erst in Stufe III einsetzt. Da dabei die entstehenden Ionen solvatisiert werden müssen, hat das Lösemittel auch einen großen Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit.
10.1.1.2 Wagner-Meerwein-Umlagerungen Mit Wagner-Meerwein-Umlagerungen muss man immer rechnen wenn Carbeniumionen als Zwischenstufen gebildet werden, und sich diese durch [1,2]-Verschiebung von Atomen oder Molekülgruppen in stabilere Carbeniumionen umwandeln können. H-Atome wandern hierbei besonders leicht, aber auch ganze Alkylgruppen
136
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
können transferiert werden. Für Alkylgruppe gilt folgende Wanderungstendenz: Ctertiär > Csekundär > Cprimär > CH3 Versetzt man z. B. Neopentylalkohol (2,2-Dimethylpropanol) mit konz. Schwefelsäure, bildet sich nach Protonierung der OH-Gruppe und Wasserabspaltung das Neopentylkation, ein primäres Carbeniumion. Dieses kann sich durch Wanderung einer der benachbarten Methylgruppen in das erheblich stabilere tertiäre Carbeniumion umwandeln. Dieser Prozess ist relativ schnell, und man findet in der Regel Folgeprodukte dieses umgelagerten Carbeniumions. Im vorliegenden Fall kann z. B. ein Proton abgespalten werden (Eliminierung, s. Abschn. 11.2.1). H H+
H3C C CH3
CH2 O H H3C C CH3
CH3
CH3
+
+
CH2 OH
- H2O
CH2
CH2
H3C C CH3
+C
CH3
CH3
CH3
CH3
10.2 Der SN 2-Mechanismus Bei der SN 2-Reaktion, hier am Beispiel von 2-Brombutan gezeigt, erfolgen Bindungsbildung und Lösen der Bindung gleichzeitig. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Bildung des Übergangszustandes I, d. h. der Angriff des Nucleophils. Bei dieser bimolekularen Reaktion sind beide Reaktionspartner beteiligt, es gilt ein Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung (Abb. 10.2). Br H H 3C
C
OH C 2H 5
(R)-2-Brombutan
−
Br H H 3C
C 2H 5
− Br -
H H 3C
OH
OH I
C 2H 5
(S)-2-Butanol
Der nucleophile Partner (OH ) nähert sich dem Molekül von der dem Substituenten (Br) gegenüberliegenden Seite. In dem Maße, wie die CBr-Bindung gelockert wird, bildet sich die neue COH-Bindung aus. Im Übergangszustand I befinden sich die OH-Gruppe und das Br-Atom auf einer Geraden. Ist das Halogen an ein optisch aktives C-Atom gebunden, z. B. beim 2-Brombutan, entsteht das Spiegelbild der Ausgangsverbindung. Dabei wird die Konfiguration am chiralen C-Atom umgekehrt. Man spricht daher von Inversion, hier speziell von Waldenscher Umkehr. Am Formelbild erkennt man deutlich, dass die drei Substituenten am zentralen C-Atom in eine zur ursprünglichen entgegengesetzten Konfiguration „umgestülpt“ werden. Vergleich: Umklappen eines Regenschirms (im Wind). I
Die Inversion ist charakteristisch für eine SN 2-Reaktion.
10.3
SN -Reaktionen mit Retention
137
b
a
Energie Nu
X
v=
dc(RX) = k c(RX) c(OH−) dt
R-X + Nu
R-Nu + X
Reaktionskoordinate
Abb. 10.2 Die SN 2-Reaktion. a Geschwindigkeitsgesetz. b Energiediagramm
Im Gegensatz zur SN 1-Reaktion lässt sich die Bildung von Alkenen (Olefinen) und von Umlagerungsprodukten durch entsprechende Wahl der Reaktionsbedingungen vermeiden.
10.3 SN -Reaktionen mit Retention Bei einigen SN -Reaktionen tritt weder eine Konfigurationsumkehr noch eine Racemisierung auf: Sie verlaufen unter Erhaltung der Konfiguration am Chiralitätszentrum (Retention). Der Grund hierfür sind sog. Nachbargruppeneffekte. Charakteristisch dabei ist, dass die Edukte ein dem Reaktionszentrum benachbartes Atom haben, das entweder eine negative Ladung oder ein freies Elektronenpaar besitzt. Dieses Atom greift in einem ersten Schritt das Reaktionszentrum an (1. Inversion) und wird dann im zweiten Reaktionsschritt durch das von außen angreifende nucleophile Agens verdrängt (2. Inversion). Die Retention ist also eine Folge der doppelten Inversion. Beispiel Br H C COOH H 3C H H 3C C
OH -
H H 3C
C
O α-Lacton
OH -
H H 3C
C O
C
C
C
O
−
OH O
−
Br
Br H C C O H 3C O -
O
O
1. Inversion − Br -
OH 2. Inversion
H C COOH H 3C Milchsäure
Die Hydrolyse von (R/-’-Brompropionsäure mit verd. NaOH zu (R)-Milchsäure verläuft kinetisch wie eine Reaktion 1. Ordnung, d. h. unabhängig vom Nu-
138
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
cleophil OH . Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Bildung des sehr reaktionsfähigen ’-Lactons (1. Inversion), welches dann unter der 2. Inversion zum Produkt abreagiert. Eine weitere Reaktion 2. Ordnung, die unter Retention verlaufen kann, ist die Reaktion einiger Alkohole mit Thionylchlorid (s. a. Abschn. 9.3 und 12.1.3.2). Im ersten Schritt entsteht ein Chloralkylsulfit I, welches nun nach verschiedenen Mechanismen in das Chlorid umgewandelt werden kann. Führt man die Reaktion in nicht nucleophilen Lösemitteln durch und gibt man Pyridin zu, so setzt sich I mit Chlorid unter Inversion um.
HCl
Führt man die Reaktion jedoch in nucleophilen Lösemitteln wie z. B. Dioxan durch, so kann dieses an der Reaktion teilnehmen: Unter Inversion bildet sich in situ das Oxoniumion II, welches dann in einem zweiten Inversionsschritt von abgespaltenem Chlorid angegriffen wird. Gesamtbilanz: Retention.
H H 3C
R
O
R O I
S
Cl
+ O
O
Dioxan
− SO2
+
O
R H + Cl CH3
O
H H 3C
Cl
II
10.4 Das Verhältnis SN 1/SN2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer SN -Reaktion Die besprochenen SN 1- und SN 2-Mechanismen konkurrieren je nach Reaktion unterschiedlich stark miteinander bei jeder SN -Reaktion. Oft gibt es jedoch die Möglichkeit, das Verhältnis von SN 1 zu SN 2 zu beeinflussen. Die im Folgenden diskutierten Faktoren sind natürlich miteinander verknüpft und werden nur der Übersichtlichkeit wegen getrennt besprochen.
10.4.1 Konstitution des organischen Restes R Aus der Betrachtung des Übergangszustandes einer SN 1-Reaktion geht hervor, dass die Substitution bei einem CI-Effekt (!) des Restes R erleichtert wird, weil er die Polarisierung nach R•C X• und damit die Bildung eines Carbeniumions begünstigt. Da sowohl der CI-Effekt als auch die Stabilität von Carbeniumionen in der Reihenfolge primär < sekundär < tertiär zunehmen (s. Abschn. 2.5.4), sind für tertiäre Alkyl-Derivate vorwiegend SN 1-Reaktionen zu erwarten. Die Reaktionsgeschwindigkeit wird durch die Alkyl-Substituenten noch erhöht:
10.4 Das Verhältnis SN 1/SN 2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer SN -Reaktion H 3C
CH3
+
C
H 3C
H
+
C
>
CH3
H
H
+
C
>
CH3
H >
CH3
+
139
H
C H
Bei SN 2-Reaktionen ist zu berücksichtigen, dass im Übergangszustand fünf Substituenten um das zentrale C-Atom gruppiert sind. Der CI-Effekt wird durch die mit zunehmender Alkylierung stark wachsende sterische Hinderung überkompensiert. Dadurch wird die SN 2-Reaktion erschwert. Sie wird vorzugsweise bei primären Alkyl-Derivaten auftreten, da in diesem Fall die Hinderung durch voluminöse, raumerfüllende Alkylgruppen fehlt. Die Reihenfolge der Reaktivität ist also umgekehrt wie bei SN 1. Beispiel tert.-Butylchlorid (2-Chlor-2-methyl-propan) reagiert etwa 106 mal schneller mit AgC -Ionen in methanolischer Lösung als n-Chlorbutan (SN 1). tert.Butylchlorid reagiert aber mit I -Ionen in Aceton kaum, während n-Chlorbutan relativ schnell reagiert (SN 2, Finkelstein-Reaktion).
Bei R−X gilt für R =
SN1 nimmt zu primär sekundär SN2 nimmt zu
tertiär
Sekundäre Alkyl-Derivate liegen im Grenzbereich zwischen SN 1 und SN 2. Die Reaktion kann daher z. B. durch Variation des Nucleophils oder des Lösemittels in einem breiten Bereich gesteuert werden. Eine Steuerung nach SN 1 erfolgt auch dann, wenn die Carbeniumionen durch mesomere Effekte stabilisiert werden. Dies gilt z. B. für Allylchlorid, CH2 DCHCH2 Cl, oder Benzylchlorid (s. a. Abschn. 2.5.4). Demgegenüber gehen Vinylhalogen-Verbindungen wie CH2 DCHCl oder Arylhalogen-Verbindungen kaum SN 1-Reaktionen ein.
10.4.1.1 Die Art der Abgangsgruppe Die Art der Abgangsgruppe X beeinflusst vor allem die Geschwindigkeit der nucleophilen Substitution und weniger das Verhältnis von SN 1 zu SN 2. Die Spaltung der CX-Bindung erfolgt um so leichter, je stabiler das austretende Ion oder je stärker die korrespondierende Säure HX ist. Für die Stabilität bekannter Gruppen gilt folgende Reihe: O
O F3C
S O
+
N N
SO3−
S O
I
Br
Cl
HO3SO
O2NO
O
O
F3C
H 3C
N2
Triflat-Gruppe gute Austrittsgruppe
H3C C6H4 SO3−
I−
Br− Cl − HO3SO−
NO3−
Tosylat-Gruppe mäßig gute Austrittsgruppe
140
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
Man erkennt, dass zu den guten Austrittsgruppen die Anionen starker Säuren zählen. Schlechte Abgangsgruppen sind Gruppen wie OH, OR, NH2 , OCOR, die schwer durch andere Nucleophile zu verdrängen sind. Hydroxy- und Alkoxy-Gruppen in Alkoholen und Ethern können praktisch nur im sauren Medium substituiert werden, wobei zuerst eine Protonierung am Sauerstoff erfolgt. Beispiel Durch den Lucas-Test können prim., sek. und tert. Alkohole unterschieden werden. So reagieren tertiäre Alkohole sehr schnell mit HCl unter Bildung des entsprechenden Alkylhalogenids. Primäre Alkohole reagieren gar nicht und sekundäre nur langsam nach Zusatz von Zinkchlorid (erhöht Austrittstendenz der OH-Gruppe).
10.4.2 Das angreifende Nucleophil Die Geschwindigkeit einer SN 2-Reaktion wird mit zunehmender Nucleophilie von Nu| erhöht. Für die Nucleophilie verschiedener Teilchen in einem protischen Lösemittel gilt etwa: RS > CN > I > OH > Br > Cl > CH3 COO > H2 O > F Zwar ist in der Regel eine starke Base auch ein gutes Nucleophil, es gilt jedoch zu bedenken, dass die Basizität eine definierte, gut messbare Größe ist, die sich auf die Abstraktion eines Protons bezieht (s. a. Abschn. 2.5.3). Die Nucleophilie hingegen ist eine kinetische Größe, ermittelt durch die Reaktion mit einem Elektrophil. Sie ist ein Maß für die Fähigkeit des betreffenden Teilchens, sein Elektronenpaar auf ein C-Atom zu übertragen. Sie ist somit auch von sterischen Faktoren und den Wechselwirkungen mit dem Lösemittel (Solvatisierung) abhängig. Qualitative Aussagen zum Reaktionsverhalten lassen sich anhand des Konzepts der harten und weichen Lewis-Säuren und -Basen (HSAB-Konzept) machen. Nach diesem Konzept reagieren bevorzugt Teilchen vergleichbarer Härte miteinander: harte Nucleophile mit harten Elektrophilen, weiche Nucleophile mit weichen Elektrophilen. Weiche Anionen (Nucleophile) sind groß, gut polarisierbar und wenig elektronegativ (Bsp. I , RS , R3 P), harte Anionen (Nucleophile) sind klein und stark elektronegativ (Bsp. F , Cl , RO , OH , RNH2 ). Bei den Elektrophilen ist das Proton ein sehr hartes Elektrophil, ein sp3 -hybridisiertes CAtom ein weiches Elektrophil. Ein hartes Anion wird also eher als Base reagieren und ein Proton abstrahieren, während ein großes, weiches Anion in erster Linie als Nucleophil am C-Atom reagiert. Ähnliche Betrachtungen kann man auch für den Verlauf von SN -Reaktionen anstellen. Die SN 1-Reaktion verläuft über ein Carbeniumion (sp2 -C mit positiver Ladung), also ein vergleichsweise hartes Zentrum. Im Vergleich hierzu ist die Ladung beim SN 2-Übergangszustand auf ein- und austretendes Teilchen verteilt, man hat hier also einen weichen Übergangszustand vorliegen. Weiche Nucleophile reagieren daher bevorzugt nach SN 2, harte Nucleophile nach SN 1.
10.4 Das Verhältnis SN 1/SN 2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer SN -Reaktion
141
Für den Reaktionsablauf ist von Bedeutung, dass schlecht austretende Gruppen ein starkes Nucleophil erfordern. Dies wiederum begünstigt die als Nebenreaktion auftretende Eliminierung. Es ist daher oft günstiger, gut austretende Gruppen in ein Molekül einzuführen. Darüber hinaus begünstigt eine hohe Konzentration des Nucleophils Nu| die SN 2-Reaktion (Zeitgesetz!): Sie wird stark beschleunigt. Umgekehrt wirkt sich eine Verminderung der Konzentration des Nukleophils hauptsächlich auf die SN 2-Reaktion aus, nicht aber auf die SN 1-Reaktion.
10.4.3 Lösemitteleffekte Lösemittel solvatisieren die Reaktionspartner und den Übergangszustand, setzen dadurch die Aktivierungsenergie der Reaktion herab und beeinflussen in starkem Ausmaß das Verhältnis SN 1/SN 2. Wichtige Lösemitteleigenschaften für SN Reaktionen sind die Dielektrizitätskonstante (Lösemittelpolarität), das Solvatationsvermögen und die Fähigkeit, Wasserstoff-Brückenbindungen auszubilden. Für polare und protische Lösemittel gilt: je größer ein Ion, desto größer die Nucleophilie. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, dass große Ionen leichter polarisierbar sind (z. B. I > Br > Cl ), weil ihre äußeren Elektronen weniger fest gebunden werden. Mit zunehmender Größe wird die Solvatation geringer (kleinere Solvatationsenergie), und die kleinere Solvathülle wird bei der Reaktion leichter abgebaut. Das I -Ion ist daher in protischen Lösemitteln, obwohl die schwächere Base, ein stärkeres Nucleophil als das kleine, schwer polarisierbare F Ion, das zudem starke H-Brückenbindungen ausbildet. Geht man aber zu einem dipolar-aprotischen Lösemittel, z. B. Aceton, über, so wird die Nucleophilie-Skala umgekehrt und es gilt: F > Br > I ; jetzt liegt nämlich das stärker basische, wenig solvatisierte („nackte“) F -Ion vor. Da beim SN 1-Mechanismus sowohl das Carbeniumion als auch das austretende Anion stabilisiert werden müssen, begünstigen protische Lösemittel („harte Lösemittel“) wie Wasser, Alkohole und Carbonsäuren diese Reaktion. Darüber hinaus kann man auch durch Erhöhung der Polarität des Lösemittels SN 1-Reaktionen begünstigen, weil dadurch die Ionisierung des Eduktes und damit die Geschwindigkeit der SN 1-Reaktion beschleunigt werden (z. B. durch den Wechsel von 80 % Ethanol zu Wasser). SN 2-Reaktionen laufen dagegen bevorzugt in aprotischen Lösemitteln („weiche Lösemittel“) ab wie Dimethylformamid, (CH3 )2 NCHO, oder Dimethylsulfoxid, (CH3 )2 SO. Deshalb ist beim Lösemittelwechsel (protisch ! aprotisch) nicht nur eine Veränderung der Reaktionsgeschwindigkeit, sondern auch ein Übergang etwa von SN 1 nach SN 2 möglich.
10.4.4 Ambidente Nucleophile Unter ambidenten Nucleophilen versteht man Teilchen die an zwei Zentren, die in Konjugation miteinander stehen, mit Elektrophilen reagieren können. In der
142
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom
Regel sind die ambidenten Nucleophile polar gebaut, d. h. die nucleophilen Positionen sind unterschiedlich groß, polarisierbar und elektronegativ. Somit kann man den ambidenten Nucleophilen nach dem HSAB-Konzept „ein weiches (w) und ein hartes (h) Zentrum“ zuordnen. Einige typische Vertreter sind: O C N
C N h
w
N
h
Cyanid
O
w
O
h
N
O
+
O
O R
w
R
R
Nitrit
R Enolat
Reaktionen nach dem SN 1-Mechanismus werden daher bevorzugt am harten Zentrum ablaufen, während das weiche Zentrum in SN 2-Substitutionen bevorzugt wird. Auch lässt sich die Position durch die Wahl des Lösemittels steuern. Beispiel Umsetzung von Alkylhalogeniden mit Cyanid Bei der Umsetzung primärer Alkylhalogenide erfolgt die Substitution nach einem SN 2-Mechanismus, der Angriff erfolgt demgemäß am „weichen Zentrum“, also am C-Atom. Es entsteht bevorzugt das Nitril (Kolbe Nitrilsynthese). R CH2 I + NaCN
NaI +
R CH2 C N
Nitril
Bei sekundären Halogeniden sind beide Mechanismen möglich. Sorgt man jedoch dafür, dass die Bildung von Carbeniumionen begünstigt wird, erhält man bevorzugt eine SN 1-Reaktion, bei der das Atom mit der höheren Elektronendichte (hartes Zentrum) angreift. Dies kann man durch Verwendung des Silbercyanids erreichen. Durch die Bildung von schwerlöslichem Ag-Halogenid wird die Bildung von Carbeniumionen gefördert und es kommt, wie auch bei der Reaktion von tertiären Halogenalkanen, zu einer SN 1-Reaktion. In diesem Fall bildet sich überwiegend das Isonitril (Isocyanid). R2CH Cl + AgCN
AgCl +
R2CH
N C
Isonitril
Analoge Betrachtungen lassen sich auch für andere ambidente Nucleophile anstellen, wie Nitrit und Enolate.
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)
Eine Abspaltung zweier Atome oder Gruppen aus einem Molekül, ohne dass andere Gruppen an ihre Stelle treten, heißt Eliminierungs-Reaktion. I
Bei einer 1,1- oder ’-Eliminierung stammen beide Gruppen vom gleichen Atom, bei der häufigeren 1,2- oder “-Eliminierung von benachbarten Atomen. Eliminierungen können stattfinden:
ohne Teilnahme anderer Reaktionspartner, in der Regel thermisch (Beispiel: Esterpyrolyse): β
α
H C C X
+ HX
C C
unter dem Einfluss von Basen (B) oder Lösemittel-Molekülen: BI + H C C X
BH +
C C
+ XI
mit Reduktionsmitteln aus vicinal (= benachbart) disubstituierten Verbindungen (Beispiel: 1,2-Dihalogen-Verbindungen, M = Metall): M + X C C X
C C
+ MX 2
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_11
143
144
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)
11.1 ’- oder 1,1-Eliminierung Werden beide Gruppen vom gleichen C-Atom abgespalten, spricht man von einer ’-Eliminierung. Bekanntestes Beispiel ist die Bildung von Dichlorcarben aus Chloroform (pKs 25) mit einer starken Base. Im ersten Schritt wird ein Carbanion gebildet, aus dem Dichlorcarben als Zwischenprodukt entsteht. Durch geeignete Olefine wie 2-Buten lassen sich in einer Abfangreaktion Cyclopropane synthetisieren (s. Abschn. 6.2.1). Cl
Cl
Cl C H + −IOH
Cl C schnell
Cl
−
+ H 2O
− Cl −
CCl2
langsam
Cl
H2O / OH− schnell
CO + HCO− + Cl− 2
Dichlorcarben
11.2 “- oder 1,2-Eliminierung Ebenso wie Substitutionen können auch Eliminierungen mono- oder bimolekular verlaufen (E1- bzw. E2-Reaktion). Bezüglich des zeitlichen Verlaufs der Spaltung der H–C- und C–X-Bindung gibt es mehrere Möglichkeiten, die mehr oder weniger kontinuierlich ineinander übergehen. Die drei bekanntesten sind: 1. E1: C’ –X wird zuerst gelöst. 2. E1cB: H–C“ wird zuerst aufgelöst. 3. E2: Beide Bindungen werden etwa gleichzeitig gelöst.
11.2.1 Eliminierung nach einem E1-Mechanismus Der erste Reaktionsschritt, die Heterolyse der C’ –X-Bindung, ist bei E1- und SN 1Reaktionen gleich. Er führt zu einem Carbeniumion als Zwischenprodukt. β
α
H C C X
H C C
+
+ X−
H C C
X
Dieser Schritt ist geschwindigkeitsbestimmend. Im folgenden schnellen Reaktionsschritt kann das Carbeniumion mit einem Nucleophil reagieren (!SN 1), oder es wird vom “-C-Atom ein Proton abgespalten und ein Alken gebildet (! E1). Beispiel Hydrolyse von tert.-Butylchlorid (2-Chlor-2-methyl-propan) CH3 H 2O CH3 H3C C Cl CH3
H 2O
+
CH3
H 3C C
SN1
H3C C OH
+ + H
CH3
+ Cl−
CH3
CH3 E1
H 2C C CH3
+ + H
11.2 “- oder 1,2-Eliminierung
145
Geschwindigkeitsgleichung für beide Reaktionsabläufe: vD
dc.RX/ D k c.RX/ dt
Beide Reaktionen verlaufen sehr schnell. Das Verhältnis E1/SN 1 ist nur wenig zu beeinflussen; es treten die bekannten Umlagerungen von Carbeniumionen als Nebenreaktionen auf (s. Abschn. 10.1.1). Auch die säurekatalysierte Dehydratisierung von Alkoholen zu Alkenen verläuft monomolekular. Da die Eliminierung an verschiedenen Positionen erfolgen kann, werden in der Regel Produktgemische erhalten. CH3
+
+ R CH2 C OH + H
R CH2 C
CH3
CH3
CH3
H
+ CH2 H
R CH2 C
O
+ + H 3O
CH2
H
11.2.2 Eliminierung nach einem E1cB-Mechanismus Reaktionen nach diesem Mechanismus sind relativ selten. Er wird über ein Carbanion formuliert. Am Beispiel erkennt man, dass unter dem Einfluss einer starken Base (B) zuerst die C“ –H-Bindung gelöst wird (schneller Schritt). Dabei wird das Carbanion, die konjugierte Base (cB) gebildet, die in einem zweiten, langsamen Reaktionsschritt eine Abgangsgruppe eliminiert. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist daher nur von der Konzentration dieser konjugierten Base abhängig. F
F Br2C CF2 −
BI
H
−
Br2C CF2
schnell
langsam
Br2C CF2 + BH + F −
konjugierteBase
Geschwindigkeitsgleichung: vD
dc.RX/ D k c.konj. Base/ dt
11.2.3 Eliminierung nach einem E2-Mechanismus Der wichtigste Reaktionsmechanismus ist bei den Eliminierungen der einstufige E2-Mechanismus. Die Abtrennung der Gruppe vom ’-C-Atom (meist ein Proton), die Bildung der Doppelbindung und der Austritt der Abgangsgruppe X verlaufen simultan. Die Base, z. B. OH , entfernt ein Proton von einem Kohlenstoffatom und gleichzeitig tritt die Abgangsgruppe, z. B. ein Bromidion, aus. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reaktion zwischen der Base und dem Halogenalkan.
146
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)
Beispiel Eliminierung von HBr aus Bromethan BI
−
H
−
B H
H2C CH2
H2C CH2 + BH + Br−
H2C CH2
Br
Br
Geschwindigkeitsgleichung: vD
dc.RX/ D k c.B/ c.RX/ dt
Zum stereochemischen Verlauf der Reaktion nach E2 E2-Reaktionen verlaufen dann besonders gut, wenn die austretenden Gruppen H und X trans-ständig sind und H, C’ , C“ , X in einer Ebene liegen (antiperiplanare Anordnung). In diesem Fall spricht man auch von anti-Eliminierung (der Ausdruck „trans“ ist der „Stereochemie“ vorbehalten). Zur graphischen Darstellung des Reaktionsverlaufs eignet sich besonders die Sägebock-Projektion (s. Abschn. 3.1.1) Beispiel Stereoselektive Eliminierung von HBr aus 1-Brom-1,2-diphenyl-propan −
BI
Ph
H
H
Ph B
H Br CH3
Ph
Ph −
H
H
Ph Br CH3
Ph CH3
(1S,2R)-1-Brom1,2-diphenylpropan
(E)-1,2-Diphenylpropen
I
−
BI
Ph
Ph H
H
Br CH3
(1R,2R)-1-Brom1,2-diphenylpropan
B Ph
Ph H Br CH3
H
−
Ph H Ph CH3 (Z)-1,2-Diphenylpropen
II
Aus den 1,2-Diphenylpropylhalogen-Verbindungen entstehen jeweils nur die nach dem anti-Mechanismus zu erwartende Produkte. Die diastereomeren Halogenide I und II (s. Kap. 25) liefern daher stereoselektiv die entsprechenden Alkene mit entgegengesetzter Olefingeometrie (geometrische Isomere, s. a. Abschn. 2.3). Besonders ausgeprägte anti-Stereoselektivität zeigen Cyclohexan-Derivate, da die Eliminierung bevorzugt aus der trans-diaxialen Konformation (vgl. Abschn. 3.2.1) erfolgt.
11.3 Das Verhältnis von Eliminierung zu Substitution
147
Betrachten wir z. B. die HX-Eliminierung aus Cyclohexylderivat III mit axialer Austrittsgruppe, so erkennt man, dass der Base zwei anti-orientierte Protonen zur Verfügung stehen. Daher wird bei dieser Reaktion immer ein Gemisch der Alkene IV und V gebildet. Das Verhältnis dieser Regioisomeren wird vor allem durch die Austrittstendenz der Gruppe X, sowie die Stärke und die Größe der Base B bestimmt (s. a. Abschn. 11.4). X R
H H
B−
H
CH3
R
CH3
III
+
R
CH3
IV
V
Befindet sich die Austrittsgruppe nicht in einer axialen Position, so muß gegebenenfalls das Substrat zuvor von einer Sesselform (s. a. Abschn. 3.2.1) in die andere übergehen, damit Eliminierung erfolgen kann. Ganz anders liegen daher die Verhältnisse bei der Eliminierung aus dem zu III isomeren Derivat VI mit äquatorialer Austrittsgruppe. Eine anti-Eliminierung ist hierbei aus dieser Konformation nicht möglich. Zur Eliminierung muß das Molekül daher aus der energetisch günstigen Sesselkonformation VI in die erheblich ungünstigere Konformation VI0 übergehen. In dieser Konformation befindet sich jedoch nur 1 H-Atom anti zur Austrittsgruppe. Daher erfolgt die Eliminierung hier regioselektiv zum Alken V. Das isomere Alken IV wird nicht erhalten. −
BI
R R
H H
X VI
H
CH3
H
H
R X
H VI'
CH3
CH3 V
11.3 Das Verhältnis von Eliminierung zu Substitution Bei der Besprechung der SN -Reaktionen wurde schon darauf hingewiesen, dass oft Eliminierungen als Konkurrenzreaktionen auftreten. Dies ist verständlich, wenn man die Reaktionsmöglichkeiten eines Nucleophils Nu| mit einem geeigneten Partner betrachtet. Jedes Nucleophil ist auch eine Base und kann daher zur Eliminierung führen. SN 1-Substitutionen werden normalerweise von E1-Eliminierungen als Nebenreaktionen begleitet, da beide über ein Carbeniumion als gemeinsames Zwischenprodukt verlaufen. Ebenso konkurrieren SN 2-Substitution und E2-Eliminierung miteinander, obwohl beide Prozesse über verschiedene Reaktionswege ablaufen.
148
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)
Beeinflussung von E/SN Allgemein gilt für das Verhältnis E1/E2: E1 wird begünstigt durch die Bildung stabiler Carbeniumionen und durch ein gut ionisierendes und Ionen solvatisierendes Lösemittel. Ebenso wie bei der SN -Reaktion gilt auch, dass gute Abgangsgruppen wie die Tosylat-Gruppe leicht eliminiert werden. Für die Halogene findet man erwartungsgemäß: F < Cl < Br < I, d. h. I wird am leichtesten eliminiert. Es ist nicht überraschend, dass die Eliminierung im Vergleich zur Substitution mit zunehmender Stärke der angreifenden Base zunimmt. Auch die Verwendung von Basen mit großem Raumbedarf (z. B. Ethyldicyclohexylamin), die nicht oder nur schwer Substitutions-Reaktionen eingehen können, fördert die Eliminierung. Häufig verwendete Basen sind: NR2 > RO > HO . Wechselt man das Lösemittel von protisch zu dipolar-aprotisch, verringert sich die Solvatisierung der Basen über die H-Brückenbindungen und ihre Basizität kommt voll zur Wirkung. Hohe Reaktionstemperaturen begünstigen die Eliminierung und niedere eine Substitutions-Reaktion, da die Aktivierungsenergie für eine Eliminierung häufig größer ist. Eliminierungen werden auch durch elektronenziehende Substituenten stark begünstigt. Ein Grund ist die Erhöhung der Acidität der “-Atome, die dann von der Base leichter entfernt werden können. Beispiel: Dehydratisierung im Anschluss an die Aldolreaktion (Abschn. 17.3.2). Hochsubstituierte Verbindungen reagieren bevorzugt in einer Eliminierungs-Reaktion. Der nucleophile Angriff z. B. an einem tertiären Halogenid ist sterisch stark gehindert, wohingegen die Deprotonierung an einer benachbarten, häufig weniger gehinderten Position erfolgt. Daher können auch tertiäre Halogenide nach einem E2-Mechanismus reagieren, wenn der Angriff an der Peripherie des Moleküls erfolgt. Für das Verhältnis E2/SN 2 ergibt sich daher folgende Reihe: E2 nimmt zu Bei R−X gilt für R =
primär
sekundär
tertiär
SN2 nimmt zu
Beispiele Bei der Eliminierung von Bromalkanen mit Ethanolat in Ethanol findet man üblicherweise 10 % Alken bei primären, 60 % Alken bei sekundären und 90 % Alken bei tertiären Bromalkanen.
11.4 Isomerenbildung bei Eliminierungen Stehen benachbart zur Abgangsgruppe X zwei nicht äquivalente “-H-Atome für die Eliminierung zur Verfügung, können isomere Alkene entstehen. Stehen beide H-Atome an einem benachbarten C-Atom, so bilden sich (E/Z)-Isomere (Geometrische Isomere). Die beiden zur Eliminierung geeigne-
11.4 Isomerenbildung bei Eliminierungen
149
ten anti-Positionen I und II können sich durch Rotation ineinander umwandeln (Konformationsisomere, Abschn. 2.3). H
−
BI
R'
H
R'
H
−
BI
H
R' Br
Br
R R
H
H
H I
(E)-Alken
H
R'
H H
R
R
II
(Z)-Alken
Stehen beide H-Atome an verschiedenen benachbarten C-Atomen, so bilden sich Regioisomere. Ein Beispiel hierzu wurde bereits beim E2-Mechanismus diskutiert (Abschn. 11.2.3). Orientierung bei regioselektiven Eliminierungen: Saytzeff - und HofmannEliminierung Das Verhältnis der regioisomeren Produkte hängt sehr stark von der Austrittsgruppe, dem Lösemittel sowie der Basizität und Raumerfüllung der Base ab. Ha
Hb
H3C CH CH CH2 b
−H X H3C CH CH CH3
X = Br + X = N(CH3)3
X
a
−H X H3C CH2 CH CH2
Saytzeff-Produkt
Hofmann-Produkt
81%
19%
5%
95%
Bei Bromalkanen entsteht, wie bei den meisten Eliminierungen, bevorzugt das stärker verzweigte (höher substituierte) Alken (Regel von Saytzeff ). Bei der Eliminierung von quartären Ammonium-Salzen (Hofmann-Eliminierung) bildet sich das weniger verzweigte Alken. Zur Erklärung können elektronische und sterische Effekte herangezogen werden: Das Saytzeff -Produkt ist das thermodynamisch günstigere Produkt und wird bevorzugt gebildet, wenn gute Abgangsgruppen wie -Br verwendet werden. Je besser die Abgangsgruppe, desto mehr verschiebt sich der Mechanismus der Eliminierung nach E1, desto höher ist der Anteil an Saytzeff -Produkt. Verwendet man hingegen relativ schlechte Abgangsgruppen wie etwa NC .CH3 /3 , so bedarf es des Mitwirkens der Base zur Eliminierung. Die Eliminierung erfolgt nach E2 und der Angriff der Base ist der Produkt-bestimmende Schritt. Sperrige Gruppen erschweren die Eliminierung eines Protons in ihrer Nachbarschaft, und die Reaktion erfolgt bevorzugt an einer endständigen Methylgruppe (kinetisches Produkt). Der Anteil an Hofmann-Produkt lässt sich daher auch durch Verwendung sterisch gehinderter Basen erhöhen.
150
11
Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)
11.5 Beispiele für wichtige Eliminierungs-Reaktionen 11.5.1 anti-Eliminierungen 11.5.1.1 Dehalogenierung von 1,2-Dihalogen-Verbindungen Zum Schutz von Doppelbindungen während einer Synthese (z. B. vor Oxidationen) addiert man oft Brom (Abschn. 6.1.1) und debromiert anschließend das Produkt wieder. Da beide Reaktionen stereochemisch einheitlich anti-selektiv verlaufen, bleibt die Konfiguration der Doppelbindung letztendlich erhalten. Zur Dehalogenierung dienen Reduktionsmittel wie etwa unedle Metalle (Zn, Mg u. a.). H R'
H Br
Br2
R
Zn
R' Zn
H Br
R
R
H
R' R
Br
Br H
H
R'
H
H (E)-Alken
(E)-Alken
Durch Doppeleliminierung von HX aus geeigneten 1,2-Dihalogenalkanen mit Basen lassen sich je nach Reaktionsbedingung auch Alkine, Allene und konjugierte Diene herstellen. Beispiel − 2 HX
R CH2 CH CH2 X
X
R CH2 C CH
Alkin
R CH C CH2
Allen
11.5.1.2 Biochemische Dehydrierungen Die zur technischen Herstellung von Alkenen wichtigen Dehydrierungen sind auch biologisch von Bedeutung. Gut untersucht wurde die Abspaltung von Wasserstoff aus Bernsteinsäure durch das Enzym Succinat-Dehydrogenase. Der Wasserstoff wird hierbei auf FAD (Flavin-Adenin-Dinucleotid) übertragen. Bei den Experimenten wurden die Verbindungen mit Deuterium (D) markiert. Dabei zeigte sich, dass die Oxidation der Bernsteinsäure zur Fumarsäure eine anti-Eliminierung ist. H
COOH
D D HOOC
H
Bernsteinsäure
11.5.2
D
COOH
+ FAD
+ FADH2 HOOC
D
Fumarsäure
syn-Eliminierungen (thermische Eliminierungen)
Zahlreiche organische Verbindungen spalten bei einer Pyrolysereaktion H–X ab und bieten so eine gute Möglichkeit zur Gewinnung reiner Alkene in hohen Ausbeuten.
11.5 Beispiele für wichtige Eliminierungs-Reaktionen
151
Die Reaktionen verlaufen vermutlich über cyclische Mehrzentren-Prozesse mit hoher syn-Selektivität. Beispiele 1. Pyrolyse von Xanthogenaten nach Tschugaeff Die für die Reaktion benötigten Xanthogenate erhält man sehr einfach aus dem entsprechenden Alkoholat durch Umsetzung mit CS2 (Schwefelkohlenstoff) und anschließende S-Methylierung (z. B. mit Methyliodid). H R'
H R
Δ 200 °C
O H
S
R'
H R'
H R
H
O H
SCH3
S
SCH3
O H + H S C SCH3
R S=C=O + HSCH3
Xanthogenat
2. Pyrolyse von Estern Die Eliminierung gelingt auch mit anderen Estern, jedoch sind hier drastischere Bedingungen erforderlich. H H
H R
Δ 450 °C
O H
O
H H
H R
R'
R CH CH2 +
O H
O
R' COOH
R'
3. Cope-Eliminierung von tertiären Aminoxiden Unter vergleichsweise milden Bedingungen verlaufen Eliminierungen quartärer Aminooxide. Diese erhält man durch Oxidation tertiärer Amine. Man erkennt, dass das Substrat mit seinem neg. geladenen Sauerstoff seine „eigene Base“ zur Eliminierung des “-ständigen Wasserstoffs mitbringt. H
H H +
R
CH3
N CH 3 O
H
Δ 100 °C
H
H H
R H
−
+ CH3 N CH 3 O
CH3 R CH CH2 +
HO N CH3
−
4. Decarboxylierung von 3-Oxocarbonsäuren Die Decarboxylierung von (substituierten) Malonsäuren verläuft analog. O
O Δ
O H
O
R'
β-Ketosäure
H CO2 +
O H
HO O
R' Enol
R'
O
R'
Keton
12
Sauerstoff-Verbindungen
12.1 Alkohole (Alkanole) 12.1.1 Beispiele und Nomenklatur Alkohole (Alkanole) enthalten eine oder mehrere OH-Gruppen im Molekül. Dabei kann i. Allg. maximal nur eine OH-Gruppe an ein und dasselbe C-Atom gebunden sein (Erlenmeyer-Regel, Ausnahme s. Abschn. 17.1.2). Man unterscheidet nach dem Substitutionsgrad des Kohlenstoffatoms, das die OH-Gruppe trägt, primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole und nach der Anzahl der OH-Gruppen ein-, zwei-, drei- und mehrwertige Alkohole. Die Namen werden gebildet, indem man an den Namen des betreffenden Alkans die Endung -ol anhängt. Auch hier ist die Bildung homologer Reihen möglich. Sind verschiedene Isomere möglich, so wird die Stellung der OH-Gruppe durch eine Ziffer dem systematischen Namen vorangestellt. Beispiele primär: H3C OH Methanol (Holzgeist)
sekundär: H3C CH CH3 OH 2-Propanol (Isopropanol)
H3C CH2 OH
H3C CH2 CH2 OH
Ethanol (Weingeist)
tertiär:
H3C CH2 CH2 CH2 OH
1-Propanol
CH3
H3C C CH3 OH 2-Methyl-2-propanol (tert.-Butanol)
zweiwertig:
1-Butanol
dreiwertig:
CH2 CH2
CH2 CH CH2
OH OH
OH OH OH
1,2-Ethandiol (Ethylenglykol)
1,2,3-Propantriol (Glycerin)
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_12
153
154
12
Sauerstoff-Verbindungen
Tab. 12.1 Physikalische Eigenschaften und Verwendung von Alkoholen Verbindung Methanol (Methylalkohol) Ethanol (Ethylalkohol) 1-Propanol (n-Propylalkohol) 2-Propanol (Isopropylalkohol) 1-Butanol (n-Butylalkohol) 2-Methyl-1-propanol (Isobutylalkohol) 2-Methyl-2-propanol (tert.-Butylalkohol) 2-Propen-1-ol (Allylalkohol) 1,2-Ethandiol (Glykol) 1,2,3-Propantriol (Glycerin)
Schmp. (ı C) Sdp. (ı C) weitere Angaben 97 65 Lösemittel, Methylierungsmittel, Ausgangsprodukt für Formaldehyd und Anilinfarben; giftig 114 78 Ausgangsprodukt für Butadien, Ether, alkoholische Getränke 126 97 Lösemittel 90
82
80
117
108
108
25
83
129
97
11
197
20
290
Aceton-Gewinnung, Lösemittel Lösemittel für Harze, Esterkomponente für Essig- und Phthalsäure
Aluminium-tert.-butylat (Katalysator)
Polyesterkomponente, Gefrierschutzmittel, Lösemittel für Lacke und Acetylcellulose Alkydharze, Dynamit, Weichmacher für Filme, Frostschutzmittel; Bestandteil der Fette
Abb. 12.1 H-Brückenbindung O R
H
R
R
R
O
O
O
H O R
H
H O
H
H
R
Wie bei den Alkanen steigen Schmelz- und Siedepunkte der Alkohole mit zunehmender Kohlenstoffzahl an (Tab. 12.1). Allerdings liegen die Werte der Alkohole höher als die der Alkane der entsprechenden Molekülmasse. Der Grund hierfür ist die Assoziation der Moleküle über Wasserstoff-Brückenbindungen, wobei ein H-Atom mit dem freien Elektronenpaar eines benachbarten Sauerstoffatoms wechselwirkt (Abb. 12.1). Ebenso verändern sich die Löslichkeiten: Die polare Hydroxyl-Gruppe erhöht die Löslichkeit der Alkohole in Wasser. Dies gilt besonders für die kurzkettigen und die mehrwertigen Alkohole. Die Hydrophilie wirkt sich um so geringer aus, je länger der Kohlenwasserstoff-Rest ist. Dann bestimmt vor allem der hydrophobe (lipophile) organische Rest das Löseverhalten. Höhere Alkohole lösen sich nicht mehr in Wasser, weil die gegenseitige Anziehung der Alkoholmoleküle durch die van der Waals-Kräfte größer wird als die Wirkung der H-Brücken zwischen den Alkohol- und den Wassermolekülen. Sie sind dann nur noch in lipophilen Lösemitteln löslich. Die niederen Alkohole wie Methanol und Ethanol lösen sich dagegen sowohl in unpolaren (hydrophoben) wie auch in polaren (hydrophilen) Lösemitteln.
12.1 Alkohole (Alkanole)
155
12.1.2 Herstellung von Alkoholen 12.1.2.1 Einwertige Alkohole Aus der großen Anzahl von Herstellungsmethoden für Alkohole sind folgende Verfahren allgemein anwendbar. Die Reaktionen sind hier nur zusammengefasst, sie werden in den jeweils angegebenen Kapiteln bzw. Abschnitten näher erläutert. 1. Hydrolyse von Halogenalkanen mit NaOH oder Ag2 O (s. Kap. 10) R−OH + NaCl
R−Cl + NaOH 2 R−Cl + Ag2O + H2O
2 R−OH + 2 AgCl
Ag2 O bildet in Wasser basisches Silberhydroxid (AgOH), das Silber erhöht die Austrittstendenz des Halogenids. 2. Reaktion von Grignard-Reagenzien mit Carbonylverbindungen (s. Abschn. 17.2.2) OH
O
R CH R'
R−Mg−Cl + R' C H
3. Reduktion von Ketonen (s. Abschn. 17.1.1) O R C
OH
[2 H]
R CH R'
R'
4. Anlagerung von Wasser an Alkene (s. Abschn. 6.1.2): Die sauer katalysierte Hydratisierung von Alkenen erfolgt nach Markownikow und liefert sekundäre Alkohole. OH
+
R CH CH2 + H2O
H
R CH CH3
5. Hydroborierungs-Oxidations-Reaktion (s. Abschn. 6.1.3). Die Addition des Borans erfolgt nach anti-Markownikow. Die gebildete primäre Borverbindung kann oxidativ zum primären Alkohol gespalten werden. R CH CH2 + BHR2
R CH2 CH2 BR2
H2O2 −
HO
R CH2 CH2 OH
6. Allylische Oxidation Alkene lassen sich nicht nur durch Hydratisierung und Hydroborierung/Oxidation in Alkohole umwandeln sondern auch durch allylische Oxidation. Dadurch entstehen ungesättigte Allylalkohole. Das Reagenz Selendioxid reagiert
156
12
Sauerstoff-Verbindungen
über einen cyclischen Übergangszustand (s. Abschn. 16.2.2) und ist daher empfindlich gegenüber sterischer Hinderung. Oxidation erfolgt daher selektiv an der sterisch weniger gehinderten Position. 7. Spezielle Verfahren Für die wichtigsten Alkohole gibt es zusätzlich spezielle Herstellungsverfahren. Methanol Methanol wurde ursprünglich durch trockene Destillation von Holz gewonnen. Daher der alte Name Holzgeist. Technisch gewinnt man Methanol aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff (Synthesegas): CO + 2 H2
200 bar, 400 °C ZnO / Cr2O3
CH3OH
Ethanol Technisch gewinnt man Ethanol durch Hydratisierung von Ethen und Reduktion von Acetaldehyd. Eine weitere Möglichkeit ist die alkoholische Gärung. Bei der alkoholischen Gärung werden Poly-, Di- oder Monosaccharide (Stärke, Zucker) mit Hilfe der in der Hefe vorhandenen Enzyme zu Ethanol abgebaut. C6H12O6
Hefe
2 C2H5OH + 2 CO2
Glucose
Als Ausgangsmaterialien dienen z. B. stärkehaltige Produkte wie Kartoffeln, Melasse, Reis oder Mais. Die Stärke wird durch das Enzym Diastase in Maltose, Maltose durch das Enzym Maltase in Glucose umgewandelt (s. Kap. 28). Die Vergärung der Glucose zu Ethanol und Kohlendioxid erfolgt dann in Gegenwart von Hefe, die den Enzymkomplex Zymase enthält. Nach Abschluss des Vergärungsprozesses besitzt das Reaktionsgemisch einen Volumengehalt von ca. 20 % Ethanol, das durch Destillation bis auf 95,6 % angereichert werden kann. Propanole 1-Propanol erhält man technisch durch Hydroformylierung von Ethen und Reduktion des dabei gebildeten Propionaldehyds. H2C CH2 + CO + H2
H3C CH2 CHO
H2
H3C CH2 CH2 OH
Propionaldehyd
2-Propanol gewinnt man durch Hydratisierung von Propen. Propargylalkohol Diesen ungesättigten Alkohol erhält man technisch aus Ethin (Acetylen) und Formaldehyd (Reppe-Verfahren):
12.1 Alkohole (Alkanole)
157 O
CuC2
HC CH + H C Ethin (Acetylen)
HC CH CH2 OH
H
Propargylalkohol
12.1.2.2 Mehrwertige Alkohole Ethylenglykol (1,2-Glykol) ist ein zweiwertiger Alkohol. Man erhält ihn 1. durch Reaktion von Ethylenoxid mit Wasser (s. a. Abschn. 12.3.3.1) +
H
H2C CH2 + H2O O
H2C CH2 HO OH
2. Durch Anlagerung von HOCl an Ethen (Ethylen) und Hydrolyse des Ethylenchlorhydrins (Epichlorhydrin) (vgl. Abschn. 6.1.2.2). Andere 1,2-Diole erhält man durch cis-Dihydroxylierung (Abschn. 6.1.3.3) H2C CH2 + HOCl
H2C CH2 Cl OH Ethylenchlorhydrin
Ethylen
+ NaHCO3
H2C CH2
− NaCl − CO2
HO OH
Glycerin, ein dreiwertiger Alkohol, ist Bestandteil von Fetten und Ölen und entsteht neben den freien Fettsäuren bei deren alkalischer Hydrolyse (Verseifung, s. Abschn. 30.2). CH2 O COR CH O COR
NaOH
CH2 O COR Fett
CH2 OH CH OH CH2 OH Glycerin
−
+ 3 RCOO Na
+
Seife
Technisch wird Glycerin hauptsächlich durch Umsetzung von Propen (Bestandteil der Crackgase) mit Chlor und Hydrolyse der Halogen-Verbindungen gewonnen: CH3 CH
+ Cl2 − HCl
CH2Cl CH
CH2
CH2
Propen
Allylchlorid
+ KOH − KCl
CH2OH CH
+ HOCl
CH2OH CHOH
CH2
CH2Cl
Allylalkohol
Glycerin-1chlorhydrin
CH2OH + KOH − KCl
CHOH CH2OH Glycerin
Glycerin und Ethylenglykol sind Ausgangsstoffe für viele chemische Synthesen. Es sind zähflüssige, süß schmeckende Flüssigkeiten, beliebig mischbar mit Wasser und nur wenig löslich in Ether. Sie werden u. a. als Frostschutzmittel und Lösemittel verwendet. Glycerin ist in der pharmazeutischen Technologie ein viel
158
12
Sauerstoff-Verbindungen
verwendeter Bestandteil von Salben und anderen Arzneizubereitungen. Der Sprengstoff Dynamit ist Glycerintrinitrat, das in Kieselgur aufgesaugt wurde und so gegen Erschütterungen relativ unempfindlich ist.
12.1.3 Reaktionen der Alkohole 12.1.3.1 Basizität und Acidität der Alkohole Alkohole verfügen wie Wasser über zwei freie Elektronenpaare am Sauerstoff und können daher als Nucleophile und Basen reagieren. Mit starken Säuren bilden sich Alkyloxoniumionen: Dies ermöglicht erst die nucleophilen Substitutions-Reaktionen bei Alkoholen, da H2 O eine viel bessere Abgangsgruppe ist als OH . Analog wirken Lewis-Säuren wie ZnCl2 oder BF3 : +
R O
−
H
R O Cl H
+ HCl H
+
−
BF3
mit BF3 : R O H
Alkohole sind etwas weniger sauer als Wasser (s. pKs -Tabelle, 2. Umschlagseite), sie bilden mit Alkalimetallen salzartige Alkoholate, wobei das H-Atom der OH-Gruppe ersetzt wird: H5C2 OH
−
+ Na
H5C2 O Na
Ethanol
+
+
1
2 H2
Natriumethanolat
Diese Alkoholate sind demzufolge etwas basischer als die entsprechenden Alkalihydroxide. Sie werden gerne als Basen und Nucleophile verwendet. Durch Umsetzung z. B. mit Halogenalkanen entstehen aus Alkoholaten Ether (WilliamsonSynthese): −
H5C2 O Na
+
+ Cl
H5C2 O R + NaCl
R
Die OH-Gruppe der Alkohole vermag also analog zu H2 O sowohl als Protonen-Donor als auch als Protonen-Akzeptor zu fungieren: +
H
R O H
−H
+
−H
R O
+
R O
−
H
Die Acidität der Alkohole nimmt in der Reihenfolge primär > sekundär > tertiär ab. Ein Grund hierfür ist, dass die sperrigen Alkylgruppen die Hydratisierung mit H2 O-Molekülen behindern, die das Alkoholat-Anion stabilisiert. Die Wirkung des CI-Effektes der Alkylgruppen ist umstritten. Infolge seiner relativ kleinen Methylgruppe ist Methanol eine etwa so starke Säure wie Wasser, während der einfachste aromatische Alkohol, das Phenol C6 H5 –OH, mit pK s D 9,95
12.1 Alkohole (Alkanole)
159
eine weitaus stärkere Säure darstellt. Der Grund ist hierbei in der Mesomeriestabilisierung des Phenolat-Anions zu sehen (s. Abschn. 16.2).
pKs W
CH3 OH RCH2 OH R2 CHOH R3 COH C6 H5 OH 15; 2 16 16; 5 17 10
12.1.3.2 Reaktionen von Alkoholen in Gegenwart von Säuren Die Reaktion von Säuren mit Alkoholen kann je nach den Reaktionsbedingungen zu unterschiedlichen Produkten führen. Dabei wird in der funktionellen Gruppe COH entweder die CO-Bindung oder die OH-Bindung gespalten. Eliminierungen In einer Eliminierungsreaktion können durch Erhitzen mit konz. H2 SO4 oder H3 PO4 Alkene gebildet werden. I
Die “-Eliminierung von Alkoholen ist eine wichtige Methode zur Herstellung von Alkenen. Verschieden substituierte Alkohole reagieren wie folgt:
Substitutionsgrad primär CH 3 CH 2 OH
Säure 95 % H2 SO4
Temperatur 160 ı C
Mechanismus E2
sekundär
H3C CHOH H3C
60 % H2 SO4
120 ı C
E2/E1
tertiär
(H 3 C) 3 C–OH
20 % H2 SO4
90 ı C
E1
Die Reaktivitätsunterschiede machen sich in den unterschiedlichen Reaktionsbedingungen deutlich bemerkbar. Vor allem bei Reaktionen nach dem E1-Mechanismus (s. Abschn. 11.2.1) treten oft Nebenreaktionen der gebildeten Carbeniumionen auf, wie etwa Racemisierung (bei optisch aktiven Alkoholen) oder Umlagerungen (Wagner-Meerwein-Umlagerungen) (s. Abschn. 10.1.1.2). In der Regel wird das stabilere Carbeniumion gebildet. Beispiel 3,3-Dimethyl-2-butanol ! 2,3-Dimethyl-2-buten CH3 H 3C H 3C C C H OH H 3C
H+ − H 2O +
CH3 H 3C H 3C C C + H 3C H
H 3C +C
H 3C
CH3 C CH3 H
−H
+
CH3
H 3C C C H 3C
CH3
Substitutionen Beim Versetzen von Alkoholen mit Säure (HY) können sich neben den Eliminierungsprodukten prinzipiell auch zwei Substitutionsprodukte bilden. Entweder es reagiert das gebildete Alkyloxoniumion mit einem weiteren Alkoholmolekül unter
160
12
Sauerstoff-Verbindungen
Bildung eines Ethers, oder es reagiert mit dem Anion der Säure unter Bildung eines Esters: H + ROH R OH
+
H
+
+
R OH2
− H 2O
R O R
+ − H
R O R Ether
+
+Y
−
RY
Ester (Y=Säure-Rest)
Welches Produkt bevorzugt gebildet wird, hängt in erster Linie von der Nucleophilie des am Alkyloxoniumion angreifenden Teilchens ab. Das Produktverhältnis lässt sich auch dadurch beeinflussen, dass eine Komponente im Überschuss eingesetzt wird. Veresterung Für die Umsetzung von Alkoholen mit Säuren gilt ganz allgemein: Alkohol C Säure • Ester C Wasser Der Mechanismus der Veresterung hängt dabei ganz entscheidend von der verwendeten Säure und der Art des Alkohols ab: 1. Bei Verwendung starker Säuren, wie etwa Mineralsäuren (H2 SO4 , HCl), erfolgt eine Protonierung der OH-Funktion des Alkohols unter Bildung eines Alkyloxoniumions, das vom Säureanion nucleophil angegriffen wird. Ob im weiteren Schritt ein Carbeniumion gebildet wird, oder ob der Angriff des Säureanions in einer SN 2-Reaktion erfolgt, hängt von der Art des Alkohols ab. Während tertiäre Alkohole über ein Carbeniumion reagieren, erfolgt der Angriff an primären Alkoholen nach SN 2. Säuren mit mehreren OH-Gruppen können mehrmals mit Alkohol reagieren. O
O HO S OH + CH3 O*H
HO S O O
O O
H3C O S O − + CH3 O*H + H O
O −
+ CH3 O*H + H
HO S O CH3 + H2O* O O
H3C O S O CH3 + H2O* O
Letztendlich wird nach diesem Mechanismus die C–O-Bindung des Alkohols gespalten. Dies lässt sich nachweisen, indem man 18 O-markierten (O*) Alkohol verwendet. Die Markierung befindet sich nach der Reaktion im abgespaltenen Wasser. Es ist dabei gleichgültig, ob die H2 O-Abspaltung nach SN 1 oder SN 2 erfolgt. Tertiäre Alkohole reagieren immer nach diesem Mechanismus! 2. Bei der Verwendung relativ schwacher Säuren, wie etwa Carbonsäuren (s. Kap. 18), reicht deren Säurestärke nicht aus um den Alkohol zu protonieren. Will man diese Säuren verestern, bedarf es einer zusätzlichen Säure, die den Protonierungsschritt übernimmt. Diese sollte ein wenig nucleophiles Anion besitzen, um
12.1 Alkohole (Alkanole)
161
Konkurrenzreaktionen zu vermeiden. Die Protonierung kann auch hier am Sauerstoff des Alkohols erfolgen (Mechanismus 1) oder alternativ an der Carbonylgruppe der Carbonsäure. Diesen Mechanismus findet man vor allem bei der Veresterung von primären und sekundären Alkoholen mit Carbonsäuren: +
O H CH3 O*H + R C OH
O H R C OH + O* H H 3C
− H 2O
O H + −H R C+ O* CH3
O R C O* CH3
Auch dieser Mechanismus lässt sich massenspektrometrisch durch Markierung mit 18 O nachweisen. Nach der Reaktion des markierten Alkohols findet man die Markierung im gebildeten Ester. Das abgespaltene Wasser stammt in diesem Fall aus der Carbonsäure. Beim Alkohol wird die OH-Bindung gespalten. Die säurekatalysierte Veresterung ist eine reversible Reaktion, wobei das Gleichgewicht z. B. durch Entfernen des gebildeten Wassers in Richtung auf die Produkte hin verschoben werden kann (s. Abschn. 19.1). Herstellung von Halogen-Verbindungen Eine wichtige Reaktion, bei der die C–O-Bindung gespalten wird, ist auch die Umsetzung von Alkoholen mit Halogenwasserstoff oder Phosphorhalogeniden zu Halogenalkanen (s. Kap. 9). Die Umsetzung mit Halogenwasserstoff erfolgt analog dem 1. Mechanismus der Veresterung. Reaktionen von Diolen Grundsätzlich verhalten sich Diole und andere mehrwertige Alkohole chemisch ähnlich wie einwertige Alkohole. Die OH-Gruppen können auch nacheinander reagieren; dadurch lassen sich Mono- und Diester herstellen. Hier sollen jedoch nur typische Reaktionen von Diolen besprochen werden. I
Typische Reaktionen von 1,2-Diolen (Glykolen) sind Umlagerungen des Wagner-Meerwein-Typs und oxidative Spaltungen (Glykolspaltung).
Pinakol-Pinakolon-Umlagerung Die säurekatalysierte Dehydratisierung von 1,2-Glykolen führt zu einem umgelagerten Keton: H3C CH3 H3C C C CH3 HO OH Pinakol
H+ − H 2O +
H 3C +C
H 3C
CH3 C CH3 OH
H 3C
CH3
H 3C C C + OH H 3C
+ − H
H 3C
CH3
H 3C C C H 3C
O
Pinakolon
Das 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol (Pinakol) wird an einer OH-Gruppe protoniert; unter Wasserabspaltung bildet sich ein Carbeniumion. Dieses stabilisiert sich durch
162
12
Sauerstoff-Verbindungen
eine Wagner-Meerwein-Umlagerung. Das dabei gebildete Carbeniumion wird durch den +M-Effekt des Sauerstoffs besonders gut stabilisiert (die mesomeren Effekte überwiegen bei weitem die induktiven Effekte der Alkylgruppen). Nach Abspaltung eines Protons erhält man 3,3-Dimethyl-2-butanon (Pinakolon). Bei unsymmetrischen Glykolen wird im ersten Schritt bevorzugt die Gruppe protoniert, die zum stabileren Carbeniumion führt. Glykolspaltung C–C-Bindungen mit benachbarten OH-Gruppen lassen sich in der Regel oxidativ spalten. Geeignete Oxidationsmittel sind Bleitetraacetat (Methode nach Criegee) oder Periodsäure (nach Malaprade). Im ersten Schritt bildet sich ein cyclischer Ester I, welcher unter CC-Bindungsspaltung zerfällt. Bei dieser Redoxreaktion kommt es zu einer Oxidation des Kohlenstoffs und einer Reduktion des Bleis. R R C OH − 2 HOAc + Pb(OAc)4 C R OH R
R R C O R C O R
OCOCH3
O 2
Pb
R
OCOCH3
C
+ Pb(OAc)2 R
I
Cyclisierungen Diole wie 1,4-Butandiol werden bei der säurekatalysierten Dehydratisierung in cyclische Ether überführt. Es handelt sich dabei um den intramolekularen nucleophilen Angriff einer OH-Gruppe. Eine der beiden OH-Gruppen wirkt dabei als Base (wird protoniert), die andere als Nukleophil.
H 2C H 2C
CH2 OH
H2 C O H 2C C H2
+
+H
CH2 OH
+
H 2C H 2C
CH2 OH2
+ −H
H 2C
CH2 OH
+ H 2O
Tetrahydrofuran
1,4-Butandiol
Oxidationsreaktionen In Umkehrung ihrer Bildung lassen sich Alkohole mit den unterschiedlichsten Oxidationsmitteln umsetzen, wobei sie je nach Stellung der Hydroxyl-Gruppe zu verschiedenen Produkten oxidiert werden, die alle eine Carbonyl-Gruppe (>CDO) enthalten. Die Oxidation von Ketonen und tertiären Alkoholen ist nicht ohne weiteres möglich, da hierbei das C–C-Gerüst gespalten werden muss. primärer Alkohol sekundärer Alkohol tertiärer Alkohol
Oxid.
Aldehyd
Red. Oxid. Red.
Oxid. Red.
Keton
Abbau des Moleküls
Carbonsäure Abbau des Moleküls
12.2 Phenole
163
Die Oxidationsprodukte Aldehyd, Keton und Carbonsäure lassen sich durch Reduktion wieder in die entsprechenden Alkohole überführen. Da lediglich die funktionelle Gruppe abgewandelt wird, bleibt das Grundgerüst des Moleküls erhalten.
12.2 Phenole 12.2.1 Beispiele und Nomenklatur Phenole enthalten eine oder mehrere OH-Gruppen unmittelbar an einen aromatischen Ring (sp2 -C-Atom) gebunden. Entsprechend unterscheidet man ein- und mehrwertige Phenole (C6 H5 –CH2 –OH ist kein Phenol, sondern Benzylalkohol!). Einwertige Phenole: OH
OH
OH
OH
OH OH
CH3 CH3 Phenol
o-Kresol
CH3 p-Kresol
m-Kresol
α-Naphthol
β-Naphthol
Mehrwertige Phenole: OH
OH
OH
OH
OH
OH OH
HO OH
Brenzcatechin
12.2.2
Resorcin
Hydrochinon
OH
OH 1,4-Naphthohydrochinon
Phloroglucin
Herstellung von Phenolen
Phenole sind Bestandteil vieler pflanzlicher Farb- und Gerbstoffe sowie von ätherischen Ölen, Steroiden, Alkaloiden und Antibiotika und dienen als Inhibitoren bei Radikalreaktionen (Tab. 12.2). Neben der Gewinnung aus Steinkohlenteer gibt es andere Herstellungsverfahren und technische Synthesen.
12.2.2.1 Hock-Verfahren (Cumol-Phenol-Verfahren) Aus dem Propen der Crackgase und Benzol erhält man durch Friedel-Crafts-Alkylierung (s. Abschn. 8.2.4) Cumol und daraus durch Oxidation mit Luftsauerstoff Cumolhydroperoxid. Dieses wird mit verd. Schwefelsäure in Aceton und Phenol
164
12
Sauerstoff-Verbindungen
Tab. 12.2 Physikalische Eigenschaften und Verwendung von Phenolen Verbindung Hydroxybenzol (Phenol) 2-Methyl-hydroxy-benzol (o-Kresol) 3-Methyl-hydroxy-benzol (m-Kresol) 4-Methyl-hydroxy-benzol (p-Kresol) 1-Hydroxy-naphthalin (’-Naphthol) 2-Hydroxy-naphthalin (“-Naphthol) 1,2-Dihydroxy-benzol (Brenzcatechin) 1,3-Dihydroxy-benzol (Resorcin) 1,4-Dihydroxy-benzol (Hydrochinon) 1,3,5-Trihydroxy-benzol (Phloroglucin)
Schmp. (ı C) Sdp. (ı C) 41 181 31
191
11
202
34
202
94
Verwendung Farbstoffe, Kunstharze (Phenoplaste), Lacke, künstliche Gerbstoffe Desinfektionsmittel
Farbstoffindustrie
123 105
280
fotografischer Entwickler
110
295
Farbstoffindustrie, Antiseptikum
170
246
fotografischer Entwickler
218
gespalten. Man erhält bei diesem eleganten Prozess also gleich zwei kommerziell verwertbare Produkte. H3C CH2 + CH
CH
H3C
CH3 + O2
H3PO4
OOH CH3 C
OH H2SO4
O + H C C CH 3 3
CH3 Benzol
Propen
Cumol
Cumolhydroperoxid
Phenol
Aceton
Zum Mechanismus der Reaktion Der erste Schritt, die Oxidation des Cumols verläuft radikalisch. Sauerstoff als Diradikal greift hierbei die besonders aktivierte benzylische Position des Cumols an: dabei bildet sich ein tertiäres benzylisches Radikal I, welches sich mit dem Luftsauerstoff zum Peroxyradikal II umsetzt. Dieses kann von weiterem Cumol ein H-Atom abstrahieren unter Bildung des Cumolhydroperoxids und Radikal I (radikalische Kettenreaktion, s. Kap. 4).
12.2 Phenole
H 3C
165
CH
H 3C
CH3
C
+ O2 − HOO
CH3
H 3C
O C
O
O
CH3
+ O2
H 3C
C
OH CH3
+ Cumol − Radikal I
I
II
Im zweiten Schritt, der sauren Spaltung zum Phenol, erfolgt eine Protonierung des Hydroperoxids. Unter Wasserabspaltung bildet sich formal ein Oxeniumion III mit einer positiven Ladung und einem Elektronensextett am Sauerstoff. Solche Oxeniumionen sind nicht stabil und gehen spontan Umlagerungen ein. Wahrscheinlich erfolgt die Wanderung des Phenylrings sogar synchron zur Wasserabspaltung. Der Phenylring wandert bevorzugt, da hierbei die positive Ladung über den aromatischen Ring mesomeriestabilisiert werden kann (vgl. WagnerMeerwein-Umlagerung, Abschn. 10.1.1). Dabei bildet sich ein relativ stabiles tertiäres Carbeniumion IV, an welches Wasser addiert werden kann. Das gebildete Halbketal V (s. Abschn. 17.1.2) ist nicht stabil und zerfällt in Phenol und Aceton. O H 3C
C
OH
O
CH3
H 3C
+ +H − H 2O
C
O
+ OH2
+
CH3
H3C + CH3 C O
III
H 3C
C
CH3 H 3C
O
+ H 2O
IV
+ −H
C CH3 + OH
V
12.2.2.2 Aus Natrium-Benzolsulfonat mit Natronlauge (nucleophile Aromatensubstitution, s. Abschn. 8.3) und anschließendem Freisetzen aus dem Phenolat mit H2 CO3
12.2.2.3 Alkalische Hydrolyse von Chlorbenzol (nucleophile Aromatensubstitution, s. Abschn. 8.3) Cl + 2 NaOH
300 °C, 180 bar
−
O Na
(Cu)
+
+ NaCl + H2O
12.2.2.4 Verkochung von Diazoniumsalzen (s. Abschn. 14.5.2) +
N N X
−
Δ
− N2
+ +
H 2O
+ OH + H
166
12
Sauerstoff-Verbindungen
12.2.3 Eigenschaften von Phenolen Phenol, C6 H5 OH, ist eine farblose, kristalline Substanz mit charakteristischem Geruch, die sich an der Luft langsam rosa färbt. In Ethanol und Ether ist Phenol leicht löslich. Wässrige Lösungen hingegen sind nur in niederer oder sehr hoher Konzentration homogen. Die Löslichkeit ist temperaturabhängig: Oberhalb von 66 ı C sind Phenol und Wasser in jedem Verhältnis mischbar. Das chemische Verhalten der Phenole wird durch die Hydroxyl-Gruppe bestimmt. Phenole sind im Gegensatz zu den Alkoholen erheblich stärkere Säuren: C6 H5 OH („Carbolsäure“) mit pKs 10 (z. Vergl. C2 H5 –OH: pKs 17). Phenole lösen sich daher in Alkalihydroxid-Lösungen unter Bildung von Phenolaten. Die Basizität einer NaHCO3 -Lösung reicht dazu jedoch nicht aus. Die Trennung von Phenolen und Carbonsäuren gelingt durch Ausschütteln mit NaOHbzw. NaHCO3 -Lösung. Durch anschließendes Einleiten von CO2 in die wässrige Phenolat-Lösung wird Phenol in öligen Tropfen wieder abgeschieden. Ein guter qualitativer Nachweis für Phenole ist ihre Reaktion mit FeCl3 in Wasser oder Ethanol unter Bildung farbiger Eisensalze. Die Acidität der Phenole beruht darauf, dass das Phenolat-Anion mesomeriestabilisiert ist (vgl. die formale Analogie zum Enolat-Anion, Abschn. 17.3.1): O−
OH −H
O
O
+
−
O −
−
Dabei wird die negative Ladung des Sauerstoffatoms in das -System des Benzolrings einbezogen. Zugleich wird die Elektronendichte im Ring erhöht und der Benzolkern einer elektrophilen Substitution leichter zugänglich (s. Abschn. 8.1). Dies gilt insbesondere für den Angriff eines Elektrophils in der 2- und 4-Stellung. Im Gegensatz zum Benzol wird die Substitution an diesen Stellen begünstigt sein, d. h. Phenole bzw. Phenolate lassen sich leichter nitrieren, sulfonieren und chlorieren. Elektronenanziehende Gruppen, wie z. B. Nitrogruppen in 2- und 4-Stellung am Aromaten erhöhen die Acidität beträchtlich. So ist für 2,4,6-Trinitrophenol (Pikrinsäure) pKs D 0;8.
12.2.4 Reaktionen von Phenolen Phenole sind ambidente Nucleophile, die sowohl an der OH-Gruppe, als auch am elektronenreichen aromatischen Ring reragieren können.
12.2 Phenole
167
12.2.4.1 Reaktionen an der OH-Gruppe Veresterung mit Säurechloriden oder Säureanhydriden (Schotten-Baumann-Reaktion, auch möglich mit Alkoholen). O OH + (CH3CO)2O
O C
+ CH3COOH CH3
Acetanhydrid
Essigsäurephenylester Phenylacetat
Ether mit Halogenalkanen (Williamson-Synthese, s. Abschn. 12.3.1.1): −
O Na
+
Natriumphenolat
+ CH3 Cl
O CH3 + NaCl
Methylchlorid
Anisol Methylphenylether
12.2.4.2 Elektrophile Substitutionsreaktionen am Aromaten Bei der Nitrierung (s. a. Abschn. 8.2.1) wird ein Gemisch von o- und p-Nitrophenol erhalten: NO2 OH
HNO3 10 °C
OH
+ O2N
o-Nitrophenol
OH p-Nitrophenol
Bei der Sulfonierung von Phenol mit konz. H2 SO4 erhält man bei 20 ı C hauptsächlich o-Phenolsulfonsäure und bei 100 ı C die p-Verbindung. Die Reaktion verläuft im ersten Fall offenbar kinetisch, im zweiten Fall thermodynamisch kontrolliert (vgl. Abschn. 8.2.2). SO3H 20 °C
OH o-Phenolsulfonsäure
OH + H2SO4 100 °C
HO3S
OH
p-Phenolsulfonsäure
168
12
Sauerstoff-Verbindungen
Reimer-Tiemann-Synthese zur Herstellung von Phenolaldehyden Bei der Einwirkung von Chloroform und Natronlauge auf Phenol entsteht Salicylaldehyd. Aus Chloroform und Natronlauge bildet sich zuerst das äußerst reaktive Dichlorcarben jCCl2 (s. a. Abschn. 6.2.1.1), das als Elektrophil mit dem PhenolatAnion reagiert. Das dabei gebildete Carbanion ist basischer als das Phenolat-Ion, so dass es zu Umprotonierung kommt. Es entsteht Dichlormethyl-phenolat, das zu Salicylaldehyd hydrolysiert wird: O
−
Na+
+ − O Na
O H
OH
CHCl2
−
CCl2
+ CCl2
CHO
− 2 HCl
Na+
Dichlorcarben
+ H 2O / H
+
Salicylaldehyd
Kolbe-Schmitt-Reaktion zur Darstellung von Phenolcarbonsäuren Natriumphenolat gibt mit Kohlendioxid als Hauptprodukt Salicylsäure. Dieses ortho-Substitutionsprodukt lässt sich durch Wasserdampfdestillation von dem als Nebenprodukt gebildeten p-Isomeren abtrennen. Das Isomerenverhältnis lässt sich durch Wahl des Gegenions steuern. Mit Kaliumphenolat erhält man überwiegend das p-Produkt. O
−
O
OH
H + CO2
COO
−
125 °C 4-7 bar
OH −
COO
+H
COOH
+
Salicylsäure
Bei Kupplungsreaktionen mit Diazoniumsalzen fungiert als Elektrophil ein Diazonium-Kation (s. a. Abschn. 14.3.1). +
N N
O
+
−
Diazonium-Salz
N N
OH
p-Hydroxyazobenzol
Redoxprozesse: Viele mehrwertige Phenole, vor allem o- und p-dihydroxylierte Aromaten lassen sich durch Oxidation in Chinone überführen (s. a. Abschn. 16.5). O
OH OH Brenzcatechin
Oxid.
O ; HO
Red. o-Chinon
OH Hydrochinon
Oxid. Red.
O
O p-Chinon
12.2 Phenole
169
12.2.5 Biologisch interessante Phenole Phenole sind oft in Pflanzen zu finden, z. B. als Gerb-, Farb- oder Geruchsstoffe, und werden zum Teil auch daraus gewonnen, wie z. B. Pyrogallol aus Gallussäure. OH
OH
OCH3
OH
CH3 CH CH3
HO
HO
OH
COOH Thymol (Thymianöl)
Eugenol (Gewürznelke)
OH Δ − CO2
H3C
CH2 CH CH2
OH
Gallussäure
Pyrogallol
Praktische Bedeutung besitzen auch viele substituierte Phenole, z. B. als Arzneimittel, Herbizide oder aufgrund ihrer bakteriziden Wirkung als Desinfektionsmittel. O CH2 COOH
O COCH3 Cl
COOH
Cl
OH
Cl
2,4-Dichlorphenoxyessigsäure
"Aspirin" Acetylsalicylsäure (Antipyretikum)
H3C
4-Chlor-3-methylphenol (Desinfektionsmittel)
(Herbizid)
Thyrosin ist eine wichtige Aminosäure mit einer phenolischen Seitenkette. Von ihr leiten sich eine ganze Reihe physiologisch und pharmazeutisch bedeutender Derivate ab, die zur Gruppe der “-Phenylethylamine gehören (s. a. Abschn. 14.1.5). OH
OH OH
CH2 H2N CH COOH Thyrosin
HO CH RHN CH2 R=H Noradrenalin R = CH3 Adrenalin
Zweiwertige Phenole, die leicht zu Chinonen oxidiert werden können (s. Abschn. 16.5.4.1), spielen eine wichtige Rolle bei Redoxreaktionen im Organismus und als Radikalfänger.
170
12
Sauerstoff-Verbindungen
12.3 Ether Ether enthalten eine Sauerstoff-Brücke im Molekül und können als Disubstitutionsprodukte des Wassers betrachtet werden. Man unterscheidet einfache (symmetrische), gemischte (unsymmetrische) und cyclische Ether: einfach
H3C O CH3 Dimethylether
gemischt
cyclisch
H 3 C O C 6H 5
O H2C CH2
Methylphenylether Anisol
Oxiran Ethylenoxid
H2C CH2 H2 C CH2 O Tetrahydrofuran
H2 C H2C
H2 C O
CH2 CH2
Tetrahydropyran
H2 C H2C
O O
CH2 CH2
1,4-Dioxan
12.3.1 Herstellung 12.3.1.1 Offenkettige Ether Die säurekatalysierte Dehydratisierung von Alkoholen bei 140 ı C führt zu symmetrischen Ethern. Im ersten Schritt kommt es zu einer Protonierung der OHFunktion, wodurch diese in eine bessere Austrittsgruppe verwandelt wird. An dem gebildeten Alkyloxoniumion kann ein zweites Alkoholmolekül angreifen, unter Bildung des Ethers. Die nucleophile Substitution (s. Kap. 10) kann nach einem SN 2oder SN 1-Mechanismus (über Carbeniumion) erfolgen, je nach Art des verwendeten Alkohols. R OH
+H
+
H
+
R OH2
+ ROH
H2O + R O+ R
−H
+
R O R
Williamson-Synthese Die Umsetzung von Halogenalkanen mit Natriumalkoholaten führt zu (gemischten) Ethern: R O
−
+
R' CH2 Br
− − Br
R O CH2 R'
12.3.1.2 Cyclische Ether Die Anlagerung von Sauerstoff an Alkene liefert Epoxide (Oxirane). Als Oxidationsmittel können Luftsauerstoff (in Gegenwart eines Silberkatalysators) und Persäuren verwendet werden (s. auch Prileschajew-Reaktion, Abschn. 6.1.3.2). H2C CH2 Ethen Ethylen
½ O2 (Ag)
O H2C CH2 Oxiran Ethylenoxid
12.3 Ether
171
Auch Chlorhydrine lassen sich mit Basen in Epoxide überführen (vgl. Abschn. 6.1.2.2). H2C CH2 Cl
+ OH
−
− Cl
H2O + H2C CH2 Cl
−
O
OH
H2C CH2 O
Die katalytische Hydrierung von Furan ergibt Tetrahydrofuran (THF), ein wichtiges Lösemittel:
O Furan
2 H2 Kat.
O Tetrahydrofuran
Beim Erhitzen von Ethylenglykol mit konz. Mineralsäuren entsteht 1,4Dioxan, ebenfalls ein Lösemittel. Aus 1,4-Butandiol bildet sich Tetrahydrofuran (Abschn. 12.2.3).
2
CH2 OH CH2 OH
+
H − 2 H2O
Ethylenglykol
H2C H2C
O
CH2 CH2
O 1,4-Dioxan
12.3.2 Eigenschaften der Ether Ether sind farblose Flüssigkeiten, die im Vergleich zu den Alkoholen in Wasser nur wenig löslich sind, da sie keine H-Brücken bilden können. Sie haben daher auch eine kleinere Verdampfungswärme und einen niedrigeren Siedepunkt als die konstitutionsisomeren Alkohole (Vergleich: 1-Butanol: Sdp. 116 ı C, Diethylether: Sdp. 35 ı C) Verglichen mit Alkoholen sind Ether reaktionsträge und können deshalb als inerte Lösemittel verwendet werden. Sie sind unempfindlich gegen Alkalien, Alkalimetalle und Oxidations- bzw. Reduktionsmittel. Gegenüber molekularem Sauerstoff besitzen Ether jedoch eine gewisse Reaktivität (Radikalische Oxidation): Beim Stehen lassen an der Luft bilden sich unter Autoxidation sehr explosive Peroxide, was besonders beim Destillieren beachtet werden muss. Diese Reaktion wird durch Licht initiiert, daher sollte man Ether immer in dunklen Flaschen lagern. O O H R CH2 O CH2 R + O2 Ether
hν
R CH O CH2 R Etherhydroperoxid
Diethylether („Äther“) wird im Labor oft als Lösemittel verwendet. Er ist erwartungsgemäß mit Wasser nur wenig mischbar (ca. 2 g=100 g H2 O) und hat einen
172
12
Sauerstoff-Verbindungen
niedrigen Flammpunkt. Seine Dämpfe sind schwerer als Luft und bilden mit ihr explosive Gemische. Mit starken Säuren bilden sich wasserlösliche Oxoniumsalze. +H
H3C CH2 O CH2 CH3
H
+
+
H3C CH2 O CH2 CH3
Diethylether
Diethyloxonium-Salz
12.3.3 Reaktionen der Ether 12.3.3.1 Ether-Spaltung In der präparativen Chemie werden OH-Gruppen gegen weitere Reaktionen oft durch Veretherung oder Veresterung geschützt. Während Diarylether gegenüber HI inert sind, werden Dialkylether und Arylalkylether, obwohl sonst sehr reaktionsträge, von HI gespalten. Besonders gut verläuft die Reaktion mit Benzyl- oder Alkyl-Gruppen, so dass erstere oft als Schutzgruppe verwendet wird: H +
R O CH2 C6H5 + I−
R O CH2 C6H5 + HI
ROH + C6H5 CH2 I
Benzylether
Diese Reaktion wird auch zur quantitativen Bestimmung von Alkoxy-Gruppen nach Zeisel verwendet. Die Reaktionen können nach einem SN 2-Mechanismus (wie vorstehend) oder einem SN 1-Mechanismus verlaufen. Ringöffnung von Epoxiden Oxiran lässt sich im Gegensatz zu anderen Ethern nicht nur elektrophil sondern auch nucleophil angreifen und ist ein wichtiges industrielles Zwischenprodukt, das auch als Insektizid und in der Medizin zum Sterilisieren verwendet wird. H2O O H2C CH2
NH3 ROH
HO CH2 CH2 OH
Glykol
HO CH2 CH2 NH2 Ethanolamin HO CH2 CH2 OR
Glykolether
Die Ringöffnung kann sowohl im sauren als auch im alkalischen Milieu erfolgen. alkalisch: direkter nucleophiler Angriff
HO
−
O + H2C CH2
HO CH2 CH2 O
−
+ H 2O − OH
−
HO CH2 CH2 OH
12.3 Ether
173
sauer: zuerst Protonierung des Epoxids, dann nucleophiler Angriff H O H2C CH2
+ +H
O+ H2C CH2
+ H 2O
+ H+ HO CH2 CH2 OH2 −
HO CH2 CH2 OH
12.3.3.2 Umlagerungsreaktionen Eine Besonderheit der Allyl-arylether ist die Möglichkeit zur Umlagerung in Allylphenole. Bei dieser Claisen-Umlagerung handelt es sich um eine [3,3]-sigmatrope Umlagerung (s. a. Abschn. 24.4), bei der ein cyclischer Übergangszustand durchlaufen wird. O
H2 C
CH2 CHR
Allyl-arylether
O Δ
H2 C
CH2 CHR
cyclischer Übergangszustand
H 2C CH O CHR
H 2C OH CH CHR
o-Allylphenol
Normalerweise bildet sich das o-substituierte Phenol. Bei Verwendung von Allylarylethern, bei denen beide o-Positionen substituiert sind, erfolgt die Umlagerung jedoch in die p-Position.
13
Schwefel-Verbindungen
Die einfachste Schwefel-Kohlenstoff-Verbindung ist der Schwefelkohlenstoff CS2 . Vom Schwefelwasserstoff H2 S leiten sich den Alkoholen und Ethern analoge Verbindungen ab, die Thiole (Mercaptane) und die Sulfide (Thioether). Durch Oxidation von Thiolen erhält man Disulfide, aus Thioethern Sulfoxide und Sulfone. Bei den Sulfonsäuren ist der organische Rest direkt an den Schwefel gebunden, im Gegensatz zu den Schwefelsäureestern. O R
R
SH
S
R'
R
Sulfide Thioether
Thiole Mercaptane
S
S
R'
R
R
O Sulfone
R
S
S
R
Sulfoxide O
O
O R
S
Disulfide
OH
O Sulfonsäuren
R
O
S
OH (OR)
O Schwefelsäureester
13.1 Thiole Thiole oder Thioalkohole sind Monosubstitutionsprodukte des H2 S und enthalten als funktionelle Gruppe die SH-Gruppe. Eine andere Bezeichnung ist Mercaptane, da die Thiole leicht unlösliche Quecksilbersalze (Mercaptide) bilden („mercurium captans“). R SH + HgO
(RS)2Hg
+ H 2O
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_13
175
176
13 Schwefel-Verbindungen
Beispiele SH H3C SH
H5C2
Methanthiol Methylmercaptan
SH
Ph
Ethanthiol Ethylmercaptan
H2N
SH
Thiophenol Phenylmercaptan
COOH
Cystein (eine Aminosäure)
Ebenso wie H2 S sind Thiole nicht assoziiert und zeigen einen im Vergleich zu den Alkoholen niedrigeren Siedepunkt, da sie keine H-Brücken ausbilden können. Thiole sind auch viel stärker sauer als Alkohole (kleinerer pKs -Wert) und bilden gut kristallisierende Schwermetallsalze. Sie lassen sich an ihrem äußerst widerwärtigen Geruch leicht erkennen. So wird u. a. eine Mischung aus 75 % tertButylmercaptan (TBM) und 25 % Propylmercaptan zur Odorierung von Erdgas eingesetzt.
13.1.1 Herstellung Thiole können auf verschiedene Weise leicht hergestellt werden. 1. Aus allen Mercaptiden wird durch Mineralsäure das Mercaptan freigesetzt: (RS)2Hg
+ 2 HCl
R SH + HgCl 2
2. Durch Erhitzen von Halogenalkanen mit Kaliumhydrogensulfid: H3C
I
Methyliodid
+ KSH
KI + H3C SH
H3C
Methylmercaptan
I
H3C S CH3 Dimethylsulfid
Das Problem bei dieser Reaktion besteht darin, dass das primär gebildete Mercaptan, bzw. das daraus durch Deprotonierung gebildete Mercaptid, nucleophiler ist (CI-Effekt der Alkylgruppe) als das eingesetzte Kaliumsulfid. Es kann daher zu einer Zweifachalkylierung kommen, unter Bildung des Dialkylsulfids (s. a. Abschn. 8.2.4 und 14.1.2). 3. Durch Alkylierung von Thioharnstoff: Um das Problem der Mehrfachalkylierung zu umgehen, verwendet man bevorzugt S-Nucleophile die nur noch einfach reagieren können, wie etwa Thioharnstoff. Durch Alkylierung erhält man hieraus ein S-Alkyl-isothiuroniumsalz, welches sich durch Erwärmen mit Natronlauge in das gewünschte Thiol und Harnstoff spalten lässt.
+ KBr
13.1 Thiole
177
13.1.2 Vorkommen In der Natur bilden sich Thiole bei Zersetzungsprozessen (Fäulnis) von Eiweiß (Shaltige Verbindungen); sie sind für den unangenehmen Geruch bei der Verwesung organischer Substanz mitverantwortlich.
13.1.3 Reaktionen 13.1.3.1 Oxidationen Thiole können ebenso wie Alkohole oxidiert werden, jedoch ist z. B. Ethanthiol leichter zu oxidieren als Ethanol. Der Angriff erfolgt nicht am C-Atom wie bei den Alkoholen, sondern am S-Atom. Man erhält je nach Bedingungen Disulfide oder Sulfonsäuren. Unter relativ milden Bedingungen, z. B. Oxidation mit Luftsauerstoff, erhält man die Disulfide. Diese sind erheblich stabiler als ihre Sauerstoff-Analoga, die Peroxide. H5C2
SH
+ O2
Ethanthiol
H5C2
S
S C2H5 + H2O
Diethyldisulfid
Ein biochemisch wichtiges Thiol ist die Aminosäure Cystein. Durch Oxidation erhält man das Disulfid Cystin, das wieder zu Cystein reduziert werden kann. Diese Redox-Reaktion ist ein wichtiger biochemischer Vorgang in der lebenden Zelle. NH
SH HS
NH
NH
S S
NH
Oxidation +
C
C O
O Cysteine
Reduktion
C
C O
O
Cystin (Disulfidbrücke)
Solche Disulfidbrücken sind entscheidend beteiligt an der Stabilität und räumlichen Struktur von Peptiden und Proteinen, wie etwa Enzymen oder Hormonen. In diesen wird häufig die räumliche Struktur durch Disulfidbrücken zwischen verschiedenen Bereichen des Proteins fixiert. So besteht z. B. das wichtige Peptidhormon Insulin (s. Abschn. 29.2.3) aus zwei Peptidsträngen die über Disulfidbrücken verknüpft sind. Reduziert man Insulin, so fallen diese Ketten auseinander, das Hormon ist zerstört (denaturiert). Eine Anwendung dieses Oxidations-/Reduktionsprozesses ist die Dauerwelle. Hierbei wird zuerst die natürliche Struktur des Haarproteins durch Aufbrechen der Disulfidbrücken (Reduktionsmittel: Thioglykolsäure HSCH2 COOH) zerstört. Die Haare werden dann in die gewünschte Form gebracht, und die Struktur durch Oxidation (mit H2 O2 ) und die Ausbildung neuer Disulfidbrücken fixiert. Durch Decarboxylierung von Cystein entsteht Cysteamin, NH2 –CH2 –CH2 –SH, dessen SH-Gruppe die aktivierende Gruppe im Coenzym A ist.
178
13 Schwefel-Verbindungen
Durch stärkere Oxidationsmittel (HNO3 ) erfolgt Oxidation bis zur Sulfonsäure:
R SH Thiol
[O]
R S OH Sulfensäure
[O]
O R S OH
[O]
Sulfinsäure
R SO3H Sulfonsäure
13.1.3.2 Reduktionen Durch katalytische Hydrierung ist eine Desulfurierung möglich. Diese Reaktion ist wichtig zur Entfernung von Thiolen aus dem Erdöl (Entschwefelung, vgl. ClausProzess, Basiswissen I). R SH + H 2
R H + H 2S
13.2 Thioether (Sulfide) Die Thioether, analog den Ethern benannt, sind eigentlich als Sulfide aufzufassen und zu benennen. Sie leiten sich formal vom Schwefelwasserstoff ab, in dem die beiden H-Atome durch Alkyl-Gruppen ersetzt sind. Beispiele Cl S Tetrahydrothiophen (Odorierungsmittel für Erdgas)
S
Cl
Bis-(2-chlorethyl)-sulfid (Senfgas, Lost, Gelbkreuz)
13.2.1 Herstellung Man erhält Thioether durch Erhitzen von Halogenalkanen mit Kaliumsulfid (s. Abschn. 13.1.1) oder Alkalimercaptiden. Die letzte Methode hat den Vorteil, dass so auch Sulfide mit unterschiedlichen Alkylketten aufgebaut werden können.
13.2.2 Reaktionen Thioether können aufgrund der beiden einsamen Elektronenpaare am S-Atom folgende Reaktionen eingehen: 1. Mit Halogenalkanen entstehen Trialkylsulfoniumsalze. Der Schwefel ist hier dreibindig. Sulfoniumsalze sind die S-analogen Verbindungen der Oxonium-
13.2 Thioether (Sulfide)
179
salze. Sie sind wie diese gute Alkylierungsmittel, wobei der Angriff von Nucleophilen an einem der Reste R erfolgt, unter Abspaltung des Thioethers. R
Cl
R S + R−Cl
−
S R
R
R
H+Nu
+
S + R−Nu + HCl R
R Sulfoniumsalz
Thioether
Die Wirkung des Kampfgases Lost beruht eben auf dieser Alkylierung. Die Reaktion geht hierbei besonders leicht, da in diesem Molekül sowohl der Schwefel als auch das Halogenid enthalten ist. Durch intramolekulare Alkylierung bildet sich dabei ein cyclisches Sulfoniumsalz, welches mit nucleophilen Zentren im Körper abreagieren kann. Da Lost zwei Chloratome enthält, kann diese Reaktion gleich zweifach ablaufen, wodurch es zu Quervernetzungen und anderen schwerwiegenden Schäden im Organismus kommt. Cl
S
Cl
S
−
1
Nu
S
Nu
Cl
1
Cl
HNu
S+
+
1
Cl
1
Cl
Cl
2
Nu
HNu
S
Nu
1
2
S
−
Nu
2. Durch Oxidation entstehen zunächst Sulfoxide, dann Sulfone. Technisch führt man diese Reaktion mit Luftsauerstoff durch. R' S R Thioether
O2
R' S O R Sulfoxid
O2
R' O S O R Sulfon
S
R' R
O
Struktur eines Sulfoxids
Die Formeln des Sulfoxids und des Sulfons zeigen, dass der Schwefel nicht immer der Oktettregel gehorcht: Im Gegensatz zum Sauerstoff, der seine Außenelektronen nur auf dem s- und p-Niveau unterbringen kann, verfügt der Schwefel noch über freie d-Orbitale. Die Ausbildung einer p -d -Bindung kann zu einem pyramidalen Molekül führen. So nimmt das freie Elektronenpaar am Schwefel der Sulfoxide eine Ecke des Tetraeders ein. Sulfoxide mit zwei unterschiedlichen Resten R (R ¤ R0 ) sind daher chiral (s. a. Kap. 25). Ein als Lösemittel gebräuchliches Sulfoxid ist das Dimethylsulfoxid (CH3 )2 SO (DMSO). Mit starken Basen bildet es Carbanionen.
180
13 Schwefel-Verbindungen
13.3 Sulfonsäuren Die SO3 H-Gruppe heißt Sulfonsäuregruppe. Sulfonsäuren dürfen nicht mit Schwefelsäureestern verwechselt werden: In den Estern ist der Schwefel über Sauerstoff mit Kohlenstoff verbunden, in den Sulfonsäuren ist S direkt an ein C-Atom gebunden.
13.3.1 Herstellung 1. Durch Oxidation von Thiolen (Abschn. 13.1.3). 2. Aromatische Sulfonsäuren entstehen durch Sulfonierung von Benzol mit SO3 oder konz. Schwefelsäure (s. Abschn. 8.2.2). Die vom Toluol abgeleitete analoge p-Toluolsulfonsäure ist eine wichtige Austrittsgruppe für organische Synthesen. +
SO3
H2SO4
SO3H Benzolsulfonsäure
Bei Einwirkung von Chlorsulfonsäure („Sulfochlorierung“) entstehen Sulfonsäurechloride, die weiter umgesetzt werden können: −
SO3 Na+ NaOH
+
ClSO3H
− H2O
SO2Cl
Na-Benzolsulfonat NH3
Benzolsulfochlorid
SO2NH2 Benzolsulfonamid
ROH SO2OR Benzolsulfonsäureester
13.3.2 Verwendung von Sulfonsäuren Die Natriumsalze alkylierter aromatischer Sulfonsäuren dienen als Tenside (vgl. Abschn. 39.2). Einige Sulfonamide werden als Chemotherapeutica verwendet. Stammsubstanz ist das Sulfanilamid H2 N–C6 H4 –SO2 –NH2 (p-Amino-benzolsulfonamid), das als Amid der Sulfanilsäure H2 N–C6 H4 –SO3 H (p-Amino-benzolsulfonsäure) anzusehen ist.
13.4 Technisch und biologisch wichtige Schwefel-Verbindungen
181
Beispiele S H2N
SO2 NH C NH2
HOOC CH2
CH2
S
SO2 NH
C HN
N
O
Sulfathiocarbamid
Succinoylsulfathiazol
Die antibakterielle Wirkung der Sulfonamide beruht auf „einer Verwechslung“. Um sich zu vermehren benötigen Bakterien zur Synthese von Folsäure p-Aminobenzoesäure, HOOC–C6 H4 –NH2 . Das für die Synthese zuständige Enzym ist jedoch wenig selektiv und kann auch Sulfanilsäurederivate einbauen, was dann jedoch zu unwirksamen Verbindungen führt. Tiere und Menschen bauen keine Folsäure selbst auf, so dass für sie die Sulfonamide weitestgehend untoxisch sind. Die Wirksamkeit der verschiedenen Sulfonamide hängt u. a. von der Art des Restes am Amid-Stickstoff ab. Da Sulfonamide im Organismus am Amid-Stickstoff teilweise acetyliert werden, setzt man Kombinationspräparate oder entsprechend disubstituierte Verbindungen ein. Von den Alkansulfonsäurederivaten ist das Methansulfonylchlorid („Mesylchlorid“) als Hilfsmittel bei Synthesen sehr beliebt, weil sich damit leicht die SO2 CH3 -Gruppe (Mesyl-Gruppe) einführen lässt, die auch eine gute Abgangsgruppe darstellt: R CH2
OH
CH3SO2Cl Base
R CH2
O SO2CH3
HNu
R CH2
Nu + CH3SO3H
"Mesylat"
13.4 Technisch und biologisch wichtige Schwefel-Verbindungen Außer den Aminosäuren Methionin, Cystein und Cystin sind auch cyclische Sulfide von Bedeutung. Stoffwechsel O COOH S
S
Liponsäure (Fettsäurestoffwechsel)
HN
NH
S
Biotin (Vitamin H) (Übertragung von COOH-Gruppen) COOH
„Stinktier-Wirkstoffe“
SH 3-Methyl-butanthiol
SH E-2-Buten-1-thiol
S
S
E-2-Butenyl-methyl-disulfid
182
13 Schwefel-Verbindungen
Knoblauch-Wirkstoffe O
O
O S
S
S
S
(Z)-Ajoen
S
NH2
S
S
(E)-Ajoen
COOH Alliin
Knoblauch enthält eine Vielzahl von S-haltigen Verbindungen, die unter anderem für sein intensives Aroma verantwortlich sind. Viele dieser Verbindungen zeigen aber auch antibiotische Eigenschaften und hemmen z. B. das Bakterienwachstum. Süßstoffe O NH S O
NH
SO3H
O
Saccharin (o-Sulfobenzoesäureamid)
Cyclamat (Cyclohexylamid der Schwefelsäure)
14
Stickstoff-Verbindungen
14.1 Amine 14.1.1 Nomenklatur Amine können als Substitutionsprodukte des Ammoniaks aufgefasst werden. Nach der Anzahl der im NH3 -Molekül durch andere Gruppen ersetzten H-Atome unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Amine. Die Substitutionsbezeichnungen beziehen sich auf das N-Atom; demzufolge ist das tertiärButylamin ein primäres Amin. Falls der Stickstoff vier Substituenten trägt, spricht man von (quartären) Ammonium-Verbindungen. Beispiele CH3 H3C NH2
H3C N CH3
H3C N CH3
H Methylamin
CH3
+
H3C N CH3 −
CH3 Br
Dimethylamin
Trimethylamin
Tetramethylammoniumbromid
sekundär
tertiär
quartär
primär
weitere primäre Amine: HO CH2 CH2 NH2 Ethanolamin (Colamin)
CH3 NH2
H3C C NH2 CH3 tert.-Butylamin
Anilin
Unter Di- und Triaminen versteht man aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die im Molekül zwei oder drei NH2 -Gruppen besitzen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_14
183
184
14 Stickstoff-Verbindungen
Tab. 14.1 Einige technisch wichtige Amine Name Methylamin
Formel CH3 NH2
Ethylendiamin Hexamethylendiamin Anilin p-Toluidin N-Methyanilin 4-Aminophenol “-Phenylethylamin
(H2 N–CH2 /2 H2 N–(CH2 /6 –NH2 C6 H5 –NH2 p-CH3 –C6 H4 –NH2 H3 C–NH–C6 H5 p-HO–C6 H4 –NH2 C6 H5 –CH2 –CH2 –NH2
Schmp. (ı C) Sdp. (ı C) Verwendung 92 7,5 chem. Synthesen, Kühlmittel 8 117 Komplexbildner 39 196 ! Polyamide 6 184 chem. Synthesen 44 200 ! Farbstoffe 57 196 ! Farbstoffe 186 (Zers.) – fotogr. Entwickler – 186 Arzneimittel
Beispiele NH2
NH2 COOH
H2N CH2 CH2 NH2 Ethylendiamin
H2N (CH2)6 NH2 Hexamethylendiamin
NH2 m-Phenylendiamin
H2N
NH2
2,4,6-Triaminobenzoesäure
Cyclische Amine gehören zu der umfangreichen Substanzklasse der heterocyclischen Verbindungen (s. Kap. 22). Es sind ringförmige Kohlenwasserstoffe (zumeist 5- und 6-Ringe), in denen eine oder mehrere CH- bzw. CH2 -Gruppen durch >NH bzw. >N– ersetzt sind. Es gibt gesättigte, partiell ungesättigte und aromatische Systeme. Cyclische Amine und Imine sind Bestandteile vieler biochemisch wichtiger Verbindungen (Aminosäuren, Enzyme, Nucleinsäure, Farbstoffe, Alkaloide, Vitamine u. a.) und zahlreicher Arzneimittel. Auch viele kondensierte heterocyclische Systeme gehören in diese Stoffklasse: Indol, Acridin, Chinolin, Isochinolin, Purin, Pteridin, Alloxazin u. a. Große Bedeutung und weite Verbreitung haben Amine auch deshalb, weil viele Verbindungen funktionelle Gruppen besitzen, die sich formal von den Aminen ableiten (Tab. 14.1).
14.1.2 Herstellung von Aminen 14.1.2.1 Umsetzung von Halogenverbindungen mit NH3 oder Aminen Diese Methode eignet sich besonders zur Gewinnung mehrfach alkylierter Amine und von quartären Ammoniumsalzen. Für primäre Amine ist sie wenig geeignet. NH3
CH3I
H2NCH3
CH3I
HN(CH3)2
CH3I
N(CH3)3
CH3I
+ −
N(CH3)4 I
14.1 Amine
185
Das Problem dieser Reaktion Mit jedem eingeführten Alkylrest nimmt die Nucleophilie des Stickstoffs zu (+I-Effekt der Alkylgruppe), d. h. das primäre Amin ist nucleophiler als der eingesetzte Ammoniak und wird daher leichter weiteralkyliert (s. a. Abschn. 13.1.1). Verwendet man also stöchiometrische Mengen an Alkylierungsmittel erhält man immer Produktgemische. Mit einem Überschuss an Alkylierungsmittel bekommt man jedoch problemlos die quartären Ammoniumsalze. Hofmann-Abbau (Methode der erschöpfenden Methylierung) Dies macht man sich bei der Strukturbestimmung von N -haltigen Naturstoffen (z. B. Alkaloiden) zunutze. Mit AgOH wird ein quartäres Ammoniumhydroxid gebildet, das beim Erhitzen in ein Alken und ein tertiäres Amin übergeht (Hofmann-Eliminierung! Abschn. 11.4). Beispiel 1) CH3I 2) AgOH N H Piperidin
N + CH3 H3C − OH
Δ - H 2O
1) CH3I 2) AgOH
N CH3
H3C
+
H3C N 3 H3C CH − OH
Δ - H 2O
+ N(CH3)3
Aromatische Amine erhält man durch nucleophile Aromatensubstitution von elektronenarmen halogenierten Aromaten: Cl
NO2
+ 2 NH 3
H2N
p-Nitrochlorbenzol
NO2
+ NH 4Cl
p-Nitroanilin
14.1.2.2 Gabriel-Synthese Um das Problem der Mehrfachalkylierung zu umgehen, verwendet man zur Synthese primärer Amine geschützte N-Nucleophile (s. a. Abschn. 13.1.1), wie etwa Phthalimid. Aufgrund der beiden elektronenziehenden Carbonylgruppe ist die NHBindung acidifiziert, und das Proton mit KOH leicht entfernbar. Das erhaltene Salz lässt sich dann als Nucleophil, das nur noch einmal reagieren kann, mit Alkylhalogeniden umsetzen. Das gebildete Alkylphthalimid wird anschließend gespalten (bevorzugt mit Hydrazin) unter Bildung des primären Amins.
N
O
O
O −
K
+ R−Cl +
O Kaliumphthalimid
- KCl
N R O N-Alkylphthalimid
H2NNH2
NH + RNH 2 NH O Phthaloylhydrazid
prim. Amin
186
14 Stickstoff-Verbindungen
14.1.2.3 Reduktion von Nitroverbindungen und N-haltigen Carbonsäurederivaten Zur Herstellung aromatischer Amine verwendet man vor allem die Reduktion von Nitroverbindungen (s. Abschn. 14.2.3). Als Reduktionsmittel wird häufig Eisenschrott verwendet, wobei die dabei gebildeten Eisenoxide als Pigmente verwertet werden können. Fe/HCl
NO2
NH2 + Fe-Pigmente Anilin
Nitrobenzol
Aliphatische Amine erhält man durch Reduktion von Carbonsäureamiden und Nitrilen (s. Abschn. 20.1.3.2 und 20.1.4.2). O R C
LiAlH4
LiAlH4
R CH2 NH2
NH2 Carbonsäureamid
R C N Nitril
14.1.2.4 Abbau von Carbonsäurederivaten Stickstoffhaltige Carbonsäurederivate können nicht nur durch Reduktion in Amine überführt werden sondern teilweise auch durch Abbaureaktionen. Die dabei gebildeten primären Amine enthalten ein C-Atom weniger als die ursprünglichen Carbonsäure-Verbindungen. Folgende Varianten werden angewandt: Hofmann-Abbau (1881) von Amiden O R C NH2
Curtius-Abbau (1894) von Aziden (z. B. aus Hydraziden) O R C NH NH2
+ HNO 3 − 2 H 2O
O R C
− + N N N
Lossen-Abbau (1875) von Hydroxamsäure-Derivaten O R C NH OCOR'
14.1 Amine
187
Schmidt-Reaktion (1923) von Carbonsäuren über Azide O R C OH
O
+ HN 3 / H+ − H 2O
R C
− + N N N
Diese Abbaureaktionen sind in ihrem Mechanismus einander sehr ähnlich. Exemplarisch sein hier der Hofmann-Abbau von Acetamid zu Methylamin erläutert: O H3C NH2
+ NaOH + Br 2 NH2 Acetamid
H3C C
+ NaBr + CO2
Methylamin
Im Einzelnen laufen dabei folgende Reaktionen ab: Aus Natronlauge und Br2 entsteht Natriumhypobromit mit positiv polarisiertem Bromatom. Im Gleichgewicht deprotoniert die NaOH das Amid, welches dann an diesem polarisierten Bromatom angreift. Dabei bildet sich N-Bromacetamid. Aufgrund der Elektronegativität des Broms ist dieses Bromamid acider als das ursprüngliche Amid und wird daher ebenfalls deprotoniert unter Bildung des Intermediats I. An diesem tritt nun eine Alkylwanderung ein, und unter Abspaltung von Bromid kommt es zur Bildung eines Isocyanats. Im wässrig basischen Milieu ist dieses Isocyanat jedoch nicht stabil, es addiert Wasser unter Bildung einer Carbamidsäure. Auch diese ist nicht stabil und spaltet CO2 ab unter Freisetzung des Amins. 2 NaOH + Br2
O H 3C C
NaOBr
NH2 − NaOH
Acetamid
H2O
O H 3C C
NaOBr + NaBr + H2O
O
NaOH
H 3C C
O NH Br − H2
N-Bromacetamid
Na+
− − NaBr N − Br
I
H 3C N C O Methylisocyanat
O H3C NH2
H3C NH
+ CO2
OH Methylcarbamidsäure
Das früher formulierte Acylnitren tritt vermutlich nicht auf. Im wässrigen Medium würde man eine ’-Addition von H2 O erwarten unter Bildung einer Hydroxamsäure, was jedoch nicht beobachtet wird. Die Wanderung des CH3 -Restes bei der Umlagerung von I erfolgt wahrscheinlich gleichzeitig mit der Abspaltung des Br Ions. O R N Acylnitren
188
14 Stickstoff-Verbindungen
Zentrale Verbindung aller Abbaureaktionen ist das Isocyanat, welches bei allen Reaktionen gebildet wird. Bei Abbaureaktionen im wässrigen Milieu wird hieraus über die Carbamidsäurestufe das Amin erhalten. Eine Ausnahme bildet der Curtius-Abbau, der über ein isolierbares Acylazid verläuft. Dieses Azid wird thermisch zersetzt, wozu kein H2 O benötigt wird. Unter diesen Bedingungen lässt sich das Isocyanat erhalten, das dann bei Bedarf mit anderen Nucleophilen umgesetzt werden kann. Mit Alkoholen erhält man z. B. Urethane (s. Abschn. 21.2). Die Schmidt-Reaktion ist mit dem Curtius-Abbau eng verwandt, und unterscheidet sich nur in der Herstellung des Acylazids. O +
N N N
R O
−
− +
N N N
R
Acylazid
O
Δ − N2
R N C O Isocyanat
R'OH
R HN
C
OR'
Urethan
14.1.2.5 Reduktive Aminierung von Carbonylverbindungen Aus Aldehyden und Ketonen bilden sich mit Aminen und Ammoniak in einer Eintopfreaktion intermediär Imine (s. Abschn. 17.1.3), welche sofort zum Amin reduziert werden können. R' C O + H2NR'' R
− H2O
R' C NR'' R Imin
NaBH3CN pH 4-5
R' CH NHR'' R
Selektiv wirkende Reduktionsmittel (wegen der Carbonylgruppe) sind z. B. katalytisch aktivierter H2 oder NaBH3 CN, Natriumcyanoborhydrid. Das Problem Die Carbonylgruppe ist im Vergleich zur Imingruppe die reaktivere und sollte daher bevorzugt angegriffen werden. Daher sollten solche reduktiven Aminierungen eigentlich nicht möglich sein. Die Lösung Man verwendet als wenig reaktionsfähiges Reduktionsmittel NaBH3 CN, welches nicht mehr in der Lage ist mit Carbonylgruppen zu reagieren. Im Gegensatz zu anderen Hydriden ist diese Verbindung auch in Gegenwart schwacher Säuren noch stabil. Man kann die Reduktion also auch z. B. bei pH 4 durchführen. Unter diesen schwach sauren Bedingungen bleibt die Carbonylgruppe unverändert, die viel basischere Imingruppierung wird jedoch protoniert (Iminiumion). Protonierte Imine sind aber reaktionsfähiger als unprotonierte Carbonylgruppen (s. a. Abschn. 17.1.3) und können daher bevorzugt umgesetzt werden, z. B. mit NaBH3 CN. Eine ältere Methode ist die sog. reduktive Alkylierung von primären und sekundären Aminen nach Leuckart-Wallach. Verwendet man Formaldehyd (CH2 O) (Eschweiler-Clarke-Reaktion) und reduziert mit Ameisensäure (HCOOH), werden sekundäre Amine methyliert und primäre Amine dimethyliert:
14.1 Amine
189
H5C6 CH2
CH2O HCOOH
NH2
H5C6 CH2
N(CH3)2
Die Reaktion verläuft vermutlich ebenfalls über ein Iminiumion, das sich im Sauren aus Formaldehyd und dem Amin bildet. Dieses wird unter Hydridtransfer (s. a. Abschn. 17.1.1) durch Ameisensäure reduziert, die selbst zu CO2 oxidiert wird. H
H
H O C
+
C NR2 O
H+ + CO2 + H3C NR2
H
14.1.3 Eigenschaften der Amine Amine besitzen wie die Stammsubstanz Ammoniak polarisierte Atombindungen und können intermolekulare Wasserstoff-Brücken ausbilden. Die Moleküle mit einer geringen Anzahl von C-Atomen sind daher wasserlöslich. Ebenso wie bei den Alkoholen nimmt die Löslichkeit mit zunehmender Größe des Kohlenwasserstoff-Restes ab. Verglichen mit Alkoholen sind die H-Brückenbindungen zwischen Aminen schwächer. Bei der Verwendung von aromatischen Aminen ist ihre hohe Toxizität und Hautresorbierbarkeit zu beachten. Das freie Elektronenpaar am Stickstoff verleiht den Aminen basische und nucleophile Eigenschaften. Bei heteroaromatischen Aminen muss man jedoch darauf achten, ob das freie Elektronenpaar Teil des aromatischen Systems ist oder nicht. Nur Amine, deren Elektronenpaar nicht am aromatischen System beteiligt ist (Bsp. Pyridin) sind basisch. Basizität Eine typische Eigenschaft der Amine ist ihre Basizität. Wie Ammoniak können sie unter Bildung von Ammoniumsalzen ein Proton anlagern. Die Extraktion mit z. B. 10-prozentiger Salzsäure ist eine oft benutzte, einfache Methode zur Trennung von Aminen und neutralen organischen Verbindungen aus organischen Phasen. Durch Zugabe einer Base, z. B. Natriumhydroxid, lässt sich diese Reaktion umkehren, d. h. das Amin bildet sich zurück. Eine Deprotonierung von Aminen ist wegen ihrer geringen Acidität nur mit extrem starken Basen wie Alkalimetallen oder Alkyllithium-Verbindungen möglich. Es ist wichtig, die Stärke der einzelnen Basen quantitativ erfassen zu können. Dazu dient ihr pKs -Wert (vgl. Basiswissen I). Kennt man diesen Wert, kann man über die bekannte Beziehung pKs C pKB D 14 auch den pKB -Wert in Wasser ausrechnen. Ferner kann man aufgrund der Gleichung pH D 7 C 1=2pKs C 1=2 lg c den pH-Wert einer Amin-Lösung der Konzentration c berechnen. Beispiel 0,1 molare Lösung von Ammoniak pH D 7 C 1=2.9;25 C lg 0;1/ D 7 C 1=2.9;25 1/ D 7 C 4;1 D 11;1
190
14 Stickstoff-Verbindungen
Tab. 14.2 pK-Werte von protonierten Aminen " steigende Basizität
pK B 3,29 3,32 3,36 4,26 4,64 4,75 9,42
Name Dimethylamin tert. - Butylamin Methylamin Trimethylamin Benzylamin Ammoniak Anilin
Formel (CH3 )2 NH (CH3 )3 CNH2 CH3 NH2 (CH3 )3 N C6 H5 CH2 NH2 NH3 C6 H5 NH2
pK s bzw. pK a 10,71 10,68 10,64 fallende 9,74 Basizität 9,36 9,25 4,58 #
pK s gilt für die Reaktion: R1 R2 R3 NHC R1 R2 R3 N + HC
Liegt eine Mischung aus Ammoniak und Ammoniumchlorid vor, so lässt sich hierfür die Gleichung für Puffer anwenden (s. Basiswissen I). Allgemein gilt für Puffersysteme wie Amine und ihre Hydrochloride, wenn die Komponenten im Verhältnis 1 W 1, also äquimolar vorliegen: pH D pKs . Beispiel Eine 1 W 1-Mischung von Anilin und Anilinhydrochlorid hat in Wasser den pH-Wert 4,58. Mit Hilfe der pK-Werte lassen sich die Amine in eine Reihenfolge bringen (Tab. 14.2). Dabei gilt: Je größer der pK s - und je kleiner der pK B -Wert ist, desto basischer ist das Amin. Hinweis Der pKs -Wert von „Methylamin“ in Tab. 14.2 ist tatsächlich der pKs Wert des Methylammoniumions. Der pKs -Wert von Methylamin selbst ist etwa 35! Die Basizität der Amine kann in weitem Umfang durch Substituenten beeinflusst werden (vgl. Acidität der Carbonsäuren, Abschn. 18.3). Ihre Stärke hängt davon ab, wie leicht sie ein Proton aufnehmen können. Ein aliphatisches Amin ist stärker basisch als Ammoniak, weil die elektronenliefernden Alkyl-Gruppen die Verteilung der positiven Ladung im Ammoniumion begünstigen. Die Abnahme der Basizität bei tertiären Aminen im Vergleich zu sekundären und primären Aminen beruht darauf, dass im ersten Fall die Hydratisierung, die auch zur Stabilisierung des Ammoniumions beiträgt, erschwert ist. Der Basizitätsunterschied beruht demnach sowohl auf Solvatationseffekten als auch auf elektronischen Effekten. Erwartungsgemäß vermindert die Einführung von Elektronenakzeptoren die Basizität, weil dadurch die Möglichkeit zur Aufnahme eines Protons verringert wird. Stark elektronenziehende Gruppen erhöhen die Acidität der NH-Bindung. Säureamide sind in Wasser nur sehr schwach basisch; monosubstituierte Sulfonamide haben etwa die gleiche Acidität wie Phenol. Aromatische Amine sind nur schwache Basen. Beim Anilin tritt das Elektronenpaar am Stickstoff mit den -Orbitalen des Phenylrings in Wechselwirkung (CMEffekt):
14.1 Amine
191 +
NH2
NH2
NH2
+
+
NH2
NH2
NH2
−
− −
Die Resonanzstabilisierung des Moleküls wird teilweise wieder aufgehoben, wenn ein Aniliniumion gebildet wird: +
+
NH2
NH3
NH3
+
NH3
+
+ H
pKs = 4.58
Die geringe Basizität aromatischer Amine ist also eine Folge der größeren Resonanzstabilisierung des Amins im Vergleich zum entsprechenden Ammoniumsalz. Kleinere Änderungen sind durch die Einführung von Substituenten in den aromatischen Ring möglich: Elektronendonoren wie NH2 , OCH3 , CH3 stabilisieren das Kation und erhöhen die Basizität, Elektronenakzeptoren wie NH3C , NO2 , SO3 vermindern die Basizität noch stärker. Eine Basizitätsabnahme ist auch typisch für solche Basen, deren N-Atome an Mehrfachbindungen beteiligt sind. So ist Pyridin mit pKB D 8,96 eine schwächere Base als Triethylamin (pKB D 3,42), weil das freie Elektronenpaar stärker durch das sp2 -hybridisierte N-Atom gebunden wird. Beim Pyrrol ist das Elektronenpaar in ein aromatisches 6-Elektronen- -System eingebaut (s. Abschn. 22.3.1.1) und damit die Anlagerung eines Protons sehr erschwert (pKB 13;6).
14.1.4 Reaktionen der Amine 14.1.4.1 Umsetzungen mit Salpetriger Säure HNO2 Lässt man Amine mit Salpetriger Säure, HNO2 , reagieren, so können je nach Substitutionsgrad verschiedene Verbindungen entstehen: Primäre aromatische Amine bilden Diazoniumsalze: Ar
NH2 + HONO
HX
+
− Ar N N X + H2O Diazoniumsalz
Primäre aliphatische Amine (auch Aminosäuren!) bilden instabile Diazoniumsalze, die weiter zerfallen (van Slyke-Reaktion). Intermediär bildet sich ein
192
14 Stickstoff-Verbindungen
Carbeniumion, das die typischen Folgereaktionen (s. Abschn. 10.1 und 11.2) eingeht: +
HX − H2O
R NH2 + HONO
R N N X−
+
R X
− N2
−
Folgeprodukte
Sekundäre aliphatische oder aromatische Amine bilden Nitrosamine, die meist toxisch und carcinogen sind: R2NH + HONO
− H2O
R2N NO Nitrosamin
Tertiäre aliphatische Amine werden beim Erwärmen durch HNO2 gespalten: R2N CHR'2
R2N NO + O CR'2 + N2O
+ 2 HONO
Bei tertiären aromatischen Aminen kann zudem durch elektrophile Aromatensubstitution (s. Kap. 8) eine Nitrosierung des aromatischen Rings erfolgen: R2N
+ HONO
− H2O
R2N
NO
Zum Reaktionsmechanismus Das nitrosierende Reagenz bei allen Reaktionen ist das Elektrophil N2 O3 bzw. NOC . Diese bilden sich durch Autoprotonierung der HNO2 . Wird HCl zur Protonierung verwendet, bildet sich nur NOC . H2O +
2 HNO2 HNO2 + HCl
H2O +
+
N O +
N O
+ O2N−
O2N NO
−
+ Cl
Das NOC reagiert mit dem Amin unter Bildung eines N-Nitrosoammoniumions: R1 R N R
R1 +
+
N O
2
+
R N N O R2
Dieses kann je nach verwendetem Amin weiterreagieren, wie etwa bei: Primären Aminen H +
R N N O H
+
H
H R N N O
+
R N N OH
H H2O
+
R N N
14.1 Amine
193
Sekundären Aminen R1
R1
+
H
+
R N N O
R N N O
H
Nitrosamin
Tertiären Aminen R R C H
1
R
N N O R
1
R
+
C
H3O+ − NO
2
H 2O
+
R
N
R
R
1
R
H 2O
C O +
2
+
R
H2N R
R
2
Immonium-Ion
In einer “-Eliminierung (s. Abschn. 11.2) wird ein Immoniumion gebildet, das durch Wasser hydrolysiert wird. Das dabei entstehende sekundäre Amin reagiert mit überschüssigem NOC zum Nitrosamin.
14.1.4.2 Oxidationen Primäre Amine ergeben bei der Oxidation zunächst Hydroxylamine (I). Diese können zu Nitroso- (II) bzw. Nitroverbindungen (III) oder zu Oximen (IV) bzw. Hydroxamsäuren (V) weiteroxidiert werden. R2 1
R C NH2
R2 Oxid.
R2 Oxid.
1
R C NH OH R3
R3
3
R1− R = H
1
R C NO R3 II
I
R2 Oxid.
1
R C NO2 R3 III
Oxid. R3 = H R2 1
R C N OH
Oxid. R2 = H
IV
O R1 C
NH OH
V
Sekundäre Amine bilden N,N-Dialkylhydroxylamine, die evtl. weiterreagieren können:
R2NH
H2O2
O +
R2NH
R2N OH
Tertiäre Amine lassen sich zu Aminoxiden oxidieren, die bei geeigneten Edukten durch Erhitzen in einer syn-Eliminierung Alkene liefern können (CopeEliminierung, Abschn. 11.5.2). R1 R N R
R1 +
2
H2O2
+
R N O R2
194
14 Stickstoff-Verbindungen
Diese Reaktionen lassen sich auch mit verschiedenen aromatischen Aminen durchführen, insbesondere bei Verwendung von Persäuren (z. B. CF3 CO3 H) als Oxidationsmittel.
14.1.4.3 Trennung und Identifizierung von Aminen Hinsberg-Trennung Gemische von aliphatischen oder aromatischen Aminen mit unterschiedlichem Substitutionsgrad können nach Reaktion mit Benzolsulfochlorid C6 H5 SO2 Cl in alkalischer Lösung getrennt werden. Nur die primären und sekundären Amine bilden gut kristallisierende Sulfonamide. Aufgrund der stark elektronenziehenden Wirkung der Sulfonylgruppe ist das verbleibende H-Atom der primären Sulfonamide sehr acide. Daher lösen sich diese Amide in Natronlauge, im Gegensatz zu den sekundären Amiden, welche nicht deprotoniert werden können. Primäre Amine C6H5SO2Cl + RNH2
NaOH − HCl
C6H5SO2
NHR
NaOH H2O
C6H5SO2
NR Na
+
Sekundäre Amine C6H5SO2Cl + R2NH
NaOH − HCl
C6H5SO2
NaOH
NR2
Tertiäre Amine reagieren nicht unter diesen Bedingungen. Die unumgesetzten Amine können mit verd. Salzsäure als Hydrochlorid entfernt werden. Isonitril-Reaktion Ein wichtiger Nachweis für primäre Amine ist die Isonitril-Reaktion. Dabei werden Amine im Basischen mit Chloroform umgesetzt. Aus Chloroform bildet sich unter dem Einfluss der Base Dichlorcarben (s. a. Abschn. 6.2.1), welches mit dem Amin reagiert. CHCl3
CCl2 + NaCl + H2O
+ NaOH
Dichlorcarben RNH2 +
CCl2
+
RNH2 CCl2
2 NaOH
+
R N C
+ 2 NaCl + H2O
Isonitril
14.1.5 Biochemisch wichtige Amine Neben den Alkaloiden (Kap. 34) und Aminosäuren (Abschn. 29.1) gibt es eine Vielzahl biologisch interessanter Amine. Durch Decarboxylierung erhält man aus Aminosäuren eine ganze Reihe wichtiger biogener Amine. Besondere Bedeutung
14.1 Amine
195
kommt hierbei den Verbindungen zu, die von Phenylalanin und dessen Derivaten abgeleitet werden. Zu dieser Gruppe der “-Phenylethylamine gehören Verbindungen wie Dopamin, Adrenalin und Mescalin. OH
OCH3
OH
OH
CH3O
OH
β α
H2C CH2 Dopamin
OCH3
HC NH2
HC CH2 OH
NHCH3
Adrenalin
H2C CH2
NH2
Mescalin
CH NHCH3
OH CH3 Ephedrin
Dopamin bildet sich aus Tyrosin (p-Hydroxyphenylalanin) durch Hydroxylierung des aromatischen Rings (Dopa) und anschließende Decarboxylierung. Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter, auf dessen Mangel im Gehirn die Parkinsonsche Krankheit zurückzuführen ist. Zur Behandlung dieser Krankheit kann Dopamin selbst nicht verwendet werden, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringt. Daher verabreicht man den Patienten die entsprechende Aminosäure Dopa (3,4-Dihydroxyphenylalanin). Diese ist in der Lage die Blut-Hirn-Schranke zu durchdringen, sie wird dann im Gehirn decarboxyliert unter Bildung des eigentlichen Wirkstoffs Dopamin. Durch Hydroxylierung von Dopamin an der benzylischen Position bildet sich zuerst Noradrenalin (nor bedeutet: es fehlt eine CH3 -Gruppe), welches anschließend durch N -Methylierung in Adrenalin überführt wird. Adrenalin wurde als erstes Hormon aus dem Nebennierenmark (ad D bei, renes D Niere) isoliert. Adrenalin wirkt stark blutdrucksteigernd und fördert den Glykogenabbau in Leber und Muskel, was zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führt. Adrenalin wird daher vor allem bei Stress ausgeschüttet. Durch weitere Oxidation des aromatischen Rings kommt man zum Grundgerüst des Mescalins. Mescalin findet sich als Inhaltsstoff des Peyotl-Kaktus (Lophophora williamsii). Es ist das älteste bekannte Halluzinogen, das bereits in vorkolumbianischer Zeit von mittelamerikanischen Volksstämmen als Kultdroge verwendet wurde. Mescalin wirkt lähmend auf das zentrale Nervensystem, in hohen Dosen führt es Blutdruckabfall, Atemdepression und fortschreitender Lähmung. Die bekannteste Wirkung ist jedoch die Erzeugung visueller, farbiger Halluzinationen, die Veränderung der Sinneseindrücke, des Denkens bis hin zur Bewusstseinsspaltung. In dieser Hinsicht ist es vergleichbar mit anderen halluzinogenen Drogen wie etwas LSD. Ephedrin ist ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Ma-Huang-Droge, die aus verschiedenen Ephedra-Arten gewonnen wird. Ephedrin wirkt blutdrucksteigernd und anregend auf das sympathische Nervensystem. Daher werden Ephedrin und verwandte Verbindungen (Amphetamine) illegaler Weise als Aufputschmittel verwendet (Weckamine). Es fand auch Anwendung als Appetitzügler. Ephedrin enthält zwei asymmetrische C-Atome, so dass insgesamt vier verschiedene Stereoisomere existieren (s. a. Abschn. 25.1).
196
14 Stickstoff-Verbindungen
Neben diesen biogenen Aminen kommt auch quartären Ammoniumsalzen eine große Bedeutung vor. CH3 CH3
CH3
CH3
+
+
+
HO CH2 CH2 N CH3
CH2 CH N CH3
CH3COO CH2 CH2 N CH3 −
OH
CH3
Cholin
−
OH
Acetylcholin
CH3 Neurin
−
OH
Cholin ist ein essentieller Bestandteil der Phosphatide (Phospholipide, Abschn. 30.3.1) sowie des Acetylcholins. Es wirkt gefäßerweiternd, blutdrucksenkend und regelt die Darmbewegung. Acetylcholin ist ein wichtiger Neurotransmitter des parasympathischen Nervensystems. Es wirkt blutdrucksenkend und stark muskelkontrahierend. Diese Wirkung wird reguliert durch das Enzym Acetylcholinesterase, welche das Acetylcholin spaltet und dadurch die Wirkung aufhebt. Giftgase wie Tabun und Sarin hemmen dieses Enzym, so dass es zu einer andauernden Übererregung des Nervensystems kommt (Nervengase). Neurin bildet sich durch Fäulnis aus Cholin durch Wasserabspaltung. Es ist höchst toxisch und zählt zu den Leichengiften.
14.2 Nitroverbindungen 14.2.1 Nomenklatur und Beispiele Bei Nitroverbindungen ist die NO2 -Gruppe über das Stickstoffatom mit Kohlenstoff verknüpft (Bsp.: Nitromethan). Im Unterschied dazu ist die NO2 -Gruppe der Salpetersäureester über ein O-Atom an Kohlenstoff gebunden (Bsp. Glycerintrinitrat). Der gebräuchliche Name Nitroglycerin ist daher falsch! CH2
O NO2
CH O NO2 CH3
NO2
CH2
Nitromethan
14.2.2
O NO2
Glycerintrinitrat ("Nitroglycerin")
Herstellung
Aliphatische Nitroverbindungen Bei der direkten Nitrierung von Alkanen mit Salpetersäure handelt es sich vermutlich um eine radikalische Substitutions-Reaktion. Bei den höheren Paraffinen erhält man Gemische verschiedener Nitroverbindungen: H3C CH3
HNO3 450 °C
H5C2
NO2 +
H3C NO2
Nitroethan
Nitromethan
80 − 90%
10 − 20%
14.2 Nitroverbindungen
197
Eine brauchbare Methode im Labor ist die Umsetzung von Halogenalkanen mit Alkalinitrit. Allerdings entstehen hier gleichzeitig auch die isomeren Salpetrigsäureester (Alkylnitrite), da es sich bei dem Nitrition um ein ambidentes Nucleophil (Abschn. 10.4.4) handelt: R X
+ NaNO2
NaX
R NO2 + Nitroalkan
R ONO Alkylnitrit
Das Nitroalkan wird bevorzugt nach dem SN 2-Mechanismus gebildet, während das Alkylnitrit eher nach einem SN 1-Mechanismus entsteht (s. Kap. 10). Eine Steuerung ist in begrenztem Umfang durch Wahl eines geeigneten Reaktionspartners und Variation des Lösemittels möglich. Aromatische Nitroverbindungen Aromatische Nitroverbindungen erhält man durch Nitrierung des entsprechenden aromatischen Kohlenwasserstoffs in einer elektrophilen Aromatensubstitution (Abschn. 8.2.1).
14.2.3 Eigenschaften und Reaktionen von Nitroverbindungen Bei der Nitrogruppe sind wie bei der Carboxylgruppe (Abschn. 18.3) mehrere mesomere Grenzformeln möglich: O N+ O
O N+ O
+
O
N O
Benachbarte CH-Bindungen werden durch die stark polare NO2 -Gruppe beeinflusst (I-Effekt). Primäre und sekundäre Nitroparaffine sind daher CHacide Verbindungen (pKs 10), die mit Basen Salze bilden. Durch Ansäuern erhält man daraus die sog. aci-Form. Dieses Phänomen ist vergleichbar mit der Keto-Enol-Tautomerie (Abschn. 16.4). Die aci-Form ist formal das Derivat einer Carbonylverbindung. Daher lässt es sich durch starke Säuren in eine solche spalten (Nef -Reaktion). O
+
R CH2 N
+B O
nitro-Form
−
H 2O
+
O
R CH N O
O R CH N + O
+
H+
O R CH N + OH aci-Form
Das nach Abgabe des Protons vom ’-C-Atom entstandene Anion ist mesomeriestabilisiert. Es ist ein gutes Nucleophil das sich mit Elektrophilen in SN -Reaktionen umsetzen lässt. Der Angriff erfolgt dabei am C. Das erhaltene Produkt kann an-
198
14 Stickstoff-Verbindungen
schließend zum Amin reduziert, oder durch Nef -Reaktion in die entsprechende Carbonylverbindung umgewandelt werden.
R C
Sie reagieren ferner wie alle CH-aciden Verbindungen mit Carbonylverbindungen („Nitroaldolreaktion“, vgl. Abschn. 17.3.2). Ein bekanntes Beispiel ist die Kondensation von Nitromethan mit Trimethoxybenzaldehyd, dessen Reaktionsprodukt zu Mescalin reduziert werden kann:
H3CO
OCH3
OCH3
OCH3 H3CO
OCH3 + CH3NO2
H3CO
OCH3
OCH3
+ 4 H2 − 2 H 2O
H2O
CH2 CH2 NH2
CH CH NO2
CHO 3,4,5-Trimethoxybenzaldehyd
Mescalin
14.2.3.1 Reduktionen von Nitroverbindungen Aliphatische Nitroverbindungen lassen sich z. B. mit Zinn in Salzsäure oder durch katalytische Hydrierung zu Aminen reduzieren. Dabei wird die Stufe der Hydroxylamine durchlaufen: 4H H2O
R NO2 Nitroverb.
R NHOH
2H H2O
R NH2 Amin
Hydroxylamin
Bei der Reduktion aromatischer Nitroverbindungen lassen sich je nach der H3 OC -Konzentration verschiedene Produkte erhalten: Reduktion in saurer Lösung mit Metallen als Reduktionsmittel: Wie bei den Nitroalkanen erhält man direkt die entsprechende Aminoverbindung, wobei man Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin als Zwischenstufe annimmt. NO2 Nitrobenzol
NO Nitrosobenzol
NHOH N-Phenylhydroxylamin
NH2 Anilin
So erhält man aus Nitrobenzol das technisch wichtige Anilin. Als Reduktionsmittel wird in der Regel Eisen (Schrott) in Salzsäure verwendet, wobei Fe3 O4 (für Pigmente) gebildet wird.
14.2 Nitroverbindungen
199
Der letzte Schritt der Kaskade erfolgt nur in stark saurem Medium. Daher entsteht bei der Reduktion in neutraler bis schwach saurer Lösung Phenylhydroxylamin. Reduktion in alkalischem Milieu: Die Reduktion verläuft zunächst wie im Sauren. Aus den Reduktionsprodukten Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin bildet sich im Basischen jedoch unter Wasserabspaltung Azoxybenzol, welches zum Hydrazobenzol weiterreduziert werden kann. Reduktion von Nitrobenzol mit Zn/NaOH liefert direkt Hydrazobenzol: O
OH
+
N O + HN
N N
Azoxybenzol (gelb)
Reduktion
NH NH
Hydrazobenzol (farblos)
Bei Verwendung von Lithiumaluminiumhydrid als Reduktionsmittel erhält man aus Nitrobenzol Azobenzol, das durch katalytische Hydrierung in Hydrazobenzol überführt werden kann. 2 H5C6
NO2
8H
H5C6
N N C6H5 + 4 H2O Azobenzol (rot)
14.2.4
Verwendung von Nitroverbindungen
1. Nitroverbindungen sind Ausgangsstoffe für Amine. 2. Nitromethan und Nitrobenzol werden als Lösemittel verwendet. 3. Handelsübliche Sprengstoffe sind meist Nitroverbindungen oder Salpetersäureester. Der Grund hierfür ist ihre thermodynamische Labilität bei gleichzeitiger hoher kinetischer Stabilität. Zerfallsgleichungen für 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) und Glycerintrinitrat („Nitroglycerin“): 2 H 3 C–C 6 H 2 (NO 2 ) 3
⎯→ 7 CO + 7 C + 5 H 2 O + 3 N 2
4 C 3 H 5 (ONO 2 ) 3
⎯→ 12 CO 2 + 10 H 2 O + 5 N 2 + 2 NO ΔH = –370 kJ/mol
ΔH = –940 kJ/mol ≡ 4 kJ/g
Bei der hohen freiwerdenden Energie verdampft das gebildete Wasser, so dass letztendlich z. B. beim Glycerintrinitrat aus vier Molekülen Flüssigkeit 29 Moleküle Gas entstehen. Die Verhältnisse beim TNT sind ähnlich. Dies erklärt die extreme Druckwelle (Stoßwelle) die mit diesen Sprengstoffen erzeugt wird.
