ORDO 9783110505863, 9783828201354


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German Pages 586 [612] Year 2000

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Hauptteil
Zu den Megafusionen in den letzten Jahren
„Wettbewerb als Aufgabe“ – Leonhard Mikschs Beitrag zur Ordnungstheorie und -politik
Internationale Finanzmärkte aus einer von Hayek inspirierten Sicht
Hayek and International Economic Order
Institutionen als Kognitionsproblem – Bemerkungen zu einer neurosensorischen Vermutung
Der Wohlstand der Nationen und die Moral der Wirtschaftssubjekte
Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege
Wissenschaftliche Beratung der Wirtschaftspolitik – zur Rolle von Think Tanks in der US-amerikanischen Politikberatung
Mehr Beschäftigung, weniger Arbeitslosigkeit: Setzt sich das ökonomische Gesetz gegen (verbands-)politische Macht durch?
Zum Beharrungsvermögen von sozialen Übereinkünften – das Beispiel der Habilitation
Wachstum und endogener technologischer Wandel - Eine Kritik des Wachstumsmodells von Paul Romer aus der Perspektive der Evolutorischen Ökonomik
Die deutsche Rundfunkordnung im Wandel
Die ,duale‘ Rundfunkordnung in der Kritik
Ist das Gesundheitswesen in Deutschland ein „Nachfragemotor“ für Fortschritte in der Medizintechnik?
Austritt erlaubt? Die Verfassung der Europäischen Union braucht ein Sezessionsrecht
Wie sozial ist die europäische Sozialpolitik?
Müssen die nationalen Krankenversicherungssysteme in der EU harmonisiert werden?
Welthandelsordnung, regionale Teilordnungen und interregionale Klammerordnungen
Besprechungen
Karl Poppers kritischer Rationalismus
Die ökonomische Konstitution eines föderalen Systems
Herrschaft, Recht und Religion als Determinanten der wirtschaftlichen Entwicklung
Von Freiheit und Freihandel – Grundzüge einer ordoliberalen Außenwirtschaftspolitik
Christliche Soziallehre heute
Wirtschaftspolitik aus evolutorischer Perspektive
Interessenverbände im politischen Prozeß
Ökonomie im Lichte der politischen Ethik
Die Geschichte des ökonomischen Denkens
Soziale Dienste und Umverteilung in Deutschland
Bündnis für Arbeit: Korporatismus statt Wettbewerb
Die Paranoia der internationalen Kapitalmärkte Besprechung des von Martin Feldstein herausgegebenen Buchs „International Capital FIows“
Globalisierung, Ethik und Entwicklung
URBAN 21
Möglichkeiten und Grenzen eines Marktes für Organtransplantate
Personenregister
Sachregister
Anschriften der Autoren
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ORDO
 9783110505863, 9783828201354

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ORDO Band 51

ORDO Jahrbuch

für die Ordnung von Wirtschaft

und

Gesellschaft

Band 51

Begründet von Walter Eucken und Franz Böhm

®

Herausgegeben von Hans Otto Lenel Helmut Gröner Walter Hamm Erich Heuß Erich Hoppmann Ernst-Joachim Mestmäcker Wernhard Möschel Josef Molsberger Peter Oberender Alfred Schüller Viktor Vanberg Christian Watrin Hans Willgerodt

Lucius & Lucius • Stuttgart

Schriftleitung Professor Dr. Hans Otto Lenel Universität Mainz, Haus Recht und Wirtschaft, D-55112 Mainz Professor Dr. Dr. h.c. Josef Molsberger Wirtschaftswissenschaftliches Seminar der Universität Tübingen, Nauklerstr. 47, D-72074 Tübingen Professor Dr. Helmut Gröner Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universitätsstr. 30, D-95447 Bayreuth Professor Dr. Alfred Schüller Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme der Philipps-Universität Marburg, Barfüßertor 2, D-35032 Marburg Professor Dr. Peter Oberender Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultär der Universität Bayreuth, Universitätsstr. 30, D-95440 Bayreuth

© Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft m.b.H. Stuttgart • 2000 Gerokstraße 51, D-70184 Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Satz: Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme, Marburg Druck und Einband: Thomas Müntzer, Bad Langensalza ISBN 3-8282-0135-0 ISSN 0048-2129

ORDO • Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Lucius & Lucius, Stuttgart 2000) Bd. 51

Vorwort Mit der Vergrößerung der Märkte verbessert sich die Aussicht, den Wettbewerb zu stärken. Ist dadurch die Gefahr der privatwirtschaftlichen Vermachtung ein für allemal gebannt? Wird die freiheitliche Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung im wesentlichen nur noch durch die weithin unbestrittene Übermacht des Staates bedroht? Die beiden ersten Beiträge zu diesem einundfünfzigsten Band des Jahrbuchs ORDO sind dieser Frage gewidmet. Hans Otto Lenel äußert sich in seinem Aufsatz „Zu den Megafusionen in den letzten Jahren" kritisch dazu. Nach eingehender Auseinandersetzung mit den Ursachen ausgewählter Megafusionen geht es nach seiner Auffassung auch, und nicht zuletzt, um den Versuch, Machtpositionen aufzubauen oder zu verstärken, um so den Wettbewerbsdruck zu mindern und auf den Beschaffungsmärkten selbst Druck auszuüben. Machtpositionen gefährden nicht nur die zweckmäßige Koordination der arbeitsteiligen Wirtschaft, sondern auch die Freiheit. Zu den Aufgaben der Wissenschaft gehört es, der Legislative und der Exekutive ordnungstheoretische und -politische Vorstellungen für einen Ordnungsrahmen anzubieten, der Voraussetzung für die Sicherung der Freiheit und diese Koordination ist. Es ist schwierig, die für eine solche Ordnung als notwendig erkannten Prinzipien durchzusetzen. Das entbindet die Wissenschaft nicht von der Aufgabe, die diesen Prinzipien entgegenstehenden Machtinteressen Privater wie auch des Staates immer wieder zu kritisieren. Die Gleichrangigkeit beider Aspekte folgt allein schon daraus, daß die wirtschafts- und sozialpolitische Übermacht des Staates vielfach das Ergebnis von ungebändigten Interesseneinflüssen ist. Hierdurch kommt es im Zusammenwirken von Wirtschaftsverbänden, Parteien und Ministerialbürokratie zur Selbstfesselung der Politik und des Staates; staatliche Übermacht erweist sich deshalb häufig als selbstverschuldete politische Ohnmacht. Mit Blick auf den nach wie vor aktuellen Doppelcharakter des Vermachtungsproblems verweisen Arnoldt Berndt und Nils Goldschmidt auf Leonhard Mikschs Beitrag zur Ordnungstheorie und -politik". Kernstück dieses Beitrags ist die 1937 bei Walter Eucken eingereichte Habilitationsschrift „Wettbewerb als Aufgabe". Berndt und Goldschmidt zeigen, daß Mikschs Konzept des „Wettbewerbs als Aufgabe" eine Verbindung von Wettbewerbsordnung und Demokratie erkennen läßt, die wichtige Anknüpfungspunkte für die neuere ordnungsökonomische Diskussion bietet. Einen zweiten Schwerpunkt setzt der vorliegende Band mit Beiträgen, die an ordnungstheoretische Überlegungen von Friedrich A. von Hayek anknüpfen. So befaßt sich Erich W. Streissler in seinem Beitrag „Internationale Finanzmärkte aus einer von Hayek inspirierten Sicht" mit offenen Fragen der „preiszentrierten Informationstheorie" von Hayeks. Er zeigt, daß der institutionelle Wettbewerb, der mit der Evolution von internationalen Finanzmärkten verbunden ist, ein beachtliches Potential für die Lösung von Problemen bietet, die bei von Hayek weitgehend unbeachtet geblieben sind. Razeen Sally stellt im ersten Teil seines Beitrags „Hayek and International Economic Order"

VI • Vorwort fest, daß Hayek zum Problem der internationalen Wirtschaftsordnung kaum etwas geschrieben hat. Freilich erkennt der Autor in Hayeks Einsichten in die Umstände der Wissensteilung und in die Regeln spontaner Ordnungen bemerkenswerte Ansatzpunkte für die „Vision" eines dynamischen Konzepts der internationalen Wirtschaftsordnung. Manfred Streit geht in seinem Beitrag „Institutionen als Kognitionsproblem - Bemerkungen zu einer neurosensorischen Vermutung" von Hayeks „Sensory Order" aus. Er zeigt, daß Hayek schon mit Erkenntnissen der Neurowissenschafit („Brain science") vertraut war. Der Autor sieht in der Möglichkeit der neurosensorischen Regelerkennung nützliche Erkenntnisse für die Institutionenökonomik. Eine dritte Reihe von Beiträgen befaßt sich mit Grundsatzfragen marktwirtschaftlicher Ordnungen. Wilhelm Meyer arbeitet die wesentlichen Ideen und Hypothesen aus Adam Smith' „Theorie der ethischen Gefühle" heraus. Er sieht sie als weitgehend kompatibel mit den Grundgedanken des „Wohlstands der Nationen" an, wenn auch mit einer zu dieser „Adam Smith-These" wesentlichen Einschränkung, die der Autor „Wilhelm Röpke-These" nennt: „Die Fundamente der Anständigkeit werden nicht im Markt gelegt. Der Anstand braucht in der Wettbewerbsgesellschaft neben geeigneten Aufsichtsorganen öffentlich wirkende, glaubhafte Fürsprecher". Alfred Schüller nimmt die Vorliebe der Politik für sogenannte Dritte Wege zum Anlaß, die Entstehungsgründe, Ordnungsmerkmale und typischen Ergebnisse der verschiedenen Varianten Dritter Wege vergleichend zu betrachten. Im Mittelpunkt der Darstellung steht der „schleichende Marktsozialismus". Die Krisenerscheinungen der Sozialen Marktwirtschaft werden auf diesen Dritten Weg zurückgeführt, der seit den sechziger Jahren über den Ausbau des Sozialstaats nach dem Kollektivprinzip eingeschlagen worden ist. Sie können, wie der Autor zeigt, nur mit einem Handlungskonzept behoben werden, das an der marktwirtschaftlichen Idee der „Freiburger Schule" orientiert ist. Die wissenschaftliche Beratung der Wirtschaftspolitik gewinnt nach Susanne Cassel in dem Maße an Einfluß, wie sie auf die Anreize der politisch Handelnden und auf den Unterschied zwischen „öffentlichkeitsbezogener Politikberatung" und der „Politikerberatung" achtet. Im Hinblick darauf vergleicht die Autorin die Beratungspraxis in Deutschland und in den USA; sie gewinnt daraus Empfehlungen für Reformen der bestehenden wirtschaftswissenschaftlichen Beratung in Deutschland. Norbert Berthold erwartet die Lösung des brennenden Problems „Mehr Beschäftigung, weniger Arbeitslosigkeit" nicht von der inneren Reformbereitschaft, sondern von den Interessen und politischen Kräften, die im Gefolge der wirtschaftlichen Globalisierung von differenzierten Lösungen und vom Wettbewerb profitieren. Freilich stellt das Beharrungsvermögen der Mehrheit im nationalen politischen Prozeß nach wie vor eine hartnäckige Blockade des institutionellen Wettbewerbs dar, wie Silvio Kermer, Marcus Mittendorf und Friedrich L. Seil zunächst allgemein für verschiedene Bereiche der Wirtschaftspolitik nachweisen und unter Rückgriff auf Ansätze der älteren und neueren Ordnungsökonomik zu erklären versuchen. Um die Tragweite der Bindungskraft sozialer Übereinkünfte in ihrer Allgemeingültigkeit zu verdeutlichen, behandeln sie anschließend das Beispiel der „Habilitation" im Hochschulbereich. Der Beitrag von Malcolm H. Dunn zeigt, daß mehr staatliche Forschungsaufwendungen keine hinreichende Bedingung für größere Innovationen sind und daß Innovationen auch keine Garantie für ein höheres Wirtschaftswachstum sind. Entscheidend seien vielmehr

Vorwort • VII

der wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsrahmen und die hiervon bestimmten Handlungsspielräume und -motivationen der Unternehmer. Ein vierter Block von Beiträgen beschäftigt sich mit speziellen Fragen der aktuellen Wirtschaftspolitik. Die Aufsätze von Horst M. Schellhaaß sowie von Andreas Knorr und Katja Winkler diskutieren Probleme der deutschen Rundfunkordnung. Schellhaaß kommt nach einer eingehenden Analyse der verschiedenen ordnungspolitischen Konzeptionen, die in fünfzigjähriger Medienpolitik die deutsche Rundfunkordnung beeinflußt haben, zu dem Ergebnis, „daß die marktwirtschaftlichen Steuerungselemente an Einfluß gewonnen haben". Knorr und Winkler sehen die Reformfahigkeit der bestehenden Rundfunkordnung in Deutschland durch institutionelle Beharrungskräfte begrenzt. Fehlanreize, die der ,dualen' Rundfunkordnung innewohnen, seien nur durch eine radikale Reform - etwa nach neuseeländischem Vorbild - überwindbar. Freilich beurteilen die Verfasser die Chancen eines solchen Kurswechsels in Deutschland skeptisch. Der Frage, ob das Gesundheitswesen in Deutschland ein „Nachfragemotor" für Fortschritte in der Medizintechnik ist, untersuchen Rainer Klump und Manfred Plagens am Beispiel „bildgebender Verfahren". Die Autoren zeigen, daß das Gesundheitssystem zwar Neuerungen nicht verhindert, jedoch gesundheitsfördernden und kostensparenden Innovationen im Wege steht. Dies läßt sich nach Meinung der Verfasser nur ändern, wenn die herrschenden Wettbewerbsbeschränkungen mittels durchgreifender Deregulierung aufgegeben werden. Den Abschluß des Hauptteils bilden vier Beiträge zu Fragen der Europäischen Integration. Detmar Doering untersucht Gründe und Möglichkeiten für eine Verfassung der Europäischen Union (EU), die ein Recht auf Sezession mit dem Ziel vorsieht, sich vor diskriminierender Gesetzgebung zu schützen. Ein Sezessionsrecht wäre nach Meinung des Autors geeignet, das Subsidiaritätsprinzip und „eine Art Wettbewerbsföderalismus" zu stärken, in dem sich freie Märkte entfalten können. Horst Feldmann fragt in seinem Beitrag nach dem sozialen Gehalt der verschiedenen Gebiete der europäischen Sozialpolitik: Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme, Harmonisierung der Arbeitsbedingungen, Förderung von Chancengleichheit und berufliche Bildung. Er zeigt, daß die sozialpolitischen Maßnahmen der EU häufig gerade den Personen schaden, die man damit begünstigen will. Frank Daumann befaßt sich kritisch mit der Frage, ob eine Harmonisierung der staatlichen Krankenversicherungssysteme in der EU notwendig ist. Auf der Grundlage alternativer Beurteilungskriterien folgert der Autor, „daß der Verzicht auf eine Harmonisierung die überlegene Handlungsalternative darstellt". Ausgehend von der allgemeinen Frage nach der Bedeutung von Globalisierung und Regionalisierung für den Abbau von Handelshemmnissen beschäftigt sich schließlich Georgios Papastamkos mit der handelspolitischen Rolle der EU - auf der Ebene der WTO, gegenüber anderen regionalen Institutionen und in entwicklungspolitischer Hinsicht. Die besondere Bedeutung der EU sieht der Verfasser in der Schaffung von „Klammerordnungen", in ihrem Gewicht als Welthandelspartner, in ihrer integrationspolitischen Erfahrung und in ihrem besonderen entwicklungspolitischen Engagement.

VIII • Vorwort In dieses Jahr 2000 fällt der 50. Todestag von Walter Eucken und von Leonhard Miksch und zugleich der 100. Geburtstag von Miksch und von Gottfried von Haberler. Für Eucken fand in diesem Jahr in Freiburg eine Gedenkveranstaltung sowohl des Walter Eucken Instituts als auch der Universität statt. Dem bahnbrechenden und bis heute wegweisenden Werk von Walter Eucken, dem Mitbegründer des Jahrbuchs ORDO, haben Herausgeber und Schriftleitung dieses Jahrbuchs zuletzt 1989 den umfangreichen Band 40 gewidmet. Das Werk von Leonhard Miksch, der wichtige Beiträge zu den ersten drei Bänden von ORDO geliefert hat, würdigt in diesem Band 51 der Aufsatz von Arnold Berndt und Nils Goldschmidt. Auch Gottfried von Haberler, einer der bedeutendsten liberalen Nationalökonomen des 20. Jahrhunderts, zählte zu den Autoren des Jahrbuchs ORDO. Aus Anlaß seines 80. Geburtstags wurde in Band 32 eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, die die wirtschaftspolitische Diskussion auf den Gebieten weiterführten, für die Haberler wichtige wissenschaftliche Anstöße gegeben hatte. Im Vorwort von Band 32 findet sich eine Würdigung von Lebensweg und Werk dieses großen unvergessenen Gelehrten. Die

Schriftleitung

ORDO • Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Lucius & Lucius, Stuttgart 2000) Bd. 51

Inhalt Hauptteil Hans Otto Lenel Zu den Megafusionen in den letzten Jahren I. Einleitende Bemerkungen II. Über einige Megafusionen 1. Novartis, Aventis, Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham 2. Mannesmann und Vodafone AirTouch 3. DaimlerChrysler 4. Zum bisherigen Umfang der Megafusionen III. Zu den Ursachen der Megafusionen 1. Größenvorteile 2. Kosten und Nutzungsdauer von Innovationen 3. Macht, Unsicherheit, Nachahmung und Mode 4. Anpassung: Beschränkung auf das „Kerngeschäft", Synergien, Abbau von Überkapazitäten 5. Persönliche Motive der die Megafusion Erstrebenden und zur Bedeutung ihrer und ihrer Nachfolger Persönlichkeit IV. Der Wettbewerb als Ursache der Megafusionen und deren Wirkungen auf den Wettbewerb V. Wirtschaftspolitische Konsequenzen 1. Kein Handlungsbedarf ? 2. Gegen übermäßige private Macht, nicht nur gegen Marktbeherrschung. Literatur Zusammenfassung Summary: Mega-mergers of recent years

1 2 2 5 8 9 10 10 14 17 20 22 24 26 26 29 29 30 31

Arnold Berndt und Nils Goldschmidt „Wettbewerb als Aufgabe" - Leonhard Mikschs Beitrag zur Ordnungstheorie und -politik I. Einleitung II. Biographie III. Ordnungsökonomischer Ansatz 1. Ausgangspunkte 2. Grundformen der Ordnung 3. Innere Koordination und die Neutralität des Preises 4. Äußere Koordination als Bedingung 5. Äußere Koordination als Gefahr 6. Wettbewerb des „Als-Ob" 7. Wettbewerb, Demokratie und Gerechtigkeit

33 34 40 40 44 45 48 50 52 56

X • Inhalt

IV. Würdigung und Aktualität 1. „Als-Ob" - ein überholtes Leitbild? 2. Zwischen Freiburger Schule und Constitutional Economics Literatur Zusammenfassung Summary: „Competition as Task" - Leonhard Miksch's Contribution to Ordnungstheorie and Ordnungspolitik

58 58 64 69 73 74

Erich W. Streissler Internationale Finanzmärkte aus einer von Hayek inspirierten Sicht I. II. III. IV. V.

Hayeks Preistheorie Effiziente Finanzmärkte Versteigerung Wertvolle Spekulation Die Bedeutung der Uninformierten für den Informationseinfluß in den Markt VI. Mißverständnisse VII. Hayek und die Österreichische Konjunkturtheorie VIII. Das Investitionsproblem bei Richardson IX. Die Wertpapieremission als Lösung des gordischen Knotens X. Anhang: Ein einfaches, Glosten-Milgrom nachempfundenes Modell der Informationseinschleusung in Preise Literatur Zusammenfassung Summary: Hayek's Price-Theoretic Perspective and International Financial Markets

75 78 80 83 85 87 89 90 91 93 94 95 96

Razeen Sally Hayek and International Economic Order I. Introduction 1. Hayek on „international authorities" 2. Critique: Hayek's „nai've constructivism" II. Making Hayek relevant to international political economy: the division of knowledge and the international spontaneous order 1. The division of knowledge and international trade. 2. From the division of knowledge to constitutional ignorance and the international spontaneous order 3. The emergence and evolution of the international spontaneous order: Hayekian „histoire raisonnee" 4. Policy implications and the role of rules III. Conclusion: locating Hayekian international economic order in the classical liberal tradition Literatur

97 98 101 104 106 107 109 110 114 116

Inhalt • XI Summary Zusammenfassung: Hayek und die internationale Wirtschaftsordnung

117 118

Manfred E. Streit Institutionen als Kognitionsproblem Bemerkungen zu einer neurosensorischen Vermutung I. Der Anlaß: Hayeks Vermutung II. Neurosensorische Interpretationen HI. Institutionenökonomische Implikationen IV. Abschließende Würdigung Literatur Zusammenfassung Summary: Institutions as a cognition problem - Notes on a neurosensory conjecture

119 119 120 122 124 125 125

Wilhelm Meyer Der Wohlstand der Nationen und die Moral der Wirtschaftssubjekte I. Einleitung II. Das moralische Korrespondenzprinzip und die moderne Marktgesellschaft HI. Die Keynes-These und der ökonomische Opportunismus 1. Wohlstand als Voraussetzung für Moral? 2. Erklärung illegaler Aktivitäten 3. Die Mißtrauensthese der modernen Ökonomik IV. Ethik und Ökonomik 1. Antike Werte und senatorische Wirtschaftsaktivitäten 2. Ethik und ökonomische Theorie V. Das „Adam Smith-Problem" VI. Elemente der Moraltheorie von Smith 1. Zwei Grundsätze und der Charakter der Aussagen 2. Hypothesen und typische Anwendungsfalle 3. Streben nach Reichtum und Besitzverteilung VII. Folgerungen für das „Adam Smith-Problem" 1. Inkompatibilität? 2. Typen von ökonomischen Beziehungen 3. Verdrängungsthese 4. Persönliche Netzwerke 5. Chancen: Für gewissenlose Schurken und für Anständigkeit 6. Staat, Kirche und Moral Literatur Zusammenfassung Summary: The Wealth ofNations and the Morale of Economic Subjects

127 128 131 131 133 134 136 136 138 141 143 143 145 146 149 149 150 153 155 157 161 163 165 166

XII • Inhalt Alfred Schüller Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege I. Problemstellung II. Die Marktwirtschaft als Erster Weg - in Deutschland umstritten 1. Freie Marktwirtschaft - die klassisch-liberale Vorstellung vom Ersten W e g 2. Soziale Marktwirtschaft - die ordo-liberale Vorstellung vom Ersten W e g III. Soziale Marktwirtschaft auf Schlingerkurs zum Dritten Weg_ IV. Auf dem Weg zum schleichenden Marktsozialismus 1. Erklärungsansätze 2. Ordnungsmerkmale 3. Ergebnisse V. Die Debatte um „Dritte Wege - Neue Mitte" in Deutschland VI. Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege - zwischen institutioneller Beharrung und der Aufgabe, das Wünschenswerte politisch möglich zumachen Literatur Zusammenfassung Summary: Social Market Economy and Third Ways

169 171 172 173 176 180 181 182 183 185

195 199 201 202

Susanne Cassel Wissenschaftliche Beratung der Wirtschaftspolitik zur Rolle von Think Tanks in der US-amerikanischen Politikberatung I. II. III. IV. V.

Einleitung Politikberatung und Politikerberatung Die institutionelle Ausgestaltung von Think Tanks Die Rolle der Think Tanks in Politik und Öffentlichkeit Auswirkungen der unterschiedlichen Ausgestaltung von Think Tanks das Beispiel der Brookings Institution und der Heritage Foundation 1. Die Mitarbeiterstruktur 2. Die Finanzierungsstruktur VI. Der Einfluß von Think Tanks auf die Politik VII. Ausblick: Lehren für die Bundesrepublik Deutschland Literatur Zusammenfassung Summary: Economic Advice Giving in the US: The Role of Think Tanks

203 204 206 212 215 216 218 221 222 227 229 230

Inhalt • Xffl

Norbert Berthold Mehr Beschäftigung, weniger Arbeitslosigkeit: Setzt sich das ökonomische Gesetz gegen (verbands-)politische Macht durch? I. Einleitende Bemerkungen n. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit: Deutschland in der institutionellen Verflechtungsfalle III. Der Weg zu mehr Beschäftigung und weniger Arbeitslosigkeit: klare Zuordnung beschäftigungspolitischer Verantwortung. IV. Hindernis auf dem Weg aus der Verflechtungsfalle: das institutionelle Arrangement ist ein polit-ökonomisches Gleichgewicht V. Das „Bündnis für Arbeit": ein korporatistischer Versuch der Überwindung institutioneller Sklerose? VI. Mehr Wettbewerb auf Güter- und Kapitalmärkten: Trojanische Pferde für mehr Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten VII. Einige Bemerkungen zum Schluß Literatur Zusammenfassung Summary: More jobs, less unemployment: Do economic forces prevail against the power of interest groups?

231 233 236 242 246 250 256 257 258 259

Silvio Kermer, Marcus Mittendorf und Friedrich L. Sell Zum Beharrungsvermögen von sozialen Übereinkünften das Beispiel der Habilitation I. Einleitung H. Beharrungsvermögen von sozialen Übereinkünften III. Beharrungskräfte von Institutionen am Beispiel der Habilitation IV. Ausblick und Schluß Literatur Zusammenfassung Summary: On the Persistence of Social Conventions The Case of the Habilitation

261 264 268 273 273 274 274

XIV • Inhalt

Malcolm H. Dunn Wachstum und endogener technologischer Wandel Eine Kritik des Wachstumsmodells von Paul Romer aus der Perspektive der Evolutorischen Ökonomik I. Einleitung II. Technischer Wandel aus evolutorischer Sicht III. Das Wachstumsmodell von Paul Romer (1990) - eine Skizze IV. Zur Kritik des Romerschen Wachstumsmodells V. Schlußfolgerungen eines Evolutorikers Literatur Zusammenfassung Summary: Growth and Endogenous Technological Change - A Critique of the Growth Model of Paul Romer from the Perspective of Evolutionary Economics

277 278 282 285 293 296 298

299

Horst M. Schellhaaß Die deutsche Rundfunkordnung im Wandel I. Problemstellung II. Marktergebniskontrolle als Ordnungsprinzip III. Die Zugangskontrolle als Ordnungsprinzip IV. Funktionsfahigkeit des Wettbewerbs als Ordnungsprinzip V. Schlußbemerkungen Literatur Zusammenfassung Summary: The intertemporal change of the German broadcasting regulation

301 303 305 309 314 315 315 316

Andreas Knorr und Katja Winkler Die ,duale' Rundfunkordnung in der Kritik I. Einführung II. Die ,duale'Rundfunkordnung im Überblick 1. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk 2. Privater Rundfunk 3. Alternative Distributionswege für Rundfunkprogramme 4. Die Grundelemente der ,dualen' Rundfunkordnung III. Die ,duale' Rundfunkordnung in der Kritik 1. Marktversagen und Meritorik im Rundfunk? 2. Binnenpluralismus als Garant von Staats- und Gruppenferne sowie publizistischer Vielfalt? 3. Probleme der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender IV. Ordnungskonform(er)e Alternativen: das Beispiel Neuseelands 1. Der Status quo ante im Überblick

317 318 319 320 320 322 329 330 334 338 343 344

Inhalt • X V

2. Die neuseeländische Rundfunkreform von 1988 im Überblick 3. Bewertung des neuseeländischen Regulierungsansatzes V. Schlußbetrachtung Literatur Zusammenfassung Summary: How (not) to regulate and finance public broadcasting: the case of Germany

345 349 349 350 353 354

Rainer Klump und Manfred Plagens Ist das Gesundheitswesen in Deutschland ein „Nachfragemotor" für Fortschritte in der Medizintechnik? Eine Analyse der Beziehungen zwischen Gesundheitssystem und medizinischtechnischen Innovationen am Beispiel bildgebender Verfahren I. Problemstellung und Untersuchungsziel II. Erfolgsfaktoren der medizintechnischen Industrie 1. Determinanten der Wettbewerbs- und Innovationsfahigkeit von Branchen 2. Anwendung auf bildgebende Verfahren III. Das bestehende Gesundheitssystem und medizinisch-technische Innovationen 1. Die Entwicklung des staatlichen Gesundheitssystems in Deutschland 2. Akteure im Gesundheitswesen: Ziele, Organisationen und Nachfragemacht 3. Der Einfluß des Gesundheitssystems auf medizinisch-technische Innovationen 4. Rückwirkung medizinisch-technischer Innovationen auf das Gesundheitssystem 5. Ergebnis des Prozesses und der Einfluß des institutionellen Umfelds IV. Reorganisation des Gesundheitssystems und medizinisch-technische Innovationen V. Schlußfolgerungen Literatur Zusammenfassung Summary: Is the German health care system a „demand engine" for innovations in the medical device industry? A case study for imaging devices

355 357 357 360 363 363 365 367 369 371 373 376 378 381 381

XVI • Inhalt

Detmar Doering Austritt erlaubt? Die Verfassung der Europäischen Union braucht ein Sezessionsrecht I. Zwischen Gewalt und Legitimität II. Individuelles und kollektives Sezessionsrecht III. Ein Bund zum Nutzen aller? IV. Immanente Zentralisierungstendenzen in der EU V. Sezession als verankertes Verfassungsrecht VI. Druckmittel für eine gerechte EU. VII. Lohnt sich die Trennung überhaupt? Vin. Einfache Bilanzen sind nicht möglich IX. Sezession im Kleinen: Opting Out und Nullifikation X. Mittel zur Schadensbegrenzung XI. Eine Frage der Ausgestaltung XII. Einseitig oder im gegenseitigen Einvernehmen? Xni. Ein Europa des Wettbewerbs Literatur Zusammenfassung Summary: Exit Allowed? The Constitution of the European Union Needs a Right of Secession

383 384 386 387 389 389 391 392 393 394 395 398 400 401 403 404

Horst Feldmann Wie sozial ist die europäische Sozialpolitik? I. Einführung II. Die Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme 1. Ziele und Rechtsgrundlagen 2. Arbeitslosenversicherung 3. Krankenversicherung 4. Rentenversicherung 5. Transferzahlungen III. Die Harmonisierung der Arbeitsbedingungen 1. Ziele und Rechtsgrundlagen 2. Technischer Arbeitsschutz 3. Regulierung allgemeiner Beschäftigungsbedingungen 4. Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen 5. Vertretung von Arbeitnehmerinteressen IV. Die Förderung von Chancengleichheit, sozialer Eingliederung und beruflicher Bildung 1. Ziele und Rechtsgrundlagen 2. Chancengleichheit 3. Soziale Eingliederung und berufliche Bildung V. Fazit Literatur.

405 406 406 407 409 410 412 415 415 416 417 420 422 424 424 425 428 429 430

Inhalt

• XVII

Zusammenfassung Summary: How Social is the European Social Policy?

433 433

Frank Daumann Müssen die nationalen Krankenversicherungssysteme in der EU harmonisiert werden? I. Problemstellung und Vorgehensweise II. Soziale Krankenversicherungssysteme in Europa III. Traditionelle Ansätze zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Harmonisierung 1. Harmonisierung im integrationstheoretischen Kontext 2. Harmonisierung im Kontext des Bereitstellungskostenansatzes 3. Harmonisierung im Kontext des Institutional Competition-Ansatzes 4. Ergebnis IV. Staatliche Krankenversicherungssysteme bei freiem Güter- und Faktorverkehr. 1. Kriterien für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Harmonisierung 2. Zur Legitimation eines sozialen Krankenversicherungssystems 3. Zur Finanzierbarkeit einer sozialen Krankenversicherung V. Fazit Literatur Zusammenfassung Summary: Is it necessary to harmonize the national Health Care Systems in the EU?

435 436 438 439 440 444 447 447 447 449 449 452 452 455 .

455

Georgios Papastamkos Welthandelsordnung, regionale Teilordnungen und interregionale Klammerordnungen Die handelspolitische Präsenz der EU in einer globalisierten und regionalisierten Weltwirtschaft I. Einleitung II. Weltwirtschaftsordnung: Globalisierung und internationale Regionalisierung - komplementär oder kontradiktorisch? III. Regionale Teilordnungen: Handlungsebenen der Regionalisierung

1. EU und USA

457 458 462

Z'Z'.Z.. 462

2. Das Regionalisierungspotential von Entwicklungs- und Schwellenländern IV. Klammerordnungen: Regionalisierte entwicklungspolitische Verantwortung der EU V. Schlußbemerkungen Literatur Zusammenfassung Summary: The Multilateral Trade Order, Regional and Inter-regional Orders Aspects of the European Presence in a Global and a Regional Economic Context ...

466 469 472 473 476

477

XVin

• Inhalt

Besprechungen Chrysostomos Mantzavinos Karl Poppers kritischer Rationalismus Bemerkungen zu dem von Ingo Pies und Martin Leschke herausgegebenen Buch mit dem gleichen Titel

481

Roland Vaubel Die ökonomische Konstitution eines föderalen Systems Bemerkungen zu dem gleichnamigen Buch von Thomas Apolte

485

Helmut Leipold Herrschaft, Recht und Religion als Determinanten der wirtschaftlichen Entwicklung Anmerkungen zu dem Buch von E. Weede: „Asien und der Westen"

493

Indira Gurbaxani Von Freiheit und Freihandel - Grundzüge einer ordoliberalen Außenwirtschaftspolitik Anmerkungen zu dem gleichnamigen Buch von Lüder Gerken

505

Frank Daumann Christliche Soziallehre heute Anmerkungen zum gleichnamigen von Anton Rauscher herausgegebenen Sammelband 511 Stefan Okruch Wirtschaftspolitik aus evolutorischer Perspektive Anmerkungen zu dem gleichnamigen Buch von Wemer Ebert

515

Indira Gurbaxani Interessenverbände im politischen Prozeß Zu dem gleichnamigen Buch von Frank Daumann

521

Christoph Lütge Ökonomie im Lichte der politischen Ethik Anmerkungen zu dem gleichnamigen Buch von Walter Adolf Jöhr

525

Christian Müller Die Geschichte des ökonomischen Denkens Bemerkungen zum gleichnamigen Buch von Fritz Söllner

527

Wolfgang Berger Soziale Dienste und Umverteilung in Deutschland Zum gleichnamigen Buch von Jürgen Volkert

535

Thomas Pfahler Bündnis für Arbeit: Korporatismus statt Wettbewerb Anmerkungen zum gleichnamigen Buch von Norbert Berthold und Rainer Hank

543

Inhalt • XIX Gunther Schnabl Die Paranoia der internationalen Kapitalmärkte Besprechung des von Martin Feldstein herausgegebenen Buchs „International Capital Flows"

549

Klaus Votiert Globalisierung, Ethik und Entwicklung Anmerkungen zum gleichnamigen Buch von Hans-Balz Peter

553

Marcus Cieleback URBAN 21 Zum gleichnamigen Expertenbericht zur Zukunft der Städte von Peter Hall und Ulrich Pfeifer

559

Klaus Vollert Möglichkeiten und Grenzen eines Marktes für Organtransplantate Anmerkungen zum gleichnamigen Buch von Ansgar Hebborn

565

Personenregister

567

Sachregister

577

Anschriften der Autoren

583

Hauptteil

ORDO • Jahrbuch fiir die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Lucius & Lucius, Stuttgart 2000) Bd. 51

Hans Otto Lenel

Zu den Megafusionen in den letzten Jahren

I. Einleitende Bemerkungen Aventis, der neue französisch-deutsche Pharmariese, aus dem Zusammenschluß der Hoechst AG mit der Rhône-Poulenc SA entstanden, hat 1999 mehrmals in einer ganzseitigen Zeitungsanzeige kundgetan: „Grosses entsteht, wenn Grosses entsteht." So einfach ist der Zusammenhang wohl keinesfalls. Aber in dem viel kleiner gedruckten Rest der Anzeige stehen nur zwei die These erläuternde Sätze: Aventis verfuge „über eines der größten Forschungs- und Entwicklungsbudgets, über weltweite strategische Forschungsallianzen sowie eine erfolgversprechende Produkt-Pipeline". 1 Zusammen mit einer starken, internationalen Marketing- und Vertriebsorganisation seien „das beste Voraussetzungen für Innovationen in Gesundheit und Ernährung". Ziel sei „die Lebensqualität der Menschen nachhaltig zu verbessern. Tag für Tag". Für eine Beurteilung der zuerst zitierten These reicht das nicht aus, erst recht nicht für eine ordnungspolitische Beurteilung dieses wie vieler anderer sehr großer externer Wachstumsvorgänge in den letzten Jahren. Für eine ordnungspolitische Beurteilung genügt nicht einmal eine befriedigende Antwort auf die Frage, ob sie de lege lata zugelassen werden sollten. Auch die ergänzende wettbewerbspolitische Frage de lege ferenda ist nicht ausreichend. Vielmehr ist zusätzlich zu fragen, ob solche Vorgänge, zumal in größerer Zahl, in eine marktwirtschaftliche Ordnung passen oder sie nicht vielmehr gefährden. Wenn Jürgen Dormann, bis zum Zusammenschluß Vorstandsvorsitzender der Hoechst AG und nun einer der beiden Chefs der Aventis, recht hätte, gehört jener Zusammenschluß allerdings nicht zu meinem Thema. Er meinte nämlich auf der internationalen Kartellkonferenz des Bundeskartellamtes {BKA 2000, 94), der „Begriff Megafusion" treffe auf die „Situation bei Hoechst" nicht zu. Zur Begründung verwies er auf die Minderung der Zahl der Mitarbeiter und des Umsatzes von Hoechst vor dem Zusammenschluß mit Rhône-Poulenc. Aus zwei Gründen kann ich dem nicht zustimmen: Erstens sind schon vor dem Zusammenschluß durch bedeutende Akquisitionen Umsatz und Mitarbeiterzahl angestiegen, und vor allem kam zweitens durch den Zusammenschluß ein sehr großes französisches Unternehmen hinzu. Letzteres (Zusammenschluß zweier sehr Großer) ist für mich die Voraussetzung dafür, von einer Megafusion zu sprechen. Schon deshalb kann ich Kleinert und Klodt (2000, 11) nicht folgen, die die Untergrenze einer Megafusion entsprechend der Grenze für die Anmeldepflicht 1

Financial Times Deutschland (24.3.2000, 10) berichtet allerdings, neue Präparate machten nur einen „ungesund kleinen Anteil am gesamten Produktportfolio aus".

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einer Fusion bei der EU-Kommission setzen, nämlich bei 5 Milliarden Ecu Umsatz nach dem Zusammenschluß. Die Grenze, nach deren Überschreitung von einer Megafusion gesprochen werden kann, ist freilich nicht ohne Willkür zu bestimmen. Ich lasse sie hier offen. Aber gewiß ist sie höher als bei 5 Milliarden Ecu. In den Fällen, die ich anschließend behandeln will, ist sie klar überschritten. Ich verwende den Begriff „Megafusion" nur, weil er üblich geworden ist, nicht weil er mir gefallt. Eine andere Abweichung von Kleinert und Klodt ist für mein Thema kaum relevant. Wie in der deutschen Umgangssprache heute üblich, nennen diese alle Vorgänge externen Unternehmenswachstums Fusion. Ich unterscheide die Fusion oder Verschmelzung von der Angliederung durch Erwerb von Anteilen eines Unternehmens durch ein anderes. In diesem Fall bleibt das erworbene Unternehmen rechtlich selbständig, wird nur wirtschaftlich unselbständig. Im ersten Fall verliert es auch seine rechtliche Selbständigkeit. Die hier zu behandelnden Megafusionen sind zum größten Teil Fusionen auch im Sinne des ersten Falls. Ein wirtschaftlich sehr ähnliches Ergebnis könnte auch durch die Errichtung einer dritten Gesellschaft erreicht werden, welche die beiden zusammenzuschließenden Unternehmen erwirbt. Im Falle Hoechst-Aventis wurden die Aktionäre von Hoechst aufgefordert, ihre Aktien gegen Aktien der Rhöne-Poulenc zu tauschen, die ihre Firma in Aventis änderte. Ähnlich ging es im Fall Mannesmann-Vodafone AirTouch. Das ist eine weitere, der Fusion des ersten Falls ähnliche Möglichkeit. Das externe Wachstum eines Unternehmens ist von dessen internem Wachstum zu unterscheiden. Als ein Vorzug des ersteren wird bei der Diskussion über Megafusionen häufig erwähnt, daß es schneller abgewickelt werden kann. Grenzt man den Wachstumsvorgang eng ab, ist das jedenfalls richtig. Hält man ihn aber erst dann für beendet, wenn die beiden Unternehmen hinreichend zusammengewachsen sind, braucht es nicht zutreffend zu sein, weil die Integration bisweilen nur langsam voranschreitet. „Böse Zungen behaupten sogar, die Verbindung von Ciba und Geigy werde eigentlich erst jetzt", 1996, „unter dem Dach der Novartis, vollzogen, mehr als ein Vierteljahrhundert nach der ersten großen ,Baseler Hochzeit' " (NZZ Fusionen 1999, 30). Nur bisweilen, keineswegs durchweg ist das externe Wachstum kostengünstiger als das interne. Gegenbeispiel dürften Aktienkäufe mit einem hohen Zuschlag auf den Börsenkurs sein, auf die wir noch zu sprechen kommen. Wichtig ist, daß man mit externem Wachstum manches nicht erreichen kann, weil dafür internes Wachstum erforderlich ist. Das wird insbesondere bei positiven Urteilen über die Megafusionen bisweilen nicht erwähnt oder gar übersehen. Um zum Beispiel den Größenvorteil eines anderen Produktionsapparats zu verwirklichen, genügt es nicht, zwei Unternehmen zusammenzuschließen, die beide über einen solchen Produktionsapparat nicht verfügen.

II. Über einige Megafusionen 1. Novartis, Aventis, Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham Der Zusammenschluß der Baseler Chemiekonzerne Ciba-Geigy und Sandoz zur Novartis wurde am 7. März 1996 bekanntgegeben. Das neue Unternehmen wollte sich

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ganz auf die „Life Sciences" konzentrieren. Die Spezialitätenchemie der Ciba und der Bereich Bauchemikalien von Sandoz sind verkauft oder als eigenständige Unternehmen ausgegliedert worden. Nichtsdestoweniger galt der Zusammenschluß als „die bis dahin größte Fusion der Industriegeschichte" (NZZ Fusionen 1999, 23). Für Novartis wurde damals ein Umsatz von rund 26 Milliarden CHF veranschlagt. Man hoffte auf „zahlreiche Synergien", etwa zwischen dem Pharmasektor und dem Agro-Bereich (ebenda). Letzteres stellte sich nach spätestens drei Jahren als ein Irrtum heraus. Diese Synergie erwies sich nämlich als „marginal" (NZZ vom 3.12.1999, 9). Das Agrogeschäft wurde in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem ebenfalls in den 90er Jahren durch Fusion entstandenen britisch-schwedischen Unternehmen Astra-Zeneca eingebracht. Erneut erhofft man Einsparungen durch den Abbau von 3.000 der 23.500 Personalstellen des neuen Gemeinschaftsunternehmens. Andererseits wird von einem „Restrukturierungsaufwand" und von fusionsbedingten Kosten von 850 Millionen $ berichtet (ebenda). 1996 wollte man auch „Doppelgleisigkeiten" beseitigen und etwa 10.000 Arbeitsplätze einsparen. Was inzwischen geschehen ist, habe ich nicht geprüft. Die Börse reagierte nach der Fusionsankündigung sehr günstig. Der Kurs der Ciba erhöhte sich um über 27 %, der Kurs der Sandoz um fast 20 % (NZZ Fusionen 1999, 23). Inzwischen ist man an der Börse sehr viel nüchterner geworden. Der Kurs der Novartis-Aktie, der 1999 noch bis 2.919 CHF stieg, schwankte bis zum 16. Juni 2000 nur noch zwischen 1.989 und 2.532 CHF. Am 12. April 2000 überschritt er erstmals 2.400 CHF. Bedenkt man diese Entwicklung, wird man wohl auch die einleitend erwähnte Anzeige der Aventis eher skeptisch beurteilen. In der Hauptversammlung von Hoechst meinte Jürgen Dormann: „Was in Basel und woanders möglich ist, muß und wird auch bei uns gelingen" (Börsenzeitung vom 31.12.1999, 62). Zur Novartis schlössen sich aber zwei schweizerische Unternehmen, beide mit Sitz in Basel, beide von Schweizern geleitet, zusammen. Aventis ist ein Zusammenschluß eines französischen und eines deutschen Unternehmens. Es wird von einem Franzosen und einem Deutschen geleitet. Die wichtigsten Standorte der Produktion von Novartis sind nicht weit von Basel. Die Standorte von Aventis liegen weit auseinander, in zwei Staaten, mit einer im Durchschnitt doch wohl recht erheblich verschiedenen Mentalität. Mir scheint, daß die Aufgabe der Aventis sehr viel schwieriger zu lösen sein wird als die der Novartis, und auch bei Novartis ist wohl noch kein erheblicher Erfolg zu verzeichnen. Bisher hat man, ganz im Gegenteil, Marktanteile verloren (NZZ vom 3.12.1999, 9). In der erwähnten Hauptversammlung von Hoechst sagte Dormann: „Wo wir nicht weltweit zu den ersten drei gehören, müssen wir uns verabschieden". Das paßt zu der Aussage in der einleitend erwähnten Anzeige. Im Mai 1999 berichtete Dormann, durch die Fusion werde Aventis bei Pharma dem Umsatz nach der weltweit Zweite, bei Agrochemie der Erste werden. Durch das Gemeinschaftsunternehmen von Novartis und Astra-Zeneca mußte dieser erste Platz - jedenfalls dem Marktanteil nach - bereits geräumt werden. Nachdem die Fusionen zwischen Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham und zwischen Pfizer und Warner Lambert verwirklicht sind, rückt Aventis auf den vierten Platz (nach NZZ vom 18.1.2000), auf dem Hoechst schon 1988 war. 2 Nach fhi2

Nach Financial Times vom 27.3.2000 befand sich damals Aventis auf dem 5. Platz.