200
14 Stickstoff-Verbindungen
Wichtige Sprengstoffe für Explosionen (Stoßwelle < 1000 m=s) und Detonationen (Stoßwelle 2000–8000 m=s) sind: Ester, z. B. Cellulosenitrat (Schießbaumwolle), Glycerintrinitrat (als Dynamit, aufgesaugt z. B. in Kieselgur, als Sprenggelatine mit Cellulosenitrat), Pentaerythrit-tetranitrat C(CH2 ONO2 )4 ; Nitro-Verbindungen wie TNT, Nitroguanidin, Hexogen (1,3,5-Trinitro-1,3,5-triaza-cyclohexan).
14.3 Azoverbindungen Unter Azoverbindungen versteht man Verbindungen die an einer Azo-Gruppe NDN auf beiden Seiten Alkyl- oder Arylgruppen tragen. Dabei sind die Diarylderivate viel stabiler als die aliphatischen Vertreter. So ist Azomethan (nicht zu verwechseln mit Diazomethan, Abschn. 14.5) ein explosives Gas, während der einfachste aromatische Vertreter Azobenzol der Grundkörper der Azofarbstoffe darstellt. H3C N N CH3
H5C6
Azomethan
N N C6H5 Azobenzol
14.3.1 Herstellung der Azoverbindungen 1. Oxidation von Hydrazinderivaten: H3C NH NH CH3 + HNO2
H3C N N CH3 + NO + H2O H5C6
H5C6 NH NH C6H5 + NaOBr
N N C6H5 + NaBr + H2O
2. Durch Reduktion von Nitrobenzol mit Natriumamalgam oder LiAlH4 : 2 H5C6
NO2
8H
H5C6
N N C6H5 + 4 H2O
3. Durch Kondensation aromatischer Nitrosoverbindungen mit Aminoverbindungen. So lassen sich auch unsymmetrische Azoverbindungen erhalten: 1
Ar
NO + H2N Ar2
1
Ar
N N Ar
2
4. Durch Azokupplung eines Diazoniumsalzes mit einem elektronenreichen Aromaten. Dies ist ein extrem wichtiger Prozess zur Herstellung so genannter Azofarbstoffe (s. Kap. 38). Es handelt sich hierbei um eine elektrophile Aromatensubstitution (s. Abschn. 8.1) die in der Regel nur mit aktivierten Aromaten gelingt. Dabei ist zwischen Phenolen und Aminen zu unterscheiden. Kupplung mit Phenolen Die Reaktion erfolgt in schwach basischem Medium. Dort liegen Phenolat-Anionen vor, d. h. das aromatische System ist stärker aktiviert als im Phenol (vgl.
14.3 Azoverbindungen
201
Abschn. 12.2). Neben der p-Azoverbindung entsteht auch teilweise die o-Azoverbindung, wie dies nach den Substitutionsregeln zu erwarten ist. N
N+
N+
N
O N N
+
O H
Benzoldiazonium-Ion
Phenolat OH
N N p-Hydroxyazobenzol
Kupplung mit aromatischen Aminen Bei Aminen hängt der Reaktionsverlauf vom pH-Wert und der Art des eingesetzten Amins ab. Das elektrophile Diazoniumion wird zunächst am Ort der höchsten Elektronendichte angreifen. Bei primären Aminen (Anilinen) ist dies ist in der Regel der Stickstoff des Anilins. In schwach saurem Medium (z. B. in Essigsäure, AcOH) bildet sich daher bevorzugt das Triazen. Dieser Prozess ist jedoch reversibel. Durch Temperaturerhöhung und in Gegenwart stärkerer Säure (z. B. HCl) wird das Triazen wieder gespalten und es bildet sich das Azoprodukt (nicht reversibel). Man darf jedoch nicht zu sauer werden, da sonst alles Anilin protoniert, und als Aniliniumsalz als desaktivierter Aromat nicht mehr angegriffen wird. Auch bei der Kupplung von Anilinen erhält man ein Gemisch von o- und pSubstitutionsprodukt, auch wenn hier nur das p-Produkt gezeigt ist. H H5C6
N2
+
+
H2N C6H5
AcOH
H5C6
H
N N
H5C6
N N N C6H5
1,3-Diphenyltriazen
H HCl / H2O H5C6
H
+
+
N N N C6H5
HCl / H2O +
NH2
+
H
N N
NH2
H p-Aminoazobenzol
Bei N,N-disubstituierten Anilinen erfolgt die Kupplung auch in schwach saurem Medium direkt am aromatischen Ring, da eine N-Kupplung zu keinem stabilen Produkt führt. N2
+
+
N(CH3)2 N,N-Dimethylanilin
N N
N(CH3)2
p-Dimethylaminoazobenzol
202
14 Stickstoff-Verbindungen
14.4 Hydrazoverbindungen 14.4.1 Herstellung der Hydrazoverbindungen Reduktion von Diazoniumsalzen Phenylhydrazin erhält man technisch wie im Laboratorium durch Reduktion von Diazoniumsalzen mit Natriumsulfit: +
H5C6
N N Cl − + 2 Na2SO3 + 2 H2O
H5C6
NH NH2
+ HCl + 2 Na2SO4
Reduktion von Nitroverbindungen Symmetrisch disubstituierte aromatische Hydrazine (z. B. Hydrazobenzol) erhält man durch Reduktion aromatischer Nitroverbindungen im Alkalischen (Abschn. 14.2.3).
14.4.2
Reaktionen der Hydrazoverbindungen
Phenylhydrazin reagiert mit Carbonylverbindungen unter Bildung gut kristallisierender Hydrazone (Abschn. 17.1.3). Diese dienten früher zur Identifizierung und Charakterisierung von Carbonylverbindungen. R' H5C6
NH NH2
+
R'
O C
Phenylhydrazin
H5C6 R
NH
+ H2O
N C
Phenylhydrazon
R
Die wichtigste Reaktion des Hydrazobenzols ist die Benzidin-Umlagerung, die im Sauren eintritt. +
NH NH Hydrazobenzol (1,2-Diphenylhydrazin)
H
H2N
NH2 Benzidin
Nach der Protonierung der N-Atome bildet sich ein stark polarer Übergangszustand aus. Die Spaltung der N–N-Bindung und Knüpfung der C–C-Bindung finden bei der Umlagerung zu Benzidin (4,40 -Biphenyldiamin) gleichzeitig statt. Diese Reaktion ist ein [5,5]-sigmatroper suprafacialer Prozess (s. Abschn. 24.4).
NH2
14.5 Diazoverbindungen
203
Als Nebenprodukt erhält man das 2,40 -Biphenyldiamin. Bei dessen Bildung wird die N–N-Bindung zuerst gelöst, bevor es zur C–C-Knüpfung kommt. Benzidin ist wichtig für die Herstellung von Azofarbstoffen (Kap. 38), es ist jedoch stark carcinogen.
14.5 Diazoverbindungen 14.5.1
Herstellung von Diazo- und Diazoniumverbindungen
Durch Umsetzung primärer Amine mit Natriumnitrit im Sauren erhält man Diazoniumsalze (s. Abschn. 14.1.4). Aliphatische Diazoniumsalze sind unbeständig und zerfallen sofort unter Abspaltung von Stickstoff (Bildung eines Carbeniumions). Aromatische Diazoniumsalze sind hingegen bei Temperaturen unter 5 ı C beständig, und können in einer Reihe weiterer Reaktionen umgesetzt werden. Ar
NH2 + HONO
+
Ar N N X− + H2O
HX
Diazoniumsalz
Durch Deprotonierung aliphatischer Diazoniumsalze erhält man die etwas stabileren Diazoverbindungen. Verbindungen mit elektronenziehenden Gruppen (z. B. Diazoester, Diazoketone), welche die Deprotonierung begünstigen, sind daher besonders stabil. Diazomethan, eine der wichtigsten Diazoverbindungen, erhält man im Basischen aus N-Nitroso-N-methyl-p-toluolsulfonamid. Das gebildete Diazomethan wird zusammen mit Ether kontinuierlich abdestilliert. Die so erhaltene etherische Lösung ist einige Zeit im Kühlschrank haltbar. H
+
−C
CH3 H 3C
SO2 N
N N
H + KOH
NO N-Nitroso-N-methylp-toluolsulfonamid
−
SO3 K+ + H2O
+ H 3C
H
+
C N N
−
H Diazomethan
Diazomethan ist giftig, carcinogen, und in reiner Form explosiv. Daher sollte sehr vorsichtig mit dieser Verbindung umgegangen werden. Mesomeriestabilisierte Diazoester erhält man sehr einfach aus Aminosäureestern (nicht den freien Aminosäuren) mit Natriumnitrit und Salzsäure: H2C COOR NH2
+ NaNO2, + HCl − NaCl, − 2 H2O
O HC C N+ N
−
OR
HC − C N+
O−
O HC C OR
N Diazoessigester
N+ N
OR
204
14 Stickstoff-Verbindungen
Die ebenfalls mesomeriestabilisierten Diazoketone erhält man durch Umsetzung von Säurechloriden (Abschn. 20.1.2.1) mit Diazomethan. Dabei greift das negativ polarisierte Kohlenstoffatom des Diazomethans an der Carbonylgruppe des Säurechlorids an. O R C
O
H +
Cl
−
− HCl
+
C N N
−
O−
+
+
R C CH N N
H
R C CH N N Diazoketon
Diese Reaktion ist ein Schlüsselschritt bei der Arndt-Eistert-Synthese zur Verlängerung von Carbonsäuren (s. Abschn. 14.5.2).
14.5.2
Reaktionen von Diazo- und Diazoniumverbindungen
Umsetzungen aromatischer Diazoniumsalze Für die vergleichsweise stabilen aromatischen Diazoniumverbindungen gibt es eine Reihe von Umsetzungsmöglichkeiten: 1. Bei der Azokupplung werden Diazoniumsalze mit elektronenreichen Aromaten (Phenol- und Anilinderivate) umgesetzt, wobei Azoverbindungen (Abschn. 14.3.1) erhalten werden. Besonders wichtig sind hierbei die Azofarbstoffe (Kap. 38). 2. Durch Sandmeyer-Reaktion gelingt in einer radikalischen Substitutionsreaktion die Einführung von Chlor, Brom und Cyanid-Substituenten. Hierzu werden die Diazoniumsalze mit den entsprechenden Kupfer(I)-salzen umgesetzt. +
Ar
N N X
CuX
−
Ar
X + N2
X = Cl, Br, CN
Durch Übergang von Cu(I) nach Cu(II) und zurück wird die radikalische Reaktion katalysiert. Im Einzelnen lassen sich folgende Teilschritte formulieren: Ar
+
− N N X
+ CuX − CuX2
Ar
N N
− N2
Ar
+ CuX2 − CuX
Ar
X
Zur Herstellung der entsprechenden Iodverbindungen wird kein Cu(I)-Salz benötigt, da das Redoxpotential für 2I /I2 günstig genug liegt, um den Elektronentransfer zu bewerkstelligen. 3. Bei der Phenolverkochung werden die Diazoniumsalze in Wasser erhitzt. Sie spalten dabei spontan N2 ab, unter Bildung eines sehr reaktionsfähigen Arylkations, welches dann mit dem Wasser abreagiert. +
N N X
−
Δ − N2
+ +
X
−
H 2O
OH + HX
14.5 Diazoverbindungen
205
Hinweis: Beim Arylkation befindet sich die positive Ladung in einem sp2 -Orbital senkrecht zum -System. Es ist daher nicht mesomeriestabilisiert und besonders reaktionsfähig. Führt man die Reaktion in Methanol durch, so erhält man die entsprechenden Methylether. Bei höheren Alkoholen beobachtet man Reduktion des Diazoniumsalzes zum aromatischen Kohlenwasserstoff, wobei der Alkohol zum Aldehyd oxidiert wird. 4. Die Reduktion der Diazoniumsalze zum Kohlenwasserstoff gelingt am besten mit Hypophosphoriger Säure oder Ameisensäure. Als Gegenion im Diazoniumsalz verwendet man bevorzugt das wenig nucleophile Hydrogensulfat. +
N N HSO4
−
H + H2SO4 + H3PO3
+ H3PO2 + H2O
Durch Reduktion mit Natriumsulfit erhält man Phenylhydrazin (Abschn. 14.4.1). 5. Bei der Balz-Schiemann-Reaktion werden Tetrafluoroborate der Diazoniumsalze erhitzt, wobei sich Fluoraromaten bilden. Auch diese Reaktion erfolgt unter N2 -Abspaltung und der Bildung eines Arylkations. +
N N BF4
−
Δ
F + BF3 + N2
Umsetzungen aliphatischer Diazoverbindungen Durch Protonierung von Diazoverbindungen entstehen instabile Diazoniumsalze, die spontan N2 eliminieren. Diazomethan wird wegen seiner großen Reaktivität als Methylierungsmittel für acide Substanzen verwendet. So sind Carbonsäuren (pKs 4) und Phenole (pKs 10) in der Lage Diazomethan zu protonieren. Das gebildete Carbeniumion methyliert anschließend das Säureanion. H −
H
+
C N N
+ RCOOH − − RCOO
H + HC N N H
− N2
H 3C +
+ RCOO−
RCOOCH3
Aus Carbonsäuren erhält man so die entsprechenden Methylester, aus Phenolen die entsprechenden Methylether. Alkohole (pKs 17) sind nicht mehr acide genug und lassen sich daher so nicht umsetzen. Die Umsetzung von Diazomethan mit Säurechloriden liefert Diazoketone. Diazomethan findet zudem Anwendung als 1,3-Dipol in 1,3-dipolaren Cycloadditionen (s. Abschn. 6.2.3.2) sowie zur Erzeugung von Carben (H2 C|) durch Belichtung (Abschn. 23.1.3). Diazoester werden ebenfalls durch Säuren leicht protoniert. Das unter N2 -Abspaltung gebildete Carbeniumion reagiert mit dem Anion der Säure. Diazoketone sind zentrale Intermediate bei Arndt-Eistert-Synthesen. Schlüsselschritt ist hierbei die thermische Zersetzung von Diazoketonen. Unter N2 -Ab-
206
14 Stickstoff-Verbindungen
spaltung bildet sich hierbei ein Acylcarben, eine Verbindung mit einem Elektronensextett am Carben-C. Dieses instabile Intermediat lagert sich um durch Wanderung einer benachbarten Alkylgruppe (Wolff-Umlagerung) unter Bildung eines Ketens. Ketene sind sehr reaktionsfähige Carbonsäurederivate (s. Abschn. 19.2.6), die leicht Nucleophile addieren. So erhält man bei Umsetzungen in Wasser Carbonsäuren, in Alkoholen Ester und in Gegenwart von Aminen Amide. O
−
O +
R C CH N N Diazoketon
Δ − N2
H
R C CH
O C C
Acylcarben
Keten
R
HNu
O R CH2
C Nu
Carbonsäurederivate
Elementorganische Verbindungen
15
In der präparativen organischen Chemie finden zunehmend Verbindungen Verwendung, die elektropositive Heteroatome enthalten (B, Si, Li, Cd u. a.). Die Bindungen zwischen Kohlenstoff und den Heteroatomen ähneln in ihren Eigenschaften mehr organischen als anorganischen Bindungen, nicht zuletzt wegen des organischen Restes R. Verbindungen mit den stark elektropositiven Elementen (Metallen) bezeichnet man oft als metallorganische Verbindungen RM. In diesem Kapitel soll ein kurzer Überblick über element-organische Verbindungen allgemein gegeben werden, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für Synthesen. Nicht besprochen werden u. a. die -Komplexe der Übergangsmetalle und ähnliche Verbindungen. Solche Komplexe spielen z. B. als Katalysatoren eine wichtige Rolle (s. Basiswissen I).
15.1 Bindung und Reaktivität Viele Reaktionen von Verbindungen des Typs RM zeichnen sich dadurch aus, dass die Heteroelemente nicht im Endprodukt erhalten bleiben, sondern lediglich zur Aktivierung der Reaktionspartner dienen. Dies beruht darauf, dass diese Verbindungen leicht nucleophile Substitutions-Reaktionen eingehen, bei denen die Bindung zwischen dem C-Atom und dem Heteroatom gelöst wird. Ein Blick auf die Elektronegativitäts-Skala zeigt, dass die Elektronegativitäts-Werte für die Heteroatome kleiner sind als der Wert für Kohlenstoff. Die Bindung ist daher polarisiert: das C-Atom erhält eine negative Partialladung. Im allgemeinen wächst die chemische Reaktionsfähigkeit mit zunehmendem Ionen-Charakter der MC-Bindung (abhängig von der Elektronegativität von M). Ionische Bindungen werden mit den stärksten elektropositiven Elementen wie Na und K erhalten. Die meisten Hauptgruppenelemente bilden kovalente ¢-MC-Bindungen aus. Dabei entstehen mit Elementen wie Li, B, Al, Be Elektronenmangelverbindungen (s. Basiswissen I). Verbindungen vom Typ MCR3 kann man als maskierte Carbanionen des Typs R3 C| betrachten. R3 CH selbst ist zu wenig acide, um Carbanionen bilden zu können. Betrachtet man aber die Ladungsverteilung im Halogenalkan •C RHal• und © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_15
207
208
15 Elementorganische Verbindungen
z. B. der daraus hergestellten metallorganischen Verbindung • RLi•C , so fällt auf, dass der organische Rest R „umgepolt“ wurde (•C ! • ). Reaktivitätsumpolungen dieser Art findet man bei vielen Kohlenstoff-Heteroatom-Verbindungen. Si und P können negative Ladungen an benachbarten C-Atomen besonders gut stabilisieren; charakteristisch hierfür sind die Phosphorylide und -ylene. Ihre Bildung wird durch die acidifizierende Wirkung der Phosphonium-Gruppierung erleichtert (Abschn. 15.4.5) +
RCH2
−
PPh3 Br
Phosphonium-Salz
Base
−
+
RCH PPh3
RCH PPh3
Phosphor-Ylid
Phosphor-Ylen
15.2 Synthetisch äquivalente Gruppen Aus synthetischer Sicht ist es häufig wünschenswert die Polarität einer KohlenstoffX-Bindung umzukehren, um mit ein und demselben Baustein sowohl elektrophile als auch nucleophile Reaktionen durchführen zu können. Hierbei haben sich metallorganische Reagenzien besonders bewährt. Eine besondere Bedeutung hat die Umpolung der Carbonylgruppe. Carbonylgruppen haben am C-Atom ein elektrophiles Zentrum, das bei den charakteristischen Additionsreaktionen nucleophil angegriffen wird (s. Kap. 17). Nach Umpolung erhalten wir am C-Atom ein nucleophiles Zentrum, das nunmehr seinerseits nucleophil angreifen kann. Da sich die Carbonylgruppe selbst nicht umpolen lässt, benötigt man ein synthetisches Äquivalent einer nucleophilen Carbonylgruppe. Hierbei haben sich die cyclischen Dithioacetale hervorragend bewährt, die man aus den entsprechenden Carbonylverbindungen und Diolen erhält. Formaldehyd polymerisiert als Reinsubstanz rasch (s. Abschn. 17.1.2), daher stellt man das Dithioacetal aus dem Dimethylacetal (Methylal) her. Metallierung mit der sehr starken Base n-Butyllithium ergibt ein nucleophiles (!) FormaldehydDerivat. Beachte die Umpolung des Carbonyl-C-Atoms als Folge der Lithiierung! Reaktion mit RHal und nachfolgende Hydrolyse gibt einen Aldehyd. Dithioacetale lassen sich nicht wie ‚normale Acetale‘ nur mit Säure spalten, da der Schwefel nucleophiler ist als der Sauerstoff im Wasser, das zur Spaltung benötigt wird (s. Kap. 13). Man setzt daher Hg-Salze zu, die das abgespaltene Thiol als unlösliches Hg-Salz (Mercaptid) ausfällen, und dadurch das Gleichgewicht verschieben. CH3O
H C
CH3O
+ HS (CH2)3 SH H
S H C− + Li S
+ R−Hal − LiHal
BF3 OEt2 -2 CH3OH
S H C S R
S H C S H 2+
H2O / Hg
S H C− + Li S
+ C4H9Li − C4H10
R-CHO +
S− 2+ Hg S− Mercaptid
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen
209
15.3 Eigenschaften elementorganischer Verbindungen Oft ist es notwendig, elementorganische Verbindungen unter Schutzgas-Atmosphäre zu handhaben (meist unter N2 oder Ar), da sie in der Regel oxidations- oder hydrolyseempfindlich sind. Manche sind sogar selbstentzündlich. Bei weniger reaktiven Verbindungen und Ether als Lösemittel genügt das über der Lösung befindliche „Ether-Polster“.
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen (angeordnet nach dem Periodensystem) 15.4.1 I. Gruppe: Lithium Einfache Verbindungen wie Phenyllithium erhält man durch Reaktion von metallischem Lithium mit Halogenverbindungen (Halogen-Metall-Austausch). C6H5Br + 2 Li
C6H5Li + LiBr
Eine weitere Methode ist der Metall-Metall-Austausch (Transmetallierung, Ummetallierung): 4 C6H5Li + (CH2
CH2)4Sn
4 H2C CHLi + (C6H5)4Sn
Li-organische Verbindungen werden im technischen Maßstab außerdem hergestellt durch Addition von Lithiumorganylen an Alkene: R−Li + CH2
CH2
R CH2 CH2Li
Das tetramere Methyllithium (CH3 Li)4 sowie Butyllithium werden häufig als starke Basen und Nucleophile bei Synthesen verwendet. Sie sind reaktiver als Grignard-Verbindungen.
15.4.2
II. Gruppe: Magnesium
Für Synthesen von besonderer Bedeutung sind die Grignard-Verbindungen. Sie werden meist durch Umsetzung von Alkyl- oder Arylhalogeniden mit metallischem Magnesium hergestellt (Halogen-Metall-Austausch). Die Reaktion wird gewöhnlich in wasserfreiem Ether durchgeführt, in dem (vermutlich) solvatisierte monomere RMgX-Moleküle (als Ether-Komplex) vorliegen. Mit zunehmender Konzentration treten auch Dimere und stärker assoziierte Aggregate auf:
210
15 Elementorganische Verbindungen
δ+ δ− R−X + Mg
−
δ δ R−MgX
Ether
R
H 5C 2
+
O H 5C 2
GrignardReagenz
Mg X
R
H 5C 2
C 2H 5
O
O
H 5C 2
C 2H 5
Mg
X
X
Mg
R dimere Verbindung
Ether-Komplex
C 2H 5 O C 2H 5
Die Kohlenstoff-Magnesium-Bindung ist erwartungsgemäß stark polarisiert, wobei der Kohlenstoff die negative Teilladung trägt. Grignard-Verbindungen sind daher nucleophile Reagenzien, die mit elektrophilen Reaktionspartnern nucleophile Substitutionsreaktionen eingehen. Vereinfacht betrachtet greift das Carbanion Rj am positivierten Atom des Reaktionspartners an.
15.4.2.1 Reaktionen von Verbindungen mit aktivem Wasserstoff Substanzen wie Wasser, Alkohole, Amine, Alkine und andere CH-acide Verbindungen zersetzen Grignard-Verbindungen unter Bildung von Kohlenwasserstoffen. Dies gilt ganz allgemein für metallorganische Verbindungen. Durch volumetrische Bestimmung des entstandenen Alkans kann man den aktiven Wasserstoff quantitativ erfassen (Zerewitinoff -Reaktion). Durch Schutz der OH-Gruppe von Alkoholen, z. B. als Ether (s. Abschn. 12.3), lässt sich die Zersetzungsreaktion vermeiden. CH3
MgBr + H2O
CH4 + Mg(OH)Br
CH3
MgBr + ROH
CH4 + Mg(OR)Br
15.4.2.2 Addition an Verbindungen mit polaren Mehrfachbindungen Reaktion mit Aldehyden und Ketonen δ−
δ+ MgBr
+O
δ R C
+ H
CH3 − δ
O MgBr R H
+ H 2O
CH3
OH R H
CH3
+ Mg(OH)Br
Bei Verwendung von Formaldehyd erhält man primäre Alkohole. Andere Aldehyde ergeben sekundäre Alkohole; Ketone liefern tertiäre Alkohole. Reaktion mit Kohlendioxid Die Umsetzung von Grignard-Verbindungen mit Kohlendioxid führt zur Bildung von Carbonsäuren. O R MgBr + CO2
R OMgBr
+ H2O
O + Mg(OH)Br
R OH
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen
211
Reaktion mit Estern Bei der Umsetzung von Estern entstehen primär Ketone, die jedoch reaktiver sind als die ursprünglich eingesetzten Ester (s. Abschn. 20.1.1.1). Daher reagieren sie schneller weiter als der Ester. Deshalb kann man Ester nicht zum Keton umsetzen. Die Reaktion geht zum tertiären Alkohol durch. Ameisensäureester ergeben sekundäre Alkohole. −
δ O δ+ R C + OR'
δ+ MgBr
O MgBr R
CH3 − δ
OR' CH3
O − R'OMgBr
CH3MgBr
R
O MgBr R
CH3
CH3 CH3
Reaktion mit Nitrilen Bei der Umsetzung von Nitrilen kann das intermediär gebildete Magnesium-Salz nicht zerfallen wie bei den Estern, sondern das Keton bildet sich erst bei der wässrigen Aufarbeitung. Unter diesen Bedingungen zersetzt sich jedoch auch die Grignard-Verbindung, so dass keine weitere Reaktion am Keton erfolgen kann. Die Umsetzung von Nitrilen ist eine gute Möglichkeit zur Herstellung von Ketonen. δ+ δ− R C N + CH3MgBr
NMgBr R C CH3
NH
+ H 2O − Mg(OH)Br
R C CH3
+ H 2O − NH3
O R C CH3
Substitutionsreaktion Die wichtigste Substitutionsreaktion ist die ‚Ummetallierung‘ zur Herstellung anderer elementorganischer Verbindungen aus Metall- bzw. Nichtmetallhalogeniden. R MgCl + Z−Cl
R
Z + MgCl2
Beispiel 3 H5C2MgCl + PCl3
P(C2H5)3
+ 3 MgCl2
15.4.3 III. Gruppe: Bor, Aluminium Bor: Bor-organische Verbindungen und dabei vor allem die Trialkylborane sind reaktive Zwischenprodukte bei organischen Synthesen, da sich Borane leicht an Alkene addieren (vgl. Hydroborierung, Abschn. 6.1.3). Von großer Bedeutung sind auch Reduktionen mit B2 H6 oder NaBH4 (s. Abschn. 17.1.1). Die Produkte der Hydroborierung können entweder durch Hydrolyse oder durch Oxidation aufgearbeitet werden:
212
15 Elementorganische Verbindungen +
H2O / H R CH CH2 + R'2BH
R CH2 CH2
BR'2
R CH2 CH3 −
H2O2 / OH
R CH2 CH2
OH
Aluminium: Aluminiumorganyle können durch Reaktion von Halogenalkanen mit Aluminium gewonnen werden. Aluminiumtrialkyle werden z. B. als Katalysatoren bei Polymerisationen verwendet (s. Abschn. 37.1.2).
15.4.4
IV. Gruppe: Silicium, Zinn, Blei
Silicium: Organosilicium-Verbindungen werden ausgehend von Siliciumdioxid über elementares Si und Chlorsilane hergestellt (s. Basiswissen I): SiO2 + C
− CO
Si
+ 3 HCl − H2
HSiCl3
R CH CH2
R CH2 CH2
SiCl3
Chlorsilane sind nicht nur reaktive Zwischenprodukte zur Herstellung von Organosilicium-Verbindungen, sondern auch Ausgangsmaterial für die Produktion von Siliconen: Müller-Rochow -Synthese: 2 R Cl
+ Si
(Cu)
R n R2SiCl2
+ H2O − HCl
R
R
R
O Si O Si O Si O Si
n R2Si(OH)2
R
Dichlorsilan
(R = Alkyl, Aryl)
R2SiCl2
Silandiol
R R Silicon
R
n 4
Die hochmolekularen Produkte werden eingeteilt in Siliconöle (ölige Flüssigkeiten), Siliconkautschuk (gummiartig) und Siliconharze (Festkörper). Sie sind gegen chemische Einwirkungen sehr widerstandsfähig und zeigen eine hohe Thermostabilität. Vergleich von Si und C als Bindungspartner 1. Die Bindungsenergien für SiO-, SiCl- und SiF-Bindungen sind größer als für CO-, CCl- und CF-Bindungen. Die CSi-Bindung ist schwächer als eine CC- oder CH-Bindung. 2. Eine SiC-Bindung stabilisiert ein Carbanion in ’-Position, und ein Carbokation in “-Position: R3Si
C
−
R3Si
C C+
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen
213
3. R3 Si•C H• addiert sich an Alkene in einer anti-Markownikow-Reaktion (vgl. Hydroborierung, Abschn. 6.1.3). 4. Reaktionen nach einem SN 2-Mechanismus sind am Si-Atom leichter möglich als am vergleichbaren C-Atom (R3 SiCl hydrolysiert rascher). Beispiele für die Verwendung von Si-Verbindungen Die Trimethylsilyl-Gruppe (CH3 )3 Si wird häufig als Schutzgruppe oder als aktivierende Gruppe verwendet. Sie lässt sich leicht in ein Molekül einführen, ist relativ stabil und zudem wieder einfach zu entfernen (z. B. mit F -Ionen). Das thermisch stabile (CH3 /3 SiN3 wird anstelle der nicht ungefährlichen Stickstoffwasserstoffsäure (HN3 ) für Synthesen verwendet. Zur Einführung der Nitril-Gruppe bietet sich (CH3 /3 SiCN an, das bei der Addition an Keto-Gruppen bessere Ausbeuten als HCN liefert (Cyanhydrin-Synthese Abschn. 17.2.1). Beispiele für Reaktionen mit Si-Verbindungen Peterson-Olefinierung: Eine zur Wittig-Reaktion (s. u.) analoge Alken-Synthese ist die Peterson-Olefinierung. Man geht dabei von “-Hydroxysilanen aus, die in einer “-Eliminierung unter sauren oder basischen Bedingungen in Olefine überführt werden. Die Reaktionen verlaufen hoch stereoselektiv; die Olefine werden in 97– 100 %iger Isomeren-Reinheit erhalten. Beispiel Synthese von cis- oder trans-4-Octen X
C 3H 7
H
C 3H 7
R3Si
C 3H 7 +OH2 C 3H 7
H
Säure H
H
−
H C 3H 7 cis
HX
Base
R3Si H
H
KH
C 3H 7
R3Si OH C 3H 7
OH H 7C 3 KH H 7C 3 R3Si
HX
C 3H 7
H
Base
H O
H
Säure
H C 3H 7
−
H 7C 3 H trans
Die benötigten “-Hydroxysilane können auf verschiedenen Wegen hergestellt werden. Eine Möglichkeit bietet die Ringöffnung von Epoxysilanen mit Organokupfer-Reagenzien (s. u.). Zinn: Die CSn-Bindung unterscheidet sich in ihrer Reaktivität von der CSi-Bindung; sie ist stärker polar und daher leichter zu spalten. Bei bestimmten
214
15 Elementorganische Verbindungen
Syntheseproblemen ist es deshalb zweckmäßig, statt einer Si-Verbindung die analoge Sn-Verbindung einzusetzen. Einige Zinnorganyle dienen als Fungizide und Stabilisatoren für Polymere. Blei: Eine wichtige metallorganische Verbindung war früher das Tetraethylblei als Antiklopfmittel im Benzin, das allerdings seit 1996 in Deutschland verboten ist. Man erhält es, wie andere metallorganische Verbindungen auch, durch HalogenMetall-Austausch: Pb(C2H5)4
4 NaPb + 4 C2H5Cl
+ 3 Pb + NaCl
15.4.5 V. Gruppe: Phosphor Die Alkylphosphane RPH2 , R2 PH und R3 P sind oxidationsempfindlich und oft selbstentzündlich. Sie sind schwächere Basen, aber nucleophiler als die analogen Amine, und sie bilden stabile Übergangsmetallkomplexe.
R PH2
H
Oxid.
Phosphan
R P O
Oxid.
OH R P O
Oxid.
H Phosphinsäure
H Phosphanoxid
OH R P O OH Phosphonsäure
Ester von Phosphin- und Phosphonsäuren sind durch Michaelis-Arbusow-Reaktion erhältlich. Hierbei werden Alkylhalogenide z. B. mit Trialkylphosphiten (Phosphorigsäure-trialkylester) umgesetzt. OCH3 R−X + P OCH3 OCH3
OCH3 X + R P O CH3 OCH3
−
OCH3 − CH3X
Trimethylphosphit
R P O OCH3 Dimethylphosphonat
Besonders bekannt sind Ester wie Parathion (E 605), die als Insektizide verwendet werden. S O2N
P(OC2H5)2
Parathion
In der Biochemie von großer Bedeutung sind Phosphorsäureester wie ATP, die Nucleotide u. a. (s. Abschn. 31.1). Wittig-Reaktion (Nobelpreis für Chemie für Georg Wittig, 1952) Quartäre Phosphoniumhalogenide mit ’-ständigem H-Atom werden durch starke Basen (z. B. n-Butyllithium) in Alkylidenphosphorane überführt. Diese sind
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen
215
mesomeriestabilisiert (Ylid-Ylen-Struktur) mit einer stark polarisierten P=CBindung. H 1
1
+
R C PR3 2
R
X
−
n-BuLi − LiX
R −
R
1
+
R
C PR3 2
C PR3 R
Ylid
2
Ylen
Wichtigste Reaktion dieser Phosphor-Ylide ist die Carbonyl-Olefinierung nach Wittig. Hierzu stellt man zunächst in zwei Schritten ein Alkylidenphosphoran („Wittig-Reagenz“) her. Das Wittig-Reagenz reagiert anschließend entsprechend seiner Polarität mit der Carbonylgruppe in einer [2+2]-Cycloaddition unter Bildung einer neuen CC-Bindung zu einem Oxaphosphetan, Unter Abspaltung von Triphenylphosphanoxid (retro [2+2]-Cycloaddition) bildet sich daraus ein Alken.
R
Bei Verwendung nicht-stabilisierter Ylide (R D Alkyl) bilden sich überwiegend (Z)-Alkene, während mit stabilisierten Yliden (R D COOR, COR, CN, etc.) mit hoher Stereoselektivität die entsprechenden (E)-konfigurierten Alkene gebildet werden (s. a. Peterson-Olefinierung). Von stabilisierten Yliden spricht man, wenn die negative Ladung am C-Atom durch elektronenziehende Gruppen stabilisiert wird. Die Reaktion verläuft auch mit R D H und liefert somit aus Aldehyden terminale Alkene, RCHDCH2 . Diese Übertragung der Methylengruppe gelingt auch mit Ketonen, die sich ansonsten nicht umsetzen lassen. Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion Eng verwandt mit der Wittig-Reaktion ist die Olefinierung nach Horner, Wadsworth und Emmons. Hierbei geht man von den entsprechenden Phosphonsäureestern aus, die man über die Michaelis-Arbuzov-Reaktion erhält. Bei Verwendung „stabilisierter“ Phosphonsäureester erhält man auch hier mit hoher Selektivität die (E)-konfigurierten Produkte. Ein Vorteil der Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion gegenüber der Wittig-Reaktion ist die Tatsache, dass sich normalerweise auch Ketone umsetzen lassen. Außerdem bildet sich ein wasserlöslicher Phosphorsäuredialkylester, der leicht abgetrennt werden kann.
216
15 Elementorganische Verbindungen
P(OCH3)3 + Br CH2 COOR O ' (H3CO)2P CH2 COOR + R CHO
O (H3CO)2P CH2 COOR R'
+
COOR (E)-Alken
'Phosphonsäureester'
O (H3CO)2P OH
Phosphorsäuredimethylester
15.4.6 I. Nebengruppe: Kupfer Aus Kupfer(I)-iodid und Alkyllithium-Verbindungen (z. B. BuLi) lassen sich leicht Li-Alkyl-Kupfer-Verbindungen, sog. Cuprate, herstellen. 2 C4H9Li + CuI
(C4H9)2CuLi
Sie werden (ebenso wie die Cd-Verbindungen) zur Herstellung von Ketonen aus Säurechloriden benutzt. O 2 R
O + (C4H9)2CuLi
2 R
Cl
+ CuCl + LiCl C4H9
Die wichtigsten Reaktionen der Cuprate sind 1,4-Additionen (Michael-Additionen) an ’; “-ungesättigte Carbonylverbindungen (s. Abschn. 17.3.8). Im Gegensatz zu anderen metallorganischen Reagenzien (RLi, RMgX, etc.) beobachtet man bei den Cupraten keinen Angriff an der Carbonylgruppe (1,2-Addition). Daher ist dies eine sehr häufig angewendete CC-Knüpfungsreaktion. OLi
O (C4H9)2CuLi + CH2
CH C R
H9C4
CH2
CH C R + H9C4Cu H2O O
H9C4
CH2
CH2 C R
Bei dieser Reaktion wird nur ein Alkylrest übertragen. Bei einfachen Cupraten ist dies nicht problematisch. Hat man jedoch viel Arbeit in die Synthese der Alkyllithiumverbindung gesteckt, möchte man nicht die Hälfte des Reagenzes verlieren. Man verwendet in diesen Fällen so genannte gemischte Cuprate, die zwei verschiedene Reste tragen, von denen einer nicht übertragen wird. Eine weitere Spezialität von Cupraten sind Epoxidöffnungen unter CCKnüpfung. Auf diese Weise lassen sich z. B. auch die für die Peterson-Synthese benötigten “-Hydroxysilane aus Epoxysilanen erhalten. Dazu geht man von einem geeigneten Alken aus, das zuerst mit m-Chlorperbenzoesäure (MCPBA) in ein
15.4 Beispiele für elementorganische Verbindungen
217
Epoxid (Oxiran) überführt wird (s. Abschn. 6.1.3). Das Cu-Reagenz „alkyliert“ die Verbindung unter Ringöffnung zu einem Alkohol. Der Angriff erfolgt regio- und stereospezifisch an der ’-Position zur Silyl-Gruppe. H
H
(CH3)3Si
H O H
MCPBA
R
(CH3)3Si
(C4H9)2CuLi 70%
R
H
OH
H9C4
H R
H
OH
H9C4
R H
(CH3)3Si
analog: H
R
(CH3)3Si
H O R
MCPBA
H
(CH3)3Si
(C4H9)2CuLi
(CH3)3Si
82%
H
15.4.7 II. Nebengruppe: Zink, Cadmium, Quecksilber Zink Reformatzky-Reaktion (s. a. Abschn. 20.2.1.4). Im Gegensatz zu Alkyllithium- und Grignard-Verbindungen reagieren Zinkverbindungen nur noch mit den reaktionsfähigen Carbonylverbindungen wie etwa Aldehyde und Ketone. Ester werden hingegen nicht mehr angegriffen. Daher lassen sich Zinkverbindungen in Gegenwart von Estergruppierungen erzeugen und umsetzen. Zn +
Br
CH2
O
OZnBr +
R
BrZn
COOR
BrZnCH2 COOR
H
R H
CH2
COOR OH
H2O
CH2 COOR
R CH CH2
− Zn(OH)Br
COOR
Eine weitere Anwendung ist die Simmons-Smith-Reaktion (s. Abschn. 6.2.2) zur Synthese von Cyclopropanderivaten aus Alkenen, Diiodmethan und einer Zn-Cu-Legierung. CH2I2 R R
R
H + H
I−CH2−Zn−I
+ Zn H
I−CH2−Zn−I R
H
H I CH2 ZnI
R + R
ZnI2
H
Cadmium Cadmium-organische Verbindungen kann man verwenden zur Synthese von Ketonen aus Acylhalogeniden. Die Reaktion bleibt auf dieser Stufe stehen, denn R02 Cd ist zu wenig reaktiv, um das gebildete Keton anzugreifen (Unterschied zur Reaktion von Grignard-Verbindungen!).
218
15 Elementorganische Verbindungen O 2 R
O +
Cl
R'2Cd
2 R
+ CdCl2 R'
Quecksilber Quecksilber-organische Verbindungen können durch Ummetallierung hergestellt werden und dienen bei Synthesen zu Alkylierungen. Sie sind giftig. Eine bekannte Anwendung ist die Saatgutbehandlung mit Hg-haltigen Beizmitteln zur Abtötung von Sporen oder Pilzen.
Teil IV Verbindungen mit ungesättigten funktionellen Gruppen
Die Carbonyl-Gruppe Die wichtigste funktionelle Gruppe ist die Carbonylgruppe R1 R2 CDO. Bei ihr sind sowohl der Kohlenstoff als auch der Sauerstoff sp2 -hybridisiert. R, C und O liegen demzufolge in einer Ebene und haben Bindungswinkel von 120ı . C und O sind durch eine Doppelbindung miteinander verbunden. Der Unterschied zwischen einer CDC- und einer CDO-Doppelbindung besteht darin, dass die Carbonylgruppe polar ist, aufgrund der höheren Elektronegativität des Sauerstoffs. Die Carbonylgruppe besitzt daher am Kohlenstoff ein elektrophiles und am Sauerstoff ein nucleophiles Zentrum, d. h. das C-Atom ist positiv polarisiert (trägt eine positive Partialladung), das O-Atom ist negativ polarisiert (trägt eine negative Partialladung).
R
R C O
nucleophiles Zentrum
+
C O
R
R
R δ+C O δ− R elektrophiles Zentrum
−
R
120°
C
freie e- Paare −
O
R
Carbonylverbindungen lassen sich wie folgt nach steigender Reaktivität ordnen: C O −
R
R
R O
Carboxylat
C O
< HO
Carbonsäure
R
R C O
30). Besonders bewährt haben sich so genannte Weinreb-Amide, bei denen das Intermediat zusätzlich durch Bildung eines Chelatkomplexes stabilisiert wird.
16.2
Herstellung von Aldehyden und Ketonen −
O R C N O H 3C
M+ O
R C
+ R' M
R'
CH3
Weinreb-Amid
227
O
H 2O / H +
O CH3
R C R'
N CH3
stabiles Intermediat
16.2.5 Friedel-Crafts-Acylierungen Aromatische Aldehyde und Ketone lassen sich durch Friedel-Crafts-Acylierung (Abschn. 8.2.5) aus Säurechloriden in Gegenwart von AlCl3 als Katalysator erhalten. O +
O
AlCl3
H3C
+ HCl CH3
Cl
Acetophenon
Ein Spezialfall der Friedel-Crafts-Acylierung ist die Vilsmeier-Haack-Reaktion (Abschn. 8.2.5). Mit ihr gelingt die Einführung des Formyl-Restes in aktivierte Aromaten (Aniline und Phenolderivate) mittels POCl3 und N-Methylformanilid als CHO-Donator. Damit lassen sich wichtige aromatische Aldehyde wie Anisaldehyd und Vanillin darstellen. CH3 H3CO
CH3
POCl3
+ OHC N C6H5
H3CO
N-Methylformanilid
Anisol
CHO + HN C6H5 N-Methylanilin
Anisaldehyd
Aromatische Aldehyde und Ketone können auch durch andere elektrophile Substitutionsreaktionen erhalten werden. Dazu gehören die Reimer-Tiemann-Reaktion (Abschn. 12.2.4.2) sowie die Houben-Hoesch-Synthese (Abschn. 8.2.5). Bei ihr werden Phenole und deren Derivate mit Nitrilen umgesetzt, wobei Imine erhalten werden, die sich anschließend zu den entsprechenden Ketonen hydrolysieren lassen.
Ar
H +
R CN + HCl
AlCl3
NH2
+
Cl R
O
+
−
Ar
H2O / H
Ar R
Die analoge Reaktion mit HCN ergibt Aldehyde und heißt Gattermann-Formylierung.
228
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
16.2.6 Oxidative Spaltungsreaktionen Alkene lassen sich durch Ozon oxidativ spalten (Abschn. 6.2.3). Durch Ozonolyse erhält man aus tetrasubstituierten Alkenen Ketone, aus 1,2-disubstituierten Alkenen bei reduktiver Aufarbeitung Aldehyde. R1
H C C R
O3
R2
H
O
R1
C C R O O R2
reduktive Aufarbeitung
R1
H C O + O C
R2
R
1,2-Diole lassen sich durch Glykolspaltung (Abschn. 12.1.3) mit Bleitetraacetat Pb(OAc)4 oder Natriumperiodat NaIO4 ebenfalls zu den entsprechenden Carbonylverbindungen spalten. HO OH HC C H R R
NaIO4
2 R CHO
Die entsprechenden Diole erhält man leicht durch Dihydroxylierung (Abschn. 6.1.3) von Alkenen mit Kaliumpermanganat (KMnO4 ) oder Osmiumtetroxid (OsO4 ). Die Reaktion kann man mit katalytischen Mengen an OsO4 durchführen, wenn man ein weiteres Oxidationsmittel zusetzt, welches das bei der Reaktion gebildete Os(VI) wieder zum aktiven Os(VIII) reoxidiert. Auch hierzu ist NaIO4 geeignet. Somit lassen sich die beiden Prozesse Dihydroxylierung und Glykolspaltung koppeln. Man nennt dieses Verfahren Lemieux-Oxidation von Alkenen zu Aldehyden. H
H
C C R
R
OsO4 (cat.) NaIO4
HO OH HC C H R R
NaIO4
2 R CHO
16.3 Spezielle Carbonylverbindungen 16.3.1 ’-Hydroxycarbonylverbindungen Sowohl ’-Hydroxyaldehyde als auch ’-Hydroxyketone sind in der Natur weit verbreitet und kommen vor allem bei den Kohlenhydraten (Kap. 28) vor, und werden dort auch ausführlich besprochen. Beide Stoffklassen lassen sich als Oxidationsprodukte mehrwertiger Alkohole auffassen. Glykolaldehyd, den einfachste „Aldehydzucker“ erhält man durch vorsichtige Oxidation von Ethylenglykol:
16.3
Spezielle Carbonylverbindungen
CH2OH CH2OH
+ H2O2
FeSO4
H
229
O
C
Oxid.
CHOH
CH2OH
Ethylenglykol
H
CH2OH
Glykolaldehyd
C
O
CH2OH
CHOH
C O
+
CH2OH
CH2OH
CH2OH
Glycerin
Glycerinaldehyd
Dihydroxyaceton
Geht man bei der Oxidation von Glycerol (Glycerin) aus, so entsteht ein Gemisch aus Glycerinaldehyd und Dihydroxyaceton. In der Regel werden sekundäre Alkohole leichter oxidiert als primäre. Hydroxyaceton erhält man aus Bromaceton durch Umsetzung mit Kaliumformiat in einer SN 2-Reaktion (Abschn. 10.2) und anschließender Verseifung (Abschn. 19.1.1) des gebildeten Ameisensäureesters: O CH2 C O
Br
O C
CH2 + HCOO−K+
CH3
− KBr
−
− HCOO Na
CH3 Ameisensäure2-oxopropylester
Bromaceton
CH2OH
+ NaOH
H
C O
C O
+
CH3 Hydroxyaceton
Unter Acyloinen versteht man Verbindungen mit identischen Substituenten auf beiden Seiten der CO–CHOH-Gruppierung. Aliphatische Acyloine erhält man durch reduktive Dimerisierung von Carbonsäureestern (s. Abschn. 20.1.1.2), die so genannte Acyloinsynthese. Diese hat sich besonders bewährt zum Aufbau cyclischer Acyloine durch intramolekulare Dimerisierung.
(CH2)n
COOR COOR
Na Toluol
Cyclischer Diester
(CH2)n
C C
O − O −
+ 2 H2O − 2 NaOH
Endiolat
(CH2)n
C
O
CHOH
Acyloin
Aromatische Acyloine erhält man durch Umsetzung aromatischer Aldehyde mit Natriumcyanid in einer Benzoinkondensation (Abschn. 17.2.1): −
2
CHO
CN
CH C OH O
Benzaldehyd
Benzoin
Stetter-Reaktion: Eine analoge Reaktion lässt sich auch mit aliphatischen Aldehyden durchführen, wenn man statt Cyanid ein Thiazolium-Salz als Katalysator
230
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
einsetzt. Das Anion des Thiazoliumsalzes ist weniger basisch als Cyanid, so dass auch bei aliphatischen Aldehyden keine Aldolreaktionen auftreten.
O R'
C
O C R'
+ H
H
R − N + Br H S
OH O R' CH C R'
Base
R' = Alkyl, Aryl
Zum Mechanismus der Reaktion (vgl. Mechanismus der Benzoinkondensation) R
R
R O
N+
N+ C R'
+ S
O
H
N+
C
C H S
OH
S
R'
O
R'
C Ph H
R
R OH O
N+ + S
N+
R' CH C R' S
H
R O
OH
C
C R'
R'
H
N+ S
O
O
C
C R'
R'
H
Das mittels Base deprotonierte Thiazolium-Ion addiert sich durch nucleophilen Angriff an die Carbonyl-Gruppe des Aldehyds und bildet mit diesem ein resonanzstabilisiertes Carbanion. Dieses reagiert mit einem weiteren Molekül Aldehyd unter Bildung einer C–C-Bindung. Nach Abspaltung des Thiazolium-Substituenten wird das Hydroxyketon (Acyloin) freigesetzt. Da das Thiazoliumsalz nach der Reaktion wieder zurückgewonnen wird, genügen katalytische Mengen. Die vorstehende Reaktionsfolge mit einem Thiazolium-Salz ist biochemisch von besonderem Interesse. Thiamin (Vitamin B1) enthält einen Thiazolring und reagiert in analoger Weise als Coenzym bei der Transketolase (biochemische Zuckersynthese) und bei der Decarboxylierung von Brenztraubensäure (s. Abschn. 18.5.3.3).
16.3.2 “-Hydroxycarbonylverbindungen Die wichtige Gruppe der “-Hydroxycarbonylverbindungen erhält man durch Aldolreaktion (Abschn. 17.3.2), bei der zwei Carbonylverbindungen im Basischen (Reaktion über das Enolat) miteinander zur Reaktion gebracht werden. Die Aldolreaktion lässt sich zum Teil auch im Sauren durchführen (Reaktion über die Enolform), wobei das primär gebildete Aldol unter diesen Bedingungen protoniert wird. Nach Wasserabspaltung erhält man dann ’,“-ungesättigte Carbonylverbindungen.
16.3
Spezielle Carbonylverbindungen
O O H2C C + H2C C R R' R R'
Base
231 OH
O
O
+
R CH2 C CH C R' R' R
H − H2O
R CH2 C C C R' R' R α,β−ungesättigte Carbonylverbindung
Aldol-Produkt β-Hydroxycarbonyl-Verbindung
16.3.3 1,2-Dicarbonylverbindungen 1,2-Dicarbonylverbindungen enthalten zwei direkt benachbarte Carbonylgruppen, wobei man unterscheiden kann zwischen Dialdehyden (Glyoxal), Ketoaldehyden und 1,2-Diketonen. Diese drei Substanzklassen sind aufgrund ihrer beiden Carbonylgruppen besonders reaktionsfähig und dienen als Ausgangsmaterial diverser cyclischer, vor allem heterocyclischer Verbindungen (s. Kap. 22). Glyoxal erhält man durch Oxidation von Acetaldehyd mit Selendioxid (s. Abschn. 16.2.2) sowie technisch durch Oxidation von Ethylenglykol mit Luftsauerstoff in Gegenwart eines Silber- oder Kupfer-Katalysators: O
O
SeO2
H3C C
O
O2
C C
H
CH2OH
Ethylenglykol
Glyoxal
Acetaldehyd
HOCH2
H
H
Methylglyoxal ist die Stammverbindung der Ketoaldehyde. Man erhält es analog Glyoxal durch Selendioxid-Oxidation aus Aceton oder durch Oxidation von Hydroxyaceton. O H3C C
SeO2
CH3 Aceton
O
O
H2O2
C C
O HOCH2
C CH3
H CH3 Methylglyoxal
Hydroxyaceton
1,2-Diketone sind wichtige Ausgangssubstanzen für die präparative organische Chemie. Ihre Dioxime (s. Abschn. 17.1.3) werden in der Analytik zum Nachweis bestimmter Metallkationen verwendet, z. B. Diacetyldioxim für Ni2C (s. Basiswissen I). Die einfachsten Vertreter sind Diacetyl (Dimethylglyoxal) und Benzil. Neben der Oxidation mit Selendioxid lassen sich Methyl- oder Methylengruppen, die einer Carbonylgruppe direkt benachbart sind, noch auf folgende Weise oxidieren: CH3 C O
CH3 HNO2
C O
CH3 Tautomerie
C O
CH2
CH N O
C
R
R
R
N OH
CH3 + H2O
C O C O R
+ NH2OH
232
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
Benzil kann durch Oxidation von Benzoin mit Salpetersäure leicht hergestellt werden. C6H5
Oxid.
C CH C6H5
C6H5
C C C6H5 O O
O OH
Benzil zeigt als charakteristische Reaktion die Benzilsäure-Umlagerung. Beim Erhitzen entsteht unter der Einwirkung einer Base Benzilsäure in einer anionotropen 1,2-Verschiebung (vgl. Abschn. 23.2.5). O
O
O
C C Ph
+
OH
Ph
Benzil
O
O
C C OH Ph
OH
O
C C
Ph
Ph
Ph
Ph OH
O
C C Ph
O
Anionder Benzilsäure
Ph = C6H5
Das Hydroxidion greift eine der aktivierten Carbonylgruppen an. Das gebildete Alkoholat besitzt einen starken CI und CM-Effekt. Der hieraus resultierende Elektronenüberschuss am C-Atom ermöglicht die Wanderung des Phenylrestes mitsamt seinem Elektronenpaar zum benachbarten Carbonyl-C-Atom (nucleophiler Angriff) unter Bildung eines weiteren Alkoholats, welches das Proton der entstandenen Säure übernimmt. Es handelt sich um einen intramolekularen Redoxvorgang (vgl. Mechanismus der Cannizzaro-Reaktion, Abschn. 17.1.1). Derartige Umlagerungen lassen sich auch mit anderen 1,2-Diketonen durchführen, wobei man ’-Hydroxycarbonsäuren erhalten kann.
16.3.4 1,3-Dicarbonylverbindungen Claisen-Kondensation: Ganz allgemein werden 1,3-Diketone durch Umsetzung von Carbonsäureestern mit Ketonen in Gegenwart von Base (z. B. Natriumalkoholat) hergestellt (Abschn. 20.2.1.1). So erhält man aus Essigester und Aceton Acetylaceton (Pentan-2,4-dion): O H3C C
+ OC2H5
−
O H3C
C
C2H5O Na CH3
+
H3C
O
O
C
C
C H2
CH3
+ C2H5OH
Acetylaceton
Stork’sche Enamin-Methode: Eine Alternative hierzu ist die Acylierung von Enaminen, die man leicht aus Ketonen und sekundären Aminen erhält. Pyrrolidin reagiert z. B. mit Cyclohexanon zu Pyrrolidino-cyclohexen. Enamine sind gute Nucleophile (Abschn. 17.1.3). Umsetzung mit Säurechloriden führt zu einem acylierten Enamin, welches sich anschließend leicht hydrolysieren lässt.
16.3
Spezielle Carbonylverbindungen
N H + O
233
O R C N
− H 2O
Cl
Cl
−
+
N
O C
N H + O
H 2O R
O C
R
1,3-Dicarbonyl-Verbindungen mit ihrer „eingeschlossenen“ CH2 -Gruppe sind vergleichsweise starke CH-Säuren. Der einfachste Vertreter Acetylaceton hat z. B. einen pK s -Wert von 9. Die durch Deprotonierung gebildeten Enolat-Ionen sind gute Nucleophile. Die Acidität der 1,3-Diketone bestimmt auch ihr Reaktionsverhalten. Acetylaceton bildet mit einigen Metallkationen Komplexe, so mit z. B. Eisen einen roten Komplex. Enolische Gruppen werden an dieser Rotfärbung leicht erkannt.
16.3.5 1,4-Dicarbonylverbindungen Bei der Umsetzung von Aldehyden mit ’,“-ungesättigten Carbonylverbindungen in Gegenwart von Thiazoliumsalzen (vgl. Stetter-Reaktion, Abschn. 16.3.1) bilden sich 1,4-Diketone:
O
O R' C
+ H
H2C CH C R
R − N + Br H S
Base
O R'
O
C CH2 CH2 C
R
Aus dem Aldehyd und dem Thiazoliumsalz bildet sich in Gegenwart von Base ein mesomeriestabilisiertes Carbanion (s. ’-Hydroxycarbonylverbindungen), eine umgepolte Carbonylgruppe (s. a. Abschn. 15.2), welche dann die ’,“-ungesättigte Carbonylverbindung in einer Michael-Addition (Abschn. 17.3.8) angreift. Nach Umprotonierung und Abspaltung des Thiazoliumsalzes (Katalysator) erhält man das Diketon. R N
234
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
16.3.6 1,5-Dicarbonylverbindungen 1,5-Diketone, die für Synthesen ebenfalls von großer Bedeutung sind, lassen sich z. B. durch Umsetzung von Ketonen mit ’,“-ungesättigten Carbonylverbindungen in einer Michael-Reaktion leicht herstellen (s. Abschn. 17.3.8): O
O R' C
+ CH3
H2C CH C R
O
O
Base
R'
C CH2 CH2 CH2 C
R
1,5-Dicarbonylverbindung
1,5-Dicarbonylverbindungen erhält man zudem sehr einfach durch Ozonolyse (s. Abschn. 6.2.3.1) von Cyclopentenderivaten: H2 C H2 C
C H2
O3
C C R
H
O
O
R C CH2 CH2 CH2 C H 1,5-Dicarbonylverbindung
Diese Methode ist generell geeignet um Dicarbonylverbindungen herzustellen, wobei die relative Stellung der Carbonylgruppen lediglich von der Ringgröße des Cycloalkens abhängt. Diese Sequenz ist vor allem auch für substituierte Derivate interessant.
16.3.7 ’-Halogencarbonylverbindungen Unter den Halogenaldehyden haben vor allem die Trihalogenide des Acetaldehyds Bedeutung erlangt. Chloral (Trichloracetaldehyd) erhält man technisch aus wasserhaltigem Ethanol und Chlor. Dabei kommt es zu einer Oxidation des Alkohols. Aufgrund der hohen Carbonylaktivität des Chlorals erhält man unter diesen Bedingungen das Dihydrat (Chloralhydrat, s. Abschn. 17.1.2), welches anschließend mit konz. Schwefelsäure (wasserentziehend) in Chloral umgewandelt wird. Chloralhydrat ist das älteste Schlafmittel und wird vor allem zur Herstellung von DDT verwendet.
H3C CH2 OH + 4 Cl2 + H2O
OH Cl3C C OH H
+ 5 HCl
Chloralhydrat
Die Halogenierung von Aldehyden und Ketone erfolgt über die Enolform bzw. das entsprechende Enolat. Daher werden diese Reaktionen sowohl durch Säure als auch durch Base katalysiert. Bei der Reaktion im Sauren bewirkt die Säure eine schnelle Einstellung des Keto-Enol-Gleichgewichts. Das Enol reagiert dann aus dem Gleichgewicht ab, un-
16.3
Spezielle Carbonylverbindungen
235
ter Bildung der ’-Halogenverbindung. ’-Halogenketone sind stark tränenreizende Verbindungen. O R
C
O
H+ CH3
R
C
H
H Br−
O
CH2
+ Br
O
Br C R + CH2
Br
C
R
CH2
Br
+ HBr
Bei der Reaktion im Basischen bildet sich zuerst im Gleichgewicht ein Enolat, welches dann das Halogen angreift. Dabei bildet sich ebenfalls die ’-Halogenverbindung. Aufgrund der Elektronegativität und der damit verbundenen elektronenziehenden Wirkung des Halogenatoms ist die entstandene ’-Halogencarbonylverbindung acider als die ursprüngliche Carbonylverbindung. Sie wird somit bevorzugt deprotoniert und kann daher solange weiterreagieren, bis alle ’-ständigen Wasserstoffatome ersetzt sind. O R
C
OH− CH3
O R
C
O
O CH2
+ Br
Br
−
− Br
R
C
CH2
Br
R
C
CBr3
Eine wichtige Reaktion der Trihalogenketone ist die Spaltung mit Natronlauge: O R
C
CBr3
+ OH R
O
O
C
C
R
CBr3 OH
O + OH
CBr3
R
C
+ HCBr3 O Bromoform
Diese als Haloform-Reaktion bekannte Sequenz führt letztendlich zu einem Abbau von Ketonen zu Carbonsäuren.
16.3.8 ’,“-Ungesättigte (vinyloge) Aldehyde und Ketone Diese Verbindungsklassen sind wichtige Ausgangsverbindungen für die Synthese von Heterocyclen (Kap. 22), sowie für Michael-Additionen (Abschn. 17.3.8). Den einfachsten Vertreter Acrolein erhält man durch allylische Oxidation (vgl. Abschn. 16.2.2) aus Propen, O
Katalysator
H2C CH CH3 + O2
H2C CH C
+ H2O H
sowie durch Erhitzen von Glycerin in Gegenwart von Säure: CH2OH CHOH CH2OH Glycerin
CH2OH
+
H H2O H
CH2OH
CH
CH2
C
C
OH
H
O
β-Hydroxypropionaldehyd
CH2
+
H H2O
CH H
C
O
Acrolein
236
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
Durch sauer katalysierte Abspaltung der sekundären OH-Gruppe (Bildung des stabileren Carbeniumions) bildet sich die Enolform des “-Hydroxypropionaldehyds, die sich in die entsprechende Ketoform umwandelt. “-Hydroxycarbonylverbindungen sind im Sauren nicht stabil und spalten Wasser ab, unter Bildung ’; “-ungesättigter Carbonylverbindungen. Eine generell anwendbare Methode zur Herstellung ’; “-ungesättigter Carbonylverbindungen ist die Aldolkondensation (s. Abschn. 17.3.2), die sich ebenfalls dieses Prinzips bedient. Primär erhält man aus zwei Carbonylverbindungen eine “-Hydroxycarbonylverbindung (s. Abschn. 16.3.2), die im Sauren Wasser abspaltet. O O H2C C + H2C C R R' R R'
OH
Base
O
O
+
H − H2O
R CH2 C CH C R' R' R
R CH2 C C C R' R' R
16.4 Eigenschaften und Verwendung Die Siedepunkte der Aldehyde und Ketone liegen tiefer als die der analogen Alkohole, da die Moleküle untereinander keine H-Brücken ausbilden können (s. Tab. 16.1). Niedere Aldehyde und Ketone sind wasserlöslich und können mit H2 O-Molekülen H-Brücken bilden und zu Additionsprodukten (Hydrate) (s. Abschn. 17.1.2) reagieren. Keto-Enol-Tautomerie Aldehyde und Ketone mit ’-ständigen Wasserstoff-Atomen bilden „tautomere Gleichgewichte“ (s. Abschn. 2.3) mit den entsprechenden Enolen. Die Lage des Gleichgewichts hängt von der Temperatur, dem Reaktionsmedium und dem Energieinhalt der beiden Formen ab. Enole sind dann besonders stabil, wenn die Möglichkeit zur Konjugation besteht. Während sich bei reinen Aldehyden und Ketonen das Gleichgewicht nur langsam einstellt, erfolgt diese Einstellung in Lösung (durch Säuren und Basen katalysiert) schneller. Meist liegt das Gleichgewicht auf der Seite des Ketons, außer wenn die Enolform z. B. durch Konjugation begünstigt wird. Beispiele Acetylaceton
Aceton O H3C
OH CH3
H3C
CH2
Keto-Form
Enol-Form
99,9997%
0,0003%
O
O H3C
C H2
O CH3
Keto-Form 15%
H3C
H
O
CH3 C H Enol-Form 85%
16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen
237
Tab. 16.1 Eigenschaften und Verwendung einiger Carbonylverbindungen Verbindung
Formel
Methanal (Formaldehyd)
H–CHO
Schmp. (ı C) 92
Ethanal (Acetaldehyd)
CH3 –CHO
123
20
Propanal (Propionaldehyd) Propenal (Acrolein) 2-Butenal (Crotonaldehyd) Benzaldehyd Propanon (Aceton, Dimethylketon)
CH3 –CH2 –CHO
81
49
CH2 DCH–CHO
88
52
CH3 –CHDCH–CHO
76
104
C6 H5 –CHO CH3 –CO–CH3
26 95
178 56
CH3 –CO–C2 H5
86
80
30
156
Acetophenon CH3 –CO–C6 H5 (Methylphenylketon)
20
202
Benzophenon (Diphenylketon) 2,4-Pentandion (Acetylaceton)
48
306
23
140
Butanon (Methylethylketon) Cyclohexanon
Sdp. (ı C) 21
O
C6 H5 –CO–C6 H5 O
O
Verwendung Farbstoffe Pheno- und Aminoplaste, Desinfektions- und Konservierungsmittel, Polyformaldehyd: Filme, Fäden Ausgangsprodukt für Ethanol, Essigsäure, Acetanhydrid, Butadien Herstellung von Kunststoffen und Arzneimitteln Herstellung der Aminosäure Methionin
Farbstoffindustrie gutes Lösemittel (für Acetylen, Acetatseide, Lacke), Ausgangsprodukt für Chloroform und Methacrylsäureester Gutes Lösungsmittel Ausgangsprodukt für Perlon, höhergliedrige Ringketone sind Riechstoffe Herstellung von Duftstoffen, Pharmazeutika und Kunstharzen Indikator bei der Trocknung von Lösungsmitteln Synthese von Heterocyclen
Die Stabilisierung der Enolform der 1,3-Diketone beruht auf der Bildung einer intramolekularen Wasserstoff-Brückenbindung und der Ausbildung konjugierter Doppelbindungen.
16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen 16.5.1 Reduktion zu Alkoholen In Umkehrung ihrer Bildungsreaktion (Oxidation von Alkoholen) lassen sich Aldehyde und Ketone durch Reduktion wieder in Alkohole überführen. Dabei wird in
238
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
der Regel ein Hydridion in mehr oder minder freier Form auf die Carbonylgruppe übertragen (Abschn. 17.1.1). Bei der Reduktion mit unedlen Metallen (Na, Mg, Zn) werden radikalische Zwischenstufen durchlaufen. Die Metalle übertragen dabei ein Elektron auf die Carbonylgruppe unter Bildung eines Radikalanions I. In Gegenwart eines protischen Lösemittels (Alkohol, etc.) erfolgt eine Protonierung des Anions. Auf das zurückbleibende Radikal II wird ein weiteres Elektron übertragen und das gebildete Anion III erneut protoniert. Solche Reduktionen zum Alkohol lassen sich auch mit Carbonsäurederivaten (Abschn. 20.1.1.2) durchführen. R' C O R
+ Na + − Na
R' C OH R II
R' − + ROH C O − − RO R I
+ Na + − Na
R' − C OH R III
+ ROH − − RO
R' CH OH R
Führt man die Reaktion in unpolaren und aprotischen Lösemittel durch (z. B. Toluol) so kann das Radikalanion I nicht protoniert werden. Da kein zweites Elektron übertragen wird (es würde ein Dianion entstehen) hat das Radikal keine andere Möglichkeit als zu dimerisieren (Pinakol-Kupplung). Aus Ketonen entstehen so 1,2-Diole, das aus dem Aceton gebildete Diol heißt Pinakol, und gibt dieser Reaktion ihren Namen. Besonders bewährt haben sich hierbei Mg und Zn, da diese zweiwertige Ionen bilden, die in der Lage sind zwei Radikalanionen gleichzeitig zu binden. Dadurch wird die radikalische Dimerisierung durch Bildung eines Chelatkomplexes begünstigt. CH3 H 3C C O H 3C Aceton
+ Mg
H 3C C O
Mg
H 3C C O
CH3
−
H 3C C O
2+
Mg
−
H 3C C O
CH3
CH3
− −
CH3
+
2+
H 3O
H3C C OH H3C C OH CH3 Pinakol
16.5.2
Reduktion zu Kohlenwasserstoffen
Unter bestimmten Voraussetzungen können Ketone auch zu Kohlenwasserstoffen reduziert werden, wobei die Carbonyl-Gruppe in eine Methylengruppe überführt wird.
16.5.2.1 Clemmensen-Reduktion Die Methode nach Clemmensen reduziert mittels amalgamiertem Zink und starken Mineralsäuren Ketone, die dieses stark saure Milieu aushalten: O R
C
R'
Zn / Hg HCl
R CH2
R'
16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen
239
16.5.2.2 Wolff-Kishner-Reduktion Verbindungen, die säurelabil sind, bzw. mit Säuren in nicht gewünschter Weise reagieren, können mit Basen, z. B. Hydrazin und Lauge, nach der Wolff-KishnerMethode reduziert werden: O R
C
−
R'
+
OH
H2N NH2
R CH2
R' +
N2 + H2O
Das Keton bildet mit Hydrazin ein Hydrazon (s. Abschn. 17.1.3), das im alkalischen Medium nach folgendem Schema abgebaut wird: R' C O R
+ H2N NH2
R' C N NH2 R
−
R' C N NH2 R
+ OH − H 2O
R' − C N NH R
R' HC N N H + OH− R
− H2O, − N2
R' − C N NH R R' HC − R
+ H 2O − − OH
+ H 2O − OH
−
R' HC N NH R R' CH2 R
16.5.3 Oxidationsreaktionen Die meisten bisher vorgestellten Reaktionen sind mit Aldehyden und Ketonen möglich. Unterschiede zeigen beide im Verhalten gegen Oxidationsmittel: Aldehyde werden zu Carbonsäuren oxidiert; Ketone hingegen lassen sich an der Carbonyl-Gruppe nicht weiter oxidieren. Zumindest nicht unter moderaten Bedingungen, da hier ein CC-Bindungsbruch erforderlich ist. Mit extrem starken Oxidationsmittel kann dies jedoch erreicht werden. Nachweis der Aldehydfunktion Zum Nachweis von Verbindungen mit Aldehyd-Funktionen dient ihre reduzierende Wirkung auf Metallkomplexe. So wird bei der Fehling-Reaktion eine alkalische Kupfer(II)-tartrat-Lösung (Cu2C /OH /Weinsäure) zu rotem Cu2 O reduziert (Cu2C ! CuC ) und bei der Tollens-Reaktion (Silberspiegel-Prüfung) eine am moniakalische Silbersalzlösung (AgC /NHC 4 OH ) zu metallischem Silber. Alkohole und Ketone geben damit keine Reaktion. Ausnahmen: Fehling-Reaktionen mit Benzaldehyd (! Cannizzaro-Reaktion) und Isobutyraldehyd verlaufen negativ. Die Fehling-Reaktion ist wegen des niedrigeren Redoxpotentials von Cu2C im Vergleich zu AgC als Nachweisreaktion weniger geeignet.
240
16 Aldehyde, Ketone und Chinone
16.5.4 Redoxverhalten der Chinone Auf die Herstellung der Chinone durch Oxidation der entsprechenden Hydrochinone wurde bereits hingewiesen. Umgekehrt lassen sich Chinone sehr leicht zu den Hydrochinonen reduzieren. Chinone und ihre Hydrochinone können durch Redoxreaktionen ineinander umgewandelt werden. O
O
−
−
O +e
+e − −e
−e
O
O
Chinon
Semichinon
−
OH +
−
+2H
−
+ −2H
OH
O−
Hydrochinon
Für dieses Reaktionsschema ergibt sich das Redoxpotential aus der Nernstschen Gleichung (vgl. Basiswissen I) zu: E D E0 C
R T 2;303 c.Chinon/ c 2 .HC / lg 2F c.Hydrochinon/
Daraus kann man u. a. folgende Schlüsse ziehen: 1. Ist das Produkt der Konzentrationen von Chinon und HC gleich der Konzentration von Hydrochinon, so wird E D E 0 , da lg 1=1 D lg 1 D 0 ist. Das Redoxpotential des Systems ist dann so groß wie sein Normalpotential E0 . 2. Mischt man ein Hydrochinon mit seinem Chinon im Molverhältnis 1 W 1, so entsteht eine Additionsverbindung, das tiefgrüne Chinhydron, ein sog. chargetransfer-Komplex. Er besteht aus zwei Komponenten, dem elektronenreichen Donor (hier Hydrochinon) und dem elektronenziehenden Akzeptor (hier Chinon). Die entsprechenden Komplexe nennt man daher auch Donor-AkzeptorKomplexe. Sie sind meist intensiv farbig, wobei man die Farbe dem Elektronenübergang Donor ! Akzeptor zuschreibt. In einer gesättigten ChinhydronLösung liegen die Reaktionspartner in gleicher Konzentration (also 1 W 1) vor. Damit vereinfacht sich die Nernstsche Gleichung zu: E D E0 C D E0 C
R T 2;3 lg c 2 .HC / 2F R T 2;3 R T 2;3 lg c.HC / D E 0 pH F 2F
Jetzt ist das Redoxpotential nur noch vom pH-Wert der Lösung abhängig. Eine Chinhydron-Elektrode kann daher zu Potentialmessungen benutzt werden. Das Normalpotential E 0 hängt von der Art des Chinons und vom Substitutionsmuster ab:
16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen O
241
O
O
O
O
O
O
O
o-Benzochinon
p-Benzochinon
1,4-Naphthochinon
9,10-Anthrachinon
E 0 = 0,792 V
E 0 = 0,707 V
E 0 = 0,477 V
E 0 = 0,154 V
Aus den angegebenen Redoxpotentialen lässt sich entnehmen, dass mit zunehmender Anellierung (z. B. Übergang p-Benzochinon ! Naphthochinon) das Potential abnimmt, d. h. die chinoide Struktur wird stabiler. Der Grund hierfür ist vor allem die Stabilisierung der chinoiden Struktur als Folge einer Ausbildung benzoider -Systeme (vgl. Anthrachinon). Die Neigung zur Elektronenaufnahme wird dadurch verringert, d. h. die oxidierende Wirkung nimmt ab. Einen ähnlichen Effekt haben Substituenten, die in das chinoide System Elektronen abgeben, z. B. HO-, H3 C–O- und Alkyl-Gruppen. Chinone wirken als Oxidationsmittel, so z. B. Chloranil (Tetrachlor-p-benzochinon): OH
O Cl
Cl
Cl
Cl
Cl +
+
Cl
O Tetrachlorp-benzochinon
1,2-Dihydronaphthalin
Cl
Naphthalin
Cl OH Tetrachlorhydrochinon
Die 1,4-Chinone sind auch ungesättigte Ketone, die 1,2 und 1,4-Additionsreaktionen eingehen können. Außerdem sind Diels-Alder-Reaktionen (Abschn. 6.2.3) möglich mit Chinon als Dienophil. O
O
O +
+ O
O
O
Semichinone sind mesomeriestabilisiert (sowohl das Radikal als auch die neg. Ladung). 1,4-Benzochinon wird daher als Inhibitor bei radikalischen Polymerisationen benutzt. Hydrochinone werden als Reduktionsmittel verwendet, z. B. als fotografische Entwickler, oder bei der technischen Herstellung von H2 O2 (s. Basiswissen I).
242
16 Aldehyde, Ketone und Chinone O
OH + O2
+ H2O2
+ H2 / Kat O
OH
16.5.4.1 Biologisch interessante Carbonylverbindungen Wegen der Vielzahl verschiedenartiger Carbonylverbindungen werden diese z. T. in anderen Kapiteln besprochen, so z. B. Citral, Anisaldehyd und Vanillin, Menthon (s. Terpene, Abschn. 32.2) und Zimtaldehyd. Cyclische Ketone sind häufig wohlriechende Verbindungen und finden daher in der Parfümerie Verwendung. Muscon ist z. B. der Geruchsträger von natürlichem Moschus und wird von einer Hirschart (Moschus moschiferus) produziert. Das ähnlich riechende Zibeton kann aus Duftdrüsen der Zibet-Katze isoliert werden.
O
O
Muscon
Zibeton
Chinone sind wegen ihrer Redoxeigenschaften von Bedeutung. So sind die Ubichinone (n D 6–10) wichtige Wasserstoffüberträger bei Oxidationen in den Mitochondrien. O CH3O
O CH3
CH3O
H n
O
O
2
Vitamin K1 (Phyllochinon)
Ubichinone
Vitamin K1 sowie seine reduzierte Form spielen eine Rolle bei der Blutgerinnung. Die strukturell verwandten Hydrochinonderivate Tocopherole (Vitamine der EReihe) wirken als Radikalfänger und Antioxidantien in Zellmembranen und Lipoproteinen. R1 HO 2
R
O R3
Tocopherole
16.5 Redoxreaktionen von Carbonylverbindungen
243
Viele Chinone sind intensiv gefärbt, vor allem bei größeren konjugierten Systemen. So bildet das rote Alizarin (aus der Krappwurzel) intensiv gefärbte Metallkomplexe die bereits im Altertum zum Färben verwendet wurden (Krapplacke). O
OH OH
O Alizarin
Das orangerote Muscarufin ist der Hauptfarbstoff des Fliegenpilzes (Amanita muscaria). HOOC O HO COOH O COOH
Muscarufin
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
Typische Reaktionen aller Carbonylverbindungen sind Additionen von Nucleophilen an die Carbonylgruppe. Für Aldehyde und Ketone lässt sich folgender allgemeiner Mechanismus formulieren:
HNu
C O
+
1
1
1
R
+
R
HNu C O
R
R −
Nu C OH
Folgereaktionen
R
R
Das nucleophile Reagenz lagert sich an das positivierte C-Atom der >CDOGruppe an. Unter Protonenwanderung bildet sich daraus eine Additionsverbindung, die je nach den Reaktionsbedingungen weiterreagieren kann. Die Reaktion wird durch Säuren beschleunigt, da Protonen als elektrophile Teilchen mit dem nucleophilen Carbonyl-Sauerstoff reagieren können und dadurch die Polarität der C=OGruppe erhöhen (Säurekatalyse). Manchmal ist es zweckmäßig, in alkalischer Lösung zu arbeiten, wenn durch Deprotonierung von HNu ein reaktiveres Nucleophil Nu gebildet wird. Die verschiedenen Umsetzungen der Carbonylverbindungen unterscheiden sich in der Art der Nucleophile (Heteroatom- oder C -Nucleophile) und in der Art der Folgereaktionen. Carbonylverbindungen mit Wasserstoffatomen in ’-Position stehen über die Keto-Enol-Tautomerie (Abschn. 16.3) mit der entsprechenden Enolform im Gleichgewicht. Sie sind relativ acide und lassen sich mit starken Basen unter Bildung eines Enolats deprotonieren. Enolate sind sehr gute C-Nucleophile und können als solche z. B. mit anderen Carbonylverbindungen reagieren. H H
O
O C C
C C
Keto-Form
Enol-Form
starke Base +
−H
O − C C
−
O
C C
mesomeriestabilisiertes Enolat
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_17
245
246
I
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
Carbonylverbindungen mit Wasserstoffatomen in ’-Position können also sowohl als Elektrophil als auch als Nucleophil umgesetzt werden.
17.1 Additionen von Hetero-Nucleophilen 17.1.1 Addition von „Hydrid“ In Umkehrung ihrer Bildungsreaktion (Oxidation von Alkoholen) lassen sich Aldehyde und Ketone durch Reduktion wieder in Alkohole überführen. Die Reduktion mit H2 =Pt verläuft relativ langsam und ist wenig selektiv, da hierbei nicht nur CDO sondern auch CDC-Bindungen hydriert werden. Besser geeignet sind Metallhydride wie Natriumborhydrid (NaBH4 ) in Ethanol oder Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4 ) in Ether. Na+ H3B − H +
R
R C O
+
H OC2H5
H C OH
R +
C O
+
Na+ H3B − OC2H5
R
Li
R H3Al − H
+
R H C O
R
−
LiAlH3+
3 R2CO
−
Li+[Al(OCHR2)4]
R
H 2O 4 R2CH OH + LiOH + Al(OH)3
Beim sehr reaktiven LiAlH4 lassen sich prinzipiell alle 4 Wasserstoffatome übertragen, wobei die Reaktivität der dabei gebildeten Alkoxyaluminiumhydride kontinuierlich abnimmt. Auf diese Weise lassen sich auch mildere und selektivere Aluminiumhydride herstellen, die dann z. B. nur noch mit sehr reaktionsfähigen Carbonylverbindungen reagieren. Isolierte CDC-Doppelbindungen werden von Bor- und Aluminiumhydriden nicht angegriffen. Verwendet man anstelle von LiAlH4 das analoge LiAlD4 so lassen sich Isotopenmarkierte Verbindungen herstellen.
17.1.1.1 Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion Eine weitere Methode Carbonylgruppen zu reduzieren, ohne dass auch andere im Molekül vorhandene reduzierbare Gruppen wie Doppelbindungen oder Nitro-Gruppen miterfasst werden, ist die Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion. Aldehyde bzw. Ketone reagieren hierbei mit Isopropylalkohol in Gegenwart von Aluminiumisopropylat: R' C O R
H3C CH OH
+ H3C
Al[OCH(CH3)2]3
R' CH OH R
H3C C O
+ H3C
17.1
Additionen von Hetero-Nucleophilen
247
Diese Reaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion und kann daher auch umgekehrt eingesetzt werden zur Oxidation von Alkoholen mit Aceton (Oppenauer-Oxidation). Das Gleichgewicht dieser Redox-Reaktion lässt sich durch Abdestillieren des Nebenproduktes Aceton vollständig nach rechts zugunsten des gebildeten Alkohols verschieben. Die Reduktion der Carbonylverbindung erfolgt durch Übertragung eines Hydridions vom ’-Kohlenstoff-Atom einer Isopropyl-Gruppe des Aluminiumisopropylats auf den Carbonyl-Kohlenstoff: R
R' C O
CH3 CH3
H
R' H 3C
CH3
C
R +
O
O
O
Al (OiPr)2
H
iPrOH
RR'CHOH + Al(OiPr)3
Al(OiPr)2
17.1.1.2 Cannizzaro-Reaktion Aldehyde ohne ’-ständiges H-Atom können in Gegenwart von starken Basen keine Aldole bilden (s. Abschn. 17.3.2), sondern unterliegen der Cannizzaro-Reaktion. Unter Disproportionierung entsteht aus einem Aldehyd ein äquimolares Gemisch des analogen primären Alkohols und der Carbonsäure. Neben aromatischen Aldehyden (z. B. Benzaldehyd, PhCHO) gehen auch einige aliphatische Aldehyde wie Formaldehyd und Trimethylacetaldehyd (Pivalaldehyd) die Cannizzaro-Reaktion ein. 2 C6H5CHO + NaOH
C6H5CH2OH + C6H5COO−Na+
Benzaldehyd
Benzylalkohol
Natrium-Benzoat
Mechanismus: Die Anlagerung eines OH -Ions an das C-Atom der polarisierten C=O-Gruppe ermöglicht die Abspaltung eines Hydrid-Ions H , das sich an das positivierte C-Atom einer zweiten Carbonylverbindung anlagert. Auf diese Weise entstehen Alkoholat und Säure, die anschließend ein Proton austauschen. Ph 2
C O
H
OH H
Ph
H
+ NaOH −
O
Na+
C O
Ph
Ph
C O
OH
Ph + H 2C + O Na −
PhCH2OH + − PhCOO Na+
Gekreuzte Cannizarro-Reaktionen sind möglich, wenn zwei Aldehyde ohne ’-H-Atom miteinander umgesetzt werden. In der Regel verwendet man hierbei Formaldehyd als eine Komponente, da dieser Aldehyd immer zur Ameisensäure oxidiert wird. Der entsprechende zweite Aldehyd wird dann zum Alkohol reduziert (s. Abschn. 17.3.2, Herstellung von Pentaerythrit). Verwandt mit der Cannizarro-Reaktion ist die Benzilsäure-Umlagerung (Abschn. 16.3.3) bei der jedoch nicht ein Hydridrest, sondern eine Phenylgruppe mit ihrem Bindungselektronenpaar verschoben wird.
248
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
17.1.1.3 Claisen-Tischtschenko-Reaktion Verwendet man wie bei der Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion Aluminiumalkoholate als Base, so können auch enolisierbare, aliphatische Aldehyde im Sinne einer Cannizarro-Reaktion umgesetzt werden. Bei dieser Claisen-TischtschenkoReaktion entsteht aus 2 Molekülen Aldehyd ein Ester. So lässt sich technisch z. B. Essigsäureethylester aus Acetaldehyd in Gegenwart von Aluminiumethanolat herstellen. H
O 2 H 3C
C
H 3C + Al(OC2H5)3 H
CH3
C O
O
H C O
Al(OC2H5)3 +
O C 2H 5 Al (OC2H5)2
C O
CH3 C 2H 5
Aluminiumalkoholate sind schwache Basen und vermögen daher nicht Aldolreaktionen (Abschn. 17.3.2) zu katalysieren.
17.1.2
Reaktion mit O-Nucleophilen
17.1.2.1 Hydratbildung Wasser lagert sich unter Bildung von Hydraten an, die i. a. nicht isolierbar sind: H O H
R' C O + R
R' HO C OH R
Hydrat
Je reaktiver die entsprechende Carbonylverbindung, desto höher ist der Hydratanteil im Gleichgewicht. Während Formaldehyd (ein farbloses Gas) in wässriger Lösung vollständig hydratisiert ist, beträgt der Hydratanteil des Acetaldehyds lediglich 60 %. Durch Einführung elektronenziehender Gruppen ist eine Stabilisierung dieser Hydrate möglich, so dass sie isoliert werden können, z. B. Chloralhydrat oder Ninhydrin. O
O
OH OH Cl3C CHO + H2O Chloral
O + H2O
OH
Cl3C CH OH Chloralhydrat
O Triketoindan
O Ninhydrin
17.1.2.2 Acetalbildung Die Reaktion von Aldehyden mit Alkoholen verläuft analog unter Bildung von Halbacetalen. Diese lassen sich in Gegenwart von Säure und überschüssigem Alkohol zu Acetalen umsetzen. Aus Ketonen erhält man die entsprechenden Ketale.
17.1
Additionen von Hetero-Nucleophilen
249
OR'
O
R C H
+ R'OH
R C H Aldehyd
+ R'OH / H+
OR' + H2O
R C H OR' Acetal
OH Halbacetal
Die Acetalbildung verläuft in zwei Schritten. Zunächst bildet sich unter Addition eines Alkohols ein Halbacetal. Diese Reaktion ist völlig analog zur Hydratbildung und benötigt keine Säure. Ganz anders der zweite Schritt: Hier wird Säure benötigt um eine OH-Gruppe zu protonieren. Erst dann lässt sich H2 O abspalten unter Bildung eines gut stabilisierten Carbeniumions (CM-Effekt des Sauerstoffs), an das sich das zweite Alkoholmolekül anlagert. Deprotonierung liefert dann das entsprechende Acetal (bzw. Ketal wenn man von Ketonen ausgeht). OR'
H+
R C H
OR' R C H
OR'
− H 2O
R C H +
O H + H
OH Halbacetal
+ R'OH
OR' R C H
− H+
OR' R C H OR'
O H + R'
Acetal
Da alle Reaktionsschritte Gleichgewichtsreaktionen sind, lassen sich Acetale im Sauren leicht wieder spalten. Dagegen sind sie im Basischen stabil. Um das Gleichgewicht auf die Seite der Acetale zu verschieben kann man das bei der Reaktion gebildete Wasser entfernen. Hierbei haben sich Orthoester bewährt, welche sich im Sauren mit H2 O zu Estern und Alkohol umsetzen. Dies ist besonders wichtig bei der Bildung von Ketalen. OR' R C OR' + H2O OR'
O
+
H
R C
+ 2 R'OH OR'
Orthoester
Ester
Besonders günstig verläuft die Acetalbildung bei der Umsetzung von Diolen, da hierbei cyclische Acetale gebildet werden. Der zweite Reaktionsschritt verläuft in diesem Fall intramolekular. Diese cyclischen Acetale und Ketale sind relativ stabil und werden daher gerne als Schutzgruppe für Carbonylverbindungen verwendet. Die Spaltung erfolgt im Sauren. HO
O R C
+
H
HO
CH2 CH2
Ethylenglykol
O CH2 R C OH
CH2 OH
+
H
C H
H Halbacetal
O
R
O
CH2 CH2
+ H2O
cyclisches Acetal
Befinden sich OH- und Carbonylgruppe in einem Molekül, so bilden sich sehr leicht cyclische Halbacetale. Die wichtigsten Beispiele hierzu findet man bei den Kohlenhydraten (Kap. 28).
250
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
17.1.2.3 Polymerisation Aliphatische Aldehyde neigen besonders in Gegenwart von Protonen zur Polymerisation (genauer: Polykondensation; vgl. Abschn. 37.1.3). Formaldehyd polymerisiert zu Paraformaldehyd mit linearer Kettenstruktur. Er bildet sich bereits beim Stehen lassen einer Formalinlösung (40 %ige wässrige Formaldehyd-Lösung). H HO C OH
H
H
CH2O
HO C O C OH
Formaldehydhydrat
H HO
C O H
H
H
H
n CH2O
Dimer
H n
Paraformaldehyd
Ein trimeres cyclisches Produkt, das Trioxan, wird durch Zugabe verdünnter Säuren erhalten: +
H
3 CH2O
H2 C O
O
CH2
C H2
O
Trioxan (Trioxymethylen)
Acetaldehyd polymerisiert im Sauren zu Paraldehyd und Metaldehyd: H3C
CH3 O HC H3C
CH O
H2SO4 O CH
25 °C
n CH3
H2SO4 CHO
− 10 °C
HC O
Paraldehyd 2,4,6-Trimethyltrioxan
CH3 CH O
HC H3C
CH3
O
O
CH CH3
Metaldehyd (Trockenspiritus)
17.1.3 Reaktion mit N-Nucleophilen Primäre Amine NHR'
O + R'NH2
R C H
R C H OH Halbaminal
− H2O
NR' R C H Imin
Das primär gebildete Halbaminal ist instabil und im Allg. nicht isolierbar. Es geht unter Dehydratisierung (Wasserabspaltung) in ein Imin (Azomethin, Schiff’sche Base) über. Der mechanistische Ablauf entspricht einem AdditionsEliminierungs-Prozess. Das Imin kann mit Reduktionsmitteln wie H2 /Ni zum Amin reduziert werden (reduktive Aminierung). Analog verhalten sich auch andere „Aminderivate“.
17.1
Additionen von Hetero-Nucleophilen
251
Beispiele NHOH
O +
R C R'
H2N OH
R C R'
Hydroxylamin
OH
O + H2N NH CO NH2
R C R'
N OH
− H2O
R C R' Oxim
N NH CO NH2
− H2O
R C R'
Semicarbazid
Semicarbazon
R' O +
R C R'
H2N NH2
− H2O
N NH2
RR'CO
N
C
R C R
R'
Hydrazin
N C
R'
R
Azin
Hydrazon
Bei Umsetzungen unsubstituierter Hydrazine können beide Aminogruppen reagieren, so dass sich neben den Hydrazonen auch Azine bilden können. Phenylhydrazone und Semicarbazone sind in der Regel sehr gut kristallisierende Verbindungen und dienten daher früher zur Identifizierung von Carbonylverbindungen (anhand ihres Schmelzpunktes). Bei Umsetzungen von Aldehyden und unsymmetrischen Ketonen (R ¤ R0 ) können sich bei deren Derivaten zwei stereoisomere Produkte bilden (E=Z-Isomere, s. Abschn. 2.4). Hinweis: Die Bezeichnung der Produkte richtet sich danach, ob die Ausgangsverbindung ein Aldehyd oder ein Keton ist, also z. B. Aldimin bzw. Ketimin, Aldoxim bzw. Ketoxim etc. Sekundäre Amine reagieren unter Bildung eines teilweise isolierbaren Primäraddukts, welches unter Wasserabspaltung in ein Enamin übergeht: R1 O HC C + R R2
HNR'2
R1 OH HC C NR2' R R2
R1 NR'2 + H2O C C 2 R R
Primäraddukt
Enamin
Spaltet das Primärprodukt intramolekular kein Wasser ab (z. B. bei Aldehyden ohne ’-Wasserstoffatom), sondern reagiert mit einem weiteren Molekül Amin, so erhält man Aminale. Auch diese Reaktion wird durch Säure katalysiert und ist daher völlig analog zur Bildung von Acetalen. O C
+ HNR2 H
OH C NR2 H
+
+ HNR2 / H
NR2 C NR2 + H2O H Aminal
252
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
Tertiäre Amine reagieren nicht, da sie keinen Wasserstoff am Stickstoffatom tragen. Enamine stehen mit den Iminen in einem tautomeren Gleichgewicht, das der Keto-Enol-Tautomerie analog ist: 1
1
R
R NR' HC C 2 R R
1
NHR'
C C R
R
C C
2
R
R
+
1
R
NR'2
_
NR'2
C C
2
R
R
R
2
Die Imine können als Ketonderivate von Nucleophilen am Imin-Kohlenstoff angegriffen werden. Auf der anderen Seite ist die Amino-Gruppe ein Elektronendonor. Enamine sind daher am “-C-Atom negativ polarisiert und können dort als Nucleophile leicht mit Elektrophilen umgesetzt werden. Imine, Enamine und Ketone kann man bezüglich ihrer Reaktivität wie folgt einstufen: 1. Reaktion an der Carbonylgruppe: Iminiumionen erhält man durch Protonierung von Iminen oder Enaminen. Für diese lassen sich mesomere Grenzstrukturen formulieren mit einer positiven Ladung am C-Atom. Iminiumionen sind daher an dieser Stelle stärker positiviert als die Carbonylgruppe und somit reaktiver. Da Stickstoff weniger elektronegativ ist als Sauerstoff, sind Imine weniger reaktionsfähig als Carbonylverbindungen. +N
C
N C+
O C
>
Iminium-Ion
N C
>
Carbonylgruppe
Imin
2. Reaktionen am “-C-Atom: Das Enolat mit seiner negativen Ladung hat die mit Abstand größte Reaktivität. Da Stickstoff weniger elektronegativ ist als Sauerstoff, und er zusätzlich einen stärkeren CM-Effekt ausübt, besitzen Enamine eine höhere negative Ladungsdichte am “-C-Atom. Enamine sind daher nucleophiler als Enole.
Enolat
OH
NRR'
O C C
>
C C Enamin
>
C C Enol
Anwendungsbeispiele: Reduktive Aminierung (Abschn. 14.1.2.5), Synthese von 1,3-Diketonen (Abschn. 16.3.4), Heterocyclen-Synthesen (Kap. 22).
17.1
Additionen von Hetero-Nucleophilen
253
Umsetzungen mit Ammoniak Besonderes Interesse verdienen die Reaktionen, die Formaldehyd und Acetaldehyd mit Ammoniak eingehen können. Acetaldehyd reagiert mit NH3 über ein Acetaldimin zu 2,4,6-Trimethyl-hexahydro-1,3,5-triazin: O 3 H3C C
+ 3 NH3
NH
H2O
H3C
CH3
H
3 H3C C
H Acetaldehyd
H N
H Acetaldimin
H HN
NH
H3C
H
Formaldehyd reagiert prinzipiell ähnlich. Die Reaktion geht jedoch weiter, indem das Triazin mit Ammoniak zum Endprodukt Hexamethylentetramin (Urotropin) weiter reagiert. Dieses zersetzt sich unter Säureeinfluss wieder in den bakterizid wirkenden Formaldehyd.
O 3 H C
+ 3 NH3
3 H2O
H2C
H N
CH2
+ 3 HCHO + NH3 , − 3 H2O
HN
NH C H2 Hexahydro1,3,5-triazin
H Formaldehyd
N H2C CH2 H2C H2 N N C N H2C C H2 Hexamethylentetramin
Die Umsetzung von Benzaldehyd (PhCHO) mit NH3 weicht ebenfalls vom üblichen Reaktionsschema ab. Es entsteht zunächst das erwartete Benzaldimin, das sofort mit überschüssigem Benzaldehyd zu Hydrobenzamid kondensiert: O 2 Ph C
+ 2 NH3 H
Benzaldehyd
2 H2O
NH 2 Ph C H Benzaldimin
PhCHO
Ph CH N CH Ph + H2O Ph CH N Hydrobenzamid
17.1.4 Reaktion mit S-Nucleophilen Umsetzungen mit Thiolen Analog zur Umsetzung von Carbonylverbindungen mit Alkoholen verläuft die Umsetzung mit Thiolen. Dabei bilden sich Thioacetale bzw. Thioketale. Deren Bildung erfolgt sehr leicht, da Thiole sehr nucleophil sind, viel nucleophiler als Alkohole oder Wasser. Deshalb ist die Thioacetalbildung eigentlich auch keine Gleichgewichtsreaktion mehr. Prinzipiell sollten sich Thioacetale ebenfalls im Sauren spalten lassen, jedoch reagiert das über den Schwefel stabilisierte Carbeniumion leichter mit dem abgespaltenen Thiol (unter erneuter Thioacetalbildung) als mit Wasser unter Thioacetalspaltung (vgl. Acetalspaltung). Man arbeitet daher in Gegenwart von
254
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
Quecksilbersalzen, welche unlösliche Mercaptide bilden und dadurch das abgespaltene Thiol aus dem Gleichgewicht entfernen. SR' R C SR' H Thioacetal
O + 2 R'SH
R C H
O
+
H2O / H HgCl2
+ Hg(SR')2 + 2 HCl
R C H
Mercaptid
Den von den Aldehyden abgeleiteten Thioacetalen kommt eine besondere Bedeutung zu, da das verbleibende Wasserstoffatom mit starken Basen entfernt werden kann. Das gebildete Carbanion kann dann mit Elektrophilen umgesetzt werden. Die ursprünglich positivierte Carbonylgruppe wurde also umgepolt (s. Abschn. 15.2). Addition von Natriumhydrogensulfit Natriumhydrogensulfit (Bisulfit) addiert ebenfalls an Carbonylverbindungen unter Bildung eines wasserlöslichen Addukts. Diese Reaktion wird daher zur Reinigung und Abtrennung von Carbonylverbindungen von anderen organischen Verbindungen verwendet. Nach Zugabe von Säuren oder Basen wird aus dem kristallinen Addukt (Bisulfit-Addukt) die Carbonylverbindung wieder freigesetzt: OH − + R C SO3 Na R' Addukt
O + NaHSO3
R C R'
O
+
H
+ + H2O + SO2 + Na
R C R'
17.2 Additionen von Kohlenstoff-Nucleophilen 17.2.1
Umsetzungen mit Blausäure bzw. Cyanid
17.2.1.1 Cyanhydrinbildung Durch Anlagerung von Blausäure (HCN) an Carbonylverbindungen erhält man ’Hydroxycarbonitrile, so genannte Cyanhydrine: O + HCN
R C R'
OH R C CN R' Cyanhydrin
Die Reaktion erfolgt in wässrigem Milieu in Gegenwart schwacher Basen, die das nucleophile Cyanidion CN erzeugen. Die Reaktion ist reversibel, deshalb lassen sich Cyanhydrine im Basischen auch wieder spalten. Die Gleichgewichtslage hängt von der Struktur der Carbonylverbindung ab, wobei sowohl elektronische als auch sterische Effekte eine Rolle spielen. So sind die Cyanhydrine von Aldehyden stabiler als die von Ketonen (wieso?).
17.2 Additionen von Kohlenstoff-Nucleophilen
255
Diese Reaktion kann auch verwendet werden zur Verlängerung von Zuckern (Kiliani-Fischer-Synthese, Abschn. 28.1.3.1)
17.2.1.2 Strecker-Synthese Führt man die Reaktion in Gegenwart stöchiometrischer Mengen Ammoniak durch, so erhält man nach vorgelagerter Iminbildung ’-Aminonitrile. Diese lassen sich durch Verseifung in ’-Aminosäuren überführen (s. Abschn. 29.1.3). NH2 R C CN H
O R C + HCN + NH3 H
2 H2 O / H
+
NH2 R C COOH H
17.2.1.3 Benzoinkondensation Führt man die Umsetzung mit Cyaniden nicht in Wasser durch, sondern in organischen Lösemitteln, so erhält man keine Cyanhydrine, wegen einer ungünstigen Gleichgewichtslage. Bei aromatischen Aldehyden (Aldehyde ohne acides ’-HAtom) bilden sich ’-Hydroxyketone, so genannte Acyloine. Führt man die Reaktion mit Benzaldehyd durch, erhält man Benzoin. Es genügen hierbei katalytische Mengen an Cyanid. −
2
CHO
CN
CH C OH O
Benzaldehyd
Benzoin
Zum Mechanismus der Reaktion O
O Ph
C
+
Ph
C N
H
OH
C H
Ph
CN
C
O
CN
C Ph H
H O Ph
C
OH C Ph + CN H
−
Ph
O
OH
C
C Ph
CN H
Ph
O
O
C
C Ph
CN H
Im ersten Schritt erfolgt eine Addition des Cyanids an die Carbonylgruppe. Dieser Schritt ist identisch mit der Cyanhydrinbildung. Nur erfolgt dort eine Protonierung des basischen „Alkoholats“ durch das Lösemittel Wasser, was hier nicht möglich ist. Bei Verwendung aromatischer Aldehyde ist die benzylische CH-Bindung relativ acide, zum einen aufgrund der stark elektronenziehenden Cyanogruppe, zum anderen da das gebildete Carbanion gut über den aromatischen Ring stabilisiert werden kann. Es erfolgt also eine Umprotonierung. Das dabei gebildete Carbanion ist nun in der Lage als C -Nucleophil die Carbonylgruppe eines zweiten Aldehyds
256
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
anzugreifen. Im gebildeten Addukt ist die entstandene Alkoholatfunktion basischer als die benachbarte Hydroxylgruppe, die über den elektronenziehenden Cyanidrest acidifiziert wird. Daher kommt es zu einer erneuten Umprotonierung. Unter Abspaltung von Cyanid bildet sich schließlich das Benzoin. Das ursprünglich eingesetzte Cyanid wird also am Ende der Reaktion wieder freigesetzt, daher genügen katalytische Mengen. Analoge Umsetzungen lassen sich auch durch Thiazoliumsalze katalysieren (Stetter-Reaktion, s. Abschn. 16.3.1). Da diese weniger basisch sind als Cyanid, besteht hier nicht die Gefahr einer Aldolreaktionen, so dass sich mit diesen auch aliphatische Aldehyde zu Acyloinen umsetzen lassen.
17.2.2
Umsetzungen mit Grignard-Reagenzien
Bei der Addition von Grignard-Verbindungen an Aldehyde entstehen sekundäre Alkohole (Formaldehyd: primäre Alkohole), während die Addition an Ketone tertiäre Alkohole liefert (s. Abschn. 15.4.2). δ−
δ+ MgBr
+O
δ R C
+ H
CH3 δ−
O MgBr R C CH3 H
OH R C + Mg(OH)Br CH3 H
+ H 2O
17.2.3 Umsetzungen mit Acetyliden Endständige Alkine sind vergleichsweise acide (pKs 25) und lassen sich daher mit starken Basen wie Natriumamid (in Ammoniak) deprotonieren. Die dabei erhaltenen Acetylide sind gute Nucleophile, die mit Aldehyden und Ketonen zu den entsprechenden ungesättigten Alkoholen abreagieren. Technisch wichtig sind vor allem Umsetzungen von Ethin (Acetylen) (Reppe-Chemie), z. B. mit Formaldehyd. Dabei bildet sich neben 2-Propin-1-ol (Propargylalkohol) auch 2-Butin1,4-diol durch zweifache Umsetzung. HC CH
+ CH2O
Acetylen
Formaldehyd
17.2.4
NaNH2
HC C CH2
OH
Propargylalkohol
+
HO CH2 C C CH2
OH
2-Butin-1,4-diol
Umsetzungen mit Phosphor-Yliden
Quartäre Phosphoniumhalogenide mit ’-ständigem H-Atom werden durch starke Basen (z. B. n-Butyllithium) deprotoniert (s. Abschn. 15.4.5). Dabei bilden sich mesomeriestabilisierte Ylide mit einer stark polarisierten P=C-Bindung. Diese reagieren mit Aldehyden (nicht mit Ketonen) unter Bildung eines Oxaphosphetans, welches in Triphenylphosphanoxid und ein Alken zerfällt (Wittig-Reaktion).
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen R
1
H
+
1
2
X
R
n-BuLi
R C PPh3 R
257
−
− LiX
−
quartäres Phosphonium-Salz
R
+
C PPh3
H
RCHO
1
2
R
H
O PPh3
1
R
2
R Oxaphosphetan
Phosphor-Ylid
C C
R
O +
R
2
PPh3
Alken
Analoge Reaktionen lassen sich auch mit Phosphonsäureestern durchführen (Abschn. 15.4.5) (Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion), wobei die gebildeten Ylide auch mit Ketonen umgesetzt werden können.
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen 17.3.1 Bildung und Eigenschaften von Carbanionen Carbonylverbindungen sind Schlüsselsubstanzen bei vielen Synthesen. Dies gilt vor allem für Verbindungen, die am ’-C-Atom zur Carbonyl-Funktion ein H-Atom besitzen. Die elektronenziehende Wirkung des Carbonyl-O-Atoms und die daraus resultierende Positivierung des Carbonyl-C-Atoms beeinflussen die Stärke der CHBindung an dem zur >CDO-Gruppe benachbarten ’-C-Atom in besonderem Maße. Dadurch ist es oft möglich, dieses H-Atom mit einer Base Bl als Proton abzuspalten. Man spricht daher auch von einer CH-Acidität dieser CH-Bindung. I
Es entstehen negativ geladene Ionen, die als mesomeriestabilisierte Enolationen bzw. Carbanionen formuliert werden können: Elektrophil
BI− +
R O H C C R R'
R
O
R
C C
BH + R
O C C
R'
Enolat
R
R'
Carbanion
Das Enolat-Ion ist ein ambidentes Nucleophil, d. h. es hat zwei reaktive Zentren. Beide sind nucleophil und können somit mit Elektrophilen reagieren. Verwendet man Carbonylverbindungen als Elektrophile so finden wichtige CC-Knüpfungsreaktionen statt. Beispiel: Aldol-Reaktion. Die Lage des Gleichgewichts bei der Carbanion-Bildung ist abhängig von den Basizitäten der Base BI und des gebildeten Carbanions. Eine elektronenziehende Gruppe (R, R0 ) steigert die Acidität des betreffenden H-Atoms. Es ist daher wichtig die pKs -Werte (s. 2. Umschlagseite) der beteiligten Reaktionspartner zu kennen. I
Die aktivierende Wirkung von C(DO)Y nimmt wegen der zunehmenden Elektronendonor-Wirkung von Y in folgender Reihe ab:
258
17 O
R' CH2
O >
C
R' CH2
H
O >
C
R' CH2
O >
C
R
pKs 16-17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
R' CH2
OR ≈24
19-20
O >
C
NR2
≈26
R' CH2
C O
>30
Auch andere elektronenziehende Substituenten wie CN oder NO2 können zur Stabilisierung von ’-Carbanionen beitragen. Bezüglich ihrer acidifizierenden Wirkung lässt sich folgende Reihe angeben: O R' CH2
NO2 >
R' CH2
O >
C
R' CH2
H
10
pK s
O >
C
R' CH2
R
17
>
C
R' CH2
C N
OR
20
24
25
17.3.2 Aldol-Reaktion 17.3.2.1 Basenkatalysierte Aldol-Reaktionen Bei der basenkatalysierten Reaktion zweier Aldehyde entsteht ein Alkohol, der noch eine Aldehyd-Gruppe enthält („Aldol“). Prinzipiell können auch verschiedene Carbonylverbindungen miteinander umgesetzt werden (gekreuzte Aldolreaktion). Voraussetzung ist, dass einer der Reaktionspartner (die „Methylen-Komponente“) ein acides ’-H-Atom besitzt, das durch eine Base BI unter Bildung eines Carbanions abgespalten werden kann. Ketone reagieren analog. Bei Reaktionen mit Aldehyden fungieren Ketone wegen ihrer geringeren Carbonylaktivität stets als Methylen-Komponente. H −
BI
+ CH CHO
BH +
R
R O
O R'
C
H
+
CH CHO R
CH CHO
R' C CH CHO H R
OH BH
− R' C CH CHO + BI
H R Aldolprodukt
Das mit einer Base gebildete Carbanion kann als Nucleophil mit einer weiteren Carbonylgruppe reagieren: I
Der nucleophile Angriff des Carbanions am Carbonyl-C-Atom hat somit eine Verlängerung der Kohlenstoffatom-Kette zur Folge.
Das Produkt einer basenkatalysierten Aldoladdition ist eine “-Hydroxycarbonylverbindung (s. Abschn. 16.3.2). An diese Addition kann man die Abspaltung von Wasser (Dehydratisierung) anschließen, wenn man Säure zusetzt, so dass ’,“-ungesättigte Carbonylverbindungen (s. Abschn. 16.3.8)
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen
259
entstehen. Besonders leicht erfolgt die Eliminierung, wenn man aromatische Aldehyde verwendet, da hierbei ein ausgedehntes konjugiertes System entsteht. In der Regel bildet sich das Eliminierungsprodukt mit einer trans (E-) Doppelbindung OH
+
R' C CH CHO
H
H R
R' C C CHO + H2O H R
Beachte: Die Reaktionsfolge, die zum Aldolprodukt führt, ist auch umkehrbar („Retro-Aldolreaktion“), sofern keine Dehydratisierung stattfindet. Homoaldol-Reaktionen Aldehyde liegen mit ihrem pKs -Wert in demselben Bereich wie Alkohole und Wasser. Daher sind Alkalihydroxide und -alkoholate geeignet um einen Aldehyd im Gleichgewicht zu deprotonieren. Aufgrund des Gleichgewichts liegen ausreichende Mengen an Enolat und Aldehyd vor, die miteinander reagieren können:
H 2O +
HO + H3C CHO
CH2 CHO
H3C CHO
OH H3C C CH2 CHO + HO H
Acetaldehyd
Aldol 3-Hydroxybutanal
Das bei der Umsetzung von Acetaldehyd gebildete Produkt war namengebend für diese Reaktion. Der Name Aldol-Reaktion ist mittlerweile für diese Art von Umsetzung allgemein üblich, auch wenn statt Acetaldehyd andere Aldehyde oder gar Ketone eingesetzt werden. Die analoge Reaktion mit Aceton liefert Diacetonalkohol als Aldoladditionsprodukt und Mesityloxid als Eliminierungsprodukt. Ketone wie Aceton, die über zwei CH-acide Positionen verfügen, können mit beiden Positionen Aldolreaktionen eingehen. O H3C
C
O + CH3
H3C
C
Base CH3
Aceton
OH O + H+ H3C C C CH3 − H2O CH2 H3C 4-Hydroxy-4-methyl-2-pentanon Diacetonalkohol
H3C
O
C
C
H3C
CH
CH3
4-Methyl-3-penten-2-on Mesityloxid
Gekreuzte Aldolreaktionen Von gekreuzten Aldolreaktionen spricht man, wenn zwei verschiedene Carbonylkomponenten miteinander umgesetzt werden. Besitzen beide Carbonylverbindungen eine ähnliche Carbonylaktivität und Struktur (z. B. beide mit ’-H), so erhält man hierbei Produktgemische. Dies ist meist unerwünscht und sollte vermieden werden. Hierzu gibt es folgende Möglichkeiten:
260
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
1. Gekreuzte Aldolreaktionen zwischen Aldehyden Aldehyde lassen sich dann gezielt miteinander umsetzen, wenn einer der Aldehyde kein acides ’-H-Atom hat. Dieser kann dadurch nicht deprotoniert werden und somit nur als Carbonylkomponente fungieren. Der zweite Aldehyd muss ein ’-H-Atom besitzen, damit er ein Enolat bilden kann. Diesen Aldehyd bezeichnet man als Methylenkomponente. Der Aldehyd ohne ’-H sollte zudem carbonylaktiver sein als der mit ’-H, damit dieser nicht mit sich selber reagiert. Beispiel Technische Herstellung von Pentaerythrit O H
C
O + H
H3C
Formaldehyd
C
Ca(OH)2 H
HOH2C HOH2C C CHO HOH2C
Acetaldehyd
+ CH2O − HCOOH
HOH2C HOH2C C CH2OH HOH2C
3-Hydroxy-2,2-bis(hydroxymethyl)-propanal
Pentaerythrit
Der eingesetzte Formaldehyd besitzt kein ’-H und ist zudem viel reaktiver als der Acetaldehyd, der demzufolge als Methylenkomponente reagiert. Da Acetaldehyd über drei acide ’-H-Atome verfügt, können hierbei alle drei substituiert werden. Das gebildete „dreifache Aldolprodukt“ wird anschließend in einer gekreuzten Cannizarro-Reaktion (s. Abschn. 17.1) zum vierwertigen Alkohol Pentaerythrit reduziert. In der Cannizarro-Reaktion fungiert überschüssiger Formaldehyd als Reduktionsmittel, wobei dieser zur Ameisensäure oxidiert wird. 2. Gekreuzte Aldolreaktionen zwischen Aldehyden und Ketonen Aldehyde sind carbonylaktiver als Ketone. Ketone reagieren daher immer als Methylenkomponente, Aldehyde als Carbonylkomponente. Besonders günstig ist es, wenn der Aldehyd kein ’-H-Atom besitzt. O PhCHO + H3C Benzaldehyd
C
Base CH3
Ph
OH
O
CH
C
CH2
CH3
+ H+ − H2O
4-Hydroxy-4-phenyl-2-butanon
O Ph
CH
CH
C
CH3
4-Phenyl-3-buten-2-on
3. Verwendung starker Basen Aldehyde und Ketone lassen sich nahezu beliebig miteinander umsetzen, wenn man zur Deprotonierung nicht Alkoholate oder Hydroxide verwendet, sondern starke Basen wie etwa Lithiumdiisopropylamid (LDA). Die pKs -Werte von Aminen (pKs : 30–35) liegen weit über denen der Aldehyde und Ketone (pKs : 16–20). Bei Verwendung von Amidbasen liegt das Gleichgewicht der Deprotonierung vollständig auf der Seite des Enolats (kein Gleichgewicht wie im Fall der Alkoholate). Gekreuzte Aldolreaktionen kann man durchführen, indem man eine Carbonylkomponente mit ’-H-Atom vorlegt und mit LDA deprotoniert (Methylen-
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen
261
komponente). Erst dann gibt man die zweite Komponente (auch mit ’-H) hinzu, die dann mit dem Enolat als Carbonylkomponente abreagiert. Li+ + O − Li
O R
C
−
CH3
+ iPr2N Li+
R
C
O
+ iPr2NH
O−
O
CH2
CH2
C
R
17.3.2.2 Säurekatalysierte Aldol-Reaktionen (Aldol-Kondensation) Die Aldol-Reaktion z. B. mit Acetaldehyd kann auch säurekatalysiert ablaufen. Der Acetaldehyd wird protoniert und reagiert dann mit der Methylenkomponente. Diese liegt dabei in der Enol-Form vor, deren Bildung durch Protonierung an der Carbonyl-Gruppe erleichtert wird. Die CDC-Doppelbindung ist elektronenreich und kann daher nucleophil an der protonierten Carbonylgruppe angreifen. +
OH
OH H protonierter Acetaldehyd
+
OH
H3C C CH2 C
+ H 2C C
H 3C C
OH
H
H
+ −H
OH
O
H3C C CH2 C
H
H
H
Enolform Acetaldehyd
H + − H 2O O H 3C
CH
CH
C
H
Crotonaldehyd
Man erkennt, dass dabei dasselbe Endprodukt wie bei der basenkatalysierten Addition entsteht, jedoch lässt sich die säurekatalysierte Aldol-Reaktion nicht auf der Stufe des Aldols stoppen. Im Sauren erfolgt direkt die H2 O-Abspaltung unter Bildung von Crotonaldehyd, eines ’,“-ungesättigten Aldehyds.
17.3.3 Mannich-Reaktion Völlig analog zur sauer katalysierten Aldolreaktion verläuft die Mannich-Reaktion, nur dass anstelle eines Aldehyds oder Ketons als Carbonylkomponente ein Iminiumion verwendet wird. Dieses bildet sich aus einem Aldehyd und einem (in der Regel) sekundären Amin im schwach sauren Milieu (s. Abschn. 17.1.3). Ein Reaktionsteilnehmer ist in der Regel Formaldehyd, dazu kommen als Variable die C–H-aciden Komponente, z. B. Ketone, und die Amin-Komponente. Man kann die Mannich-Reaktion als Dreikomponenten-Reaktion auffassen, durch die man “-Aminoketone, die sog. Mannich-Basen, erhält. Unter einer Mannich-Reaktion versteht man die Aminoalkylierung von C–H-aciden Verbindungen.
262
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
O H
+ HNR2 H
C
+
+ H − H 2O +
H
H
OH
H C CH2 C
+ H 2C C
C
+
NR2
OH
NR2
R
−H
R
H
O
+
R2N CH2 CH2 C β-Aminoketon "Mannich-Base"
R
Aus Formaldehyd und dem Amin bildet sich ein Iminiumion. Diese Carbonylanaloge Verbindung ist reaktiver als der Formaldehyd (wegen der positiven Ladung) und wird daher bevorzugt vom nucleophilen Enol angegriffen. Die MannichReaktion ist stark pH-abhängig. Einerseits benötigt man die Säure, um bei der Iminiumionbildung H2 O abspalten zu können, andererseits darf das eingesetzte Amin nicht vollständig protoniert werden. Jede Mannich-Reaktion hat daher ihren optimalen pH-Wert. In der Regel erfolgen die Umsetzungen in schwach saurem Milieu. Mannich-Basen lassen sich durch Reduktion in die physiologisch wichtigen “-Aminoalkohole oder durch Erhitzen unter Abspaltung eines sekundären Amins in ’,“-ungesättigte Carbonylverbindungen überführen (Fragmentierung, s. Abschn. 23.2.7). Daher findet die Mannich-Reaktion häufig Anwendung in der Natur- und Wirkstoffsynthese von Stickstoff-haltigen Verbindungen, wie etwas Alkaloiden (s. Kap. 34).
17.3.4 Perkin-Reaktion Die Perkin-Synthese (nur mit aromatischen Aldehyden) dient zur Herstellung ’,“-ungesättigter aromatischer Monocarbonsäuren. Der einfachste Vertreter ist die Zimtsäure. Sie wird durch Kondensation von Benzaldehyd mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat erhalten. Das zunächst entstehende gemischte Säureanhydrid spaltet ein Molekül Carbonsäure ab, und es entsteht Zimtsäure. H O Ph
C
O
H 2C C O
+ H
OH −
H 3C C O Acetanhydrid
AcO Na 180 °C
+
Ph
O
CH CH2 C O
− AcOH Ph
CH
CH
COOH
H 3C C O
Zimtsäure
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen
17.3.5
263
Erlenmeyer Azlactonsynthese
Diese Methode zur Synthese von Aminosäuren (s. a. Abschn. 29.1.3) ist eng verwandt mit der Perkin-Reaktion. Hierbei geht man aus von N-Benzoylglycin (Hippursäure). Durch Umsetzung mit Acetanhydrid erhält man das Hippursäure-Azlacton. Durch Enolisierung bildet sich ein heteroaromatisches System, was ein Vorliegen der Enolform begünstigt. Durch Angriff des Azlactons an einem Aldehyd und anschließende H2 O-Eliminierung erhält man das ungesättigte substituierte Azlacton. Dieses kann durch katalytische Hydrierung und anschließende Hydrolyse in die entsprechende Aminosäure gespalten werden. H
O
O
H2C C HN C
O
OH
Ac2O
OH
H2C C N
HC C N
O
Ph
Ph Azlacton
R
R H2C
CH2 H2N
CH
+
+
PhCOOH
COOH
H + H2O
O C C
O
C
Hippursäure
R
RCHO
C N C
Ph
Ph H2 Pd/C
H
O
C C
HN C
O
OH
R H2C +
H + H2O
H
O
C C N
O C Ph
Ph
Aminosäure
O
C
17.3.6 Knoevenagel-Reaktion I
Die Knoevenagel-Reaktion bietet eine allgemeine Synthesemöglichkeit für Acrylsäure-Derivate und andere Alkene mit elektronenziehenden Gruppen.
Die Knoevenagel-Reaktion ist gewissermaßen ein Spezialfall der Aldolreaktion bei der Methylenkomponenten mit relativ hoher CH-Acidität verwendet werden. In der Regel trägt die Methylenkomponente zwei elektronenziehende Gruppen (Z). Aufgrund der guten Konjugationsmöglichkeiten über die beiden Z-Substituenten erfolgt bei dieser Reaktion immer die H2 O-Eliminierung.
1
R
O
Z1
C
+ H2C R2 Z2
OH Base
Z1
1
R C CH R2
Z = −CHO, −COR, −COOR, −CN, −NO 2
Z2
− H2O
Z1 1
R C C R2
Z2
264
17
Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
Zur Synthese der Zimtsäure verwendet man Benzaldehyd sowie einen Malonester (Z1 D Z2 D –COOR). Der gebildete Benzalmalonester wird hydrolysiert und danach zur Zimtsäure decarboxyliert (s. Abschn. 20.2.2; vgl. Perkin-Reaktion). COOR
O Ph
C
H
COOR
Base
+ H2C
Ph CH HC
COOR
COOR
− H2O
Ph CH C Benzal- COOR malonester
COOR
OH
Malonester
+ H+ − ROH
Ph
CH
CH
COOH
COOH
Δ − CO2
Ph CH C COOH
Zimtsäure
17.3.7 Darzens Glycidester-Synthese Durch Umsetzung von Aldehyden und Ketonen mit ’-halogenierten Carbonsäureestern (s. Abschn. 18.5.4) erhält man ’,“-Epoxyester, so genannte Glycidester. Primär bildet sich wie bei allen Reaktionen des Aldoltyps das entsprechende Alkoholat, welches in diesem Fall mit dem „benachbarten Alkylhalogenid“ in einer SN 2Reaktion unter Bildung des Epoxids reagiert (s. Abschn. 12.3.1). −
H2C COOR Cl
RO
− ROH
−
HC COOR
O RCHO
−
R CH CH COOR
Cl
Cl − Cl
−
O R CH CH COOR Glycidester
17.3.8 Michael-Reaktion Eine bei Naturstoffsynthesen häufig verwendete Reaktion ist die Michael-Reaktion. Ihr Mechanismus ist im Prinzip analog zur Aldol-Reaktion, jedoch fungiert als Carbonylkomponente eine ’,“-ungesättigte Carbonylverbindung. Der Angriff des Nucleophils (Enolat) kann hierbei sowohl an der Carbonylgruppe direkt
17.3 Additionen von Carbonylverbindungen
265
erfolgen (Aldolreaktion) oder an der “-Position (Michael-Addition). Die MichaelReaktion läuft oftmals schneller ab und ist zudem thermodynamisch günstiger. Häufig verwendete Methylenkomponenten sind Malonester, Acetessigester und Cyanoessigester. OH
1
R
β
CH
Aldol + (+ H )
O α
CH
C
2
R
−
+ HC COOR
1
R
CH
CH
4
Michael 1
+
(+ H )
R
R
2
CH
COOR
3
R
4
COOR
3
R
R3
4
C
CH
O
CH
CH2
C
2
R
Als elektrophile Komponente dient ein Alken, das benachbart zur Doppelbindung elektronenziehende Gruppen enthält, z. B. –NO2 , –CRO, –CN oder –SO2 R. In einem Molekül mit einer so aktivierten CDC-Bindung ist das “-C-Atom elektrophil und somit einem Angriff anionischer Nucleophile gut zugänglich.
R
O−
O
β 1
CH
α
CH
C
2
R
1
R
+
CH
CH
C
2
R
17.3.9 Robinson-Anellierung Der Aufbau des Kohlenstoff-Gerüstes von Steroiden beginnt oft mit der sog. Robinson-Anellierung. Dabei stellt man zuerst in einer Michael-Reaktion ein 1,5Diketon her. In einer direkt anschließenden intramolekularen Aldol-Kondensation folgt ein Ringschluss unter Ausbildung eines Cyclohexenon-Ringes. COOR + H 2C O
O CH
C
CH3
2-Oxo-cyclohexanMethylvinylketon carbonsäureester
RO− Michael
COOR CH2
COOR CH2
O H 3C 1,5-Diketon
RO− Aldol
O
OH
O
H + − H 2O COOR
O
18
Carbonsäuren
18.1 Nomenklatur und Beispiele Carbonsäuren sind die Oxidationsprodukte der Aldehyde. Sie enthalten die Carboxyl-Gruppe COOH. Die Hybridisierung am Kohlenstoff der COOHGruppe ist wie bei der Carbonyl-Gruppe sp2 . Viele schon lange bekannte Carbonsäuren tragen Trivialnamen. Nomenklaturgerecht ist es, an den Stammnamen die Endung -säure anzuhängen oder das Wort -carbonsäure an den Namen des um ein C-Atom verkürzten Kohlenwasserstoff-Restes anzufügen. Diese Bezeichnung verwendet man vor allem für komplizierte Verbindungen. Die Stammsubstanz kann aliphatisch, ungesättigt oder aromatisch sein. Ebenso können auch mehrere Carboxylgruppen im gleichen Molekül vorhanden sein. Entsprechend unterscheidet man Mono-, Di-, Tri- und Polycarbonsäuren. Beispiele (die Namen der Salze sind zusätzlich angegeben) H–COOH
H 3 C–COOH
CH 3 –CH 2 –COOH
CH 3 –CH 2 –CH 2 –COOH
Ameisensäure
Essigsäure
Propionsäure
n-Buttersäure
Methansäure
Ethansäure
Propansäure
Butansäure
(Formiate)
(Acetate)
(Propionate)
(Butyrate)
COOH
Cyclohexancarbonsäure
CH 3 –(CH 2 ) 16 –COOH
CH 3 –(CH 2 ) 7 –CH=CH–(CH 2 ) 7 –COOH
Stearinsäure
Ölsäure
Octadecansäure
cis-9-Octadecensäure
isomer mit
trans-9-Octadecensäure
Elaidinsäure
(Stearate)
(Oleate)
(Elaidate)
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_18
267
268
18 COOH
COOH
CH2
COOH
H2N
Benzoesäure (Benzoate)
H
COOH COOH
COOH
Oxalsäure (Oxalate)
p-Aminobenzoesäure (p-Aminobenzoate)
Carbonsäuren
H
Malonsäure (Malonate)
C C
COOH COOH
Maleinsäure (Maleate)
18.2 Herstellung von Carbonsäuren 1. Ein allgemein gangbarer Weg ist die Oxidation primärer Alkohole und Aldehyde. Als Oxidationsmittel eignen sich z. B. CrO3 , K2 Cr2 O7 und KMnO4 . Oxidation
R CH2OH
Oxidation
R CHO
R COOH
Bei der Oxidation von Alkylaromaten werden aromatische Carbonsäuren erhalten: CH3
Oxidation
COOH
Toluol
Benzoesäure
2. Die Verseifung von Nitrilen bietet präparativ mehrere Vorteile. Nitrile sind leicht zugänglich aus Halogenalkanen und KCN (s. Abschn. 10.4.4). Die Verseifung geschieht unter Säure- oder Basekatalyse: O
+
R Cl + NaCN
R CN
H2O / H
+
H2O / H
R C
R COOH + NH3
NH2
3. Eine präparativ wichtige Darstellungsmethode ist die Carboxylierung, z. B. die Umsetzung von Grignard-Verbindungen mit CO2 (s. Abschn. 15.4.2): O R MgCl + CO2
+
H2O / H
R C
R COOH + Mg(OH)Cl
OMgCl
Eine weitere Carboxylierungsreaktion ist die Kolbe-Schmitt-Reaktion zur Herstellung der Salicylsäure (Abschn. 12.2.4.2). Hierbei wird Phenolat mit CO2 umgesetzt: OH
ONa + CO2 Natriumphenolat
4−7 bar 125 °C
+
OH
H2O / H COONa Natriumsalicylat
COOH Salicylsäure
18.3
Eigenschaften von Carbonsäuren
269
4. Eine weitere Methode ist die Malonester-Synthese. Sie bietet eine allgemeine Möglichkeit, eine C-Kette um zwei C-Atome zu verlängern (Abschn. 20.2.2.1). Der primär gebildete substituierte Malonester wird verseift und decarboxyliert. COOR R Br + H2C COOR Malonester
COOR R HC
COOH
+
H2O / H
R HC
COOR substituierter Malonester
COOH substituierte Malonsäure
Δ − CO2
R CH2 COOH
18.3 Eigenschaften von Carbonsäuren Carbonsäuren enthalten in der Carboxylgruppe je eine polare C=O- und OH-Gruppe. Sie reagieren deshalb mit Nucleophilen und Elektrophilen: Sowohl das Proton der OH-Gruppe als auch die OH-Gruppe selbst können durch andere Substituenten ersetzt werden. Die Carbonyl-Gruppe kann am C-Atom nucleophil angegriffen werden. Die Carboxylgruppe als Ganzes besitzt ebenfalls besondere Eigenschaften: −
reagiert elektrophil
δ O
reagiert nukleophil
C H R δ+ O
reagiert sauer
Carbonsäuren können untereinander und mit anderen geeigneten Verbindungen H-Brückenbindungen bilden. Die ersten Glieder der Reihe der aliphatischen Carbonsäuren sind daher unbeschränkt mit Wasser mischbar. Die längerkettigen Säuren werden erwartungsgemäß lipophiler und sind in Wasser schwerer löslich. Sie lösen sich besser in weniger polaren Lösemitteln wie Ether, Alkohol oder Benzol. Der Geruch der Säuren verstärkt sich von intensiv stechend zu unangenehm ranzig. Die längerkettigen Säuren sind schon dickflüssig und riechen wegen ihrer geringen Flüchtigkeit (niederer Dampfdruck) kaum. Carbonsäuren haben außergewöhnlich hohe Siedepunkte (siehe Tab. 18.1) und liegen sowohl im festen als auch im dampfförmigen Zustand als Dimere vor, die durch H-Brückenbindungen zusammengehalten werden: O
H O C R
R C O H
O
Die erheblich größere Acidität der COOH-Gruppe im Vergleich zu den Alkoholen beruht auf der Mesomeriestabilisierung der konjugierten Base (vgl. auch Phenole). Die Delokalisierung der Elektronen führt zu einer symmetrischen Ladungsverteilung und damit zu einem energieärmeren, stabileren Zustand.
270
18
Carbonsäuren
Tab. 18.1 Verwendung und Eigenschaften von Monocarbonsäuren Name
Formel
Ameisensäure Essigsäure Propionsäure Buttersäure Isobuttersäure n-Valeriansäure Capronsäure Palmitinsäure Stearinsäure Acrylsäure Sorbinsäure
HCOOH CH3 COOH C2 H5 COOH CH3 (CH2 /2 COOH (CH3 /2 CHCOOH CH3 (CH2 /3 COOH CH3 (CH2 /4 COOH CH3 (CH2 /14 COOH CH3 (CH2 /16 COOH CH2 DCHCOOH
Ölsäure
cis-Octadecen-(9)säure cis,cis-Octadecen(9,12)-säure cis,cis,cis-Octadecen(9,12,15)-säure C6 H5 COOH o-HOC6 H4 COOH
Linolsäure Linolensäure Benzoesäure Salicylsäure
COOH
O R C O H
−H
+
+H
+
Schmp. (ı C) 8 16,6 22 6 47 34,5 1,5 63 70 13 133
Sdp. (ı C) 100,5 118 141 164 155 187 205
pKs 3,77 4,76 4,88 4,82 4,85 4,81 4,85
141
4,26
Vorkommen, Verwendung Ameisen, Brennnesseln Lösemittel, Speiseessig Konservierungsmittel Butter, Schweiß Johannisbrot Baldrianwurzel Ziege Palmöl Talg Kunststoffe Konservierungsmittel
16
in Fetten und Ölen
5
in Fetten und Ölen
11
in Fetten und Ölen
122 159
250
4,22 3,00
O −
O R C
Konservierungsmittel Konservierungsmittel
R C O −
O
O R C − O
18.3.1 Substituenteneinflüsse auf die Säurestärke Die Abspaltung des Protons der Hydroxyl-Gruppe wird durch den Rest R in RCOOH beeinflusst. Dieser Einfluss lässt sich mit Hilfe induktiver Effekte plausibel erklären (siehe Tab. 18.2).
18.3.1.1 Elektronenziehender Effekt (I-Effekt) Elektronenziehende Substituenten wie Halogene, –CN, –NO2 oder auch –COOH bewirken eine Zunahme der Acidität. Ähnlich wirkt eine in Konjugation zur Carboxylgruppe stehende Doppelbindung. Bei den ’-Halogen-carbonsäuren X–CH2 COOH nimmt der Substituenteneinfluss entsprechend der Elektronegativität der Substituenten in der Reihe F > Cl > Br > I deutlich ab, was an der Zunahme der zugehörigen pKs -Werte (s. Tab. 18.1) zu erkennen ist: (pKs D 2;66; 2,81; 2,86; 3,12 für X D F, Cl, Br, I).