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heren Äußerungen von Dormann müßte sich eigentlich Aventis also schon wieder „verabschieden". Aber wie der zu Beginn dieses Aufsatzes erwähnte Anzeigentext ist auch diese Äußerung von Dormann wohl kaum richtig. Beides dürften Beispiele für den wackligen Boden sein, auf dem viele Begründungen von Megafusionen stehen. Vor der Fusion hatte Hoechst für den Erwerb des amerikanischen Konzerns Marion Merell Dow 10,4 Milliarden DM und für den Erwerb der restlichen Anteile der französischen Pharmafirma Roussel-Uclaf 5,4 Milliarden DM verauslagt. Andererseits wurden von Hoechst über zwei Dutzend Tochtergesellschaften und Abteilungen an eine große Zahl anderer Firmen verkauft (siehe die Zusammenstellung in Börsen-Zeitung vom 31.12.1999, 62). Die Verkaufserlöse sind mir nur zum Teil bekannt. Sie könnten die oben erwähnten Milliardenausgaben für zwei Käufe erreichen oder gar überschreiten, aber auch hinter ihnen zurückbleiben. Jedenfalls ist aber die Abwicklung auch insoweit sehr viel schwieriger als bei Novartis. Ihre Kosten veranschlagte Dormann auf 2,3 Milliarden Euro. Andererseits erwartet er jährliche Einsparungen von 350 Millionen Euro (nach FAZ vom 10.12.1999). 4 Hoechst-Aktien wurden gegen 3 Aktien der dann umbenannten Rhöne-Poulenc getauscht. Am „Start" notierte die Aventis-Aktie an der Börse mit 61 Euro. Im 1. Vierteljahr 2000 schwankte sie zwischen 47 und 63 Euro. Aventis hat 90.000 Mitarbeiter und soll jährlich 21 Milliarden Euro umsetzen. Im Pharmabereich sind 75.000 Mitarbeiter tätig. Der jährliche Umsatz dieses Bereichs wird auf 13 Milliarden Euro veranschlagt. In der anläßlich des Aktientausches von Hoechst herausgegebenen Broschüre wird als wesentliches Ziel von Aventis Pharma „die Konzentration auf Schlüsselprodukte im Bereich verschreibungspflichtiger Arzneimittel" genannt. Man fragt sich, wie man diese Produkte ex ante erkennt und wer die anderen pharmazeutischen Produkte herstellen soll. Glaxo hatte Wellcome, beides britische Firmen, 1995 für 14 Milliarden $ erworben. Anfang 1998 scheiterte ein erster Fusionsversuch mit SmithKline Beecham, ebenfalls ein britisches Unternehmen, obwohl man sich davon die Schaffung eines „R & D powerhouse" sowie eine Stärkung der Allianz mit Genome Science erhoffte. Jedoch konnte man sich nicht über die Frage einigen, welcher der leitenden Herren die Führung übernehmen sollte. Anfang Januar 2000 wurde offenbar diese Frage lösbar, weil die beiden früheren Konkurrenten um den Führungsposten altershalber und/oder wegen der Aussicht auf hohe Vergütungen beim Ausscheiden (der eine) bzw. (der andere) wegen der Möglichkeit einer ehrenvollen Stellung an einer englischen Universität nicht mehr kandidierten. Es heißt, auch die erwartete Fusion der amerikanischen Pharmafirmen Pfizer und Warner-Lambert habe die Wiederaufnahme der nun erfolgversprechenden Fusionsgespräche beeinflußt (Economist vom 2.1.2000, 65). Durch die Fusion wird die größte Pharmafirma der Welt entstehen. Der vorgesehene chief executive der neuen Firma meinte: „Before, drug companies were forced together because they were weak". Das könnte sich auf Aventis beziehen. Er fuhr fort: „This is a merger between the strong and the strong" (Economist, ebenda). Man verläßt sich bei dieser Fusion nicht auf die kostensenkende und erfolgerhöhende Wirkung der Zusammenfassung der bisherigen Produkte, sondern will zu einer neuen Forschungsstrategie übergehen: Statt neue Pro-

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dukte „by chance" zu finden, will man sie mit Hilfe des Verständnisses der genetischen Ursachen der Krankheiten systematisch entwickeln (Economist, ebenda). Dazu soll beitragen, daß das neue Unternehmen über ein Forschungs- und Entwicklungsbudget von 2,4 Milliarden £ verfügt. Das fusionierte Unternehmen wird ungefähr 100.000 Beschäftigte haben (Handelsblatt vom 18.1.2000). Zwei Drittel des geschätzten jährlichen künftigen Umsatzes von 15 Milliarden £ entfallen auf 20 Medikamente mit je über 250 Millionen £ Jahresumsatz, davon sechs mit Umsätzen zwischen rund 500 und 1.060 Millionen £ pro Jahr. Aber Produkte mit hohen Umsatzanteilen sind keineswegs problemlos. Zantac war das erfolgreichste Heilmittel der Welt und brachte Glaxo 1994 43 % des Umsatzes. (FAZ vom 7.3.1997) Aber inzwischen ist das Patent abgelaufen. Dadurch gab es 1998 einen Umsatzausfall von 1,3 Milliarden £. Man hoffte auf den Erfolg des Grippemittels Relenza. Aber beim britischen State health service war es im letzten Herbst (noch?) nicht eingeführt (Financial Times vom 5.10.1999). Man wird sehen, was bei dieser Mammutfusion herauskommt. Mir scheint ein Erfolg jedenfalls wahrscheinlicher zu sein als bei Aventis. 2. Mannesmann und Vodafone AirTouch Dies scheint mir ein Beispiel für die Problematik der These zu sein, die heutigen Megafusionen seien durch die Konzentration auf das Kerngeschäft gekennzeichnet. Bei Aventis mag das noch diskutabel sein. Aber das Kerngeschäft von Mannesmann war ursprünglich die Herstellung von Stahlröhren. Erst in den 70er Jahren kamen durch Akquisitionen in erheblichen Umfang andere Erzeugnisse, vor allem des Maschinenbaus, hinzu. Und erst vor ungefähr einem Jahrzehnt begann der Aufbau des Bereichs Telekommunikation. Ist dieser Bereich nun das Kerngeschäft oder gar die Kernkompetenz geworden? Zwei Drittel des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr von Mannesmann vor der Übernahme durch Vodafone stammten noch immer aus anderen Bereichen, und 90 % der Belegschaft gehörten zu ihnen {Handelsblatt, Nr. 35 vom 4.2.2000, 26). Richtig ist, daß der letzte deutsche Vorstandsvorsitzende Klaus Esser sich wohl vor allem für die Telekommunikation interessierte und im Jahre 1999 Milliardenakquisitionen dafür tätigte: im April 2,25 Milliarden DM für die Festnetzgesellschaft Otelo, im Mai 15 Milliarden DM für die italienischen Telekommunikationsunternehmen Omnitel und Infostrada, mir unbekannte Beträge für die Erhöhung der Beteiligung an Arcor von 40 auf 80 % {FAZ vom 7.7.1999, 16) und schließlich im Oktober 60 Milliarden DM für das drittgrößte britische Mobilfunkunternehmen Orange {Wirtschaftswoche, Nr. 44 vom 28.10.1999, 89). Die zuletzt genannte Akquisition hat offenbar den weltweit größten Mobilfunkbetreiber Vodafone AirTouch gestört oder erweckte sein Übernahmeinteresse. Den US-amerikanischen Teil AirTouch hatte Vodafone selbst erst im Januar 1999 für 60 Milliarden US $ erworben {Süddeutsche Zeitung, Nr. 299 vom 27.12.1999, 22; NZZ Fusionen 1999, 50). Nun machte Vodafone im November 1999 den Mannesmann Aktionären ein Tauschangebot gegen Vodafone AirTouch-Aktien im damaligen Börsenwert von 240 Milliarden DM.

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Mannesmann empfahl seinen Aktionären, dieses Angebot nicht anzunehmen. Nun entspann sich ein Kampf, insbesondere durch (jedenfalls seitens Mannesmann) ganzseitige Anzeigen in den führenden überregionalen deutschen und schweizerischen Zeitungen. Da hieß es unter anderem: „Vodafone schadet Mannesmann: weil Vodafone im Zukunftsmarkt Internet nichts einbringt". Etwas kleiner fährt die Anzeige weiter unten fort: „Mannesmann erzielt ohne Vodafone doppelt so hohe Wachstumsraten. Wenn Sie Mannesmann- gegen Vodafone-Aktien tauschen, werden Sie nicht länger von diesen Wachstumsraten profitieren!" Unten folgt in kaum lesbarer kleiner Druckschrift ein Hinweis auf die Unsicherheit solcher Prognosen: „Mannesmann kann deshalb keine Zusicherung dafür geben, dass nicht spätere Ergebnisse wesentlich von diesen wirtschaftlichen Aussagen abweichen können". Eine andere ganzseitige Anzeige beginnt mit der Abbildung des deutschen Straßenschildes, das vor Steinschlag warnt. Der Text beginnt mit den Worten: „Vorsicht! Mit Vodafone besteht akute Gefahr für Ihr Aktiendepot". Nach fünf Zeilen mit Thesen zur Begründung folgte: „Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Beachten Sie die hohen Risiken! Profitieren Sie vom höheren Wachstum einer unabhängigen Mannesmann-Aktie". Unten erschien wieder das Kleingedruckte wie in der zuerst erwähnten Anzeige. Diese Anzeigen hatten nicht den gewünschten Erfolg. Wochenlang und mindestens noch bis Mitte Januar 2000 hatte Esser propagiert: „Wir sind besser alleine, wir verdienen mehr alleine" (Handelsblatt, Nr. 25 vom 4.2.2000, 14). Noch am 25.1.2000 schrieb das Handelsblatt „Mannesmann gibt sich siegessicher". Welche Ursachen die plötzliche Änderung Anfang Februar hatte, ist nicht klar zu erkennen. Vielleicht drängte der Aufsichtsrat (zu dem Jürgen Schrempp gehörte; siehe nächsten Abschnitt), vielleicht wirkte ein Entgegenkommen der Vodafone bei den Konditionen der Übernahme, vielleicht wirkte auch, daß die Esser schon vom Aufsichtsratsvorsitzenden zugesagte Entschädigung für sein Ausscheiden auf Wunsch von Vodafone durch diese Gesellschaft von 31 auf 60 Millionen DM erhöht wurde (Wirtschaftswoche vom 17.2.2000, 64). Bei dieser Entschädigung habe ich mich nicht nur nach der Begründung der Höhe, sondern auch nach der Zulässigkeit einer Entschädigung für den ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden durch den Erwerber seiner Gesellschaft gefragt. Mit dieser juristischen Frage will ich mich jedoch hier nicht befassen. Die Höhe der Entschädigung ist jedenfalls problematisch und wohl auch nicht mit der Höhe des ausgehandelten Kaufpreises zu erklären. Dieser betrug nach Errechnungen des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (Nr. 14/2000, 2) 370 Milliarden DM. Vermutlich hat das Institut die Tauschvorgänge zu den jeweiligen Tageskursen umgerechnet. Jedenfalls ist dies dem Tageswert der Transaktion nach die bisher größte Megafusion und auch die Megafusion mit den größten Spekulationsgewinnen und - möglicherweise - späteren Spekulationsverlusten. Das wird schon dadurch offenbar, daß inzwischen für das sonstige (vor einem Jahrzehnt alleinige) Geschäft von Mannesmann zunächst etwas unter 10 Milliarden DM geboten wurden. Wie andere hat auch diese Transaktion neben ihrem spekulativen Charakter (siehe unten) einen nicht unwichtigen Teil der Problematik der Megafusionen deutlich gemacht: Nicht nur werden - wie hier - große Beträge für Zeitungsanzeigen zur Unterstützung des einen oder anderen der „Kämpfer" ausgegeben, sondern die Leitenden

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verbringen auch einen erheblichen Teil ihrer Zeit mit diesem Kampf und nicht für die Entwicklung neuer Ideen und Produkte für ihr Unternehmen. Die Europäische Kommission hat am 12. April 2000 die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone AirTouch mit zwei Auflagen genehmigt: Die Fusionspartner verpflichten sich, sich von der britischen Tochter Mannesmann's Orange sofort zu trennen, durch Verkauf oder Verselbständigung. Zweitens muß Vodafone AirTouch das „fusionierte" Mobilfunknetz ohne Preisdiskriminierung allen Konkurrenten drei Jahre lang zur Nutzung anbieten (nach NZZ vom 13.4.2000, 13). Wie wird wohl die Bilanz von Vodafone nach dieser Transaktion aussehen? In einer Glosse in den Mitteilungen der Wirtschaftsprüferkammer (Heft 2/2000, 109) wird für die Bilanz ein Firmenwert von 256 Milliarden Euro angenommen. Der hohe Betrag der Transaktion wie auch die Konzessionen von Vodafone sind auch oder gar vorwiegend die Folge der starken Erhöhung des Börsenkurses von Mannesmann. Dieser stieg 2000 bis auf 385 Euro, während der Tiefstkurs im Jahre 1999 97 Euro betragen hatte. Neben der Spekulation könnten auch Käufe von Vodafone zu der Erhöhung beigetragen haben. Problematisch sind nach meiner Meinung auch die Akquisitionen von Mannesmann im Jahre 1999 (wie die von Vodafone), und zwar wegen der damit verbundenen Belastung der Gesellschaft. Kaum jemand dürfte in der Lage sein, vorauszusagen, ob Mannesmann längerfristig Erträge erwirtschaften konnte, welche die 1999 gezahlten Kaufpreise rechtfertigen. Ähnliches gilt für die Akquisitionen von Vodafone. Die Mannesmann-Aktionäre, die deren Aktien eingetauscht haben, stehen vor der nach meiner Meinung schwierigen Entscheidung, ob sie sie behalten sollten. Laut Börsenzeitung (vom 5.1.2000, 8) sagte Esser, bei Mannesmann sei die Verschuldung hoch, bei Vodafone aber sehr viel höher. Bei der Akquisition von Orange habe Mannesmann neue Aktien (in Höhe von 30 % des bisherigen Aktienkapitals) emittiert. Ähnlich ist wohl Vodafone zur Akquisition von Mannesmann verfahren. Essers Verdienste um seine Gesellschaft scheinen mir fragwürdig zu sein. Seine Politik führte zum Ende einer früher angesehenen Gesellschaft. Er hat dadurch ein großes Vermögen erworben. Die Mannesmann-Aktionäre werden nachhaltig nur gewinnen, wenn entweder Vodafone trotz der übernommenen Belastungen reüssiert oder die bisherigen Mannesmann-Aktionäre die erworbenen Vodafone-Aktien rechtzeitig verkaufen. Hat der Aufsichtsrat von Mannesmann 1999 seine Aufgaben erfüllt? Ein nachahmenswertes Beispiel scheinen mir diese Transaktionen jedenfalls nicht zu sein. Frances Cairncross, die wohl sachverständige Redakteurin des Economist, schrieb in ihrem Aufsatz „Telefusionitis" neben vielen Bemerkungen zu einzelnen Problemen: „So sind viele der Fusionen der letzten zwölf Monate denn auch Glücksspiele mit hohen Einsätzen, riskiert von Unternehmen, die hoffen, den Wandel beeinflussen zu können, bevor er sie überwältigt" (NZZ Fusionen 1999, 51). Die Margen werden gering werden. „Nur wer eine gewisse Größe erreicht, kann happige Gewinne einstreichen" (ebenda). Größe ist hier wohl vor allem ein großer Kundenkreis.

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3. DaimlerChrysler 3 Schon der Vorgänger des heutigen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, Edzard Reuter, wollte Daimler-Benz wachsen lassen. Ein Technologiekonzern sollte entstehen. Zu diesem Zweck akquirierte Reuter, unter manchem anderem, die schon damals fußkranke AEG. Diese Strategie mißlang und kostete die Firma mehrere Milliarden DM. Vermutlich war Schrempp, damals schon Vorstandsmitglied, an den mißlungenen Plänen beteiligt. Wernhard Möschel (1999, 10) schreibt: „Der Zusammenschluß Dasa/Fokker, der in ein Desaster mündete, wurde" von Jürgen Schrempp „mit der Erwartung auf den Weg gebracht, hier werde nicht nur deutsche ..., hier werde europäische Industriegeschichte geschrieben. Zwei Jahre später waren über zwei Milliarden Mark vernichtet". Zur Begründung des neuen Wachstumsversuchs durch eine Fusion von DaimlerBenz mit Chrysler begann Schrempp mit der Frage: „Was steckt hinter dem Trend zu globaler Präsenz und zu grenz- und kontinentüberschreitenden Fusionen?" Er antwortete: „In der Automobilindustrie sind es vor allem zwei Motive: die Nutzung von Skaleneffekten und Wachstum in neuen Märkten und Marktsegmenten" {BKA 2000, 57). Wie aus dem dann Folgenden hervorgeht, sieht er Skaleneffekte nur oder in erster Linie bei den Innovationen: Er erwartet große künftige Innovationsmöglichkeiten und berichtet, DaimlerChrysler wolle in den drei Jahren ab 1999 46 Milliarden Euro in neue Ideen, Projekte und Anlagen investieren, um „Technologievorsprünge auch in der Zukunft zu sichern". Gleichzeitig, fahrt er fort, verkürzen sich aber „die Produktzyklen, in denen sich die Investitionen amortisieren sollen" (ebenda). Deshalb „rechnen sich" die Investitionen nur, „wenn sich die Ergebnisse auf steigende Stückzahlen verteilen lassen. Und das heißt: weltweite Vermarktung" (ebenda, 58). Früher mußte Mercedes-Benz „viele unserer technischen Errungenschaften frühzeitig für unsere Wettbewerber freigeben ... Bei DaimlerChrysler haben wir jetzt die Marken und das Volumen, um die Technologien, die wir originär entwickelt haben, im Haus zu halten und für uns selbst zu nutzen" (ebenda, 58). Die Argumentation ist also ähnlich wie die zugunsten der Megafusionen in der pharmazeutischen Industrie. Bei einem Vortrag Ende Mai 2000 ergänzte sie Schrempp: „Weltweite Vermarktung" wie auch ein breites Automobilprogramm seien auch am Platze, um - insbesondere regionalen - Absatzschwankungen zu begegnen. Bei der Kartellkonferenz 1999 versuchte Schrempp die Wirkung solcher Fusionen zu verharmlosen. Aber ist es wirklich nicht problematisch, daß er nun als der oberste Konzernchef 456.000 Mitarbeiter zu dirigieren hat? Sollte man sich deshalb beruhigen, daß er - wie bei dem Vortrag - „angemessenes Verhalten" verspricht? Und gab es keinen anderen Weg für den Verkauf im Ausland und/oder für einen Erfahrungsaustausch über technische Innovationen als die Fusion, die inzwischen durch eine 34 %ige Beteiligung bei Mitsubishi ergänzt wurde? Eine weitere Beteiligung, an der Automobilindustrie Südkoreas, wurde Ende Juni 2000 diskutiert. Reichte die Größe von Daimler-Benz, vielleicht ergänzt durch Lizenzabkommen, für die Finanzierung der Innovationen nicht 3

Siehe hierzu Berg und Rott (1999).

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aus? Welche Rolle spielte die Chance, durch noch bedeutendere Größe noch mehr Druck auf die Einkaufspreise ausüben zu können? Diese Frage wird bei der Prüfung von Fusionen bisweilen vernachlässigt. Zur Stärkung der Einkaufsseite ging Schrempp noch weiter. Er gründete mit General Motors und Ford ein internetbasiertes Auktionshaus, mit dessen Hilfe ein großer Teil der Beschaffung zusammengefaßt werden soll (siehe NZZ vom 28.2.2000). Das hat die Federal Trade Commission der USA zu einer Untersuchung veranlaßt, derentwegen die drei großen Automobilkonzerne sich überrascht zeigten. Die amerikanischen Autozulieferer sehen in dem Auktionshaus nur „einen weiteren Versuch ..., die Preise zu drücken" (NZZ vom 25.3.2000, 9). Wird ein solches Mammut noch hinreichende Beweglichkeit bewahren können? Schrempp ist wohl davon überzeugt. Sein Kontrahent bei Chrysler mußte sich für den Fall seines inzwischen verwirklichten Ausscheidens keine Sorgen machen. Ihm winkten dann 97 Millionen Dollar (nach Wirtschaftswoche vom 17.2.2000, 64). Die Börse ist der Strategie Schrempps gegenüber nicht ohne Skepsis. Der Kurs der neuen DaimlerChrysler-Aktien sank von 103 Euro beim Zusammenschluß im November 1998 bis Mai 1999 auf 71 Euro und schwankte im Jahre 2000 bis 19. Juni zwischen 56,46 und 79,79 Euro. Diese ungünstige Entwicklung hat der Vorstand im Geschäftsbericht für 1999 nicht verschwiegen. Aber das im Geschäftsbericht zum Ausdruck kommende starke Selbstbewußtsein hat es nicht beeinträchtigt. Dort heißt es unter anderem: „Unser gegenwärtiger Aktienwert spiegelt damit das hohe Potenzial dieses großartigen Unternehmens nicht wider" (siehe Kurzbericht, 3). „Unser Marken- und Produkt-Portfolio und unsere Innovationsleistungen sind unerreicht" (ebenda, 5). „Wir sind ... eine der fünf angesehensten Firmen der Welt" (ebenda, 3; mit Quellenangabe). Über die Fehlschläge bei den neuen A-Modellen und beim Smart habe ich in dem 35 Druckseiten (DIN A 4) umfassenden also ausführlichen - Kurzbericht nichts gefunden. Ein Hinweis auf die Wirkung des „Einsparungsprozess(es) durch eine gestärkte Einkaufsposition aufgrund der neuen Größe des Unternehmens" (ebenda, 19) fehlt nicht. Eingespart wurden 1999 4 Milliarden Euro (ebenda). Es bleibt offen, inwieweit diese Einsparung auf die Schaffung einer „weltweit effizienteste(n) Zulieferkette" (ebenda) und auch auf größere Einkaufsmacht zurückzuführen ist. Ist ein nachhaltiger Erfolg dieser Megafusion zu erwarten? Der Berichterstatter von Fortune (vom 11.1.1999, 41) war - jedenfalls im Januar 1999 - wohl skeptisch. Aber er schloß seinen Bericht mit den Worten: „Schrempp will do everything in his power to keep things running at füll speed". 4. Zum bisherigen Umfang der Megafusionen Um diesen Aufsatz nicht zu umfangreich werden zu lassen, aber auch wegen der Schwierigkeiten, das für eine brauchbare Darstellung nötige Material zu beschaffen, muß ich mich auf die bisherigen Beispiele beschränken. Sie sind weit davon entfernt, vollständig zu sein. Die Größenordnung der bisher verwirklichten Megafusionen hängt von dem gewählten Maß ab. Als Maßgrößen werden in der Regel die Umsätze der Zusammenge-

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schlossenen im Jahr vor der Fusion oder ihr Markt- bzw. Börsenwert bei der Fusion oder kurz davor verwandt. Danach war die bisher größte Megafusion die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone AirTouch. Aber das ist vor allem auch auf den steilen Anstieg des Börsenkurses von Mannesmann in der Zeit des Kampfs um die Übernahme zurückzuführen. Fortune (vom 11.1.1999, 24-26) hat eine Übersicht über die größten Megafusionen im Jahr 1998 gegeben. Danach war damals die größte (mit 86 Milliarden $ bewertete) die von Exxon und Mobil (Mineralölindustrie) in den USA, die zweitgrößte die Fusion von Citicorp und Travellers Group, mit 73 Milliarden $ bewertet. Die dritt- bis fiinftgrößten waren drei Fusionen im Telekommunikationsbereich, mit je ungefähr 70 Milliarden $ bewertet. Erst als achte folgt Daimler-Benz-Chrysler mit einer Bewertung von 40 Milliarden $. Nach einem Bericht des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (Nr. 14/2000, 2) betrug der Wert der Zusammenschlüsse in der ganzen Welt 1999 3.400 Milliarden US-$. Gegenüber 1994 hat er sich fast versechsfacht. 1997 gehörten die größte (Wert 43 Milliarden $) und zweitgrößte (32 Milliarden $) Megafusion zum Telekommunikationsbereich. Die Megafusion zur schweizerischen UBS folgte als vierte (im Wert von 23 Milliarden $; nach NZZ Fusionen 1999, 13).

III. Zu den Ursachen der Megafusionen In der 2. Auflage meines Buches „Ursachen der Konzentration" (1968, 43) habe ich geschrieben, „der Versuch der Klärung der Ursachen der Konzentration" sei „ein schwieriges Unterfangen". Ich habe das anschließend begründet. Das Meiste davon gilt auch heute für eine Untersuchung der Ursachen der Megafusionen. Hier können - schon wegen der aktiven Beteiligung mehrerer Personen - mehrere Ursachen wirken. Auch jetzt erfährt der Außenstehende sie zum Teil nicht oder nicht vollständig. Häufig werden nicht nur wichtige Ursachen oder ein Teil von ihnen verschwiegen, sondern auch andere betont, die wahrscheinlich weniger bedeutsam sind. Hinzu kommt bei den Megafusionen eine weitere Schwierigkeit: Die Vorgänge liegen durchweg noch nicht lange zurück. Deshalb sind das Material für Analysen knapp und die Erfahrungen gering. Mit dem Folgenden kann und will ich schon aus diesen Gründen kein abschließendes Urteil abgeben. In einigen Jahren werden wir zum Beispiel über die von den aktiv Beteiligten prognostizierten Synergien sehr viel mehr wissen als heute. Es geht mir heute vor allem darum, kritisches Nachdenken über die von den aktiv Beteiligten vorgetragenen Vorteile und über Urteile anderer anzuregen, die ich für problematisch halte. Ich will auch vor möglichen negativen Folgen warnen.

1. Größenvorteile Sie spielen in den Begründungen der Megafusionen eine große Rolle. Welcher Art diese Vorteile jeweils sein sollen, wird häufig nicht klar. Angestrebt werden kann die Größe als solche, vor allem auch als Quelle von Macht und Prestige (siehe Abschnitt III. 3). So wird etwa von Sergio Marchionne, dem Chef der schweizerischen Algroup,

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berichtet, er liebe Größe, „vielleicht an sich" (NZZ Fusionen 1999, 48). Es kann sich auch um Kostenersparnisse handeln, die im Englischen economies of scale und economies of scope genannt werden. Anders als Macht und Prestige können sie auch volkswirtschaftlich positiv zu bewerten sein. Economies of scale bei der Produktion dürften durch Megafusionen allerdings nur ausnahmsweise zu erreichen sein, wenn zum Beispiel bei Überkapazitäten ein unterbeschäftigter Betrieb des einen Fusionspartners geschlossen und dadurch ein Betrieb des anderen Partners in seinem Optimum oder näher an ihm beschäftigt werden kann. In der Regel setzen economies of scale internes Wachstum voraus, etwa den Bau eines neuen Betriebs, in dem Größenvorteile, etwa durch die Anwendung einer Bereicherung des technischen Wissens, besser berücksichtigt werden. Derartige Größenvorteile will ich hier nicht weiter erörtern. Für Megafusionen dürften sie wenig relevant sein. Economies of scope sind wahrscheinlicher, zum Beispiel durch gemeinsame Nutzung einer Forschungsabteilung eines Fusionspartners. Zu den economies of scope kann man auch die bessere Nutzung der Infrastruktur eines Unternehmens des Einzelhandels durch ein engeres Filialnetz rechnen. Man kann dadurch auch Lagerkapazitäten stärker ausnutzen. Ob das bei der Megafusion im französischen Lebensmitteleinzelhandel eine Rolle gespielt hat, weiß ich nicht. Bei den mir bekannten bisherigen Fusionen mit deutscher Beteiligung dürfte dieser Einfluß jedenfalls nicht wesentlich gewesen sein. Bedeutsam kann auch die gemeinsame Nutzung der Dienstleistungen der Zentrale des Großunternehmens sein, die man als moderner Mensch natürlich englisch „headquarter services" nennen muß. Kleinert und Klodt (2000, 48) erwähnten neben Forschung und Entwicklung Marketing und Finanzierung. Zu nennen wären auch die Dienste der Rechts- und Steuerabteilung. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, daß dies bei Megafusionen eine entscheidende Rolle gespielt hat und spielen wird. Die Vergrößerung der finanziellen Mittel im allgemeinen und der Mittel für das Marketing im besonderen wie auch der leichtere Zugang des Mammuts zum Kapitalmarkt und zu Bankkrediten könnten bei manchen Megafusionen bedeutsam gewesen sein. Kantzenbach hat mit anderen Worten meines Erachtens zu Recht darauf hingewiesen, daß man die größeren Mittel gezielt mal hier, mal dort einsetzen kann {BKA 2000, 109f.). Fakten zur besseren Herausarbeitung der Rolle dieser Einflüsse kann ich nicht vortragen. Volkswirtschaftlich ergibt sich aus einem großen Gewicht wohl kaum eine Rechtfertigung einer Megafusion. Hier wären statt ihrer Verbesserungen der Kapitalund Kreditversorgung kleinerer Unternehmen am Platze. Was Jürgen Schrempp über die Verteilung der Kosten der Innovationen auf eine größere Produktion gesagt hat, ist etwas anderes. Hier geht es nicht, wie bei den economies of scale, um eine Senkung der Stückkosten der Produkte durch größere Produktion, sondern um die Abdeckung der Kosten der Innovationen während der Zeit, in der sie genutzt werden können. Darauf will ich im nächsten Abschnitt zurückkommen. Welche Rolle spielt die Größe für die Bemessung der Einkaufspreise? Hier ist zu unterscheiden zwischen Kostenreduktionen, insbesondere beim Lieferanten, durch den Einkauf größerer Mengen und dem davon unabhängigen Druck auf die Einkaufspreise. Das Erstere kann ein auch volkswirtschaftlich relevanter Vorteil sein. Dieser ist jedoch bei Megafusionen nicht sehr wahrscheinlich, da doch wohl meist jeder der großen Fusi-

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onspartner schon vor der Fusion bedeutende Mengen zu beschaffen hatte und durch die Vergrößerung der Mengen anläßlich der Fusion allenfalls ausnahmsweise weitere Kostenreduktionen zu erreichen sind. Viel relevanter dürfte wohl in der Regel der machtbedingte Druck auf die Einkaufspreise sein, der meist kein volkswirtschaftlicher, sondern nur ein einzelwirtschaftlicher Vorteil ist, wenn nämlich die Weitergabe an den Käufer unwahrscheinlich ist. Immer wieder hören und lesen wir von einer weiteren notwendigen Ursache des Größenwachstums: Unternehmen müssen wachsen, weil die Märkte größer werden, wegen des Abbaus von Handelsschranken, der Verbilligung der Transporte und der Entwicklung der Informationstechnologie. C. C. von Weizsäcker (1998, 386) meint, „transnationale Fusionen" seien „die natürliche Folge der Globalisierung der Märkte", ohne das näher zu begründen (Hervorhebung von mir). An anderer Stelle (ebenda, 15) schreibt er, die Fusionen seien „angetrieben durch die Globalisierung der Märkte". „Unter Globalisierung versteht man eine zunehmende Verflechtung der Produktion und des Absatzes von Gütern und Dienstleistungen über nationale Grenzen hinweg" (Voigt 1999,15). Hans Richenberger, Wirtschaftsredakteur der NZZ, berichtet in seinem Aufsatz „Macht industrielle Größe glücklich?" (NZZ vom 18719.12.1999), schweizer Industrielle äußerten „hin und wieder, die Globalisierung bedeute vor allem ein schrankenloses Hin und Her großer Kapitalien, der Handel mit Gütern sei indessen immer weltweit gewesen". Dem letzten Halbsatz stimme ich mit der Einschränkung zu, statt „immer" „schon lange" zu setzen. Es ist jedoch nicht zweifelhaft, daß der Abbau von Handelsschranken, die Verbilligung des Transports und die Fortschritte der Informationstechnik den Welthandel erheblich gefördert haben. Nichtsdestoweniger ist für unser Thema fraglich, ob damit die A/egafusionen hinreichend erklärt werden können, die in den letzten Jahren stattgefunden haben. Von Weizsäckers, Thesen haben nicht das Gewicht, auf das man nach seiner zuerst zitierten These schließen könnte. Uneingeschränkt richtig sind die Thesen nur, soweit wegen der jetzt abgebauten Handelsschranken zuvor optimale Betriebsgrößen zwar vorhanden waren, aber nicht ausgenutzt werden konnten, weil die entsprechenden Produktionsmengen nicht kostendeckend abgesetzt werden konnten. Waren die entsprechenden Betriebsgrößen noch nicht vorhanden, wäre zunächst internes Wachstum für deren Errichtung nötig (siehe Teil I). Nach meiner Kenntnis ist keine der bisher verwirklichten Megafusionen durch den Abbau von Handelsschranken veranlaßt worden. Ähnliches wie für den Abbau von Handelsschranken gilt für die Verbilligung von Transporten, zumal in den letzten Jahren keine wesentlichen Verbilligungen bekannt geworden sind. Es ist richtig, daß die Entwicklung der Informationstechnologie die Führung sehr großer Unternehmen mit Aktivitäten in vielen Teilen der Welt erleichtert. Aber auch hier sehe ich keine Erklärung für eine der bisher bekannt gewordenen Megafusionen in der Industrie. Hinreichende Bedingung dafür war die Entwicklung der Informationstechnologie jedenfalls nicht. Ein mit der Vergrößerung der Märkte zusammenhängendes Argument speziell für Finanzinstitute stammt von dem deutschen Wirtschaftsminister Werner Müller: Sie müßten, „um sich unter den Bedingungen der Wirtschafts- und Währungsunion neu zu positionieren, ihre Kundenbasis möglichst schnell verbreitern. Ohne Fusionen wird das

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in vielen Fällen wohl kaum zu schaffen sein" (BKA 2000, 28). Diese These wurde nicht begründet. Sie hat mich nicht überzeugt. Werner Müller trug ferner vor: „Der Zutritt zu anderen Weltmärkten ... erfordert ein Wachstum in Größenordnungen, für das mittlerweile nicht einmal mehr die großen Unternehmen genügend Zeit und Kraft aufbringen. Immer mehr Unternehmen sehen sich deshalb herausgefordert, durch Zukauf konkurrierender Firmen zu wachsen" (ebenda, 27; Hervorhebung von mir). Worauf der Minister diese These stützt, hat er nicht erklärt. Von Weizsäcker bemerkt (1998, 386), das Eindringen der Unternehmen in neue Märkte könne durch den Kauf anderer Unternehmen ganz wesentlich beschleunigt werden. An anderer Stelle (1999, 15) nennt er das den Mechanismus des Vertrauenstransfers. Der „in den Augen der Kunden bewährte Anbieter wird auch bei einem neuen Produkt (ich ergänze: des Erwerbers des Anbieters) den Vorzug bekommen, sofern sein Angebot dem des Konkurrenten mindestens gleichwertig erscheint". Der Kunde tendiere nämlich wegen der Komplexität der Produkte zu einer hohen Lieferantentreue, die durch solche Käufe leichter auf den neu Eintretenden übertragen werden könnte (ebenda). Ich meine, daß das allenfalls ausnahmsweise auf Größenvorteile zurückgeführt werden kann. Außerdem dürfte die These nur für Unternehmen gelten, die in dem neuen Absatzgebiet des Erwerbers bisher unbekannt waren, und für Produkte, die auch von Fachleuten ex ante nicht zuverlässig geprüft werden können. Die Möglichkeit, solche Produkte durch unabhängige inländische oder ausländische Importeure verkaufen zu lassen, die eine Niederlassung in der neuen Region haben, läßt von Weizsäcker - wie wohl auch Müller - außer acht. Eine natürliche Folge der Globalisierung ist das gewiß nicht. Ronaldo Schmitz trägt vor, Globalisierung sei „heute sicher das dominante Fusionsmotiv" (Wirtschaftsdienst 1998, Nr. 6, 383; Hervorhebung von mir). Er verbindet das für die verarbeitende Industrie mit einem dem Schremppschen (siehe Abschnitt II. 3) ähnlichen Argument: Man müsse zwecks höherer Verkaufszahlen neue Absatzmärkte erschließen. Die höheren Zahlen brauche man, um die ständig steigenden Innovationskosten in hinreichender Zeit zu decken (ebenda). Hans Hagen Härtel bemerkt, „Ausdehnung der Märkte" bringe „in der Regel Kostenvorteile der Massenproduktion mit sich, die einen Anstieg der Betriebsgröße nach sich zieht" {Wirtschaftsdienst 1998, Nr. 6, 390; Hervorhebung von mir). Im Rahmen seines Themas dürfte das jedenfalls eine unzulässige Verallgemeinerung sein. Wesentliche Kostenvorteile der Massenproduktion sind nur zu erwarten, wenn entweder zuvor die Kapazitäten nicht voll genutzt werden konnten oder die Handelsschranken so bedeutend waren, daß ein kostengünstiger Produktionsapparat nicht beschäftigt werden konnte. Das dürften eher Ausnahme- als Regelfälle sein. Ein nötiger Anstieg der Betriebsgröße setzt - wie schon erwähnt - in der Regel internes Wachstum voraus. Der Hinweis von Kleinert und Klodt (2000, 47), nach dem World Investment Report der Unctad 1997 seien „zwischen 40 v. H. und 70 v. H. der weltweiten Direktinvestitionen von 1985 bis 1996 durch Fusionen getätigt" worden, bedeutet für die Erklärung der Ursachen der Megafusionen wenig oder nichts. Vermutlich waren diese Fusionen überwiegend keine Megafusionen, zumal diese in den ersten Jahren dieses Berichtszeitraums keine oder nur eine bescheidene Rolle gespielt haben.

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Kohlhaussen hat - allerdings beschränkt auf die Banken - wohl mit Recht bemerkt (Süddeutsche Zeitung vom 21.10.1999, 26), die Größenvorteile würden überschätzt. Die deutschen Banken seien „groß genug". Won Weizsäcker (1999, 15) unterstellt, man habe bisher Größenvorteile nicht wahrgenommen und werde nun durch den stärkeren Wettbewerb gezwungen, das nachzuholen. Erstens bezweifle ich, daß eine solche Nachlässigkeit verbreitet war. Zweitens sind, wiederhole ich erneut, die wohl wichtigsten Größenvorteile nicht durch externes, sondern durch internes Wachstum zu erreichen. Eine zureichende Erklärung der bisherigen Megafusionen ist so nicht möglich. Anders als vermutlich Lord Griffiths bin ich auch nicht der Meinung, daß ein „Restrukturierungsbedarf auf der Hand" liegt, wenn in den Vereinigten Staaten zu bestimmten Branchen - wie Landwirtschaftsmaschinen und Haushaltsgeräte - wesentlich weniger Hersteller gehören als in der EU (NZZ Fusionen 1999, 8). Auf Größenvorteile, die in den USA, aber nicht in der EU verwirklicht sind, kann man wegen der Vielzahl möglicher Ursachen so wohl kaum schließen. Im ganzen vermute ich, daß die Bedeutung der besprochenen volkswirtschaftlich relevanten Größenvorteile bei den bisher bekannt gewordenen Megafusionen nicht groß ist.

2. Kosten und Nutzungsdauer von Innovationen Obwohl dieser Problemkreis am bedeutsamsten bei den bisherigen Megafusionen in der pharmazeutischen Industrie sein dürfte, ist er in den mir bekannten Äußerungen am klarsten (wenn auch unvollständig) von Jürgen Schrempp für die Automobilindustrie dargestellt worden (siehe Abschnitt II. 3). Mir fehlt allerdings in Schrempps Darstellung eine Unterscheidung der Innovationen: Sind sie patentfähig oder nicht? Wenn ja: Warum ist die Vergabe von Lizenzen nicht interessant? Für die Beurteilung der Argumentation wäre die Antwort wichtig. Der Economist (vom 22.1.2000, 65) berichtet, daß „some 30 % of drug firms pipelines are filled with drugs licensed from other companies". Das spricht für die Bedeutung der Lizenzen jedenfalls in der Pharmaindustrie. Geheimverfahren sind in der Automobilindustrie wenig relevant, wohl aber in der pharmazeutischen Industrie. Für sie stellt sich bezüglich der Lizenzen dieselbe Frage wie für das Patentfähige. Aus der pharmazeutischen Industrie hat sich zur Bedeutung der Innovationen Jürgen Dormann, jetzt einer der beiden Chefs von Aventis, geäußert. Er meint - abweichend vom bisher Vorgetragenen - , auf dem Pharmagebiet bedeute die Größe eines Unternehmens für die Innovationen „eigentlich relativ wenig" (BKA 2000, 96). Er begründet das mit der Geschichte seines früheren Unternehmens Hoechst: Anfang der 80er Jahre war es „Weltmarktfiihrer im Umsatz", fiel „dann nachhaltig zurück", verbesserte sich darauf durch den Erwerb der mittelgroßen Firma Marion Merrell Dow „auf Rang drei" und fiel später wieder „auf Rang elf der Pharmabranche" zurück (ebenda). Ursache dieser Veränderungen ist nach Dormanns Meinung „die Innovationskraft dieser Branche". Sie sei „so vehement, daß ein oder zwei neuartige Produkte ... die Weltlandschaft der Pharmabranche grundlegend verändern". Er zieht daraus nicht dieselben Schlüsse wie Schrempp, sondern will wohl vor allem nachweisen, daß für die „Marktdynamik ein oder zwei neue Produkte, die sich erfolgreich in (einer) späten Pha-

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se der Zulassung befinden, ... für die Marktdynamik sehr viel mehr (bedeuten) als das, was man bereits im Portfolio hat und verkauft" (ebenda). Diese Abweichung von den Thesen von Schrempp erklärt sich einerseits durch Besonderheiten der Branche (in der Regel besteht für wichtige Produkte Patentschutz, aber der Zulassungsprozeß ist langwieriger), zum anderen aber wohl aus der von Dormann stark betonten Bedeutung der Zugehörigkeit zu den Größten der Branche, die ich nicht für überzeugend halte (siehe das „Verabschiedungsargument" in Abschnitt II. 1). Dormann fährt wenig später zur Begründung „seiner" Megafusion fort: „Die Zusammenarbeit, die wir mit Rhöne-Poulenc anstreben ..., würde(n) für uns auf der Basis des Umsatzes - die Nr. 2-Position im Pharmageschehen der Welt, die Nr. 1-Position bei Impfstoffen ..., bei Tiergesundheitsprodukten ..., bei Agrochemie, Saatgut und Biotechnologie bedeuten. Dies wäre auch ein Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie". Auf „Märkten, die heute weitgehend von angelsächsischen Firmen beherrscht werden", käme ein weiterer großer europäischer Spieler „auf die Beine" (BKA 2000, 97). Ein Hinweis auf die Bedeutung der größeren Innovationskraft dieses großen „Spielers" fehlt. Die „ein oder zwei neuartigen Produkte" werden nach den bisherigen Erfahrungen früher oder später den Patentschutz verlieren und veralten. Deshalb ist auf längere Sicht entscheidend, ob dem Pharmariesen rechtzeitig ein Ersatz gelingt. Darum überzeugt mich Dormanns Argumentation nicht (siehe das Ende dieses Abschnitts). Auch die Veröffentlichungen von Hoechst anläßlich der Aufforderung zum Aktienumtausch verstärken den Eindruck, daß für Dormann die bedeutendere Größe eine hinreichende Bedingung für wichtige Innovationen ist. Für Pflanzenschutz und Pflanzenproduktion heißt es dort noch, die „Zusammenführung" dieser Teile der Unternehmen werde Aventis „in die Lage versetzen, schneller und effizienter Produkte für sich verändernde Märkte zu entwickeln, zu vertreiben und dadurch die strategische Position der Gesellschaft zu verbessern". Warum war dafür Hoechst nicht schon allein groß genug? Die Bedeutung des Vertriebs für solche Fusionen betont C. C. von Weizsäcker (1999, 15): „Die enormen Kosten eines ... Vertriebsnetzes sind nur dann zu rechtfertigen, wenn hinreichend viele interessante und noch patentgeschützte Medikamente verfügbar sind, die über dieses Vertriebsnetz verkauft werden können. Um dieses zu gewährleisten, finden Pharmafusionen statt". Merkwürdigerweise wird nicht die Frage aufgeworfen, ob und warum bedeutende und offenbar erfolgreiche Pharmaunternehmen wie Boehringer Ingelheim, Merck oder Schering, die - zumindest bisher - auf Fusionen verzichtet haben, überleben konnten und warum man nicht auch über den selbständigen Handel oder Provisionsvertreter vertreiben kann. War das Vertriebsnetz der bisherigen Teilnehmer an Megafusionen zuvor nicht groß genug? Die Gegenposition zu Dormann und von Weizsäcker vertritt Hans Joachim Langmann, bis vor kurzem Chef der Darmstädter Firma Merck: Im Pharma- und Chemiegeschäft braucht man nicht den Umfang eines Dinosauriers, um sich erfolgreich am Markt behaupten zu können (nach NZZ vom 15.3.2000). Daniel Hofmann berichtet in seinem Aufsatz „Die Skepsis bleibt" (NZZ vom 8.2.2000), von namhaften Konzernchefs werde die These vertreten, daß „die 20 größten (Pharma-)Unternehmen die kritische Größe sehr wohl erreicht haben". Diese Größe ist dadurch gekennzeichnet, daß sie für die Fi-

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nanzierung der immer teurer werdenden Forschung und Entwicklung und zu einem adäquaten Risikoausgleich ausreicht. Hofmann fährt fort: „Verlangt wird ... Innovationsbereitschafit, eine Eigenschaft, die bis heute am ehesten bei kleinen, flexiblen Einheiten und weniger bei Mammut-Konzernen gefunden werden kann". An anderer Stelle ergänzt Hofmann, die Einführung alternativer Forschungs- und Entwicklungsstrategien aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse werde „eher von kleinen, dynamischen Außenseitern als von großen, schwerfälligen Forschungsorganisationen geschafft werden" (NZZ Fusionen 1999, 31). Ein großes Forschungsbudget mag für manche Forschungen eine notwendige Bedingung sein. Eine hinreichende Bedingung für Forschungserfolge ist es nicht. Wenn einem innovativen Forscherteam Geldmittel fehlen, wäre die richtige volkswirtschaftliche Folgerung nicht die Megafusion, sondern die Verbesserung des Zugangs tüchtiger Forscher zu den Geld- und Kreditquellen. Das von Hofmann zuletzt Zitierte enthält implizit zugleich ein Gegenargument gegen von Weizsäckers These von möglichen hohen Effizienzminderungen durch Eingriffe in Megafusionen, die nicht zur Marktbeherrschung fuhren (siehe Teil IV. 1). Es ist auch ein Hinweis auf die Problematik der Argumentation von Dormann. Auch große Unternehmen haben durch den Wegfall des Patentschutzes von wichtigen Produkten 40 bis 60% ihres Jahresumsatzes verloren. 4 Es kommt also auf die Innovationskraft (und nicht auf die Größe des Unternehmens als solche) an, die einen rechtzeitigen Ersatz des Wegfalls solcher Umsatzträger erlaubt. Das von Hofmann Zitierte dürfte auch erklären, warum das Baseler Großunternehmen Roche seine amerikanische Tochter Genentech „völlig unabhängig operieren" läßt (ebenda, 29). Wird eine mögliche Änderung der Forschungsstrategie zugunsten von Megafusionen wirken? Die leitenden Herren von Glaxo Wellcome und SmithKline Beecham, nach Vollendung der Fusion (vorläufig?) das größte Pharmaunternehmen der Welt, glauben an eine fundamentale Veränderung der Forschungsstrategie (siehe Abschnitt II. 1). Ob das die Forschung nochmals verteuert, wird nicht berichtet. Aber erstens ist der Erfolg dieses Forschungswegs noch nicht sicher, und zweitens zweifle ich, ob sein „Zwischenerfolg", nämlich das Verständnis der genetischen Ursachen der Krankheiten, patentfähig sein wird. Mir scheint das vorerst jedenfalls eine wacklige Begründung für weitere Megafusionen zu sein, zumal bei den Bedenken gegen die Produktivität von riesigen Forschungseinrichtungen. Wettbewerb der Forscher wird vermutlich auch hier das bessere Entdeckungsverfahren sein. Der wohl auch zur Minderung der Bedenken gegen die geforderte Größe oder „kritische Masse" gegebene Hinweis auf die relativ geringen Marktanteile der Pharmariesen überzeugt nicht. Auch die größten Unternehmen erzeugen nur einen geringen Teil der Heilmittel. Wenn sie deshalb auf dem Gesamtmarkt aller Heilmittel nur einen geringen Anteil haben, schließt das nicht aus, daß ihr Anteil an Teilmärkten für bestimmte patentierte und unter Umständen sehr wichtige Heilmittel sehr groß ist. Eher ist es wahrscheinlich.