18.3
Eigenschaften von Carbonsäuren
271
Tab. 18.2 pKs -Werte von Carbonsäuren Name Essigsäure Acrylsäure Monochloressigsäure Dichloressigsäure Trichloressigsäure “-Chlorpropionsäure ’-Chlorpropionsäure
Formel CH3 COOH CH2 DCHCOOH ClCH2 COOH
pKs 4,76 4,26 2,81
Name Trimethylessigsäure Isobuttersäure Propionsäure
Cl2 CHCOOH 1,30 Essigsäure Cl3 CCOOH 0,65 Ameisensäure ClCH2 CH2 COOH 4,1 Trifluoressigsäure CH3 CHClCOOH
2,8
Formel (CH3 /3 CCOOH (CH3 /2 CHCOOH CH3 CH2 COOH
pKs 5,05 4,85 4,88
CH3 COOH HCOOH F3 CCOOH
4,76 3,77 0,23
Benzoesäure
4,22 COOH
Die Stärke des I-Effektes ist auch von der Stellung der Substituenten abhängig. Mit wachsender Entfernung von der Carboxylgruppe nimmt seine Stärke rasch ab (vgl. “-Chlorpropionsäure). Bei mehrfacher Substitution ist die Wirkung additiv, wie man an den pKs Werten der verschieden substituierten Chloressigsäuren erkennen kann. Trifluoressigsäure (CF3 COOH) erreicht schon die Stärke anorganischer Säuren.
18.3.1.2 Elektronendrückender Effekt (C I-Effekt) Elektronendrückende Substituenten wie Alkyl-Gruppen bewirken eine Abnahme der Acidität (Zunahme des pKs -Wertes), weil sie die Elektronendichte am Carboxyl-C-Atom und am Hydroxyl-Sauerstoff erhöhen. Alkyl-Gruppen haben allerdings keinen so starken Einfluss wie die Gruppen mit einem I-Effekt. 18.3.1.3 H-Brückenbildung Ein interessanter Fall liegt bei der Salicylsäure (o-Hydroxybenzoesäure) vor, deren Anion sich durch intramolekulare H-Brückenbindungen stabilisieren kann. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung der Acidität. O C
+ − H
H O
H
O
O C
H O−
pKs: 2,97
O
Berechnung des pH-Werts einer wässrigen Carbonsäurelösung Beispiel: 0,1 molare Propionsäure; pKs D 4,88; c D 101 . pH D 1=2pKs 1=2 lg cI
pH D 2;44 1=2.1/ D 2;94
272
18
Carbonsäuren
18.4 Reaktionen von Carbonsäuren 18.4.1 Reduktion Carbonsäuren lassen sich durch starke Reduktionsmittel wie Lithiumaluminiumhydrid zu Alkoholen reduzieren. Im ersten Schritt bildet sich das Lithiumsalz der Carbonsäure, welches anschließend reduziert wird. R COOH
+ LiAlH4 − H2 , − AlH3
−
R COO Li
+ LiAlH4
+
−
R CH2 O Li
+
+ H2O − LiOH
RCH2OH
18.4.2 Abbau unter CO2 -Abspaltung (Decarboxylierung) Decarboxylierungen sind möglich durch Erhitzen der Salze (über 400 ı C), Oxidation mit Bleitetraacetat oder durch oxidative Decarboxylierung von Silbersalzen zu Bromiden (Hunsdiecker-Reaktion, s. Abschn. 9.3). R COO -Ag+ + Br 2
R Br + CO 2 + AgBr
18.4.3 Bildung von Derivaten (s. Kap. 19) Carbonsäuren sind Ausgangsverbindungen für die Herstellung einer Vielzahl von Derivaten: O R C
Carbonsäurehalogenide X
HX O R C
O Ester
R C
R'OH
OR' R'NH2
O
OH H2O2
Amide
R C O
NHR'
R C OOH
Persäuren
18.5 Spezielle Carbonsäuren 18.5.1 Dicarbonsäuren Dicarbonsäuren enthalten zwei Carboxyl-Gruppen im Molekül und können daher in zwei Stufen dissoziieren. Die ersten Glieder der homologen Reihe sind stärker sauer als die entsprechenden Monocarbonsäuren, da sich die beiden Carboxyl-
18.5 Spezielle Carbonsäuren
273
Tab. 18.3 Eigenschaften, Vorkommen und Verwendung von Dicarbonsäuren Trivialname
Formel
pKs1
pKs2
HOOC–COOH
Schmp. (ı C) 189
Oxalsäure
1,46
4,40
Malonsäure Bernsteinsäure
HOOCCH2 COOH HOOC(CH2 /2 COOH
135 185
2,83 4,17
5,85 5,64
Glutarsäure Adipinsäure
HOOC(CH2 /3 COOH HOOC(CH2 /4 COOH
97,5 151
4,33 4,43
5,57 5,52
Maleinsäure Fumarsäure Acetylendicarbonsäure Phthalsäure
(Z/-HOOCCHDCHCOOH 130 (E/-HOOCCHDCHCOOH 287 HOOC–CC–COOH 179
1,9 3,0 –
6,5 4,5 –
1,2-C6 H4 (COOH)2
231
2,96
5,4
Terephthalsäure
1,4-C6 H4 (COOH)2
300
3,54
4,46
Vorkommen und Verwendung Sauerklee (Oxalis), Harnsteine Leguminosen Citrat-Cyclus, Rhabarber Zuckerrübe Nylonherstellung; Zuckerrübe Citrat-Cyclus Synthesen Weichmacher, Polymere Kunststoffe
Gruppen gegenseitig beeinflussen (I-Effekt). Die einfachen Dicarbonsäuren haben oft Trivialnamen, die auf die Herkunft der Säure aus einem bestimmten Naturstoff hinweisen (Einzelheiten s. Tab. 18.3). Die IUPAC-Nomenklatur entspricht der der Monocarbonsäuren: HOOC–CH2 –CH2 –COOH (Bernsteinsäure) D 1,2-Ethan-dicarbonsäure D Butandisäure.
18.5.1.1 Herstellung von Dicarbonsäuren Die Synthese von Dicarbonsäuren erfolgt meist nach speziellen Methoden. Grundsätzlich können aber die gleichen Verfahren wie bei Monocarbonsäuren angewandt werden, wobei als Ausgangsstoffe bifunktionelle Verbindungen eingesetzt werden. Oxalsäure wurde erstmals von Wöhler (1824) durch Hydrolyse von Dicyan hergestellt: C N C N
COOH
+ 4 H2O
+ 2 NH3
COOH
Dicyan
Oxalsäure
Technisch gewinnt man Oxalsäure durch Erhitzen von Natriumformiat auf 360 ı C. Das dabei gebildete Natriumsalz wird in das schwerlösliche Calciumsalz überführt, aus dem die Oxalsäure durch Zusatz von Schwefelsäure freigesetzt wird. O H C
−
O Na
+
NaOH − H2
−
+
Ca(OH)2
−
+
- 2 NaOH
COO Na COO Na
−
COO
−
COO
Ca
++
H2SO4 − CaSO4
COOH COOH
Die Schwerlöslichkeit des Calciumsalzes ist auch verantwortlich für die Bildung von Blasen- und Nierensteinen (Oxalatsteine).
274
18
Carbonsäuren
Malonsäure entsteht durch Hydrolyse von Cyanessigsäure, die aus Chloressigsäure und KCN erhalten wird: COOH H2C Cl
COOH
KCN − KCl
COOH
+ 2 H2O − NH3
H2C CN
H2C COOH
Adipinsäure erhält man aus Phenol über Cyclohexanon durch oxidative Ringöffnung: OH
OH
+ 3 H2
O
− H2
Kat. Phenol
3 2
Cyclohexanon
Cyclohexanol
COOH
O2 Kat.
COOH Adipinsäure
Maleinsäure als ungesättigte Dicarbonsäure erhält man durch Erhitzen von Äpfelsäure. Unter Wasserabspaltung bildet sich dabei primär das Maleinsäureanhydrid, das zur Dicarbonsäure hydrolysiert werden kann: HO H
H C C H
O COOH COOH
HC
250 °C − 2 H2O
HC
C
HC
+ H2O
O
HC
C
O Maleinsäureanhydrid
Äpfelsäure
COOH COOH
Maleinsäure
Technisch gewinnt man Maleinsäureanhydrid durch katalytische Oxidation von Benzol: O + 4½ O2
V2O5
HC
450 °C
HC
C O
+ 2 CO2
+ 2 H2O
C O
Fumarsäure, die entsprechende E-konfigurierte Dicarbonsäure entsteht durch HBr-Eliminierung aus Monobrombernsteinsäure: Br H
H C C
COOH
COOH H Monobrombernsteinsäure
NaOH − HBr
HC HOOC
COOH
CH
Fumarsäure
18.5 Spezielle Carbonsäuren
275
Die stabilere Fumarsäure bildet sich zudem durch Bestrahlung von Maleinsäure unter Isomerisierung der Doppelbindung. Die umgekehrte Reaktion ist direkt nicht durchführbar. Erhitzt man Fumarsäure auf etwa 300 ı C so findet zwar ebenfalls eine Isomerisierung der Doppelbindung statt, es bildet sich unter diesen Bedingungen jedoch das Maleinsäureanhydrid. HC HC
COOH
HC
hν
COOH
HOOC
Maleinsäure
COOH
CH
Fumarsäure
Fumarsäure spielt im Citronensäure-Cyclus (Citrat-Cyclus) eine wichtige Rolle. Sie entsteht dort bei der Dehydrierung von Bernsteinsäure als Zwischenprodukt. Maleinsäure wurde bisher in der Natur nicht gefunden und ist nur synthetisch zugänglich. Phthalsäure (Benzol-o-dicarbonsäure) entsteht durch Hydrolyse von Phthalsäureanhydrid, hergestellt durch Oxidation von o-Xylol oder Naphthalin. CH3 O CH3
C
O2 V2O5
O
COOH
+ H2O
C
COOH
O Phthalsäureanhydrid
Phthalsäure
Phthalsäure findet Verwendung zur Synthese von Farbstoffen. Sie lässt sich durch Wasserabspaltung leicht in ihr Anhydrid überführen, das ebenfalls als Ausgangsverbindung für chemische Synthesen vielfache Anwendung findet. Terephthalsäure (Benzol-p-dicarbonsäure) erhält man durch Oxidation von pXylol oder Carboxylierung von Benzoesäure mit CO2 . Sie besitzt technische Bedeutung zur Herstellung von Kunststoffen (Polyesterfaser) wie Trevira, Diolen u. a. (s. Abschn. 37.7). H3C
CH3
O2 Kat.
HOOC
COOH
CO2
COOH
Terephthalsäure
18.5.1.2 Reaktionen von Dicarbonsäuren Die Dicarbonsäuren unterscheiden sich durch ihr Verhalten beim Erhitzen: 1,1-Dicarbonsäuren, wie die Malonsäure, decarboxylieren über einen cyclischen Übergangszustand viel leichter als die Monocarbonsäuren:
276
18
O HO
C
H C H2
O C
O
OH
Δ − CO2
HO
C
Carbonsäuren
O
C H2
HO
C
CH3
1,2- und 1,3-Dicarbonsäuren liefern beim Erhitzen cyclische Anhydride: O
O COOH Δ − H2O
H2C H2C COOH
Bernsteinsäure
H2C
CH2 COOH
C
H2C C
H2C
O
CH2 COOH
Δ − H2O
CH2 C H2C
O CH2 C O
O -anhydrid
Glutarsäure
-anhydrid
Besonders leicht geht die Anhydridbildung wenn die zur Cyclisierung benötigte cisoide Struktur der Dicarbonsäure fixiert ist, wie etwa bei der Malein- oder Phthalsäure. Höhergliedrige Dicarbonsäuren mit 5 oder mehr Kohlenstoff-Atomen zwischen den Carboxyl-Gruppen geben beim Erhitzen ausschließlich polymere Anhydride. Durch Erhitzen der Salze werden anstelle der polymeren Anhydride cyclische Ketone erhalten, wenn auch in oft nur mäßigen Ausbeuten. Eine 1,4-Dicarbonsäure wie Adipinsäure wird z. B. in Cyclopentanon übergeführt. Diese Reaktion eignet sich zur Darstellung fünf- und sechsgliedriger cyclischer Ketone. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ketone mit Ringgrößen bis zu 20 Ringatomen erhalten werden. COO COO
− −
Ca++
Δ
O
+ CaCO3
Cyclopentanon
Neben den Dicarbonsäuren lassen sich auch ihre Derivate wie etwa die Diester cyclisieren (s. a. Abschn. 20.2.1.2).
18.5.2 Hydroxycarbonsäuren Außer den bisher besprochenen Carbonsäuren mit einer oder mehreren CarboxylGruppen gibt es auch solche, die daneben noch andere funktionelle Gruppen tragen. Diese haben zum Teil in der Chemie der Naturstoffe große Bedeutung. Zu ihnen zählen u. a. die Aminosäuren (s. Kap. 29) mit einer NH2 -Gruppe, die Hydroxycarbonsäuren mit einer oder mehreren OH-Gruppen und die Oxocarbonsäuren (Abschn. 18.5.3), die Aldehyd- und Keto-Gruppen enthalten.
18.5 Spezielle Carbonsäuren
277
Tab. 18.4 Eigenschaften und Vorkommen von Hydroxycarbonsäuren Schmp. (ı C) Vorkommen 79 In unreifen Weintrauben Sdp. 100 und Zuckerrohr Salze: Glykolate L-Form: 25 L-(+)-Milchsäure: Racemat: 18 Abbauprodukt der KohSdp. 122 lenhydrate im Muskel; Salze: Lactate Sirupös Wichtiges ZwischenproSdp. Zers. dukt im Kohlenhydratstoffwechsel; Salze: Glycerate 100–101 In unreifen Äpfeln u. a. Früchten, bes. in Vogelbeeren. Salze: Malate 170 In Früchten; Salze: Tartrate
Säure Formel Glykolsäure CH2 COOH Hydroxyethansäure OH
Milchsäure 2-Hydroxypropansäure
H3C CH COOH
Glycerinsäure 2,3-Dihydroxypropansäure
CH2 CH COOH
Äpfelsäure 2-Hydroxybutandisäure Weinsäure 2,3-Dihydroxybutandisäure Mandelsäure 2-Hydroxy-2phenylethansäure Citronensäure 2-Hydroxy-1,2,3pentantrisäure
HOOC CH2 CH COOH
OH
OH
OH
OH HOOC CH CH COOH OH OH
C6H5
133
CH COOH OH
153
OH HOOC CH2 C CH2 COOH
Mandeln (Glykosid: Amygdalin) Salze: Mandelate In Citrusfrüchten u. a., Citrat-Cyclus; Salze: Citrate
COOH
Salicylsäure o-Hydroxy-benzoesäure
159
COOH
Ätherische Öle Salze: Salicylate
OH
Man kennt aliphatische und aromatische Hydroxycarbonsäuren mit einer oder mehreren Carboxyl-Gruppen (s. Tab. 18.4).
18.5.2.1 Herstellung von Hydroxycarbonsäuren ’-Hydroxycarbonsäuren erhält man durch Hydrolyse von Cyanhydrinen (s. a. Abschn. 17.2.1): COOH OH
“-Hydroxysäuren erhält man durch Verseifung der entsprechenden “-Hydroxyester, welche z. B. durch Reformatsky-Reaktion (Abschn. 20.2.1.4) zugänglich sind. Durch Verseifung von entsprechenden Lactonen erhält man beliebige andere Hydroxycarbonsäuren. Generell anwendbar ist auch die Reduktion der entsprechenden Ketosäuren (s. a. Abschn. 18.5.3).
278
18
Carbonsäuren
Besonders gut geht die Hydrolyse von Halogencarbonsäuren (s. a. Abschn. 18.5.4), wenn das Halogenatom am Ende einer Carbonsäure sitzt (©-Halogencarbonsäure), da hier ein primäres Halogenid vorliegt, welches besonders leicht substituiert werden kann. OH
OH R CHO + HCN
R CH CN Cyanhydrin
+ 2 H2O − NH3
R CH COOH α-Hydroxycarbonsäure
Ebenfalls gut reagieren ’-Halogencarbonsäuren. Unter den basischen Hydrolysebedingungen bildet sich zuerst das Carboxylat-Ion, welches dann intramolekular das Halogenatom substituieren kann, unter Bildung eines ’-Lactons. Dieses ’Lacton ist sehr gespannt und somit reaktionsfähig und wird von OH verseift, wobei die ’-Hydoxycarbonsäure entsteht. Br
COOH
+ NaOH − NaBr
HO
COOH
Die Carboxylatgruppe beschleunigt also die Hydrolyse durch die intramolekulare Substitution. Man spricht hierbei von einem Nachbargruppeneffekt.
18.5.2.2 Eigenschaften von Hydroxycarbonsäuren Schmelz- und Siedepunkte substituierter Carbonsäuren liegen generell höher als die der unsubstituierten Carbonsäuren (s. Tab. 18.4). Grund hierfür ist die Verstärkung der intermolekularen Wechselwirkungen wegen erhöhter Polarität nach Einführung eines Heteroatoms. Daher sind Hydroxysäuren in Wasser leichter, in Ether hingegen schwerer löslich als die zugehörigen Carbonsäuren. Die ’-ständige Hydroxylgruppe erhöht durch ihren I-Effekt die Acidität der Carboxylgruppe. Beispiele Paare von unsubstituierten und substituierten Carbonsäuren Essigsäure (pKs D 4;76) und Glykolsäure (pKs D 3;82); Propionsäure (pKs D 4;88) und Milchsäure (pKs D 3;85).
18.5.2.3 Reaktionen von Hydroxycarbonsäuren Das chemische Verhalten der Hydroxycarbonsäuren wird durch beide funktionelle Gruppen bestimmt: 1. Mit Säurechloriden können Hydroxysäuren acyliert werden: O R CH COOH Br
NaOH − H 2O
− R CH COO Na+ − NaBr
Br
R CH C α-Lacton
OH NaOH O
−
R CH COO Na+
18.5 Spezielle Carbonsäuren
279 O
OH
O
−
R CH COO Na
+
O
− HCl
+ Ph C
Ph −
R CH COO Na
Cl Benzoylchlorid
Natriumlactat
C
+
O-Benzoyllactat
2. Mit Alkoholen erfolgt bei Säurekatalyse die bekannte intermolekulare Esterbildung: OH
OH
+
R CH COOH
+ R'OH
H
R CH COOR' + H2O
3. Beim Erhitzen spalten Hydroxycarbonsäuren Wasser ab, wobei verschiedene Verbindungen erhalten werden: Aus ’-Hydroxysäuren entstehen durch intermolekulare Wasserabspaltung cyclische Ester, so genannte Lactide: H3C
CH3 HC OH
HOOC
COOH
HO CH
Milchsäure
HC
− 2 H2O
CH3
O
C
O O
O
C
CH
CH3 Lactid 3,6-Dimethyl-1,4-dioxan-2,5-dion
Bei “-Hydroxysäuren erfolgt intramolekulare Wasserabspaltung unter Bildung ’,“-ungesättigter Carbonsäuren: HO CH2 CH2 COOH
Δ − H2O
CH2 CH COOH
β-Hydroxypropionsäure 3-Hydroxypropansäure
Acrylsäure Propensäure
Bei ”- und •-Hydroxycarbonsäuren, bei denen beide Gruppen genügend weit voneinander entfernt sind, bilden sich im Sauren leicht intramolekulare Ester, die Lactone. Im Falle der ”-Hydroxysäuren erhält man Fünfringe (”-Lactone), bei den •-Hydroxysäuren Sechsringe (•-Lactone). O COOH H2C
+
H − H2O
H2C CH2OH
γ-Hydroxybuttersäure
H2C
C
O H2C C H 2 γ-Butyrolacton
280
18
Carbonsäuren
18.5.3 Oxocarbonsäuren Oxocarbonsäuren enthalten außer einer Carboxylgruppe noch mindestens eine weitere Carbonylgruppe, wobei man zwischen Aldehydo- und Ketocarbonsäuren unterscheiden kann.
18.5.3.1 Herstellung von Oxocarbonsäuren Ein generelles Verfahren zu Herstellung beliebiger Oxocarbonsäuren ist die Oxidation der entsprechenden Hydroxycarbonsäuren. Beispiel O
OH Oxidation
H3C CH COOH Milchsäure
H3C C COOH Brenztraubensäure
Je nach Stellung der Oxogruppe gibt es zudem noch eine Reihe spezieller Methoden. ’-Oxocarbonsäuren Diese Verbindungen erhält man durch Hydrolyse von Acylcyaniden, welche aus Säurechloriden und Cyaniden erhältlich sind: O
O
+ CuCN − CuCl
R C Cl
+ 2 H2O − NH3
R C CN
O R C COOH
Glyoxylsäure, die einfachste Aldehydocarbonsäure entsteht durch oxidative Spaltung von Weinsäure mit Bleitetraacetat oder Natriumperiodat (s. Abschn. 12.1.3): OH OH HOOC CH CH COOH
+ Pb(OAc)4 − Pb(OAc)2
Weinsäure
O CH COOH + 2 HOAc Glyoxylsäure
Brenztraubensäure (2-Oxopropansäure, ’-Ketopropionsäure), die einfachste ’-Ketosäure, kann außer durch Oxidation von Milchsäure auch durch Erhitzen von Wein- oder Traubensäure (Racemat der Weinsäure) mit KHSO4 hergestellt werden. Diese als „Brenzreaktion“ bekannte Reaktion ist eine Pyrolyse (Hitzespaltung), daher der Name Brenztraubensäure: HO CH COOH
+
H HO CH COOH − H2O Traubensäure
HC COOH HO C COOH Hydroxymaleinsäure
CH2 COOH O C COOH Oxalessigsäure
Δ − CO2
CH3 O C COOH Brenztraubensäure
Im ersten Schritt erfolgt eine sauer katalysierte Wasserabspaltung unter Bildung der Hydroxymaleinsäure. Diese steht über die Keto-Enol-Tautomerie mit der
18.5 Spezielle Carbonsäuren
281
Oxalessigsäure im Gleichgewicht. Oxalessigsäure ist nicht nur eine ’-Keto- sondern auch eine “-Ketocarbonsäure. “-Ketocarbonsäuren sind nicht sonderlich stabil und spalten beim Erwärmen CO2 ab, wobei sich die Brenztraubensäure bildet.
18.5.3.2 Eigenschaften der Oxosäuren Keto-Enol-Tautomerie (Oxo-Enol-Tautomerie) Wie bei den Ketonen gibt es auch bei Oxosäuren und Oxoestern die Keto-EnolTautomerie, bei den “-Oxoderivaten ist sie sogar besonders stark ausgeprägt, da ein konjugiertes Doppelbindungssystem entsteht. Die Keto-Enol-Tautomerie wurde am Acetessigsäureethylester untersucht: O H3C
C
O C H2
C
92,5 %
O OC2H5
H3C Acetessigester
C
H C H
O C
OC2H5
7,5 %
Der enolische Anteil beträgt bei reinem Acetessigester 7,5 %, in wässriger Lösung 0,4 % und in alkoholischer 12 %, ist also vom Lösemittel abhängig. Der qualitative Nachweis der Enolform erfolgt mit einer Lösung von FeCl3 , das mit dem Enol einen Komplex bildet: Mit FeCl3 entsteht eine tiefrote Lösung. Zum quantitativen Nachweis der Enolform und zur Bestimmung des Enolanteils wird bei 0 ı C mit Brom umgesetzt. Dabei reagiert nur die Enolform rasch. Überschüssiges Brom wird durch 2-Naphthol abgefangen. Das gebildete ’-Bromketon wird anschließend mit Iodwasserstoff reduziert und die dabei freigesetzte Iodmenge titriert. O
H
O
+ Br2 C C H3C C OR − HBr H
O
H
+ HI C C H3C C OR − HBr Br
O
O
H3C
C
O C H2
C
OR
+ ½ I2
Die Lage des Gleichgewichts schwankt je nach Lösemittel und Konzentration. Der Enolgehalt ist höher in verdünnter Lösung und wenig polarem Lösemittel (wie Hexan). Strukturelle Einflüsse sind beträchtlich; so ist Aceton mit 0,00025 % Enol ein typisches Keton. 1,2-Diketone haben i. a. nur geringe Enolisierungstendenz. Dies gilt nicht für cyclische Ketone und Diketone, die stark zur Enolisierung neigen. 1,3-Diketone haben z. B. beträchtliche Enolgehalte, was auf die starke Aktivierung durch zwei Carbonylgruppen zurückgeführt wird. Die Enolformen der 1,3Diketone, die durch Ausbildung eines konjugierten Systems und intramolekulare H-Brückenbindungen stabilisiert sind, liegen hinsichtlich ihrer Säurestärke fast schon in der Größenordnung der Carbonsäuren (s. pKs -Werte, 2. Umschlagseite). Cyclische Diketone sind indes, wie aus ihren Säurekonstanten hervorgeht, hinsichtlich der Enolstabilität schwächere Säuren als Phenol.
282
18
Carbonsäuren
18.5.3.3 Reaktionen der Oxosäuren 2-Oxocarbonsäuren (’-Oxosäuren) Brenztraubensäure und vor allem ihre Salze, die Pyruvate, sind wichtige biochemische Zwischenprodukte beim Abbau der Kohlenhydrate und Fette. Unter anaeroben Bedingungen wird Pyruvat im Säugetierorganismus zu Milchsäure (Lactat) reduziert, z. B. im Muskel bei intensiver Beanspruchung. Bei der alkoholischen Gärung bilden sich durch Decarboxylierung Acetaldehyd und CO2 . Die Decarboxylierung erfolgt unter dem katalytischen Einfluss einer ThiaminEinheit (Vitamin B1) der Pyruvat-Dehydrogenase. Diese greift nucleophil an der Ketogruppe des Pyruvat-Ions an und ermöglicht durch Bildung einer Additionsverbindung die Abspaltung von CO2 (zum Mechanismus vgl. Abschn. 16.3.1). Das erhaltene Produkt wird dann zum Aufbau von Acetyl-Coenzym A verwendet. R −
O
O
N+
+ −
Pyruvat
O
−O
CH3
O
−
CH3
S
O
Thiamin (Teilder Pyruvatdehydrogenase)
CH3 − CO2
C CH3 S
R'
R
R N+
R'
O
N
CH3
H 3C
S
R'
−
Additionsverbindung
Acetylderivat
Acetyl-Coenzym A
Die Decarboxylierung lässt sich in vitro auch durch Erhitzen mit verd. H2 SO4 durchführen. Erwärmt man dagegen mit konz. H2 SO4 , so entstehen Essigsäure und CO (Decarbonylierung, eine typische Reaktion für ’-Ketosäuren).
18.5.3.4 Reaktionen an der Carbonyl-Gruppe Glyoxylsäure bildet ein stabiles, kristallines Hydrat und geht im Übrigen die typischen Reaktionen für Aldehyde/Ketone ein. Brenztraubensäure bildet ein Oxim und ein Hydrazon; sie reagiert positiv mit Tollens-Reagenz. 3-Oxocarbonsäuren (“-Ketocarbonsäuren) Im Gegensatz zu den ’-Ketosäuren sind “-Ketosäuren unbeständig. So zerfällt Acetessigsäure leicht in Aceton und CO2 (Decarboxylierung). Im Organismus werden “-Ketosäuren ebenfalls durch Decarboxylierungsreaktionen abgebaut (z. B. im Citrat-Cyclus, Bildung von Ketoverbindungen bei Diabetikern). Beispiele HOOC CH2
HOOC CH2 CH2 COOH O C CH3 Acetessigsäure
− CO2
CH3 O C
O C CH3
Aceton
CH2
CH COOH COOH Oxalbernsteinsäure
− CO2
O C COOH
α-Ketoglutarsäure (2-Oxopentandisäure)
18.5 Spezielle Carbonsäuren
283
Die Decarboxylierung erfolgt hierbei als syn-Eliminierung (s. Abschn. 11.5.2) über einen sechsgliedrigen Übergangszustand: O R
C
H C H2
O C
O O
− CO2
R
C
H CH2
O R
C
CH3
Stabiler als Acetessigsäure sind die Acetessigsäureester. Man erhält diese durch Claisen-Kondensation von Essigsäureestern (Abschn. 20.2.1.1) oder durch Addition von Alkoholen an Diketen. Acetessigester sind wichtige Synthesebausteine, z. B. für die Synthese von Heterocyclen (s. Kap. 22). Weitere Reaktionen werden in Abschn. 20.2.2 besprochen.
18.5.4 Halogencarbonsäuren Halogencarbonsäuren sind wichtige synthetische Zwischenstufen, da sie durch nucleophile Substitution leicht in andere funktionalisierte Carbonsäuren umgewandelt werden können.
18.5.4.1 Herstellung von Halogencarbonsäuren Für die Synthese von Halogencarbonsäuren gibt es kein generelles Verfahren. Vielmehr hängt das Herstellungsverfahren von der Art des Halogens und von der Position relativ zur Carboxylgruppe ab. ’-Halogencarbonsäuren Besonders leicht sind die ’-Halogencarbonsäuren zugänglich, da die ’-Position von Carbonylverbindungen besonders aktiviert ist. Über die Keto-Enol-Tautomerie besitzt diese Position nucleophile Eigenschaften, und kann daher mit Elektrophilen wie Halogenen umgesetzt werden. ’-Chloressigsäuren Die direkte Halogenierung von Carbonsäuren mit Chlor erfolgt nur sehr langsam, da die Reaktion über die Enolform erfolgt, und der Enolanteil von Carbonsäuren sehr gering ist (s. a. Halogenierung von Aldehyden und Ketonen, Abschn. 16.3). Durch Belichten und Temperaturerhöhung lässt sich die Reaktion jedoch beschleunigen. Je nach Halogenmenge erhält man mono- oder mehrfach halogenierte Verbindungen: H3C COOH Essigsäure
+ Cl2 − HCl
ClH2C COOH Chloressigsäure
+ Cl2 − HCl
Cl2HC COOH Dichloressigsäure
+ Cl2 − HCl
Cl3C COOH Trichloressigsäure
Bei längerkettigen Carbonsäuren kann es unter Umständen auch zu weiteren Chlorierungen an anderen Positionen kommen.
284
18
Carbonsäuren
Eine Alternative zur Chlorierung stellt die Oxidation chlorierter Alkohole und Aldehyde dar: HNO3
Cl CH2 CH2 OH Chlorethanol
ClCH2COOH
Cl3C CH(OH)2
Chloressigsäure
Chloralhydrat
HNO3
Cl3CCOOH Trichloressigsäure
Hell-Vollhard-Zelinsky-Reaktion Diese Reaktion dient zur Herstellung von ’-Bromcarbonsäuren. Man erhält diese durch Umsetzung von Carbonsäuren mit Brom in Gegenwart katalytischer Mengen an Phosphor:
R CH2 COOH + Br2
Br
(P)
R CH COOH + HBr
Zum Mechanismus der Reaktion
C
Aus Phosphor und Brom bildet sich intermediär Phosphortribromid (PBr3 /, welches in der Lage ist, die Carbonsäure in das entsprechende Carbonsäurebromid zu überführen (s. Abschn. 19.2.2). Carbonsäurehalogenide haben einen erheblich höheren Enolanteil als Carbonsäuren, so dass der nächste Schritt, die elektrophile Bromierung der Enolform viel schneller erfolgt als bei der „direkten Halogenierung“. Carbonsäurehalogenide reagieren mit Carbonsäuren im Gleichgewicht zu Anhydriden (s. Abschn. 19.2.1), hier bildet sich aus dem ’-Bromcarbonsäurebromid und der eingesetzten Carbonsäure ein gemischtes Anhydrid. Br
O
R CH C +
Br − HBr OH
R CH2 C O
Br
Br O
R CH C O R CH2 C O
O
R CH C − HBr
+ R CH2
OH O C Br
Über dieses Intermediat wandelt sich das hoch reaktive ’-Bromsäurebromid in das weniger reaktive Säurebromid um, welches immer wieder regeneriert wird. Deshalb benötigt man nur katalytische Mengen an Phosphor. Verwendet man stöchiometrische Mengen an Phosphor oder PBr3 erhält man bei dieser Reaktion die ’-Bromcarbonsäurebromide.
18.5 Spezielle Carbonsäuren
285
’-Iodcarbonsäuren Durch Umsetzung von ’-Brom- oder Chlorcarbonsäuren mit KI in Aceton (Finkelstein-Reaktion, Abschn. 9.3) erhält man die entsprechenden ’-Iodcarbonsäuren: Br
I
O + KI
R CH C
O + KBr
R CH C OH
OH
“-Halogencarbonsäuren erhält man durch Addition von Halogenwasserstoff an ’,“-ungesättigte Carbonsäuren: H2C CH COOH + HBr
Br
CH2 CH COOH
β-Brompropionsäure
Acrylsäure
”-Halogencarbonsäuren erhält man durch Addition von Halogenwasserstoff an “,”-ungesättigte Carbonsäuren: H2C CH CH2 COOH + HBr
Br
CH2 CH2 CH2 COOH γ-Brombuttersäure
3-Butensäure
18.5.4.2 Eigenschaften der Halogencarbonsäuren Durch Einführung der elektronegativen Halogenatome erhöht sich die Acidität der entsprechenden Carbonsäuren. Dieser Effekt ist umso größer, je dichter das Halogenatom an der Carboxylgruppe sitzt. Mehrfach halogenierte Carbonsäuren sind daher auch acider als monosubstituierte Derivate. Für die Acidität z. B. von chlorierten Carbonsäuren ergibt sich folgende Reihenfolge: Cl
Cl
H3CCH2CHCOOH > pKs:
pKs:
Cl
H3CCHCH2COOH
> H2CCH2CH2COOH
> H3CCH2CH2COOH
2,84
4,06
4,52
4,82
Cl3CCOOH
Cl2CHCOOH
ClCH2COOH
H3CCOOH
0,65
1,29
2,86
4,76
Verbindungen wie die 2-Chlor- und die 3-Chlorbuttersäure besitzen ein asymmetrisches Kohlenstoffatom und sind daher optisch aktiv (s. Kap. 25). Es existieren zwei enantiomere Formen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Bei den beschriebenen Herstellungsverfahren erhält man immer ein Gemisch beider Formen, ein Racemat. Cl H H5C2
Cl COOH
HOOC
H C2H5
(R)-2-Chlorbuttersäure (S)-2-Chlorbuttersäure
286
18
Carbonsäuren
18.5.4.3 Reaktionen der Halogencarbonsäuren Die wichtigsten Reaktionen der Halogencarbonsäuren sind nucleophile Substitutionsreaktionen durch die sie in andere Carbonsäurederivate überführt werden können. Umsetzungen mit OH führt zur wichtigen Klasse der Hydroxycarbonsäuren (Abschn. 18.5.2), mit Ammoniak erhält man Aminosäuren (s. Abschn. 29.1.3). Wichtig sind hierbei Substitutionen optisch aktiver Halogenverbindungen die nach dem SN 2-Mechanismus (s. Abschn. 10.2) verlaufen, da die Substitution unter Inversion erfolgt und man dabei optisch aktive Produkte erhält. Besonders gut verlaufen Umsetzungen von ’-Halogencarbonsäuren, da hierbei die benachbarte Carboxylgruppe einen so genannten Nachbargruppeneffekt ausübt (s. Abschn. 18.5.2.1).
19
Derivate der Carbonsäuren
Zu den wichtigsten Reaktionen der Carbonsäuren zählen die verschiedenen Möglichkeiten, die Carboxylgruppe in charakteristischer Weise abzuwandeln. Dabei wird die OH-Gruppe durch eine andere funktionelle Gruppe Y ersetzt. Die entstehenden Produkte werden als Carbonsäurederivate bezeichnet und können allgemein formuliert werden als: O R C Y
Die Derivate lassen sich meist leicht ineinander überführen und haben daher präparativ große Bedeutung. Es gibt folgende Verbindungstypen, die in der Reihenfolge zunehmender Reaktivität gegenüber Nucleophilen geordnet sind: O
O
Furan > Thiophen Benzol: Sie unterscheiden sich auch in ihren chemischen Eigenschaften und Reaktionen voneinander: Nur Furan, der Heterocyclus mit der geringsten Resonanzenergie zeigt auch typische Reaktionen eines Diens. So bildet es z. B. mit Maleinsäureanhydrid leicht ein Diels-Alder-Addukt (s. Abschn. 6.2.4). Elektrophile Substitution Viele für aromatische Systeme charakteristische Reaktionen (s. Abschn. 8.1) verlaufen bei diesen elektronenreichen Heteroaromaten analog (Nitrierung, Sulfonierung, Halogenierung u. a.). Wegen der erhöhten Reaktivität und der Säureempfindlichkeit von Pyrrol und Furan sind schonende Methoden erforderlich. Die Substitution erfolgt normalerweise leichter in 2- (bzw. 5-) Stellung. Das hierbei gebildete Intermediat ist besser stabilisiert (3 mesomere Grenzformeln) als bei einer Reaktion in 3-Stellung, für die sich nur zwei Resonanzstrukturformeln schreiben lassen: + + +E
E
X
E
+
H
E
H
X
X
H
Angriff an C-2/5
+
E
X
E H
H
+
X
Angriff an C-3/4
X +
Beispiele für die elektrophile Substitution am Pyrrol Br
Br
Br2
2,3,4,5-Tetrabrompyrrol Br
Ac2O BF3 N H
Br
N H
CH3 N H
C
N H
NO2
N H
SO3H
O
HNO3 AcOH
SO3 Pyridin
2-Acetylpyrrol
2-Nitropyrrol
2-Pyrrolsulfonsäure
338
22 Heterocyclen
22.3.2
Sechsgliedrige Ringe
Pyridin, ein typischer Vertreter der sechsgliedrigen Heterocyclen (Tab. 22.4), lässt sich durch folgende Resonanzstrukturformeln beschreiben: +
N−
N−
N
6π
+
+
N
N−
N
Resonanzenergie: 97 kJ/mol
Jedes Ringatom benutzt drei sp2 -Orbitale, um ein planares, hexagonales ¢-Gerüst zu bilden. Die -MO entstehen durch Überlappen von p-Orbitalen. Das freie Elektronenpaar am N-Atom befindet sich in einem sp2 -Orbital, das in der Ringebene liegt und somit senkrecht zum -System steht. Mit seinen 6 -Elektronen entspricht das monocyclische System der Hückel-Regel. Im Gegensatz zum Pyrrol ist das freie Elektronenpaar hier nicht am aromatischen Elektronensextett beteiligt. Pyridin ist daher eine Base (pKB D 8;7) und bildet mit Säuren Pyridinium-Salze. Da es auch ein gutes Lösemittel ist, wird es oft als “Hilfsbase“ verwendet (z. B. zum Abfangen von HCl). MO-Modell des Pyridins:
22.3.2.1 Reaktivität Beim Betrachten der mesomeren Grenzstrukturen des Pyridins fällt auf, dass bei drei Grenzstrukturen eine neg. Ladung am Stickstoff lokalisiert ist, während die positive Ladung im -System delokalisiert ist. Im Vergleich zum Benzol ist also die neg. Ladungsdichte im -System erniedrigt. Demzufolge ist der an „ -Elektronenarme“ Pyridin-Ring gegenüber Elektrophilen desaktiviert, was durch eine Protonierung am N-Atom sogar noch verstärkt werden kann. Elektrophile Substitutionen finden daher nur unter drastischen Bedingungen statt, und zwar in der am wenigsten desaktivierten 3-Stellung. Beim Angriff in 2oder 4-Position lässt sich eine mesomere Grenzstruktur mit einer positiven Ladung am elektronegativen N-Atom formulieren, was besonders ungünstig ist: + + +E
N
E H
+
N
H
H +
N
+
N
E
E
N
E H
Angriff an C-2
E +
+
N
E H
N
H
Angriff an C-3
22.3 Heteroaromaten
339
Tab. 22.4 Beispiele für sechsgliedrige Heteroaromaten Name Nicotinsäure
Formel 4
COOH
3
5
Vorkommen, Derivate, Verwendung NAD, NADP, Nicotin
2
6
N1
Pyridoxin
Vitamin B6
CH2OH HO
CH2OH
H3C
Pyrimidin
N
Aneurin (Vit. B1 ), Barbitursäure, Uracil, Thymin, Cytosin (RNA bzw. DNA)
4
N3
5
2
6
N1
1,3,5-Triazin
Cyanurchlorid, Cyanursäure, Melamin
4 5
N3
N
2
6
N1
Chinolin
Alkaloide wie Chinin aus dem Chinabaum
4
5 6
3 2
7
N1
8
Isochinolin
Opiumalkaloide wie Morphin, Codein N
4H-Chromen
Stammverbindung der Anthocyane (4H bedeutet: C-4-Atom ist gesättigt)
4
5 6
3 2
7
O1
8
Dibenzodioxin
9
8
1
O
7
2
Stammbverbindung der polychlorierten Dibenzodioxine (PCDD) Bsp.: TCDD (Seveso-Gift)
3
6
O
5
4
10
Purin
6 1
N 3N
4 3
N7
4
N9 H
8
2
Pteridin
5
N
N5
2 1N
N8
6 7
Harnsäure, Adenin, Guanin, Xanthin (2,6-Dihydroxypurin), Coffein (1,3,7-Trimethyl-xanthin), Theobromin (3,7-Dimethyl-xanthin), Theophyllin (1,3Dimethyl-xanthin) Flügelpigmente von Schmetterlingen, Folsäure (Vit.-B-Gruppe), Lactoflavin (Riboflavin, Vit. B2 )
340
22 Heterocyclen
Relativ leicht möglich beim Pyridin sind nucleophile Substitutionsreaktionen in 2- und 4-Stellung. Hierbei lässt sich eine mesomere Grenzstruktur mit einer negativen Ladung am elektronegativen N-Atom formulieren, was besonders günstig ist. Im Allgemeinen ist die 2-Position bevorzugt wegen der Nähe zum elektronenziehenden N-Atom. −
N
− + Nu
N N
−
Nu H
N
Nu
Nu
−
H
H
Nu H
N
−
−
Nu H
−
Nu H
N
Angriff an C-2
Angriff an C-3
N
Beispiel Herstellung von 2-Aminopyridin nach Tschitschibabin (s. Abschn. 8.3) +
− NH
2
Na+
NH2
N Na
Pyridin
+
N−
+ NaH N
H
NH2
− H2
N
NH−Na+
2-Aminopyridin
22.3.3 Tautomerie der Heteroaromaten Mittels spektroskopischer Methoden sind bei Heteroaromaten häufig TautomerieGleichgewichte nachweisbar. Beispiel Bei 2-Oxo-4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) sind folgende Gleichgewichte möglich (vgl. Keto-Enol-Tautomerie). Oft hängt es vom Lösemittel ab, welche Form überwiegt. Entsprechend den Tautomerie-Gleichgewichten lässt sich ableiten, welche Derivate möglich sind. Enol-Form H
R' N
HO
N R
Oxo-Form H O
H
Enon-Form
R' N N
O
N
CH3O
CH3I
R' N N
R O-Methylierung
N H
R
R
CH2N2 H
R'
H
R'
H O
N
N CH 3
R N-Methylierung
22.4 Retrosynthese von Heterocyclen
22.4
341
Retrosynthese von Heterocyclen
Zum Aufbau von Heterocyclen gibt es oftmals viele Möglichkeiten. Bei der Planung einer Synthese geht man daher zuerst einmal von der Formel des gewünschten Produktes aus und zerlegt sie unter Zuhilfenahme bekannter Reaktionen rückschreitend in kleinere Einheiten („Retrosynthese“). Diese Zerlegungsschritte werden durch “Retrosynthese-Pfeile“ ()) gekennzeichnet. Erster Schritt ist immer das Erkennen charakteristischer Strukturmerkmale im Produkt. Betrachtet man z. B. die Kekulé-Formeln von Stickstoff-Heterocyclen, so findet man, dass sie die Strukturelemente von Iminen bzw. Enaminen enthalten. Für die Synthese bedeutet das: Einfache N-Heterocyclen können oft dadurch hergestellt werden, dass man eine Carbonylverbindung mit einem Amin unter Wasserabspaltung reagieren lässt. Beispiel: Pyrimidin H
H H
"Imin"
H
C
C C
N
H N C
C
C
H
N
CH C O H N H 2
H
H
"Enamin" C
C
H N
H
H
C
NH2 O + C H H O HN MalonAmidin dialdehyd
CH C O H HN
C C
Pyrimidin
Eine allgemeine Synthese für Pyrimidine ist demnach die Kombination eines Amidins mit einer 1,3-Dicarbonyl-Verbindung. Amidine erhält man durch Umsetzung von Aminen mit Nitrilen oder Imidoestern (s. Abschn. 19.1.2), die ihrerseits aus Nitrilen und Alkoholen gebildet werden (Pinner-Reaktion): OR'
+
R C N + R'OH
H
R C
NHR''
+ R''NH2
R C NH Amidin
NH Imidoester
Nitril
Bei der Retrosynthese werden zuerst, ohne Rücksicht auf die praktische Durchführbarkeit, Bindungen gespalten, wie hier z. B. die Imin- und Enamin-Strukturen. Erst im zweiten Schritt prüft man die Edukte auf ihre Brauchbarkeit für die angestrebte Synthese. Beispiel: Imidazol H
H
N
H
"Enamin" H
N H Imidazol
R
H
H
"Imin" H
N O H 2N
R
O
NH2
H
+ O
α-Aminoketon
H 2N Amid
R
342
22 Heterocyclen
Obgleich die angegebene Zerlegung des Moleküls durchaus sinnvoll ist, sollte berücksichtigt werden, dass die Reaktion eines ’-Aminoketons mit einem Amid schlechte Ausbeuten liefern kann. Zum einen sind Amide wenig reaktiv, zum anderen dimerisieren ’-Aminocarbonyl-Verbindungen leicht unter Wasserabspaltung zu 2,5-Dihydro-1,4-diazinen. Es ist daher sinnvoll sich auch andere, alternative Zerlegungsmöglichkeiten zu überlegen: "Imin" R
R
R N
N
H R
R
R
N
N
R
R
R O H N 2 + O H 2N
O H R
R
+ O
2 NH3 RCHO
H
H
Ein besserer Weg zu substituierten Imidazolen ist z. B. die Umsetzung von Ammoniak, einem ’-Diketon und einem Aldehyd (vgl. Pyridin-Synthese, Abschn. 22.7).
22.5
Synthesen von Heterocyclen über Dicarbonylverbindungen
Die vorstehenden Beispiele haben gezeigt, dass Dicarbonylverbindungen reaktive und vielseitig anwendbare Ausgangssubstanzen für Heterocyclen sind. 1. 1,2-Dicarbonylverbindungen (s. Abschn. 16.3.3) dienen z. B. zur Herstellung von Imidazolen (s. o.) und Chinoxalinen: R
O
R
O
H2N
R
N
H2N
R
N
+
Chinoxaline
2. 1,3-Dicarbonylverbindungen, leicht herstellbar durch Claisen-Kondensation (s. Abschn. 16.3.4), können zur Herstellung von Pyrazolen (über Hydrazone), Isoxazolen (über Oxime), Pyrimidinen (s. o.), Pyrimidonen u. a. verwendet werden: O
R
R
N N
R
R H2N
R' NH NH2 R
NH2
NH
O O
R'
R H2NOH
Pyrazole
R
R
N O Isoxazole
N
O
Pyrimidone
22.6 Weitere Synthesen für heterocyclische Fünfringe
343
3. 1,4-Dicarbonylverbindungen, herstellbar z. B. durch Stetter-Reaktion (Abschn. 16.3.5), verwendet man bei der Paal-Knorr-Synthese von fünfgliedrigen Heterocyclen:
R
S Thiophene
Δ P4S10
R
R
P4O10 oder H2SO4
R O O
R
R O Furane
Δ NH3
R
R N H Pyrrole
4. 1,5-Dicarbonylverbindungen, herstellbar durch Michael-Addition (s. Abschn. 16.3.6), und Hydroxylamin liefern unter Wasserabspaltung Pyridine: H2NOH R
22.6
O O
HO R
R
HO
H N O OH
R
R
OH N
R
− 3 H2O
R
OH
N R Pyridine
Weitere Synthesen für heterocyclische Fünfringe
Neben Dicarbonyl-Verbindungen werden auch Verbindungen wie Lactone oder Aldehyde/Ketone verwendet. 1. Das als Extraktionsmittel wichtige N-Methylpyrrolidon entsteht beim Erhitzen von ”-Butyrolacton mit Methylamin:
O
O
+ H3C NH2
Δ
γ-Butyrolacton
+ H2O
N
O
CH3
N-Methylpyrrolidon
2. Thiazole nach Hantzsch Bei den retrosynthetischen Überlegungen verfährt man zunächst wie bei den N Heterocyclen: H
N "Enamin" S Thiazol
H
O S
?
N H
344
22 Heterocyclen
In einem der nächsten Schritte wird es dann notwendig sein, eine C–S-Bindung zu knüpfen. Hierzu verwendet man am besten die aus Kap. 13 bekannte SN 2-Substitution von Schwefel-Nucleophilen an Halogenverbindungen. Berücksichtigt man noch, dass Halogenatome in ’-Stellung zu einer Carbonyl-Gruppe besonders reaktiv sind (vgl. Abschn. 18.5.2.1), so ergibt sich folgender Syntheseweg für Thiazole aus Bromacetaldehyd und Thioformamid: O
NH2 +
Br
S
O
HO
NH
− HBr
H
S
N
H
N
− H 2O S
S
3. Isoxazole und andere pentagonale Heterocyclen können auch in einer 1,3-dipolaren Cycloaddition (s. Abschn. 6.2.3) hergestellt werden. Es handelt sich um eine zur Diels-Alder-Reaktion analoge Reaktion eines 1,3-Dipols an ein Alkin. Als Dipole verwendet man u. a. Azide, Diazoalkane, Nitriloxide, als Dipolarophile Alkene, Alkine, Carbonylverbindungen u. a. Beispiele
C
1. Nitriloxid (RCDNOj ) C Alkin R
R C+
N
Isoxazol
2
2
C +
O −
O
1
R
2. Diazomethan (RC HNDNj) C Alkin R
−
HC N + N +
C
C
R
2
1
N
C
C
R
R
R H
R
Pyrazol 2
2
R
R
R
C C 1
1
N N
R
R
3. Azid (RN NDNj) C Alkin 4. Azid (RN NDNj) C Nitril
1,2,3-Triazol Tetrazol
1
N N H
R
22.7 Weitere Synthesen für heterocyclische Sechsringe
22.7
345
Weitere Synthesen für heterocyclische Sechsringe
Hierfür seien drei Beispiele ausgewählt: Pyridine, Chinoline und Indole.
22.7.1
Pyridin-Synthese nach Hantzsch (vgl. Imidazol-Synthese, Abschn. 22.4)
Bei der Umsetzung von Aldehyden, “-Ketoestern und Ammoniak entstehen in einer Mehrkomponentenreaktion Dihydropyridine, welche anschließend zu Pyridinen oxidiert werden können: R1 R2
1
OR
R CHO +
COOR3
R3 OOC + NH3
O
O
N R2 H Dihydropyridine
R2
β-Ketoester
Die einzelnen Schritte dieser Synthese sind: eine Knoevenagel-Kondensation (s. Abschn. 17.3.6) des Aldehyds mit dem “Ketoester: H3C CH3 CHO
+
H3C C CH2
COOR C C
COOR
H
O
C CH3
I
O
Bildung eines Enamins II aus NH3 und dem zweiten Molekül “-Ketoester: NH3 +
H3C C CH2
COOR
− H2O
H3C C CH
O
NH2
COOR
II
Enamin II setzt sich dann in einer Michael-Reaktion mit dem Kondensationsprodukt I zu III um: CH3 ROOC H 3C
CH3 COOR
N
II H
ROOC
CH3 COOR
ROOC
COOR
+ H O
CH3
I
H 3C
NO HH
CH3
H 3C
NO H2
CH3
III
346
22 Heterocyclen
Der Ringschluss erfolgt durch Reaktion der Aminofunktion mit der Carbonylgruppe von III. Der entstandene Dihydropyridindiester IV wird durch Oxidation aromatisiert (vgl. die NADH/NAD-Umwandlung, Abschn. 27.2). Die EsterGruppen können anschließend hydrolysiert und decarboxyliert werden. CH3 ROOC
CH3 COOR − H 2O
H 3C
NO H2
ROOC
CH3
H 3C
CH3 COOR
HNO3
ROOC
CH3
N H
H 3C
IV
III
COOR N
CH3
1) KOH 2) CaO, Δ CH3
H 3C
N
CH3
Trimethylpyridin (sym.-Collidin)
Neben den Pyridinen sind auch die Dihydropyridine von großer Bedeutung. Viele dieser Verbindungen sind von pharmazeutischem Interesse. Sie sind wichtige Calcium-Antagonisten (Calcium-Kanal-Blocker), die bei Herzbeschwerden und -erkrankungen Anwendung finden. Beispiel NO2 H3COOC H3C
22.7.2
COOCH3 N H
Nifedipin ("Adalat")
CH3
Chinoline
Die Synthese nach Friedländer verwendet o-Aminobenzaldehyde und Aldehyde bzw. Ketone. Im ersten Schritt bildet sich wahrscheinlich ein Enamin I, aus dem durch basen-katalysierte Aldol-Kondensation das gewünschte Chinolin erhalten wird: CHO
− H 2O
O + NH2
H 3C
CH3
CHO N
I H
NaOH − H 2O CH3
N
CH3
2-Methylchinolin (Chinaldin)
22.7 Weitere Synthesen für heterocyclische Sechsringe
347
Bei der Synthese nach Skraup reagiert ein (substituiertes) Anilin mit Glycerin unter Zugabe von konz. Schwefelsäure zu einem Dihydrochinolin, das mit As2 O5 zum Chinolin oxidiert wird. Im ersten Schritt bildet sich aus Glycerin Acrolein (säurekatalysierte Dehydratisierung, s. Abschn. 16.3.6), das dann in einer 1,4-Addition mit Anilin reagiert. Der Ringschluss folgt durch elektrophile Substitution am Aromaten (s. Abschn. 8.1) mittels der protonierten Aldehyd-Gruppe. Nach erfolgter Dehydratisierung wird zum Chinolin oxidiert. O OHC
+ +H
+ NH2 Anilin
+O
OH −H
N H
Acrolein
H +
N H
N H
− H 2O Oxidation N H 1,2-Dihydrochinolin
N Chinolin
22.7.3
Indole
Bei der vielseitig anwendbaren Indol-Synthese nach Fischer wird aus Phenylhydrazin und einem 2-Alkanon zunächst ein Phenylhydrazon (s. Abschn. 17.1.3) hergestellt. Dessen tautomere Form lagert sich in einer sigmatropen Reaktion (DiazaCope-Umlagerung, s. Abschn. 24.4) unter Wasserstoffverschiebung um in ein Dienonimin. Dies ist nichts anderes als ein o-substituiertes Anilin in der „Iminform“. Nach Rearomatisierung (vgl. Keto-Enol-Tautomerie) wird der Indolring unter intramolekularer NH3 -Abspaltung geschlossen. H 3C NH2 N H Phenylhydrazin
+
R O
R N H Indol-Derivat
− H 2O
H 3C
R
N N H Phenylhydrazon
H+ − NH3
H 2C N H
R NH NH2
R NH
R NH NH
Teil V Reaktionsmechanismen und Stereochemie
Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
23
Dieses und das folgende Kap. 24 enthalten eine zusammenfassende Darstellung aller bisher besprochenen Reaktionsmechanismen. Begonnen wird mit einer Beschreibung der wichtigsten Zwischenstufen, es folgen Einzeldarstellungen von Reaktionsmechanismen; zum Schluss wird auf die Woodward-Hoffmann-Regeln eingegangen, die eine einfache Interpretation elektrocyclischer Reaktionen erlauben.
23.1 Reaktive Zwischenstufen Zwischenstufen wie Carbeniumionen (Carbokationen), Carbanionen, Radikale und Carbene sind bei vielen Reaktionen von großer Bedeutung.
23.1.1 Carbeniumionen Carbeniumionen haben an einem Kohlenstoff-Atom eine positive Ladung. Dieses C-Atom besitzt nur sechs anstatt acht Valenzelektronen. Die drei ¢-Bindungen im R3 CC - sind trigonal angeordnet. Die planare Struktur resultiert aus der Abstoßung der Bindungselektronenpaare der CR-Bindungen, die in dieser Anordnung den maximalen Abstand voneinander haben. Die Struktur des sp2 -hybridisierten Kations entspricht der von Bortrifluorid. +
R
F vgl.
R C R
F
B F
Eine Stabilisierung von Carbeniumionen wird durch Elektronen-Donoren als Substituenten erreicht, wobei die planare sp2 -Anordnung der Substituenten am zentralen C-Atom die Ladungsverteilung erleichtert. Die Stabilität von Carbeniumionen wird also in folgender Reihe abnehmen: © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_23
351
352
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick +
+
+
+
R 3 C > R 2 HC > RH 2 C > H 3 C tertiär sekundär primär Methyl
Die Stabilisierung der Carbeniumionen in der angegebenen Reihenfolge kann mit dem CI-Effekt der Alkyl-Gruppen oder auch durch eine Delokalisierung von Bindungselektronen, die sog. Hyperkonjugation („no-bond-Resonanz“), erklärt werden. Beispiel Hyperkonjugation des Ethyl-Kations H
H + H
H
+
H H
H
H
H+
H H
H
H
H
H
H+ H
H
H H
H
H
H+
H
H
Zur Erklärung der Hyperkonjugation nimmt man an, dass zwischen dem leeren p-Orbital des zentralen C-Atoms und den ¢-Orbitalen der CH-Bindungen eine gewisse Überlappung stattfindet, wodurch die positive Ladung über diese Bindungen delokalisiert wird. Besser als durch Hyperkonjugation lassen sich Carbeniumionen über mesomere Effekte stabilisieren. Hierbei kommt es zu einer Überlappung des leeren p-Orbitals des Kations mit einem freien Elektronenpaar eines Nachbaratoms oder einer Bindung. Beispiele für mesomeriestabilisierte Carbeniumionen +
CH2
CH2 +
H2C CH CH2
+
H2C CH CH2
CH2
CH2 +
+ +
Allyl-Kation
Benzyl-Kation
Eine weitere Stabilisierung von Carbeniumionen kann durch das Lösemittel erfolgen, z. B. durch Ausbildung einer Solvathülle mit Wasser, Alkoholen, Essigsäure etc. In stark elektrophilen Lösemitteln wie H2 SO4 und den Supersäuren HF/SbF5 und FSO3 H/SbF5 sind viele Carbeniumionen so beständig, dass sie spektroskopisch untersucht werden können. Erzeugung von Carbeniumionen Carbeniumionen können auf verschiedene Weise gebildet werden: bei der SN 1-Reaktion, beim Zerfall von Diazonium-Kationen, durch Addition eines Protons an ungesättigte Verbindungen wie Alkene, bei der Elektrolyse von sekundären und e
tertiären Alkyl-Radikalen (R ! RC ) u. a.
23.1 Reaktive Zwischenstufen
353
Carbeniumionen unterliegen dann Folgereaktionen wie etwa: Reaktionen mit einem Nucleophil (SN 1), Abspaltung eines Protons (E1), Anlagerung an eine Mehrfachbindung (Addition), Umlagerungen u. a.
23.1.2 Carbanionen Carbanionen sind Verbindungen mit einem negativ geladenen KohlenstoffAtom, an das drei Substituenten gebunden sind. Dieses C-Atom in R3 Cj besitzt ein Elektronenoktett und hat in nichtkonjugierten Carbanionen eine tetraedrische Umgebung, da das freie Elektronenpaar ein sp3 -Orbital besetzt. Das freie Elektronenpaar und die Bindungselektronenpaare stoßen sich ab, daher die tetraedrische Struktur. Das Carbanion invertiert rasch (108 –104 s1 ), wobei ein sp2 Zustand durchlaufen wird: C
C
C
sp 3
sp 2
sp 3
Carbanionen werden von I-Substituenten stabilisiert und durch CI-Substituenten destabilisiert. Im Gegensatz zu den tertiären Alkyl-Kationen sind tertiäre AlkylAnionen daher weniger stabil als primäre. Einfache primäre, sekundäre oder tertiäre Alkyl-Anionen sind als freie Spezies bislang noch unbekannt. Es ist möglich, dass sie nur als Ionenpaare R MC oder sogar nur als polare metallorganische Verbindung (s. Kap. 15) Bedeutung haben, wobei dem Metall-Kation durchaus eine sehr wichtige mechanistische Rolle zukommt. Wie die Carbeniumionen so lassen sich auch die Carbanionen besonders gut durch mesomere Effekte stabilisieren. Verbindungen welche besonders leicht solche stabilisierten Carbanionen bilden werden als CH-acide Verbindungen bezeichnet. Beispiele − CH −
H2C CH CH2
−
CH2
2
CH2
−
−
H2C CH CH2 −
Allyl-Anion
CH2
Benzyl-Anion
354
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Ebenfalls gut stabilisiert sind folgende Carbanionen: NO2 − CH
2
HC −
NO2
−
NO2 O2N C −
NO2
6π-Elektronen (arom.System)
NO2
NO2 HC
COOR
−
HC −
COOR
COOR
Erzeugung von Carbanionen Carbanionen werden meist durch Entfernung eines Atoms oder einer anderen Abgangsgruppe gebildet. Besonders beliebt ist die Abspaltung eines Protons mit starken Basen wie NaNH2 oder C4 H9 Li. Carbanionen sind an vielen Reaktionen beteiligt, da sie zur Knüpfung von CC-Bindungen dienen können.
23.1.3 Carbene Carbene enthalten ein neutrales, zweibindiges C-Atom mit einem Elektronensextett. Sie sind stark elektrophile Reagenzien, deren zentrales C-Atom zwei nichtbindende Elektronen besitzt: R2 Cj (s. Abb. 23.1). Im sog. Singulett-Carben sind beide Elektronen gepaart und das C-Atom hat sp2 -Geometrie. Das pz -Orbital bleibt unbesetzt. Ein Singulett-Carben verfügt also über ein nucleophiles und ein elektrophiles Zentrum. Die beiden gepaarten Elektronen im sp2 -Orbital befinden sich näher am Kern als die Bindungselektronenpaare. Daher ist die Abstoßung zwischen dem freien Elektronenpaar und den Bindungselektronen größer als zwischen den Bindungselektronen. Demzufolge ist der Bindungswinkel auch nicht 120ı wie man für sp2 -Hybridisierung erwarten sollte, sondern deutlich kleiner (103ı ). Im Triplett-Carben befinden sich beide Elektronen in zwei verschiedenen pOrbitalen (! sp-Geometrie). Sie sind ungepaart, d. h. das Triplett-Carben verhält sich wie ein Diradikal. Beim Triplett-Carben gehen die beiden Bindungselektronenpaare auf maximale Distanz zueinander, daher die sp-Hybridisierung und der Bindungswinkel von 180ı . Das energiereichere Singulett-Methylen ist weniger stabil: es wird bei den meisten Darstellungsweisen zuerst gebildet. Beispiele + CH2 N N −
Diazomethan
hν − N2
CH2 C O
CH2
Abb. 23.1 Singulett- und Triplett-Carben-Struktur
Keten
hν − CO
CH2
CHCl3
CCl2
− HCl
Dichlorcarben
pz
pz 103°
H C
OH−
sp 2
H C
H Singulett-Carben
H
180°
H py
C
H sp
H
C
Triplett-Carben
H
23.1 Reaktive Zwischenstufen
355
Die bekannteste Reaktion der Carbene, die Addition an eine CDC-Bindung, lässt sich zur Unterscheidung beider Spinzustände verwenden. Solche „Abfangreaktionen“ sind typische Nachweismethoden für reaktive Zwischenstufen. Die Bildung von Cyclopropanen durch Addition von Singulett-Carben verläuft stereospezifisch: cis-Alken ! cis-disubstituiertes, trans-Alken ! trans-disubstituiertes Cyclopropan. Bei der Addition eines Triplett-Carbens entstehen dagegen aus sterisch einheitlichen Alkenen Gemische stereoisomerer Cyclopropane (nicht-stereospezifische Addition). Dies liegt daran, dass die Addition des Singulett-Carbens synchron erfolgt, während das Triplett-Carben als Diradikal stufenweise reagiert, und dabei Rotationen möglich sind. Beispiel Addition an 2-Buten H
H C
+ H
H
C C cis
CH3
H
C
CH3
cis
H 3C C
H
+ H
C C
H
CH3 trans
H
CH3
H
trans H
H CH3
H
C cis
CH3
H + C
CH3
H
H
H 3C C
C C
H 2C C
C
TriplettCarben
CH3 H C
H
H
C
C
H
CH3
H
C
SingulettCarben H
H CH3
CH3
H 2C C CH3
H
Singulett-Sauerstoff Ähnlich wie bei den Carbenen unterscheidet man auch bei molekularem Sauerstoff den gewöhnlichen Sauerstoff, ein Diradikal mit zwei ungepaarten Elektronen (Gesamtspin S D 1=2 C 1=2 D 1, Spinmultiplizität 2S C 1 D 3) als Triplett-Sauerstoff 3 O2 von dem Singulett-Sauerstoff 1 O2 . Der energiereichere Singulett-Sauerstoff hat eine Lebensdauer von ca. 104 s, und seine Elektronen sind gepaart, d. h. er ist diamagnetisch. Meist wird er in präparativem Maßstab durch indirekte Aktivierung von 3 O2 mittels Sensibilisatoren (z. B. Farbstoffe wie Eosin, Methylenblau u. a.) hergestellt und kann dann zur selektiven Photooxidation verwendet werden. Vgl. auch Basiswissen I. Beispiel (2+2)-Cycloaddition mit elektronenreichen Olefinen H H 1
O2 + H
C C
OR OR
O C O C H
OR OR
356
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
23.1.4 Radikale Radikale sind Teilchen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen. Radikale können auf verschiedene Weise gebildet werden, z. B. durch thermische Spaltung von Atombindungen, Photolyse und Redoxprozesse. Die Stabilität der Alkyl-Radikale nimmt in der Reihe primär < sekundär < tertiär zu (Hyperkonjugationseffekte). Elektrisch neutrale Radikale werden durch Mesomerie-Effekte sehr stark stabilisiert, jedoch weniger durch induktive Effekte. Das Triphenylmethyl-Radikal z. B. ist in Lösung einige Zeit beständig, da die Rekombination zweier Radikale aufgrund sterischer Hinderung behindert ist. Diese Beständigkeit bezeichnet man als Persistenz. Die Rekombination des Triphenylmethyl-Radikals liefert auch nicht das erwartete Hexaphenylethan sondern ein Cyclohexadienderivat. Beispiele CH2
CH2 H2C CH CH2
CH2
H2C CH CH2
Allyl-Radikal
C
CH2
Benzyl-Radikal
C
C
Triphenylmethyl-Radikal 10mesomereGrenzstrukturen
C
usw.
Dimerisierung
3
2 1
4
C H
5
C
6
1-Diphenylmethylen-4-triphenylmethyl-2,5-cyclohexadien
Noch ungeklärt ist die Frage nach der Geometrie des zentralen dreibindigen CAtoms, das von sieben Elektronen umgeben ist: In konjugierten Radikalen ist das C-Atom sp2 -hybridisiert, in den anderen Fällen war es vielfach noch nicht möglich, zwischen einem planaren sp2 -Gerüst und einem ebenfalls denkbaren, flachen sp3 Tetraeder wie im Carbanion zu unterscheiden.
23.2 Reaktionstypen
357
23.2 Reaktionstypen 23.2.1 Additions-Reaktionen Bei Additionsreaktionen werden Moleküle oder Molekülfragmente an eine Mehrfachbindung angelagert. Diese Reaktionen können elektrophil, nucleophil oder radikalisch ablaufen.
23.2.1.1 Elektrophile Addition Eine CDC-Doppelbindung kann leicht von elektrophilen Reagenzien angegriffen werden, denn sie ist ein Zentrum relativ hoher Ladungsdichte. Der Angriff an dem sp2 -hybridisierten C-Atom erfolgt senkrecht zu der Ebene, in der die C-Atome und ihre Substituenten liegen. Beispiel Addition von Brom an Ethen Br δ− Br δ+ C
C
Br2
C
Br C+C
C
Br + Br−
C
C
anti
π-Komplex
Br
Bromoniumion
Es handelt sich um einen zweistufigen Prozess. Geschwindigkeitsbestimmend ist der elektrophile Angriff des polarisierten Brommoleküls an der Doppelbindung im Ethen. Zunächst wird eine lockere Bindung mit dem -Elektronenpaar gebildet ( -Komplex) und dann entsteht vermutlich ein Bromoniumion, aus dem das transProdukt entsteht (anti-Addition). Bei der Addition an konjugierte Diene können zwei Produkte entstehen: CH2
Br2
CH CH CH2
CH2 Br
CH CH CH2 Br 1,2-Addukt
+
CH2
CH CH CH2
Br
Br 1,4-Addukt
23.2.1.2 Nucleophile Addition Nucleophile Additionen an CDC-Doppelbindungen sind nur möglich, wenn elektronenziehende Gruppen im Substrat vorhanden sind, wobei das angreifende Reagenz auch ein Carbanion sein kann (hergestellt durch Abspaltung eines Protons mit einer Base). Beispiel Michael-Addition COOR CH2 COOR
RO− − ROH
Malonsäureester
COOR
COOR HC
−
+
H2C CH C N
CH CH2 CH2 C N COOR
COOR Malonat-Anion
ROH − RO−
Acrylnitril
2-Cyanoethylmalonsäureester
358
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Von großer Bedeutung sind ferner Additionsreaktionen an Mehrfachbindungen zwischen Kohlenstoff und einem Heteroatom wie >CDO, >CN usw.: Beispiel CH3 O C
+
−
−
C C H
CH3 Aceton
CH3 O C C C H CH3
+H
CH3 HO C C C H CH3
+
Acetylid-Ion
3-Hydroxy-3-methyl-1-butin
Auch Acetal- bzw. Ketal-Bildungen sind nucleophile Additionsreaktionen. Nucleophile sind hier H2 O, ROH, RSH etc.
23.2.1.3 Radikalische Addition Bei der Anlagerung von HBr an eine Doppelbindung kann man je nach Reaktionsbedingung zwei verschiedene Produkte finden: Beispiel Br elektrophil
H3C CH CH2Br 1,2-Dibrompropan
H2C CH CH2Br + HBr Allylbromid
MarkownikowProdukt
Br
radikalisch
H2C CH2 CH2Br 1,3-Dibrompropan
anti-MarkownikowProdukt
1,2-Dibrompropan entsteht durch elektrophile Addition, wobei bei dem Angriff von HC das stabilere Carbeniumion gebildet wird. Die Bildung von 1,3-Dibrompropan verläuft dagegen nach einem radikalischen Mechanismus. Hierbei greift ein Bromradikal an der Doppelbindung an, wobei auch hier das stabilste Radikal gebildet wird.
23.2.2 Eliminierungs-Reaktionen Die Eliminierung kann als Umkehrung der Addition aufgefasst werden. Es werden meist Gruppen oder Atome von benachbarten C-Atomen unter Bildung von Mehrfachbindungen entfernt. Die Eliminierung ist eine Konkurrenzreaktion zur Substitution, da jedes Nucleophil in der Regel auch basische Eigenschaften hat. Die Eliminierung verläuft wie die Substitution entweder monomolekular (E1) oder bimolekular (E2) durch Angriff einer Base an einem Substrat.
23.2 Reaktionstypen
359
23.2.2.1 E1-Reaktion Bei der monomolekularen Eliminierung (E1) wird im geschwindigkeitsbestimmenden reversiblen ersten Schritt ein Carbeniumion gebildet. Dieses kann unter Eliminierung z. B. eines Protons zum Alken weiterreagieren oder sich nach SN 1 zu einem neuen Alkan umsetzen. Beispiel Solvolyse von 2-Brom-2-methylbutan in Ethanol CH3
CH3 H3C CH2 C CH 3 Br
CH3
−
− Br
H3C CH2 C + CH3
+
+ C2H5OH2
H3C CH C CH3 + C2H5OH
E1 SN1
CH3 + H3C CH2 C CH + H 3 OC2H5
Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung: vD
dc.RX/ D k c.RX/ dt
23.2.2.2 E2-Reaktion Bimolekulare Eliminierungen (E2-Reaktionen) sind einstufige Prozesse, die stereospezifisch verlaufen. Dabei liegen die abzuspaltenden Substituenten in einer anti-koplanaren Konformation vor (anti-Eliminierung). Die vier Reaktionszentren liegen in einer Ebene. Beispiel Eliminierung von HBr aus Bromethan BI
−
H
−
B H
H2C CH2
H2C CH2
Br
H2C CH2 + BH + Br−
Br
Geschwindigkeitsgesetzt zweiter Ordnung: vD
dc.RX/ D k c.B/ c.RX/ dt
23.2.3 Substitutions-Reaktionen Unter einer Substitution versteht man den Ersatz eines Atoms oder einer Atomgruppe in einem Molekül durch ein anderes Atom bzw. eine andere Atomgruppe.
360
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Im Gegensatz zur Addition entstehen daher stets zwei Produkte. Substitutionen können nucleophil, elektrophil oder auch radikalisch verlaufen.
23.2.3.1 Nucleophile Substitution Die nucleophile Substitution findet hauptsächlich an aktivierten gesättigten Kohlenstoff-Verbindungen statt, wobei Eliminierungen und Umlagerungen als Nebenreaktionen auftreten können. Vom Mechanismus her unterscheiden wir die bi-molekulare nucleophile Substitution (SN 2) und die mono-molekulare nucleophile Substitution (SN 1). SN 1-Reaktionen sind zweistufig verlaufende Prozesse, wobei der erste, reversible Schritt geschwindigkeitsbestimmend ist. Ebenso wie bei E1-Reaktionen tritt ein Carbeniumion auf (siehe Beispiel bei E1). SN 2-Reaktionen sind einstufig und verlaufen über einen energiereichen Übergangszustand I. Die wichtigsten Konkurrenzreaktionen sind Eliminierungen. Tab. 23.1 gibt einen Überblick. Br H H 3C
C
−
Br
OH −
H H 3C
C 2H 5
(R)-2-Brombutan
C 2H 5
− Br −
H H 3C
C2H 5 OH
OH
(S)-2-Butanol
I
23.2.3.2 Elektrophile Substitution Die elektrophile Substitution ist eine typische Reaktion aromatischer Verbindungen, die infolge ihres -Elektronensystems leicht mit elektrophilen Reagenzien reagieren. Dabei entsteht zunächst ein -Komplex und daraus ein positiv geladenes, mesomeriestabilisiertes Zwischenprodukt (¢-Komplex), das in das Endprodukt übergeht: H
H
E H
E
E
+
+ E
+
E π-Komplex 1
+
+ σ-Komplex
H
+
+ H
π-Komplex 2
Das Energiediagramm (Abb. 23.2) zeigt eine zweistufige Reaktion mit einem Zwischenprodukt. Man erkennt, dass ein denkbares Additionsprodukt energetisch ungünstig ist. Geschwindigkeitsbestimmend ist der Angriff des Elektrophils.
+
−
+
Alken + BH + Xl
–
R–X + Bl
+ Xl
R–Nu
+
–
evtl. Umlagerung von R+
R + X
R–X + Nu l
R X
evtl. Umlagerung von R + Nul +
Abspaltung von HC aus RC oder umgela-
E2-Eliminierung
SN 2-Substitution
Tertiäres R, sekundäres R, hohe Temperatur, stark basisches Nucleophil Ein schlecht ionisierendes Lösemittel, ein starkes Nucleophil Nu, niedrige Temperatur, primäres R Eine starke Base B, tertiäres R, sekundäres R, hohe Temperatur
Bildung eines Carbeniumions im geschwin- Hohes Ionisierungsvermögen des Lösedigkeitsbestimmenden Schritt, gemeinsam mittels, eine gute austretende Gruppe, ein für den S N 1- und den E1-Mechanismus schwaches Nucleophil, tertiäres R, sekundäres R, R D Allyl oder Benzyl
Begünstigt durch Reaktion Reaktion von RC oder umgelagertem RC Ein starkes Nucleophil, das gleichzeitig eimit einem Nucleophil Nu; SN 1-Substitution ne schwache Base ist; niedrige Temperatur
Alken + H+ gertem R; E1-Eliminierung
R Nu
Tab. 23.1 Substitution – Eliminierung (nach I. Eberson)
23.2 Reaktionstypen 361
362
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Abb. 23.2 Energiediagramm für Addition und Substitution am Benzol
Energie
π1 π2 Br
σ
H H Br
110 kJ/mol Br + HBr
+ Br 2
Reaktionskoordinate
Beispiel Bromierung von Benzol, s. Abb. 23.2
23.2.3.3 Radikalische Substitution Die radikalische Substitution verläuft bei Aliphaten über zwei Stufen. Bei der Chlorierung von Alkanen wird zunächst ein Radikal aus den Edukten gebildet, das dann mit einem zweiten Molekül unter Substitution reagiert. Beispiel Cl2 Cl + RCH2 CH3 RCH CH3 + Cl2 2 Cl Cl + RCH CH3 2 RCH CH3
hν
2 Cl
Startreaktion
HCl + RCH CH3 RCH CH3 + Cl Cl
Reaktionskette
Cl2 RCH CH3 Cl
Kettenabbruch
RCH CH2 + RCH2 CH3
(Disproportionierung)
23.2.4 Radikal-Reaktionen Bei der homolytischen Spaltung einer kovalenten Bindung entstehen Radikale. Radikalreaktionen werden oft als Beispiel für Reaktionen genannt, die bei hoher Reaktivität eine geringe Selektivität zeigen. Radikale sind Teilchen mit meist hohem Energieinhalt, die verschieden stark aktivierte Positionen in einem Molekül fast gleich schnell angreifen können. Charakteristisch ist auch, dass diese Reaktionen meist mit hoher Geschwindigkeit ablaufen. Für viele Reaktionen gilt: Große Reaktivität bedingt eine geringe Selektivität und umgekehrt. Radikalreaktionen werden durch Radikalbildner (Initiatoren) gestartet – manchmal genügt schon Licht – und können durch Radikalfänger (Inhibitoren) verlangsamt oder gestoppt werden.
23.2 Reaktionstypen
363
Der Reaktionsablauf gliedert sich in: die Startreaktion, die Kettenfortpflanzung und den Kettenabbruch. Großtechnisch von Bedeutung ist die Chlorierung von Kohlenwasserstoffen (s. o.) Wichtig ist auch die Reaktion von organischen Substanzen mit dem Diradikal Sauerstoff unter relativ milden Bedingungen, die Autoxidation. Oft dienen Spuren von Metallionen als Initiatoren für diese Kettenreaktion. Metalle können durch Einelektronenübertragung zwischen verschiedenen Oxidationsstufen hin und her wechseln (Bsp. CuC • Cu2C , Fe2C • Fe3C , etc.) und dadurch Radikale erzeugen. Die Autoxidation ist verantwortlich z. B. für das Ranzigwerden von Fetten und Ölen sowie das Altern von Kautschuk: Allgemeine Formulierung der Autoxidation: R−H + X R + O O R O O + R−H
R
+ HX
R O O R O OH + R
Startreaktion Reaktionskette
Luftsauerstoff selbst ist nicht in der Lage die Reaktion in Gang zu setzen, es bedarf hierzu eines irgendwie generierten Radikals X. Das bei der Reaktion gebildete Peroxyradikal kann jedoch die Reaktionskette fortsetzen. Kettenabbruch erfolgt durch Rekombination zweier Radikale. Bei der Reaktion bilden sich Hydroperoxide, die eine relativ labile OO-Bindung besitzen (s. Bindungsdissoziationsenergien Tab. 1.4). Diese wird, vor allem in Gegenwart von Metallionen sehr leicht gespalten, wobei wiederum Radikale entstehen, welche neue Kettenreaktionen auslösen. Dadurch werden mit zunehmender Reaktionsdauer immer mehr Radikale gebildet und die Reaktion wird immer schneller. Ein technisch wichtiger Autoxidationsprozess ist die Oxidation von Cumol zu Cumolhydroperoxid, ein Schlüsselschritt der Hock‘schenPhenolsynthese (s. Abschn. 12.2.2).
23.2.5 Umlagerungen Umlagerungen sind Isomerisierungs-Reaktionen, bei denen oft auch das Grundgerüst eines Moleküls verändert wird. Dabei finden Positionsänderungen von Atomen oder Atomgruppen innerhalb eines Moleküls statt. Es können ionische oder radikalische Zwischenprodukte auftreten. Auf den eigentlichen Umlagerungsschritt folgen oft weitere Reaktionen, Eliminierungen, Additionen u. a. Die wichtigsten und häufigsten Umlagerungen laufen über Teilchen mit Elektronenmangel wie Carbeniumionen. Dabei wandert die umgelagerte Gruppe (in
364
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
der Regel ein H-Atom oder eine Alkylgruppe) mit ihrem Bindungselektronenpaar an ein Nachbaratom mit einem Elektronensextett (1,2-Verschiebung). Sie füllt dieses zu einem stabilen Oktett auf, verhält sich also wie ein Nucleophil. Man bezeichnet solche Reaktionen als anionotrope oder Sextett-Umlagerungen. Beispiele 1. Hydrolyse von Neopentylchlorid mit Wagner-Meerwein-Umlagerung: CH3 H3C C CH2 Cl CH3
SN1 − Cl
−
CH3
CH3
+
H3C C CH2
H3C C CH2 +
CH3
CH3
+ H 2O + −H
CH3 H3C C CH2 CH3 OH
Wir erhalten als einziges Produkt 2-Methyl-2-butanol, da die Umlagerung schneller erfolgt als der nucleophile Angriff des Wassers. 2. Wagner-Meerwein-Umlagerung von Alkenen in Gegenwart von Säuren: CH3 H3C C CH CH2
+H
CH3
+
CH3
CH3
+
H3C C CH CH3
H3C C CH CH3 +
CH3
CH3
3,3-Dimethyl-1-buten
+ −H
H 3C
CH3 C C
H 3C
CH3
2,3-Dimethyl-2-buten
Triebkraft bei beiden Reaktionen ist die Bildung des stabileren Carbeniumions.
23.2.6 Redox-Reaktionen Die wichtigsten Reaktionen dieser Art sind Oxidationen und Reduktionen von Carbonylverbindungen sowie Hydrierungen von Mehrfachbindungssystemen. In der Biochemie kommt die Bildung bzw. Auflösung von SS-Bindungen hinzu, z. B. zur Fixierung von Proteinstrukturen. Beispiel OH H3C CH CH3 Isopropanol
K2Cr2O7 / H2SO4 Oxidation
O H3C C CH3 Aceton
H2 / Ni Hydrierung Reduktion
OH H3C CH CH3
23.2.7 Heterolytische Fragmentierung Bei der heterolytischen Fragmentierung zerfällt ein Molekül i. a. in drei Bruchstücke. Die Reaktion weist formal Ähnlichkeit mit der Eliminierung auf:
23.2 Reaktionstypen
365 R R
A
R
B C C X
A
B + R
R R elektrofuge Gruppe
R + X
C C R
nukleofuge Gruppe
Begriffsbestimmung Bei chemischen Reaktionen werden angreifende Reagenzien als nucleophil, elektrophil oder radikalisch klassifiziert. Analog dazu bezeichnet man Abgangsgruppen als nucleofug, elektrofug oder radikalisch. Xj nennt man nucleofug. Die Gruppe spaltet sich unter Mitnahme des gemeinsamen Elektronenpaares ab. Beispiele für nucleofuge Gruppen X D Cl, Br, I, OSO2 R, OH2C , N2C , NR3C , -SR2C . AB ist eine elektrofuge Gruppe, denn sie gibt das bindende Elektronenpaar an das Fragment CC ab. Beispiele für elektrofuge Gruppen AB D COO , CONH2 , CH2 OH, CH2 NH2 , Sn(CH3 /3 u. a. Von besonderer Bedeutung ist die Bildung von Olefinen unter CO2 -Austritt. Beispiel R +
(C2H5)2N CH2 C COOH H
−O
C
Δ
R (C2H5)2NH + H2C C
+ CO2 COOH
O
“-Aminodicarbonsäuren, hergestellt z. B. durch Mannich-Reaktion aus Malonsäure, fragmentieren thermisch zu einer ’,“-ungesättigten Carbonylverbindung, einem Amin und CO2 .
23.2.8 Phasentransfer-Katalyse und Kronenether Phasentransfer-Katalyse (PTC) beschleunigt oder ermöglicht gar erst Reaktionen zwischen Verbindungen in verschiedenen Phasen. Im Allgemeinen lässt man ein in Wasser gelöstes Salz, das auch als Festkörper vorliegen kann, mit einer Substanz in einem organischen, nicht-polaren Lösemittel reagieren. Als Phasentransfer-Katalysatoren dienen häufig quartäre Ammonium- oder Phosphonium-Salze und neutrale Komplexliganden wie Kronenether und Kryptanden.
366
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Vorteile einer PTC-Reaktion im Vergleich zu einer konventionellen Reaktion: mildere Reaktionsbedingungen, höhere Ausbeuten, leichtere Aufarbeitung der Reaktionsmischung, Verzicht auf teure, wasserfreie Lösemittel. Haupteinsatzbereich: nucleophile Substitutionsreaktionen wie S-, O-, C - und N-Alkylierungen, ’- und “-Eliminierungen, Redox-Reaktionen, Michael-Reaktionen. Beispiel H2O C8H17 Cl
keine Reaktion
+ NaCN H2O / Decan Katalysator −
+
Katalysator: (C4H9)3P (n− C16H33) Br
C8H17 CN + NaCl
Tributylhexadecyl-phosphoniumbromid
Bei der Umsetzung von 1-Chloroctan mit Natriumcyanid in Wasser beobachtet man keine Umsetzung. Es bildet sich eine Emulsion (Zweiphasensystem), da Chloroctan in Wasser nicht löslich ist. Es kann sich daher mit den im Wasser gelösten Cyanid-Ionen nicht umsetzen. Gibt man jedoch als organisches Lösemittel Decan hinzu und einen Phasentransferkatalysator, so erhält man das Substitutionsprodukt nach zweistündigem Erhitzen in fast quantitativer Ausbeute. Erklärung C8H17 Cl + + − R4P CN
C8H17 CN + + − R4P Cl
Decan
Phasengrenze
Wasser +
−
R4P CN + NaCl
+
−
R4P Cl + NaCN
Das quartäre Phosphoniumsalz ist in beiden Phasen löslich. Im Wasser stellt sich ein Gleichgewicht der Gegenionen ein, das Cyanid kann als Phosphoniumsalz in die organische Phase transportiert werden. Dort ist das Cyanid nicht solvatisiert und daher besonders nucleophil. Nach der Reaktion wandert das abgespaltene Chlorid als Phosphoniumsalz in die Wasserphase, wo ein erneuter Cyclus beginnt. Von besonderer Bedeutung als Katalysatoren sind die Kronenether und die Kryptanden. Kronenether sind macrocyclische Ether mit mehreren Sauerstoffatomen. Der Name spielt auf die zickzackförmige Anordnung der Atome an (I). Die O-Atome sind meist durch Ethylen-Brücken verknüpft. Gelegentlich sind auch ein oder
23.2 Reaktionstypen
367
mehrere Benzol- bzw. Cyclohexanringe ankondensiert (II). Die O-Atome können teilweise oder ganz durch andere Heteroatome wie N, P, S ersetzt sein. Man spricht dann von Aza-, Phospha-, Thia-Kronenethern. Die Benennung der Kronenether erfolgt entweder systematisch nach der Heterocyclennomenklatur (s. Abschn. 22.1), wobei der Carbocyclus als Stammkörper betrachtet und die Heteroatome als Substituenten benannt werden, oder man verwendet die „Krone-Nomenklatur“. Dabei gibt man die Ringglieder in Klammer an, und die Anzahl der Heteroatome wird dem Namen nachgestellt. Beispiele O O
O O
O
O
O O
O O
O
O
O
O
O
O
O O
I
II Dibenzo-[18]Krone-6
[18]Krone-6 (18K6) 1,4,7,10,13,16-Hexaoxacylooctadecan
(DB-18K6)
Herstellung Einfache monocyclische Kronenether wie I können z. B. durch Reaktion von Polyethylenglykolen mit geeigneten Dichloriden in alkalischer Tetrahydrofuran-Lösung synthetisiert werden. Um eine Cyclisierung gegenüber einer Polymerisation zu begünstigen arbeitet man in sehr verdünnter Lösung (Hochverdünnungsprinzip, s. a. Abschn. 19.2.5). Eigenschaften Die Kronenether sind thermisch stabil. Als mehrzähnige Liganden können sie mit Metallionen, insbesondere Alkali- und Erdalkalimetall-Ionen stabile Komplexe bilden (D „Kronenverbindungen“ oder Coronate). Auch organische Kationen wie quartäre Ammoniumionen können komplexiert werden. Je nach Größe der zu komplexierenden Kationen verwendet man unterschiedlich große Kronenether. So wird z. B. Natrium von 15K5 besser komplexiert als von 18K6, der vor allem für das größere Kaliumion geeignet ist: O O
O
O
O
Na O
O +
+
K
−
O
CN
O
F
−
O O
Durch die Solvatation der Kationen werden die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen den Ionen geschwächt, so dass sehr reaktive („nackte“) Anionen verfügbar sind, weil letztere in organischen Lösemitteln kaum solvatisiert sind.
368
23 Wichtige Reaktionsmechanismen im Überblick
Diese können nun unter milden Bedingungen als starke Nucleophile, Basen oder Oxidationsmittel wirken. Beispiel Epoxidierung nach Darzens (s. Abschn. 20.2.1.3) H CHO
KOH DB-18K6
+ ClCH2CN
O
CN
H
Normalerweise benötigt diese Reaktion starke Basen wie etwa LDA (Lithiumdiisopropylamid) zur Deprotonierung des Chloracetonitrils. Bei Verwendung eines Kronenethers genügt jedoch KOH, da hierbei das basische OH -Ion mit Hilfe des Kronenethers in die organische Phase transportiert wird. Es wird dort nicht solvatisiert und ist daher viel basischer als in wässrigem Medium. Kryptanden sind mit den Kronenethern verwandte mehrcyclische Verbindungen wie der abgebildete Azapolyether, in dem zwei Brückenkopf-Stickstoffatome durch Brücken mit einem oder mehreren O-Atomen verbunden sind. Die mit Metallionen entstehenden Komplexe heißen Kryptate. O
O N
N O
O
O
O
24
Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Bei den bisher besprochenen Reaktionsmechanismen wurde stets von der heterolytischen oder homolytischen Auflösung und Bildung kovalenter Bindungen ausgegangen, d. h. es wurden polare oder radikalisch ablaufende Reaktionen betrachtet. Wir kennen jedoch auch eine Gruppe von Reaktionen, bei denen kovalente Bindungen in einem Cyclus gebildet und/oder gelöst werden. Erfolgt dieser cyclische Prozess konzertiert, d. h. werden die Bindungen gleichzeitig gelöst und gebildet, dann spricht man auch von pericyclischen Reaktionen. Derartige Reaktionen zeigen oft hohe Stereoselektivität: Es entsteht bevorzugt eines von mehreren möglichen Stereoisomeren. Die Reaktionen werden in ihrem Ablauf durch Wärme oder Licht spezifisch beeinflusst, nicht aber z. B. durch Katalysatoren, Radikalstarter, Lösemittelpolarität etc. (vgl. Photochemie, Kap. 26). Beispiel Stereoselektive Umwandlung von trans,trans-2,4-Hexadien in cis- bzw. trans-3,4-Dimethylcyclobuten H3C
CH3 hν
H3C
CH3
Δ
H3C
cis
24.1
CH3
trans
Chemische Bindung und Orbital-Symmetrie
Eine bindende Wechselwirkung zwischen Atom- bzw. Molekülorbitalen, in deren Folge eine kovalente Bindung gebildet wird, kommt nur dann zustande, wenn die sich überlappenden Orbitale gleiches Vorzeichen (gleiche Phase) haben. Das bedeutet aber: Der Reaktionsverlauf kann durch eine Analyse der Vorzeichen der Orbitale, d. h. ihrer Symmetrie, interpretiert werden.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_24
369
370
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Abb. 24.1 Disrotation und Konrotation bei Cyclisierung. Bindung entseht in diesem Fall bei a Disrotation, b Konrotation
Die hierfür aufgestellten Woodward-Hoffmann-Regeln ermöglichen es, konzertierte Reaktionen einzuteilen in symmetrie-erlaubte (Erhaltung der Orbital-Symmetrie) und symmetrie-verbotene (Nichterhaltung der Orbital-Symmetrie). Darüber hinaus sind Vorhersagen möglich, ob diese Reaktionen thermisch () oder photochemisch (h ) durchführbar sind und wie sie stereochemisch ablaufen. Festlegung der Orbital-Symmetrie Um festzustellen, ob die Orbital-Symmetrie im Verlauf einer Reaktion erhalten bleibt, müssen die Symmetrieeigenschaften derjenigen Orbitale von Produkt und Edukt ermittelt werden, die bei der Reaktion von Bedeutung sind. Zugrunde liegendes Symmetrieelement ist entweder eine Symmetrieebene ¢ oder eine zweizählige Drehachse C2 , die durch eine oder mehrere im Verlauf der Reaktion gebildete (bzw. gespaltene) Bindungen hindurchgehen (vgl. Abschn. 25.2 und Tab. 25.1). Anwendung der Symmetrieeigenschaften bei einer Cyclisierung Bei einem Ringschluss bildet sich zwischen den endständigen Atomen einer Atomkette eine ¢-Bindung. Um eine bindende Wechselwirkung zwischen zwei Orbitalen mit gleichem Vorzeichen zu erhalten, gibt es zwei Möglichkeiten (Abb. 24.1): 1. Disrotation. Die Rotationen zweier Orbitale verlaufen gegensinnig (disrotatorische Drehung). Diese Bewegung ist dann erforderlich, wenn die Orbitale spiegelsymmetrisch zueinander sind. 2. Konrotation. Zwei Orbitale rotieren gleichsinnig (konrotatorische Drehung). Dies ist dann erforderlich, wenn sie rotationssymmetrisch zueinander sind. Maßgebend für die Beurteilung der Symmetrie der beiden Orbitale zueinander ist jetzt eine C2 -Achse senkrecht zur gedachten KernKern-Verbindungslinie der endständigen Atome.
24.2 Elektrocyclische Reaktionen
371
Grenzorbitalmodell Wichtig für die Betrachtung der Wechselwirkung der Orbitale sind vor allem die höchsten besetzten Molekülorbitale (HOMO) und die niedrigsten unbesetzten Molekülorbitale (LUMO). Beim vereinfachten Grenzorbitalmodell (frontier orbital theory) berücksichtigt man lediglich die Wechselwirkung zwischen dem HOMO des einen mit dem LUMO des anderen Reaktionspartners (und umgekehrt). Reagieren Atome des gleichen Moleküls miteinander, z. B. bei elektrocyclischen Reaktionen, wird nur sein HOMO berücksichtigt.
24.2 I
Elektrocyclische Reaktionen Elektrocyclisch nennt man Reaktionen, bei denen zwischen den endständigen Atomen eines konjugierten linearen Systems eine Einfachbindung gebildet (Ringbildung) oder gespalten wird (Ringöffnung).
Beispiel trans,cis,trans-2,4,6-Octatrien ! cis- bzw. trans-5,6-Dimethyl-1,3-cyclohexadien CH3 hν CH3 trans
CH3 CH3 2,3,4-Octatrien
CH3
Δ
CH3 cis
Beide Reaktionen verlaufen mit hoher Stereoselektivität: Bei der thermischen Cyclisierung entsteht das trans-Isomere zu weniger als 0,1 %. Zur Erklärung des Reaktionsablaufs betrachten wir die sechs MO (§1 bis §6 /, die sich durch Linearkombination der sechs AO ergeben (Abb. 24.2). Sie sind nach zunehmender Energie geordnet; dies entspricht einer zunehmenden Anzahl von Knotenebenen (Symmetrieoperationen). Bei der vereinfachten Erklärung nach der Grenzorbital-Methode ist für die thermische Cyclisierung zur cis-Verbindung das HOMO des Grundzustandes zu beachten, in diesem Fall § 3 . Zum Ringschluss müssen die p-Orbitale an den beiden maßgebenden Atomen C-2 und C-7 überlappen (Abb. 24.3). Bei der konrotatorischen Drehung würden Orbital-Lappen entgegengesetzten Vorzeichens überlappen, also eine antibindende Wechselwirkung hervorrufen. Erst die disrotatorische Drehung liefert die gewünschte bindende Wechselwirkung. Damit ist jedoch auch die Konfiguration des Produkts festgelegt: Es entsteht ein cis-Cyclohexadien. Bei der photochemischen Cyclisierung müssen wir beachten, dass durch die Bestrahlung ein Elektron von §3 auf §4 angehoben wird. Ausgangsorbital ist
372
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Abb. 24.2 MO und Besetzungsschema für 2,4,6Octatrien. I D Grundzustand, II D erster angeregter Zustand. Schema auch verwendbar für 1,3,5-Hexatrien
jetzt § 4 . In diesem Fall führt die konrotatorische Drehung zu einer bindenden Wechselwirkung, da Orbitale gleichen Vorzeichens überlappen. Die disrotatorische Drehung hat eine antibindende Wechselwirkung zur Folge. Es entsteht ausschließlich trans-Cyclohexadien (Abb. 24.4). Beim 2,4-Hexadien findet man bei analogem Vorgehen, dass der thermische Prozess konrotatorisch verläuft und der Photoprozess disrotatorisch, also genau umgekehrt wie im Fall des Octatriens.
Abb. 24.3 Thermische Cyclisierung beim Octatrien
24.3 Cycloadditionen
373
Abb. 24.4 Photochemische Cyclisierung beim Octatrien Tab. 24.1 Reaktionsregeln Anzahl der -Elektronen 4n 4n C 2
Reaktion thermisch konrotatorisch disrotatorisch
Beispiel photochemisch disrotatorisch konrotatorisch
2,4-Hexadien 2,4,6-Octatrien
n D 1, 2, 3, . . .
Die Beispiele zeigen, dass offenbar in erster Linie die Symmetrie des betreffenden -Systems maßgebend ist für die Ausbildung einer Bindung: Gleiches Vorzeichen bei gleicher Orientierung der Orbital-Lappen führt zu einer disrotatorischen Drehung der Molekülenden, entgegengesetztes Vorzeichen zu einer konrotatorischen Drehung. Der stereochemische Verlauf elektrocyclischer Reaktionen hängt ab 1. von der Anzahl der Doppelbindungen im Polyen und 2. von der Reaktionsführung (thermisch oder photochemisch). Tab. 24.1 fasst die Regeln für elektrocyclische Reaktionen zusammen.
24.3 I
Cycloadditionen Bei Cycloadditionen reagieren zwei Moleküle miteinander, wobei das HOMO des einen mit dem LUMO des anderen in Wechselwirkung tritt (s. a. Abschn. 6.2).
24.3.1 Diels-Alder-Reaktion Beispiel Addition eines Diens an ein Alken schematisch: +
374
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Abb. 24.5 Thermische [4+2]-Cycloaddition
Die Komponenten in der LUMO–HOMO- bzw. der HOMO-LUMO-Kombination reagieren miteinander (vgl. Abb. 24.5; MO-Schema, Abschn. 5.1.4). Beide konzertierten Cycloadditionen (a) und (b) sind symmetrieerlaubt: Die Annäherung der Orbitale führt jedes Mal zu bindenden Wechselwirkungen. Es handelt sich hier um eine [4+2]- oder [4 +2 ]-Cycloaddition, weil zwei Systeme mit 4 bzw. 2 -Elektronen daran beteiligt sind. Solche Reaktionen verlaufen stereospezifisch; die Substituenten-Anordnung im Dien und Dienophil bleibt erhalten. Dazu ist es allerdings erforderlich, dass die Dien-Komponente eine cisoide Konformation (D s-cis-Konformation, s D single bond) einnimmt, die mit der thermodynamisch günstigeren transoiden (D s-trans-) Konformation im Gleichgewicht steht. Große Substituenten R können das Gleichgewicht beeinflussen und die Geschwindigkeit der Cycloaddition verringern. Elektronen-liefernde Substituenten im Dien und Elektronen-ziehende im Dienophil beschleunigen die Cycloaddition. R
R
R
R s-trans
s-cis
Die Diels-Alder-Reaktion ist – wie auch andere Cycloadditionen – reversibel (Retro-Diels-Alder-Reaktion, Cycloreversion). Stereochemischer Verlauf der Diels-Alder-Reaktion Diels-Alder-Reaktionen können zu stereoisomeren exo- und endo-Addukten führen. Das Grenzorbital-Verfahren erlaubt es, über die HOMO–LUMO-Wechselwirkungen die bevorzugte Bildung des endo-Adduktes zu erklären. Als Beispiel soll die Reaktion von Maleinsäureanhydrid (MSA) mit Cyclopentadien dienen: schnell O O O O O endoHauptprodukt
O endoÜbergangszustand
O + O
langsam O O O exoÜbergangszustand
O O O exoNebenprodukt
24.3 Cycloadditionen
375
Abb. 24.6 endo (A1,A2)- und exo (B)-Orbitalwechselwirkungen der thermischen Umsetzung von Cyclopentadien mit Maleinsäureanhydrid. : sekun: bindende Wechselwirkungen. däre Wechselwirkungen
Bezüglich der Vorzeichen der Orbitale verwenden wir bei dieser vereinfachten Betrachtung für Cyclopentadien die Grenzorbitale von Butadien (s .o.) und für Maleinsäureanhyrid diejenigen von l,3,5-Hexatrien (vergleichbar denen von 2,4,6Octatrien, Abb. 24.2). Im Grundzustand können folgende Orbitale in Wechselwirkung treten (Abb. 24.6): HOMO (§2 / von „Butadien“ mit LUMO (§40 ) von „1,3,5-Hexatrien“ LUMO (§3 / von „Butadien“ mit HOMO (§30 ) von „1,3,5-Hexatrien“ Abb. 24.6 zeigt in A1, A2 und B drei Fälle von Orbitalwechselwirkungen, bei denen sich Orbitale gleichen Vorzeichens überlappen, nämlich 1 mit 30 und 4 mit 40 . Im Falle einer endo-Annäherung wie in A1 und A2 können weitere, zusätzliche Wechselwirkungen zwischen 2 und 20 sowie 3 und 50 stattfinden. Diese Überlappungen (sekundäre Orbitalwechselwirkungen) führen zwar nicht zu neuen Bindungen, erniedrigen jedoch die Energie des endo-Übergangszustandes im Vergleich zu dem des exo-Addukts. Das endo-Addukt wird folglich unter kinetisch kontrollierten Bedingungen bevorzugt gebildet.
24.3.2 [2 +2 ]-Cycloadditionen Die thermische Reaktion zweier Alkene (I C II) in einer [2+2]-Cycloaddition ist symmetrieverboten, wenn sie als supra-supra-Verknüpfung ablaufen soll (s. hierzu Abschn. 24.3.3). Abb. 24.7a zeigt, dass die Wechselwirkung der Orbitale im Übergangszustand immer zu einem antibindenden Zustand führt. Das HOMO des einen und das LUMO des anderen Moleküls haben immer entgegengesetzte Symmetrie. Bei der Photodimerisierung liegen andere Verhältnisse vor. Hier wird ein Elekh
tron in das nächsthöhere Orbital gehoben ( ! *), und die Cycloaddition ist nunmehr symmetrieerlaubt (Abb. 24.7b).
376
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Abb. 24.7 [2+2]-Cycloaddition: a thermisch, b photochemisch
24.3.3 Antarafaciale und suprafaciale Reaktionen Bei der Beschreibung des Reaktionsablaufs wurde bisher die “Stereochemie“ der Reaktion hinsichtlich des reagierenden -Systems nicht berücksichtigt. Wird die Bindung auf derselben Seite gebildet (oder gelöst), handelt es sich um einen „suprafacialen“ Vorgang; wird die Bindung auf entgegengesetzten Seiten gebildet (oder gelöst), ist dies ein „antarafacialer“ Prozess (Abb. 24.8). 1. ¢-Bindung schließt sich von derselben Seite: supra(-facial), s 2. ¢-Bindung schließt sich von entgegengesetzten Seiten: antara(-facial), a. Thermisch induzierte [4+2]-Cycloadditionen verlaufen suprafacial bezüglich beider Reaktionspartner (Abb. 24.5). Gleiches gilt für photochemische [2+2]-Cycloadditionen (Abb. 24.7b). Thermische [2+2]-Cycloadditionen sind dagegen symmetrieverboten (Abb. 24.7a), falls sie als supra–supra-Addition ablaufen sollten. Sie sind jedoch symmetrieerlaubt, wenn sie suprafacial bezüglich einer Komponente und antarafacial bezüglich der anderen Komponente ablaufen (Abb. 24.9). Aus sterischgeometrischen Gründen sind derartige Reaktionen jedoch nur möglich, wenn der durch die Cycloaddition gebildete Ring eine ausreichende Größe besitzt. Tab. 24.2 fasst die Regeln für Cycloadditionen zusammen. Abb. 24.8 Erläuterung von supra und antara
Abb. 24.9 Thermische [2+2]-Cycloadditionen
24.4 Sigmatrope Reaktionen
377
Tab. 24.2 Woodward-Hoffmann-Regeln für [i+j]-Cycloadditionen i Cj
Reaktion thermisch supra, antara antara, supra supra, supra antara, antara
4n 4n C 2
photochemisch supra, supra antara, antara supra, antara antara, supra
i; j D Zahl der beteiligten Elektronen der beiden Komponenten
24.4
Sigmatrope Reaktionen
Bei sigmatropen Reaktionen wandert eine ¢-Bindung, die einem oder mehreren -Elektronensystemen benachbart ist, in eine neue Position. Der Prozess verläuft intramolekular und ohne Katalysator; die Anzahl der Einfach- und Doppelbindungen bleibt dabei unverändert. Die „Ordnung [i; j ]“ einer sigmatropen Reaktion wird dadurch ermittelt, dass man die an der Umlagerung unmittelbar beteiligten Atome zählt. Dabei beginnt man an jedem der beiden Enden der ursprünglichen ¢-Bindung, wobei man in entgegengesetzte Richtungen zählt. Nach der Wanderung liegt die neu gebildete ¢Bindung zwischen dem i-ten und dem j -ten Atom. Beispiel 4'
OH + +H − H 2O
CH3
+
3
1
2
4'
3'
CH3
1'
4
[3,4]
+
3
− H+
2
H 3C
H 3C
2' 3'
4
2' 1'
1
Die “fett gezeichnete“ ¢-Bindung wandert bei der Umlagerung. Formale Betrachtung: Ein „Ende“ wandert von 1 nach 4, das andere von 10 nach 30 . Die Ordnung ist somit [3;4]. Eine bekannte Reaktion ist die [3,3]-Cope-Umlagerung von 1,5-Dienen: 2
H 3C
1
H 3C
1'
3
3' 2'
H 3C
H 3C
H 3C
H 3C
200 °C
378
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
Bei [1;j ]-sigmatropen Reaktionen wandert eine Gruppe R von Atom C1 nach Cj . Die wandernde Gruppe (i D 1) nimmt dabei das bindende Elektronenpaar mit. Beispiele [1;j ]-sigmatrope Reaktionen i = 1'
R
R
j=1
R
[1,3]
3
1
2
3 2
5 i = 1'
4
R
R 3
j=1 2
[1,5]
R 1
3 2
Wenn wir annehmen, das diese Isomerisierungen konzertiert, also über cyclische Übergangszustände ablaufen, dann bedeutet das: Die wandernde Gruppe ist im Übergangszustand gleichzeitig an den Ausgangs- und den Endpunkt der Wanderung gebunden. Im Übergangszustand der sigmatropen Reaktion überlappen nun die einfach besetzten HOMO beider Molekülteile. Die Vorzeichen der Orbitale an den Enden der Kohlenstoffgerüste entscheiden dann darüber, ob die Reaktion symmetrieerlaubt ist.
24.4.1 Wasserstoffverschiebungen Abb. 24.10 zeigt die HOMO von drei Radikalen mit 3, 5 und 7 C-Atomen. Die maßgebenden endständigen C-Atome sind durch Pfeile gekennzeichnet. Außerdem ist angegeben, wie ein H-Atom wandern muss, damit die Orbital-Symmetrie erhalten bleibt. Im Übergangszustand finden wir eine Art Dreizentren-Bindung, bei der das 1sOrbital des Wasserstoffs mit je einem p-Orbital der endständigen C-Atome überAbb. 24.10 Symmetrieerlaubte thermische [1;j ]sigmatrope Wasserstoffverschiebungen in Allyl-, Pentadienyl- und Hexatrienyl-Systemen
24.4 Sigmatrope Reaktionen
379
lappt. Aufgrund der Symmetrie dieser Orbitale können wir dann entscheiden, ob die Wanderung suprafacial oder antarafacial ist. In Abb. 24.10a kann man auch erkennen, dass eine antarafaciale [1,3]-Verschiebung geometrisch schwierig ist. Eine thermische suprafaciale [1,3]-Verschiebung ist nicht erlaubt, weil dann das s-Orbital des H-Atoms mit zwei p-Orbital-Lappen verschiedenen Vorzeichens überlappen müsste. Eine photochemisch induzierte suprafaciale [1,3]-Verschiebung ist jedoch leicht möglich: maßgebend ist jetzt §3 aus MO-Schema Abb. 5.4. Recht häufig sind ebenfalls thermische suprafaciale [1,5]-Verschiebungen, die, wie aus Abb. 24.10b hervorgeht, symmetrieerlaubt sind. Beispiele für die Anwendung der Wasserstoffverschiebung Vitamin D2 , das der Trinkmilch zugesetzt wird, wird aus dem pflanzlichen Steroid Ergosterin gewonnen: CH3 R
H
19
CH3
CH3 R
CH2
9
hν
10
CH3 R Δ
*
HO
HO
HO Ergosterol (Ergosterin)
Präergocalciferol
Ergocalciferol Vitamin D2
CH3 H 3C R=
H
CH3 CH3
*Beachte: Bei der Rückreaktion tritt Epimerisierung am C-10-Atom ein! Analog verläuft die Umwandlung von 7-Dehydro-cholesterol in Cholecalciferol (Vitamin D3 , s. Abschn. 33.2.1): 7-Dehydrocholesterol
hν *
Prächolecalciferol
Δ
Cholecalciferol
Der erste Schritt ist bei beiden Reaktionen eine photochemisch induzierte elektrocyclische Ringöffnung. Sie verläuft – wie in Abschn. 24.2, Abb. 24.4, beschrieben – konrotatorisch (Hexatrien-Cyclohexadien-Umwandlung). Im zweiten Reaktionsschritt folgt eine antarafaciale [1,7]-Wasserstoffverschiebung (vgl. Abb. 24.10c). Dabei wandert ein H-Atom von C-19 nach C-9.
24.4.2 Kohlenstoffverschiebungen Bei der Wanderung eines C-Atoms ist im Unterschied zum H-Atom (mit einem sOrbital) zu beachten, dass beide p-Orbital-Lappen des wandernden C-Atoms mit
380
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen
dem benachbarten -System in Wechselwirkung treten können. Dies hat zur Folge, dass sich die Konfiguration der wandernden Gruppe ändern kann.
24.4.2.1 Erhaltung der Konfiguration des C-Atoms Abb. 24.11 zeigt die Übergangszustände bei der Wanderung eines C-Atoms. Die Bindung erfolgt jeweils über den gleichen Orbital-Lappen der C-Atome, d. h. die Bindungen liegen auf derselben Seite des Atoms: Die Konfiguration des C-Atoms in der wandernden Gruppe bleibt erhalten (Retention). 24.4.2.2 Inversion in der wandernden Gruppe In Abb. 24.12 ist gezeigt, wie die Bindung an beiden Enden des -Systems über zwei verschiedene Orbital-Lappen des p-Orbitals erfolgen kann. Die Orbital-Lappen liegen auf gegenüberliegenden Seiten des C-Atoms, d. h. es erfolgt Inversion am C-Atom der wandernden Gruppe (vgl. Stereochemie bei der SN 2-Reaktion). Beispiele für sigmatrope [3,3]-Verschiebungen 1. Cope-Umlagerung von 1,5-Dienen: s. Abschn. 24.3.1 2. Claisen-Umlagerung von Allyl-arylethern. O
O
O
OH
Δ
Allylphenylether
Abb. 24.11 [1;j ]-sigmatrope Verschiebung mit Retention
Abb. 24.12 [1;j ]-sigmatrope Verschiebung mit Inversion
o-Allylphenol
Stereochemie
25
Bereits bei den Alkanen wurde deutlich, dass die Summenformel zur Charakterisierung einer Verbindung nicht ausreicht. Es muss auch die Strukturformel hinzugenommen werden. Als Strukturisomere oder Konstitutionsisomere werden Moleküle bezeichnet, die sich durch eine unterschiedliche Verknüpfung der Atome unterscheiden (s. Kap. 23). Eine zweite große Gruppe von Isomeren sind die Stereoisomere.
25.1
Stereoisomere
Stereoisomere besitzen die gleiche Summenformel und Atomsequenz, unterscheiden sich jedoch in der räumlichen Anordnung der Atome an einem stereogenen Zentrum (Chiralitätszentrum). Sie werden aufgrund ihrer Symmetrieeigenschaften eingeteilt: Verhalten sich zwei Stereoisomere wie ein Gegenstand und sein Spiegelbild, so nennt man sie Enantiomere oder (optische) Antipoden. Ist eine solche Beziehung nicht vorhanden, heißen sie Diastereomere. Bei Verbindungen mit nur einem Chiralitätszentrum existieren nur Enantiomere. Verbindungen mit zwei oder mehr stereogenen Zentren können als Enantiomere und Diastereomere vorliegen. Bei Verbindungen mit n Chiralitätszentren existieren insgesamt 2n Stereoisomere.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_25
381
382
25 Stereochemie
Beispiel Diastereomere
Enantiomere
COOH HO C H H C OH COOH
HOOC H C OH HO C H HOOC
(D)-
(L)Weinsäure optisch aktiv
COOH
COOH
H C OH
HO C H
H C OH
HO C H
COOH
Spiegelebene
COOH
(DL)-Weinsäure Meso-Weinsäure optisch inaktiv
Es gilt: 1. Zwei Stereoisomere können nicht gleichzeitig enantiomer und diastereomer zueinander sein, und 2. von einem bestimmten Molekül existieren immer nur zwei Enantiomere; es kann aber mehrere Diastereomere geben. Diastereomere unterscheiden sich, ähnlich wie die Strukturisomere, in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften wie Siedepunkt, Schmelzpunkt, Löslichkeit usw. Sie können durch die üblichen Trennmethoden (z. B. fraktionierte Destillation, Chromatographie) getrennt werden. Enantiomere verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. Sie lassen sich nicht durch Drehung zur Deckung bringen. Enantiomere haben die gleichen physikalischen und chemischen Eigenschaften (Schmelzpunkte, Siedepunkte, etc.), sie unterscheiden sich nur in ihrer Wechselwirkung mit chiralen Medien wie optisch aktiven (chiralen) Reagenzien und Lösemitteln oder polarisiertem Licht. Dieses Phänomen bezeichnet man als optische Aktivität. Enantiomere lassen sich dadurch unterscheiden, dass das eine die Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht – unter sonst gleichen Bedingungen – nach links und das andere diese um den gleichen Betrag nach rechts dreht. Daher ist ein racemisches Gemisch optisch inaktiv. Zur Messung dient das Polarimeter (Abb. 25.1). Die Ebene des polarisierten Lichts wird in einem chiralen Medium gedreht. Das Ausmaß der Drehung ist proportional der Konzentration c der Lösung (angegeben in g=100 ml) und der Schichtdicke ` (angegeben in dm). Ausmaß und Vorzeichen hängen ferner ab von der Art des Lösemittels, der Temperatur T und der Wellenlänge œ des verwendeten Lichts. Eine Substanz wird durch einen spezifischen Drehwert ’ charakterisiert: Œ’Tœ D
’Tœ .gemessen/ ` Œdm c Œg=ml
25.2 Molekülchiralität
383
Abb. 25.1 Polarimeter (schematisch)
Beachte: Es gibt auch chirale Moleküle, deren Drehwert so klein ist, dass er nicht messbar ist, z. B. 4-Ethyldecan mit [’]D 0. Dies ist aber eher die Ausnahme. Bei einem Enantiomeren-Gemisch gibt man seine optische Reinheit p an. pD
Œ’ 100 ŒA
Œ’ D spez. Drehwert des Gemischs ŒA D spez. Drehwert eines reinen Enantiomeren
Unter idealen Verhältnissen ist die optische Reinheit gleichzusetzen mit der Enantiomerenreinheit, die häufig auch als Enantiomerenüberschuss (engl. enantiomeric excess, Abk.: ee) bezeichnet wird. Sind R und S die Konzentrationen der beiden Enantiomere, und ist R > S, so gilt für den Enantiomerenüberschuss: % Enantiomerenüberschuß (ee-Wert) D
RS 100 RCS
Schließlich erhält man den Prozentgehalt eines Enantiomers aus den Gleichungen: % R-Enantiomer D
R 100 RCS
% S-Enantiomer D
S 100 RCS
25.2 Molekülchiralität Die Ursache für die Chiralität von Molekülen ist oft ein C-Atom, das mit vier verschiedenen Substituenten verbunden ist und als asymmetrisches C-Atom (*C) bzw. Asymmetriezentrum bezeichnet wird. Es genügt bereits die Substitution eines Substituenten durch sein Isotop wie in CH3 *CHDOH. Bei einem Asymmetriezentrum handelt es sich um einen Spezialfall des allgemeinen Begriffs Chiralitätszentrum. Es gibt auch optisch aktive Verbindungen ohne asymmetrisches C-Atom und Substanzen, die trotz asymmetrischer C-Atome optisch nicht aktiv sind (z. B. meso-Weinsäure). I
Voraussetzung für optische Aktivität ist, dass ein Molekül chiral ist, es muss jedoch nicht asymmetrisch sein.
Chiralität ist also die notwendige Voraussetzung für das Auftreten von Enantiomeren. Der Unterschied zwischen Chiralität und Asymmetrie wird deutlich, wenn
384
25 Stereochemie
Tab. 25.1 Symmetrieoperationen Symmetrieelement Symmetrieoperation Ebene Spiegelung an der Ebene
Symbol ¢v D vertikale Ebene ¢h D horizontale Ebene Cn (n D Zähligkeit)
Achse
Drehung um die Achse mit dem Drehwinkel ı ’ D 360 D 2 n n
Zentrum
Inversion (Punktspiegelung) aller Punkte durch i ein Zentrum Drehung um den Winkel ’ D 2 und Spiegelung Sn n an einer Ebene senkrecht zur Drehachse
Drehspiegelachse
man die Symmetrieeigenschaften der Moleküle betrachtet. Sie können durch Symmetrieoperationen beschrieben werden, die man an den Symmetrieelementen ausführt. Eine Symmetrieoperation bringt ein Molekül mit sich selbst zur Deckung. Es wird in eine nicht-unterscheidbare äquivalente oder eine identische Orientierung überführt. Beispiele für Symmetrieoperationen finden sich in Tab. 25.1. Symmetrieelemente sind geometrische Orte, an denen Symmetrieoperationen ausgeführt werden können. Eine Ebene die ein Molekül in zwei spiegelbildlich gleiche Hälften teilt heißt Symmetrieebene. Alle planaren Moleküle besitzen eine Symmetrieebene, nämlich die Molekülebene. Lineare Moleküle besitzen eine unendliche Anzahl von vertikalen Symmetrieebenen (¢v ) längs der Molekülachse (C1 ). Symmetrieebenen senkrecht zur Molekülachse werden als horizontale Ebenen (¢h ) bezeichnet. Ein Molekül hat dann eine Symmetrieachse (C) der Ordnung n (n-zählige Symmetrieachse Cn ), wenn eine Drehung um 360ı =n zu einer Atomanordnung führt, die von der ursprünglichen nicht zu unterscheiden ist. Ein Molekül hat dann ein Inversionszentrum, wenn jedes Atom dieses Moleküls ein zu diesem Zentrum symmetrisches Gegenstück hat. Eine Drehspiegelung ist eine zusammengesetzte Operation, bestehend aus einer Drehung um 360ı =n um eine Drehspiegelachse (Sn ), gefolgt von einer Spiegelung an einer Symmetrieebene senkrecht zur Sn -Achse. Beispiel Cyclopropan (Abb. 25.2) hat 3 vertikale Symmetrieebenen (¢v ), eine horizontale Symmetrieebene (¢h ), 3 zweizählige Drehachsen C2 (Rotation um 180ı ), eine dreizählige Achse C3 (Drehwinkel 120ı ) senkrecht zur Ebene ¢h , die mit einer vertikalen Drehspiegelachse S3 identisch ist. I
Asymmetrische Moleküle haben keine Symmetrieelemente.
Chirale Moleküle können jedoch noch eine n-zählige Symmetrieachse Cn enthalten (und evtl. senkrecht dazu weitere C2 -Achsen). Sie besitzen jedoch weder ein Symmetriezentrum noch eine Symmetrieebene (Spiegelebene) oder eine Drehspiegelachse Sn .
25.2 Molekülchiralität
385
Abb. 25.2 Symmetrieelemente des Cyclopropans
Beispiele 1. Chirale Verbindungen
CHO
H H C
Cl
C
H C CH2OH HO
H C C C Cl
C
H
Cl
Cl H
H H
C2-Achse
C2-Achse
C2-Achse chiral und asymmetrisch
Cl
Cl
H
chiral, aber nicht asymmetrisch mit 2-zähliger Drehachse
chiral, aber nicht asymmetrisch mit 2-zähliger Drehachse
2. Achirale Verbindungen
H
H HOOC H HO
OH H
C
Cl C
COOH
H
C C C
C
H
H3C H3C
CH3
CH3
σv C2-Achse
Cl σ v
H
achirales Allen mit 2 Spiegelebenen
achirales Cyclopropan mit Spiegelebene
achirale Weinsäure mit Inversionszentrum
Cl
H
Cl
H3C
H3C
CH3 CH3
achirales Spiran mit Drehspiegelachse
Da die Chiralität lediglich von der Symmetrie der Moleküle abhängt, ist zu erwarten, dass außer Kohlenstoff auch andere Atome Chiralitätszentren sein können. In der Tat kennt man optische Antipoden von Verbindungen mit Si, Ge, N, P, As, Sb oder S als Asymmetriezentren; Voraussetzung ist, dass ihre Konfiguration stabil ist.
386
25 Stereochemie
Bei den N-, P- und As-Verbindungen handelt es sich um vierfach koordinierte Onium-Ionen, z. B. Ammoniumionen. Bei dreifach koordinierten ungeladenen Stickstoff-Verbindungen ist eine Trennung in Enantiomere im Allgemeinen nicht möglich, da die schnelle Inversion der „Stickstoffpyramide“ im NR1 R2 R3 einer Racemisierung entspricht. Baut man das N-Atom jedoch in ein starres Molekülgerüst ein wie im Fall der Trögerschen Base, dann findet keine Inversion mehr statt, und man kann beide Enantiomere isolieren. Beispiele CH2C6H5
O
+
H5C6
N
CH3 CH2CH=CH2
−
N
N+
CH3 CH2CH=CH2
H5C2
N
H3C
CH3
Trögersche Base
chirale Ammoniumionen
Im Fall der Schwefelverbindungen (Sulfoxide und Sulfoniumionen) kann das freie Elektronenpaar ebenso wie bei den Ammoniumionen als vierter Substituent betrachtet werden, so dass in diesen Molekülen ein asymmetrisches Schwefelatom enthalten ist.
O
S
CH3 CH2OCH3
H5C6
Sulfoxid
25.2.1
S+
CH3 CH2OCH3
Sulfoniumion
Prochiralität
Eine Verbindung des Typs R1 R2 CL2 mit zwei verschiedenen achiralen Substituenten R1 und R2 und zwei gleichen Substituenten L wird als prochiral bezeichnet. Derartige Moleküle enthalten zwar kein chirales C-Atom, können aber durch selektive Umwandlung eines der Substituenten L in einen Substituenten S chiral werden: R1 R2 CL2 ! R1 R2 C*LS (Fall A). Wir erhalten dabei ein asymmetrisches C-Atom, das mit vier verschiedenen Substituenten verbunden ist. Dabei entstehen Enantiomere, und man bezeichnet die Substituenten L daher als enantiotop. Enthält einer der beiden Reste R bereits ein Chiralitätszentrum (R*), so entstehen bei der Substitution Diastereomere (Fall B). In diesem Fall bezeichnet man die Substituenten L als diastereotop. Das zentrale C-Atom wird als prochirales Zentrum bezeichnet. a
1
R
L
L
C L
R2
S
1
R
S
b
L
C
C L
1
R
L
R
2
L
R*
S
1
R
S C L
R*
25.2 Molekülchiralität
387
Im Gegensatz zu den diastereotopen sind die enantiotopen Substituenten völlig identisch, sie können jedoch durch Umsetzung z. B. mit chiralen Reagenzien unterschieden werden. In der Natur wird diese Funktion häufig von Enzymen übernommen. Beispiel Reduktion mit NADH Als Reduktionsmittel verwenden Enzyme in der Regel NADH (bzw. NADPH) (s. a. Abschn. 27.2). Dieses trägt an C4 zwei H-Atome (HA und HB ), wovon eines auf das zu reduzierende Substrat übertragen wird. C4 ist daher ein prochirales C-Atom. Würde man HA durch einen anderen Substituenten ersetzen, so würde ein Chiralitätszentrum mit R-Konfiguration (s. Abschn. 25.3.2) entstehen. HA bezeichnet man daher auch als pro-R, HB dementsprechend als pro-S. Tauscht man ein H-Atom gegen das schwerere Isotop Deuterium aus, wird die Verbindung chiral. Untersuchungen mit solchem deuterierten NADH/D haben gezeigt, dass das Enzym stereoselektiv nur eines der beiden Wasserstoffatome überträgt. Je nach Position des D wird es entweder komplett übertragen oder es verbleibt komplett im NADC . H
H B HA CONH2
4
CONH2
−
−H
−
+H
N
N+
R
R
NADH
NAD
+
Die hier angestellten Betrachtungen zur Prochiralität lassen sich auch auf Verbindungen mit trigonalen C-Atomen übertragen. Bei Verbindungen des Typs R1 R2 CDY (mit Y D O, NH, CH2 etc.) liegen die Substituenten R1 und R2 in derselben Ebene wie die Doppelbindung, die von zwei Seiten angegriffen werden kann. Die Seiten haben enantiotopen Charakter und werden als enantiotope Halbräume bezeichnet. Sie werden als Re- (von rectus) oder Si-Seite (von sinister) unterschieden, gemäß den Sequenzregeln des R,S-Systems (s. Abschn. 25.3.2). Dabei werden die Substituenten R1 , R2 und Y nach ihrer Priorität geordnet. Beispiel Reduktion von Brenztraubensäure zu Milchsäure (die Zahlen geben die Priorität im R-S-System an) Blickrichtung 1
Re-Seite
H
1
O
OH C
Blickrichtung 1
3
CH3 COOH 2
(S)-Milchsäure
+ H2
OH + H2
C CH3
3
HOOC2
Si-Seite
3
H3C
C H
HOOC 2
(R)-Milchsäure
388
25 Stereochemie
Diese Reduktion verläuft im Körper mit Hilfe des Enzyms Lactat-Dehydrogenase (LDH), wobei ausschließlich die (S)-Milchsäure gebildet wird. Als Reduktionsmittel dient hierbei NADH.
25.3
Schreibweisen und Nomenklatur der Stereochemie
Zur Wiedergabe der räumlichen Lage der Atome eines Moleküls auf dem Papier gibt es mehrere Möglichkeiten. Häufig verwendet wird die Keilschreibweise, bei der Substituenten, die auf den Betrachter gerichtet sind durch einen fetten durchgezogenen Keil angedeutet werden, während Substituenten, die vom Betrachter wegzeigen durch einen unterbrochenen Keil gekennzeichnet werden. Bindungen, die nicht besonders markiert sind, befinden sich in der Papierebene. Anstelle der fettgedruckten und unterbrochenen Keile werden teilweise auch nur fettgedruckte und gebrochene Linien verwendet. Eine vor allem in der Kohlenhydratchemie (s. Kap. 28) gebräuchliche Schreibweise sind die Projektionsformeln nach Fischer. Bei der Fischer-Projektion werden alle Bindungen als normale Linien dargestellt, die nur senkrecht oder waagrecht verlaufen dürfen. Per Definition zeigen alle waagrechten Linien auf den Betrachter zu und alle senkrechten Linien vom Betrachter weg. Das zentrale (asymmetrische) C-Atom liegt in der Papierebene und wird vor allem bei den Kohlenhydraten häufig weggelassen. Bei der Fischer-Projektion wird das am höchsten oxidierte Ende einer vertikal gezeichneten Kohlenstoffkette nach oben gezeichnet. Bei Fischer-Projektionsformeln ist folgendes zu beachten: 1. Sie geben nur die Konfiguration wieder. Potentielle Konformationen werden nicht berücksichtigt. 2. Die Formel darf als Ganzes in der Projektionsebene um 180ı gedreht werden. Das Molekül bleibt dadurch unverändert, muss aber so betrachtet werden, dass das C-Atom mit der höchsten Oxidationszahl oben steht. 3. Eine Drehung um 90ı oder in ein ungeradzahliges Vielfaches ist verboten, da sie die Konfiguration des anderen Enantiomeren ergibt. 4. Ein einfacher Austausch zweier Substituenten ist nicht erlaubt, weil dies die Konfiguration ändern würde (Gegenstand ! Spiegelbild). Führt man dagegen zwei Vertauschungen von jeweils zwei Substituenten unmittelbar hintereinander aus, erhält man das ursprüngliche Molekül („Spiegelbild des Spiegelbildes“, Regel des doppelten Austauschs). Beispiel 2-Chlorpropionaldehyd (Enantiomerenpaar) Spiegelebene
a
b
CHO H
C
CH3 Cl
H3C
c
CHO
CHO
CHO
C
C
C
H
H
CH3 H3C Cl Cl
CHO H C Cl
H
CH3
CHO Cl C H CH3
Cl
Tetraeder-Schreibweise
Keil-Schreibweise
Fischer-Projektion
Von a ! c Ableitung der Fischer-Projektionsformel aus der räumlichen Struktur.
25.3 Schreibweisen und Nomenklatur der Stereochemie
389
25.3.1 D,L-Nomenklatur Die “historischen“ Konfigurationsangaben D und L werden hauptsächlich bei Zuckern und Aminosäuren verwendet. Sie gehen auf Emil Fischer zurück, der dem rechtsdrehenden (C)-Glycerinaldehyd willkürlich folgende Projektionsformel zuordnete. In ihr steht die OH-Gruppe rechts, und daher wird diese Form des Glycerinaldehyds als D-Form bezeichnet (D von dexter D rechts). CHO H C OH CH2OH
D-Glycerinaldehyd
Entsprechend erhalten alle Substanzen, bei denen der Substituent (hier die OHGruppe) am „untersten asymmetrischen C-Atom“ in der Fischer-Projektion auf der rechten Seite steht, die Bezeichnung D vorangestellt (relative Konfiguration bezüglich D-Glycerinaldehyd). Das andere Enantiomer erhält die Konfiguration L (von laevus D links), z. B. L-Glycerinaldehyd. Die hier dargestellte willkürliche Zuordnung der Projektionsformel I zum (C)D-Glycerinaldehyd wurde 1951 durch Röntgenstrukturanalyse am Na-Rb-Salz der D-Weinsäure (D absolute Konfiguration) bestätigt. Weitere Methoden zur Ermittlung der absoluten Konfiguration sind z. B. chemische Umwandlungen mittels Verfahren, die vorhersehbar unter Retention oder Inversion ablaufen. Die Produkte werden danach mit bekannten Bezugssubstanzen verglichen. Die D/L-Nomenklatur bezieht sich nur auf die Konfiguration eines asymmetrischen C-Atoms. Folglich gibt es Probleme bei Verbindungen mit mehreren Chiralitätszentren. Es gab daher Bemühungen ein generell anwendbareres System zur Nomenklatur zu entwickeln.