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Nach Daniel Hofmann, Globale Fusionitis in der Pharmaindustrie, NZZ Fusionen auch das Ende von Abschnitt II. 1 über Zantac.

(1999, 28); siehe

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3. Macht, Unsicherheit, Nachahmung und Mode Das in diesem Abschnitt zu Behandelnde hat gemeinsam, daß die aktiv Beteiligten darüber nicht zu sprechen pflegen und daß man es nicht quantifizieren kann. Auch hier darf man daraus nicht schließen, es handle sich um unbedeutende Einflußgrößen. Vermutlich ist ihr Einfluß groß. Die drei im Titel des Abschnitts zuletzt Erwähnten hängen miteinander zusammen. Das Machtstreben hat Verbindung mit dem Streben nach der Größe als solche. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, Macht gebe es nur bei einer marktbeherrschenden Stellung oder gar nur bei einer solchen Stellung auf den Absatzmärkten (siehe Lenel 2000). Machtstreben und dessen Einfluß auf die Megafusionen seien deshalb nur zu erwarten, wenn Aussicht auf eine solche Stellung bestehe. Die Feststellung von Marktbeherrschung im Sinne des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hängt von der Abgrenzung des „relevanten Marktes" ab. Sie ist häufig strittig. Die Stellung auf Märkten mit verwandten Produkten wird bei der Entscheidung nicht herangezogen. Ein Unternehmen (etwa der pharmazeutischen Industrie), das auf (unter Umständen zahlreichen) Märkten verwandter Produkte eine starke Stellung, aber auf keinem eine eindeutig marktbeherrschende Stellung hat, verfugt in der Regel nichtsdestoweniger über Marktmacht. Dieter Wolf fragt mit Recht nach dem Gefährdungspotential eines Zusammenschlusses, der „keine Marktanteilsaddition" zur Folge hat, „weil nicht derselbe, sondern ein oder mehrere verwandte sachlich relevante Märkte von dem Zusammenschluß betroffen sind" (BKA 2000, 16). Die häufig vernachlässigte Macht auf Beschaffungsmärkten zahlt sich nicht nur im (insbesondere Lebensmittel-)Einzelhandel aus. Nicht zufällig gehören an Lebensmittelhandel-Konzernen stark Beteiligte zu den Reichsten. Immer wieder wird auf die Möglichkeit der Kostensenkung durch Verstärkung der Einkaufskraft hingewiesen, so auch durch den deutschen Wirtschaftsminister Müller (1999, 6). Aber diese Stärkung im einzelwirtschaftlichen Sinn hat zwei schon früher angedeutete Aspekte. Der eine ist auch volkswirtschaftlich positiv zu bewerten: Wegen der Abnahme größerer Mengen kann der Lieferant kostengünstiger produzieren. Der andere ist die Folge der größeren Macht nach der Fusion, die einen durch Kostensenkung nicht begründeten Druck auf die Einkaufspreise erlaubt. Er ist in der Regel volkswirtschaftlich negativ zu bewerten. Die Möglichkeit des Drucks auf die Einkaufspreise dürfte einen wichtigen Einfluß auf das Streben nach Megafusionen ausgeübt haben und ausüben. Die Mächtigen „brauchen nicht einmal tatsächlich auf den Kriegspfad zu gehen; ihre bloße Existenz schüchtert den Wettbewerb auf allen Märkten ein, auf denen sie tätig sind" (Böhm 1961, 21). Wirtschaftliche Macht bringt auch politischen Einfluß mit sich. Wer über 100.000 oder gar mehrere hunderttausend Beschäftigte verfügt oder - wie es Jürgen Schrempp freundlicher ausgedrückt hat - für sie die Verantwortung hat (BKA 2000, 61), braucht kaum noch zu furchten, daß sein Unternehmen Schiffbruch erleidet. Der Staat wird es stützen. Er wird ihm eher Subventionen gewähren (auch wegen des Einflusses der tüchtigen Lobbys, welche ein Mammut beschäftigen kann), und er wird beim Erlaß von Gesetzen und Verordnungen die Wünsche des Mammuts möglichst nicht außer acht lassen. Die Milliardensubventionen für die Forschung von Siemens - trotz der hohen liquiden

18 • Hans Otto Lenel Mittel des durch sie Begünstigten und trotz der zweifelhaften Erfolgsaussichten - sind ein gutes Beispiel. Mit Recht hat Dieter Wolf bemerkt, „daß wir unseren traditionellen Kontrollansatz (Marktbeherrschung) zumindest überdenken müssen, wenn die Fusionskontrolle auf globalen Märkten ihren Anspruch auf Domestizierung ökonomischer Macht nicht aufgeben will" (BKA 2000, 15). Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat zwar an die Feststellung der Bundesregierung 1973 erinnert, daß „übermächtige Ballungen wirtschaftlicher Macht die Grundlage unserer freiheitlichen Ordnung" zerstören. „Politische Demokratie und Marktwirtschaft sind ohne Dezentralisierung der Macht nicht denkbar" (BKA 2000, 31). Aber er hat seinen Hinweis bald darauf stark abgemildert: „Denn in einer Gesellschaft, in der die Pluralität der Meinungen, der Einflüsse und das Spiel der unterschiedlichen politischen Kräfte gewährleistet ist, kann es eine Erpreßbarkeit der Politik eigentlich nicht geben" (BKA 2000, 32). Erpressung ist jedoch nur eine Möglichkeit zur Ausübung der Macht. Im Widerspruch zum von ihm zuletzt Zitierten hat Müller am Ende seines Vortrags von der Frage eines am Zusammenschluß von Travellers Group und Citicorp Beteiligten am Ende der Verhandlungen 1998 berichtet: „Was glauben Sie. Kann uns jetzt eigentlich noch irgendjemand stoppen?" (BKA 2000, 37). „Das Umschlagen von wirtschaftlicher Macht in politischen Einfluß wird" nicht „damit relativiert", daß Großkonzerne dezentralisiert gefuhrt werden. Der politische Einfluß wird von der Zentrale ausgeübt. Ein Monopol ist dafür nicht erforderlich. 5 Es ist erschreckend, wie oft bei Stellungnahmen zu Megafusionen das Problem der privaten wirtschaftlichen Macht übersehen oder verschwiegen wird, die dabei entsteht oder verstärkt wird - ob von den aktiv Beteiligten erstrebt oder nicht. Die Deregulierung und der technische Fortschritt können Unsicherheit bewirken, die Privatisierung vor allem auch im Bereich der Telekommunikation. Man hat versucht, ihr spekulativ zu begegnen, so in dem in Abschnitt II. 2 geschilderten Fall Mannesmann. Oder man versucht, sie durch Machtzuwachs oder Anlehnung an einen Mächtigen zu mindern. Das könnte vielleicht manche Pharma-Megafusionen erklären, vielleicht auch das Vorpreschen von Daimler-Benz. In der Pharma-Branche hat Deregulierung bisher keine Rolle gespielt. Eher ging es darum, den Folgen des problematischen Versuchs des öffentlichen Sektors zu begegnen, mit den Defiziten im Gesundheitswesen durch weitere Regulierung fertig zu werden. Vor allem zur Deregulierung bemerken Kleinert und Klodt (2000, 49), , jähre- oder jahrzehntelanger erzwungener Stillstand in der Struktur einer Industrie" lasse „sich am schnellsten (und vielleicht auch billigsten) über Fusionen den neuen Gegebenheiten" (Fortschritt, Deregulierung, Privatisierung) anpassen. Sie erwähnen dabei für Europa die Telekommunikation und den Finanzsektor. Für die Telekommunikation erweckt der Fall Mannesmann-Vodafone Zweifel an der Eignung der Megafusion, für den Finanzsektor die mißglückte Megafusion Deutsche Bank und Dresdner Bank. Von beiden hatten Kleinert und Klodt noch keine vollständige Kenntnis, als sie schrieben. Aber der Zusammenschluß zur UBS in der Schweiz, der Kauf von Bankers Trust durch die Deutsche Bank und mehrere Megafusionen von Finanzinstituten in den 5

Zitat von Hans Richenberger

in: NZZ Fusionen (1999, 13); „nicht" stammt von mir.

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Vereinigten Staaten 1998 dürften ihnen bekannt gewesen sein. Am Wert der Fusionierenden gemessen war die größte von ihnen die Fusion von Citicorp und Travellers Group (Börsenwert - laut Fortune vom 11.1.1999, 24-73 Milliarden US $). Kleinert und Klodt haben sie nicht erörtert. Über Deutsche Bank/Bankers Trust werden in einer Tabelle (ebenda, 62) Zahlen ohne Kommentar aufgeführt. Auf Seite 94 wird nur erwähnt, die Fusion habe „für Aufsehen gesorgt". Der Bericht über die Probleme von Citicorp/Travellers Group in Fortune (ebenda, 28ff.) bestärkte meine Skepsis gegenüber dem obigen Schluß von Kleinert und Klodt. Ich zweifle auch an der grundsätzlichen Eignung der Megafusion für das von diesen Autoren Erwähnte. Später kommen sie auf die Problematik, jetzt für die Banken, zurück. Einleitend nennen sie mehrere Gründe für Effizienzgewinne nach einer Deregulierung: „Zunahme des Wettbewerbs" bringt „Bewegung in alt eingefahrene Strukturen und Abläufe". „Anpassungen innerhalb der Branche" werden möglich, „die mit einem Abbau von Überkapazitäten und Rationalisierungen einhergehen können". Mehr Wettbewerb kann „einen schnelleren technischen Wandel zur Folge haben, da Gewinne nicht mehr garantiert sind ..." (ebenda, 69). In Teil IV. werden wir sehen, daß mehr Wettbewerb durch Megafusionen wenig wahrscheinlich ist. Keiner der von Kleinert und Klodt genannten Gründe scheint mir bei Deutsche Bank-Bankers Trust oder den amerikanischen Megafusionen 1998 wahrscheinlich zu sein. Bei der schweizerischen UBS mögen Überkapazitäten vorhanden sein. Die beiden Autoren betonen dann die Rationalisierungsgewinne und schreiben, sie dürften „eher dort auftreten, wo überlappende Filialnetze gestrafft werden können" (ebenda). Was ist hier „überlappend"? Häufig steht diesen Gewinnen - wie bei UBS und bei Thyssen und Krupp - ein Wegfall von Alternativen für die Kunden und eine Minderung des Wettbewerbs gegenüber. Nach meinen einleitenden Worten zu diesem Abschnitt gehört Unsicherheit zu den Einflüssen, von denen die aktiv Beteiligten nicht oder nur selten sprechen. Deshalb ist es auch schwer, ihre Bedeutung zu ermessen. Bei den Größen, die ihrerseits Unsicherheit bewirken, ist es dagegen im Einzelfall eher möglich, den Einfluß einigermaßen zu veranschlagen. Der erwartete rasche technische Fortschritt hat nach den Worten von Jürgen Schrempp auf „seine" Megafusion gewirkt. Die Möglichkeit einer Minderung von Unsicherheit dürfte jedoch nicht hinreichend sein, die Megafusion DaimlerChrysler oder die Megafusionen im Pharmabereich zu erklären und klarzustellen, daß es keine anderen Wege gab, der Unsicherheit aus dem technischen Fortschritt zu begegnen. Bei Mannesmann hat der technische Fortschritt gemeinsam mit der Deregulierung und Privatisierung der Telekommunikation gewirkt. Für die anderen Bereiche, in denen bisher Megafusionen stattfanden, kann ich über diese Einflußgrößen nichts berichten. Ursache der Nachahmung kann sein, daß das Nachgeahmte zur Zeit Mode ist. Darauf komme ich noch zurück. Möglich ist aber auch, daß eine andere Megafusion die eigene Wettbewerbsposition bedroht und daß man deshalb dem Beispiel des Konkurrenten folgt. Die Erklärung von Werner Müller, „manch einer läßt sich eben lieber schieben als selbst Vorreiter zu sein" {BKA 2000, 29), mag für einige Fälle richtig sein, aber keineswegs für alle. Besonders klar ist der Fall auf der oft vernachlässigten Beschaffungsseite: Wer mit dem „Megafusionsreigen" angefangen hat, gewann vielleicht dadurch die Möglichkeit, stärkeren Druck auf die Einkaufspreise auszuüben. Der Konkurrent folgte,

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weil er ohne diese Möglichkeit zum Preisdruck furchtet, die Konkurrenzfähigkeit zu verlieren. Die doch wohl positiv gemeinte Bezeichnung „Vorreiter" für den zuerst Fusionierenden ist unter diesen Umständen dann nur einzelwirtschafitlich gerechtfertigt. Es könnte freilich auch sein, daß der Erste einfach der Modeerscheinung „Megafusion" Rechnung tragen wollte, vielleicht von Beratern oder Investmentbankern getrieben. Der früher zuständige EU-Kommissar van Miert räumt ein, die Mode, die geschäftstüchtigen Investmentbanker und Consultants spielten „sicherlich auch eine gewisse Rolle". Aber hier liege „nicht die ganze Wahrheit" {BKA 2000, 41). Kohlhaussen, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank, bemerkt, die Fusionswelle in der deutschen Kreditwirtschaft habe „starke Züge einer Modeerscheinung" (siehe Handelsblatt vom 22.9.1999, 22). Hans Richenberger meint, der Verdacht sei „nicht von der Hand zu weisen, daß ein Herdentrieb oder ein modischer Trend Spitzenmanager in eine eigentliche Gigantomanie hineingetrieben hat" (NZZ Fusionen 1999, 12). Fortune (vom 11.1.1999, 26) stellt fest, daß noch eine über die Mode hinausgehende Manie die Megafusionen kennzeichnen könne, und verweist dabei auf den bekannten amerikanischen Wirtschaftshistoriker Charles P. Kindleberger, der berichtet, die Geschichte sei voll von „manias": „canal manias, railroad manias, joint stock Company manias...".

4. Anpassung: Beschränkung auf das „Kerngeschäft", Synergien, Abbau von Uberkapazitäten Minister Müller (1999, 5) sieht die Megafusionen (nur oder vorwiegend?) als „Mittel der Strukturanpassung im Rahmen marktwirtschaftlicher Prozesse" und fordert für sie „Verständnis und positives Begleiten". Daß sie zur Strukturveränderung fuhren, ist augenscheinlich. Wer statt „Veränderung" - wie Müller - „Anpassung" setzt, sollte ergänzen, welcher Art die Anpassung sein soll. Müller würde wohl erwidern: „an die Globalisierung der Wirtschaft". Daraufhin müßte ich einen großen Teil meiner bisherigen Bemerkungen wiederholen, was ich jedoch unterlasse. Ich behandle vielmehr nur Teilaspekte und beginne mit der Beschränkung auf das Kerngeschäft als einer Art der Anpassung. Sie ist im Grunde nichts anderes als eine Kehrtwendung von der bis vor wenigen Jahren empfohlenen Diversifizierung. Bechtold hat statt „Kerngeschäft" „Kernkompetenz" gesetzt und vorgetragen, die Besinnung darauf stehe im „Vordergrund" der unternehmerischen Gründe für Megafusionen. Hinzu trete „das Bedürfnis, diese Kernkompetenz durch regionale Ausweitung zu stärken. Das Ergebnis sind dann Fusionen im Weltmaßstab" {BKA 2000, 120). So allgemein ist das wohl kaum richtig. Die Problematik von Worten wie „Kerngeschäft" und „Kernkompetenz" zur Kennzeichnung der Ursachen der Megafusionen habe ich beim Beispiel Mannesmann schon angedeutet (siehe Abschnitt II. 2). Die Kernkompetenz von Thyssen dürfte doch wohl die Herstellung von Eisen und Stahl gewesen sein. Sie soll aber in den Hintergrund treten. Die Fusion von Thyssen mit Krupp war keine „regionale Ausweitung". Exxon und Mobil waren schon vor ihrer Fusion weltweit vertreten. Hoechst hätte sich vor einigen Jahren wohl entschieden dagegen gewehrt, wenn jemand vorgetragen hätte, in anderen Sparten

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ihres Chemiegeschäfts außer den Pharmazeutika sei dieses Unternehmen weniger kompetent. Richtiger wäre wohl, von einer Konzentration auf die rentabelste Sparte zu sprechen. Etwas anderes ist das sog. „Outsourcing". Man verzichtet nicht auf manche Sparten, sondern darauf, alle Teile eines Produkts selbst herzustellen. Man bedient sich statt dessen der Zulieferer. Hier spielt gewiß die Entwicklung der Informations- und Transporttechnik eine erhebliche Rolle. Die bisherigen Megafusionen lassen sich jedoch so wohl kaum erklären. Ich meine, daß zwar unter den Anpassungen die Beschränkung auf das „Kerngeschäft" bei manchen Unternehmen bedeutsam war. Ihre Rolle für die Erklärung der bisherigen Megafusionen dürfte aber bescheiden sein. Bei nahezu keiner der bisher bekanntgewordenen Megafusionen fehlte der Hinweis auf die dadurch zu erwartenden Synergien. Häufig wurden dafür große Beträge genannt. Die bisherigen Erfahrungen sprechen für Skepsis. 6 In einem Fall, der Fusion von Karstadt und Quelle, wurde ganz offen berichtet, ein erheblicher Teil der genannten Synergien sei die Folge erhöhter Einkaufsmacht, obwohl das Wort „Synergien" dafür gar nicht paßt. In mehreren anderen Fällen wurden namhafte Beträge durch erwartete Personalentlassungen als Synergien bezeichnet. Hier ist nicht nur nach der Beschäftigungswirkung in der Volkswirtschaft, sondern auch danach zu fragen, wie die Entlassungen durch Schließung oder Verkleinerung von Unternehmensteilen auf die Wahlmöglichkeiten der Marktpartner und auf den Wettbewerb wirken. Zu Einzelheiten habe ich mich schon im Abschnitt III. 1 bei der Besprechung der economies of scope geäußert. Zu den Anpassungsmaßnahmen, die anläßlich von Megafusionen genannt werden, gehört auch der Abbau von Überkapazitäten. Kleinert und Klodt (2000, 56) bemerken, daß durch einen Zusammenschluß „lange Verlustphasen im Duopol" vermieden werden können. Sie versuchen das durch eine Analyse nachzuweisen, als deren Ergebnis sie vortragen: „Je höher die fixen Kosten eines Unternehmens sind, desto eher wird es aus dem Markt austreten. Dieser Darwinsche' Auswahlmechanismus sichert, daß das produktivste Unternehmen am Markt verbleibt" (ebenda, 53). Ich halte das so allgemein nicht für richtig. Ich habe darüber in der 2. Auflage meiner „Ursachen der Konzentration" geschrieben (1968, 79f. und 355f.) und verweise in diesem Zusammenhang auch auf die dort angegebene Dissertation von Daniels (1958). Ob eine Megafusion wegen bestehender Überkapazitäten vo/fcwirtschaftlich zweckmäßig ist, kann nur durch sorgfaltige Prüfung im Einzelfall festgestellt werden. Dazu ist vor allem zu klären, wie die Überkapazitäten auf diesem Wege abgebaut werden sollen und abgebaut wurden. Inwieweit wurden, vor allem mittels Wettbewerbsbeschränkung, die Nachfragenden und der Staat mit den Kosten des Abbaus belastet?

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Siehe hierzu auch den Bericht über die einschlägigen Untersuchungen von Sirower bei Kleinert und Klodt (2000, 62f.).

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5. Persönliche Motive der die Megafusion Erstrebenden und zur Bedeutung ihrer und ihrer Nachfolger Persönlichkeit Minister Werner Müller hat eingeräumt: „Schließlich können auch nur pures Machtstreben, falscher Ehrgeiz oder Prestigesucht der Auslöser für Fusionen sein" (BKA 2000, 29). Aber, fuhr er fort, „oft halten solche Zusammenschlüsse schon deshalb nicht sehr lange, weil es ihnen an wirtschaftlicher Logik fehlt". „In der Regel werden Unternehmen das Wagnis von Fusionen nur eingehen, wenn sich diese als ökonomisch begründbar erweisen. Das ist ein Argument mehr, sich solchen Vorhaben nicht in den Weg zu stellen". Mit dem letzten Satz übersieht wohl Müller, daß es einzelwirtschaftlich richtige, aber volkswirtschaftlich falsche Begründungen gibt (zum Beispiel mehr Marktmacht), und daß außerdem Begründungen auch unzutreffend sein können. Ganz anders und nach meiner Meinung zutreffender wendet sich Tilman Slembeck (NZZ Fusionen 1999, 9) diesen Einflußgrößen zu: Zunächst gilt es „unvoreingenommen zu fragen, worin das persönliche Interesse der Manager bei einer Fusion bestehen kann". Es „dürfte primär in der Erhaltung oder Steigerung von Einkommen, Macht, Prestige und Autonomie liegen". Einige Seiten später folgt von Manfred Kets de Vries (ebenda, 17) eine Ergänzung: „Der wahre Grund für einen Zusammenschluß ist... vielfach die Angst vor der Zukunft". In einem größeren Unternehmen fühlt man sich sicherer. Wenn überhaupt, wird sich zu diesen Einflußgrößen kein aktiv an einer Megafusion Beteiligter in der Öffentlichkeit positiv äußern. Aber daraus sollte man wieder nicht schließen, daß sie keine oder nur eine bescheidene Rolle spielen. Ihre Rolle dürften auch Berater und Investmentbanken fordern, zumal durch die Fusionen Honorare und Provisionen zu erwarten sind. Der von Jürgen Dormann, früher bei Hoechst, jetzt bei Aventis, geäußerte Gedanke, sein Unternehmen müsse zu den größten Drei gehören, um sich nicht verabschieden zu müssen, soll ursprünglich von Beratern stammen. Berg und Rott (1999, 31) vermerken, bei der Fusion DaimlerChrysler seien nach dem Verschmelzungsbericht (Seite 87) etwa 550 Millionen DM für Honorare an beratende Banken, Gutachter und Rechtsanwälte angefallen. Man kann nur Vermutungen darüber anstellen, welches Gewicht zum Beispiel bei der Gewährung eines Aufgelds von 43 % auf den Kurs der Aktien von Bankers Trust 7 bzw. bei der dann mißglückten Fusion mit der Dresdner Bank für den Vorstand der Deutschen Bank die Möglichkeit hatte, dadurch eine noch viel größere bzw. die größte Bank der Welt zu werden. Was sprach aber sonst für diese externen Wachstumsvorgänge? Ein Interview von Fortune (vom 11.1.1999, 36) mit Rolf Breuer wegen Bankers Trust hat mich jedenfalls nicht von der Bedeutung anderer Einflußgrößen überzeugt. Auch Presseberichte über Erklärungen Breuers nach dem Scheitern der Fusion mit der Dresdner Bank und über die Pressekonferenz der Dresdner Bank lassen am Gewicht bzw. der sorgfältigen Prüfung solcher Einflußgrößen zweifeln (siehe etwa NZZ vom 7. und 8.4.2000, 9 bzw. 13).

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2,6 Milliarden, nach Fortune vom 11.1.1999, 45; siehe hierzu auch die von Tully übernommenen Zahlen bei Kleinert und Klodt (2000, 62).

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Die Bedeutung einer Erhöhung des Einkommens als Einflußgröße mag man bei Megafusionen anzweifeln, weil das Einkommen bei Managern der Fusionierenden ohnehin meist hoch ist. Aber man täusche sich nicht! Nicht zufällig hat man bei einer der ersten Hauptversammlungen von DaimlerChrysler günstigere Aktienoptionen, auch für den Vorstand, eingeführt. Daß eine Megafusion schon durch das starke Anwachsen der Zahl der Untergebenen zu höherer persönlicher Macht der Leitenden fuhrt, braucht wohl nicht näher erklärt zu werden. Ähnliches gilt für den Zuwachs an Prestige. Der erfolgreiche Abschluß einer Megafusion dürfte nicht nur zu Machtzuwachs, sondern auch zur Profilierung der beteiligten Manager beitragen. Schließlich soll es „vorkommen, daß Topmanager in gutgehenden Unternehmen persönlich an einer Unterversorgung mit Aktivität und Dynamik leiden - ein Umstand, dem mittels Fusion meist auf längere Zeit abgeholfen werden kann" (NZZ Fusionen 1999, 10). Das oben mit dem Hinweis auf die Angst angeschnittene Sicherheitsbedürfnis ist noch durch einen Hinweis unter dem Stichwort „Autonomie" zu ergänzen: Die Übernahme durch ein anderes Unternehmen, bei der man - mit oder ohne saftige Abgangsentschädigung - die Stellung verlieren kann, wird weniger wahrscheinlich, nachdem das zu übernehmende Unternehmen durch eine Megafusion wesentlich gewachsen ist. Vermutlich haben Werner Müller und andere dies alles nicht gebührend berücksichtigt. Ökonomische Begründungen werden sich oft finden lassen. Meist gibt es ja neben den persönlichen Motiven noch andere Einflußgrößen, die man lieber nennt, selbst wenn sie ein geringes Gewicht haben. An dieser Stelle möchte ich noch einige Bemerkungen über die Bedeutung der leitenden Persönlichkeiten für die Megafusionen folgen lassen. Helmut Maucher, langjähriger Chef von Nestlé, meinte, jede Unternehmensgröße sei „führbar, sofern man über die richtige Persönlichkeit verfüge und sich für eine starke Dezentralisation entscheide" (NZZ Fusionen 1999, 7). Dezentralisation setzt voraus, daß man auf manche - angebliche oder wirkliche - Vorteile der Größe verzichtet, wie etwa die économies of scale, und die Koordination der dezentralisierten Teile meistert. Das Letztere ist wieder eine Frage der „richtigen Persönlichkeit" wie auch der Eigenarten des Unternehmens. Mauchers einschlägige Feststellung steht und fällt mit der weiteren Frage, ob sich eine solche Persönlichkeit für jede Größe und jede Art des Unternehmens finden läßt und gefunden wird. Joseph Schumpeter (1942, 101) war optimistisch. Er schrieb, ein Monopol könne den Einflußbereich der besseren Köpfe vergrößern. Er hat außer acht gelassen, daß sich die Leitungsprobleme mit der Zunahme der Größe des Unternehmens wandeln. Ein besserer Kopf ist nicht jeder Aufgabe gewachsen. Sind die - knappen - besseren Köpfe mit ihren bisherigen Aufgaben fertig geworden, ist damit nicht erwiesen, daß sie allen durch das Wachstum des Unternehmens geänderten Aufgaben gerecht werden können. Unter anderem sind nach einer Megafusion zusätzlich Kompetenzstreitigkeiten zu schlichten und persönliche Gegensätze auszugleichen, die sich aus einer Unterordnung oder einer unklaren Gleichordnung ergeben können. Von der Persönlichkeit des Leitenden hängt es ab, inwieweit ein Unternehmen nach einer Megafusion trotz der gewachsenen Bürokratisierungstendenzen lebendig und beweglich bleibt und inwieweit Tendenzen zur Cliquenbildung und zu Intrigen unterbunden werden können. Das Vorurteil für das größere Unternehmen, das solche Umstände nicht gebührend berücksich-

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tigt, beruht auf einem ähnlichen Irrtum wie das heute - durch negative Erfahrungen weitgehend überwundene Vorurteil zugunsten der zentralen Planung einer Volkswirtschaft. In beiden Fällen wird die Leistungsfähigkeit anonym wirkender Institutionen unterschätzt und die Leistungsfähigkeit der „besseren Köpfe" überschätzt. Außerdem ergibt sich auf längere Sicht die Frage, ob als Nachfolger ein geeigneter, ebenso qualifizierter Kopf gefunden werden kann. Je nach der Qualifikation der ihn Auswählenden besteht die mehr oder weniger große Gefahr, daß ein allen genehmer Kompromißkandidat oder einer ausgewählt wird, der sich geschickt zu „verkaufen" versteht. Er braucht durchaus nicht der geeignetste zu sein. Für die Bedeutung des Problems der Nachfolge studiere man einmal die Geschichte großer Unternehmen, etwa der Deutschen Bank seit 1948. Haben Kopper und Breuer die Führungskompetenz von Hermann J. Abs? Schließlich sind die einschlägigen Probleme der Arbeitsteilung zu bedenken. Je größer ein Unternehmen wird, desto weniger kann sein Leiter selbst tun. Er muß scheitern, wenn es ihm nicht gelingt, qualifizierte Mitarbeiter in der erforderlichen Zahl und Qualität heranzuziehen und zu koordinieren. Als besonders schwierig, wenn nicht unlösbar, hat sich erwiesen, die Leitung auf zwei, aus je einem der Fusionierenden kommenden Persönlichkeiten aufzuteilen. So einfach, wie man aus Mauchers These schließen könnte, ist dieser Aspekt des Problems der Megafusionen wohl kaum.

IV. Der Wettbewerb als Ursache der Megafusionen und deren Wirkungen auf den Wettbewerb Von Weizsäcker schreibt (1999, 15):„Nachdem durch die Globalisierung die effektiven Marktanteile auf dem nun größeren (globalen) Markt abgenommen haben, erzwingt genau diese Dekonzentration eine stärkere Rekonzentration durch Umstrukturierung der Unternehmen - nach dem Prinzip, sich dort zurückzuziehen, wo man geringe Marktanteile hat, und dort Marktanteile hinzuzuerwerben, wo man sich stark fühlt. Die Marktanteile wandern von dem Schwachen auf diesem Markt zu dem Starken, gemäß der alten Einsicht der Ökonomen: Jedes Gut wandert in der Marktwirtschaft zum besten Wirt" (Hervorhebung von mir). Aus zwei Gründen kann ich dem, so allgemein formuliert, nicht zustimmen: Erstens zwingt die Tatsache, daß ein Unternehmen auf einem größeren Markt geringere Anteile hat als zuvor auf einem kleineren, das Unternehmen nicht, durch eine Fusion mit einem anderen Anteile hinzuzuerwerben. Freilich können marktstrategische Überlegungen einen solchen Erwerb nahelegen, vor allem, wenn es darum geht, möglichst keine Marktmacht zu verlieren. Damit ist zugleich umschrieben, wie eine Zunahme des Wettbewerbs zur Ursache von Megafusionen werden kann. Diese Ursache wird häufig übersehen oder verschwiegen. Sie dürfte oft bedeutsam sein. Zweitens kann man auch nicht davon ausgehen, daß Fusionen immer oder doch in der Regel zwischen einem Starken und einem Schwachen stattfinden. Der nach der Fusion von Glaxo Wellcome mit SmithKline Beecham vorgesehene neue Chef hob zwei andere Fälle hervor: die Fusion zwischen zwei Schwachen und zwischen zwei Starken (siehe Abschnitt II. 1). Wie paßt das „zu der alten Einsicht der Ökonomen"? Ich halte also den

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Fall, den von Weizsäcker vorträgt, nur für einen der möglichen Fälle. Aber die Zielsetzung kann in allen Fällen die gleiche sein: Man fusioniert, um den Wettbewerbsdruck durch die Vergrößerung des Markts zu mindern. Die Wirkung auf den Wettbewerb wäre dann häufig ungünstig. Dieser soll ja nicht zugunsten der Unternehmen, sondern letztlich zugunsten der Konsumenten wirken. Für sie ist in der Regel die Zunahme des Wettbewerbs günstig. Es mag allerdings Fälle geben, in denen anders zu urteilen ist. Ein solcher Fall wäre die Eliminierung von Schlafmützen durch einen dynamischen Unternehmer. Bei Megafusionen ist dieser Fall wenig wahrscheinlich. Ein zweiter Fall wäre gegeben, wenn das größere Unternehmen für bestimmte wichtige Innovationen unumgänglich wäre (siehe meine skeptischen Bemerkungen hierzu in Abschnitt III. 2). Bisweilen wird allerdings die Meinung vertreten, gegen eine Fusion sei eigentlich nichts einzuwenden, wenn sie lediglich den Wettbewerbsdruck mindert oder gar beseitigt, der durch die Markterweiterung eintritt. Ich halte das nicht für richtig. Im Interesse der Konsumenten ist eine Erhöhung der Wettbewerbsintensität zu begrüßen, solange sie auf den Preis, die Vielfalt und die Qualität der Güter günstig wirkt. Der damalige Präsident des Bundeskartellamtes Dieter Wolf berichtete im Mai 1999: Der „Markterweiterungseffekt ist in seiner Wirkung auf die Wettbewerbsintensität bislang jedenfalls - stärker gewesen als es die Zunahme der Konzentration als Folge der erhöhten Fusionsaktivität der Unternehmen war. Zumindest in der gegenwärtigen Phase der Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen überwiegen somit noch eindeutig die prokompetitiven Wirkungen dieser Prozesse" {BKA 2000, 14). Aus den Ausführungen von Wolf ist nicht zu ersehen, ob sie für alle einzelnen Märkte gelten oder nur für die Gesamtheit der Märkte. In diesem Fall wäre ich noch nicht wie von Weizsäcker beruhigt. Er will uns damit trösten, daß es neben stärker vermachteten andere, oft neue Märkte gibt, auf denen Wettbewerb herrscht, und will „die Frage nach den Megafusionen vor dem Hintergrund dieses Befundes beantworten". Es sei „noch keine Gefahr am Horizont, daß wir in Zukunft alle nur noch als Befehlsempfanger von großen internationalen Konzernen leben und arbeiten" (1999, 15; Hervorhebung von mir). Das im letzten zitierten Satz Vorgetragene (wichtig ist das „alle") ist zwar bisher richtig. Daß es unter anderem noch kleine Änderungsschneider, kleine und mittlere Restaurants und kleine sowie mittlere Existenzen in den freien Berufen oder der Herstellung neuer Güter gibt, ist kein Grund, vor dem Entstehen von immer neuen Mammuts in wichtigen Branchen die Augen zu schließen. Die Entwicklung der Wettbewerbsintensität auf einzelnen Märkten dürfte übrigens häufig nur schwer zu beurteilen sein. Die These von Kleinert und Klodt (2000, 57), die „Entwicklung des Marktanteils" biete sich „geradezu an, zu untersuchen, ob bei Fusionen die negativen Marktmachteffekte oder die positiven Effizienzwirkungen überwiegen", und die Feststellung von Goldberg (zitiert ebenda, 58; Hervorhebung von mir), er habe „keine signifikante Änderung der Marktanteile und damit auch keine Hinweise auf eine abnehmende Wettbewerbsintensität auf den betreffenden Märkten" gefunden, halte ich für problematisch. Novartis hat zum Beispiel nach der Fusion Marktanteile verloren. Dafür gibt es aber nicht nur eine, sondern mehrere Erklärungen. Möglich sind etwa

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Wirkungen von Innovationen von Konkurrenten und Schwierigkeiten bei der Koordination der beiden zusammengeschlossenen Unternehmen nach der Fusion. Nicht zuletzt ist bedenklich, daß mit den Megafusionen der Zugang neuer Anbieter zu den Märkten der Fusionierten schwieriger wird, weil die „Neuen" die Schläge der Großen fürchten müssen und nicht hoffen können, deren Konditionen auf den Beschaffungsmärkten für sich auch nur annähernd durchzusetzen. Zugangshemmend kann auch die Konzentration des Patentbesitzes bei den Mammuts wirken. Diese Patente brauchen nicht das Ergebnis erfolgreicher eigener Forschungstätigkeit zu sein. Sie sind möglicherweise auch die Folge einer systematischen Aufkaufpolitik. Wenn man dann noch bedenkt, daß durch Megafusionen eine Annäherung an das enge Oligopol stattfindet oder dieses schon erreicht wird, liegt der Schluß nahe, daß Megafusionen in der Regel oder doch häufig wettbewerbsmindernd wirken. Denn bekanntlich sind abgestimmte Verhaltensweisen oder gar „stille" Kartelle im engen Oligopol relativ leicht und ihre Feststellung durch wettbewerbspolitische Instanzen relativ schwer zu erreichen.

V. Wirtschaftspolitische Konsequenzen 1. Kein Handlungsbedarf ? Bei der Prüfung dieser Frage ist de lege lata und de lege ferenda zu unterscheiden. Ich erörtere nur das Letztere und überlasse das Erstere den Juristen. Es leuchtet mir ein, daß Marktbeherrschung bei der üblichen Auslegung des deutschen Rechts bei Megafusionen häufig nicht oder nur sehr schwierig nachzuweisen sein kann. Aber de lege ferenda besteht nach meiner Meinung dringender Handlungsbedarf, wenn wir nicht in eine neuartige Feudalgesellschaft wandern wollen. Herrscher sind hier nicht Fürsten, sondern die Leiter von Mammutunternehmen. „Die Großindustrie und die Großbanken entpuppen sich unter dem Deckmantel der Globalisierung letztlich als Totengräber der freien Marktwirtschaft" (Hans Wiirgler, NZZ Fusionen 1999, 27), weil diese eine bedeutende Zahl selbständiger Unternehmer und eine Beschränkung privater wirtschaftlicher Macht voraussetzt. Das wird von den Vertretern der These „kein Handlungsbedarf' übersehen oder verschwiegen. Dem Zitat von Wiirgler werden freilich die Vertreter eines neuartig begründeten Laissez faire widersprechen. Die erste Gruppe der Widersprechenden verweist auf die größere Beweglichkeit kleinerer Unternehmen. Jürgen Schrempp hat dazu vorgetragen: „Nicht nur im Märchen gelten Riesen als überheblich und meist auch bedrohlich. Aber nicht nur dort werden sie immer wieder von kleinen, flinken und cleveren Gegenspielern überrascht und zu Fall gebracht" (BKA 2000, 58). Der Hinweis ist teilweise richtig, aber für die Begründung eines Laissez faire nicht tauglich. Ich kenne keinen Fall, in dem ein sehr großes Untenehmen von einem Kleinen „zu Fall gebracht" wurde. Ein sehr großes Unternehmen kann auch, wie die Erfahrung zeigt, ziemlich sicher damit rechnen, daß es vom Staat gestützt wird, wenn es sonst „zu Fall gebracht" werden würde. Die

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wirtschaftliche Macht von Mammutunternehmen wird auch nicht dadurch beseitigt oder stark gemindert, daß in Nischen und in manchen Branchen Kleinere überleben oder gar wachsen. Sie werden es jedenfalls schwer haben, vor allem als Lieferanten oder Abnehmer von sehr großen Unternehmen wegen deren Macht. Häufig werden sie das Rennen schließlich aufgeben, wie man im Einzelhandel schon beobachten kann. Die zweite Gruppe von Laissez faire-Argumenten verweist auf die Fortdauer des Wettbewerbs zwischen diesen Mammuts. Schrempp meint: „Ebensowenig sagt die Zahl der Anbieter etwas über die Wettbewerbsintensität aus. Airbus und Boeing schenken sich mit Sicherheit nichts" {BKA 2000, 59). Das ist so nicht richtig. Auf die Fortdauer des Wettbewerbs kann man sich nämlich - wie schon früher angedeutet - nicht verlassen. Im engen Oligopol sind mehrere Verhaltensweisen möglich. Schrempp hat das durch seine Einkaufsabreden mit General Motors und Ford schon selbst nachgewiesen. Es ist unter den heutigen Umständen auch nicht richtig, daß - wie Stefan Voigt (1999, 15) schreibt - „die Möglichkeit zu abgestimmten Verhaltensweisen auf globalisierten Märkten geringer ist als auf nationalen Märkten." Dagegen spricht schon der Fortschritt der Informationstechnologie. Seinetwegen und auch unabhängig davon treten Mammutunternehmen in der Regel auf vielen internationalen Märkten auf und haben dadurch auch starke internationale Kontakte. Wegen dieser Kontakte kann man auch entgegen Voigts Begründung - eine Erschwerung des abgestimmten Verhaltens nicht deshalb schlechthin annehmen, weil diese Unternehmen „unterschiedlichen institutionellen Umfeldern entstammen" (ebenda), weil wegen einer „höhere(n) Heterogenität in ihren Kostenstrukturen" ihre Interessen nicht übereinstimmen oder weil wegen instabiler Angebotsbedingungen „das Interesse an abgestimmtem Verhalten zurückgeht" (ebenda) und dessen Kosten steigen. Voigt übersieht oder vernachlässigt auch die ungünstige politische Wirkung des Entstehens von Mammutunternehmen. Voigt versucht noch einen dritten Weg zur Argumentation zugunsten der Megafusionen. Er verweist auf die von Hayek hervorgehobene Rolle des Wettbewerbs als Entdekkungsverfahren. Dabei vernachlässigt oder übersieht er, daß die - auch von den Megafusionen bewirkte - Zentralisierung der Entscheidungen das Entdeckungsverfahren behindert. Statt dessen argumentiert er: Da bestimmte Tatsachen „allein durch tatsächliche, in der Realität stattfindende Wettbewerbsprozesse entdeckt" werden, sind sie „gedanklich nicht vorherzusehen. Das bedeutet, daß die Effizienz bestimmter Ergebnisse im Vergleich zu einem theoretischen Ideal nicht zu ermitteln ist, weil es kein überzeugendes Ideal gibt". Das scheint mir weder mit Hayeks Überlegungen übereinzustimmen noch ein Argument zugunsten eines Laissez faire gegenüber den Megafusionen zu sein. Voigt übertreibt die Beschränkung unseres Wissens. Er fahrt fort, wettbewerbspolitischer Handlungsbedarf entstehe immer dann, „wenn individuelle Handlungen die Koordinationsleistung des wettbewerblichen Prozesses reduzieren oder sogar gefährden". Das sei jedoch nicht im Einzelfall zu prüfen. Sei man sich über die negativen Folgen einer bestimmten Verhaltensweise „im Regelfall ... einig", so sei „diese 'per se' zu verbieten, unabhängig" von den Folgen im Einzelfall. Ein per se-Verbot von Fusionen würde jedoch „eine zu große Zahl von Handlungen verbieten". Warum solle etwa die Fusion zweier Bäcker die Koordinationsleistung des Marktes reduzieren? Die Einführung von Mindestgrößen, nach deren Überschreitung eine

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Zusammenschlußkontrolle greift, setze jedoch „ein profundes Wissen über die unterschiedlichen Wirkungen von Zusammenschlüssen in Abhängigkeit von der" Unternehmensgröße voraus und komme „somit einer fallabhängigen, nichtuniversalisierbaren ,Rule of reason' gleich, die von Vertretern der prozeßorientierten Wettbewerbstheorie abgelehnt wird". Es bedarf jedoch keines profunden Wissens, um zu sehen, daß der Zusammenschluß von zwei Bäckern etwas ganz anderes ist als zum Beispiel die Megafusion von DaimlerBenz und Chrysler, durch die ein Unternehmen mit 456.000 Mitarbeitern (Schrempp, BKA 2000, 61) entstanden ist. Wenn die „prozeßorientierte Wettbewerbstheorie" ablehnt, daraus wettbewerbspolitische Konsequenzen zu ziehen, spricht das nicht gegen diese Konsequenzen, sondern gegen die genannte Theorie. Wenn unser Wissen beschränkt ist, bedeutet das nicht, daß wir nichts wissen und daß wir uns über die Folgen bestimmter Geschehnisse keine brauchbaren Gedanken machen können. Es bedeutet auch nicht, daß die Folgen einer Verhaltensweise nicht für den Einzelfall geprüft werden können und daß man Fusionen nicht im Einzelfall, sondern nur per se verbieten kann. Ein allgemeines Fusionsverbot steht nicht zur Debatte. Deshalb würde eine Beschränkung der Megafusionen auch nur eine beschränkte Verhinderung der Ausnutzung des Wissens von Individuen und wohl kaum eine Beschränkung der Leistungsfähigkeit der Ordnung mit sich bringen, wie Voigt (ebenda) meint. Die volkswirtschaftliche Problematik der Megafusionen erlaubt auch, die Erwartung eines Unternehmens oder leitenden Managers, „daß der Gegenwartswert sämtlicher mit" seinem „Unternehmen in Zukunft erzielbare(r) Gewinne geringer ist als das Übernahmeangebot eines Konkurrenten", bei Megafusionen zu enttäuschen. Die Eigentumsrechte seiner Anteilseigner werden damit schon deshalb nicht „weitreichend" eingeschränkt, weil solche Erwartungen sehr unsicher sein dürften und weil überdies Fusionen häufig nicht auf derartigen Erwartungen beruhen. Voigt unterstellt bei seiner Argumentation stillschweigend, daß Machtstreben und persönliche Vorteile der Entscheidenden keine oder nur eine bescheidene Rolle spielen. „Eine Verkrustung der Marktstrukturen und eine Reduktion der Wettbewerbsdynamik", die Voigt von einer Beschränkung der Megafusionen erwartet, sind meines Erachtens sehr viel eher gerade durch diese Fusionen zu erwarten. Ähnliches dürfte für die These von Weizsäckers (1998, 386) gelten, „die Verhinderung von transnationalen Großfusionen würde - wenn sie nicht der Verhinderung einer marktbeherrschenden Stellung dient - häufig zu großen volks- bzw. weltwirtschaftlichen Effizienzverlusten führen". Kleinert und Klodt (2000, 96) schreiben über einen Abschnitt ihres Buchs „Effizienzgewinne durch Fusionen empirisch nicht belegt". Ob Effizienzgewinne jeweils zu erwarten sind, ließe sich auch dann ex ante nicht zuverlässig feststellen, wenn solche Gewinne eindeutig das Ziel der Megafusion wären. Wird diese verhindert, kann man ihre Erfolgsaussichten auch ex post nicht zuverlässig beurteilen. Wie man sich ex ante täuschen kann, zeigt die mißglückte Übernahme von Rover durch BMW. Welche Effizienzgewinne gingen dadurch verloren, daß aus der Fusion der Deutschen mit der Dresdner Bank nichts wurde? Ich würde in das Zitat von Weizsäckers statt „häufig" „vielleicht" setzen und „großen" weglassen. Dann entspricht die

Zu den Megafusionen in den letzten Jahren • 29 Formulierang auch besser den meisten bisherigen Untersuchungen von Fusionserfolgen, vor allem in den Vereinigten Staaten. Nicht nur die Anmaßung von Wissen, vor der Hayek gewarnt hat, sondern auch nicht zureichend begründete Folgerungen aus der Beschränkung unseres Wissens sind abzulehnen.

2. Gegen übermäßige private Macht, nicht nur gegen Marktbeherrschung Nach den bisherigen Erfahrungen sind volkswirtschaftlich relevante Gewinne aus Fusionen häufig nicht hoch - wenn sie überhaupt eintreten. Überdies hat man sie gegen die Negativa der Megafusionen abzuwägen. Insbesondere muß verhindert werden, daß wie es Karel van Miert formuliert hat (nach Kleinert und Klodt 2000, 2) - aus der Marktwirtschaft eine Machtwirtschaft wird. Das Problem der wachsenden privaten Macht, die (noch) nicht zur Marktbeherrschung führt, darf nicht außer acht gelassen werden. Deshalb sind gesetzliche Bestimmungen zu suchen, die stärker gegen übermäßige private Macht wirken. Ingo Schmidt (.BKA 2000, 84) hat vorgeschlagen, als Untersagungskriterium für eine Fusion statt der Marktbeherrschung „eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs" oder „eine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen" zu wählen. Ich halte diesen Vorschlag für sehr erwägenswert und ziehe die zweite Formulierung vor.