25.3.2
R,S-Nomenklatur (Cahn-Ingold-Prelog-System)
Zur Bestimmung der absoluten Konfiguration bedient man sich der Regeln von Cahn, Ingold und Prelog, die da lauten: 1. Die direkt an das asymmetrische C-Atom gebundenen Atome (a) werden nach fallender Ordnungszahl angeordnet, d. h. das Atom mit der höheren Ordnungszahl hat die höhere Priorität. Sind zwei oder mehr Atome gleichwertig, wird ihre Prioritätsfolge ermittelt, indem man die weiter entfernt stehenden Atome b (im gleichen Substituenten) betrachtet. Notfalls muss man die nächstfolgenden Atome c (evtl. auch d) heranziehen. Falls kein Substituent vorhanden ist, setzt man für die entsprechende Position die Ordnungszahl Null ein. Mehrfachbindungen zählen als mehrere Einfachbindungen, d. h. aus CDO wird formal OCO. Aus diesen Regeln ergibt sich für wichtige Substituenten folgende Reihe, die nach abnehmender Priorität geordnet ist: Cl > SH > OH > NH 2 > COOH > CHO > CH 2 OH > CN > CH 2 NH 2 > CH 3 > H
390
25 Stereochemie
Festlegung der Priorität: c b a c
b
a
*C a b c a b c
Beispiel: 1 OH H H H H HO C C C C C H 2 3 H H H H H 4
Weitere Festlegungen: Bei Isotopen hat dasjenige mit der höheren Masse Priorität. Bei Alkenyl-Gruppen geht Z vor E. Bei chiralen Substituenten geht R vor S. 2. Man betrachtet nun ein Molekül in der Weise, dass der Substituent niedrigster Priorität (meist H) nach hinten zeigt. Man blickt sozusagen von vorne über das asymmetrische C-Atom in die CH-Bindung. Dies kann man sich leicht klar machen, wenn man sich ein Lenkrad vorstellt, mit dem rangniedrigsten Substituenten hinter dem Lenkrad in der Drehachse, dem chiralen C-Atom in der Nabe und den anderen drei Substituenten auf dem Radkranz. Entspricht die Reihenfolge der restlichen drei Substituenten (nach abnehmender Priorität geordnet) einer Drehung im Uhrzeigersinn, erhält das Chiralitätszentrum das Symbol R (rectus). Entspricht die Reihenfolge einer Drehung im Gegenuhrzeigersinn, erhält es die Bezeichnung S (sinister). Beispiel (–)-R-Milchsäure
Blickrichtung
H C OH CH3
R
COOH
COOH
C H
CH3 OH
2 COOH 1
HO
C
3
CH3
25.4 Beispiele zur Stereochemie
391
Die Ableitung der Konfiguration eines Stereoisomers wird erleichtert, wenn man die Verbindung in der Fischer-Projektion hinschreibt. Der Substituent niedrigster Priorität muss nach unten oder oben zeigen, da er dann hinter der Papierebene liegt (s. o.). Die Reihenfolge wird danach entsprechend den Sequenzregeln bestimmt und die Konfiguration ermittelt. Da man bei der Fischer-Projektion die C-Kette von oben nach unten schreibt, befindet sich der Substituent mit niedrigster Priorität häufig in einer waagrechten Position. In diesem Fall muss man die Regel des doppelten Austauschs anwenden. Beispiele
H C OH CH3
3
OH
COOH 2
H3C C COOH H
D-Milchsäure
1
1
COOH
R
H2N C H
2
NH2
3
HOOC C CH2OH
CH2OH L-Serin
S
H
Enthält ein Molekül mehrere asymmetrische Atome, wird jedes einzelne mit R oder S bezeichnet und die Buchstaben werden in den Namen aufgenommen. Es sei hier ausdrücklich betont, dass die Bezeichnungen R und S lediglich die Konfiguration am Asymmetriezentrum angeben und keine Aussage darüber machen,in welche Richtung die Polarisationsebene gedreht wird. Die Drehung dieser Ebene nach rechts wird mit (C), die Drehung nach links mit () bezeichnet und die Drehrichtung dem Molekülnamen vorangestellt: ()-R-2-Butanol ist der Alkohol mit der Formel CH3 CH2 *CHOHCH3 , der das polarisierte Licht nach links dreht und dessen Substituenten im Uhrzeigersinn aufeinander folgen.
25.4 25.4.1
Beispiele zur Stereochemie Verbindungen mit mehreren chiralen C-Atomen
Für Verbindungen mit n Chiralitätszentren kann es maximal 2n Stereoisomere geben. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Chiralitätszentren verschieden substituiert sind (s. Abschn. 25.4.2) und die C-Kette beweglich ist (die bicyclische Verbindung Campher mit zwei Zentren bildet nur ein Enantiomerenpaar, die Bildung von Diastereomeren ist hier nicht möglich). Bei Verbindungen mit zwei benachbarten Chiralitätszentren spricht man oft von der erythro- und der threo-Form. Die Namen leiten sich von den stereoisomeren Zuckern Erythrose und Threose ab (s. Abschn. 28.1.1).
392
25 Stereochemie
Beispiel Beim 2,3,4-Trihydroxybutyraldehyd sind vier Stereoisomere möglich (1)
(2)
1CHO
H H
2 3
(3) CHO
CHO
OH
HO
H
HO
OH
HO
H
H
4CH
2OH
D-
(4)
2R,3R
H
OH
OH
HO
H
CH2OH
CH2OH
CH2OH
L-
D-
L-
Erythrose Konfiguration
CHO
H
Threose 2S,3S
2S,3R
2R,3S
Bei Verbindungen mit erythro-Konfiguration befinden sich die Substituenten an den Chiralitätszentren in der Fischer Projektion auf derselben Seite, bei der threo-Konfiguration auf der gegenüberliegenden Seite. Die Verbindungen 1 und 2 bzw. 3 und 4 sind Enantiomere. Die erythro- und die threo-Formen sind diastereomer zueinander. Zur Verdeutlichung der Beziehungen ist die Konfiguration angegeben. Man sieht, dass die Enantiomeren an den beiden Asymmetriezentren die entgegengesetzte Konfiguration haben.
25.4.2
Verbindungen mit gleichen Chiralitätszentren
Die Anzahl der möglichen Stereoisomere wird verringert, wenn die Verbindung zwei gleichartig substituierte Chiralitätszentren enthält. Beispiel (1)
(2)
COOH HO C H H C OH COOH
HOOC H C OH HO C H HOOC
D-
LWeinsäure
(3)
(4)
COOH
COOH
H C OH
HO C H
H C OH
HO C H
COOH
Symmetrieebene
COOH
(DL)-Weinsäure Meso-Weinsäure
1 und 2 sind Enantiomere; 3 und 4 sehen zwar ebenfalls spiegelbildlich aus, können aber zur Deckung gebracht werden: bei der Fischer-Projektion durch Drehung um 180ı . Sie besitzen in der Fischer-Projektion eine Symmetrieebene, die Verbindungen sind somit identisch. Substanzen dieser Art sind achiral, da beide Asymmetriezentren entgegengesetzte Konfiguration R bzw. S zeigen. Die Strukturen 3 und 4 werden als meso-
25.4 Beispiele zur Stereochemie
393
Formen bezeichnet und können nicht optisch aktiv erhalten werden. Sie verhalten sich zu dem Enantiomerenpaar 1 und 2 wie Diastereomere. Damit unterscheidet sich die meso-Weinsäure 3/4 in ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften von 1 und 2 und kann abgetrennt werden (z. B. durch Kristallisation).
25.4.3 Chirale Verbindungen ohne chirale C-Atome Zahlreiche Verbindungen sind chiral und können optisch aktiv erhalten werden, ohne chirale C-Atome zu enthalten. 1. a) Verschieden substituierte Allene (R¤R0 ) mit gerader Anzahl von Doppelbindungen sind chiral. Am Orbitalmodell erkennt man, dass die Substituenten an den Molekülenden paarweise in aufeinander senkrecht stehenden Ebenen liegen. Strukturformel: H Cl
Cl C C C H
Orbitalmodell:
b) Allene mit ungerader Anzahl von Doppelbindungen sind achiral und können als cis-trans-Isomere auftreten. Strukturformel: H Cl
C C C C
Cl H
Orbitalmodell:
2. Das Beispiel 4-Methyl-cyclohexylidenessigsäure zeigt im Vergleich zu den Allenen, dass eine Doppelbindung – sterisch betrachtet – einem Ring äquivalent sein kann. H H3C
COOH
HOOC C
C H
H
H CH3
394
25 Stereochemie
3. Ersetzt man beide Allen-Doppelbindungen durch Ringe, kommt man zu den Spiranen, wie hier zum 2,6-Dichlor-spiro-[3,3]-heptan. Cl 6
H
1
7 5
4
Cl
H
2 3
Cl
H
Cl
H
4. Chiralität ohne asymmetrische C-Atome tritt auch bei Biphenyl-Derivaten auf. Diese Atropisomerie genannte Erscheinung ist eine spezielle Konformationsisomerie, bei der eine freie Drehbarkeit um die CC-Einfachbindung aus sterischen Gründen nicht mehr möglich ist. Bei Biphenylen kann dies z. B. durch entsprechend voluminöse ortho-Substituenten geschehen oder durch die Verknüpfung über eine Brücke wie in den Cyclophanen. O 2N
CH3
COOH
H3C
COOH
N
N
CH3
H3C
CH2
CH2
CH2
CH2
HOOC
HOOC
NO2 HOOC
6,6-Dinitro-diphensäure
Bis-pyrrol-Derivat
Cyclophan-Derivat
5. Chiralität ist auch aufgrund helicaler Strukturen möglich. Zur Bestimmung der Chiralität schaut man „von vorne“ in die Helix. Eine Rechtsschraube wird mit P- (Plus), eine Linksschraube mit M- (Minus) bezeichnet. Beispiel Hexahelicen
H
H
H
P-
H
MHexahelicen
25.5 25.5.1
Herstellung optisch aktiver Verbindungen Trennung von Racematen (Racematspaltung)
Wie erwähnt, entsteht bei der Synthese chiraler Verbindungen normalerweise ein Gemisch der beiden Enantiomere im Verhältnis 1 W 1. Die Trennung eines racemischen Gemisches in die optischen Antipoden ist möglich durch:
25.5 Herstellung optisch aktiver Verbindungen
395
1. Mechanisches Auslesen der kristallinen Enantiomere, sofern diese makroskopisch unterscheidbar sind oder verschieden schnell aus ihrer Lösung auskristallisieren. Auf diese Weise gelang Louis Pasteur erstmals die Trennung von Weinsäuresalzen in die Enantiomeren. Diese Methode ist daher historisch interessant, besitzt jedoch keine praktische Bedeutung. 2. Racematspaltung über Diastereomere. Meistens lässt man ein racemisches Gemisch mit einer anderen optisch einheitlich aktiven Hilfssubstanz reagieren. Dabei sind oft schon die Übergangszustände der Reaktion diastereomer. Das eine Produkt wird sich also schneller bilden als das andere und kann manchmal durch rasches Aufarbeiten des Reaktionsgemisches isoliert werden (kinetische Racematspaltung). Im Übrigen entsteht bei der Reaktion aus dem Enantiomerenpaar ein Diastereomerenpaar, das aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften getrennt werden kann. Die so erhaltenen reinen Produkte werden wieder in ihre Ausgangsverbindungen zerlegt, d. h. man erhält zwei getrennte Enantiomere und die Hilfssubstanz zurück. Dieses Verfahren ist vor allem dann besonders effizient, wenn keine kovalenten sondern nur ionische Bindungen (Salze) gebildet werden. Zum Zweck der Spaltung racemischer Säuren werden meistens ()-Brucin, ()-Strychnin, ()Chinin, (C)-Cinchonin, und (C)-Chinidin verwendet. Diese natürlich vorkommenden Alkaloide (s. Kap. 34) sind optisch aktive Basen, die leicht kristallisierende Salze bilden. Leicht zugängliche, natürlich vorkommende Säuren, die sich zur Zerlegung racemischer Basen eignen, sind (C)-Weinsäure und ()-Äpfelsäure. Prinzip: Racemat
(+) - RCOOH (−) - RCOOH +
(+) - RCOO− H3NR* (+)
+
optisch aktive Base
2 (+) - R*NH2 +
+ (−) - RCOO− H3NR* (+)
diastereomere Salze
Trennung durch Kristallisation
+
(+) - RCOO− H3NR* (+) HCl (+) - RCOOH
+
− (−) - RCOO H3NR* (+)
HCl
+ 2 (+) - R*NH3+Cl−
(−) - RCOOH
getrennte Enantiomere
3. Eine sehr wirksame Methode der Racematspaltung kann mit Hilfe von Enzymen durchgeführt werden. Enzyme sind chirale Biokatalysatoren, die stereospezifisch nur eines der beiden Enantiomere umsetzen, während das andere rein
396
25 Stereochemie
zurückbleibt. Häufig werden für diesen Prozess hydrolytische Enzyme verwendet, wie etwa Esterasen und Lipasen. 4. Chromatographische Trennmethoden. Verwendet man bei der Chromatographie optisch aktive Adsorbentien (z. B. Cellulosederivate), dann werden die beiden Enantiomere verschieden stark adsorbiert und können anschließend nacheinander eluiert werden. Dies ist eine recht neue Methode die sich vor allem für analytische Zwecke eignet (Bestimmung der Enantiomerenreinheit, etc.). Für präparative Verfahren wird sie jedoch weniger verwendet, da die benötigten chiralen Adsorbentien in der Regel sehr teuer sind. 5. Spaltung über Einschlussverbindungen (Clathrate). Der achirale Harnstoff bildet Einschlussverbindungen, wobei die Gastmoleküle entweder in eine rechtsoder linksgängige Spiralschraube (Helix) eingebaut werden. Die Trennung wird ermöglicht durch die unterschiedliche Löslichkeit der diastereomeren HarnstoffClathrate.
25.5.2
Stereochemischer Verlauf von chemischen Reaktionen
Bei vielen chemischen Reaktionen stehen Edukte und Produkte in einer bestimmten stereochemischen und strukturellen Beziehung zueinander. In diesem Kapitel sollen wichtige Begriffe aus der Stereochemie zusammengefasst werden, die bei der Besprechung der Reaktionsmechanismen verwendet wurden. Inversion, Retention und Racemisierung bei Reaktionen an einem Chiralitätszentrum 1. Bei Inversion wird die Konfiguration an einem Chiralitätszentrum umgekehrt: R ! S und S ! R (sofern die Prioritätsfolge der Substituenten gleich bleibt). Das Vorzeichen der optischen Drehung (C oder ) muss sich dabei nicht notwendigerweise mit umkehren. 2. Bei Retention bleibt die Konfiguration an einem Chiralitätszentrum erhalten. R bleibt R und S bleibt S (gleiche Prioritätsfolge der Substituenten vorausgesetzt). 3. Bei Racemisierung entsteht aus Enantiomeren ein racemisches Gemisch. Dies ist vor allem dann zu erwarten, wenn das chirale C-Atom intermediär als Carbokation, Carbanion oder Radikal auftreten kann. Spezifität und Selektivität bei chemischen Reaktionen 1. Bei einer chemoselektiven Reaktion erfolgt eine Umsetzung gezielt an einer von mehreren funktionellen Gruppen. Betrachtet man z. B. ein Molekül mit zwei unterschiedlichen Doppelbindungen, einer C=C und einer C=O-Doppelbindung, dann erfolgt der Angriff einer Grignard-Verbindung ausschließlich an der Carbonylgruppe, während eine katalytische Hydrierung selektiv an der C=C-Doppelbindung durchgeführt werden kann:
25.5 Herstellung optisch aktiver Verbindungen
397 OH R CH CH CH2 C
H3CMgBr
O R CH CH CH2 C R'
CH3
R' O
H2 Pd/C
R CH2 CH2 CH2 C R'
2. Bei einer regioselektiven Reaktion findet eine chemische Umsetzung bevorzugt so statt, dass ein konstitutionsisomeres (s. Abschn. 2.3) Produkt bevorzugt gebildet wird. Wird ausschließlich eines von mehreren Produkten gebildet, so wird diese Reaktion als regiospezifisch bezeichnet. Beispiele: Diels-Alder-Reaktionen, Hydroborierung, etc. R
R
R R'
R'
und / oder
+
R'
3. Bei einer stereoselektiven Reaktion findet eine chemische Umsetzung statt, bei der aus einem stereochemisch eindeutig definierten Edukt bevorzugt eines von mehreren möglichen Stereoisomeren entsteht. Betrachtet man z. B. wiederum eine Diels-Alder-Reaktion, so können sich hierbei die Reaktionspartner von verschiedenen Seiten nähern. Die Reaktion verläuft exo oder endo bezüglich R2 und R4 . R
R +
R' R' exo
und / oder R endo R'
I Definition endo (griechisch: ©K •o D innen, innerhalb) besagt, dass in biund höhercyclischen Verbindungen funktionelle Gruppen oder Molekülfragmente einander zugekehrt oder ins Innere eines Ringsystems gerichtet sind. exo (griechisch: ©KŸ¨ D außen, außerhalb, nach außen) ist das Gegenteil von endo. 4. Bei einer stereospezifischen Reaktion werden Edukte, die sich lediglich in ihrer Konfiguration unterscheiden, in stereochemisch verschiedene Produkte umgewandelt, d. h. aus einem stereochemisch eindeutig definierten Edukt entsteht ausschließlich ein eindeutig definiertes Produkt. Ein stereospezifischer Prozess ist notwendigerweise auch stereoselektiv. Dies gilt jedoch nicht umgekehrt.
398
25 Stereochemie
Beispiel Die Addition von Brom an Alkene (s. Abschn. 6.1.1) verläuft stereospezifisch anti. Die Konfiguration der Produkte hängt davon ab, welches stereoisomere Alken (E- oder Z-) verwendet wird. Br δ− Br δ+ C
C
Br2
C
C
Br C+C
Br + Br−
C
C
anti
π-Komplex
25.5.3
Br
Bromoniumion
Asymmetrische Synthese
Bei den meisten Synthesen fallen optisch aktive Verbindungen i. a. als racemische Gemische an, die oft mühsam getrennt werden müssen. Bei asymmetrischen Synthesen versucht man, gezielt nur eines von zwei Enantiomeren zu erhalten. Dabei geht man häufig von einer optisch reinen Verbindung aus, deren Chiralitätszentrum die Konfiguration eines im Verlauf der Synthese neu entstehenden Chiralitätszentrums beeinflussen soll. Diese sog. optische Induktion ist meist nicht vollständig, d. h. die gewünschte Konfiguration des neuen Chiralitätszentrums entsteht nur in einem gewissen Überschuss gegenüber der unerwünschten. Als Kriterium dient der enantiomere Überschuss (enantiomeric excess) ee: % Enantiomerenüberschuß (ee-Wert) D
.R S/ 100 .R C S/
Beispiel Bei einem Verhältnis der Enantiomeren von 95 zu 5 ist ee D 90 %, bei einem Verhältnis von 99 zu 1 ist ee D 98 %. Neben die bereits erwähnten klassischen Methoden der Enantiomerentrennung, insbesondere die Racematspaltung über Diastereomere, sind folgende wichtige Synthesewege getreten: 1. Diastereoselektive Synthese Bei einer enantioselektiven Synthese entstehen ungleiche Anteile an R- und S-Enantiomeren. Bei diastereoselektiven Synthesen wird von den Diastereomeren, die in einer Reaktion entstehen oder verschwinden, eines schneller gebildet oder zerstört als das andere, d. h. es findet eine stereoselektive Auslese statt. Die bevorzugte Bildung eines Stereoisomers lässt sich damit erklären, dass sich bei der Reaktion diastereomere Übergangszustände bilden, die verschiedene Bildungsgeschwindigkeiten und/oder verschiedene Energieinhalte haben. Nach Abbruch der Reaktion überwiegt folglich ein Produkt. Das zur Steuerung der Reaktion benötigte chirale Zentrum kann entweder vorübergehend in das Molekül eingebaut werden (Auxiliar-kontrollierte Reaktion) oder es kann im Molekül selbst enthalten sein (Substratkontrollierte Reaktion).
25.5 Herstellung optisch aktiver Verbindungen
399
Bei einer Auxiliar-kontrollierten Synthese werden spezielle, enantiomerenreine Reagenzien (so genannte chirale Hilfsstoffe, Auxiliare) kovalent an das Substrat gebunden das man umsetzen möchte. Danach führt man die gewünschte Reaktion durch, wobei das Auxiliar den Angriff am Substrat steuert. Bei der Reaktion bilden sich Diastereomere, die unter Umständen getrennt werden können. Anschließend muss das chirale Auxiliar wieder abgespalten werden, wobei das gewünschte Produkt in enantiomerenreiner Form erhalten wird. Beispiel R OH
O
+
O Substrat
R
R' CH3
HO H
O
chirales Auxiliar
R' CH3
O
O
H
H3CMgBr R
R
HO H3C
R' CH3 + H3C HO
O O
R' CH3
O O
H
H
Diastereomerentrennung NaOH R
R HO H3C
OH
H3C HO
+
OH O
O
Bei der Substratkontrollierten Synthese geht man von einer bereits chiralen Verbindung aus, und verwendet das vorhandene Chiralitätszentrum um ein weiteres möglichst selektiv zu erzeugen. So lassen sich z. B. aus Aminosäuren I durch doppelte Benzylierung am Stickstoff (R0 D CH2 C6 H5 ) und anschließende partielle Reduktion der Säurefunktion die chiralen Aldehyde II erzeugen. Setzt man diese nun z. B. mit Grignard-Verbindungen um, so erfolgt der Angriff an der Carbonylgruppe bevorzugt und mit hoher Diastereoseletivität von der sterisch weniger gehinderten Seite. NH2 R
COOH I
2) Reduktion
NR'2
NR'2
1) Benzylierung
H
R II O
CH3MgBr
NR'2 CH3 +
R
OH 95
CH3
R
OH :
5
2. Bei der katalytischen asymmetrischen Synthese wird Chiralität katalytisch erzeugt. Sehr häufig verwendet man hierzu Übergangsmetalle, die mit chiralen Li-
400
25 Stereochemie
ganden Komplexe bilden. So werden bei der homogenen asymmetrischen Hydrierung von Alkenen Rhodium-Komplexe mit chiralen Phosphan-Liganden eingesetzt. Eine andere Möglichkeit ist die asymmetrische Phasen-Transfer-Katalyse. Großer Beliebtheit erfreuen sich auch Enzym-katalysierte Reaktionen. Enzyme verfügen über eine chirale Bindungstasche mit einem aktiven Zentrum an welchem die gewünschte Reaktion erfolgt. So lässt sich z. B. meso-1,2-Cyclohexandicarbonsäuredimethylester in Gegenwart des hydrolytischen Enzyms Schweineleberesterase (PLE von pig liver esterase) selektiv zum chiralen Monoester spalten, wobei nur die S-konfigurierte Estergruppe verseift wird, während die zweite Rkonfigurierte Einheit unberührt bleibt. COOCH3 R S
COOCH3 optisch inaktiv
PLE pH 7
COOCH3 R S
COOH optisch aktiv
Dieses Verfahren, bei dem man aus einer optisch inaktiven meso-Verbindung eine optisch aktive Verbindung macht, bezeichnet man oft als Meso-Trick. 3. Der „chirale Pool“ mit natürlichen Bausteinen, z. B. mit Aminosäuren oder Monosacchariden ist eine bedeutende Quelle für potentielle Edukte, welche bereits die erforderlichen Chiralitätszentren mit der gewünschten Konfiguration enthalten.
26
Photochemie
Photochemische Reaktionen gewinnen immer mehr an Bedeutung, da sie häufig zu Produkten führen, die durch thermische Aktivierung nur schwer zugänglich sind. Durch Einstrahlung von Licht bestimmter Wellenlänge (meist durch Hg-Lampen erzeugt) können geeignete Moleküle angeregt werden. Dabei gehen Elektronen aus dem elektronischen Grundzustand durch Absorption eines Photons in einen angeregten Zustand über. Hierdurch wird die Reaktivität der Moleküle oft stark erhöht. Das eingestrahlte Licht muss eine ausreichende Energie (Wellenlänge) besitzen, um in dem Substrat Elektronen so anzuregen, dass sie von bindenden und/ oder nichtbindenden Energieniveaus in antibindende angehoben werden. Die bei der Anregung aufgenommene Energie lässt sich berechnen nach E D h D h c=œ: Für 1 mol Quanten gilt E D NA h D NA h c=œ. Für jede Wellenlänge œ hat E einen bestimmten Wert, für œ D 1 m zum Beispiel E D 0,11963 J=mol. Da die Energiedifferenz des ¢ ! ¢*-Übergangs sehr groß ist, findet dieser i. A. nicht statt. Für den ! *-Übergang benötigt man UV-Licht mit œ 160 nm und für den n ! *-Übergang UV-Licht mit œ 280 nm (s. Abschn. 38.1). Wichtig für die Diskussion photochemischer Reaktionen ist die sog. Multiplizität M der Elektronenzustände.
26.1
Multiplizität M von elektronischen Zuständen
M ist definiert durch die Gleichung M D 2 S C 1, wobei S die Summe der Elektronenspins in dem betrachteten Zustand ist. Die meisten organischen Moleküle liegen bei 298 K im elektronischen Singulett-Grundzustand S0 vor, in dem alle Elektronen gepaart sind (Abb. 26.1).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_26
401
402
26 Photochemie
Abb. 26.1 Elektronenzustände (Schema)
Im Grundzustand S0 beträgt der Gesamtspin S D 12 C 12 D 0, somit ist M D 2 0 C 1 D 1. Durch Anregung wird ein Elektron aus einem HOMO in ein höheres unbesetztes LUMO gehoben und wir erhalten einen angeregten Singulettzustand Sn (n D 1; 2; 3; : : :). Der niedrigste angeregte Singulettzustand ist S1 : S D 12 C 12 D 0; M D 2 0 C 1 D 1. Kehrt das Elektron im LUMO sein Spinmoment um, so erhalten wir den angeregten ersten Triplettzustand T1 : S D 12 C 12 D 1; M D 2 1 C 1 D 3. Der Triplettzustand T1 ist energetisch günstiger als der entsprechende Singulettzustand S1 . Beachte: Der direkte Übergang S0 ! T1 ist verboten. Bei vielen Molekülen findet der Übergang S1 ! T1 , d. h. die Erzeugung von Triplettzuständen, nur in untergeordnetem Maße statt. In diesem Fall verwendet man zur Erhöhung der Ausbeute Photosensibilisatoren, wie sie auch in der Photographie eingesetzt werden. Das sind Substanzen, die durch Lichtabsorption in einen angeregten Zustand übergehen. Durch Kollision mit dem Substratmolekül können sie u. U. Energie übertragen und so das Molekül in einen angeregten Zustand bringen.
26.2 Jablonski-Diagramm Ein Molekül kann auf verschiedene Weise aus einem angeregten elektronischen Zustand, z. B. S2 , wieder in den Grundzustand S0 zurückkehren. Diese Möglichkeiten werden i. a. anhand eines Jablonski-Diagramms diskutiert (Abb. 26.2). Das Molekül im S2 -Zustand geht zunächst durch strahlungslose Desaktivierung (internal conversion) in das niedrigste Schwingungsniveau des S1 -Zustandes über. Die Energie wird z. B. als Wärme bei der Kollision mit anderen Molekülen abgegeben.
26.2 Jablonski-Diagramm
403
Abb. 26.2 Jablonski-Diagramm. Strahlungslose Übergänge: , Strahlungsübergänge: . (Die einzelnen Energieniveaus der Elektronenzustände sind durch waagerechte Striche angedeutet)
Vom S1 -Zustand aus gibt es mehrere Möglichkeiten: 1. S1
S0 Strahlungsübergang, wobei ein Photon emittiert wird, der Elektronenspin bleibt erhalten. Dieser Vorgang heißt Fluoreszenz 2. S1 S0 Strahlungsloser Übergang durch Abgabe von Wärme an die Umgebung (internal conversion) 3. S1 T1 Strahlungsloser Übergang zu einem angeregten Zustand T1 anderer Multiplizität unter Umkehr des Elektronenspins. Der Vorgang heißt strahlungslose Interkombination (intersystem crossing) 4. Photochemie Das Molekül im S1 -Zustand reagiert mit einem anderen Molekül oder es erfolgt strahlungslose Umwandlung in eine isomere Verbindung
Wegen der kurzen Lebensdauer des S1 -Zustandes kommen nur sehr schnelle Reaktionen in Frage. Die Übergänge 1. und 2. überwiegen. T1 -Zustände haben Radikal-Charakter; ihre Energie ist niedriger als die der S1 -Zustände. Sie sind Ausgangspunkt für die meisten photochemischen Reaktionen und haben eine größere Lebensdauer (105 s) als Singulettzustände (107 –108 s). Sie können ihre Energie auf vier Wegen abgeben: 1. T1
S0
Strahlungsübergang, es wird ein Photon emittiert, der Elektronenspin wird umgekehrt. Dieser Vorgang heißt Phosphoreszenz. Die Phosphoreszenz ist erheblich länger andauernd als die Fluoreszenz 2. T1 S0 Strahlungsloser Übergang durch Abgabe von Wärme an die Umgebung (intersystem crossing) 3. Triplett-Energie-Transfer Das Molekül im T1 -Zustand überträgt seinen Elektronenspin auf ein anderes Molekül und geht selbst in einen S0 -Zustand über T1 + S00 ! S0 + T01 4. Photochemie Das Molekül im T1 -Zustand reagiert durch Kollision mit einem anderen oder es wandelt sich in den T1 -Zustand bzw. S0 -Zustand eines isomeren Moleküls um
404
26 Photochemie
Energiebilanz Photochemische Reaktionen werden durch die Quantenausbeute ¥ charakterisiert: ¥D
Anzahl der umgewandelten Moleküle Anzahl der absorbierten Quanten
Bei ¥ < 1 gehen die meisten angeregten Moleküle durch interne Konversion oder Fluoreszenz in den Grundzustand über. Bei ¥ D 1 geht jedes angeregte Molekül eine Folgereaktion ein. Bei ¥ > 1 werden durch photochemisch erzeugte Radikale Kettenreaktionen ausgelöst.
26.3
Beispiele für photochemische Reaktionen
1. Eine photochemische Z-E-Isomerisierung ist von enormer Bedeutung für den Sehvorgang. 11-Z-Retinal, gebunden an das Protein Opsin, ist in den Stäbchen der Retina enthalten. Durch Licht wird es zum E-isomeren Retinal isomerisiert, wodurch die Bindung an das Protein gelockert und ein Nervenimpuls ausgelöst wird: CH3
H3C CH3
CH3
H3C CH3
11
CH3 11
CHO
hν
12
12
CH3
H3C
CHO
CH3
11-Z-Retinal
11-E-Retinal
2. Biolumineszenz. Leuchtkäfer benutzen die in enzymatischen Redoxreaktionen freigesetzte Energie zur Anregung eines Moleküls Oxyluciferin. Danach kehrt das Molekül in seinen Grundzustand zurück, wobei die Anregungsenergie als sichtbares Licht emittiert wird. Ähnlich verläuft die Oxidation von Luminol, bei der blaugrüne Chemolumineszenz auftritt. Dabei liegt das Dianion der 3Amino-phthalsäure im elektronisch angeregten Zustand vor. Anwendung: z. B. Kaltlicht-Leuchtstäbe. NH2
O
NH2
+
NH
NaOH, H2O2
O NH
NH
(K3Fe(CN)6)
O NH
O 3-Aminophthalsäurehydrazid Luminol
− O Na
O − Na
NH2 − N2 − hν
−
+
−
+
COO Na COO Na
+
Natrium-Salz der 3-Aminophthalsäure
26.3 Beispiele für photochemische Reaktionen
405
3. Cyclopentadien dimerisiert thermisch quantitativ zum endo-isomeren Produkt (I) (Abschn. 6.2.4). Photochemische Anregung unter Zusatz von Benzophenon als Sensibilisator liefert zwei weitere Produkte, darunter das exo-Isomere (II). Ph C Ph
hν
O
Ph C Ph O
Ph C Ph * Spininversion O
* +
Ph C Ph O
S1
Energietransfer
Ph C Ph * O
T1
* T1
* +
S0
T1
* +
+ T1
+
I
II
endo
exo
Diels-Alder-Addukte
III Produkt einer [2+2]-Cycloaddition
Teil VI Chemie von Naturstoffen und Biochemie
Naturstoffe können sowohl aus der Sicht der Stoffchemie, d. h. als isolierte chemische Substanzen, als auch als Stoffwechselprodukte im Rahmen von Stoffwechselkreisläufen betrachtet werden. So wird z. B. die Brenztraubensäure, eine Ketocarbonsäure, im Hinblick auf ihre chemischen Eigenschaften im Abschn. 18.5.3 (Oxocarbonsäuren) als Sonderfall einer Carbonsäure abgehandelt, ohne dass dort besonders auf ihre herausragende Bedeutung als biochemisches Zwischenprodukt in der lebenden Zelle eingegangen wird. In den nachfolgenden Kapiteln wird nun versucht, beiden Gesichtspunkten gerecht zu werden, und die Bedeutung der besprochenen Verbindungen für die Biochemie hervorzuheben.
Chemie und Biochemie
27.1
27
Einführung und Überblick
Hauptbestandteil aller Lebewesen ist Wasser, H2 O, das etwa 60–90 % der Masse von Pflanzen und Tieren ausmacht. Andere anorganische Substanzen sind hauptsächlich in den Knochen enthalten (z. B. Hydroxylapatit) und haben einen Massenanteil von etwa 4 %. Der Rest besteht aus einer großen Zahl organischer Substanzen mit z. T. sehr kompliziertem chemischem Aufbau, von denen viele nur in geringen Mengen im Organismus vorkommen. Von den Elementen her gesehen besteht lebende Materie zu ca. 90 % aus C, O, H und N. Weitere Elemente, die z. T. nur als Spurenelemente vorhanden sind, sind jedoch für den Ablauf der lebensnotwendigen biochemischen Reaktionen im Organismus unerlässlich. Dazu gehören z. B. in größeren Mengen Na, K, Mg, Ca, P, S und in kleineren Mengen Se, I, Cr, Mo, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Zn. Während im Organismus die meisten Reaktionen auf biochemischer Basis ablaufen, sind unter den 100 wichtigsten chemisch-synthetischen Verfahren der organischen Chemie nur wenige mikrobielle Produktionsverfahren zu finden. Dies wird sich jedoch mit der Entwicklung der Biotechnologie sicherlich bald ändern. Sie dienen zurzeit vor allem zur Herstellung von Ethanol, Essigsäure, Isopropanol, Aceton, Butanol und Glycerin. Bei Berücksichtigung der Produktionszahlen für andere biotechnische Erzeugnisse wie Brot, Bier, Wein, Käse, Hefe, Antibiotika etc. findet man, dass diese Verfahren 20–30 % der Produktion in der BRD ausmachen. Als Mikroorganismen dienen u. a. Bakterien, Pilze und Mikroalgen. Die Verfahren sind umweltfreundlich und werden z. T. sogar zum Umweltschutz (z. B. bei der Abwasserreinigung) benutzt. Von besonderem Interesse sind dabei zunehmend Verfahren der Biotechnologie. Unter Biotechnologie versteht man die integrierte Anwendung von Biochemie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik mit dem Ziel, Mikroorganismen, Zellund Gewebekulturen sowie Teilen davon für technische Anwendung zu nutzen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_27
409
410
27
Chemie und Biochemie
Tab. 27.1 Technische Verfahren und für die Zukunft absehbare enzymtechnologische Verfahren zur Gewinnung und Transformation von Kohlenhydraten und ihren Derivaten (aus Nachr. Chem. Tech. Lab. 1988, 36, S. 617) Zucker(derivat) Saccharose
Gluconsäure
Gegenwärt. (technisches) Verfahren Extraktion von Zuckerrüben, Zuckerrohr Hydrolyse von Saccharose, Stärke (Cellulose); Chromatographie Säurehydrolyse von Saccharose, Chromatographie Fermentation von Glucose
Mannitol Sorbitol Lactitol Maltitol Dihydroxyaceton L-Sorbose
Chem. Reduktion von Invertzucker an Nickelkatalysatoren ) Chem. Reduktion von Lactose bzw. Maltose an Katalysatoren Fermentation von Glycerin Fermentation von D-Sorbitol
Glucose Fructose
L-Ascorbinsäure Glucose-1-phosphat Trehalose Trehalose-Fettsäureester
Enzymtechnologie unwahrscheinlich Stärkeverflüssigung, Stärkeverzuckerung Isomerisierung von Glucose, Chromatographie (Glucose-Oxidase; H2 O2 / GlucoseDehydrogenase/NADC NADH-abhängige Reduktion von Fructose aussichtsreich als NAD(P)-abhängige konjugierte Redoxprozesse
intrasequentieller Redoxprozess (NAD/H) aus Glucose Chem. Synthese einschl. Fermenta- intrasequentieller Redoxprozess tion aus Glucose (NADP/H) aus D-Uronsäuren ATP-abhängige Phosphorylierung Phosphorylase-Spaltung von Stärvon Glucose zu G-6-P; Umlagerung ke, Saccharose, Lactose in G-1-P Extraktion von Pilzen Synthese aus G-1-P und Glucose durch spezifische Phosphorylase nicht vorhanden Lipasen in organischer Phase
Für die Zukunft ist von großer Bedeutung, dass mittels der Enzymtechnologie nachwachsende Rohstoffe (z. B. Zucker, Stärke, pflanzliche Öle und Fette, Lignocellulose) technisch genutzt werden können. Tab. 27.1 gibt z. B. einen Überblick über die voraussichtliche Entwicklung für industriell wichtige Kohlenhydrate. Die nachfolgende Übersicht bringt Beispiele für wichtige biochemische Reaktionstypen, schematisch dargestellt als klassische Reaktionen. Man beachte dabei, dass biochemische Reaktionen meist selektiv unter milden Reaktionsbedingungen ablaufen.
27.1 Einführung und Überblick
411
1. Oxidationen und Reduktionen (Hydrierungen) Wichtige Umwandlungen Carbonylverb. • Hydroxyverb. Chinone • Hydrochinone Carbonsäuren • Aldehyde
Beispiel O R
OH
C
CH2
COOH + H2
β-Ketocarbonsäure
gesättigte ungesättigte • Verbindungen Verbindungen
R
Imine • Amine Iminosäuren • Aminosäuren
H C
C H
R
CH2
COOH
β-Hydroxycarbonsäure
COOH + H 2
H2 C
R
C H2
COOH
NH2
NH C
CH
R
+ H2
CH
R
COOH
COOH
2. Kondensations- und Hydrolysereaktionen Wichtige Umwandlungen Hydrolyse von Carbonsäure- und Phosphorsäureestern
Beispiel RCOOR' + H2O H2O3P OR' + H2O
Hydrolyse von Acetalen und Ketalen R CH
OR' + H2O
RCOOH + R'OH H3PO4 + R'OH O H
OR'
Iminosäuren • Ketosäuren
+ 2 R'OH
R C
NH
O
+ H2O C R COOH
R
+ NH3 COOH
C
3. Addition und “-Eliminierung von Wasser und Ammoniak X R
CH
CH2
COOH
R
CH
CH
COOH + HX
X = −OH, −NH 2
4. Lösen und Knüpfen von C–C-Bindungen Carboxylierung, Decarboxylierung Beispiele: Acetyl-CoA • Malonyl-CoA
R CH2 + CO2 R
Aldoladdition, Retroaldoladdition
R CH2 + R'CHO R
Esterkondensation und Umkehrung
R CH2 + R'COOR'' R
R CH COOH R
R CH CH R' R
OH
R CH CH R' R
O
412
27
Chemie und Biochemie
Tab. 27.2 Kunststoffe und Biopolymere Art der Bindungen zwischen den Monomeren Kohlenstoff-Bindung
Beispiele für synthetische Polymere natürliche Polymere Polyethylen Kautschuk
C C
Ester-Bindung
O
Polyester (Diolen)
Nucleinsäuren (DNA, RNA)
Polyamid (Nylon, Perlon)
Proteine, Peptide (Eiweiß, Wolle, Seide)
Polyformaldehyd (Delrin)
Polysaccharide (Cellulose, Stärke, Glykogen)
C O C
Amid-Bindung
O C NH C
Ether-Bindung bzw. Acetal-Bindung
C O C
Von besonderem Interesse sind Polymerisationsreaktionen, die zu Biopolymeren führen. Biopolymere sind natürliche Makromoleküle, die ebenso wie synthetische Makromoleküle (Kunststoffe, s. Kap. 37) aus kleineren Bausteinen (Monomeren) aufgebaut sind. Die Polymere unterscheiden sich u. a. in der Art des Monomeren bzw. der Monomeren, aus denen sie aufgebaut sind, der Art der Bindung zwischen den Bausteinen und der Möglichkeit verschiedener Verzweigungsarten bei mehreren funktionellen Gruppen. Eine Übersicht über hier besprochene Verbindungen gibt Tab. 27.2.
27.2 Biokatalysatoren Der Grund für den spezifischen Ablauf biochemischer Reaktionen unter vorgegebener Bedingungen (Lösemittel: Wasser, pH 7, enger Temperaturbereich) ist der Einsatz wirksamer Biokatalysatoren, der Enzyme. Enzyme sind meist Proteine, die neben dem Protein-Teil noch nicht-proteinartige Bestandteile, die Coenzyme enthalten. Proteingebundene Coenzyme werden auch als prosthetische Gruppen bezeichnet, vor allem, wenn sie relativ fest gebunden sind.
27.2 Biokatalysatoren
413
Tab. 27.3 Coenzyme und prosthetische Gruppen Coenzym bzw. Abkürzung Übertragene prosthetische Gruppe Gruppe/Funktion I. Wasserstoffüberträger Nicotinamid-adeninNADC Wasserstoff dinucleotid Nicotinamid-adeninNADPC Wasserstoff dinucleotid-phosphat Flavinmononucleotid FMN Wasserstoff Flavin-adenin-dinucleotid FAD Wasserstoff II. Gruppenüberträger Adenosintriphosphat ATP Phosphorsäure/AMP-Rest PhosphoadenylsäurePAPS Schwefelsäure-Rest sulfat Pyridoxalphosphat PLP Amino-Gruppe C1 -Transfer-Coenzyme Tetrahydrofolsäure FH4 Formyl-Gruppe Biotin Carboxyl-Gruppen (CO2 ) C2 -Transfer-Coenzyme Coenzym A CoA Acetyl (Acyl) Thiaminpyrophosphat ThPP C2 -Aldehyd-Gruppen III. Wirkgruppen der Isomerasen und Lyasen Pyridoxalphosphat PLP Decarboxylierung Thiaminpyrophosphat ThPP Decarboxylierung B12 -Coenzym B12 Umlagerung
Zugehöriges Vitamin (Kennbuchstabe) Nicotinsäureamid (B3 ) Nicotinsäureamid (B3 ) Riboflavin (B2 ) Riboflavin (B2 ) – – Pyridoxin (B6 ) Folsäure (B4 ) Biotin (H) Pantothensäure Thiamin (B1 ) Pyridoxin (B6 ) Thiamin (B1 ) Cobalamin (B12 )
Coenzyme werden häufig aus Vitaminen gebildet. Ihre Funktion besteht vor allem in der Unterstützung des Enzyms bei der Substratbindung, der Vorbereitung des Substrats auf die Umsetzung sowie in der Bindung der Intermediärprodukte. Oft sind Coenzyme auch Gruppendonatoren (z. B. für Phosphat, Zucker, AminoGruppe) oder Gruppenacceptoren oder wirken als Redoxsystem (z. B. Wasserstoffübertragende Coenzyme). Einen Überblick über wichtige Coenzyme gibt Tab. 27.3. Beispiele 1. Das Gruppen-übertragende Coenzym A ist ein Mercaptan, dessen SH-Gruppe mit Essigsäure einen Thioester, das Acetyl-Coenzym A, bildet. Dies erleichtert einen nucleophilen Angriff an der Carbonyl-Gruppe des Esters und schafft eine „aktivierte“ C–H-Bindung am ’-C-Atom. Acetyl-CoA wird z. B. verwendet zur biochemischen Synthese von Fettsäuren.
414
27
Chemie und Biochemie
aktivierte C−H-Bindung energiereiche C−S-Bindung
O H3C C
H
allgemein:
O
R CH C α
S CoA Acetyl-Coenzym A
S CoA
Acyl-Coenzym A
(Acetyl-CoA)
O β-Alanin
CH2
Cysteamin
N H
CH2
CH2
CH2
SH
NH2 N
N
Adenin
HN H3C CH3 N N O O O H2C C C O P P O CH CH2 H H O− O O− O OH H Ribose Pantoinsäure O OH −O
Coenzym A (CoA)
P O OH
2. Die Wasserstoff-übertragenden Coenzyme NADC und NADPC enthalten als Heterocyclen Adenin (Purin-Gerüst) und Nicotinamid (ein Carbonsäureamid) sowie als Polyhydroxy-Verbindungen zwei Ribose-Einheiten (einen Zucker), die über eine Diphosphorsäureeinheit (Pyrophosphorsäure) verknüpft sind. Die Untereinheit aus Adenin und Ribose bezeichnet man als Adenosin (s. a. Abschn. 31.1). O
Nicotinamid
C
NH2 NH2
N
+
N
H
H
OH HO
H
O
H
Adenin
N
N O H2C O P H H D-Ribose O− O O− O H H Diphosphorsäure OH OR
CH2 O D-Ribose
N
P
O
Nicotinamid-adenin-dinucleotid (NAD +): Nicotinamid-adenin-dinucleotidphosphat (NADP+ ):
Adenosin
R=H O R=
P O− O−
Das positiv geladene Pyridiniumsalz ist in der Lage von einer anderen Verbindung ein Hydridion zu übernehmen unter Bildung von NADH bzw. NADPH (s. a. Abschn. 25.2.1). Der Hydrid-spendende Partner wird dabei oxidiert. Umgekehrt kann NADH (NADPH) in Gegenwart von HC auch Carbonylverbindungen
27.3 Stoffwechselvorgänge
415
reduzieren. Daher sind diese Dinucleotide an den meisten biochemischen Redoxprozessen beteiligt. O H 2N
O
C
H +
+ N
R
OH R'
R
H 2N
H H
C
O
+ + H
+ N
R
R'
R +
NAD + (NADP )
NADH (NADPH)
3. Das zur Energieübertragung und -speicherung dienende ATP wird in Abschn. 31.1 besprochen, die Elektronen-übertragenden Chlorophylle in Kap. 35.
27.3
Stoffwechselvorgänge
Unter Stoffwechsel versteht man den Auf-, Um- und Abbau der Nahrungsbestandteile zur Aufrechterhaltung der Funktionen eines lebenden Organismus. Die entsprechenden Stoffwechselvorgänge sind miteinander verbundene Fließgleichgewichte von meist einfachen, reversiblen Reaktionen, die durch Enzyme beeinflusst und z. B. von Hormonen gesteuert werden. Die freigesetzte Energie wird vom Organismus gespeichert (z. B. in Form von ATP), bei Reaktionen verbraucht, als Wärme abgegeben oder für Muskelarbeit zur Verfügung gestellt. Bei der biochemischen Grundsynthese, die nur in Pflanzen (und einigen Bakterien) stattfinden kann, werden alle Verbindungen aus anorganischen Stoffen wie CO2 , H2 O etc. aufgebaut. Sie beginnt mit der Photosynthese. Abb. 27.1 zeigt den Zusammenhang wichtiger Stoffgruppen mit dem Stoffwechsel. Schlüsselsubstanzen sind: Brenztraubensäure (als Pyruvat, da die Metabolite in wässriger Lösung dissoziiert sind), Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA) und die Ketosäuren im Citrat-Cyclus. Von diesen Verbindungen ausgehend kann man die im Schema angegebenen Substanzklassen ableiten, die alle in diesem Buch besprochen werden. Zur Aufrechterhaltung des dynamischen Gleichgewichts im Organismus werden die einzelnen Substanzen nach Bedarf ineinander umgewandelt. Man hat daher den Auf-, Ab- und Umbau der Verbindungen die beim Stoffwechsel wichtig sind (Metabolite, Substrate) in Cyclen zusammengefasst, die in den Lehrbüchern der Biochemie ausführlich besprochen werden. Zur planmäßigen Steuerung der Stoffwechselvorgänge werden im Organismus fortlaufend Informationen benötigt, aus denen ersichtlich ist, welche Stoffe transportiert oder synthetisiert werden sollen, und wie der erforderliche Energieumsatz zu regeln ist. Die Übermittlung der Information erfolgt vorwiegend über zwei Wege, nämlich das Nervensystem und über chemische Botenstoffe (Signalstoffe). Letztere übermitteln Signale innerhalb der Zellen, zwischen den Zellen und auch außerhalb des Organismus zwischen den Lebewesen selbst.
416
27
Chemie und Biochemie
CO2 + H2O Photosynthese
hν
Kohlenhydrate Polysaccharide
Monosaccharide (Glucose-6-phosphat) Gluconeogenese
Glykolyse (anaerob)
Pyruvat aerob
Terpene Steroide
Pentosephosphatcyclus
Ribose-5-phosphat (Nucleinsäuren)
(aerob)
Lactat anaerob (Muskel) Ethanol aerob (Hefe)
Acetyl-CoA Fettsäuren
Citrat-Cyclus mit Atmungskette
Ketosäuren HarnstoffCyclus
CO2 + H2O
Fette
Transaminierung
Aminosäuren
Heterocylen (Nucleinsäuren) (Alkaloide)
Proteine
Abb. 27.1 Wichtige Stoffwechselvorgänge (schematisch)
Beispiele Signale im Zellinnern werden z. B. durch Diacylglycerin weitergegeben, das aus den Phospholipiden der Zellwand stammt und durch Anregung der Zellmembran von außen frei gesetzt wird. Signale zwischen den Zellen werden z. B. durch Hormone übermittelt. Diese werden von bestimmten Drüsen im Organismus an den Kreislauf abgegeben und wirken dann – an anderer Stelle – als Signal und Katalysator für bestimmte Reaktionen. Viele Hormone sind Peptide (s. Abschn. 29.2.3) oder gehören zu den Steroiden (s. Abschn. 33.2.3). Signale zwischen Lebewesen sind z. B. Pheromone, die als Duft- und Lockstoffe an die Umwelt abgegeben werden. Eine entgegengesetzte Wirkung haben Abwehrstoffe, die andere Individuen fernhalten sollen. Dazu gehören viele Terpene und Alkaloide (s. Kap. 32 und 34).
Kohlenhydrate
28
Zu diesen Naturstoffen zählen Verbindungen (z. B. Zucker, Stärke und Cellulose) die oft der Summenformel Cn (H2 O)n entsprechen, also formal aus Kohlenstoff und Wasser aufgebaut sind. Sie werden deshalb als Kohlenhydrate bezeichnet. Diese Verbindungen enthalten jedoch kein freies Wasser, sondern es sind Polyalkohole, die außer den Hydroxyl-Gruppen, die das lipophobe (hydrophile) Verhalten verursachen, meist weitere funktionelle Gruppen besitzen. Zucker, die eine Aldehyd-Gruppe im Molekül enthalten, nennt man Aldosen, diejenigen mit einer Ketogruppe Ketosen. Als Desoxyhexosen bzw. -pentosen werden Zucker bezeichnet, bei denen an einem oder mehreren C-Atomen die OHGruppe durch H-Atome ersetzt wurde. Man unterteilt die Kohlenhydrate in: Monosaccharide (einfache Zucker wie Glucose), Oligosaccharide (hier sind 2–6 Monosaccharide miteinander verknüpft, z. B. Rohrzucker) und Polysaccharide (z. B. Cellulose, s. Abschn. 28.3). Die (unverzweigten) Monosaccharide werden weiter eingeteilt nach der Anzahl der enthaltenen C-Atome in Triosen (3 C), Tetrosen (4 C), Pentosen (5 C), Hexosen (6 C) usw.
28.1 Monosaccharide 28.1.1 Struktur und Stereochemie Zur formelmäßigen Darstellung der Zucker wird oft die Fischer-Projektion (s. Abschn. 25.3) verwendet. Dabei zeichnet man die Kohlenstoffkette von oben nach unten, wobei das am höchsten oxidierte Ende (in der Regel die Aldehydfunktion) oben steht. Von hier aus erfolgt auch die Durchnummerierung der C-Kette. Die OHGruppen stehen an dieser Kette entweder nach rechts oder links. Je nach Stellung © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_28
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418
28 Kohlenhydrate
der OH-Gruppen kann man die Zucker der D- oder der L-Reihe zuordnen. Das für die Zuordnung maßgebende C-Atom (s. Abschn. 25.3.1) ist bei den einfachen Zuckern das asymmetrische C-Atom mit der höchsten Nummer. Zeigt die OH-Gruppe nach rechts, gehört der Zucker zur D-Reihe (D von dexter D rechts), weist sie nach links, zur L-Reihe (L von laevus D links). D- und L-Form desselben Zuckers verhalten sich an allen Asymmetriezentren wie Gegenstand und Spiegelbild und sind somit Enantiomere. Bezugssubstanz ist der einfachste chirale Zucker, der Glycerinaldehyd, eine Triose. CHO
CHO H C OH
HO C H CH2OH
CH2OH D- Glycerinaldehyd
L- Glycerinaldehyd
Durch Einfügen von CHOH Gruppen leiten sich von ihm alle anderen Zucker ab. Man erhält sozusagen einen Stammbaum für Aldosen (Abb. 28.1). Einen analogen Stammbaum kann man auch für die Ketosen formulieren. Stammkörper ist hier das Dihydroxyaceton. Weitere wichtige Ketosen sind die Ribulose (eine Pentose), Fructose (eine Hexose) und die Sedoheptulose (eine Heptose). Die Phosphorsäureester (Phosphate) dieser Zucker sind wichtige Intermediate des Kohlenhydratstoffwechsels (Photosynthese und Glycolyse). CH2OH
CH2OH
CH2OH
CH2OH
O
O
O
O
CH2OH
H
OH
HO
Dihydroxyaceton
H
OH
H
OH
H
OH
CH2OH
H
OH
H
OH
CH2OH
H
D(−)-Ribulose
H
D(−)-Fructose
HO
H
OH CH2OH
D(+)-Sedoheptulose
In der hier gezeigten offenen Form liegen Zucker nur zu einem geringen Teil vor. Überwiegend existieren sie als Fünf- bzw. Sechsringe mit einem Sauerstoffatom als Ringglied (Tetrahydrofuran- bzw. Tetrahydropyran-Ring). Der Ringschluss verläuft unter Ausbildung eines Halbacetals, hier auch Lactol genannt (s. a. Abschn. 17.1.2.2). Bei der Glucose addiert sich z. B. die OH-Gruppe am C-5-Atom intramolekular an die Carbonyl-Gruppe am C-1-Atom. Bei der Cyclisierung erhalten wir am C-1-Atom ein neues Asymmetrie-Zentrum (anomeres Zentrum). Die beiden möglichen Diastereomeren werden als ’- und “-Form unterschieden, die man an der Stellung der OH-Gruppe am C-1-Atom erkennt und oft als ’- bzw. “-Anomere bezeichnet. Beim Lösen der reinen Formen der Anomeren in Wasser beobachtet man ein interessantes Phänomen. Der spezifische Drehwert der Lösung ändert sich kontinu-
28.1 Monosaccharide
419 CHO * OH
H
CH2OH D(+)Glycerinaldehyd CHO
CHO H
* OH
HO
H
* OH
H
CH2OH
CH2OH
D(−)Erythrose
D(−)Threose CHO
CHO
CHO
H
* OH
HO
H
* OH
H
* OH
H
* OH
H
* OH
CH2OH
* H
CHO HO
HO
* OH * H
H
* OH
H
H
CH2OH
D(−)Ribose
* H * OH
CH2OH
* OH CH2OH
D(+)Xylose
D(−)Arabinose
* H * H
HO
D(−)Lyxose
CHO CHO CHO CHO CHO CHO CHO CHO * OH HO * H * H H * OH HO * H H * OH HO * H H * OH HO * * * * * * H H * OH H H OH H OH HO H HO OH HO * H HO H * OH H * OH H * OHHO * H HO * H HO * H HO * H H * OH H H
H
* OH H CH2OH D(+)Allose
* OH H CH2OH
D(+)Altrose
* OH H CH2OH
D(+)Glucose
* OH H CH2OH
D(+)Mannose
* OH H CH2OH
D(−)Gulose
* OH H CH2OH D(−)Idose
* OH H CH2OH
D(+)Galactose
* OH CH2OH D(+)Talose
Abb. 28.1 Stammbaum der D-Aldosen. Die Asymmetrie-Zentren (Chiralitätszentren) sind mit * markiert. Die Drehrichtung für polarisiertes Licht ist mit (C) bzw. () angegeben
ierlich bis zu einem bestimmten Endwert. Dabei ist es egal, von welchem Anomeren man ausgeht. Dieses Phänomen bezeichnet man als Mutarotation. Da die Halbacetalbildung reversibel verläuft, stellt sich zwischen der ’- und “-Form ein Gleichgewicht ein. Der Gleichgewichts-Drehwert entspricht nicht dem arithmetischen Mittel der Drehwerte der reinen Anomeren. Dies liegt daran, dass im Gleichgewicht die beiden Formen nicht im Verhältnis 1 W 1 vorliegen, sondern 38 % ’- und 62 % “-Form. Der Anteil der offenkettigen Verbindung liegt bei unter 1 %. Zur Darstellung der cyclischen Zuckerstrukturen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das Phänomen der Mutarotation soll am Beispiel der Glucose mit den unterschiedlichen Schreibweisen dargestellt werden.
420
28 Kohlenhydrate
28.1.1.1 Tollens-Ringformel Diese Schreibweise leitet sich direkt von der Fischer-Projektion ab. Für die TollensRingformel bzw. die Fischer-Projektion gilt: D-Reihe: OH-Gruppe zeigt nach rechts: ’, OH-Gruppe weist nach links: “. L-Reihe: genau umgekehrt H
OH
H
OH
HO
H
H
H H O
HO
OH
H
H
H
O 1 2 3 4 5
HO
OH OH
H
OH
H
CH2OH
α-D-Glucose Schmp. 146°C [α]D = + 113°
OH
HO
H
6
CH2OH
H
H
H
O
OH CH2OH
β-D-Glucose Schmp. 150°C Gleichgewicht in Wasser
[α]D = + 19°
[α]D = + 52,5°
28.1.1.2 Haworth-Ringformel Bei dieser Schreibweise befinden sich alle Ringatome in einer Ebene. Die Bindungen zu den Substituenten gehen senkrecht nach oben und unten. Bindungen nach oben bedeutet, der Substituent liegt oberhalb der Ringebene. Bei der ’-Form steht die anomere OH-Gruppe nach unten, bei der “-Form nach oben. CH2OH O H
H
H OH H HO H
OH OH
α-D-Glucose 38%
6CH
H 4
HO
5
OH H
H OH H 3
H
CH2OH
2OH
2
1
O OH H OH H H HO H OH H
O
OH
offene Aldehydform < 0,3%
β-D-Glucose 62%
Man erkennt, dass bei der ’-Form zwei OH-Gruppen direkt benachbart sind (C1 und C2). Aus sterischen Gründen ist die ’-Form benachteiligt und liegt daher im Gleichgewicht auch im Unterschuss vor. Der Übergang von der Fischer-Projektion in die Haworth-Ringformel lässt sich gut verstehen, wenn man bedenkt, dass ein Glucose-Molekül nicht als gerade Kette vorliegt, sondern wegen der Tetraederwinkel an den C-Atomen ringförmig vorliegen kann. Da bei der Fischer-Projektion die senkrechten Bindungen alle nach hinten gehen, ergibt sich automatisch die Konformation zur Cyclisierung. Die in der Fischer-Projektion nach rechts weisenden Gruppen zeigen am Haworth-Ring nach unten, CH2 OH zeigt nach oben.
28.1 Monosaccharide
421
28.1.1.3 Konformationsformel Die Haworth-Ringformel ist eine sehr vereinfachte Darstellung. In Wirklichkeit liegt ein sechsgliedriger Ring nicht planar vor, sondern in der Regel in der Sesselkonformation (s. Abschn. 3.2.1). Es gilt jedoch: Atome, die am Haworth-Ring nach oben zeigen, weisen auch bei der Sesselkonformation nach oben. Bei der ’-Form steht die anomere OH-Gruppe axial, bei der “-Form äquatorial. OH
H
H
OH
H
OH
OH
H
α-D-Glucose
O
HO HO
O H
H
OH
HO HO
H
OH
H
H
O
HO HO H
OH
H
OH H
H
OH
H
H
β-D-Glucose
offene Aldehydform
Die Fructose kann zusammen mit der Glucose durch Hydrolyse von Rohrzucker erhalten werden. Fructose ist eine Ketohexose und bildet einen Fünfring (Furanose) oder Sechsring (Pyranose). Beachte: Bisher konnte nur die “-D-Fructopyranose in Substanz isoliert werden. Die Fructofuranosen kommen nur als Bausteine in den Glycosiden (D Furanoside) vor. H
H
H
H O
HO HO
H
CH2OH HO HO H H
OH
OH
α-D-Fructopyranose
HOH2C
H O
H
OH H H
OH
OH
O
CH2OH
β-D-Fructopyranose
OH
H
H
O H
HO
H CH2OH
HOH2C
HO CH2OH
HO OH
H
β-D-Fructofuranose (Haw orth-Formel)
28.1.2 Reaktionen und Eigenschaften 28.1.2.1 Reduktionen und Oxidationen Die Glucose ist ein Monosaccharid (d. h. sie ist nicht mit einem weiteren Zucker verknüpft) (Tab. 28.1). Glucose enthält sechs C-Atome (Hexose) und eine AldehydGruppe, ist also eine Aldose. Die Aldohexose liegt in wässriger Lösung überwiegend als ein Sechsring vor, dessen Grundgerüst dem Tetrahydropyran entspricht, daher die Bezeichnung Pyranose. Wegen der zahlreichen Hydroxyl-Gruppen ist sie wasserlöslich (hydrophil). Sie reduziert wie alle ’-Hydroxyaldehyde und ’Hydroxyketone Fehlingsche Lösung (s. Abschn. 16.5.3). Durch andere Oxidationsreaktionen kann sich aus Glucose die Gluconsäure bilden, wobei die AldehydGruppe zur Carboxylgruppe oxidiert wird (s. Abb. 28.2). Gluconsäure und andere -onsäuren können durch Wasserabspaltung leicht in ”- oder •-Lactone übergehen; aus Glucose entsteht daher bei milder Oxidation das Gluconsäurelacton. Bei stärkerer Oxidation wird auch die primäre Alkoholgruppe oxidiert. Es entstehen Polyhydroxydicarbonsäuren, die -arsäuren, wie Glucarsäure (Zuckersäure), Galactarsäure (Schleimsäure) u. a.
422
28 Kohlenhydrate
Tab. 28.1 Beispiele für Monosaccharide und Disaccharide Verbindung Pentosen D(C)-Arabinose
Schmp. (ı C) 160
D()-Xylose 145 D()-Ribose 95 2-Desoxy-D-ribose 78 Hexosen D(C)-Glucose 146 (’/ D(C)-Mannose 132 D(C)-Galactose 166 D()-Fructose 102–104 D()-Glucosamin HCl: 185 D()-Galactosamin HCl: 187 Disaccharide Saccharose 185 Lactose 202 Maltose 103 Cellobiose
225
Vorkommen In Araban (Kirschgummi), Glycosiden u. Polysacchariden In Xylan (Holzgummi), Kleie, Maiskolben, Stroh Als N-Glycosid in Nucleinsäuren u. Coenzymen Als N-Glycosid in Nucleinsäuren In Trauben u. a. süßen Früchten sowie im Honig In Johannisbrot u. Polysacchariden In Oligosacchariden, z. B. Milchzucker u. Galactanen In süßen Früchten u. Honig Im Polysaccharid Chitin Als N-Acetyl-Verbindung in Mucopolysacchariden In Zuckerrüben u. Rohrzucker In Milch der Säugetiere Strukturelement u. Abbauprodukt der Stärke, z. B. in keimenden Samen Strukturelement u. Abbauprodukt der Cellulose
Im Unterschied zu den -onsäuren und -arsäuren liegen die -uronsäuren als cyclische Verbindungen vor. Bei ihnen ist – im Vergleich zur Stammverbindung – die primäre CH2 OH-Gruppe oxidiert und die Aldehyd-Gruppe noch erhalten. Die biochemisch wichtigen Uronsäuren, wie z. B. die Glucuronsäure sind physiologisch von Bedeutung, weil die Aldehyd-Gruppe mit anderen Substanzen, wie z. B. Phenolen reagieren kann. Die so erhaltenen Glucuronide können über die Nieren aus dem Körper ausgeschieden werden („Entgiftung“). Durch Reduktion der Carbonyl-Gruppe entstehen Alkohole, welche die Endung –it erhalten. Aus Glucose entsteht z. B. D-Glucit (Sorbit, Sorbitol). Neben diesen offenkettigen Polyalkoholen („Zuckeralkohole“) sind auch cyclische Polyalkohole bekannt, wie z. B. der in Phospholipiden vorkommende myoInositol, ein Hexahydroxycyclohexan („Cyclit“). Ketosen lassen sich wie die Aldosen reduzieren und oxidieren. Durch Reduktion der Ketogruppe entsteht ein neues stereogenes Zentrum (C-2). In der Regel erhält man ein Gemisch der beiden möglichen Diastereomeren. Solche Verbindungen, die sich nur in der Konfiguration eines chiralen Zentrums unterscheiden, nennt man Epimere. Aus D-Fructose entsteht z. B. D-Sorbit und D-Mannit. Bei Oxidationen von Ketosen werden zunächst die primären Alkoholgruppen oxidiert; energische Oxidationen spalten die C-Kette. Fructose reagiert auch mit Fehlingscher Lösung (eine typische Nachweisreaktion für Aldehyde) obwohl es sich um eine Ketose handelt. Dies liegt daran, dass sich Ketosen in Aldosen umwandeln lassen und umgekehrt. Die Reaktion verläuft über ein intermediär gebildetes Endiol. Aus Fructose erhält man so die epimeren Zucker Mannose und Glucose.
28.1 Monosaccharide
423 CHO COOH O OH H H OH H H HO H OH
H
OH
HO
H
H
OH
H
OH COOH
Glucuronsäure
Oxidation an C-6
CH2OH
COOH H HO H H
OH
Oxidation an C-1 und C-6
H OH OH COOH
Glucarsäure
H
Oxidation an C-1 CH2OH O H OH H
CH2OH O OH H H OH H H HO H OH
Reduktion an C-1
OH
H HO
H
H
OH
H
Glucose
OH CH2OH
Substitution an C-2
Glucit (Sorbit)
CH2OH O OH H OH H H HO H NH2 Glucosamin H
O
HO H OH Gluconsäurelacton − H2O + H2O COOH H
OH
HO
H
H
OH
H
OH CH2OH
CH2OH O OH H H OH H H O HO H NH N-Acetyl- CH3 glucosamin
CH2OH OH H H OH H COOH HO H OH Gluconsäure
Abb. 28.2 Wichtige Derivate der Glucose
H
CH2OH O HO H H
H
OH OH
−
(OH )
HO
H
CHO H HO
OH
H
OH
H
OH
H
OH
H
CH2OH Fructose
CH2OH "Endiol"
CHO
OH H OH OH CH2OH
Glucose
HO +
HO H H
H H OH OH CH2OH
Mannose
424
28 Kohlenhydrate
28.1.2.2 Acetal-Bildung bei Zuckern Wie gezeigt liegen die Monosaccharide in Lösung überwiegend in der cyclischen Halbacetalform vor. Aus Halbacetalen erhält man mit Alkoholen im Sauren Vollacetale (s. Abschn. 17.1.2). Diese Vollacetale der Zucker bezeichnet man als Glycoside (speziell: Glucoside, Fructoside usw.). Je nach Stellung der OH-Gruppe können sie ’- oder “-verknüpft sein. Diese Verknüpfung wird als glycosidische Bindung bezeichnet. H
OH H
H
H
O
HO HO
H H
OH
H O
HO HO
OH
OR H α-Glucosid
OR H
OH
H H β-Glucosid
OR4 H
3
R O2 R O
O OCH3
H
OR1 H
H substituiertes Methyl-β-D-glucosid
Ein Übergang in die Aldehyd-Form ist jetzt unmöglich: Die reduzierende Wirkung entfällt, Mutarotation findet nicht mehr statt. Eine Glycosidbildung (unter H2 O-Abspaltung) kann erfolgen mit OH-Gruppen (z. B. von Alkoholen, Phenolen, Carbonsäuren, Zuckern) und NH2 -Gruppen (z. B. von Nucleosiden, Polynucleotiden). Glycoside sind (wie alle Acetale) gegen Alkalien beständig, werden jedoch durch Säuren hydrolysiert. Poly- und Disaccharide werden von Säuren in ihre einzelnen Zucker aufgespalten, andere Glycoside in den Zucker und den Rest ROH (oft Aglycon genannt). Verdünnte Säuren spalten nur den acetalischen Rest ab, bei dem abgebildeten substituierten Methylglucosid also die OCH3 -Gruppe. Die anderen vier Reste R1 R4 enthalten z. B. gewöhnliche Etherbindungen und können nur unter drastischeren Bedingungen entfernt werden. Umgekehrt werden bei der Umsetzung von Glucose mit Methanol und Chlorwasserstoff nur das ’- bzw. “-Methylglucosid gebildet. Die anderen OH-Gruppen bleiben unverändert erhalten. Eine Methylierung an diesen Positionen ist z. B. möglich mit CH3 I/Ag2 O (s. Williamson’sche Ethersynthese, Abschn. 12.3.1).
28.1.2.3 Charakterisierung von Zuckern durch Derivate Die oft schlecht kristallisierenden Zucker geben bei der Umsetzung mit Phenylhydrazin Osazone (s. a. Abschn. 17.1.3). Osazone kristallisieren gut, dienen der Identifizierung der Zucker und geben auch Hinweise auf ihre Konfiguration. Da bei der Reaktion das Asymmetriezentrum am C-2-Atom verschwindet, geben die epimeren Zucker D-Glucose und D-Mannose das gleiche Osazon. Dabei wird der Zucker oxidiert und ein Äquivalent Phenylhydrazin reduziert. Der Mechanismus ist noch nicht genau bekannt. CHO
CH N NHC6H5
CHOH + 3 C6H5NHNH2
C N NHC6H5
R
R
Phenylhydrazin
"Osazon"
+ C6H5NH2 + NH3 + 2 H2O
28.1 Monosaccharide
425
Eine andere Methode zur Derivatbildung von Zuckern ist die Acetylierung mit Acetylchlorid. Glucose bildet zwei Pentaacetate, nämlich Penta-O-acetyl-“-D-glucopyranose und Penta-O-acetyl-’-D-glucopyranose. Die Acetylgruppen lassen sich durch Hydrolyse leicht wieder entfernen.
28.1.3 Synthese von Zuckern Ausgehend von Monosacchariden lassen sich andere Zucker entweder durch Redoxreaktionen (s. o.) oder durch Aufbau- und Abbaureaktionen erhalten.
28.1.3.1 Aufbau von Monosacchariden Bei der Kiliani-Fischer-Synthese wird die C-Kette schrittweise um ein C-Atom verlängert: Man addiert HCN an die CHO-Gruppe einer Aldose (vgl. Abschn. 17.2.1). Das entstandene Cyanhydrin wird zur Carbonsäure (-onsäure) hydrolysiert, welche unter den Reaktionsbedingungen ein Lacton bildet. Reduktion mit Natriumamalgam (Na/Hg) liefert ein Gemisch zweier diastereomerer epimerer Aldosen (da die Cyanhydrinbildung unselektiv erfolgt), die sich z. B. durch fraktionierte Kristallisation trennen lassen. Beispiel CHO + HCN R D-Arabinose
CN C
+
H + H2O
H
OH R epimere Cyanhydrine
COOH LactonH C OH bildung R
Red.
D-Gluconsäure + D-Mannonsäure
CHO H C OH R
HO R=
H H
D-Glucose + D-Mannose
H OH OH CH2OH
28.1.3.2 Abbau von Monosacchariden Für den stufenweisen Abbau von Aldosen eignen sich vor allem zwei Verfahren: 1. Abbau nach Ruff Die Aldose wird zur -onsäure oxidiert und deren Ca-Salz mit H2 O2 /Fe(III)-acetat oxidativ behandelt. Infolge CO2 -Abspaltung entsteht die nächstniedrigere Aldose, z. B. aus D-Glucose (oder D-Mannose) die D-Arabinose: COOH
CHO H C OH R D-Glucose
Oxid.
H C OH
COOH 1) Ca(OH)2 2) Oxid.
R D-Gluconsäure
C O R
− CO2
HO CHO R D-Arabinose
R=
H H
H OH OH CH2OH
2. Abbau nach Wohl Aus der Aldose stellt man das Aldoxim her, das beim Erhitzen mit Acetanhydrid ein vollständig acetyliertes Onsäurenitril liefert: Die Oxim-Gruppe wird dabei zur
426
28 Kohlenhydrate
Cyano-Gruppe dehydratisiert. Beim Erwärmen mit Ag2 O in ammoniakalischer Lösung werden die Acetylgruppen hydrolysiert und das dabei gebildete Cyanhydrin (s. Abschn. 17.2.1) zerfällt in HCN und die verkürzte Aldose. H
CHO H HO
H
OH H
HO
+ NH2OH
NOH
CN
OH H
H Ac2O
AcO
OAc H
H
OH
H
OH
H
OAc
H
OH
H
OH
H
OAc
CH2OH D-Glucose
CH2OH D-Glucoseoxim
H2O Ag2O/NH3 − HCN
CH2OAc PentaacetylD-Gluconsäurenitril
CHO HO H H
H OH OH CH2OH
D-Arabinose
28.2 Disaccharide 28.2.1 Allgemeines Im Abschn. 28.1 Monosaccharide wurde gezeigt, dass diese mit beliebigen Alkoholen unter H2 O-Abspaltung Glycoside bilden können. Reagieren sie hingegen mit sich selbst oder einem anderen Monosaccharid, so bilden sich Disaccharide, bei weiterer Wiederholung dieser Reaktion Oligo- und schließlich Polysaccharide (Tab. 28.1). Tritt immer dasselbe Monosaccharid als Baustein auf, so spricht man von Homoglycanen; handelt es sich um verschiedene Monosaccharide, nennt man sie Heteroglycane. Die zugrunde liegende Reaktionsfolge ist eine Polykondensation. Auch die Glycoside können, wie alle Acetale, durch Säuren in ihre Bausteine zerlegt werden. Neben die säurekatalysierte Hydrolyse tritt in der Biochemie auch die Enzym-katalysierte Hydrolyse zu Mono- und z. T. auch zu Disacchariden. Für die Verknüpfung zweier Monosaccharide gibt es verschiedene Möglichkeiten und man unterscheidet zwischen reduzierenden und nichtreduzierenden Zuckern. Bei reduzierenden Zuckern liegt wie bei den Monosacchariden eine Halbacetalstruktur vor. Diese Verbindungen zeigen daher ebenfalls das Phänomen der Mutarotation. Bei den nichtreduzierenden Zuckern sind beide Monosaccharide über ihre anomere OH-Gruppe verknüpft. Hier liegt nun ein „doppeltes Vollacetal“ vor, welches nicht mehr reduzierend wirkt und das keine Mutarotation zeigt. In der Natur kommen nur wenige Disaccharide vor, die wichtigsten sind Rohr-, Milch- und Malzzucker. Dies sind die allgemein gebräuchlichen Trivialnamen. Bei der systematischen Benennung betrachtet man einen Monosaccharid-Baustein als Stammkörper und den zweiten als Substituenten (Endung -yl). Bei reduzierenden Zuckern wird das Monosaccharid mit der Halbacetal-Gruppe Stammkörper, bei nicht reduzierenden Zuckern wird die vorliegende Glycosidstruktur durch die Endung -osid ausgedrückt. Die Position der OH-Gruppe, welche für die
28.2 Disaccharide
427
glycosidische Bindung Verwendung verwendet wird, wird dem Namen vorangestellt, ebenso wie die Art der Verknüpfung (’ oder “). Allgemeines Schema für die Benennung der Disaccharide: nicht reduzierende Zucker
reduzierende Zucker O
O
O O
-osyl
O O
OH -ose
-osyl
-osid
Hinweis: Im Folgenden werden die glycosidischen Bindungen fett gezeichnet. Der Übersichtlichkeit halber werden die Wasserstoffatome am Ring weggelassen.
28.2.2
Beispiele für Disaccharide
28.2.2.1 Nicht reduzierende Zucker Im Rohrzucker (Saccharose) ist die ’-D-Glucose mit “-D-Fructose ’-“-glycosidisch verknüpft (Tab. 22.1). Dieses Disaccharid ist ein Vollacetal und daher als ’-D-Glucopyranosyl-“-D-fructofuranosid zu bezeichnen. Die Hydrolyse ergibt die beiden Hexosen. Wie man sehen kann, erfolgt die Verknüpfung (unter Wasseraustritt) zwischen den beiden anomeren OH-Gruppen, die beim Ringschluss aus den Carbonylgruppen entstanden sind. Da das Molekül somit keine (latenten) Carbonylgruppen mehr enthält, folgt, dass Rohrzucker z. B. die Fehlingsche Lösung nicht reduziert. OH O
CH2OH α
HOHO
β
OH O
Kurzformel:
HO
HO α-D-Glucopyranose
O
CH2OH
Glc α(1 2)β Fru
β-D-Fructofuranose
α-D-Glucopyranosyl-β-D-fructofuranosid (Saccharose)
Gleiches gilt für die Trehalose, ’-D-Glucopyranosyl-’-D-glucopyranosid. Besonders bemerkenswert ist hier die 1,1-Verknüpfung der beiden Glucose- Moleküle (vgl. Maltose).
428
28 Kohlenhydrate OH
HO OH
O HO HO
α
OH
α α-D-Glucopyranose
Kurzformel:
OH
O
O
Glc α(1 1)α Glc
HO
α-D-Glucopyranose
α-D-Glucopyranosyl-β-D-glucopyranosid (Trehalose)
28.2.2.2 Reduzierende Zucker Wird die glycosidische Bindung mit einer alkoholischen OH-Gruppe gebildet, steht die Halbacetal-Form des zweiten Zuckers mit der offenen Form im Gleichgewicht, d. h. die Reduktion von Fehling-Lösung ist möglich (latente CarbonylGruppe). Malzzucker (Maltose), 4-O-(’-D-Glucopyranosyl)-D-glucopyranose. Maltose ist ein Disaccharid, das ohne hydrolytische Spaltung Fehlingsche Lösung reduzieren kann. Beachte: Cellobiose ist Glc “ (1 ! 4) Glc. O
OH 6 4
1α
6
4
2
5
OH O HO
3
OH 5
O
3
Kurzformel:
2
Glc α(1 4)α Glc
1
HOHO
OH α HO
α-D-Glucopyranose
α-D-Glucopyranose
4−Ο−(α-D-Glucopyranosyl)-D-glucopyranose (Maltose)
Das gleiche gilt für Milchzucker (Lactose), 4-O-(“-D-Galactopyranosyl)-Dglucopyranose. OH 6 4
OH O
5 2
HO
3
1
OH β
HO O 4
2
3
OH β 1
5
OH
O
6
OH β-D-Glalactopyranose
β-D-Glucopyranose
4−Ο−(β-D-Galactopyranosyl)-D-glucopyranose (Lactose)
Kurzformel: Gal β(1 4)β Glc
28.3 Oligo- und Polysaccharide (Glycane)
429
Tab. 28.2 Eigenschaften von Polysacchariden Monomer Glycosidische Verknüpfung Aufbau Gestalt Löslichkeit (in Wasser) Faserbildung Kristallisation Biologische Bedeutung
28.3
Cellulose D-Glucose “(1,4)
Stärke D-Glucose ’(1,4) u. ’(1,6)
Glycogen D-Glucose ’(1,4) u. ’(1,6)
Linear Linear Keine
Verzweigt Länglich gestreckt Nach Kochen
Stark verzweigt Kugelig Gut
Sehr gut Gut Gerüstsubstanz (pflanzl. Zellwand)
Keine Schwach Depotsubstanz (Pflanzen)
Keine Keine Depotsubstanz (Wirbeltiere)
Oligo- und Polysaccharide (Glycane)
28.3.1 Makromoleküle aus Glucose Die Bedeutung der makromolekularen Struktur wird am Beispiel der Polysaccharide Cellulose, Stärke und Glycogen besonders deutlich. Alle drei sind aus dem gleichen Monomeren, der D-Glucose, aufgebaut, unterscheiden sich jedoch in der Art der Verknüpfung und der Verzweigung (Tab. 28.2). Ein weiteres Polysaccharid, das Dextran, besteht ebenfalls aus D-Glucose und findet in der Gelchromatographie Verwendung. Wegen der gleichen Grundbausteine nennt man diese Polysaccharide auch Homoglycane. Cellulose Cellulose besteht aus D-Glucose-Molekülen, die an den C-Atomen 1 und 4 “-glycosidisch verknüpft sind. Das Ergebnis ist ein lineares, lang gestrecktes Molekül ohne Verzweigungen, das hervorragend Fasern bilden kann: OH O O HO
OH
H-Brücken
H O
OH β
O
3 5
4
OH
1
2
β O O
6
4
H
6 2
O
H
O
5 3
H
OH
1
O
OH O
β O
OH β
O OH
Cellulose (Ausschnitt aus der Kette)
In der Strukturformel erkennt man, dass die einzelnen Pyranose-Einheiten HBrückenbindungen von den Hydroxyl-Gruppen am C-3-Atom zum Ring-Sauerstoffatom der nächsten Pyranose ausbilden können. Auch zwischen den Molekül strängen sind H-Brückenbindungen wirksam, so dass man die Struktur einer Faser erhält. Diese eignet sich als Gerüstsubstanz, weil sie unter normalen Bedingungen
430
28 Kohlenhydrate
unlöslich ist. Sie kann nicht vom Menschen, wohl aber von bestimmten Tieren (z. B. Kühen) verdaut werden. Dies liegt daran, dass Menschen keine Enzyme besitzen die “-glycosidische Bindungen spalten können. Kühe können dies zwar auch nicht, sie besitzen jedoch Bakterien im Magen, die Cellulose spalten können (Wiederkäuer). Cellulose ist ein wichtiger Rohstoff („Zellstoff“), der meist aus Holz gewonnen wird. Papier wird durch Formen eines Breis aus Wasser und Zellstoff erhalten, dem Bindemittel und Füllstoffe zugesetzt werden Die beiden anderen aus Glucose aufgebauten Polysaccharide Stärke und Glycogen haben einen anderen Bau. Ihre Verwendung als Reservekohlenhydrate verlangt eine möglichst schnelle und direkte Verwertbarkeit im Organismus. Sie müssen daher wasserlöslich und stark verzweigt sein, um einen schnellen Abbau zu gewährleisten. Stärke Stärke, ein wichtiger Bestandteil der Nahrung, besteht zu 10–30 % aus Amylose und zu 70–90 % aus Amylopectin. Beide sind aus D-Glucose-Einheiten zusammengesetzt, die ’-glycosidisch verknüpft sind. In der Amylose sind die Einheiten ’(1,4)-verknüpft, wobei die Glucose-Ketten kaum verzweigt sind. Sie ist der Stärkebestandteil, der mit Iod eine blaue IodStärke-Einschlussverbindung ergibt. Die Röntgenstrukturanalyse zeigt, dass die Ketten in Form einer Helix spiralförmig gewunden sind, da die verbrückenden OAtome immer auf der gleichen Seite der Glucosebausteine liegen. OH O O HO OH
O
O OH
HO
α
α O
HO
OH
OH
O
O
OH
HO
O
O
HO
OH O HO
OH HO
α
Amylose (Ausschnitt aus der Kette)
α
OH
O
O
α
OH O
OH
Der Hauptbestandteil der Stärke, das Amylopectin, ist im Gegensatz zur Amylose stark verzweigt: ’(1,4)-glycosidisch gebaute Amylose-Ketten sind ’(1,6)-glycosidisch miteinander verbunden.
28.3 Oligo- und Polysaccharide (Glycane)
431 OH
O
α
O
6
4
O
5
O OH HO
2
3
1
HO HO O HO
O
α
4
O OH HO
α O
6
O
5 2
1
3
α O HO
HO HO O
OH O
HO
Amylopectin (Ausschnitt aus der Kette)
O α
Stärke wird industriell mit Hilfe von Enzymen über Maltose zu Glucose abgebaut, die ggf. weiter zu Ethanol vergärt werden kann (s. Abschn. 12.1.2). (C6H10O5)n + n H2O Stärke C12H22O11 + H2O Maltose
Diastase
n
2
C12H22O11 Maltose
Maltase
2 C6H12O6 Glucose
Glycogen Glycogen, ein ebenfalls aus Glucose aufgebautes Reserve-Polysaccharid, ist ähnlich wie Amylopectin ’(1,4)- und ’(1,6)-verknüpft. Die Verzweigung ist jedoch noch beträchtlich größer. Analog zur Amylose entsteht mit Iod eine braunfarbene Einschlussverbindung, die auf eine helicale Struktur hindeutet.
28.3.2 Makromoleküle mit Aminozuckern 28.3.2.1 Chitin Chitin, eine zweite wichtige Gerüstsubstanz neben Cellulose, ist der Gerüststoff der Arthropoden (Gliederfüßler). Die Monosaccharid-Einheit ist in diesem Fall ein sog. Aminozucker, das N-Acetyl-glucosamin. Glucosamin entspricht strukturmäßig der Glucose, wobei die Hydroxylgruppe am C-2-Atom durch eine Aminogruppe ersetzt wurde (2-Amino-2-desoxy-glucose). Durch Acetylierung der Aminogruppe erhält man das N-Acetyl-glucosamin. Im Kettenaufbau entspricht Chitin der Cellulose: beide sind “(1,4)-verknüpft. Die erhöhte Festigkeit des Chitins ist u. a. auf die zusätzlichen H-Brückenbindungen der Amidgruppen zurückzuführen. Hinzu kommt, dass je nach Bedarf das Polysaccharid mit Proteinen (in den Gelenken) oder Calciumcarbonat (im
432
28 Kohlenhydrate
Krebspanzer) assoziiert ist. Analoges gilt für die Cellulose; sie ist z. B. im Holz in Lignin, ein anderes Biopolymer, eingebettet. OH
H
H
O
HO HO H
H Ac N-Acetylglucosamin
Ac
O HO
Ac
OH
NH HO O O
NH
O O HO
OH
Ac
NH
H
Glucosamin
O
O OH
H
NH2 H
OH
H
HO HO
OH H
OH
H
NH HO O
O O
NH Ac
OH
Chitin (Ausschnitt aus der Kette)
Proteoglycane N-Acetyl-glucosamin ist auch ein wichtiger Bestandteil vieler Glycosaminoglycane. Diese dienen vor allem als Gerüstsubstanz des Bindegewebes und werden heute auch Proteoglycane genannt. Während bei den bisher besprochenen Polysacchariden das „Rückgrat“ des Polymeren aus Zuckereinheiten gebildet wird, liegt bei den Proteoglycanen eine andere Grundstruktur vor: Rückgrat ist hier eine Polypeptidkette (s. Abschn. 29.2), an die Oligosaccharid-Seitenketten angeknüpft sind. Die Seitenketten aus etwa 30–100 Einheiten bestehen aus Uronsäuren und N-Acetylhexosaminen, die sich abwechseln. Beim Chondroitinsulfat ist die Peptidkette in O-glycosidischer Bindung zunächst mit einem Trisaccharid aus Xylose (Xyl) und Galactose (Gal) verbunden, das mit der eigentlichen Disaccharid-Komponente verknüpft ist. Letztere besteht häufig aus N-Acetylgalactosamin (Gal-NAc) und Glucuronsäure (bzw. Iduronsäure beim Dermatansulfat); dabei sind Hydroxylgruppen zusätzlich mit Schwefelsäure verestert. Tab. 28.3 gibt einen Überblick über die Heteroglycane, zu denen die vorstehend beschriebenen Proteoglycane zu rechnen sind. NH O
O Xyl Gal Gal HN
Serin
O Peptidkette
(Disaccharid)n Einheit
28.3 Oligo- und Polysaccharide (Glycane)
433
Tab. 28.3 Einteilung der Heteroglycane Bezeichnung Glycoproteine
Kohlenhydrat Oligosaccharide aus 2–20 verschiedenen Monosacchariden
Proteoglycane
Peptidoglycane
Glycolipide
Nichtkohlenhydrat Verschiedene Proteine
Bindungstyp/Aufbau Protein mit glycosidisch verbundenen Kohlenhydraten (18–20 Monosaccharid-Einheiten) Glycosaminoglycane Einfach aufgebaute Polypeptid mit glyco– mit sich wiederholenden Proteinskelette („core sidisch verbundenen Disacchariden; Molekül- protein“) Polysacchariden (lineare masse 2 103 3 106 Heteroglycane) Disaccharid aus Peptid aus 4–5 Amino- Disaccharid mit OligoN-Acetylglucosamin und säuren peptiden N-Acetylmuraminsäure Oligosaccharide Ceramid, Diacylglyce- Oligosaccharide mit rin, Polyprenole Lipiden
Beispiele für die Disaccharid-Einheit OH
OSO3
−
O O NH
−
OH HO O
O3SO
−
COO
Ac
COO OH O
O O
−
OH
O
HO O
O O
NH Ac
Chondroitinsulfat C
Dermatansulfat
Weitere Polysaccharide mit anderen Zuckern (s. a. Tab. 28.4) Inulin (in Dahlienknollen, Artischocken als Depotsubstanz), ist fast gänzlich aus “(1,2)-verbundenen D-Fructofuranose aufgebaut. Es dient in der Physiologie zur Bestimmung des extrazellulären Raumes, weil es leicht in die Interstitialflüssigkeit, nicht aber in die Zellen eintritt. Agar-Agar (aus Meeresalgen) besteht aus D- und L-Galactose, die meist “(1,3)-verknüpft und teilweise mit H2 SO4 verestert sind. Die Pectine (vor allem in Früchten) bilden Gele und haben ein hohes Wasserbindungsvermögen. Sie enthalten D-Galacturonsäure (’(1,4)-verknüpft), deren COOH-Gruppen z. T. als Methylester (COOCH3 ) vorliegen. Sie dienen zur Herstellung von Gelees, Marmeladen etc.
434
28 Kohlenhydrate
Tab. 28.4 Polysaccharide, Struktur und Vorkommen Polysaccharid Agar Alginsäure Amylopectin Amylose Cellulose Chitin Chondroitinsulfat
Monosaccharid-Bausteine D-Galactose, L-Galactose-6-sulfat D-Mannuronsäure D-Glucose
Dextran
D-Glucose D-Glucose N-Acetyl-D-Glucosamin D-Glucuronsäure, N-Acetyl-D-galactosamin-4und -6-sulfat D-Glucose
Glycogen
D-Glucose
Heparin
D-Glucuronsäure-2-sulfat, D-Galactosamin-N,C-6-disulfat D-Glucuronsäure, N-Acetyl-D-glucosamin D-Fructose D-Mannose
Hyaluronsäure Inulin Mannan Murein Pektinsäure Xylan
N-Acetyl-D-glucosamin, N-Acetyl-D-muraminsäure D-Galacturonsäure D-Xylose
Verknüpfung “(1,3), “(1,4) “(1,4) ’(1,4), ’(1,6) ’(1,4) “(1,4) “(1,4) “(1,3), “(1,4)
Vorkommen rote Meeresalgen
’(1,4), ’(1,6) ’(1,4), ’(1,6) ’(1,4)
Bakterien
Braunalgen Pflanzen Pflanzen Pflanzen niedere Tiere, Pilze tierisches Bindegewebe
Säugetiere Säugetiere
“(1,3), “(1,4) “(2,1) überw. “(1,4) “(1,4)
Compositae, Liliaceae Pflanzen
’(1,4) “(1,4)
höhere Pflanzen Pflanzen
Bakterien, Tiere
Bakterien
Aminosäuren, Peptide und Proteine
29
Die Eiweiße oder Proteine (Polypeptide) sind hochmolekulare Naturstoffe (Molekülmasse > 10.000), aufgebaut aus einer größeren Anzahl (20) verschiedener Aminosäuren (Aminocarbonsäuren).
29.1
Aminosäuren
29.1.1 Einteilung und Struktur Die meisten natürlichen Aminosäuren tragen die Amino-Gruppe in ’-Stellung, d. h. an dem zur Carboxylgruppe benachbarten Kohlenstoff-Atom. Außer Glycin sind alle 20 in Proteinen vorkommenden ’-Aminosäuren (proteinogene Aminosäuren) chiral, weil das ’-C-Atom ein Asymmetriezentrum ist (s. Kap. 25). Zur Darstellung der Aminosäuren bedient man sich zweier Schreibweisen: Zum einen der Fischer-Projektion (analog den Kohlenhydraten), zum anderen einer räumlichen Darstellung. Bei allen proteinogenen Aminosäuren steht die NH2 -Gruppe in der Fischer-Projektion links, d. h. sie haben L-Konfiguration (s. Abschn. 25.3.2). Bestimmt man die Konfiguration nach den Regeln von Cahn, Ingold und Prelog (s. Abschn. 25.3.1), so besitzen fast alle Aminosäuren S-Konfiguration. Einzige Ausnahme: Cystein (S hat höhere Priorität als O). Per Definition zeichnet man Aminosäuren und Peptide so, dass die Aminogruppe immer links und die Carboxylgruppe immer rechts steht. Darstellungsweisen: COOH
H R
H2N C H R FischerProjektion
H2N
COOH
räumliche Darstellung
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_29
435
436
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Konfigurationsbestimmung: 3
OH
H2C
1
2
H2N
SH
2
H2C
Priorität
1
COOH
3
H2N
(S)-Serin
COOH
(R)-Cystein
Die natürlich vorkommenden Aminosäuren werden eingeteilt in: neutrale Aminosäuren (eine Amino- und eine Carboxylgruppe), saure Aminosäuren (eine Amino- und zwei Carboxylgruppen) und basische Aminosäuren (eine Carboxylgruppe und zwei basische Funktionen). 1. Neutrale Aminosäuren (Abkürzungen in Klammern)
H2N
COOH
H2N
Glycin (Gly, G)
COOH
H2N
COOH
H2N
Valin * (Val, V)
Alanin (Ala, A)
COOH
H2N
Leucin* (Leu, L)
COOH
Isoleucin* (Ile, I) CONH2
SH H2N
OH H2N
COOH
Cystein (Cys, C)
COOH
OH H2N
COOH
H2N
Phenylalanin* (Phe, F)
COOH
COOH
Threonin* (Thr, T)
Serin (Ser, S)
H2N
COOH
H2N
Asparagin (Asn, N)
COOH
Glutamin (Gln, Q)
H2N
N H
COOH
Methionin* (Met, M)
Prolin (Pro, P)
2. Basische Aminosäuren H N
NH2
H N
NH2 NH
H2N
COOH
Lysin * (Lys, K)
H2N
COOH
Arginin (Arg, R)
COOH
SCH3
Tryptophan* (Trp, W)
Thyrosin (Tyr, Y)
H2N
H N
OH
H2N
CONH2
N H2N
COOH
Histidin (His, H)
COOH
29.1 Aminosäuren
437
3. Saure Aminosäuren
COOH COOH H2N
COOH
H2N
Asparaginsäure (Asp, D)
COOH
Glutaminsäure (Glu, E)
Als vereinfachte Schreibweise verwendet man für die Aminosäuren und Peptide häufig den Dreibuchstaben-Code (Bsp. Ile für Isoleucin). Bei den erheblich größeren Proteinen beschreibt man die Aminosäuresequenz mit Hilfe des Einbuchstaben-Codes (I für Isoleucin). Diese 20 ’-Aminosäuren werden benötigt zur Proteinbiosynthese. 12 davon können vom Körper selbst aufgebaut werden, die übrigen 8 sind essentielle Aminosäuren (*), d. h. sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Der Bedarf an diesen Aminosäuren lässt sich durch Verzehr von Fleisch, Fisch oder Eiern decken. Vegetarier sollten daher auf proteinreiche pflanzliche Produkte zurückgreifen. Bei der künstlichen Ernährung werden wässrige Aminosäure-Lösungen intravenös verabreicht. Neben diesen 20 Aminosäuren findet man in vereinzelten Proteinen (z. B. im Kollagen) weitere Aminosäuren wie etwa Hydroxyprolin (Hyp). Dieses entsteht aus Prolin, wobei die Hydroxylgruppe nach der Proteinsynthese eingeführt wird. Dies bezeichnet man als posttranslationale Modifizierung. Außer ’-Aminosäuren gibt es noch eine Reihe weiterer wichtiger Aminocarbonsäuren die von biologischer Bedeutung sind. Je nach Stellung der Aminogruppe unterscheidet man “-, ”-, •-, ©-Aminosäuren. Diese Aminosäuren kommen zwar nicht in Proteinen vor, sie sind jedoch wichtige Botenstoffe oder spielen eine Rolle im Stoffwechsel. So ist “-Alanin ein Bestandteil von Coenzym A (s. Abschn. 27.1), ”-Aminobuttersäure ist ein wichtiger Neurotransmitter. HO
N H
H2N
COOH
COOH β-Alanin (β-Ala)
Hydroxyprolin (Hyp)
H2N
COOH
γ-Aminobuttersäure (GABA)
29.1.2 Aminosäuren als Ampholyte Aufgrund ihrer Struktur besitzen Aminosäuren sowohl basische als auch saure Eigenschaften (Ampholyte, vgl. Basiswissen I). Es ist daher eine intramolekulare Neutralisation möglich, die zu einem sog. Zwitterion (Betain) führt: −
R CH COO NH3
+
Zwitterion einer Aminosäure
438
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Aminosäuren liegen meist kristallin vor, ihre Schmelzpunkte sind sehr hoch und liegen über den Zersetzungspunkten (z. B. Alanin 295 °C). In wässriger Lösung ist die NHC 3 -Gruppe die Säuregruppe einer Aminosäure. Der pKs -Wert ist ein Maß für die Säurestärke dieser Gruppe. Der pKB -Wert einer Aminosäure bezieht sich auf die basische Wirkung der COO -Gruppe. Für eine bestimmte Verbindung sind die Säure- und Basestärke nicht genau gleich, da diese von der Struktur abhängen. Es gibt jedoch in Abhängigkeit vom pH-Wert einen Punkt, bei dem die intramolekulare Neutralisation vollständig ist. Dieser wird als isoelektrischer Punkt bezeichnet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass im elektrischen Feld bei der Elektrophorese keine Ionenwanderung mehr stattfindet und die Löslichkeit der Aminosäuren ein Minimum erreicht. Daher ist es wichtig, bei gegebenen pKs -Werten den isoelektrischen Punkt (I.P.) berechnen zu können. Die Formel hierfür lautet: I:P: D
1 .pKs1 C pKs2 / 2
pKs1 D pKs -Wert der Carboxylgruppe, pKs2 D pKs -Wert der Aminogruppe. Manchmal findet man anstatt Ks auch KA (A von acid). Beispiel Glycin H2 NCH2 COOH (A)
KA D 1;6 1010 .pKA D 9;8/ KB D 2;5 1012 .pKB D 11;6/
oder (B)
Ks2 D 1;6 1010 .pKs2 D 9;8/ Ks1 D 4 103 .pKs1 D 2;4/
Beide Angaben (A) und (B) sind in der Literatur üblich. Die Lage des I.P. berechnet sich daraus zu: 1 I:P: D .2;4 C 9;8/ D 6;1: 2 Bei pH 6,1 liegt also Glycin als Zwitterion vor, welches von einem elektrischen Feld nicht beeinflusst wird. Verändert man jedoch den pH-Wert einer Lösung, so wandert die Aminosäure je nach Ladung an die Kathode oder Anode, wenn man eine Gleichspannung an zwei in ihre Lösung eintauchende Elektroden anlegt (Elektrophorese). Dies lässt sich an Hand der folgenden Gleichgewichte leicht einsehen: R H3N
R
+
−H
+
COOH
+
+H
H3N
R
+
+
−
COO
−H
+
+H
H2N
−
COO
pH < I.P.
pH = I.P.
pH > I.P.
Kation (wandert zur Kathode)
Zwitterion (keine Wanderung)
Anion (wandert zur Anode)
Hinsichtlich der Puffereigenschaften der Aminosäuren gilt: Im Bereich der pKs -Werte ist die Steigung der Titrationskurve am geringsten (s. Abb. 29.1), d. h. schwache Säuren und Basen puffern optimal im pH-Bereich ihrer pKs -Werte (und nicht am I.P.).
29.1 Aminosäuren
439
Abb. 29.1 Titrationskurve von Glycin
Beispiel: Lysin hat einen I.P. von 9,74. Bei einem pH von 10 liegt Lysin als Anion vor, bei pH 9,5 als Kation. Die jeweils vorliegende Struktur ergibt sich aus den obigen Gleichgewichten. Will man Lysin an einen Anionenaustauscher adsorbieren, muss man daher den pH-Wert der wässrigen Lösung größer als den I.P. wählen (z. B. pH 10). In einer derartigen Lösung wird Lysin bei Anlegen einer elektrischen Gleichspannung zur Anode wandern.
29.1.3 Gewinnung und Synthesen von Aminosäuren Der mit Abstand größte Bedarf an ’-Aminosäuren besteht bei den proteinogenen Aminosäuren. Diese erhält man überwiegend durch Totalhydrolyse von Proteinen und anschließende Trennung des dabei anfallenden Aminosäuregemisches. Auf diese Weise sind die meisten der 20 L-Aminosäuren zugänglich. Die in Proteinen seltener vorkommenden und die D-Aminosäuren können so jedoch nicht (in ausreichenden Mengen) erhalten werden. Daher wurde eine Reihe von Synthesemethoden zum Aufbau auch unnatürlicher Aminosäuren entwickelt. 1. Eine wichtige Herstellungsmethode ist die Strecker-Synthese. Dabei werden Aldehyde mit Ammoniak und Blausäure umgesetzt. Die Hydrolyse des dabei gebildeten ’-Aminonitrils ergibt die gewünschte Aminosäure in racemischer Form: H R RCHO + NH3 + HCN
− H2O
H2N
C
CN
α-Aminonitril
+ 2 H2O − NH3
H R H2N
C
COOH
α-Aminosäure
440
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Der Aldehyd reagiert dabei mit Ammoniak in einer Gleichgewichtsreaktion zu einem Imin (Azomethin) (s. Abschn. 17.1.3), das als „carbonyl-analoge“ Verbindung HCN addieren kann. Vergleicht man jedoch die Carbonylaktivitäten (s. Abschn. 17.1.3) des Aldehyds und des Imins, so sollte man erwarten, dass der reaktivere Aldehyd bevorzugt mit dem Cyanid reagiert, unter Bildung eines Cyanhydrins (s. Abschn. 17.2.1). Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr kommt es zu einer Protonierung des Imins durch die Blausäure, wodurch das gebildete Iminiumion reaktiver wird als der ursprüngliche Aldehyd (s. Abschn. 17.1.3). Dieses reagiert dann mit dem Cyanid zum entsprechenden Aminonitril. Blausäure ist eine relativ schwache Säure, und daher nicht in der Lage den Aldehyd zu protonieren, wohl aber das erheblich basischere Imin (vgl. reduktive Aminierung, Abschn. 14.1.2.5). O + NH3
R
− H 2O
NH R
+
+H
NH2
+
R H
H
H
NH2 R +
+ CN−
R
H
NH2 CN H
Imminium-Ion
2. Eine weitere wichtige Herstellungsmethode ist die Aminierung von ’-Halogencarbonsäuren. Dabei werden z. B. ’-Bromcarbonsäuren, erhältlich durch Halogenierung nach Hell-Volhard-Zelinsky (s. Abschn. 18.5.4), mit einem großen Überschuss an Ammoniak umgesetzt: Beispiel
H3C CH2 COOH
Br2 Phosphor
NH2
Br H3C CH COOH
NH3
Hell-Vollhard-Zelinsky -Reaktion
H3C CH COOH Alanin
Der Überschuss ist notwendig, da die Aminogruppe der gebildeten Aminosäure nucleophiler ist als der eingesetzte Ammoniak (s. a. Abschn. 14.1.2) und daher ebenfalls mit der ’-Bromcarbonsäure reagieren kann. 3. Die Gabriel-Synthese (s. Abschn. 14.1.2.2) umgeht dieses Problem und verwendet anstelle von Ammoniak Kaliumphthalimid, das z. B. mit Brommalonester umgesetzt werden kann. Das entstandene Produkt wird alkyliert und anschließend hydrolysiert. Die dabei gebildete substituierte Malonsäure spaltet bei Erwärmen CO2 ab (s. Abschn. 20.2.2.1), und man erhält die gewünschte Aminosäure: O
O
COOR
COOR N
−
K+ O
+ Br CH COOR
- KBr
N CH COOR O
Base R' Hal
29.1 Aminosäuren
441
Kaliumphtalimid O COOR N C R' COOR
COOH
+ 1) H3O 2) Δ
H
R' + CO2 + 2 ROH
+ COOH
H 2N
COOH
O
4. Bei der Erlenmeyer’schen Azlactonsynthese geht man von N-Benzoylglycin I (Hippursäure) aus. Durch Umsetzung mit Acetanhydrid bildet sich daraus das Hippursäure-Azlacton II, welches sich anschließend mit Carbonylverbindungen umsetzen lässt (vgl. Perkin- (Abschn. 20.2.3.2) und Knoevenagel-Reaktion (Abschn. 20.2.2.3). Das gebildete ungesättigte substituierte Azlacton III kann durch katalytische Hydrierung der Doppelbindung und saure Hydrolyse des Azlactonringes zur entsprechenden Aminosäure IV gespalten werden. H O
H H C C N COOH H
(CH3CO)2O
H
I
H H H O C C R C O N C
O
H C N
R
C O C
C
RCHO − H2O
N
II
H H H O C C R C OH + H2O N O + C H
O
C
C O C
H2 Pd/C
III
COOH + H2O +
H
R
CH2
CH
COOH +
NH2 IV
5. Bei allen hier vorgestellten Verfahren werden die Aminosäuren in racemischer Form gebildet. Die Trennung der Aminosäure-Racemate in die optischen Antipoden (Enantiomere) erfolgt nach speziellen Methoden (s. a. Abschn. 25.5.1). Im Wesentlichen sind drei Verfahren entwickelt worden: 1. Trennung durch fraktionierte Kristallisation (physikalisches Verfahren). 2. Umwandlung von Aminosäurederivaten mit Hilfe von Enzymen, wobei diese nur eine enantiomere Form erkennen und umsetzen, und das andere Enantiomer unverändert zurückbleibt (biologisches Verfahren).
442
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
3. Kombination einer racemischen Säure mit einer optisch aktiven Base. (s. Abschn. 25.5.1) Es entstehen Salze, z. B. D-Aminosäure-L-Base und L-Aminosäure-L-Base, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Löslichkeit getrennt werden können (chemisch-physikalisches Verfahren).
29.1.4 Reaktionen von Aminosäuren Die Aminosäuren können entsprechend der vorhandenen funktionellen Gruppen wie Amine oder Carbonsäuren reagieren. So kann z. B. die Aminogruppe mit Acetanhydrid acetyliert werden. Das Chiralitätszentrum der ’-Aminosäuren am C-2-Atom ist relativ labil: Beim Erhitzen im alkalischen Medium oder mit starken Säuren erfolgt Racemisierung. Beide funktionelle Gruppen können analog zu den Hydroxysäuren (s. Abschn. 18.5.2.3) beim Erwärmen miteinander reagieren: 1. ’-Aminosäuren bilden ein cyclisches Diamid (Diketopiperazin):
2 R CH COOH NH2
Δ − 2 H2O
R
HC
H N
C
O
CH N R H Diketopiperazin
O
C
2. “-Aminosäuren führen zu ’,“-ungesättigten Säuren R' R CH CH COOH
R'
Δ − NH3
R CH C COOH
NH2
3. Aus ”- und •-Aminosäuren entstehen cyclische Amide, die ”- und •-Lactame: α
CH2 COOH β Δ H2C − H2O CH NH 2 2 γ γ-Aminosäure
β
H2C H2C γ
α
CH2 C O N H
γ-Lactam
α
CH2 COOH
β Δ H2C γ δ − H2O CH2 CH2 NH2
δ-Aminosäure
α
β
O
CH2 C
H2C γ NH δ CH2 CH2 δ-Lactam
Häufig werden Aminosäuren auch verwendet, um daraus andere funktionalisierte Carbonsäure und Derivate aufzubauen. Durch Umsetzung mit HNO2 (Diazotierung) erhält man aus Aminosäuren primär ’-Lactone, die zu Hydroxysäuren hydrolysiert werden. Führt man dieselbe Reaktion mit Aminosäureestern durch, erhält man die relativ stabilen Diazoester (s. Abschn. 14.5.1):
29.2 Peptide
443
R CH COOH
NaNO2 /HCl
R CH C
NH2
O
+ H2O
R CH COOH OH
O α-Lacton
R CH COOR'
−
HNO2
R C COOR' N+
NH2
N
Diazoester
29.2 Peptide Zwei, drei oder mehr Aminosäuren können, zumindest formal, unter Wasserabspaltung zu einem größeren Molekül kondensieren. Die Verknüpfung erfolgt jeweils über die Peptid-Bindung –CO–NH– (Säureamid-Bindung). Je nach der Anzahl der Aminosäuren nennt man die entstandenen Verbindungen Di-, Tri- oder Polypeptide. Beispiel Peptidbindung
CH3 H2N CH2 COOH Glycin (Gly)
+
H2N CH COOH Alanin (Ala)
O
CH3
H2N CH2 C NH CH COOH Glycyl-Alanin (Gly-Ala) ein Dipeptid
Bei der Beschreibung der Peptide verwendet man in der Regel den Dreibuchstaben-Code (Proteine: Einbuchstaben-Code). Bei der Verwendung der Abkürzungen wird die Aminosäure mit der freien Aminogruppe (N-terminale AS) am linken Ende, diejenige mit der freien Carboxylgruppe (C-terminale AS) am rechten Ende geschrieben: Gly-Ala (oft auch H-Gly-Ala-OH) im obigen Beispiel ist also nicht dasselbe wie Ala-Gly (D H-Ala-Gly-OH). Drei verschiedene Aminosäuren können daher 3Š D 1 2 3 D 6 verschiedene Tripeptide geben, die zueinander Sequenzisomere sind. Beispiel Aus Ala, Gly und Val lassen sich bilden: Ala-Gly-Val, Ala-Val-Gly, GlyAla-Val, Gly-Val-Ala, Val-Ala-Gly, Val-Gly-Ala. Kristallstrukturbestimmungen von einfachen Peptiden führen zu den in Abb. 29.2 enthaltenen Angaben über die räumliche Anordnung der Atome: Da alle Proteine aus L-Aminosäuren aufgebaut sind, ist die Konfiguration am ’-C-Atom festgelegt. Die Röntgenstrukturanalyse ergibt zusätzlich, dass die Amid-Gruppe eben angeordnet ist, d. h. die Atome der Peptidbindung liegen in einer Ebene.
444
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Abb. 29.2 Die wichtigsten Abmessungen (Längen und Winkel) in einer PolypeptidKette. Längenangaben in pm
Dies ist auf die Mesomerie der Peptidbindung zurückzuführen (s. a. Abschn. 19.2.3), die auch eine verringerte Basizität (Nucleophilie) des Amid-N-Atoms zur Folge hat. Der partielle Doppelbindungscharakter wird durch den gemessenen C–N-Abstand von 132 pm im Vergleich zu einer normalen C–N-Bindung von 147 pm bestätigt. O
O CH
C
R
N
CH
H
R
−
C + N H
Die planaren Peptidbindungen sind über die sp3 -hybridiserten ’-C-Atome miteinander verbunden. Daraus ergibt sich eine zickzackförmige Anordnung der Peptidkette, die sich verallgemeinert und vereinfacht wie folgt schreiben lässt: 1
R N H α
C O
O
H N
C R
2
R N H
3
C O
O
H N
C R
4
R N H
5
C O
α
Die Atomfolge C C N C bezeichnet man auch als das Rückgrat der Peptidkette. O Die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Peptid wird als die Sequenz (Primärstruktur) bezeichnet.
29.2.1 Hydrolyse von Peptiden Im Organismus wird der Eiweißabbau durch proteolytische Enzyme (Trypsin, Chymotrypsin, Papain) eingeleitet, die eine gewisse Spezifität hinsichtlich ihrer Spaltungsposition zeigen und bei bestimmten pH-Werten ihr Wirkungsoptimum haben. Sie zerlegen größere Peptide und Proteine in kleinere Peptidfragmente, die dann weiter abgebaut werden können.
29.2 Peptide
445
Die Säureamid-Bindung der Peptide lässt sich auch durch Hydrolyse mit Säuren oder Basen spalten (s. Abschn. 19.1.1), und man erhält die einzelnen Aminosäuren. Auf diese Weise erhält man auch technisch die proteinogenen Aminosäuren aus Proteinabfällen. In der Regel wird die saure Spaltung bevorzugt, da der Einsatz von Basen zu einem racemischen Gemisch der entstandenen Aminosäuren führt. 1
R N H
O
H N
C O
C R
2
R N H
3
1
C
R
R
(H+, OH−) H2O
+ COOH H2N
H2N
2
R
3
+ COOH H2N
COOH
O
Die saure Hydrolyse verläuft wie im Abschn. 19.1 beschrieben. Nach der Anlagerung eines Protons folgt der nucleophile Angriff eines H2 O-Moleküls: O R
+H
C
+
OH
+ H 2O
C
NHR'
R
OH
OH
C
C NHR'
NHR' O H + H
R + NHR'
R
+
+
RCOOH + H3NR'
OH H
Im Gegensatz dazu ist die alkalische Hydrolyse bekanntlich irreversibel und beginnt mit dem nucleophilen Angriff des OH -Ions: O R
C
O NHR'
+ OH
−
R
−
RCOO− + H2NR'
C NHR' OH
Mit Hilfe geeigneter Abbaureaktionen lässt sich auch die Sequenz der Peptidkette (Primärstruktur) ermitteln. Dies ist besonders wichtig für die Analyse der natürlich vorkommenden Polypeptide. Die N-terminale Endgruppe wird mit Dinitrofluorbenzol nach Sanger bestimmt (s. a. Abschn. 8.3.2). Hierzu wird das Peptid mit 2,4-Dinitrophenylhydrazin umgesetzt. Nach der Totalhydrolyse des Peptids trägt ausschließlich die N-terminale Aminosäure eine Dinitrophenylgruppe und ist damit identifiziert: F
1
NO2
NO2
O
R
− HF
NH
+ H2N O
R
O2N
1
R
O NH
HN
2
O
NO2
R
2
+ H + H2O
SangerReagenz
NO2 O2N
HN
1
R
COOH
+ H2N
COOH R
2
+ ...
446
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Die Sequenzanalyse nach Edman verwendet Phenylisothiocyanat. Dieses addiert sich ebenfalls an die N-terminale Aminosäure, wobei hier ein Phenylthioharnstoff-Derivat gebildet wird. In Gegenwart von Salzsäure (Protonierung der Peptidbindung) kommt es dann zu einem Angriff des Thioharnstoff-N-Atoms an der benachbarten Peptidbindung. Unter Cyclisierung bildet sich ein Phenylthiohydantoin, wobei die restliche Peptidkette abgespalten wird. Da das Peptid dabei nicht zerstört wird, kann die nun um eine Aminosäure verkürzte Peptidkette erneut einem Edmann-Abbau unterworfen, usw. Somit lässt sich die komplette Sequenz aufklären. R1
R1
O NH
H 2N O
R
S
+
(HCl)
NH
HN 2
R1
O
O NH
R
HN N
2
S
O O H2N + R2
C 6H 5
C 6H 5
S C N C 6H 5
Phenylthiohydantoin
Phenylthiocarbamyl-Peptid
Phenylisothiocyanat
Zur Sequenzaufklärung großer Proteine kombiniert man den Edmann-Abbau mit der enzymatischen Peptidspaltung. Hierzu wird das Protein mit verschiedenen Enzymen umgesetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Substratspezifität der Enzyme spalten diese das Protein an unterschiedlichen Positionen. Trypsin spaltet z. B. zwischen Arginin und Lysin, Chymotrypsin vor Phenylalanin und Thyrosin, usw. Dadurch erhält man verschiedene Oligopeptide deren Sequenz nach Edmann aufgeklärt wird. Die Sequenzen der Peptidfragmente aus den verschiedenen Enzymansätzen überlappen sich, und dadurch lässt sich die Gesamtsequenz ermitteln.
29.2.2
Peptid-Synthesen
29.2.2.1 Schutzgruppen Möchte man zwei Aminosäuren zu einem Dipeptid verknüpfen, so gibt es zwei Möglichkeiten, da jede Aminosäure eine Amino- und eine Säurefunktion besitzt. Um eine gezielte Umsetzung zu erreichen, muss man bei der einen Aminosäure die Aminogruppe blockieren, damit diese nur noch an der Carboxylgruppe reagieren kann, bei der zweiten Komponente, die an der Aminofunktion reagieren soll, muss hingegen die Carboxylgruppe blockiert werden. Hierzu verwendet man so genannte Schutzgruppen (SG). 1
2
R
R 1
SG HN
COOH
H2N
1
CO SG
2
2
R
− H2O
+
1
SG HN
R CO HN
CO SG
2
29.2 Peptide
447
Dabei ist es wichtig, dass sich die Schutzgruppen abspalten lassen, ohne dass der Peptidbindung etwas geschieht. Möchte man aus dem so hergestellten geschützten Peptid das ungeschützte Dipeptid erhalten, so wird man Schutzgruppen SG1 und SG2 wählen, die sich unter denselben Bedingungen abspalten lassen. Will man hingegen aus dem Dipeptid ein größeres Peptid aufbauen, so ist es wichtig, dass sich eine Schutzgruppe selektiv abspalten lässt, damit man an diesem Ende des Dipeptids gezielt weiterknüpfen kann. Man verwendet in einem solchen Fall orthogonale Schutzgruppen, also Schutzgruppe die sich bei ihrer Entfernung nicht gegenseitig beeinträchtigen. Schutzgruppen für die Carboxylgruppe sind in der Regel verschiedene Ester. Methylester lassen sich leicht mit Natronlauge verseifen, Benzylester entfernt man durch katalytische Hydrierung, und tert.-Butylester entfernt man mit (wasserfreier) Säure (Bildung des stabilen tert.-Butyl-Carbeniumions):
H2N
R
R
R C
OCH3
H2N
C
O
H2N
C O
O
O Methylester
O
CH3 CH3 CH3
tert.-Butylester
Benzylester
Schutzgruppen für die Aminofunktion sind in der Regel Derivate der Carbamidsäure (s. Abschn. 21.1). Dieselben Schutzgruppen, die man zum Schutz der Carboxylgruppe einsetzt, kann man auch für die Aminogruppe verwenden, wenn man sie in die entsprechenden Carbamidsäureester überführt. Besonders bewährt haben sich die Benzyloxycarbonyl- (Z-, Cbz-)-Schutzgruppe und die tert.-Butyloxycarbonyl- (Boc-)-Schutzgruppe: O O
C
R N H
CH3 COOH
Benzyloxycarbonyl(Z-)-Schutzgruppe
H3C H3C
O
O C
R N H
COOH
tert.-Butyloxycarbonyl(Boc-)-Schutzgruppe
Wie alle benzylischen Schutzgruppen so wird auch die Z-Schutzgruppe durch katalytische Hydrierung abgespalten, die Boc-Gruppe wird wie alle tert.-ButylSchutzgruppen im Sauren entfernt. Schutzgruppen die den Benzylrest enthalten, und jene mit einem tert.-Butylrest sind orthogonal zueinander. Einführung der Schutzgruppen Die Einführung der Carboxylschutzgruppe erfolgt wie bei allen Carbonsäuren durch sauer katalysierte Veresterung. Dabei erhält man das entsprechende Salz
448
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
des Aminosäureesters. In dieser Form sind die Ester auch lagerbar, da durch Protonierung am N-Atom die Aminofunktion nicht mehr nucleophil ist. Dadurch verhindert man, dass die Aminofunktion mit der Esterfunktion reagiert (s. a. Abschn. 19.1.2). Durch Umsetzung mit Base erhält man daraus den freien Aminosäureester. R
R + CH3OH + SOCl2 H2N
+
H3N
COOH
C -
Cl R
OH
+ H2N
OCH3 + SO2 + HCl
O R
+ HCl
+
H3N
COOH
C
Cl-
+ H2O
O
O
Zur Einführung der Aminoschutzgruppe versetzt man mit die Aminosäure mit Säurechloriden (s. Abschn. 19.1.2) oder mit aktivierten Carbamidsäurederivaten wie etwa Chlorameisensäurebenzylester (Z-Cl). Auf diese Weise führt man z. B. die Z-Schutzgruppe ein. Für die Boc-Schutzgruppe benötigt man den entsprechenden Chlorameisensäure-tert.-butylester, der jedoch nicht stabil ist (nur bei 50 ı C). Stattdessen verwendet man in diesem Fall das entsprechende Azid oder Anhydrid (Boc2 O). O
O O
C
R Cl
+
H 2N
COOH
Base − HCl
C
O
R N H
COOH
Z-Schutzgruppe Chlorameisensäurebenzylester (Z-Cl) O
O
CH3 CH3 O CH3 O
O
CH3 CH3 CH3
CH3
R +
H 2N
COOH
− CO2 − C4H9OH
H 3C H 3C
O
O
C
R N H
COOH
Boc-Schutzgruppe
Di-tert.-Butyldicarbonat (Boc2O)
29.2.2.2 Peptidknüpfung Die entsprechenden Aminosäurederivate können nun für eine Peptidknüpfung eingesetzt werden. Hierzu muss die Carboxylgruppe der einen Komponente aktiviert werden (wieso?). Prinzipiell kann man die Amidbindung durch Aminolyse
29.2 Peptide
449
eines Esters herstellen (s. a. Abschn. 19.1.2). Normale Ester sind jedoch zu unreaktiv (sonst könnte man sie auch nicht als Schutzgruppe verwenden), daher verwendet man so genannte Aktivester, bei denen die Carbonylgruppe durch elektronenziehende Gruppen besonders aktiviert ist. Gut geeignet sind p-Nitrophenyl- und Pentafluorphenylester: O
R
C
R'O
O O
N H
C
R'O
O
F
O
N H
O
NO2
p-Nitrophenylester
F
R
F
F F
Pentafluorphenylester
Noch besser reagieren aktivere Carbonsäurederivate wie etwa die Säurehalogenide oder -anhydride. Aminosäurechloride sind jedoch in der Regel nicht stabil, so dass hauptsächlich die Anhydride verwendet werden. Bei diesen wird jedoch nur eine der aktivierten Säureeinheiten genutzt, die zweite wird als Säure abgespalten. Um eine möglichst vollständige Umsetzung der Aminosäure zu erzielen, setzt man daher gemischte Anhydride aus der Aminosäure und einer anderen Säure ein. Um einen selektiven Angriff des Amins an der Aminosäurekomponente zu erreichen, verwendet man entweder die Anhydride sterische gehinderter Carbonsäuren, wie etwa Pivalinsäure, oder die Anhydride weniger reaktionsfähiger Säuren wie Phosphorsäure- und Kohlensäureester. Die Anhydride erhält man durch Umsetzung der geschützten Aminosäure mit dem Säurechlorid der zweiten Komponente (s. a. Abschn. 19.2.1). Gemischte Anhydride: CH3 C CH3 CH3
R SG N H
O O
O
R
R O
SG N H
Pivalinsäure
O
OR OR P
SG N H
O
O O
OR O
Kohlensäureester
Phosphorsäureester
Ein ebenfalls weit verbreitetes Knüpfungsreagenz ist Dicyclohexylcarbodiimid (DCC), ebenfalls ein Kohlensäurederivat. Im ersten Schritt der Aktivierung addiert die Aminosäure an die die C=N-Bindung unter Bildung des aktivierten Derivats I (ein N-analoges Kohlensäureesteranhydrid), welches dann von der Aminkomponente angegriffen wird. Dabei wird Dicyclohexylharnstoff (DCH) abgespalten. Diese Methode kann man auch verwenden um die Aktivester herzustellen, wobei in diesem Fall die Phenolderivate als Nucleophile fungieren. O 1
RO
C
R
2
R3 +
N H
COOH
H2N
COOR
4
+ DCC − DCH
O 1
RO
C
R N H
2
R3 CO NH
4
COOR
450
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Mechanismus:
R2
O 1
RO
C
N H
N COOH
+
1
RO
N
C
1
C
N H
C O
H 2N
R2
O
N H
O
C
NH
I
N
R3
Dicyclohexylcarbodiimid (DCC)
RO
R2
O
C
COOR
4
R3
O 4
CO NH
+
COOR
N H
C
N H
Dicyclohexylharnstoff (DCH)
29.2.2.3 Merrifield-Synthese Zur Synthese größerer Peptide hat sich die Festphasensynthese nach Merrifield bewährt. Sie hat den Vorteil, dass sie automatisierbar ist. Hierbei wird eine geschützte Aminosäure, in der Regel über die Carboxylgruppe, kovalent an einen festen Träger gebunden. Als Träger dient meist ein Polystyrol-Harz, welches zusätzlich funktionelle Gruppen trägt. Über diese funktionellen Gruppen erfolgt die Anbindung der Aminosäure, z. B. als Ester. Die Bindung zum Harz muss stabil genug sein, um alle Schritte der Peptidsynthese unbeschadet zu überstehen, sie muss sich aber auch bei Bedarf wieder spalten lassen. Gut bewährt haben sich hierfür Benzylester: O
R
CH2 CH2Cl
CH CH2
+ Na
+−
OOC
N H
C
CH3 CH3 O CH3
− NaCl R
CH2 CH CH2 Polystyrolharz
CH2
O C O
O
CH3 CH3 C N O CH3 H
Träger-gebundene Aminosäure
Nach dem Abspalten der N-Schutzgruppe kann am Amino-Ende die nächste geschützte Aminosäure (z. B. mit DCC) angehängt werden. Dann wird deren Schutzgruppe abgespalten, usw.
29.2 Peptide
451
Der Vorteil der Festphasen-Synthese resultiert daraus, dass die wachsende Peptidkette am Träger fixiert ist, während alle anderen Verbindungen und Reagenzien in Lösung sind. Diese können daher sehr einfach durch Spülen des Trägers entfernt werden, wodurch das Peptid gereinigt wird. Es ist dann für den nächsten Schritt einsetzbar. Auch können die Kupplungskomponenten in großem Überschuss eingesetzt werden, was oft nötig ist um einen vollständigen Umsatz zu erzielen. Dies ist bei der Festphasensynthese besonders wichtig, da am Harz viele Peptidketten parallel aufgebaut werden. Verlaufen einzelne Knüpfungsschritte unvollständig, dann bildet sich ein Gemisch unterschiedlicher Peptide, die sich nach der Abspaltung kaum voneinander trennen lassen. Die Trennung wird umso schwieriger, je länger die Peptidkette wird. Lange Peptide werden daher häufig nicht am Stück aufgebaut, sondern man synthetisiert kürzere Segmente (z. B. aus 10 Aminosäuren) die man anschließend zusammensetzt.
29.2.3 Biologisch wichtige Peptide Eines der kleinsten Peptide, dem eine wichtige biologische Funktion zukommt ist Glutathion (GSH), ein Tripeptid. In ihm ist die Glutaminsäure nicht (wie sonst üblich) über die ’-Carboxylgruppe sondern über die ”-COOH-Gruppe verknüpft. Glutathion wirkt als Antioxidans, da es oxidierende Substanzen reduziert (und damit unschädlich macht), wobei es selbst oxidiert wird. Aus der SH-Gruppe des Cysteins bildet sich dabei unter Dimerisierung (GSSG) das Disulfid (s. a. Abschn. 13.1.3). Zu den Neuropeptiden gehören die Enkephaline, Pentapeptide mit schmerzlindernder Wirkung. Diese Peptide binden an die Opiat-Rezeptoren des Gehirns, worauf ihre Wirkung zurückzuführen ist. An diese Rezeptoren binden auch die Endorphine (endogene Morphine), Neuropeptide aus 20–30 Aminosäuren. SH
O H2N
α
β
γ
COOH Glu
N H Cys
Tyr Gly
O
H N
OH
O Gly
Glutathion (GSH)
Gly
Phe Met
Methionin-Enkephalin Tyr Gly
Gly
Phe
Leu
Leucin-Enkephalin
Zahlreiche wichtige Hormone, vor allem der Hypophyse und der Bauchspeicheldrüse sind Oligo- oder Polypeptide. Dazu gehören z. B. Ocytocin (Oxytocin, 9 Aminosäuren) und Vasopressin (Adiuretin, 9 Aminosäuren), beides Hormone aus dem Hypophysenhinterlappen. Ocytocin bewirkt Uteruskontraktion und erzeugt
452
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
das Sättigungsgefühl bei der Nahrungsaufnahme. Vasopressin ist ein Neurotransmitter und wirkt blutdrucksteigernd. Beide Peptide sind fast identisch, sie unterscheiden sich nur in einer Aminosäure. Charakteristisches Merkmal von beiden ist die Disulfidbrücke zwischen Cys1 und Cys6 , wodurch ein Cyclopeptid entsteht. CONH2 HN O HN
HO
3
Ile
H N
Tyr
Asn5
1
Cys
H2N Cys
O
NH
O
O
S
NH S
6
Pro
7
8
Leu Gly
9
NH2
S
CONH2
O
H2N S
4
Gln
2
Lys statt Leu Vasopressin
N H N
O O
N H
Ocytocin
CONH2
O
Ebenfalls stark blutdrucksteigernd wirkt Angiotensin II, ein lineares Octapeptid, das aus der inaktiven Vorstufe Angiotensin I mit Hilfe des Enzyms „Angiotensine-Converting-Enzyme“ (ACE) gebildet wird: Asp
Arg
Val
Tyr
Ile
His
Pro
Phe
His
Leu
Angiotensin I Angiotensin II
Zu den längeren Peptiden gehören die Peptidhormone Corticotropin (39 Aminosäuren, Hypophysenvorderlappen) und Insulin (51 Aminosäuren, Langerhanssche Inseln der Bauchspeicheldrüse). Corticotropin regt die Nebennierenrinde zur Bildung der Corticoide an. Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und wird bei Diabetikern therapeutisch angewandt. Gegenspieler des Insulins ist das Glucagon, ebenfalls ein Peptid (29 Aminosäuren) der Bauchspeicheldrüse. Interessant am Insulin ist die Struktur: Es besteht aus zwei Peptidketten (A und B), die durch Disulfidbrücken zusammengehalten werden. Die Struktur des Insulins ist bei den meisten Säugetieren fast identisch: das Insulin des Menschen unterscheidet sich von dem des Rinds oder Schweins in nur einer Aminosäure, so dass man auf diese Insuline für therapeutische Zwecke zurückgreifen kann. A-Kette 1
6
20
Gly Ile Val Glu Gln Cys S S
10
Cys
S
Ile Thr Ser
S
S
19
1
21
Cys Ser Leu Tyr Gln Leu Glu Asn Tyr Cys Asn
7
S
Leu Tyr Leu
10
7
20
Val Cys Gly
Phe Val Asn Gln His Leu Cys Gly Ser His Leu Val Glu Ala
Glu
B-Kette
Arg
30
Insulin
Thr Lys Pro Thr Tyr Phe Phe Gly
29.3 Proteine
453
Alle diese vorgestellten Peptide enthalten ausschließlich die proteinogenen Aminosäuren mit L-Konfiguration. Dies liegt daran, dass bei der ribosomalen Proteinbiosynthese (s. Lehrbücher der Biochemie) nur diese 20 Aminosäuren codiert sind und somit verwendet werden. Niedere Organismen (Pilze, Schwämme, Bakterien, etc.) verfügen jedoch über einen anderen Synthesemechanismus, so dass diese auch in der Lage sind andere, ungewöhnliche Aminosäuren einzubauen. Sie können auch D-Aminosäuren verwenden oder gar Hydroxysäuren. Peptide die neben Aminosäuren auch Hydroxysäuren enthalten bezeichnet man als Depsipeptide oder Peptolide. Als Stoffwechselprodukte findet man bei ihnen zum Teil sehr exotische Strukturen, unter anderem auch Cyclopeptide. Zu diesen gehören z. B. so bekannte Gifte wie Phalloidin und Amanitin (beide aus dem Knollenblätterpilz), sowie Antibiotika wie Gramicidin (aus Bacillus brevis). Letzteres ist ein cyclisches Decapeptid (2 ident. Einheiten), das nicht über S–S-Brücken verknüpft ist und zwei D-Aminosäuren enthält. Val Orn Leu Pro
D− Phe
D− Phe
Pro
Leu Orn Val
29.3
Gramicidin S
Proteine
Proteine sind Verbindungen, die wesentlich am Zellaufbau beteiligt sind und aus einer oder mehreren Polypeptid-Ketten bestehen können. Sie bestehen aus den 20 proteinogenen Aminosäuren und werden oft eingeteilt in Oligopeptide (bis 10 Aminosäuren), Polypeptide (bis 100 Aminosäuren) und die noch größeren Makropeptide. Zu der bereits bekannten Primärstruktur, d. h. der Aminosäuresequenz der Peptidketten, treten weitere übergeordnete Strukturen hinzu.
29.3.1 Struktur der Proteine Die Sekundärstruktur beruht auf den Bindungskräften zwischen den verschiedenen funktionellen Gruppen der Peptide. Am wichtigsten sind die in Abb. 29.3 dargestellten inter- und intramolekularen Bindungen, die schon an anderer Stelle besprochen wurden. Die Wasserstoff-Brückenbindungen zwischen NH- und CO-Gruppen üben einen stabilisierenden Einfluss auf den Zusammenhalt der Sekundärstruktur aus und führen zur Ausbildung zweier verschiedener Polypeptid-Strukturen, der ’-Helixund der Faltblatt-Struktur. In der ’-Helix liegen hauptsächlich intramolekulare H-Brückenbindungen vor. Hierbei ist die Peptidkette spiralförmig in Form einer Wendeltreppe verdreht mit etwa 3,6 Aminosäuren pro Umgang. Es bilden sich H-Brückenbindungen zwischen
454
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine Peptidkette 1
N H O
S
− NH3 OOC +
S Peptidkette 2
H-Brückenbindungen
kovalente Disulfidbrücken
Ionische Wechselwirkungen
hydrophobe Wechselwirkungen
Abb. 29.3 Schematische Darstellung intramolekularer Bindungen
aufeinander folgenden Windungen derselben Kette aus, und zwar zwischen den N–H-Protonen einer Peptid-Bindung und dem Carbonyl-Sauerstoff der dritten Aminosäure oberhalb dieser Bindung. Jede Peptid-Bindung nimmt an einer H-Brückenbindung teil. Alle Aminosäuren müssen dabei die gleiche Konfiguration besitzen, um in die Helix zu passen. Man kann dieses Modell als rechts- oder linksgängige Schraube konstruieren (Abb. 29.4); beide sind zueinander diastereomer. Die rechtsgängige Helix ist energetisch stabiler. Alle bisher untersuchten nativen Proteine sind rechtsgängig. Spiegelbildliche Helices erhält man dann, wenn man die eine Helix aus L-Aminosäuren und die andere aus den entsprechenden D-Aminosäuren aufbaut. Die ebene Anordnung der Peptid-Bindung führt dazu, dass der Querschnitt der Helix nicht rund ist. Die Seitenketten R der Aminosäuren stehen von der Spirale nach außen weg. Abb. 29.5 gibt eine Aufsicht auf die ’-Helix wieder. Eine besonders eindrucksvolle Struktur besitzen das Kollagen (Bindegewebe) und das ’-Keratin der Haare. Drei lange Polypeptid-Ketten aus linksgängigen Helices sind zu einer dreifachen, rechtsgängigen Superhelix verdrillt, wobei sich zwei helicale Strukturen überlagert haben. Abb. 29.6 zeigt eine solche Superhelix. Beim Dehnen der Haare geht die ’-Keratin-Struktur in die “-Keratin-Struktur über. Dabei handelt es sich um eine Faltblatt-Struktur, bei der zwei oder mehr Polypeptid-Ketten durch intermolekulare H-Brückenbindungen verbunden sind. Auf diese Weise entsteht ein „Peptid-Rost“, der leicht aufgefaltet ist, weil die Reste R als Seitenketten einen gewissen Platzbedarf haben (Abb. 29.7). Faltblatt-Strukturen können mit antiparalleler und paralleler Anordnung der Peptidkette vorliegen (Abb. 29.8). Die vorstehend beschriebene Sekundärstruktur bestimmt auch teilweise die Ausbildung geordneter Bereiche innerhalb einer Kette, d. h. die helix-förmige (oder anders gestaltete) Peptidkette faltet sich noch einmal zusammen. Dies führt zu einer räumlichen Orientierung des Moleküls, die man als Tertiärstruktur bezeichnet. Verschiedene Proteine können sich auch zu einer größeren Einheit zusammenlagern, deren Anordnung Quartärstruktur genannt wird. Bekanntes Beispiel: Hämoglobin (vier Peptidketten).
29.3 Proteine Abb. 29.4 Schematische Darstellung der beiden möglichen Formen der ’Helix: Linksgängige (a) und rechtsgängige (b) Schraube, dargestellt in beiden Fällen mit L-Aminosäure-Resten. Das Rückgrat der Polypeptid-Kette ist fett gezeichnet, die Wasserstoffatome sind durch die kleinen Kreise wiedergegeben. Die Wasserstoff-Brückenbindungen (intramolekular) sind durch gestrichelte Linien dargestellt
Abb. 29.5 Aufsicht auf die ’-Helix
Abb. 29.6 Kollagen-Superhelix
455
456
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Abb. 29.7 Faltblatt-Struktur von “-Keratin mit antiparallelen Peptidketten („Peptid-Rost“)
Abb. 29.8 Faltblatt-Struktur mit antiparallelen Peptid-Ketten, aufgebaut aus L-Aminosäuren. a Seitenansicht; b Aufsicht. Das Rückgrat der Polypeptid-Kette ist fett eingezeichnet. Die H-Brückenbindungen sind durch gestrichelte Linien dargestellt
29.3.2 Beispiele und Einteilung der Proteine Da nur in wenigen Fällen die genauen Strukturen bekannt sind, werden zur Unterscheidung Löslichkeit, Form und evtl. die chemische Zusammensetzung herangezogen. Proteine werden i. a. unterteilt in: 1. globuläre Proteine (Sphäroproteine) von kompakter Form, die im Organismus verschiedene Funktionen (z. B. Transport) ausüben, und 2. faserförmig strukturierte Skleroproteine (fibrilläre Proteine), die vor allem Gerüst- und Stützfunktionen haben. Vergleichende Größenangaben zeigt Abb. 29.9.
29.3 Proteine
457
Abb. 29.9 Vergleich der Form und Größe einiger globulärer Proteine (in Anlehnung an J. T. Edsall)
Häufig werden als Proteine nur solche Polypeptide bezeichnet, die ausschließlich aus Aminosäuren bestehen. Davon zu unterscheiden sind die Proteide, die sich aus einem Protein und anderen Komponenten zusammensetzen. Beispiele zeigt Tab. 29.1. Es sei darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung nicht immer eindeutig ist. So können die Metalle bei den „Metalloproteiden“ auch nur adsorbiert sein, so dass man derartige Aggregate heute ebenfalls als „. . . proteine“ bezeichnet.
29.3.3 Eigenschaften der Proteine Proteine sind wie die Aminosäuren, aus denen sie aufgebaut sind, Ampholyte, d. h. sie enthalten sowohl basische als auch saure Gruppen. Je nach pH-Wert liegen sie als Kationen, Anionen oder als elektrisch neutrale Moleküle vor. Der pH-Wert, bei dem ein Eiweißkörper nach außen elektrisch neutral ist, nennt man den isoelektrischen Punkt I.P. Proteine wandern im elektrischen Feld in gleicher Weise wie die Aminosäuren. Falls Seitengruppen ebenfalls ionisierbar sind (z. B. OH-, SH-, COOH-Gruppen), bestimmen diese das Säure-Base-Verhalten. Als polar wirkende Gruppen sind sie auch mitverantwortlich für die hydrophilen Eigenschaften der sie enthaltenden Proteine, während hydrophobe Proteine vor allem AminosäurenSeitengruppen des Valin, Leucin, Isoleucin und Phenylalanin enthalten (vgl. Aminosäuren-Übersicht!). Ebenso wie bei den Aminosäuren ist auch die Pufferwirkung der Proteine im Säure-Base-Haushalt des Organismus durch ihren Ampholyt-Charakter bedingt. Hierbei spielt die Imidazol-Gruppe des Histidins aufgrund ihres pKs -Wertes von 6,1 eine stärkere Rolle als etwa die freien Carboxyl-Gruppen (z. B. in Glutaminsäure, Asparaginsäure) oder Aminogruppen (z. B. in Lysin, Arginin). Die Löslichkeit eines Proteins hängt vor allem ab von seiner AminosäurenZusammensetzung, seiner Molmasse und seiner Molekülstruktur. Sie lässt sich be-
458
29 Aminosäuren, Peptide und Proteine
Tab. 29.1 Proteine und Proteide Gruppe Globuläre Proteine Histone Albumine Globuline Fibrilläre Proteine ’-Keratin-Typ Kollagen-Typ “-Keratin-Typ Proteide (Proteine) Phosphoproteide Chromoproteide Nucleoproteide Glycoproteide (Mucoproteide) Lipoproteide Metalloproteide
Eigenschaften, Vorkommen und Bedeutung kugelförmige oder ellipsoide Eiweißmoleküle mit wenig differenzierter Struktur stark basische an Nucleinsäuren gebundene Eiweißstoffe (Zellkern) wasserlösliche Eiweißstoffe die durch konz. Ammoniumsulfat-Lösung gefällt werden (Blut, Milch, Eiweiß) in Wasser unlösliche, in verd. Neutralsalzlösungen lösliche Eiweißstoffe (Blut, Antikörper) Eiweißstoffe mit faserartiger Struktur, wesentlich als Gerüstsubstanzen des tierischen Organismus z. B. Proteine der Haare sowie Fibrin Hauptbestandteil der Stütz- und Bindegewebe von Sehnen, Bändern usw. z. B. Seidenfibroin (Fasersubstanz der Seidenfäden) sowie Proteine der Horngewebe (Federn, Nägel, Hufe, Hörner) z. B. Casein, das als Calciumsalz in der Milch vorliegt, Vitellin z. B. Atmungspigmente, Cytochrome u. ä. Enzyme sowie Chlorophyll, Hämoglobin wesentliche Bestandteile der Kerne und des Plasmas aller Zellen, die Nucleinsäuren sind an stark basische Proteide gebunden bilden die sog. Schleimstoffe, z. B. im Glaskörper des Auges, enthalten Aminozucker wenig untersuchte Stoffgruppe, die z. B. im Blutplasma vorkommt, hoher Lipid-Anteil (Fette, Phosphatide) Transport von Cu, Fe, Zn als Proteinkomplex
einflussen durch Temperatur, organische Lösemittel, pH-Veränderung oder Neutralsalze wie Na2 SO4 . Proteine lassen sich aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften mit mehreren Methoden voneinander trennen. Bei den klassischen Verfahren spielen als Parameter die elektrochemischen Eigenschaften (Elektrophorese/IonenaustauschChromatographie) und die Molekülgröße (Ultrazentrifuge, Gelfiltration) eine entscheidende Rolle. Spezifische Eigenschaften der Bindungsfähigkeit werden ausgenutzt bei den Methoden der Affinitätschromatographie und der immunchemischen Fällung.
Lipide
30
30.1 Überblick über die Lipid-Gruppe Die Ester langkettiger, meist unverzweigter Carbonsäuren wie Fette, Wachse u. a. werden unter dem Begriff Lipide zusammengefasst. Manchmal rechnet man auch die in den nachfolgenden Kapiteln besprochenen Isoprenoide wie Terpene und Steroide hinzu. Biochemisch von Bedeutung ist, dass Lipide im Stoffwechsel viele Gemeinsamkeiten aufweisen: Sie werden aus aktivierter Essigsäure aufgebaut, enthalten vielfach langkettige Fettsäuren als wesentliche Komponente, werden im Stoffwechsel oft durch einfache Reaktionen ineinander übergeführt und sind häufig wichtige Bestandteile biologischer Membranen, deren Eigenschaften sie bestimmen. Tab. 30.1 gibt einen Überblick über wichtige Lipide.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_30
459
460
30 Lipide
Tab. 30.1 Wichtige Stoffklassen der Lipide Verbindungsklasse Schemat. Aufbau bzw. Hydrolyseprodukte I Nicht hydrolysierbare Lipide Kohlenwasserstoffe; Alkan Carotinoide Alkohole; Sterine Alkanole ab C10 Säuren Fettsäuren ab C10 II Ester Fette Fettsäure + Glycerol Wachse Fettsäure + Alkanol Sterinester Fettsäure + Cholesterol III Phospholipide Phosphatidsäure Fettsäure + Glycerol + Phosphorsäure Phosphatide Fettsäure + Glycerol + Phosphorsäure + Aminoalkohol IV Glycolipide Cerebroside Fettsäure + Sphingosin + Zucker Ganglioside Fettsäure + Sphingosin + Zucker + Neuraminsäure
Beispiel “-Carotin Cholesterol Stearinsäure Tristearoylglycerol Bienenwachs Cholesterol-Linola – Lecithin
Galactosylsphingosin –
30.2 Fettsäuren und Fette Fette sind Mischungen aus Glycerolestern („Glyceride“) verschiedener Carbonsäuren mit 12 bis 20 C-Atomen (Tab. 30.2). Sie dienen im Organismus zur Energieerzeugung, als Depotsubstanzen, zur Wärmeisolation und zur Umhüllung von Organen. Wie alle Ester können auch Fette mit nucleophilen Reagenzien, z. B. einer NaOH-Lösung, umgesetzt werden (Verseifung). Dabei entstehen Glycerol und die Natriumsalze der entsprechenden Säuren (Fettsäuren), die auch als Seifen bezeichnet werden. Durch Zugabe von NaCl (Kochsalz) zu den wasserlöslichen Seifen werden diese ausgefällt („aussalzen“, Überschreitung des Löslichkeitsprodukts). Sie werden auf diesem Wege großtechnisch hergestellt und als Reinigungsmittel verwendet. CH2
O C C15H31
CH2 + 3 NaOH
O C C17H35
O ein Glycerolester (Triglycerid, Triacylglycerol)
CH2
−
+
−
+
+
C17H33 COO Na Na-Oleat
OH +
C17H35 COO Na Na-Stearat
CH OH
O CH2
+
C15H31 COO Na Na-Palmitat
O CH O C C17H33
−
OH +
Glycerol (Glycerin)
30.2 Fettsäuren und Fette
461
Tab. 30.2 Wichtige in Fetten vorkommende Carbonsäuren Zahl der C-Atome Name Formel gesättigte Fettsäuren 4 Buttersäure CH3 (CH2 /2 COOH 12 Laurinsäure CH3 (CH2 /10 COOH 14 Myristinsäure CH3 (CH2 /12 COOH 16 Palmitinsäure CH3 (CH2 /14 COOH 18 Stearinsäure CH3 (CH2 /16 COOH ungesättigte Fettsäuren (Doppelbindungen: cis-konfiguriert) 16 Palmitoleinsäure CH3 (CH2 /5 CHDCH(CH2 /7 COOH 18 Ölsäure CH3 (CH2 /7 CHDCH(CH2 /7 COOH 18 Linolsäure CH3 (CH2 /3 (CH2 CHDCH)2 (CH2 /7 COOH 18 Linolensäure CH3 (CH2 CHDCH)3 (CH2 /7 COOH 20 Arachidonsäure CH3 (CH2 /3 (CH2 CHDCH)4 (CH2 /3 COOH
Die saure Verseifung höherer Carbonsäureester (Fette) ist wegen der Nichtbenetzbarkeit von Fetten durch Wasser sehr erschwert, ein Zusatz von Emulgatoren daher erforderlich. Öle (D flüssige Fette) haben i. a. einen höheren Gehalt an ungesättigten Carbonsäuren (alle cis-konfigurierte Doppelbindungen) als Fette und daher auch einen niedrigeren Schmelzpunkt. Die cis-Konfiguration der Doppelbindung stört eine regelmäßige Packung der Fettsäureketten. Bei der sog. Fetthärtung werden diese Doppelbindungen katalytisch hydriert, wodurch der Schmelzpunkt steigt. Wegen der CDC-Doppelbindungen sind Öle oxidationsempfindlich und können ranzig werden (Autoxidation). Der Begriff Öl wird oft als Sammelbezeichnung für dickflüssige organische Verbindungen verwendet. Es sind daher zu unterscheiden: Fette Öle D flüssige Fette D Glycerolester; Mineralöle D Kohlenwasserstoffe; Ätherische Öle D Terpen-Derivate (s. Kap. 32). Die natürlichen Fettsäuren haben infolge ihrer biochemischen Synthese eine gerade Anzahl von C-Atomen, denn sie werden aus Acetyl-CoA (C2 -Einheiten) aufgebaut: 2 CH3
C S CoA O
− CoASH
CH3
C CH2
C S CoA
O
O
...
Tab. 30.2 enthält wichtige gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. In den meisten natürlich vorkommenden Fettsäuren liegen die Doppelbindungen isoliert und in der cis-Form vor. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können nur teilweise im Säugetierorganismus aufgebaut werden. Insbesondere Linol- und Linolensäure müssen über die pflanzliche Nahrung aufgenommen werden („essentielle Fettsäuren“).
462
30 Lipide
Die Fettsäuren reagieren chemisch wie andere Carbonsäuren an ihren funktionellen Gruppen: Die Carboxylgruppe bildet mit Alkoholen Ester (z. B. mit Glycerol in den Phospholipiden) und mit Aminen Säureamide (z. B. mit Sphingosin in den Sphingolipiden). Sie lässt sich zunächst zum Aldehyd und dann weiter zum Alkohol reduzieren. Vorhandene Doppelbindungen können hydriert werden (Beispiel: Fetthärtung) oder auch Wasser anlagern (Hydratisierung, vgl. biochem. Fettsäureabbau). Während die Fettsäuren selbst wegen ihres langen, hydrophoben Kohlenwasserstoff-Restes nicht sehr gut in Wasser löslich sind, sind ihre Anionen in Form der Na- und K-Salze relativ gut wasserlöslich und als Detergentien wichtige oberflächenaktive Stoffe. Beim Waschvorgang bilden sich allerdings vor allem in hartem Wasser die schwer löslichen Erdalkali-Salze, die ausfallen und auf der Textilfaser haften bleiben („Vergrauung“). Weitere Einzelheiten s. Abschn. 39.2.
30.3 Komplexe Lipide Die Fette als Triester des Glycerols („Triacylglycerole“) sind im vorstehenden Kapitel ausführlich besprochen worden. Sie sind, ebenso wie die Wachse, neutrale Verbindungen („Neutralfette“); ihre langkettigen Kohlenwasserstoff-Reste sind unpolar. Die nachfolgend zu erörternden Phospho- und Glycolipide enthalten sowohl lipophile als auch hydrophile Gruppen. Sie sind amphiphil und bilden in wässrigen Medien geordnete Strukturen (Micellen und Lamellen). Bei den Phospholipiden enthält der hydrophile Teil des Moleküls gleichzeitig eine positive und eine negative Ladung.
30.3.1 Phospholipide Neben den Acylglycerolen sind als zweite wichtige Gruppe der Lipide die Phosphoglyceride oder Glycerolphosphatide zu nennen. Vielfach werden sie auch Phospholipide oder Phosphatide genannt, weil sie Phosphat (Phosphorsäure) als Baustein enthalten, wodurch sie sich von den Glycolipiden unterscheiden. Sie sind charakteristische Komponenten der zellulären Membranen. In einer älteren Einteilung werden phosphathaltige Lipide, die statt Glycerol als Alkoholkomponente Sphingosin enthalten, als eigene Gruppe, die Sphingolipide, geführt. In diesem Fall dient die Bezeichnung Phospholipide als Oberbegriff für zwei Gruppen, nämlich die Sphingolipide und die Glycerolphosphatide. OH HO NH2
Sphingosin
30.3 Komplexe Lipide
463
Phospholipide sind Phosphorsäurediester. Die Phosphorsäure ist zum einen mit dem dreiwertigen Alkohol Glycerol bzw. dem zweiwertigen Aminoalkohol Sphingosin verestert. Dabei liegt die Glycerol Komponente als Diacylglycerol vor. Die langkettigen Kohlenwasserstoff-Reste der darin enthaltenen Fettsäuren bilden den unpolaren Teil des Moleküls. Die Phosphorsäure ist zum anderen mit Alkoholen wie z. B. Cholin und Ethanolamin (ferner Serin, Inosit oder auch Glycerol) verestert. Cholin (s. a. Abschn. 14.1.5) und Ethanolamin enthalten zusätzlich ein basisches Stickstoffatom, das positiv geladen ist und zusammen mit der negativ geladenen Phosphat-Gruppe den polaren Teil des Zwitterions bildet. Wichtige Phosphatide sind Lecithin und Kephalin. Sie liegen als Zwitterionen vor und sind am Aufbau von Zellmembranen, vor allem der Nervenzellen, beteiligt. CH2
O C R
CH2
O
β
β
CH O C R CH2
CH3 +
O
C R
O O
+
CH O P O CH2 CH2 NH3
O O−
α
O −
P O CH2 CH2 N CH3 Cholin
O
α
CH2
CH3
Ethanolamin
O O
C R O
α-Lecithin
β-Kephalin
30.3.2 Glycolipide Als dritte wichtige Gruppe der Lipide neben den Acylglycerolen und den Phospholipiden sind die Glycolipide zu nennen. Dabei handelt es sich um Verbindungen, die einen Lipid- und einen Kohlenhydratanteil enthalten, jedoch kein Phosphat. Glycerolglycolipide enthalten Glycerol als Grundkörper, der am C-l- und C-2-Atom jeweils mit Fettsäure verestert ist und am C-3-Atom in glycosidischer Bindung ein Mono- oder Oligosaccharid enthält (hydrophiler Teil des Moleküls). Von größerer Bedeutung sind die Glycolipide mit Sphingosin als Grundkörper, die Glycosphingolipide. Die Cerebroside sind die einfachsten Vertreter dieser Gruppe. Sie enthalten ein Monosaccharid, im Gehirn meist Galactose, in Leber oder Milz meist Glucose. Der Zucker-Rest kann seinerseits verestert sein (z. B. mit Schwefelsäure in den Sulfatiden) oder weitere glycosidische Bindungen enthalten. Komplexere Glycolipide wie die Ganglioside enthalten bis zu 7 Zuckerreste.
OH
OH OH
HO H HO
O H H
OH
Galactose
H
HN
C O
Cerebrosid
464
30 Lipide
Abb. 30.1 a Kalottenmodell eines Phospholipidmoleküls. Die ungesättigte Fettsäure ist mit einem deutlichen Knick dargestellt. b Eine Micelle aus Phospholipid-Molekülen. c Eine Lipid-Doppelschicht aus Phospholipid-Molekülen
30.3.3 Biochemische Bedeutung komplexer Lipide Da Lipide i. a. zwei lange, hydrophobe Kohlenwasserstoff-Reste enthalten sowie eine polare Kopfgruppe, bilden sie in wässriger Lösung leicht Micellen (Abb. 30.1). Bei den Phosphatiden ist der Phosphatteil in Wasser gelöst, während die Fettsäurereste sich innerhalb der Micelle zusammendrängen. Phospholipide können sich ferner noch unter Ausbildung einer monomolekularen Schicht zusammenlagern, die Lipid-Doppelschicht genannt wird (Abb. 30.1c). Diese Doppelschicht, die in biologischen Membranen nur etwa 10 nm D 106 cm dick ist, bildet eine sehr wirksame Permeabilitätsbarriere: geladene Teilchen können praktisch nicht in das hydrophobe Innere der Membran eindringen. Dadurch kann sich ein gewisses Ladungsgefälle aufbauen. Die meist biologischen Membranen stehen daher unter einer elektrischen Spannung, die bei den Nervenzellen im Ruhezustand ca. 70 mV beträgt. Die biologische Membran ist nach neueren Erkenntnissen keine reine Lipidmembran, sondern enthält in der Membran und an deren Oberfläche verschiedene Proteine. Der Proteingehalt beträgt 20–80 Massenanteile. Lipid-Doppelschichten sind in ständiger Bewegung und lassen sich am besten als „flüssig-kristallin“ charakterisieren.
30.4 Wachse Neben den Fetten und Phospholipiden gibt es eine weitere wichtige Art von Naturstoff-Lipiden, die Wachse. Wir kennen tierische Wachse, pflanzliche Wachse und eine große Anzahl synthetisch zugänglicher Wachsprodukte für technische und medizinisch-pharmazeutische Zwecke. Wachse sind Monoester langkettiger unverzweigter Carbonsäuren mit langkettigen unverzweigten Alkoholen (C16
30.4 Wachse
465
bis C36 ). Der Unterschied zu den Fetten besteht darin, dass an die Stelle der alkoholischen Esterkomponente Glycerol höhere primäre Alkohole treten wie Myricylalkohol (Gemisch von C30 H61 OH und C32 H65 OH) im Bienenwachs, Cetylalkohol (C16 H33 OH) im Walrat und Cerylalkohol (C26 H53 OH) im chinesischen Bienenwachs. Das Carnauba-Wachs besteht hauptsächlich aus Myricylcerotinat C25 H51 COOC30 H61 . O O
ein Wachs
Nucleotide und Nucleinsäuren
31
31.1 Nucleotide Nucleotide wurden erstmals als Bausteine der Nucleinsäuren gefunden. Sie sind in charakteristischer Weise aufgebaut und haben inzwischen einer ganzen Substanzklasse gleichermaßen aufgebauter Verbindungen ihren Namen gegeben. I
Nucleotide enthalten drei typische Bestandteile, nämlich eine organische Base, ein Monosaccharid und Phosphorsäure.
Als organische Basen fungieren meist N-haltige Heterocyclen mit einem aromatischen Ringsystem. Als Zucker findet man in der Regel D-Ribose oder DDesoxyribose. Zur Unterscheidung der Ringziffern in der Base beziffert man die C-Atome dieser Zucker mit 10 bis 50 . Die Moleküleinheit aus Base und Zucker bezeichnet man als Nucleosid. Durch Esterbildung einer OH-Gruppe des Zuckers mit Phosphorsäure entsteht aus dem Nucleosid ein Nucleotid. Nucleotide sind demzufolge Nucleosidphosphate. Einteilung der Nucleotide Je nach der Zahl der Phosphatreste werden Mono-, Di- oder Triphosphate unterschieden, wobei die Phosphatreste miteinander durch energiereiche Phosphorsäureanhydridbindungen (!) verbunden sind. Beispiele: Die Coenzyme AMP, ADP, ATP (s. u.) sowie NAD und NADP (s. Abschn. 27.2). Findet die zweite Veresterung im Nucleotid mit demselben, im Molekül bereits enthaltenen Zucker statt, bilden sich cyclische Nucleotide, wie z. B. 30 ,50 -cyclo-AMP (s. u.).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_31
467
468
31
Nucleotide und Nucleinsäuren NH2
NH2 N
N O−
O
O
O H2C
P P P O− O O− O O− O
Triphosphorsäure
5' N H2C
N
N
Adenosin
O H
H
N
N Adenin
H
D-Ribose
O
H OH OH
4'
P H O
N O
H 3'
O
1'
H
2'H OH
O− cyclo-AMP Adenosin-3',5'-monophosphat
Adenosintriphosphat (ATP)
Wird die Esterbindung mit der OH-Gruppe des Zuckers eines zweiten Nucleotids durchgeführt, erhält man ein Dinucleotid mit einer Phosphorsäurediesterbindung. Bei weiterer Wiederholung des Vorgangs entsteht durch diese Polykondensationsreaktion ein Polyester (Polynucleotid). Beispiele: DNA, RNA (s. u.).
31.1.1 Energiespeicherung mit Phosphorsäureverbindungen Phosphorsäure-ester und -anhydride spielen bei der Übertragung und Speicherung von Energie in der Zelle eine bedeutende Rolle. Bindungen, die zur Energiespeicherung benutzt werden, sind mit gekennzeichnet: O
O
HO P ~ O P OR OH
OH
Pyrophosphat
O
R
OH
O
R
HO P ~ O C
HO P ~ O C O
gemischtes Anhydrid
OH
O R C ~ SR
CH R
Enolphosphat
ΔG = −34.2 kJ/mol
Thioester
Neben Thioestern (s. Coenzym A, Abschn. 27.2) spielen vor allem die Pyrophosphate eine wichtige Rolle. Einen herausragenden Platz nimmt dabei Adenosintriphosphat, ATP, ein (s. o.), da es über zwei energiereiche Pyrophosphat-Bindungen verfügt, die gespalten werden können. Adenin, eine heterocyclische Base mit einem Purin-Gerüst, ist hierbei mit D-Ribose, einem Kohlenhydrat, zu dem Nucleosid Adenosin verknüpft. Dieses kann mit Mono-, Di- oder Triphosphorsäure verestert sein. Dementsprechend erhält man die Nucleotide AMP, ADP oder ATP. Bei der Hydrolyse der aufgeführten Strukturen und anderer ähnlicher Verbindungen wird im Vergleich zu normalen Estern mehr Energie freigesetzt. Sie werden daher oft als energiereich (D reaktionsfähig) bezeichnet. Dies gilt besonders für die Spaltung der Pyrophosphat-Bindung. Tab. 31.1 bringt zum Vergleich einige Werte für die Freie Enthalpie unter Standardbedingungen. 1,3-Diphosphoglycerinsäure besitzt zwar zwei Phosphatgruppen, jedoch wird nur die sehr energiereiche Anhydrid-Bindung bei der Hydrolyse gespalten:
31.1 Nucleotide
469 O
O
O P OH
HO CH CH2
O
OH
O
+ H2O
OH O
HO CH
O P OH
CH2
O
+
HO P OH
O P OH
OH
OH
OH
1,3-Diphosphoglycerinsäure
3-Phosphoglycerinsäure
Die unter physiologischen Bedingungen zur Verfügung stehende Energie hängt von der Konzentration der Reaktionspartner, dem pH-Wert und anderen Einflüssen ab. Sie lässt sich mit der vereinfachten Gleichung G D G 0 C R T ln
c.ADP2 / c.HPO4 2 / P abschätzen für ATP ! ADP C
c.ATP4 /
mit: R D 8;3 J K1 mol1 ; G 0 D 31;8 kJ;
T D 37 ı C D 310 K;
c.HPO4 2 / 102 M;
pH D 7:
Bei gleichen Konzentrationen an ADP und ATP (etwa 103 M) beträgt G D 31:800 C 8;3 310 ln 102 D 43; 65 kJ mol1 : Bei einem Verhältnis von 1 W 1000 (ADP : ATP), wie es z. B. im Muskel vorliegt, steigt G an: G D 31:800 C 8;3 310 ln
102 D 61;42 kJ mol1 : 103
P ! ATP in einer ZelDie Bildung von ATP entsprechend der Reaktion ADP C
le wird meist mit einer anderen biochemischen Reaktion gekoppelt, bei der eine höhere Reaktionsenergie frei wird als diejenige, die zur ATP-Synthese erforderlich ist.
Tab. 31.1 G 0 -Werte der Hydrolyse von Verbindungen der Phosphorsäure Verbindung Glucose-6-phosphat Glucose-1-phosphat Pyrophosphat ATP ATP 1,3-Diphosphoglycerinsäure P HPO4 2 ,
P
P P2 O7 4 ) (
Reaktion P ! P Glc-6-
Glc C
P ! P Glc-1-
Glc C
P
P ! P C
P
P ATP ! ADP C
P
P ATP ! AmP C
P ! 3-Phosphorglycerinsäure C
G 0 (kJ) 13,4 20,9 28 31,8 36 56,9
470
31
Nucleotide und Nucleinsäuren
Beispiel Bei der Verbrennung von 1 mol Glucose werden 2870 kJ frei. Dabei können im Organismus pro Mol Glucose 38 mol ATP gebildet werden. Die Verbrennungsenergie wird zu 3831;8 2870 100 D 42 % als ATP gespeichert und der Rest als Wärme abgegeben.
31.1.2 Nucleotide in Nucleinsäuren In den Nucleinsäuren liegen die Nucleotide als Nucleosidmonophosphate vor. An Zuckern treten auf: D-Ribose in RNA und D-Desoxyribose in DNA. 5' HO H2C 4'
H
H
5' HO H2C
HO
O H
1'
4'
2'H 3' OH OH
H
β-D-Ribose
HO
O H
H
1'
2'H 3' OH H
β-D-Desoxyribose
Die Zucker sind N-glycosidisch mit einer heterocyclischen Base verknüpft, mit Purin bzw. Pyrimidin als heterocyclischem Grundkörper (s. Abschn. 22.3). Die Nucleobase Thymin kommt nur in der DNA vor, die verwandte Base Uracil nur in der RNA. Purin-Basen: O
NH2
N
N N
N
HN
N H
H 2N
N H
N
Adenin
Guanin
(RNA, DNA)
(RNA, DNA)
Pyrimidin-Basen: NH2
O
N O
O
HN
N H Cytosin
(RNA, DNA)
O
CH3
HN N H
Uracil (nur RNA)
O
N H Thymin (nur DNA)
Die Namen der Nucleoside bzw. Nucleotide sind von diesen Basen abgeleitet. Sie enden bei den Purinderivaten auf -osin, bei den Pyrimidinderivaten auf -idin. Die Nucleoside werden meist nur mit ihrem ersten Anfangsbuchstaben abgekürzt
31.2 Nucleinsäuren
471
Tab. 31.2 Nomenklatur der Nucleoside mit Trivialname und Abkürzung Base Trivialname Adenin Guanin Thymin Cytosin Uracil
Ribonucleosid Desoxyribonucleosid Trivialname Trivialname Ade Adenosin A Desoxyadenosin Gua Guanosin G Desoxyguanosin Thy Thymidin Cyt Cytidin C Desoxycytidin Ura Uridin U
dA dG dT dC
Ribonucleotide 50 -Phosphatea AMP, ADP, ATP GMP, GDP, GTP dTMP, dTDP, dTTP CMP, CDP, CTP UMP, UDP, UTP
Die 30 -Phosphate werden zur Unterscheidung von 50 -Phosphaten beziffert: 30 -ADP D Adenosin-30 - diphosphat; 30 -dAMP D Desoxyadenosin-30 -monophosphat
a
G D Guanosin, C D Cytidin etc. Die Desoxyribonucleoside werden durch Vorsetzen von „d“ gekennzeichnet, z. B. dT D Thymidin. Nucleoside: O
NH2 N
N HO H2C
HO H2C
O H
H
N
N
CH3
HN
H
O H
H OH OH
N
O H
H
H OH H
Adenosin (A)
Thymidin (dT)
Nucleotide: NH2 N HO
O N O H2C O P H H O O H H OH H
Desoxy-cytidin-5'-monophosphat (d CMP)
In Tab. 31.2 sind die Bezeichnungen wichtiger Nucleoside zusammengefasst.
31.2 Nucleinsäuren Nucleinsäuren sind Makromoleküle des Polyester-Typs. Die monomeren Bausteine sind Nucleotide, das Polymer folglich ein Polynucleotid. Die einzelnen Nucleoside sind durch Phosphorsäure in Diesterbindung am C-30 - und C-50 -Atom zweier Zuckereinheiten miteinander verbunden (s. Abb. 31.1).
472
31 NH2
Adenin
5' N O H 2C
N O
H H
3'
O O P
O Thymin H H
5' O O H 2C
O
N NH2
O
H H
3'
H
Cytosin N
H
O
H 5' O O H 2C O P
Base
Phosphorsäure Zucker
CH3
HN
H
Phosphorsäure Zucker
N-glykosidische Bindung
N
N
Zucker Base
Nucleotide und Nucleinsäuren
Nukleotid
Base
O Phosphorsäurediester-Bindung
Phosphorsäure
N O
H H
3'
O
H H H
Abb. 31.1 Ausschnitt aus einem DNA-Molekül (Polynucleotid-Kette) mit Aufbauschema. Kurzschreibweise des Ausschnitts: d(pAp Tp Cp) oder pdA-dT-dC-
DNA
Replication
DNA
Oligopeptide
Transcription Reverse Transcription (nur in bes. Fällen)
in einigen Fällen
RNA (mRNA, tRNA,rRNA) Translation (nur mRNA)
Proteine
Abb. 31.2 Der Fluss der biologischen Information und einige wichtige Wechselbeziehungen zwischen Nucleinsäuren und Proteinen. Replication D Reduplication (der DNA), Transcription D Umschreiben der Nucleotidsequenz der DNA in eine entsprechende Sequenz der RNA. Translation D Übersetzung der Sequenz von Nucleotid-Tripletts der mRNA in die entsprechende Aminosäuresequenz eines Proteins oder Polypeptids (nach Dose, Springer-Verlag)
Im Einzelnen unterscheidet man die DNA D Desoxyribonucleinsäuren (Desoxyribonucleic Acid) und die RNA D Ribonucleinsäuren (Ribonucleic Acid). Die Nucleinsäuren sind Bestandteil aller lebenden Zellen, in denen sie als Nucleoproteine vorkommen (s. Tab. 29.1). Die Polynucleotide selbst haben Molmassen von einigen Tausend bis zu mehreren Millionen. Sie steuern die Synthese von Proteinen. Die dazu nötigen Informationen sind in den Nucleinsäuren als Code gespeichert und werden bei Bedarf abgerufen. Sie werden aber auch bei der Vermehrung an die Nachkommen weitergegeben, denn die Nucleinsäuren sind die „Datenträger“ für die Vererbung. Abb. 31.2 fasst wichtige Wechselbeziehungen zwischen den Nucleinsäuren und Proteinen zusammen.
31.2 Nucleinsäuren
473
Abb. 31.3 Helix-Struktur doppelsträngiger DNA (Doppelhelix)
31.2.1 Aufbau der DNA Die DNA ist aufgebaut aus dem Zucker D-Desoxyribose und den Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin. Abb. 31.1 zeigt als Primärstruktur einen Ausschnitt aus einem DNA-Molekül und das entsprechende Aufbauschema. Aufgrund von Röntgenstrukturanalysen wird für die Sekundärstruktur eine Doppelhelix vorgeschlagen (Abb. 31.3), wobei die Verbindung der beiden rechtsgängigen Polynucleotidstränge durch H-Brückenbindungen der Basenpaare AT und CG erfolgt. Die Folge davon ist, dass die an sich aperiodische Basensequenz einer Kette die Sequenz der anderen Kette festlegt. Basenpaare: H R H
N
N
H N
H
O O H
N
N
N
Zucker
O N Zucker
N
N
N Zucker
N N
N
N
H
Zucker
O N
H
H
A–U (für R=CH3 in DNA) A–U (für R=H in RNA)
G–C
Die Basenpaare liegen im Innern des Doppelstranges, die Zucker-PhosphatKetten bilden die äußeren Spiralen. Die Stränge sind antiparallel, d. h. die Phosphorsäurediesterbindungen verlaufen einmal in Richtung 50 ! 30 und bei der zweiten Kette in Richtung 30 ! 50 (Abb. 31.4).
474
31
Nucleotide und Nucleinsäuren
Abb. 31.4 Anordnung komplementärer DNA-Stränge in Gegenrichtung DR D Desoxyribose
31.2.2 Aufbau der RNA Die RNA ist ähnlich aufgebaut wie die DNA. Sie enthält als Zucker die D-Ribose, als Base Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil. Je nach Struktur und Funktion unterscheidet man folgende wichtige Klassen von RNA (s. Tab. 31.3) die Transfer-RNA (tRNA), die an der Synthese der Peptidbindungen beteiligt ist, die ribosomale RNA (rRNA), die als Baustein der Ribosomen vorkommt, die messenger RNA (mRNA, Boten-RNA, Matrizen-RNA), die an der Übersetzung von Nucleotid-Sequenzen des genetischen Materials in Aminosäuresequenzen von Proteinen mitwirkt. Die RNA kommen im Unterschied zur DNA in der Regel einsträngig vor. Im Vergleich zu mRNA und rRNA sind die tRNA kleine Moleküle, mit etwa 75–90 Nucleotiden. Bei einigen tRNA ist die Nucleotidsequenz (D Primärstruktur) aufgeklärt worden. Tab. 31.3 Klassifizierung der RNA (aus Escherichia coli) Bezeichnung
Molmasse
Nucleotidreste
Struktur
tRNA mRNA rRNA
23.000–30.000 25.000–1.000.000 35.000 550.000 1.100.000
75–90 75–3000 100 1500 3100
Kleeblatt Einzelstrang Einzelstrang
Sedimentationskonstante 4S 6 S–25 S 5S 16 S 23 S
31.2 Nucleinsäuren
475
Abb. 31.5 Schematische Darstellung einer tRNA als sog. Kleeblattstruktur (aus der Kenntnis der Primärstruktur abgeleitete Struktur)
Abb. 31.6 Raumstruktur der Phenylalanin-tRNA (aufgrund röntgenographischer Daten ermittelt)
Aufgrund der Primärstruktur hat man Strukturmodelle vorgeschlagen, die vor allem dem Vorkommen komplementärer Sequenzen in verschiedenen Teilbereichen der tRNA Rechnung tragen (D Sekundärstruktur). Die kleeblattförmige Darstellung in Abb. 31.5 lässt die intramolekularen Basenpaarungen gut erkennen. Die komplementären Bereiche erlauben bei geeigneter Faltung der Kette die intramolekulare Ausbildung von Wasserstoffbrücken wie bei der DNA-Doppelhelix und damit den Aufbau einer räumlichen Struktur des „Kleeblatts“ (D Tertiärstruktur). Röntgenstrukturanalysen haben gezeigt, dass die Raumstruktur der tRNA hakenförmig (L-förmig) aufgebaut ist (Abb. 31.6). Vor allem die tRNA enthält eine Vielzahl ungewöhnlicher Nucleotide (DHU D Dihydrouridin; § D Pseudouridin; DiMe-G D Dimethylguanosin; Py D Pyrimidinnucleosid; Pu(Me) D (Methyl)purinnucleosid).
32
Terpene und Carotinoide
Terpene kommen vor allem in Harzen und ätherischen Ölen vor. Sie werden in der Riechstoffindustrie zur Herstellung von Parfümen und zur Parfümierung von Waschmitteln und Kosmetika verwendet. Ätherische Öle sind teilweise wasserlösliche, ölige Produkte, die im Gegensatz zu den fetten Ölen (D flüssige Fette, s. Abschn. 30.2) ohne Fettfleck vollständig verdunsten. Ihre Gewinnung erfolgt durch Wasserdampfdestillation, Extraktion (mit Petrolether) oder Auspressen von Pflanzenteilen. Chemisch handelt es sich meist um Verbindungen, die aus Isopren-Einheiten (C5 H8 ) aufgebaut sind. Allgemeine Summenformel (C5 H8 /n . Aufbauprinzip (Kopf-Schwanz-Verknüpfung): CH3 H2C
C
CH
Isopren (C5H8)
+
CH2 Kopf
Schwanz
Ocimen (C10H16)
Einteilung der Terpene Monoterpene (C10 D 2 C5 -Isopreneinheiten), Sesquiterpene (C15 ), Diterpene (C20 ), Triterpene (C30 ), Tetraterpene (C40 ).
32.1 Biogenese von Terpenen Ausgangsmaterial ist das Acetyl-Coenzym A. Aus drei Acetat-Einheiten bildet sich “-Hydroxy-“-methyl-glutarsäure-CoA. Die CoA-Gruppe wird unter Reduktion der Carboxylgruppe mit NADPH abgespalten, und wir erhalten die Mevalonsäure (3,5-Dihydroxy-3-methylpentansäure). Diese wird mit ATP zum Diphosphat phosphoryliert, danach dehydratisiert und decarboxyliert.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_32
477
478
32 Terpene und Carotinoide
Dadurch entsteht das sog. „aktive Isopren“, das Isopentenyl-diphosphat (D 3-Methyl-3-butenyldiphosphat). Dieses wird zu einem geringen Teil durch eine Isomerase isomerisiert zum 3-Methyl-2-butenyl-diphosphat (Dimethyl-allyldiphosphat). Dimerisierung ergibt als erstes Produkt Geranyl-diphosphat, Ausgangsmaterial für verschiedene Monoterpene (Kopf-Schwanz-Verknüpfung). Reaktionsablauf O
O +
C
H 3C
H 3C
S CoA
S CoA
CoA
C
S
CH3
+
H 3C
C
CH2
S CoA
Acetacetyl-CoA
O
O
C
C
CH2
C
H 3C
Acetyl-CoA O
O
O − CoASH
C
− H 2O S CoA
CoA
S
O
OH
O
C
C
C
CH2
CH2
S CoA
CH3
+ H2O − CoASH
HO
CH2
CH2
OH
O
C
C
CH2
Reduktion NADPH − CoASH
OH
CH3
O
HO P O P O OH
CH2
CH2
OH
P
P
CH2
CH2
OH
O
C
C
CH2
O
C
C
CH2 CH3
O
C
C
CH2
CH2
OH
CH3
CH3 − H 2O − CO2
OH
CH3
OH
S
OH
C
β-Hydroxy-β-methyl-glutarsäure-CoA
Mevalonsäure + 2 ATP − 2 ADP O
CoA
O
P
P
CH2
CH2
C
CH2
Isopentenyldiphosphat CH3 P
OH
P
CH2
CH
C
CH3
Dimethylallyl-diphosphat
Die Dimerisierung beginnt durch elektrophilen Angriff von Isopentenyl-diphosphat an seinem Isomer. CH3
CH3 P
P
CH2
CH2
C
CH2
+
P
P
CH2
CH
C
CH3 − P CH3
P
P
CH2
CH
C
CH2
P CH3
CH2
CH
Geranyldiphosphat
C
CH3
32.2 Beispiele für Terpene
479
Durch Fortführung der Reaktion erhält man Sesquiterpene, Diterpene und schließlich Polyisopren (Kautschuk). Die Dimerisierung kann auch durch Kopf-Kopf-Addition zweier C15 -Einheiten fortgesetzt werden (Bsp. Squalen). Bedenkt man, dass die langkettigen Moleküle meist als gefaltete Kette vorliegen, wird verständlich, dass durch intramolekulare Cyclisierungen bicyclische Terpene entstehen können (s. a. Abschn. 6.5).
32.2 Beispiele für Terpene ( D Chiralitätszentrum, - - - - trennt die Isopreneinheiten) 1. Offenkettige Monoterpene OH CH2OH
*
* CH2OH
CH2OH
Ocimen
Myrcen
Geraniol
Nerol
Linalool
(Basilikum)
(Lorbeer)
(Rosenöl)
(Neroliol)
(Lavendelöl)
Citronellol (Rosenöl: L(-) Citronenöl: D(+))
CHO * CHO
CHO
Geranial
Neral
Citronellal
(Citronenöl)
(Lemongrasöl)
(Citronenöl)
2. Monocyclische Monoterpene
*
Limonen (Fichtennadelöl: (−) Kümmelöl: (+))
*
*
*
* *
O
Menthon (Pfefferminzöl: (−) Geraniumöl: (+))
OH OH
Menthol (Pfefferminzöl: (−))
480
32 Terpene und Carotinoide
3. Bicyclische Monoterpene O O
α-Pinen β-Pinen (Terpentinöl)
Campher (Campherbaum)
4. Sesquiterpene
CH2OH H
Farnesol (Kamillenblüten) acylisch
Bisabolen (Citronenöl)
β-Selinen (Selleriöl)
α-Santalen (Sandelholz)
monocyclisch
bicyclisch
tricyclisch
5. Diterpene
OH HOOC
Phytol (Baustein im Chlorophyll, Vit. E undK1 )
H
Abietinsäure (Colophonium) tricyclisches Diterpen Grundkörper: O
OH
β-Ionon (synthetischer Veilchenduft)
Vitamin A (Retinol) (Lebertran, Eigelb, Milch)
6. Triterpene Squalen (aus Haifischleber) ist ein Zwischenstoff bei der Biosynthese der Steroide (s. Kap. 33): Kopf-Kopf-Verknüpfung
Squalen
32.2 Beispiele für Terpene
481
Zu den Sapogeninen, die oft als Glycoside (Saponine) in Pflanzen auftreten, zählen nicht nur verschiedene pentacyclische Triterpene, sondern auch verschiedene Spirostan-Derivate vom Typ des Diosgenins (Steroidsapogenine). Nicht dazu gehören die Steroidglycoside vom Typ Strophantin oder Digitoxin (s. Abschn. 33.2.5 und 33.2.6). 7. Tetraterpene Die wichtigsten Tetraterpene sind die Carotinoide, die als lipophile Farbstoffe in der Natur weit verbreitet sind und lange Alken-Ketten mit konjugierten CDC-Bindungen enthalten. Sie finden sich in Karotten und Pflanzenblättern, in zahlreichen Früchten und auch in der Butter. Da “-Carotin symmetrisch aufgebaut ist, wird es vom Organismus enzymatisch in zwei Moleküle Vitamin A1 gespalten (Provitamin A1 ). Aus ’- und ”-Carotin entsteht jeweils nur ein Molekül Vitamin A1 (s. Markierung).
Lycopin (in Tomatensaft, Hagenbutten)
β-Ionon-Ring
γ-Carotin
3' 1'
1 3
β-Ionon-Ring
β-Carotin (Farbstoff für Lebensmittel)
β-Ionon-Ring
+
α-Ionon-Ring
*
β-Ionon-Ring
α-Carotin
Xanthophylle sind die Farbstoffe des Herbstlaubes und kommen auch in Eidotter und Mais vor. Dazu gehören Lutein (3,30 -Dihydroxy-’-carotin) und Zeaxanthin (3,30 -Dihydroxy-“-carotin).
33
Steroide
Zu den biologisch wichtigen Steroiden gehören die Sterine (Sterole), die Gallensäuren, Sexualhormone, sowie die Corticoide. Zu den herzaktiven Steroiden gehören die Cardenolide und Bufadienolide. In Nachtschattengewächsen findet man Steroid-Alkaloide, und auch Vitamine (D2 / leiten sich von den Steroiden ab. I
Steroide sind Verbindungen mit dem Grundgerüst des Sterans: 12
H
17
11 1 2
A 3 4
H 10 5
C H 13 14 9
BH
H
8
D
H
H
H 16
10
1
9
15
7
5
H
8
H 13
14
H
H
6
Steran-Grundgerüst (5α-Gonan)
Prinzipiell können alle Ringe miteinander cis- oder trans-verknüpft sein (s. a. Abschn. 3.2.1), man findet jedoch nur bestimmte Konfigurationen. Ring A und B können sowohl cis- als auch trans-verknüpft sein. Der Substituent an C-10 steht dabei definitionsgemäß nach oben (“). Demzufolge gibt es eine 5’- (Subst. nach unten) und eine 5“-Form (nach oben). Ring B und C sind immer trans-verknüpft, Ring C und D in der Regel auch: Ausnahme: die Cardenolide und Bufadienolide.
33.1 Biosynthese der Steroide Die Steroide lassen sich von den Terpenen ableiten, wie man anhand der gewinkelten Schreibweise von Squalen erkennen kann (s. a. Abschn. 6.5). Über eine Reihe von enzymatischen Reaktionen wird daraus schließlich Cholesterol erhalten. Der erste Schritt beginnt mit der Bildung eines Epoxids am Squalen. In Gegenwart von Säure bildet dieses, nach Protonierung am Epoxidsauerstoff, ein gut stabilisiertes Carbeniumion, das mit der benachbarten Doppelbindung reagiert. Unter © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_33
483
484
33 Steroide
Cyclisierung entsteht wiederum ein tert. Carbeniumion, welches erneut von einer benachbarten Doppelbindung angegriffen wird, usw. Anschließend finden noch einige Wagner-Meerwein-Umlagerungen statt, unter Bildung des Lanosterins.
O2
H+ Enzym
Enzym O
Squalen
Squalenoxid
+
H
H
H +
HO
HO
H
H 3C H CH3 _ H+
H 3C H
H
CH3
CH3 CH3
CH3 HO
H H3C CH3
H HO
Lanosterin
H
H H Cholesterol (Cholesterin)
Dieser Mechanismus gilt sowohl für Tiere als auch für die meisten Mikroorganismen. Bei grünen Pflanzen ist das primäre, terpenoide Cyclisierungsprodukt von Squalen-2,3-epoxid jedoch Cycloartenol: H3C CH3
H
H H HO
H H3C CH3
CH3 Cycloartenol (ein Phytosterin)
33.2 Beispiele für Steroide
485
33.2 Beispiele für Steroide 33.2.1 Sterine Sterine tragen eine OH-Gruppe am C-3-Atom und leiten sich vom Cholesterin (Cholesterol) ab. Sie unterscheiden sich in erster Linie in der Substitution der Seitenkette. Cholesterin kommt im tierischen Organismus vor (Zoosterin). Andere Sterine, wie Stigmasterin (Stigmasterole), stammen aus Pflanzen (Phytosterine) und dienen als Ausgangsstoff für die Synthese von Steroidhormonen. Zu den Mycosterinen zählt das Ergosterin (Regosterol) (z. B. in Hefepilzen), das bei Bestrahlung mit UV-Licht zum Vitamin D2 photoisomerisiert und daher auch als Provitamin D2 bezeichnet wird. Es wird der B-Ring zwischen C-9 und C-10 gespalten und dabei zwischen C-10 und C-19 eine Doppelbindung gebildet (zum Mechanismus s. Abschn. 24.4.1).
H
19 9
A HO
10
BH
D
C
H h ν
H Ergosterin
H HO
Vitamin D2
Cholesterin (Cholesterol) ist das am längsten bekannte Steroid. Es bildet den Hauptbestandteil der Gallensteine und wurde aus diesen erstmals gewonnen. Aufgrund der „flachen“ Struktur des Steran-Grundgerüsts können sich Steroide wie Cholesterin sehr gut in Zellmembranen einlagern. Cholesterin ist daher ein sehr wichtiger Zellbestandteil. Als Vorstufe der Sexualhormone kommt ihm weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Störungen des Cholesterin-Stoffwechsels kann, vor allem im Alter, zu Ablagerungen an den Arterienwänden und damit zur Arteriosklerose führen.
33.2.2 Gallensäuren Die Gallensäuren gehören zu den Endprodukten des Cholesterin-Stoffwechsels. Sie kommen in der Galle jedoch nicht in freier Form vor, sondern stets über die Säurefunktion an Aminosäuren (Glycin, Taurin) gebunden (Glycocholsäure und Taurocholsäure). Durch Hydrolyse erhält man die freien Gallensäuren. Es sind Hydroxyderivate der Cholansäure, wobei die Ringe A und B cis-verknüpft sind.
486
33 Steroide OH COOH
COOH
H H H H
H
12
17
H H
3
HO Cholansäure
5
H
H
7
H OH Cholsäure
Die wichtigste Gallensäure ist die Cholsäure (3’,7’,12’-Trihydroxy-5“-cholan-säure), andere Gallensäuren, wie die Desoxycholsäure (3’,12’-Dihydroxy-5“cholansäure) enthalten weniger OH-Gruppen. Gallensäuren sind wichtig bei der Fettverdauung. Die Alkalisalze der Glycocholsäure und der Taurocholsäure sind oberflächenaktiv und dienen wahrscheinlich als Emulgatoren für Nahrungsfette. Möglicherweise aktivieren sie auch die Lipasen (fettspaltende Enzyme).
33.2.3 Steroid-Hormone Hierbei handelt es sich um biochemische Wirkstoffe, die im Organismus gebildet werden und wegen ihrer großen Wirksamkeit bereits in kleinsten Mengen Stoffwechselvorgänge beeinflussen, sowie das Zusammenspiel der Zellen und Organe regulieren. Es werden unterschieden nach Funktion und Zahl der C-Atome: Androgene (männl. Sexual-Hormone); C19 ; Biosynthese aus Cholesterin über Progesteron Östrogene (Follikel-Hormone); C18 ; Biosynthese aus Testosteron; der A-Ring ist aromatisch! Gestagene (Gelbkörper-Hormone); C21 ; Progesteron: Biosynthese aus Cholesterin Corticoide (Nebennierenrinden-Hormone): C21 ; Biosynthese aus Cholesterin über Progesteron. Die ersten drei Verbindungsklassen gehören zur Gruppe der Sexualhormone. Diese fassen alle Wirkstoffe zusammen die in den männlichen und weiblichen Keimdrüsen gebildet werden. Man unterscheidet daher auch zwischen männlichen und weiblichen Sexualhormonen, wobei sich die Bezeichnung männlich und weiblich nicht auf das Vorkommen sondern die Wirkung bezieht.
33.2.3.1 Männliche Sexualhormone (Androgene) Die wichtigsten männlichen Sexualhormone sind das Androsteron und das Testosteron:
33.2 Beispiele für Steroide
487 O 17
H 3
H
5
HO
OH 17
H
H
3 4
H
H
O
H
Androsteron (5α-Androstan-3α-ol-17-on)
Testosteron (17β-Hydroxy-4-androsten-3-on)
Androsteron wurde erstmals aus Männerharn isoliert, Testosteron gewinnt man aus Stierhoden. Vor allem letzteres stimuliert das Wachstum der Geschlechtsdrüsen und die Ausbildung der sekundären Geschlechtsorgane.
33.2.3.2 Weibliche Geschlechtshormone (Östrogene, Gestagene) Die weiblichen Sexualhormone steuern entscheidend den sich wiederholenden Sexualcyclus bei Mensch und Tier, sowie die Schwangerschaft. Diese werden von unterschiedlichen Hormonen dominiert. Man unterscheidet daher zwischen den Follikelhormonen (Östrogene) und den Schwangerschaftshormonen (Gestagene). Die Follikelhormone leiten sich vom Grundkörper Östran ab, die wichtigsten Vertreter sind: OH
O
H
17
H
H H
H
Östron
H
H
HO
HO
OH
H
OH H
HO 17β-Östradiol
Östriol
Im Gegensatz zu den männlichen Hormonen enthalten die weiblichen einen aromatischen A-Ring. Besonders hohe Konzentrationen an Östrogenen findet man während der Zeit des Follikelsprungs (daher der Name Follikelhormone). Die Östrogene werden jedoch nicht nur in den weiblichen Keimdrüsen gebildet, sondern auch in den männlichen. Im männlichen Organismus wirken die Östrogene als Antagonisten der Androgene. Die Östrogene zeigen schwache Anabolika-Wirkung, sie stimulieren die Milchdrüsen-, Blasen- und Harnleitermuskulatur, und verhindern die Entkalkung der Knochen. Die Gelbkörperhormone (Gestagene) werden nach dem Follikelsprung aus dem Corpus luteum (Gelbkörper) gebildet. Das wichtigste Hormon Progesteron bereitet die Uterusschleimhaut für die Aufnahme des befruchteten Eis vor. Wäh-
488
33 Steroide
rend der Schwangerschaft ist seine Konzentration besonders hoch. Hier verhindert es die Reifung neuer Follikel. O
H H
H
O
Progesteron
33.2.3.3 Kontrazeptive Steroide Abgewandelte Östrogene und Gestagene eignen sich auch als Antigestagene zur Empfängnisverhütung. Ein wichtiger Bestandteil der „Pille“ ist z. B. 17’Ethinyl-östradiol. Der Progesteron-Antagonist RU 486 (Mifegyne) ermöglicht einen Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 7. Schwangerschaftswoche. (CH3)2N OH
OH 17
H H
H H
H O
HO
RU 486 (Mifegyne)
17α-Ethinyl-östradiol
33.2.4 Corticoide Eng verwandt mit dem Progesteron sind die Hormone der Nebennierenrinde, die Corticoide (von cortex = Rinde). Sie gehören zu den lebenswichtigen Stoffen im Körper, daher führt die Entfernung der Drüse über kurz oder lang zum Tode. Die wichtigsten Vertreter sind: O
OH OH
HO
H
HO
H H
OH
O
CHO
HO
H H
O
H
H
H H
H
H
O
O Cortisol (Hydrocortison)
OH
O
Corticosteron
Aldosteron
Die Corticoide beeinflussen vor allem den Mineralhaushalt (Mineralcorticosteroide, z. B. Aldosteron) und den Kohlenhydratstoffwechsel (Glucocorticosteroide z. B. Cortisol). Die Regulation erfolgt vor allem durch das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) der Hypophyse. In Stresssituationen wird besonders viel Cortisol ausgeschüttet, weshalb es auch als Stresshormon bezeichnet wird.
33.2 Beispiele für Steroide
489
33.2.5 Herzaktive Steroide Die Gruppe der herzaktiven Steroide umfasst die Cardenolide, die vor allem in den Blättern von Digitalis-Arten (Fingerhut) vorkommen, und die Bufadienolide die als Gifte in Pflanzen und Krötensektreten auftreten. Auffallend an ihnen ist die cis-Verknüpfung der Ringe C und D. Die Cardenolide kommen in der Natur in glycosidischer Form vor. Aus den Digitalisglycosiden (z. B. Digitoxin) lässt sich durch saure Hydrolyse der Zuckerteil abspalten. Man erhält den Steroidgrundkörper, ein so genanntes Aglycon (z. B. Digitoxigenin). Die Bufadienolide sind eng mit den Cardenoliden verwandt, sie treten jedoch nicht in glycosidischer Form auf. Ein bekanntes Krötengifte ist Bufotalin. O
O
O
O
H OH
H HO
H H HO
H
Digitoxigenin
O OH
H
O
Bufotalin
33.2.6 Sapogenine und Steroid-Alkaloide Von den Sterinen leiten sich die Sapogenine und Steroid-Alkaloide ab. Die Ringe C und D sind wie üblich trans-verknüpft. Sie enthalten Seitenketten am C-17-Atom, die oft zu Lacton-, Ether- oder Piperidin-Ringen cyclisiert sind. Viele kommen als Glycoside (Saponine) vor und sind wegen ihrer pharmakologischen Wirkung von Bedeutung. Obwohl einige davon auch in Digitalis-Arten vorkommen, sind sie nicht herzaktiv. Wichtige Vertreter sind: Saponine (aus Digitalis-Arten und Dioscoreaceen): Diosgenin (! zur Partialsynthese von Steroid-Hormonen), Digitonin (! zur Cholesterin-Bestimmung). Die Steroid-Alkaloide findet man als Glycoside vor allem in Nachtschattengewächsen wie der Tomate (z. B. Tomatidin) und der Kartoffel (Solanidin). H 17
H
O
H
O
17
H
HO
H
H Diosgenin
N H
H H
H
HO
H Solanidin
34
Alkaloide
Alkaloide sind eine Gruppe von N-haltigen organischen Verbindungen, die von der Biosynthese her als Produkte des Aminosäure-Stoffwechsels angesehen werden können. Die meisten Alkaloide enthalten Stickstoff-Heterocyclen als Grundkörper und werden anhand dieser Ringsysteme eingeteilt (Abb. 34.1). Besonders verbreitet sind 5- (Pyrrol- und Pyrrolidin-Alkaloide) und 6-gliedrige Ringe (Pyridin- und Piperidin-Alkaloide), wobei häufig auch Kombination aus mehreren Ringen auftreten. Neben dem bicyclischen Tropan-Grundgerüst findet man vor allem auch die kondensierten Ringsysteme der Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide. Zu den Alkaloiden mit heteroaromatischem Grundkörper gehört die wichtige Gruppe der Indol-Alkaloide, die sich von der Aminosäure Tryptophan ableiten, sowie die Chinolin und Isochinolin-Alkaloide. Daneben gibt es noch
H3C N 8
1
N H
N H
N
Pyrrol
Pyrrolidin
Pyridin
N H Piperidin
7 6
3
N
N
Pyrrolizidin
Indolizidin
Chinolizidin
Indol
N
N Chinolin
4
Tropan (8-Methyl-8-aza-bicyclo[3.2.1]octan)
N
N H
2
5
Isochinolin
Abb. 34.1 Stammheterocyclen bedeutender Alkaloide
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_34
491
492
34
Alkaloide
eine Reihe nicht heterocyclischer Alkaloide, sowie eine Gruppe von Cyclopeptiden. Die Familie der Steroid-Alkaloide wurde bereits in Abschn. 33.2.6 besprochen. Bei der Extraktion aus pflanzlichem Material nutzt man die basischen Eigenschaften vieler Alkaloide zur Trennung aus. Alkaloide finden als Arzneimittel Verwendung; einige sind bekannte Rauschmittel und Halluzinogene.
34.1 Pyrrolidin- und Piperidin-Alkaloide Die wichtigsten Pyrrolidin-Alkaloide sind Hygrin und Cuscohygrin, welche beide in den Blättern des Coca-Strauches (Erythroxylum coca) vorkommen. Cuscohydrin findet man ferner in den Wurzeln der Tollkirsche (Atropa belladonna) und Stechapfel (Datura sp.) sowie im Bilsenkraut (Hyoscyamus sp.), also in denselben Pflanzen, in denen auch die Tropan-Alkaloide (s. Abschn. 34.3) vorkommen. Viele dieser Pflanzen werden in der Volksmedizin verschiedener Völker als Narkotika und Sedativa verwendet. O
O CH3
N CH3
N
N
CH3
CH3 Cuscohygrin
Hygrin
Einfache Derivate des Pyrrolidins und Piperidins kommen in den Alkaloiden des Pfeffers (Piper nigrum) vor. Piperin, das Hauptalkaloid ist für dessen scharfen Geschmack verantwortlich. Zu den Piperidin-Alkaloiden gehört auch das hochtoxische Coniin, das Gift des Schierlings (Conium maculatum). In der Antike wurden wässrige Auszüge dieser Pflanze (Schierlingsbecher) von Giftmischern verabreicht. Unter anderem fiel Sokrates diesem Gift zum Opfer. Es bewirkt zuerst eine Erregung der motorischen Nervenendigungen, dann eine Curare-artige Lähmung der quergestreiften Muskulatur. Der Tod erfolgt nach 1–5 h bei vollem Bewusstsein durch Lähmung der Brustkorbmuskulatur. Das ebenfalls recht einfach gebaute Lobelin aus Lobelia inflata regt die Atmung an und wird daher therapeutisch bei Atemstörungen und bei der Tabakentwöhnung angewandt. O
OH O
O N Piperin
N H Coniin
O N CH3 Lobelin
34.3 Tropan-Alkaloide
493
34.2 Pyridin-Alkaloide Die wichtigsten Pyridin-Alkaloide findet man in der Tabakpflanze (Nicotina tabacum). Neben den Hauptalkaloiden Nicotin und Anabasin findet man eine Reihe von Nebenalkaloiden (Nornicotin, 2,3-Bipyridin, etc.) mit ähnlicher Struktur. Nicotin regt das Nervensystem an, verengt die Blutgefäße und steigert infolge dessen den Blutdruck. In Form von Nicotinpflaster wird es zur Raucherentwöhnung eingesetzt. Es ist sehr toxisch (letale Dosis: 1 mg/kg Körpergewicht) und wird wie das strukturisomere Anabasin als Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt. Strukturell verwandt mit Nicotin und Anabasin ist Epibatidin, das Gift des Pfeilgiftfrosches Epipedobates tricolor. Es ist 200–500mal stärker schmerzlindernd als Morphin, bindet jedoch nicht wie dieses an den Opioid-Rezeptor im Zentralnervensystem, sondern wie Nicotin an den Acetylcholin-Rezeptor. NH N
N H
CH3
N
N Nicotin
Cl
Anabasin
N Epibatidin
34.3 Tropan-Alkaloide Tropan-Alkaloide enthalten als Grundgerüst das 8-Methyl-8-azabicyclo[3.2.1]octan (Tropan) und kommen in zahlreichen Nachtschattengewächsen vor (Solonaceae). Tropan setzt sich formal aus einem Pyrrolidin- und einem Piperidinring zusammen. Man unterscheidet zwischen den Alkaloiden der Atropin- und der Cocain-Gruppe. Atropin, das Hauptalkaloid der Tollkirsche (Atropa belladonna), ist der Ester des Tropan-3’-ols und der racemischen Tropasäure. Das im Bilsenkraut (Hyoscamus niger) und Stechapfel (Datura stramonium) vorkommende Hyoscamin ist identisch gebaut, enthält jedoch optisch aktive (S)-Tropasäure. Im Scopolamin ist der Bicyclus zusätzlich epoxidiert. H3C
H3C 8
N
1
α
O O
Atropin, Hyoscyamin
OH
3
α
Tropasäure
O Tropan-3 α-ol
N
OH
3 5
O O Scopolamin
Atropin wirkt Pupillen-erweiternd und wurde früher in der Augenheilkunde eingesetzt. Da die Wirkung zu langsam abklingt, findet es mittlerweile keine Anwendung mehr. Im Mittelalter, als große Pupillen als Schönheitsideal galten, wurden
494
34
Alkaloide
wässrige Auszüge der Tollkirsche vor allem von der Damenwelt für Schönheitszwecke (Belladonna) benutzt. Heute finden solche Zubereitungen vor allem Anwendung zur Behandlung von Spasmen im Gastrointestinaltrakt. Cocain enthält als Grundkörper das Ecgonin (Tropan-3“-ol-2-carbonsäure). Neben Hygrinderivaten (s. o.) kommt Cocain als Hauptalkaloid in den Blättern des in den Anden beheimateten Coca-Strauches (Erythroxylum coca) vor. Extrakte dieser Blätter waren früher in einer berühmten braunen Limonade enthalten. Besonders hart arbeitende Bevölkerungsteile Südamerikas wickeln Kalk oder Pottasche (reagieren alkalisch) in getrocknete Coca-Blätter um durch Kauen dieser “Cocabissen“ ihre Arbeit besser zu ertragen. Dabei wird das Cocain zum Ecgonin verseift, welches zwar ebenfalls anregend und leistungsfördernd wirkt, aber nicht so psychoaktiv und suchterregend wie Cocain. H3C
COOCH3
N
H3C
−
N
COOH
(OH )
CH3OH COOH
+
O
OH O Ecgonin
Cocain
Aufgrund dieser vorübergehenden leistungssteigernden und euphorisierenden Wirkung wird Cocain als illegale Droge angewandt, die geschnupft, geraucht oder intravenös gespritzt wird. Es erregt das Nervensystem, verengt die Blutgefäße und führt demzufolge zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Durch mangelnde Durchblutung des Muskelgewebes kann es zu dessen Abbau führen; Nierenversagen und Schlaganfälle sind weitere Nebenwirkungen dieses stark suchterregenden Rauschmittels. Abbauprodukte lassen sich im Urin und in den Haaren nachweisen, wobei die „Haaranalyse“ auch zum Nachweis von Langzeitanwendungen und zur Abschätzung des Drogenkonsums geeignet ist. Eng verwandt mit den Tropan-Alkaloiden sind die Ringhomologen, die den Bicyclus Granatan enthalten. Das Hauptalkaloid dieser Gruppe, Pseuodopelletierin kommt in der Rinde des Granatapfelbaums (Punica granatum) vor, Zubereitungen dieser Rinde werden als Bandwurmmittel eingesetzt. H3C
H3C
9N
1
N
1
1 8 6 7
5
2 4
9N
CH3 3
3 5
Granatan (9-Methyl-9-aza-bicyclo[3.3.1]nonan)
O Pseudopelletierin
34.4 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide
495
34.4 Pyrrolizidin-, Indolizidin- und Chinolizidin-Alkaloide Pyrrolizidin-Alkaloide findet man in einer Vielzahl von Pflanzenfamilien (Asteraceae, Euphorbiaceae, Leguminoseae, Orchidaceae, etc.), wobei man zwischen den freien Pyrrolizidinen und den Ester-Alkaloiden unterscheiden kann. Zu den freien Pyrrolizidinen gehören Vertreter wie Retronecanol (aus Crotalaria) und die Gruppe der Necine, welche eine CH2 OH-Gruppe enthalten. Zur dieser Klasse gehört das Retronecin. Weitere OH-Gruppen an den Ringsystemen erhöhen die Vielfalt der Necine. Vom Retronecin leiten sich auch die Ester-Alkaloide wie etwa Lycopsamin (aus Heliotropium spathulatum) und Senicionin ab (aus Tussilago farfara). Diejenigen Derivate, die eine Doppelbindung im Ring enthalten, sind hochtoxisch und cancerogen, wobei die Cancerogenität wahrscheinlich auf einer Quervernetzung der DNA-Stränge beruht. HO
HO CH3 O
CH3 HO
H
CH3
HO
H
OH
HO
O
H3C OH H
O
O
O
CH3 H
N
N
N
N
Retronecanol
Retronecin
Lycopsamin
Senecionin
O
Indolizidin-Alkaloide findet man in diversen Pflanzenarten (Elaecarpaceae, Asclepiadaceae) sowie als Metaboliten von Pilzen und Bakterien. Mehrfach hydroxylierte Vertreter wie Swainsonin (aus Rhizoctonia leguminicola) und Castanospermin (aus Castanospermum australe) haben große Ähnlichkeit mit Zuckern, und werden daher häufig auch als Aza- oder Iminozucker bezeichnet. Aufgrund dieser Ähnlichkeit wirken diese Alkaloide als Inhibitoren von Glycosidasen (Zuckerspaltenden Enzymen). Swainsonin inhibiert z. B. Mannosidasen, Castanospermin Glucosidasen. Castanospermin wirkt zudem gegen Krebszellen und HIV-Viren. Zu den Indolizidin-Alkaloiden gehören auch die Pumiliotoxine, die Giftstoffe des Pfeilgiftfrosches Dendrobates pumilio. Neben den Hauptalkaloiden Pumiliotoxin A und B gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Vertreter, die sich vor allem im Substitutionsmuster der Seitenkette unterscheiden. Einige der Derivate enthalten ein vollständig gesättigtes Chinolin-Grundgerüst. Die toxische Wirkung beruht auf einer Veränderung der Membranpermeabilität für NaC und Ca2C -Ionen.
496
34
OH
OH
OH
H
HO
H3C
OH
OH H
R
OH
N
H3C
OH
H
Alkaloide
HO
Swainsonin
N
N
H3C CH3 Pumiliotoxin A R = H Pumiliotoxin B R = OH
Castanospermin
Chinolizidin-Alkaloide sind Inhaltsstoffe vieler Leguminosen. Besonders bekannt sind die in Lupinen (Lupinus luteus) vorkommenden Alkaloide Lupinin, und das wehenfördernde Spartein aus Besenginster (Sarothamnus scoparius). Cytisin, das Hauptalkaloid des Goldregens (Cytisus laburnum), wirkt in geringen Dosen anregend bis halluzinogen, in höheren Dosen atemlähmend. OH H
H H
N
N
H NH
N N
H H Spartein
Lupinin
H O Cytisin
34.5 Indol-Alkaloide Die Gruppe der Indol-Alkaloide ist ungemein groß und umfasst mehr als 1500 Vertreter. Sie enthalten alle einen (teilweise auch gesättigten) Indolring oder Tryptamin als Teilstruktur, und leiten sich vom Tryptophan ab. Zur weiteren Differenzierung unterscheidet man verschiedene Klassen wie die Carbazol-, Carbolin- und Ergolin-Alkaloide, um nur die wichtigsten zu nennen. Viele dieser Alkaloide werden als Medikamente verwendet, einige von ihnen sind hochwirksame Halluzinogene. NH
NH2
N N H Indol
N H Carbazol
N H β-Carbolin
N H Tryptamin
N H Ergolin
34.5 Indol-Alkaloide
497
34.5.1 Substituierte Indole Vom Tryptamin als biogenem Amin (s. a. Abschn. 14.1.5) leiten sich eine ganze Reihe einfachster Indol-Alkaloide ab, wie das Serotonin und Melatonin, welche im Blut von Säugetieren vorkommen. Serotonin (5-Hydroxytryptamin) wirkt gefäßverengend, Melatonin (aus der Zirbeldrüse) wirkt sedierend und wird daher bei Schlafstörungen und gegen “Jet Lag“ angewandt. Ähnliche Strukturen findet man auch in Krötengiften, die zudem stark halluzinogen sind. Weitere interessante Tryptamine, wie die stark halluzinogenen Psilocin und Psilocybin findet man in diversen Pilzen, wie dem mexikanischen Zauberpilz Psilocybe mexicana und dem balinesischen Wunderpilz Copelandia cyanescens („Magic Mushroom“). −O
N(CH3)2 NHR
X
N H Serotonin X = OH R=H Melatonin X = OCH3 R = COCH3
OH
N H Psilocin
H
O
HO P
+ N(CH
3)2
O
N H Psilocybin
34.5.2 Carbazol-Alkaloide Carbazol-Alkaloide mit intakten Benzol-Ringen sind relativ selten. Teilweise hydrierte Strukturen sind jedoch relativ weit verbreitet und finden sich in den polycyclischen Hydrocarbazolen. Zu den Strychnos-Alkaloiden gehören Strychnin und Brucin, die beide in den Samen der Brechnuss (Strychnos nux vomica) vorkommen. Das hochtoxische Strychnin wirkt in geringer Dosis anregend bis euphorisierend. In höheren Dosen verursacht es starrkrampfartige Zustände, so dass ihm keine besondere therapeutische Bedeutung zukommt. Das schwächer wirksame Brucin wird vor allem zur Enantiomerentrennung racemischer Säuren (s. a. Abschn. 25.5.1) verwendet. Die Gruppe der Plumeran-Alkaloide umfasst über 300 Hydrocarbazol-Alkaloide, die zusätzlich noch eine Indolizidin-Teilstruktur aufweisen. Grundkörper dieser Klasse ist das Aspidospermidin (aus Aspidosperma quebrancho-blanco), weshalb Verbindungen dieses Typs teilweise auch als Aspidospermidin-Alkaloide bezeichnet wird.
498
34 R
Alkaloide
N N H
R
H
N
H H
O
O
N H
Strychnin R = H Brucin R = OCH3
H
Aspidospermidin
34.5.3 Carbolin-Alkaloide Als einfache Vertreter dieser Gruppe findet man z. B. Harmin neben einigen verwandten Alkaloiden in den Samen der Steppenraute Peganum harmala. In der Volksmedizin werden diese Samen gegen Würmer und zur Blutreinigung eingesetzt. Harmin selbst wirkt halluzinogen.
N
CH3O N H Harmin
CH3
Wie bei den Carbazol-Alkaloiden so findet man auch in dieser Gruppe eine Vielzahl von teilweise hydrierten Verbindungen. Stammverbindung der YohimbanAlkaloide ist das Yohimbin, das in den Blättern und der Rinde des Yohimbe-Baums (Corynanthe yohimbe) vorkommt. Yohimbin wirkt gefäßerweiternd und somit blutdrucksenkend, und wird ferner gegen Impotenz sowie als Aphrodisiakum in der Veterinärmedizin angewendet. Zur selben Gruppe von Alkaloiden gehören auch die Inhaltsstoffe des Strauches Rauwolfia serpentina (Apocyanceae). Das Hauptalkaloid Reserpin wirkt blutdrucksenkend und beruhigend, aber auch potenzstörend und möglicherweise krebserregend und wird daher therapeutisch nicht benutzt.
N N H
H
N
CH3O N H
H H H3COOC
Yohimbin
O
H
OCH3 H
OH
OCH3
H
H3COOC Reserpin
O OCH3
OCH3
34.5 Indol-Alkaloide
499
34.5.4 Ergolin-Alkaloide Die Ergolin-Alkaloide lassen sich auf den tetracyclischen Grundkörper des Ergolins zurückführen. Häufig werden sie auch als Mutterkorn-Alkaloide bezeichnet, nach ihrem Vorkommen im Mutterkorn, dem auf Getreide schmarotzenden Schlauchpilz Claviceps purpurea. In früheren Zeiten war vor allem Roggen von diesem Pilz befallen. Durch bessere Reinigung des Saatguts und durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln lässt sich dieses Problem jedoch weitestgehend lösen. Das getrocknete Mutterkorn enthält über 30 Alkaloide. Diese lassen sich in zwei Gruppen, die Lysergsäureamide und die Clavine einteilen lassen: R'
NRR' HOOC
NH
N H Ergolin
N
CH3
N H Lysergsäure
O
N
CH3
N H Lysergsäureamide
R
N
CH3
N H Clavine
Zu den Lysergsäureamiden zählt z. B. Ergobasin (Ergometrin), eines der Hauptalkaloide des Mutterkorns. Das relativ bekannte Lysergsäure-N,N-diethylamid (LSD) kommt im Pilz Claviceps paspali vor. Das N;N -unsubstituierte Amid Ergin findet man in Samen mexikanischer Winden. Diese Samen wurden bereits von den Azteken als Zauberdroge bei religiösen Ritualen benutzt. Neben diesen einfachen Amiden gibt es auch Alkaloide, bei denen die Lysergsäure an Peptide geknüpft ist. Einer der Hautvertreter dieser Gruppe ist Ergotamin. Ergotamin und Ergobasin finden wegen ihrer wehenfördernden Wirkung bei der Geburtshilfe Verwendung. Der Name Mutterkorn ist eben auf diesen Effekt zurückzuführen, da getrocknete Mutterkorn-Präparate bereits seit dem 17. Jahrhundert für diesen Zweck eingesetzt wurden. Zu hohe Dosen führen zu Krämpfen und hemmen den Blutkreislauf so stark, dass periphere Gliedmaßen wie Finger und Zehen absterben können. Diese Symptome traten in früheren Zeiten beim Verzehr von mit Mutterkorn verunreinigten Mehlprodukten auf.
500
34
HN
CH3
CH3
O
N
HO
OH
CH3
H3C O
N
N
CH3
HN N
O
N H Ergobasin
CH3
Alkaloide
O N O N
O
N H
CH3
N H
Lysergsäure-N,N-diethylamid
Ergotamin
LSD wirkt bereits in sehr geringen Dosen (0,05–0,1 mg) halluzinogen: Töne sollen als Farben, Berührungen als Geräusche empfunden werden. LSD wurde zeitweilig in der Psychotherapie angewendet, wurde jedoch 1966 wieder aus dem Verkehr genommen. LSD ist kein typisches Suchtgift. Es führt zu extremen Beeinträchtigungen der Bewegungskontrolle, der Wahrnehmung und des Bewusstseins, bis hin zu panischen Angstzuständen (“Horror Trips“) und im Selbstmord endenden psychotischen Zuständen. Zudem soll es Erbschäden verursachen.
34.6 Isochinolin-Alkaloide Extrem artenreich ist die Gruppe der Isochinolin-Alkaloide, von denen über 2500 Vertreter bekannt sind. Sie enthalten die Phenylethylamin-Teilstruktur (s. a. biogene Amine, Abschn. 14.1.5), und leiten sich vom Phenylalanin bzw. Thyrosin ab. Grundkörper fast aller Alkaloide ist das 1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin, wobei die an Position 1 benzylierten Derivate eine eigene Untergruppe bilden. Ebenfalls zur Gruppe der Isochinolin-Alkaloide gehören die Morphinane mit einem tetracyclischen Grundgerüst. 2 3 5
1
4
6
3
7
N
N
1 11
4
10 16
15
12 13
8
1
5
14
6
8
2
9
N N
7
1,2,3,4-Tetrahydroisochinolin
1-Benzyl-1,2,3,4tetrahydroisochinolin
Morphinan
Isochinolin-Alkaloide kommen vor allem in den Pflanzenfamilien der Mohngewächse (Papaveracea), Berberitzen (Berberidaceae) und der Liliengewächse (Li-
34.6 Isochinolin-Alkaloide
501
liceae) vor. Einfache Vertreter wie Lophophorin und Gigantin findet man in verschiedenen Kakteenarten, wie etwa dem Peyotl-Kaktus (neben Mescalin). OH HO
CH3O N
CH3
O O
N
CH3O
CH3
CH3
CH3
Lophophorin
Gigantin
Zu den Benzyl-isochinolinen und -tetrahydroisochinolinen gehört Reticulin (aus Annona reticulata), eine biogenetische Vorstufe der Morphinan-Alkaloide aus dem Schlafmohn (Papaver somniferum), aus dem das Opium gewonnen wird. Ein weiteres Opium-Alkaloid ist das Papaverin, mit einem „intakten“ Isochinolinring: CH3O
CH3O N
HO
N
CH3O
CH3
OCH3
OH
OCH3
OCH3
Reticulin
Papaverin
In den Bisbenzylisochinolin-Alkaloiden sind zwei Benzyl-tetrahydrochinolinEinheiten in der Regel über Etherbrücken miteinander verknüpft. Bei den meisten Vertretern findet man zwei oder mehrere Brücken, so dass macrocyclische Strukturen gebildet werden. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Gruppe ist das Tubocurarin aus der südamerikanischen Liane Chondodendron tomentosus. Tubocurarin ist der Wirkstoff des Pfeilgifts Curare, welches von südamerikanischen Indianerstämmen aus dieser Liane gewonnen wird. Die Giftwirkung beruht auf einer Lähmung der Muskulatur und der Atmung.
+
CH3 CH3 N
O
OCH3
OH 2 Cl −
O CH3O
OH
N+ H3C
CH3
Tubocurarin-chlorid
Das wichtigste Alkaloid der Morphinan-Gruppe ist Morphin, das Hauptalkaloid des Opiums aus dem Schlafmohn Papaver somniferum. Es war das erste
502
34
Alkaloide
aus einer pflanzlichen Droge rein isolierte Alkaloid (1806). Das Opium gewinnt man durch Anritzen der Mohnkapseln, wobei ein weißer Milchsaft (Latex) austritt. Durch Oxidationsprozesse färbt er sich allmählich braun und bildet das Rohopium. RO
OR
O
O N
H3C N
Morphin
R = R' = H
Codein
R = OCH3 ; R' = H
Heroin
R = R' = COCH3
OR'
R'O
Das Rohopium enthält neben Proteinen, Fetten und Zuckern bis zu 20 % Morphin sowie ca. 40 weitere Isochinolin-Alkaloide. Derivate des Morphins sind das Codein und das Heroin, welches nicht natürlich vorkommt, sondern durch Acetylierung aus Morphin hergestellt wird. Morphin ist ein hochwirksamer Schmerzstiller, der vor allem bei Tumorpatienten angewendet wird. Codein findet Verwendung als Hustendämpfer. Das synthetische Heroin wurde während des 1. Weltkriegs ebenfalls als Schmerzmittel bei Verwundeten eingesetzt, sowie zur Stimulierung der Kampfbereitschaft (“Heroisierung“, daher der Name Heroin). Aufgrund des extrem hohen Suchtpotentials findet es jedoch keine medizinische Anwendung mehr. Es wird nur noch als illegale Droge gehandelt
34.7 Chinolin-Alkaloide Von den Chinolin-Alkaloiden sind ca. 200 Vertreter bekannt, wobei aus pharmakologischer Sicht vor allem die China-Alkaloide von Bedeutung sind. Diese findet man in der Rinde desCinchona-Baumes (Cinchona officinalis). Die wichtigsten Alkaloide sind Chinin und das diastereomere Chinidin, welche jeweils eine Methoxygruppe am Chinolinring tragen. Aber auch die unsubstituierten Derivate kommen vor (Cinchonidin, Cinchonin). Chinin findet Anwendung in der Malaria-Therapie. Ferner wird es aufgrund seines bitteren Geschmacks Mineralwässern (“Tonic Water“) und Limonaden (“Bitter Lemon“) zugesetzt.
N
H HO
HO
N
R
H R
N R = OCH3 R=H
Chinin Cinchonidin
N R = OCH3 R=H
Chinidin Cinchonin
34.8 Weitere Alkaloide
34.8
503
Weitere Alkaloide
Neben diesen Hauptvertretern gibt es eine Vielzahl weiterer Gruppen von Alkaloiden, welche hier zusammengefasst werden sollen. Auf die Gruppe der Phenylethylamine mit ihren wichtigen Vertretern wie Ephedrin und Mescalin wurde bereits in Abschn. 14.1.5 hingewiesen. Ebenso auf die Gruppe der Steroid-Alkaloide (Abschn. 33.2.6). Purin-Alkaloide findet man vor allem in “Kaffeebohnen“, den Samen des Strauches Coffea arabica. Hauptalkaloide sind Coffein, Theobromin und Theophyllin. Diese Inhaltsstoffe findet man ferner in “Colanüssen“, den Samen des Baumes Cola acuminata sowie im Mate- (Ilex paraguariensis) und schwarzen Tee (Camellia sinensis). Alle diese Alkaloide wirkend belebend, gefäßerweiternd und regen die Herztätigkeit an. O H3C
6 5 2 3 4
N1
O
O
CH3
N
H
N
7
8
O
CH3
N
N
H3C
N
O
H N
N
9
N
O
CH3 Coffein
N
N
N
CH3
CH3
Theobromin
Theophyllin
Manche Mutterkorn-Alkaloide wie z. B. Ergotamin kann man als Indol- und Peptid-Alkaloide einordnen. macrocyclische Cyclopeptid-Alkaloide findet man vor allem in der Rhamnaceae-Familie, wobei viele dieser Derivateeinen 13- bis 14gliedrigen Ring aufweisen. Typische Vertreter sind Frangulanin (aus Caenothus americanus) und Zizyphin-A (aus Zizyphus oenoplia). Einige dieser Peptide zeigen antibiotische Wirkung. N,N-Dimethylisoleucin
N,N-Dimethylisoleucin
H N
(CH3)2N O
Isoleucin
β-Hydroxyleucin
HN O O
HN
O Leucin
3-Hydroxyprolin
HN
Frangulanin
(CH3)2N
O
N O
O N
Prolin
O NH
O
OCH3 Zizyphin-A
35
Natürliche Farbstoffe
In den vorangegangenen Kapiteln wurden bereits mehrere natürlich vorkommende Farbstoffe erwähnt, so z. B. “-Carotin (Butter) und die Xanthophylle (Gelbfärbung von Laub). Viele Farbstoffe enthalten heterocyclische Grundgerüste. Dazu gehören u. a.: 1. Die Flügelpigmente einiger Insekten mit Pteridin als Heterocyclus (es ist jeweils nur eine tautomere Form angegeben): H2N
1
8
N
N
4
N
2 3N
7
6
Xanthinoxidase
H2N
N N
OH
5
OH
N
OH
N
OH
OH
Xanthopterin (gelb) (Zitronenfalter)
Leukopterin (weß) (Kohlweißling)
2. Porphinfarbstoffe: Zu dieser wichtigen Verbindungsklasse gehören die Farbkomponenten des Blutes (Häm), des Blattgrüns (Chlorophyll) und des Vitamin B12 . Häm und Chlorophyll leiten sich ab vom Porphin (Porphyrin), bei dem 4 Pyrrolringe jeweils über Methinbrücken (CHD) verknüpft sind. Dadurch entsteht ein 16-gliedriges mesomeriestabilisiertes Ringsystem. Die Pyrrolringe tragen weiterhin Methyl- und Ethenylgruppen, sowie Propionsäuregruppierungen: CH CH2 A
B
H3C
CH3
A
N
HN
N
NH
N
N
B
CH CH2
N Fe
D
C
Porphin-Ring (Porphyrin-Ring)
H3C
N
D
C
HOOC CH2 CH2
CH3
CH2 CH2 COOH Häm
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_35
505
506
35 Natürliche Farbstoffe
Häm ist die farbgebende Komponente des Hämoglobins, des Farbstoffs der roten Blutkörperchen (Erythrocyten). Der Hämanteil des Hämoglobins beträgt ca. 4 %, der Rest (96 %) besteht aus dem Protein Globin. Im Zentrum des PorphinRingsystems, dem Protoporphyrin, befindet sich beim Häm ein Fe2C -Ion, das mit den Stickstoffatomen der Pyrrolringe vier Bindungen eingeht, von denen zwei „koordinative“ Bindungen sind. Im Hämoglobin wird eine fünfte Koordinationsstelle am Eisen durch das Histidin des Globins beansprucht. Dadurch wird das Häm koordinativ an das Eiweiß gebunden. Hämoglobin besteht aus vier Untereinheiten, enthält also 4 Häm-Moleküle. Der durch die Lunge eingeatmete Sauerstoff kann reversibel eine sechste Koordinationsstelle besetzen (D Oxyhämoglobin). Auf diese Weise transportiert das Hämoglobin den lebenswichtigen Sauerstoff. Noch besser als Sauerstoff werden jedoch Kohlenmonoxid (Kohlenoxidhämoglobin) und Cyanid gebunden. Bei einer Kohlenmonoxid- oder Blausäure-Vergiftung wird der Sauerstoff daher durch CO bzw. CN verdrängt (bessere Komplexliganden). Dadurch wird die Zellatmung unterbunden und der ganze Stoffwechsel gestört, was letztendlich zum Tode führt. Beim strukturell verwandten Blattfarbstoff Chlorophyll ist eine der beiden Propionsäuregruppen oxidiert und zu einem 5-Ring cyclisiert (Z). Beide Säurefunktionen sind verestert. Der verbleibende Propionsäure-Substituent ist mit dem Diterpenalkohol (s. Kap. 32) Phytol verknüpft. Ring D ist teilweise hydriert. Chlorophyll enthält komplex gebundenes Magnesium als Zentralion.
H3C
Chlorophyll a: R = CH 3 Chlorophyll b: R = CHO
CH CH2
R
A
B
N
C2H5
N Mg
N CH3
CH3
CH3
CH3
H3C
D
O C CH2 CH2
H3C Phytol
O
CH3OOC
N C
CH3
Z O
Eng verwandt mit den Porphinfarbstoffen ist der Antiperniciosa-Faktor, das Vitamin B12 , ein dunkelroter Farbstoff. Es enthält das so genannte Corrin-System, bei dem im Vergleich zum Porphin-Ringsystem eine Methingruppe fehlt. Dadurch ergibt sich ein 15-gliedriger Ring, wobei auch hier einige der Pyrrolringe teilweise gesättigt sind. Das Corrin-System ist hochsubstituiert, vor allem mit Essigsäureund Propionsäuregruppen, welche als Amide vorliegen, wodurch sich eine extrem komplizierte Struktur ergibt. Eine der Propionsäuregruppen ist an ein Nucleotid gebunden, welches Dimethylbenzimidazol als Nucleobase enthält. Dieses koordiniert an das Zentralatom, in diesem Fall Cobalt. Die sechste Koordinationsstelle des Cobalts wird durch ein Cyanidion (R D CN ) besetzt, welches jedoch auch gegen OH oder Cl ausgetauscht werden kann.
35 Natürliche Farbstoffe
507 O O CH3 H3C CH2 C NH2
H2N C CH2 CH2 H2N C CH2 A
B
N
N
NH
N
O H3C
A
H3C D
B
N R
O
CH2 CH2 C NH2
N
Co N
O
N CH3 D C H2N C CH2 CH3 O O CH C CH2 CH2 3 CH3 CH2 CH2 C NH2
C Corrin
HN H2C
O
H3C HC O
P O HO O H H H O HOH2C
N
CH3
N
CH3
Vitamin B12
Auch die als Pigmentfarbstoffe technisch wichtigen Phthalocyanine sind ähnlich wie das Porphinsystem aufgebaut. Die Methinbrücken sind hier jedoch durch Stickstoff (ND) ersetzt, als Zentralion findet man oft Cu2C . 3. Anthocyane enthalten den Heterocyclus Chromen, der folgenden Derivaten zugrunde liegt:
4
O
O
O
O
3
1 2
O 4H-Chromen
Chromon
2
Flavon (2-Phenyl-chromon)
Viele rote und blaue Blütenfarbstoffe sind substituierte Flavyliumsalze, die wie üblich meist als Glycoside (Anthocyanine) vorkommen. Bei der sauren Hydrolyse erhält man die mesomeriestabilisierten Flavyliumsalze (Anthocyanidine). +
−
+
O
C6H5
O
C6H5
+
O
Cl C6H5
Flavyliumchlorid (mesomeriestabilisiert) (2-Phenylchromyliumchlorid)
Die wichtigsten Vertreter sind: Cyanidinchlorid (3,5,7,30,40 -Pentahydroxyflavyliumchlorid), Delphinidinchlorid (3,5,7,30,40 ,50 -Hexahydroxy-flavyliumchlorid), Pelargonidinchlorid (3,5,7,40-Tetrahydroxy-flavyliumchlorid).
508
35 Natürliche Farbstoffe
Die Farbe der Anthocyane hängt ab vom pH-Wert und verschiedenen Metallionen, mit denen Chelat-Komplexe gebildet werden. Eng verwandt mit den Anthocyanidinen sind die Flavonole (3-Hydroxy-flavone), meist gelbe Farbstoffe, die frei oder glycosidisch gebunden in Blüten und Rinden vorkommen. Dazu gehört z. B. Morin (5,7,20,40 -Tetrahydroxy-flavonol), ein empfindliches Nachweisreagenz für Al3C , oder Quercitin (5,7,30,40 -Tetrahydroxyflavonol) in Stiefmütterchen, Löwenmaul, Rosen etc. OH
OH
OH 6
+
HO
O
5
7
O
HO
−
Cl
3
4
6'
1 8
OH
O
2
1'
5' 4'
2'
OH
HO
OH Cyanidinchlorid (rote Rose, Kornblume, Mohn, Kirsche)
3'
OH
Morin (Gelbholz)
4. Chemisch verwandt mit diesen beiden Farbstoffgruppen sind die Catechine, natürliche Gerbstoffe, die ebenfalls meist glycosidisch gebunden sind, z. B. Catechin und Vitamin E (Tocopherol). OH OH HO
O OH
(+)-Catechin (aus Uncaria gambir)
OH
CH3 HO CH3 H3C
CH3
O CH3
CH3
CH3 CH3
α-Tocopherol
Teil VII Angewandte Chemie
Organische Grundstoffchemie
36
Der Rohstoffbedarf der industriellen organischen Chemie wird weitgehend durch Kohle, Erdgas und Erdöl gedeckt, wobei diese Stoffe auch gleichzeitig die wichtigsten Energieträger sind. Heute basieren etwa 95 % der petrochemischen Primärprodukte auf Erdöl/Erdgas und nur 5 % auf Kohle als Chemierohstoff (mit Ruß und Graphit 13 %).
36.1 Erdöl 36.1.1 Vorkommen und Gewinnung Erdöl, entstanden durch Zersetzung organischer Stoffe maritimen Ursprungs, kommt in der Regel in sekundären Lagerstätten vor und ist dort von porösem Gestein aufgenommen worden. Die ölhaltige Schicht ist nach oben durch undurchlässige Gesteinsschichten und nach unten meist durch Salzwasser begrenzt, das mit dem Erdöl durch das Gestein gewandert ist. Über dem Erdöl befindet sich häufig noch eine Blase aus Erdgas. Die Lagerstätte wird durch eine Bohrung erschlossen. Das Rohöl wird zutage gepumpt oder steigt selbständig nach oben. Die Ausbeutung der Ölfelder beträgt kaum mehr als 50 %. Das geförderte Öl wird entgast, von Salzwasser befreit und in der Raffinerie weiterverarbeitet. Die Aufarbeitung des Erdöls wird durch die unterschiedliche Zusammensetzung des Rohöls aus den einzelnen Lagerstätten bestimmt. Paraffinisches Rohöl enthält zu mehr als 50% Alkane, naphthenisches Rohöl überwiegend Cycloaliphaten und Aromaten. Wichtigstes Trennverfahren ist die Destillation. Abb. 36.1 zeigt eine Fraktionierkolonne für die Erdöldestillation.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_36
511
512
36 Organische Grundstoffchemie
Abb. 36.1 Fraktionierkolonne für Erdöl (Glockenbodenkolonne) (nach Chemie-Kompendium, Kaiserlei Verlagsgesellschaft, Offenbach)
36.1.2 Erdölprodukte Abb. 36.2 zeigt den Stofffluss in einer modernen Raffinerie, die im Verbund mit der chemischen Industrie arbeitet. Der größte Teil der Raffinerieproduktion wird jedoch für Heizzwecke verwendet oder dient als Treibstoff. Wichtigstes Produkt für die chemische Industrie ist Naphtha (Rohbenzin) als Ausgangsmaterial zur Gewinnung von Olefinen und Aromaten. Danach folgen Heizöl und Gase zur Herstellung der Synthesegase. Zwischen der natürlichen Zusammensetzung des Erdöls (z. B. Benzin 12 %) und dem tatsächlichen Bedarf (z. B. Benzin 45 %) besteht eine Diskrepanz, die durch direkte Destillation des Erdöls nicht ausgeglichen werden kann. Man hat deshalb verschiedene Verfahren erarbeitet, mit denen die hoch siedenden Erdölprodukte in die benötigten niedermolekularen Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden können.
36.1.3 Verfahren der Erdölveredelung Cracken Unter Cracken versteht man das Spalten von langkettigen Kohlenwasserstoffen (unter Trennung von CC- und CH-Bindungen) in kurzkettige gesättigte und ungesättigte Bruchstücke. Je nach der gewünschten Produktverteilung verwendet man verschiedene Verfahren. Generell gilt: Durch Energiezufuhr verändert sich die Lage der Stelle, an der die C-Kette bricht. Bei niederen Temperaturen (400–600 ı C) erfolgt der Bruch in der Mitte, und die Moleküle gehen Folgereaktionen ein wie Isomerisierung, Ringschlüsse und Dehydrierungen. Mit steigender Temperatur wird das Molekül mehr-
36.1
Erdöl
513
Abb. 36.2 Fließschema einer Raffinerie
fach gespalten, meist unsymmetrisch, wobei das größere Bruchstück Doppelbindungen enthält. Bei Temperaturen von 600–1000 ı C erhält man als Hauptprodukt Ethen, Propen und Buten, oberhalb 1000 ı C Ethen und Ethin (Hochtemperaturpyrolyse). Neben dem radikalisch ablaufenden thermischen Cracken (T D 550 ı C, p D 185 bar) wird heute überwiegend das katalytische Cracken angewandt (T D 500 ı C, p D 2 bar, Katalysator Al2 O3 /SiO2 /. Hierbei entstehen weniger gasförmige Produkte und mehr Aromaten, Olefine und verzweigte Alkane. Wegen der Rußbildung, die die Katalysatoren inaktiviert, arbeitet man oft mit Fließbett- oder Wirbelschichtverfahren. Bei der Hydrocrackung wird Wasserstoff zugesetzt, um höhere Anteile an Alkanen zu erhalten. Umgekehrt werden bei der Dehydrierung Olefine und Wasserstoff gebildet. Das Reforming-Verfahren ist eine spezielle Form des Crackens, bei der die Wärmeeinwirkung nur sehr kurzzeitig ist (10–20 s, 500 ı C, 15–70 bar, Kat. beim Platforming: Pt/Al2 O3 /. Hauptreaktionen: Isomerisierungen (n-Butan ! i-Butan), Aromatisierungen (Hexan ! Cyclohexan ! Benzol), Cyclisierungen (n-Heptan ! Methylcyclohexan ! Toluol). Aufbaureaktionen dienen dazu, niedermolekulare Bruchstücke umzuwandeln. Dazu gehören Polymerisationen: Propen ! Tetrapropen, und Alkylierungen: Isobuten + Isobutan ! Isooctan.
514
36 Organische Grundstoffchemie
Synthesegas-Erzeugung durch Erdölspaltung Synthesegas (für die Methanol-Synthese, Oxo-Synthese u. a.) wird nach zwei Verfahren gewonnen, die eine Kopplung der folgenden endothermen bzw. exothermen Vergasungsreaktionen darstellen:
1. Beim autothermen Spaltprozess ohne Katalysator wird Erdöl mit O2 und H2 O im Reaktor umgesetzt. Die bei der partiellen Verbrennung des Öls entstandene Wärme wird zur thermischen Spaltung verwendet. 2. Dampfspaltung: In Gegenwart von Wasser erfolgt eine katalytische Spaltung ohne Rußbildung, Katalysator: Ni-K2 O/Al2 O3 . Energiezufuhr ist erforderlich. Gewinnung von Aromaten Die wichtigsten Produkte sind Benzol, Toluol und die Xylole (BTX). Erhalten werden sie aus dem Pyrolysebenzin der Naphtha-Dampfspaltung (steam-cracking Verfahren zur Ethylenherstellung), dem Reformatbenzin aus der Rohbenzin-Verarbeitung und dem Kokereigas der Steinkohle-Verkokung (Tab. 36.1). Anthracen und Naphthalin werden aus Steinkohlenteer, letzteres in den USA auch aus Destillationsrückständen sowie Crack-Benzin isoliert. Tab. 36.1 Verfahren zur Aromaten-Gewinnung (Benzol, Toluol, Xylol) Trennproblem BTX-Abtrennung aus Pyrolysebenzin und Kokereigas BTX-Abtrennung aus Pyrolysebenzin
BTX-Abtrennung aus Reformatbenzin
Isolierung von p-Xylol aus m,p-Gemischen Schmp. p-Xylol: C13 ı C m-Xylol: 48 ı C
Verfahren Azeotrop-Dest. (für Aromatengehalt > 90 %)
Durchführung Hilfsstoffe Nichtaromaten werden Amine, Ketone, Alkoazeotrop abdestilliert: hole, Wasser Aromaten bleiben im Sumpf Extraktiv-Dest. (AroNichtaromaten werden Dimethyl-formamid, matengehalt: 65–90 %) abdestilliert; SumpfN-Methyl-pyrrolidon, produkt (Aromaten + N-Formyl-morpholin, Lösemittel) wird destil- Tetrahydro-thiophenlativ getrennt dioxid (Sulfolan) Flüssig-Flüssig-Extrak- Gegenstromextraktion Sulfolan, Dimetion (Aromatengehalt: mit zwei nicht thylsulfoxid/H2 O, 20–65 %) mischbaren Phasen, Ethylenglykol/H2 O, NTrennung v. Aromaten Methylpyrrolidon/H2 O u. Selektiv-Lösemitteln durch Destillation Kristallisation durch o-Xylol wird vorab abdestilliert, das GeAusfrieren misch wird getrocknet und mehrstufig kristallisiert Adsorption an Festkör- p-Xylol wird in der Flüssigphase z. B. per an Molekularsiebe adsorbiert und danach durch Lösemittel wieder desorbiert
36.3 Kohle
515
36.2 Erdgas Erdgas besteht überwiegend aus Methan. Es enthält außerdem Ethan, Propan und Butan (nasses Erdgas) sowie H2 , N2 , CO2 , H2 S und He. Erdgaslager werden durch Bohrung erschlossen. Das Rohgas wird durch Trocknung, Reinigung, Entfernung von H2 S etc. aufbereitet. Erdgas dient zur Energieerzeugung, zur Herstellung von Synthesegas (CH4 C 1=2 O2 ! CO C 2 H2 ) und als Ausgangsprodukt für C2 H2 , HCN und Ruß.
36.3
Kohle
36.3.1 Vorkommen und Gewinnung Kohle ist überwiegend aus pflanzlichem Material entstanden. Die beiden wichtigsten Arten sind Steinkohle und Braunkohle mit einem Kohlenstoffgehalt von 80–96 % bzw. 55–75 % (Inkohlungsgrad). Das Rohprodukt wird zerkleinert und sortiert. Der größte Teil der Kohle wird verfeuert (zu Heizzwecken oder zur Stromerzeugung).
36.3.2 Kohleveredelung Kohle kann als Rohstoffbasis zur Gewinnung von Benzol, Naphthalin, Anthracen, Acetylen (Ethin) und Kohlenmonoxid dienen. Von Bedeutung sind aber auch die technischen Kohlenstoffarten wie Ruß, Graphit sowie Koks. Koks dient u. a. als Reduktionsmittel zur Eisenerzeugung.
36.3.2.1 Umwandlung in Acetylen über Calciumcarbid
Calciumcarbid wird elektrochemisch hergestellt (für 1 kg C2 H2 werden etwa 10 kWh benötigt).
36.3.2.2 Kohlehydrierung Durch katalytische Hydrierung von Stein- und Braunkohle lassen sich fast alle Produkte erhalten, die heute auf der Basis Erdöl/Erdgas hergestellt werden. 36.3.2.3 Vergasen von Kohle Bei der vollständigen Umwandlung der Kohle in gasförmige Verbindungen handelt es sich um die Reduktion von H2 O mit C. Lediglich die mineralischen Bestandteile bleiben als Asche zurück. Im Allgemeinen wird Kohle vergast, indem abwechselnd Luft und Wasserdampf über den glühenden Koks geleitet werden. Man erhält Generatorgas (N2 C CO) und Wassergas (CO C H2 ).
516
36 Organische Grundstoffchemie
Verwendung der Synthesegase 1. Methanol-Synthese: CO C 2 H2 ! CH3 OH. 2. Oxo-Synthese (Hydroformylierung, s. Abschn. 36.5). 3. Fischer-Tropsch-Synthese für Kohlenwasserstoffe: n CO C .2n C 1/H2 ! Cn H2nC2 C n H2 O: 4. Ammoniak-Synthese: N2 C 3 H2 • 2 NH3 (s. Basiswissen I).
36.3.2.4 Entgasen oder Verkoken Zur Koksgewinnung wird Kohle unter Luftabschluss erhitzt. Braunkohle wird meist bei 500–600 ı C verschwelt, Steinkohle bei 1000–1200 ı C verkokt. Man erhält: Koks, Rohgas, Verkokungswasser und Teer. Das Rohgas (54 % H2 , 27 % CH4 , CO, CO2 , N2 u. a.) wurde früher gereinigt als Stadtgas verwendet und dient heute meist zum Beheizen der Koksöfen. Das Kokereiwasser enthält Ammoniak und Phenole, die ausgewaschen und weiterverarbeitet werden. Der Steinkohlenteer ist ein Gemisch aus zahlreichen Kohlenwasserstoffen, wobei die Aromaten und Heteroaromaten überwiegen. Er wird wie das Rohöl destillativ aufgetrennt.
36.4 Acetylen-Chemie Acetylen (Ethin) war früher eine bedeutende Ausgangsverbindung. In den letzten Jahren ist sie weitgehend durch Produkte auf der Basis von Alkenen ersetzt worden. Sofern jedoch Steinkohle und Elektrizität preiswert zur Verfügung stehen, dürfte Acetylen als petrochemischer Grundstoff weiterhin interessant sein. Die wichtigsten Herstellungsverfahren sind: 1. thermische Spaltung von Kohlenwasserstoffen 2. aus Kohle und Kalk über Calciumcarbid. Verwendung von Acetylen Es sind nur Beispiele für heute noch durchgeführte Konkurrenzverfahren zu den Alkenen angegeben: Herstellung von 1,4-Butandiol, ein Zwischenprodukt z. B. für Tetrahydrofuran (durch Dehydratisierung) und ”-Butyrolacton (! N-Methylpyrrolidon):
Acrylnitril:
36.5 Oxo-Synthese (Hydroformylierung)
517
Acrylsäure: Acrylsäureester: Vinylether:
36.5 Oxo-Synthese (Hydroformylierung) Aliphatische Aldehyde werden großtechnisch durch katalytische Addition von H2 und CO an Alkene hergestellt. Dabei können sich jedoch Gemische von regioisomeren Produkten bilden.
Die Aldehyde haben als Endprodukte keine sonderliche Bedeutung, sie sind jedoch wichtige Zwischenprodukte (Abb. 36.3) für: 1. 2. 3. 4.
Alkohole (Reduktion mit H2 , s. a. Abschn. 12.1.2.1), Carbonsäuren (Oxidation mit Luft, s. a. Abschn. 18.2), Aldolprodukte (mit basischen Katalysatoren, s. a. Abschn. 17.3.2), primäre Amine (reduktive Aminierung, z. B. mit H2 /NH3 , s. a. Abschn. 14.1.2).
Abb. 36.3 Verwendung und Weiterverarbeitung von Oxoprodukten
518
36 Organische Grundstoffchemie
Bedeutende Produkte sind n-Butanol und 2-Ethyl-cyclohexanol. Letzteres dient als Alkohol-Komponente für Phthalsäureester („Dioctylphthalat“, ein Weichmacher für Kunststoffe): Katalysatoren (Kat.) für die Oxosynthese Technisch wichtige Katalysatoren sind Cobalt- und vor allem Rhodiumverbindungen, die als aktive Carbonyl-Komplexe vorliegen, z. B.
Der erste Schritt ist die Bildung eines -Komplexes I, der sich unter CO-Aufnahme zu einem Alkylcobalttetracarbonyl-¢-Komplex II umlagert. Aus diesem entsteht ein Acyl-cobalttricarbonyl-Komplex III, der hydrierend gespalten wird.
36.6 Wichtige organische Chemikalien Die Zeitschrift „Chemical & Engineering News“ publiziert jährlich eine Liste der mengenmäßig 50 wichtigsten Chemikalien. Davon sind etwa 25 % organische Produkte, die alphabetisch in Tab. 36.2 zusammengestellt sind. Diese Tabelle enthält auch alle Schlüsselchemikalien, die, in großen Mengen produziert, als Bausteine für die meisten anderen Industrieprodukte dienen. Ihre Endprodukte sind prozentmäßig angegeben. Nicht enthalten sind die Schlüssel-Polymere. Diese sind bei den
Fasern: Polyester, Nylon, Perlon, Polyacrylfaser; Elastomeren: Styrol-Butadien-Polymerisate, Polybutadien; Harzen: Phenol-Harz, Polyester-Harz, Harnstoff-Harz; Thermoplasten: Polyethylen, Polyvinylchlorid, Polystyrol, Polypropylen.
Inzwischen ist als weitere Verbindung in Tab. 36.1 aufzunehmen: MTBE, Methyltert.-butylether. Dieser darf in den USA in bis zu 7 Vol% dem Benzin zugemischt werden und kann neben Benzol als Antiklopfmittel im Benzin eingesetzt werden. Herstellung:
36.6 Wichtige organische Chemikalien Tab. 36.2 Wichtige organische Chemikalien (xx bedeutet jeweils das gewünschte Produkt)
519
520
36 Organische Grundstoffchemie
Tab. 36.2 (Fortsetzung)
Eine Übersicht über die Verwendung der beiden wichtigen Vorprodukte Ethen und Propen geben die Tab. 36.3 und 36.4.
36.6 Wichtige organische Chemikalien
521
Tab. 36.3 Verwendung von Ethen, CH2 DCH2
n
n
Tab. 36.4 Verwendung von Propen, CH2 DCH2 CH3
n
n
522 36 Organische Grundstoffchemie
Kunststoffe
37
Kunststoffe sind voll- oder halbsynthetisch hergestellte Makromoleküle. In den organischen Kunststoffen sind die C-Atome untereinander und mit anderen Atomen wie H, O, N und Cl verknüpft. Besteht das Rückgrat der Kette aus gleichen Atomen, spricht man von einer Isokette (z. B. CCCCC), sind auch andere Atome vorhanden, von einer Heterokette (z. B. COCOC).
37.1 Herstellung Bei der Synthese der Makromoleküle geht man von niedermolekularen Verbindungen aus. Die Monomeren werden in Polyreaktionen zu Makromolekülen, den Polymeren, verknüpft. Diese sind somit aus vielen Grundbausteinen (MonomerEinheiten) aufgebaut. Die kleinste sich ständig wiederholende Einheit nennt man Strukturelement. Makromoleküle aus dem gleichen Grundbaustein heißen Homopolymere (Unipolymere), solche aus verschiedenen Arten von Grundbausteinen Copolymere. Beispiel: Polyethylen ist ein Homopolymer mit einer Isokette. Monomer: CH2 DCH2 , Grundbaustein: CH2 CH2 , Strukturelement: CH2 , Polymer: (CH2 )n .
37.1.1 Reaktionstypen Polyreaktionen können bei Berücksichtigung der Kinetik in zwei Reaktionstypen eingeteilt werden: 1. Kettenreaktionen und 2. schrittweise verlaufende Reaktionen. 1. Bei Kettenreaktionen werden Monomere an eine wachsende, aktivierte KetD j te Mn angelagert: D j j MnC1 MD n CM! Zu diesen Kettenwachstumsreaktionen gehören die Polymerisationen. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_37
523
524
37
Kunststoffe
2. Beim zweiten Reaktionstyp erfolgt der Aufbau des Polymeren stufenweise: Erst bildet sich ein Dimeres, dann ein Trimeres usw. Hier führt also jeder Schritt zu einem stabilen Produkt, was nicht ausschließt, dass gebildete kurzkettige Polymere ebenfalls schrittweise miteinander reagieren. Zu diesen Stufenwachstumsreaktionen gehören Polyadditionen und -kondensationen. Bei den nachfolgend angegebenen Reaktionen beachte man, dass die meisten Polymere noch reaktive Endgruppen enthalten, die hier nicht angegeben sind. Die Produktformeln enthalten also nur die Strukturelemente.
37.1.2 Polymerisation Durch Verknüpfen von gleich- oder verschiedenartigen Monomeren entstehen polymere Verbindungen ohne Austritt irgendwelcher Moleküle. Die Auslösung von Polymerisationen kann radikalisch, elektrophil, nucleophil oder durch Polyinsertion erfolgen: 1. Radikalische Polymerisation C C
R +
C C
C C
...
R C C C C
R C C
2. Elektrophile (Kationische) Polymerisation C C
E+ +
C C
C C
...
E C C C C+
E C C+
3. Nucleophile (Anionische) Polymerisation C C
Nu − +
C C
C C
...
Nu C C C C −
Nu C C −
M (Polyinsertion) 4. Polymerisation mit Ziegler-Natta-Katalysator
C C
C C
R
M +
C C
R C C
M
R C C C C
M
...
37.1 Herstellung
525
Radikalische Polymerisation Dieser Reaktionstyp ist der häufigste. Die Reaktion wird durch Initiatoren (h , Wärme, Starter) eingeleitet (s. a. Kap. 4 und Abschn. 6.4). Dabei bilden sich Starterradikale, welche die Polymerisation in Gang setzen: hν Δ
Init2
2 Init
Init + CH2 CH
Init CH2
R Init CH2
CH
R
+ n CH2 CH
R
Start
CH
Init CH2
R
CH CH2 CH CH2
CH
R
R
R
n-1
Kettenwachstum
Anwendungsbeispiele halogenierte Vinyl-Verbindungen, Vinylester, Ethen, Acrylnitril, Styrol (techn.) n CH2 CH
CH2
Cl Vinylchlorid
CH CH2 CH CH2
CH
Cl
Cl
Cl n-2
Polyvinylchlorid (PVC)
Elektrophile (kationische) Polymerisation Als Initiatoren dienen Lewis-Säuren in Gegenwart von Wasser oder Alkoholen. Der Kettenabbruch kann durch Abspaltung von HC oder Kombination mit einem Gegenion erfolgen. BF3 + H2O
−
CH2 CH
H+(BF3OH)
H CH2
R H CH2
CH + + n CH2 CH R
R
CH +
Ionenbildung
R H CH2
CH CH2 CH CH2
CH +
R
R
R
n-1
Kettenwachstum
Anwendungsbeispiele Isobutenx, Alkyl-vinyl-ether. Nucleophile (anionische) Polymerisation Als Initiator fungieren Alkoholate, Alkalimetalle, Grignard-Verbindungen usw. Metallische Starter können auch Radikal-Anionen bilden, z. B. aus Styrol die zu Di-Anionen dimerisieren können. Einige Anionen überdauern bei tiefer Temperatur längere Zeit („lebende Polymere“). Ihre Verwendung erlaubt eine gute Steuerung der Molekülmassen-Verteilung und eine Copolymer-Struktur des Produkts. Der Kettenabbruch kann z. B. durch die Aufnahme von HC erfolgen.
526
37
Kunststoffe
Anwendungsbeispiele Butadien, Acrylnitril-Derivate. −
Na+NH2 + CH2 CH H2N CH2
H C − Na+
H2N CH2
Ionenbildung
R
R + n CH2 CH
H2N CH2
R
R
H C − Na+
CH CH2 CH CH2
H C − Na+
R
R
R
n-1
Kettenwachstum
Polyinsertion (Koordinative Polymerisation) Die Bildung von Polymeren in einer stereospezifischen Reaktion wird durch die Verwendung sog. Koordinationskatalysatoren ermöglicht. Dabei handelt es sich um metallorganische Mischkatalysatoren (Ziegler-Natta-Katalysatoren). Diese bestehen aus einer Übergangsmetallverbindung der IV. bis VIII. Nebengruppe, kombiniert mit einer metallorganischen Verbindung der I. bis III. Hauptgruppe. Bekanntestes Beispiel ist TiCl4 /Al(C2 H5 /3 . Das Titantetrachlorid reagiert zunächst mit dem Trialkylaluminium (AlR3 ) unter Ausbildung einer AlkylTi-¢-Bindung. Dann wird z. B. ein Ethen-Molekül koordinativ gebunden und in die TiR-Bindung eingeschoben (Insertion). Die entstehende freie Koordinationsstelle kann erneut besetzt werden usw. Der Kettenabbruch geschieht thermisch oder mit H2 : R
R
Ti + H2C CH2
Ti
CH2 CH2
R CH2 Ti CH2 CH2 R
Ti CH2
H2C CH2 Ti H + H2C CH R
Δ Ti CH2 CH2 R
+ H2
...
Kettenabbruch Ti H + H3C CH2 R
Anwendungsbeispiele Polyethylen, Polypropylen, Polyisopren und Polybutadien.
37.1.3 Polykondensation Polymere Verbindungen bilden sich auch durch Vereinigung von niedermolekularen Stoffen unter Austritt von Spaltstücken (oft Wasser).
37.1 Herstellung
527
Beispiele n H2N (CH2)6 NH2 + n HOOC (CH2)4 COOH Hexamethylendiamin
− 2n H2O
Adipinsäure NH CO (CH2)4 CO NH (CH2)6 NH CO n
Polyamid-6,6 (Nylon)
O n
O C
H3CO
C
+ n HO CH2 CH2 OH OCH3
− 2n CH3OH
Ethylenglykol
Terephthalsäuredimethylester
O
O C
O
C O CH2 CH2 O
n
Polyester (Diolen)
Einige Polykondensationen können reversibel sein, z. B. die Polyamid- oder Polyester-Bildung, da Kondensationsprodukte (z. B. Wasser) die gebildete Kette wieder abbauen können. Eine irreversible Polykondensation ist z. B. die Herstellung von Phenol-Formaldehyd-Harzen (s. a. Tab. 37.2).
37.1.4 Polyaddition Höhermolekulare Stoffe entstehen auch durch die Verknüpfung verschiedenartiger niedermolekularer Stoffe durch Additionsreaktionen. Beispiel n HO R OH Diol
+ nO C
N R' N C O Di-Isocyanat
O R O C NH R' NH C O O O Polyurethan (Moltopren)
n
Bei den Polyaddukten sind vor allem die reaktiven Endgruppen (z. B. die IsocyanatGruppen) von Bedeutung, die Folgereaktionen zugänglich sind.
37.1.5 Metathese-Reaktion Hierbei handelt es sich um einen bimolekularen Prozess, der sich als „Bindungstausch“ zwischen chemisch ähnlichen, miteinander reagierenden Molekülen be-
528
37
Kunststoffe
schreiben lässt. Die Bindungsverhältnisse in den Reaktanden und Produkten sind identisch oder einander sehr ähnlich. Prinzip: RCH CHR + R'CH CHR'
Katalysator
RCH R'CH
+
CHR CHR'
Geht man von kleinen, ringförmigen Molekülen wie Cycloocten aus, so erhält man durch Reaktion an einem Wolfram-Katalysator große ungesättigte Makrocyclen, die sog. Polyalken-amere. Bei Zusatz von offenkettigen Alkenen entstehen offene Polyalken-Ketten, die Ausgangsprodukte für Elastomere sind.
Cycloocten
Cyclohexadecadien
Cyclotetracosatrien
37.2 Polymer-Technologie 37.2.1 Durchführung von Polymerisationen Das größte Problem bei Polymerisationen ist die Abführung der auftretenden Polymerisationswärme (bis 120 kJ mol1 ), um so unerwünschte Abbau- und Vernetzungsreaktionen zu verhindern. Einige ausgewählte Verfahren: Gasphasen-Polymerisation Gasförmige Monomere wie Ethen und Propen werden unter Druck als Gase polymerisiert. Emulsions-Polymerisation Das wasserunlösliche Monomer (z. B. Styrol) wird mittels Emulgatoren in Wasser emulgiert und durch wasserlösliche Initiatoren polymerisiert. Das entstandene feste Polymerisat wird aus seiner wässrigen Dispersion („Latex“) z. B. durch Ausfällen oder Trocknen gewonnen. Fällungs-Polymerisation Hierbei verwendet man Lösemittel, in denen das Monomere, nicht aber das Polymerisat löslich ist. Dieses fällt daher in fester Form aus.
37.3 Charakterisierung von Makromolekülen
529
Suspensions-Polymerisation Monomer und Initiator sind beide wasserunlöslich und werden unter Zusatz von Suspensionsmitteln in Wasser suspendiert. Bei der Polymerisation werden Polymer-Perlen erhalten (¿103 –10 mm), die durch Filtrieren oder Zentrifugieren abgetrennt werden.
37.2.2
Verarbeitung von Kunststoffen
Es können die aus der Metallverarbeitung bekannten Verfahren verwendet werden. Für thermoplastische Polymere eignet sich auch die Verarbeitung durch Warmverformen wie: Hohlkörperblasen Das erhaltene Hohlprofil (z. B. ein dünnes Rohr) wird kontinuierlich aufgeblasen (z. B. zu Flaschen oder Kanistern). Extrudieren: Das Ausgangsmaterial kommt vorwiegend als Granulat in den Handel, das durch Extrudieren und anschließendes Abschlagen der abgekühlten Drähte hergestellt wird. Das erneut aufgeschmolzene Material wird kontinuierlich durch eine Düse gedrückt. Man erhält z. B. endlose Rohre oder Folienbahnen. Fasern werden z. T. in ähnlicher Weise hergestellt. Spritzgießen Das aufgeschmolzene Material wird durch eine Düse in die Spritzform gespritzt. Das geformte Stück wird nach dem Erstarren ausgestoßen; die Maschine arbeitet taktweise.
37.3 Charakterisierung von Makromolekülen In der Polymerchemie werden die hochmolekularen Stoffe durch andere Eigenschaften charakterisiert, als sie bei niedermolekularen Verbindungen üblich sind. Dazu gehören: Bestimmung der mittleren Molekülmasse, der MolekülmassenVerteilung und des mittleren Polymerisationsgrades. Der Grund hierfür ist, dass man bei Polyreaktionen meist keine molekular-einheitlichen Substanzen erhält, so dass nur statistische Aussagen möglich sind. Meist unterscheiden sich diese Makromoleküle nur durch den Polymerisationsgrad, d. h. sie bilden eine polymerhomologe Reihe. Experimentell kann allerdings nur ein durchschnittlicher Polymerisationsgrad Xn bestimmt werden, der wie folgt definiert ist: M n ME Xn D Mu Xn Mn ME Mu
D mittlerer Polymerisationsgrad D mittlere relative Molmasse des Makromoleküls D Molmasse der Endgruppen D Molmasse des monomeren Grundbausteins
530
37
Kunststoffe
Bei Kenntnis des Polymerisationsgrades und der Molekülstruktur lässt sich z. B. die mittlere relative Molmasse berechnen. Beispiel Ein Nylon-6,6 habe n D Xn D 200. Die Molekülstruktur ist: H 2 N–(CH 2 ) 6 –NH(OC–(CH 2 ) 4 –CO–NH–(CH 2 ) 6 –NH) n–1 –OC–(CH 2 ) 4 –COOH.
Es sind zwei Endgruppen (H und OH) mit der Molmasse 1 und 17 vorhanden. Die mittlere relative Molmasse ist: M n D Mn X n C ME D 226 200 C 1 C 17 D 45:218 Da synthetische Polymere in der Regel molekular uneinheitlich sind, ergeben die Molmassenbestimmungen an Hochpolymeren nur einen Durchschnittswert. d. h. eine mittlere, relative Molmasse M . M D
m1 C m2 C : : : n 1 M1 C n 2 M2 C : : : D n1 C n2 C : : : n1 C n2 C : : :
m1 ; m2 ; : : : D Masse der Polymere M1 ; M2 ; : : : D Molmassen der Polymere n1 ; n2 ; : : : D Molzahlen Häufig benutzt wird die viskosimetrische Methode, welche den Viskositätsdurchschnitt M v der Molmasse ergibt. Den Gewichtsdurchschnitt M W erhält man durch Bestimmung des Sedimentationsgleichgewichts mit der Ultrazentrifuge. Den Zahlendurchschnitt M n liefern alle Bestimmungsmethoden, die auf die Zahl der Moleküle ansprechen, d. h. die Endgruppenverfahren sowie die kolligativen Methoden (Osmose, Ebullioskopie, Kryoskopie, Dampfdruck). Kolligative Eigenschaften sind solche, die in einer ideal verdünnten Lösung nur von der Zahl der gelösten Teilchen, d. h. ihrer Konzentration, abhängen, während ihre chemische Natur keine Rolle spielt. (vgl. Basiswissen I) Zusammenstellung der vorgenannten Größen (mi D Masse der Polymeren mit der Molmasse Mi und der Molzahl ni ). P P n i Mi mi Mn D P DP I ni mi =Mi
P MW D
m i Mi I Mv D mi
P
ci Mi ’ P ci
1=’
’ D Exponent der Viskositäts-Molmassegleichung Bei polymolekularen Stoffen ist M W > M n . Als molekulare Uneinheitlichkeit U ist definiert: MW 1 U D Mn
37.4 Strukturen von Makromolekülen
531
Abb. 37.1 Typische Molekülmassenverteilungskurve eines Makromoleküls (mp D Massenprozente)
Die genaue Form der Verteilungsfunktion der Molmasse wird oft durch Ermittlung der Sedimentationsgeschwindigkeit in der Ultrazentrifuge bestimmt. Die Sedimentationsgeschwindigkeit hängt von der Größe bzw. Masse der Teilchen ab. Je größer die Fliehkraft, d. h. je höher die Umdrehungszahl der Zentrifuge, desto schneller ist die Sedimentation. Verschieden schwere Teilchen setzen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ab, d. h. innerhalb unterschiedlicher, genau messbarer Zeiten. Das Konzentrationsgefälle kann z. B. mit optischen Methoden verfolgt und ausgewertet werden. Abb. 37.1 zeigt eine typische Verteilungskurve.
37.4 Strukturen von Makromolekülen Die physikalischen/mechanischen Eigenschaften werden vor allem durch den räumlichen Bau der Makromoleküle bestimmt.
37.4.1 Polymere aus gleichen Monomeren 1. Lineare Polymere: kettenförmig verbundene Grundbausteine: R
R
R
CH2 CH CH2 CH CH2 CH
2. Verzweigte Polymere: Zwei oder mehrere Ketten sind unregelmäßig vereinigt: R
R
R
CH2 CH CH2 CH CH2 C CH2 CH CH2 R
532
37
Kunststoffe
3. Vernetzte Polymere: Verschiedene Ketten sind über mehrere Verknüpfungsstellen miteinander verbunden: R CH2 CH CH2 CH CH2 CH R
R=
R
CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 R
Neben der Verknüpfung spielt die Orientierung bei der Verbindungsbildung unsymmetrischer Moleküle eine wichtige Rolle. Beispiel Vinyl-Verbindungen R
R
R
1
2
2
1
CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH CH2 CH 2
1
2
2
1
1
R R 1,2-Addition (Kopf-Schwanz-Polymerisation) RCH CH2 R
R 1
R
2
2
1
CH2 CH CH CH2 CH2 CH CH CH2 CH2 CH 2
2
1
1
2
1
R
R 1,1- bzw. 2,2-Addition (Kopf-Kopf- bzw. Schwanz-Schwanz-Polymerisation)
37.4.2 Polymere mit verschiedenen Monomeren Auch bei Copolymeren mit mehreren Arten von Grundbausteinen sind verschiedene Molekülstrukturen möglich. A und B seien zwei Grundbausteine: 1. (lineare) Block-Copolymere: AAABBBAAABBB, in alternierender Folge: ABABABABABAB in unregelmäßiger, statistischer Folge: AABBBABABBAAB 2. (verzweigte) Pfropf-Copolymere: Der Aufbau ist ebenfalls in verschiedenen Folgen möglich. Beispiel: A
A
A
A
A
A
A
A
A
B
B
B
B
B
B
B
B
B
A
37.4 Strukturen von Makromolekülen
533
Abb. 37.2 Planare Darstellung der Möglichkeiten der sterischen Anordnung entlang den Ketten von polymeren Stereoisomeren
37.4.3 Polymere mit Chiralitätszentren Diastereomere Makromoleküle mit Chiralitätszentren können sich außer in der Konfiguration jedes Chiralitätszentrums auch durch deren Reihenfolge in der Polymerkette (Taktizität) unterscheiden. In monotaktischen Polymeren wie in Abb. 37.2 liegen it-Ketten vor, wenn alle Chiralitätszentren die gleiche Konfiguration haben, st-Ketten, wenn R- und S-Konfiguration abwechseln, und at-Ketten, falls die Verteilung statistisch ist. I
it- und st-Polymere können kristallisieren, während at-Polymere amorph sind.
Lineare Polymere wie 1,4-Polybutadien, die in der Kette noch C=C-Bindungen enthalten, können auch als geometrische Isomere auftreten. Neben der statistisch verteilten Anordnung unterscheidet man cis-taktisch (ct), wenn alle Doppelbindungen Z-Konfiguration haben, und trans-taktisch (tt), wenn sie EKonfiguration aufweisen (vgl. die Polyisoprene Kautschuk (cis) und Guttapercha (trans)).
534
37
Kunststoffe
37.5 Reaktionen an Polymeren Polymere können wie andere chemische Verbindungen Folgereaktionen eingehen. Die drei wichtigsten Reaktionstypen sollen kurz dargestellt werden:
37.5.1
Abbaureaktionen
Durch Abbaureaktionen wird der Polymerisationsgrad verringert, ohne dass die Grundbausteine verändert werden. Bei der Depolymerisation werden Monomere abgespalten bis hin zur vollständigen Umkehrung der Polymerisation. Bei der Kettenspaltung bilden sich kleinere oder größere Bruchstücke an beliebigen Stellen der Kette.
37.5.2
Aufbaureaktionen
Die Bildung von Block- oder Pfropfpolymeren (s. Abschn. 37.4.2) ist eine Aufbaureaktion, da hierdurch der Polymerisationsgrad erhöht wird. Durch Vernetzungsreaktionen bei der Vulkanisation oder der Herstellung der Formaldehydharze werden lineare oder verzweigte Polymere in vernetzte Polymere umgewandelt.
37.5.3 Polymeranaloge Reaktionen Reaktionen unter Erhalt der Polymerkette, aber Veränderung von Konstitution oder Konfiguration der Grundbausteine, werden als polymeranaloge Reaktionen bezeichnet. Beispiel Polyvinylalkohol kann nicht durch Polyreaktion von Vinylalkohol erhalten werden, da dieser nur in Form des Acetaldehyd-Tautomeren existiert. Daher wird zunächst Vinylacetat polymerisiert und dann das Polymere zu Polyvinylalkohol hydrolysiert. OCOCH3 OCOCH3 CH2 CH CH2 CH
+ KOH
OH
OH
CH2 CH CH2 CH
Weitere Beispiele sind die Verwendung funktioneller Polymerer bei Festphasensynthesen, z. B. für Peptide (Merrifield-Synthese, s. Abschn. 29.2.2). Ionenaustauscher Durch polymeranaloge Reaktionen werden auch zahlreiche Ionenaustauscher hergestellt, so z. B. durch elektrophile Substitutionen an Polystyrol-Divinylbenzol-Copolymerisaten folgende Austauschharze:
37.6 Gebrauchseigenschaften von Polymeren
535
a) R D SO3 HC als Kationenaustauscher durch Sulfonierung mit H2 SO4 /SO3 b) R D CH2 Cl als Anionenaustauscher-Vorprodukt durch Chlormethylierung mit ClCH2 OCH3 /SnCl4 c) R D CH2 NC R3 OH als Anionenaustauscher (Endprodukt) aus b). Ionenaustauscher sind Polyelektrolyte, die in der analytischen Chemie vielfach Verwendung finden (vgl. Basiswissen III). Polyelektrolyte sind Säuren, Basen oder Salze, von denen eine Ionenart polymer ist, so z. B. die Nucleinsäuren, Proteine, Polyacrylsäure. Polyelektrolyte haben in der Regel starke Wechselwirkungen mit Wasser durch Säure- oder Basengruppen, ohne sich jedoch wie niedermolekulare Stoffe darin zu lösen. Sie unterscheiden sich dabei von anderen Elektrolyten dadurch, dass die interionischen Kräfte nicht unbegrenzt herabzusetzen sind, weil bei Betrachtung des Polymeren als Ganzes entweder eine positive oder eine negative Ladung relativ hoch konzentriert vorliegt.