Literatur Zahlreiche Anregungen und Hinweise stammen aus den Ausschnitten eines Zeitungsarchivs. Soweit es kurze Artikel sind, habe ich sie nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen. Sie sind aus dem Text zu ersehen, soweit ich sie ausgewertet habe. Zwei Zeitungen habe ich abgekürzt: FAZ = Frankfurter Allgemeine Zeitung-, NZZ = Neue Zürcher Zeitung, internationale Ausgabe. Berg, Hartmut und Arnim U. Rott (1999), Daimler-Chrysler: Ein Untemehmenszusammenschluß neuer Qualität?, Wirtschaft und Wettbewerb, Heft 2, S. 23-32. Böhm, Franz (1961), Demokratie und ökonomische Macht, in: Institut für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt (Hrsg.): Kartelle und Monopole im modernen Recht, Bd. I, Karlsruhe, S. 3-24. Bundeskartellamt (Hrsg.) (2000), Megafusionen - Eine neue Herausforderung für das Kartellrecht, Bonn (kurz BKA). DaimlerChrysler AG, Geschäftsbericht 1999 (Kurzbericht). Kleinert, Jörn und Henning Klodt (2000), Megafusionen, Trends, Ursachen und Implikationen, Kieler Studien 302, Tübingen. Lenel, Hans Otto (1968), Ursachen der Konzentration, 2. Auflage, Tübingen. Lenel, Hans Otto (2000), Über private wirtschaftliche Macht, in: Bernhard Külp und Viktor Vanberg (Hrsg.), Freiheit und wettbewerbliche Ordnung. Gedenkband zur Erinnerung an Walter Eucken, Freiburg i. Br. u. a., S. 303-320. Möschel, Wernhard (1999), Megafusionen in allen Branchen. Welche Perspektiven bleiben dem Mittelstand? Köln. Müller, Werner (1999), Die Angst vor Großfusionen ist unberechtigt, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Heft 80, S. 5-7.

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Neue Zürcher Zeitung (Hrsg.) (1999), NZZ Fokus Fusionen (kurz NZZ Fusionen). Verfasser (überwiegend Redakteure der NZZ) und Titel der Artikel in diesem Heft habe ich nicht immer im Text angegeben. o. V. (teils Alex Taylor III und Shawn Tully), The Year of the Mega Merger, Fortune vom 11.1.1999, S. 24-45. Schumpeter, Joseph (1942), Capitalism, Socialism and Democracy, New York. Voigt, Stefan (1999), Die globale Entdeckung der Fusionen, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.7.1999, S. 15. von Weizsäcker, Carl Christian (1998), Transnationale Fusionen aus der Sicht des Wettbewerbspolitikers, Wirtschaftsdienst, Nr. 6, S. 386-389. von Weizsäcker, Carl Christian (1999), Keine Angst vor Fusionen, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.4.1999, S. 15. Zusammenfassung Nach einleitenden Bemerkungen, unter anderem zur Abgrenzung der Megafusion, werden in Teil II drei Megafusionen in der pharmazeutischen Industrie, die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone AirTouch und die Fusion zu DaimlerChrysler als Beispiele behandelt. In Teil III werden Ursachen von Megafusionen erörtert. Die immer wieder genannten Größenvorteile reichen häufig zur Erklärung einer Megafusion nicht aus, wenn man sich auf volkswirtschaftlich relevante Vorteile beschränkt. Die im allgemeinen wichtigsten Vorteile, economies of scale bei der Produktion, bedingen in der Regel internes Wachstum; die Megafusion als solche bringt dann dafür nichts, außer vielleicht finanziellen Mitteln. Viel wichtiger kann die Rolle des Drucks auf die Einkaufspreise sein, welchen die Zunahme der Unternehmensgröße erlaubt. Er wird vielfach vernachlässigt. Die Bedeutung der Vergrößerung der Märkte für Megafusionen wird ausfuhrlich und im allgemeinen kritisch diskutiert. In einem zweiten Abschnitt dieses Teils geht es vor allem um die Frage, inwieweit Megafusionen Innovationen in der pharmazeutischen Industrie fördern. Die Begründungen dafür sind widersprüchlich und vernachlässigen teilweise die wichtige Frage nach der Stärkung der Innovationskraft. Im dritten Abschnitt werden die Bedeutung des Machtstrebens und die Rolle von Nachahmung und Mode sowie der Bemühungen um Minderung der Unsicherheit untersucht. Im vierten Abschnitt geht es um die Beschränkung auf das sog. Kerngeschäft, die immer wieder genannten Synergien im Rahmen von Megafusionen und die Brauchbarkeit der Megafusion für den Abbau von Überkapazitäten. Der fünfte Abschnitt ist persönlichen Motiven der an den Megafusionen aktiv Beteiligten und der Bedeutung ihrer Persönlichkeit für deren Erfolg gewidmet. Im vierten Teil werden die Beziehungen zwischen Wettbewerb und Megafusionen erörtert. Es ist sehr wahrscheinlich, daß zu den wichtigen Ursachen der Megafusionen der Wunsch gehört, die Stärkung des Wettbewerbs durch die Vergrößerung der Märkte zu mindern. Es ist wenig wahrscheinlich, daß dieser Wunsch durch eine gelungene Megafusion nicht erfüllt wird. Der letzte Teil dient der Frage, ob und was gegenüber den Megafusionen getan werden sollte. Ein grundsätzliches Laissez faire mangels Marktbeherrschung wird abgelehnt. Eingriffsmöglichkeiten werden auch für den Fall empfohlen, daß zwar keine Marktbeherrschung, aber große wirtschaftliche Macht erworben wird.

Zu den Megafusionen in den letzten Jahren • 3 1

Summary

Mega-mergers of recent years The introduction contains an explanation of the features which distinguish mergers from „mega-mergers". The second part deals with three mega-mergers in the pharmaceutical industry, the take-over of Mannesmann by Vodafone AirTouch and the DaimlerChrysler merger as examples of mega-mergers. In the third part the reasons for mega-mergers are analysed. Advantages of size for firms are not sufficient to justify such mergers on economic grounds. The frequently mentioned economies of scale in production, which are generally seen as the most important advantage, are usually linked to internal growth. Mega-mergers do not effect such growth, other than possibly providing extra financial resources. The advantage of mega-mergers could rather be the increase in market power, which enables these companies to exert pressure on input prices. This line of reasoning is often neglected. The importance of the increase of the markets for mega-mergers is extensively and critically analysed. Using the pharmaceutical industry as an example, the contribution of megamergers to innovations is examined. This debate is very controversial and contains contradicting arguments. In particular it neglects the important aspect of strengthening the innovative capacity of companies. Other factors, which could be reasons to form megamergers, are the striving for power, imitation and fashion as well as attempts to reduce uncertainty. Furthermore is discused, if mega-mergers produce economic advantages due to a greater focus on core business, the exploitation of synergies and a decrease of excess capacities. Last but not least, the personalities of investors and managers involved in mega-mergers not only lead to additional (non-economic) reasons for their existence but also influence the success of these mergers. The fourth part deals with the relationship between mega-mergers and competition. It is highly likely that one of the main reasons for mega-mergers is the wish to prevent increasing competition by enlarging the markets. Successful mega-mergers will most probable lead to a realisation of this goal. The last part looks at the question of what needs to be done about mega-mergers. A general laissez-faire approach for cases without market domination is rejected. Instead it is recommended to establish opportunities to control mega-mergers in case they lead to an significant and durable increase in economic power, even if they do not achieve outright market domination.

ORDO • Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Lucius & Lucius, Stuttgart 2000) Bd. 51

Arnold Berndt und Nils Goldschmidt

„Wettbewerb als Aufgabe" Leonhard Mikschs Beitrag zur Ordnungstheorie und -politik*

I. Einleitung Es gehört zu den Tragödien der deutschen Nationalökonomie der Nachkriegszeit, daß nur sechs Monate nach dem plötzlichen Tod von Walter Eucken sein Schüler, der damalige Freiburger Ordinarius für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft, Leonhard Miksch, am 19. September 1950 verstarb. Damit hatte die Freiburger Schule ihre ökonomischen Vordenker verloren, die „Forschungs- und Lehrgemeinschaft", wie sie sich zu Beginn der dreißiger Jahre zwischen Volkswirten und Juristen an der Universität Freiburg herausgebildet hatte, war nun endgültig zerbrochen. Erhielt Walter Eucken jedoch zu Recht einen zentralen Platz in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre und bildet er auch heute noch einen notwendigen Bezugspunkt in der ökonomischen Theorie und Politik, so scheint Miksch in der aktuellen Diskussion bedeutungslos und selbst der Dogmengeschichte verloren gegangen zu sein.1 Daß dies ein Versäumnis ist, sollen die folgenden Ausführungen deutlich machen. So wird zunächst der Lebensweg von Leonhard Miksch zwischen Journalismus, Politik und Wissenschaft nachgezeichnet (I.). Im Anschluß daran steht sein ordnungsökonomischer Ansatz im Mittelpunkt der Darstellung (II.). Ausgangspunkt ist dabei das Zusammenspiel von Marktform und Marktverfassung, wie Miksch es 1937 grundlegend in seiner Habilitationsschrift „Wettbewerb als Aufgabe" ausgeführt hat, in der er zwar eng der Gedankenwelt Euckens folgt, jedoch bereits eigenständige Akzentuierungen vornimmt (II. 1.). Ihre Fortsetzung und zugleich Neuorientierung finden diese Überlegungen insbesondere nach Kriegsende in Mikschs Unterscheidung von innerer und äußerer Koordination, anhand derer sich sein ordnungsökonomischer Beitrag - auch wenn ein systematisches Hauptwerk fehlt - rekonstruieren läßt (II. 2. - II. 5.).2 Dieser dogmenhistori-

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Die Anregung, sich mit der Person und dem Werk Leonhard Mikschs zu befassen, verdanken wir Karl Brandt, der darüber hinaus einen ersten Entwurf hilfreich kommentiert hat. Weitere wertvolle Hinweise z u m Manuskript erhielten wir von Hans Otto Lenel, Otto Schlecht und Bernd Schauenberg sowie von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Forschungsseminaren der Lehrstühle von Gerold Blümle, Günter Knieps, Bernhard Külp und Viktor Vanberg. Bei der Literaturrecherche hat uns vor allem Eleonore Dietrich unterstützt.

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Die wenigen Texte, die auf Miksch Bezug nehmen, verweisen fast ausschließlich auf seine Idee des „Wettbewerbs Als-Ob", wobei sich vor allem bei Holzwarth (1985, insb. 167-174) eine längere Analyse seines theoretischen Ansatzes findet. Natürlich bleibt auf diese Weise vieles von Mikschs Überlegungen unbeachtet, was bei der enormen Fülle seiner hinterlassenen Aufsätze aber kaum anders möglich ist.

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sehe Überblick schließt mit einer genaueren Untersuchung von zwei Teilbereichen seiner Konzeption: Zum einen ist dies das wirtschaftspolitische Leitbild des Wettbewerbs „Als-Ob" (II. 6.), zum anderen seine originelle, bisher unbeachtete politökonomische Konstruktion (II. 7.). Diese beiden Teilbereiche bieten dann auch die Verbindungslinie zur Würdigung Mikschs und zur aktuellen Diskussion (III.). So wird sich zeigen, daß der „Als-Ob-Wettbewerb" zwar nicht instrumentell, jedoch normativ als Referenzmodell der Wettbewerbspolitik weiterhin Bedeutung besitzt (III. 1.). Darüber hinaus wird deutlich werden, daß Mikschs Ansatz und insbesondere seine Analogie von wirtschaftlicher und politischer Sichtweise ihn zu einem Bindeglied zwischen Freiburger Schule und Konstitutionenökonomik werden lassen (III. 2.). Daß Mikschs Ideen wiederentdeckt werden sollten, belegt dabei nicht zuletzt Friedrich August von Hayeks Hochschätzung für die „gemeinsame Arbeit an dem Aufbau einer Wirtschaftsphilosophie für eine freie Gesellschaft" (Hayek 1962/1969, 2).

II. Biographie Mikschs Weg zur Freiburger Professur verlief alles andere als geradlinig. 3 Im böhmischen Teplitz-Schönau am 20. Mai 1901 geboren, studierte er anfanglich sechs Semester Chemie an den Universitäten von Prag und Tübingen - ein Faktum, das eine für den frühen Ordoliberalismus ungewohnte naturwissenschaftlich-mathematische Denkweise in seinen Schriften erklärt. 4 Im Wintersemester 1923/24 wechselte Miksch zum Studium der Nationalökonomie, das er 1926 zunächst mit dem Diplom, drei Jahre später mit der Promotion zum Dr. rer. pol. abschloß. 5 Seine Dissertation mit dem Titel „Gibt es eine allgemeine Überproduktion?" {Miksch 1929) verfaßte Miksch bereits bei Walter Eucken, der seit 1925 an der Universität Tübingen lehrte. Der ordoliberale Gründungsvater war so von Beginn an der „verehrte Lehrer" {Miksch 1929, 4) und wurde in späteren Jahren immer mehr zum Förderer und Freund. 6 Mit dem Abschluß der Doktorarbeit verließ Miksch nicht nur Tübingen, sondern für lange Zeit auch die unmittelbare akademische Lebenswelt, um zunächst - nach einer zweijährigen Anstellung als Hilfsarbeiter im Archiv der Reichskreditgesellschaft in Berlin - 15 Jahre als Publizist der Frankfurter Zeitung zu wirken, in deren Berliner Redaktion Miksch am 1. Januar 1929 eintrat.7 1932 übernahm er bis zum Verbot der Zeitung 1943 die Leitung des wirtschaftspolitischen Ressorts. In diesen Jahren entwickelte 3 4 5

Zu den Eckdaten der Biographie von Miksch siehe Mauch (1994), Eberl und Marcon (1984, 322). Eine Einschätzung, die auch. Zottmann (1951, 1) herausstreicht. Das Rigorosum fand bereits am 7. Februar 1927 statt, die Ausstellung der Doktorurkunde erfolgte jedoch erst nach der Drucklegung der Dissertation am 17. Januar 1929 (siehe Eberl und Marcon 1984, 322). 6 Darüber hinaus standen Miksch und Eucken auch in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander. Der Bruder von Walter Euckens Frau Edith, der Jurist Gerhard Erdsiek, war mit der Schwester von Mikschs Frau Helene verheiratet. 7 Siehe zu diesen Angaben Eberl und Marcon (1984, 322) sowie den für das Habilitationsverfahren angefertigten Lebenslauf von Leonhard Miksch, datiert vom 31. Januar 1938 {Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). Zur Anstellung Mikschs in der Berliner Redaktion siehe auch Gillessen (1986, 50).

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Miksch einen Schreibstil, der charakteristisch auch für seine späteren wissenschaftlichen Arbeiten wurde: Er verband seine ausgesprochene Fachkompetenz mit einer anschaulichen und häufig pointierten Sprache, der nicht selten der Balanceakt zwischen theoretischen Grundlagen und praktischer Anwendung glückte. Diese Fähigkeit belegen neben seinen zahlreichen redaktionellen Beiträgen nicht zuletzt seine mehr als 80 Aufsätze für die quartalsweise erscheinende Zeitschrift „Die Wirtschaftskurve", die ebenso unter der Mitwirkung der Frankfurter Zeitung erschien wie die nationalökonomische Einfuhrung „Wie liest man den Handelsteil einer Tageszeitung?", für die Miksch in der Auflage von 1930 die Kapitel über „Valutabewegung" und „Notenbanken" 8 und in der Ausgabe von 1936 das Thema „Die Wirtschaftspolitik" bearbeitet hat. 9 Nach dem Verbot der Frankfurter Zeitung 1943 arbeitete Miksch als Handelsschriftleiter bei der Berliner Börsenzeitung sowie - nach wenigen Monaten Kriegsdienst - bei der Informationsstelle der Deutschen Reichspost. Neben seiner wirtschaftsjournalistischen Tätigkeit verlor Miksch jedoch nie die wissenschaftliche Perspektive aus dem Blick. Hauptergebnis seiner Forschungen war die Schrift „Wettbewerb als Aufgabe. Grundsätze einer Wettbewerbsordnung", die 1937 in der von Franz Böhm, Walter Eucken und Hans Großmann-Doerth herausgegebenen Schriftenreihe „Ordnung der Wirtschaft" als Heft 4 erschien und somit zu den frühen ordoliberalen Abhandlungen gehört. Aus verschiedenen Gründen handelt es sich - neben den inhaltlichen Ausfuhrungen - auch aus historischer Sicht um eine bemerkenswerte Arbeit: So wurde die Untersuchung erst nach der Drucklegung als Habilitationsschrift eingereicht, die ein nachträgliches Einverständnis des badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts in Karlsruhe notwendig machte. 10 Darüber hinaus war Mikschs Habilitation, die von Eucken als Erst-Gutachter als „ungewöhnliche Leistung" angesehen wurde, da sie in „ganz seltenem Masse ... Kenntnis von Einzelheiten der Wirtschaft mit grundsätzlichem Denken" vereint, und im Korreferat von Adolf Lampe als „ganz vorzüglich in den ,Freiburger Rahmen' " passend bewertet wurde", eine von nur zwei Habilitationen für das Fach Volkswirtschaftslehre, die zwischen 1933 und 1945 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg vorgenommen

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Siehe Kahn und Naphtali (1930). Siehe Hoffmann (1937). Zwar wird im „Vorwort des Herausgebers" Miksch nur allgemein als Mitarbeiter genannt, eine genaue Zuordnung des Kapitels wurde aber durch ein Schriftenverzeichnis möglich, das Miksch im Vorfeld seines Habilitationsverfahrens bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg eingereicht hat und in welchem er dieses Kapitel zu seinen Veröffentlichungen zählt (siehe Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). Zu Mikschs schriftstellerischen Fähigkeiten siehe auch Achterberg und Muthesius (1951, 412). 10 Dies belegt ein Schreiben des damaligen Rektors Friedrich Metz vom 10. Februar 1938. Die positive Antwort des Ministeriums ist auf den 18. Februar 1938 datiert (siehe Staatsarchiv Freiburg, C 25/2, 137). 11 Jedoch betonte Lampe, daß er - trotz seiner hohen Wertschätzung der Schrift - wesentliche Punkte der herrschenden Lehre, auf die Miksch aufbaut, ablehnt und er ebenso „manchen praktisch-wirtschaftspolitischen Lehren..., die er [Miksch, d. Verf.] ableitet", nicht zustimmt. Die Gutachten finden sich in der Personalakte Mikschs (siehe Universitätsarchiv Freiburg, B110/77).

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wurden. 12 Schließlich wurde Miksch zwar der akademische Grad eines Dr. habil. verliehen, eine Zulassung zur Dozentur, die an die Teilnahme an einem sogenannten „Dozentenlager" und eine positive politische Beurteilung geknüpft war, beantragte er jedoch nicht. So war es wohl nicht das fehlende Interesse Mikschs an einer akademischen Laufbahn, wie Brintzinger (1996, 126) vermutet, sondern vielmehr seine politische Einstellung, die eine universitäre Karriere im nationalsozialistischen Regime verhinderte. So heißt es auch später im Schreiben an das Ministerium des Kultus und Unterrichts bezüglich der Besetzung des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft vom 2. Juli 1948 zur Person Mikschs: „Die politische Entwicklung machte es ihm unmöglich, seinen Plan, sich zu habilitieren, durchzufuhren, obwohl mehrere Professoren in Berlin sich darum bemühten. Auch eine Berufung nach Breslau 13 während des Krieges scheiterte daran, dass er nicht der Partei angehörte und in der Frankfurter Zeitung arbeitete. Er mußte sich darauf beschränken, Anfang 1937 in Freiburg den Dr. habil. zu erwerben und zwar aufgrund seines bekannten Buches über ,Wettbewerb als Aufgabe' " (Universitätsarchiv Freiburg, B110/34). 14 Das Ende des Krieges bedeutete auch für Miksch einen Neuanfang. Miksch tauschte das journalistische Metier mit administrativen Aufgaben, und zwar zunächst als stellvertretender Leiter des Ernährungsamtes in Berlin-Wilmersdorf. 15 Explizit wirtschaftlichen Fragen der Nachkriegszeit wandte sich Miksch dann als Mitarbeiter beim Zentralamt für Wirtschaft der britischen Zone in Minden zu, wohin er am 1. Juli 1946 wechselte. Miksch wurde später sowohl in das bizonale Verwaltungsamt für Wirtschaft (ebenfalls in Minden) als auch in die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt, dem Vorläufer des Bundeswirtschaftsministeriums, übernommen, wo er als Leiter des Referats I B 1 „Preiswirtschaftliche Grundsatzfragen und Betriebswirtschaft" zu einem engen Mitarbeiter von Ludwig Erhard wurde, der seit März 1948 Direktor der Verwaltung für Wirtschaft war. Mikschs Bedeutung für den wirtschaftspolitischen Neubeginn in Deutschland sollte dabei nicht unterschätzt werden, wobei seine „außerordentlich publizistische Aktivität, sein wissenschaftlicher Status und sein eigentlicher Tätigkeitsbe-

12 Brintzinger (1996, 126) irrt, wenn er die Habilitation von Miksch als einzige an der Freiburger Fakultät in der damaligen Zeit ansieht. Ebenfalls 1938 wurde dem £«cie«-Schüler Fritz W. Meyer mit seiner Arbeit über den „Ausgleich der Zahlungsbilanz" der Dr. habil. verliehen. 13 In einem Schreiben vom 14. Februar 1945 an die Freiburger Fakultät bezüglich eines geplanten Vertretungsauftrags für Volkswirtschaftspolitik an Miksch schreibt Eucken: „Die Breslauer Fakultät hat ihn vor einem Jahr auf das etatsmässige Extraordinariat für Betriebswirtschaftslehre vorgeschlagen; die Berufungsverhandlungen waren bereits eingeleitet" (Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). 14 So war Miksch zwar bereits 1923 in die NSDAP eingetreten, trat aber bereits 1925 wieder aus (Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). Andererseits gehörte Miksch wohl eher zum national gesinnten Flügel der Frankfurter Zeitung (Gillessen 1986, 430). Auf diese Weise ließen sich vielleicht auch die sibyllinisch anmutenden Worte des recht skurilen Nachrufs von Erich Achterberg und Volkmar Muthesius (1951, 415) im ORDO-Jahrbuch erklären: „Von solchen [pseudowissenschaftlichen, d. Verf.] Abwegen ließ er [Miksch, d. Verf.] sich dann ebenso wenig abbringen wie von seinen wirklich fundierten Erkenntnissen. Innerlich kehrte er vielleicht um, nach außen aber bestritt er konsequent und hartnäckig, auf Abwegen gewesen zu sein. War nicht auch dieser gelegentliche Starrsinn ein Merkmal seiner jugendlich gebliebenen Seele?". 15 Bis Mitte 1946 arbeitete Miksch neben seinen Aufgaben dort auch noch als Wirtschaftsredakteur beim Berliner Rundfunk.