37.6 Gebrauchseigenschaften von Polymeren Im Gegensatz zu den niedermolekularen Verbindungen liegen nur wenige Polymere als echte Kristalle vor. Auch bei tiefen Temperaturen lagern sich die ungeordnet miteinander verschlungenen Makromoleküle nur in begrenzten Bereichen wie in einem Kristall zusammen. Außerhalb dieser kristallinen Bereiche (Kristallite, Micellen) sind die Molekülketten glasartig erstarrt (amorph). Die Eigenschaften der Kunststoffe in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt Abb. 37.3. 1. Thermoplaste (z. B. Polyethylen, Polypropylen, PVC, Styrol-Polymerisate) sind oberhalb der Erweichungstemperatur verformbar und behalten die neue
Abb. 37.3 Temperaturabhängigkeit der Eigenschaften nieder- und makromolekularer Stoffe (aus: B. Schrader, 1979)
536
37
Kunststoffe
Abb. 37.4 Teilkristalliner Thermoplast aus einem dichten Molekülfilz verknäulter und parallel liegender Molekülketten
Form auch nach dem Abkühlen bei. Die Eigenschaften der Thermoplaste im Gebrauchsbereich zwischen Glastemperatur und Erweichungsbereich hängen sehr stark vom Kristallisationsgrad ab (Abb. 37.4). Der Anteil an Kristalliten kann durch Zusatz von Weichmachern verändert werden: Schwerflüchtige Lösemittel wie Phthalsäureester setzen beim PVC die Glastemperatur von C80 ı C auf 50 ı C herab (Hart-PVC ! Weich-PVC). Ähnlich wirkt eine mechanische oder thermische Behandlung wie das Abschrecken der Schmelze oder das Strecken von Fasern. 2. Elastomere (z. B. Kautschuk, weichgemachte Kunststoffe) sind reversibel verformbar („elastisch“) mit Dehnbarkeiten von über 1000 %. Im Kautschuk, der durch Schwefel-Brücken vernetzt ist, liegt ein weitmaschiges Netz aus Molekülketten vor, das entsprechend der Maschenweite des Netzwerkes gedehnt werden kann (Abb. 37.5). 3. Duroplaste (z. B. Phenol-Formaldehyd-Harze) sind Stoffe mit engmaschig vernetzten Makromolekülen (Abb. 37.6). Die Formgebung muss vor der Vernetzung erfolgen, da die dreidimensional vernetzten Stoffe im Gebrauchsbereich starr bleiben. Die Sprödigkeit kann durch Zusatz von Füllstoffen (Holzmehl, Fasern) etwas vermindert werden (! „Resopal“, „Bakelit“, s. a. Tab. 37.2).
Abb. 37.5 Lage der Kautschuk-Moleküle in ungedehntem (a) und gedehntem Zustand (b) des Gummis Abb. 37.6 Ausschnitt aus dem amorphen Raumnetz eines ausgehärteten Duroplasten. Es bildet sich eine riesige Anzahl enger, miteinander verbundener und verknäulter Netzmaschen
37.7
Beispiele zu den einzelnen Kunststoffarten
537
37.7 Beispiele zu den einzelnen Kunststoffarten 37.7.1
Bekannte Polymerisate
Polymerisate erhält man durch Polyaddition aus ungesättigten Monomeren. Tab. 37.1 gibt einen Überblick.
Tab. 37.1 Bekannte Polymerisate Polymer/Monomer Polyacrylnitril (PAN) CH2 DCHCN Polybutadien CH2 DCHCHDCH2 Polyethylen (PE) CH2 DCH2
Polymethyl-methacrylat (PMMA)
CH2
Handelsname (W.Z.) Polymerisationsverfahren Orlon radikalisch Dralon Buna S mit Styrol Ziegler-Natta-KataBuna N mit Acryllysatoren nitril (Luran) ! cis-1,4-verknüpft Lupolen Hochdruck-PE: Hostalen radikalisch Niederdruck-PE: Ziegler-Natta-Katalysatoren Plexiglas radikalisch Lucit
Verwendung Fasern Synthesekautschuk; Neopren ist Polychlorbutadien Folien, Filme, Rohre, Geräte, Maschinenteile
organisches Glas
C CH3 COOCH3
Polypropylen (PP) CH3 CHDCH2
Hostalen (PP) Luparen
Polystyrol (PS) C6 H5 CHDCH2 Polytetrafluorethylen (PTFE) CF2 DCF2
Styropor Hostyren Teflon Hostaflon
Polyvinylacetat (PVAC)
Mowicoll
radikalisch
Hostalit Vinoflex
radikalisch
CH2
Ziegler-Natta-Katalysatoren ! isotaktisch meist radikalisch ! ataktisch radikalisch
CH O C CH3 O
Polyvinylchlorid (PVC) CH2 DCHCl
Fasern, Filme, Copolymerisate mit Ethen ! Elastomere Isoliermaterial, Lacke, Gebrauchsmittel chemisch sehr beständig, Rohre, Apparaturen, Lager, Beschichtungsmaterial wässrige (!) Anstrichdispersion, Klebstoff („Uhu“) Hart-PVC: Rohre, Platten, Weich-PVC: Folien, Kunstleder, Isoliermaterial
538
37
37.7.2
Kunststoffe
Bekannte Polykondensate
Polyester Polyester aus Terephthalsäure und Ethylenglykol werden zu Kunstfasern verarbeitet (Trevira, Vestan, Diolen, Dacron; Formelschema Abschn. 37.1.3). Aus Dicarbonsäuren (Phthalsäure, Maleinsäure) und Dialkoholen entstehen Gießharze, die u. a. mit Glasfasern verstärkt werden können. Eine andere Art von Polyestern wird aus Maleinsäure und verschiedenen Diolen hergestellt. Diese Polyester sind zweidimensionale Kettenmoleküle. Sie kommen im Gemisch mit Styrol (ca. 30 % Styrol) in den Handel. Durch peroxidische und neuerdings auch photosensible Starter vernetzt das Styrol mit der Doppelbindung der Maleinsäure zu einem dreidimensionalen, unschmelzbaren Kunststoff. Die Verarbeitung erfolgt meistens mit Glasfasern zu Apparaten, Bootsrümpfen, Wellplatten u. v. m. Aus Bisphenolen und Phosgen werden Polycarbonate hergestellt („Makrolon“): n HO R OH
+
n Cl
C
Cl
− 2n HCl
O R O C O R O C O
O
O
n−1
O
Polyamide Aus 1,6-Diaminohexan und Adipinsäure entsteht Nylon (Polyamid-6,6; das Strukturelement enthält 2 6 C-Atome; Formelschema s. Abschn. 37.1.3). Dabei wird aus den beiden Ausgangsstoffen zunächst das Salz hergestellt (AHSalz, von Adipinsäure/Hexamethylendiamin) und dieses dann der Polykondensation unterworfen. Aus ©-Caprolactam erhält man Perlon (Ringöffnungs-Polymerisation):
O NH ε-Caprolactam
+ H2O
H2N
(CH2)5 COOH
ε-Caprolactam
C O
ε-Amino-capronsäure 6-Amino-hexansäure
HN
(CH2)5 C
HN O n
Perlon (Polyamid-6)
Polysiloxane (Silicone) Silicone werden durch Hydrolyse von Alkyl- oder Arylchlorsilanen und anschließende Kondensation der Silanole unter H2 O-Abspaltung hergestellt. Sie sind hydrophob und werden als Imprägniermittel, Schmiermittel oder Schaumdämpfer verwendet oder je nach Konsistenz (Silicon-öl, -gummi, -harz) entsprechend ihren Eigenschaften eingesetzt. Sie zeigen hohe Temperaturbeständigkeit, temperaturkonstante Viskosität, sind wasserabweisend, klebstoffabweisend, farb- und geruchlos. R
R
O Si O Si R
n
R
37.7
Beispiele zu den einzelnen Kunststoffarten
539
Tab. 37.2 Formaldehydharze Polymer/Monomer Phenol + Formaldehyd C6 H5 OH + HCHO statt Phenol auch Kresole oder Resorcin Harnstoff + Formaldehyd statt Harnstoff auch Melamin oder Anilin HOC6 H4 NH2 + HCHO HOC6 H4 SO3 H oder HOC6 H4 COOH + HCHO
Handelsname (Warenzeichen) Resinol Bakelit
Carbalit Kaurit Resopal
Polymerisations-verfah- Verwendung ren in saurer Lösung: Novo- Pressmassen für Eleklacke tro- und Möbelindustrie in alkalischer Lösung: Resole Pressmassen, nassfeste Papiere, Textilausrüstung (no-iron)
Anionen-austauscher Kationenaustauscher
Formaldehydharze Aus Formaldehyd hergestellte Polymere sind häufig stark quervernetzt und werden zur Herstellung von Duroplasten verwendet. Tab. 37.2 gibt einen Überblick.
37.7.3 Bekannte Polyaddukte Vor allem zwei Produktgruppen sind von Bedeutung: Polyurethane und Epoxidharze. Polyurethane (PUR) entstehen aus Diisocyanaten und mehrwertigen Alkoholen: n HO (CH2)4 OH +
n O C
N (CH2)6 N C O O C NH (CH2)6 NH C O (CH2)4 O O
O
C n
O
Polyurethan
Der Aufbau aus zwei Komponenten erlaubt vielfältige Abwandlungen und Einsatzgebiete. Die Produkte können wegen der noch vorhandenen funktionellen Gruppen zusätzlich weiter vernetzt werden. Bei Anwesenheit von Wasser entstehen Polyurethan-Schaumstoffe („Moltopren“), denn ein Teil der Isocyanat-Gruppen wird in die instabilen Carbaminsäuren überführt, die CO2 abspalten. Das Schäumen wird zusätzlich durch Einblasen von Treibgasen unterstützt. Epoxidharze entstehen aus Epichlorhydrin (2-Chlor-methyloxiran) und Bisphenolen (z. B. Bisphenol A). Die Oxiran-Endgruppen können weiter zusätzlich vernetzt werden (Härtung). Epoxidharze dienen u. a. als Klebstoffe und Lackrohstoffe.
540
37
Kunststoffe
CH3 HO
C
OH
+
CH3 Bis-2,2-(4-hydroxyphenyl)-propan (Bisphenol A)
2 H2C CH CH2Cl O Epichlorhydrin
CH3 ClH2C CH CH2 O
C
OH
O CH2 CH CH2Cl
CH3
NaOH
OH
Zwischenprodukt (wird nicht isoliert)
CH3 H2C CH CH2 O O
37.7.4
C CH3
O CH2 CH CH2 O CH2 CH CH2 O OH n
Halbsynthetische Kunststoffe
Diese werden aus natürlichen Polymeren als Rohstoff hergestellt. Von großer Bedeutung ist die Cellulose für Textilien und Papier. Sie wird größtenteils aus Holzzellstoff (aus mit Natronlauge behandeltem Holz) gewonnen. Lediglich die Baumwollfaser, die aus nahezu reiner Cellulose besteht, kann nach Vorreinigung direkt verarbeitet werden. Anwendungsbeispiele: Cellophan, Zellwolle, Kupferkunstseide und Viskoseseide (Reyon), Celluloseacetat (für ältere Photofilme), Celluloseether (Tapetenkleister, Verdickungsmittel). Kautschuk (Formel s. Abschn. 5.3) wird durch Ausfällen mit Essig- oder Ameisensäure direkt aus Latex (natürliche Kautschuk-Emulsion von Hevea brasiliensis) erhalten. Danach wird mit Schwefel oder S2 Cl2 vulkanisiert: Unter Addition an die CDC-Doppelbindungen bilden sich Schwefel-Brücken zwischen den Makromolekülen aus, und man erhält Gummi. Zur Qualitätsverbesserung werden Füllstoffe wie Ruß, Silicate und Kieselsäure zugesetzt, aber auch Antioxidantien, Verstärkerharze usw. Linoleum besteht aus Leinöl, das mit Luft zu Linoxyn oxidiert wird, woraus sich beim Erhitzen mit Kolophonium oder Kopal-Harzen eine gel-artige Masse bildet. Diese wird mit Holzmehl und Farbpigmenten vermischt und auf Jute aufgewalzt. Nach dem Aushärten bei 60 ı C wird die Oberfläche mit einer Wachs- oder Lackschicht veredelt.
Farbstoffe
38
Farbgebende Stoffe natürlicher oder synthetischer Herkunft nennt man Farbmittel. Die in Löse- oder Bindemitteln unlöslichen Farbmittel heißen Pigmente. Lösliche organische Farbmittel bezeichnet man als Farbstoffe.
38.1 Theorie der Farbe und Konstitution der Farbmittel Die Farbwirkung der Farbstoffe kommt dadurch zustande, dass sie aus dem weißen Licht (D Tageslicht) einen bestimmten Spektralbereich absorbieren. Die dann sichtbare Farbe ist die Komplementärfarbe (Tab. 38.1). Der Rest des Spektrums wird durchgelassen oder reflektiert. Eine Substanz erscheint farblos, wenn das Licht vollständig durchgelassen wird, weiß, wenn alles reflektiert, und schwarz, wenn es absorbiert wird. Beispiel Eine Verbindung, die weißes Licht absorbiert und nur den Bereich 595–605 nm reflektiert, erscheint dem Auge orange. Eine Verbindung, die den Bereich 595– 605 nm aus dem Spektrum absorbiert, erscheint dem Auge grünlich-blau (Komplementärfarbe). Bei der Absorption von Licht durch Materie werden die elektronischen Grundzustände von Molekülen angeregt (HOMO ! LUMO, s. Kap. 29). Dies führt zu einem Übergang von Elektronen in energiereiche (anti-bindende) angeregte Zustände. Die Energiedifferenz E zwischen Grundzustand und den angeregten Zuständen bestimmt die Lage der Absorptionsmaxima œmax . Aus E D h können wir folgern: I
Je niedriger die Anregungsenergie E, desto langwelliger die Absorption.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_38
541
542
38 Farbstoffe
Wellenlängenbereich (nm) Unterhalb 400 400–435 435–480 480–490 490–500 500–560 560–580 580–595 595–605 605–750 Oberhalb 750
Absorbierte Spektralfarbe Ultraviolett Violett Blau (Indigo) Blau oder Türkis Blaugrün Grün Gelbgrün Gelb Orange Rot Ultrarot
Komplementärfarbe (Unsichtbar) Gelbgrün Gelb Orange Rot Purpur Violett Blau Blau oder Türkis Blaugrün (Unsichtbar)
Farbvertiefung
Tab. 38.1 Farben des Sonnenlichtes und Komplementärfarben
E ist umso geringer, je ausgedehnter das Mehrfachbindungssystem eines Moleküls ist (delokalisiertes -Elektronensystem). Die daraus resultierende Verschiebung der Absorptionsmaxima zu längeren Wellenlängen nennt man einen bathochromen Effekt oder Farbvertiefung. Eine besonders starke Farbvertiefung zeigen lineare, konjugierte Doppelbindungen. So verhindert “-Carotin mit œmax D 494, 463, 364 und 278 nm, dass langwelliges UV-Licht die inneren Zellen der Tomaten erreicht und dort Schäden verursacht. Gruppen wie >CDC< (œmax D 175 nm) und >CDO (œmax D 280, 190 nm) werden Chromophore genannt, weil ein konjugiertes System mit zwei oder mehr Chromophoren entscheidend für die Farbigkeit organischer Verbindungen ist. Chromophore sind dadurch ausgezeichnet, dass ihre Elektronen leicht zum Übergang in höhere Energieniveaus angeregt werden können. Dies sind meist -Elektronen ( ! *-Übergang) oder freie Elektronenpaare (n ! ¢*- und n ! *-Übergänge). Bekannte Chromophore sind: NDN (Azo), NDO (Nitroso), NO2 (Nitro), >CDO (Carbonyl), >CDNH (Carbimino) oder >CDC< -Gruppen. Führt man diese als Substituenten in ein aromatisches System ein, hat dies einen bathochromen Effekt zur Folge, da sich ein großes, delokalisiertes -Elektronensystem bilden kann. Auch Substituenten wie NH2 , OH, NR2 , die selbst keine Chromophore sind, können eine bathochrome Verschiebung bewirken; man nennt sie oft Auxochrome. Durch Salzbildung einer NH2 -Gruppe (NH2 NH3C R ) kann dieser Effekt aufgehoben werden und ein farbaufhellender, hypsochromer Effekt eintreten: œmax wird jetzt zu kürzeren Wellenlängen verschoben. Praktische Anwendung findet dies bei vielen Indikatorfarbstoffen für Titrationen. Die Weißtöner (optische Aufheller) in Waschmitteln sind keine Farbmittel, sondern UV-absorbierende Verbindungen, welche die aufgenommene Energie als blau-weiße Fluoreszenzstrahlung wieder abgeben. Hierdurch entsteht der Eindruck von „weißer als weiß“. Tagesleuchtfarben dagegen sind Farbmittel, die zusätzliche Fluoreszenzstrahlung aussenden.
38.2 Einteilung der Farbstoffe nach dem Färbeverfahren
543
38.2 Einteilung der Farbstoffe nach dem Färbeverfahren Farbstoffe werden eingeteilt nach dem Färbeverfahren oder den Chromophoren. Färbeverfahren und Fasern Nicht jede farbige Verbindung ist auch ein Farbstoff. Dieser muss nämlich waschecht, lichtecht, temperaturbeständig, schweißecht etc. sein. Hauptproblem bei der Färberei ist neben der Auswahl und Herstellung eines geeigneten Farbstoffes seine feste Verankerung auf der Faser (tierische, pflanzliche oder Chemie-Faser). Man unterscheidet: 1. Direktfarbstoffe (substantive F.): Sie ziehen direkt auf pflanzliche Fasern ohne Vorbehandlung aus einer wässrigen Lösung (D Flotte) auf. Die Bindung im Inneren der Fasern erfolgt durch zwischenmolekulare van der Waals-Kräfte und Wasserstoff-Brückenbindungen. Zu dieser Gruppe gehören viele Azofarbstoffe. Sie werden in das Innere der Faser als Farbstoffagglomerate eingelagert. 2. Dispersionsfarbstoffe: Die meisten synthetischen Fasern lassen sich nicht mit Direktfarbstoffen färben, da diese aufgrund des unpolaren Charakters der Fasern nicht adsorbiert werden können. Die unlöslichen Dispersionsfarbstoffe werden in Wasser fein verteilt. Bei 120–130 ı C oder bei Zugabe von Quellmitteln („carrier“) diffundieren die Farbstoffmoleküle aus der Dispersion in die aufgequollene Faser. Beim Thermosol-Verfahren wird in einer Heißluftkammer (200 ı C) die Faser erweicht, damit der Farbstoff hinein diffundieren kann. 3. Säurefarbstoffe: Diese enthalten hydrophile Gruppen wie COOH, SO3 H und OH, sind in Form ihrer Salze wasserlöslich und ziehen in Anwesenheit von Säuren direkt auf die Faser auf. Die Farbstoffmoleküle liegen in Lösung als Anionen vor und werden von dem kationischen Fasermolekül durch Ionenbindung festgehalten (Salzbildung). Es können daher alle Fasern mit Amino-Gruppen wie Wolle, Seide und Polyamide so gefärbt werden: −OOC
Wolle
NH3+ + HX
HOOC
Wolle
NH3+ + X −
HOOC F
SO3 − X−
Wolle
NH3+ + X −
−
HOOC
Wolle
NH3+ − O3S
F
Die Farbstoff-Anionen F SO3− verdrängen die Säure-Anionen X aus der Faser, weil sie eine festere Bindung mit dem Woll-Kation HOOC Wolle NH3+ eingehen können. 4. Basische Farbstoffe können z. B. NH2 - oder NR2 -Gruppen enthalten und werden hauptsächlich für Polyacrylnitril-Fasern verwendet. Diese enthalten bei Polymerisation mit K2 S2 O8 als Radikalstarter noch SO 3 -Gruppen. Daher können analog wie bei der Säurefärberei Ionen-Bindungen gebildet werden. 5. Entwicklungsfarbstoffe werden auf der Baumwollfaser hergestellt. Diese wird mit der alkalischen Lösung einer Kupplungskomponente (meist Naphthole) getränkt und danach in die eiskalte Lösung eines Diazoniumsalzes gegeben („Eisfarben“). Der Azofarbstoff wird durch Kupplungsreaktion auf der Faser
544
38 Farbstoffe
erzeugt und haftet durch Adsorption. Da Säureamid-Bindungen teilweise hydrolysiert werden (alkalisch!), können Wolle und Seide auf diese Weise nicht gefärbt werden. 6. Auch bei den Küpenfarbstoffen wird der Farbstoff auf der Faser hergestellt. Küpenfarbstoffe sind in Wasser unlöslich. Sie werden z. B. mit Na2 S2 O4 (Na-dithionit) zu der wasserlöslichen Leuko-Verbindung reduziert („verküpt“). Die Fasern werden in die wässrigen Lösungen der Salze („Küpe“) eingetaucht, wobei die Leuko-Verbindung auf die Faser aufzieht. Bei der nachfolgenden Oxidation (z. B. mit Luft) bildet sich der unlösliche Farbstoff zurück, der jetzt sehr fest auf der Faser haftet („Indanthren-Farbstoffe“, inzwischen allgemeine Bezeichnung für besonders licht- und waschechte Farbstoffe). 7. Reaktivfarbstoffe bilden eine kovalente Bindung mit reaktionsfähigen Gruppen der Fasern aus, z. B. mit den OH-Gruppen der Cellulose. Die Farbstoffe enthalten eine reaktive Gruppe, etwa einen Monochlortriazin-Ring oder eine Vinylsulfonsäure-Gruppe. Die Reaktionen finden in alkalischer Lösung statt, und zwar (a) als Additions-Eliminierungs-Reaktion oder (b) “-Eliminierung mit anschließender 1,4-Addition. Bemerkenswert ist, dass die reaktive Gruppe selektiv (70–80 %) mit dem Cellulose-Anion (Cell-O ) und nur in geringem Maße mit den im Überschuss vorhandenen OH -Ionen reagiert. a) N
N N
F F
+ −O
N Cell
Cl
F
N
−
N
− Cl
Cl O
Cell
−
N F
N N
O
Cell
= Farbstoffmolekül
b) F
OSO3H
SO2 CH CH2 H B−
− HSO4 − BH
−
F − δ+ δ SO2 CH CH2 −
B−
O
+H
+
F SO2 CH2 CH2 O
Cell
Cell
= Base
8. Beizenfarbstoffe werden verwendet, wenn die Affinität zwischen Faser und Farbstoff zu gering ist, um ausreichende Echtheitseigenschaften zu erreichen (z. B. bei Baumwolle). Als Mittlersubstanz dienen sog. Beizen, meist Metallsalze, die auf der Faser mit dem Farbstoff zusammen fest haftende Farblacke (Komplexverbindungen) bilden. Farbstoffmoleküle und OH- bzw. NH2 -Gruppen der Faseroberfläche sind die Liganden. Man kann z. B. die Faser mit einer Cr(III)-Salzlösung tränken und daraus mit Wasserdampf die Metalloxidhydrate herstellen, die sich somit in und auf der Faser fein verteilt befinden. Bei Zugabe der Farbstofflösun-
38.3 Einteilung der Farbstoffe nach den Chromophoren
545
gen bilden sich dann die farbigen, unlöslichen Metallkomplexe. Ebenso ist es auch möglich, mit fertigen Metall-Farbstoff-Komplexen zu färben (Metallkomplexfarbstoffe).
38.3 Einteilung der Farbstoffe nach den Chromophoren 1. Etwa die Hälfte der verwendeten Farbstoffe sind Azo-Farbstoffe, die durch Azo-Kupplung hergestellt werden (s. Abschn. 14.3.1). Die Kupplungskomponenten, meist Phenole und Amine, kuppeln i. a. in p-Stellung zur OH- bzw. NH2 Gruppe (oder falls diese besetzt ist, in o-Stellung). H2N
H2N +
N N diazotiertes Anilin
+
NH2
N N
m-Phenylendiamin
NH2
2,4-Diaminoazobenzol Chrysoidin (orange)
2. Von Bedeutung hinsichtlich des Produktionsumfangs sind außerdem die Anthrachinon-Farbstoffe für höchste Echtheitsansprüche sowie die relativ preiswerten Schwefel-Farbstoffe. Ein Beispiel von historischer Bedeutung ist Alizarin (1,2-Dihydroxyanthrachinon) mit einem chinoiden Chromophor. Hier handelt es sich um einen Beizenfarbstoff. O
O
O + H2SO4 − H2O
O Anthrachinon
OH
SO3H − H2SO4 NaOH, O2
OH
O Alizarin (rot)
O Antrachinon-Sulfonsäure
Die besten Anthrachinon-Farbstoffe sind Küpenfarbstoffe wie Indanthren (Indanthrenblau), hergestellt durch Alkalischmelze von 2-Amino-anthrachinon. O
O KOH, NaNO3
2 NH2 O 2-Amino-anthrachinon
200 °C
NH O
O
HN
Indanthren (blau) O
546
38 Farbstoffe
Ein billiger Küpenfarbstoff für Baumwolle ist Schwefelschwarz: S O2N
NO2
2n
Na2Sn
H2N
N
HO
S
Δ
HO
NH2 O S
2,4-Dinitrophenol
n
3. Zu den Farbstoffen mit einem chinoiden Chromophor gehören auch die Phenoxazin-, Phenothiazin- und Phenazin-Farbstoffe. Ein bekanntes Beispiel ist Methylenblau, ein Phenothiazin-Farbstoff, der in der Biochemie häufig als RedoxIndikator und Wasserstoff-Acceptor verwendet wird. H N
−
Cl
− 2H + 2H
+
(CH3)2N
S farblose Leukoverbindung
N(CH3)2
N
Cl−
S
N(CH3)2
+
(CH3)2N
H
Methylenblau (mesomere Grenzform)
4. Indigo, der wohl bekannteste blaue Farbstoff, ist ebenfalls ein Küpenfarbstoff: Indigoide Farbmittel dienen zum Färben von Cellulose-Fasern und als Pigmente für Industrielacke. Der Farbstoff sitzt als „Lack“ auf der Faser und wird an den Scheuerstellen der damit gefärbten Textilien abgerieben. Dieser Effekt ist für das Auswaschen der Blue Jeans verantwortlich. Großtechnische Herstellung von Indigo (2. Heumannsche Synthese der BASF): O COOH NH2
COOH
+ ClCH2COOH − HCl
COOH NH CH2
NaOH, Δ − H2O
Anthranilsäure
COOH N H Indoxyl-2-carbonsäure Δ − CO2
−
O Na
N H
+
H N
O
O H N N
+
Na O−
Indigoweiß (lösliche Leukoform der Küpe)
H
+ O2 − 2 H2O
O
Indigo (blau) (unlöslich)
N H Indoxyl
5. Triarylmethan-Farbstoffe sind wegen geringer Licht- und Waschechtheit nur noch als Farbstoffe für Papier interessant. Dazu gehören u. a. Fluorescein (aus
38.3 Einteilung der Farbstoffe nach den Chromophoren
547
Resorcin und Phthalsäureanhydrid), Eosin (Tetrabromfluorescein) und Phenolphthalein (aus Phenol und Phthalsäureanhydrid) mit einem chinoiden Chromophor.
OH OH O
+ 2 R
O
O
− H2O
R
O
R
O OH
C
HO
− H2O
R
OH R
R OH
O
COO− O R
R
HO
O R
R=H R = Br
R
+ 2 NaOH − 2 H2O
R 2 Na+
−O
OH
O R
R
Fluorescein (rot) Eosin (rot)
O R
gelbgrüne Fluoreszenz in verd. Lösung rote Lösung (gut wasserlöslich)
Phenolphthalein dient als Indikator: In saurer oder neutraler Lösung ist es farblos, in verdünnten Laugen rot. In konzentrierten Laugen liegt es als farbloses TriAnion vor, das kein chinoides Ringsystem mehr enthält.
O O
(H2SO4) − H2O
+ 2 O O
O
C
OH
+ 2 NaOH + 2 HCl
OH Phenolphthalein (farblose Form) OH
COO−
COO − 2 Na +
−O
O
O
O−
rote, chinoide Form
Einige weitere, auch natürliche Farbstoffe sind in Tab. 38.2 zusammengestellt.
548
38 Farbstoffe
Tab. 38.2 Natürliche Farbstoffe Name Safran
Herkunft Echter Safran (Crocus sativus)
Farbe Gelb
Hauptfarbstoff ROOC
COOR Crocin: R = Gentobiose
Krapp
Krappwurzel (Rubia tinctorum) Kermes Schildläuse der Kermeseiche (Quercus coccifera)
Rot
Alizarin (als Glykosid)
Rot
CH3
HO
OH
CochenilleRot Läuse (Coccus cacti)
O
Färberwaid
Indigopflanze (Indigofera tinctoria) Waidpflanze (Isatis tinctoria)
Blau
OH
Kermessäure:
O C CH3
R=
Carminsäure: Indigo
OH R
HOOC
Carmin
O
R = d-Glucopyranose
Indigo (aus Indican, dem “-Glucosid des Indoxyls)
Blau
O Gluc
N H
Purpur
Purpurschnecke (Murex brandaris)
Violett
O H
7
2 6'
Br
1'
H
1
3
N
Br
6
N
5 4
O
6,6'-Dibromindigo
Chemie im Alltag
39
39.1 Medikamente Medikamente (Arzneimittel) sind definiert als „Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten verabreicht werden können, um die menschlichen (oder tierischen Funktionen) wiederherzustellen“. Neue Medikamente werden von der Pharmaindustrie entwickelt. Dabei werden zuerst neue Wirkstoffe identifiziert und charakterisiert. Diese können entweder als Naturstoffe natürlich vorkommen, oder auch vollsynthetisch hergestellt sein. Diese werden auf ihre biologische Aktivität hin untersucht, und in der Regel durch aufwendige Synthesen optimiert. Dann werden sie experimentell-pharmakologischen Testsystemen unterzogen, bevor ihre Toxizität auch in Tierversuchen untersucht wird. Die pharmazeutische Technologie (Galenik) entwickelt dann die optimale Arzneiform (Salbe, Tablette, Zäpfchen, . . . ). Vor der Zulassung muss ein Medikament mehrere klinische Phasen durchlaufen, bevor es auf den Markt gelangen darf. Phase I:
Überprüfung der Arzneistoffaufname und Überprüfung der Nebenwirkungen (10–15 Probanden). Phase II: Qualitative und quantitative Überprüfung der (Neben)-Wirkungen und Dosisfindung für Phase III (100–500 Patienten) Phase III: Quantitativer Nachweis der Wirksamkeit gegenüber einem Placebo oder eine ähnliche Kontrolle (> 1000 Patienten) (Phase IV): Langzeitstudie, nachdem das Medikament auf dem Markt zugelassen ist. Ein Placebo ist eine Tablette oder Kapsel ohne Wirkstoff, die also auch keine Wirkung entfalten darf. Tritt dennoch beim Patienten eine physische oder körperliche Reaktion auf, dann nennt man dies „Placeboeffekt“. In der Regel ist dies auf psychische Effekte zurückzuführen.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_39
549
550
39 Chemie im Alltag
Die Entwicklung eines Medikaments ist ein sehr langer Weg von der Entdeckung eines Wirkstoffs bis hin zum marktreifen Produkt. Nur ca. 8 % aller Wirkstoffe, die überhaupt in die klinischen Studien gelangen (die meisten scheiden schon vorher aus) schaffen auch die Zulassung. Da vor allem die klinische Phase III-Studie extrem teuer ist, kostet die Entwicklung eines Medikaments nicht selten 1 Mrd. C. Einige der wichtigsten Medikamenten-Klassen seien hier vorgestellt.
39.1.1 Antibiotika Der Name Antibiotika stammt aus dem Griechischen (anti bios D gegen Leben). Antibiotika sind streng genommen niedermolekulare Stoffwechselprodukte niederer Organismen wie Pilze und Bakterien, die schon in geringen Dosen das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmen oder diese abtöten. Als Antibiotika bezeichnet man in der Regel Arzneistoffe zur Behandlung von Infektionskrankheiten. In der Regel sind Antibiotika gut verträglich und zeigen wenige Nebenwirkungen, da sie häufig gezielt in bakterielle Prozesse eingreifen, die beim Menschen gar nicht vorkommen. Das Hauptproblem bei der Anwendung von Antibiotika ist das Auftreten von Resistenzen bei den Krankheitserregern, was auch auf den übermäßigen Einsatz z. B. in der Massentierhaltung oder in Krankenhäusern zurückzuführen ist. Man kann folgende wichtige Klassen unterscheiden:
39.1.1.1 “-Lactam-Antibiotika Typische Vertreter dieser Substanzklasse sind die Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme. Penicillin G wurde 1928 von Alexander Fleming entdeckt und ist damit eines der ältesten verwendeten Antibiotika. Obwohl schon viele Erreger dagegen resistent sind, wird die „Muttersubstanz“ aller Penicilline immer noch eingesetzt. Die Penicilline stören die Zellteilung der Bakterien, indem sie den Aufbau der Zellwand behindern. Die Zellwand wird dadurch „löchrig“ und die Bakterien „laufen aus“. D. h. die Penicilline wirken nur gegen sich teilende Bakterien, aber nicht gegen existierende, sich nicht teilende. Cephalosporine sind Breitbandantibiotika, die ähnlich wie die Penicilline aufgebaut sind und ebenfalls von Schimmelpilzen produziert werden. Auch sie hemmen die Zellwandbiosynthese der Bakterien. Carbapeneme werden nur in sehr speziellen Fällen eingesetzt. Sie gelten als „Reserveantibiotika“ und kommen nur zum Einsatz, wenn andere Antibiotika bei resistenten Erregern nicht mehr wirken. H N
S N
O O
Penicillin G
S N
O COOH
OH
H N
R1
O
R2 COOH
Cephalosporine
SR
N O
COOH
Carbapeneme
39.1 Medikamente
551
39.1.1.2 Glykopeptide Glykopeptide behindern wie die “-Lactame die Zellwandbiosynthese und wirken gegen gram-positive Bakterien. Typische Vertreter sind Vancomycin und Teicoplanin, hoch komplexe Strukturen. 39.1.1.3 Polypeptidantibiotika Polypeptidantibiotika sind cyclische Peptide unterschiedlicher Ringgröße, die von diversen Bakterienstämmen produziert werden. Einige von ihnen wirken auf die Zellmembran von Bakterien, so dass Transportprozesse durch die Membran beoder verhindert werden (z. B. Polymyxine). 39.1.1.4 Polyketidantibiotika Diese Gruppe von Breitbandantibiotika wirkt gegen gram-positive und gram-negative Bakterien, indem sie die bakterielle Proteinsynthese hemmen. Die Tetracycline werden von Bakterien der Gattung Streptomyces produziert und in der Regel anschließend chemisch verändert (halbsynthetische Antibiotika). Sie binden an die bakteriellen Ribosomen stärker als an menschliche, was ihre Selektivität erklärt. Die Makrolidantibiotika wie z. B. Erythromycin hemmen ebenfalls die Proteinbiosynthese und finden Anwendung z. B. bei Geschlechtskrankheiten und Hautinfektionen. O R1 R2 R3 R4
N
OH HO
O OH O
OH
N
OH
HO OH
O
O
CONH2 O
OH O
Tetracycline
OCH3
O
Erythromycin
O
OH
39.1.1.5 Chinolone Die Chinolone sind synthetische Antibiotika mit einem Chinolin-Grundgerüst. Sie wirken auf die DNA der Bakterien und verhindern, dass diese repliziert werden kann. O F N
COOH N
HN Ciprofloxacin
39.1.1.6 Sulfonamide Die Sulfonamide (s. a. Abschn. 13.3.2) sind Analoga des Wachstumsfaktors p-Aminobenzoesäure und verhindern die Bildung von Folsäure, die für das Wachstum der Bakterien wichtig ist.
552
39 Chemie im Alltag O S O NHR
H2N
Sulfonamide
39.1.2 Antivirale Arzneistoffe Antiviral wirkende Verbindungen werden gegen Viren und die durch sie verursachten Krankheiten eingesetzt. In der Regel wirken diese Mittel virostatisch, d. h. sie hemmen die Vermehrung der Viren im Körper. Diese Mittel greifen häufig in Virus-spezifische enzymatische Prozesse sein, die zur Vermehrung der Viren notwendig sind. Da jedoch Viren über keinen eigenen Stoffwechsel verfügen, ist die Anzahl spezifischer Virenenzyme stark begrenzt, was die Entwicklung antiviraler Verbindungen schwierig macht. Typische Viruserkrankungen sind (Vogel)-Grippe (Influenza), Herpes, HIV und Ebola. Das Ebolavirus, welches 2014 die EbolaEpidemie in Westafrika auslöste, kommt in fünf Formen vor und gehört mit zu den tödlichsten Viren (Sterblichkeitsrate 50–90 %, je nach Art). Wie andere Viren auch wird es durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen. Medikamente gegen Ebola gibt es bisher keine, einige Wirkstoffe befinden sich in der Erprobungsphase (Stand: November 2014). Oseltamivir (Tamiflu) gehört zur Gruppe der Neuramidase-Inhibitoren und wird zur Behandlung von Virusgrippe (Influenza A und B) eingesetzt. Von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) wurde es auch zur Behandlung von Vogelgrippe H5N1 empfohlen. Indinavir (Crixivan) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der HIV-Proteaseinhibitoren und wird bei der Behandlung von AIDS-Patienten eingesetzt. Es wird in der Regel nicht als Einzelmedikament eingesetzt, da die Viren rasch Resistenzen entwickeln würden, sondern in Kombination mit Azidothymidin (AZT). Dies ist ein Derivat des Nukleosids Thymidin und wird statt diesem in die virale DNA eingebaut. Dadurch stoppt die virale DNA-Synthese (s. a. Abschn. 31.2), da die dafür benötigte 3-OH-Gruppe fehlt. O
O
H N
HN
HN H2N
O
Et
O
HO
O
N
N O
Et
N
NH OH
O
OEt
Oseltamivir
N3 Azidothymidin (AZT)
Indinavir
N
39.1 Medikamente
553
39.1.3 Antitumor-Arzneistoffe Antitumor-Medikamente (Zytostatika) werden in der Chemotherapie zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. Es handelt sich dabei um Zellgifte, die in den Zellteilungsprozess der Tumorzellen eingreifen und dadurch das Zell- und Tumorwachstum stoppen. Die Behandlung erfolgt in der Regel ambulant und besteht zumeist aus 4–8 Behandlungszyklen, bei denen am Patienten die Medikamente intravenös verabreicht werden. Da durch viele Medikamente nicht nur die Tumorzellen beeinträchtigt werden, sondern auch normale Körperzellen, haben die meisten Medikamente unerwünschte Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Veränderungen des Blutbildes. Imatinib (Glivec) ist ein sogenannter Proteinkinase-Inhibitor und wird in erster Linie zur Behandlung von Blutkrebs (Leukämie) eingesetzt. Paclitaxel (Taxol) wurde aus der Rinde der pazifischen Eibe isoliert und findet Anwendung zur Behandlung diverser Tumorarten wie etwa Prostata-, Brust- oder Lungenkrebs. Paclitaxel stört die Zellteilung (Mitose) und wirkt daher nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf normale Körperzellen. Da sich Tumorzellen jedoch öfter und schneller teilen, sind sie stärker betroffen. Um ungewünschten Nebenwirkungen zu vermeiden, bedient sich die moderne Tumortherapie sogenannter Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, mit Hilfe derer ein Wirkstoff gezielt zu/in Tumorzellen transportiert wird, so dass diese gezielt geschädigt werden. Ein solcher Antikörper ist z. B. Bevacizumab (Avastin), der zur Behandlung von Darm-, Lungen-, Brust- Nieren- und Eierstockkrebs eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um einen Angiogenese-Hemmer, er verhindert die Neubildung von Blutgefäßen, auf die ein wachsender Tumor angewiesen ist. O
N N
O
N HN
N
O
NH O
N O
N H Imatinib
O OH
O OH
HO O O O
O
O Paclitaxel
39.1.4 Blutdrucksenkende Arzneistoffe Bluthochdruck (Hypertonie) ist eine der am weitesten verbreiteten Herz-KreislaufErkrankungen der westlichen Welt und einer der „vier großen Risikofaktoren“ (neben Rauchen, Diabetes und Hypercholesterinämie). Die Ursache der vor allem im Alter auftretenden Erkrankung ist in ca. 90 % aller Fälle nicht auffindbar.
554
39 Chemie im Alltag
Wird Bluthochdruck nicht rechtzeitig behandelt, kommt es oftmals zu Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden. Daher ist es wichtig, Bluthochdruck frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Typische Symptome sind Schwindel, Übelkeit, Nasenbluten oder Schlaflosigkeit. Oftmals genügt ein gesunder Lebensstil (gesunde Ernährung, Sport, kein Nikotin), um den Blutdruck zu senken. Gelingt dies nicht, sollten blutdrucksenkende Mittel zum Einsatz kommen. Hierbei kann man fünf Klassen unterscheiden:
39.1.4.1 ACE-Hemmer Das Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) (s. a. Abschn. 29.2.3) ist an der Bildung des Hormons Angiotensin II beteiligt, welches eine Verengung der Blutgefäße, und damit verbunden ein Anstieg des Blutdrucks verursacht. Durch Hemmung dieses Enzyms kann daher der Blutdruck gesenkt werden. Entsprechende Medikamente enden häufig mit „-pril“ (z. B. Captopril, Enalapril, Lisinopril). 39.1.4.2 AT1-Rezeptor-Antagonisten Diese wirken auf dasselbe Hormonsystem wie die ACE-Hemmer, jedoch verhindern sie nicht die Bildung des Angiotensin II, sondern sie blockieren den Rezeptor des Hormons, an den es binden muss, um seine blutdrucksteigernde Wirkung auszulösen. Diese Wirkstoffe enden mit „-sartan“ (z. B. Candesartan, Telmisartan). 39.1.4.3 “-Blocker “-Blocker blockieren bestimmte Rezeptoren für Adrenalin und Noradrenalin in der Niere. Diese Hormone werden in Stress-Situationen ausgeschüttet und führen zur Freisetzung des Enzyms Renin, welches wiederum die Bildung von Angiotensin II bewirkt und damit den Blutdruck steigert. Die “-Blocker verhindern also, dass diese ganze Kaskade durchlaufen wird. Weiterhin blockieren diese Medikamente Adrenalin-Rezeptoren am Herz, wo das Andrenalin zu einer Steigerung der Herzfrequenz und der Schlagkraft des Herzens führt. Auch dieser „Bremseffekt“ wirkt blutdrucksenkend. “-Blocker enden auf „-lol“ (z. B. Bisoprolol, Metoprolol).
N
COOH
N N
N
O
N NH
N O
O
SH COOH Captopril
Candesartan
OH
N H
Metoprolol
39.1.4.4 Ca-Antagonisten Ca-Antagonisten hemmen spezielle Ca-Kanäle der Gefäßmuskulatur und verhindern das Einströmen von Ca2C in die Zelle. Dadurch können sich die Muskelzellen weniger zusammenziehen, die Gefäße bleiben erweitert, was wiederum blutdrucksenkend wirkt. Diese Wirkstoffe erkennt man an der Endung „-dipin“ (z. B. Am-
39.1 Medikamente
555
lodipin, Nifedipin). Typisches Strukturelement ist das Dihydropyridin-Ringsystem (s. Abschn. 22.7).
39.1.4.5 Diuretika Diuretika sind Medikamente, die entwässernd wirken. Durch die vermehrte Wasserausscheidung sinkt die Blutmenge in den Gefäßen und damit auch der Blutdruck. Weit verbreitet sind Thiazid-Diuretika (z. B. Hydrochlorthiazid, Polythiazid).
Cl MeOOC
O O S HN
COOEt O
N H
N H
NH2
Amlodipin
SO2NH2 Cl
Hydrochlorthiazid
39.1.5 Cholesterinsenkende Arzneistoffe Ein hoher Cholesterinwert gilt als Hauptursache für die Entwicklung von Arteriosklerose sowie davon abhängiger Folgeerkrankungen. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Todesursache Nr. 1 in westlichen Ländern darstellen, gehören cholesterinsenkende Mittel zu den absatzstärksten Arzneimitteln in Europa und den USA. Cholesterin ist ein lebenswichtiger Bestandteil der Plasmamembran und Vorstufe zur Synthese der Steroidhormone und Gallensäure. Ein Teil des Cholesterins wird über die Nahrung aufgenommen, ein Teil wird im Körper direkt synthetisiert. Zur Senkung des Cholesterinspiegels trägt gesunde Ernährung bei (Absenkung der Cholesterinaufnahme). Genügt diese Maßnahme nicht, muss oft mit Medikamenten therapiert werden. Dabei kann man entweder die Cholesterinaufnahme im Darm blockieren, z. B. mit Ezetimib, oder man inhibiert die Cholesterinbiosynthese im Körper. Viele Medikamente hemmen die HMG-CoA-Reduktase, ein Schlüsselenzym der Cholesterinproduktion. Diese Medikamente haben meist die Endung „-statin“ (z. B. Simvastatin, Atorvastatin, Fluvastatin). HO
HO OH
N O
O O
F
O O
F Ezetimib
Simvastatin
556
39 Chemie im Alltag
39.1.6 Entzündungshemmer Entzündungshemmer (Antiphlogistika) greifen auf biochemischem Weg in Entzündungsprozesse ein, wobei man zwischen den steroidalen, nicht steroidalen und pflanzlichen Antiphlogistika unterscheidet. Zu letzteren gehören z. B. etherische Öle aus Kamillen und Arnikablüten. Zu den steroidalen Wirkstoffen gehören die Glucocorticoide (s. Abschn. 33.2.4) wie z. B. Cortisol und Prednisolon. Sie werden z. B. bei allergischem Schnupfen und Asthma eingesetzt. Zu den nicht steroidalen Entzündungshemmern gehören z. B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac. Diese hemmen Cyclooxygenasen, welche für die Bildung der entzündungsvermittelnden Prostaglandine verantwortlich sind. In der Regel haben diese Verbindungen auch schmerzstillende Wirkung. OH Cl
O OH
HO
COOH O
NH
O
Cl
COOH
COOH
O Prednisolon
Acetylsalicylsäure
Diclofenac
Ibuprofen
39.1.7 Potenzmittel Als Potenzmittel bezeichnet man umgangssprachlich Wirkstoffe zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (Impotenz). Die neuesten und wirkungsvollsten Medikamente sind Hemmer des Enzyms Phosphodiesterase-5 (PDE-5). Diese Verbindungen wurden ursprünglich zur Behandlung von Angina Pectoris entwickelt, da eine Hemmung der PDE-5 zu einer Erweiterung der Blutgefäße und besseren Durchblutung führt. Viele der Medikamente haben die Endung „-fil“, z. B. Sildenafil (Viagra), Vardenafil (Levitra), Tadalafil (Cialis). O O O S N N
N
O N
N
N
N
N H O
Sildenafil
O O
NH
O
Tadalafil
39.1.8 Psychopharmaka Psychopharmaka beeinflussen neuronale Abläufe im Gehirn und bewirken dadurch eine Veränderung der psychischen Verfassung. Sie werden in der Regel bei psy-
39.1 Medikamente
557
chischen Störungen eingesetzt. Die meisten Medikamente nehmen Einfluss auf die chemische Signalübertragung am synaptischen Spalt. Einige von ihnen ahmen den natürlichen Neurotransmitter (s. Abschn. 14.1.5) nach und reizen den Rezeptor der nächsten Nervenzelle (Agonisten), andere blockieren diesen Rezeptor, so dass der Neurotransmitter nicht gebunden werden kann (Antagonisten). Eine weitere Möglichkeit besteht in der Hemmung des Enzyms, das für den Abbau des Neurotransmitters verantwortlich ist. Man kann diese Psychopharmaka in mehrere Gruppen unterteilen.
39.1.8.1 Antidepressiva Diese Verbindungen werden überwiegend gegen Depressionen, Panikattacken, Essstörungen, aber auch chronische Schmerzen und Schlafstörungen eingesetzt. Weit verbreitet sind tricyclische Antidepressiva wie Clomipramin oder Amitriptylin. Sie greifen in das Neurotransmittersystem ein, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin hemmen. Dadurch steigt deren Konzentration im synaptischen Spalt, die bei Depressionen normalerweise zu niedrig ist. Neben solchen synthetischen Psychopharmaka kommen häufig auch Phytopharmaka zum Einsatz, die ausschließlich pflanzlichen Ursprungs sind. Hierunter fallen z. B. Extrakte aus dem echten Johanniskraut (Hypericum perforatum). „Winterdepressionen“ sind häufig auf Lichtmangel zurückzuführen und können durch Spaziergänge im Freien behandelt werden. 39.1.8.2 Neuroleptika Diese Medikamente haben eine sedierende und antipsychotische (Realitätsverlust bekämpfende) Wirkung und werden hauptsächlich zur Behandlung von Wahnvorstellungen und Halluzinationen eingesetzt. Chlorpromazin war das erste verwendete Neuroleptikum. Es gehört wie Clomipramin zu den tricyclischen Antidepressiva und blockiert die Neurotransmitter-Rezeptoren. Andere weit verbreitete Strukturen sind Dibenzepine und Butyrophenone, wie etwa Haloperidol. Haloperidol blockiert Dopamin-Rezeptoren und zeigt trotz hoher antipsychotischer Aktivität vergleichsweise wenige Nebenwirkungen und ist daher relativ gut verträglich. N N Cl
N
N Cl
OH
O
N Cl S
Clomipramin
Chlorpromazin
F
Haloperidol
39.1.8.3 Tranquilizer Diese Substanzklasse hat angstlösende und entspannende Wirkung. Neben “-Blockern und Neuroleptika kommen hierbei oft Benzodiazepine zum Einsatz. Benzodiazepine binden an den GABA-Rezeptor (GABA: ”-Aminobuttersäure) und
558
39 Chemie im Alltag
beeinflussen dadurch die Chlorid-Ionenkanäle der Nervenzellen. Letztendlich wird die Erregbarkeit der Nervenmembran herabgesetzt. Benzodiazepine enden häufig mit „-olam“ oder „-epam“. Pflanzliche Sedative findet man zum Beispiel im Hopfen oder Baldrian. N N
N Cl
O
N
N
N
Cl
Diazepam
Alprazolam
39.1.8.4 Schlafmittel (Hypnotika) Schlafmittel sind Schlaf-fördernde Substanzen, die im „fließenden Bereich“ zwischen Beruhigungsmitteln (Sedativa) und Betäubungsmitteln (Narkotika) angesiedelt sind. Daher werden häufig auch solche Mittel bei Schlafstörungen eingesetzt. Neben pflanzlichen Extrakten (Hopfen, Melisse, Baldrian) und den bereits vorgestellten Benzodiazepinen fanden früher vor allem Barbitursäure-Derivate (Barbiturate) Anwendung. Aufgrund von Nebenwirkungen (Hangover) sind die meisten dieser Medikamente mittlerweile wieder vom Markt. Ebenso wie das früher oft verwendete Chloralhydrat. 39.1.8.5 Stimulanzien Als Stimulanzien (Psychotonika, „Upper“) bezeichnet man Substanzen, die anregend auf den Organismus wirken. Neben den Xanthin-Derivaten Koffein, Theobromin und Theophyllin sind hier vor allem die Amphetamine zu nennen, Verbindungen aus der Klasse der “-Phenylethylamine. Neben dem Appetitzügler Ephedrin fallen hierunter auch „Party-Drogen“ wie Ecstasy. Viele dieser Stimulanzien haben Suchtpotential. Bei Überdosierung kommt es häufig zu Bluthochdruck, Herzrasen, Aggressivität oder gar zum Ausbruch von Psychosen. O N O
OH O
N N
Coffein
N
HN Ephedrin
HN
O Ecstasy
39.2 Tenside Tenside sind grenzflächenaktive Stoffe, die aus einem hydrophoben organischen Rest (meist mit Alkyl- oder Aryl-Gruppen) und einer hydrophilen (lipophoben) Gruppe bestehen. Sie sind Bestandteil von Waschmitteln und dienen als Emul-
39.2 Tenside
559
Abb. 39.1 Wirkungen der Waschmittel. a Oberflächenaktivität: Anreicherung der polar gebauten Ionen in der Wasseroberfläche, Micellenbildung im Innern. b Wirkung als Netzmittel. c emulgierende Wirkung
gatoren (z. B. in kosmetischen Cremes oder Nahrungsmitteln), Netzmittel, Dispergiermittel, Solubilisatoren, Flotationsmittel u. a. Die Wirkungsweise der Detergentien beruht auf ihrem polaren Bau. Die hydrophilen Gruppen (COO , SO 3 ) werden hydratisiert und in das Wasser hineingezogen, während die hydrophoben und lipophilen Alkyl-Reste herausgedrängt werden. Durch die regelmäßige Anordnung der Moleküle in der Phasengrenzfläche wird die Oberflächenspannung des Wassers herabgesetzt, d. h. die Flüssigkeit wird beweglicher und benetzt die Schmutzteilchen. Durch reines Wasser nichtbenetzbare Stoffe wie Öle werden durch die Detergentien umhüllt, dadurch emulgiert und können dann weggespült werden (Abb. 39.1). Durch Micellen-Bildung bei höherer Tensid-Konzentration werden auch Kohlenwasserstoffe durch Einschluss in Micellen im Wasser emulgierbar. Unter Micellen versteht man kolloid-artige, geordnete Zusammenballungen von Molekülen grenzflächenaktiver Stoffe. Sie können aus 20 bis 30.000 Einzelmolekülen bestehen. Die biologisch abbaubaren Detergentien mit linearen Alkyl-Resten werden durch Friedel-Crafts-Alkylierung von Benzol mit 1-Alkenen oder 1-Chloralkanen hergestellt (s. Abschn. 8.2.4). Anschließend wird mit H2 SO4 sulfoniert (s. Abschn. 8.2.2) und mit NaOH neutralisiert: Beispiel H H21C10 C CH3
1) H2SO4 2) NaOH
H H21C10 C CH3
−
SO3 Na
Alkylbenzolsulfonat
+
560
39 Chemie im Alltag
39.3 Biozide Die Mehrzahl der heute verwendeten Biozide sind organisch-chemische Verbindungen, die in großen Mengen hergestellt und eingesetzt werden. Je nach Anwendungsgebiet werden die Biozide (Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel) unterschieden. Tab. 39.1 gibt einen Überblick.
39.3.1 Insektizide Im Allgemeinen wird zwar gefordert, dass biozide Mittel Mensch und Umwelt bei sachgemäßer Anwendung nicht gefährden, jedoch ist eine Ideallösung noch nicht in Sicht. In jüngster Vergangenheit haben besonders die chlorierten Kohlenwasserstoffe zu erheblichen Problemen geführt.
39.3.1.1 Chlorierte Kohlenwasserstoffe Das wohl bekannteste Beispiel dieser Stoffklasse ist DDT („Dichlordiphenyltrichlorethan“), 1,1-Bis(4-chlorphenyl)-2,2,2,-trichlorethan, das durch Kondensation von Chlorbenzol mit Chloral hergestellt wird:
2
Cl
OH + Cl3C CH OH
H2SO4
CCl3 Cl
CH
Cl
DDT
Es zählt zu der Gruppe der so genannten „harten“ Insektizide, die nur sehr langsam abgebaut werden. Infolge ihrer hohen Persistenz reichern sie sich im Fettgewebe an und gelangen über die Nahrungskette in den menschlichen Organismus, wo sie abgelagert werden. Das gilt auch für andere polychlorierte Insektizide wie
Tab. 39.1 Biozide Mittel gegen Insekten Milben Eier Nematoden Schnecken Pilze Bakterien Viren Nagetiere Pflanzen (Unkräuter) Abwehrmittel (allgemein) sterilisierende Mittel
Bezeichnung Insektizide Akarizide Ovizide Nematizide Molluskizide Fungizide Bakterizide Virizide Rodentizide Herbizide Repellents Chemosterilantien
39.3 Biozide
561
Gammexan (Lindan, ”-1,2,3,4,5,6-Hexachlorcyclohexan, s. Abschn. 7.6.1.3.) In vielen Ländern ist daher der Einsatz dieser chlorierten Kohlenwasserstoffe verboten.
39.3.1.2 Phosphorsäureester Sie sind ebenso wie die polychlorierten Verbindungen Nervengifte (Hemmung der Acetylcholinesterase) und werden als Insektizide, aber auch als Nematizide und Akarizide eingesetzt. Vorteile sind ihre kurze Lebensdauer, teilweise akzeptable Toxizität gegenüber Warmblütern und geringe Bindung an tierisches Körpergewebe. Von großem Nachteil ist ihre hohe Toxizität, die ein breites Wirkungsspektrum zur Folge hat, so dass auch Nutzinsekten in hohem Maß betroffen sind. Allgemeine Darstellungsreaktion: X
Cl P Cl Cl
+ 2 ROH
- 2 HCl
X
OR P OR Cl
R'OH - HCl
X
OR P OR OR'
mit X = O, S
Beispiele O
C2H5O C2H5O
O
CH3O
P O
NO2
Parathion ("E605") (O,O-Diethyl-O-4-nitrophenyl-thiophosphat)
CH3O
S
CH3O
O
P
P O CH CH2
Dichlorvos (2,2-Dichlorvinyldimethylphosphat)
CH3O
S CH2
C NH CH3
Dimethoat (O,O-Dimethyl-S-(2-methylamino -2-oxoethyl)-dithiophosphat)
Einige Phosphorsäureester wirken nicht nur als Kontakt-, Atem- oder Fraßgift, sondern auch als Systeminsektizid. Das bedeutet, sie werden von der Pflanze in den Zellsaft aufgenommen und durch den Saftstrom in ihr verteilt. Dadurch ist die ganze Pflanze für die Insekten vergiftet.
39.3.2 Fungizide Die wirtschaftlich bedeutendsten Pflanzenkrankheiten werden durch Pilze hervorgerufen. Neben die schon sehr lange bekannten Fungizide Schwefel, Kupferverbindungen (Weinbau: CuCO3 Cu(OH)2 ; Cu2 Cl(OH)3 1;5 H2 O) und organische Quecksilberverbindungen (Saatgutbeizmittel) sind zahlreiche neue synthetische Mittel getreten, die einer großen Zahl chemischer Stoffklassen zuzurechnen sind.
39.3.3 Herbizide Herbizide wirken auf verschiedene Weise auf Pflanzen ein, z. B. durch Hemmung der Photosynthese, Veränderung des Zellwachstums oder als Atmungsgifte. Es gibt
562
39 Chemie im Alltag
Totalherbizide, die jeden Pflanzenwuchs vernichten und im Boden zeitlich begrenzt oder unbegrenzt (Bodensterilisatoren) wirken sollen. Deiquat wirkt beispielsweise nur wenige Tage, während Monuron bis zu einem Jahr wirkt. Schon länger bekannte Mittel sind Chlorate, Rhodanide und Borate, die als Kontaktgifte mit kurzer Wirkungsdauer fungieren. Bekannte organische Verbindungen sind chlorierte Phenoxy-Säuren, substituierte Harnstoffe (Carbamate) und symmetrische Triazine.
N
+
N
2 Br−
+
Deiquat (1,1'-Ethylen-2,2'-bipyridyliumdibromid)
Cl
O CH3 NH C O C H CH3 Monuron (N-(4-Chlorphenyl)-N',N'dimethylharnstoff)
39.3.4 Vorratsschutz Zum Schutz von Nahrungsmittelvorräten, z. B. in Getreidelagern werden vor allem Begasungsmittel eingesetzt, die in manchen Fällen auch zur Schädlingsbekämpfung im Gartenbau geeignet sind. Bekannte Mittel sind Phosphorwasserstoff PH3 , Blausäure HCN, Methylbromid CH3 Br. Gegen Nagetiere wie Ratten werden Cumarinderivate und Thalliumsulfat, Tl2 SO4 eingesetzt.
39.3.5 Neuere Entwicklungen Obwohl die biologische Schädlingsbekämpfung zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind Pestizide noch weithin unentbehrlich. Um die Umweltbelastung zu vermindern, sucht man daher nach Stoffen, die einen gezielteren Einsatz erlauben. Einige Beispiele sollen nachfolgend vorgestellt werden. Chitin-Synthese-Inhibitoren und Antijuvenilhormone Insekten verwenden im Unterschied zu höheren Tieren Chitin als Gerüstsubstanz (s. Abschn. 28.3.2). Durch die mehrfachen Häutungsprozesse bei ihrer Entwicklung halten Insekten eine ständige Chitin-Produktion aufrecht. Ein Eingriff in diese Produktion stört die Entwicklung des Tieres und verhindert damit die Fortpflanzung der Art, z. B. durch Unreife oder frühen Tod. Eine hierfür geeignete Verbindung ist Diflubenzuron („Dimilin“), ein Benzoylphenylharnstoff-Derivat. Die Substanz ist erheblich weniger toxisch als Parathion und beeinflusst auch die Chitinproduktion bei vielen Crustaceen wie Krabben usw. nur wenig. Das natürlich vorkommende Precocen I und II blockiert das körpereigene Juvenilhormon. Am Beispiel der Landwanze (Oncopeltus fasciatus) wurde festgestellt, dass Precocen-behandelte Tiere von den normalerweise fünf Larvenstadien bis zur Häutung zum erwachsenen Tier ein oder zwei Larvenstadien überspringen und sich dann zu sterilen Tieren häuten.
39.3 Biozide
563
F CH3O C NH C NH O F
O
CH3
Cl
O
CH3
R
Diflubenzuron (1-(4-Chlorphenyl)-3-(2,6difluorbenzoyl)-harnstoff)
Precocen I (R = H) Precocen II (R = OCH3 ) (Antijuvenilhormon)
Pheromone Pheromone sind chemische Signalstoffe. Sie sind verantwortlich für die Informationsübermittlung zwischen den Geschlechtern, finden Verwendung als Spurund Markierungssubstanzen usw. Pheromone werden von einem Individuum einer bestimmten Tierart abgegeben und von einem anderen Individuum derselben Art empfangen. Meist handelt es sich um Pheromon-Mehrkomponenten-Systeme, sog. Pheromonkomplexe. Ein Tier erkennt seinen arteigenen Geruch oft an der spezifischen Zusammensetzung mehrerer definiert zusammengesetzter Komponenten. Besonders gut untersucht sind verschiedene Pheromonsysteme bei der Honigbiene. Ein und dasselbe Bienenpheromon kann dabei verschiedene Wirkungsweisen und Funktionen besitzen. Oft werden bestimmte Verhaltensfolgen auch erst durch mehrere Substanzen verursacht. Ein besonders wichtiges Sekret ist die „Königinnensubstanz“. Ein Pheromonkomplex veranlasst dabei Schwarmbienen zur Bildung stabiler Schwarmtrauben. Das Sekret hat aber auch die Funktion eines Sexuallockstoffes. So lockt es Drohnen oberhalb einer Mindestflughöhe zur Königin. Ein anderes Pheromon der Arbeitsbiene ist ihr Alarmstoff. Pheromone dienen den Bienen auch zur Markierung von Futterquellen oder zur Kennzeichnung von Nesteingängen. Chemische Struktur einiger Pheromone Die Sexuallockstoffe weiblicher Falter sind vornehmlich einfach- und zweifachungesättigte Alkohole, ihre Ester (z. B. Acetate) oder Aldehyde mit Kettenlängen zwischen 10 und 20 C-Atomen. Beispiele von Sexuallockstoffen bzw. Pheromonkomponenten von weiblichen Schmetterlingen: OAc
OH
Saateule
Seidenspinner OH
OAc Pflaumenwickler
Apfelwickler
Unter den Aggregations- und Sexualpheromonen der Borkenkäfer finden sich Terpenalkohole, terpenoide Ketone, bicyclische Ketale. Bei anderen Käferarten sind bekannt: Phenol, Cyclobutan-, Cyclohexanderivate, ungesättigte Säuren, Alkohole, Aldehyde, Ketone.
564
39 Chemie im Alltag CH3 O
H3C
CH3 O
CH3
H CH3 Dendroctonus brevicomis O
Dendroctonus frontalis
Tier:
O
H3C
OH Ips calligraphus
Verwendung von Pheromonen im Pflanzenschutz Man nutzt neuerdings im Pflanzenschutz die Möglichkeit, das Verhalten bestimmter Insektenarten durch Pheromone spezifisch zu manipulieren. Die Techniken sind dabei vielfältig. So werden Leimfallen mit synthetischen Lockstoffen, Pheromonextrakten oder lebende Weibchen der Insekten benutzt. Im Waldschutz werden gegen den Borkenkäfer Pheromonfallen häufig in Kombination mit „Fangbäumen“ eingesetzt. Letztere haben die Aufgabe, als Zielbäume zu dienen, um die Käfer auf herkömmliche Weise zu vernichten. Neben den Abfangtechniken kennt man auch die sog. Verwirrungstechnik. Hierbei verwirrt man durch Überangebot an Sexuallockstoff die männlichen Insekten und erschwert ihnen so das Auffinden der Weibchen.
39.3.6 Natürlich vorkommende Insektizide Bekannte natürliche Wirkstoffe sind: Schwefel (meist in kolloid-disperser Form), Pyrethrum (aus den Blütenköpfen einiger Chrysanthemenarten), Alkaloide (vor allem Nikotin und Anabasin aus dem Tabak, s. Abschn. 34.2), Rotenoide (aus Derrispflanzen) und verschiedene Extrakte aus tropischen Pflanzen wie Quassia und Ryania, die jedoch nur regional von Bedeutung sind. Einige davon wie Schwefel werden mit gutem Erfolg schon seit langem verwendet. CH3O
R'
CH3O H
H3C
O
O R
O H
O
Rotenon
O
O
O CH3 H3C
CH3
R = CH3, COOCH3 R' = CH3, C2H5, CH=CH2
Pyrethroide
Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
40.1
40
Einführung und rechtliche Grundlagen
40.1.1 Entwicklung von 1980 bis heute Die zunehmende Verbreitung chemischer Produkte in allen Bereichen der Wirtschaft über die traditionellen Einsatzgebiete der Chemie und Pharmazie hinaus, der vermehrte Einsatz von Chemikalien auch in Haushalten und der wachsende Einblick in die schädlichen Wirkungen von chemischen Agenzien aufgrund epidemiologischer und toxikologischer Erkenntnisse sowie von weltweit beachteten Störfällen in chemischen Anlagen ließen in den 1970er Jahren die Forderungen nach einem wirksameren Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien in verstärktem Umfang laut werden. Dies führte schließlich 1980 zur Verabschiedung eines stark durch die EU beeinflussten Chemikaliengesetzes (ChemG), das stoffbezogen, aber in einem die Umweltmedien übergreifenden Ansatz, den Gedanken eines präventiven Schutzes der Umwelt, der Verbraucher und der Beschäftigten Rechnung tragen sollte. Schon vor der Verabschiedung des ChemG gab es für einzelne Stoffgruppen oder Bereiche gesetzliche Regelungen. So galten z. B. zum Schutz der Verbraucher in den Ländern Giftverordnungen, zum Schutz der Arbeitnehmer stoffbezogene Kennzeichnungsregelungen und Vorschriften zur sicheren Herstellung und Verwendung von Chemikalien sowie für bestimmte Kategorien von Chemikalien wie Sprengstoffe, Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel teilweise erhebliche Beschränkungen (Zulassungsverfahren, Verbote mit Erlaubnisvorbehalten u. a.). Eine zusammenhängende Gesetzgebung zur Kontrolle von Gefährdungen durch Chemikalien lag allerdings nicht vor. Sonderregelungen z. B. nach dem Pflanzenschutzgesetz gibt es bis heute. Dies führt immer wieder zu Konflikten mit dem übergreifend ausgestalteten Chemikalienrecht aufgrund unterschiedlich ausgestalteter Regelungsansätze und Risikobewertungen. Das ChemG diente zum einen der Umsetzung der damals maßgebenden EGChemikalien-Richtlinie 79/831/EWG und enthielt zum anderen Ermächtigungen zum Erlass von konkretisierenden Rechtsvorschriften. Während einige Ermächti© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1_40
565
566
40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
gungen bis heute im ChemG erhalten blieben, wurden die Vorgaben der EG-Richtlinie inzwischen durch die Bestimmungen der EU-Verordnung Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) ersetzt. Diese trat phasenweise von 2010 bis 2018 in Kraft und die entsprechenden nationalen Regelungen entsprechend außer Kraft. Eine weltweit einheitliche Systematik zur Bewertung und Kennzeichnung von Chemikalien (das GHS-System) wurde parallel zu REACH verhandelt und in der EU mit der EU-Verordnung 1272/2008 (CLP-Verordnung) rechtlich eingeführt. Im Unterschied zur REACH-Verordnung waren die Änderungen durch die CLP-Verordnung für die europäischen Hersteller überschaubar, da viele Regelungen bereits aus dem internationalen Transportrecht, dem Gefahrgutrecht, bekannt waren. REACH- und CLP-Verordnung bilden jetzt zusammen den Kernbereich des europäischen und nationalen Chemikalienrechts.
40.1.2 Rechtliche Begriffe in der EU und in Deutschland zur Gesetzgebung Für die Systematik der Rechtsnormen in Deutschland wird als Bild gerne eine Pyramide gewählt. An der Spitze stehen die Gesetze, die in einem formellen, im Grundgesetz als nationaler Verfassung vorgegebenen Verfahren und unter Beachtung der dort gemachten inhaltlichen Vorgaben von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Gesetze sind unterschiedlich konkret ausgestaltet. Vor allem in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen begnügt sich der Gesetzgeber häufig mit der Festlegung genereller Vorgaben und ermächtigt ergänzend die Bundesregierung – meist mit Zustimmung des Bundesrates – konkretisierende Rechtsverordnungen zu erlassen. Aber auch diese sind häufig nicht so eindeutig formuliert, dass sie unmittelbar auf jedes Problem angewendet werden können. Daher gibt es dazu weitere Erläuterungen und Ausführungshilfen wie Verwaltungsvorschriften, technische Regeln, Richtlinien, Leitlinien etc. Auch die bekannten DIN/EN-Normen werden häufig zur Auslegung der Gesetze und Verordnungen herangezogen. Man beachte, dass diese Ausführungshilfen durch Rechtsvorschriften oder privatrechtliche Vereinbarungen auch rechtsverbindlich gemacht werden können (z. B. im Baurecht üblich). Die Rechtssystematik in der EU ist ähnlich, aber wegen der Verwendung teilweise gleicher Begriffe verwirrend. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Gesetzgebung gleich drei Institutionen zusammenwirken müssen, nämlich die EUKommission, die das Vorschlagsmonopol hat, die (Fach-)Ministerräte („Rat“) als Gesetzgeber und das Europäische Parlament (EP) als Mitgesetzgeber bei der ordentlichen Gesetzgebung (früher „Mitentscheidungsverfahren“ genannt). Das Verfahren ist im Vertrag von Lissabon geregelt und ziemlich aufwendig. Oft werden deshalb nur Basis-Rechtsakte erlassen, die regelmäßig angepasst werden. Verbindliche Rechtsakte sind EU-Verordnungen, EU-Richtlinien und EU-Beschlüsse. EU-Verordnungen wie die REACH- und die CLP-Verordnung gelten un-
40.1 Einführung und rechtliche Grundlagen
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mittelbar in allen Mitgliedstaaten und bedürfen keiner Umsetzung in nationales Recht. Es gibt daher kaum Spielraum für die Mitgliedstaaten, weshalb die Regelungen häufig sehr detailliert sind, teilweise aber auch schwer verständlich, wenn Kompromisse gefunden werden mussten. Bis etwa 2005 dominierten EU-Richtlinien als Rechtsakte. Sie müssen allerdings von jedem der derzeit 28 Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, was durchaus zu nationalen Unterschieden führen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass je nach Ermächtigungsgrundlage des Lissabon-Vertrags zusätzliche Spielräume für die Mitgliedstaaten bestehen. Im Bereich des Binnenmarktrechts nach Art. 114 gilt der Grundsatz der Vollharmonisierung (1:1 Umsetzung), im Bereich des Arbeitsschutzes (Art. 153) und des Umweltschutzes (Art. 192) gilt der Grundsatz der Mindestharmonisierung. Letzterer erlaubt den Mitgliedstaaten, vorhandene oder neue, strengere Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen beizubehalten oder einzuführen. Den in Deutschland üblichen Rechtsverordnungen zur Konkretisierung von Gesetzen entsprechen auf EU-Ebene annähernd zwei Möglichkeiten. Zum einen ist dies ein EU-Beschluss (früher EG-Entscheidung genannt). Ein Beschluss wird überwiegend von der EU-Kommission zur Regelung von dringenden Einzelfällen erlassen; in bestimmten Fällen muss das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden. Viel üblicher ist es hingegen, nicht-wesentliche Teile von Basisrechtsakten zu ändern, die häufig in Anhängen zu finden sind (vgl. die zahlreichen Anhänge zur REACH- und zur CLP-Verordnung). Erkennbar sind diese Rechtsakte am Titel „Verordnung/Richtlinie zur Anpassung der Verordnung/ Richtlinie . . . an den technischen Fortschritt . . . Kurzbezeichnung Anpassungsverordnung bzw. -richtlinie“ (engl. ATP – „adaption to technical progress“). Zunehmend werden auch Durchführungsbestimmungen zu Basisrechtsakten erlassen. Im Lissabon-Vertrag ist geregelt, welche Abstimmungsmodalitäten zur Anwendung kommen (Art. 290 und 291) und damit, welchen Einfluss die Mitgliedstaaten auf die Vorschläge der EU-Kommission zu dem konkretisierenden Rechtsakt haben. In Deutschland vergleichbar wäre dies mit den Mitbestimmungsrechten des Bundesrates beim Erlass von Rechtsverordnungen durch die Bundesregierung. Zusätzlich zu den vorgenannten verbindlichen Rechtsakten gibt es – wie in Deutschland auch – nicht rechtsverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen der EU-Kommission. Von größerer Bedeutung sind jedoch Leitlinien und Empfehlungen der Europäischen Agenturen (teilweise vergleichbar unseren Bundesanstalten oder Bundesämtern als den Bundesministerien nachgeordnete Behörden). Für den Chemiebereich wichtig ist die ECHA, die Europäische Chemikalienagentur (engl. European Chemicals Agency). Hilfestellung im nationalen Bereich gibt das deutsche REACH-CLP-BiozidHelpdesk bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), auf dessen Homepage zahlreiche Materialien, Vorschriften und Hinweise auch zum EURecht zu finden sind.
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40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
40.1.3 Wichtige chemikalienrechtliche Regelungen in der EU Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung . . . vom 18. Dezember 2006 – REACH-Verordnung I REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien). Diese EU-Verordnung regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und den Umgang mit Chemikalien und ist am 1. Juni 2007 in Kraft getreten. Einzelheiten s. Abschn. 40.2.2. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung . . . vom 16. Dezember 2008 – CLP-Verordnung I CLP steht für Classification, Labelling und Packaging, also die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Sie übernimmt wesentliche Teile des Globally Harmonised System (GHS) der UNO zur Einstufung und Kennzeichnung unter Anpassung an ältere EU-Vorschriften. Einzelheiten s. Abschn. 40.2.1. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – PestizidVerordnung I Geregelt werden die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und ihren Wirkstoffen sowie weitere Fragen wie Parallelimporte, Kontrollen oder Aufzeichnungspflichten. Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30.05.2008 zur Festlegung von Prüfmethoden zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) I Festgelegt werden nähere Details zu den Prüfmethoden, die zur Durchführung der CLP- und der REACH-Verordnung notwendig sind. Konkret geht es um Verfahren zur Messung physikalisch-chemischer Daten, um Messverfahren für Humantoxikologie und um solche für Ökotoxikologie. Verordnung (EG) Nr. 648/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über Detergenzien – Detergenzien-Verordnung I Umweltprobleme mit Wasch- und Reinigungsmitteln führten zu einer der bekanntesten EU-Regelungen im Bereich des Gewässerschutzes.
40.1 Einführung und rechtliche Grundlagen
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Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten – Biozid-Verordnung I Bereits mit dem Vorläufer, der Biozid-Richtlinie 98/8/EG wurden erstmals einheitliche Regelungen für Schädlingsbekämpfungsmittel eingeführt. Die Bestimmungen sind angelehnt an die Pestizid-Verordnung, jedoch gibt es teilweise andere Risikobewertungen für dieselben Wirkstoffe. Verordnung (EU) Nr. 649/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien – Export-ImportVerordnung (PIC-Verordnung) I Beschwerden mehrerer Entwicklungsländer über den unkontrollierten Import von gefährlichen Chemikalien führten zu einer Regelung, die auch unter dem Stichwort „prior informed consent (PIC)“ bekannt ist. Bestimmte Chemikalien unterliegen dem Verfahren der Ausfuhrnotifikation oder dem Erfordernis der ausdrücklichen Zustimmung. Die Liste wird u. a. gemäß den Entwicklungen des Rotterdamer Übereinkommens regelmäßig aktualisiert. Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe – POP-Verordnung I Sie setzt das Stockholmer Übereinkommen und das Protokoll zum Genfer Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend POP (Persistant Organic Pollutants) um. Unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips werden In-Verkehr-Bringens- und Freisetzungsverbote sowie abfallrechtliche Maßnahmen festgelegt. Richtlinie 98/24/EG des Rates vom 7. April 1998 zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit – Gefahrstoff-Richtlinie I Die Richtlinie musste, wie alle Richtlinien, in nationales Recht umgesetzt werden. Dies erfolgte mit der Gefahrstoffverordnung, die ausschließlich das verbindliche Recht darstellt. Wie bei allen Arbeitsschutz-Richtlinien handelt es sich um Mindestvorschriften, die in begrenztem Umfang national verschärft werden können. Einzelheiten s. Abschn. 40.2.4 Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdungen durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit – Krebs-Richtlinie I Die Richtlinie wurden zum größten Teil bereits 1990 erlassen und regelt deshalb auch keine reproduktionstoxischen Stoffe. Die später erlassene Gefahrstoff-Richtlinie umfasst hingegen alle gefährlichen Stoffe. Bei unterschiedlichen Regelungen gilt jeweils die strengere Vorgabe. Die Umsetzung erfolgte mit der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).
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40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
Abb. 40.1 System der Chemikalienregulierung in der EU
A Risikomanagement
B Risikobewertung
C Risikobeschreibung Basis für A - C Exposition mit Belastungsdauer und -höhe Wirkung auf Gesundheit und Umwelt
Richtlinie 2009/148/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz – Asbest-Richtlinie I Es handelt sich um die letzte noch verbliebene Richtlinie – ursprünglich von 1983 – zu einem Einzelstoff, einem viele Jahre üblichen Regelungskonzept auf EUEbene. Bemerkenswert ist, dass auch in der Fassung von 2003 praktisch nicht auf die krebserzeugende Wirkung von Asbest hingewiesen wird. Die Umsetzung erfolgte mit der Gefahrstoffverordnung. Die Grundprinzipien des Systems der EU-Regulierung, die übergreifend für alle Bereiche gelten, zeigt Abb. 40.1. Die Unterschiede in den beiden wichtigsten allgemeinen EU-Verordnungen, die im nachfolgenden Abschn. 40.2 im Detail dargestellt sind, zeigt Abb. 40.2.
Bezeichnung
Inhalte
Bedeutung
Geltung
CLP = Classification Labeling Packing
Einstufung Kennzeichnung Verpackung
Beschreibung der Gefahr = hazard identification
International (GHS-System)
Bezeichnung
Inhalte
Bedeutung
Geltung
Bewertung des Risikos = risk evaluation
EU-weit, auch für Importe in die EU
REACH = Registration Evaluation Authorisation of Chemicals
SDB* Registrierung Stoffbewertung Zulassung und Beschränkung
Abb. 40.2 Chemikalien im EU-Binnenmarkt: CLP und REACH im Überblick und Vergleich (*SDB = Sicherheitsdatenblatt, auch safety data sheet – SDS)
40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen 571
40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen 40.2.1 CLP – Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien 40.2.1.1 Überblick: Einstufung, Kennzeichnung und Risikobewertung Die CLP-Verordnung beruht auf dem Beschluss der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED, „Rio-Konferenz“, 1992) zur Einführung eines „Globally Harmonised System (GHS)“ zur Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Stoffgemische (Produkte bzw. Artikel, die diese Stoffe enthalten, sind in diesem System nicht erfasst!). Die Vertragsstaaten verpflichteten sich zur Umsetzung bis 2008. Ziel ist, alle gefährlichen Stoffe weltweit einheitlich einzustufen und zu kennzeichnen. Grundsätzlich ist jeder Hersteller von Stoffen verpflichtet, diese vor ihrem Inverkehrbringen in Eigenverantwortung einzustufen und zu kennzeichnen. Daraus resultieren jedoch häufig verschiedene Einstufungen für ein und denselben Stoff. Ein weiteres wesentliches Element der EU-CLP-Verordnung neben der Herstellerverpflichtung ist daher die harmonisierte Einstufung von Stoffen, die nach ihren inhärenten Eigenschaften – das sind z. B. Toxizität und Karzinogenität – erfolgt. Auslöser ist in der Regel der Vorschlag eines Mitgliedstaates, aber auch Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender können entsprechende Vorschläge für noch nicht harmonisierte Stoffe bei der ECHA einreichen. Innerhalb von 18 Monaten hört der Ausschuss für Risikobeurteilung die Beteiligten an und gibt anschließend eine Stellungnahme an die EU-Kommission ab. Auf Grundlage der Stellungnahme erarbeitet die EU-Kommission einen Entwurf einer delegierten Verordnung und hört anschließend das entsprechende Expertengremium an. Der Rat kann eine solche delegierte Verordnung nur mit qualifizierter Mehrheit, das EP mit einfacher Mehrheit zurückweisen. Die so harmonisiert eingestuften Stoffe werden in den Anhang VI der Verordnung aufgenommen. Fachlich zu unterscheiden sind also die Begriffe Einstufung: Zuordnung von Stoffeigenschaften zu einem Gefährlichkeitsmerkmal (z. B. „giftig“). Die Stoffeigenschaften werden durch Einstufungsverfahren (sog. Prüfmethoden) ermittelt und anhand von Einstufungskriterien bewertet. Kennzeichnung: Sichtbare oder tastbare Hinweise auf gefährliche Eigenschaften auf der Verpackung in Form von Standardsymbolen (Piktogramme), Gefahren- und Sicherheitshinweisen. Verpackung: Umhüllung von Chemikalien, die einen Kontakt mit dem Umfeld ausschließen soll (Expositionsvermeidung). Risikobewertung: Ein Stoff muss in direktem Kontakt mit einem Organismus treten, um diesen schädigen zu können („Exposition“). Die Wirkung hängt u. a. von Dosis, Zeit, Wirkort und Art der Wechselwirkung ab. Dies ist nicht bereits durch die Einstufung oder die Kennzeichnung erkennbar, sondern erst über eine Risikobewertung. Rechtsgrundlage hierfür liefert u. a. die REACH-Verordnung.
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40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
Das Ziel einer Vereinheitlichung über das UN-GHS als weltweite Basis ist nur mit Einschränkungen erreicht. Die UN-Mitglieder haben die Möglichkeit, im GHS-System enthaltene Optionen und Spielräume auszunutzen. Die EU hat in der CLP-Verordnung hiervon Gebrauch gemacht, die USA in den OSHA-Regulations (Agency for occupational safety and health). Hinzu kommen ergänzende nationale Regelungen in der EU und bundesstaatliche Abweichungen in den USA: Ein häufig auftretendes Missverständnis ist, die Prüfmethoden und Einstufungskriterien seien naturwissenschaftlich exakt und eindeutig. Tatsächlich aber handelt es sich um Vereinbarungen und Konventionen. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, hat man z. B. die Prüfmethoden standardisiert und Verfahren gewählt, die möglichst weltweit mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können. Änderungen dieser Standards sind daher mit einem großen Aufwand verbunden. Auch in den Einstufungskriterien, die im Laufe der Jahre immer wieder geändert wurden, zeigen sich die Kompromisse zwischen Umwelt- und Gesundheitsschutz einerseits und wirtschaftlichen Interessen andererseits. Besonders nachteilig ist es, wenn der Gesetzgeber rechtliche Forderungen an die Einstufung oder Kennzeichnung anknüpft anstatt an die Risikobewertung. Hier ist die Versuchung groß, massiv Einfluss auf die Einstufung zu nehmen, um unerwünschte Folgen zu vermeiden (Beispiel: Verbot der Abgabe von karzinogenen Stoffen an Privatverbraucher oder deren Einsatz als Pestizid). Eine Übersicht findet sich in der Datenbank „Rechtsfolgen der Einstufung“ auf der Homepage der BAuA. Der gesamte Ablauf stellt sich wie folgt dar: Die CLP-VO bevorzugt einen expertengestützten Prozess der Einstufung. Die Gefährlichkeit eines Stoffes wird anhand von vorgegebenen Kriterien beurteilt und der Stoff entsprechenden Gefahrenklassen (= Art der Gefahr) und Gefahrenkategorien (= Abstufung innerhalb der Klassen) zugeordnet. Aufgrund der Einstufung werden dann die Kennzeichnungselemente ausgewählt und auf der Verpackung als Etikett angebracht. Beim Übergang von der Einstufung zur Kennzeichnung gehen Informationen verloren, da das Etikett in der Größe begrenzt ist. Die umfangreichen Originaldaten sind jedoch im Sicherheitsdatenblatt enthalten, das an gewerbliche Verbraucher ausgeliefert werden muss. Der Verwender muss bei der Risikobewertung dann auf diese Informationen zurückgreifen. Die Kennzeichnung dient insoweit nur der Erstinformation. Eine Risikobewertung findet dabei nicht statt. Als EU-VO gilt die CLP-VO unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Soweit in der Verordnung Optionen enthalten sind (z. B. zur Sprache des Etiketts), sind hierzu Festlegungen in der GefStoffV getroffen.
40.2.1.2 Physikalische Gefahren bei der Einstufung und Kennzeichnung Zu den physikalischen (eigentlich: physikalisch-chemischen) Gefahren gehören: Instabile und explosive Stoffe wie Sprengstoffe, Peroxide, pyrophore und oxidierende Stoffe, selbstzersetzliche Stoff o. ä. Entzündbare und selbstentzündliche Stoffe
40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen 573
Gase unter Druck Metallkorrosive Stoffe Erfasst werden Feststoffe, Flüssigkeiten, Gase, Aerosole als Stoff oder als Stoffgemisch. Die Betonung der Gefahren liegt also bei Brand und Explosion. Die Kriterien berücksichtigen besonders die Gefahren, die beim Transport und bei der Lagerung auftreten. So liegen die Flammpunktgrenzen jetzt bei 23 °C und bei 60 °C (bisher bei 21 bzw. 55 °C), um die Verhältnisse in den Tropen besser abzubilden. Diese Ausweitung der Kriterien hat erhebliche Auswirkungen auf Transport und Lagerung, da die Vorschriften über die Zusammenlagerung oder den gemeinsamen Transport verschiedener Gefahrenklassen sich an der Kennzeichnung orientierten. Man erkennt, dass die Kriterien nicht willkürlich gewählt sind, sondern Erfahrungswerte darstellen, aber dennoch gelegentlichen Änderungen unterworfen sind. Physikalische Gefahren werden bei Stoffen und Stoffgemischen fast immer experimentell ermittelt. Die Prüfmethoden sind weltweit standardisiert, für die EU in der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30.05.2008 zur Festlegung von Prüfmethoden. Einfache Prüfungen wie z. B. Flammpunkt und Siedebeginn können von vielen Unternehmen selbst durchgeführt werden. Peroxide oder Sprengstoffe hingegen müssen von spezialisierten Labors getestet werden. Geprüft wird der Stoff so, wie er für den Transport oder die Verwendung vorliegt. Pyrotechnik oder Peroxide also z. B. einschl. Verpackung, bei Aerosolen der Sprühstrahl, Gase unter Normalzustand (20 °C und 101 kPa). Will der Unternehmer also eine brennbare Flüssigkeit wie Petroleum unter erhöhter Temperatur einsetzen, kann er sich nicht auf die Einstufung/Kennzeichnung verlassen, sondern muss die Gefahren selbst ermitteln. Gleiches gilt bei Stoffgemischen, deren Bestandteile unterschiedliche Siede- und Flammpunkte haben und sich beim Erwärmen in ihre Bestandteile aufteilen können. Im Betrieb erfolgt dies über die im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung. Eine fehlende Kennzeichnung besagt also nicht, dass ein Stoff ungefährlich ist oder ob er nicht doch bei der vorgesehenen Verwendung gefährlich werden kann. So ist ein Stück Holz nach den derzeitigen Kriterien kein entzündbarer Feststoff. Der beim Sägen entstehende Holzstaub jedoch bildet mit Luft explosionsfähige Gemische, weshalb in Schreinereien Explosionsschutzmaßnahmen vorgeschrieben sind. Weder Holz noch Holzstaub werden derzeit gekennzeichnet.
40.2.1.3 Gesundheits- und Umweltgefahren bei der Einstufung und Kennzeichnung Während die Ermittlung physikalischer Gefahren wegen der Gefährdungen beim Transport oder der oft schwerwiegenden Auswirkungen auf den Fortbestand des Unternehmens schon seit dem letzten Jahrhundert auch international geregelt wurde, trat die Ermittlung toxischer Gefahren erst seit den 1980er-Jahren verstärkt in das fachliche Interesse. Waren es zunächst nur die Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten, so kamen im Laufe der letzten Jahrzehnte verstärkt die Interessen des Verbraucher- und Umweltschutzes hinzu. Dies hatte erhebliche
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40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
Auswirkungen auf die Einstufung und Kennzeichnung. Neue Gefahrenklassen wie sensibilisierend und umweltgefährlich wurden geschaffen und die Kriterien z. B. für augenschädigend verändert. Auch die Schutzvorschriften wurden angepasst. So gab es in der ersten GefStoffVO von 1986 zwar schon Bestimmungen zu brennbaren Stoffen, aber fast keine zu karzinogenen. Heute werden letztere in einem eigenen Abschnitt geregelt. Die Einstufung der Gesundheits- und Umweltgefahren folgt bei Stoffen auf der Grundlage experimenteller Prüfergebnisse, häufig noch durch Tierversuche. Diese sind wie bei den physikalischen Gefahren weltweit standardisiert. Stoffgemische hingegen können in vielen Fällen über eine Expertenbeurteilung bewertet werden, indem man die Eigenschaften der Einzelstoffe im Gemisch zugrunde legt und Übertragungsgrundsätze (engl. „bridging principles“) anwendet. Dies dient nicht nur dem Tierschutz, sondern erspart auch viel Zeit und Aufwand bei der Beurteilung ähnlicher Gemische. Nachteil des Verfahrens ist eine erhebliche Abhängigkeit von der Qualität der Expertenbeurteilung, auch wenn die Grundsätze in der CLP-VO verbindlich vorgegeben sind. Da viele Vorschriften unmittelbar an die Einstufung oder Kennzeichnung anbinden sollte man die Grenzen des Verfahrens kennen und auch verstehen, warum bei wirtschaftlich wichtigen Chemikalien immer wieder unterschiedliche Einstufungen diskutiert werden. Zu den Umweltgefahren gehören: Wassergefährdung Schädigung der Ozonschicht Man erkennt, dass die Umweltgefahren noch nicht besonders ausdifferenziert sind und sich gegenwärtig vor allem auf das Kompartiment Wasser konzentrieren. Dies liegt zum einen an der historischen Entwicklung des Einstufungs- und Kennzeichnungssystems und dessen ursprünglichem Schwerpunkt auf dem Transportrecht und dem Arbeitsschutz. Zum anderen spiegelt sich auch die Schwierigkeit wider, sich auf standardisierte Testmethoden und Bewertungskriterien zu einigen. Auch wird die Bedeutung sauberer Gewässer, Luft und Böden UN-weit noch nicht ausreichend gewürdigt. Die Bewertung erfolgt bei Stoffen über Prüfdaten (akute aquatische Toxizität) und bei Gemischen über Berechnungsverfahren. Zu den Gesundheitsgefahren gehören: Akut toxische Gefahren durch Einatmen, Hautkontakt oder Verschlucken Ätz- und Reizwirkung auf Haut oder Augen Chronisch toxische Gefahren und Langzeitwirkungen wie Sensibilisierung, Karzinogenität, Keimzellmutagenität, Reproduktionstoxizität Aspirationsgefahren, betäubende Wirkungen Stoffe werden vorwiegend über Prüfdaten, seltener – aber zulässig – über Erfahrungswerte beim Menschen eingestuft. Die Prüfmethoden sind weltweit standardisiert, für die EU in der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30.05.2008 zur Festlegung von Prüfmethoden. Anders als bei den physikalischen Prüfmethoden werden die Versuche im Allgemeinen in darauf spezialisierten La-
40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen 575
bors durchgeführt und nur ausnahmsweise bei großen Herstellern durch diese selbst. Heftige Kritik an den zumeist üblichen Tierversuchen hat dazu geführt, dass Alternativen entwickelt wurden. Speziell bei den aufwendigen Langzeitversuchen auf Karzinogenität werden gerne auch ältere Tierversuche revalidiert, was jedoch häufig zu strittigen Bewertungen Anlass gibt. Stoffgemische werden schon aus Kostengründen generell über die Eigenschaften und Konzentrationen ihrer Inhaltsstoffe bewertet. Bei Karzinogenen ist dies aus Tierschutzgründen sogar vorgeschrieben. Der Hersteller hat jedoch die Möglichkeit, durch Prüfdaten nachzuweisen, dass sein Gemisch nicht die errechneten Eigenschaften aufweist, und muss dann diese Ergebnisse seiner Einstufung zugrunde legen. Die korrekte Einstufung von Stoffen ist daher essentiell: Fehler oder unterschiedliche Einstufungen werden über die gesamte Lieferkette und bei jedem neuen Stoffgemisch fortgeschrieben! Einzig mögliche Abhilfe ist die sog. Legaleinstufung durch die EU-Kommission in Form von Stofflisten. Hieran sind dann alle gebunden. Die Berechnungs- und Abschätzungsverfahren bei Stoffgemischen sind Expertenabschätzungen und berücksichtigen u. a. Verdünnungen, Chargenvergleiche, Stoffkonzentrationen, Interpolationen vergleichbarer Gemische oder Berechnung anhand von Konzentrationsgrenzwerten. Die in der CLP-VO vorgegebenen Konzentrationsgrenzwerte können allgemein oder stoffspezifisch sein und sind so gewählt, dass sie i. a. zu einer strengeren Bewertung als bei Durchführung einer experimentellen Prüfung führen. Vorgegeben ist auch, bei welchen Stoffeigenschaften eine Addition der Bestandteile durchgeführt wird oder jeder Bestandteil einzeln bewertet wird (nicht-additive konventionelle Methode). Multiplikationsfaktoren gibt es derzeit nur für die aquatische Toxizität. Die Prüfergebnisse bei der akuten Toxizität werden als LD50 für die orale oder dermale Aufnahme und als LC50 für die inhalative Aufnahme als Akuttoxizitätswerte angegeben. Auch Akuttoxizitätsschätzungen (ATS) sind möglich. Die Zuordnung der Prüfdaten zu den einzelnen Gefahrenkategorien erfolgt über definierte Grenzwerte. Diese sind in den Einstufungstabellen der CLP-VO festgelegt. Dabei handelt es sich um Konventionen, die auf toxikologischen und (arbeits-)medizinischen Erfahrungen beruhen. Die Konventionen unterliegen auch fachpolitischen Einflüssen und wurden beim Übergang vom alten zum neuen System 2010 teilweise geändert. So wurde die Grenze für die orale akute Toxizität der Gefahrenkategorie 3 von 500 auf 300 mg=kg Körpergewicht herabgesetzt, um den Verbraucher besser zu schützen. Ebenso wie bei den Änderungen der Grenzen für die physikalischen Gefahren haben auch diese Änderungen große Auswirkungen auf die Betriebe wegen der daran geknüpften Rechtsvorschriften. Auch bei den toxischen Gefahren gibt es wie bei den physikalischen Gefahren Abschneidegrenzen. Für die akute orale und dermale Toxizität liegen sie bei 2000 mg=kg Körpergewicht. Oberhalb entfallen Einstufung und damit auch Kennzeichnung. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht auch mit Kochsalz „vergiften“ könnte – allein die Dosis macht’s, wie schon Paracelsus wusste. Betrachtet man die Einstufungstabellen genauer, findet man zumeist Standardabstufungen von 0,1, 1, 3 und 5 % oder Abstufungen in Zehnerpotenzen. Auch derartige Konventionen zeigen, dass den Einstufungen pragmatisch Erfahrungswerte
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40 Chemikaliensicherheit und Gefahrstoffrecht
hinterlegt sind, da andernfalls die Vielzahl der möglichen Stoffgemische praktisch nicht handhabbar wäre. Bei diesen Konventionen handelt es sich jedoch nicht um Risikobewertungen im üblichen Sinne. Die Vorgaben dienen lediglich dazu, möglichst einheitliche und vergleichbare Einstufungen weltweit sicherzustellen und sind in der Regel konservativ gewählt, d. h. im Zweifel zugunsten des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt.
40.2.1.4 Besonderheiten bei der Kennzeichnung von Chemikalien Die Kennzeichnung dient der Erstinformation des Anwenders. Häufig werden auch Rechtsvorschriften z. B. zur Lagerung oder zum Verkauf an die Kennzeichnung angebunden, weil diese leicht erkennbar auf dem Etikett zu finden ist. Die Kennzeichnung gibt die bei der Einstufung zusammengetragenen Informationen jedoch nur in vereinfachter Form wieder, d. h., es wird nur auf die Hauptgefahren hingewiesen. Auch bei den standardisierten Gefahrenhinweisen (H-Sätzen, engl. „hazard“) und Sicherheitshinweisen (P-Sätzen, engl. „prevention“) sind Vereinfachungen zulässig, da das Etikett nur eine begrenzte Größe hat und der Text noch lesbar sein muss. Die Kennzeichnung ist keine Risikobewertung, sondern weist auf die Gefahren hin, die bei einer Exposition auftreten können. Es ist Aufgabe des Anwenders für eine sichere Verwendung zu sorgen. Hierzu dient im gewerblichen Bereich die Gefährdungsbeurteilung. Dazu muss der Anwender aber auf die vollständige Stoffinformation zurückgreifen, also auf die der Einstufung zugrunde liegenden Daten. Diese erhält er über das Sicherheitsdatenblatt, das nicht in der CLP-VO, sondern in der REACH-VO vorgeschrieben ist. 40.2.1.5 Verpackung von Chemikalien Die Verpackung von Stoffen und Stoffgemischen ist in der CLP-VO deutlich weniger genau geregelt als die Einstufung und Kennzeichnung. Grund dafür ist, dass viele Chemikalien an ihren Verwendungsort transportiert werden müssen und die internationalen Gefahrgutvorschriften sehr detaillierte Verpackungsanforderungen enthalten. Diese sind i. a. so ausgelegt, dass sie auch für eine längere Lagerung geeignet sind oder die zusätzlichen Anforderungen z. B. beim Transport über den Seeweg berücksichtigen. Eine Besonderheit der CLP-VO sind jedoch Anforderungen an kindergesicherte Verpackungen oder tastbare Warnzeichen für Sehbehinderte.
40.2.2 REACH – Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien 40.2.2.1 Überblick: Inverkehrbringen und Gebrauch von Chemikalien, Überschneidungen mit anderen Rechtsbereichen REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien). Die EU-Verordnung Nr. 1907/2006 regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und den Umgang mit Chemikalien und ist am 1. Juni 2007 in Kraft getreten. Sie enthält Bestimmungen
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zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe und hat das bisherige Anmeldeverfahren für neue Stoffe nach dem Chemikaliengesetz und das Altstoffverfahren nach der EU-Altstoffverordnung abgelöst. Schwerpunkte der Verordnung sind eine allgemeine Registrierungspflicht für alle in der EU hergestellten oder eingeführten Stoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), Kommunikationspflichten in der Lieferkette, die Bewertung dieser Stoffe durch die Mitgliedstaaten der EU und die weitergehende Regulierung bestimmter gefährlicher Stoffe. Diese werden entweder in bestimmten Anwendungen beschränkt oder einem europäischen Zulassungsverfahren unterworfen. Ziel der REACH-Verordnung ist also die systematische Erfassung aller auf dem europäischen Markt hergestellten, importierten und in Verkehr gebrachten Stoffe und Stoffgemische, deren Bewertung hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials sowie der Entscheidung über zweckmäßige Risikomanagementmaßnahmen. REACH bedeutet für die Hersteller eine grundlegende Umstellung der bisherigen Rechtssystematik. Der Grundsatz „no data – no market“ war bislang nur aus anderen Bereichen bekannt (z. B. Arzneimittel), aber nicht auf einen Bereich mit wenig spezifizierten Chemikalien angewendet worden. Da es weiterhin Sonderregelungen zu Spezialchemikalien gibt (z. B. Pestizide, Biozide, Arzneimittel), die nur begrenzt aufeinander abgestimmt sind, sind auch zukünftig unterschiedliche Regelungen in Spezialbereichen vorhanden (Beispiele: Glyphosat, ein unter „round-up“ vermarktetes Pestizid oder die Bewertung von Alkohol in Genussmitteln). Konfliktpotential gibt es auch zu anderen Bereichen wie Arbeitsschutz oder Gewässerschutz mit jeweils eigenständigen Regelungsansätzen. Praktische Probleme werden in den nächsten Jahren zunehmen und müssen vorzugsweise schon auf EU-Ebene gelöst werden. Überraschend ist für viele Hersteller, dass nicht nur die chemische Industrie im engeren Sinne, sondern die gesamte Verarbeitungskette betroffen ist. So hat es z. B. die Hersteller von Badarmaturen überrascht, dass sie mit ihren Verchromungsbädern den REACH-Regularien unterfallen und Rechtspflichten im Zulassungsverfahren haben. Beachte: Ebenso wie die CLP-VO erfasst REACH nur ausnahmsweise Produkte (engl. „article“). Der Import von nicht registrierten Stoffen als Bestandteil von Produkten (z. B. Farben in Textilien, Weichmacher in Spielzeug) ist ein großes Problem für die Gesundheit des Verbrauchers und die Umwelt. Als EU-VO gilt die REACH-VO unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Soweit in der Verordnung Optionen enthalten sind (z. B. zur Durchführung), sind hierzu Festlegungen im ChemG, in der GefStoffVO oder in der ChemVerbotsV getroffen. Unterschiede der Zielrichtungen von CLP- und REACH-Verordnung mit Analogien: Die CLP-Verordnung zielt allein auf die Ermittlung und die daraus resultierende Einstufung und Kennzeichnung der einem Stoff unabdinglich innewohnenden gefährlichen (den sog. intrinsischen) Eigenschaften. Analogie: ein Tiger ist per se gefährlich, ob eingesperrt oder nicht. Die Feststellung der Gefährlichkeit ist überhaupt erst Anlass, ein Einsperren als Risikominderungsmaßnahme oder – bei beruflich exponiertem Personal (Dompteure) – bestimmte Maßnahmen (Ausbildung, Arbeitsplatzgestaltung, Schutzkleidung usw.) vorzusehen. So ist es auch bei
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gefährlichen Stoffen: Erst die Feststellung der Art der Gefährlichkeit versetzt den Arbeitgeber in die Lage, den geeigneten Schutz für seine Arbeitnehmer vorsehen zu können. Diesbezügliche Feststellungen über die Eigenschaften von Stoffen sind absolut unabhängig von Verwendungszweck, wirtschaftlicher Bedeutung oder anderen sachfremder Erwägungen. Diese wären auch überaus nachteilig für das wirtschaftliche Handeln, da sie ggf. absichtlich fehlerhafte Bewertungen bezüglich dieser Stoffe hervorrufen könnten zum Schaden der nachgeschalteten Anwender/ Kunden des Stoffherstellers. Die REACH-Verordnung zielt hingegen auf Regelungen zur Beherrschung des Risikos, das von besonders gefährlichen Stoffen ausgeht. Analogie: für den als gefährlich erkannten Tiger wird zum einen zum Schutz für die Allgemeinheit die Beschränkung auf einen Aufenthalt in Käfigen vorgesehen; für den Umgang mit Tigern für beruflich exponierte Personen (Dompteure, Zoopfleger usw.) werden hingegen Zulassungspflichten für den Betrieb auferlegt (Umgangsregeln). So ist es auch bei den besonders gefährlichen Stoffen: am Beispiel von karzinogenen ChromVI-Verbindungen wird im Rahmen der Zulassungspflicht der Umgang bei der Verwendung dieser Stoffe z. B. bei der Verchromung geregelt; im Rahmen der Beschränkung hingegen wird der vertretbare, zulässige Restgehalt an freiem ChromVI aus der Gerberei in Lederprodukten festgelegt. Für einen Außenstehenden ist es zunächst schwierig, den Zusammenhang zwischen der CLP- und der REACH-Verordnung zu finden. Ergänzend zu dem Überblick in Abb. 40.2 zeigt Abb. 40.3 den inneren Zusammenhang zwischen beiden Bereichen. Beide Systeme sind historisch gewachsen, wobei die Vorschriften zu CLP schon seit 1967 auf EU-Ebene relativ umfassend und gebietsübergreifend vor-
Einstufung ("hazard")
Kennzeichnung Verpackung
CLP
Exposition ("risk") Tätigkeiten und Anwendungen Expositions-Ermittlung
Expositions-Szenario
REACH
Chemikalien Sicherheitsbericht Sicherheitsdatenblatt
Abb. 40.3 Die zentrale Bedeutung von Einstufung und Exposition bei CLP und REACH
40.2 Kernbereiche des EU- und des nationalen Chemikalienrechts in Einzeldarstellungen 579
lagen und in der Folgezeit immer weiter verbessert und ausgeweitet wurden. Auch das Sicherheitsdatenblatt gehörte damals dazu und diente einer vertieften Information über die Kennzeichnung mit ergänzenden Hinweisen und Ratschlägen für den gewerblichen Anwender.
40.2.2.2 Registrierung und Informationsübermittlung Nach REACH ist jeder Hersteller oder Importeur eines Stoffes verpflichtet, ein Registrierungsdossier bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einzureichen, wenn die hergestellte oder importierte Menge des Stoffes pro Hersteller oder Importeur 1 Tonne pro Jahr erreicht oder überschreitet. Inhalte des Dossiers sind insbesondere die Prüfdaten zu physikalisch-chemischen, toxischen und ökotoxischen Stoffeigenschaften, ein so genannter Stoffsicherheitsbericht (nur bei Stoffen über 10 Jahrestonnen) sowie ein Einstufungs- und Kennzeichnungsvorschlag. Beim Import von Stoffen oder von Stoffen in Gemischen können die Registrierungspflichten von einem „Alleinvertreter“ des Exporteurs mit Sitz in der EU wahrgenommen werden. Die Prüfanforderungen im Rahmen der Registrierung sind nach Jahrestonnage gestaffelt und orientieren sich an den bisherigen Prüfanforderungen der Neustoffanmeldung. Neustoffe waren nach dem ChemG alle Stoffe, die nach dem 18. September 1981 vermarktet wurden. Die den Tonnagegruppen zugeordneten Prüfanforderungen sind in den Anhängen VII bis X der Verordnung detailliert festgelegt. Dabei bauen die Anforderungen aufeinander auf – also von Basisanforderungen im Bereich von 1–10 Jahrestonnen bis hin zu umfassenden Prüfanforderungen für Stoffe über 1000 Jahrestonnen. Das vorgesehene System soll durch die Möglichkeit des „Waiving“ (Weglassen von Prüfungen) an Flexibilität gewinnen, z. B. wenn bei den Verwendungen eines Stoffes die Exposition nicht nennenswert ist (expositionsgesteuertes „Waiving“). Dies wird im Anhang XI der Verordnung genauer festgelegt. Altstoffe (in der REACH-Terminologie: „Phase-in-Stoffe“) werden grundsätzlich den gleichen Anforderungen bei der Registrierung unterworfen wie neue Stoffe (Unterschied zu den bisherigen Regelungen im ChemG). Für die Registrierung von Phase-in-Stoffen ist ein zeitlich recht großzügig gestaffeltes System für die Einreichung der Registrierungsdossiers vorgesehen, das am 1. Juni 2018 endete. Allerdings ist eine Vorregistrierung obligatorisch, damit die betroffenen Unternehmen sich zu Konsortien zusammenschließen können, um das Verfahren einfacher zu gestalten. Im Rahmen von REACH ist die Übermittlung der Sicherheitsinformationen entlang der Lieferkette von besonderer Bedeutung. Hauptinstrument hierzu soll das Sicherheitsdatenblatt sein, welches sich in der Vergangenheit in erster Linie als Arbeitsschutzinstrument bewährt hat. Aus diesem Grund wurden die Inhalte der EGSicherheitsdatenblattrichtlinie 91/155/EWG nahezu unverändert in die REACHVerordnung übernommen. Das Sicherheitsdatenblatt gemäß REACH wird im Anhang auch Zusammenfassungen so genannter Expositionsszenarien enthalten, die vom Registrierpflichtigen
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für die von ihm identifizierten Verwendungen zu erstellen sind. Ein solches Expositionsszenario enthält dabei nicht nur Aussagen zu der bei einer Verwendung zu erwartenden Exposition, sondern auch Hinweise zu den entsprechend zu ergreifenden (Schutz-)Maßnahmen. Die vollständigen Expositionsszenarien sind Bestandteil des Stoffsicherheitsberichts. Der Informationsfluss muss jedoch nicht nur vom Hersteller/Importeur zum nachgeschalteten Anwender (REACH-Terminologie „downstream user“) gewährleistet sein, sondern auch in Gegenrichtung. Sonst kann das System nicht richtig funktionieren. Der registrierpflichtige Hersteller oder Importeur benötigt nämlich einen Überblick über die unterschiedlichen Verwendungen seines Stoffes sowie die mit den Verwendungen verbundenen Expositionen, die er prospektiv abschätzen muss. Dies ist zum Beispiel im Zusammenhang mit Entscheidungen über „Waiving“ oder im Hinblick auf die Erstellung von Expositionsszenarien von großer Bedeutung. Gemäß REACH bestehen dabei auch für nachgeschaltete Anwender bestimmte Informationspflichten gegenüber der ECHA, falls diese einen Stoff in einer Weise verwenden, die von den Expositionsszenarien des Herstellers/Importeurs nicht abgedeckt ist.
40.2.2.3 Bewertung von Chemikalien Den Behörden – der ECHA beziehungsweise den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten – kommt die Aufgabe der Bewertung zu. Dabei umfasst die Bewertung durch die Behörden Folgendes: Bewertung von Prüfvorschlägen der Registrierpflichtigen bezüglich der Anhänge IX und X (hochtonnagige Stoffe) im Rahmen der Registrierung. Prüfdaten entsprechend dieser Anhänge sind nicht sofort vorzulegen, weil ihre Generierung teilweise sehr lange dauert. Prüfung der Registrierungsdossiers auf Übereinstimmung mit den Anforderungen der REACH-Verordnung (REACH-Terminologie: „dossier evaluation“). Bewertung von Stoffen, die besonderen Anlass zur Besorgnis geben (REACHTerminologie: „substance evaluation“). Bei der Bewertung von Prüfvorschlägen kann die Behörde feststellen, dass eine vorgeschlagene Prüfung nicht erforderlich ist. Ergebnis der Bewertung kann aber auch die Forderung nach Vorlage weiterer Prüfdaten sein. Aufgrund begrenzter Ressourcen bei den Behörden wird nicht jedes Registrierungsdossier Gegenstand einer Prüfung auf Übereinstimmung mit der REACH-Verordnung sein können – Zielvorgabe hier ist mindestens 5 % der Dossiers. Eine Prüfung aller Dossiers ist auch nicht nötig, denn die „Umkehr der Beweislast“ ist ein Kernelement von REACH. Die Verantwortung soll zur Entlastung der Behörden hauptsächlich auf Seiten der Registrierpflichtigen liegen. Vor allem die Stoffbewertung eröffnet die Möglichkeit, Stoffe, die sich aus Erfahrungen in der Praxis als besonders problematisch erwiesen haben, vorrangig und besonders ausführlich zu behandeln.
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40.2.2.4 Zulassung, Beschränkungen und Verbote Gemäß REACH ist zusätzlich ein Zulassungsverfahren für Verwendungen von Stoffen mit besonders kritischen Stoffeigenschaften vorgesehen. Die folgenden Stoffgruppen werden hiervon erfasst: Stoffe, die krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Eigenschaften der Kategorien 1A oder 1B besitzen; Stoffe, die persistent, bioakkumulierend und toxisch (PBT) oder sehr persistent und sehr bioakkumulierend (vPvB) sind. Grundlage für die verwendungsbezogene Zulassungsentscheidung sind Analysen in Bezug auf das Risiko für Mensch und Umwelt einerseits und den sozioökonomischen Nutzen andererseits. In diesem Zusammenhang sieht die REACH-Verordnung die Einrichtung zweier entsprechender Ausschüsse bei der ECHA vor. Die abschließende Entscheidung über die Zulassung einer Verwendung wird im Regelungsausschuss-Verfahren auf Vorschlag der Kommission getroffen. Beschränkungen, das heißt Vermarktungs-, Verwendungs- und Herstellungsverbote oder -einschränkungen, von Stoffen erfolgen künftig im Rahmen von REACH. Aus diesem Grunde wurden die Inhalte der EG-Beschränkungsrichtlinie 76/769/EWG vollständig in REACH integriert (siehe dort Titel VIII in Verbindung mit Anhang XVII). Für Beschränkungen von Stoffen in der Zukunft enthält REACH eine im Vergleich zum früheren Verfahren vereinfachte Vorgehensweise. Die Beweislast bei Beschränkungen trägt wie bisher im Wesentlichen die Behörde, während bei der Zulassung die Industrie die Informationen beibringen muss.
40.2.3 ChemG – Chemikaliengesetz Das 1980 erlassene ChemG war richtungsweisend im Hinblick auf eine übergreifende und gleichzeitig zusammenführende Bewertung von Chemikalien. Schon damals wurde in Anlehnung an das Arzneimittelrecht eine Art Zulassung von Chemikalien diskutiert, wie sie erst viele Jahre später mit der REACH-Verordnung eingeführt wurde. Aus wirtschaftlichen Gründen entschied man sich jedoch dazu, sich primär am europäischen Recht zu orientieren. Dies führte zu der rechtlich und praktisch entscheidenden Einteilung von Chemikalien in alte und neue Stoffe. Stichtag war der 18. September 1981. Für alle Stoffe, die danach vermarktet wurden, galt ein Anmeldeverfahren, das je nach Vermarktungsmenge (Tonnen pro Jahr) die Einreichung eines bestimmten Prüfdatensatzes bei der Behörde vorsah. Sobald die vorgeschriebenen Unterlagen vollständig eingereicht waren konnte der Stoff ohne weitere Eingriffsmöglichkeit durch die Behörde vermarktet werden. Neustoffe ab 1981 und ab einer Tonnage von 1 t=a können daher als relativ gut untersucht angesehen werden. Allerdings wurden in den ersten 30 Jahren nur ca. 5000 Neustoffe vermarktet.
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Grund dafür waren zum einen großzügige Ausnahmen für Forschung und Entwicklung oder für nur innerbetrieblich verwendete Stoffe. Ein weiterer Grund war die sehr umfangreiche Liste der Altstoffe mit ca. 100.000 Stoffen. Zu den geschätzten 30.000 tatsächlich handelsüblichen Stoffen hatte die betroffene Wirtschaft damals alle Stoffe gemeldet, die irgendwann auch in kleinen Mengen vermarktet worden waren. Altstoffe waren außergewöhnlich privilegiert: Es mussten nur die Prüfdaten und Informationen an den Verwender gegeben werden, die beim Hersteller bereits vorlagen. Die fehlenden Daten sollten nachträglich im Rahmen eines durch die nationalen Behörden (!) arbeitsteilig zu erledigenden Altstoffprogramms erhoben werden. In den ersten 30 Jahren wurden jedoch nur ca. 100 Stoffe abschließend behandelt (0,1 % aller Altstoffe). Nicht gelöst wurde bei diesem Vorgehen das Problem der Bewertung der Vielzahl alter Stoffe, die den Chemikalienmarkt weitestgehend dominierten. Ferner lag die Verantwortung bei den Behörden und nicht beim Hersteller. Beides wurde erst mit der REACH-Verordnung von 2006 geändert – also etwa 30 Jahre nach Erlass des ChemG – und bedeutete für die Hersteller eine grundlegende Umstellung der bisherigen Rechtssystematik. Die rechtliche Entwicklung spiegelt sich auch im jetzigen Inhalt des ChemG wieder. Von den ursprünglichen Regelungen zum Anmeldeverfahren für neue Stoffe und dem Bewertungsverfahren für alte Stoffe sind praktisch nur noch die Bestimmungen zur Guten Laborpraxis (GLP) im 6. Abschnitt und den Anhängen 1 und 2 übrig geblieben. Ein Altbestand sind auch die Mitteilungspflichten für Gemische im 4. Abschnitt, die primär als Unterstützung für die Giftinformationszentralen gedacht sind. Die 1980 aufgebauten Behördenstrukturen sowie die Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen Bunde- und Landesbehörden wurden ausgeweitet und finden sich jetzt im 2. Abschnitt, ergänzt um Abschnitt IIa speziell für Biozide sowie teilweise auch im 7. Abschnitt. Abschnitt IIa ist der noch verbliebene Rest der ursprünglichen Umsetzung der EG-Biozid-Richtlinie 98/8/EG im ChemG, die inzwischen durch die EU-Biozidverordnung 528/2012 ersetzt wurde. Ebenso wie bei der REACH- und der CLP-Verordnung werden auf EU-Ebene keine Vollzugsfragen geregelt und auch kein Strafbewehrungen festgelegt. Dies ist weiterhin Aufgabe der Mitgliedstaaten. In Deutschland mit seiner föderalen Struktur muss dabei auch festgelegt werden, welche Aufgaben den Bundesbehörden und welche den Landesbehörden zugewiesen werden. Vor allem der 7. Abschnitt enthält dazu zahlreiche Detailregelungen. Von überwiegend historischem Interesse sind inzwischen der 1. und der 3. Abschnitt. Das meiste ist mittlerweile in den EU-Verordnungen geregelt, dort allerdings weniger übersichtlich als hier im ChemG. Speziell in § 2 erkennt man die großen Schwierigkeiten des Gesetzgebers, eine sinnvolle Abgrenzung zu anderen bestehenden Spezialgesetzen zu finden. Dieses Problem besteht übrigens auch auf EU-Ebene und ist auch dort nur unbefriedigend gelöst. Die Begriffsbestimmungen in § 3 sind insoweit bemerkenswert, als der Begriff „Chemikalie“ dort nicht auftaucht. Ungewohnt für Naturwissenschaftler sind auch ein Rechtsbegriff wie „Stoff“, der nicht nur das chemische Element, sondern auch alle seine Verbindungen
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einschließt und zudem noch herstellungsbedingte Verunreinigungen. Verwirrend, aber für Juristen nicht ungewohnt ist, dass an anderer Stelle weitere Definitionen zu finden sind, so z. B. der Begriff „Gefahrstoff“ erst in § 19. Zu beachten ist, dass die hier festgelegten Begriffe nur für den Anwendungsbereich des ChemG gelten und z. B. der Begriff „Inverkehrbringen“ in anderen, auch verwandten, Rechtsbereichen anders definiert sein kann. Der 3. Abschnitt enthält die früher sehr wichtigen Ermächtigungen zur Umsetzung der EG-Richtlinien über die Einstufung und Kennzeichnung als ältester Teil einer EU-weiten chemikalienrechtlichen Regelung. Interessant ist vor allem die Möglichkeit, über die EU-Regelungen hinauszugehen. Hiervon wurde in der GefStoffV in Sonderfällen Gebrauch gemacht. Im Übrigen gelten inzwischen die Bestimmungen der EU-CLP-Verordnung Nr. 1272/2008. Neben den Regelungen zu den nationalen Behörden in Abschnitt 2 und 2a sowie den allgemeinen Bestimmungen in Abschnitt 7 gehören die seit 1980 im ChemG vorhandenen Ermächtigungsnormen in Abschnitt 5 zu den Kernbestimmungen des aktuellen ChemG. Die drei Ermächtigungen in §§ 17, 18 und 19 sind jedoch nicht von selbst wirksam, sondern müssen erst in Verordnungen der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates konkret ausgefüllt werden. Die Zustimmung des Bundesrates ist erforderlich, weil allein die Länder für den Vollzug der entsprechenden Verordnungen zuständig sind und deshalb ein Mitwirkungsrecht bei diesen sie betreffenden Vorschriften haben. Von den Ermächtigungen in § 18 wurde bisher nie Gebrauch gemacht. Ein Grund dafür dürfte sein, dass es in den meisten Ländern landesgesetzliche oder kommunale Regelungen gibt und bisher kein Bedarf für eine bundesweite Regelung gesehen wurde. Bemerkenswert an der Ermächtigung ist, dass alle anderen Bestimmungen im Chemikaliengesetz sich auf Chemikalien, also nicht lebende Materie beziehen. Lediglich in § 19 war längere Zeit noch eine inzwischen gestrichen Option für Krankheitserreger enthalten. Die EU-Regelungen zu Chemikalien schließen zwar Naturstoffe im Stoffbegriff mit ein, jedoch fallen lebende Tiere und Pflanzen nicht darunter. Extensiv Gebrauch gemacht wird demgegenüber bis heute von den Ermächtigungen in § 17. Diese sind umfassend ausgestaltet, d. h. neben Stoffen und Gemischen können auch Erzeugnisse geregelt werden und neben Herstellen und Verwenden wird auch das Inverkehrbringen erfasst. Konkrete Regelungen dazu sind vor allem in der ChemVerbotsV und der GefStoffV enthalten. Verbote und Beschränkungen gehören zu den Maßnahmen, die mit am weitesten in die Wirtschaft und die Eigentumsrechte eingreifen. Die Ermächtigungen in § 17 sind deshalb sehr präzise formuliert. Die zu erlassenden Verordnungen müssen ferner auch mit den Betroffenen besprochen werden. Dazu werden formelle Anhörungsverfahren durchgeführt, die in § 17 sogar näher bestimmt sind. Sehr genau, aber auch umfassend beschrieben sind die Ermächtigungen zum Schutz der Beschäftigten in § 19. Dies geht zurück auf das alte Reichsgesetz über gesundheitsschädliche und feuergefährliche Arbeitsstoffe, das mit dem ChemG 1980 aufgehoben wurde. Inzwischen liegt mit dem Arbeitsschutzgesetz von 1996 eine weitere Regelungsgrundlage vor, die allerdings weniger detailliert und che-
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miebezogen ist. Die Ermächtigungen im ChemG werden fast vollständig mit der GefStoffV ausgenutzt. Anders als § 17 gilt § 19 nicht nur für gefährliche Stoffe und Gemische, sondern für alle Gefahrstoffe. Dieser weitergehende Begriff stammt aus der EG-Gefahrstoffrichtlinie 98/24/EG und findet nur für § 19 Anwendung. Entgegen der – nicht rechtsverbindlichen Überschrift – gelten die Ermächtigungen des § 19 für alle Menschen (nicht nur Beschäftigte) und damit auch für den Verbraucher, weshalb sich in der GefStoffV auch Regelungen für Privathaushalte und Verbraucher finden. Da auch umweltgefährliche Stoffe zu den Gefahrstoffen gehören, wird durch die konkreten Bestimmungen in der GefStoffV auch der Schutz der Umwelt mit erfasst. Für den Vollzug und alle Betroffenen wichtig sind die Straf- und Bußgeldvorschriften. Eine gute Einführung hierzu mit Überblick zu chemikalienrechtlichen Vorschriften bietet eine Broschüre aus NRW, zu finden unter https://broschueren. nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/mais/bussgeldkatalog-zum-chemikalienrecht/2245?src=asp-cu&typ=dl&cid=5326.
40.2.4 GefStoffV – Gefahrstoffverordnung Die 1986 erstmals erlassene GefStoffV ist inzwischen die älteste Verordnung zum ChemG und hat im Laufe der Jahre mehrfach eine grundlegende Umgestaltung erfahren. Zu Beginn entsprach sie stark dem Vorbild des ChemG: Schutzziel übergreifend sollten Belange des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzes zu Chemikalien geregelt werden. Leider folgten die behördlichen Strukturen diesem Ansatz nicht. Aber auch das inzwischen grundlegend geänderte EU-Recht führte dazu, dass mit der Neufassung von 2010 die ursprüngliche Gliederung nur noch ansatzweise sichtbar ist. So bestand die Ursprungsverordnung von 1986 aus drei klar getrennten Teilen: a) Sehr umfangreichen Vorschriften zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien, mit denen die einschlägigen EG-Richtlinien national umgesetzt wurden und die fortwährend eine Änderung der GefStoffV notwendig machten. b) Verbote und Beschränkungen von Chemikalien zum Inverkehrbringen und zum Umgang (= Herstellung und Verwendung) und c) allgemeinen und speziellen Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten. Ergänzt wurde die Verordnung durch ein technisches Regelwerk, das von einem in der GefStoffV verankerten Ausschuss, dem Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) erarbeitet wurde. Die Vorschriften zur Einstufung und Kennzeichnung sind inzwischen in der CLP-Verordnung als unmittelbar geltendes Recht enthalten und nur noch sehr wenige Details (z. B. die Landessprache für das Etikett) können national geregelt werden. Auch die Verbote und Beschränkungen zum Herstellen und Verwenden sind jetzt in großem Umfang EU-weit in Verordnungen enthalten, vor allem in der REACH-Verordnung. In der GefStoffV sind daher, ebenso wie in der ChemVerbotsV, nur noch nationale Ausnahmen und einige besondere Bestimmungen enthalten. Nachteil des Verweises auf übergeordnetes EU-Recht ist allerdings in
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beiden Fällen, dass der Anwender wissen muss, wo er die entsprechenden Regelungen finden kann und wie diese auszulegen sind. Im Mittelpunkt der GefStoffV stehen daher jetzt Arbeitsschutzvorschriften zu Gefahrstoffen, vor allem in Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien, erweitert um Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und ergänzt um traditionelle nationale Bestimmungen. Die GefStoffV ist in mehrere Abschnitte gegliedert beginnend mit allgemeinen Bestimmungen und gefolgt von spezielleren Regelungen. Je nach Bedarf werden Details in Anhänge ausgelagert, die allerdings die gleiche rechtliche Wirksamkeit wie die Regelungen in den Abschnitten haben! Diese, mit der GefStoffV entwickelte, Grundstruktur ist inzwischen in fast allen Arbeitsschutzverordnungen zum Standard geworden. Zu beachten ist, dass die zugehörigen technischen Regeln des AGS von anderer rechtlicher Bedeutung sind als der Verordnungstext. Auch wenn der Arbeitsschutz im Mittelpunkt steht, so finden sich doch noch Regelungen zum Verbraucherschutz, zu privaten Haushalten und – indirekt – auch zum Umweltschutz. Eine weitere Besonderheit ist, dass Normadressat nicht nur der Arbeitgeber ist, sondern dass die GefStoffV auch für Selbständige ohne Beschäftigte gilt. Dies ist von praktischer Bedeutung z. B. für den Schutz der Nachbarschaft bei Abbrucharbeiten von Asbestzementdächern. Die eigentlichen Arbeitsschutzvorschriften beginnen mit der Gefahrstoffinformation und der Gefährdungsbeurteilung. Die entscheidenden Informationen findet der Arbeitgeber über die Kennzeichnung, das Sicherheitsdatenblatt und ggf. das erweiterte Sicherheitsdatenblatt nach der REACH-Verordnung. Liegen z. B. bei nur innerbetrieblich hergestellten Gefahrstoffen diese Informationen nicht vor, muss der Arbeitgeber selbst die Gefährdungen ermitteln. Tut er dies nicht, so wird bei bestimmten Gefährdungen wie akut toxisch fiktiv unterstellt, dass diese Eigenschaften vorliegen. Die damit verbundene Beweislastumkehr ist einzigartig. Beachte, dass es bei der Kennzeichnung ausdrücklich nicht erlaubt ist, Gefährdungen fiktiv zu unterstellen. Eine derartige „Überkennzeichnung“ würde das System der Kennzeichnung faktisch aushebeln, weil in zahlreichen Vorschriften darauf verwiesen und eine zutreffende Kennzeichnung unterstellt wird. Auch das weit verbreitete Berechnungsverfahren bei Gemischen wäre damit nicht mehr möglich. Eine weitere Besonderheit ist die Fiktion einer geringen Gefährdung. Liegt eine solche vor, müssen nur allgemeine Grundmaßnahmen der Arbeitshygiene ergriffen werden. Grund für die Einführung dieser Regel ist, dass zunächst alle Stoffe oder Gemische unter die GefStoffV fallen, unabhängig von einer Gefährlichkeit. Diese wird ja erst in dem anschließenden Einstufungsschritt festgestellt, auf den dann die eigentliche Risikobewertung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung folgt. Dieses schrittweise Vorgehen hat den Vorteil, dass keine Gefährdungen übersehen werden, sie macht es aber notwendig, einfache Sachverhalte in einem frühen Regelungsstadium auszusondern, um eine Überregulierung zu vermeiden. Typische Beispiele sind etwa die Verwendung haushaltsüblicher Reinigungsmittel. Der Arbeitgeber muss aber bedenken, dass es einen großen Unterschied macht, ob der Beschäftigte zweimal täglich zuhause sein Geschirr spült oder z. B. in einer Gaststätte ganztätig als Geschirrwäscher tätig ist. Die auf dem Etikett etwa eines Geschirrspülmittels an-
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Gefahrstoffe und Tätigkeiten identifizieren
Informationen beschaffen (u.a. SDB)
Maßnahmen nach GefStoffV selbst ableiten
Standardisierte Arbeitsverfahren anwenden (Hersteller, Experten u. a.)
Maßnahmen durchführen und dokumentieren
Maßnahmen auf Wirksamkeit prüfen und gegebenenfalls anpassen
Abb. 40.4 Ablauf der Gefährdungsbeurteilung in der GefStoffV (SDB = Sicherheitsdatenblatt)
gegebenen Hinweise richten sich an den vorgesehenen Verwender, also den privaten Haushalt und nicht an den berufsmäßigen Verwender! In allen Verordnungen vorgeschrieben ist eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung. Dies wird häufig als „bürokratische“ Last empfunden. Übersehen wird dabei, dass der Arbeitgeber im Schadensfall den Nachweis erbringen muss, dass er die Vorschriften eingehalten hat und nicht der Geschädigte beweispflichtig ist. Die Dokumentation sollte daher nicht zu knapp sein und auch längere Zeit aufbewahrt werden. Zu der Gefährdungsbeurteilung, die übrigens seit 1986 in der GefStoffV enthalten ist und inzwischen den zentralen Baustein aller Arbeitsschutzvorschriften bildet, gehört auch die Festlegung der Schutzmaßnahmen. Diese sind in der GefStoffV abgestuft und nach Gefährdungen angeordnet. Das Ablaufschema in Abb. 40.4 gibt einen Überblick bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Nach dem ArbSchG muss dies für alle Gefährdungen gemacht werden und die einzelnen Ergebnisse abgestimmt in einer einzigen Gefährdungsbeurteilung zusammengeführt werden. So sollen Widersprüche und Unstimmigkeiten bei der Festlegung von Maßnahmen vermieden werden. Die „Grundpflichten“ enthalten einen Katalog von Grundsätzen des Arbeitsschutzes beim Umgang mit Gefahrstoffen und dienen z. B. als Maßstab bei der Erarbeitung von Auslegungshilfen wie den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) oder bei Rechtsstreitigkeiten. Zu den Grundpflichten gehören z. B. das STOP-Prinzip (Substitution, technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen) oder das Minimierungsgebot bei Gefährdungen. Etwas konkreter sind die anschließenden „Allgemeinen Schutzmaßnahmen“, die für alle Tätigkeiten mit
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Gefahrstoffen gelten, wie z. B. die Forderung nach Kennzeichnung aller Gefahrstoffe. Danach folgen zusätzliche gefährdungsbezogen abgestufte Maßnahmen (inhalative und dermale Expositionen, phys.-chem. Gefährdungen). Besonders aufwendig und deshalb oft strittig sind die Bestimmungen zu krebserzeugenden Stoffen. Gesondert geregelt sind organisatorische Maßnahmen wie Vorkehrungen gegen Betriebsstörungen und bei Unfällen, die Zusammenarbeit in Chemieparks oder die Unterrichtung der Beschäftigten. Zu einigen speziellen Gefährdungen finden sich detaillierte Regelungen in den Anhängen, die regelmäßig an die technische Entwicklung angepasst werden müssen. Die konkreten Anhänge sind bei den betroffenen Arbeitgebern wegen der damit verbundenen Rechtssicherheit beliebter als die abstrakteren Regelungen der Grundsätze. Hier gilt es aber zu bedenken, dass die GefStoffV sehr unterschiedliche Gefährdungen abdecken muss und auch auf neue Technologien anwendbar sein sollte. Wer weiß z. B., dass beim Trockeneisstrahlen erhebliche Gefahren durch hohe Kohlendioxidgehalte, Feinstaub aus dem abgelösten Schmutz und elektrostatische Entladungen in Kombination auftreten können? Für dieses Reinigungsverfahren muss daher auf der Basis der Grundsätze ein betriebsspezifischer Maßnahmenkatalog erarbeitet und umgesetzt werden. Konkrete Regelungen wird man in der GefStoffV zu diesem Thema nicht finden. Die umfangreichsten Änderungsverordnungen von 2013 und 2016 brachten nur eine Anpassung an aktuelles EU-Recht und technische Fortentwicklungen. Eine umfangreiche Neufassung ist erst für die Jahre danach vorgesehen.
40.2.5 ChemVerbotsV – Inverkehrbringen von Chemikalien Die ChemVerbotsV war bis 1993 Teil der GefStoffV. Bei Erlass der GefStoffV hatte man die damaligen Gifthandelsverordnungen der Länder aufgehoben und in die GefStoffV als eine bundeseinheitliche Vorschrift überführt. Die Struktur der ChemVerbotsV ist seit 1993 im Kern unverändert, jedoch wurden die Regelungsinhalte immer wieder ergänzt und aktualisiert. Sie ist grundsätzlich immer noch eine „Gifthandelsverordnung“ und regelt vorrangig Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Abgabe bestimmter, in einem Anhang aufgeführter Stoffe, Gemische und Erzeugnisse. Ferner normiert sie allgemeine Anforderungen, die zu beachten sind, wenn bestimmte, im Wesentlichen über die Kennzeichnung definierte verkehrsfähige Stoffe und Gemische an andere abgegeben werden sollen. Dazu gehören z. B. Anforderungen an die Sachkunde des Abgebenden, zur Führung eines Abgabebuchs oder zur Vertriebsform (Selbstbedienung, Versandhandel). Besonderheiten sind: Die Anforderungen sind an die Kennzeichnung und nicht an die Einstufung der Stoffe und Gemische angebunden; es werden nur Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, nicht aber Gefahrstoffe erfasst (wegen der Beschränkung der Ermächtigung in § 17 ChemG); entgegen der umfassenden Bezeichnung enthält die ChemVerbotsV keine Verbote des Herstellens oder Verwendens, denn diese sind bei der Abspaltung 1993 in der GefStoffV verblieben.
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Die ChemVerbotsV musste Ende 2016 erheblich geändert werden, wobei die Anlage 2 nochmals zum 1.1.2019 an das EU-Recht angepasst wurde. Zum einen sind zahlreiche der Handelsverbote und -beschränkungen inzwischen in unmittelbar geltenden EU-Verordnungen enthalten (vor allem in Anhang XVII der REACHVerordnung Nr. 1907/2006, aber auch z. B. in der EU-Verordnung Nr. 98/2013 über Ausgangsstoffe für Explosivstoffe), wodurch die ChemVerbotsV auf national noch fortbestehenden Regelungsbedarf reduziert werden musste (neue Anlage 1). Zum anderen sind die allgemeinen Abgabevorschriften an die EU-Kennzeichnungsvorschriften angeknüpft, die mit Ablauf der Übergangsfrist zum 1.6.2015 neu und teilweise deutlich verändert in der CLP-Verordnung Nr. 1272/2008 geregelt sind. Die teilweise großen Unterschiede zwischen der bisherigen und der neuen Kennzeichnung fallen bei Verboten naturgemäß stärker ins Gewicht als etwa bei Arbeitsschutzmaßnahmen. Besonders betroffen sind hier hochentzündliche Stoffe und Stoffe mit Verdacht auf cancerogene, mutagene und reproduktionstoxische Wirkungen (CMR-Stoffe). Die sehr komplizierten Abgaberegelungen je nach Adressatenkreis (privat oder gewerblich) wurden vereinfacht und lassen sich in der neuen Anlage 2 gut erkennen. Neu ist die Forderung, die Sachkunde regelmäßig in Fortbildungsveranstaltungen aufzufrischen. Dies ist auch bei anderen vergleichbaren Sachkundeanforderungen üblich und angesichts der dynamischen Entwicklung des nationalen und EU-Chemikalienrechts auch sachlich gerechtfertigt. Bemerkenswert ist der Entfall von in der Vergangenheit heftig umstrittenen Chemikalien wie z. B. der Sachkunde beim Verkauf von Methylendiphenylisocyanat(MDI)-haltigen Produkten. Weiterführende Literatur z. B. Weinmann/Thomas/Klein, Gefahrstoffrecht und Chemikaliensicherheit, Heymanns Verlag Köln, gedruckt und als CD erhältlich.
Nobelpreise für Chemie
Der Nobelpreis für Chemie wird seit 1901 jährlich vergeben und ist seit 2012 mit 8 Millionen Schwedischen Kronen (ca. 863.000 Euro) dotiert. Die Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften entscheidet über die Vergabe des Preises. Der Stifter des Preises, Alfred Nobel, verfügte in seinem Testament vom 27. November 1895 „der Nobelpreis für Chemie solle demjenigen zuerkannt werden, der die wichtigste chemische Entdeckung oder Verbesserung gemacht hat“. Der Nobelpreis kann geteilt und an bis zu drei Forscher vergeben werden. Er wird jedes Jahr vom schwedischen König am Todestag Alfred Nobels, dem 10. Dezember, überreicht. Alle bisherigen Nobelpreisträger sind in Tab. A.1 zusammengestellt. Frederick Sanger (1958 und 1980) und Barry Sharpless (2001 und 2022) erhielten als Einzige zweimal den Chemienobelpreis. Marie Skłodowska Curie erhielt neben dem Nobelpreis für Chemie (1911) auch einen Nobelpreis für Physik (1903). Linus Pauling erhielt neben dem Chemienobelpreis (1954) auch den Friedensnobelpreis (1962). Er ist der einzige der keinen seiner Nobelpreise teilen mußte. Vor allem während der beiden Weltkriege wurde die Vergabe des Preises stellenweise ausgesetzt.
Tab. A.1 Nobelpreisträger der Chemie Jahr Person 1901 Jacobus Henricus van’t Hoff (1852–1911) 1902 Emil Fischer (1852–1919) 1903 Svante August Arrhenius (1859–1927)
Begründung „als Anerkennung des außerordentlichen Verdienstes, den er sich durch die Entdeckung der Gesetze der chemischen Dynamik und des osmotischen Druckes in Lösungen erworben hat“ „als Anerkennung des außerordentlichen Verdienstes, den er sich durch seine synthetischen Arbeiten auf dem Gebiet der Zucker- und Puringruppen erworben hat“ „als Anerkennung des außerordentlichen Verdienstes, den er sich durch seine Theorie über die elektrolytische Dissoziation um die Entwicklung der Chemie erworben hat“
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
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Nobelpreise für Chemie
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1904 Sir William Ramsay (1852–1916)
1905 Adolf von Baeyer (1835–1917)
1906 Henri Moissan (1852–1907)
1907 Eduard Buchner (1860–1917) 1908 Ernest Rutherford (1871–1937) 1909 Wilhelm Ostwald (1853–1932) 1910 Otto Wallach (1847–1931)
1911 Marie Curie (1867–1934)
1912 Victor Grignard (1871–1935) Paul Sabatier (1854–1941)
1913 Alfred Werner (1866–1919)
1914 Theodore William Richards (1868–1928) 1915 Richard Martin Willstätter (1872–1942) 1916 nicht verliehen 1917 nicht verliehen
Begründung „als Anerkennung des Verdienstes, den er sich durch die Entdeckung der indifferenten gasförmigen Grundstoffe Edelgase in der Luft und die Bestimmung ihres Platzes im periodischen System erworben hat“ „als Anerkennung des Verdienstes, den er sich um die Entwicklung der organischen Chemie und der chemischen Industrie durch seine Arbeiten über die organischen Farbstoffe und die hydroaromatischen Verbindungen erworben hat“ „als Anerkennung des großen Verdienstes, den er sich durch seine Untersuchung und Isolierung des Elements Fluor sowie durch die Einführung des nach ihm benannten elektrischen Ofens in den Dienst der Wissenschaft erworben hat“ „für seine biochemischen Untersuchungen und die Entdeckung der zellfreien Gärung“ „für seine Untersuchungen über den Zerfall der Elemente und die Chemie der radioaktiven Stoffe“ „als Anerkennung für seine Arbeiten über die Katalyse sowie für seine grundlegenden Untersuchungen über chemische Gleichgewichtsverhältnisse und Reaktionsgeschwindigkeiten“ „als Anerkennung des Verdienstes, den er sich um die Entwicklung der organischen Chemie und der chemischen Industrie durch seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der alicyclischen Verbindungen erworben hat“ „als Anerkennung des Verdienstes, das sie sich um die Entwicklung der Chemie erworben hat durch die Entdeckung der Elemente Radium und Polonium, durch die Charakterisierung des Radiums und dessen Isolierung in metallischem Zustand und durch ihre Untersuchungen über die Natur und die chemischen Verbindungen dieses wichtigen Elements“ „für das von ihm aufgefundene sog. Grignard’sche Reagenz, das in den letzten Jahren in hohem Grad den Fortschritt der organischen Chemie gefördert hat“ „für seine Methode, organische Verbindungen bei Gegenwart fein verteilter Metalle zu hydrieren, wodurch der Fortschritt der organischen Chemie in den letzten Jahren in hohem Grad gefördert worden ist“ „auf Grund seiner Arbeiten über die Bindungsverhältnisse der Atome im Molekül, wodurch er ältere Forschungsgebiete geklärt und neue erschlossen hat, besonders im Bereich der anorganischen Chemie“ „als Anerkennung seiner genauen Bestimmungen des Atomgewichts von zahlreichen chemischen Elementen“ „für seine Untersuchungen der Farbstoffe im Pflanzenreich, vor allem des Chlorophylls“
Nobelpreise für Chemie
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Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1918 Fritz Haber (1868–1934) 1919 nicht verliehen 1920 Walther Hermann Nernst (1864–1941) 1921 Frederick Soddy (1877–1956) 1922 Francis William Aston (1877–1945) 1923 Fritz Pregl (1869–1930) 1924 nicht verliehen 1925 Richard Adolf Zsigmondy (1865–1929) 1926 The Svedberg (1884–1971) 1927 Heinrich Otto Wieland (1877–1957) 1928 Adolf Otto Reinhold Windaus (1876–1959) 1929 Arthur Harden (1865–1940) Hans von Euler-Chelpin (1873–1964) 1930 Hans Fischer (1881–1945) 1931 Carl Bosch (1874–1940) Friedrich Bergius (1884–1949) 1932 Irving Langmuir (1881–1957) 1933 nicht verliehen 1934 Harold C. Urey (1893–1981) 1935 Frédéric Joliot-Curie (1900–1958) Irène Joliot-Curie (1897–1956)
Begründung „für die Synthese von Ammoniak aus dessen Elementen“ (Haber-Bosch-Verfahren) „als Anerkennung für seine thermochemischen Arbeiten“
„für seine Beiträge zur Kenntnis der Chemie der radioaktiven Stoffe und seine Untersuchungen über das Vorkommen und die Natur der Isotopen“ „für seine Entdeckung einer großen Zahl von Isotopen in mehreren nicht radioaktiven Elementen mit Hilfe seines Massenspektrographen sowie für seine Entdeckung des so genannten Gesetzes der Ganzzahligkeit“ „für die von ihm entwickelte Mikroanalyse organischer Substanzen“ „für die Aufklärung der heterogenen Natur kolloidaler Lösungen sowie für die dabei angewandten Methoden, die grundlegend für die moderne Kolloidchemie sind“ „für seine Arbeiten über disperse Systeme“ „für seine Forschungen über die Zusammensetzung der Gallensäure und verwandter Substanzen“ „für seine Verdienste um die Erforschung des Aufbaus der Sterine und ihres Zusammenhanges mit den Vitaminen“ „für ihre Forschung über die Zuckervergärung und deren Anteil der Enzyme an diesem Vorgang“
„für seine Arbeiten über den strukturellen Aufbau der Blutund Pflanzenfarbstoffe und für die Synthese des Hämins“ „für ihre Verdienste um die Entdeckung und Entwicklung der chemischen Hochdruckverfahren“
„für seine Entdeckungen und Forschungen im Bereich der Oberflächenchemie“ „für seine Entdeckung des schweren Wasserstoffes“ „für ihre gemeinsam durchgeführten Darstellungen von neuen radioaktiven Elementen“
592
Nobelpreise für Chemie
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1936 Peter Debye (1884–1966) 1937 Walter Norman Haworth (1883–1950) Paul Karrer (1889–1971) 1938 Richard Kuhn (1900–1967) (verliehen 1939) 1939 Adolf F. J. Butenandt (1903–1995) Leopold Ružiˇcka (1887–1976) 1940 nicht verliehen 1941 nicht verliehen 1942 nicht verliehen 1943 George de Hevesy (1885–1966) (verliehen 1944) 1944 Otto Hahn (1879–1968) (verliehen 1945) 1945 Artturi Ilmari Virtanen (1895–1973) 1946 James Batcheller Sumner (1887–1955) John Howard Northrop (1891–1987) Wendell Meredith Stanley (1904–1971) 1947 Robert Robinson (1886–1975) 1948 Arne Tiselius (1902–1971) 1949 William Francis Giauque (1895–1982)
Begründung „für seine Beiträge zu unserer Kenntnis der Molekularstrukturen durch seine Forschungen über Dipolmomente, über die Beugung von Röntgenstrahlen und an Elektronen in Gasen“ „für seine Forschungen über Kohlenhydrate und Vitamin C“
„für seine Forschungen über die Carotinoide und Flavine sowie über die Vitamine A und B2“ „für seine Arbeiten über Carotinoide und Vitamine“
„für seine Arbeiten über Sexualhormone“ „für seine Arbeiten an Polymethylenen und höheren Terpenen“
„für seine Arbeiten über die Anwendung der Isotope als Indikatoren bei der Erforschung chemischer Prozesse“ „für seine Entdeckung der Kernspaltung von Atomen“
„für seine Untersuchungen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Agrikultur- und Nahrungsmittelchemie, insbesondere für seine Methode der Konservierung von Futtermitteln und Futterpflanzen“ „für seine Entdeckung der Kristallisierbarkeit von Enzymen“
„für ihre Darstellung von Enzymen und Virus-Proteinen in reiner Form“
„für seine Untersuchungen über biologisch wichtige Pflanzenprodukte insbesondere Alkaloide“ „für seine Arbeiten über die Analyse mit Hilfe von Elektrophorese und Adsorption, insbesondere für seine Entdeckungen über die komplexe Natur von Serum-Proteinen“ „für seinen Beitrag zur chemischen Thermodynamik, insbesondere für seine Untersuchungen über die Eigenschaften bei extrem tiefen Temperaturen“
Nobelpreise für Chemie
593
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1950 Otto Diels (1876–1954) Kurt Alder (1902–1958) 1951 Edwin Mattison McMillan (1907–1991) Glenn T. Seaborg (1912–1999) 1952 Archer J. P. Martin (1910–2002) Richard L. M. Synge (1914–1994) 1953 Hermann Staudinger (1881–1965) 1954 Linus Pauling (1901–1994) 1955 Vincent du Vigneaud (1901–1978) 1956 Cyril Norman Hinshelwood (1897–1967) Nikolai Nikolajewitsch Semjonow (1896–1986) 1957 Alexander Robertus Todd (1907–1997) 1958 Frederick Sanger (1918–2013) 1959 Jaroslav Heyrovský (1890–1967) 1960 Willard Libby (1908–1980) 1961 Melvin Calvin (1911–1997) 1962 Max Ferdinand Perutz (1914–2002) John Cowdery Kendrew (1917–1997) 1963 Karl Ziegler (1898–1973) Giulio Natta (1903–1979)
Begründung „für ihre Entdeckungen und die Entwicklung der DienSynthese“
„für ihre Entdeckungen in der Chemie der Transurane“
„für ihre Erfindung der Verteilungs-Chromatographie“
„für seine Entdeckungen auf dem Gebiet der makromolekularen Chemie“ „für seine Forschungen über die Natur der chemischen Bindung und ihre Anwendung zur Aufhellung der Struktur komplexer Substanzen“ „für seine Arbeiten der biochemisch bedeutsamen Schwefelverbindungen, besonders für die erste Synthese eines Polypeptidhormons“ „für ihre Forschungen über die Mechanismen chemischer Reaktionen“
„für seine Arbeiten über Nukleotide und Co-Enzymnukleotide“
„für seine Arbeiten über die Struktur der Proteine, besonders des Insulins“ „für seine Entdeckung und Entwicklung der polarographischen Methode der Analyse“ „für seine Methode der Anwendung von Kohlenstoff 14 zur Altersbestimmung in Archäologie, Geologie, Geophysik und anderen Zweigen der Wissenschaft“ „für seine Forschungen über die Kohlensäure-Assimilation der Pflanzen“ „für ihre Studien über Strukturen der Globulinproteine“
„für ihre Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie und der Technologie der Hochpolymeren“ (Ziegler-Natta-Verfahren)
594
Nobelpreise für Chemie
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1964 Dorothy Crowfoot Hodgkin (1910–1994) 1965 Robert B. Woodward (1917–1979) 1966 Robert Mulliken (1896–1986) 1967 Manfred Eigen (1927–2019) Ronald George Wreyford Norrish (1897–1978) George Porter (1920–2002) 1968 Lars Onsager (1903–1976) 1969 Derek H. R. Barton (1918–1998) Odd Hassel (1897–1981) 1970 Luis Federico Leloir (1906–1987) 1971 Gerhard Herzberg (1904–1999) 1972 Christian B. Anfinsen (1916–1995) Stanford Moore (1913–1982) William Howard Stein (1911–1980) 1973 Ernst Otto Fischer (1918–2007) Geoffrey Wilkinson (1921–1996) 1974 Paul Flory (1910–1985) 1975 John W. Cornforth (1917–2013) Vladimir Prelog (1906–1998) 1976 William Lipscomb (1919–2011)
Begründung „für ihre Strukturbestimmung biologisch wichtiger Substanzen mit Röntgenstrahlen“ „für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Naturstoffsynthesen“ „für seine grundlegenden Arbeiten über die chemischen Bindungen und die Elektronenstruktur der Moleküle mit Hilfe der Orbital-Methode“ „für ihre Untersuchungen von extrem schnellen chemischen Reaktionen, die durch Zerstörung des Gleichgewichts durch sehr kurze Energieimpulse ausgelöst werden“
„für die Entdeckung der nach ihm benannten reziproken Beziehungen, die grundlegend für die Thermodynamik der irreversiblen Prozesse sind“ „für ihre Arbeiten in der Entwicklung des Konformationsbegriffes und dessen Anwendung in der Chemie“
„für die Entdeckung der Zucker-Nukleotide und ihrer Funktion in der Biosynthese von Kohlenhydraten“ „für seine Arbeiten über die Elektronenstruktur und die Geometrie bei den Molekülen, insbesondere freier Radikale“ „für seine Arbeiten über Ribonuklease, insbesondere die Verbindung zwischen Aminosäurereihen und biologisch wirksamen Konformationen“ „für ihren Beitrag zum Verständnis der Verbindung zwischen chemischer Struktur und katalytischer Tätigkeit des aktiven Zentrums der Ribonuklease-Moleküle“ „für ihre bahnbrechenden unabhängig voneinander geleisteten Arbeiten über die Chemie der metallorganischen so genannten Sandwich-Verbindungen“ „für seine grundlegenden Leistungen, sowohl theoretisch als auch experimentell, in der physikalischen Chemie der Makromoleküle“ „für seine Arbeiten über die Stereochemie von Enzym-Katalyse-Reaktionen“ „für seine Forschungen in der Stereochemie organischer Moleküle und Reaktionen“ „für seine Arbeiten über die Struktur der Borane“
Nobelpreise für Chemie
595
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1977 Ilya Prigogine (1917–2003) 1978 Peter D. Mitchell (1920–1992) 1979 Herbert Charles Brown (1912–2004) Georg Wittig (1897–1987) 1980 Paul Berg (* 1926) Walter Gilbert (* 1932) Frederick Sanger (1918–2013) 1981 Fukui Ken’ichi (1918–1998) Roald Hoffmann (* 1937) 1982 Aaron Klug (1926–2018) 1983 Henry Taube (1915–2005) 1984 Robert Bruce Merrifield (1921–2006) 1985 Herbert A. Hauptman (1917–2011) Jerome Karle (1918–2013) 1986 Dudley R. Herschbach (* 1932) Yuan T. Lee (* 1936) John C. Polanyi (* 1929) 1987 Donald J. Cram (1919–2001) Jean-Marie Lehn (* 1939) Charles Pedersen (1904–1989) 1988 Johann Deisenhofer (* 1943) Robert Huber (* 1937) Hartmut Michel (* 1948)
Begründung „für seinen Beitrag zur irreversiblen Thermodynamik, insbesondere zur Theorie der ,dissipativen Strukturen‘“ „für seinen Beitrag zum Verständnis biologischer Energieübertragung durch Entwicklung der chemiosmotischen Theorie“ „für ihre Entwicklung von Bor- beziehungsweise Phosphorverbindungen in wichtigen Reagenzien innerhalb organischer Synthesen“ „für seine grundlegenden Arbeiten über Nukleinsäuren-Biochemie, unter besonderer Berücksichtigung von Hybrid-DNA“ „für ihre Beiträge die Bestimmung von Basensequenzen in Nukleinsäuren betreffend“ „für seine Arbeiten über die Elektronenstruktur und die Geometrie bei den Molekülen, insbesondere freier Radikale“ „für ihre unabhängig voneinander entwickelten Theorien über den Verlauf chemischer Reaktionen“
„für die Entwicklung kristallographischer Verfahren zur Entschlüsselung biologisch wichtiger Nukleinsäure-ProteinKomplexe“ „für seine Arbeiten über die Reaktionsmechanismen der Elektronenübertragung, insbesondere bei Metallkomplexen“ „für seine einfache und geniale Methode zur Herstellung von Peptiden und Proteinen“ (Merrifield-Synthese) „für ihre hervorragenden Leistungen in der Entwicklung direkter Methoden zur Bestimmung von Kristallstrukturen“
„für ihre Mitwirkung betreffend der Dynamik chemischer Elementarprozesse“
„für ihre Entwicklung und Verwendung von Molekülen mit strukturspezifischer Wechselwirkung von hoher Selektivität“ (Supramolekulare Chemie)
„für die Erforschung des Reaktionszentrums der Photosynthese bei einem Purpurbakterium“
596
Nobelpreise für Chemie
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 1989 Sidney Altman (1939–2022) Thomas R. Cech (* 1947) 1990 Elias James Corey Jr. (* 1928) 1991 Richard R. Ernst (1933–2021) 1992 Rudolph Arthur Marcus (* 1923) 1993 Kary Mullis (1944–2019) Michael Smith (1932–2000) 1994 George A. Olah (1927–2017) 1995 Paul J. Crutzen (1933–2021) Mario J. Molina (1943–2020) Frank Sherwood Rowland (1927–2012) 1996 Robert F. Curl (* 1933) Harold Kroto (1939–2016) Richard E. Smalley (1943–2005) 1997 Paul D. Boyer (1918–2018) John E. Walker (* 1941) Jens Christian Skou (1918–2018) 1998 Walter Kohn (1923–2016) John Anthony Pople (1925–2004) 1999 Ahmed Zewail (1946–2016)
Begründung „für ihre Entdeckung der chemische Prozesse beschleunigenden Eigenschaften der Ribonukleinsäure“ (Ribozyme) „für seine Formulierung wichtiger Theorien und Entwicklungen von Methoden organischer Synthese“ (Retrosynthese) „für seine Beiträge zur Entwicklung der hochauflösenden Kernresonanzspektroskopie, einer Methode zur Analyse von Molekülstrukturen“ „für seine wichtigen Beiträge zur Theorie von Elektronentransfer-Reaktionen in chemischen Systemen“ (Marcus-Theorie) „für seine Entwicklung der Polymerase-Kettenreaktion“ „für seine Entwicklung einer Methode zur Veränderung (Mutagenese) der Desoxyribonukleinsäure, auf der die Erbinformationen gespeichert sind“ „für seine Erforschung der Carbokationen“ „für ihre Arbeiten zur Chemie der Erdatmosphäre, insbesondere über Bildung und Abbau von Ozon“
„für die Entdeckung der Fullerene, auch Buckyballs genannt, einer neuen Form des Kohlenstoffs mit kugelförmigen Molekülen“
„für die Klärung der Synthese des energiereichen Moleküls Adenosintriphosphat (ATP)“
„für die Entdeckung des ionentransportierenden Enzyms Natrium-Kalium-ATPase“ „für seine Entwicklung quantenchemischer Methoden“ „für die Entwicklung von Methoden, mit denen die Eigenschaften von Molekülen und deren Zusammenwirken in chemischen Prozessen theoretisch erforscht werden können“ „für seine Studien des Übergangszustands chemischer Reaktionen mit Hilfe der Femtosekundenspektroskopie“
Nobelpreise für Chemie
597
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 2000 Alan J. Heeger (* 1936) Alan MacDiarmid (1927–2007) Hideki Shirakawa (* 1936) 2001 William S. Knowles (1917–2012) Ry¯oji Noyori (* 1938) Barry Sharpless (* 1941) 2002 John B. Fenn (1917–2010) K¯oichi Tanaka (* 1959) Kurt Wüthrich (* 1938) 2003 Peter Agre (* 1949) Roderick MacKinnon (* 1956) 2004 Aaron Ciechanover (* 1947) Avram Hershko (* 1937) Irwin Rose (1926–2015) 2005 Yves Chauvin (1930–2015) Robert Grubbs (1942–2021) Richard R. Schrock (* 1945) 2006 Roger D. Kornberg (* 1947) 2007 Gerhard Ertl (* 1936) 2008 Osamu Shimomura (1928–2018) Martin Chalfie (* 1947) Roger Tsien (1952–2016)
Begründung „für die Entdeckung und Entwicklung von leitenden Polymeren“
„für ihre Arbeiten über chiral katalysierende Hydrierungsreaktionen“
„für seine Arbeiten über chiral katalysierende Oxidationsreaktionen“ (z.B. Sharpless-Epoxidierung) „für ihre Entwicklung von weichen Desorptions/IonisationsMethoden für massenspektrometrische Analysen von biologischen Makromolekülen“ „für seine Entwicklung der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie zur Bestimmung der dreidimensionalen Struktur von biologischen Makromolekülen in Lösungen“ „für die Entdeckung der Wasserkanäle in Zellmembranen“ „für seine strukturellen und mechanischen Studien von Ionenkanälen in Zellmembranen“ „für die Entdeckung des Ubiquitin-gesteuerten Proteinabbaus“
„für die Entwicklung der Metathese-Methode in der organischen Synthese“
„für seine Arbeiten über die molekularen Grundlagen der Gentranskription in eukaryotischen Zellen“ „für seine Studien von chemischen Verfahren auf festen Oberflächen“ „für die Entdeckung und Weiterentwicklung des grün fluoreszierenden Proteins“
598
Nobelpreise für Chemie
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 2009 Venkatraman Ramakrishnan (* 1952) Thomas A. Steitz (1940–2018) Ada Yonath (* 1939) 2010 Richard F. Heck (1931–2015) Ei-ichi Negishi (1935–2021) Akira Suzuki (* 1930) 2011 Dan Shechtman (* 1941) 2012 Robert Lefkowitz (* 1943) Brian Kobilka (* 1955) 2013 Martin Karplus (* 1930) Michael Levitt (* 1947) Arieh Warshel (* 1940) 2014 Eric Betzig (* 1960) Stefan Hell (* 1962) William Moerner (* 1953) 2015 Tomas Lindahl (* 1938) Paul Modrich (* 1946) Aziz Sancar (* 1946) 2016 Jean-Pierre Sauvage (* 1944) Fraser Stoddart (* 1942) Ben Feringa (* 1951)
Begründung „für die Studien zur Struktur und Funktion des Ribosoms“
„für Palladium-katalysierte Kreuzkupplungen in organischer Synthese“
„für die Entdeckung der Quasikristalle“ „für ihre Studien zu G-Protein-gekoppelten Rezeptoren“
„für die Entwicklung von multiskalen Modellen für komplexe chemische Systeme“
„für die Entwicklung von superauflösender Fluoreszenzmikroskopie“ (Photoactivate Localization Microscopy, STEDMikroskop)
„für mechanistische Studien der DNA-Reparatur“
„für den Entwurf und die Synthese Molekularer Maschinen“
Nobelpreise für Chemie
599
Tab. A.1 (Fortsetzung) Jahr Person 2017 Jacques Dubochet (* 1942) Joachim Frank (* 1940) Richard Henderson (* 1945) 2018 Frances H. Arnold (* 1956) George P. Smith (* 1941) Gregory P. Winter (* 1951) 2019 John B. Goodenough (* 1922) M. Stanley Whittingham (* 1941) Akira Yoshino (* 1948) 2020 Emmanuelle Charpentier (* 1968) Jennifer A. Doudna (* 1964) 2021 Benjamin List (* 1968) David MacMillan (* 1968) 2022 Carolyn Bertozzi (* 1966) Morten P. Meldal (* 1954) Barry Sharpless* (* 1941)
Begründung „für die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie für die hochauflösende Strukturerkennung von Biomolekülen in Lösung“
„für das Phagen-Display von Peptiden und Antikörpern“
„für die Entwicklung von Lithium-Ionen-Batterien“
„für die Entwicklung einer Methode zur Genom-Editierung“ (CRISPR/Cas-Methode)
„für die Entwicklung der asymmetrischen Organokatalyse“
„für die Entwicklung der Click-Chemie und der bioorthogonalen Chemie“
Quelle: Wikipedia; * 2. Chemie-Nobelpreis (nach 2001)
Methodenregister
Die Einteilung dieses Buches nach Verbindungsklassen führt dazu, dass die in Praktikum und Labor wichtigen Synthesemethoden der organischen Chemie über das Buch verstreut sind. Die folgenden Tabellen sollen daher die Darstellungsverfahren ergänzen und in einen allgemeinen Zusammenhang bringen.
Substitution eines H-Atoms durch eine funktionelle Gruppe Kohlenwasserstoffe sind Ausgangsprodukte für viele Derivate, deren funktionelle Gruppen sich oft schnell und selektiv umwandeln lassen. Wegen der vergleichsweise geringen Reaktionsfähigkeit sind oft Reaktionsbedingungen erforderlich, die zu Nebenprodukten führen. Einige Verfahren werden großtechnisch durchgeführt. Verfahren Alk
H + SO2Cl2 (oder Cl2)
Alk
H + Br2
Abschnitt 4.5.1.2
Peroxid
Alk
Cl
4.5.1.1
h·ν
Alk
Br
4.5.2.2 C
C
C
Ar
H + Cl2
Ar
CH2
C
H + NBS Fe
R + Cl2
C
C
Br
8.2.3 Ar
Licht
Cl
7.6.2.2 Ar
CH
R
Cl R
COCH3 + Br2
Säure od. Base
16.3.7 RCOCH2Br
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
601
602
Methodenregister
Verfahren
Abschnitt 18.5.4.1; 20.2.3
roter P
RCH2COOH + Br2
R
CHCOOH Br
Ar
H + HNO3
Ar
Ar
H + H2SO4 oder SO3
Ar
H + Cl
SO3H
Ar
+ H + N2
Ar '
8.2.1
NO2 Ar Ar
8.2.2
SO3H
8.2.2
SO2Cl
14.3; 14.5.2 Ar
N
N
Ar '
Ersatz funktioneller Gruppen durch H-Atome Dieser Vorgang ist dann wichtig, wenn Produkte auf verschiedenen Wegen gewonnen werden sollen (z. B. zum Strukturbeweis durch Synthese) oder bei der Strukturaufklärung (z. B. durch Abbaureaktionen). Verfahren C
R
oder
C
Mg
Br C
O
C
O
C
R
Erhitzen
Ar
+ H3PO2 N2
R
SH, R
S
H2O
Br
Mg
C C
15.4.2 R
H
16.5.2.1 CH2
16.5.2.2
N2H4 ,OH–
COOH
H2 / Pt
C
Zn / Hg,H+
R
Abschnitt 5.1.2; 7.6.1.1
CH2
18.4.2 R
H
14.5.2 Ar
H
R oder R
S
S
R
Raney-Ni
13.1.3.2 R
H
Weitere Beispiele s. Tab. A.3 und A.4.
Umwandlung funktioneller Gruppen ineinander In der Regel geht man bei einer Synthese von Verbindungen aus, die eine oder mehrere funktionelle Gruppen tragen. Falls bei den vorgesehenen Reaktionen eine Gruppe nicht reagieren soll, wird diese durch Schutzgruppen geschützt. Nach Ab-
Methodenregister
603
spaltung der Schutzgruppe steht die funktionelle Gruppe wieder zur Verfügung. Man hat daher viele Verfahren erarbeitet, die es ermöglichen, eine funktionelle Gruppe in eine andere umzuwandeln. Wegen ihrer hohen Reaktionsfähigkeit und leichten Zugänglichkeit nehmen Halogenverbindungen eine wichtige Stellung ein (abwandelbar durch Substitution, Eliminierung, Organometall-Verbindungen). Verfahren Darstellung von Alkenen
C
H2, Pt
R
C
H
C C
OH
H
C C
Hal
H
C C
+ – N(CH3)3OH
H
C C
O
R'
R
C C
H
C
C
5.1.2 R'
(cis)
C
C
+ H2O
C
C
+ H
11.2.3
starke Base
Hal
11.4; 14.1.2.1
Δ
C
C
+ H2O + N(CH3)3
11.5.2
Δ
COCH3
N
H
11.2.1; 12.1.3.2
H+
C
C
+ CH3COOH
11.5.2
CH3 H
Abschnitt
Δ
O
C
+ (CH3)2NHOH
C
CH
C
O + (C6H5)3P
CH2
C
15.4.5
CH2 + (C6H5)3PO
Darstellung von Alkinen C
–
Na+ + Alk
R
C
R
CH(Br)CH(Br)R'
5.2; 17.2.3 Br
R
C
C
R'
C
Alk
11.5.1
starke Base
R
C
Darstellung von Alkoholen und Phenolen C
C
C
C
C
C
+ H2O
+ BH3
+
6.1.2.4; 12.1.2.1
H+
H
H
1) Hg(OH)OAc
C
C C
C
BH2
OH H2O2
12.1.2.1 H
C
C
OH
6.1.1 H
C C
OH
Cl
C C
OH
2) NaBH4
6.1.2.2 C
C
+ HOCl
604
Methodenregister
Verfahren C
Alk
– + MnO4 oder OsO4
C
X
+ OH
Ar
+ N2 + H2O
Ar
SO3H
Alk
NH2
C
Abschnitt 6.1.3.2; 12.1.2.2 C C
OH
12.1.2.1
–
Alk
OH
(X = Cl, Br, I)
12.2.2.4 Ar
OH
Ar
OH
8.3.1; 12.2.2.2
NaOH Schmelze
14.5.2
HNO2
Alk
OH + Alken(e)
12.3.3.1
OH–
C
HO
HO
C C
OH
O CH2O
RCH2OH R(R')CHOH
R'CHO R'R''CO
RMgX (X = Cl, Br, I) R'COCl od. R'COOEt
R
CO R'
R
COCl
R
COOH
R
COOEt
Ar
OCH3
R(R')(R'')COH R(R')2COH
⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭
12.1.2.1
12.1.2.1
Reduktion
R(R')CHOH
LiAlH4
R
CH2OH
20.1.2.2; 18.4.1; 20.1.1.2
12.3.3.1
HI
Ar
OH
Darstellung von Ethern R
X +
Alk C
12.3.1.1
– OAlk
H+
OH
R
Alk
12.3.1.1 Alk
O
CH3COOOH
C
O
Alk
6.1.3.3; 12.3.1.2 C
C O
Darstellung von Halogeniden Alk
OH
Alk
OH
H
X
PX3
9.3; 12.1.3.2 Alk
X
(X = Cl,Br,I)
Alk
X
(X = Cl,Br,I)
9.3; 12.1.3.2
Methodenregister
605
Verfahren
Abschnitt 9.3; 12.1.3.2
SOCl2
Alk
OH
Alk
– + COO Ag
Alk
H + Br2
Alk
Cl
9.3; 18.4.2
Br2
C
+ H
C
C
+
C
C
+ Br2
Br
4.5.1.1
h·ν
C
Alk
Alk
Br
6.1.2.1
polares Medium
X
C C
X
H
C C
Br
(X = Cl,Br,I)
6.3; 9.3
Peroxid
HBr
H
6.1.1
Alk
OTs + X
Ar
– + N2 BF4
Ar
+ – N2 X
Ar
+ N2
Br
Br
9.3
–
Alk
X
(X = F,Cl,Br,I)
9.3; 14.5.2
Δ
Ar
F
14.5.2
Cu2X2
I
C C
Ar
X
Ar
I
(X = Cl,Br)
14.5.2
–
Darstellung von Aldehyden und Ketonen C
C
C
2) Red.
HO C C OH
R
6.2.3.1; 16.2.6
1) O3
C
C
H5IO6
RCH2OH od. R(R')CHOH
RCOCl RCOCl R2CCl2
Pd, H2 R2'Cd milde Hydrolyse
ArH + RCOCl
C
C O + O C Hg2+
H + H2O
O + O
12.1.3.2; 16.2.6
6.1.2.4 RCOCH3
Oxidation
16.2.1 RCHO od. RCOR'
16.2.3 RCHO
16.2.3 RR'CO
7.6.2.2 R2CO AlCl3
16.2.5 ArCOR
606
Methodenregister
Verfahren
Abschnitt 8.2.5; 16.2.5
AlCl3
ArH + CO + HCl
ArCHO
Druck
Acetessigester-Synthese (Ketone) Darstellung von Carbonsäuren R
CN
16.3.4; 20.2.1.1 19.1.1
Hydrolyse
R
COOH
RCOCl, RCOOCOR, RCONH2,RCOOEt
RMgX + CO2
Hydrolyse
18.2; 15.4.2.2
RCOOH
Malonester-Synthese CH2N2 Ag2O
RCOCl
20.2.2.1 20.1.2.1 RCH2COOH
RCH2OH od. RCHO RCOCH3
Br2 OH–
Oxidation
RCOCBr3
OH–
12.1.3; 18.2; 16.5.3 RCOOH
16.3.7 RCOOH
7.6.2.1
Oxidation
ArCH3
18.2; 19.1.1 RCOOH
ArCOOH
Darstellung von Säurechloriden 18.4.3; 19.2.2
PX3 od. SOCl2
RCOOH
RCOX od. RCOCl
Darstellung von Säureanhydriden RC(O)
Cl + RCOO
19.2.1
–
RC(O)
O
COR
Darstellung von Estern H+
RCOOH + AlkOH RCOCl + R'OH
18.4.3; 19.2.4 RCOOAlk
19.1.3; 19.2.4
Pyridin
(RCO)2O + R'OH RCOOMe + R'OH
RCOOR'
RCOOH + RCOOR'
19.1.3; 19.2.4
Säure od. Base
RCOOR' + MeOH
RCOO– + AlkBr (od. Alk OTs)
RCN
C
O + R'
RCOOR'
19.2.4 19.2.6
H+,Alk OH
RCOOAlk
RCOOH + CH2N2 RHC
19.1.3; 19.2.4
19.2.4
RCOOCH3 OH
RCH2
COOR'
19.2.4
Methodenregister
607
Verfahren Darstellung von Säureamiden
19.1.2; 19.2.3
HNR2
RCOCl, (RCO)2O, RCOOEt
RCONR2
19.2.3; 19.2.6
H2SO4
RCN
Abschnitt
RCONH2
Beckmann-Umlagerung von Oximen Darstellung von Nitrilen
19.2.3
AlkX + CN–
10.4.4; 19.2.6
AlkCN
19.2.6
P4O10
RCONH2
RCN
RCOR' + HCN
14.5.2
Cu2(CN)2
ArN2+
17.2.1.2
RCH(OH)CN
ArCN
Darstellung von Aminen Alk
X + HNR2
RR'C
Alk
14.1.2.5
Red.
O + H2NR''
14.1.2.1
NR2
RR'CH
NHR''
N− + R X
N R
14.1.2.4
NaOBr
R
NH2
Reduktion anderer Stickstoff-Verbindungen Darstellung von Azo-Verbindungen R Ar
NHNH
SnCl2, OH
14.1.2.3 14.3.1
Oxidation
R
R
N
N
R
14.3.1, 14.5.2
+ N2 + ArOH
ArNO2
RNH2
O
O
RCONH2
14.1.2.2
O
O
p-Ar
N
N
ArOH
14.3.1, 14.2.3.1
– Ar
N
N
Ar
Darstellung von Nitro-Verbindungen ArH
HNO3
AlkNH2 Alk
H2O2
– X + NO2
8.2.1; 14.2.2 ArNO2
14.1.4.2 AlkNO2 Alk
NO2
10.4.4
608
Methodenregister
Verfahren Darstellung von Thiolen Alk
Br + SH
Abschnitt 13.1.1
–
Alk
SH
Alk
S
Darstellung von Sulfiden Alk
Br + SR'
13.2.1
–
R'
Darstellung von Sulfonsäuren Ar
Ar
H + H2SO4 od. SO3
8.2.2 13.1.3.1
Oxidation
RSH
SO3H
RSO3H
Kettenverlängerungs- und Kettenverzweigungsreaktionen Bei der Synthese eines größeren Moleküls ist es in der Regel erforderlich, von kleineren Molekülbausteinen auszugehen und diese schrittweise zu vergrößern. Man kann auch zunächst größere Bruchstücke getrennt herstellen und diese in einem späteren Stadium der Synthese miteinander verbinden. Dabei wird in der Regel das Kohlenstoffgerüst der Ausgangsverbindung vergrößert, wobei es oft zweckmäßig ist, an geeigneter Stelle Verzweigungspunkte vorzusehen, die dann später z. B. zu einem Ring geschlossen werden können. Verfahren Kettenverlängerung um ein Atom RCOOH
15.4.2.1; 12.1.2.1
CH2O
RMgX
RC
15.4.2.2; 18.2
CO2
RMgX
– + C Na
RCH2OH
Ph3P
O
AlkX + CN– ArN2+
RCOCl
Cu2(CN)2
CH2N2 Ag2O
5.2
CO2
ArH + CO + HCl
C
Abschnitt
RC
CCOOH
8.2.5
AlCl3
ArCHO
Druck
15.4.5
CH2
C
AlkCN
CH2
10.4.4; 19.2.6 14.5.2
ArCN
20.1.2.1 RCH2COOH
Methodenregister
609
Verfahren
Abschnitt 17.2.1.2
HCN
RCOR'
RCH(OH)CN
14.2.3
Base
ArCHO + CH3NO2
ArCH
CHNO2
Kettenverlängerung um zwei Atome RMgX + H2C
12.3.3.1
RCH2CH2OH
CH2 O
Malonester-Synthesen CH3COONa
ArCHO
ArCH
(CH3CO)2O
ArCOOEt
RCHO
20.2.2 17.3.4; 20.2.3.2
18.5.3.1; 20.2.1.1
CH3COOEt
ArCOCH2COOEt
NaOEt
18.5.2.1; 20.2.1.4
Zn BrCH2COOEt
– AlkBr + Na+ C
CHCOOH
RCH(OH)CH2COOEt
CH
AlkC
5.2; 17.2.3
CH
Aldolreaktionen Claisen-Kondensationen Kettenverlängerung um drei Atome RCH2CH
CH2
RMgX + BrCH2CH
17.3.2 20.2.1.1 CH2
17.3.8; 20.2.2.4
EtOOC RCH(COOEt)2 +
C
C C
O
Base
R
C
EtOOC
C
C
RCHO RCOO–
Kat.
O
H
Verzweigungsreaktionen Grignard-Reagenz C Aldehyd, Keton, Ester oder Säurechlorid Malonester-Synthesen Acetessigester-Synthesen Kupplungsreaktionen (C–C)
C
15.4.2; 17.2.2; 20.1.1.1; 20.1.2.1 20.2.2 20.2.2; 18.5.3.3 17.2.1.3
RCH(OH)COR;
Elektrolyse
Acyloin-Kondensation Pinakol-Kupplung Ringschlüsse Dieckmann-Kondensation Thorpe-Ziegler-Cyclisierung Acyloin-Kondensation
R = Ar, Alkyl
3.1.3.2 R
R
20.1.1.2 16.5.1 20.2.1.2 20.2.4 20.1.1.2
610
Methodenregister
Verfahren
Abschnitt 12.1.3.2
OH
O
OH
18.5.1.2
COOH
O
COOH
6.2.1
Cl
+ lCCl2
1,1 - Cycloaddition
Cl
6.2.3 1,4 - Cycloaddition
+
Spaltung von C–C-Bindungen Bei Synthesen müssen oft Gruppen eingebaut werden, die dann in einem späteren Schritt wieder entfernt werden müssen. Einige mögliche Abbaureaktionen sind: Verfahren HO C C OH
C
H5IO6
6.2.3.1; 16.2.6
1) O3
C
C
2) Red.
NaOBr
RCOO– Ag+
Br2
C
RCOOH
RH + CO2
RCOOH
O + O
16.3.7
Br2 / OH –
RCOCH3
RCONH2
C O + O C
Abschnitt 12.1.3.2; 16.2.6
18.4.2 14.1.2.4
RNH2
9.3; 18.4.2 RBr
Synthesen Stickstoff-haltiger Verbindungen Stickstoffhaltige Verbindungen spielen in der organischen Chemie eine wichtige Rolle. Zum einen findet man sie in einer Reihe von Naturstoffen (Alkaloiden, Amino- und Nucleinsäuren, etc.), zum anderen sind sie wichtige synthetische Intermediate. Tab. A.2 fasst daher die verschiedenen Verbindungsklassen und deren Herstellungsmethoden zusammen.
Methodenregister
611
Tab. A.2 Synthesemöglichkeiten wichtiger N -haltiger Verbindungen
Verbindungsklasse
Funktionelle Gruppe
Darstellung
Amide (Säureamide) O
a) Carbonsäureamide
CO
NH2
R
O
+ NH3
C
R
– HCl
C NH2
Cl
b) Sulfonsäureamide Imine (Aldimine, Schiffsche Basen)
SO2 NH2
C C
Nitrile (Cyanide)
C
R
SO2 Cl
R
C
NH
O
N
CH3
I
– HCl
R
SO2 NH2
R
C
NH
+ NH3 – H2O
H
NR
+ NH3
+ KCN – KI
H
CH3
C
N
CH3
+ N
C
–
oder O R
P4O10
C NH2
Isonitrile (Isocyanide)
+ N
– C
+ AgCN
R
I
Isocyansäureester (Isocyanate)
Hydroxylamine
O
C
N
– C
N
O O CN CN
+ Cl–CN – HCl
NH NH22
N
C O
NCO N C O
+ COCl2 – 2 HCl
N H2N
–
O
OH
+ H2O2
R2N
+
H
R2NOH
OR O
O
C
R
N
O
+ N
O
OC2H5
R
N
+ H2O2
R
– C2H5OH
R
–
O
+ NH2OH
C
NHOH
Aminoxide
+ N
R
R2NH
Hydroxamsäuren
C
– AgI
OH OH
Cyansäureester (Cyanate)
R
– H2O
R
NHOH
R – + N O
– HO 2
R
C
R
612
Methodenregister
Tab. A.2 (Fortsetzung)
Verbindungsklasse
Funktionelle Gruppe
Darstellung
Hydrazine (3 Arten) a) monosubstituiert
NH
NH2
b) sym. disubstituiert
NH
NH
R
CH
N
R
c) asym. disubstituiert
N
Hydrazone (substituiert)
C
Nitrosamine (N-Oxide)
N
Nitroso-Verbindungen
N
Nitro-Verbindungen
NO2
Pt / H2
NH2 R
1) Methylierung 2) Verseifung
O C NH NH C O
R2N
NH2
N NH R
CH3 CH3
R2N
– HO 2
R
R
– HNO 2
R
NHOH NHOH
O
NH2
C N NH R
CH3
+ N2O3
NH
NH2
CH3
C O + H2N NH R
NH
CH2
CH3 NH NH CH3
– 2 RCOOH
+4H
NO
R NO
R
N
NO
NO NO
K2Cr2O7 – HO 2
+ NO2
NO2 NO 2
+
Oxid. mit
Azo-Verbindungen (aliphatisch)
N
N
Azo-Verbindungen (aromatisch)
N
N
CH3 NH NH CH3
N2
+
HNO2
CH3
–2H
OH
N N
N
N
CH3
OH
pH 9 - 10
+
Diazo-Verbindungen (aliphatisch)
Diazo-Verbindungen Ar (aromatisch) (Diazoniumsalze) Azide
– + CH N
+ N
N3
N
N X
Ar
SO2
CH3
+ KOH
NO
– H2O – Ar-SO – K + 3
N
• 2 NHNH 2 HCl
–
++ N2NCl 2
+ NaNO HNO2 2
Cl−
– 2 HCl H2O
CH3I
+ NaN3
CH3
CH2N2
N3
Methodenregister
613
Oxidationsreaktionen In der organischen Chemie sind Oxidationsreaktionen häufig Dehydrierungsreaktionen, d. h. es wird Wasserstoff aus dem Substrat entfernt. Daneben können auch CC-Bindungen oxidativ gespalten werden. Bekannte Oxidationsmittel sind CrO3 oder Na2 Cr2 O7 in 0,5 M H2 SO4 (Jones Reagenz) oder CrO3 /Pyridin in CH2 Cl2 (Collins Reagenz). Zur Oxidation von Alkyl-Aromaten in der Seitenkette dienen u. a. HNO3 , KMnO4 und das Jones Reagenz. C=C-Bindungen können oxidativ mit Ozon gespalten werden, wobei aus einem Alken nach Aufarbeitung zwei Carbonylverbindungen gebildet werden (Ozonolyse). Andere Oxidationsmittel wie OsO4 und KMnO4 liefern zunächst 1,2Diole, die danach zu Carbonylverbindungen gespalten werden können. Aromaten reagieren erst bei Zimmertemperatur mit Ozon, Alkene schon bei tieferen Temperaturen. Aromaten können aber auch katalytisch mit V2 O5 unter Verwendung von Luftsauerstoff gespalten werden. O V2O5 O2
Benzol
O O Maleinsäureanhydrid
Weitere Beispiele finden sich in Tab. A.3.
Reduktionsreaktionen Reduktion bedeutet in der organischen Chemie oft die Aufnahme von Wasserstoff. Für die Reduktion funktioneller Gruppen stehen zahlreiche Reduktionsmittel zur Verfügung, von denen einige selektiv bestimmte Gruppen reduzieren. Man beachte, dass Hydrierungen mit H2 /Kat. stereospezifisch ablaufen und dabei diastereomere Produkte entstehen können. So können z. B. aus Ketonen Racemate erhalten oder Diastereomere gebildet werden: O
H H R
Reduktion
OH H
HO H H R
+
R
Von besonderer Bedeutung im Labor sind Reduktionen mit Metallhydriden. NaBH4 ist weniger reaktiv als LiAlH4 ; B2 H6 reagiert auch mit nicht aktivierten C=C-Bindungen. Ein sehr selektiv wirkendes Reduktionsmittel ist LiC AlH[OC(CH3 /3 ]3 . Es reagiert nicht mit Estern und Säuren; mit Säurechloriden in der Kälte zum Aldehyd, in der Wärme dagegen zum primären Alkohol.
614
Methodenregister
Tab. A.3 Oxidationsverhalten einiger funktioneller Gruppen
Edukt prim. Alkohol
R
Oxidationsmittel
Oxidationsprodukt H
CH2OH
CuO (Cu als Kat.)
R
C
Aldehyd
O
prim. Alkohol
R
Cr 2 O 7 2–, H 2 SO 4
CH2OH
O R
Carbonsäure
C OH
sek. Alkohol
R1 CH
OH
R2
OH
1,4-Diphenol
O Br 2 , KMnO 4, MnO2 R1 C R3 R2 + Base O C 3 R
Keton
O
Cr 2 O 7 2–, H 2 SO 4
HO
p-Chinon
O
OH
1,2-Diphenol
O
HIO 4
OH
prim. aliphat. Amin R C 3 (mit tert. C)
NH2
o-Chinon
O
KMnO 4
R3C
H2O2
R3N
NO2
+
–
aliphat. Nitro-Verb.
tert. Amin
R 3 N|
aromat. Amin
Ar
NH2
H 2 SO 5
Ar
aromat. Amin
Ar
NH2
MnO 2 , H 2 O 2
aromat. Ar N N Ar Azo-Verb.
Isocyanid
NaOBr Ar NH NH Ar Pb(CH 3 COO) 4 + – Cl 2 , (H 3 C) 2 SO R N C
Thiol
Alk
Thiophenol
Ar
Thiol
Alk
Thiophenol
Ar
Diarylhydrazin
Sulfid
R
SH SH SH SH S
R
O NO
Amin-N-oxid aromat. Nitroso-Verb.
aromat. Ar N N Ar Azo-Verb. R
N C O
Isocyanat
O 2 oder
Alk S S Alk Disulfid
H2O2
Ar S S Ar
Disulfid
HNO 3
R
Sulfonsäure
HNO 3
Ar
SO3H SO3H
Sulfonsäure
O H 2 O 2 (1:1)
R
Sulfoxid
S R O
Sulfid
R
S
R
H 2 O 2 (Überschuss) R S R O
Sulfon
Methodenregister
615
Tab. A.4 Reduktionsmittel und ihre Anwendung
NaBH 4 C 2 H 5 OH R1 CH CH R2 Alken
Produkt
B 2 H 6 in LiAlH 4 H 2 mit THF (C 2 H 5 ) 2 O Metallkat.
o
Trialkylboran (Hydroborierung.)
o
++
R1 CH2 CH2 R2 Alkan
+
+
++
+
R CH2OH prim. Alkohol
+
+
++
+
H R
C
O Aldehyd
O R1 C R2 Keton
C
o
x
(+)
o
R CH2OH prim. Alkohol
++
o
++
+ Aldehyd
R CH2OH prim. Alkohol
OH Carbonsäure O R
C
Cl Carbonsäurechlorid O R1 C OR2 Carbonsäureester R
C N Nitril
OH
R2
sek. Alkohol
O R
R1 CH
(Rosenmund )
– langsam
– /o
+
–
R1 CH2OH + HO R2
Alkohole o
(+)
(+)
(+)
R CH2NH2 prim. Amin
Alk NO2 aliphat. Nitro-Verb.
o
o
–
++
Alk NH2 prim. aliphat. Amin
Ar NO2 aromat. Nitro-Verb.
o
o
(–)
++
Ar NH2 prim. aromat. Amin
Ar N N A
aromat. Azo-Verb. Reaktivität: + + sehr groß, + groß, (+) mäßig, – gering, o D keine Reduktion
616
Methodenregister
Verlauf der Reduktion mit BH4 in Methanol: −
BH4 + R2CO
CH3OH
B(OCH3)4
+ R2CHOH
Reduktion mit LiAlH4 : O H 3C
H CH3
+
H Al H H
Li+
−
Li+ O AlH3 H 3C
H
CH3
Aceton
Weitere Beispiele enthalten die Tab. A.4 und A.5.
OH
H3O+ H 3C
H
CH3
Isopropanol
Methodenregister
617
Tab. A.5 Reduktionen mit verschiedenen Reduktionsmitteln
Reduktionsmittel
Edukt Aldehyd oder Keton
R1 C
Zn-Hg, HCl
O
R2
Reduktionsprodukt R1 R2
O
cycl. Anhydrid
Alkan (nach Clemmensen)
CH2 O
Zn, CH 3 COOH
O
O
γ-Lacton
O
aliphat. Nitro-Verb.
Alk
aliphat. Alk Nitroso-Verb.
NO2
Zn, HCl
Alk
NH2
prim. aliphat. Amin
NO
Zn, HCl
Alk
NH2
prim. aliphat. Amin
Ar
aromat. Nitro-Verb.
Ar
NO2
Zn, H 2 O, NH 4 Cl
aromat. Nitro-Verb.
Ar
NO2
Zn, NaOH
aromat. Azo-Verb.
Ar N N Ar
Zn, HCl
Ar NH2
prim. aromat. Amin
Alk S S Alk
Zn, HCl oder Raney-Ni/H 2
Alk SH Ar SH
Thiol Thiophenol
Disulfid
R1 C
OH
Ar N N Ar H H
Ar S S Ar
Aldehyd oder Keton
NH
H 2 N–NH 2 , NaOH
O
2
R
R1 2
R
Arylhydroxylamin Diarylhydrazin
Alkan (nach Wolff-Kishner)
CH2
H 2 N–NH 2 , NaOH Diethylenglykol Aldehyd oder Keton
R1 2
C
O
R2
Na-Hg oder Mg-Hg oder Al-Hg
R1 R1 2
2
R C C R
Pinakol (reduktive Kupplung)
HO OH
Carbonsäure- 2 R1 COOR2 ester
1. Na in Xylol 2. H 2 O
Aromat
Na/NH 3 fl. C 2 H 5 OH
R CH C R α-Hydroxyketon OH O (Acyloinkondensation) BirchReduktion
Aufgaben
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
1) Welche Bindungswinkel erwarten Sie an den markierten Atomen folgender Verbindungen? Mit welcher Hybridisierung lässt sich dieser Winkel erklären?
O CH3
O CH3
A
B
H3C C C CH3
CH3 H3C N C CH3
CH3 H3C N C CH3
C
D
E
2) Zeichnen Sie alle möglichen Grenzstrukturen für folgende Radikale.
A
B
C
3) Vergleichen Sie die Bindungsdissoziationsenergien von Ethan, Ethen und Propen (Tab. 1.5). Welche Bindung ist jeweils die schwächste? Wie lassen sich die Unterschiede erklären)? H CH2 CH3 Ethan
2
H CH CH2
H CH2 CH CH2
Ethen
Propen
Allgemeine Grundbegriffe
1) Was versteht man unter: a) Gruppen-Nomenklatur, b) Konformationsformeln, c) Konformationsisomeren, d) Fischer-Projektion, © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
619
620
Aufgaben
e) Keto-Enol-Tautomerie, f) elektrocyclischen Reaktionen? Erklären Sie die Begriffe anhand eines aussagekräftigen Beispiels! 2) Was versteht man unter mesomeren und induktiven Effekten? Wie kommen diese zustande? Erklären Sie die verschiedenen Möglichkeiten jeweils an einem selbstgewählten Beispiel! 3) Benennen Sie folgende Moleküle nach der IUPAC-Nomenklatur! a CH3 CH CH2 OH
b
CH3 CH CH3 CH3 CH2 CH CH NO2
CH3 CH CH2 OH
CH2 C CH3 CH3 CH2 CH CH COOH
c CH3 CH CH2 OH
CH3 O CH C OCH3 CH3 CH2 CH CH OH
4) Von Verbindungen der Summenformel C7 H8 O gibt es eine Vielzahl von Isomeren. Zeichnen Sie jeweils 4 Beispiele dieser Isomere die a) zu den aromatischen Verbindungen, b) zu den chiralen Verbindungen, c) den acyclischen Verbindungen, d) den monocyclischen nicht aromatischen Verbindungen gehören! 5) Ordnen Sie folgende Carbeniumionen nach ihrer Stabilität und begründen Sie Ihre Abstufung! Welche Effekte sind für die Stabilität verantwortlich? + CH
+ H3C CH2
+ CH3
A
B
C
+ CH2
+ CH
D
OCH3
E
6) Ordnen Sie folgende Verbindungen nach ihrem pKs -Wert und begründen Sie Ihre Einstufung! Welchen Effekt haben die Substituenten? COOCH3 COOCH3
O2N A
COOCH3 B
COOH
COOCH3
OH
D
C
E
OH
Cl F
7) Welche der angegebenen Substituenten haben einen CI- und welche einen CM-Effekt? Sind auch Substituenten darunter mit einem I- und M-Effekt? Welche? Wodurch kommen diese Effekte zustande? CH3 A
O B
C
CH3 C O
CH3 CH2
OCH3 C O
CH3
D
E
CH3 NH F
Aufgaben
3
621
Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
1) Zeichnen Sie sämtliche strukturisomeren Hexane in der „Zickzack-Schreibweise“ (nur das Kohlenstoffgerüst wird gezeichnet ohne die H-Atome) und benennen Sie diese. Markieren Sie die primären (p), sekundären (s), tertiären (t) und quartären (q) C-Atome. Welche Verbindung hat den höchsten, welche den niedrigsten Siedepunkt? 2) Benennen Sie folgende Alkane nach der IUPAC-Nomenklatur!
A
B
C
D
E
3) Zeichnen Sie die beiden Hauptkonformationen von Propan in der a) Sägebock-Projektion, b) Stereoprojektion und c) Newman-Projektion. Wie verändert sich die potentielle Energie bei Rotation um eine CC-Bindung? 4) Skizzieren Sie die gestaffelten Konformationen von 1,1,2-Trichlorethan in der Newman-Projektion. Zwei von ihnen sind energetisch gleichwertig, die dritte ist verschieden. Welche sind identisch? Die verschiedenen Konformationen unterscheiden sich in ihrem Energieinhalt um 10;9 kJ=mol. Welche Konformation ist die stabilere und wieso? 5) Zeichnen Sie die Konstitutionsformel von 1,3-Dibromcyclohexan. Welche Stereoisomere gibt es? Zeichnen Sie die Strukturen, die die Konfiguration der Verbindung angeben und bestimmen Sie die Konfiguration von zwei unterschiedlichen Stereoisomeren. Siehe hierzu auch Abschn. 25.3. Welche Konformationen kann das cis-Isomere einnehmen? Begründen Sie, welche Konformation energetisch günstiger ist. 6) a) Beschreiben Sie zwei unabhängige Syntheserouten zum Aufbau von 3,4Dimethylhexan. Von welchen Verbindungen können Sie ausgehen und um welche Reaktionen handelt es sich jeweils. b) Können Sie mit den Methoden auch gezielt 3,4-Dimethylheptan herstellen? 7) Cyclohexanon kann man sehr einfach durch katalytische Hydrierung von Benzol oder Cyclohexen gewinnen, sowie durch Reduktion von Cyclohexanon. Wie würden Sie diese Reaktion durchführen? 4
Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR )
1) Behandelt man 2-Methylbutan mit Chlor und einem Radikalstarter, können vier konstitutionsisomere Verbindungen C5 H11 Cl entstehen. Geben Sie deren Struktur an! Zwei davon enthalten ein Stereozentrum und sind chiral (siehe hierzu auch Kap. 25). Welche?
622
Aufgaben
2) Welche Reaktionen treten bei der radikalischen Chlorierung von Toluol nicht auf? a
b CH2 + Cl2
CH2Cl + Cl
CH3 + Cl
CH2Cl + H
c
Cl +
CH3 + Cl
CH3
d CH3
Initiator
+ H
3) Welche (Haupt)produkte erwarten Sie bei den folgenden Reaktionen (jeweils 1 Äquivalent der 2. Komponente, außer bei h!)? a + Br2
FeCl3
c
b + Br2
d + NBS
+ Br2
e + Br2
g
AIBN
+ H2O2/OH
f + Br2
h
AIBN
FeCl3
h + KMnO4
4) Radikalische Halogenierungen lassen sich sehr gut unter Bestrahlung durchführen, da die Halogene gut Licht absorbieren. Dabei beobachtet man deutliche Selektivitätsunterschiede bei den verschiedenen Halogenen: Bei der radikalischen Chlorierung ergeben sich folgende Selektivitäten: Cprimär : Csekundär : Ctertiär von 1 : 5 : 10, bei der Bromierung ist die Selektivität gar 1 : 250 : 5000. Sie möchten nun 1,3-Dimethylcyclohexan selektiv mono-Halogenieren. Wie viele Monohalogenierungsprodukte können gebildet werden und wie heißen diese? Welche Produktverteilung erwarten Sie für die Chlorierung und die Bromierung? 5
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
1) Alkene sind wichtige Ausgangsverbindungen für Synthesen, da sich an die Doppelbindung leicht andere Atome oder Atomgruppen addieren lassen. Noch vielfältiger ist die Chemie der Diene. In welche Gruppen lassen sich Diene einteilen, und was ist das Charakteristische der jeweiligen Gruppen (Struktur, Reaktivität, Reaktionsverhalten, etc.)?
Aufgaben
623
2) Benennen Sie folgende ungesättigte Verbindungen auch stereochemisch eindeutig! OH C Cl A
B
C
D
E
Cl Br
3) Welche Hauptprodukte erwarten Sie bei den folgenden Umsetzungen? a
b
Cl CH3
NaOH
c
CH3
d 1. Na/NH3 +
2. H3O
e
6
1. NaNH2 2. CO2
OH
f
H2SO4
H2 Lindlar Katalysator 1. NaNH2 2. O CH3C + H 3. H3O
Additionen an Alkene und Alkine
1) 1,2-Diole (Glykole) sind aus Alkenen auf 2 Wegen zugänglich. Zeigen Sie am Beispiel von Cyclohexen wie man selektiv a) cis- (syn-) und b) trans- (anti-) Diole herstellen kann. In welchem stereochemischen Verhältnis stehen die Reaktionsprodukte zueinander? 2) Welche Produkte werden gebildet bei der Reaktion von Zimtsäureethylester mit a) Butadien, b) (CH3 CH2 )2 NH, c) Br2 , d) Metachlorperbenzoesäure, e) KMnO4 und f) NaOH, H2 O2 ? Um welche Reaktionen handelt es sich hierbei und wie laufen sie ab? (Mechanismus) 3) Welche Produkte erwarten Sie bei der Umsetzung von 2-Butin mit: a) H2 O und H2 SO4 /HgSO4 , b) H2 , Lindlar-Katalysator, c) Cl2 und d) 1. H2 , Lindlar-Katalysator; 2. Cl2 ?
624
Aufgaben
4) Sie führen mit 1-Phenylcyclohexen folgende Reaktionen durch: a) Einwirkung von Brom in CCl4 , b) Einwirkung von Ozon (O3 ) und anschließende reduktive Aufarbeitung, c) Einwirkung von HBr, d) Einwirkung von HBr unter Erwärmen in Gegenwart von Di-tert.-Butylperoxid. e) Wie viele und welche strukturisomeren Produkte erwarten Sie bei einer Wohl-Ziegler-Reaktion? Welche Reaktionen laufen ab und welche Produkte werden gebildet? Geben Sie den Reaktionsmechanismus an, der zu den entsprechenden Produkten führt. 5) Wie würden Sie folgende Umsetzungen durchführen? OH
a
OH
b
OH
c
d Cl
e O
OH
6) Welche (Haupt)produkte erwarten Sie bei den folgenden Reaktionen? A
COOMe
MeOOC
C
NH
NaOMe O O
H2O2, NaOH
O OH
D
B O
NaOH, I2 OH
+ MeOOC
E
COOMe 150 °C
F
Aufgaben
625
7) Sie haben 100 g 1-Methylcyclopenten geschenkt bekommen, um damit Umsetzungen zu machen. Daraus möchten Sie nun folgende Verbindungen herstellen: OH
OH OH A
B
OH C
Br
OH
Br
OH D
E
a) Wie würden Sie diese Reaktionen durchführen, und welche Reagenzien müssen Sie verwenden? b) Nach welchem Mechanismus verlaufen die einzelnen Reaktionen und wie lässt sich darüber die selektive Bildung der Produkte (Regio- und Stereoisomere) erklären? Einige Reaktionen verlaufen über 2 Stufen. geben Sie hier auch das Produkt des ersten Reaktionsschrittes an. Welche Reaktionen verlaufen stereoselektiv und welche stereospezifisch? c) Was beobachten Sie, wenn Sie in der Reaktionen die zu E führt zusätzlich NH4 Cl zusetzen? d) Anschließend unterwerfen Sie ihr 1-Methylcyclopenten einer Wohl-Ziegler-Bromierung. Welche Produkte werden gebildet und wieso? Erläutern Sie auch hier wie es zur Bildung der verschiedene Produkte kommt. e) Schließlich unterwerfen Sie ihr restliches 1-Methylcyclopenten einer Ozonolyse! Welches Produkt erwarten Sie nach wässriger Aufarbeitung? Erläutern Sie auch hier den Mechanismus und die Produktbildung. 7
Aromatische Kohlenwasserstoffe
1) a) Formulieren Sie die Strukturformeln aller aromatischen Verbindungen mit der Summenformel C8 H8 O und benennen Sie diese. b) Eine dieser Verbindungen reagiert mit NaBH4 zu einer Verbindung C8 H10 O, die auch entsteht, wenn Styrol (Vinylbenzol) mit 50 % H2 SO4 reagiert. Um welche Verbindung handelt es sich hierbei, und welche Reaktionen liegen zugrunde? 2) Diskutieren Sie zwei Möglichkeiten zur Reduktion aromatischer Kohlenwasserstoffe, die zu unterschiedlichen Produkten führen, am Beispiel von Toluol. Welche Produkte werden gebildet und wie heißen sie? 3) Was versteht man unter aromatischen Verbindungen und gibt es auch synund antiaromatische? Nennen Sie vier unterschiedliche Verbindungen. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit man von aromatischen Verbindungen spricht? 4) Isopropylbenzol wird folgenden Reaktionen unterworfen: a) Behandlung mit elementarem Brom unter Belichtung, b) Behandlung mit Luftsauerstoff und anschließend mit Schwefelsäure. Welche Produkte werden gebildet und wie (Reaktionsmechanismus!)?
626
Aufgaben
5) Welche Produkte erwarten Sie bei den folgenden Umsetzungen und erläutern Sie die zugrunde liegenden Mechanismen?
A
Br2
Na fl. NH3
h H3CO
B
COOH
6) Welche Produkte erwarten Sie bei der Umsetzungen von Toluol mit: a) Cl2 unter Belichten, b) H2 in Gegenwart von Nickel, c) Na in fl. NH3 , d) NH3 , e) N-Bromsuccinimid unter Erhitzen, f) KMnO4 ? 8
Die aromatische Substitution (SAr )
1) Beschreiben Sie den Verlauf der Friedel-Crafts-Reaktionen von Benzol mit: a) Ethylchlorid, b) Acetylchlorid. Welchen Einfluss hat der neu eingeführte Substituent auf eine mögliche Zweitsubstitution? 2) Formulieren Sie am Beispiel der Nitrierung von Anisol (Methoxybenzol) den Mechanismus der elektrophilen Aromatensubstitution. a) Welche(s) Produkt(e) erwarten Sie und welche Reaktionsbedingungen würden Sie wählen. b) Vergleichen Sie die Methoxygruppe und die Nitrogruppe hinsichtlich ihrer dirigierenden Effekte. Woher resultiert diese Steuerung? 3) Welche Reaktionen sind keine elektrophilen Substitutionen? a) Friedel-Crafts-Acylierung b) Friedel-Crafts-Alkylierung c) Sanger-Reaktion d) Birch-Reduktion e) Gattermann-Koch-Synthese f) Hock’sche Phenolsynthese g) Vilsmeier-Haack-Synthese 4) Umsetzungen aromatischer Verbindungen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Chemischen Industrie. a) Wie kann man aromatische Substitutionen durchführen. Erläutern Sie deren Mechanismus jeweils anhand eines geeigneten Beispiels. b) Was versteht man unter einer Ipso-Substitution?
Aufgaben
627
c) Betrachten Sie die Umsetzung substituierte Chlorbenzole A-D mit Natronlauge und ordnen Sie diese nach ihrer Reaktivität in dieser Reaktion. Welche Produkte werden gebildet? d) Dieselben Chlorbenzole setzen Sie außerdem mit Br2 um. Wie sieht hier die Reaktivitätsreihenfolge aus und welche Produkte werden gebildet? e) Für beide Reaktionen: Laufen alle Reaktionen ab oder gibt es auch Verbindungen die unter den angegebenen Bedingungen nicht reagieren? Welche Reaktionen benötigen eventuell einen zusätzlichen Katalysator? Cl
Cl
Cl
NO2 A
B
Cl NH2
OCH3 C
Cl
D
X A-D
H NaO °C 0 0 2 Br 2
?
?
5) a) Aus Nitrobenzol sollen Sie Phenyldiazoniumchlorid (E) .PhNC N Cl / herstellen. Wie gehen Sie vor? b) Ausgehend von diesem Diazoniumsalz wollen Sie Phenol und Chlorbenzol erhalten. Wie? c) Anschließend setzten Sie E noch mit 4-Methyl-1-Naphthol um. Was entsteht? 6) Sie möchten sowohl 2,4-Dinitrochlorbenzol als auch 3,5-Dinitrochlorbenzol mit Natronlauge umsetzen. Dabei stellen Sie fest, dass nur eine der beiden Verbindungen reagiert, die andere aber nicht. a) Woran liegt das? Erklären Sie die Produktbildung anhand der gebildeten Zwischenstufen. b) Nach welchem Mechanismus erfolgt diese Reaktion? 7) Sie sollen die beiden aromatischen Verbindungen Toluol (F) und Phenol (G) anhand ihres Reaktionsverhaltens unterscheiden. Dazu führen Sie folgende Umsetzungen durch, wobei Sie die Reaktionsbedingungen frei wählen können: a) Einwirkung von wässriger Kalilauge b) Einwirkung von Phenyldiazoniumchlorid c) Einwirkung von Brom Bei welcher Reaktion beobachten Sie eine Umsetzung und bei welcher nicht. Welche Produkte werden gebildet und nach welchem Mechanismus? 8) Wenn Sie ein Gemisch aus jeweils 1 Mol der 3 möglichen Dimethylbenzole (Xylole) mit genau 1 Mol Cl2 in Gegenwart einer Lewis-Säure umsetzen, beobachten Sie, dass eines der Isomere fast quantitativ reagiert, die beiden anderen fast gar nicht. a) Welches reagiert, und wie kann man dies erklären? b) Welche Lewis-Säure würden Sie verwenden?
628
Aufgaben
9) Welche Produkte erwarten Sie bei den folgenden Umsetzungen? B
C 1) BH3 2) H2O2, OH
1) O3 2) Zn/HOAc A
E Br2 AIBN
H2
Na/NH3 MeO +
F
Br2
Br2
H3O
KMnO4
D
Pd/C
G I
H
10) Wie würden Sie die Umsetzungen a–i durchführen? NO2
a
NH2
b
c
d
NH
NH
e O
Br
O
f
NH
NH g O
O
OH
O h
NH
NH i O
O
O
C
N
Aufgaben
9
629
Halogen-Verbindungen
1) Geben Sie die Hauptprodukte folgender Reaktionen an, falls diese überhaupt ablaufen (einfache Reaktion). Erklären Sie den Mechanismus und die Produktbildung. a
H3CO
+ Br2
b
H3CO
+ Br2
c
H3CO
+ Br2
FeCl3
d H3CO
+ Br2
Licht
e H3CO
+ Br2
f
+ Br2
H3CO
Licht
2) Alkylhalogenide sind wichtige Zwischenstufen für chemische Synthesen, die sich unter anderem leicht aus Alkoholen herstellen lassen. Beschreiben Sie die Herstellung von Ethylchlorid, -bromid und -iodid aus Ethanol. 10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom 1) Bei den nachfolgenden Reaktionen handelt es sich durchweg um nukleophile Substitutionen. Erläutern Sie die prinzipiell möglichen Reaktionsmechanismen anhand des Reaktionsprofils und ordnen Sie die Mechanismen den einzelnen Reaktionen zu. Welche organischen Produkte werden gebildet? Gibt es auch Reaktionen, die unter den angegebenen Bedingungen nicht ablaufen? a
NH2 + HBr
b
OH + HBr
c
OH + NH3
d Br
+ NaI
2) Welche Produkte erwarten Sie bei der Umsetzung von a) n-Butyliodid und b) tert-Butyliodid mit NaCN? Wie lässt sich die Produktbildung erklären? Nach welchen Mechanismen laufen die beiden Reaktionen ab? c) Wie würden Sie das benötigte n-Butyliodid ausgehend von n-Butanol herstellen (2 Stufen)? 3) a) Welche beiden Substitutionsprodukte entstehen überwiegend bei nachstehender Reaktion? Br
+ CH3OH
b) Wie werden diese Produkte gebildet? (Mechanismus) c) Sind diese Produkte chiral?
630
Aufgaben
d) Unterbricht man die Reaktion vorzeitig, so findet man ein Isomer der Ausgangsverbindung in der Reaktionsmischung. Welche Struktur hat es und wie ist es entstanden? e) Was erhält man, wenn man die Bromverbindung zuerst in Ether mit Mg umsetzt und anschließend das Methanol zugibt? Erläutern Sie den Mechanismus der Reaktion! 4) a) Welche beiden Hauptprodukte entstehen bei der folgenden Substitutionsreaktion von A? Benennen Sie diese auch stereochemisch korrekt. Me Me
I H A
Ph Ph
NaSH
b) In welchem stereochemischen Verhältnis stehen diese beiden Produkte zueinander? c) Wie können Sie die Produktbildung erklären? Erläutern Sie den Mechanismus der Reaktion und geben Sie die wichtigsten Zwischenstufen an. d) Wie viele und welche Produkte würden Sie erwarten, wenn Sie anstelle von A die Verbindungen B und C umsetzen würden? Me Me
I H B
Ph Me
Me Me
NaSH
I H C
Ph H
NaSH
11 Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2) 1) Bei folgender Umsetzung erhält man vier Produkte. Um welche handelt es sich, und wie lässt sich ihre Bildung erklären? (Mechanismus!) Benennen Sie die gebildeten Verbindungen!
Cl
70% Ethanol erhitzen
4 Produkte
2) Gegeben ist das vierfach substituierte Cyclohexanderivat A.
Cl A
a) „Übersetzen“ Sie die gegebene Konfigurationsformel in zwei relevante Konformationsformeln B und C (Sesselkonformationen).
Aufgaben
631
b) Bei der Behandlung der Verbindung A mit NaOEt/EtOH wird nur ein Olefin gebildet. Welches ist das und warum wird nur dieses gebildet? Verwenden Sie für Ihre Argumentation die Konformationsformeln, schreiben Sie das Endprodukt aber in der Konfigurationsschreibweise. c) Welches Produkt erhalten Sie, wenn Sie Ihr Olefin hydroborieren und anschließend oxidativ aufarbeiten? Kommentieren Sie den stereochemischen Verlauf dieser Reaktion. d) Welche Produkte können Sie erwarten, wenn Sie das hierbei gebildete Produkt mit Schwefelsäure erhitzen. Nach welchem Mechanismus verläuft diese Reaktion? 3) Schlagen Sie für folgende Reaktionen einen Mechanismus vor! Zu welcher Gruppe von Reaktionen gehört die Umwandlung des Vierrings in den 5-Ring? Was ist die Triebkraft für diese Reaktion? Cl
12 Sauerstoff-Verbindungen 1) a) Weshalb haben Ether sehr viel niedrigere Siedepunkte als Alkohole derselben molaren Masse? b) Wie schätzen Sie die Wasserlöslichkeit der Ether im Vergleich zu Alkoholen derselben Masse ein und wieso? c) Wie kann man aus Alkoholen symmetrische Ether herstellen, wie unsymmetrische? 2) Sie führen mit dem Alkohol 2-Butanol a) eine Dehydratisierung und b) eine Oxidation durch. Welche Produkte werden gebildet und welche Reagenzien würden Sie verwenden? 3) a) Beschreiben Sie die Bildung von Phenol aus Anilin anhand der Reaktionsgleichungen! b) Industriell kann Phenol nach dem Cumolhydroperoxid-Verfahren (HockVerfahren) hergestellt werden. Beschreiben Sie das Verfahren anhand der Reaktionsgleichungen! c) Welches wichtige Lösungsmittel wird neben Phenol gebildet? 4) Gegeben sind folgende strukturisomeren Verbindungen:
O A
O
O
O B
O
OH
HO C
D
a) Was versteht man unter Strukturisomeren? b) Welche Funktionalitäten erkennen Sie in den Verbindungen?
O
632
Aufgaben
c) Wie beurteilen Sie das chemische Verhalten von A–D unter folgenden Bedingungen: 1. Erhitzen auf 100 ı C in Toluol, 2. Umsetzung mit verdünnter Salzsäure. Bei welchen Verbindungen können Sie eine Reaktion beobachten und welche Produkte werden gebildet? Um welche Reaktionen handelt es sich? Erläutern Sie den Mechanismus der Reaktionen. 5) a) Welche der folgenden Verbindungen liefern bei der Umsetzung mit OH einen Alkohol als Hauptprodukt? b) Welche Verbindungen führen zu anderen Produkten und welchen? c) Welche Verbindungen reagieren überhaupt nicht und wieso? Br F A
O
Br
B
C
O
D
O O S O E
6) Epoxide (Oxirane) spielen eine wichtige Rolle in der Organischen Synthese, da sie leicht in andere Produkte umgewandelt werden können. a) Wie würden Sie Styrol (A) und Zimtsäureethylester (B) epoxidieren? Erläutern Sie die Reaktionen auch anhand des zugrunde liegenden Mechanismus. Erklären Sie die Wahl Ihrer Methode/Reagenzien. b) Nennen Sie 1 Reaktion, die man mit dem Styrolepoxid durchführen könnte. Welches Produkt wird dabei gebildet? COOEt A
B
13 Schwefel-Verbindungen 1) Was sind Sulfonsäuren und wozu werden sie verwendet? Beschreiben Sie 2 unterschiedliche Herstellungsmethoden am Beispiel einer aliphatischen und einer aromatischen Sulfonsäure. Nach welchen Mechanismen laufen diese Reaktionen ab? 2) Beschreiben Sie eine Methode wie Sie gezielt Benzylmercaptan (Benzylthiol) herstellen können, ohne dass es dabei auch zur Bildung von Dibenzylsulfid kommt. Was passiert, wenn Sie dieses Thiol längere Zeit an der Luft stehen lassen? 3) Lost (Senfgas, Gelbkreuz) ist zwar eine Flüssigkeit, wurde aber im ersten Weltkrieg als „Kampfgas“ eingesetzt. Solche chemischen Waffen sind nach der Chemiewaffenkonvention von 1997 heute verboten, aufgrund ihrer schrecklichen Wirkungsweise. Erklären Sie wie Lost „chemisch wirkt“.
Aufgaben
633
14 Stickstoff-Verbindungen 1) Die nachstehend angegebenen Verbindungen besitzen alle stickstoffhaltige Funktionalitäten. O CH3
NH2
CH3
NH
NH
O H 2N CH3
A
B
D
C
a) Benennen Sie die Verbindungen A–D! b) Ordnen Sie die Verbindungen nach steigender Basizität! c) Sowohl die Verbindungen A und D als auch B und C sind Strukturisomere. Wie können Sie die Isomerenpaare auf chemischem Wege unterscheiden? Beschreiben Sie die Reaktion! d) Welche der Verbindungen A–D können Sie durch geeignete Reaktionen ineinander überführen, und wie? e) Was passiert, wenn Sie diese Verbindungen jeweils mit NaNO2 =HCl umsetzen? Welche Produkte werden gebildet? Geben Sie die wichtigsten Zwischenstufen an. 2) Amine sind wichtige Verbindungen, sowohl aus chemischer wie aus biologisch-pharmazeutischer Sicht. a) Wie lassen sich gezielt primäre, sekundäre und tertiäre Amine herstellen? b) Wie kann man diese verschiedenen Amine unterscheiden und trennen? c) Was erhält man, wenn man aromatische Amine mit NaNO2 =HCl umsetzt? Wozu werden die Verbindungen verwendet? Was passiert mit aliphatischen Aminen unter denselben Bedingungen? d) Wie kann man aromatische Amine herstellen? e) Was sind biogene Amine, wie werden sie gebildet und wo kommen sie vor? Nennen Sie 2 Beispiele. 3) Ephedrin ist ein Alkaloid aus diversen chinesischen Pflanzen und in China als Ma-Huang-Droge bekannt. Früher wurde es als Appetitzügler und Aufputschmittel verwendet. Zur Synthese könnten Sie von den Verbindungen A-C ausgehen. Beschreiben Sie unabhängige Synthesewege ausgehend von diesen Bausteinen! O OH
OH
O
H N
NH O
Ephedrin
A
B
C
4) Sie wollen ausgehend von 1-Propanol 1-Propylamin herstellen. Wie würden Sie vorgehen? Was müssen Sie beachten um selektiv nur dieses Produkt zu erhalten?
634
Aufgaben
5) Was sind Azo- und was Diazoverbindungen? Nennen Sie jeweils einen typischen Vertreter mit Strukturformel. Wie lassen sich diese Verbindungen herstellen, und wozu werden sie verwendet? 15 Elementorganische Verbindungen 1) Metallorganische Reagenzien spielen eine wichtige Rolle in der organischen Synthesechemie. Vor allem Magnesiumverbindungen sind wohl etabliert. Wie nennt man diese Verbindungen? a) Wie kann man diese herstellen, in welchem Lösungsmittel und worauf muss man achten? Wie liegen die Reagenzien vor? b) Setzen Sie Ethylmagnesiumbromid einmal mit Essigsäurebenzylester und einmal mit Cyclohexanon um. Welche Produkte erwarten Sie nach Hydrolyse und warum? Formulieren Sie die Mechanismen der beiden Reaktionen. c) Was passiert, wenn Sie anstelle des Essigsäureesters das Essigsäuremethylamid und das Essigsäuredimethylamid verwenden? Welche Reaktion beobachten Sie und welche Produkte werden gebildet (nach Hydrolyse)? 2) Setzen Sie folgende Verbindungen jeweils mit einem Äquivalent CH3 MgBr um. Welches Produkt erwarten Sie nach Hydrolyse und wieso? O
O OCH3
A
O Cl
B
O OH
O H Cl
D
C
O H
E
3) a) Welches Produkt erwarten Sie bei der Hydroborierung/Oxidation von 1-Cyclopentylcyclohexen mit Disiamylboran (A)? Nach welchem Mechanismus verläuft die Hydroborierung und wie lässt sich die Produktbildung erklären? b) Wie würden Sie A herstellen? Antworten Sie mit einer Reaktionsgleichung. c) Als sterisch gehindertes Boran eignet sich A auch zur einfachen Hydroborierung von Alkinen. Was erhält man bei der Hydroborierung von Ethinylbenzol mit A, gefolgt von Aufarbeitung mit H2 O2 /KOH? H B A
4) Die Wittig-Reaktion ist eine der wichtigsten Reaktionen zum Aufbau von Alkenen unter C-C-Knüpfung. Erklären Sie, wie man unter Verwendung dieser Reaktion ausgehend von Benzaldehyd 1-Phenylpenten herstellen kann. Von welchen Verbindungen gehen Sie aus und nach welchem Mechanismus läuft die Reaktion ab? Welche starke Base wird hierfür verwendet und wie kann man sie herstellen?
Aufgaben
635
5) Kupferorganische Verbindungen sind weit weniger reaktionsfähig als Lithiumoder Magnesiumverbindungen. Daher lassen sie sich viel selektiver umsetzen, da sie viele andere funktionelle Gruppen tolerieren. Nennen Sie 3 unterschiedliche Reaktionen die Sie bevorzugt mit Kupferverbindungen machen können. 6) Wie können Sie ausgehend von Styrol in einem Schritt Phenylcyclopropan herstellen? Welches Metall kommt hierbei zum Einsatz und welche andere wichtige Reaktion können Sie hiermit noch durchführen? 16 Aldehyde, Ketone und Chinone 1) Aldehyde, Ketone und Chinone lassen sich zum einen durch Oxidation niedriger Oxidationsstufen herstellen, sowie einige auch durch Reduktion höherer Oxidationsstufen. a) Welche dieser Verbindungen lassen durch Reduktion darstellen, wovon gehen Sie aus und womit würden Sie diese Verbindungen reduzieren? b) Aldehyde und Ketone lassen sich sehr schön durch Oxidation von Alkoholen mit Chromreagenzien oxidieren. Was müssen allerdings bei der Herstellung von Aldehyden beachten? Von welcher Art von Alkoholen gehen Sie aus? Formulieren Sie die Reaktion und ihren Mechanismus! c) Welches Produkt erwarten Sie wenn Sie mit Verbindung A eine SwernOxidation durchführen? Formulieren Sie den Mechanismus der Reaktion. Benennen Sie die Verbindung. d) Chinone lassen sich unter relativ milden Bedingungen, oftmals mit Luft, oxidieren. Wovon müssen Sie ausgehen um Verbindung B zu erhalten? Wie würden Sie Verbindung C herstellen? Handelt es sich hierbei ebenfalls um ein Chinon? O
O
OH HO A
O
B
O
C
2) Welche Produkte erwarten Sie bei der Umsetzung von 4-Methylcyclohexanon mit a) Natrium in Ethanol, b) Selendioxid SeO2 , c) Magnesium in Toluol und d) Hydrazin und NaOH? Erklären Sie den jeweiligen Mechanismus der Reaktionen. Werden bei der Reaktion Isomere gebildet und wenn ja welche? 3) a) Beschreiben Sie einen einfachen Weg wie man aus Phenol Anisaldehyd (A) herstellen kann. Welche Reaktionen können Sie verwenden und welche Nebenprodukte können auftreten? b) Welches Produkt B erhalten Sie, wenn Sie den Anisaldehyd A anschließend in einer Stetter-Reaktion weiter umsetzen?
636
Aufgaben
c) Das Produkt B aus b) lösen Sie in Pyridin und geben CrO3 dazu. Was entsteht? d) Anschließend erhitzen Sie das dabei gebildete Produkt C mit NaOH und geben nach dem Abkühlen Methyliodid (MeI) hinzu. Welches Produkt D entsteht und welche funktionellen Gruppen enthält es? e) Anisaldehyd (A) setzen Sie außerdem mit Aceton in Gegenwart von Natriumethanolat um. Welche Verbindung E entsteht, und was passiert, wenn Sie dies mit verdünnter Salzsäure umsetzen? Benennen Sie das Endprodukt F. 17 Reaktionen von Aldehyden und Ketonen 1) Was entsteht bei der Behandlung von Acetaldehyd (Ethanal) mit Natriummethanolat? Wie läuft die Reaktion mechanistisch ab? Was entsteht bei der Aufarbeitung unter sauren Bedingungen? 2) Mit 2,2-Dimethylpropionaldehyd wollen Sie folgende Reaktionen durchführen: a) eine Knoevenagel-Reaktion, b) eine Aldoladdition mit Benzaldehyd, c) eine Claisenkondensation mit Benzaldehyd und d) eine Strecker-Synthese. Welche Reaktionen sind überhaupt möglich? Welche Produkte entstehen und wie werden sie gebildet? (Mechanismus!) Welche „Zutaten“ benötigen Sie noch für diese Reaktionen? Welche Produkte entstehen ferner, wenn Sie diesen Aldehyd umsetzen mit e) Ethanol im Sauren (EtOH=HCl), f) Ethanol im Basischen (EtOH=OH ), g) n-Butylamin, h) 1. Hydroxylamin; 2. P4 O10 , i) Lithiumaluminiumhydrid und k) tert.-Butylmagnesiumbromid? 3) Sie wollen mit Butyraldehyd folgende Reaktionen durchführen: a) Umsetzung mit Ethylenglykol im Sauren, b) Umsetzung mit Hydrazin (H2 N–NH2 ) und c) Umsetzung mit Blausäure (HCN). Welche Produkte werden gebildet? 4) Beschreiben Sie einen geeigneten Syntheseweg für Verbindung A ausgehend von Cyclohexen und Cyclohexanon. O O
A
Aufgaben
637
5) Die gekreuzte basenkatalysierte Aldol-Reaktion (Aldol-Addition) zwischen Propionaldehyd und Pentan-2-on liefert ein Produktgemisch. a) Welche Produkte können prinzipiell gebildet werden, und welche sind Ihrer Meinung nach die Hauptprodukte? b) Warum werden diese Produkte Ihrer Meinung nach bevorzugt gebildet? (Erklärung!) c) Erläutern Sie an einem Beispiel den Mechanismus der Reaktion. Markieren Sie in den Produkten die Stereozentren. d) Welche der Produkte fallen als Enantiomere an und welche als Diastereomere? 6) Sie möchten 3-Hexanon ausgehend von folgenden Verbindungen herstellen, wie gehen Sie vor, welche Reaktionen und Reagenzien würden Sie verwenden? a MeO OMe
b MeS SMe
c
d OH
N
Ph
e
f Cl O
Was erhalten Sie, wenn Sie das 3-Hexanon anschließend mit folgenden Reagenzien umsetzen? g) MeOH=HC h) MeOH=OH i) PhMgBr k) NH2 OH l) HCN m) HCN/NH3 7) Zur Herstellung von Aminosäuren wird häufig die Strecker-Synthese verwendet. Die hierbei gebildeten Produkte werden anschließend durch Kochen mit wässriger Säure in Aminosäuren umgewandelt. Beschreiben Sie die StreckerReaktion unter Verwendung von Benzaldehyd. Welches Produkt wird gebildet, und wie läuft die Reaktion mechanistisch ab? 8) Bei Behandlung von Cyclopentan-1,3-dion mit Jodmethan in Gegenwart von NaOH können sich bis zu 4 verschiedene Produkte bilden. Welche? Wie können Sie die Produktbildung erklären? Schätzen Sie den pKs -Wert von Cyclopentan-1,3-dion ab!
638
Aufgaben
9) Wie würden Sie folgende Umsetzungen durchführen? OH
O
O a,b
O
COOH
c
O
N
N
OH
e
d
H N
f
O O
g,h
O O CHO
O m
i,k
N
10) Welche Produkte erwarten Sie bei den folgenden Reaktionen? Um welche Reaktionen handelt es sich? a
OH + H2SO4 N
b
O
O +
COOEt
Ph
EtO EtOH
c CHO + Cl
d
O
CHO + EtOOC
O
COOEt
EtO EtOH EtO EtOH
18 Carbonsäuren 1) Nennen Sie 3 verschiedene Methoden, wie man Carbonsäuren herstellen kann. 2) a) Eine wichtige Reaktion zur Herstellung aliphatischer Carbonsäuren ist die Arndt-Eistert-Reaktion. Worum handelt es sich bei dieser Reaktion, und wie läuft sie ab? Erklären Sie diese Reaktion anhand von Cyclohexancarbonsäure und benennen Sie das dabei gebildete Produkt A.
Aufgaben
639
b) Aus der bei Aufgabe a) gebildeten Carbonsäure A möchten Sie nun die ’Bromcarbonsäure B herstellen. Wie gehen Sie vor und womit müssen Sie A umsetzen? Erklären Sie den Mechanismus der Reaktion. Wie können Sie auch die ’-Iodcarbonsäure C erhalten? Welches Produkt D erwarten Sie bei der Umsetzung von C mit Natronlauge? c) Welche Möglichkeit sehen Sie um aus A auch die “-Bromcarbonsäure E zu erhalten? Welche Reaktion müssen Sie hierzu anwenden? Welches Produkt F erwarten Sie bei der Umsetzung von E mit Natronlauge? 19 Derivate der Carbonsäuren 1) Ordnen Sie folgende Carbonylverbindungen nach ihrer Carbonylaktivität und erklären Sie ihre Abstufung: O
O H
O OH
A
2)
3)
4) 5)
O NH2
OCH3 H 2N
H3CO
C
O
O
E
OCH3 Cl
B
O
F
OCH3 D O
Cl O2N
G
H
Welche Effekte sind für die Carbonylaktivität verantwortlich und worauf sind diese zurückzuführen? Geben Sie die Produkte der Umsetzung von Propansäure mit folgenden Reagenzien an: a) SOCl2 b) PBr3 c) CH2 N2 d) Isopropanol=HC e) Ethyliodid=NaOH a) Welches Produkt erwarten Sie wenn Sie Isobuttersäure mit Anilin umsetzen? b) Was entsteht, wenn Sie statt Isobuttersäure das entsprechende Säurechlorid verwenden? Wie würden Sie ausgehend von einer Verbindung der Summenformel C5 H8 O 5-Aminovaleriansäure herstellen? a) Wie können Sie ’-Methyl-“-butyrolacton synthetisieren, und welche Ausgangsverbindungen werden dafür benötigt? b) Wie können Sie diese herstellen, sollten diese nicht käuflich erwerbbar sein?
640
Aufgaben
c) Welche Produkte erwarten Sie bei der Umsetzung von ’-Methyl-“-butyrolacton mit 1. NaBH4 , 2. PhCH2 SH, 3. NaOH und 4. MeOH? 6) a) Wie würden Sie Phthalsäure herstellen und was erhalten Sie wenn Sie sie erhitzen? b) Wofür kann man Phthalsäurederivate verwenden? 20 Reaktionen von Carbonsäurederivaten 1) a) Welche Produkte entstehen bei den folgenden Reaktionen, bzw. womit müssen Sie A umsetzen um zu C zu gelangen? Erklären Sie die Reaktionen und benenn Sie die Produkte! O
SOCl2
A
O
B
OH
C
NH2
LiAlH 4 Et 2O
Br 2, N a O H
D
E
b) Was entsteht, wenn Sie A mit D bzw. E umsetzen? 2) a) Beschreiben Sie 2 unabhängige Wege zur Herstellung von Essigsäurebutylester. Welcher Weg ist der geeignetere? b) Mit diesem Ester wollen Sie anschließend eine Claisen-Kondensation durchführen. Womit müssen Sie den Ester umsetzen? Welches Produkt erwarten Sie und wie wird es gebildet? Beschreiben Sie genau den Mechanismus der Reaktion. c) Wozu kann man das gebildete Produkt weiterhin verwenden? Nennen Sie 2 Beispiele! 3) a) Ausgehend von Chloressigsäuremethylester und Benzaldehyd kann man relativ einfach das Epoxid des Zimtsäuremethylesters A herstellen. Wie würden Sie dies machen, und nach welchem Mechanismus bildet sich das Epoxid? b) Wie könnte man A noch herstellen? c) Welches Produkt B bildet sich, wenn Sie A mit Natronlauge erhitzen? COOMe O A
Aufgaben
641
4) Welche Produkte erwarten Sie bei den folgenden Reaktionen? NH A
COCl
NH C
E
G
I
L
COOH
Na EtOH
COOMe
MeMgBr
CONH2
Ether EtOH starke Säure
B
CH2N2
D
DibalH Toluol -78 °C
F
LiAlH4
H
Ether 1) Base Me C N 2) H3O+
C N O
MeONa MeOH
CH2N2
COOMe
1) NaOH
K
M
2) H3O+ 3)
5) Wie würden Sie folgende Umsetzungen durchführen? Welche Reagenzien müssen Sie verwenden? PhBr
a
PhCOOH OH
d Ph
COOEt
b
O
c PhCOOPh
COOEt
Ph
OH
e Ph
COOEt
f Ph
6) Wie können Sie ausgehend von But-3-en-2-ol trans-4-Hexensäure herstellen? Wie heißt diese Reaktion und nach welchem Mechanismus läuft sie ab? 21 Kohlensäure und ihre Derivate 1) Phosgen ist das sehr reaktionsfähige Säurechlorid der Kohlensäure, aus dem sich alle anderen Kohlensäurederivate herstellen lassen. a) Wie wird Phosgen hergestellt? Welche Produkte außer HCl erwarten Sie bei Umsetzung mit b) H2 O, c) Diethylamin,
642
Aufgaben
d) Essigsäure, e) 1 Benzylalkohol und f) 2 Benzylalkohol? 2) Harnstoff entsteht als Abbauprodukt Stickstoff-haltiger Verbindungen im Körper und wird mit dem Harn ausgeschieden. Dieses organische Molekül ist das erste das von Friedrich Wöhler vor ca. 200 Jahren vollständig aus anorganischen Substanzen hergestellt wurde. a) Wie hat dies Wöhler gemacht? b) Nennen Sie weitere Möglichkeiten wie man Harnstoff synthetisieren kann! c) Was passiert wenn man Harnstoff schmilzt und weiter erhitzt? Was entsteht, wenn man eine wässrig saure Lösung von Harnstoff erhitzt? d) Wie sieht Thioharnstoff aus und zu was kann man ihn verwenden? 3) Zeichnen Sie die Strukturformeln von a) Butylisocyanat, b) Butylcyanat, c) Semicarbazid, d) Carbamidsäure, e) Dimethlcarbodiimid, f) Harnsäure, g) N-Propylharnstoff und h) Urethan! 22 Heterocyclen 1) Benennen Sie folgende Heterocyclen! O O A
NH B
O C
N HN
O D
S
NH S E
N F
G
N H
N H
2) Pyrrol (C4 H5 N) und Pyridin (C5 H5 N) gehören beide zu der Gruppe der Heteroaromaten, dennoch zeigen beide ein sehr unterschiedliches Reaktionsverhalten. a) Erläutern Sie anhand der entsprechenden MO-Modelle, wie die Aromatizität zustande kommt. b) Vergleichen Sie die Heteroaromaten mit Benzol hinsichtlich ihrer Reaktivität und erklären Sie, wie es zu dieser Abstufung kommt. c) Beide Heteroaromaten enthalten N-Atome, welchen würden Sie als Base einsetzen? d) Mit welchen Reagenzien würden Sie die beiden Heterocyclen umsetzen um sie zu nitrieren? Welche Produkte werden dabei gebildet. Erklären Sie den Reaktionsverlauf anhand der dabei gebildeten Zwischenstufen.
Aufgaben
643
e) Welcher der beiden Heterocyclen geht mit NaNH2 eine Reaktion ein. Um was für eine Art von Reaktion handelt es sich dabei und welches Produkt wird dabei gebildet? Erklären Sie auch hier die Produktbildung anhand der durchlaufenen Zwischenstufen. Was passiert mit dem anderen Heterocyclus? f) Wie kann man Pyrrol und Pyridin herstellen 3) Beschreiben Sie Synthesewege zum Aufbau von: a) Chinolin, b) 1-Phenyl-1,2,3-Triazol, c) 2-Methylindol, d) 3,5-Dimethylisoxazol, e) 4,5-Dimethyl-2-phenyl-imidazol und f) Thiazol. 24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen 1) Was sind elektrocyclische Reaktionen und bei welcher Art von Verbindungen können diese Reaktionen auftreten? Welche Produkte erwarten Sie, wenn Sie (2E,4Z,6E)-Nona-2,4,6-trien a) belichten und b) erhitzen? Welche Isomere werden gebildet? Erkläre Sie den stereochemischen Verlauf anhand der Grenzorbital-Methode. 2) Was besagen die Woodward-Hoffmann-Regeln und für welche Art von Reaktionen kann man Sie anwenden? 3) a) Wie viele Produkte mit unterschiedlich physikalisch-chemischen Eigenschaften entstehen bei der thermischen Umsetzung von Cyclopentadien mit Maleinsäuredimethylester? b) Wie verhalten sich die Produkte zueinander und welches ist das Hauptprodukt? Erklären Sie dessen bevorzugte Bildung anhand des MO-Korrelationsschemas. c) Welche Produkte entstehen, wenn Sie anstelle von Maleinsäure- den entsprechenden Fumarsäuredimethylester verwenden? 4) Was sind sigmatrope Reaktionen und was ist das Besondere an Ihnen? Erklären Sie ihren Verlauf anhand einer Verbindung die Sie leicht aus Phenol herstellen können. 25 Stereochemie 1) Milchsäure ist eines der ältesten Moleküle der Organischen Chemie. a) Wie viele Milchsäuren gibt es, und in welcher stereochemischen Relation stehen diese zueinander? Zeichnen Sie die Moleküle räumlich und geben Sie die absolute Konfiguration nach Cahn-Ingold-Prelog an. b) Wie kann man die verschiedenen Milchsäuren unterscheiden? c) Welches Produkt würden Sie erwarten, wenn Sie Milchsäure in Methanol gelöst mit etwas Salzsäure umsetzen?
644
Aufgaben
2) Welche der folgenden Verbindungen sind chiral, welche asymmetrisch, welche nichts von beiden? Benennen Sie Verbindungen auch stereochemisch korrekt! COOH H C OH HO C H COOH A
COOH H C OH H C OH COOH B
COOH H C OH H C OH COOMe C
OH HO D
E
3) a) Benennen Sie Verbindungen stereochemisch korrekt! COOH OH
OH Cl
HOOC A
OH
COOH C
F B
b) Wie viele Stereoisomere gibt es insgesamt von diesen Verbindungen? c) Machen Sie einen Vorschlag wie man die enantiomeren Carbonsäuren prinzipiell trennen könnte. 4) a) Wie viele Stereoisomere gibt es von 1,3-Cyclohexandiol? b) Zeichnen Sie sämtlich Stereoisomere in der energetisch günstigsten Konformation und bestimmen Sie die Konfiguration der Stereozentren anhand der Cahn-Ingold-Prelog (CIP)-Regeln. c) Welche dieser Verbindungen sind optisch aktiv, welche nicht und wieso? d) Was versteht man unter optischer Aktivität? 5) Ausgehend von 2-Oxo-2-phenylessigsäure A möchten Sie (S)-Mandelsäure B herstellen. Wie würden Sie vorgehen? Schlagen Sie mehrere Syntheserouten vor. O
O
?
OH
OH A
O
B
OH
26 Photochemie 1) Was versteht man unter der Quantenausbeute einen photochemischen Reaktion? 2) Was ist ein Jablonski-Diagramm und wofür wird es verwendet? 3) Photochemische Prozesse spielen auch in der Natur eine wichtige Rolle. Nennen Sie zwei Beispiele.
Lösungen zu den Aufgaben
1
Chemische Bindung in organischen Verbindungen
1) A: B: C: D: E: 2)
109ı , sp3 109ı , sp3 180ı , sp 120ı , sp2 120ı , sp2
A
B
C
3) C(sp2 )-H-Bindungen sind kürzer und stabiler als C(sp3 )-H-Bindungen, daher ist die C-H-Bindung im Ethen (435 kJ=mol) stärker als im Ethan (410 kJ=mol). Beim Ethan bildet sich ein Ethylradikal, das durch Hyperkonjugation durch die Methylgruppe stabilisiert wird, während beim Propen zusätzlich die stärkere Mesomerie-Stabilisierung zum Tragen kommt. Mit 356 kJ=mol ist dies daher die schwächste Bindung.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
645
646
2
Lösungen zu den Aufgaben
Allgemeine Grundbegriffe
1) s. Abschn. a) 2.2.3 b) 2.3 c) 2.4 d) 2.3 e) 2.4 f) 2.5.2, 3. 2) s. Abschn. 2.5.4 3) a) 4,7-Dimethyl-5-nitrooktan-2-ol b) 5-Hydroxy-3-methyl-2-(2-methy-2-propenyl)-hexansäure c) 4,7-Dihydroxy-2,5-dimethyl-oktansäuremethylester 4) OH H C 3
a z.B.
O
CH3
H 3C
CH3
b z.B.
OH
OH
OH
OH *
*
*
*
OH
C
O
* asymmetrisches C-Atom O
c z.B.
d z.B.
OH
O
O
HO O
OH
O
5) Stabilität der Carbeniumionen: E > A > D > B > C C: Nicht stabilisiertes Carbenium; B: Stabilisierung des Carbeniumions durch CI-Effekt der CH3 -Gruppe, daher B>C D: Stabilisierung des Carbeniumions durch CM-Effekt des Phenylrings, CM > I, daher D > B A: Stabilisierung des Carbeniumions durch 2 CM-Effekt des Phenylrings, daher A > D E: Zusätzliche Stabilisierung des Carbeniumions durch CM-Effekt von OCH3 (CM > I), daher E > A 6) pKs : D > C > F > B > A > E D: CH-Acidität: Ester pKs 24 C: OH-Acidität: Alkohol pKs 17 F: Erhöhte OH-Acidität: Alkohol pKs 14 da Cl I-Effekt B: Erhöhte CH-Acidität: Malonester pKs 12 da 2 ziehenden Estergruppen A: Stark erhöhte CH-Acidität: Nitroester pKs 6 da NO2 stärker e -ziehend als Ester E: OH-Acidität: Carbonsäure pKs 4–5 7) CI: Alkylgruppen; I: Elektronegative Substituenten CM: Substituenten mit freiem e-Paar; M: Substituenten mit polarer Doppelbindung in Konjugation
Lösungen zu den Aufgaben
A: B: C: D: E: F: 3
647
CI; I, CM; I, CM; CI; I, M; , CM
Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)
1) n-Hexan s
2-Methylpentan s
s
t
p
p s
Sdp. [°C]
s p
p
s
p
t
s
p
3-Methylpentan 64
69
2,2-Dimethylbutan p
p
s
p
p
s t
t
p p
p p
p
2,3-Dimethylbutan 58
62
q
p
50
2) A 3,4,5-Trimethyloctan
B 3-Ethyl-5-isopropyl-4-methyloctan
D 1-Ethyl-2-methyl-4-(1-methylpropyl)cyclopentan
C 3,4,6-Trimethyl-5-propyloctan
E trans-(1R,2S)1-Isopropyl-2-methylcyclohexan
3) Sägebock H H H C C H HH H H C C H H CH3 CH3 gestaffelt
Stereo H
H
H H
H3C
ekliptisch
H
Newman
H
H
H
H3C
gestaffelt
H H
H
H
ekliptisch
H
H H CH3
H H
H H
H 3 CH
gestaffelt ekliptisch
Verlauf der potentiellen Energie ist analog Abb. 3.1 und unterscheidet sich nur im Energiebetrag. 4) Cl Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl
Cl B
A
B,C sind gleich und stablier als A, da größerer Abstand der großen Cl an benachbarten C-Atomen
Cl C
5) Br
Br
Br
Br
Br
Br
Br
Br
Br
Br Br
Br meso
Br (R,R)
Br (S,S)
Sessel I
Wanne
Sessel II
Sessel I am günstigsten, da beide Br äquatorial
648
Lösungen zu den Aufgaben
6) a) 2
I 2-Iodpropan
+ 2 NaI
+ 2 Na
2
COO Salz der 2-Methylbutansäure
Wurtz-Synthese (s. Abschn. 3.1.3.1)
+ 2 CO2 Kolbe Elektrolyse (s. Abschn. 3.1.3.2)
- 2e
b) Nein, durch radikalische Dimerisierung erhält man immer nur geradzahlige Alkane 7) Zn/HCl
NH2 N
H2NNH2
O
Wolff-Kishner Reduktion
Clemmensen Reduktion
4
C2H5O- Na+
Die radikalische Substitutions-Reaktion (SR )
1) Cl
*
*
Cl
Cl
Cl
* Stereozentren
2) b, c, d 3) a keine Reaktion!
Br
c
b
d
Br
Br Br
Br
Br
Br + dibromierte
e
Br Br
Br Br Br
Br
f
h
g
Br
keine Reaktion!
COOH
Br
4) 5 mögliche Produkte: X
X
A
B
X
C
D
X X E
X
A
B
Cl: Br:
30 84
9
% C
D
E
15 4
30 8
15 4
Lösungen zu den Aufgaben
5
649
Ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene, Alkine)
1) a) kumulierte Diene (Allene): 2 aneinanderstoßende Doppelbindungen mit spC-Atom in der Mitte. Substituenten an den beiden Enden stehen senkrecht aufeinander. b) konjugierte Diene: mesomeriestabilisiert, 1,2- und 1,4-Addition möglich, Diels-Alder Reaktionen c) isolierte Diene: Doppelbindungen beeinflussen sich gegenseitig nicht, reagieren wie normale Alkene! 2) A (2E,5Z)-4,6-Dimethylocta-2,5-dien
B (2E,5E)-6-Chlor-4-methylocta-2,5-dien
C (E)-3-Methylhept-2-en-5-in-4-ol
D 2-Methylhepta-2,3-dien-5-in
E (2Z,6E)-5-Brom-4-chlor-3-methylnona-2,6-dien
3) a
c
b CH3 +
CH3
CH3
e
d
f
OH
COO Na+
6
Additionen an Alkene und Alkine
1) Bei den Produkten handelt es sich um Diastereomere a
O O H2O/H+ Mn O OK
KMnO4
OH OH
cis-Dihydroxylierung
b R-COOOH
O
OH
H2O/H+
OH Epoxydierung/Epoxidöffnung
2) a
COOEt Ph Diels Alder
b Et2N
COOEt Ph
1,4-Addition
c
Br Br
COOEt Ph
elektrophile Bromaddition
d keine Reaktion
e
HO
COOEt
f
COOEt O
HO
Ph
Ph
cis-Dihydroxylierung Scheffer-Weitz Epoxidierung
650
Lösungen zu den Aufgaben
3) a
c
b
O
d
Cl
Cl
Cl
Cl
4) a
Br Ph
b
Ph
c
Br Ph
d
Ph
e Br
Ph Ph
O Br elektrophile Bromierung
5) a) b) c) d) e) 6) A
Br O Ozonolyse
elektrophile Addition
Br
Ph
Br
radikalische Addition
3 Produkte wegen Mesomerie
1. O3 , 2. EtOH, NaBH4 KMnO4 oder OsO4 Persäure NaOCl NaOH
MeOOC COOMe O
B
O
D
C N
O
O
E
O
O
F
COOMe
O O
COOMe
I
7) a,b) A: H2 O/H2 SO4 , H2 O nach Markownikow über Carbenium-Ion B: 1. BH3 ; NaOH, H2 O2 ; stereospezifische syn-Hydroborierung daher trans-Produkt C: syn-Dihydroxylierung mit KMnO4 oder OsO4 D: anti-Dihydroxylierung: 1. Epoxidierung (stereospez. syn) mit Persäure; 2. Epoxidöffnung (anti) mit H3 OC E: Stereospezifischen anti-Bromierung über Bromonium-Ion c) Bildung der Brom-Chlor-Addukte d) 5 mögliche Produkte: Br
Br
Br Br
3 potentielle Allylpositionen + mesomere Formen
Br
e) O3
H 2O
OHC
+ H2O2 O
HO O
O
Lösungen zu den Aufgaben
7
651
Aromatische Kohlenwasserstoffe
1) a) CHO
O
CHO
CHO
CHO
Acetophenon
OH
OH
o/m/p-Methylbenzaldehyd
Phenylacetaldehyd OH
O
o/m/p-Vinylphenol
Phenylvinylether
b) OH
O NaBH4 Reduktion
H2SO4 Addition nach Markownikow
2) a) Katalytische Hydrierung bei hohem H2 -Druck und hoher Temperatur liefert Methylcyclohexan b) Birch-Reduktion mit Na/NH3 liefert 1-Methyl-cyclohexa-1,4-dien 3) aromatisch: planar gebaut, cyclisch, konjugiertes -System, Hückel-Regel, [4n+2] -Elektronen; syn-Aromaten gibt es nicht aber Antiaromaten mit [4n] -Elektronen, nicht planar! Bsp.: s. Abschn. 7.1. 4) a) Radikalische Bromierung in ’-Position (Mech. Abschn. 4.5.1.1) Br2
h
2 Br Br2
Br -HBr
-Br
Br
b) Hock’sche Phenolsynthese (Mech. Abschn. 12.2.2.1) O O
O O H
H 2O H2SO4
OH +
O
5) Br radikalsche Bromierung der Methylgruppe (Mech. Abschn. 4.5.1.1)
A H3CO
COOH
Birch-Reduktion des e -ärmeren Aromaten (Mech. Abschn. 7.6.1.2)
B H3CO
COOH
652
Lösungen zu den Aufgaben
6)
a
Cl
c
b
d
e
Br
f
COOH
keine Reaktion
8
Die aromatische Substitution (SAr )
1) Mechanismus: Abschn. 8.2.4 und 8.2.5 a
Ethylgruppe mit +I-Effekt ist aktivierend und o/p-dirigierend Problem: Mehrfachalkylierung
EtCl AlCl3 O
b
CH3COCl AlCl3
Acetylgruppe mit I- und M-Effekt ist des aktivierend und m-dirigierend keine Mehrfachalkylierung
2) Mechanismus: Abschn. 8.1.1 und 8.2.1 O2N konz HNO3
H3CO
NO2 + H3CO
H3CO
Konz HNO3 (keine Nitriersäure) reicht aus für selektive mono-Nitrierung OCH3 mit I und +M-Effekt steuert nach o/p, da hier zusätzliche mesomere Grenzstruktur möglich ist (Abschn. 8.1.2.2) NO2 mit I- und M-Effekt steuert nach m, da hier Desaktiviereung am schwächsten
3) c, d, f 4) a) Elektrophile nukleophile Substitution (Abschn. 8.1.1 und 8.3) b) Ersatz eines Substituenten ¤ H. c) Nukleophile Aromatensubstitution. Reaktivität: B > A > C > D OH A
OH C, D: Keine Reaktion
B NO 2
d) Elektrophile Aromatensubstitution. Reaktivität: B < A < C < D Br
Cl A
C Br
Br
benötigt Lewis-Säure als Katalysator
e) siehe c, d
Br
Cl OCH3
D
Br Br Jeweils Gemisch aus o/p
Cl NH2
B: Keine Reaktion
Lösungen zu den Aufgaben
653
5) a) NO 2
Fe/HCl
NaNO2/HCl
NH 2
N 2+Cl
0°C
E
b) H 2O
OH
100°C
CuCl
E
Cl
c) OH
OH
N E +
N
Azofarbstoff
6) a) Angriff des OH immer an 2- oder 4-Position zur Nitrogruppe , da nur dann negativ geladene Zwischenstufe über die Nitrogruppen stablisiert werden kann. Nur beim 2,4-Dinitrochlorbenzol sitzt an der 2,4-Position ein Chlor, das im nächsten Schritt abgespalten werden kann (Ipso-Substitution). b) Nukleophilen Aromatensubstitution c) 2,4-Dintrophenol 7) F: a) keine Reaktion b) keine Reaktion c) bei Belichten radikalische Bromierung zu Benzylbromid G: a) Deprotonierung zu Kaliumphenolat b) Azokupplung zu o- und p-Hydroxyazobenzol c) Bromierung zu o- und p-Bromphenol 8) a) Nur m-Xylol reagiert, da sich die beiden dirigierenden und aktivierenden Effekte addieren, daher ist dieses Isomer etwas reaktionsfähiger als die beiden anderen und wird daher bevorzugt umgesetzt. b) z. B. FeCl3 , AlCl3 9) A MeO
B
O
MeO
C MeO
OH
Br D
E
MeO
MeO
F MeO Br
G Br
H
MeO
MeO
COOH
OH I Br
MeO
654
Lösungen zu den Aufgaben
10) a) b) c) d) e) f) g) h) i) 9
HNO3 /H2 SO4 Fe/HCl NaNO2 , CuCN Benzoylchlorid/NaOH Fe, Br2 CH3 COCl, AlCl3 NaBH4 in EtOH 1. NaBH4 , 2. H2 SO4 m-Chlorperbenzoesäure
Halogen-Verbindungen
1) a
keine Reaktion
Br
H3CO Br radikalische Bromierung über tert. Radikal
b H3CO
c keine Reaktion Br
Br
Br
Br
d
e
H3CO SE,Ar des Elektronenreichen Aromaten
f
H3CO
H3CO AE von Brom an Doppelbindung
SR an Benzylposition
2) EtOH + SOCl2
EtCl + SO2 + HCl
3 EtOH + PBr3
3 EtBr + H3PO3
EtCl + NaI
Aceton
Finkelstein
Etl + NaCl
10 Die nucleophile Substitution (SN ) am gesättigten C-Atom 1) a
keine Reaktion
b
Br
c keine Reaktion
d
I
Finkelstein Reaktion
Reaktionsmechanismen und Reaktionsprofile s. Abschn. 10.1 und 10.2. 2) CN : ambidentes Nukleophil! a I b
c
I
+ NaCN
+ NaCN
OH + SOCl2
CN
NC
SN2: "weicher" Übergangszustand Reaktion am "weichen" Zentrum liefert Nitril
SN1: "harte" Carbenium-Zwischenstufe Reaktion am "harten" Zentrum liefert Isonitril Cl
NaI, Aceton Finkelstein
I
Lösungen zu den Aufgaben
655
3) a) OCH3
+ OCH3
b) SN 1 c) Nein! Sie enthalten eine Spiegelebene! d) Da es sich um eine SN 1-Reaktion handelt, kann ausgetretenes Br wieder angreifen. Dies führt zur Bildung des anderes Stereoisomers. e) + Mg Br
MgBr
CH3OH H
Zerewitinoff-Reaktion (s. Abschn. 15.4.2.1)
4) a) Me Me
SH Ph Ph H
Me Me
+
Ph H
Ph 1:1 Diastereomerengemisch da SN1-Reaktion über Carbeniumion SH
(2R,3S)(2S,3S)2,3-Diphenylbutan-2-thiol
b) Diastereomere c) I Me Me
H
Ph Ph
-I-
Me Me
+
Ph Ph
NaSH
H
A
d) Me Me
I H B
Ph Me
NaSH S N1
- I
Me Me
H
Ph Me SH Racemat nach Wagner-MeerweinUmlagerung
HS Ph
Ph +
H
+
WM
H
Me Me
I H C
Ph H
NaSH SN 2
Me Me
H H
Ph SH
656
Lösungen zu den Aufgaben
11 Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2) 1) durch SN1:
durch E1: 2-Methyl-1-buten
2-Methyl-2-buten
OEt
OH
Ethyl-(2-methyl2-butyl)ether
2-Methyl-butan-2-ol
2) a
Cl
Cl
B
C
b Eliminierung nur aus axialer Stellung des Cl. In B ist nur ein antiperiplanares H vorhanden BH
B Cl
c Stereospezifische syn-Addition des Borans an der sterisch weniger gehinderten Position und von der sterisch weniger gehinderten Seite H2O2,
R2BH
NaOH
OH
BR2
d H 2O-Eliminierung nach E1 liefert Gemisch der beiden regioisomeren Alkene D und E. Das sekundäre Carbeniumion könnte zudem zu den beiden stabileren tertiären Carbeniumionen umlagern, so dass hierdurch weitere Nebenprodukte gebildet werden könnten. +
H+
H H2O
+
+
OH
E
D
3) Cl
+
Cl
+ WM1
WM2
+
H+
1. Wagner-Meerwein-Umlagerung (WM1): Triebkraft : Bildung des entspannteren 5-Rings 2. Wagner-Meerwein-Umlagerung (WM2): Triebkraft : Bildung des stabileren tertiären Carbeniumions H+-Eliminierung zum thermodynamisch stabileren 4-fach substituierten Alken
Lösungen zu den Aufgaben
657
12 Sauerstoff-Verbindungen 1) Siehe Abschn. 12.3.2 2) a) mit H2 SO4 entsteht 1-Buten sowie cis und trans 2-Buten b) mit CrO3 entsteht 2-Butanon 3) a) NaNO2 HCl
NH2
N2+Cl
H 2O
OH
b) Mechanismus: s. Abschn. 12.2.2.1 c) Aceton 4) a) Strukturisomeren haben dieselbe Summenformel, aber eine unterschiedliche Verknüpfung der Atome. b) A: Peroxid B: Ether C: Diol D: Acetal c) 1. A
2
100 °C
2
O
2
-2 EtOH
Radikalische Dimerisierung, gestartet durch Spaltung des Peroxids 2. OH
HO
H+
+
+
OH2
HO
-H2O
C
O H
O
-H+
Intramolekulare Etherbildung im Sauren O
+
H -CH3OH
D O
O
O
H 2O
+
+
+
OH2
-CH3OH
OH
-H+
Acetalspaltung im Sauren (s. Abschn. 17.1.2.2)
5) a C
E
b A
NaOH
NaOH
NaOH
OH
OH
+ HBr
D
ONa + MeOH
NaOH
+ PhSO3H
+ HBr
c B: keine Reaktion, da F schlechte Abgangsgruppe
O
O
658
Lösungen zu den Aufgaben
6) a
OH Br Br
O KOtBu -HBr
Addition von Hypobromiger Säure (s. Abschn. 6.1.2.2)
HO
Pers
A
äure
O Prileschajew Epoxidierung (s. Abschn. 6.1.3.2)
Bei Styrol handelt es sich um ein relativ elektronenreiches Alken, das sich mit elektrophilen Reagenzien umsetzen läßt: Elektrophile Additionen (s. Abschn. 6.1) HO COOEt
O
NaOOH
O
COOEt
COOEt
- NaOH
B
Beim Zimtsäureester handelt es sich um ein eletronenarmes Alken, das sich nicht mit elektrophilen Reagenzien umsetzen läßt. Hier verwendet man nukleophiles HOO in einer Scheffer-Weitz Epoxidierung (s. Abschn. 6.3.2)
b
OH
z. B.
OH
OH
O H 2O
NH2
NH3
(H+) 2-Amino-1phenylethan-1-ol
1-Pheny-1,2-ethandiol
13 Schwefel-Verbindungen 1) aliphatische Sulfonsäuren:
aromatische Sulfonsäuren:
R
H2O2
SH
R
SO3H
Oleum
SO3H
Oxidation von Thiolen elektrophile Aromatensubstitution (Sulfonierung)
2) Ph
Cl
+ S
NH2
+
Ph
NH2 S
NH2
Br
NaOH SH
Ph
NH2
1/ 2
1/ 2
Ph
S
S
+ O
NH2 NH2
O2 Ph
3) Lost enthält zwei Chloratome die durch SN -Reaktionen mit unterschiedlichen nukleophilen Stellen im Körper reagieren können. Durch den im Molekül enthaltenen Schwefel wird die Reaktivität sehr stark erhöht. Durch doppelte SN Reaktion im Körper führt die Quervernetzung von Enzymen, Proteinen, . . . zu deren Zerstörung, was letztendlich zu einem grausamen Tod führt.
Lösungen zu den Aufgaben
659
14 Stickstoff-Verbindungen 1) a) A: Acetanilid B: 2-Phenylethylamin C: N-Ethylanilin D: p-Aminoacetophenon b) A < D < C < B c) A/D: Carbonsäureamid A lässt sich mit NaOH verseifen, Keton D nicht. Keton D bildet Hydrazone etc., Säureamid A nicht. D reagiert basisch, A nicht B/C: Hinsberg-Trennung d) A lässt sich mit LiAlH4 zu C reduzieren e) A: keine Reaktion B
NaNO2/HCl
C
NaNO2/HCl
D
N 2+
Ph
Ph
-N2 aliphatisches Diazoniumsalz (instabil)
Ph NaNO2/HCl
NO N
+
+
-H+
Ph
sekundäres Amin bildet N-Nitrosamin O aromatische Diazoniumsalz beo 0 °C stabil
N2 CH3
2) a) Primäre Amine: durch Gabriel-Synthese (s. Abschn. 14.1.2.2), HofmannAbbau (14.1.2.4) oder Reduktion primärer Amide (14.1.2.3) Sekundäre Amine: durch redukt. Aminierung (14.1.2.5) oder Reduktion sekundärer Amide (14.1.2.3) Tertiäre Amine: durch Umsetzung von NH3 oder anderen Aminen mit Alkylhalogeniden (14.1.2.1) b) Hinsberg-Trennung c) Diazoniumsalze für die Herstellung von Azofarbstoffen d) Aromatennitrierung und Reduktion e) Aliphatische Amine, die im Stoffwechsel der Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere und auch Menschen durch enzymatische Decarboxylierung von Aminosäuren entstehen. Sie wirken als Hormone oder Neurotransmitter im Zentralen Nervensystem (ZNS). Beispiel: Dopamin, Adrenalin. 3) 1) RCOOOH 2) MeNH2 OH
A O O NH
B
H N
1) MeNH2 2) NaBH4
OH
O
LiAlH4 C
660
Lösungen zu den Aufgaben
4) Vorgehen: 1. Aktivierung des Alkohols; 2. Gabriel-Synthese; 3. Abspaltung der Schutzgruppe O NK PBr3
OH
O
Br
O
O N 2 H2
N
NH + NH
O
NH2
O
5) Beispiele:
N N Azobenzol
+
CH2-N N
Diazomethan
Herstellung: Azoverbindungen durch Azokupplungen Diazoverbindungen durch Diazotierung von Aminen und anschließende Deprotonierung Verwendung: Herstellung von Azofarbstoffen, Methylierung von Carbonsäuren etc. 15 Elementorganische Verbindungen 1) Grignard-Reagenzien a) Herstellung in Ether, unter Wasserausschluss! Die Reagenzien liegen durch Ether solvatisiert vor. b) O OH
O OBn
EtMgBr
OH
c) O
O
O
N Me +MgBr
NHMe -EtH
EtMgBr
NMe2
OMgBr NMe2
H 3 O+
O
Lösungen zu den Aufgaben
661
2) O
OH
O
O OMgBr
In situ gebildetes Keton ist reaktiver als der Ester und reagiert daher weiter
Gebildetes Keton ist weniger reaktiv als das Säurechlorid, daher stopt hier die Reaktion
Zerewitinoff Reakton
OH
O
Gebildetes Alkoholat cyclisiert intramolekulare SN2-Reaktion
Selektive Umsetzung des reaktiveren Aldehyds
3) a) Stereospezifische syn-Addition des Borans liefert trans-konfiguriertes Produkt B-Atom geht an die sterisch weniger gehinderte Seite der Doppelbindung Hohe Regioselektivität wegen Verwendung des sterisch anspruchsvollen Borans
OH
b) H B
BH3 + 2
c) BR2 A +
OH
NaOH/H2O2
O
Keto-Enol-Tautomerie
4) PPh3+Br
Br + PPh3 Ph
BuLi PPh3
Ph
+ O PPh3
[2+2]-Cycloaddition
Herstellung BuLi: BuCl + 2 Li
O P Ph3
retro-[2+2] Ph + O PPh3
BuLi + LiCl
5) Addition an Säurechloriden zu Ketonen, Michael-Additionen und Epoxidöffnungen 6) I I
Zn
ZnI I
Ph Ph
Simmons-Smith-Reaktion
andere Zn-Reaktion: Reformatsky-Reaktion
662
Lösungen zu den Aufgaben
16 Aldehyde, Ketone und Chinone 1) a) Aldehyde und Ketone 1) Reduktion von Carbonsäurechloriden (s. Abschn. 16.2.3, 16.2.4) O R Cl
H2 Pd auf BaSO4 Rosenmund
O
O R
R
R'2Cd
O R'
Cl
H
+ R'CdCl
R
2) DibalH-Reduktion von Carbonsäureestern (s. Abschn. 16.2.3) O R OR'
1) DibalH 2) H3O+
O R H
3) Reduktion von Weinreb-Amiden (s. Abschn. 16.2.4) O O O 1) LiAlH4 R R R + 2) H3O N O H N O
1) R'MgCl 2) H3O+
O R R'
b) Primäre Alkohole liefern Aldehyde, sekundäre Alkohole Ketone. Führt man die Reaktion in Gegenwart von Wasser durch können Aldehyde leicht Hydrate bilden, die weiteroxidiert werden zur Säure. Daher sollte man unter wasserfreien Bedingungen arbeiten (z. B. in Pyridin) wenn man den Aldehyd erhalten möchte. Mechanismus: s. Abschn. 16.2.1. c) Mechanismus: s. Abschn. 16.2.1. CHO HO
p-Hydroxybenzaldehyd
d) OH
O O2
OH
B
2
+
C O
kein Chinon
Diels-Alder-Reaktion
Lösungen zu den Aufgaben
663
2) a Na EtOH
O
OH +
Mechanismus: s. Abschn. 16.5.1
b
OH
Diastereomere O
SeO2
O
O
Mechanismus: s. Abschn. 16.3.3
c
OH
Mg Toluol
O
Enantiomere
HO
Mechanismus: s. Abschn. 16.5.1
d
PinakolKupplung Diastereomere + Enantiomere
1) H2NNH2
O
Wolff-Kishner
2) NaOH
Mechanismus: s. Abschn. 16.5.2.2
keine Isomere
3) a NaOH MeI
HO
MeO
Me2NCHO POCl3 Vilsmeier-Haack
MeO A
Nebenprodukt: o-Methoxybenzaldehyd
b A
N+Br , Base S
O OH C CH
MeO
Mechanismus: s. Abschn. 16.3.1
c B
CrO3 Pyridin
MeO
CHO
OMe Stetter-Reaktion
B
O O C C C
OMe
664
Lösungen zu den Aufgaben MeO
MeO
d
OH COO Na+
NaOH
C
D MeO -Hydroxysäureester
MeO Benzilsäure-Umlagerung (s. Abschn. 16.3.3)
e A +
O
OH
NaOEt
OH COOMe
MeI
HCl
MeO E
MeO fluorine F
O
O
(E)-4-(4-Methoxyphenyl)but-3-en-2-on
17 Reaktionen von Aldehyden und Ketonen 1) Aldoladdition zu 3.Hydroxybutanal, im Sauren erfolgt Eliminierung zum Crotonaldehyd. Mechanismus: s. Abschn. 17.3.2.1 2) a) COOR
COOR
RONa
CHO + COOR
COOR
b) Keine Reaktion, da kein ’-CH vorhanden c) Claisenkondensationen führt man mit Estern durch, nicht mit Aldehyden. d) CN CHO + NH3 + HCN NH2
e
OEt
f
g keine Reaktion
N
h
i
k
OH
CN
OEt
3) a
b
O O
N
NH2
c
OH CN
OH
Lösungen zu den Aufgaben
665
4) Persäure
O
OH
H3O+
O
O H+
OH
O
5) a) Hauptprodukte A und B, Hauptnebenprodukt C, weitere Nebenprodukte D und E
*
* *
OH O A
OH O B
O
* * OH C
* * OH O E
* OH O D
b) Ketone sind etwas acider als Aldehyde, Aldehyde sind etwas Carbonylaktiver, daher werden die Produkte A und B bevorzugt gebildet, vor dem Aldehyd-Aldolprodukt C. Ist der Aldehyd verbraucht, dann reagiert das Keton auch mit sich selbst und liefert D und E. c) s. Abschn. 17.3.2.1. Stereozentren: * d) Enantiomere: A und D Diastereomere: B, C und E 6) a
d
Ph
N
MeO OMe
H3O+
H3O+
b
e
O
MeS SMe H3O+
O3
HgSO4
c
OH
CrO3
f Cd
Cl O
g
h MeO OMe
i O
OH
k HO Ph
N
OH
l
m HO CN
H2N CN
666
Lösungen zu den Aufgaben
7) Mechanismus: s. Abschn. 17.2.1.2 H CHO
NH2 N
+ NH3
H
CN
HCN
8)
O O
O
MeI
NaOH
O
O
O NaOH MeI
+
O
O
pK s ~ 10
9) a) b) c) d) e) f) g) h) i) k) m) 10)
O
O
+ O
O
O
O
NaH, Allylbromid 1. O3 , 2. Zn/Essigsäure Acetanhydrid, AcONa (Perkin Synthese) 1. MeMgBr, 2. H3 O+ NH2 OH/H+ H2 SO4 (Beckmann-Umlagerung) OsO4 oder KMnO4 Cyclohexanon, HC 1. MeMgBr, 2. H3 O+ CrO3 oder Swern-Ox. CH2 O, Pyrrolidin (Mannich-Reaktion)
a
b
c
Ph
COOEt
COOEt O
NH BeckmannUmlagerung
d
O
O
COOEt Robinson-Anellierung
Darzens-Reaktion
COOEt KnoevenagelKondensation
18 Carbonsäuren 1) a) Oxidation prim. Alkohol, b) Grignard-Reagenz C CO2 , c) Aromatische Carbonsäuren durch Oxidation von Seitenketten
Lösungen zu den Aufgaben
667
2) a) Verlängerung von Carbonsäuren um 1 C O COOH
COCl
SOCl2
C
O
+
N
CH2N2
N
H 2O
COOH A Cyclohexylessigsäure
b) Hell-Vollhard-Zelinski-Reaktion Br COOH
COOH
P
+ Br2
+ HBr
19 Derivate der Carbonsäuren 1) Generelle Abstufung der Carbonylaktivität: Säurechloride > Aldehyde > Ketone > Carbonsäureester > Carbonsäureamide > Carbonsäuren. Elektronenziehende Gruppen erhöhen die Carbonylaktivität, Elektronenschiebende erniedrigen sie. Daher: G > A > H > C > E > D > F > B. 2) a
b
Cl O
c
Br O
OMe
d
e
O
O
O O
O
3) a
b COO
+
O
H 3N HN
4) Herstellung durch Beckmann-Umlagerung
O
NH2OH
OH N
H2SO4
O NH
H3O+
COOH NH2
668
Lösungen zu den Aufgaben
5)
a
H
b
H
[2+2]
+
+ NaOH
C O
O
O
O
O
C + HCl O
Cl
c 1. HO
OH
2.