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reich innerhalb der Verwaltung ... [es ihm] ermöglichten,... zu wichtigen wirtschaftspolitischen Problemen in grundsätzlicher Form Stellung zu nehmen" (Ambrosius 1977, 115). Den weitreichenden Einfluß Mikschs, der - für ordoliberale Denker nicht üblich SPD-Mitglied war, auf die wirtschaftlichen Nachkriegsgeschicke belegen dabei exemplarisch die Ereignisse im Umfeld der Währungsreform. So rang Erhard bekanntlich schon als Leiter der „Sonderstelle Geld und Kredit" bei der Verwaltung der Wirtschaft, die Mitte 1947 gegründet wurde, mit den Alliierten um die Umsetzung der Währungsreform. Dabei waren es jedoch nicht so sehr die währungs- und finanztechnischen Fragen, 16 sondern die Frage nach der ordnungspolitischen Flankierung, die spätestens mit dem Aufrücken Erhards auf den Direktorenposten der Verwaltung für Wirtschaft in den Mittelpunkt seines Interesses rückten. 17 Hierbei vertraute Erhard auf ordoliberale Rückendeckung und auf Mitarbeiter ordnungspolitischer Denkart, die für eine grundlegende Änderung der bisherigen Wirtschaftslenkung eintraten: „Die Währungsreform ist nur sinnvoll, wenn eine grundlegende Änderung der bisherigen Wirtschaftslenkung mit ihr verbunden wird. Als isolierter technischer Vorgang wäre sie wertlos, wenn nicht sogar gefahrlich. ... Die Steuerung durch den Preis dient dazu, das Sozialprodukt zu steigern. Dies ist die wichtigste sozialpolitische Aufgabe des Augenblicks" (Bundeswirtschaftsministerium o. J., 25f.) - so die Quintessenz eines Gutachten vom April 1948 des Wissenschaftlichen Beirates bei der Verwaltung für Wirtschaft, dem neben Miksch auch weitere Ordoliberale (im engeren und weiteren Sinne) wie Franz Böhm, Walter Eucken, Adolf Lampe, Alfred Müller-Armack und Otto Veit angehörten. Doch war es „allen voran Leonhard Miksch" (Hentschel 1996, 60), der zum Vorreiter der preispolitischen Abstützung der Währungsreform und Ideengeber Erhards wurde. Im unmittelbaren Vorfeld der Währungsreform (Februar 1948) entwarf Miksch u. a. ein Gutachten mit „Bemerkungen zur Frage der Währungsreform", in dem er unmißverständlich den ordnungspolitischen Rahmen der kommenden Reformen deutlich macht: „Die Preise müssen echte Gleichgewichtspreise sein und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf jedem Markte widerspiegeln" (Miksch 1948/1961, 382). So stammt das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform", kurz „Leitsätzegesetz" genannt, mit dem Erhard handstreichartig die Aufhebung von Preiskontrolle und Bewirtschaftung parallel zur Währungsreform durchführte 18 , wohl auch weitgehend aus der Feder von Miksch (Ambrosius, 1977, 16 Wesentliche Elemente späterer Überlegungen finden sich bereits in der zunächst vertraulichen Denkschrift Erhards „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung" von 1944 (Erhard 1944/1977). Die Währungsreformdiskussion in Deutschland endete mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Homburger Plan)" der „Sonderstelle" (siehe grundlegend Möller 1961). 17 Inwieweit schon in der „Sonderstelle" Fragen der Wirtschaftsordnung diskutiert wurden, ist unklar (siehe Ambrosius 1977, 172). Zumindest wurde die notwendige Aufhebung der Preiskontrollen und Mengenrationierung erkannt (siehe Buchheim 1988, 220). 18 Das Gesetz wurde von Erhard im Wirtschaftsrat am 17. und 18. Juni in drei Lesungen und den Abschlußberatungen in nur 18 Stunden verabschiedet - noch vor der Verkündigung des Währungsgesetzes durch die Alliierten. Zum Ablauf der Beratungen siehe Müller (1982, 116-127). Uffelmann (1988, 44) spricht wohl zu Recht von der „Chance des Zeitdrucks". Als Erhard vom Militärgouvemeur der amerikanischen Besatzungszone Clay wegen dieser eigenmächtigen Abänderung des Bewirtschaftungsgesetzes, die als „fait accompli" empfunden wurde, zur Rede gestellt wurde, antwortete Erhard mit dem berühmten Diktum: „Ich habe sie nicht abgeändert, ich habe sie aufgehoben" (Eschenburg

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173). 19 Zur entscheidenden Rolle Mikschs bei dieser grundlegenden Entwicklung merkt Ambrosius (1977, 173) augenzwinkernd an: „Es entbehrt nicht der Ironie, daß ausgerechnet der Gesetzentwurf, der den weiteren Aufbau der Westzone und der Bundesrepublik unter christlich-demokratischer Führung als auch die Wirtschaftsprogrammatik der Union entscheidend beeinflussen sollte, von einem Sozialdemokraten entworfen wurde". 20 Es kann hier nicht entschieden werden, inwieweit Mikschs Vorstellungen zum Inhalt für ein wirtschaftspolitisches Vakuum bei dem „ökonomischen Eklektiker" Erhard wurde - so jedenfalls beurteilt Hentschel (1997, 113) Erhards Wirken. Sicher ist aber, daß nicht das Umgekehrte gelten kann: Miksch war nicht nur der „Schleppenträger Erhardsdn&x Wirtschaftspolitik" 21 , sondern er war - so das Urteil von Erhard selbst - „der Vorkämpfer der Rückkehr zur freien Marktwirtschaft".22 Kurz vor der Ernennung zum Ministerialrat beendete Miksch auf eigenen Wunsch am 31. Mai 1949 seine Verwaltungslaufbahn. Bereits kurz vor Kriegsende schien Miksch in die akademische Welt und nach Freiburg zurückkehren zu können. Durch das Ausscheiden Bernhard Pfisters aus dem Lehrkörper23 wurde Miksch durch Eucken für einen Vertretungsauftrag im Fach Volkswirtschaftspolitik vorgeschlagen, zu dem Miksch bereits seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt hatte. 24 Die zeitgeschichtlichen Entwicklungen in den folgenden Monaten haben den Antritt der Vertretung wohl vereitelt, so daß Miksch nach dem Krieg zunächst die dargestellte behördliche Tätigkeit annahm. Erst zum Frühjahr 1949 wurde er - vorbereitet durch einen Lehrauftrag für Wirtschaftsverfassung und Marktformen an der

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1983, 434). Jedoch stand die amerikanische Militärregierung dieser Änderung vielleicht nicht so widerwillig entgegen, wie oft angenommen wird (Buchheim 1988, 220). Grundlage für das Gesetz war Mikschs Entwurf über die „Grundsätze der Wirtschaftspolitik für die der Währungsreform folgende Übergangsperiode" vom Frühjahr 1948, der in den Entwurf des „Leitsätzegesetzes" fast wörtlich übernommen wurde (Ambrosius 1977, 172f.). Miksch selbst hat bereits 1948 die Vorgehensweise bei der Währungsreform begründet und verteidigt (siehe Miksch 1948a). Dabei ist es bemerkenswert, daß Ambrosius (1977, 178-181) zwar in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes eindeutig die ordoliberale Handschrift von Miksch ausmacht, in der endgültigen Variante die für die Freiburger Schule charakteristische Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik jedoch aufgehoben sieht und so die Sozialpolitik - getrennt von wirtschaftspolitischen Erwägungen - nur noch als „Residuum" erscheint. Diese Änderungen schreibt Ambrosius der Überarbeitung durch Alfred MüllerArmack zu - ein zeitgeschichtliches Faktum, daß eher die dualistische Konzeption der MüllerArmackschen „sozialen Marktwirtschaft" bestätigt. Siehe dazu Blümle und Goldschmidt (1999). Eine Wiederaufnahme des Gedankenguts von Miksch unter sozialdemokratischen Vorzeichen findet sich in Ansätzen bei Karl Schiller, der Miksch als Garanten einer wettbewerblich orientierten Ordnungspolitik ansieht (Schiller 1962/1964, 67 und 70). Karl Schiller kannte Leonhard Miksch zumindest aus der gemeinsamen Arbeit im Wissenschaftlichen Beirat. So die spätere Einschätzung des Gewerkschaftsrates der Vereinten Zonen (zitiert nach Ambrosius 1977, 266). Dienstzeugnis für Leonhard Miksch vom Bundesminister für Wirtschaft, Ludwig Erhard, vom 23. Dezember 1950 (siehe Staatsarchiv Freiburg, C 25/2, 137). Es galt damals als bekannte Tatsache, daß Erhard mehr Angst vor Miksch als vor den Amerikanern hatte. Pfister war von 1939 bis 1944 in Südafrika interniert. Nach seiner Befreiung 1944 (er wurde ausgetauscht) erhielt er kurze Zeit später einen Ruf an die Universität Hamburg, den er 1945 annahm. Siehe das Schreiben vom 14. Februar 1945 von Eucken an die Freiburger Fakultät (Universitätsarchiv Freiburg, B110/77).

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Frankfurter Fakultät im vorhergehenden Jahr - hauptberuflich an einer Hochschule beschäftigt. Zum Sommersemester 1949 erhielt Miksch einen Ruf an die 1946 wieder eröffnete Staatliche Wirtschaftshochschule in Mannheim 25 ; mit Wirkung vom 8. März 26 wurde er zum planmäßigen ordentlichen Professor der Volkswirtschaftslehre ernannt. Doch gleichzeitig hoffte Miksch auf ein Angebot aus Freiburg, wo nach dem Tod von Adolf Lampe im Februar 1948 der Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft neu zu besetzen war. Die Liste, die die Freiburger Fakultät am 2. Juli 1948 an das Ministerium des Kultus und Unterrichts sandte 27 , sah Miksch an zweiter Stelle vor. An erster Stelle waren „aequo loco" Fritz Meyer und Bernhard Pfister angeführt. Beide Erstplazierten lehnten jedoch ab: Pfister trat die Nachfolge von Adolf Weber im München an, Meyer entschied sich für den wirtschaftspolitischen Lehrstuhl in Bonn, den er seit dem Wintersemester 1946/47 bereits vertrat. Nach diesen Absagen wurde Miksch im März 1949 schließlich der Lehrstuhl von der Freiburger Fakultät angeboten. Dabei drängte er auf eine schnelle Erledigung der Formalitäten, um Gewißheit vor dem nötigen Umzug (noch pendelte er zwischen Frankfurt und Mannheim) zu bekommen. 28 Jedoch erst am 20. Oktober erhielt Miksch vom Ministerium Bescheid, daß er zum planmäßigen außerordentlichen Professor nach Freiburg berufen wird 29 , wobei wohl vor allem die schwierige Wohnungssuche und das Plazet der französischen Verwaltung den entgültigen Bescheid lange verzögerten. 30 Nur noch kurze Zeit sollte Mikschs akademische Karriere andauern. Am 5. Dezember 1949 hielt er seine Antrittsvorlesung zum Thema „Die sittliche Bedeutung der Wettbewerbsordnung". Thematisch setzte er sich darüber hinaus in diesen Monaten vor allem mit Fragen der Standorttheorie auseinander - seine Überlegungen dazu wurden posthum im Weltwirtschaftlichen Archiv unter dem Titel „Zur Theorie des räumlichen Gleichgewichts" (Miksch 1951) veröffentlicht. Trotz seines kurzen Wirkens an der Freiburger Fakultät wurde seine umgängliche Art, die ohne professoralen Dünkel war, schnell zu einem Markenzeichen seiner Lehrtätigkeit. 31 Natürlich stand er an der Freiburger Fakultät in einem engen Verhältnis zu Walter Eucken, dessen plötzlicher Tod im

25 Die Handelshochschule Mannheim wurde nach der Machtergreifung 1933 in die Universität Heidelberg eingegliedert. 26 Siehe die Abschrift der Ernennungsurkunde im Staatsarchiv Freiburg, C 25/2, 137. 27 Siehe Universitätsarchiv Freiburg, B110/34. 28 In einem Brief vom 27. Mai 1949 schreibt er an Eucken: „Ich wäre Ihnen auf alle Fälle sehr dankbar, wenn Sie durch den Dekan nunmehr auf eine sehr schnelle Erledigung der Angelegenheit dringen würden. Ich muss unbedingt innerhalb der nächsten Wochen wissen, ob ich in Mannheim bleibe oder ob ich nach Freiburg komme, denn im Winter dürfte sich die Hin- und Herfahrerei nach Frankfurt sehr schwer durchführen lassen. Ich betreibe aber zurzeit die Wohnungsangelegenheit in Mannheim nicht mit voller Kraft, weil ich natürlich nicht Verbindlichkeiten schaffen will, die mich nachher hindern würden wegzugehen" (Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). 29 Schreiben des Ministeriums des Kultus und Unterrichts an das Akademische Rektorat der Universität vom 20. Oktober 1949 (Universitätsarchiv Freiburg, B110/77). Miksch erhielt „gleichzeitig die Amtsbezeichnung und die akademischen Rechte eines ordentlichen Professors" (persönlicher Ordinarius) verliehen. 30 Der „Commissaire pour le Land Bade" teilte erst am 6. Oktober 1949 seine Genehmigung mit (siehe Staatsarchiv Freiburg, C 25/2, 137). 31 So die übereinstimmende Meinung aller von den Verfassern befragten Zeitzeugen.

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März 1950 ihn tief erschütterte: „Er fühlte sich danach isoliert". 32 Dennoch setzte Miksch seine Forschung unermüdlich fort, wobei nicht wenige es nach dem Tod Euckens als ,,gewisse[n] Trost" empfanden, daß Eucken „bedeutende Freunde und zum Teil eigenwillige Schüler hinterließ, die sein Werk zum Nutzen der Menschheit und zum Dienst der Freiheit fortfuhren könnten. Jedermann dachte dabei an Miksch als eine der markantesten Persönlichkeiten" (Welter 1950, 2). Folglich wurde Miksch auch in der institutionellen Nachfolge von Eucken noch Ende April zum Direktor des Volkswirtschaftlichen Seminars ernannt. 33 Am 19. September 1950 starb Leonhard Miksch im Alter von 49 Jahren an den Folgen einer Lungenembolie. 34 Wie soll man die Persönlichkeit Mikschs - 50 Jahre nach dessen Tod - würdigen? Edith Eucken resümiert: „Unter allen Widersprüchen war der Grund- und Hauptwiderspruch in ihm der, daß er zugleich Bauer und Bohemien war. ... Der Bauer in ihm, das war das von einstigen bäuerlichen Vorfahren ererbte beharrende Grundwesen, ein Bedürfnis nach Verwurzelung, das etwas sehr Bewegendes hatte bei einem so urtümlichen Menschen in einer chaotisch gewordenen, abgründigen Welt, - vor allem aber eine Treue, die ihn unbeirrbar an jedem festhalten ließ, dem er jemals nahe gestanden hatte. Die andere Seite jedoch, das war der Bohemien in ihm. ... Von daher kam der geistig schweifende, zu Abenteuern hingeneigte, unbürgerliche Zug seines Wesens, der ihn eine konventionelle Lebensführung verachten ließ. ... Was er sich schon früh gelobt hatte, war doch im Grunde: für etwas Großes zu wirken. Und dieses Versprechen hat er gehalten" (Eucken, E. 1950, 6).

III. Ordnungsökonomischer Ansatz 1. Ausgangspunkte Miksch ist eindeutig ein Vertreter der Freiburger Schule und des Ordoliberalismus im engeren Sinne - er gehört zum Kern der Lehrgemeinschaft, die sich in den dreißiger und vierziger Jahren um Walter Eucken, Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth gebildet hat - auch wenn Miksch, wie gesehen, die meiste Zeit dieser entscheidenden Jahre in Berlin verbracht hat. Diese Zugehörigkeit zur Freiburger Schule ergibt sich jedoch vor allem aus methodischen Erwägungen, die er als Schüler Euckens formuliert hat. Wie Eucken geht es Miksch um die Überwindung der ,großen Antinomie' - und damit um einen Weg, der die divergierenden Ziele von Klassik und Historismus überwindet. Denn letztlich fuhren beide - das heißt der Glaube an eine unzerstörbare Harmonie wie auch der Glaube an eine unaufhaltsame Entwicklung - zum Laissez faire und damit zur Zerstörung des Wettbewerbs.

32 So Martin Beckmann, der damalige Assistent von Miksch, in einer persönlichen Mitteilung vom 11. April 2000. 33 Brief des Badischen Ministeriums des Kultus und Unterrichts an das Volkswirtschaftliche Seminar v o m 27. April 1950 (Staatsarchiv Freiburg, C 25/2, 137). 34 So die Auskunft von Helga Serrano-Miksch. Siehe zu den näheren Umständen die Notiz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. September (O. V. 1950, 5).

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Zur Überwindung des Dilemmas bietet Miksch die gewohnte ordoliberale Lösung auf, nämlich, „daß die freie Wirtschaft nur eine vom Staat unter Benützung freiheitlicher Prinzipien organisierte Wirtschaft sein kann" (Miksch 1937b, 9f.). Der Wettbewerb ist also „eine staatliche Veranstaltung" (Miksch 1937b, 9). Und auch in der Art der Herausarbeitung dieser allgemein gültigen Aussagen erweist sich Miksch als Vertreter der Freiburger Schule und als Schüler Walter Euckens: „Durch pointierend hervorhebende Abstraktion lassen sich, wie Walter Eucken gezeigt hat, aus der konkreten Wirklichkeit... echte Idealtypen gewinnen" (Miksch 1948c, 175). Im Ergebnis führt diese morphologische Erfassung der Wirklichkeit zur Theorie der Marktformen, die in Mikschs wissenschaftlichem Schaffen den zentralen Ausgangspunkt seiner Wettbewerbstheorie darstellt. Erstmals finden sich diese Überlegungen bei Miksch wiederum in seiner Habilitationsschrift von 1937. Miksch knüpft dabei in seiner Einteilung der Marktangebotsseite und Marktnachfrageseite in Konkurrenz, Oligopol und Monopol an die Überlegungen von Stackelbergs (1934) an, erweitert aber dessen Einteilungskriterium in zweifacher Hinsicht: (1.) Miksch berücksichtigt in seinem Schema Teilmonopole sowie in der zweiten Auflage seiner Habilitationsschrift von 1947 auch Teiloligopole. Damit sind die Marktformenschemata bei Eucken und Miksch identisch (siehe Eucken 1940/1989, 111). Jedoch unterscheiden sich Eucken und Miksch in ihrer Begründung graduell. So setzt Miksch eher - in ganz klassischer Weise - bei der Zahl der Marktteilnehmer an, Eucken bestimmt die Plandaten als entscheidendes Kriterium (siehe Holzwarth 1985, 127).35 (2.) Darüber hinaus setzt Miksch die Zahl der Marktteilnehmer in Relation zum Marktumfang, das heißt mit den Bedingungen des einheitlichen Marktes, der einheitlichen Ware und einer ausreichenden Markttransparenz (siehe Miksch 1937b, 50). Generell ist fiir Miksch die Morphologie der Marktformen jedoch nicht der zentrale Erkenntnisgegenstand zur Ein- und Zuordnung von Wirtschaftssystemen, vielmehr setzt er sie als .Faustregel' instrumentalistisch ein, um anhand dieser ,tools' zu einer geeigneten Wettbewerbsverfassung zu gelangen. So schreibt er: „Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, jedem Markt eine geeignete Marktverfassung zu geben. Dabei muß die vorhandene Marktform berücksichtigt werden, denn die Marktformen können durch Rechtsetzung überhaupt nicht und durch allgemeine wirtschaftspolitische Mittel nur in beschränktem Umfange und in längeren Zeiträumen verändert werden" (Miksch 1942, 99). Die für einen Markt beobachtete Marktform wird zur ausschlaggebenden Regel, wie wettbewerbsfähige von nicht oder nur beschränkt wettbewerbsfähigen Wirtschaftsgebieten getrennt werden können, also letztlich zum Kriterium, welche Spielregeln diesem Markt aufzuerlegen sind, um so die Spielräume des Marktes den wirtschaftlichen Tatsachen anzupassen (siehe Miksch 1937b, 12).

35 Somit könnte man Miksch - entsprechend der Einteilung von Karl Brandt (1964, 109ff.) - eher einer Gruppe zuordnen, „die in der Marktform eine strukturelle Gliederung der Märkte erblicken, die nach vorgegebenen Kriterien erfolgt". Eucken hingegen gehört zur Gruppe derer, die „subjektive Momente der Marktplanung mit der strukturell bestimmten Datenlage der Entscheidungseinheiten in Verbindung zu bringen" versuchen. Zurecht betont Brandt hinsichtlich dieser Diskussion, daß „im Prinzip eigentlich nur die Akzente verschieden gesetzt sind".

4 2 • Arnold Berndt und Nils Goldschmidt

Entsprechend deutlich betont Miksch die notwendige Unterscheidung zwischen Marktform und Marktverfassung: „Die Marktform ist eine wirtschaftliche, die Marktverfassung eine juristische Kategorie" (Miksch 1942, 99). Unter dem Einteilungskriterium des Wettbewerbsprinzips lassen sich drei Grundformen der Marktverfassung, die vorgefunden werden, differenzieren: (1.) die freie Konkurrenz, (2.) Formen, die aufgrund privater Marktregelungen zustande gekommen sind, und (3.) Formen der geordneten gebundenen Konkurrenz (also staatliche Lenkung). Die verbleibende wichtige Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist somit die eindeutige Zuordnung der richtigen Marktverfassung zur jeweiligen Marktform. Dies läßt sich letztlich in verschiedenen Detailaufgaben konkretisieren (siehe Miksch 1937b, 25ff): Da die Marktform der vollständigen Konkurrenz für Miksch volkswirtschaftlich wünschenswerte Ergebnisse hervorbringt, sind hier keine besonderen regelnden Markteingriffe nötig, auch wenn sich der „Wettkampf nicht in einer ungeregelten, rechtsfreien Sphäre abspielen" (Miksch 1942, 100) kann, so daß allein die Regeln des allgemeinen Wettbewerbsrechts im Sinne der „freien Konkurrenz" hier Anwendung finden sollen. Auf Märkten hingegen, auf denen die vollständige Konkurrenz hergestellt werden kann (das heißt, es herrschen momentan noch exklusive Marktregelungen), soll die Marktform der vollständigen Konkurrenz erzeugt und, sofern private Machtregelungen oder gebundene Konkurrenz besteht, entsprechend in die Marktverfassung der freien Konkurrenz überfuhrt werden. „Auf den Märkten dagegen, die trotz unvollständiger Konkurrenz im freien Wettbewerb organisiert sind, besteht in der Regel Marktzerrüttung" (Miksch 1937b, 25). Entsprechend müssen in all diesen Märkten private Marktregelungen beziehungsweise die Marktverfassung der freien Konkurrenz durch die der gebundenen Konkurrenz ersetzt werden, da allein durch staatliche Markteingriffe die Störungen beseitigt werden können. Zwingend ist letztlich auch, daß beim Monopol die staatliche Lenkung die adäquate Organisationsform darstellt, da nur mit ihr „die Interessen der Gesamtheit gewahrt bleiben" (Miksch 1937b, 25). Diese Eingriffsforderung, begründet mit gesamtwirtschaftlichen Interessen, stellt einen deutlichen Affront gegen die theoretische Ablehnung von staatlichen Eingriffen dar, welche entweder, so in der Historischen Schule, mit unbeeinflußbaren geschichtlichen Entwicklungsprozessen oder, wie im klassischen Liberalismus, durch eine zu umfassende Vorstellung von Marktharmonie begründet war. Somit ergibt sich nach Miksch folgendes Schema der Kombinationen von Marktverfassungen und Marktformen (Miksch 1937b, 26), wobei die (eingefügten) Pfeile angeben, in welche Richtung der jeweilige wirtschaftspolitische Eingriff wirken soll: 36

36 Miksch merkt zwar selber an, daß „eine eindeutige Festlegung der Begriffe unentbehrlich [ist], wenn keine Verwirrung entstehen soll" (Miksch 1937b, 24), jedoch gelingt ihm dies nur sehr bedingt, da er bei den Marktverfassungen zwar implizit zwischen vorfindlichen und vom Staat herzustellenden Marktverfassungen unterscheidet, dies aber in seinen Ausfuhrungen nicht besonders deutlich formuliert. Lösen könnte man dieses Problem vielleicht dadurch, daß man als weitere Kategorie ,Wirtschaftsverfassung' einfuhrt, ein Begriff, den Miksch häufiger für die staatliche Aufgabe bestimmt, die dann im Idealfall mit der Marktverfassung übereinstimmen kann.

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Abbildung 1: Kombinationen von Marktform und Marktverfassung nach Leonhard Miksch ~~~~~-~~~JvfarktverfassungFreie Konkurrenz Marktform 1 'ollslandi^c Konkurrenz Vollständige Konkurrenz herstellbar

Unvollständige Konkurrenz

Private Marktregelung

Geordnete gebundene Konkurrenz

bleibt