COOH
BnS
3.
COO Na+
HO
4.
COOH
MeO
6) a
b
COOH
KMnO4
Phthalimid: Gabriel Synthese (s. Abschn. 14.1.2.2) Phthalsäureester: Weichmacher
COOH o-Xylol
20 Reaktionen von Carbonsäurederivaten 1) a
NH2
O
A
D
B NH3
Cl Benzoylchlorid
NH2 durch Hofmann-Abbau (s. Abschn. 14.1.2.4)
E Anilin
Benzylamin
b
O O HN HN
2) a)
1) H+
CH3COOH + C4H9OH
O H 3C OC4H9
Vorteil: einfach, günstig Nachteil: Gleichgewichtsreaktion 2) O CH3COCl + C4H9OH
- HCl
H3C OC4H9
Vorteil: saubere, eindeutige Reaktion, kein Gleichgewicht Nachteil: Säurechlorid muß erst hergestellt werden, ist aber in der Regel kein Problem, daher ist dies oftmals die bessere Methode
b) O O H 3C OC4H9
O
RO - ROH
H2 C OC4H9 Enolat
H3C OC4H9
- C4H9O
O
O OC4H9
Mechanismus: s. Abschn. 20.2.1.1
Lösungen zu den Aufgaben
669
c) z. B. Knoevenagel-Reaktion
O
RO
O + RCHO
O
O OC4H9
OC4H9 R Michael-Addition O O
O + OC4H9
O
RO
COOR'
R
E/Z-Gemisch
OC4H9 COOR'
R
Diastereomerengemisch
3) a) Darzens Reaktion:
Cl
COOMe
O
MeONa - MeOH
Cl
PhCHO
COOMe
Ph
COOMe
- Cl
Cl
b) Alternative: Scheffer-Weitz-Epoxidierung
Ph
H2O2, MeO - MeOH
COOMe
A + OH
c) OH
COO Na+
Ph
OH B
4) O N
A
NH2+
O B
OH
COO N2+
COOMe
C
D
O
NH 2
CONH-MgBr+ F
E
H
O I
NHEt
G O
O K
H COOMe
CN
L
M
A
670
Lösungen zu den Aufgaben
5) a) b) c) d) e) f) 6)
1, Mg, Ether; 2. CO2 ; 3. H3 O+ PhOH, H3 O+ MeCOOEt, NaOEt NaBH4 , EtOH H3 O+ LiAlH4
O
O OH
iPr2N Li+ -iPr2NH
O
AcCl
OSiMe3
OSiMe3
O
O
Me3SiCl
O
COOH
H3O+
Ireland-Claisen-Umlagerung über 6-Ring-Übergangszustand
21 Kohlensäure und ihre Derivate 1) a
Cl
200 °C
CO + Cl 2
O Cl
b CO 2
d
c Et N 2 O
AcCl
Et 2N
e Cl
f BnO O
O BnO
BnO
2) a) N C O NH4+
H2N O H2N
b) CO2 + NH3
150 °C
Cl
H 2N O H 2N
NH3 +
O Cl
Lösungen zu den Aufgaben
671
c) O O H 2N
-NH3
NH2
H2N
HN C O
O
NH2
O
H 2N
NH
NH2
H3O+ NH4+ + CO2
d) H2N
dient zur selektiven Herstellung von Thiolen (s. Abschn. 13.1.1)
S H2N
3) a
b N
C
c
O
e MeHN C NHMe
O O
f HN O
C
N
d R
O NH NH2
g
H N
O N H
N H
OH
h O
NH2 O
N H
NH2
R
O NH
N H
OR'
22 Heterocyclen 1) A: B: C: D: E: F: G: H: 2) a)
Tetrahydrofuran Aziridin 1,4-Dioxan Morpholin Thiazolidin Thiazol Indol Pyrimidin
N
Pyrrol
N H Pyridin
b) Pyridin ist analog zu Benzol aufgebaut, mit 6 -Elektronen verteilt auf 6 Atome. Da N allerdings elektronegativer ist als C sind die Elektronen bevorzugt am N lokalisiert, so dass das aromatische System insgesamt elektronenärmer ist als beim Benzol. Daher ist Pyridin weniger reaktionsfähig
672
Lösungen zu den Aufgaben
gegenüber Elektrophilen, aber reaktiver gegenüber Nukleophilen als Benzol. Beim Pyrrol sind die 6 -Elektronen auf nur 5 Atome verteilt, N trägt hier 2 Elektronen (freies Elektronenpaar) zum aromatischen System bei. Mit 1.2 Elektronen=Atom ist Pyrrol also deutlich elektronenreicher und damit reaktiver gegenüber Elektrophilen als Benzol. c) Pyrrol reagiert nicht basisch, da das freie Elektronenpaar Teil des mesomeren aromatischen Systems ist. Mit sehr starken Säuren erfolgt eine Protonierung des N, wobei allerdings das aromatische System zerstört wird. Beim Pyridin steht das freie Elektronenpaar senkrecht zum -System und kann daher leicht protoniert werden. Pyridin ist demzufolge eine Base. d) HNO3 AcOH
N H
NO2
N H
HNO3 Oleum
N
NO2 N
mesomere Grenzstrukturen: s. Abschn. 22.3.1.2 und 22.3.2.1
e) NaNH2
NaNH2
N H
N
N
Deprotonierung
N NH2 nukleophile Substitution mesomere Grenzstrukturen: s. Abschn. 22.3.2.1
3) a)
O O H+ -H2O
+ NH2
N H
Oxidation N H
b)
Ph N N N + + HC CH
Ph N
N N
c) H+ -H2O -NH3
+ O
NH NH2
Fischer Indolsynthese N H
d) O e)
O
+ NH2OH
O + 2 NH3
+ PhCHO
O f) Br
S
CHO + H
H+ -2 H2O
NH2
N O N
H+ -3 H2O
-HBr -H2O
S
Ph N H N
N
Lösungen zu den Aufgaben
673
24 Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen 1) Bei elektrocyclischen Reaktionen kommt es zu Ringschlüssen zwischen den Enden eines linearen konjugierten -Systems. Es gibt zwei Möglichkeiten des Ringschlusses: Entweder konrotatorisch oder disrotatorisch. Im ersten Fall drehen sich die Substituenten an den terminalen C-Atomen in die gleiche Richtung während der Bildung der neuen Bindung, im letzten Fall in entgegengesetzte Richtung. Eine Erklärungsmöglichkeit sind Orbitalkorrelationsdiagramme (s. Abschn. 24.2). h
a
b
Die Produkte werden als Racemat der beiden Enantiomere erhalten. Bei den Produkten handelt es sich um Diastereomere (s. Abschn. 25.1) 2) Die Woodward-Hoffmann-Regeln erlauben Aussagen über den Verlauf und die Produkte von pericyclischen Reaktionen. Zu ihnen zählen elektrocyclische Reaktionen, sigmatrope Umlagerungen und Cycloadditionen. Es wird in den Regeln berücksichtigt, dass die Reaktion entweder thermisch oder photochemisch verlaufen kann. Sie gelten für konzertierte Reaktionen, an denen -Orbitale beteiligt sind. Sie gelten nicht für Reaktionen, die über reaktive Zwischenstufen oder über Radikalmechanismen ablaufen. Bei konzertiert verlaufenden Reaktionen bleibt die Orbitalsymmetrie erhalten! 3) a) COOMe +
COOMe
COOMe + COOMe COOMe endoProdukt
COOMe exo-
b) Die Produkte sind Diastereomere. Das endo-Produkt wird bevorzugt gebildet aufgrund der sekundären Orbitalwechselwirkungen c) COOMe +
COOMe +
MeOOC
COOMe COOMe
COOMe
4) Sigmatrope Umlagerungen sind ein Spezialfall einer pericyclischen Reaktion, wobei das -Elektronensystem der Verbindung umgeordnet wird. Ein mit einer ¢-Bindung an das System gebundener Substituent wandert entlang des -Systems. Beispiele: Cope- und Claisen-Umlagerungen. OH
NaOH Br
O
O
OH
674
Lösungen zu den Aufgaben
25 Stereochemie 1) a) 2 Enantiomere HO
COOH HO COOH (R)(S)Milchsäure
b) Optisches Drehung, Drehwert c) Milchsäuremethylester 2) chiral: A, C, D, E asymmetrisch: A, C, E weder noch: B A: (2R,3R)-Weinsäure B: meso-Weinsäure C: (2R,3S)-2,3-Dihydroxy-4-methoxy-4-oxobutansäure D: (1R,2R)-Cyclopropandiol E: (R,Z)-1-Ethylidene-4-methylcyclohexane 3) a) A: (2R,3R,Z)-5-Ethyl-2,3,7-trimethyloct-4-ensäure B: (2S,3R,Z)-4-(Chlormethyl)-5-ethyl-3-fluor-2-hydroxy-6-methylhept-4ensäure C: (R,E)-2-((R)-1-Hydroxyethyl)-3-(hydroxymethyl)-5-methylhept-2-ensäure b) Es gibt jeweils 8 Stereoisomere (2n ): Enantiomere, Diastereomere und E/ZIsomere c) 1. Umkristallisieren mit einem optisch aktiven Amin (Brucin, Strychnin, Chinin, . . . ) oder 2. Enzymatische Spaltung
(R/S)-R*-COOH
MeOH/H+
(R/S)-R*-COOMe
(R)-R*-COOMe + (S)-R*-COOH
Esterase
(R/S)-R*: racemisches Gemisch
4) a) 3 b) OH
OH OH
OH HO
HO (R,S) optisch inaktiv meso
(S,S) optisch aktiv
(R,R) optisch aktiv
c) Die (S,S)- und (R,R)-Form sind chiral und optisch aktiv (Enantiomere), die (R,S)-Form enthält eine Spiegelebene und ist daher optisch inaktiv. d) Drehung des polarisierten Lichts
Lösungen zu den Aufgaben
675
5) a) Reduktion z. B. mit NaBH4 und anschließende Trennung der Enantiomere durch Umkristallisieren mit optisch aktiver Base N*R3 (vgl. 3) c) 1.) (s. Abschn. 25.5.1, 2.). b) Enzymatische Spaltung des racemischen Esters (s. 3) c) 2.) c) Verwendung eines chiralen Auxiliars und stereoselektive Reduktion der Carbonylgruppe. O
R A +
HO
R
NaBH4
O
O
Me O
R O
NaOH
B
OH
26 Photochemie 1) Die Quantenausbeute ist ein Maß für die Ergiebigkeit einer Photoreaktion. Sie beschreibt das Verhältnis der Anzahl umgesetzter Moleküle pro Anzahl absorbierter Photonen. Sie ist von der Energie des Photons und damit von der Wellenlänge des Lichts abhängig. 2) Das Jablonski-Diagramm spielt eine wichtige Rolle in der UV/Vis-Spektroskopie. Bei der photochemischen Bestrahlung von Molekülen können Elektronen durch Absorption eines Photons energetisch angeregt werden. Die Rückkehr aus dem energetisch angeregten Zustand in den Grundzustand kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen, was im Jablonski-Diagramm dargestellt sind. 3) a) Photochemische Isomerisierung des Retinals b) Bioluminiszenz bei Leuchtkäfern, Tiefseefischen, . . .
Literaturnachweis und Literaturauswahl an Lehrbüchern
Allgemeine Lehrbücher Beyer H, Walter W (2015) Lehrbuch der organischen Chemie. Hirzel, Stuttgart Breitmaier E, Jung G (2005) Organische Chemie. Grundlagen, Stoffklassen, Reaktionen, Konzepte, Molekülstruktur, Naturstoffe, Syntheseplanung, Nachhaltigkeit. Wiley-VCH, Weinheim Bruice PY (2011) Organische Chemie: Studieren kompakt. Pearson, München Buddrus J (2015) Grundlagen der Organischen Chemie. de Gruyter, Berlin Clayden J, Greeves N, Warren S (2013) Organische Chemie: Lehrbuch. Springer Spektrum, Heidelberg Schmuck C (2013) Basisbuch Organische Chemie. Pearson, München Sykes P, Hopf H (2001) Wie funktionieren organische Reaktionen?: Reaktionsmechanismen für Einsteiger. Wiley-VCH, Weinheim Vollhardt KPC, Schore NE (2020) Organische Chemie. Wiley-VCH, Weinheim
Kurzlehrbücher Hart H, Craine LE, Hart DJ, Hadad M (2007) Organische Chemie. Wiley-VCH, Weinheim Federle S, Hergesell S, Schubert S (2017) Die Stoffklassen der organischen Chemie. Springer Spektrum, Heidelberg Klein DR (2021) Wiley-Schnellkurs Organische Chemie. Wiley-VCH, Weinheim König B, Butenschön H (2007) Organische Chemie. Kurz und bündig für die Bachelor-Prüfung. Wiley-VCH, Weinheim Laue T, Plagens A (2006) Namen- und Schlagwort-Reaktionen der Organischen Chemie. Teubner, Stuttgart Mortimer CE, Mueller U (2015) Chemie. Das Basiswissen der Chemie. Thieme, Stuttgart Winter A (2013) Organische Chemie kompakt für Dummies. Wiley-VCH, Weinheim
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
677
678
Literaturnachweis und Literaturauswahl an Lehrbüchern
Sondergebiete Arpe HJ (2007) Industrielle organische Chemie. Bedeutende Vor- und Zwischenprodukte. WileyVCH, Weinheim Bender HF (2018) Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen. Wiley-VCH, Weinheim Brückner R (2004) Reaktionsmechanismen. Organische Reaktionen, Stereochemie, moderne Synthesemethoden. Spektrum Verlag, Heidelberg Eicher T, Tietze LF (1994) Organisch-chemisches Grundpraktikum unter Berücksichtigung der Gefahrstoffverordnung. Thieme, Stuttgart Hellwinkel D (2005) Die systematische Nomenklatur der organischen Chemie. Springer, Berlin, Heidelberg, New York Hesse M, Meier H, Zeeh B (2012) Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie. Thieme, Stuttgart Schwetlick K (2009) Organikum. Wiley-VCH, Weinheim Tietze LF, Eicher T (1991) Reaktionen und Synthesen im organisch-chemischen Praktikum und Forschungslaboratorium. Thieme, Stuttgart Voet D, Voet JG, Pratt CW (2010) Lehrbuch der Biochemie. Wiley-VCH, Weinheim Warren S (1997) Organische Retrosynthese. Ein Lernprogramm zur Syntheseplanung. Teubner, Stuttgart Wikipedia
Stichwortverzeichnis
A a-Nomenklatur, 331 Abbau nach Ruff , 425 Abbau nach Wohl, 425 Abbaureaktionen, 186, 534 Abbaureaktionen von 1,3-Dicarbonylverbindungen, 315 Abfangreaktionen, 355 Abgangsgruppe, 133, 139, 365 absolute Konfiguration, 389 Absorption, 541 Absorptionsmaximum, 542 ACE, 452, 554 ACE-Hemmer, 554 Acetal, 332 Acetalbildung, 248, 249 – bei Zuckern, 424 Acetaldehyd, 66, 74, 231, 237, 253, 259, 260, 282 Acetamid, 293 Acetanhydrid, 223, 292, 318 Acetessigester, 265, 283, 309 Acetessigsäureester, 283 Acetessigsäureethylester, 281, 292 Aceton, 66, 73, 105, 163, 231, 237, 238, 259 Acetonitril, 293 Acetophenon, 237 Acetyl-Coenzym A, 413, 415, 477 N -Acetyl-glucosamin, 431 Acetylaceton, 232, 233, 237 Acetylchlorid, 292 Acetylcholin, 196 Acetylcholinesterase, 196, 561 Acetylcholin-Rezeptor, 493 Acetyl-CoA, 461 Acetyl-Coenzym A, 282
Acetylen, 13, 72, 74, 156, 516 Acetylen-Chemie, 516 Acetylendicarbonsäure, 273 N-Acetylgalactosamin, 432 Acetylid-Ion, 73 Acetylide, 72, 256 Acetylsalicylsäure, 556 achiral, 392 achirale Verbindungen, 385 Acidität, 28, 29, 158, 166, 190, 233, 257, 269, 278, 285, 336 Acrolein, 235, 237, 347 Acrylnitril, 66, 74, 86, 293, 516, 525, 526 Acrylsäure, 270, 517 Acrylsäure-Derivate, 263 Acrylsäureester, 89, 517 ACTH, 488 Acylcarben, 206 Acylcyanide, 280 N-Acyl-harnstoffe, 325 Acylierung von 1,3-Dicarbonylverbindungen, 314 O-Acylierung, 314 Acyliumion, 119 Acylium-Komplex, 119 Acylnitren, 187 Acyloin, 229, 255, 304 Acyloin-Kondensation, 303 Acyloinsynthese, 229 Acylradikal, 130 Addition, 107, 245, 355, 411 Addition von Halogenwasserstoff, 79 1,2-Addition, 67, 89, 216 1,4-Addition, 67, 89, 216 Additions-Eliminierungs-Mechanismus, 121, 123
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2023 H.P. Latscha, U. Kazmaier, H. Klein, Organische Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-67010-1
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680 Additions-Eliminierungs-Reaktion, 288, 544 1,4-Additionsprodukt, 315 Additionsreaktionen, 66, 73, 357, 527 Additionsverbindung, 245, 324 1,2-Addukt, 68 1,4-Addukt, 68 Adenin, 414, 468, 471 Adenosin, 414, 471 Adenosintriphosphat, 413, 468 Adipinsäure, 46, 273, 274, 276, 538 ADP, 467, 468 Adrenalin, 195, 554 Adrenalin-Rezeptoren, 554 adrenocorticotropes Hormon, 488 Agar-Agar, 433, 434 Aglycon, 489 Agonisten, 557 AIDS, 552 Akarizide, 560 aktives Isopren, 478 Aktivester, 449 aktivierte C–H-Bindung, 413 aktivierte Essigsäure, 459 Aktivierung, 288 Albumine, 458 Alcohol dehydrogenatus, 221 Aldehyd, 220, 221, 302, 305, 311 Aldehyde – Darstellung, 605 – Reaktionen, 210 Aldehydocarbonsäure, 280 Aldimin, 251 Aldol, 258 Aldolkondensation, 236, 261, 265 Aldolprodukt, 318 Aldolreaktion, 230, 248, 257, 258 Aldosen, 417, 418, 425 Aldosteron, 488 Aldoxim, 251, 425 Alginsäure, 434 aliphatische Aldehyde, 256 aliphatische Diazoniumsalze, 203 aliphatische Halogenverbindungen, 129 aliphatische Nitroverbindungen, 196 aliphatisches Amin, 190 Alizarin, 243, 545 alkalische Hydrolyse, 445 Alkaloide, 194, 262, 564 n-Alkane, 39 Alkanole, 153 Alkene – Darstellung, 603 (E)-Alkene, 215
Stichwortverzeichnis (Z)-Alkene, 215 Alkine, 72, 81, 150, 256, 344 – Darstellung, 603 Alkoholat, 158, 308, 312 Alkohole, 153 – Darstellung, 603 – einwertige, 153, 155 alkoholische Gärung, 156 Alkoxyaluminiumhydride, 246 Alkylchlorid, 66 Alkylhalogenide, 58 Alkylhydrogensulfate, 81 Alkylidenmalonester, 315 Alkylidenphosphorane, 214 Alkylierung von 1,3-Dicarbonylverbindungen, 314 Alkylierungsmittel, 179 Alkylisothiocyanate, 330 S-Alkyl-isothiuroniumsalz, 176 Alkyloxoniumion, 158, 159 Alkylphosphane, 214 Alkylradikal, 57, 130, 356 Alkylrhodanide, 330 Alkylthiocyanate, 330 Alkylvinylether, 525 Alkylwanderung, 187 Allen, 67, 150, 393 allgemeine Gaskonstante, 32 Allylalkohol, 154, 155, 225, 302 Allyl-Anion, 70 Allylarylether, 173, 380 Allylchlorid, 60 Allylester, 312 Allyl-Gruppe, 70 allylische Oxidation mit Selendioxid, 155 Allyl-Kation, 67, 70 Allylphenole, 173 Allylposition, 77, 225 Allyl-Radikal, 15, 60, 70 Allylstellung, 60 Aluminiumalkoholate, 248 Aluminiumethanolat, 248 Aluminiumisopropylat, 246 Aluminiumorganyle, 212 Amanitin, 453 ambidentes Nucleophil, 141, 197, 257, 313 Ameisensäure, 188, 247, 260, 270 Ameisensäureester, 310 Ameisensäureethylester, 292 Amide, 307 Amidenolate, 308 Amidinbildung, 290 Amidine, 307, 341
Stichwortverzeichnis Aminale, 251 Amine, 89, 183, 198, 306 – Darstellung, 607 – Herstellung, 184 Aminierung, 440 “-Aminoalkohole, 262 Aminoalkylierung, 261 Aminobenzaldehyde, 346 Aminobenzoesäure, 124 p-Aminobenzoesäure, 181, 551 p-Aminobenzolsulfonamid, 180 p-Aminobenzolsulfonsäure, 180 ”-Aminobuttersäure, 437, 557 Aminocarbonsäuren, 435 ’-Aminocarbonyl-Verbindungen, 342 “-Aminodicarbonsäuren, 365 “-Aminoketone, 261 Aminolyse, 290 Aminonitril, 440 ’-Aminonitrile, 255 Aminoplaste, 326 2-Aminopyridin, 123, 340 “-Aminosäurederivate, 89 Aminosäureester, 203 Aminosäuren, 194, 255, 263, 276, 286, 327, 334, 389, 435, 485 – Reaktionen, 442 – saure, 436 – Synthese, 263, 439 D-Aminosäuren, 453 Aminosäure-Racemate, 441 Aminosäuresequenz, 453, 474 Aminosäure-Stoffwechsel, 491 Aminoxide, 193 Aminozucker, 431 Amitriptylin, 557 Amlodipin, 555 Ammoniak, 253 Ammoniak-Synthese, 516 Ammoniumcarbamat, 323 Ammoniumcyanat, 323 Ammonolyse, 289 AMP, 467, 468 Amphetamine, 195, 558 amphiphil, 462 Ampholyte, 437, 457 Amphotericin, 75 Amylopectin, 430, 434 Amylose, 430, 434 Anabasin, 493, 564 Anästhesie, 128 Androgene, 486 Androsteron, 486
681 anellierte aromatische Systeme, 97 anellierte Ringe, 96 angeregter erster Triplettzustand, 402 angeregter Singulettzustand, 402 angeregter Zustand, 69, 401 Angiogenese-Hemmer, 553 Angiotensin II, 452, 554 Angiotensin-Converting-Enzym, 452, 554 Anhydride, 276, 284 Anilin, 115, 120, 124, 184, 198, 227, 347 Anion, 26 Anionenaustauscher, 535 anionische Polymerisation, 524 anionotrope 1,2-Verschiebung, 232 anionotrope Umlagerung, 364 Anisaldehyd, 227, 242 ’-Anomere, 418 “-Anomere, 418 anomeres Zentrum, 418 Anregungsenergie, 541 Ansaverbindungen, 97 Antagonisten, 487, 557 antarafacial, 376 Anthocyane, 507 Anthocyanidine, 507 Anthocyanine, 507 Anthracen, 99, 100, 104, 114 Anthrachinon, 87, 100, 104 Anthrachinon-Farbstoffe, 100, 545 Anthranilsäure, 124 anti-Addition, 357 anti-aromatisch, 95 antibindende Molekülorbitale, 8, 69 antibindende Wechselwirkung, 47, 371 antibindendes Energieniveau, 401 Antibiotika, 550 Antidepressiva, 557 anti-Dihydroxylierung, 83 anti-Eliminierung, 146, 150, 359 Antigestagene, 488 Antijuvenilhormone, 562 Antiklopfmittel, 518 Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, 553 anti-Markownikow, 90, 155 anti-Markownikow-Addition, 82 Antioxidans, 451 antiperiplanare Anordnung, 146 Antiperniciosa-Faktor, 506 Antiphlogistika, 556 Antipoden, 441 anti-Stereoselektivität, 146 Antitumor-Arzneistoffe, 553 antivirale Arzneistoffe, 552
682 Äpfelsäure, 274, 277 apolar-aprotisch, 34 Appetitzügler, 195 aprotische Lösemittel, 238, 303 äquatorial, 48 Arabinose, 422 Arachidonsäure, 461 Areniumionen, 107 Arginin, 326 Arin, 123, 124 Arin-Mechanismus, 123 Arndt-Eistert-Synthese, 204, 205 Aromastoffe, 290 Aromaten, 18, 94 aromatische Aldehyde, 255 aromatische Amine, 190 aromatische Carbonsäuren, 268 aromatische Diazoniumsalze, 203 aromatische Halogenverbindungen, 130 aromatische Ketone, 119 aromatische Kohlenwasserstoffe, 107 aromatische Nitroverbindungen, 197 aromatische Substitution, 107 aromatische Sulfonsäuren, 180 aromatische Verbindungen, 360 Aromatisierungen, 513 Arrhenius-Gleichung, 32 Arteriosklerose, 485, 555 Arthropoden, 431 Arylkation, 121, 205 Arzneimittel, 549 L-Ascorbinsäure, 410 Asphalt, 43 Aspidospermidin, 497 Aspidospermidin-Alkaloide, 497 Asymmetriezentrum, 383 asymmetrisch, 383 asymmetrische Phasen-Transfer-Katalyse, 400 asymmetrische Synthese, 398 asymmetrisches Atom, 23 asymmetrisches C-Atom, 285, 383, 418 AT1-Rezeptor-Antagonisten, 554 ätherische Öle, 477 Atomorbitale (AO), 4, 5, 8 Atorvastatin, 555 ATP, 413, 415, 467–469 Atropin, 493 Atropisomerie, 394 Aufbau der DNA, 473 Aufbau der RNA, 474 Aufbau von Monosacchariden, 425 Aufbaureaktionen, 534 Aufenthaltswahrscheinlichkeit, 4
Stichwortverzeichnis Autoprotonierung, 115 autothermer Spaltprozess, 514 Autoxidation, 363, 461 Auxiliare, 399 Auxiliar-kontrollierte Reaktion, 398 Auxochrome, 542 Avastin, 553 axial, 48 Azapolyether, 368 Azide, 344 Azidothymidin, 552 Aziridin, 333 Azobenzol, 199, 200 Azofarbstoff, 200, 204, 543, 545 Azo-Gruppe, 200 Azokupplung, 200, 204 Azolidin, 333 Azomethan, 200 Azomethin, 250, 440 Azo-Verbindungen, 200 – Darstellung, 607 – Herstellung, 200 Azoxybenzol, 199 AZT, 552
B B12 , 413 B12 -Coenzym, 413 Baeyer-Spannung, 46 Baeyer-Probe, 83 Bahndrehimpuls, 5 Bakelit, 536 Bakterizide, 560 Balz-Schiemann-Reaktion, 118, 205 Barbiturate, 558 Barbitursäure, 325 Barbitursäure-Derivate, 558 Base, 31, 338 Basen-Katalyse, 289 basenkatalysierte Aldol-Reaktionen, 258 Basenpaare, 473 Basestärke, 27 Basis-AO, 69 basische Aminosäuren, 436 basische Farbstoffe, 543 Basizität, 28, 140, 158, 189, 257, 336 bathochromer Effekt, 542 Beckmann-Umlagerung, 294 Beilstein-Probe, 128 Beizen, 544 Beizenfarbstoffe, 544 Belladonna, 494
Stichwortverzeichnis Benzaldehyd, 237, 253, 262, 264, 315 Benzaldimin, 253 Benzalmalonester, 264 Benzamid, 293 Benzen, 13, 93, 99, siehe auch Benzol Benzidin, 203 Benzidin-Umlagerung, 202 Benzil, 231 Benzilsäure-Umlagerung, 232, 247 Benzin, 512 Benzo[a]pyren, 100 Benzodiazepine, 557 Benzoesäure, 270 Benzoesäureanhydrid, 292 Benzoesäureethylester, 292 Benzoinkondensation, 229, 255 Benzol, 13, 23, 73, 93, 99, 100, 274 Benzol-o-dicarbonsäure, 275 Benzol-p-dicarbonsäure, 275 Benzolsulfochlorid, 194 Benzolsulfonsäure, 116 Benzonitril, 117, 293 Benzophenon, 237 Benzoylchlorid, 292 N -Benzoylglycin, 263, 441 Benzylester, 447 Benzylisochinoline, 501 Benzyloxycarbonyl-Schutzgruppe, 447 Benzylposition, 60 Benzylradikal, 15, 54, 104 Berberitzen, 500 Bernsteinsäure, 150, 273 Bernsteinsäureanhydrid, 292 Bestimmung der Enantiomerenreinheit, 396 Bestrahlung, 58 Betain, 437 Bevacizumab, 553 bicyclische Monoterpene, 480 bicyclische Terpene, 479 Bienenwachs, 460 Bild, 285, 382 Bilsenkraut, 492, 493 bimolekular, 144 bimolekulare Eliminierungen, 359 bimolekulare nucleophile Substitution, 133, 360 bimolekulare nucleophile Substitution am Aromaten, 121 bimolekulare Reaktion, 136 Bindegewebe, 454 bindende -MO, 69 bindende Molekülorbitale (MO), 8, 69 bindende Wechselwirkung, 371, 374
683 bindendes Energieniveau, 401 -Bindung, 13 ¢-Bindung, 11, 29 Bindungsdissoziationsenergie, 15, 53, 57 Bindungselektronen, 3 Bindungsenergie, 14, 57 Bindungslängen, 14 Bindungstheorie, 93 Bindungswinkel, 354 biochemisch wichtige Amine, 194 biochemische Redoxprozesse, 415 biogene Amine, 194, 497, 500 Biogenese von Terpenen, 477 Biokatalysatoren, 412 Biolumineszenz, 404 Biopolymere, 412 Biosynthese der Steroide, 483 Biotechnologie, 409 Biotin, 413 Biozide, 560 Biphenyle, 394 Birch-Reduktion, 102 Bisoprolol, 554 Bisphenol A, 539 Bisphenole, 539 Bisulfit, 254 Bisulfit-Addukt, 254 Bitumen, 43 Biuret, 324 Biuret-Reaktion, 324 Blausäure, 120, 254, 293 Blausäure-Vergiftung, 506 Bleitetraacetat, 162, 280 Block-Copolymere, 532 “-Blocker, 554 Blue Jeans, 546 blutdrucksenkende Arzneistoffe, 553 Blut-Hirn-Schranke, 195 Bluthochdruck, 553 Blutkrebs, 553 Blutzuckerspiegel, 452 Boc-Schutzgruppe, 447 Boltzmann-Konstante, 32 Bor-organische Verbindungen, 211 Bortrifluorid, 351 Boten-RNA, 474 Bouveault-Blanc-Reduktion, 303, 307 Braunkohle, 515 Brechnuss, 497 Breitbandantibiotika, 550 Brenzcatechin, 124 Brenzreaktion, 280 Brenztraubensäure, 280, 282, 387, 415
684 Brønsted, Johannes, 27 Brom, 61, 78, 79, 357, 398 1-Brom-1,2-diphenyl-propan, 146 Bromacetaldehyd, 344 Bromaceton, 229 2-Brombutan, 136 ’-Bromcarbonsäuren, 284 Bromethan, 359 Bromierung, 57, 61, 78, 107, 118, 362 Brommethan, 128 Bromoniumion, 78, 357 ’-Brompropionsäure, 137 ’-Bromsäurebromid, 284 N -Bromsuccinimid, 61, 290, 300 Bromverbindungen, 128 Brucin, 497 BTX, 514 BTX-Abtrennung, 99 Bufadienolide, 483, 489 Bufotalin, 489 Buna S, 537 Butadien, 66, 67, 70, 74, 87, 526 Butan, 40, 44, 515 n-Butan, 43 1,4-Butandiol, 162, 516 Butandisäure, 273 1-Butanol, 154 2-Butanol, 66 Butanon, 237 2-Buten, 355 2-Butenal, 237 Butin-1,4-diol, 2-, 256 Buttersäure, 270, 461 Buttersäureethylester, 290 n-Butylalkohol, 154 tert.-Butylalkohol, 154 Butylbromid, 57 Butylchlorid, 144 tert.-Butylester, 447 tert.-Butylgruppe, 118 Butyllithium, 209 n-Butyllithium, 208, 256 tert.-Butylmercaptan, 176 tert.-Butyloxycarbonyl-Schutzgruppe, 447 ”-Butyrolacton, 299, 343, 516 Butyrophenone, 557
C Ca-Antagonisten, 554 Cadmium-organische Verbindungen, 217, 304 Cadmium-Verbindungen, 226 Cahn, Ingold, Prelog (CIP), 25, 435
Stichwortverzeichnis Cahn-Ingold-Prelog-Regeln, 64, 389 Calcium-Antagonisten, 346 Calciumcarbid, 515, 516 Calcium-Kanal-Blocker, 346 Calcium-Kanäle, 554 Candesartan, 554 Cannizzaro-Reaktion, 247 ©-Caprolactam, 294, 538 Capronsäure, 270 Captopril, 554 Carbamidsäure, 187, 323, 327, 328 Carbanion, 31, 54, 90, 145, 207, 257, 303, 308, 313, 351, 353 – Erzeugung, 354 Carbapeneme, 550 Carbaryl, 323 Carbazol-Alkaloide, 497 Carben, 84, 205, 351, 354 Carbeniumion, 31, 54, 67, 77, 80, 134, 135, 138, 140, 144, 159, 249, 307, 351, 359, 363, 484 – als Zwischenprodukt, 360 – Erzeugung, 352 Carbodiimid, 328 Carbokationen, 31, 351 Carbolin-Alkaloide, 498 Carbolsäure, 166 Carbonium-Ionen, 31 Carbonsäure, 220, 247, 289, 316 – Darstellung, 606 – Eigenschaften, 269 – Herstellung, 268 – Reaktionen, 272 Carbonsäureamide, 220, 293, 308 – Reaktionen, 305 Carbonsäureanhydride, 291 – Reaktionen, 304 Carbonsäurebromid, 284 Carbonsäurechloride, 225, 308 Carbonsäurederivate, 206, 287, 301 – Eigenschaften, 291 – Herstellung, 291 – Reaktionen, 288 Carbonsäureester, 28, 290, 295, 308 – Reaktionen, 301, 308 Carbonsäurehalogenide, 293, 317 – Reaktionen, 304, 317 Carbonsäurenitrile – Reaktionen, 319 Carbonylgruppe, 219, 301 – Reaktionen, 301 – Reaktionen in ’-Stellung, 308 Carbonylierung, 74
Stichwortverzeichnis Carbonyl-Komplexe, 518 Carbonylkomponente, 260 Carbonyl-Olefinierung, 215 Carbonylverbindungen, 245, 344 Carboxylat, 220, 317 Carboxylat-Anion, 289 Carboxyl-Gruppe, 267 Carboxylierung, 268, 275, 411 Cardenolide, 483, 489 Carmin, 548 Carnauba-Wachs, 465 “-Carotin, 460, 481, 505 Carotinoide, 460, 481 Castanospermin, 495 Catechine, 508 Cbz-Schutzgruppe, 447 CC-Dreifachbindung, 72 C–C-Bindung – Spaltung, 610 C–C-Knüpfung, 66 C-C-Knüpfungsreaktionen, 257 Cellobiose, 422, 428 Cellophan, 329, 540 Cellulose, 329, 417, 429, 434, 540 Celluloseacetat, 540 Celluloseether, 540 Cellulosenitrat, 200 Cephalosporine, 550 Cerebroside, 460, 463 C-H-Acidität, 257, 302 C-H-acide Verbindungen, 90, 197, 353 Charakterisierung von Makromolekülen, 529 Charakterisierung von Zuckern, 424 Charge-transfer-Komplex, 240 Chelatkomplex, 226, 508 Chemikaliengesetz, 565, 581 Chemikaliensicherheit, 565 chemische Bindung, 3, 369 chemische Formelsprache, 21 chemische Signalstoffe, 563 Chemolumineszenz, 404 chemoselektiv, 57 chemoselektive Reaktion, 396 Chemoselektivität, 56 Chemosterilantien, 560 Chemotherapeutica, 180 Chemotherapie, 553 China-Alkaloide, 502 Chinhydron, 240 Chinhydron-Elektrode, 240 Chinidin, 502 Chinin, 502 Chinolin, 339, 345–347, 491, 551
685 Chinolin-Alkaloide, 502 Chinolizidin, 491 Chinolizidin-Alkaloide, 496 Chinolone, 551 Chinone, 58, 168, 221, 224, 240 Chinoxaline, 342 chiral, 67, 383 chirale Moleküle, 384 chirale Verbindungen, 385 chiraler Pool, 400 Chiralitätszentrum, 23, 137, 381, 383, 533 Chitin, 431, 434 Chitin-Synthese-Inhibitoren, 562 Chlor, 59, 79 Chlor-2-methyl-propan, 144 N -Chlor-Succinimid, 61 Chlorakne, 101 Chloral, 234 Chloralhydrat, 234, 248, 558 Chloralkylsulfit, 138 Chlorameisensäureester, 322 Chloranil, 241 Chlorbenzol, 124, 165 3-Chlorbuttersäure, 285 Chlorcyan, 328 ’-Chloressigsäuren, 283 Chlorhydrine, 171 chlorierte Kohlenwasserstoffe, 560 chlorierte Verbindungen, 128 Chlorierung, 57, 59, 78, 103, 117, 363 Chlormethan, 58, 128 Chloroform, 58, 128, 129, 168 Chlorophyll, 505, 506 Chloropren, 74 m-Chlorperbenzoesäure, 83, 216 Chlorpromazin, 557 ’-Chlorpropionsäure, 271 “-Chlorpropionsäure, 271 Chlorradikal, 58 Chlorsilane, 212 Chlorsulfonierung, 59 Chlorsulfonsäure, 180 Chlorsulfonylradikal, 59 Cholansäure, 485 Cholecalciferol, 379 Cholestan, 51 Cholesterin, 51, 485, 555 Cholesterinbiosynthese, 555 cholesterinsenkende Arzneistoffe, 555 Cholesterinspiegel, 555 Cholesterin-Stoffwechsel, 485 Cholesterinwert, 555 Cholesterol, 51, 460, 483, 485
686 Cholesterol-Linola, 460 Cholin, 196 Cholsäure, 486 Chondroitinsulfat, 434 chromatographische Trennmethoden, 396 Chromen, 507 Chromophore, 542, 545 Chromoproteide, 458 Chromtrioxid, 225 Chromtrioxid in Pyridin, 223 Chromylchlorid, 225 Chymotrypsin, 444, 446 Cialis, 556 Cinchona-Baum, 502 Cinchonidin, 502 Cinchonin, 502 cis-2-Buten, 64 cis-Alken, 65 cis-Decalin, 50 cis-Dihydroxylierung, 83, 157 cisoide Konformation, 374 cis-taktisch, 533 cis-trans-Isomere, 49, 67, 393 cis-trans-Isomerie, 24, 63, 64 cis/trans-Isomerisierung, 75 Citral, 242 Citrat-Cyclus, 282, 415 Citronensäure, 277 Claisen-Kondensation, 232, 283, 302, 309, 342 Claisen-Tischtschenko-Reaktion, 248 Claisen-Umlagerung, 173, 312, 380 Clathrate, 325, 396 Claviceps purpurea, 499 Clavine, 499 Clemmensen-Reduktion, 52, 119, 238 Clomipramin, 557 CLP-Verordnung, 566, 568, 571 C-Nucleophil, 245, 255 CO2 -Abspaltung, 272, 425 CoA, 413 Cobalamin, 413 Cobalt, 506 Cocabissen, 494 Coca-Blätter, 494 Cocain, 494 Coca-Strauch, 492, 494 Codein, 502 Coenzym A, 177, 413, 437 Coenzyme, 412 Coffein, 503 Colanüsse, 503 Collins-Reagenz, 223 Coniin, 492
Stichwortverzeichnis Cope-Eliminierung, 151, 193 Cope-Umlagerung, 377, 380 Copolymere, 523, 532 Coronate, 367 Corrin-System, 506 Corticoide, 452, 483 Corticotropin, 452 Cortisol, 488, 556 Cracken, 60, 512 Crack-Verfahren, 64 Criegee, Rudolf , 162 Crixivan, 552 CrO3 , 222, 268 Crotonaldehyd, 237, 261 CS2 , 329 Cumol, 66, 100, 105, 163, 363 Cumol-Phenol-Verfahren, 163 Cumolhydroperoxid, 163, 363 Cuprate, 216 Curare, 501 Curie, Marie, 589 Curtius-Abbau, 186, 188, 322, 328 Cuscohygrin, 492 Cyanamid, 293, 323, 326, 328 Cyanate, 328 Cyanessigsäure, 274 Cyanhydrin, 254, 277, 425, 426, 440 Cyanhydrinbildung, 254 Cyanid, 254, 300 Cyanidinchlorid, 507 Cyanoessigester, 265 Cyansäure, 327 Cyansäureester, 328 Cyanursäure, 327 cyclische Acetale, 249 cyclische Alkane, 45 cyclische Amine, 184 cyclische Ester, 279, 298 cyclische Ether, 162, 170 cyclische Halbacetale, 249 cyclische “-Ketoester, 310 cyclische Ketone, 276, 310 cyclische Nucleotide, 467 cyclische Peptide, 551 cyclischer Übergangszustand, 83, 156, 173, 223, 224, 304, 312, 319 cyclisches Diamid, 442 Cyclisierung, 73, 162, 513 Cycloaddition, 52, 77, 84, 124, 373 [2+2]-Cycloaddition, 52, 85, 298, 355, 375 [4 +2 ]-Cycloaddition, 374 [2+1]-Cycloadditionen, 84 [2 +2 ]-Cycloadditionen, 375
Stichwortverzeichnis [3+2]-Cycloadditionen, 85 [4+2]-Cycloadditionen, 68, 86 Cycloalkane, 45, 52 Cycloalkene, 18 Cyclo-AMP, 467 Cycloartenol, 484 Cyclobutadien, 95 Cyclobutan, 52, 85 Cyclobutanon, 52 1,4-Cyclohexadien, 87 Cyclohexan, 47, 52 Cyclohexan-Derivate, 146 Cyclohexanol, 46 Cyclohexanon, 46, 232, 237, 274 Cyclohexanonoxim, 294 Cyclohexanring, 47 Cyclohexatrien, 94 Cyclohexen, 61 Cyclohexenon-Ring, 265 Cyclooctatetraen, 73, 95 1,3,5,7-Cyclooctatetraen, 68 Cycloolefine, 73 Cyclooxygenasen, 556 Cyclopentadien, 88, 124, 374, 405 Cyclopentan, 52 Cyclopentanon, 52, 276 Cyclopenten, 234 Cyclopeptid, 452, 453, 492 Cyclopeptid-Alkaloide, 503 Cyclophane, 97, 394 Cyclopropan, 52, 86, 144, 355 Cyclopropanderivate, 217 Cyclopropanierung, 84 Cycloreversion, 374 Cysteamin, 177 Cystein, 177, 181, 435 Cystin, 177, 181 Cytidin, 471 Cytisin, 496 Cytosin, 471
D Dampfspaltung, 514 Darzens, Georges, 368 Darzens-Glycidester-Synthese, 264, 311 Darzens-Reaktion, 311 Dauerwelle, 177 DCC, 449 DDT, 101, 234, 560 Decahydronaphthalin, 50 Decalin, 50 Decan, 40
687 Decarbonylierung, 282 Decarboxylierung, 151, 272, 282, 310, 314, 315, 317, 411 Decarboxylierung von Brenztraubensäure, 230 degenerierte Valenzisomere, 68 Dehalogenierung, 150 Dehydratisierung, 65, 145, 162, 170, 258, 347 Dehydratisierungsmittel, 328 Dehydrierungen, 150 Dehydrobenzol, 123 7-Dehydrocholesterol, 379 Deiquat, 562 Delokalisation, 93 Delokalisierung, 55, 70, 95 Delphinidinchlorid, 507 Depolymerisation, 534 Depsipeptide, 453 Derivate des Harnstoffs, 326 Dermatansulfat, 432 Desinfektionsmittel, 169 Desoxyadenosin, 471 Desoxycholsäure, 486 Desoxycytidin, 471 2-Desoxy-D-ribose, 422 Desoxyguanosin, 471 Desoxyhexosen, 417 Desoxyribonucleinsäure, 100, 472, siehe auch DNA Desoxyribonucleoside, 471 Desoxyribose, 470 D-Desoxyribose, 467 Desulfurierung, 178 Detergentien, 462, 559 Detonationen, 200 Deuterium, 150 Dextran, 429, 434 Diacetonalkohol, 259 Diacetyl, 231 Diacylglycerin, 416 Dialdehyde, 231 N,N-Dialkylhydroxylamine, 193 Dialkylierungsprodukt, 314 Dialkylsulfid, 176 diamagnetisch, 355 1,6-Diaminohexan, 538 Diastase, 156 Diastereomere, 23, 381 diastereomere Übergangszustände, 398 diastereoselektive Synthese, 398 Diastereoseletivität, 399 Diastereotop, 386 Diaza-Cope-Umlagerung, 347 Diazoalkane, 344
688 Diazoester, 203, 205, 442 Diazoketone, 203–205, 305 1,2-Diazole, 336 1,3-Diazole, 336 1,3-Diazolidin, 333 Diazomethan, 86, 203, 205, 297, 305 Diazonium-Kationen, 352 Diazoniumsalz, 121, 191, 200, 202, 203 Diazotierung, 442 Diazoverbindungen, 52, 86, 203 Diazo- und Diazoniumverbindungen – Herstellung, 203 – Reaktionen, 204 DIBAH, 302, 306, 307 DibalH, 226, 302 Dibenzepine, 557 Dibenzodioxin, 101, 339 Dibenzofurane, 101 Dibenzoylperoxid, 59 Dibutylphthalat, 292 Dicarbonsäureester, 304 1,3-Dicarbonsäureester, 313 Dicarbonsäuren, 272 – Herstellung, 273 – Reaktionen, 275 1,1-Dicarbonsäuren, 275 1,2-Dicarbonsäuren, 276 1,3-Dicarbonsäuren, 276 Dicarbonylverbindungen, 342 1,2-Dicarbonylverbindungen, 231, 342 1,3-Dicarbonylverbindungen, 232, 313, 341, 342 1,4-Dicarbonylverbindungen, 233, 343 1,5-Dicarbonylverbindungen, 234, 343 Dichlorcarben, 84, 144, 168 Dichlordifluormethan, 128 Dichloressigsäure, 271 1,2-Dichlorethen, 24 (E)-1,2-Dichlorethen, 79 Dichlormethan, 58, 128 Diclofenac, 556 Dicyan, 273 Dicyclohexylcarbodiimid, 449 Dicyclohexylharnstoff, 449 Dieckmann-Kondensation, 310 Dielektrizitätskonstante, 34, 141 Diels-Alder-Addukt, 337 Diels-Alder-Reaktion, 68, 86, 124, 241, 373, 397 Diene, 67 1,3-Diene, 86 1,5-Diene, 377 Dienophil, 86, 241, 374
Stichwortverzeichnis Dieselöl, 43 Diethylether, 171 Diflubenzuron, 562 Difluorchlormethan, 128 Digitalisglycoside, 489 Digitonin, 489 Digitoxigenin, 489 Digitoxin, 481, 489 1,2-Dihalogen-Verbindungen, 143, 150 Dihydrochinolin, 347 2,5-Dihydro-1,4-diazine, 342 2,3-Dihydropyran, 332 Dihydropyridin, 345, 346, 555 Dihydrouridin, 475 3,30 -Dihydroxy-“-carotin, 481 Dihydroxyaceton, 229, 410, 418 Dihydroxyanthrachinon, 1,2-, 545 2,3-Dihydroxybutandisäure, 277 3,30 -Dihydroxy-’-carotin, 481 3,4-Dihydroxyphenylalanin, 195 2,3-Dihydroxypropansäure, 277 Diiodmethan, 85, 217 Diisobutylaluminiumhydrid, 226, 302 Diketen, 283 Diketon, 303 1,5-Diketon, 234, 265 “-Diketon, 316 1,2-Diketone, 231 1,3-Diketone, 232, 311, 313 Diketopiperazin, 442 Dimere, 91, 269 Dimerisierung, 55, 303, 478 2,3-Dimethyl-2,3-butandiol, 161 3,3-Dimethyl-2-butanon, 162 Dimethylbenzimidazol, 506 Dimethylformamid, 120, 141 N,N-Dimethylformamid, 293 Dimethylguanosin, 475 Dimethylketon, 237 Dimethylpropanol, 136 Dimethylsulfid, 223 Dimethylsulfoxid, 141, 179, 223 Dimilin, 562 Dinitrofluorbenzol, 445 2,4-Dinitrofluorbenzol, 122 2,4-Dinitrotoluol, 115 Dinucleotid, 468 Diole, 161, 249, 275 1,2-Diole, 161, 228, 238 Diosgenin, 481, 489 Dioxan, 1,4-, 333 Dipeptid, 443, 446 Diphenylketon, 237
Stichwortverzeichnis 1-Diphenylmethylen-4trityl-2,5-cyclohexadien, 55 1,3-Diphosphoglycerinsäure, 468 Diphosphorsäure, 414 Dipol, 77 1,3-Dipol, 344 dipolar-aprotisch, 34 dipolar-aprotische Lösemittel, 141, 314 1,3-dipolare Cycloaddition, 52, 85, 205, 344 dipolarophile Alkene, 344 Dipolmoment, 24, 29, 34, 64 Diradikal, 84, 164, 354 Direktfarbstoffe, 543 Disaccharide, 422, 426, 427 Dispersionsfarbstoffe, 543 Disproportionierung, 247 Disrotation, 370 disrotatorische Drehung, 370, 371 Dissoziationsenergie, 31 Disulfidbrücke, 177, 452 Disulfide, 175, 177 Diterpene, 75, 477, 480 Dithioacetale, 208 Diuretika, 555 D,L-Nomenklatur, 389 DNA, 468, 470, 472, 551, 552, siehe auch Desoxyribonucleinsäure Dominoreaktionen, 91, 92 Donor-Akzeptor-Komplexe, 240 Dopa, 195 Dopamin, 195, 557 Dopamin-Rezeptoren, 557 Doppelbindung, 13, 24, 63, 77 Doppelbindungscharakter, 295 Doppelhelix, 473 Doppelte Inversion, 137 d-Orbitale, 179 Dralon, 537 Drehspiegelachse, 384 Drehspiegelung, 384 Dreibuchstaben-Code, 437 Dreifachbindung, 65, 123 D-Reihe, 418 Dreikomponenten-Reaktion, 261 dreiwertiger Alkohol, 153, 157 Dreizentren-Bindung, 378 Droge, 494 Düngemittel, 325, 328 Duroplaste, 536 Dynamit, 158, 200
689 E E 605, 214 E-Konfiguration, 64 E / Z-Isomere, 148, 251 E1-Mechanismus, 65, 144 E1-Reaktion, 358, 359 E1cB-Mechanismus, 145 E2-Mechanismus, 65, 145 E2-Reaktion, 358, 359 Ebola, 552 Ecgonin, 494 Ecstasy, 558 Edmann-Abbau, 446 Eicosan, 40 Eigendrehimpuls, 5 Eigenfunktionen, 4 Eigenwerte, 4 Einbuchstaben-Code, 437 Einelektronenübertragung, 363 Ein-Elektron-Transfer-Reaktion, 102 Einschlussverbindungen, 325, 396 Einteilchen-Wellenfunktionen, 4 Einzelstrang, 474 Eiweiße, 435 Eiweißstoffwechsel, 323 Elastomere, 528, 536 elektrocyclische Reaktionen, 26, 371, 373 elektrofug, 365 elektrofuge Gruppen, 365 Elektrolyse, 44, 352 Elektronegativität, 7 Elektronegativitäts-Werte, 207 Elektronenacceptor, 110 Elektronendichteverteilung, 4 Elektronendonor, 109 Elektronenkonfiguration, 7 Elektronenoktett, 353 Elektronenpaarakzeptor, 28 Elektronenpaarbindung, 7, 10 Elektronenpaardonor, 28 ElektronenpaardonorElektronenpaaracceptor-Komplex, 107 Elektronensextett, 84, 354, 364 Elektronenspin, 5 -Elektronensystem, 30, 334 elektronenziehende Wirkung, 29 Elektronenzustände, 402 elektronischer Grundzustand, 401 Elektrophil, 26, 28, 77 elektrophile Addition, 77, 357 elektrophile Aromatensubstitution, 107, 197 elektrophile Polymerisation, 524, 525 elektrophile Substitution, 336, 338, 360
690 elektrophile Substitutionsreaktion, 114, 167 elektrophiler Angriff, 357 elektrophiles Zentrum, 219 Elektrophilie, 220 Elektrophorese, 438 1,1-Eliminierung, 144 1,2-Eliminierung, 144 ’-Eliminierung, 143 “-Eliminierung, 143, 213, 411 Eliminierungen, 81, 159, 304 Eliminierungs-Additions-Mechanismus, 123 Eliminierungs-Reaktionen, 64, 127, 358 Empfängnisverhütung, 488 Emulgatoren, 486 Emulsion, 366 Emulsions-Polymerisation, 528 Enalapril, 554 Enamin, 232, 251, 252, 341, 345 Enantiomere, 23, 381, 395, 441 Enantiomerenreinheit, 383 Enantiomerenüberschuss, 383, 398 enantiomeric excess, 383, 398 enantiotop, 386 enantiotope Halbräume, 387 endergonische Reaktion, 32 Endiol, 304, 422 Endiolat, 304 endo, 87, 397 endo-Addukt, 374, 375 endogene Morphine, 451 endo-Produkt, 87 Endorphine, 451 endotherme Reaktionen, 56 Energiebilanz, 56 Energiediagramm, 360 Energieniveauschema, 95 Enkephaline, 451 Enolanteil, 284 Enolat, 234, 245, 252, 260, 301, 308, 318 Enolationen, 257 Enole, 252 Enolform, 234, 245, 261, 281, 283 Enolgehalt, 281 entartete Valenzisomere, 68 entartetes -MO, 95 Entwickler, 241 Entwicklungsfarbstoffe, 543 Entzündungshemmer, 556 Entzündungsprozesse, 556 Enzyme, 395, 412, 441 Enzym-katalysierte Reaktionen, 400 enzymtechnologische Verfahren, 410 Eosin, 547
Stichwortverzeichnis Ephedrin, 195, 503, 558 Epibatidin, 493 Epichlorhydrin, 539 Epimere, 422 Epoxid, 83, 170–172, 217, 264, 483 Epoxidharze, 539 Epoxidierung, 83, 368 Epoxidöffnungen, 216 ’; “-Epoxyester, 264, 311 Epoxysilane, 213 Erdgas, 43, 515 Erdöl, 43, 98, 511 Erdöldestillation, 511 Erdölprodukte, 512 Erdölveredelung, 512 erektile Dysfunktion, 556 Ergin, 499 Ergobasin, 499 Ergolin, 499 Ergolin-Alkaloide, 499 Ergometrin, 499 Ergosterin, 379, 485 Ergotamin, 499 Erhaltung der Orbital-Symmetrie, 370 Erlenmeyer-Regel, 153 Erlenmeyer’sche Azlactonsynthese, 263, 441 erschöpfende Methylierung, 185 Erythrocyten, 506 erythro-Form, 391 Erythromycin, 551 Erythrose, 391 Eschweiler-Clarke-Reaktion, 188 essentielle Aminosäuren, 437 essentielle Fettsäuren, 461 Essigsäure, 270, 282 Essigsäureanhydrid, 262 Essigsäureethylester, 248, 292, 309 Essigsäureisobutylester, 292 Ester, 151, 220, 248, 289 – Darstellung, 606 – Reaktionen, 211 Esterasen, 396 Esterbildung, 279 Esterenolat, 302, 312 Esterenolat-Claisen-Umlagerung, 312 Esterhydrolyse, 295 Esterkondensation, 310 Ester-Spaltung, 315 Esterverseifung, 289, 296, 310 Etard-Reaktion, 225 Ethan, 12, 40, 41, 44, 515 Ethanal, 237 1,2-Ethandiol, 154
Stichwortverzeichnis Ethanol, 66, 154 Ethanolat, 309 Ethen, 12, 66, 69, 521, 525 Ether, 158 – Darstellung, 604 – einfache, 170 Ether-Bildung, 167 Ether-Komplex, 209 Ether-Polster, 209 Ether-Spaltung, 172 Ethin, 13, 72, 79, 80, 156, 516 Ethinylierung, 73 17-’-Ethinyl-östradiol, 488 Ethylacetat, 292 Ethylalkohol, 154 Ethylbenzoat, 292 Ethylbenzol, 66, 100 Ethylchlorid, 66 Ethylenchlorhydrin, 157 Ethylendiamin, 184 Ethylenglykol, 157, 228, 231 Ethylenimin, 333 Ethylenoxid, 66, 157, 333 Ethylensulfid, 333 Ethylformiat, 292 exergonische Reaktion, 32 exo, 87, 397 exo-Addukte, 374 exo-Produkt, 87 exotherme Reaktionen, 56 Explosionen, 200 externes Ionenpaar, 135 Extrudieren, 529 Eyring-Gleichung, 32 Ezetimib, 555
F FAD, 150, 413 Fällungs-Polymerisation, 528 Faltblatt-Struktur, 453, 454 Farben, 542 Färberwaid, 548 Färbeverfahren, 543 Farblacke, 544 Farbmittel, 541 Farbstoffagglomerate, 543 Farbstoffe, 104 Farbvertiefung, 542 Fäulnis, 177 FCKW, 129 Fe2C -Ion, 506 Fehling-Reaktion, 239
691 Fehlingsche Lösung, 421, 428 Festphasensynthese, 450 Fette, 460 Fetthärtung, 461 Fettsäuren, 157 Fettverdauung, 486 FH4 (Tetrahydrofolsäure), 413 fibrilläre Proteine, 456 Finkelstein-Reaktion, 130, 285 Fischer-Projektion, 24, 388, 392, 417, 435 Fischer-Tropsch-Synthese, 516 Fischer, Emil, 347, 389 Flavin-Adenin-Dinucleotid, 150, 413 Flavinmononucleotid, 413 Flavonole, 508 Flavyliumsalze, 507 Fliegenpilz, 243 Fließbettverfahren, 513 Flügelpigmente, 505 fluktuierende Bindungen, 68 Fluoraromaten, 205 Fluorchlorkohlenwasserstoffe, 129 Fluorescein, 546 Fluoreszenz, 403 Fluoreszenzstrahlung, 542 Fluorierung, 57, 118 Fluorverbindungen, 129, 130 flüssiger Ammoniak, 102, 124 Fluvastatin, 555 FMN (Flavinmononucleotid), 413 Follikelhormone, 486, 487 Folsäure, 181, 413, 551 Formaldehyd, 188, 237, 247, 250, 253, 260, 261 Formaldehydharze, 539 Formalinlösung, 250 Formamid, 293 Formimidchlorid, 120 Formylchlorid, 120 Formylgruppe, 310 Formylierung, 120 fraktionierte Kristallisation, 441 Frangulanin, 503 freie Drehbarkeit, 64 freie Enthalpie, 468 Freon, 129 Friedel-Crafts-Alkylierung, 99, 118, 163, 227, 305, 306, 559 Friedländer, Paul, 346 Frigen, 129 Frigen 12, 128 Frigen 22, 128 frontier orbital theory, 371
692 Frostschutzmittel, 157 D-Fructofuranose-Moleküle, 433 Fructose, 410, 418, 421, 422 früher Übergangszustand, 32 Fumagillin, 75 Fumarsäure, 150, 273, 274 fünfgliedrige Heterocyclen, 343 fünfgliedrige Ringe, 334 Fünfringheterocyclen, 334 Fungizide, 560, 561 funktionelle Gruppe, 17, 21, 125 Furan, 171, 332, 334 Furanose, 421 Furfural, 335
G GABA-Rezeptor, 557 Gabriel-Synthese, 185, 290, 440 Galactarsäure, 421 Galactosamin, 422 Galactose, 422, 432, 433 Galactosylsphingosin, 460 D-Galacturonsäure, 433 Galenik, 549 Gallensäure, 483, 485 Gallensteine, 485 Gallussäure, 169 Gammexan, 561 Ganglioside, 460 Gase, 512 Gasphasen-Polymerisation, 528 Gattermann/Koch-Synthese, 120 Gattermann-Formylierung, 227, 306 Gattermann-Reaktion, 120 Gebrauchseigenschaften von Polymeren, 535 Gefahrstoffrecht, 565 Gefahrstoffverordnung, 584 gekreuzte Aldolreaktionen, 259 gekreuzte Aldolreaktionen zwischen Aldehyden, 260 gekreuzte Aldolreaktionen zwischen Aldehyden und Ketonen, 260 gekreuzte Cannizarro-Reaktion, 247, 260 gekreuzte Claisen-Kondensationen, 310 Gelbkörperhormone, 486, 487 gemischte Anhydride, 291, 449 gemischte Cuprate, 216 gemischte Ether, 170 Generatorgas, 515 Genfer Nomenklatur, 18 geometrische Isomere, 24, 148 geometrische Isomerie, 64
Stichwortverzeichnis Geranyl-diphosphat, 478 Gerbstoffe, 163, 508 Gerüstsubstanz, 429, 431 gesättigte Fettsäuren, 461 gesättigte Verbindungen, 11 geschützte N-Nucleophile, 185 geschwindigkeitsbestimmender Schritt, 134 Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung, 134, 359 Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung, 136 Geschwindigkeitsgleichung, 145 Geschwindigkeitskonstante, 32, 34 Gestagene, 486, 487 Gewichtsdurchschnitt, 530 Gewinnung von Aromaten, 514 Gießharze, 538 Gigantin, 501 Gleichgewichts-Drehwert, 419 Gleichgewichtskonstante, 34 Gleichgewichtsreaktion, 288, 289, 316 Gliederfüßler, 431 Glivec, 553 globuläre Proteine, 456 Globuline, 458 Glucagon, 452 Glucarsäure, 421 D-Glucit, 422 Glucocorticoide, 556 Glucocorticosteroide, 488 Gluconsäure, 410, 421 Gluconsäurelacton, 421 ’-D-Glucopyranosyl-’-d-glucopyranosid, 427 ’-D-Glucopyranosyl-“-d-fructofuranosid, 427 Glucosamin, 422, 431 Glucose, 21, 410, 421, 422, 429, 470 Glucose-1-phosphat, 410 Glucosidasen, 495 Glucuronsäure, 422, 432 Glutaminsäure, 451 Glutarsäure, 273 Glutathion, 451 Glyceride, 460 Glycerin, 154, 157, 229, 235, 347 Glycerinaldehyd, 229, 389, 418 Glycerinsäure, 277 Glycerintrinitrat, 158, 196, 199 Glycerolester, 460 Glycerolphosphatide, 462 Glycidester, 264 Glycin, 485 Glycocholsäure, 485 Glycogen, 429, 431, 434 Glycolipide, 433, 462, 463 Glycoproteide, 458
Stichwortverzeichnis Glycoproteine, 433 Glycosaminoglycane, 432 Glycosidasen, 495 Glycoside, 424, 507 ’ (1,4)-glycosidisch, 430 ’ (1,6)-glycosidisch, 430 “-glycosidisch, 429 glycosidische Bindung, 424 Glycosphingolipide, 463 Glykol, 154, 161 1,2-Glykol, 157 Glykolaldehyd, 228 Glykolsäure, 277 Glykolspaltung, 162, 228 Glykopeptide, 551 Glyoxal, 231 Glyoxylsäure, 280, 282 Gonan, 51 Goodyear, 75 Gramicidin, 453 Gram-negative Bakterien, 551 Gram-positive Bakterien, 551 Granatan, 494 Granatapfelbaum, 494 Grenzformeln, 93 Grenzorbitalmodell, 371 Grenzstrukturen, 15, 93, 334 Grignard-Reagenzien, 155, 256, 301, 304–306 Grignard-Reaktion, 127 Grignard-Verbindungen, 209, 226, 268, 525 Grippe, 552 Grundbaustein, 523 Grundzustand, 84 Gruppennomenklatur, 20 Guanidin, 326 Guanidinhydrochlorid, 326 Guanidinium-Kation, 326 Guanin, 471 Guanosin, 471 Gummi, 75, 540 Guttapercha, 75, 533
H H-Brückenbindungen, 269, 429, 473 Haaranalyse, 494 Halbacetal, 248, 249, 302, 418 Halbacetalstruktur, 426 Halbaminal, 250 Halbaminal-Salz, 305 Halbketal, 165 Halbsessel-Konformation, 48 halbsynthetische Antibiotika, 551
693 Halluzinationen, 195, 557 Halluzinogen, 195, 496, 500 Haloform-Reaktion, 235 Halogen-Verbindungen, 161 Halogenaldehyde, 234 Halogenalkane, 58, 170 Halogenaromaten, 124 Halogencarbene, 84 Halogencarbonsäuren, 278, 283 – Eigenschaften, 285 – Herstellung, 283 ’-Halogencarbonsäuren, 270, 283, 285, 286, 440 ’-Halogencarbonylverbindungen, 234 Halogenide – Darstellung, 604 ’-halogenierte Carbonsäureester, 264 ’-halogenierte Carbonsäuren, 318 ’-halogenierte Ester, 311, 312 halogenierte Kohlenwasserstoffe, 58 Halogenierung, 61, 78, 105, 117, 234, 337 ’-Halogenierung, 317 ’-Halogenketone, 235 Halogen-Metall-Austausch, 209 ’-Halogenverbindung, 235 Haloperidol, 557 Halothane, 128 Häm, 505 Hamilton-Operator, 4 Hammett-Beziehung, 34 Hammond-Prinzip, 32 Hämoglobin, 454, 506 Hangover, 558 Hantzsch-Widman-Patterson-System, 331 Hantzsch, Arthur, 343, 345 Harmin, 498 Harnsäure, 325 Harnstoff, 293, 322, 323, 562 – Synthese, 323, 325 – Verwendung, 324 Harnstoff-Formaldehyd-Harze, 326 harte Alkylierungsmittel, 314 harte Anionen, 140 harte Elektrophile, 140 harte Nucleophile, 140 Hauptfunktion, 18 Hauptquantenzahl n, 4, 5 Hautkrebs, 100 Haworth-Ringformel, 420 4-H-Chromen, 339 Heisenbergsche Unschärfebeziehung, 4 Heißphasenchlorierung, 56, 60 Heizöl, 43, 512
694 Helix, 325, 394, 430 Helix-Struktur, ’, 453 Hell-Volhard-Zelinsky-Reaktion, 284, 318, 440 Heparin, 434 Heptadecan, 40 Heptan, 40 Herbizide, 169, 323, 560, 561 Heroin, 502 Herpes, 552 herzaktive Steroide, 483, 489 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 555 Heteroaliphaten, 332 heteroaliphatische Verbindungen, 331 Heteroaromaten, 334, 340 Heteroaromatische Verbindungen, 331 Heteroatome, 331 Heterocyclen, 18, 123, 283, 467 heterocyclische Fünfringe, 343 heterocyclische Sechsringe, 345 heterocyclische Verbindungen, 86, 184, 231 Heteroglycane, 426 Heterokette, 523 Heterokumulene, 328 heterolytische Fragmentierung, 364 heterolytische Spaltung, 26 Hetero-Nucleophile, 246, 301 2,4-Hexadien, 372 Hexahelicen, 394 Hexahydropyrazin, 333 Hexahydropyridin, 333 Hexamethylendiamin, 184 Hexamethylentetramin, 253 Hexan, 40, 44 Hexaphenylethan, 55 Hexogen, 200 Hexosen, 417, 422 Hilfsbase, 338 Hilfssubstanz, 395 Hinsberg-Trennung, 194 Hippursäure, 263, 441 Hippursäure-Azlacton, 263, 441 Histone, 458 HIV, 552 HIV-Proteaseinhibitoren, 552 HMG-CoA-Reduktase, 555 höchste besetzte Molekülorbitale, 371 Hochtemperaturpyrolyse, 513 Hochverdünnungsprinzip, 367 Hock-Verfahren, 163 Hock‘sche Phenolsynthese, 105, 363 Hofmann-Abbau, 185, 186, 306 Hofmann-Eliminierung, 149, 185 Hofmann-Produkt, 149
Stichwortverzeichnis Hohlkörperblasen, 529 Holzgeist, 156 HOMO, 69, 371 Homoaldol-Reaktionen, 259 homogene asymmetrische Hydrierung, 400 Homoglycane, 426, 429 homologe Reihe, 39, 40, 63, 153 Homolyse, 57 homolytische Bindungsspaltung, 15 homolytische Spaltung, 26, 31, 362 homöopolare Bindung, 7 Homopolymere, 523 Hormon, 195, 416, 451 Hormone der Nebennierenrinde, 488 Horner-Wadsworth-Emmons-Reaktion, 66, 215, 257 Horror Trips, 500 Hostalen, 537 Hostalit, 537 Houben-Hoesch-Synthese, 227, 306 HSAB-Konzept, 140 Hückel-Regel, 94, 334, 336, 338 Hundsche Regel, 7, 8 Hunsdiecker-Reaktion, 129, 272 Hustendämpfer, 502 Hyaluronsäure, 434 Hybridisieren, 11 Hybridisierung, 14, 72 Hybridorbitale, 6, 14 Hydrat, 222, 236, 248, 321 Hydratanteil, 248 Hydratbildung, 248 Hydratisierung, 80, 155, 190 Hydrazobenzol, 199, 202 Hydrazone, 202 Hydrazoverbindungen, 202 – Herstellung, 202 – Reaktionen, 202 Hydrid, 123, 246 Hydrid-Ion, 247 Hydridtransfer, 189 Hydrierung, 364, 411, 441 Hydrierungsenthalpie, 68, 94 Hydrobenzamid, 253 Hydroborierung, 82, 211, 397 Hydroborierungs-Oxidations-Reaktion, 155 Hydrocarbazol-Alkaloide, 497 Hydrochinone, 224, 240, 241 Hydrochlorthiazid, 555 Hydrocrackung, 513 Hydroformylierung, 156, 517 Hydrolyse, 144, 155, 277, 289, 411, 441, 445 Hydrolyse von Peptiden, 444
Stichwortverzeichnis Hydroperoxid, 363 hydrophil, 45, 154 Hydrophilie, 154 hydrophob, 45, 154 Hydroxamsäuren, 193 “-Hydroxy-“-methyl-glutarsäure-CoA, 477 2-Hydroxy-1,2,3-pentantrisäure, 277 2-Hydroxy-2-phenylethansäure, 277 Hydroxyaceton, 229, 231 ’-Hydroxyaldehyde, 228 o-Hydroxybenzoesäure, 271, 277 2-Hydroxybutandisäure, 277 ’-Hydroxycarbonitrile, 254 Hydroxycarbonsäuren, 276, 286, 298 – Eigenschaften, 278 – Herstellung, 277 – Reaktionen, 278 ’-Hydroxycarbonsäuren, 232 ’-Hydroxycarbonylverbindungen, 228, 230 “-Hydroxycarbonylverbindungen, 230, 258 Hydroxydicarbonsäuren, 421 “-Hydroxyester, 277, 312 Hydroxyethansäure, 277 Hydroxyketon, 304 ’-Hydroxyketone, 228, 255 Hydroxylamine, 193, 198 Hydroxyl-Gruppe, 154 Hydroxylierung, 195 Hydroxyprolin, 437 2-Hydroxypropansäure, 277 Hydroxysäuren, 442, 453 “-Hydroxysäuren, 277 Hygrin, 492 Hyoscamin, 493 Hyperkonjugation, 15, 352 Hypertonie, 553 Hypnotika, 558 hypsochromer Effekt, 542
I I-Effekt, 29, 122 I-Effekt, 29, 110, 220, 270 CI-Effekt, 29, 109, 220, 271, 352 Ibuprofen, 556 Identifizierung von Carbonylverbindungen, 251 Iduronsäure, 432 Imatinib, 553 Imidazol, 335, 336, 341, 342 Imidazolidin, 333 Imide, 290 Imidoester, 307, 341
695 Imidokohlensäurediester, 328 Imin, 250, 252, 306, 307, 341, 440 Iminbildung, 255 Iminform, 347 Iminiumion, 252, 261, 440 Iminozucker, 495 Impotenz, 556 Indanthren, 545 Indanthren-Farbstoffe, 544 Indigo, 546, 548 Indikator, 547 Indinavir, 552 Indol, 335, 345, 347, 491, 497 Indol-Alkaloide, 496 Indolizidin, 491, 497 Indolizidin-Alkaloide, 495 Indolring, 347 Indol-Synthese, 347 induktive Effekte, 29, 109, 110 induktive Substituenteneffekte, 29 induzierter Dipol, 77 Infektionskrankheiten – Behandlung, 550 Influenza, 552 Inhalationsnarkotikum, 46 Inhibitoren, 58, 362 Initiatoren, 53, 362, 525 inneres Ionenpaar, 135 Insektizide, 214, 323, 560 Insertion, 526 Insulin, 177, 452 intermolekular, 26 intermolekulare H-Brückenbindungen, 454 internal conversion, 402 intersystem crossing, 403 intramolekular, 26, 79 intramolekulare Dimerisierung, 304 intramolekulare H-Brückenbindungen, 237, 453 intramolekularer Redoxvorgang, 232 Inulin, 433, 434 Inversion, 136, 286, 380, 396 Inversionszentrum, 384 Iodcarbonsäuren, ’, 285 Iodlactone, 79 Iodlactonisierung, 79 Iodmethan, 128 Iodmethylzinkiodid, 85 Iod-Stärke-Einschlussverbindung, 430 Iodverbindungen, 128, 130 Ionenaustauscher, 534 ionische Bindungen, 207 ionische Substanzen, 25
696 ipso-Substitutionen, 121 Ireland-Claisen-Umlagerung, 312 Isobutan, 40, 57 Isobuten, 525 Isobuttersäure, 270 Isobutylacetat, 292 Isobutylalkohol, 154 Isochinolin, 339, 491 Isochinolin-Alkaloide, 500 Isocyanat, 187, 322, 328 Isocyanid, 142 Isocyansäure, 324, 327 Isocyansäureester, 328 Isocyanursäure, 327 Isodialursäure, 325 isoelektrischer Punkt (I.P.), 438, 457 Isokette, 523 isolierte Doppelbindung, 67 Isomerase, 478 Isomerenbildung, 148 Isomerie, 22 Isomerisierung, 275, 513 Isonitril, 142, 300 Isonitril-Reaktion, 194 Isopentenyl-diphosphat, 478 Isopren, 73, 74 Isopren-Einheiten, 477 Isoprenoide, 74 Isopropanol, 303 Isopropylalkohol, 154, 246 Isopropylbenzol, 100, 105 Isothiocyansäureester, 330 Isotopen-markierte Verbindungen, 246 Isoxazole, 342, 344 IUPAC-Nomenklatur, 18
J Jablonski-Diagramm, 402 Jet Lag, 497 Johanniskraut, 557 Juvenilhormon, 562
K Kaffeebohnen, 503 Kaliumcyanat, 327 Kaliumpermanganat, 83, 228 Kaliumphthalimid, 440 Kältemittel, 128 Katalysator, 81, 117, 518 katalytische asymmetrische Synthese, 399 katalytische Dehydrierung, 64
Stichwortverzeichnis katalytische Hydrierung, 102, 171, 307, 447 katalytisches Cracken, 513 Kation, 26 Kationenaustauscher, 535 kationische Polymerisation, 524 Kautschuk, 75, 412, 479, 533, 536, 540 K2 Cr2 O7 , 222, 268 Keilschreibweise, 388 Kekulé-Formel, 341 Kekulé-Strukturen, 93 Kephalin, 463 ’-Keratin, 454 ’-Keratin-Typ, 458 Kermes, 548 Ketal-Bildungen, 358 Ketale, 248 Keten, 206, 297, 300, 308, 312, 317 Ketimin, 251 Ketoaldehyde, 231 ’-Ketoaldehyde, 224 “-Ketocarbonsäuren, 282 Keto-Enol-Gleichgewicht, 234 Keto-Enol-Tautomerie, 23, 81, 236, 245, 280 “-Ketoester, 302, 309, 314, 316, 345 Keton, 155, 216, 217, 220, 221, 248, 252, 301, 304–306 – Darstellung, 605 – Herstellung, 211 – Reaktionen, 210 Keton-Spaltung, 317 ’-Ketopropionsäure, 280 “-Ketosäure, 317 Ketosäuren, 277, 415 Ketosen, 417, 418 Ketoxim, 251, 294 Kettenabbruchsreaktionen, 55, 363 Kettenfortpflanzung, 363 Kettenlänge, 55 Kettenreaktionen, 55, 523 Kettenspaltung, 534 Kettenverlängerung, 608 Kiliani-Fischer-Synthese, 255, 425 kinetisch kontrollierte Reaktion, 116 kinetische Größe, 28, 140 kinetische Kontrolle, 68 kinetische Racematspaltung, 395 kinetisches Produkt, 149 KKK-Regel, 105 Kleeblatt, 474 Kleeblattstruktur, 475 klinische Phasen, 549 KMnO4 , 222, 228, 268 Knoevenagel-Kondensation, 345
Stichwortverzeichnis Knoevenagel-Reaktion, 263, 315 Knotenebene, 13, 70 Koffein, 558 Kohle, 515 Kohlehydrierung, 515 Kohlendioxid – Reaktionen, 210 Kohlenhydrate, 228, 249 Kohlenmonoxid-Vergiftung, 506 Kohlensäurederivate, 322 – Herstellung, 322 Kohlensäureester, 322 Kohlenstoff-Nucleophile, 254 Kohlenstoffverschiebungen, 379 Kohlenwasserstoffe, 37, 210 – aromatische, 37 – gesättige, 37 – normale, 39 – offenkettige, 37 – ringförmige, 37 – ungesättigte, 37 – unverzweigte, 39 Kohleveredelung, 515 Kokereiwasser, 516 Koksgewinnung, 516 Kolbe-Nitrilsynthese, 142, 300 Kolbe-Schmitt-Reaktion, 168, 268 Kolbe-Synthese, 44, 54 Kollagen, 454 Kollagen-Typ, 458 kolligativ, 530 Komplementärfarbe, 541, 542 -Komplex, 78, 107, 357, 360, 518 ¢-Komplex, 107, 109, 111, 112 komplexe Hydride, 302 komplexe Lipide, 462 Kondensationsreaktionen, 411 kondensierte Aromaten, 100, 103, 113 kondensierte Ringe, 96 kondensierte Ringsysteme, 46, 50 Konfigurationsformel, 22 Konfigurationsisomere, 23 Konformation, 41, 47 Konformationsformel, 22, 421 Konformationsisomere, 25, 149 Konformationsspannung, 47 Konformere, 41 Königinnensubstanz, 563 Konjugation, 16, 236 Konjugationseffekte, 31 konjugierte Base, 145 konjugierte Diene, 78, 150 konjugierte Doppelbindung, 67
697 konjugiertes System, 259 Konrotation, 370 konrotatorische Drehung, 370, 371 Konstitutionsformel, 21 Konstitutionsisomere, 23, 381 Konstitutionsisomerie, 63 Kontaktgift, 225 Kontakt-Ionenpaar, 135 kontrazeptive Steroide, 488 kooperative Effekte, 111 Koordinationskatalysator, 526 koordinative Polymerisation, 526 Kopf-Schwanz-Verknüpfung, 477 Koprostan, 51 kovalente Bindung, 7, 10 Krapp, 548 Krapplacke, 243 Krappwurzel, 243 Kreatin, 326 Kreatinin, 326 Krebserkrankungen, 553 Kronenether, 365, 366 Krötengift, 489, 497 Kryptanden, 365, 368 Kryptate, 368 Kühlmittel, 129 Kultdroge, 195 Kumulene, 67 kumulierte Doppelbindung, 67, 75, 328 künstliche Ernährung, 437 Kunststoffe, 128, 275, 328 Küpenfarbstoff, 544, 546 Kupfer(II)-tartrat-Lösung, 239 Kupferkunstseide, 540 Kupfer-Verbindungen, 226 Kupplung mit aromatischen Aminen, 201 Kupplung mit Phenolen, 200 Kupplungsreaktionen, 609
L “-Lactam-Antibiotika, 550 Lactame, 442 Lactam-Gruppe, 325 Lactam-Lactim-Tautomerie, 325 Lactide, 279 Lactitol, 410 Lactol, 418 Lacton, 277, 279, 298, 425 – Reaktionen, 298 ’-Lacton, 138, 278, 298, 442 •-Lacton, 279 Lactose, 422, 428
698 Ladungsdichte, 334 Lähmung, 492 Lamellen, 462 Lanosterin, 91, 484 Latex, 75, 502 Laurinsäure, 461 LCAO-Methode, 8 LDA, 260, 308, 311, 312 LDH, 388 lebende Polymere, 525 Lebensdauer, 403 Lecithin, 460, 463 Lemieux-Oxidation, 228 Leuchtkäfer, 404 Leuckart-Wallach, 188 Leukämie, 553 Levitra, 556 Lewis, Gilbert Newton, 28 Lewis-Basen, 28 Lewis-Säure, 28, 81, 82, 115, 118, 119, 302, 305 LiAlH4 , 225, 246, 306, 307, siehe auch Lithiumaluminiumhydrid Lignin, 432 Liliengewächse, 500 Lindan, 561 Lindlar-Katalysator, 65 lineare freie Energiebeziehung, 35 lineare Polymere, 531 Linksschraube, 394 Linolensäure, 270, 461 Linoleum, 540 Linolsäure, 270, 461 Lipasen, 396 Lipid-Doppelschicht, 464 lipophil, 45 lipophile Lösemittel, 154 lipophiler Rest, 154 Lipoproteide, 458 Lisinopril, 554 Lithiumaluminiumhydrid, 199, 246, 272, 302, siehe auch LiAlH4 Lithiumborhydrid, 302 Lithiumdiisopropylamid, 260, 308 L-Konfiguration, 435 Lobelin, 492 Lophophorin, 501 Lösemittel, 34, 46, 101, 104, 128, 171, 179, 199, 291, 352 Lösemitteleffekte, 141 Lösemittel-Einflüsse, 33 Lösemittelpolarität, 141 Lossen-Abbau, 186
Stichwortverzeichnis L-Reihe, 418 LSD, 195, 499, 500 Lucas-Test, 140 Luftsauerstoff, 363 Luminol, 404 LUMO, 69, 371 Lupinin, 496 Lupolen, 537 Lutein, 481 Lycopsamin, 495 Lysergsäureamide, 499 Lysergsäure-N,N-diethylamid, 499 Lysin, 439
M M-Effekt, 30 M-Effekt, 30, 110, 122 CM-Effekt, 30, 110, 162, 190, 220 macrocyclische Ether, 366 macrocyclische Ketone, 311 Magic Mushroom, 497 magnetische Quantenzahl, 4 Ma-Huang-Droge, 195 Makrolidantibiotika, 551 Makrolon, 538 Makromoleküle, 412, 523 Makropeptide, 453 Malaprade, Leon, 162 Malaria-Therapie, 502 Maleinsäure, 273, 274 Maleinsäureanhydrid, 274, 292, 374 Malonester, 264, 265 Malonester-Synthese, 269, 314, 609 Malonsäure, 273, 274 Malonsäurediethylester, 292 Malonsäureester, 90, 313 Maltase, 156 Maltitol, 410 Maltose (Malzzucker), 156, 422, 426–428 Mandelsäure, 277 Mannan, 434 Mannich-Basen, 261 Mannich-Reaktion, 261 D-Mannit, 422 Mannitol, 410 männliche Sexual-Hormone, 486 Mannose, 422 Mannosidasen, 495 Markownikow-Regel, 79, 80 Markownikow, Wladimir, 155 Massenwirkungsgesetz, 295 Matrizen-RNA, 474
Stichwortverzeichnis MCPBA, 83 SN 2-Mechanismus, 136, 286, 314 Medikamente, 496, 549 Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion, 246 Mehrfachalkylierung, 118, 185 Mehrfachbindungen, 12, 13, 358 Mehrfachsubstitution, 108 Mehrkomponentenreaktion, 345 mehrwertige Alkohole, 153, 157 mehrwertige Phenole, 163 Mehrzentrenbindungen, 93 Melamin, 328 Melamin-Harze, 328 Melatonin, 497 Menthon, 242 Mercaptane, 175 Mercaptid, 175, 176, 208, 254 Mercuriniumion, 81 mercurium captans, 175 Merrifield-Synthese, 450, 534 Merrifield, Robert Bruce, 450 Mescalin, 195, 198, 503 Mesityloxid, 259 meso-Formen, 393 meso-Weinsäure, 383, 393 mesomere Effekte, 30, 54, 110, 111, 352, 353 mesomere Grenzformeln, 197, 337 mesomere Grenzstruktur, 14, 55, 103, 113, 252, 338 mesomerer Zwischenzustand, 14 Mesomerie, 13–15, 94, 313, 444 Mesomerie-Effekte, 67 mesomeriestabilisierte Carbeniumionen, 352 Mesomeriestabilisierung, 78, 94, 269, 324 meso-Trick, 400 messenger RNA, 474 Mesylchlorid, 181 Mesyl-Gruppe, 181 meta, 97 Metabolite, 415 Metaldehyd, 250 Metall-Metall-Austausch, 209 Metallhydride, 246 Metallkomplexfarbstoffe, 545 Metalloproteide, 458 metallorganische Verbindung, 207, 226, 312, 353 metallorganisches Reagenz, 85 Metathese, 527 Methan, 10, 39, 40, 44, 515 Methanal, 237 Methanol, 154, 156 Methanol-Synthese, 514, 516
699 Methansulfonylchlorid, 181 Methinbrücken, 505 Methionin, 181 N -Methyanilin, 184 2-Methyl-1,3-butadien, 74 2-Methyl-1-propanol, 154 2-Methyl-2-propanol, 154 Methylalkohol, 154 Methylamin, 184 Methylbromid, 128 Methyl-tert.-butylether, 518 Methylchlorid, 128 Methylcyanid, 293 Methylen, 84 Methylenblau, 546 Methylenchlorid, 58, 128, 129 Methylengruppe, 215 Methylenkomponent, 258, 260, 265 Methylester, 205, 297, 447 Methylethylketon, 237 N-Methylformanilid, 120, 227 Methylglucosid, 424 Methylglyoxal, 231 Methylierungsmittel, 128, 205 Methyliodid, 128 Methylketone, 224 Methyllithium, 209 Methylphenylketon, 237 Methylpurinnucleosid, 475 N-Methylpyrrolidon, 343 Methylvinylketon, 74 Metoprolol, 554 Mevalonsäure, 477 Micellen, 462, 464, 559 Micellen-Bildung, 559 Michael-Addition, 90, 216, 233, 315, 343, 357 Michael-Reaktion, 234, 264, 265, 345 Michaelis-Arbuzov-Reaktion, 214, 215 Mifegyne, 488 Milchsäure, 24, 137, 277, 280, 282, 387 Milchzucker, 426, 428 Mineralcorticosteroide, 488 Mitose, 553 mittlere Molekülmasse, 529 Moffat-Swern-Oxidation, 223 Mohngewächse, 500 Molekülchiralität, 383 Molekülmassen-Verteilung, 529 Molekülorbital, 8 Molekülorbitaltheorie, 8, 95 Molluskizide, 560 Moltopren, 539 MO-Modell, 338
700 Monobrombernsteinsäure, 274 Monochloressigsäure, 271 monocyclische Monoterpene, 479 Monomere, 412, 523 monomolekular, 144 monomolekulare Eliminierung, 359 monomolekulare nucleophile Substitution, 133, 360 – am Aromaten, 121 Monosaccharide, 417, 467 – Abbau, 425 monotaktische Polymere, 533 Monoterpene, 477 Monuron, 562 Morin, 508 Morphin, 493, 501 Morphinan-Alkaloide, 501 Morphinane, 500 Morpholin, 333 MO-Theorie, 8, 69, 95 mRNA, 474 Mucoproteide, 458 Multiplizität, 401 Murein, 434 Muscarufin, 243 Muscon, 242 Mutarotation, 419 Mutterkorn, 499 Mutterkorn-Alkaloide, 499 Mycomycin, 75 Mycosterine, 485 Myristinsäure, 461
N n ! ¢*-Übergang, 542 NaBH4 , 246 Nachbargruppeneffekt, 137, 278, 286 Nachtschattengewächse, 493 Nachweis, 324 NAD, 467 NADC , 413, 414 NADH, 387, 414 NADP, 467 NADPC , 413, 414 NADPH, 414 Nahrungskette, 560 Naphtha, 512 Naphthalin, 99, 100, 103, 113, 115, 116, 275 naphthenisches Rohöl, 511 1,4-Naphthochinon, 87 Narkosemittel, 128 Narkotika, 492, 558
Stichwortverzeichnis Natrium in flüssigem Ammoniak, 65 Natriumalkoholate, 170 Natriumamalgam, 425 Natriumamid, 123, 124, 256 Natriumborhydrid, 246, 302 Natriumcyanoborhydrid, 188 Natriumformiat, 273 Natriumhydrogensulfit, 254 Natriumhypobromit, 187 Natriumperiodat, 280 Natriumphenolat, 168 Naturstoffe, 549 NBS, 61, 300 NCS, 61 Nebennierenmark, 195 Nebennierenrinden-Hormone, 486 Nebenquantenzahl `, 4 Nebenreaktionen, 147 Necine, 495 Nef -Reaktion, 197 Nematizide, 560 Neopentylalkohol, 136 Nernstsche Gleichung, 240 Nervengifte, 561 Neuramidase-Inhibitoren, 552 Neurin, 196 Neuroleptika, 557 Neuropeptide, 451 Neurotransmitter, 195, 196, 437, 557 neutrale Aminosäuren, 436 Neutralfette, 462 Newman-Projektion, 42, 48 nicht-aromatische Verbindung, 68 nichtbindendes Energieniveau, 401 Nichterhaltung der Orbital-Symmetrie, 370 nichtreduzierende Zucker, 426, 427 nicht-stabilisierte Ylide, 215 Nicotin, 493 Nicotinamid, 414 Nicotinamid-adenin-dinucleotid, 413 Nicotinamid-adenin-dinucleotid-phosphat, 413 Nicotinsäure, 339 Nicotinsäureamid, 413 Niedere Organismen, 453 niedrigste unbesetzte Molekülorbitale, 371 Nierensteine, 273 Nifedipin, 555 Nikotin, 564 Ninhydrin, 248 Nitriersäure, 114 Nitrierung, 114, 167, 196, 337 Nitrierungsmittel, 115 Nitrierungspotential, 115
Stichwortverzeichnis Nitril, 142, 227, 268, 300 Nitrile – Darstellung, 607 – Reaktionen, 211, 306 Nitriloxide, 344 Nitroaldolreaktion, 198 Nitrochlorbenzol, 122 Nitroglycerin, 196, 199 Nitroguanidin, 200 Nitromethan, 90, 196, 198 p-Nitrophenylester, 449 Nitrosamine, 192 Nitrosierung, 192 Nitrosobenzol, 198 Nitrosoverbindungen, 193 Nitrotoluol, 115 Nitroverbindungen, 114, 186, 193, 196 – Darstellung, 607 – Verwendung, 199 Nitrylkation, 115 no-bond-Resonanz, 352 Nobel, Alfred, 589 Nobelpreis, 589 Nomenklatur, 18, 40 Nonan, 40 Noradrenalin, 195, 554, 557 Normalpotential, 240 Nucleinsäuren, 412, 471 nucleofug, 365 nucleofuge Gruppe, 133, 365 Nucleophil, 26, 28, 31, 77, 245, 289 nucleophile Addition, 89, 357 nucleophile Aromatensubstitution, 121, 165, 185 nucleophile Epoxidierung, 89 nucleophile Polymerisation, 524, 525 nucleophile Substitution, 127, 170, 360 nucleophile Substitutionsreaktionen, 286, 340 N-Nucleophile, 250 O-Nucleophile, 248 S-Nucleophile, 253 nucleophiles Zentrum, 219 Nucleophilie, 140 Nucleoproteide, 458 Nucleoproteine, 472 Nucleosid, 467, 470, 552 Nucleosidmonophosphate, 470 Nucleosidphosphate, 467 Nucleotide, 470 Nucleotidsequenz, 474 Nylon, 538
701 O Octan, 40 Octapeptid, 452 Ocytocin, 451 offenkettige Ether, 170 offenkettige Monoterpene, 479 Oktettregel, 11 Öle, 461 Olefine, 63 Oleum, 115 Oligomere, 91 Oligomerisierungen, 91 Oligopeptide, 453 Oligosaccharide, 417, 429 Ölsäure, 270, 461 Onium-Ionen, 386 Onsäurenitril, 425 Opiat-Rezeptoren, 451 Opioid-Rezeptor, 493 Opium, 502 Opium-Alkaloid, 501 Oppenauer-Oxidation, 247 Opsin, 404 optische Aktivität, 24, 285, 382 optische Antipoden, 381 optische Aufheller, 542 optische Induktion, 398 optische Reinheit, 383 Orbital-Symmetrie, 370 Organometall-Verbindungen, 127 Organosilicium-Verbindungen, 212 Orlon, 537 ortho, 97 Orthocarbonsäurechloride, 291 Orthoester, 249, 291 orthogonale Schutzgruppen, 447 Orthosäuren, 291 Osazone, 424 Oseltamivir, 552 Osmiumtetroxid, 83, 228 OsO4 , 228 Östran, 487 Östrogene, 486 Ovizide, 560 Oxalatsteine, 273 Oxalessigsäure, 281 Oxalsäure, 273 Oxalylchlorid, 223, 292 Oxaphosphetan, 256 Oxeniumion, 165 Oxidation, 177, 193, 268, 280, 306, 411, 421 Oxidation aktivierter C-H-Bindungen, 224 Oxidation von Alkoholen, 222
702 Oxidationsreaktionen, 162, 239, 613 oxidative Spaltungsreaktionen, 228 Oxim-Amid-Umlagerung, 294 Oxime, 193, 300 Oxiran, 83, 170, 172, 333 2-Oxo-4,5-dihydropyrazole, 340 Oxo-Synthese, 514, 516, 517 “-Oxocarbonsäureester, 309 Oxocarbonsäuren, 276, 280 2-Oxocarbonsäuren, 282 3-Oxocarbonsäuren, 151, 282 Oxolan, 333 Oxoniumion, 138 2-Oxopropansäure, 280 Oxosäure – Reaktionen, 282 ’-Oxosäuren, 282 Oxyhämoglobin, 506 Oxyluciferin, 404 Oxymercurierung, 82 Ozon, 53, 85, 228 Ozonide, 85 Ozonolyse, 85, 228, 234 Ozonschicht, 129
P p -d -Bindung, 179 Paal-Knorr-Synthese, 343 Paclitaxel, 553 Palmitinsäure, 270, 461 Palmitoleinsäure, 461 PAN, 537 Pantothensäure, 413 Papain, 444 Papaverin, 501 para, 97 Paraffine, 45 paraffinisches Rohöl, 511 Paraformaldehyd, 250 Paraldehyd, 250 paramagnetisch, 32 Parathion, 214 Parfüme, 477 Parfümerie, 242 Parfümindustrie, 311 Parkinsonsche Krankheit, 195 Partialladung, 26 partielle Hydrierung, 65 partielle Reduktion, 65 partieller Doppelbindungscharakter, 444 Pasteur, Louis, 395 Pauling, Linus, 11, 589
Stichwortverzeichnis Pauli-Prinzip, 7, 8 Pauli-Verbot, 7 PCC, 223 PDE-5, 556 Pectine, 433 Pektinsäure, 434 Pelargonidinchlorid, 507 Penicilline, 550 Pentaerythrit, 260 Pentaerythrit-tetranitrat, 200 Pentafluorphenylester, 449 Pentan, 40, 44 Pentandion, 2,4-, 237 Pentapeptide, 451 Pentosen, 417, 422 Peptid-Alkaloide, 503 Peptid-Bindung, 443 Peptide, 122, 177, 412, 443 Peptidhormone, 452 Peptidketten, 452 Peptidknüpfung, 448 Peptidoglycane, 433 Peptid-Rost, 454 Peptid-Synthesen, 446 Peptolide, 453 pericyclische Reaktionen, 77, 369 Periodsäure, 162 Perkin-Reaktion, 262 Perkin-Synthese, 318 Perlon, 294, 538 Peroxid-Effekt, 90 Peroxyradikal, 363 Persäuren, 83, 170 persistente Radikale, 55 Persistenz, 356, 560 Peterson-Olefinierung, 213 Peterson-Synthese, 216 Peyotl-Kaktus, 195, 501 Pfeffer, 492 Pfeilgiftfrosch, 493 Pflanzenschutz, 564 Pfropf-Copolymere, 532 Pfropfpolymere, 534 Phalloidin, 453 Phase I, 549 Phase II, 549 Phase III, 549 Phase IV, 549 Phasentransfer-Katalyse, 365 Phasentransferkatalysator, 366 Phenanthren, 51, 104, 114 Phenazin-Farbstoffe, 546
Stichwortverzeichnis Phenol, 66, 99, 105, 115, 117, 124, 158, 163, 166, 274 – Darstellung, 603 – einwertige, 163 Phenolaldehyde, 168 Phenolat, 166, 268 Phenolat-Anion, 159, 166 Phenolcarbonsäuren, 168 Phenolderivate, 227 Phenolether, 120 Phenol-Formaldehyd-Harze, 527, 536 Phenolphthalein, 547 Phenolverkochung, 204 Phenothiazin-Farbstoffe, 546 Phenoxazin-Farbstoffe, 546 Phenoxy-Säuren, 562 Phenylalanin, 500 Phenylethylamin, 500, 503 “-Phenylethylamin, 169, 184, 195, 558 Phenylhydrazin, 202, 347 Phenylhydrazon, 347 Phenylhydroxylamin, 198 Phenylisothiocyanat, 446 Phenyllithium, 209 Phenylradikal, 53 Phenylthiohydantoin, 446 Pheromone, 416, 563 Pheromonfallen, 564 Pheromonkomplexe, 563 Phosgen, 292, 322 Phosphatide, 196, 460 Phosphatidsäure, 460 Phosphodiesterase-5, 556 Phosphoglyceride, 462 Phospholipide, 196, 416, 462 Phosphonium-Salze, 365 Phosphonsäureester, 215, 257 Phosphoproteide, 458 Phosphoreszenz, 403 Phosphorhalogenide, 129, 293 Phosphoroxychlorid, 120 Phosphorsäure, 467 Phosphorsäureanhydridbindungen, 467 Phosphorsäureester, 561 Phosphor-Ylide, 208, 215, 256 photochemische Cyclisierung, 371 photochemische Reaktionen, 404 photochemische Spaltung, 53 Photochlorierung, 58, 59 Photodimerisierung, 375 Photolyse, 356 Photooxidation, 355 Photosensibilisatoren, 402
703 Photosynthese, 415 Phthalimid, 185, 290, 300 Phthalocyanine, 507 Phthalsäure, 273, 275 Phthalsäureanhydrid, 275, 290, 292 Phthalsäuredibutylester„ 292 pH-Wert, 271 Phytol, 506 Phytopharmaka, 557 Phytosterine, 485 pig liver esterase, 400 Pigmente, 541 Pikrinsäure, 115, 166 Pinakol, 238 Pinakol-Kupplung, 238 Pinakol-Pinakolon-Umlagerung, 161 Pinner-Reaktion, 341 Piperazin, 333 Piperidin, 333, 491 Piperidin-Alkaloide, 492 Pitzer-Spannung, 47 pKB -Wert, 190 pK s -Wert, 27, 190, 233, 257, 260, 270, 308, 313, 438 Placebo, 549 Placeboeffekt, 549 Plancksches Wirkungsquantum, 32 Plexiglas, 537 Plumeran-Alkaloide, 497 POCl3 , 227 polar-protisch, 34 Polardiagramme, 5 polare Lösemittel, 141 Polarimeter, 382 Polarisationsebene, 391 Polarisationseffekte, 29 Polarisierbarkeit, 127 polarisierte Atombindung, 28 polarisiertes Licht, 24, 382 Polarisierung, 78, 118, 133 Polarität, 127, 219 Polyacrylnitril, 66, 537 Polyaddition, 524, 527 Polyaddukte, 539 Polyalkohole, 417, 422 Polyamid, 412, 538 Polyamid-6,6, 538 Polybutadien, 526, 537 Polycaprolactam, 294 Polycarbonate, 538 polycyclische Kohlenwasserstoffe, 18 Polyelektrolyte, 535 Polyenantibiotika, 75
704 Polyene, 67 Polyester, 412, 471, 538 Polyesterfaser, 275 Polyethylen, 66, 412, 526, 535, 537 Polyformaldehyd, 412 Polyinsertion, 524, 526 Polyisopren, 479, 526 Polyketidantibiotika, 551 Polykondensate, 538 Polykondensation, 250, 426, 524, 526 polymeranaloge Reaktionen, 534 Polymere, 91, 412, 523 – Reaktionen, 534 Polymerisation, 73, 91, 250, 336, 523, 524 Polymerisationsgrad, 529 Polymerisationsreaktionen, 412 Polymerisationswärme, 528 Polymethyl-methacrylat, 537 Polymyxine, 551 Polynucleotid, 468, 471 Polypeptidantibiotika, 551 Polypeptide, 435, 443, 453 Polypropylen, 66, 526, 535, 537 Polyreaktionen, 523 Polysaccharide, 412, 417, 429 Polysiloxane, 538 Polystyrol, 537 Polystyrol-Harz, 450 Polytetrafluorethylen, 537 Polythiazid, 555 Polyurethane, 539 Polyurethan-Schaumstoffe, 539 Polyvinylacetat, 537 Polyvinylalkohol, 534 Polyvinylchlorid, 537 p-Orbital, 5, 335 Porphin, 505 Porphinfarbstoffe, 505 Porphyrin, 505 ’-Position, 301 posttranslationale Modifizierung, 437 potentielle Energie, 43 Potenzmittel, 556 Precocen, 562 Prednisolon, 556 Prileschajew-Reaktion, 170 Prileschajew-Oxidation, 83 Primäraddukt, 251 primäre aliphatische Amine, 191 primäre Amine, 183, 194, 250, 307 primäre aromatische Amine, 191 primärer Alkohol, 82, 153, 155, 305 primäres C-Atom, 41
Stichwortverzeichnis Primärozonid, 86 Primärstruktur, 444, 453, 473, 475 Priorität, 18, 389 prochiral, 386 prochirales C-Atom, 387 prochirales Zentrum, 386 Prochiralität, 386 Produkt, 149 Progesteron, 486, 487 Projektionsformeln nach Fischer, 388 Prolin, 334 Promotionsenergie, 10 Promovierungsenergie, 10 Propadien, 67 Propan, 40, 44, 515 Propanal, 237 Propanol, 66 1-Propanol, 154, 156 2-Propanol, 154, 156 Propanon, 237 Propantriol, 1,2,3-, 154 Propargylalkohol, 156, 256 Propen, 60, 66, 157, 522 2-Propen-1-ol, 154 Propenal, 237 2-Propin-1-ol, 256 Propionaldehyd, 237 Propionsäure, 270 n-Propylalkohol, 154 Propylmercaptan, 176 Prostaglandine, 556 prosthetische Gruppen, 412 Proteide, 457 Proteinbiosynthese, 437 Proteine, 122, 177, 412, 453, 456 Proteinkinase-Inhibitor, 553 proteinogene Aminosäuren, 435 Proteinsynthese, 551 Proteoglycane, 432, 433 proteolytische Enzyme, 444 protische Lösemittel, 141, 238, 303, 314 Protonen-Akzeptor, 158 Protonen-Donor, 158 Protonenisomere, 23 protonierte Imine, 188 Provitamin A, 481 Provitamin D, 485 Pseudouridin, 475 Pseuodopelletierin, 494 Psilocin, 497 Psilocybin, 497 psychische Effekte, 549 psychische Störungen, 557
Stichwortverzeichnis Psychopharmaka, 556 Psychotherapie, 500 Psychotonika, 558 Pteridin, 505 Puffereigenschaften, 438 Pufferwirkung, 457 Pumiliotoxine, 495 Purin, 326, 339, 468, 470 Purin-Alkaloide, 503 Purin-Basen, 470 Purpur, 548 PVC, 128, 535 Pyrane, 332 Pyranose, 421 Pyrazol, 335, 336, 342 Pyrazolin, 86 Pyrazolone, 340 Pyren, 100 Pyrethrum, 564 Pyridin, 99, 123, 191, 315, 338, 343, 345, 491 Pyridin als Base, 138 Pyridin-Alkaloide, 493 Pyridinium-Salze, 338 Pyridiniumchlorochromat, 223 Pyridin-Synthese, 345 Pyridoxalphosphat, 413 Pyridoxin, 339, 413 Pyrimidin, 339, 342, 470 Pyrimidin-Basen, 470 Pyrimidinnucleosid, 475 Pyrimidone, 342 Pyrogallol, 169 Pyrolyse, 60, 151, 280, 304 Pyrophosphat-Bindung, 468 Pyrophosphate, 468 Pyrophosphorsäure, 414 Pyrrol, 191, 334–336, 491 Pyrrolidin, 232, 333, 491 Pyrrolidin-Alkaloide, 492 Pyrrolizidin, 491 Pyrrolizidin-Alkaloide, 495 Pyruvat, 282, 415 Pyruvat-Dehydrogenase, 282
Q Quantenausbeute, 404 quartäre Ammonium-Salze, 196, 365 quartäre Ammonium-Verbindungen, 183 quartäre Phosphoniumhalogenide, 214, 256 quartäres C-Atom, 41 quartäres Phosphoniumsalz, 366 Quartärstruktur, 454
705 Quecksilber-organische Verbindungen, 218 Quecksilbersalze, 81, 254 Quercitin, 508
R Racemat, 134, 285 Racematspaltung, 394 Racematspaltung über Diastereomere, 395 racemisches Gemisch, 134 Racemisierung, 134, 396 Radikal, 26, 39, 44, 403 Radikalanion, 102, 303 Radikalbildner, 362 Radikale, 15, 26, 31, 53, 129, 351, 356, 362 Radikalfänger, 58, 362 radikalische Addition, 90, 358 radikalische Chlorierung, 56 radikalische Oxidation, 171 radikalische Polymerisation, 524, 525 radikalische Substitution, 362 radikalische Substitutionsreaktion, 129, 204 radikalische Zwischenstufen, 84 Radikalketten, 58 Radikalreaktionen, 55, 362 Radikalrekombinationen, 58 Rauschmittel, 494 Re-Seite, 387 REACH-Verordnung, 566, 568, 577 Reaktionskette, 55 Reaktionsprofil, 134 reaktive Zwischenstufen, 351 Reaktivfarbstoffe, 544 Reaktivität, 127 Reaktivitätsumpolungen, 208 Rearomatisierung, 347 rechtsgängige Helix, 454 Rechtsschraube, 394 Redoxpotential, 241 Redoxprozesse, 356 Redoxreaktion, 54, 237, 247, 364 Reduktion, 155, 186, 272 Reduktion der Diazoniumsalze, 205 Reduktion von Carbonsäurederivaten, 225 Reduktion zu Alkoholen, 237 Reduktionen, 302, 305–307, 411, 421 Reduktionen von Nitroverbindungen, 198 Reduktionsmittel, 615 Reduktionsreaktionen, 613 reduktive Alkylierung, 188 reduktive Aminierung, 188, 250 reduktive Dimerisierung, 229 Reduplication, 472
706 reduzierende Zucker, 426, 428 Reed, C.F., 59 Reformatsky-Reaktion, 217, 312 Reforming-Verfahren, 513 Regel des doppelten Austauschs, 388, 391 Regioisomere, 147, 149 regioselektiv, 56 regioselektive Reaktion, 397 Regioselektivität, 56, 88 Regosterol, 485 Reimer-Tiemann-Synthese, 168 Reimer-Tiemann-Reaktion, 227 Rekombination, 356, 363 Renin, 554 Repellents, 560 Replication, 472 Reppe-Chemie, 73, 256 Reppe-Verfahren, 156 Reserpin, 498 Reserveantibiotika, 550 Reservekohlenhydrate, 430 Resistenzen, 550 Resonanz, 14, 94 Resonanzeffekte, 110 Resonanzenergie, 94, 335, 337 Resonanzhybrid, 14 Resonanzstabilisierung, 191 Resonanzstrukturformeln, 337, 338 Resopal, 536 Retention, 137, 380, 396 Reticulin, 501 Retinal, 75, 404 Retinol, 75 Retro-Aldolreaktion, 259 Retro-Diels-Alder-Reaktion, 88, 374 Retronecanol, 495 Retronecin, 495 Retrosynthese, 341 Retrosynthese-Pfeile, 341 reversibel, 118 reversible Reaktion, 116, 161 Reyon, 540 Rhodanide, 330 Rhodopsin, 75 Riboflavin, 413 Ribonukleinsäure, 472 Ribose, 422, 470 D-Ribose, 467 Ribose-Einheiten, 414 Ribosom, 474, 551 ribosomale Proteinbiosynthese, 453 ribosomale RNA, 474 Ribulose, 418
Stichwortverzeichnis Riechstoffindustrie, 477 Riley-Reaktion, 224 Ringbildung, 371 Ringgröße, 331 Ringöffnung, 46, 172, 371 Ringschlüsse, 609 Ringschlussreaktion, 52 Ringspannung, 46, 97 Ritter-Reaktion, 307 RNA, 468, 470, 472 Robinson-Anellierung, 265 Rodentizide, 560 Rohbenzin, 512 Rohrzucker, 426, 427 Rosenmund-Reduktion, 225, 305 Rotation, 41 Rotenoide, 564 rRNA, 474 R,S-Nomenklatur, 389 RU 486, 488 Rückgrat, 444 Ruggli-Zieglersches-Verdünnungsprinzip, 298
S SE;Ar , 107 Saccharose, 410, 422, 427 Safran, 548 Sägebock-Projektion, 42, 146 Salicylaldehyd, 168 Salicylsäure, 168, 268, 270, 271, 277 salpetrige Säure, 191 Salzbildung, 305, 543 Salze von Carbonsäuren, 44 Sandmeyer-Reaktion, 54, 204 Sanger, Frederick, 445, 589 Sanger-Reagenz, 122 Sapogenine, 481, 489 Saponine, 489 Sarin, 196 Sättigungsgrad, 331 Sauerstoff-Brücke, 170 saure Hydrolyse, 445 Säureamid-Bindung, 443 Säureamide – Darstellung, 607 Säureanhydriden – Darstellung, 606 Säure-Base-Theorie, 28 Säurechloride, 205, 226, 293, 314, 322 – Darstellung, 606 Säurefarbstoffe, 543 Säurehalogenide, 119, 220
Stichwortverzeichnis Säurekatalyse, 245 säurekatalysierte Aldol-Reaktionen, 261 Säurekonstante Ks , 27 Säure-Spaltung, 316 Säurestärke, 27, 270 Saytzeff -Eliminierung, 149 Saytzeff -Produkt, 149 Schädlingsbekämpfungsmittel, 493 Scheffer-Weitz-Epoxidierung, 89 Schierling, 492 Schierlingsbecher, 492 Schießbaumwolle, 200 Schiff’sche Base, 250 Schlafmittel, 234, 325, 558 Schlafmohn, 501 Schlauchpilz, 499 Schmerzstiller, 502 Schmidt-Reaktion, 187, 188 Schotten-Baumann-Reaktion, 167 Schrödinger-Gleichung, 4 Schutzgruppe, 118, 213, 249, 446 N-Schutzgruppen, 322 Schwangerschaftshormone, 487 Schwefel-Farbstoffe, 545 Schwefeldioxid, 59 Schwefelkohlenstoff, 329 Schwefelsäureester, 81, 175 Schwefelschwarz, 546 Schweineleberesterase, 400 Schwermetall-acetylide, 72 Scopolamin, 493 sechsgliedrige Heterocyclen, 338 sechsgliedrige Ringe, 338 Sedativa, 492, 558 Sedoheptulose, 418 Sehfarbstoff, 75 Sehprozess, 75 Sehvorgang, 404 Seifen, 460 sekundäre Alkohole, 153, 155 sekundäre Amide, 226 sekundäre Amine, 183, 192, 194, 251 sekundäre Geschlechtsorgane, 487 sekundäre Orbitalwechselwirkung, 88, 375 sekundäres Amin, 261 sekundäres C-Atom, 41 Sekundärozonid, 86 Sekundärstruktur, 453, 473, 475 Selektivität, 56 Selektivitäts-bestimmender Schritt, 57 Selendioxid, 155, 224, 231 Semicarbazid, 326, 327 Semicarbazone, 327
707 Semichinone, 241 Senföle, 330 Senicionin, 495 Sensibilisatoren, 355 sequentielle Reaktionen, 92 Sequenz, 444 Sequenzanalyse, 122 Sequenzanalyse nach Edman, 446 Sequenzisomere, 443 Serotonin, 497, 557 Sesquiterpen, 91, 477, 480 Sesselkonformation, 47, 421 Seveso-Unfall, 101 Sextett-Umlagerung, 364 Sexualhormone, 483, 486 Sexuallockstoffe, 563 Sharpless, Barry, 589 Si-Seite, 387 sigmatrope Reaktionen, 377 [1,j]-sigmatrope Reaktionen, 378 [3,3]-sigmatrope Umlagerung, 173, 312 [5,5]-sigmatroper suprafacialer Prozess, 202 Silberspiegel-Prüfung, 239 Sildenafil, 556 Silicone, 538 Siliconharze, 212 Siliconkautschuk, 212 Siliconöle, 212 Silylester, 312 Silylketenacetal, 312 Simmons-Smith-Reaktion, 84, 217 Simvastatin, 555 Singulett-Carben, 84, 354 Singulett-Grundzustand, 401 Singulett-Methylen, 354 Singulett-Sauerstoff, 355 Skelettisomere, 23 Skleroproteine, 456 S-Konfiguration, 435 Skraup, 347 SN,Ar , 121 SN 1,Ar , 121 SN 1-Reaktion, 77, 133, 352, 360 SN 2,Ar , 121 SN 2-Reaktion, 133, 136, 360 Sokrates, 492 Solanidin, 489 Solvatationsvermögen, 141 Solvat-Hülle, 135 solvatisierte Elektronen, 102 solvatisierte Ionen, 135 Solvatisierung, 314 Solvolyse, 359
708 Solvolysereaktionen, 308 Sorbinsäure, 270 Sorbit, 422 s-Orbital, 5 D-Sorbit, 422 Sorbitol, 410, 422 L-Sorbose, 410 sp-hybridisiert, 13 sp-Hybridisierung, 354 sp2 -Hybridisierung, 93 sp2 -Hybridorbitale, 12 sp3 -Hybridorbitale, 11 später Übergangszustand, 32 spezielle Carbonsäurederivate, 300 spezielle Carbonsäuren, 272 spezielle Carbonylverbindungen, 228 spezifischer Drehwert, 382, 418 Sphäroproteine, 456 Sphingolipide, 462 Sphingosin, 462, 463 Spiegelbild, 24, 285, 382 Spinquantenzahl s, 5 Spirane, 394 sp2 -Orbitale, 335 Sprenggelatine, 200 Sprengstoffe, 199 Spritzgießen, 529 Squalen, 91, 483 Squalenoxid, 91 SSS-Regel, 105 Stabilisatoren, 58 stabilisierte Ylide, 215 Stabilität von Carbeniumionen, 351 Stammsysteme, 18 Stärke, 417, 429, 430 Startreaktion, 55, 363 Stearinsäure, 270, 460, 461 Stechapfel, 492, 493 Steinkohle, 515 Steinkohlenteer, 98, 163, 516 Stellungsisomere, 97 Steran, 483 Steran-Gerüst, 51 Stereo-Projektion, 42 stereogenes Zentrum, 23, 381, 422 Stereoisomere, 22–24, 49, 381 stereoselektiv, 65, 78, 213 stereoselektive Eliminierung, 146 stereoselektive Reaktion, 397 stereoselektivität, 369, 371 stereospezifisch, 65, 78, 79, 82, 86, 355, 359, 374 stereospezifische Reaktion, 397, 526
Stichwortverzeichnis stereospezifische Syn-Additionen, 82 Sterine, 460, 483, 485 Sterinester, 460 sterische Effekte, 113 sterische Wechselwirkungen, 116 Steroid-Alkaloide, 483, 489, 492, 503 Steroid-Hormone, 486 Steroide, 46, 51, 92 Steroidglycoside, 481 Steroidsapogenine, 481 Sterole, 483 Stetter-Reaktion, 229, 233, 256, 343 Stickstoff-haltige Verbindungen – Synthese, 610 Stickstoff-Heterocyclen, 491 Stigmasterin, 485 Stigmasterole, 485 Stimulanzien, 558 Stoffwechselendprodukt, 326 Stoffwechselprodukt, 326, 550 Stoffwechselvorgänge, 415, 416 Stork’sche Enamin-Methode, 232 strahlungslose Desaktivierung, 402 strahlungslose Interkombination, 403 strahlungslose Übergänge, 403 Strahlungsübergänge, 403 Stratosphäre, 129 Strecker-Synthese, 255, 439 Stresshormon, 488 Strophantin, 481 Strukturaufklärung, 85 Strukturelement, 523 Strukturen von Makromolekülen, 531 Strukturisomere, 23, 41, 381 Strychnin, 497 Strychnos-Alkaloide, 497 Styrol, 100, 525 Styrol-Polymerisate, 535 Styropor, 537 Substituent, 40 Substituenten 1. Ordnung, 108 Substituenten 2. Ordnung, 109 Substituenteneffekt, 28, 31, 34, 108, 109, 113 Substituenteneinfluss, 30, 270 ’-substituierte Carbonsäuren, 29 substituierte Cyclohexane, 49 substituierte Malonester, 269 substituierte Systeme, 18 Substitution, 159, 601 Substitutionsreaktion, 211, 359 Substitutionsregeln, 108 substitutive Nomenklatur, 20 substratkontrollierte Reaktion, 398
Stichwortverzeichnis substratkontrollierte Synthese, 399 Succinat-Dehydrogenase, 150 Succinimid, 61, 290 Sulfanilamid, 180 Sulfanilsäure, 180 Sulfide, 175, 178 – Darstellung, 608 Sulfochloride, 117 Sulfochlorierung, 117, 180 Sulfonamide, 180, 551 Sulfone, 175, 179 Sulfonierung, 115, 167, 180, 337 Sulfoniumionen, 386 Sulfonium-Ylid, 223 Sulfonsäure – Darstellung, 608 Sulfonsäuren, 115, 175, 180 Sulfonylchloride, 59 Sulfonylradikal, 59 Sulfoxide, 175, 179, 386 Sulfurylchlorid, 59 Summenformel, 21 Superhelix, 454 suprafacial, 376 suprafaciale [1,3]-Verschiebung, 379 suprafaciale[1,5]-Verschiebung, 379 Suspensions-Polymerisation, 529 Swainsonin, 495 Symmetrieachse, 384 Symmetrieebene, 384, 392 Symmetrieeigenschaften, 370, 384 Symmetrieelemente, 384 symmetrieerlaubt, 370, 375 Symmetrieoperationen, 371, 384 symmetrieverboten, 370, 375 symmetrische Ether, 170 syn-Addition, 82, 83, 86 synaptischer Spalt, 557 Synchronreaktion, 86 syn-Eliminierung, 150, 283, 304, 329 syn-Selektivität, 151 syn-stereospezifisch, 84 Synthesegas, 156, 514 synthetisches Äquivalent, 208 -System, 93 Systeminsektizid, 561 S1 -Zustand, 403 S2 -Zustand, 402 T Tabakentwöhnung, 492 Tabakpflanze, 493
709 Tabun, 196 Tadalafil, 556 Tagesleuchtfarben, 542 Taktizität, 533 Tamiflu, 552 Tandemreaktionen, 92 Taurin, 485 Taurocholsäure, 485 tautomeres Gleichgewicht, 236, 252 Tautomerie, 295, 327, 340 Taxol, 553 TCDD, 101 Teflon, 128, 129, 537 Teicoplanin, 551 Telmisartan, 554 Tenside, 180, 558 Terephthalsäure, 273, 275 Terpenalkohole, 563 Terpene, 74 Terpentinöl, 74 tertiäre aliphatische Amine, 192 tertiäre Amine, 183, 194, 252 tertiäre Aminoxide, 151 tertiäre Halogenide, 133 tertiärer Alkohol, 153, 226, 304 tertiäres C-Atom, 41 Tertiärstruktur, 454, 475 Testosteron, 486 Tetrachlorethan, 1,1,2,2-, 79 Tetrachlorkohlenstoff, 58, 61, 128 Tetrachlormethan, 58 Tetracycline, 551 tetracyclisches Ringgerüst, 51 Tetraederwinkel, 10 Tetraethylblei, 214 Tetrafluorethen, 128 tetrahedrale Zwischenstufe, 288 Tetrahydro-1,4-oxazin, 333 Tetrahydrofolsäure, 413 Tetrahydrofuran, 171, 333, 516 Tetrahydropyranylether, 332 Tetrahydrothiophen, 333 Tetraterpene, 477, 481 Tetrosen, 417 Theobromin, 503, 558 Theophyllin, 503, 558 Theorie des Übergangszustandes, 32 thermische [4+2]-Cycloaddition, 374 thermische Cyclisierung, 371 thermische Eliminierungen, 150 thermische Spaltung, 53, 356 thermisches Cracken, 513 thermodynamisch kontrollierte Reaktion, 116
710 thermodynamische Größen, 28 thermodynamische Kontrolle, 68 Thermoplaste, 535 Thermosol-Verfahren, 543 THF, 171 Thiamin, 230, 282, 413 Thiaminpyrophosphat, 413 Thiazid-Diuretika, 555 Thiazol, 335, 343 Thiazolidin, 333 Thiazolium-Salz, 229 Thiazoliumsalze, 233, 256 Thiiran, 333 Thioacetale, 253 Thioalkohole, 175 Thiocyansäureester, 330 Thioester, 468 Thioether, 175, 178 Thioformamid, 344 Thioharnstoff, 329 Thioketale, 253 Thiolan, 333 Thiole, 175, 253, 329 – Darstellung, 608 Thionylchlorid, 129, 293 Thionylhalogenide, 129 Thiophen, 334, 336 Thiuroniumsalze, 329 Thorpe-Reaktion, 319 Thorpe-Ziegler-Reaktion, 319 THP-Ether, 332 threo-Form, 391 Threose, 391 Thymidin, 471, 552 Thymin, 470, 471 Thyrosin, 500 Tierversuche, 549 Titantetrachlorid, 526 TNT, 115, 199 Tocopherol, 242, 508 Tollens-Reaktion, 239 Tollens-Ringformel, 420 Tollkirsche, 492, 493 p-Toluidin, 184 Toluol, 100, 104, 115 p-Toluolsulfonsäure, 180 Tomatidin, 489 Torsionswinkel, 43 Totalhydrolyse von Proteinen, 439 Toxizität, 549 Tranquilizer, 557 Transaminierung, 290 trans-2-Buten, 64
Stichwortverzeichnis Transcription, 472 trans-Decalin, 50 trans (E-) Doppelbindung, 259 Transfer-RNA, 474 Transketolase-Reaktion, 230 Translation, 472 Transmetallierung, 209 transoide Konformation, 374 trans-taktisch, 533 Traubensäure, 280 Trehalose, 410, 427 Trehalose-Fettsäureester, 410 Treibmittel, 128 Trennung von Paraffingemischen, 325 Trennung von Racematen, 394 Trevira, 275, 538 Triacylglycerole, 462 Trialkylaluminium, 526 Trialkylphosphite, 214 Trialkylsulfoniumsalze, 178 Triarylmethan-Farbstoffe, 546 1,3,5-Triazin, 339 Triazine, 562 Tricarbonylverbindung, 314 Trichloracetaldehyd, 234 Trichloressigsäure, 271 Trichlormethan, 58, 128 Triethylamin, 191 Triflate, 314 Trifluoressigsäure, 271 Trihalogenketone, 235 Trimere, 91 Trimethoxybenzaldehyd, 198 Trimethylsilyl-Gruppe, 213 Trinitrophenol, 2,4,6-, 117 Trinitrotoluol, 115 2,4,6-Trinitrotoluol, 199 Triosen, 417 Tripeptide, 443 Triphenylmethyl-Radikal, 55, 356 Triphosphorsäure, 468 Triplett-Carben, 84, 354 Triplett-Sauerstoff, 355 Triterpene, 477, 480 Trityl-Radikal, 55 Trivialnamen, 18, 39 tRNA, 474 Trögersche Base, 386 Tropan, 491 Tropan-3’-ol, 493 Tropan-Alkaloide, 492, 493 Tropasäure, 493 Trypsin, 444, 446
Stichwortverzeichnis Tryptamin, 496 Tryptophan, 491, 496 Tschitschibabin, 340 Tschitschibabin-Reaktion, 123 Tschugaeff, Lew Alexandrowitsch, 151, 329 Tubocurarin, 501 Tumorpatienten, 502 Tumortherapie, 553 Tumorzellen, 553 Twist-Konformation, 48 Tyrosin, 195 T1 -Zustände, 403 U n ! *-Übergang, 542 ! *-Übergang, 69, 401, 542 Übergangszustand, 32, 116, 136, 140, 360 Ubichinone, 242 Ultrazentrifuge, 531 Umesterung, 297 umgepolt, 254 umgepolte Carbonylgruppe, 233 Umlagerung, 165, 173, 363 Ummetallierung, 209, 211 Umpolung, 127, 208 Umprotonierung, 255 Umsetzungen aliphatischer Diazoverbindungen, 205 Umsetzungen mit C-Nucleophilen, 301, 305 unedle Metalle, 238, 303 ungepaarte Elektronen, 356 ’; “-ungesättigte Aldehyde, 235, 261 ’; “-ungesättigte aromatische Monocarbonsäuren, 262 ungesättigte Carbonsäure, 318, 461 ’; “-ungesättigte Carbonsäuren, 279, 315 ”; •-ungesättigte Carbonsäuren, 312 ’; “-ungesättigte Carbonylverbindung, 89, 216, 230, 236, 258, 264, 302, 315 ungesättigte Dicarbonsäure, 274 ungesättigte Fettsäuren, 461 ’; “-ungesättigte Ketone, 235 ’; “-ungesättigte Malonester, 315 ’; “-ungesättigte Säuren, 442 ungesättigte Verbindungen, 12 ungewöhnliche Nucleotide, 475 unpolar, 45 unpolare Lösemittel, 238 Uracil, 470, 471 Urease, 324 Ureide, 325 Urethane, 322
711 Uridin, 471 Urotropin, 253 UV-Licht, 401
V Valence-Bond-Theorie, 10 Valenzbindungstheorie, 8 Valenzelektronen, 351 Valenzisomere, 23, 68 Valenzstruktur, 10 Valenzstrukturen angeben, 13 Valenztautomerie, 68 n-Valeriansäure, 270 van der Waals-Kräfte, 45, 154 van Slyke-Reaktion, 191 Vancomycin, 551 Vanillin, 227, 242 Vardenafil, 556 Variante nach Knoevenagel-Doebner, 315 Vasopressin, 451 VB-Modell, 93 VB-Theorie, 8 Verarbeitung von Kunststoffen, 529 Verbindungen mit aktivem Wasserstoff – Reaktionen, 210 verbrücktes Carbeniumion, 78 verdeckte Konformation, 42 Verdünnungsprinzip, 52 Veresterung, 160, 167, 295, 296 Verhältnis E1/E2, 148 Verhältnis E2/SN 2, 148 Verhältnis SN 1/SN 2, 138 Verhältnisformel, 21 “ (1,3)-verknüpft, 433 “ (1,4)-verknüpft, 431, 433 Verkochung von Diazoniumsalzen, 165 Verkoken der Kohle, 516 vernetzte Polymere, 532, 534 1,2-Verschiebung, 364 Verseifung, 277, 295, 314, 460 Verseifung von Nitrilen, 268 verzweigte Polymere, 531 Verzweigungsreaktionen, 609 Viagra, 556 Vier-Zentren-Übergangszustand, 82 Vilsmeier-Haack-Reaktion, 120, 227 Vinylacetylen, 74 Vinylbenzol, 100 Vinylchlorid, 66, 74, 128 Vinylester, 74, 525 Vinylether, 74, 517 Vinyl-Verbindungen, 525, 532
712 Virizide, 560 virostatisch, 552 Viruserkrankungen, 552 Viscose, 329 Viskoseseide, 540 Viskositätsdurchschnitt, 530 Vitamin A, 75, 481 Vitamin B1, 230, 282 Vitamin B12 , 506 Vitamin D, 379, 485 Vitamin E, 508 Vitamin K1 , 242 Vitamine, 413, 483 Vogelgrippe, 552 Volksmedizin, 492 Vollacetal, 426 Vorratsschutz, 562 Vorzugskonformationen, 47 Vulkanisation, 75
W Wachse, 460, 464 Wagner-Meerwein-Umlagerung, 81, 91, 135, 159, 162, 364, 484 Wahnvorstellungen, 557 Waldensche Umkehr, 136 Walsh-Modell, 46 Wannenform, 68, 97 Wannenkonformation, 48 Waschmittel, 558 Wasserdampfdestillation, 477 Wassergas, 515 Wasserstoffbrücken, 34, 189, 475 Wasserstoff-Brückenbindungen, 141, 154, 453 Wasserstoffverschiebung, 347, 378 Weckamine, 195 weiche Anionen, 140 weiche Elektrophile, 140 weiche Nucleophile, 140 Weichmacher, 518 Weinreb-Amide, 226, 305 Weinsäure, 24, 277, 280 Weißtöner, 542 Wellenfunktion, 4 Wellenmechanische Atomtheorie, 3 Williamson-Synthese, 158, 167, 170 Williamson’sche Ethersynthese, 424 Winkeldeformation, 46 Winkelfunktion, 5 Wirbelschichtverfahren, 513 Wirkstoffe, 549 Wittig-Reagenz, 215
Stichwortverzeichnis Wittig-Reaktion, 66, 214, 256 Wittig, Georg, 123 Wöhler, Friedrich, 273, 323 Wohl-Ziegler-Reaktion, 61 Wolff-Kishner-Reduktion, 52, 119, 239 Wolff-Umlagerung, 206 Woodward-Hoffmann-Regeln, 370, 377 Wurtz-Synthese, 44
X Xanthogenate, 151, 329 Xanthophylle, 481, 505 Xylan, 434 Xylole, 97 o-Xylol, 100, 275 p-Xylol, 100 Xylose, 422, 432
Y Ylid-Ylen-Struktur, 215 Ylide, 256 Yohimban-Alkaloide, 498 Yohimbin, 498
Z Zauberpilz, 497 Zeaxanthin, 481 Zeisel, Simon, 172 Z-E-Isomerisierung, 404 Zellatmung, 506 Zellgifte, 553 Zellmembran, 485, 551 Zellstoff, 430 Zellteilung, 553 Zellwandbiosynthese, 551 Zellwolle, 540 Zerewitinoff -Reaktion, 210, 305 Zersetzungsprozesse, 177 Zibeton, 242 Ziegler-Natta-Katalysator, 524, 526 Zimtaldehyd, 242 Zimtsäure, 262, 264, 315 Zink, 312 Zinkenolat, 312 zinkorganische Verbindungen, 312 Zinkverbindungen, 217 Zinnorganyle, 214 Zizyphin-A, 503 Z-Konfiguration, 64 Zoosterin, 485
Stichwortverzeichnis 11-Z-Retinal, 404 Z-Schutzgruppe, 447 Zucker, 389, 417 – Synthese, 425 Zuckeralkohole, 422 Zucker-Phosphat-Ketten, 473 Zweifachalkylierung, 176
713 Zweitsubstitution, 108, 122 zweiwertiger Alkohol, 153, 157 Zwischenprodukt, 107, 123 Zwischenstufe, 31, 53, 134, 355 Zwitterion, 437 Zymase, 156 Zytostatika, 553